Die abfallwirtschaftsrechtliche Zielhierarchie nach dem neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz [1 ed.] 9783428490844, 9783428090846

Thema der Arbeit ist die abfallwirtschaftsrechtliche Zielhierarchie nach dem neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgeset

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Die abfallwirtschaftsrechtliche Zielhierarchie nach dem neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz [1 ed.]
 9783428490844, 9783428090846

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PETER SCHIMANEK

Die abfallwirtschaftsrechtliche Zielhierarchie nach dem neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz

Schriften zum Umweltrecht Herausgllgeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, BerHn

Band 78

Die abfallwirtschaftsrechtliche Zielhierarchie nach dem neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Von

Peter Schimanek

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Schimanek, Peter:

Die abfallwirtschaftsrechtliche Zielhierarchie nach dem neuen Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz I von Peter Schimanek. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 78) Zugl.: Gießen, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-09084-5 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-09084-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9

Vonvort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1996 bei dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen als Dissertation eingereicht. Die Untersuchung wurde im Januar 1996 abgeschlossen. Rechtsprechung und Literatur konnten nur bis Januar 1996 berücksichtigt werden. Herzlich danke ich meinem akademischen Lehrer, meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Klaus Lange für die Betreuung und die umgehende Erstellung des Erstgutachtens. Besonderen Dank schulde ich ebenfalls Herrn Prof. Dr. Reinhard Steiger für seine Unterstützung und die Übernahme des Zweitgutachtens. Die Anregungen beider habe ich gerne aufgenommen. Schließlich gilt mein besonderer Dank auch Rechtsanwalt Dr. Clemens Weidemann, der mir durch zahlreiche lange Diskussionen Gelegenheit gab, meine Argumentation kritisch zu überprüfen. Schließlich ist hervorzuheben, daß die Arbeit nicht in der kurzen Zeit zustande gekommen wäre, wenn mir die Sozietät Gleiss Lutz Hootz Hirsch & Partner nicht ihre umfassende Bibliothek zur Verfügung gestellt hätte. Mein Dank gilt schließlich auch Herrn Prof. Dr. Norbert Simon und Herrn Prof. Dr. Michael Kloepfer für die freundliche Aufnahme der Arbeit in die Reihe Schriften zum Umweltrecht. Stuttgart, im Februar 1997 Peter Schimanek

Inhaltsverzeichnis Einleitung

19

Erster Teil

Historischer Hintergrund

20

A. AbfG 1972............... ......................................................................................... ...

20

B. Das Abfallwirtschaftsprogramm '75................................................................ ....

22

C. Das BImSchG......................................................................................................

22

D. Das AbfG 1986....................................................................................................

23

E. Die VerpackV......................................................................................................

24

F. SRU 1990............................................................................................................

25

Zweiter Teil

Die Abfallvermeidung

26

A. Die abfallwirtschaftsrechtliche Abfallvermeidung. ........................................ .....

26

I. Der Vorrang der abfallwirtschaftsrechtlichen Abfallvermeidung..................

28

I. Der Streit über den Vorrang der Abfallvermeidung im nationalen Gesetzgebungsverfahren.. .......... .... ............... .......................... ....... .........

28

2. Die Umsetzung der Rahmenrichtlinie 911156/EWG...............................

30

11. Der abfallwirtschaftsrechtliche Vermeidungsbegriff des KrW-/AbfG..........

35

1. Abfallvermeidung im Produktionsbereich..............................................

36

a) Der Anlagenbezug des Abfallwirtschaftsrechts......... ................ ... ....

36

b) Die Abgrenzung von Vermeidung und Verwertung.........................

37

aa) Der Prozeßbezug des abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriffs................................................................ .... ..... ..... 38

8

Inhaltsverzeichnis bb) Der Bezug des abfallwirtschaftsrechtlichen Venneidungsbegriffs auf geschlossene technische Systeme................................

39

ce) Die Stoftbezogenheit des abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriffs............................................................... .........

42

2. Abfa\lvenneidung im Produkt- und Konsumbereich..............................

43

B. Das Verhältnis von abfallwirtschafts- und immissionsschutzrechtlicher Vermeidung unter Berücksichtigung der "anlageninternen Verwertung".................

43

I. Die Kongruenz der Abfallbegriffe und ihre Konsequenzen.................. ........

44

1. Die Übernahme des abfallwirtschaftsrechtlichen Abfallbegriffs in das Immissionsschutzrecht......................................................................

44

2. Die Konsequenzen aus der Übernahme des abfallwirtschaftsrechtlichen Abfallbegriffs...................................................................... .........

47

a) Der Reststoffbegriff des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG a.F.....................

47

b) Die Unterschiede zum abfallwirtschaftsrechtlichen Abfallbegriff......

50

aa) Keine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG durch das Erfordernis der tatsächlichen Sachherrschaft............... ............ .............................................. ...........

50

bb) Die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSehG...........................................................................

51

11. Die Kongruenz abfallwirtschaftsrechtlicher und immissionsschutzrechtlicher Venneidung.........................................................................................

53

l. Meinungsstand zum Venneidungsbegriffdes § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F.............................................................................. ...........

53

a) Die prozeßorientierte Sichtweise................................................ ......

54

b) Die anlagenorientierte Sichtweise.....................................................

55

2. Der Venneidungsbegriffin § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG in der Fassung des Gesetzes zur Venneidung, Verwertung und Beseitigung von Abflillen........................................................................................... ............

56

a) Meinungsstand..................................................................................

57

aa) Die Beibehaltung des bisherigen Venneidungsbegriffs..............

57

bb) Die Einschränkung des Venneidungsbegriffs durch die Anerkennung der anlageninternen Verwertung..................................

58

Inhaltsverzeichnis

9

cc) Die Einfllhrung eines prozeßorientierten Vermeidungsbegriffs .. 58 b) Vergleichende Betrachtung der Konsequenzen dieser Ansichten ...... 59 aa) Die Auswirkungen auf die Reichweite der Vermeidungs- und Verwertungspflichten im Hinblick auf das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ............................................

59

aaa) Die Auswirkungen auf den Prüfungsumfang ......................

59

bbb) Die Auswirkungen auf die Vorrangregelungen ..................

63

bb) Die Auswirkungen auf die behördliche Überwachung ...............

64

cc) Die Auswirkungen auf nachträgliche Anordnungen ...................

66

c) Die Angleichung des immissionsschutzrechtlichen Vermeidungsbegriffs an den abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriff.._.

67

d) Die Vereinbarkeit der fehlenden Angleichung mit EG-Recht.. .........

73

3. Der Umfang der Spezialität des Immissionsschutzrechts........................

74

a) Die Spezialitätsklausel des Abfallwirtschaftsrechts..........................

74

b) Die Unberührtheitsklausel des Abfallwirtschaftsrechts ................ _...

76

c) Exkurs: Stoflbezogene Anforderungen an die anlageninteme Verwertung............................................................................ ...........

78

C. Abfallwirtschaftsrechtliche Vermeidung und Produktverantwortung.................

81

I. Die rechtliche Bedeutung der Produktverantwortung ohne verordnungsmäßige Konkretisierung....... ...... .................. ............. ................... .................

81

1. Adressat..................................................................................................

82

2. Pflicht. ....... .... ................................................. ..................... ....... ... ... ......

83

a) Das Rechtsgebot des § 22 Krw-/AbfG..............................................

83

b) Der Verordnungsvorbehalt des § 22 Abs. 4 Krw-/AbfG...................

84

3. Rechtscharakter des § 22 Abs. I, Abs. 2 KrW-/AbfG.............................

85

11. Die verfassungsrechtliche Problematik der Änderungsvorbehaltsverordnung ..............................................................................................................

87

1. Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes.................................... .....

87

2. Verletzung des Rechtsstaatsprinzips................................................ .......

88

10

Inhaltsverzeichnis

D. Die Regelungen über den Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung...........

91

I. Die Vorrangregelungen des Abfallwirtschaftsrechts.....................................

91

11. Die Vorrangregelungen des Immissionsschutzrechts....................................

92

Dritter Teil

Die Abfallverwertung

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung............................................................. .........

94 94

I. Die Bedeutung des Anhangs 11 B des KrW-/AbfG rur den Rechtsbegriff der Verwertung.............................................................................................. 94

1. Abschließender Charakter des Anhangs 11 B aufgrund der Umsetzung des ebenfalls abschließenden Anhangs 11 B der Richtlinie des Rates 91/156/EWG........................................................................................... 95 2. Abschließender Charakter des Anhangs 11 B des Krw-/AbfG.................

96

11. Die stoffliche Verwertung.............................................................................

98

1. Die Gewinnung von Stoffen .......................................................... _........

98

2. Die Nutzung stofflicher Eigenschaften der Abflille........................... _....

99

a) Ähnliche Regelungen in verwandten Regelungsbereichen...............

99

b) Die Definition des Krw-/AbfG................................................... ...... 101 3. Die Bestimmung des Hauptzwecks......................................................... 103 a) Die zwecksetzende Person....................................................... ......... 104 aa) Die Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F............. 104 bb) Das Krw-/AbfG................................................................. ......... 105 aaa) Die Ve~ertungspflicht....................................................... 106 (1) Der Begriff der Überlassungspflicht.... ........ ................... 107 (2) Die Ausnahmen des § 13 Abs. 1 Satz 1 Krw-/AbfG von der Grundpflicht des § 5 Abs. 2 Satz 1 Krw-/AbfG ....... 107 (a) Abflille aus privaten Haushaltungen ..................... _.. 107 (b) Abflille aus anderen Herkunftsbereichen.. ................ 109

Inhaltsverzeichnis

11

bbb) Die Pflicht zur eigenen Durchführung der Verwertung...... 110 b) Die Abgrenzung von Haupt- und Nebenzweck................................ 112 aa) Die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte................................ 113 aaa) Die Nutzung........................................................................ 113 bbb) Die wirtschaftliche Betrachtungsweise............................... 114 (1) Der Gewinn, die Kosten und das Entgelt. ....................... 115 (a) Die Kosten........................................................ ....... 115 (aa) Der Kostenbegriff............................................. 115 (bb) Die Problematik der den Erlös übersteigenden Kosten............................................................... 117 (b) Das Entgelt............... ................................. ....... ........ 119 (aa) Das Entgelt als Erlös......................................... 120 (bb) Das Entgelt als Kostenfaktor............................ 120 (2) Der Markt....................................................................... 121 (3) Der Massenanteil............................................................ 123 (4) Zwischenergebnis zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise .............................................................................. 123 ccc) Die Verunreinigungen......................................................... 124 ddd) Die Beseitigung des SchadstoffpotentiaIs.......................... 126 eee) Die Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit der Verwerwertung................................................................................ 128 ffl) Die Einordnung in die Verfahrensbeschreibung der Anhänge................ ..................................................... ......... 129 bb) Beurteilungsmaßstäbe................................................................. 129 aaa) Die subjektive Zwecksetzung der Verwerter....................... 129 bbb) Die Beurteilung nach dem äußeren Erscheinungsbild der Maßnahme... ................................................................. 130 ccc) Die Erfullung einer Rechtspflicht........................................ 110 III. Die energetische Verwertung............................................................... ......... 133

12

Inhaltsverzeichnis 1. Das Verhältnis von § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) Krw-/AbfG zu § 4 Abs. 4 Krw-/AbfG.............................................................................................. 134

2. Der Einsatz als Ersatzbrennstoff..................................................... ........ 137 a) Parallelen zur 17. BImSchV...................................................... ....... 138 b) Unmittelbare und gezielte Energiegewinnung.................................. 141 3. Die Bestimmung des Hauptzwecks......................................................... 142 a) Verunreinigungen, anfallende Abfälle und entstehende Emissionen. 143 b) "Relatives" Vermischungsverbot................................................ ...... 144 c) Die Bedeutung technischer Optimierung als objektiver Beurteilungsmaßstab.......................................................................... .......... 146 4. Die Bedeutung des § 6 Abs. 2 Krw-/AbfG für die Beurteilung des Hauptzwecks im Rahmen der Prüfung nach § 4 Abs. 4 Krw-/AbfG....... 146 a) Regelung des Vorrangverhältnisses.................................................. 147 b) Auslegungsregel.. .................................................................... ......... 148 c) Fiktion................................................................................... ........... 149 d) Die Regelungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 Krw-/AbfG als tatbestandliche Ergänzung des § 4 Abs. 4 Krw-/AbfG ..... ........... 150 aa) Heizwert..... .... ........... .................. ...... ...... ......................... .. ........ 150 bb) Wärmenutzung ........................................................................... 151 5. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs. 2 Krw-/AbfG............ 153 a) Der Heizwert des einzelnen Abfalls.................................................. 153 b) Der Feuerungswirkungsgrad............................................................. 153 c) Die Abwärmenutzungspflicht... ........................................................ 154 B. Das Verhältnis von stofflicher und energetischer Verwertung............................. 156 I. Die Problematik des Dualismus der Verwertungsarten.... ...... ...... ................. 156

1. Die Bedeutung der Problematik....................................................... ....... 156 2. Einheitlicher Verwertungsbegriff............................................................ 157 11. Die Vorrangregelungen.. ........ ...... .................................................. ...... ...... ... 160

Inhaltsverzeichnis

13

1. Der Grundsatz der Gleichrangigkeit von stofflicher und energetischer Verwertung............................................. ..................................... ........... 160 2. Der Vorrang der umweltverträglicheren Verwertungsart........................ 160 a) FestIegung durch Rechtsverordnung................................................. 160 b) Entscheidung im EinzelfalL........................... ................... .............. 161

c. Das Verhältnis von Verwertung und Beseitigung............................................... 163 I. Die technische Möglichkeit der Verwertung................................................. 164 1. Stand der Technik......................................................................... .......... 164 2. Subjektive oder objektive Interpretation.......................................... ... .... 166 3. Einbeziehung ökologischer Belange....................................................... 168 11. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit.................................................................. 168 III. Die Umweltverträglichkeit............................................................................ 171 IV. Maßnahmen der Forschung und Entwicklung............................................... 173 D. Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Verwertung............................... 174 I. Das Gebot der ordnungsgemäßen Verwertung.............................................. 174 1. Die Bedeutung der ChemVerbotsVO...................................................... 175 2. Die Bedeutung der GefahrstoffVO........ ........................ ............... ........... 177 11. Das Gebot der schad losen Verwertung.............................. ............. ....... ........ 177 BI. Das Gebot der hochwertigen Verwertung ...................................................... 178 1. Die Bedeutung der Vorschrift.... ........ ...... ................ ........ ......... ...... ... ..... 178 a) Rechtsptlicht............. ..... ................ ........ .................. ........ ...... ........... 178 b) Die Bedeutung........................... .............................................. ......... 179 2. Die Hochwertigkeit. ................................................................................ 180 a) Ökologische Hochwertigkeit............................................................. 180 b) Wirtschaftliche Hochwertigkeit................................................. ....... 182

14

Inhaltsverzeichnis

c) Hochwertigkeit als Verbot des Downcyclings.................................. 184 aa) Der Inhalt des Downcyclings........... ............ .......... ........ ........ ..... 185 bb) Das Verbot....................... ........................................................... 185

Vierter Teil

Die Abfallbeseitigung

188

Fünfter Teil

Praktische AnwendungsfliIle

190

A. Der Bergversatz und die Verftlllung von Tagebauten ................................... _..... 190

I. Die Beurteilungsgrundlagen.......... ....................................... ........ ........... ...... 190 1. Bergversatz (OVG Saarlouis)......................................................... ........ 191 2. Tagebau (OVG Koblenz, BVerwG) ........................................................ 192 11. Die rechtliche Beurteilung nach dem Krw-/AbfG ......................................... 193 III. Insbesondere: Die Wertung des § 7 Abs. 2 Krw-/AbfG ................................ 195 B. Die hüttentechnische Verwendung von Altkunststoffen im Hochofen zur Roheisenherstellung................................. .. ...... ............ ...... ................. .... ........... ........ 195

I. Die verfahrensbezogenen Beurteilungsgrundlagen. ...................................... 196 11. Die rechtliche Bewertung......................... .... .................. ........ ...... .... ....... ...... 197 1. Verwertung oder Beseitigung.................................................................. 197 a) Das äußere Erscheinungsbild........................................ ............ ........ 198 b) Die naturwissenschaftlich-technische Sichtweise........................ ..... 198 c) Die objektivierte Zwecksetzung des Hochofenbetreibers .................. 199 2. Stoffliche oder energetische Verwertung ................................................ 200

c.

Klärschlamm........ ....... ...... ....... ...................................... ...... ...... ............. .... ........ 20 I

Inhaltsverzeichnis

15

I. Beurteilungsgrundlagen ................................................................................ 201 11. Die rechtliche Beurteilung....................................................................... ...... 202 D. Bauschutt............................................................................................................. 204 E. Galvanikschlämme in der Klinkerherstellung..................................................... 206

I. Beurteilungsgrundlagen....................................................... ......... ................. 206 11. Die rechtliche Beurteilung.......... ............................. ........................... ..... ...... 207

Sechster Teil

Zusammenfassung

208

Literaturverzeichnis.......... ...................................... .............. ...................... ... .... ........ 212 Sachverzeichnis................ .............. ........................ ..................... .... ...... .. ......... ..... .... 221

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. AbfG 1972 AbfG 1986 AbfKlärV ABI. Abs. AbwAG a.F. AlIgVr Alt. AltölV Anm. ArgrarR Art. AtG Aufl. BBergG Bd. BFHE BGB BGBI. BlmSchG 13. BImSchV 17. BImSchV BR-Drs. BT-Drs. BVerfGE BVerwG BVerwGE ChemG ChemVerbotsV ders. DÖV DVBI.

anderer Ansicht am angegebenen Ort Abfallgesetz vom 07. Juni 1972 Abfallgesetz vom 27. August 1986 Klärschlammverordnung Amtsblatt Absatz Abwasserabgabengesetz alte Fassung Allgemeines Verwaltungsrecht Alternative Altölverordnung Anmerkung Argrarrecht (Zeitschrift) Artikel Atomgesetz Auflage Bundesberggesetz Band Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesimmissionsschutzgesetz Verordnung über Großfeuerungsanlagen Verordnung über Verbrennungsanlagen fIlr Abfälle und abfallähnliche Stoffe Bundesrats-Drucksache Bundestags-Drucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Chemikaliengesetz Chemikalienverbotsverordnung derselbe Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)

Abkürzungsverzeichnis EG Einl. ET EuGH Slg. EuR

FAZ ff FS GefStoffV GenTG GewArch GG GK-BImSchG GMBI. HdbStr HdwUmwR HKWAbfV i.V.m. KA KrW-/AbfG LAI LKV MuA MusterVwV m.w.N. NJW Nr. NuR NVwZ NVwZ-RR NWVBI. OVG Rdnr. S. Sp. SRU Steno Prot. TA-Abfall UmwhaftG UmwR UPR UTA UVPG 2 Schimanek

17

Europäische (Wirtschafts-)Gemeinschaft Einleitung Energiewirtschaftliche Tagesfragen Zeitschrift) Amtliche Sammlung des Europäischen Gerichtshofs Europarecht (Zeitschrift) Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Festschrift Gefahrstoffverordnung Gentechnikgesetz Gewerbearchiv (Zeitschrift) Grundgesetz Gesamtkommentar zum Immissionsschutzrecht Gesetz- und Ministerialblatt Handbuch des Staatsrechts Handwörterbuch des Umweltrechts Verordnung über die Ensorgung halogenisierter Lösungsmittel in Verbindung mit Korrespondenz Abwasser (Zeitschrift) Kreislaufwirtschaftsund Abfal1gesetz Länderausschuß fllr Immissionsschutz Landes- und Kommunalverwaltung (Zeitschrift) Müll und Abfal1 (Zeitschrift) Musterverwaltungsvorschrift mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer Natur und Recht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift fllr Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift fllr Verwaltungsrecht, Rechtsprechungsreport Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Oberverwaltungsgericht Randnummer Seite Spalte Sachverständigenrat fiir Umweltfragen Stenographische Protokolle des Bundesrates Technische Anleitung Abfall Umwelthaftungsgesetz Umweltrecht Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift) Umwelt, Technologie, Aktuell (Zeitschrift) Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung

18 UVPVwV VerfR VerpackV VerwArch VG VGH vgl. WiVerw z.B. ZfW Ziff. ZRP ZUR

Abkürzungsverzeichnis Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die UmweltverträglichkeitsprUfung Verfassungsrecht Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfllllen Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) zum Beispiel Zeitschrift für Wasserrecht Ziffer Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Umweltrecht

Einleitung Die Arbeit behandelt die abfallwirtschaftsrechtliche Zielhierarchie des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz vom 27.09.1994, KrW-/AbfG)l. Die Begriffe Abfallwirtschaft und Abfallwirtschaftsrecht unterscheiden sich von denen des Abfall(beseitigungs-)rechts und der Kreislaufwirtschaft bzw. des Kreislaufwirtschaftsrechts. Der Titel der Arbeit soll klarstellen, daß das neue Abfallrecht durch eine von Abfallvermeidung und -verwertung geprägte, mithin auch wirtschaftliche Sichtweise gekennzeichnet ist. Zum anderen wird dadurch klargestellt, daß die Kreislaufwirtschaft keine "höhere Entwicklungsstufe" der Abfallwirtschaft ist, was der Titel des neuen Abfallgesetzes und der Wortlaut des § 1 KrW-/AbfG nahelegen könnten. 2 Von den Zielen im Sinne der abfallwirtschaftsrechtlichen Zielhierarchie sind die Ziele der Kreislaufwirtschaft zu unterscheiden. Die "Ziele der Kreislaufwirtschaft" erwähnt das KrW-/AbfG in §§ 22 Abs. 1,25 Abs. 2. Nach § 25 Abs. 2 KrW-/AbfG gehören die in §§ 4, 5 KrW-/AbfG aufgeftlhrten Grundsätze und Grundpflichten zu den Zielen der Kreislaufwirtschaft. Ferner gehört wohl auch die "Schonung der natürlichen Ressourcen" (§ 1 KrW-/AbfG) zu den Zielen der Kreislaufwirtschaft. 3 Der Zielbegriff der abfallwirtschaftsrechtlichen Zielhierarchie soll hier demgegenüber in einem engeren Sinne verwendet werden. Ziele sind hier die Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen. Das Verhältnis dieser Ziele zueinander bestimmt die zwischen ihnen bestehende Ziel- und Pflichtenhierarchie des KrW/AbfG. In dieser Arbeit sollen der Inhalt der Ziele und die zwischen ihnen bestehende Hierarchie geklärt werden.

BGBI. I, S. 2705 ff. Zur Auslegung des Begriffs der Kreislaufwirtschaft, Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 1, Rdnr. 37 und § 4, Rdnr. 57. 3 Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 1, Rdnr. 36. 1

2

Erster Teil

Historischer Hintergrund Bevor auf die abfallwirtschaftsrechtliche Zielhierarchie nach dem neuen KrW-/AbfG eingegangen wird, ist es sinnvoll, zum besseren Verständnis einen Überblick über die historische Entwicklung des Abfallrechts im Hinblick auf die Ziele, Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen zu geben. 1 Einzelne Gesichtspunkte dieser Entwicklung werden, soweit erforderlich, an den betreffenden Stellen erneut und vertieft aufgegriffen.

A. Das AbfG 1972 Vor Bestehen eines besonderen Abfallgesetzes gab es zwar abfallrechtliche Regelungen, diese waren aber auf die kommunale, Landes- und Bundesebene verstreut. 2 Das erste abfallrechtliche Fachgesetz war das Gesetz über die Beseitigung von Abfällen vom 07. Juni 1972 (AbfG 1972).3 Wie schon sein Titel ("Gesetz über die Beseitigung von Abfällen")4 zum Ausdruck bringt, bestand das Ziel des AbfG 1972, angesichts der damals hohen Zahl ungesicherter Müllkippen, im wesentlichen in der umweltgerechten Abfallbeseitigung durch geordnete Abfalllagerung. 5 Die Abfallbeseitigung umfaßte nach § 1 Abs. 2 AbfG 1972 das Einsammeln, Befördern, Behandeln und Lagern der Abfälle. Nach § 2 AbfG 1972 waren Abfälle so zu beseitigen, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Nach § 3 AbfG 1972 waren grundsätzlich die nach Landesrecht zuständigen öffentlichrechtlichen Körperschaften beseitigungspflichtig. Vermeidung und Verwertung von Abfällen spielten im Abfallrecht noch keine

I Vgl. dazu knapp und instruktiv Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen vom September 1990 "Abfallwirtschaft" (im folgenden als SRU abgekürzt), BT-Drs. 1118493, Tz. 86-90, S. 39-42. 2 Vgl. Bartlsperger, VerwArch 1995, S. 32 ff(35). 3 BGBI. 1972, I, S. 873; vgl. dazu Bartlsperger, VerwArch 1995, S. 32 ff(35/36). 4 Hervorhebung nicht im Original. 5 Beckmann, NWVBI. 1995, S. 81 ff (82).

A. Das Abm 1972

21

Rolle. Die Abfallverwertung fUhrte aus dem Abfallrecht heraus. Denn § 1 Abs. 1 l. Alt. AbfG 1972 normierte bereits den sog. "subjektiven" Abfallbegriff. Danach sind bewegliche Sachen Abfall, wenn sich der Besitzer ihrer entledigen will. Entledigen in diesem Sinne ist die Gewahrsamsaufgabe zum alleinigen Zweck der Befreiung. Werden mit der Gewahrsamsaufgabe zugleich andere Zwecke verfolgt, beispielsweise die Veräußerung oder Schenkung der Sache oder ihre Verwertung als Rohstoff, liegt keine Entledigung vor,6 mithin kein Abfall im subjektiven Sinne. Es kann sich dann nur noch um Abfall im "objektiven" Sinne handeln. Eine bewegliche Sache ist nach § 1 Abs. 1 2. Alt. AbfG 1972 Abfall im objektiven Sinne, wenn deren geordnete Beseitigung zur Wahrung des Wohls der Allgemeinheit geboten ist. Sind auch die Voraussetzungen des objektiven Abfallbegriffs nicht gegeben, liegt überhaupt kein Abfall vor. Drei Änderungsgesetze in den Jahren 1976-1985 novellierten das AbfG 1972 punktuell. 7 Das erste Änderungsgesetz aus dem Jahr 19768 ftlhrte Regelungen zum Betriebsebeauftragten in das Abfallrecht ein und stellte zusätzliche Anforderungen an die Beseitigung von besonders gefährlichem Industriemüll. Der Betriebsbeauftragte war verpflichtet, auf die Einftlhrung von Verfahren zur Reduzierung und Wiederverwendung von Abfall hinzuwirken. Das zweite Änderungsgesetz von 19829 diente vor allem der Vervollständigung der gesetzlichen Voraussetzungen ftlr eine umweltschonende Klärschlammverwertung. Das dritte Änderungsgesetz von 1985 10 war eine Reaktion auf den

6 Zum insoweit nicht abweichenden subjektiven Abfallbegriff des AbfG 1986, BVerwG, DÖV 1983, S. 600 f; VGH BW, GewArch 1990, S. 425 f; OVG NW, NVwZ 1983, S. 561; Hess VGH, NJW 1987, S. 393 f; HoppelBeckmann, UmwR, § 28, Rdnr. 9; Hösel/v. Lersner, AbfG, § I, Rdnr. 6; Schwermer, in: KJSN, AbfG, § I, Rdnr. 15. Dazu ist anzumerken, daß die Akzente bei der Beantwortung der Frage, wann es an einer Entledigungshandlung fehlt, nach der neueren Rechtsprechung unterschiedlich gesetzt werden. Nach Ansicht des VGH Baden-Württemberg reicht es aus, wenn zwischen Besitzer und Erwerber Einigkeit besteht, daß der Erwerber die Sache einer neuen Verwendung oder Verwertung zuführt (VGH BW, GewArch 1990, S. 425 t). Demgegenüber liegt nach Auffassung des BVerwG und der Literatur eine Entledigung dann nicht vor, wenn der Besitzer sich oder einem anderen einen Vorteil einräumen will (BVerwG, DÖV 1983, S. 600 f.; HoppelBeckmann, UmwR, § 28, Rdnr. 9). 7 Vg\. dazu Bartlsperger, VerwArch 1995, S. 32 ff (36) und Versteyl, in: KJSN, AbfG, Ein\., Rdnm. 10-14. 8 Vom 21. Juni 1976, BGBI. I, S. 1601. 9 Vom 4. März 1982, BGB\. I, S. 281. 10 Vom 31. Januar 1985, BGBI. I, S. 204.

22

Erster Teil: Historischer Hintergrund

ungeklärten Verbleib der Abftille aus Seveso ("Dioxin-Skandal")ll und auf die Probleme der (Sonder-) Abfallentsorgung der BRD in der damaligen DDR ("Schönberg"). Es enthielt eine Neuregelung des grenzüberschreitenden Verkehrs und seiner Überwachung.

B. Das Abfallwirtschaftsprogramm '75 Die auf die Abfallbeseitigung konzentrierte Sichtweise änderte sich jedoch in den 70er Jahren mit zunehmender Kenntnis vom Schadstoffgehalt mancher Abfälle und der Besorgnis um den Verlust von Rohstoffen und Energien. Insbesondere die Ölkrise von 1973 löste Überlegungen aus, Abftille zur Ressourcenschonung und zur Verringerung der Abhängigkeit von Rohstoffimporten zu verwerten. So bezweckte die Bundesregierung mit ihrem Abfallwirtschaftsprogramm 1975 "... den Rohstoffkreislauf im Wirtschaftsprozeß soweit wie möglich zu fördern".12 Neben einer Reduzierung des Abfallaufkommens und einer schadlosen Beseitigung von Abftillen hatte das Abfallwirtschaftsprogramm das Ziel, die Nutzbarrnachung von Abftillen zu steigern, insbesondere durch ihre Verwertung als Rohstoff im Produktionsprozeß, durch die Ausnutzung des Energiegehalts und die Rückfiihrung in biologische Kreisläufe. 13 Das Abfallwirtschaftsprogramm '75 bezweckte eine Verwertung von Abfällen. Damit klingen in ihm Gedanken an, die sich nunmehr in der Konzeption des KrW-/AbfG normativ niederschlagen. 14

C. Das BlmSchG Die erste Regelung der Verwertung und zugleich eine Regelung des Vorrangs der Verwertung vor der Beseitigung enthielt § 5 Nr. 3 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und andere Vorgänge (Bundesimmissionsschutzgesetz) von 1974 (BImSchG 1974).15 Nach § 5 Nr. 3 BImSchG 1974 waren genehm igungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß die beim Betrieb der Anlage entstehenden Reststoffe ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder, soweit dies technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, als Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden. Diese Vorschrift wurde 1985 11 Vgl. dazu BR-Drs. 409/83, S. 1 und BT-Drs. 10/2161, S. 1, 10, 12; vg\. ferner Bartlsperger, VerwArch 1995, S. 32 tT(36, Fn. 12). 12 Abfallwirtschaftsprogramm '75, vom 4. März 1976, BT-Drs. 7/4826, S. 3. 13 BT-Drs. 7/4826, S. 3. 14 Dazu auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(632). 15 BGB\. 1974, I, S. 721.

D. Das AbfG 1986

23

durch das Gebot der Reststoffvenneidung ergänzt. 16 Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG besitzen Venneidung und Verwertung Vorrang vor der Beseitigung, wenn sie technisch möglich und nicht unzumutbar sind. Venneidung und Verwertung sind grundsätzlich gleichrangig, sofern die Verwertung ordnungsgemäß und schadlos erfolgt. Es handelt sich also um relative Vorrangverhältnisse. Im einzelnen wird diese Regelung noch später aufgegriffen.

D. Das AbfG 1986 Erst die vierte Novelle des Abfallrechts, das Gesetz über die Venneidung und Entsorgung von Abfällen vom 27. August 1986 (AbfG 1986)17 führte die abfallrechtliche Venneidung ein. Nach § 1 a Abs. 1 Satz 1 AbfG 1986 sind Abfälle zu venneiden, d.h Abfälle dürfen gar nicht entstehen. 18 Die Vorschrift enthält jedoch keine unmittelbar verbindlichen Regelungen zur Abfallvenneidung. Dafür verweist sie auf Rechtsverordnungen nach § 14 AbfG 1986. Diese Rechtsverordnungen ennöglichen Regelungen des Produktbereichs, bevor die Produkte durch Gebrauch oder Verbrauch zu Abfall werden. 19 Das Venneidungsgebot des § 1 a Abs. 1 Satz 1 AbfG ist daher keine unmittelbar geltende Rechtspflicht. 20 Aus diesem Grund ist die Abfallvenneidung "... lediglich eine Handlungsdirektive für ein gegenständlich beschränktes Verordnungsennessen der Bundesregierung geblieben". 21 Unklar ist, ob die Venneidung Vorrang vor der Verwertung besitzt oder nicht. 22 Die übergeordnete Zwecksetzung des AbfG 1986 besteht in der Abfallentsorgung und nicht mehr ausschließlich in einer gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung. 23 Das AbfG 1986 fUhrt den Begriff der Abfallentsorgung und als dessen Unterfall den der Abfallverwertung ein (§ lAbs. 2 AbfG 1986).

Gesetz vom 4. Oktober 1985, BGB!. I, S. 1950. BGB!. 1986, I, S. 1410 in der Fassung vom 27. Juni 1994, BGB!. I, S. 1440. 18 Vg!. Versteyl, in: KJSN, AbfG, § 1 a, Rdnr. 1. 19 Vg!. SRU, BT-Drs. 11/8493, Tz. 169, S. 58. 20 Bartlsperger, VerwArch 1995, S. 32 ff(41); vg!. auch Versteyl, in: KJSN, AbfG, § 1 a, Rdnr. 2. 21 So Bärtlsperger, VerwArch 1995, S. 32 ff (42); vg!. auch SRU, BT-Drs. 11/8493, Tz. 154, S. 55. 22 Vg!. dazu Versteyl, in: KJSN, AbfG, § 1 a, Rdnr. 8; vg!. ferner Hösel/v.Lersner, AbfG, § 1 a, Rdnr. 2 und HoschützkylKeft, AbfG, § 1 a, Anm. 1; vg!. auch Rummler/Schutt, VerpackV, S. 78/79. 23 Vg!. BVerwG, DVB!. 1993, S. 1139 ff (1140); vg!. auch Franßen, FS Redeker, S. 457 ff(457); vg!. Bartlsperger, VerwArch 1995, S. 32 ff(38); zum Verhältnis zu den Vermeidungs- und Verwertungsgeboten des BImSchG vg!. auch ders., a.a.O., S. 39. 16

17

24

Erster Teil: Historischer Hintergrund

Das AbfG 1986 definiert Abfallverwertung als Gewinnen von Stoffen oder Energie aus Abfällen. Die Nutzung der Abfälle wurde vor allem aus zwei Gründen angestrebt. Zum einen stand der wirtschaftliche Aspekt der Nutzung als Sekundärrohstoff im Vordergrund. Zum anderen verfolgt das Gesetz in ökologischer Hinsicht die Verhinderung von Umweltbelastungen. 24 Die Vorschrift des § I a Abs. 2 AbfG 1986 enthält ein Verwertungsgebot. Verwertung umfaßt nach § lAbs. 2 AbfG 1986 das Gewinnen von Stoffen oder Energie aus Abfällen. Die Verwertung hat nach § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986 unter gewissen Voraussetzungen Vorrang vor der sonstigen Entsorgung. Es existiert somit eine Art Hierarchie zwischen Verwertung und sonstiger Entsorgung. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AbfG sind grundsätzlich die nach Landesrecht zuständigen Körperschaften des öffentlichen Rechts entsorgungspflichtig. Eine Vorrangregelung rur das Verhältnis der Verwertungsarten fehlt. 25 Liegt kein Abfall im objektiven Sinne vor und wird der Stoff privatwirtschaftlieh verwertet, liegt auch kein Abfall im subjektiven Sinne vor. Da kein "Abfall" vorliegt, fUhrt die privatwirtschaftliehe Verwertung, wie schon unter dem AbfG 1972, aus dem Abfallrecht hinaus.

E. Die VerpackV Die aufgrund des § 14 AbfG 1986 erlassene Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen vom 12. Juni 1991 (VerpackV)26 normiert in § 1 Abs. 2 VerpackV die Ziele der Produkt- bzw. Stoffminimierung und der Herstellung wiederverwendbarer Produkte.27 Über die in §§ 4 Satz 1, 5 Abs. 3 Satz 2,6 Abs. 2 Satz 1 VerpackV enthaltenen Pflichten der Hersteller und Vertreiber, Transportverpackungen, Umverpackungen und Verkaufverpackungen grundsätzlich zurückzunehmen und einer erneuten Verwendung oder einer stofflichen Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung zuzufUhren, versucht die VerpackV neue Vermeidungspotentiale zu erschließen. 28 Die (stoffliche) Verwertung wird als eine Form der Vermeidung eingestuft (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 VerpackV). Die Rücknahme-, Verwendungs- und Vermeidungspflichten entfallen fUr Hersteller und Vertreiber nach § 6 Abs. 3 VerpackV, wenn sie sich an einem

24 Vg!. SRU, BT-Drs. 1118493, Tz. 89, S. 42. 2S Vg!. dazu auch SRU, BT-Drs. 1118493, Tz. 148, S. 54: stoffliche und energetische Verwertung seien gleichrangig. 26 BGB!. 1991, I, S. 1234, in der Fassung vom 26. Oktober 1993, BGB!. I, S.1782. 27 Vg!. dazu auch RummlerlSchutt, VerpackV, S. 23/24 und S. 78. 28 Bartlsperger, VerwArch 1995, S. 32 ff(43).

F. SRU 1990

25

System beteiligen, das die flächendeckende Abholung von Verkaufverpackungen gewährleistet und bestimmte Anforderungen des Anhangs zur VerpackVerfüllt. Diese Vorschrift ermöglicht die EinfUhrung dualer Entsorgungssysterne. 29

F. SRU 1990 Der Rat von Sachverständigen fUr Umweltfragen sah in seinem Sondergutachten "Abfallwirtschaft" vom September 1990 den Ausbau von Vermeidung und Verwertung von Abfällen als die wichtigste zukunftsweisende Option an. 30 Dabei sollten Vermeidung und Verwertung im Produktions- und Konsumbereich grundsätzlich Vorrang zukommen. Abfälle sollten beseitigt werden, wenn sie nicht vermeidbar und verwertbar sind. 31 Der Rat empfahl, die bestehenden gesetzlichen Regelungen dringend zu ändern. 32 Abfallvermeidung und -verwertung sollten am Maß ihrer Umweltentlastung gemessen werden. 33 Als ergänzendes und langfristiges Ziel der Abfallwirtschaft sollte die optimale Nutzung der Ressourcen einbezogen werden. 34 Vermeidung und Verwertung sollten u.a. dUrch einen Ausbau der Rücknahmeverpflichtungen fUr Produkte ausgebaut wetden. Dadurch solle der Produzent bereits bei der Entwicklung von Produkten veranlaßt werden, ihre weitgehende Verwertbarkeit und umweltverträgliche Beseitigung zu bedenken. 35

29 Vgl. dazu die Begründung der Bundesregierung, BR-Drs. 817/90, S.32/33; allgemein dazu auch Weidemann, DVB11992, S. 1568 ff. 30 SRU, BT-Drs. 1118493, Tz. 1975, S. 572. 31 SRU, BT-Drs. 1118493, Tz. 1974, S. 571. 32 SRU, BT-Drs. 1118493, Tz. 1982, S. 573, zur Kritik im einzelnen vgl. Tz. 19801990, S. 573-575. 33 SRU, BT-Drs. 1118493, Tz. 1991, S. 575. 34 SRU, BT-Drs. 1118493, Tz. 1992, S. 575. 35 SRU, BT-Drs. 11/8493, Tz. 2000, S. 577.

Zweiter Teil

Die Abfallvermeidung Die Abfallvenneidung ist eines der abfallwirtschaftsrechtlichen Ziele. Im zweiten Teil der Arbeit soll nach einem kurzen Überblick über die einschlägigen Regelungen des KrW-/AbfG zunächst der Inhalt dieses Zieles (A.) erläutert werden. Vor allem ist zu klären, was das KrW-/AbfG unter der Abfallvenneidung in Abgrenzung zur Abfallverwertung versteht. Sodann wird auf den Überschneidungsbereich mit dem Immissionsschutzrecht (B.) eingegangen. Dabei sollen die mit § 9 KrW-/AbfG verbundenen Rechtsprobleme behandelt werden. Außerdem ist auf die Neuerungen des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG und ihre Auswirkungen einzugehen. Im Zusammenhang mit §§ 23, 24 KrW-/AbfG (C.) wird unter anderem die sich aufdrängende Problematik behandelt werden, welche Rechtspflichten sich ergeben, wenn es dem Verordnungsgeber nicht rechtzeitig gelingt, bis zum Inkrafttreten des KrW-/AbfG Rechtsverordnungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG zu erlassen. Im Zusammenhang mit der Verordnungskompetenz wird auch die hier am Rande interessierende Frage der Vereinbarkeit von § 59 KrW-/AbfG mit dem Grundgesetz erörtert werden. Schließlich werden die die Abfallvenneidung betreffend~n Vorrangregelungen (D.) erläutert.

A. Die abfallwirtschaftsrechtIiche Abfallvermeidung Die im KrW-/AbfG enthaltenen Regelungen über die Abfallvenneidung bilden einen der zentralen und neuen Bestandteile des künftig geltenden Abfallrechts. Das KrW-/AbfG regelt die Abfallvenneidung im wesentlichen in den §§ 4,5,9,22,23,24 KrW-/AbfG. Nach § 4 KrW-/AbfG, welcher nach seiner Überschrift "Grundsätze der Kreislaufwirtschaft" enthält, sind Abfltlle in erster Linie zu venneiden, insbesondere durch Venninderung ihrer Menge und Schädlichkeit (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG). Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG zählt mögliche Venneidungsmaßnahmen auf.

A. Die abfallwirtschaftsrechtliche Abfallvenneidung

27

Die schon aus der getrennten Regelung in Nr. 1 und Nr. 2 des § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG ersichtliche und zum Grundsatz der Kreislaufwirtschaft erhobene Unterscheidung von Abfallvenneidung und Abfallverwertung verdeutlicht, daß das KrW-/AbfG die Abfallverwertung nicht mehr als einen Unterfall der Abfallvenneidung einstuft. Nach dem AbfG 1986 und der VerpackV war diese Unterscheidung nicht so eindeutig. Während § 1 a AbfG 1986 tenninologisch zwischen der Venneidung und Verwertung von Abfllllen unterschied, sah § 1 Abs. 2 Nr. 3 VerpackV die stoffliche Verwertung als eine Fonn der Abfallvenneidung an. l Aus § 4 KrW-/AbfG als solchem ergeben sich jedoch keine konkreten Rechtspflichten zur Abfallvenneidung, obwohl er dem Wortlaut nach (" ... sind ... ") Gebote zu enthalten scheint. Dies ist der klarstellenden Regelung des § 5 Abs. 1 KrW-/AbfG zu entnehmen, die ft1r "Pflichten" zur Abfallvenneidung auf § 9 KrW-/AbfG und auf Rechtsverordnungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG verweist. 2 Wohl vor allem aus diesem Grund wird § 4 KrW-/AbfG auch als "Programmsatz ohne belastbare Steuerungswirkung"3 bezeichnet. Der Grundsatz in § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG enthält deshalb eine Zielhierarchie zwischen Venneidung und Verwertung ohne unmittelbar verpflichtende Rechtswirkung. 4 Die Abfallvenneidung im Bereich der Produktion regelt das KrW-/AbfG in §§ 5 Abs. 1, 9 KrW-/AbfG, wobei § 9 Satz 1 KrW-/AbfG ft1r Pflichten der Betreiber von dem BImSehGs unterliegenden Anlagen auf die Vorschriften des BImSchG verweist. Im Zusammenhang mit dieser Verweisung ist Artikel 2 des Gesetzes zur Venneidung, Verwertung und Beseitigung von Abfllllen vom 27. September 1994 zu lesen, welcher §§ 5 Abs. 1 Nr. 3, 5 Abs. 3 Nr. 2, 22 Abs. 1 Satz 2 BImSchG ändert bzw. neu einftlgt.6

Allgemein dazu Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(633). zum Vorentwurf Bericht des Umweltausschusses des Bundestages, BT-Drs. 12/7284, S. 13; vg!. auch die Erklärung des damaligen Bundesumweltministers Töpfer in der 672. Sitzung des Bundesrates, in welcher der Bundesrat dem Gesetzespaket zustimmte, Steno Prot. 1994, S. 421. 3 Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(633). 4 Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 66. S Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche und Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSehG) vom 14. Mai 1990, BGB!. I, S. 880, in der Fassung vom 23. November 1994, BGB!. I, S. 3486. 6 BGB!. 1994, I, S. 2705 ff; Artikel 1 dieses Gesetzes ist das KrW-/AbfG. 1

2 Vg!.

28

Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung

Für Rechtspflichten, die Herstellern, Vertreibern und Verbrauchern im Produktbereich auferlegt werden können, verweist § 5 Abs. 1 KrW-/AbfG auf Rechtsverordnungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG. I. Der Vorrang der abfallwirtschaftsrechtlichen Abfallvermeidung Auf den ersten Blick scheint § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG der Abfallvermeidung einen eindeutigen Vorrang vor der Abfallverwertung einzuräumen. Für einen Vorrang spricht die innere Systematik ("in erster Linie" und "in zweiter Linie"; "1." und "2.") der Norm. 7 Für einen Vorrang spricht auch, daß § 5 Abs. 1 KrWI AbfG die Vermeidungspflichten vor den Verwertungspflichten in § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG regelt. Ein näheres Eingehen auf dieses Vorrangverhältnis ist deshalb geboten, weil es in der Literatur bereits in Zweifel gezogen wird. So wird beispielsweise die Ansicht vertreten, die Rahmenrichtlinie 911156IEWG vom 18. März 1991 8, deren Umsetzung das KrW-/AbfG dient, schreibe den Mitgliedstaaten keine klare Prioriät der Vermeidung vor der Verwertung vor.9 Führt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, ist die auf den ersten Blick national festgelegte Priorität zweifelhaft. Anzweifeln läßt sich diese Priorität insbesondere deshalb, weil es eine dem § 5 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG vergleichbare Vorschrift, die einen ausdrücklichen "Vorrang" der Verwertung vor der Beseitigung statuiert, für das Verhältnis der Vermeidung zur Verwertung im KrW-/AbfG nicht gibt. Es soll deshalb zunächst anhand des nationalen Gesetzgebungsverfahrens untersucht werden, ob ein Vorrangverhältnis normiert werden sollte und wie die Rahmenrichtlinie 911156IEWG umgesetzt werden sollte. \0 Anschließend wird auf die Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Europarecht eingegangen. 1. Der Streit über den Vorrang der Abfallvermeidung im nationalen Gesetzgebungsverfahren

Die Problematik des Vorrangs der Vermeidung vor der Verwertung war im nationalen Gesetzgebungsverfahren sehr umstritten. I I

Vgl. Qeitsch, KrW-/AbfG, § 4, Anm. 1., S. 106. ABI. der EG 1991, Nr. L 78/S. 32 fI 9 Vgl. Tettinger, DVBI. 1995, S. 213 fI(216). 10 Zu den verschiedenen Bedeutungsvarianten des VorrangbegrifIs allgemein Tettinger/Asbeck-SchröderlMann, Vorrang der Abfallverwertung, S. 30-44. 11 Vgl. dazu Versteyl/Wendenburg, NVwZ 1994, S. 833 ff (834,837) und Tettinger, DVBI. 1995, S. 213 fI(216). 7

8

A. Die abfallwirtschaftsrechtIiche Abfallvenneidung

29

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung hatte "die Vermeidung von Abflillen in Form der abfallarmen Kreislaufwirtschaft" Vorrang vor der Abfallentsorgung. 12 Zur BegrUndung ftlhrte die Bundesregierung u.a. aus, die Abfallvermeidung müsse zum Schutz der Umwelt "absoluten Vorrang"13 erhalten. Ihr Gesetzentwurf enthielt eine grundsätzliche "Rangfolge Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abflillen".14 Diese Ausftlhrungen deuten darauf hin, daß der Vermeidung Priorität eingeräumt werden sollte. Allerdings enthielt der Gesetzentwurf noch keine dem KrW-/AbfG vergleichbare Zielhierarchie ftlr Vermeidung und Verwertung. Denn die Abfallvermeidung war im Gesetzentwurf der Oberbegriff und die Verwertung war eine Form der Vermeidung. Dies ergibt sich aus den in § 3 Abs. 5 Nr. 2 und Nr. 3 des Gesetzentwurfs enthaltenen Defmitionen von Vermeidungsmaßnahmen. Nach § 3 Abs. 5 Nr. 2 des Gesetzentwurfs stellte die "Verwertung bzw. Aufarbeitung von Rückständen zu Sekundärrohstoffen" eine Vermeidungsmaßnahme dar und nach § 3 Abs. 5 Nr. 3 des Gesetzentwurfs war unter anderem auch die energetische "Verwertung" von Rückständen eine Vermeidungsmaßnahme. Dementsprechend heißt es in der Begründung, die "... Möglichkeiten zur Vermeidung von Abflillen durch Verwertung von Sekundärrohstoffen ... " würden immer noch unzureichend genutzt,1s Die Bundesregierung stufte deshalb die Verwertung als eine Form der Vermeidung ein. Da der Gesetzentwurf Vermeidung und Verwertung nicht streng voneinander unterschied, stellte sich die Frage des Vorrangs der Vermeidung vor der Verwertung nicht. Aus der Sicht des Gesetzentwurfs der Bundesregierung war es konsequent, keine Entscheidung über das Vorrangverhältnis zu treffen. Andererseits läßt sich aber auch nicht schließen, daß Vermeidung und Verwertung gleichrangig sein sollten. Dies legen zwar verschiedene andere Stellen der Begründung nahe 16, mit abschließender Sicherheit läßt sich dies aber anhand der Gesetzesmaterialien nicht klären. Jedenfalls kann gefolgert werden, daß der Gesetzentwurf der Abfallvermeidung keine eindeutige Priorität einräumte. Dies kritisierte der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf. Er forderte die Rückkehr zu einer "strikten Zielhierarchie" .17

12 VgJ. § 4 Abs. I des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BR-Drs. 245/93, S. 11.

BR-Drs. 245/93, S. 2. BR-Drs. 245/93, S. 106. 15 BR-Drs. 245/93, S. 91; Hervorhebungen nicht im Original. 16 Z.B. BR-Drs. 245/93, S. 103: " ... Vorrang von Abfallvenneidung und der Abfallverwertung vor der Abfallbeseitigung ... ". 17 BT-Drs. 12/5672, S. 87/88 und Änderungsempfehlung Nr. 36 S. 93/94 zu § 4 des Gesetzentwurfs. \3

14

30

Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

In der dem Bundestag von seinem Umweltausschuß vorgelegten Fassung unterschieden § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 zwar zwischen der Vermeidung von Rückständen und der stofflichen und energetischen Verwertung von Sekundärrohstoffen terminologisch. Diese terminologische Unterscheidung war aber nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn gleichzeitig stellte der Einleitungssatz des § 4 Abs. I klar, daß die Entstehung von Abflillen durch Vermeidung "oder" Verwertung verhindert werden können sollte}S Das Vermeidungs- und das Verwertungsgebot waren im übrigen gleichrangig, da sie mit der Konjunktion "oder" verknüpft waren. 19 Auch die Fassung des Umweltausschusses enthielt daher noch keinen Vorrang der Abfallvermeidung vor der verwertung. 20 Dementsprechend ruhrt der Umweltausschuß in seiner Begründung aus, "eine Zielfolge werde an dieser Stelle nicht festgelegt".21 Als Zwischenergebnis ergibt sich daher, daß die Gesetzgebungsorgane des Bundes zunächst nicht darüber einig waren, einen Vorrang der Vermeidung vor einer davon zu unterscheidenden Verwertung zu normieren.

2. Die Umsetzung der Rahmenrichtlinie 91/156/EWG

Da der Bundesrat dem Gesetzesbeschluß des Bundestages22 nicht zustimmte23 , wurde der Vermittlungsausschußeingeschaltet, in welchem man sich unter anderem auf die Übernahme von Art. 3 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie 91/156/EWG des Rates einigte. 24 Nach Art. 3 Abs. I der Rahmenrichtlinie 91/156/EWG treffen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, um "in erster Linie" die Verhütung oder Verringerung der Erzeugung von Abflillen und ihrer Geflihrlichkeit und "in zweiter Linie" die Verwertung von Abflillen oder ihre Nutzung zur Energiegewinnung zu "fördern". So erhielt § 4 KrW-/AbfG seine endgültige Fassung. 25 Der Gesetzgeber wollte sich daher an der in Art. 3 Abs. I Rahmenrichtlinie 91/156/EWG enthaltenen Regelung orientieren.

18

BT-Drs. 12/7240, S. 7.

19 Vgl. Tettinger, DVBI. 1995, S. 213 ff(216). 20

Vgl. Versteyl/Wendenburg, NVwZ 1994, S. 833 ff(837).

21 BT-Drs. 12/7284, S. 13.

BR-Drs. 335/94. BR-Drs. 335/94 (Beschluß). 24 VgI. auch Bleicher, der städtetag 1995, S. 519 ff(522). 2S Dabei orientiert sich der Inhalt des § 4 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG auch an den Vorschlägen fllr Art. 3 b) Nr. 4 der Richtlinie des Rates der EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle vom 12. Oktober 1992, ABI. der EG 1992, Nr. C 263/S. 1 ff und vom 21. Oktober 1993, ABI. der EG 1993, Nr. C 285/S. 1 ff; vgI. auch die endgültige Fassung der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22

23

A. Die abfallwirtschaftsrechtliche Abfallvenneidung

31

Zu prüfen ist im folgenden, ob die Rahmenrichtlinie 91/1561EWG die Mitgliedstaaten zur Umsetzung einer strikten Prioritätenfolge zwingt. Sollte dies nicht der Fall sein26, ist darauf einzugehen, ob die Rahmenrichtlinie 911156IEWG zumindest eine Prioritätenfolge enthält, die die Mitgliedstaaten umsetzen dürfen. Dürfen die Mitgliedstaaten eine Prioritätenfolge umsetzen, stellt sich die Frage, ob das KrW-/AbfG eine europarechtskonforme Umsetzung darstellt. Daß die Rahmenrichtlinie 91/1561EWG keine strikte Prioritätenfolge vorgibt, könnte sich aus ihrem Art. 4 ergeben. Nach Art. 4 der Rahm,enrichtlinie 911156IEWG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um "sicherzustellen", daß die AbflUle "verwertet oder beseitigt" werden, ohne daß die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne daß Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können. Der EuGH stellte in einer Entscheidung zu dieser Norm fest, Art. 4 der Rahmenrichtlinie 91/1561EWG habe nur programmatischen Charakter und schreibe rur sich allein nicht den Erlaß konkreter Maßnahmen oder diese oder jene Methode der Abfallbeseitigung vor. 27 Allerdings sagt die Entscheidung über die hier zu klärende Problematik unmittelbar nichts aus, weil Art. 4 der Rahmenrichtlinie 91/1561EWG die Sicherstellung der Verwertung oder Beseitigung von AbflUlen und nicht deren Vermeidung regelt. Jedoch hat Art. 4 der Rahmenrichtlinie 911156IEWG eine größere Verbindlichkeit als Art. 3. 28 Daraus läßt sich folgern, wenn schon Art. 4 der Rahmenrichtlinie 911156IEWG programmatischen Charakter habe, müsse dies erst recht rur Art. 3 gelten. Die Rahmenrichtlinie 911156IEWG zwingt deshalb nicht zur Umsetzung des Vorrangs der Vermeidung vor der Verwertung in das nationale Recht, da sie lediglich Programmsatzqualität besitzt. Zwar gebietet die Rahmenrichtlinie die Umsetzung eines Vorrangverhältnisses in das nationale Recht nicht zwingend. Das bedeutet aber nicht automa-

20. Dezember 1994 über Verpackungen und VerpackungsabflUle, ABI. der EG 1994, Nr. L 365/S. 10 ff. Die Richtlinie enthält eigenständige Definitionen u.a. der Venneidung, der Verwertung und der stofflichen Verwertung. 26 Vgl. dazu z.B. Tettinger, DVBI. 1995, S. 213 ff (216); vgl. auch Ruchay, in Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S.1 ff (4/5); vgl. auch Fluck EuR 1994, S. 71 ff (76). 27 EuGH, Slg.1994 I, S. 483 ff(484); allgemein zu Richtlinien auch HoppelBeckmann, UmwR, § 2, Rdnr. 35. 28 Darauf weist Mehrländer, in Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S. 13 ff (18) hin. Wärend die Mitgliedstaaten nach Art. 4 der Richtlinie 91/156/EWG Maßnahmen treffen, "". um sicherzustellen ,,", treffen sie nach Art. 3 dieser Richtlinie Maßnahmen, um zu "". fördern "."; vgl. auch Fluck, EuR 1994, S. 71 ff(76).

32

Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung

tisch, daß einer Umsetzung zwingende europarechtliche Gründe entgegenstehen. Die Rahmenrichtlinie 911156IEWG könnte einen Vorrang der Abfallvermeidung vor der Verwertung enthalten. Der nationale Gesetzgeber darf dieses Vorrangverhältnis auf nationaler Ebene umsetzen. Art. 3 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie 911156IEWG enthält seinem Wortlaut nach einen Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung. Die sich in Programmen dokumentierende Abfallpolitik der Europäischen Gemeinschaft, die als Auslegungshilfe zu berücksichtigen ist, weist demgegenüber bisher keine durchgängige, eindeutige Priorität der Vermeidung vor einer davon zu unterscheidenden Verwertung auf. 29 Deswegen kann von dieser Politik allein auch nicht auf eine durchgängige Verankerung der Priorität in den Richtlinien des Rates geschlossen werden. 30 Es gibt zwar eine tendenzielle Rangfolge der Ziele Vermeidung-Verwertung-Beseitigung auch aufEG-Ebene. 31 Ob eine Richtlinie diese Rangfolge enthält, muß jedoch anband der betreffenden Richtlinie konkret geprüft werden. Daß Art. 3 Abs. I der Rahmenrichtlinie 91/156/EWG der Vermeidung Priorität vor der Verwertung einräumt, ergibt sich neben seinem Wortlaut vor allem aus einem Vergleich mit seinen Vorläuferregelungen, die in dieser Hinsicht weniger deutlichere Formulierungen enthielten. 32

29 Dazu instruktiv Dieckmann, Abfallrecht EG, S. 134-137; vgl. Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz (1977-1981), ABI. der EG 1977, Nr. C 139/S. 3ff, dort insbesondere Ziff. 174 ff, S. 31 ff, welches Kapitel über "Die Verhinderung des Entstehens von Abfall" (Ziff. 185, S. 33), die "Verwertung und Wiederverwendung von Abfällen" (Ziff. 187-191, S. 33/34) und die "Gefahrlose Beseitigung der nichtverwerteten Abfälle" (Ziff. 192-194, S. 34) enthält; vgl. auch das Vierte Aktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaften für den Umweltschutz (1987-1992), ABI. der EG 1987, Nr. C 328/S. 5 ff, insbesondere Ziff. 5.3.3., S. 32; Dazu Schröder, WiVerw 1990, S. 118 ff (121) und Pemice, NVwZ 1990, S. 414 ff (415), welcher eine Rangfolge bejaht; vgl. auch Schreier, Auswirkungen des EG-Rechts, S. 30. 30 So aber zur Richtlinie des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle 75/442/EWG, ABI. der EG 1975, Nr. L 194/47, S. 47 ff, Pemice, NVwZ 1990, S. 414 ff(414/415); vgl. auch v. Köller, KrW-/AbtG, § 4, S. 61. 31 Vgl. Dieckmann, Abfallrecht EG, S. 136. 32 So zutreffend Dieckmann, Abfallrecht EG, S. 135, der auf Art. 3 Abs. I der Rahmenrichtlinie vom 15. Juli 1975 über Abfälle 75/442/EWG, ABI. der EG 1975, Nr. L 194/S. 47 ff und auf die Änderungsvorschläge der Kommission ABI. der EG 1989, Nr. C 326/ S. 6 ffverweist.

A. Die abfallwirtschaftsrechtliche Abfallvenneidung

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Es ist daher festzuhalten, daß Art. 3 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie 911156IEWG der Abfallvenneidung Vorrang vor der Abfallverwertung einräumt. 33 Fraglich könnte allenfalls sein, ob der Rahmenrichtlinie 91/1561EWG ein anderes Verständnis vom Vorrang der Venneidung vor der Verwertung zugrunde liegt als dem KrW-/AbfG, weil sie von einem anderen Venneidungsbegriff ausgeht. Die Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie 911156IEWG zählt vor allem Forschungsförderungsmaßnahmenzum Inhalt der Abfallvenneidung. Ohne den Venneidungsbegriff des KrW-/AbfG an dieser Stelle abschließend klären zu müssen, fUhrt § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG die anlageninterne KreislauffUhrung, die abfallanne Produktgestaltung und ein bestimmtes Konsumverhalten als Venneidungsmaßnahmen auf. Die Vorschrift bezieht sich nicht ausdrücklich auf Forschungsförderungsmaßnahmen. Der europarechtliche Venneidungsbegriff könnte daher inhaltlich hinter dem nationalen abfallwirtschaftsrechtlichen Venneidungsbegriff zurückbleiben. Allerdings führt Art. 3 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie 911156IEWG die Forschungsförderungsmaßnahmen nur exemplarisch auf, was sich aus der Verwendung des Tatbestandsmerkmals "insbesondere" ergibt. Deshalb ist der europarechtliche Venneidungsbegriff nicht auf Forschungsförderungsmaßnahmen beschränkt. Selbst wenn insofern ein unterschiedliches Verständnis des Venneidungsbegriffs bestehen würde, wäre die Anwendbarkeit von Art. 130 t EGV zu berücksichtigen, weil die Rahmenrichtlinie insbesondere auf Art. 130 s EGV gestützt ist. Nach Art. 130 t Satz 1 hindern Schutzmaßnahmen, die aufgrund des Art. 130 s EGV getroffen wurden - eine Richtlinie ist eine solche Schutzmaßnahme34 - die einzelnen Mitgliedstaaten nicht daran, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Die Mitgliedstaaten dürfen allerdings keine anderen Maßnahmen treffen als die der Gemeinschaft. 35 Es ist ihnen daher grundsätzlich nicht möglich, Schutzvorschriften mit andersartigem Sachbezug oder andersartigem Schutzinstrumentarium zu treffen. 36 Der Sachbezug des KrW-/AbfG und der Rahmenrichtlinie 911156IEWG ist hinsichtlich der ab-

33 v. Köller, KrW-/AbfG, § 4, S. 61; Schreier, Auswirkungen des EG-Rechts, S. 33; Dieckmann, Abfallrecht EG, S. 136. 34 Zum Begriff der ISchutzmaßnahme" im Sinne des Art. 130 t Satz 1 EGV allgemein Krämer, in: von der Groebenffhiesing/Ehlennann, EWGV, Art. 130 t, Rdnr. 7, Art. 130 s, Rdnr. 7 und Rdnr. 8; vgl. ferner Grabitz/Nettesheim, in: GrabitzlHilf, EWGV, Art. 130 t, Rdnr. 10. 35 Vgl. Krämer, in: von der Groebenrrhiesing/Ehlennann, EWGV, Art. 130 t, Rdnr. 10. 36 Vgl. Grabitz/Nettesheim, in: GrabitzIHilf, EWGV, Art. 130 t, Rdnr. 13; vgl. auch Geiger, EGV, Art. 130 t, Rdnr. 4. 3 Schimanek

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

fallwirtschaftsrechtlichen Ziele Vermeidung und Verwertung jedoch der gleiche. Die Rahmenrichtlinie normiert den Vermeidungsbegriff nicht abschließend. Das KrW-/AbfG enthält auch kein andersartiges Schutzinstrumentarium. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß die Rahmenrichtlinie 9l/156/EWG als Richtlinie unter Art. 189 Abs. 3 EGV fällt. Nach Art. 189 Abs. 3 EGV bleibt es den Mitgliedstaaten selbst überlassen, die Formen und Mittel zur Durchsetzung des verbindlichen Ziels zu wählen. Zwar sind die Richtlinien in der Praxis oft so detailgenau, daß dem nationalen Gesetzgeber nur die Möglichkeit der wortgleichen Umsetzung des Richtlinientextes ohne eigene Gestaltungsbefugnis verbleibt. 37 Den Mitgliedstaaten obliegt nach Art. 3 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie 9l/156/EWG aber ein wenig instrumentalisierter Förderungsauftrag. 38 Es verbleibt ihnen daher ein großer Spielraum zur Umsetzung der Rahmenrichtlinie. Folglich können die Mitgliedstaaten die Instrumente zur Förderung der Vermeidung und Verwertung von Abfällen frei auswählen. 39 Selbst wenn der Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung im KrW-/AbfG aufgrund eines abweichenden abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriffs inhaltlich anders ausgestaltet sein sollte als der der Rahmenrichtlinie 9l/156/EWG, wäre dies als verstärkte Schutzmaßnahme im Sinne des Art. 130 t Satz 1 EGV zulässig. 40 Ob der Rahmenrichtlinie ein anderes Begriffsverständnis von Vermeidung zugrunde liegt, ist äußerst zweifelhaft. Selbst wenn dies der Fall wäre, würde dies einem Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung, wie ihn das KrW/AbfG enthält, nicht entgegenstehen. Daher läßt sich die national festgelegte Zielhierarchie des Vorrangs der Vermeidung vor der Verwertung nicht aus europarechtlichen Gründen in Zweifel ziehen. 41 Die Umsetzung des Vorrangs

37 Geiger, EGV, Art. 189, Rdnr. 10; vgl. auch Grabitz, in GrabitzJHilf, EWGV, Art. 189, Rdnr. 59. 38 Dieckmann, Abfallrecht EG, S. 355. 39 V gl. Mehrländer, in Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S. 13 ff (\ 8). 40 Ob dies auch ftlr die Regelungen der §§ 22 ff KrW-/AbfG zutrifft, die sich mit der Produktvenneidung und -gestaltung befassen, könnte zweifelhaft sein, weil diese Regelungen bereits beim Produkt und nicht erst beim Abfall ansetzen. Allerdings dürften diese Regelungen im weitesten Sinne zur Abfallvenneidung zählen. Die Erwägung, die Regelungen des KrW-/AbfG stellten verstärkte Schutzmaßnahmen dar, ist daher wohl auch hier zutreffend 41 Diese Folgerung wird so auch übrigens nicht von Tettinger, DVBI. 1995, S. 213 ff (216) gezogen; vgl. auch Wendenburg, NVwZ 1995, S. 833 ff (837): es bestehe vollständige Übereinstimmung zwischen dem deutschen und dem europäischen Abfallrecht.

A. Die abfallwirtschaftsrechtliche Abfallvenneidung

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der Venneidung vor der Verwertung durch das KrW-/AbfG ist im Gegenteil europarechtskonfonn. 42 Als Ergebnis läßt sich festhalten, daß der nationale Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG die europarechtlich festgelegte Priorität der Abfallvenneidung vor der Abfallverwertung in europarechtskonfonner Weise umsetzte. 43

11. Der abfallwirtschaftsrechtliche Vermeidungsbegriff des KrW-/AbfG Damit stellt sich die Frage, wie das KrW-/AbfG den Vorrang der Venneidung vor der Verwertung konkret ausgestaltet. Zu ihrer Beantwortung ist zunächst der Inhalt des abfallwirtschaftsrechtlichen Venneidungsbegriffs zu klären. Das KrW-/AbfG kennt nur die Kategorien Venneidung, Verwertung und Beseitigung. Die Venneidung hat Vorrang vor der Verwertung. Das KrW-/AbfG enthält jedoch kaum Regelungen über die Venneidung und verlagert wesentliche Entscheidungen darüber nach §§ 22 ff. KrW-/AbfG auf den Verordnungsgeber. Im Gegensatz dazu ist die Verwertung detailliert geregelt. Je kleiner der Bereich der Venneidung ist, desto größer ist der Bereich der Verwertung. Deshalb beeinflußt die Auslegung des Verwertungsbegriffs auch die Auslegung des Venneidungsbegriffs des KrW-/AbfG. Daß dem Inhalt des Verwertungsbegriffs bei der Bestimmung des Inhalts des Venneidungsbegriffs eine Bedeutung zukommt, muß daher bei der folgenden Prüfung berücksichtigt werden. Näheren Aufschluß über den Inhalt der Abfallvenneidung vennittelt zunächst § 4 KrW-/AbfG. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG sind Abfillle insbesondere durch Venninderung ihrer Menge und Schädlichkeit zu venneiden. Diese Merkmale sind jedoch nicht charakteristisch fUr den Venneidungsbegriff, denn auch bei der Abfallbeseitigung sind nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG die Menge und Schädlichkeit von Abfilllen zu vennindern. Näheren Aufschluß vennittelt möglicherweise § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG, der zwar nur beispielhaft, aber immerhin überhaupt verschiedene Venneidungsmaßnahmen aufführt.

42 Zu den Folgen rechtswidrigen innerstaatlichen Rechts, allgemein Schreier, Auswirkungen des EG·Rechts, S. 42·44. 43 So auch VersteyllWendenburg, NVwZ 1994, S. 833 ff(838).

36

Zweiter Teil: Die AbfalJvenneidung 1. AbfaJlvermeidung im Produktionsbereich

Bevor auf den rur den Produktionsbereich wohl wichtigsten Bereich, die Abfallvenneidung im Bereich des Rechts der Industrieanlagen (Immissionsschutzrechts), eingegangen wird, soll untersucht werden, welche Vorgaben das KrW-/AbfG als solches rur den Produktionsbereich enthält. Während § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG die anlageninteme Kreislaufflihrung von Stoffen als Venneidungsmaßnahme auffUhrt, ist in § 9 Satz 3 KrW-/AbfG von anlagenintemer Verwertung von Abfiillen die Rede. Da der Verwertungsbegriff des KrW-/AbfG auch anlageninteme Maßnahmen erfaßt, ist das Tatbestandsmerkmal "anlagenintem" zur näheren Eingrenzung des Venneidungsbegriffs untauglich. Das KrW-/AbfG zwingt nicht zu der Annahme, daß alle anlagenintemen Maßnahmen Venneidungsmaßnahmen sein müßten. Anlageninteme Maßnahmen können auch Verwertungsmaßnahmen darstellen. Trotzdem ist die Klärung des Tatbestandsmerkmals "anlagenintem", wenn auch nicht rur die Abgrenzung von Venneidung und Verwertung, so doch fUr die Erfassung des Inhalts der Abfallvenneidung in der Fonn der anlagenintemen KreislauffUhrung wichtig. Zunächst soll daher geklärt werden, welchen Inhalt das Tatbestandsmerkmal "anlagenintem" hat. Anschließend ist zu prüfen, wo die Grenzen zwischen Venneidung und Verwertung verlaufen. a) Der Anlagenbezug des Abfallwirtschaftsrechts Der im KrW-/AbfG verwendete Anlagenbegriffund das Tatbestandsmerkmal "anlagenintem" (§§ 4 Abs. 2, 9 Satz 3 KrW-/AbfG) könnten sich auf den Anlagenbegriff des Immissionsschutzrechts beziehen, der in § 3 Abs. 5 BImSchG definiert ist. Das KrW-/AbfG enthält keine ausdrückliche Regelung über den Inhalt des von ihm verwendeten Anlagenbegriffs. Einen einheitlichen Anlagenbegriff kennt das Umweltrecht nicht. Vielmehr kommt es rur die Bedeutung des Begriffs auf den jeweiligen Gesetzeszweck an. 44 Das KrW-/AbfG verwendet den Begriff der "Anlage" an mehreren Stellen. Für den Begriff der "Abfallbeseitigungsanlage" enthält das KrW-/AbfG in § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG eine eigenständige Definition. In § 9 Satz 1 und § 27 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG ist von nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen die Rede, d. h. das KrW-/AbfG bezieht sich ausdrücklich auf den immissionsschutzrechtlichen Anlagenbegriff des § 3 Abs. 5 BlmSchG. Aus dem systematischen Zusammenhang des § 9 Satz I mit § 9 Satz 3 KrW/AbfG ergibt sich, daß der in Satz 3 verwendete Begriff "anlagenintem" 44

Sundennann-Rosenow, in: Hdwb UmwR, Sp. 112 ff(112 f).

A. Die abfallwirtschaftsrechtliche Abfallvermeidung

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ebenfalls an den Anlagenbegriff des BImSchG anknüpft. Da keine Anhaltspunkte dafUr ersichtlich sind, daß der Begriff "anlagenintern" in § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG mit anderer Bedeutung verwendet werden sollte, bezieht sich auch dieses Tatbestandsmerkmal auf den immissionsschutzrechtlichen Anlagenbegriff. Dieses Ergebnis könnte aufgrund der Entstehungsgeschichte zweifelhaft sein. Die Begründungen der verschiedenen Entwürfe des KrW-/AbfG und die Anträge dazu enthalten kaum AusfUhrungen zum Anlagenbegriff. Über den Anlagenbegriff als solchen bestand wohl kein Streit. Allerdings ist an einer Stelle der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung von "betriebsinterner" KreislauffUhrung die Rede. 45 Dahingestellt bleiben kann hier, wie dieser Betriebsbegriff im einzelnen zu verstehen ist46, jedenfalls ist er mit dem Anlagenbegriff nicht identisch. Daraus läßt sich jedoch nicht der Schluß ziehen, das KrW-/AbfG verwende den Anlagenbegriff untechnisch. Vielmehr ist der Entstehungsgeschichte zu entnehmen, daß bezweckt war, das Abfallrecht mit dem Immissionsschutzrecht zu harmonisieren. 47 Diesen Zweck verfolgten auch die verschiedenen Vorentwürfe des § 9 KrW-/AbfG. 48 Er läßt sich am besten erreichen, wenn das KrW-/AbfG und das BImSchG jedenfalls im Überschneidungsbereich einen identischen Anlagenbegriff aufweisen. Insbesondere fUr die das Verhältnis von BImSchG und KrW-/AbfG regelnde Vorschrift des § 9 KrW-/AbfG ist es wichtig, daß ein mit dem BImSchG identischer Anknüpfungspunkt besteht. Die oben aufgefUhrte Passage der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung bezieht sich zudem ganz allgemein auf die Ziele des Gesetzes und nicht auf eine konkrete Vorschrift. Der in § 9 KrW-/AbfG enthaltene Anlagenbegriff ist daher mit dem des BImSchG identisch. Auch die "anlageninterne" Verwertung (§ 9 Satz 3 KrW-/AbfG) und die "anlageninterne" KreislauffUhrung (§ 4 Abs. 2 KrW/AbfG) beziehen sich auf diesen Anlagenbegriff. b) Die Abgrenzung von Vermeidung und Verwertung

Zu prüfen ist nunmehr, wo die Grenzen zwischen Vermeidung und Verwertung verlaufen.

BR-Drs. 245/93, S. 106; Hervorhebung nich4.m Original. Zu den verschiedenen Bedeutungsvarianten vgl. Dichtl/lssing, Wirtschaftslexikon, S. 254/255, "Betrieb". 47 Vgl. BR-Drs. 245/93, S. 4 f, 108, 133 f; vgl. ferner BT-Drs. 12/5672, S. 90. 48 Vgl. z. B. BR-Drs. 245/93, S. 134. 45

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

aa) Der Prozeßbezug des abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriffs Da § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG die anlageninterne KreislauffUhrung von Stoffen der Abfallvermeidung zuordnet, § 9 Satz 3 KrW-/AbfG aber auch eine anlagen interne Verwertung von Abfallen auffUhrt, könnte es sein, daß das maßgebliche Differenzierungskriterium im Tatbestandsmerkmal der Kreislaufruhrung zu erblicken ist. Diese Kreislauffilhrung muß anlagenintern, also innerhalb der Anlage, stattfinden. Fraglich ist, wann eine solche anlageninterne Kreislaufruhrung vorliegt. Denkbar wäre eine Anknüpfung an die innerhalb der Anlage stattfindenden Prozesse. KreislauffUhrung würde dann vorliegen, wenn der Stoff in dem Prozeß bleibt, in dem er entstanden ist bzw. in den er eingespeist wurde. Als Prozeß im technischen Sinne bezeichnet man einen strukturverändernden Vorgang, bei dem Werkstoffe, Energien oder Informationen transportiert oder umgeformt werden. 49 Auch die Kategorie des Prozesses gibt zwar als solche rur die Unterscheidung der Vermeidung von der Verwertung keine eindeutigen Grenzlinien vor. 50 Immerhin könnte daraus eine weitere Eingrenzung des Inhalts der Abfallvermeidung abzuleiten sein. Anknüpfungspunkt der Abgrenzung der Vermeidung von der Verwertung wäre der innerhalb der Anlage stattfindende Prozeß. Abfalle würden vermieden, wenn sie im Prozeß gar nicht entstehen oder wenn Stoffe in den Prozeß, in dem sie entstanden sind, wieder eingespeist werden. Die Einspeisung von Stoffen in einen anderen Prozeß derselben Anlage wäre dagegen keine Vermeidung. 51 Es ist daher zunächst zu prüfen, ob der abfallwirtschaftsrechtliche Vermeidungsbegriff auf den Produktionsprozeß bezogen ist. Möglicherweise könnten Sinn und Zweck des KrW-/AbfG, insbesondere die der Abfallvermeidung in § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG eingeräumte Priorität vor der Verwertung, zu einer prozeßbezogenen Sichtweise zwingen. So gab es zum § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG a.F.52 eine im Ergebnis fruchtlose Diskussion darüber, ob sich vom Inhaltdes Vermeidungsbegriffs Schlüsse auf die Rangfolge von Vermeidung und Verwertung ziehen lassen. Diejenigen Brockhaus, Bd.17, S. 571, "Prozeß". Vgl. auch BilitewskilHärdt1elMarek, Abfallwirtschaft, S. 469, die die Begriffe "innerbetriebliche Kreislaufführung" und "betriebsinteme Verwertung" teilweise gleichbedeutend verwenden. 51 Für den Bereich des Immissionsschutzrechts vgl. Jarass, BImSchG, 3. Aufl., § 5, Rdnr.67. 52 Als "a.F." wird im folgenden die dem Gesetz zur Venneidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen vorangehende Fassung des BImSchG in der Fassung vom 27. Juni 1994, 8GBl. I, S. 1440 bezeichnet 49

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A. Die abfallwirtschaftsrechtliche Abfallvenneidung

39

Stimmen in der Literatur, die einen prozeßbezogenen Vermeidungsbegriff vertraten, leiteten daraus einen Anknüpfungspunkt fUr den Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung ab. Unter Vermeidung im prozeßbezogenen Sinne sei die Verhinderung der Entstehung von Reststoffen (im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG a.F.) bereits im Produktionsprozeß zu verstehen. Die Verhinderung der Entstehung von Reststoffen sei umweltfreundlicher als die Wiederverwendung angefallener Reststoffe in einem anderen Produktionsprozeß, die als Verwertung einzustufen sei. Letztere könne wegen der erforderlichen Behandlung der Reststoffe sowie Transport- und Lagerrisiken zu größeren Umweltbelastungen fUhren. Deshalb habe die Vermeidung generellen Vorrang vor der Verwertung. 53 Man könnte jetzt eine Umkehrung dieser Argumentation erwägen. Da das KrW-/AbfG den Vorrang der Vermeidung normiere, sei der dem KrW-/AbfG zugrunde liegende Vermeidungsbegriff prozeßbezogen zu verstehen, denn sonst sei der Vorrang der Vermeidung umweltpolitisch nicht gerechtfertigt. Dieser Schluß ist jedoch nicht zwingend. 54 Auch bei der KreislauffUhrung von Stoffen in Produktionsprozessen als eine der typischen prozeßbezogenen Vermeidungsmaßnahmen können Umweltbelastungen durch Schadstoffanreicherungen an bestimmten Stellen des Kreislaufs, durch Abwasser aus der Reinigung des Kreislaufsystems und vermehrte Emissionen entstehen. Ein prozeßbezogener Vermeidungsbegriffläßt sich daher nicht aus der der Vermeidung eingeräumten Priorität ableiten. Dem KrW-/AbfG liegt kein prozeßbezogener Vermeidungsbegriffzugrunde. bb) Der Bezug des abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriffs auf geschlossene technische Systeme Eine Eingrenzung des Vermeidungsbegriffs fUr den Produktionsbereich wäre möglich, wenn die "anlageninterne KreislauffUhrung" nach § 4 Abs. 2 KrW/ AbfG nur - wie in der Literatur vertreten55 - geschlossene technische Systeme meinen würde. Eine Vermeidung liegt danach vor, wenn der Stoff die "techni-

53 Ewen, Öko-Mitteilungen 2/1988, S. 4 ff (7); Führ, Industrieanlagen S. 192 f; vgl. Rehbinder, DVBI. 1989, S. 496 ff (498 f); vgl. dazu auch Meidrodt, Venneidungs- und Verwertungsgebot S. 62, die diesen Schluß im Ergebnis freilich nicht rur zwingend hält, a.a.O., S. 67. 54 Vgl. auch Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5, Rdnr. 661. 55 So Fluck, DVBI. 1995, S. 537 ff (545; vgl. auch Fn. 66, a.a.O.);. ders. in: Fluck, KrW-/AbfG, § 9, Rdnr. 70.

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

sche Umschließung"56 nicht verläßt. Er verläßt sie beispielsweise, wenn er aufoder abgeladen wird, auf Wagen oder sonstigen beweglichen Beförderungsmitteln transportiert wird oder aus der Anlage gelangt. Erst mit dem Vorgang des Verlas sens der technischen Umschließung flillt Abfall an. Der Begriff des geschlossenen technischen Systems ist mit dem oben angesprochenen Begriff des Prozesses nicht deckungsgleich, denn der bloße (anlageninterne) Transport des Stoffes als solcher gehört beispielsweise noch zum Prozeß, nicht aber in jedem Fall zum geschlossenen technischen System. Würde das KrW-/AbfG die Einbindung von Stoffen in Erzeugnisse als Unterfall der anlageninternen Kreislauffiihrung ansehen 57 , könnte dies gegen die Einschränkung der anlageninternen Kreislauffuhrung auf geschlossene technische Systeme sprechen. Dahingestellt bleiben kann, ob das Erzeugnis selbst noch Teil des geschlossenen technischen Systems sein kann. Bei der Einbindung von Stoffen in Erzeugnisse könnten die Stoffe die Anlage jedenfalls über das Erzeugnis verlassen. 58 Schon deshalb würden sie sich nicht mehr in der "Umschließung des technischen Systems" befinden. Ausdrücklich enthält das KrW-/AbfG keine Regelung darüber, ob die Einbindung von Stoffen in Erzeugnisse ein Unterfall der anlageninternen Kreislauffiihrung ist. Zwar ordnet § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG die Einbindung von Abfällen in Erzeugnisse der Abfallverwertung zu59, dies schließt es aber noch nicht aus, die Einbindung von Stoffen in Erzeugnisse als Abfallvermeidung einzustufen. Weitere Aufschlüsse darüber könnten sich aus der Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 2 KrW-/AbfG ergeben. So legte § 3 Abs. 5 Nr. 1 a) des Gesetzentwurfs der BundesregierunlfO fest, daß beim Betrieb von Anlagen insbesondere die anlagen interne Kreislaufführung von Stoffen und außerdem als deren Unterfalf61 die Einbindung von Stoffen in die in der Anlage hergestellten Erzeugnisse Abfallvermeidung sein

56 So Fluck, DVBI. 1995, S. 537 ff (545; vgl. auch Fn. 66, a.a.O.); ders. in: Fluck, KrW-/AbfG, § 9, Rdnr. 70; vgl. auch Meidrodt, Venneidungs- und Verwertungsgebot S.66. 57 So noch § 3 Abs. 5 Nr. 1 a) des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BR-Drs. 245/93, S. 9 f. 58 Das wird der Einbindung von Stoffen in Erzeugnisse gerade entgegengehalten, vgl. PetersenlRid, NJW 1995, S. 7 ff(12). 59 Vgl. auch die Verordnungsennächtigung in § 7 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG. 60 BR-Drs. 245/93, S. 9 f. 61 Das ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "einschließlich", BR-Drs. 245/93, S.10.

A. Die abfallwirtschaftsrechtliche Abfallvenneidung

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sollten. Die Einbindung von Stoffen hatte gemäß § 4 Abs. 3 Satz I des Gesetzentwurfs62 ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen. In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung63 empfahl der Bundesrat eine Änderung des § 4 Abs. 3 Satz 1 dieses Entwurfs. Nach dieser Empfehlung sollte die Einbindung vonAbfällen in Erzeugnisse als Verwertung auf ihre Ordnungsgemäßheit und Schadlosigkeit kontrolliert werden. 64 Die in § 3 Abs. 5 Nr. I a) des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vorgenommene Einstufung der Einbindung von Stoffen in Erzeugnisse als Vermeidung sollte bestehen bleiben. 65 Diese Änderungsempfehlung kritisierte die Bundesregierung. Sie kritisierte jedoch nicht die Einstufung der Einbindung von Abfällen in Erzeugnisse als Verwertung. 66 Der Umweltausschuß des Bundestages empfahl eine Fassung des § 4 Abs. 267 , welche der endgültigen Fassung entsprach. Außerdem schlug er eine Neufassung des § 5 Abs. 3 vor. Danach hatte "die Vermeidung und die Verwertung von Rückständen, insbesondere durch ihre Einbindung in Erzeugnisse", ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen. 68 Zur Begründung fUhrte der Umweltausschuß unter anderem aus, dadurch werde insbesondere im Hinblick auf die Reststoffverwertungspflicht des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG klargestellt, daß es sich auch bei der Einbindung von Rückständen in Erzeugnisse um eine Maßnahme der Verwertung und nicht der Vermeidung handle. 69 Der Umweltausschuß stufte daher die Einbindung von Rückständen in Erzeugnisse als Maßnahme der Rückstandsverwertung ein. Demgegenüber sollte die anlageninterne KreislaujJUhrung von Stoffen eine Maßnahme der Rückstandsvermeidung sein. Eine Regelung über die Einbindung von Stoffen in Erzeugnisse sah der Entwurf des Umweltausschusses nicht vor. Folglich ging die Regelung der Gegenüberstellung einerseits der Einbindung von Stoffen in Erzeugnisse als Unterfall der anlageninternen KreislaujJUhrung, mithin als Vermeidung und andererseits der Einbindung von Rückständen bzw.

BR-Drs. 245/93, S. 11. Enthalten in BR-Drs. 245/93 (Beschluß) und in BT-Drs. 12/5672. Im folgenden werden nur die betreffenden Stellen der BT-Drs. 12/5672 zitiert. 64 Änderungsempfehlung Nr. 36, BT-Drs. 12/5672, S. 93. 65 Vgl. die Änderungsempfehlung Nr. 35 zu § 3 Abs. 5 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drs. 12/5672, S. 93. 66 Vgl. Gegenäußerung zu Nr. 36 der Änderungsempfehlungen, BT-Drs. 12/5672, S. 125 f. 67 BT-Drs. 12/7240, S. 7. 68 BT-Drs. 12/7240, S. 7; Hervorhebung nicht im Original. 69 BT-Drs. 12/7284, S. 14. 62 63

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Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung

Abfällen in Erzeugnisse als Verwertung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens verloren. Herauskristallisieren läßt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren jedenfalls, daß die Einbindung von Rückständen bzw. Abfällen in Erzeugnisse als Verwertung eingestuft werden sollte. Dem Gesetzgebungsverfahren läßt sich an keiner Stelle entnehmen, daß die Einbindung vonStoffen in Erzeugnisse nicht mehr Vermeidung, sondern bereits Verwertung sein sollte. Anhaltspunkte dafür, daß das KrW-/AbfG von der Einstufung der Einbindung von Stoffen in Erzeugnisse als Unterfall der anlageninternen Kreislaufftlhrung als Vermeidungsmaßnahme abweichen wollte, lassen sich dem Gesetzgebungsverfahren nicht entnehmen. Folglich kann man davon ausgehen, daß die Regelung aus KlarsteIlungsgründen für nicht erforderlich erachtet wurde. Daher ist die Einbindung von Stoffen in Erzeugnisse auch nach dem KrW-/AbfG ein Unterfall der anlageninternen Kreislaufführung von Stoffen. Deshalb läßt sich die anlageninterne Kreislaufführung nicht auf geschlossene technische Systeme einschränken. Dieses Ergebnis läßt sich auch vom ökologischen Standpunkt her gut vertreten. Geschlossene Stoffkreisläufe sind gegenüber offenen nicht stets mit geringeren Umweltbelastungen verbunden. Folglich ist es auch nicht gerechtfertigt, geschlossenen Stoffkreisläufen über den in § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG festgelegten Vorrang der Vermeidung Priorität einzuräumen. Als Zwischenergebnis läßt sich daher festhalten, daß die anlageninterne Kreislaufführung nicht auf geschlossene technische Systeme begrenzt ist. cc) Die Stoffbezogenheit des abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriffs Aus der zuvor erörterten Problematik und der Ablehnung des Prozeß- und Anlagenbezugs der abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidung ergibt sich, daß Vermeidung und Verwertung im Produktionsbereich nicht verfahrensbezogen abzugrenzen sind. Abgrenzungskriterium nach dem KrW-/AbfG ist demgegenüber, ob ein Stoff die rechtliche Qualität Abfall besitzt. Es kommt mithin grundsätzlich auf den Stoff an, auf welchen sich die Maßnahme bezieht. Weist der Stoff die Eigenschaft als Abfall auf, kommen keine Vermeidungsmaßnahmen in Betracht. Ob ein Stoff Abfall ist, beurteilt sich nach den in § 3 KrW-/AbfG normierten Kriterien, die im Fall des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG wegen der Verweisung auf die bestimmte Verfahren aufzählenden Anhänge 11 A und 11 B teilweise wiederum verfahrensbezogen ausgerichtet sind.

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Vermeidung

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Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß § 4 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG von der Ab/al/vermeidung spricht. Abfallvermeidung in diesem Sinne bedeutet, die Entstehung von Abfällen von vornherein zu verhindern. 70 Abfall wird vermieden, wenn er von vornherein nicht entsteht bzw. als Minderungsmenge nicht entstanden ist.?' Bei der ebenfalls vom KrW-/AbfG als Vermeidung eingestuften Schädlichkeitsminderung entsteht der schädlichere Abfall nicht. 72 Als Zwischenergebnis läßt sich daher festhalten, daß die abfallwirtschaftsrechtliche Abgrenzung zwischen Vermeidung und Verwertung im Produktionsereich nach dem Abfallbegriff erfolgt. 73 Es kommt darauf an, ob ein Stoff nach § 3 KrW-/AbfG Abfall ist oder nicht. Eine anlagen interne KreislauffUhrung von Stoffen und damit eine Abfallvermeidung scheidet aus, wenn es sich um Abfall handelt. Im Rahmen des KrW-/AbfG kommt dann allenfalls noch eine anlagen interne Verwertung (§ 9 Satz 3 KrW-/AbfG) in Betracht. 2. Abfallvermeidung im Produkt- und Konsumbereich Der Vollständigkeit halber seien hier die wenig ergiebigen Regelungen über die Abfallvermeidung im Produkt- und Konsumbereich in § 4 Abs. 2 KrW/AbfG (abfallarme Produktgestaltung und auf den Erwerb abfall- und schadstoffarmer Produkte gerichteter Konsum) erwähnt. Diese Bereiche müssen noch durch Rechtsverordnungen konkret ausgestaltet werden. Im übrigen überläßt das KrW-/AbfG die Abfallvermeidung dem freien Spiel gesellschaftlicher Kräfte.

B. Das Verhältnis von abfallwirtschafts- und immissionsschutzrechtlicher Vermeidung unter Berücksichtigung der "anlageninternen Verwertung" Zu klären ist im folgenden Kapitel, wie sich abfallwirtschafts- und immissionsschutzrechtliche Vermeidung zueinander verhalten. Da im Bereich der sog. "anlageninternen Verwertung" zwischen dem abfallwirtschaftsrechtlichen Verwertungsbereich und dem immissionsschutzrechtlichen Vermeidungsbereich Überschneidungsmöglichkeiten bestehen, soll hier 70 71

72 73

So auch schon SRU, BT-Drs. 1118493, Tz. 1991, S. 575. Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 72. Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 73. Den gleichen Ansatz vertritt Fluck, in Fluck, KrW/AbfG, § 9, Rdnr. 70.

44

Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung

wegen des Sachzusammenhangs - soweit erforderlich - auch auf die Verwertung nach dem KrW-/AbfG eingegangen werden. I. Die Kongruenz der Abfallbegriffe und ihre Konsequenzen

Bevor die Vermeidungsbegriffe und -pflichten als solche erörtert werden, soll auf die Änderung des Reststoftbegriffs des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a.F. eingegangen werden. In der alten Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG steuerte der Reststoftbegriff den Anwendungsbereich der sich daraus ergebenden Vermeidungs- und Verwertungspflichten und beeinflußte dadurch die Reichweite der immissionsschutzrechtlichen Vermeidung. Diese Steuerungsfunktion übernimmt auch im Immissionsschutzrecht nunmehr der Abfallbegriff. Deshalb soll kurz erörtert werden, zu welchen inhaltlichen Änderungen die Einfilhrung des Abfallbegriffs in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG im Vergleich zu der den Reststoftbegriff verwendenden alten Fassung führt. Außerdem soll geprüft werden, ob die Abfallbegriffe des KrW-/AbfG und des BImSchG identisch sind. Bei identischen Abfallbegriffen wären beide Regelungsbereiche in diesem Punkt deckungsgleich. Da das Bezugsobjekt abfallwirtschafts- und immissionsschutzrechtlicher Vermeidung identisch wäre, würde sich bei unterschiedlichen Vermeidungsbegriffen möglicherweise die Frage nach der Spezialität des einen oder anderen Bereichs stellen.

1. Die Übernahme des abfallwirtschaftsrechtlichen Abfallbegriffs in das

Immissionsschutzrecht

Den in § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG a.F. verwendeten Begriff der "Reststoffe" ersetzt Artikel 2 Nr. 3 des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen durch den Begriff der IAbfälle". 74 Die neue Fassung des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG lautet daher: "§ 5 Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen (I) Genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, daß I. .. .

2... . 3. Abfälle vermieden werden, es sei denn, sie werden ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder, soweit Vermeidung und Verwer74

BGBI. 1994 I, S. 2705 ff (2724,2725).

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Venneidung

45

tung technisch nicht möglich oder unzumutbar sind, ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt, und

4 .... " Das BImSchG selbst enthält keine Legaldefmition des Begriffs der "Abfiille". Der im § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a.F. neben dem Reststoftbegriff verwendete Begriff des Abfalls wird von der überwiegenden Ansicht75 als nicht deckungsgleich mit dem im AbfG 1986 verwendeten Abfallbegriff angesehen. Zu prüfen ist, ob die Legaldefinition des Abfallbegriffs in § 3 KrW-/AbfG nunmehr auch filr den Abfallbegriff des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gilt. Für eine Übernahme des Abfallbegriffs des KrW-/AbfG könnte der Gesichtspunkt der "legislatorischen Kohärenz" sprechen. Dieser besagt, daß der Gesetzgeber ein Tatbestandsmerkmal in allen Regelungsteilen des Gesetzes mit übereinstimmendem Bedeutungsinhalt verwenden will. 76 Dann müßte dem Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen, dessen Artikel 1 das KrW-/AbfG bildet und dessen Artikel 2 die Änderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthält, ein einheitlicher Abfallbegriff zugrunde liegen. Dafür könnte die Entstehungsgeschichte sprechen. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierungsollte das Tatbestandsmerkmal "Rückstände" das Tatbestandsmerkmal "Reststoffe" des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a.F. ersetzen. 77 In der Begründung dazu heißt es, es handele sich um eine "notwendige Folgeänderung"78 und Anpassung der bisherigen Regelung über die Vermeidung und Verwertung von Reststoffen an die Konzeption des vorliegenden Gesetzes79, welches den Begriff der Rückstände verwende. Noch deutlicher führt der Umweltausschuß des Bundestages aus, daß Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfiillen eine redaktionelle Anpassung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG an die Terminologie des KrW-/AbfG enthalte.8°

75 Vgl. z. B. Jarass, BImSchG, 2. Autl., § 5, Rdnr. 61; Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff (411); Ziff. 5. 1. des Musterentwurfs des Länderausschusses für Immissionsschutz für eine Verwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSehG, NVwZ 1989, S. 130 ff(131). 76 Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff (640); zustimmend Fluck, in: Fluck, KrW/AbfG, § 9, Rdnr. 61. 77 Vgl. BR-Drs. 245/93, S. 78. 78 BR-Drs. 245/93, S. 98. 79 BR-Drs. 245/93, S. 167. 80 BT-Drs. 12/7284, S. 28.

46

Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung

Daraus geht hervor, daß die Tenninologie des KrW-IAbfG, insbesondere der dort ursprünglich verwendete Begriff des "Rückstandes" in das BlmSchG übernommen werden sollte. Die Begriffsbestimmungen des § 3 KrW-/AbfG veränderten sich allerdings im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens. Während der Gesetzentwurf der Bundesregierung noch zwischen Rückständen, Sekundärrohstoffen und Abfällen unterschied, wobei der Begriff der Rückstände den Oberbegriff bildeteSt, ist nunmehr der Abfallbegriff Oberbegriff des § 3 KrWIAbfG,s2 Zur Erreichung des gleichen gesetzgeberischen Ziels, nämlich der Hannonisierung von BlmSchG und KrW-/AbfG, mußte das Tatbestandsmerkmal "Reststoffe" durch das Tatbestandsmerkmal "Abfälle" ersetzt werden, was auch geschah. Daß sich mit dieser Begriffsänderung die der Übernahme des Rückstandsbegriffs des KrW-/AbfG zugrunde liegende Absicht des Gesetzgebers änderte, ist nicht ersichtlich. Auch rur § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG ist folglich davon auszugehen, daß die dem KrW-/AbfG zugrunde liegende Terminologie, insbesondere der Begriff des Abfalls übernommen werden sollte. 83 Diesem Ergebnis stehen auch Artikel 4 und 6 des Gesetzes zur Venneidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen nicht entgegen. Zwar führt das Gesetz zur Venneidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen in Artikel 4 Nr. 2 c) den Begriff des "Sekundärrohstoffdüngers" in das dort geänderte Düngemittelgesetz vom 15. November 1977 (DüngemitteIG)84 ein; und in Artikel 6, weIcher das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen vom 25. Juli 1994 (Chemikaliengesetz, ChemG)85 ändert, ist ausdrücklich von "Abfällen zur Beseitigung" im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG die Rede,s6 Daraus läßt sich aber nicht ableiten, das Gesetz zur Venneidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen verwende den Abfallbegriff in Artikel 2 zufällig oder in einem anderen Sinn als in Artikel 1, der das KrW-/AbfG enthält,s7 Aus den zitierten Vorschriften ergibt sich vielmehr das Gegenteil. Das in Artikel 4 Nr. 2 c) verwendete Tatbestandsmerkmal des Sekundärrohstoffdüngers knüpft an den in § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG definierten Begriff des Sekundärrohstoffs an und enthält außerdem eine eigenständige Begriffsdefinition. Im übrigen verwendet das KrW-IAbfG den Begriff des "Sekundärrohstoffdüngers" in § 8 Abs. 2 KrWIAbfG. Die Änderung des Düngemittelgesetzes erfolgte also gezielt zur HarmoBR-Drs. 335/94, S. 2. Diese Terminologie sah zuerst die Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses vor, vgl. BT-Drs. 12/8084, S. 4. 83 Vgl. auch PetersenlRid, NJW 1995, S. 7 ff(12). 84 BGBI. 11977, S. 2134, i.d.F. vom 27. September 1994, BGBI. I, S.2705. 85 BGBI. I 1994, S. 1703, in der Fassung vom 2. August 1994, BGBI. I, S. 1963. 86 Darauf weist Rebentisch hin, NVwZ 1995, S. 639 ff(640). 87 Insofern kann man dem Gesetzgeber des KrW-/AbfG nicht, wie Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff (640) mangelnde Sorgfalt vorwerfen. 81

82

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Vermeidung

47

nisierung mit dem KrW-/AbfG. Auch die Änderung des Chemikaliengesetzes stellt eine gezielte redaktionelle Anpassung an die Terminologie des KrW/AbfG dar.8 8 Die eben aufgefilhrten Beispiele sprechen also fiir eine gezielte Verwendung des Begriffs der "Abfiille" in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG. Es läßt sich daher festhalten, daß filr den in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG eingefügten Abfallbegriff auf die Legaldefinition des § 3 KrW-/AbfG zurückgegriffen werden muß. Daraus ergibt sich zugleich, daß abfallwirtschaftsrechtliche und immissionsschutz-rechtliche Vermeidung dasselbe Bezugsobjekt aufweisen. 89 2. Die Konsequenzen aus der Übernahme des abfallwirtschaftsrechtlichen Abfallbegriffs

Um die Konsequenzen der Änderung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG filr die Vermeidung von - nunmehr - "Abfallen" beurteilen zu können, ist es hilfreich, den bisher in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthaltenen Reststoffbegriff mit dem Abfallbegriff zu vergleichen.

a) Der Reststoffbegriff des § 5 Abs. J Nr. 3 BlmSchG a.F. Der Begriff der "Reststoffe" ist im BlmSchG als solchem nicht definiert. Zu seiner Bestimmung greift die überwiegende Auffassung auf die in § 2 Nr. 4 der Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfalle und abfallähnliche Stoffe vom 23. November 1990 (17. BImSchV)90 enthaltene Begriffsbestimmung zurück. 91 Danach sind Reststoffe alle Stoffe, die bei der Energieumwandlung oder bei der Herstellung, Bearbeitung oder Verarbeitung von Stoffen anfallen, ohne daß der Zweck des Anlagenbetriebs hierauf gerichtet ist. Mit dieser Definition ist die Begriffsbestimmung im Musterentwurf des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) filr eine Verwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG identisch.9 2 Zwar handelt es sich bloß um den Entwurf einer

Vg\. dazu die Begründung zur Vorläuferfassung, BR-Drs. 245/93, S. 174. Dies ließ das BVerwG im Hinblick auf die Verwertung im "Tontagebaufall" offen, vg\. BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f (897). 90 BGB\. 1990 I, S. 2545. 91 Rebentisch, UPR 1989, S. 209 ff (211); Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff (410); Jarass, BlmSchG, 3. Aufl., § 5, Rdnr. 63; BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f (897); VGH BW, UPR 1992, S. 351 f(352); OVG Saar\., NVwZ 1990, S. 490 ff(490). 92 Dort Ziff. 2. 1. Satz 1, NVwZ 1989, S. 130 ff (130). 88

89

48

Zweiter Teil: Die AbfalIvenneidung

Verwaltungsvorschrift. 93 Einige Länder haben diesen Musterentwurf jedoch wörtlich übernommen94 oder ihm inhaltlich entsprechende Verwaltungsvorschriften erlassen95 . Da es sich außerdem um einen zwischen den Ländern im LAI abgestimmten Entwurf handelt, dürfte ihm ungeachtet seiner geringen oder gar fehlenden Rechtsverbindlichkeit doch erhebliche praktische Bedeutung zukommen. Unter den Begriff der Reststoffe fallen feste, flüssige und gasilirmige Gegenstände.96 In der derzeit gültigen Fassung des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG bildet der Begriff der "Reststoffe" den Oberbegriff und schließt den in derselben Vorschrift gebrauchten Begriff der "Abfälle" mit ein. 97 Stoffe, die in ein Gewässer eingeleitet werden können, und Tierkörperreste fallen ebenfalls unter den Reststoffbegriff. 98 Nicht zu den Reststoffen gehören die in die Luft abgegebenen Emissionen, denn diese werden bereits von den insofern spezielleren § 5 Abs. I Nr. I und Nr. 2 BImSchG erfaßt.99 Nach der Definition des Reststoffbegriffs in § 2 Nr. 4 17. BImSchV kommt es filr die Reststoffeigenschaft auf den Zweck des Anlagenbetriebs an. Über diesen 93 Der den Reststoffbegriff definierende Teil ist als nonninterpretierende Vewaltungsvorschrift anzusehen, die zwar Auslegung und Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG bestimmt aber als Verwaltungsvorschrift die gerichtliche NachprUfbarkeit nicht einschränkt. Vgl. dazu Rehbinder, DVB1.l989, S. 496 ff (497); alIgemein zu nonninterpretierenden Verwaltungsvorschriften auch Maurer, AlIgVR, § 24, Rdnr. 9 und Ossenbühl, in Erichsen, AlIgVR, § 6, Rdnr. 35, 4; vgl. ferner BVerwGE 34, S. 278 ff (281). 94 Baden-Württemberg, abgedruckt in Ule/Laubinger, BImSehG, Rechtsvorschriften der Länder, Teil 1, B-W 31; Hamburg, a.a.O., Hamb 1; Hessen, a.a.O., Hess 51; Niedersachsen, abgedruckt in UlelLaubinger, BImSehG, Rechtsvorschriften der Länder, Teil 2, Nds 30; Sachsen-Anhalt, abgedruckt in UlelLaubinger, BImSehG, Rechtsvorschriften der Länder, Teil 3, Sa-Anh 12; Schleswig-Holstein, a.a.O., Schl-H 23; Thüringen, a.a.O., Thür 7. 95 Bayern, abgedruckt in UlelLaubinger, BImSehG, Rechtsvorschriften der Länder, Teil 1, Bay 38, 44, 46; Nordrhein-Westfalen, abgedruckt in UlelLaubinger, BImSehG, Rechtsvorschriften der Länder, Teil 2, NRW 67; Rheinland-Pfalz, a.a.O., Rh-Pf29. 96 Vgl. Fluck, NuR 1989, S. 409 ff(41O). 97 Fluck, NuR 1989, S. 409 ff(410). 98 Rehbinder, DVB1.l989, S. 496 ff (497); vgl. auch Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff (410); vgl. ferner Jarass, BImSehG, 3. Aufl., § S, Rdnr. 63 und Ziff. 2. 1. Satz 2 der Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, S. 130 ff (130). 99 Jarass, BImSehG, 3. Autl., § 5, Rdnr. 63; Rehbinder, DVBI.l989,S. 496 ff (497); vgl. auch Fluck, NuR 1989, S. 409 ff (410) und Ziff. 2. 1. Satz 2 der Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, S. 130 ff(130).

B. Abfall- und immissionsschutzrechtIiche Vermeidung

49

Betriebszweck entscheidet grundsätzlich der Anlagenbetreiber. Stoffe, die der Anlagenbetreiber herstellen will, sind daher keine Reststoffe. lOO Problematisch ist die Einordnung von sog. "Neben-" bzw. "Kuppelprodukten". Neben- oder Kuppelprodukte sind Produkte, deren Entstehung der Anlagenbetreiber nicht primär bezweckt, die er jedoch entweder veräußern oder selbst in der Produktion einsetzen kann. lol Bei ihnen stellt sich die Frage, ob sie die defmitionsgemäßen Merkmale des Reststoffbegriffs erfUllen. Schwierig ist vor allem die Feststellung, worauf der Anlagenbetrieb gerichtet ist. Deshalb wird der subjektiv orientierte Reststoffbegriff102 durch objektive Kriterien ergänzt. Damit soll verhindert werden, daß der Anlagenbetreiber, käme es ausschließlich auf seine Zwecksetzung an, über die ihm nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG obliegenden Pflichten beliebig bestimmen könnte. Er besäße dann nämlich die Möglichkeit, die beim Anlagenbetrieb anfallenden Stoffe als Produkte zu qualifizieren indem er behauptet, deren Herstellung sei bezweckt. I 03 Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG könnte dann umgangen werden. Objektives Kriterium zur Bestimmung des Zwecks der Anlage ist die Verkehrsanschauung. 104 Danach handelt es sich um ein "Neben-" oder "Kuppelprodukt" und keinen Reststoff, wenn der Absatz des betreffenden Stoffes so lohnend ist, daß er auch dann hergestellt würde, wenn der Betreiber das (Haupt-)Produkt der Anlage ohne den Anfall dieses Stoffes mit gleichen oder geringeren Kosten herstellen könnte. lOS Nach diesen Kriterien soll beispielsweise der bei der Abgasentschwefelung im Kraftwerk anfallende Gips ein Reststoff und kein Produkt sein. 106

Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff(41O). Vgl. Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff (410); vgl. auch Rehbinder DVB1.1989, S. 496 ff (497). 102 Vgl. Rehbinder DVBI. 1989, S. 496 ff(497): "subjektiver Reststoffbegriff'. 103 Vgl. Rebentisch, UPR 1989, S. 209 ff(211). \04 Vgl. Rehbinder, DVB1.1989, S.496 ff(497); enger Rebentisch, UPR 1989, S. 209 ff (211), der auf die unter "Fachleuten bestehende Verkehrsanschauung" abstellt; ebenso Ziff. 2. 1. Satz 4 der Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, S. 130 ff (130); vgl. auch Jarass, BImschG, 3. Aufl., § 5, Rdnr. 63. 105 So Ziff. 2. 1. Satz 6 der Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, S. 130 ff (130) und Rehbinder, DVB1.1989, S. 496 ff (497). \06 So Ziff. 2. 1. Satz 6 der Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, S. 130 ff (130) und Rehbinder, DVB1.1989, S. 496 ff(497). 100 101

4 Schimanek

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Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung

Zu prüfen ist nunmehr, ob der Abfallbegriff des neuen KrW-/AbfG von diesem Reststoffbegriff abweicht. b) Die Unterschiede zum ab/allwirtschaftsrechtlichen Ab/allbegriff

Der Abfallbegriff des KrW-/AbfG ist in § 3 KrW-/AbfG defmiert. Die in § 2 Nr. 4 17. BlmSchV enthaltene Reststoffdefmition ist der in § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 KrW-/AbfG enthaltenen Abfalldefinition sehr ähnlich. Die übrigen, in § 3 Abs. 2, Abs. 4 KrW-/AbfG aufgefUhrten Abfallarten finden dagegen keine Entsprechung. Insofern stellen sie gegenüber dem bisherigen Reststoffbegriff eine Erweiterung dar. aa) Keine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG durch das Erfordernis der tatsächlichen Sachherrschaft Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG könnte durch seine neue Fassung aber auch eingeschränkt worden sein. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG sind Abfälle alle beweglichen Sachen, die unter die in Anhang I aufgeftlhrten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muß. Der Besitzer muß gemäß § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG die tatsächliche Sachherrschaft über den Abfall haben. In der Literatur wird deshalb die Frage aufgeworfen, ob § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nunmehr nur noch die Vermeidung gegenständlich angefallener Sachen verlange, da die tatsächliche Sachherrschaft lediglich an einem gegenständlich existenten Objekt begründet werden könne. 107 In diesem Fall bliebe von der Vermeidungspflicht nur noch die Rückführung bereits angefallener Abfälle in den Anlagenprozeß übrig, wobei sich dann die Frage stellen würde, ob dieser Vorgang nach neuem Recht noch eine Vermeidung ist oder nicht schon dem Bereich der Verwertung zuzuordnen ist. Die tatsächliche Sachherrschaft als solche ist über Reststoffe nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG a. F. nicht erforderlich. Mithin ist ihr Anfall nicht erforderlich, um sie im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG zu vermeiden. Deshalb würde die neue Fassung des

107 Diesen Gesichtspunkt greift Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff (640/641) auf, freilich vom wohl unzutreffenden Ansatz des § 854 BGB her. Dieser Ansatz dürfte wegen der in § 3 Abs. 6 KrW-/Abtu enthaltenen ausdrücklichen Legaldefinition des Besitzers verfehlt sein. Zum anderen drllngt sich zumindest die Erörterung der Frage auf, ob der Besitzbegriff des BGB und des KrW-/Abtu identisch sind, vgl. zur vergleichbaren Problematik rur den Besitzbegriff des Abtu 1986 und des BGB Schwermer, in: KJSN, Abtu, § 1, Rdnr. 9; BGH, JZ 1985, S. 689; BVerwGE 67, S. 8 ff (12) und BVerwG, DVBI. 1989, S. 522 ff(522).

B. Abfall- und irnrnissionsschutzrechtliche Venneidung

51

§ 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG hinter der alten in ihren materiellrechtlichen Wirkungen zurückbleiben. lOS

Gegen diese Erwägung ist anzuführen, daß es eine sehr fernliegende Vorstellung ist, daß Abfillle erst tatsächlich anfallen müssen, um sie vermeiden zu können. Abgesehen davon, ist den in der Literatur geäußerten Gedanken aber auch entgegenzuhalten, daß die Reststoffdefmition des § 2 Nr. 417. BlmSchV Stoffe erfaßt, die "anfallen" und nicht etwa Stoffe, die erst anfallen werden. Trotzdem ist der Anwendungsbereich der Reststoffvermeidung nicht auf bereits tatsächlich angefallene Reststoffe beschränkt. Denn eine Vermeidung soll nach übereinstimmender Ansicht auch vorliegen, wenn Reststoffe überhaupt nicht entstehen. I 09 Seine wesentliche Funktion entfaltet das Tatbestandsmerkmal des Besitzes bzw. des Besitzers im Bereich von Verwertung und Beseitigung (vgl. §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 11 Abs. 1 KrW-/AbfG). In diesem Bereich geht es darum, abfallwirtschaftsrechtliche Verwertungs- und Beseitigungspflichten bestimmten Adressaten zuzuordnen 11 0 Die Zuordnung wird über das eindeutige Zuordnungskriterium der tatsächlichen Sachherrschaft erreicht. Im Bereich der Vermeidung spielt der Besitz dagegen schon nach dem Gesetzeswortlaut für die Pflichtenzuordnung keine Rolle (vgl. §§ 9, 4 Abs. 2 KrW-/AbfG). Als Zwischenergebnis läßt sich daher festhalten, daß die Ersetzung des Reststoffbegriffs durch den Begriff der Abfälle den Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG nicht einschränkt. bb) Die Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG könnte mit der Ersetzung des Reststoffbegriffs durch den Abfallbegriff erweitert worden sein. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG sind Abfillle alle beweglichen Sachen, deren sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muß und die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen. Die verschiedenen Entledigungstatbestände definiert das KrW-/AbfG in § 3 Abs. 2 bis Abs. 4.

Vgl. auch Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(640). Vgl. Roßnagel, in: GK-BIrnSchG, § 5, Rdnr. 656; vgl. auch Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff (411) und Fluck, NuR 1989, S. 409 ff (412). 110 Zur Funktion des Besitzbegriffs des Abm 1986 vgl. Schwenner, in: KJSN, AbfG, § 1, Rdnr. 9 und BVerwGE 67, S. 8 ff(12). 108 \09

52

Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

Der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG könnte über § 3 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG erweitert worden sein. Die Reststoffdefmition des § 2 Nr. 4 17. BImSchV übernimmt das KrW-/AbfG im wesentlichen in § 3 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfGll1. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG ist ein Entledigungswille u.a. rur solche beweglichen Sachen anzunehmen, die bei der Energieumwandlung, Herstellung, Behandlung oder Nutzung von Stoffen oder Erzeugnissen oder bei Dienstleistungen anfallen, ohne daß der Zweck der jeweiligen Handlung hierauf gerichtet ist. Diese Begriffsbestimmung nimmt die Elemente des bisherigen Reststoftbegriffes des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG in sich aufl12 , da sie im wesentlichen die Reststoff-Defmition des § 2 Nr. 4 der 17. BImSchV übernimmt. Außerdem geht sie in zweierlei Hinsicht sogar darüber hinaus. l13 Zum einen werden auch solche Stoffe erfaßt, die bei Dienstleistungen anfallen. 114 Zum anderen kommt es darauf an, daß der Zweck der Handlung nicht auf die Herstellung der betreffenden Sache gerichtet ist, während es nach der alten Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auf den Zweck des Anlagenbetriebs ankommt. Daß die vom KrW-/AbfG verwendete Formulierung "Zweck der Handlung" eine Erweiterung darstellt, ergibt sich aus dem Wortlaut. Sie wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Norm bestärkt. Denn die noch in § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung speziell rur Anlagen im Sinne des BImSchG enthaltenen Regelung, die auf den "Zweck des Anlagenbetriebs" abstellte, fiel fort, während § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auf den "Zweck der jeweiligen Handlung" abstellte. 115 Dabei sollte der Zweck der Handlung gegenüber dem Zweck des Anlagenbetriebs eine Erweiterung darstellen, denn § 3 Abs. 1 Nr. 2 sollte einen "Auffangtatbestand" im Verhältnis zu Nr. 1 bilden. 116 Ebenso wie bei der Zweckbestimmung des Anlagenbetriebs des alten § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ist rur die Beurteilung der Zweckbestimmung der Handlung neben der Auffassung des Erzeugers oder Besitzers die Verkehrsanschauung nach § 3 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG zu berücksichtigen. Folglich wurde der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG über § 3 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG erweitert. Darüber hinaus gilt die immissionsschutzrechtliche Vermeidungs- und Verwertungspflicht nunmehr auch rur Abfälle nach § 3 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 KrW-/AbfG. Diese Abfallgruppe erfaßte § 2 Nr. 4 17. BImSchV und damit auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG

111

Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 3, Rdnr. 146; ders., DVB1.l995, S. 537 ff(540).

112 Vgl. Seibert, UPR 1994, S. 415 ff(420). 113 Vgl. Fluck, DVB1.l995, S. 537 ff(541). 114 115

116

Zu Beispielen dafür vgl. Fluck, in: KrW-/AbfG, § 3, Rdnr. 152. BR-Drs. 245/93, S. 8. BR-Drs. 245/93, S. 123.

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Venneidung

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bisher nicht. Die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf diese Abfallgruppen ist deshalb ebenfalls neu. Der Anwendungsbereich des neuen § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ist daher durch die Einfügung des Abfallbegriffs gegenüber der alten Fassung erweitert worden.

11. Die Kongruenz abfallwirtschaftsrechtlicher und immissionsschutzrechtlicher Vermeidung Für den Inhalt der Vermeidungspflichten im Bereich der Produktion kommt es darauf an, was § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG nunmehr unter Vermeidung versteht. Zu untersuchen ist im folgenden, welche Maßnahmen vor Verkündung des KrW-/AbfG unter den Vermeidungsbegriff des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG fielen. Weicht dieser Vermeidungsbegriffvom abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriff ab, ist als nächster Schritt zu prüfen, ob das KrW-/AbfG dazu zwingt, auch den immissionsschutzrechtlichen Vermeidungs begriff in einem anderen Sinne zu verstehen. Obwohl § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG den Vermeidungsbegriff beibehält, könnte das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen, welches das KrW-/AbfG und die Änderungen des BlmSchG als gesetzgebungstechnische Einheit miteinander verklammert, den bisherigen immissionsschutzrechtlichen an den abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriff inhaltlich angepaßt haben. Ist eine solche Anpassung nicht geschehen, sind die beiden Vermeidungsbegriffe daher inkongruent, stellt sich die Frage, wie weit die in § 9 Satz 1 KrW-/AbfG angeordnete Spezialität des BImSchG für die Abfallvermeidung reicht. Zunächst ist daher zu prüfen, welchen Inhalt die Vermeidung (von Reststoffen) in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a.F. hat. 1. Meinungsstand zum Vermeidungsbegriffdes § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG a.F.

Zwar ist sich die Literatur über den Inhalt des Vermeidungsbegriffs des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a.F. noch insoweit einig, daß eine Vermeidung vorliegt, wenn Reststoffe überhaupt nicht entstehen. 117 Maßnahmen, die diesen Effekt erzielen, sind beispielsweise Änderungen des Produktionsprozesses oder die Ersetzung von Einsatzstoffen durch andere, so daß keine oder weniger Reststoffe

117 Vgl. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rdnr. 656; vgl. auch Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff(41 I) und Fluck, NuR 1989, S. 409 ff(412).

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Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung

als vorher entstehen. Umstritten ist jedoch, ob die Rückfiihrung bereits entstandener Reststoffe in die Produktion oder ihre Einbindung in Produkte eine Vermeidung oder (anlageninterne) Verwertung darstellt. 1I8 Je weiter man den Bereich der anlageninternen Verwertung faßt, desto kleiner wird der Bereich, der fiir die Vermeidung übrig bleibt. Dieser Automatismus ist in der Normstruktur des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG begründet, welche lediglich Vermeidung, Verwertung und Beseitigung (von nunmehr Abfallen) kennt und keine weiteren Kategorien. Im wesentlichen werden zum Vermeidungsbegriff zwei Ansätze vertreten. a) Die prozeßorientierte Sichtweise

Zum einen wird vertreten, der Vermeidungsbegriff des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG sei "prozeßorientiert" .119 Vermeidung von Reststoffen in diesem Sinne bedeutet, daß der Anfall von Reststoffen im Produktionsprozeß verhindert werden muß. Vermeidungsmaßnahmen können nur in einer Änderung der eingesetzten Roh- und Hilfsstoffe, in der Wahl eines anderen Herstellungsverfahrens oder in der Kreislauffilhrung von Stoffen im jeweiligen Prozeß bestehen. Fallen dennoch Reststoffe an und werden sie in anderen Produktionsprozessen auch in derselben Anlage wiederverwendet, handelt es sich nicht um Vermeidungs-, sondern um Verwertungsmaßnahmen. Für das Vorliegen einer Verwertung, ist es - da es rur das Vorliegen einer Vermeidung auf das Verbleiben des Stoffes im Produktionsprozeß ankommt - unerheblich, ob eine solche Wiederverwendung in derselben oder in einer anderen Anlage stattfindet. Daher gibt es eine anlageninterne Verwertung. Als Argument rur diese Ansicht wird die Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG genannt, in der man von der Möglichkeit der Verwertung im eigenen Betrieb ausgegangen sei. 120 Die Nichtanerkennung einer anlagen internen Verwertung hätte außerdem zur Folge, daß gleich umweltbelastende Vorgänge anlagenintern stets als Vermeidung und anlagenextern als Verwertung rechtlich unterschiedlich behandelt würden. Denn die Voraussetzung der Schadlosigkeit komme nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG rur die Vermeidung nicht zum Tragen. 121 Außerdem wird zur Begründung der Wortsinn des Begriffs "Ver118 Der Streit wird instruktiv von Roßnagel, in; GK-BImSchG, § 5 Rdnm. 657-662 dargestellt. 119 Meidrodt, Vermeidungs- und Verwertungsgebot S. 69; Führ, Industrieanlagen S. 192; Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5 Rdnr. 662; Ewen, Öko-Mitteilungen 2/88, S. 4 ff(7). 120 Vgl. Jarass, BImSchG, 3. Autl, § 5 Rdnr. 67; vgl. auch BT-Drs. 10/1862 (neu), Anlage 2, S. 9. 121 Vgl. Jarass, BImSchG, 3. Aufl., § 5 Rdnr. 67.

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Venneidung

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meidung" herangezogen. Was bereits entstanden sei, könne nicht mehr vermieden werden. 122 b) Die anlagen orientierte Sichtweise

Demgegenüber wird überwiegend ein "anlagenorientierter Vermeidungsbegriff' vertreten. 123 Vermeidung von Reststoffen bedeutet danach, daß die Entstehung von Reststoffen außerhalb der Anlage verhindert wird. Reststoffe können danach auch vermieden werden, wenn sie nach ihrer Entstehung in einen anderen Produktionsprozeß derselben Anlage zurückgeftihrt oder in Produkte eingebunden werden. Die Wiederverwendung angefallener Reststoffe in anderen Produktionsprozessen derselben Anlage ist danach - im Unterschied zum prozeßbezogenen Vermeidungs begriff - als Vermeidung zu qualifizieren und nicht als Verwertung. Eine Verwertung von Reststoffen kommt nach dem anlagenbezogenen Vermeidungsbegriff nur außerhalb der Anlage, also anlagenextern, in Betracht. 124 Eine anlagen interne Verwertung gibt es begrifflich nicht. Alle anlageninternen Maßnahmen, die zu einer Reduzierung des Reststoffaufkommens ftihren, sind nach dem anlagenbezogenen Vermeidungsbegriff ausschließlich als Vermeidung zu qualifizieren. Für diese Auslegung des Vermeidungsbegriffs wird der Anlagenbezug der Betreiberpflichten des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG angefilhrt. 125 Dieser spräche daftir, anlagen interne Vorgänge außer acht zu lassen und die Behörde auf eine Betrachtung der Anlage von außen zu beschränken. Zum anderen verfolge das Immissionsschutzrecht die Grundtendenz, dem Anlagenbetreiber eine möglichst weitgehende Freiheit bei der Wahl der in der Anlage eingesetzten technischen Verfahren einzuräumen. 126 Bei einer weiten Auslegung des Vermeidungsbegriffs sei diese Freiheit von Gesetzes wegen größer, da nach § 5 Abs. 1 Nr. 3

Roßnagel, in: GK-BlmSchG, § 5, Rdnr. 661. Z.B. von Fluck, NuR 1989, S. 409 ff (412); vgl. auch Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff(411); so auch noch Jarass, BImSchG, 2. Aufl., § 5, Rdnr. 64, 65. 124 Fluck, NuR 1989, S. 409 ff (412); vgl. auch Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff (411 ). 125 Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(643/644). 126 Vgl. Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff(411) und Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(643). 122 123

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

BlmSchG lediglich die Verwertung, nicht aber die Vermeidung ordnungsgemäß und schadlos erfolgen müsse. 127 Als Ergebnis läßt sich daher festhalten, daß die überwiegende Ansicht zum § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG a.F. einen anlagenorientierten Vermeidungsbegriff vertritt. Anlagenintern kommt danach nur die Vermeidung, nicht aber die Verwertung von Reststoffen in Betracht. 2. Der Vermeidungsbegriffin § S Abs. 1 Nr. 3 BImSchG in der Fassung des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abf1lllen

Der dem KrW-/AbfG zugrunde liegende Vermeidungsbegriff wurde bereits oben erörtert. Die abfallwirtschaftsrechtliche Abgrenzung, ob eine Vermeidung vorliegt oder nicht, richtet sich danach, ob ein Stoff bereits Abfall ist oder nicht. Liegt Abfall i.S.d. § 3 KrW-/AbfG vor, scheidet eine Vermeidung aus. Der Vermeidungsbegriff des KrW-/AbfG ist gegenüber dem bisherigen Vermeidungsbegriff des § 5 Abs. I Nr. 3 BlmSchG a.F. enger, auch wenn der Anwendungsbereich der immissionsschutzrechtlichen Vermeidung über den Abfallbegriff erweitert wird. Denn das KrW-/AbfG erkennt eine anlageninterne Verwertung an. Maßnahmen, die bisher immissionsschutzrechlich als Vermeidung eingestuft wurden, sind nach dem KrW-/AbfG zum Teil als Vermeidung und zum Teil als anlageninterne Verwertung anzusehen. Dem KrW-/AbfG liegt auch - wie bereits erörtert - kein prozeßbezogener Vermeidungsbegriff zugrunde. Der vom Immissionsschutzrecht abweichende Vermeidungsbegriff des KrW/ AbfG könnte zumindest dazu zwingen, den von der überwiegenden Rechtslehre und Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG a.F. vertretenen anlagenorientierten Vermeidungsbegriff aufzugeben. Dafilr könnte insbesondere § 9 Satz 3 KrW-/AbfG sprechen. Diese Vorschrift ermächtigt zum Erlaß von Rechtsverordnungen, in denen stoffbezogene Anforderungen an die "anlageninterne Verwertung" festgelegt werden können. Diese Vorschrift steht im systematischen Zusammenhang mit der in § 9 Satz 1 KrW/AbfG enthaltenen Verweisung auf das Immissionsschutzrecht. Man könnte daher folgern, § 9 Satz 3 KrW-/AbfG stelle klar, daß eine anlagen interne Verwertung nunmehr auch im Immissionsschutzrecht eine Verwertungs- und keine Vermeidungsmaßnahme sei. Damit stelle sich das KrW-/AbfG gegen die bis-

127 Von diesem Begriffsverständnis der Venneidung und der Verwertung geht im übrigen auch der LAI-Entwurf der Verwaltungsvorschrift zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG aus; vgl. Ziff. 3. 1. Satz 1 und Ziff. 4. 1. MusterVwV, NVwZ 1989, S. 130 ff(131).

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Venneidung

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lang herrschende immissionsschutzrechtliche Auslegung. 128 Würde diese These zutreffen, dann gäbe es möglicherweise auch im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG eine anlageninterne Verwertung, und der anlagenorientierte Vermeidungsbegriff wäre jedenfalls insofern unzutreffend, als er eine anlagen interne Verwertung nicht zuläßt. Da Abfälle nur vermieden, verwertet oder beseitigt werden können, bedeutet eine Ausweitung des von der Verwertung erfaßten Bereichs auf die anlageninterne Verwertung zugleich eine Einschränkung des von der Vermeidung erfaßten Bereichs. Es stellt sich daher die Frage, was nunmehr unter Vermeidung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG zu verstehen ist. Diese Frage wird unterschiedlich beantwortet. a) Meinungsstand

aa) Die Beibehaltung des bisherigen Vermeidungsbegriffs Nach Ansicht von Rebentisch behält § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG den bisher überwiegend vertretenen Vermeidungsbegriff bei. Das KrW-/AbfG zwinge nicht zu inhaltlichen Abweichungen von diesem Vermeidungsbegriff. Die Vermeidung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG erfasse daher auch die Rückfilhrung angefallener unerwünschter Stoffe. 129 Eine anlagen interne Verwertung gebe es nicht. Im anlageninternen Bereich sei nur eine Vermeidung in Betracht zu ziehen. Anlageninterne Maßnahmen unterlägen daher als Vermeidung den sich aus § 5 Abs. I Nr. I und Nr. 2 BImSchG ergebenden Anforderungen, sie müßten aber nicht ordnungsgemäß und schadlos erfolgen, da diese Voraussetzungen nach § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG nur fUr die Verwertung gelten. Zur Begründung fUhrt Rebentisch aus, die Übertragung der Begrifflichkeiten des KrW-/AbfG auf das Immissionsschutzrecht sei mit der anlagenbezogenen Systematik des BImSchG unvereinbar. l3O Das Immissionsschutzrecht bezwecke, die Freiheit des Anlagenbetreibers bei der Wahl der eingesetzten Verfahren nicht unnötig einzuschränken. l3l Deshalb sei an der Definition des Vermeidungsbegriffs im derzeit gültigen § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG festzuhalten. Eine Rechtsverordnung, die stoftbezogene Anforderungen an die RückfUhrung von Stoffen in den Anlagenprozeß auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 oder § 7 KrW-/AbfG enthalte (vgl. § 9 Satz 3 KrW-/AbfG), könne daher auch

128 129 130 13l

So PetersenIRid, NJW 1995, S. 7 ff (12). Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(643). Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(644). Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(643).

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

im Vollzug immissionsschutzrechtlicher Vorschriften keine Anwendung finden. 132 bb) Die Einschränkung des Vermeidungsbegriffs durch die Anerkennung der anlageninternen Verwertung Nach Ansicht von Jarass liegt eine Vermeidung zum einen vor, wenn Reststoffe überhaupt nicht entstehen und zum anderen, wenn Rückstände in den Prozeß eingespeist werden, in dem sie entstanden sind. Zumindest müsse die Einspeisung in die Hauptanlage erfolgen, in der der Rückstand entstanden sei. 133 Zur Begründung fUhrt Jarass im wesentlichen den Sprachgebrauch, die Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG und die Annahme einer anlagen internen Verwertung in § 9 Satz 3 KrW-/AbfG an. 134 Jarass erkennt ebenso wie die Vertreter des prozeßorientierten Vermeidungsbegriffs die Möglichkeit einer anlageninternen Verwertung an. Er geht aber insofern über den prozeßorientierten Vermeidungsbegriff hinaus, als er vertritt, eine Vermeidung liege auch bei einer Einspeisung in die Hauptanlage vor. Denn der Begriff der Hauptanlage ist weiter als der des Prozesses. Da es nach dieser Ansicht auch immissionsschutzrechtlich eine anlageninterne Verwertung gibt, müßte das KrW-/AbfG über das in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthaltene Tatbestandsmerkmal der Ordnungsgemäßheit auf Vorgänge des anlagen internen Bereichs angewendet werden. ce) Die Einfiihrung eines prozeßorientierten Vermeidungsbegriffs Schließlich könnte man die Ansicht vertreten, die Normierung der anlageninternen Verwertung in § 9 Satz 3 KrW-/AbfG zwinge dazu, den Vermeidungsbegriff in § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG im prozeßorientierten Sinne zu verstehen.l3 5 Auch nach dieser Auffassung wäre das KrW-/AbfG auf anlageninterne Vorgänge anwendbar.

Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(644). Jarass, BImSchG, 3. Aufl., § 5, Rdnr. 67. Insofern ist es etwas unklar, wenn Jarass zunächst ausfUhrt, über den Einsatz von Produktionsverfahren, Roh- und Hilfsstoffen, die zu weniger Reststoffen fllhren, hinaus liege eine Venneidunga/lein dann vor, wenn Rückstände in den Prozeß wieder eingespeist werden, in dem sie entstanden sind. Denn dies deutet auf einen prozeßorientierten Venneidungsbegriff hin. 134 Jarass, BImSchG, 3. Aufl., § 5, Rdnr. 67. 135 Vgl. Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 9, Rdnr. 70-72; PetersenlRid, NJW 1995, S. 7 ff (12) müßten nach ihren Ausfllhrungen konsequenterweise zu diesem Ergebnis gelangen. 132 \33

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Venneidung

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b) Vergleichende Betrachtung der Konsequenzen dieser Ansichten

Bevor darauf eingegangen wird, ob sich der Vermeidungsbegriff des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG tatsächlich geändert hat, soll geprüft werden, ob sich daraus überhaupt praktische Konsequenzen ergeben. 136 Untersucht werden sollen die Auswirkungen auf die Reichweite der immissionsschutzrechtlichen Vermeidungs- und Verwertungspflichten im Genehmigungsverfahren sowie auf die behördliche Überwachung nach dem KrW-/AbfG und dem BImSchG. aa) Die Auswirkungen auf die Reichweite der Vermeidungs- und Verwertungspflichten im Hinblick auf das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren Auswirkungen könnte die Abgrenzung von Vermeidung und Verwertung zunächst auf die Reichweite der sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ergebenden Vermeidungs- und Verwertungspflichten haben. Denn eine Pflicht zur vorrangigen Vermeidung ergibt sich nur, wenn eine Verwertung nicht ordnungsgemäß und schadlos möglich ist. Erkennt man - wie die soeben unter bb) und cc) geschilderten Ansichten - eine anlageninterne Verwertung an, so geht dies zu Lasten des der Vermeidung verbleibenden Bereiches, der sich dadurch automatisch verkleinert. Das könnte zur Folge haben, daß bei Anerkennung einer anlageninternen Verwertung mehr und andere Maßnahmen als bei ihrer Nichtanerkennung auf ihre Ordnungsgemäßheit und Schadlosigkeit zu prüfen sind. Mit der Anerkennung einer anlagen internen Verwertung würde sich zugleich der Prüfungsumfang im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ändern. aaa) Die Auswirkungen auf den Prüfungsumfang

Ausgangspunkt rur den Prüfungsumfang im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren ist § 6 BImSchG. Über § 6 Nr. 1 LV.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ("ordnungsgemäß" und "schadlos") werden Vorgaben des Abfallrechts rur die Verwertung von Abfällen bei der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen berücksichtigt, nicht jedoch rur die Vermeidung. Dabei verlangt das Merkmal "ordnungsgemäß" nach der überwiegend vertretenen Auslegung die Beachtung aller Rechtsvorschriften, die

136

Angesprochen z. B. von Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(640).

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Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung

auf den Verwertungsvorgang Anwendung fmden. 13 7 Weitgehend einig ist man sich auch über die Bedeutung des Merkmals "schadlos". Nach diesem Merkmal sei zu prüfen, ob Verwertungsverfahren, Verwertungsart und -produkt auch im Hinblick auf das Gemeinwohl unbedenklich seien. 138 Nach § 6 Nr. 2 BImSchG darf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur erteilt werden, wenn andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Andere öffentlich-rechtliche Vorschriften in diesem Sinne sind die von § 6 Nr. 1 BImSchG nicht erfaßten. Sie müssen sich auf die Anlage als solche beziehen. 139 Damit scheidet die Prüfung von Vorschriften aus, die auf persönliche Voraussetzungen für den Betrieb der Anlage abstellen. 140 Damit kommen anlagenbezogene Rechtsvorschriften, mithin auch abfallwirtschaftsrechtliche Vorschriften, die sich auf die Anlage beziehen, im immissionsschutzrechlichen Genehmigungsverfahren entweder schon über § 6 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ("ordnungsgemäß") zur Anwendung, wenn es sich um eine Verwertung in diesem Sinne handelt, oder über die "öffentlichrechtlichen Vorschriften" des § 6 Nr. 2 BImSchG, wenn es sich um keine Verwertung handelt, also beispielsweise eine Vermeidung vorliegt. Insofern scheint daher eine Klärung der Frage, ob es immissionschutzrechtlich eine anla137 Jarass, BImSchG, 3. Aufl., § 5, Rdnr. 71; Rebentisch, UPR 1989, S. 209 ff (212); Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff (412); Roßnage\, in: GK-BImSchG, § 5, Rdnr. 682; Rehbinder, DVBI. 1989, S. 496 ff (500); wobei Roßnagel, Hansmann und Rehbinder a. a. 0., die Prüfung der Ordnungsgemäßheit auf die Verwertungsart und das Verwertungsprodukt beziehen, andere dagegen, beipielsweise Jarass und Rebentisch, a. a. 0., prüfen insoweit das eingesetzte Verfahren und wenden daflir das Merkmal "schadlos" auf Verwertungsart und -produkt an; im zuletzt genannten Sinne auch Ziff. 3. 3 der Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, S. 130 ff(130). 138 Jarass, BImSchG, 3. Aufl., § 5, Rdnr. 71; Rebentisch, UPR 1989, S. 209 ff(212); Ziff. 3. 3 der Musterverwaltungsvorschrift, NVwZ 1989, S. 130 ff (130); Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff (412); Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5, Rdnr. 686; vgl. auch Rehbinder, DVBI. 1989, S. 496 ff (500). Diejenigen, die die Prüfung der Ordnungsgemäßheit auf die Verwertungsart und das Verwertungsprodukt beziehen, prüfen im Rahmen der Schadlosigkeit zusätzliche Belange über die gesetzlichen Produktstandards hinaus, vgl. Roßnagel, a. a. 0.; vgl. auch Rehbinder, a. a. 0 .. 139 StichIPorger, ImmSchR, § 6 BImSchG, Rdnr. 11; Feldhaus, BImSchR, § 6 BlmSchG, Anm. 6; UlelLaubinger, BImSchG, § 6, Rdnr. 6; vgl. auch Jarass, BImSchG, 3. Aufl., § 6, Rdnr. 7. 140 Stich/Porger, ImmSchR, § 6 BImSchG, Rdnr. 12, UlelLaubinger, BImSchG, § 6, Rdnr. 6; Nur vereinzelte Vorschriften des KrW-/AbfG stellen auf persönliche Voraussetzungen ab. In Betracht kommt z. B. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG; vgl. dazu auch Jarass, BImSchG, 3. Aufl., § 6, Rdnr. 14 a und b.

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Venneidung

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geninterne Verwertung gibt - jedenfalls im Ergebnis - filr das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren überflüssig. Bei Anerkennung einer anlageninternen Verwertung im Rahmen des Immissionsschutzrechts - siehe die oben dargestellten Ansichten bb) S. 49 fund cc) S. 50 f - würde das KrW-/AbfG über § 6 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ("ordnungsgemäß") zur Anwendung gelangen. Bei Ablehnung einer anlageninternen Verwertung und Einstufung aller anlageninternen Maßnahmen als Vermeidung - siehe oben, Ansicht aa) S. 47 f - käme das Abfallrecht über § 6 Nr. 2 BImSchG ("andere öffentlich-rechtliche Vorschriften") zur Anwendung. Die Anwendbarkeit des Abfallrechts läßt sich nicht mit dem Argument ablehnen, daß die stoffbezogenen Regelungen des KrW-/AbfG wegen des Anlagenbezugs des BImSchG nicht zu berücksichtigen seien. 141 Stoff- und anlagenbezogene Anforderungen bilden keine unvereinbaren Gegensätze. Unterschieden wurden bisher immer nur Rechtsvorschriften, die auf persönliche Voraussetzungen abstellen und solche, die an die Anlage anknüpfen und insofern anlagenbezogen sind. 142 Stoffbezogene Anforderungen können aber durchaus an den Betrieb der Anlage anknüpfen, wenn sie sich auf die in der Anlage verwendeten bzw. erzeugten Stoffe beziehen. Anlagenbezug im Sinne des BImSchG bedeutet lediglich, daß die immissionsschutzrechtlichen Pflichten an die Errichtung und den Betrieb einer Anlage anknüpfen. Die Anwendbarkeit stoffbezogener Anforderungen scheitert daher nicht am Anlagenbezug des BImSchG als solchem. Scheitern könnte ihre Anwendbarkeit allenfalls, wenn das KrW-/AbfG selbst das BImSchG für den Bereich des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens insofern als spezieller und abschließend erachten würde, was sich aus § 9 Satz 1 KrW-/AbfG ergeben könnte und im folgenden noch zu klären ist. Es handelt sich dabei jedoch primär um die Frage nach der Spezialität des Immissionsschutzrechts vor dem Abfallrecht. Im Hinblick auf das Merkmal "ordnungsgemäß" wirken sich die unterschiedlichen Ansichten zum Vermeidungsbegriff im Ergebnis nicht aus, weil die Vorschriften des KrW-/AbfG, soweit sie nicht personenbezogen sind, als öffentlichrechtliche Vorschriften jedenfalls nach § 6 Nr. 2 BImSchG anzuwenden sind. Der oben dargestellte Streit könnte sich allerdings für das Merkmal "schadlos" auswirken, welches nur tur die Verwertung über § 6 Nr. 1 LV.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG zur Anwendung gelangt. Auf Anforderungen zur Schadlosigkeit verweist § 6 Nr. 2 BImSchG nicht. Insofern könnte es tur den Prüfungsumfang

141 142

So Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(642/643). Vgl. Jarass, BImSehG, 3. Aufl., § 6, Rdnr. 14 a und b.

62

Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

daher einen Unterschied machen, ob eine anlageninterne Verwertung anzuerkennen ist. Die Schadlosigkeit der Verwertung ist gemäß § 6 Nr. 1 LV.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG zu prüfen. Eine entsprechende immissionsschutzrechtliche Regelung rur die Prüfung der Schadlosigkeit der Vermeidung fehlt. Zu den von § 6 Nr. 2 BImSchG erfaßten öffentlichrechtlichen Vorschriften könnte jedoch § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG gehören. Danach hat auch die Verwertung von Abfällen ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen. Da nach dem KrW-/AbfG auch die anlagen interne Verwertung (vgl. § 9 Satz 3 KrW-/AbfG) unter die Verwertung fällt und sich die anlagen interne Verwertung zumindest teilweise mit dem Bereich deckt, welcher immissionsschutzrechtlich bislang als Vermeidung eingestuft wird, wäre zumindest rur einen Teilbereich der Vermeidung im immissionsschutzrechtlichen Sinne im Ergebnis die Schadlosigkeit "der Vermeidung" zu prüfen. Die Verwertung erfolgt nach § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW/AbfG schadlos, wenn nach der Beschaffenheit der Abfälle, dem Ausmaß der Verunreinigungen und der Art der Verwertung keine Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten sind. Der abfallwirtschaftsrechtliche Begriff der Schadlosigkeit ist daher mit dem immissionsschutzrechtlichen Schadlosigkeitsbegriff nahezu identisch. Die Ansicht, die eine anlagen interne Verwertung im Immissionsschutzrecht ablehnt, muß die Schadlosigkeit der von ihr als Vermeidung qualifizierten anlageninternen Verwertung nach § 6 Nr. 2 BImSchG LV.m. § 5 Abs. 3 Satz I und Satz 3 KrW-/AbfG prüfen. Der immissionsschutzrechtliche Vermeidungsbereich und der Bereich anlageninterner Verwertung LS.d. KrW-/AbfG überschneiden sich. Demgegenüber würde die Ansicht, die eine anlagen interne Verwertung auch im Rahmen des BImSchG bejaht, das Schadlosigkeitskriterium in diesem Bereich bereits über § 6 Nr. 1 LV.m. § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG anwenden. Da der Vermeidungs begriff nach dieser Ansicht enger wäre und nur die anlageninternen Maßnahmen erfaßt, die nicht anlageninterne Verwertung sind, bestünden zwischen Vermeidung und anlagen interner Verwertung keine Überschneidungen. Da die Schadlosigkeitsbegriffe des BImSchG und des KrW-/AbfG nahezu identisch sind, würde sich der Streit über die Anerkennung einer anlageninternen Verwertung praktisch nicht auswirken. Die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 3 Satz 1 und 3 KrW-/AbfG über § 6 Nr. 2 BlmSchG läßt sich aber wiederum nur bejahen, wenn das BlmSchG diesen Bereich nicht speziell und abschließend regeln soll. Es könnte sein, daß das KrW-/AbfG bezweckt, die immissionsschutzrechtliche Vermeidung überhaupt nicht auf ihre Schadlosigkeit hin zu prüfen. Diese Zielsetzung würde unterlaufen, wenn die Vermeidung

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Vermeidung

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zumindest in Teilbereichen letztendlich doch über § 6 Nr. 2 BlmSchG LV.m. § 5 Abs. 3 Satz 1 und 3 KrW-/AbfG schadlos zu erfolgen hätte. Damit ist erneut in erster Linie das Problem der Spezialität angesprochen. Als Ergebnis läßt sich daher festhalten, daß der Streit über die Anerkennung einer anlageninternen Verwertung und damit auch der Inhalt des Vermeidungsbegriffs für den PrUfungsumfang im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren dann von Belang ist, wenn das BlmSchG den Bereich der Vermeidung speziell und abschließend regeln soll.

bbb) Die Auswirkungen auf die Vorrangregelungen Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG sind Vermeidung und Verwertung grundsätzlich gleichrangig. Diese Gleichrangigkeit ergibt sich nicht aus dem wenig eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchGI43, jedoch aus der Entstehungsgeschichte der Norm. 144 Der Vorschlag, der Vermeidung Vorrang einzuräumen, vermochte sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchzusetzen. 145 Der Anlagenbetreiber kann nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG zwischen der Vermeidung und der Verwertung wählen. 146 Die Reststoffvermeidung hat nur, aber auch immer dann, Vorrang vor der Verwertung, wenn die Verwertung nicht ordnungsgemäß und schadlos möglich ist. 147 Teilweise wird daraus ein prozeduraler Vorrang der Vermeidungspflicht vor der Verwertungspflicht abgeleitet. Der Betreiber habe danach zur Abwendung der vorrangigen Vermeidungspflicht darzulegen, inwieweit eine Verwertung ordnungsgemäß und schadlos möglich seLl48 Der prozedurale Vorrang ergebe sich aus dem Wortlaut der Norm, die nur die Vermeidungspflicht als Betreiberpflicht formuliere, die ausnahmsweise durch bestimmte Formen der Verwertung oder Beseitigung entfallen könne. 149 Außerdem stehe diese Auslegung im Einklang mit der Entstehungsgeschichte des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG. Denn die Fassung der Norm

143 Vgl. Meidrodt, Vermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 63/64 und Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5, Rdnr. 663. 144 Dazu Meidrodt, Vermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 63 und Roßnagel, in: GKBlmSchG, § 5, Rdnrn. 663 und 55-60; vgl. auch aus den Gesetzgebungsmaterialien BTDrs. 10/1862 (neu), S. 4 und Anlage 2, S. 9 und BT-Drs. 10/3556, S. 13/14. 145 Dazu Meidrodt, Vermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 63 und BT-Drs. 10/1862 (neu), S. 4, 7 und ferner S. 9/10. 146 Jarass, BImSchG, 3.Aufl., § 5, Rdnr. 76. 147 Meidrodt, V~rmeidungs- und Verwertungsgebot, S. 63; Jarass, BImSchG, 3.Aufl., § 5, Rdnr. 76. 148 Rehbinder, DVBI. 1989, S. 496 ff (499); Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5, Rdnr.664. 149 So Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5, Rdnr. 664.

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Zweiter Teil: Die AbfalJvenneidung

sei eine Kompromißlösung zwischen dem Vorschlag des Bundesrates, der Abfall vermeidung einen eindeutigen Vorrang vor der Reststoffverwertung einzuräumen und der Gleichrangigkeitslösung der Bundesregierung. 150 Der Innenausschuß des Bundestages, auf den die letztlich in Kraft getretene Fassung zurückzuführen ist, habe das Reststoffvermeidungsgebot im Verhältnis zum Verwertungs gebot zwar akzentuieren, ihm aber nur eine "weniger eindeutige Priorität" gegenüber dem Verwertungsgebot einräumen wollen. ISl Die überwiegenden Gründe sprechen daher für die Anerkennung eines prozeduralen Vorrangs. Die Anerkennung einer anlagen internen Verwertung - siehe oben, Ansichten bb) S. 49 f , und cc), S. 50 f - wirkt sich auf das Vorrangverhältnis aus. Mit ihrer Anerkennung würde sich der der Vermeidung verbleibende Bereich anlageninterner Maßnahmen automatisch verkleinern, mithin der Bereich, welchem prozeduraler Vorrang zukommen soll. Es ist daher festzuhalten, daß sich der Streit über die Anerkennung der anlageninternen Verwertung auf die Reichweite des prozeduralen Vorrangs der Vermeidung vor der Verwertung auswirkt. bb) Die Auswirkungen auf die behördliche Überwachung Unterschiede könnten sich auch im Hinblick auf die Zuständigkeit für die behördliche Überwachung ergeben. Sowohl nach § 52 Abs. 1 BlmSchG als auch nach § 40 Abs. 1 Satz 1 KrW/AbfG obliegt der jeweils zuständigen Behörde, also der Immissionsschutzoder der Abfallbehörde, die Überwachung. Nach § 52 Abs. 1 BlmSchG erstreckt sich die Überwachung auf die Durchführung des BlmSchG und der darauf gestützten Rechtsverordnungen. Andere Gesetze sind von der Immissionsschutzbehörde grundsätzlich nicht zu überwachen, auch wenn öffentlichrechtliche Vorschriften nach § 6 Nr. 2 BlmSchG in das Immissionsschutzrecht einbezogen werden. 152 Die Immissionsschutzbehörde muß aber nach § 52 Abs. 1 BlmSchG die Einhaltung der Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG überwachen.l 53 Da sie damit die Einhaltung einer ordnungsgemäßen Ver-

150 Vgl. dazu Meidrodt, Venneidungs- und Verwertungsgebot, S. 63 und BT-Drs. 10/1862 (neu), S. 4, 7 und ferner S. 9/10. ISI BT-Drs. 1013556, S. 13/14. 152 Vgl. Hansmann, in: LandmannIRohmer, BImSchG, § 52, Rdnr. 16; vgl. auch Jarass, BImSchG, 3. Aufl., § 52, Rdnr. 3. 153 Vgl. Hansmann, in: LandmannIRohmer, BImSchG, § 52, Rdnr. 16; a. A. wohl Kunig, in: KlSN, AbfG, § 11, Rdnr. 8.

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Venneidung

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wertung überwachen muß, erstreckt sich die Überwachung grundsätzlich auch auf die Einhaltung der Vorschriften des KrW-/AbfG. 154 Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG unterliegt die Vermeidung nach Maßgabe der Rechtsverordnungen gemäß §§ 23, 24 KrW-/AbfG, die Verwertung und die Beseitigung von Abfällen der Überwachung durch die Abfallbehörde. 155 Eine Überwachung von Abfallvermeidungsmaßnahmen setzt Vermeidungspflichten auf der Grundlage von Rechtsverordnungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG voraus. I 56 Aus der klarstellenden Regelung 157 des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 KrW-/AbfG ergibt sich, daß sich die Überwachung auch auf Anlagen im Sinne des BlmSchG erstreckt, in denen Abfälle mitverwertet und mitbeseitigt werden. Die Vermeidung nach dem BlmSchG, auf die § 9 Satz 1 KrW-/AbfG verweist, erwähnt § 40 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG nicht. Die Ansicht von Rebentisch - oben, S. 47 f - würde die immissionsschutzrechtliche Überwachung unverändert lassen. Nach dieser Ansicht gibt es eine anlagen interne Verwertung im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG nicht. Deshalb würde sich die immissionsschutzrechtliche Überwachung im anlageninternen Bereich nicht auf die Vorschriften des KrW-/AbfG erstrecken, auf die durch das Erfordernis der Ordnungsgemäßheit Bezug genommen wird. Die Überwachung würde sich auch nicht auf die nach § 6 Nr. 2 BlmSchG zu berücksichtigenden Vorschriften des KrW-/AbfG erstrecken. Die Abfallbehörde müßte jedoch den Bereich der anlageninternen Verwertung nach § 40 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG überwachen. Beide Behörden wären im Überschneidungsbereich von immissionsschutzrechtlicher Vermeidung und abfallwirtschaftsrechtlicher anlageninterner Verwertung nebeneinander zur Überwachung zuständig. 158 Sie hätten jedoch nicht die Einhaltung der gleichen Vorschriften zu überwachen. Nach den unter bb), (S. 49 t) und cc) (S. 50 t) geschilderten Ansichten, die mit unterschiedlicher Ausprägung - eine anlageninterne Verwertung im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG anerkennen, hätte die Immissionsschutzbehörde über das Tatbestandsmerkmal der "ordnungsgemäßen" (anlageninternen) Verwertung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auch die Einhaltung der Vorschriften

154 Zum AbfG 1986 und § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG Kunig, in: KJSN, AbfG, § 11, Rdnr. 8 Kutscheidt, NVwZ 1986, S. 622 ff (624). 155 Bei § 40 Abs. I Satz I KrW-/AbfG handelt es sich um eine bloße Aufgabenzuweisungsnonn, weIche nicht zu Maßnahmen ermächtigt, die in Rechte Dritter eingreifen, vgl. SchmidtIMüller, UmwR, § 5, Rdnr. 17. 156 SchmidtIMüller, UmwR, § 5, Rdnr. 17. 157 So der Bericht des Umweltausschusses des Bundestages, BT-Drs. 12/7284, S. 24. 158 Näher dazu Hansmann, in: LandmannlRohmer, BImSchG, § 52, Rdnr. 11. 5 Schimanek

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

des KrW-/AbfG für den anlageninternen Bereich zu überwachen. Daneben hätte die Abfallbehörde diesen Bereich zu überwachen. Die zu überwachenden Bereiche wären daher auch in Bezug auf die zu überwachenden Vorschriften kongruent. Eine - wenigstens teilweise - parallele Überwachungszuständigkeit von Immissionsschutz- und Abfallbehörden ist jedoch wiederum dann ausgeschlossen, wenn das BImSchG auch hinsichtlich der Überwachung des anlageninternen Bereichs spezieller und abschließend sein soll, was wiederum primär die später noch zu behandelnde Frage der Spezialität des Immissionsschutzrechts betrifft. Festzuhalten ist hier, daß die verschiedenen Ansichten zu den Begriffen Vermeidung und anlageninterner Verwertung zu unterschiedlichenErgebnissen hinsichtlich des von der Immissionsschutzbehörde zu überwachenden Bereichs gelangen. cc) Die Auswirkungen auf nachträgliche Anordnungen Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG können zur Erfüllung der sich aus dem BImSchG und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten Anordnungen getroffen werden. Die Anforderungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG können nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG durchgesetzt werden. 159 Die Durchsetzung von Pflichten nach § 6 Nr. 2 BImSchG ist nicht möglich. 160 Die Reichweite der Vermeidungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG und damit auch die der Anerkennung einer anlageninternen Verwertung bestimmt daher die Bandbreite der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG möglichen Anordnungen. Die Anerkennung einer anlageninternen Verwertung hätte zur Folge, daß Pflichten zur ordnungsgemäßen und schadlosen anlageninternen Verwertung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG durchgesetzt werden könnten. Bei Ablehnung einer anlageninternen Verwertung könnten im anlageninternen Bereich zwar Vermeidungspflichten durchgesetzt werden, jedoch keine Pflicht zur ordnungsgemäßen und schadlosen Vermeidung, weil es eine solche Pflicht nicht gibt. Pflichten zur ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung würden nur abfallwirtschaftsrechtlich bestehen und könnten beispielsweise nach § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG durchgesetzt werden.

Jarass, BImSehG, 3. Autl., § 17, Rdnr. 10; VGH BW, NVwZ 1985, S. 433 f(433). Feldhaus, BImSehR, § 17 BImSehG, Anm. 9; Jarass, BImSehG, 3. Autl., § 17, Rdnr. 10. 159

160

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Vermeidung

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c) Die Angleichung des immissionsschutzrechtlichen Vermeidungs begriffs an den abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriff

Eine Veränderung des Vermeidungsbegriffs in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG durch das KrW-/AbfG ist nur sinnvoll, wenn das KrW-/AbfG als solches einen vom Immissionsschutzrecht abweichenden Vermeidungsbegriff aufweist. Dies wurde oben insbesondere für den Überschneidungsbereich mit der "anlageninternen Verwertung" bejaht. Nach dem KrW-/AbfG gibt es eine anlageninterne Verwertung. Die Abgrenzung zwischen Vermeidung und Verwertung erfolgt danach, ob der jeweilige Stoff ein Abfall ist oder nicht. Das BlmSchG kennt keine anlageninterne Verwertung. Alles, was nicht außerhalb der Anlage als Abfall anfällt, wird vermieden. Ferner müßte das KrW-/AbfG die Bedeutung des in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthaltenen Vermeidungsbegriffs an die des abfallwirtschaftsrechtlichen Vermeidungsbegriffs angepaßt haben. Diese Voraussetzung ist hier zu prüfen. Gegen eine Veränderung spricht auf den ersten Blick, daß der bisherige Vermeidungs- und der Verwertungsbegriff des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG im Gegensatz zum Abfallbegriff hicht geändert wurde. Zur Veränderung des Vermeidungsbegriffs hätte es nahegelegen, die anlageninterne Verwertung klarstellend ausdrücklich in den Normtext aufzunehmen. Damit wäre deutlich, daß der Bereich anlageninterner Verwertung nicht der Vermeidung zuzuordnen ist. Für die inhaltliche Änderung des Vermeidungsbegriffs des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a.F. könnte sprechen, daß sich Artikel 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abflillen nicht darauf beschränkt, die zu ersetzenden bzw. zu verändernden Begriffe aufzuführen, sondern die gesamte Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG in der neuen Fassung aufführt. 161 Dies ist jedoch eine Frage der Änderungstechnik, die keine Rückschlüsse auf Inhalte zuläßt. Möglicherweise läßt sich jedoch der Entstehungsgeschichte, insbesondere den unterschiedlichen Vorschlägen des § 9 KrW-/AbfG, entnehmen, ob der Vermeidungsbegriff des KrW-/AbfG auf das BImSchG übertragen werden sollte. Ausgangspunkt dafür ist § 6 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung. 162 Der Abs. 2 des § 6 sah eine mit § 9 Satz 1 wörtlich übereinstimmende Regelung vor. Die Vorschrift des § 6 Abs. 3 des Gesetzentwurfs ermächtigte zum Erlaß von Rechtsverordnungen, in denen eine Anzeigepflicht für Errichtung und Betrieb bestimmter genehmigungsbedürftiger Anlagen festgelegt werden konnte. Auch § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG sollte geändert werden 163 , wobei die Änderung im

161 162 163

Vgl. z.B. die Artikel 8 bis 10 dieses Gesetzes, BGBI. I, S. 2705 ff(2727). BR-Drs. 245/93, S. 15. BR-Drs. 245/93, S. 78.

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

wesentlichen darin bestehen sollte, den Begriff der Rückstände durch den der Reststoffe zu ersetzen. Eine § 9 Satz 3 KrW-/AbfG entsprechende Regelung über die anlageninterne Verwertung enthielt der Gesetzentwurf indes noch nicht. Im Vordergrund der Änderung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG stand das Ziel, die anlagenbezogenen immissionsschutzrechtlichen Pflichten mit den stoffbezogenen Pflichten des Abfallrechts abzustimmen 164 bzw. zu harmonisieren 165 , wobei auch angestrebt wurde, die Pflichten des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG der Zielsetzung des KrW-/AbfG entsprechend zu modifizieren 166 . Die Betonung lag aber darauf, die abfallwirtschaftsrechtliche Verwertungspflicht der Besitzer inhaltlich und formal mit § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG zu harmonisieren 167 und nicht etwa umgekehrt. Es ist daher äußerst zweifelhaft, ob der Gesetzentwurf der Bundesregierung überhaupt eine anlageninterne Verwertung und damit auch einen dementsprechend verringerten, der Vermeidung verbleibenden Bereich, vorsah. Dies kommt jedenfalls im Gesetzentwurf nicht zum Ausdruck. Außerdem wurde nicht angestrebt, das BImSchG dem KrW/AbfG anzupassen, vielmehr sollte das KrW-/AbfG dem BlmSchG angepaßt werden. Schaut man sich die Begründung daraufhin an, worin die Harmonisierung der Verwertungspflichten bestehen sollte, ist der einzige konkret greifbare Gesichtspunkt rur § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG die Ersetzung des Reststoffbegriffs durch den der Rückstände. Es findet sich keine Erwägung, von der gegenwärtigen Auslegung des Vermeidungsbegriffs des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG abzuweichen. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung sollte der gegenwärtige Vermeidungsbegriff des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG daher nicht verändert werden. Der Bundesrat empfahl, § 6 Abs. 2 und Abs. 3 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu ändern. 168 Dabei sollte die Verweisungsvorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 1 unangetastet bleiben, jedoch um einen weiteren Halbsatz ergänzt werden. Dieser Halbsatz regelte, daß Anforderungen in Rechtsverordnungen nach §§ 15 und 16 des Gesetzentwurfs - die in § 7 KrW-/AbfG aufgingen unberührt bleiben sollten. Von anlagen interner Verwertung ist nicht die Rede. Zwar heißt es in der Begründung der Änderungsempfehlung, daß über Verordnungen nach §§ 15 und 16 des Gesetzentwurfs Verwertungswege festgelegt werden, die als "ordnungsgemäße Verwertung" im Sinne des § 5 Abs. 1 NT. 3 BR-Drs. 245/93, S. 108, 133/134. BR-Drs. 245/93, S. 4/5. 166 BR-Drs. 245/93, S. 108, vgl. auch S. 167. 167 BR-Drs. 245/93, S. 4/5 und S. 134. 168 Änderungsempfehlung NT. 41, BT-Drs. 12/5672, S. 95. Die Änderungsempfehlungen des Bundesrates enthalten sowohl BR-Drs. 245/93 (Beschluß) als auch BT-Drs. 12/5672. Da die BT-Drs. 12/5672 auch die Gegenäußerung der Bundesregierung dazu enthält, soll im folgenden aus ihr zitiert werden. 164 165

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Vermeidung

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BImSchG anderen Verwertungsmöglichkeiten vorzuziehen seien. 169 Dadurch solle es ermöglicht werden, die Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG durch stoffbezogene Verordnungsregelung zu konkretisieren. 170Diese Begründung verdeutlicht aber, daß das Tatbestandsmerkmal "ordnungsgemäße Verwertung" konkretisiert werden sollte. Die Verwertung sollte nicht auf den bisherigen Vermeidungsbereich ausgedehnt werden. Auch sollte das Tatbestandsmerkmal "Vermeidung" nicht durch eine Erweiterung des Verwertungsbereichs um eine anlageninterne Verwertung inhaltlich neu bestimmt werden. Im übrigen wollte auch der Bundesrat das Abfallwirtschaftsrecht mit dem Immissionsschutzrecht harmonisieren 171, nicht umgekehrt. Der Bundesrat forderte sogar ausdrücklich, der Regelungsinhalt des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG solle unangetastet bleiben l72 . Auch der Bundesrat wollte daher den Inhalt des in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthaltenen Vermeidungsbegriffs nicht verändern. Eine mit § 9 Satz 2 und 3 KrW-/AbfG und § 5 Abs. 1 Nr.3 BImSchG weitgehend identische Fassung empfahl der Umweltausschuß des Bundestages. 173 Die Diskussion und Begründung dieser Vorschriften ergibt daher am ehesten Aufschluß über die Auslegung des Vermeidungsbegriffs des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG. In § 9 ist zum ersten Mal sowohl von "stoffbezogenen Anforderungen" als auch von "anlageninterner Verwertung" die Rede. Nach der Empfehlung zu § 9 Satz 3 sollten stoftbezogene Anforderungen an die anlageninterne Verwertung der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht entgegenstehen. Die SPD-Fraktion versuchte - im Ergebnis allerdings fruchtlos 174 - diese Empfehlungen zu ändern. Zur Begründung ihres Änderungsantrags des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG fiihrte sie aus, das bisher bestehende gestufte System der Betreiberpflichten zur Reststoffvermeidung und -verwertung sei "im Grundsatz" beizubehalten, darüber hinaus solle aber die Schnittstelle zum Regime des Abfallrechts klarer bestimmt werden. Die "Frage, wie die Verwertung oder Beseitigung durchzuführen ist, wenn die Stoffe die Anlage verlassen, ... " sollte vom Abfallrecht geregelt werden,l75 Das Abfallrecht sollte daher wohl nur für den anlagenexternen Bereich zur Anwendung gelangen. Zumindest zielten die Anträge der SPD-Fraktion nicht darauf ab, den Bereich der Verwertung in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auf eine anlagen interne Verwertung zu erstrecken. Dies allerdings könnte der Begründung des Umwelt-

169 170 171 172 173 174 175

ÄnderungsempfehlungNr. 41, BT-Drs. 12/5672, S. 95. ÄnderungsempfehlungNr. 41, BT-Drs. 12/5672, S. 95. Änderungsempfehlung Nr. 28, BT-Drs. 12/5672, S. 90. Änderungsempfehlung Nr. 28, BT-Drs. 12/5672, S. 90. BT-Drs. 1217240, S. 9 und 28. Vgl. BT-Drs. 12/7284, S. 11. Hervorhebung des "wie" auch im Original, BT-Drs. 12/7284, S. 61.

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Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung

ausschusses zu § 9 Satz 2 seiner Empfehlungen zu entnehmen sein. 176 Dort heißt es nämlich: " ... Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes an die Verwertung von Rückständen - unabhängig davon, ob sie anlagenintern oder extern erfolgt - sind nur dann zu beachten, wenn sie durch Rechtsverordnungen nach § 6 Abs. 3 (Wahl der Verwertungsart) oder nach § 7 (Anforderungen an die Verwertung) konkretisiert sind ... ." 177 Aus dieser Begründung ließe sich folgern, daß sowohl die anlageninterne als auch die anlagenexterne Verwertung nach § 9 Satz 2 der Empfehlungen gleich behandelt werden sollten. Allerdings wird in der Begründung kurz vorher auch ausgeführt, daß die mit dem BImSchG notwendige Verzahnung über die in § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG nicht definierten, aber enthaltenen Tatbestandsmerkmale "ordnungsgemäß", "schadlos" und "Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit" erfolgen sollte. Insbesondere seien "im Rahmen der Pflicht des § 5 Abs. I Nr.3 BImSchG die abfallspezifischen stoffbezogenen Anforderungen des KrW/AbfG - wie bereits nach der bisherigen Rechtslage die des AbfG - zu beachten."178 Daraus läßt sich schließen, daß die in § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG ebenfalls enthaltenen Tatbestandsmerkmale Vermeidung und Verwertung in ihrem Bedeutungsgehalt nicht geändert werden sollten. Abfallrecht sollte im Immissionsschutzrecht ausschließlich über die oben aufgeftlhrten Merkmale zur Anwendung gelangen, im übrigen sollte es bei der bisherigen Rechtslage bleiben. Weitere Erkenntnisse bringt die Begründung zu § 9 Satz 3 der Empfehlungen 179: "Satz 3 enthält die KlarsteIlung, daß stoffbezogene Anforderungen an die anlageninterne Verwertung der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht entgegenstehen. Der Bereich der anlagen internen Verwertung fällt nach herrschender immissionsschutzrechtlicher Auffassung unter "Vermeidung". Die "Vermeidung" L S. des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG ist jedoch - im Gegensatz zur "Verwertung" LS. des §. 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG nicht an stoffspezifische Voraussetzungen gebunden. Damit können die entsprechenden Anforderungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (s.o.) nicht über die immissionschutzrechtliche Grundpflicht des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG umgesetzt werden. Mangels Anlagenbezug können sie auch über § 6 Nr. 2 BImSchG nicht zum Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemacht werden. Anforderungen an die anlagen interne Verwertung stehen damit der Erteilung der immissionsschutz176

177 178 179

BT-Drs. 12/7284, S. 16; Hervorhebungen nicht im Original. Hervorhebung nicht im Original. BT-Drs. 12/7284, S. 16. BT-Drs. 12/7284, S. 16.

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Vermeidung

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rechtlichen Genehmigung nicht entgegen; sie können jedoch selbstexekutiv sein oder über das Instrument der Anordnung (§ 21) nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz gegenüber dem Anlagenbetreiber vollzogen werden. Demgegenüber können Anforderungen an die anlagenexterne Verwertung sowie an die Entsorgung der Erteilung der Genehmigung entgegenstehen, soweit dies Satz 2 eröffnet. Diese werden über die Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG umgesetzt und damit zum Gegenstand des Genehmigungsverfahrens gemacht." Dieser Begründung läßt sich zunächst entnehmen, daß dem UmweItausschuß die bisherige immissionsschutzrechliche Einstufung von Maßnahmen im anlageninternen Bereich als Vermeidung und nicht als (anlageninterne) Verwertung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG bewußt war. Diese Rechtslage, daß stoffbezogene abfallwirtschaftsrechtliche Anforderungen im Bereich der Vermeidung nicht über die immissionsschutzrechtliche Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG umgesetzt werden können, sollte bestehen bleiben. Die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sollte nicht von den Anforderungen des KrW -/AbfG an die anlagen interne Verwertung abhängen. Da diese abfallwirtschaftsrechtlichen Anforderungen aber über die in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG enthaltenen und rur die Verwertung bzw. Beseitigung geltenden Merkmale "ordnungsgemäß", "schadlos" und "ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit" im Genehmigungsverfahren Anwendung finden sollten, bedeutet dies konsequenterweise, daß die anlagen interne Verwertung nach dem KrW-/AbfG auch weiterhin als Vermeidung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG angesehen werden sollte. Das heißt, derselbe tatsächliche Vorgang, der immissionsschutzrechlich als Vermeidung zu qualifizieren ist, sollte abfallwirtschaftsrechtlich teilweise als Vermeidung und teilweise als anlageninterne Verwertung eingestuft werden können. Dabei sollten Abfallrecht und Immissionsschutzrecht parallel für den jeweiligen Geltungsbereich zur Anwendung gelangen. Des Wortes "anlagenintern" bedurfte es in § 9 der Empfehlungen, um zu verdeutlichen, daß das KrW-/AbfG hinsichtlich der stoffbezogenen Anforderungen nicht an die herrschende Meinung zur Begrifflichkeit des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG anknüpft. Rechtlich unzutreffend ist allerdings die vom UmweItausschuß geäußerte Ansicht, die abfallwirtschaftsrechtlichen Anforderungen an die anlageninterne Verwertung seien ausschließlich durch die Abfallbehörden nach § 21 KrW-/AbfG zu vollziehen und könnten nicht nach § 6 Nr. 2 BlmSchG zum Gegenstand des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemacht werden. Dies wurde bereits oben gezeigt.

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

Festhalten läßt sich, daß der Umweltausschuß des Bundestages den Inhalt des in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthaltenen Vermeidungsbegriffs beibehalten wollte. Gegen die Beibehaltung des bisherigen Vermeidungsbegriffs könnte aber sprechen, daß § 9 Satz 3 der Empfehlungen des Umweltausschusses nicht unverändert übernommen wurde.l 80 § 9 Satz 3 KrW-/AbfG enthält insbesondere nicht mehr die Regelung, daß stoffbezogene Anforderungen an die anlagen interne Verwertung der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht entgegenstehen. Aus dem Wegfall dieser Regelung könnte man folgern, daß stoffbezogene Anforderungen an die anlageninterne Verwertung nunmehr im Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen seien. Dies wiederum könnte daftlr sprechen, daß die anlageninterne Verwertung im Sinne des KrW/AbfG auch als Verwertung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG angesehen werden müßte. Dies wäre jedoch ein Ergebnis, das durch die Entstehungsgeschichte des § 9 KrW-/AbfG nicht getragen wird. Der Vermittlungsausschuß hätte dann Aspekte in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, die vorher nicht einmal von den Oppositionsparteien oder dem Bundesrat so gesehen wurden. Außerdem zwingt die Änderung, daß stoffbezogene Anforderungen an die anlageninterne Verwertung der Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nunmehr entgegenstehen können, nicht zur Annahme, daß § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG eine anlagen interne Verwertung anerkennt, mithin der Vermeidungsbegriff um diesen Bereich entsprechend verringert wird. Stoffbezogene Anforderungen an die anlageninterne Verwertung können einer immissionschutzrechlichen Genehmigung zwar nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ("ordnungsgemäß") entgegenstehen, wenn das BImSchG eine anlagen interne Verwertung anerkennt. Auch ohne Anerkennung einer anlagen internen Verwertung durch das BImSchG können stoffbezogene Anforderungen aber grundsätzlich über § 6 Nr. 2 BImSchG zu berücksichtigen sein. Die Änderung des § 9 Satz 3 zwingt daher nicht zur Anerkennung einer anlageninternen Verwertung im Immissionsschutzrecht. Als Ergebnis läßt sich daher festhalten, daß der Inhalt des in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthaltenen anlagen bezogenen Vermeidungsbegriffs durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen nicht geändert wurde. Vermeidung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG umfaßt wie bisher die anlageninterne Verwertung. Der VermeidungsbegrifI des KrW-/AbfG ist enger, da er den Bereich der anlageninternen Verwertung nicht erfaßt. Eine "anlageninterne Verwertung" im Sinne des KrW-/AbfG ist eine Vermeidung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG. 180

Vgl. Beschlußempfehlung des Vennittlungsausschusses, BT-Drs. 12/8084, S. 6.

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Vermeidung

73

d) Die Vereinbarkeit der fehlenden Angleichung mit EG-Recht

Das eben entwickelte Ergebnis müßte im Einklang mit EG-Recht, insbesondere der Rahmenrichtlinie 91/156/EWG stehen. Es könnte ein Verstoß gegen Art. 4 Satz 1 der Rahmenrichtlinie 91/156/EWG in Betracht kommen. Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedstaaten zur Sicherstellung der Abfallverwertung Maßnahmen zu treffen, ohne daß die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne daß Verfahren oder Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können. Damit stellt die Richtlinie umfassende Anforderungen an das Verwertungsverfahren und an das Verwertungsprodukt, wobei sie nicht zwischen anlageninterner und -externer Verwertung unterscheidet. Man könnte daraus folgern, daß die Nichtanerkennung der anlageninternen Verwertung im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG EGrechtswidrig sei. 181 Denn die Nichtanerkennung fUhre dazu, daß nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG nur die anlagenexterne Verwertung ordnungsgemäß und schadlos erfolgen müsse. Dieser Ansicht läßt sich zunächst entgegenhalten, daß aus der fehlenden Unterscheidung von anlageninterner und -externer Verwertung allein noch nicht abschließend gefolgert werden kann, der europarechtliche Verwertungsbegriff umfasse beide Bereiche. Allerdings erscheint dies als durchaus möglich. Die Ansicht ist jedoch noch aus einem anderen Grund unzutreffend. So hat Art. 4 der Rahmenrichtlinie 91/156/EWG nur programmatischen Charakter und schreibt fUr sich allein nicht den Erlaß konkreter Maßnahmen vor. 182 Selbst wenn Art. 4 der Rahmenrichtlinie 911156/EWG den Erlaß konkreter Maßnahmen vorschreiben würde, wäre zu bedenken, daß das KrW-/AbfG hinsichtlich der Erfordernisse der Ordnungsgemäßheit und Schadlosigkeit der Verwertung (§ 5 Abs. 3 KrW-/AbfG) gerade nicht zwischen anlageninterner und anlagenexterner Verwertung unterscheidet. Das nationale Recht setzt daher das EGRecht rur diesen Teilbereich vollständig um. Daß der Verwertungsbegriff des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG die anlageninterne Verwertung nicht mitumfaßt, stellt keinen Verstoß gegen EG-Recht dar. Den EG-rechtlichen Anforderungen wird genügt, wenn das KrW-/AbfG Erfordernisse an die Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit der anlageninternen Verwertung stellt. Folglich ist das unter (5) gewonnene Ergebnis auch mit dem EG-Recht, insbesondere Art. 4 der Rahmenrichtlinie 911156/EWG, vereinbar.

181 182

Vgl. PetersenlRid, NJW 1995, S. 7 ff(12). Vgl. EuGH, S1g. 1994 I, S. 483 ff (484).

74

Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung 3. Der Umfang der Spezialität des Immissionsschutzrechts

Wie bereits oben geprüft, weichen der immissionsschutzrechtliche und der abfallwirtschaftsrechtliche Vermeidungsbegriff voneinander ab. 183 Es stellt sichdaher die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis der beiden Regelungsbereiche zueinander. Zu klären ist, ob das Immissionsschutzrecht den anlageninternen Bereich abschließend regeln soll, oder ob das Abfallwirtschaftsrecht in diesem Bereich zumindest ergänzend herangezogen werden muß. Da es hier um die Frage geht, ob der Regelungskomplex abfallwirtschaftsrechtlicher Vermeidungs- und (anlageninterner) Verwertungspflichten die Vermeidungspflichten für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen ergänzt, sie modifiziert oder aber an ihre Stelle treten soll, handelt es sich um eine Frage der teleologischen systematischen und historischen Auslegung. 184 Für die Beantwortung der damit aufgeworfenen Frage nach dem "spezielleren" Recht kommt es beispielsweise auf den mutmaßlichen Willen des Regelungsorgans an, ob die allgemeinere Regelung durch die speziellere Regelung ersetzt werden soll.18S Für Vermeidungspflichten der Betreiber von genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen nach dem BlmSchG verweist § 9 Satz 1 KrW-/AbfG auf die Vorschriften des BlmSchG. Nach § 9 Satz 1 KrW-/AbfG richten sich die Pflichten der Betreiber von Anlagen, diese so zu errichten und zu betreiben, daß Abflllle vermieden, verwertet oder beseitigt werden, nach den Vorschriften des BImSchG. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte § 9 Satz 1 KrW-/AbfG der "... anlagenbezogenen Pflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG spezia/gesetzlichen Vorrang vor den allgemeinen Besitzer- und Erzeugerpflichten des KrW-/AbfG ... " einräumen und die entsprechenden Pflichten der §§ 5, 11 KrW-/AbfG verdrängen. I 86 a) Die Spezialitätsk/ausel des Abfallwirtschaftsrechts

Die Verweisungsvorschrift des § 9 Satz 1 KrW-/AbfG enthält eine Regelung rur den Komplex der Vermeidungs-, Verwertungs- und Beseitigungspflichten für Abflllle zugunsten der Spezialität des BImSchG für die vom BImSchG erfaßten Anlagen. 187 Mit dieser Regelung wird der ohne sie geltende Grundsatz

Anders wohl Fluck, in Fluck, KrW-/AbfG, § 9, Rdnr. 70 Cf. Vgl. dazu allgemein Larenz, Methodenlehre, S. 268/269. 185 Vgl. Achterberg, Allg VerwR, § 17, Rdnr. 41. 186 So die Begründung des Umweltausschusses des Bundestags, BT-Drs. 12/7284, S. 15; Hervorhebung nicht im Original. 187 Vgl. auch Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 9, Rdnr. 55. 183

184

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Venneidung

75

durchbrochen, daß Regelungskomplexe auch bei Überschneidungen grundsätzlich nebeneinander anwendbar sind. ISS Die Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen haben gemäß § 5 Abs. I Nr. 3 BlmSchG unter bestimmten Voraussetzungen Abfälle zu vermeiden. Für Vermeidungspflichten der Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen läuft diese Vorschrift jedenfalls zunächst ins Leere. Denn die dafilr in Betracht zu ziehenden §§ 22 ff BlmSchG enthalten keine Regelung über Vermeidungspflichten. Nach § 22 Abs. I Nr. 3 BlmSchG sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen lediglich so zu errichten und zu betreiben, daß die beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. Erst wenn der Verordnungsgeber von seiner durch den neuen § 22 Abs. I Satz 2 BlmSchG eingeräumten Ermächtigung Gebrauch macht, die Anforderungen des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG auf bestimmte, nicht genehmigungsbedürftige, Anlagen zu erstrecken, greift die Vorschrift des § 9 Satz I KrW-/AbfG auch filr Vermeidung und Verwertung in nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen ein. Es stellt sich die Frage, was gilt, solange es eine Rechtsverordnung nach § 22 Abs. I Satz 2 BlmSchG noch nicht gibt. Für die Beantwortung dieser Frage kommen zwei Lösungsaltemativen in Betracht. Einmal könnte man die Ansicht vertreten, daß nicht genehmigungsbedürftige Anlagen bis zum Erlaß einer derartigen Rechtsverordnung unmittelbar den Pflichten des KrW-/AbfG unterliegen. 1S9 Da das KrW-/AbfG als solches keine eigenständigen durchsetzbaren Vermeidungspflichten enthält, bedeutet dies, daß derzeit keine Vermeidungspflichten filr Betreiber nicht genehmigungsbedürftiger Anlagenbestehen. Allerdings würden die Verwertungspflichten des KrW-/AbfG dann in vollem Umfang auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen anwendbar sein. Zum anderen ließe sich vertreten, daß die derzeitige Nichtregelung von Vermeidungs- und Verwertungspflichten durch das BlmSchG Vorrang vor dem KrW-/AbfG beansprucht. Auch dies hätte zur Konsequenz, daß derzeit keine Vermeidungspflichten filr Betreiber nicht genehmigungs bedürftiger Anlagen bestehen. Außerdem würden aber - und darin liegt der Unterschied zur zuerst genannten Auffassung - die Verwertungspflichten des KrW-/AbfG nicht anwendbar sein. Die zuerst genannte Auffassung entspricht zwar dem Willen des Umweltausschusses des Bundestages. I90 Dagegen spricht aber, daß sich die Verwertungspflichten filr genehmigungsbedürftige und nicht genehmigungsbedüftige

Allgemein dazu Larenz, Methodenlehre, S. 270. Queitsch, KrW-/AbfG, § 9, Anm. 2.; vgl. Bericht des Umweltausschusses des Bundestages, BT-Drs. 12/7284, S. 15; vgl. auch Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff I88

189

(640). 190

BT-DrS. 12/7284, S. 15

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

Anlagen nach dieser Auffassung bis zum Erlaß einer Rechtsverordnung nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG n.F. aus unterschiedlichen Gesetzen ergeben würden. Das würde dem gesetzgeberischen Anliegen einer Harmonisierung des Abfallrechts mit dem Immissionsschutzrecht nicht gerecht. Außerdem zeigt die Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG n.F., daß der Gesetzgeber davon ausging, daß Vermeidungs- und Verwertungspflichten nach dem Vorbild des § 5 Abs. 1 NT. 3 BlmSchG rur nicht genehmigungsbedürftige Anlagen gerade nicht bestehen. Aus diesen Gründen ergibt sich aus § 9 Satz 1 KrW-/AbfG, daß das BImSchG auch für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen spezieller ist. Vermeidungsund Verwertungspflichten bestehen deshalb noch nicht für solche Anlagen. Die Spezialität des BlmSchG bezieht sich daher (zunächst) auf immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige und nicht genehmigungsbedürftige Anlagen.

b) Die Unberührtheitsklausel des Abfallwirtschaftsrechts Die Erkenntnis, daß das BImSchG gegenüber dem KrW-/AbfG spezieller ist, bezieht sich aber zunächst nur - wie es in § 9 Satz 1 KrW-AbfG heißt - auf die Pflichten. Für die Begründung von Pflichten ist das BImSchG deshalb spezieller. Damit ist noch nicht gesagt, daß sich auch die inhaltliche Ausgestaltung dieser Pflichten ausschließlich nach dem BImSchG richtet. Vor diesem Hintergrund sind § 9 Satz 2 und Satz 3 KrW-/AbfG zu betrachten. Die scheinbar eindeutige Regelung zugunsten der Spezialität des BImSchG wird durch § 9 Satz 2 und Satz 3 KrW-/AbfG aufgeweicht. Nach § 9 Satz 2 KrW-/AbfG bleiben stoftbezogene Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung und Beseitigung von Abfallen nach dem KrW/AbfG "unberührt". Für das Verhältnis zwischen BImSchG und KrW-/AbfG im Bereich von Verwertung und Beseitigung kommt es folglich darauf an, welchen Inhalt die "Unberührtheitsklausel" hat. Die Klausel könnte ihrem Wortlaut nach zwei unterschiedliche, sich gegenseitig ausschließende Inhalte haben. Einmal könnte man sie so interpretieren, daß die stoftbezogenen Anforderungen des KrW-/AbfG ergänzend neben die nach dem BImSchG bestehenden Anforderungen treten. Dann würde § 9 Satz 2 KrW-/AbfG für den von ihm erfaßten Regelungsbereich den Grundsatz wiederherstellen, daß die Regelungskomplexe des KrW-/Abffi und des BlmSchG nebeneinander, und zwar auch in einunddemselben Verfahren von derselben Behörde anwendbar sind. Die stoftbezogenen Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung blieben daher von der in § 9 Satz 1 KrW-/AbfG angeordneten Spezialität unberührt. Im immissionsschutzechtlichen Genehmigungsverfahren müßte dann

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Vermeidung

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beispielsweise auch das KrW-/AbfG geprüft werden. Zum anderen könnte man die Unberührtheitsklausel so interpretieren, daß filr den durch § 9 Satz 2 KrWIAbfG erfaßten Regelungsbereich allein das KrW-/AbfG maßgeblich sein soll. Das KrW-/AbfG wäre daher zwar auch neben dem Immissionsschutzrecht anwendbar, jedoch nur selbständig. Die Anwendbarkeit des KrW-/AbfG würde das Bestehen entsprechender abfallwirt-schaftsrechtlicher Pflichten voraussetzen. Immissionsschutzrechtliche Pflichten würden nicht inhaltlich durch das KrW-/AbfG ausgestaltet. Das KrW-/AbfG und seine stoffbezogenen Anforerungen müßten durch die Abfallwirtschaftsbehörden und dürften nicht durch die Immissionsschutzbehörden vollzogen werden. Eine Unberührtheitsklausel schlug erstmalig der Bundesrat in seinen Änderungsmpfehlungen vor. Diese Klausel sollte es ermöglichen, die Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG durch stoffbezogene Verordnungsregelungen zu konkretisieren. 191 Die vom Bundesrat vorgeschlagene Unberührtheitsklausel war also so zu verstehen, daß KrW-/AbfG und BlmSchG grundsätzlich nebeneinander, verknüpft über das in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG enthaltene Tatbestandsmerkmal "ordnungsgemäß" zur Anwendung gelangen sollten. Auch die Bundesregierung filhrte in ihrer Gegenäußerung dazu aus, stoffbezogene Pflichten des KrW-/AbfG kämen über die Begriffe "ordnungsgemäß" und "Wohl der Allgemeinheit" zur Anwendung. 192 Obwohl sie den Vorschlag des Bundesrates ablehnte, waren sich Bundesregierung und Bundesrat über diesen Gesichtspunkt der Unberührtheitsklausel einig. Eine mit der letztendlich in Kraft tretenden Fassung des § 9 Satz 2 KrW-/AbfG weitgehend identische Fassung sah die Empfehlung des Umweltausschusses des Bundestages vor. 193 Zur Begründung filhrte der Umweltausschuß aus, daß die mit dem BImSchG notwendige Verzahnung über die in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG enthaltenen Tatbestandsmerkmale "ordnungsgemäß", "schadlos" und "Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit" erfolgen sollte. Insbesondere seien "im Rahmen der Pflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG die abfallspezifischen stoffbezogenen Anforderungen des KrW-I AbfG - wie bereits nach der bisherigen Rechtslage die des AbfG - zu beachten." 194 Aus der Entstehungsgeschichte des § 9 Satz 2 KrW-/AbfG läßt sich deshalb schließen, daß das Abfallwirtschaftsrecht im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren über die oben aufgefilhrten Merkmale filr die Art und Weise der Verwertung ergänzend zur Anwendung gelangen sollte. Da das Abfallwirtschaftsrecht auch eine anlageninterne Verwertung kennt, könnten grundsätzlich auch - sofern Rechtsverordnungen

191 192 193 194

Änderungsempfehlung Nr. 41, BT-Drs. 12/5672, S. 95. Gegenäußerung zur Änderungsempfehlung Nr. 41, BT-Drs. 12/5672, S. 127. BT-Drs. 12/7240, S. 9. BT-Drs. 12/7284, S. 16.

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

gemäß § 9 Satz 3 KrW-/AbfG existieren - entsprechende Anforderungen an (abfallwirtschaftsrechtlich) als anlageninterne Verwertung zu qualifizierende Maßnahmen gestellt werden. Aus der Unberuhrtheitsklausel ergibt sich daher, daß die Regelungskomplexe des BlmSchG und des KrW-/AbfG im Bereich der stoffbezogenen Anforderungen an die Art und Weise der Verwertung nebeneinander anwendbar sind. Folglich sind stoffbezogene abfallwirtschaftsrechtliche Pflichten im Bereich der anlageninternen Verwertung, die sich mit dem immissionsschutzrechtlichen Bereich der Vermeidung überschneiden kann, im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren (nach § 6 Nr. 2 BlmSchG i.V.m. § 9 Satz 2 und Satz 3 KrW-/AbfG) zu berucksichtigen. 195 Als Ergebnis läßt sich daher festhalten, daß das Immissionsschutzrecht gegenüber dem Abfallwirtschaftsrecht für Pflichten im Bereich Vermeidung, Verwertung und Beseitigung grundsätzlich spezieller ist. Stoffbezogene Anforderungen im Bereich der Verwertung und Beseitigung von Abfällen im Sinne des KrW-/AbfG sollen ergänzend neben dem und im Rahmen des BlmSchG Anwendung finden. Dies gilt auch für stoffbezogene Anforderungen im Bereich der anlageninternen Verwertung, welcher sich mit dem Bereich immissionsschutzechtlicher Vermeidung überschneidet. Auch die Immissionsschutzbehörde hat das KrW-/AbfG z.B. im Rahmen des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens zu berucksichtigen. c) Exkurs: StoJfbezogene Anforderungen an die anlagen interne Verwertung

Da sich die anlageninterne Verwertung im Sinne des KrW-/AbfG mit dem Bereich der Vermeidung im Sinne des BlmSchG überschneidet und wegen des Sachzusammenhangs mit den vorhergehenden AusfUhrungen soll bereits an dieser Stelle auf § 9 Satz 3 KrW-/AbfG eingegangen werden. Nach § 9 Satz 3 KrW-/AbfG sind stoffbezogene Anforderungen an die anlageninterne Verwertung durch Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1, § 7 KrW-/AbfG festzulegen. Die Reichweite dieser zugleich Ermächtigung und Auftrag 196 darstellenden Vorschrift wird durch das Tatbestandsmerkmal der "stoffbezogenen Anforderungen" bestimmt. Deshalb soll untersucht werden, was das KrW-/AbfG unter "stoffbezogenen Anforderungen" versteht.

19S Zu den anwendbaren stoftbezogenen Anforderungen vgl. Fluck, in: Fluck, KrW/AbfG, § 9, Rdnm. 170-177. 196 Zur "Pflicht" des Verordnungsgebers zum Tätigwerden, Roßnagel, in: GKBImSchG, § 5, Rdnr. 738; Sendler, UPR 1981, S. 1 ff (10 t); BVerfGE 16, S. 332 ff (338).

B. Abfall- und immissionsschutzrechtliche Vermeidung

79

Der Begriff des "Stoffes" spielt vor allem im Chemikalienrecht ein Rolle. 197 Zweck des Chemikalienrechts ist der Schutz des Menschen und der Umwelt vor geflihrlichen Stoffen (vgl. § 1 Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen vom 25. Juli 1994 - ChemG).198 Der Begriff der Stoffe ist in § 3 Nr. 1 ChemG definiert. Er umfaßt danach alle chemischen Elemente oder chemischen Verbindungen, wie sie natürlich vorkommen oder hergestellt werden. Aus diesem Begriff lassen sich angesichts seiner Weite und der unterschiedlichen Zwecke von ChemG und KrW-/AbfG für die hier zu klärende Problematik keine weiteren Aufschlüsse gewinnen. In der Literatur wird vorgeschlagen, die stoffbezogenen Anforderungen "weit" zu verstehen, da die Kreislaufwirtschaft im Sinne des KrW-/AbfG auf eine Steuerung der Stoffströme abziele, um bereits im Produktionsprozeß und bei der Produktgestaltung die Möglichkeiten zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen zu nutzen. Stoffbezogene Anforderungen umfaßten von der Getrennthaltung der Abfälle bis zur Einbindung von Abfällen in Produkte alle Vorgaben des KrW-/AbfG, die eine hochwertige Verwertung gewährleisteten. 199 Nach § 9 Satz 3 KrW-/AbfG sind stoffbezogene Anforderungen durch Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 und § 7 KrW-/AbfG festzulegen. Nach § 6 Abs. 1 KrW-/AbfG kann für bestimmte Abfälle die Verwertungsart festgelegt werden. Nach § 7 KrW-/AbfG kann insbesondere zur Sicherung einer schadlosen Verwertung die Einbindung oder das Verbleiben von bestimmten Abfällen in Erzeugnissen nach Art, Beschaffenheit und Inhaltsstoffen beschränkt werden (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG). Außerdem ermächtigt § 7 KrW-/AbfG zur Festlegung einzelner Modalitäten des Verwertungsverfahrens, zu Hinweis- und Kennzeichnungspflichten und zur Festlegung von Überprüfungsverfahren. Die Vorschrift des § 7 Abs. 2 KrW-/AbfG ermächtigt sogar ausdrücklich "... stoffliche Anforderungen ... " rur Kraftwerksabfälle, Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen oder sonstige Abfälle festzulegen, sofern sie in der Bergaufsicht unterstehenden Betrieben eingesetzt werden. Die Vorschriften der §§ 6 Abs. 1, 7 KrW-/AbfG enthalten daher inhaltliche Vorgaben für eine Rechtsverordnung nach § 9 Satz 3 KrW-/AbfG. Damit ergeben sich für die "stoffbezogenen Anforderungen" zwei Auslegungsmöglichkeiten. Die stoftbezogenen Anforderungen könnten mit den inhaltlichen Vorgaben der §§ 6 Abs. 1, 7 KrW/ AbfG identisch sein. Es würde sich dann um einen deklaratorischen Verweis auf die sich bereits aus § 6 Abs. 1 und § 7 KrW-/AbfG ergebenden Anfor-

197 198 199

Allgemein dazu HoppelBeckmann, UmwR, § 27, Rdnr. 10-12 und 21-23. BGBI. 1994, I, S. 1703, Ld.F. vom 27. September 1994, BGBI. I, S. 2705. PetersenlRid, NJW 1995, S. 7 ff(12).

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Zweiter Teil: Die Abfallvermeidung

derungen handeln. Den stoffbezogenen Anforderungen könnte aber auch ein eigenständiger, von den Anforderungen nach §§ 6 Abs. 1,7 KrW-/AbfG abweichender Inhalt zukommen. Dann würde sich die Frage nach der Bedeutung der stoffbezogenen Anforderungen stellen. Gegen einen eigenständigen Inhalt und fUr einen deklaratorischen Verweis spricht § 7 Abs. 2 KrW-/AbfG, welcher - insofern dem Wortlaut des § 9 Satz 3 KrW-/AbfG sehr ähnlich - davon spricht, daß stoffliche Anforderungen durch Rechtsverordnungen nach § 7 Abs. 1 KrW-/AbfG festgelegt werden können. Die Vorschrift ermächtigt also zur Festlegung von Anforderungen an die Stoffbeschaffenheit. Deshalb geht § 7 Abs. 2 KrW-/AbfG davon aus, daß es sich bei den in § 7 Abs. I KrW-/AbfG aufgefUhrten Anforderungen um stoffbezogene Anforderungen handelt. Gegen einen eigenständigen Inhalt spricht auch die Begründung zum Entwurf der Vorläuferregelung des § 7 KrW-/AbfG. Ausgangspunkt dieser Begründung ist die Erwägung, daß "... die weitere Konkretisierung von Anforderungen an die Vermeidung und Verwertung von Rückständen nur einzelstoffbezogen durchfUhrbar ... " sei. 200 Weiter heißt es, der Regelungsgegenstand der Rechtsverordnungen beziehe sich auf die Schadlosigkeit von Vermeidung oder Verwertung unter primär stoffbezogenen Kriterien. 20l In der Begründung zur Vorläuferregelung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 KrW-/AbfG heißt es, es könnten primär stoffbezogene Anforderungen an die Vermeidung und Verwertbarkeit gestellt werden. 202 Die endgültige Fassung des § 7 KrW-/AbfG lehnt sich an diese Vorläuferregelung an und enthält im wesentlichen redaktionelle Veränderungen. 203 Nach Ansicht des Gesetzgebers stellen also die in § 7 KrW-/AbfG enthaltenen Regelungen als solche stoffbezogene Anforderungen dar. Entsprechendes muß auch für die in § 6 KrW-/AbfG enthaltenen Regelungen gelten. Die Formulierung stoffbezogen macht lediglich noch einmal deutlich, daß es sich um einzelstoffbezogene Anforderungen handelt. Es ist auch nicht ersichtlich, was sonst unter stoffbezogenen Anforderungen zu verstehen wäre. Dem Merkmal der stoftbezogenen Anforderungen kommt daher kein eigenständiger, von den bereits in § 7 KrW-/AbfG enthaltenen Anforderungen abweichender Inhalt zu.

200 So die Begründung der Bundesregierung zu § 15 ihres Gesetzentwurfs, BR-Drs. 245/93, S. 139. 201 So die Begründung der Bundesregierung zu § 15 ihres 'Gesetzentwurfs, BR-Drs. 245/93, S. 140. 202 So die Begründung der Bundesregierung zu § 15 Abs. I ihres Gesetzentwurfs, BRDrs. 245/93, S. 141. 203 Vgl. den Bericht des Umweltausschuß des Bundestages, BT-Drs. 12/7284, S. 15.

C. Abfallwirtschaftliche Venneidung und Produktverantwortung

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Folglich ist das Tatbestandsmerkmal der stoffbezogenen Anforderungen ein deklaratorischer Verweis auf die sich bereits aus § 7 KrW-/AbfG ergebenden Anforderungen.

C. Abfallwirtschaftsrechtliche Vermeidung und Produktverantwortung Wegen der Rechtspflichten, die Herstellern, Vertreibern und Verbrauchern im Produktbereich auferlegt werden, verweist § 5 Abs. 1 KrW-/AbfG auf die nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG erlassenen Rechtsverordnungen. Diese Ermächtigungsgrundlagen nehmen die bereits in § 14 AbfG 1986 enthaltenen Regelungen auf, ergänzen und modifizieren sie. Nach Art. 13 Satz 1 des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen treten die Vorschriften des Gesetzes, die zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigen, am Tage nach der Verkündung in Kraft. Die §§ 23, 24 KrW-/AbfG sind also seit dem 7. Oktober 1994 in Kraft. Die Vorschrift des § 22 KrW-/AbfG beschreibt den Begriff der Produktverantwortung in grundsätzlicher Weise. Ferner legt sie den Mindestinhalt einer Rechtsverordnung fest, die die Produktverantwortung regelt, und enthält einige Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen. Ermächtigungsgrundlagen für die Rechtsverordnungen sind die §§ 23, 24 KrW-/AbfG. Nach § 23 KrW-/AbfG kann der Verordnungsgeber Verkehrsverbote sowie Kennzeichnungspflichten für Erzeugnisse und Vorschriften über die Produktgestaltung schaffen. Nach § 24 KrW-/AbfG können Rücknahme-, Rückgabe- und Pfandpflichten nach dem Muster der VerpackV geregelt werden. Da Regelungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG noch nicht bestehen und ihr Erlaß noch nicht absehbar ist, seien in diesem Kapitel nur die Eckpunkte der juristischen Problematik aufgegriffen, die sich dem Rechtsanwender und auch dem Verordnungsgeber stellen würden. Zunächst drängt sich die Klärung der Frage auf, ob die Produktverantwortung auch ohne Konkretisierung durch Rechtsverordnungen rechtliche Bedeutung hat.

I. Die rechtliche Bedeutung der Produktverantwortung

ohne verordnungsmäßige Konkretisierung

Die Dauer eines Rechtsetzungsverfahrens, welches dem Erlaß einer Rechtsverordnung nach §§ 22 ff KrW-/AbfG vorausgehen wird, läßt sich nur schwer abschätzen. Die in § 59 KrW-/AbfG vorgeschriebene, verfassungsrechtlich problematische, Einschaltung des Bundestages und die in § 60 KrW-/AbfG vorgeschriebene Anhörung beteiligter Kreise lassen ein langwieriges Rechtsetzungsverfahren erwarten. Angesichts der politischen Brisanz der Thematik 6 Schimanek

82

Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

erscheint es auch wenig realistisch anzunehmen, daß der Verordnungsgeber bis zum Inkrafttreten des gesamten KrW-/AbfG überhaupt irgendeine Verordnung geschaffen hat204 . Jedenfalls wird er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Instrumentarium der §§ 23, 24 KrW-/AbfG nicht ausgeschöpft haben, so daß sich die Problematik auch ergeben kann, wenn bereits Rechtsverordnungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG erlassen worden sind. Es stellt sich daher auf jeden Fall die Frage, ob § 22 KrW-/AbfG unmittelbar Rechtsfolgen nach sich zieht und Pflichten gegebenenfalls über § 21 KrWIAbfG durchgesetzt werden können. Das setzt voraus, daß § 22 KrW-/AbfG überhaupt durchsetzbare Rechtspflichten enthält. Unmittelbare Rechtspflichten könnten sich aus § 22 Abs. 1, Abs. 2 KrW-/AbfG ergeben. Vergleichbar der Vorschrift des § 5 Abs. 1 BImSchG könnten in § 22 Abs. 1, Abs. 2 KrW-/AbfG durchsetzbare Grundpflichten der Abfallwirtschaft fUr den Produktbereich normiert sein. Ob § 22 KrW-/AbfG bzw. seine Vorentwürfe unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber dem Verpflichteten haben sollten, war im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens stark umstritten.

1. Adressat

Für eine unmittelbare Rechtspflicht aus § 22 KrW-/AbfG könnte zunächst sprechen, daß sich die subjektivierte Fassung des § 22 KrW-/AbfG durch die EinfUgung des "Wer" als Eingangswort gegenüber der noch neutralen Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung205 letztendlich durchzusetzen vermochte. Mit der EinfUgung des "Wer" sollte ein Personenbezug hergestellt werden, der es ermöglichen sollte, die materiellen Inhalte der Produktverantwortung denjenigen zuzuordnen, die Produkte entwickeln, herstellen, be- und verarbeiten oder vertreiben. Damit sollte der Ungewißheit über den Erlaß von

204 Zum Vergleich sei an dieser Stelle das Beispiel der VerpackV erwähnt, deren Verfahren vom Beschluß der Bundesregierung, den Bundesrat um seine Zustimmung zu bitten (14. November 1990, BR-Drs. 817/90) bis zur Verkündung im Bundesgesetzblatt (12. Juni 1991, BGB!. I, S. 1234), etwa sieben Monate betrug. Dabei ist noch nicht die Zeit berücksichtigt, die zur Ausarbeitung des Entwurfs und der nach § 14 AbfG 1986 vorgeschriebenen Anhörung der beteiligten Kreise aufgewendet werden mußte. Versteyl, in: KlSN, Einleitung, Rdnr. 51 a, fUhrt dazu aus, bisher sei keine Rechtsverordnung nach dem Abfallgesetz derart umstritten gewesen, daß sie erst in der zweiten Beratung durch den Bundesrat mehrheitlich verabschiedet worden und auch nach der erneuten Beschlußfassung durch die Bundesregierung am 8. Mai 1991 kontrovers geblieben sei. 205 Vg!. BR-Drs. 245/93, S. 31.

C. Abfallwirtschaftliche Venneidung und Produktverantwortung

83

Rechtsverordnungen vorgebeugt werden. 206 Die Vorschrift des § 22 KrW/ AbfG enthält folglich einen Adressaten.

2. Pflicht

Gegen die Normierung einer Pflicht wird eingewendet, daß § 22 Abs. 1-3 KrW-/AbfG keine Rechtsfolgen enthält, sondern nur darstellt, was unter der Produktverantwortung zu verstehen ist. 207 Nach der tatbestandlichen Struktur des § 22 Abs. I Satz I KrW-/AbfG ist die Produktverantwortung jedoch die Rechtsfolge der Entwicklung, Herstellung, Be- oder Verarbeitung oder des Vertriebs von Erzeugnissen. Der Begriff der Produktverantwortung als solcher ist äußerst unbestimmt. Eine nähere gesetzliche Darstellung seines Inhalts wie in § 22 Abs. I Satz 2 KrW-/AbfG ist deshalb filr die Rechtsanwendung sinnvoll. Die Produktverantwortung als solche ist deshalb auch die Rechtsfolge. Davon zu trennen ist die Frage der Durchsetzbarkeit dieser Rechtsfolge, beispielsweise über § 21 KrW-/AbfG durch behördliche Anordnung. Dies hängt davon ab, ob § 22 KrW-/AbfG lediglich Ermesserisrichtlinie filr den Verordnungsgeber ist oder Rechtspflichten filr den einzelnen enthält. Für die Normierung unmittelbarer Rechtspflichten könnte der Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG sprechen, wenn sich aus ihm ein Gebot ableiten ließe. Für das Vorliegen eines Gebotes spricht die Verwendung der Formulierung "sind". Durch die Verwendung des Begriffs "möglichst" wird dieses Gebot jedoch eingeschränkt. Zu prüfen ist daher, ob die Verwendung des Begriffs "möglichst" dem grundsätzlich in § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG enthaltenen Gebot entgegengehalten werden kann. a) Das Rechtsgebot des § 22 KrW-/AbjG

Für das Tatbestandsmerkmal "möglichst" sind unterschiedliche Auslegungsvarianten in Betracht zu ziehen. Der Begriff "möglichst" könnte ein deklaratorischer Hinweis auf die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein. Das würde dem Charakter des § 22 KrW-/AbfG als Rechtsgebot nicht entgegenstehen. Ordnet eine behördliche Verfilgung oder eine Rechtsverordnung eine Gestaltungsform an, ist diese aber nicht möglich, fehlt es aber ohnehin an der Geeignetheit des Mittels zur Erreichung des damit angestrebten Zwecks. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre nicht gewahrt. Gegen diese Auslegung spricht, daß der Begriff "möglichst" etwas ausdrücken würde, was bereits nach

206 207

BT-Drs. 12/5672, S. 100. So Tettinger, DVB1.1995, S. 213 ff(215).

84

Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt. Außerdem verweist § 22 Abs. 3 KrW/AbfG noch gesondert auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Nach dem Wortlaut der Norm liegt es näher, daß das Tatbestandsmerkmal "möglichst" eine eigenständige Bedeutung aufweist. Ob es sich auf die Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite des § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG bezieht oder gar auf beide, läßt sich anband des Wortlauts ("sind Erzeugnisse möglichst so zu gestalten, daß") nicht eindeutig klären. 20S Eine Entscheidung dieser Problematik kann hier jedoch dahinstehen. Denn bereits aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG (" ... sind ....möglichst...") ist ersichtlich, daß das Tatbestandsmerkmal "möglichst" das Rechtsgebot des § 22 Abs. I KrW-/AbfG allenfalls relativiert, aber nicht ausschließt. Dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG nach bleibt es daher beim bisherigen Ergebnis, daß § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG ein Gebot enthält, was rur eine unmittelbare Rechtswirkung der Vorschrift spricht. b) Der Verordnungsvorbehalt des § 22 Abs. 4 KrW-/AbjG

Gegen eine unmittelbare Rechtswirkung der Produktverantwortung nach § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG bestehen jedoch systematische Bedenken. So verweist § 5 Abs. 1 KrW-/AbfG rur Pflichten zur Abfallvermeidung ausdrücklich auf Rechtsverordnungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG. Ferner heißt es in § 22 Abs. 4 208 Möglicherweise ist § 22 Abs. I KrW-/AbfG wie eine Soll-Vorschrift zu interpretieren, von der nur in Ausnahmefällen abgewichen werden darf. Zwar würde es sich dann um eine untypische Sollvorschrift handeln, weil § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG die eine solche Vorschrift üblicherweise kennzeichnenden Tatbestandsmerkmale "soll" und "in der Regel" nicht enthält. Dies ist aber grundsätzlich unschädlich. Zwar ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut eines Rechtssatzes, ob er eine bloße Sollvorschrift ist, manchmal ist dies aber trotz des - venneintlich - eindeutigen Wortlauts erst aus seinem Sinn zu erschließen. Das bedeutet, daß die Verwendung der Tatbestandsmerkmale "soll" und "in der Regel" der Auslegung darauf hin zugänglich sind, ob eine Sollvorschrift vorliegt. Ist dies möglich, so kann umgekehrt eine Sollvorschrift auch vorliegen, wenn die Vorschrift die oben genannten Klauseln nicht enthält, sie aber in diesem Sinne verstanden werden muß. Zu Sollvorschriften allgemein WoltT/BachoflStober, Verwaltungsrecht I, § 31, Rdnr. 34, S. 375 m.w.N. zur Rechtsprechung. Die für Sollvorschriften untypische Fonnulierungsweise könnte sich daraus erklären, daß die Regelung des § 22 Abs. 1 KrW -/AbfG gegenstands- und nicht pcrsoncnbczogcn ist und die letztendlich gewählte Fonnulierung diesen Bezug sprachlich besser zum Ausdruck bringt. Hätte man § 22 Abs. I KrW-/AbfG auch dem Wortlaut nach als Sollvorschrift ausgestalten wollen, so wäre man in das Passiv geraten: "..... sollen Erzeugnisse möglichst so gestaltet werden, ... ".

C. Abfallwirtschaftliche Venneidung und Produktverantwortung

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KrW-/AbfG, daß die Bundesregierung "durch Rechtsverordnungen" bestimmt, welche Verpflichteten die Produktverantwortung zu erfUllen haben, auf welche Erzeugnisse sie sich bezieht und wie sie wahrzunehmen ist. Solange dies nicht festgelegt ist, kann Hersteller und Vertreiber eine "Grundpflicht" nicht treffen. 209 Dieser Verordnungsvorbehalt resultiert aus Empfehlungen des Umweltausschusses des Bundestages. Nachdem auf Betreiben des Bundesrates das Tatbestandsmerkmal "Wer" eingeftlgt wurde, bezweckte der Umweltausschuß des Bundestages mit der Einftlgung des Verordnungsvorbehalts zu verhindern, daß die "Pflicht" des § 22 KrW-/AbfG unmittelbare Rechtswirkungen gegenüber dem Verpflichteten entfalten sollte.21D Durch die Rechtsverordnung sollte zunächst festgelegt werden müssen, welcher der Verpflichteten konkret der Produktverantwortung unterliegt. Der Umweltausschuß ruhrte dazu aus, daß die Produktverantwortung ohne eine solche Verordnung nicht verpflichtendsei. 211 Der ursprünglich in § 22 Abs. J KrW-/AbfG vorgesehene Verordnungsvorbehalt212 erhielt dann jedoch in der Empfehlung des Umweltausschusses einen eigenständigen Absatz 4213 , der mit dem jetzigen § 22 Abs. 4 KrW-/AbfG identisch ist. Unmittelbar durchsetzbare Rechtspflichten sind daher schon wegen des Verordnungsvorbehalts ausgeschlossen. 2 14

3. Rechtscharakter des § 22 Abs. 1, Abs. 2 KrW-/AbfG

Fraglich ist dann aber, welche rechtliche Bedeutung die in § 22 Abs. 1, Abs. 2 KrW-/AbfG normierten Pflichten haben. Ohne verordnungsmäßige Konkretisierung wirken sie nicht unmittelbar und sind daher auch nicht nach § 21 KrW/AbfG durchsetzbar. Trotzdem soll es sich nach den im Gesetzgebungsverfahren zutage getretenen Erwägungen um "Pflichten" handeln. 215 Rechtliche Bedeu-

Beckmann, DVBI. 1995, S. 313 ff (315). BT-Drs. 12/7284, S. 19. 211 Vgl. BT-Drs. 12/7284, S. 19. 212 Vgl. BT-Drs. 12/7240, S. 13. 2I3 Vgl. BT-Drs. 12/8084, S. 11 214 Vgl. auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (634) und v.Köller, KrW-/AbfG, § 22, S. 129. 215 Vgl. auch die Begründung des Umweltausschusses des Bundestages zur Einflihrung des VerordnungsvorbehaItes in § 22 Abs. 1 KrW-IAbfG, BT-Drs. 12/7284, S. 19; vgl. weiterhin die Begründung der Änderungsempfehlung Nr. 53 des Bundesrates, BT-Drs. 12/5672, S. 100. 209

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Zweiter Teil: Die AbfaHvenneidung

tung haben sie jedenfalls als Richtlinien fUr die Ausübung des Verordnungsennessens. 216 Da Rechtsverordnungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG nur zur Festlegung von Anforderungen nach § 22 KrW-/AbfG zulässig sind, enthält § 22 KrW-/AbfG Rechtmäßigkeitsanforderungen fUr diese Rechtsverordnungen. Insofern enthält § 22 KrW-/AbfG daher Grundpflichten fUr die Produktverantwortung. Ohne verordnungsmäßige Umsetzung ist eine Durchsetzung der Grundpflichten zwar ausgeschlossen, die Grundpflichten können aber trotzdem bereits erfUllt werden. Die mangelnde Durchsetzbarkeit steht dem Charakter als Grundpflicht nicht entgegen. So wird beispielsweise der Grundpflichtencharakter der in § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG geregelten Abwännenutzungspflicht auch nicht deshalb in Frage gestellt, weil die Grundpflicht erst durch Verordnung nach § 5 Abs. 2 BImSchG umgesetzt werden muß. Eigenständige Bedeutung kommt den Grundpflichten vor allem im Hinblick auf den beim Erlaß von Rechtsverordnungen auch zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zu. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz muß die Rechtsverordnung zur Erreichung der mit ihr verfolgten Ziele geeignet, erforderlich und verhältnismäßig (im engeren Sinne) sein. Ziel in diesem Sinne kann jeder legitime, auch gesetzlich vorgegebene Zweck sein. Die Vorschrift des § 22 KrW-/AbfG nonniert diese Ziele fUr Rechtsverordnungen, die die Produktverantwortung regeln. Außerdem wirkt sich § 22 KrW-/AbfG auf den Vertrauens schutz aus. Denn der Adressat einer Rechtsverordnung nach §§ 22 ffKrW-/AbfG muß mit den in §§ 22 Abs. 1, Abs. 2 KrW-/AbfG enthaltenen Belastungen rechnen. Sein Vertrauen auf die bisherige Rechtslage ist insoweit weniger schutzwürdig, als es ohne diese Regelungen wäre. 217 Das fUhrt dazu, daß fUr die Verhältnismäßigkeit der in Rechtsverordnungen zu regelnden Anforderungen erleichterte Anforderungen bestehen. 218 Außerdem kann die Einhaltung von Grundpflichten generell fUr den im Privatrecht zu fUhrenden Beweis des Ursachenzusammenhangs von Bedeutung sein, Z.B. im Rahmen der Prüfung nach § 6 UmwelthaftungsG.219 Folglich handelt es sich bei § 22 Abs. 1, Abs. 2 KrW-/AbfG um Grundpflichten, die ihr rechtliches und praktisches Gewicht aber erst völlig beim Erlaß von Rechtsverordnungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG entfalten. 216 So auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (634); vgl. auch Tettinger, DVBI. 1995, S. 213 ff (215): § 22 KrW-IAbfU habe wohl kaum mehr als programmatischen Charakter. 217 Vgl. auch Jarass, DVBI. 1986, S. 314 ff(315); zur Bestandsschutzproblematik im Rahmen des BImSchG vgl. auch SeHner, Fg. BVerwG, S. 603 ff(612-617). 218 PetersenlRid, NJW 1995, S. 7 ff(lO). 219 Vgl. Jarass, BImSchG, 3. Aufl., § 5 Rdnr. 112 m.w.N.

C. Abfallwirtschaftliche Vermeidung und Produktverantwortung

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11. Die verfassungsrechtliche Problematik der Änderungsvorbehaltsverordnung Die Frage nach der Verfassungsgemäßheit der Regelung des § 59 KrW-/AbfG betrifft die Problematik der abfallwirtschaftsrechtlichen Zielhierarchie zwar nur am Rande, sie ist jedoch entscheidend filr den wirksamen Erlaß der zur Durchsetzung des KrW-/AbfG erforderlichen Rechtsverordnungen nach §§ 23, 24 KrW-/AbfG, mithin dafür, ob überhaupt konkrete Vermeidungspflichten umgesetzt werden können. 220 Deshalb soll hier - in der gebotenen Kürze - auf die dazu vorgetragenen Argumente eingegangen werden. Nach § 59 Satz 3 KrW-/AbfG kann der Bundestag Rechtsverordnungen durch Beschluß ändern oder ablehnen. Die Regelung des § 59 KrW-/AbfG könnte verfassungswidrig sein, wenn die darin enthaltenen Mitwirkungsvorbehalte des Parlaments das Gewaltenteilungsprinzip oder das Rechtsstaatsprinzip verletzen. 221

1. Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes

Eine Ausprägung des Gewaltenteilungsprinzips ist das Verbot der Wahrnehmung der einer anderen Gewalt zugewiesenen Funktion. 222 Nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz steht die staatliche Rechtsetzung grundsätzlich der Legislative zu. Das Grundgesetz macht von der strikten Gewaltentrennung in Art. 80 Abs. 1 GG zugunsten der Rechtsetzung durch die Exkutive eine Ausnahme. 223 Der Gewaltenteilungsgrundsatz könnte verletzt sein, wenn die in § 59 KrW/AbfG enthaltenen Mitwirkungsvorbehalte des Parlaments in den der Exekutive obliegenden Kernbereich eingreifen würden. Dazu müßte sich aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben, daß der parlamentarische Gesetzgeber keine Rechtsverordnungen durch einfachen Beschluß - wie es § 59 KrW-/AbfG

220 Vgl. dazu auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (633); vgl. auch Versteyl/Wendenburg, NVwZ 1994, S. 833 ff(839/840) und Queitsch, KrW-/AbfG, § 59, Anm. I, S. 330/331. 221 Vgl. aber auch Ossenbühl, in: IsenseelKirchhof, HdbStr, § 64, Rdnm. 55 und 56, der die Vereinbarkeit mit dem Demokratieprinzip in den Vordergrund stellt; dagegen Rupp, NVwZ 1993, S. 756 ff(758) und Konzak, DVBI. 1994, S. 1I07 ff(lllO). 222 Hesse, VerfR, Rdnr. 476, vgl. auch Rdnr. 490. 223 Vgl. BVerfGE 18, S. 52 ff(59).

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

vorsieht - abändern oder ablehnen kann,224 weil diese Aufgabe in den Kompetenzbereich der Exekutive fiUIt. Ob die Änderung oder Ablehnung von Rechtsvorschriften, sei es auch in Form der Verordnung, überhaupt dem Kernbereich der Aufgaben der Exekutive zuzuordnen ist, ist zweifelhaft. 225 Ein Teil der Literatur lehnt einen Eingriff in den Kernbereich schon deshalb ab, weil das Parlament der Verwaltung die Kompetenz zur Rechtsetzung übertragen hat und diese Kompetenz jederzeit wieder entziehen könne, ohne gegen das Gewaltenteilungsprinzip zu verstoßen. 226 Ändert das Parlament eine Rechtsverordnung in der Form eines Gesetzes oder lehnt es eine Rechtsverordnung in dieser Form ab, liegt kein Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip vor. Das Parlament ist materiell zu solchen Regelungen befugt und bedient sich der ihm zugewiesenen Rechtsetzungsform, des Gesetzes. Die Problematik des § 59 KrW-/AbfG besteht vielmehr darin, ob es einen Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz darstellt, wenn das Parlament Recht ändern oder ablehnen kann, ohne sich der Gesetzesform bedienen zu müssen. Dies betrifft aber die nachfolgend im Zusammenhang mit dem Rechtsstaatsprinzip behandelte Frage nach der Verantwortungsklarheit und -zurechenbarkeit. Folglich ist der Gewaltenteilungsgrundsatz nicht verletzt.

2. Verletzung des Rechtsstaatsprinzips

Die in § 59 KrW-/AbfG enthaltenen Mitwirkungsvorbehalte des Bundestages könnten jedoch gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen. Dieses verlangt die Abgrenzung und Einhaltung des Zuständigkeits- und Verantwortungsbereichs staatlicher Organe. Während das Parlament ausschließlich durch Gesetz Recht setzen darf, darf die Exekutive dies ausschließlich durch Rechtsverordnung. Für den Erlaß von Rechtsverordnungen ist das Parlament nur im Rahmen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verantwortlich. Eine rechtliche Mitverantwortung des Parlaments rur den Inhalt einer Rechtsverordnung gibt es nicht. 227 Aus dem Rechtsstaatsprinzip läßt sich das Postulat der Verantwortungsklarheit und das der Verantwortungszurechenbarkeit ableiten. Das Prinzip der Verantwortungsklarheit ist verletzt, wenn durch die Mitwirkungsvorbehalte des Parlaments eine 224 Stern, Staatsrecht 11, S. 664/665; vgl. auch BVerfGE 22, S. 330 ff (346) und 24, S. 184 ff (199); wobei wohl präziser ausgefUhrt werden müßte, daß der parlamentarische Gesetzgeber kein Recht in der Fonn der Rechtsverordnung setzen kann, so zutreffend Lippold, ZRP 1991, S. 254 ff(255/256). 225 Vgl. auch Lippold, ZRP 1991, S. 254 ff(254). 226 Vgl. Studenroth, DÖV 1995, S. 525 ff(529). 227 Vgl. Studenroth, DÖV 1995, S, 525 ff(529).

C. Abfallwirtschaftliche Venneidung und Produktverantwortung

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tatsächliche - "interne" - Machtverteilung entsteht, die mit der nach außen bestehenden Kompetenzordnung nicht zu vereinbaren ist. Verfassungsrechtlich ist schon im Hinblick auf die Haftung rur normatives Unrecht, die lustitiabilität sowie die Beteiligung des Bundesrates228 eine klare Trennung und Unterscheidung von Verantwortungsbereichen geboten. Die Vorschrift des § 59 Satz 3 2. Alt. KrW-/AbfG räumt dem Bundestag die Möglichkeit ein, die Rechtsverordnung abzulehnen. Er erhält dadurch keine Möglichkeit, auf die Rechtsverordnung unmittelbar inhaltlich Einfluß zu nehmen. Für ihren Inhalt ist und bleibt die Exekutive verantwortlich. Der Sinn der Regelung liegt darin, daß die Bearbeitung der Einzelfragen bei der Exekutive liegen soll, während sich die Legislative das Letztentscheidungsrecht darüber vorbehält. 229 Verantwortlichkeiten werden daher nicht miteinander vermengt. Das Ablehnungsrecht ist verfassungsgemäß. 230 Die Regelung des § 59 Satz 3 I. Alt. KrW-/AbfG räumt der Legislative die Kompetenz zur inhaltlichen Änderung der Rechtsverordnung ein. Obwohl es sich um eine Rechtsverordnung handelt, kann das Parlament daher inhaltliche Regelungen treffen, und zwar durch Beschluß.231 Damit berührt § 59 Satz 3 1. Alt. KrW-/AbfG das Rechtsstaatsprinzip. Die Regelung könnte verfassungsgemäß sein, wenn der hier zu prüfende Fall der sog. "Änderungsvorbehaltsverordnung" entsprechend den von Rechtsprechung232 und Literatur233 entwickelten Regeln zur sog. "Zustimmungsverordnung", bei der sich das Parlament die

Vgl. zu diesen Erwägungen auch Studenroth, DÖV 1995, S. 525 ff(533). Vgl. auch Maunz, in: MlDIH/S, GG, Art. 80, Rdnr. 35 zur Nonnierung eines Zustimmungserfordernisses des Bundestages. 230 Zum Zustimmungserfordernis vgl. Konzak, DVBI. 1994, S. 1107 ff (1109); vgl. auch Rupp, NVwZ 1993, S. 756 ff (757), der die Ablehnung einer Verordnung als Versagung der Zustimmung wertet und der "Zustimmungsverordnung" zurechnet. 231 Insofern unterscheidet sich dieser Fall von dem, daß das Parlament eine Rechtsverordnung durch Gesetz ändert, wobei die fonnellgesetzlichen Regelungen nicht als solche, sondern als Rechtsverordnung gelten sollen; ändert das Parlament eine Rechtsverordnung durch Gesetz, ist das Gesetzgebungsverfahren durchzuführen, vgl. dazu Studenroth, DÖV 1995, S. 525 ff(533/534). 232 Vgl. BVerfGE 8, S. 274 ff(321). 233 Vgl. v. Danwitz, Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, S. 112-116; Vgl. Ossenbühl, in: IsenseelKirchhof, HdbStr, § 64, Rdnrn. 53-56; Maunz, in: MlDIH/S, GG, Art. 80, Rdnr. 35; vgl. auch Stern, Staatsrecht 11, S. 664/665; vgl. aber auch ~tudenroth, DÖV 1995, S. 525 ff (530-532), der das Erfordernis des "legitimen Interesses" mangels verfassungsrechtlicher Grundlage, a. a. 0., S. 530 ablehnt und den Zustimmungsvorbehalt für verfassungsgemäß hält, a. a. 0., S. 532. 228

229

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

Zustimmung zur Rechtsverordnung vorbehält, zu beurteilen wäre. Nach diesen Regeln enthalten Zustimmungsverordnungen im Vergleich zur vollen Delegation der Rechtsetzung auf die Exekutive ein "Minus".234 Sie seien jedenfalls dann verfassungsgemäß, wenn ein legitimes Interesse der Legislative daran bestehe, einerseits die Rechtsetzung auf die Exekutive zu delegieren, sich aber andererseits - wegen der Bedeutung der zu treffenden Regelungen - entscheidenden Einfluß auf Erlaß und Inhalt der Verordnungen vorzubehalten. Ein solches legitimes Interesse soll nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts für Regelungen von erheblicher wirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Tragweite bestehen. 235 Zwar ist auch die Verordnungsermächtigung mit Änderungsvorbehalt gegenüber der vollen Delegation der Rechtsetzung auf die Exekutive ein Minus. 236 Der "a maiore ad minus"-Schluß zur Begründung der Verfassungsgemäßheit der Zustimmungsverordnung läßt sich jedoch nicht auf die "Änderungsvorbehaltsverordnung" übertragen. 237 Denn die dem Bundestag durch den Änderungsvorbehalt eingeräumte Befugnis zur unmittelbaren inhaltlichen Gestaltung unterscheidet sich qualitativ vom bloßen Zustimmungsrecht238 zu einer durch die Exekutive inhaltlich gestalteten Rechtsverordnung. Im Fall einer Änderung durch den Bundestag nach § 59 Satz 3 1. Alt. KrW1AbfG läßt sich die rechtliche Verantwortlichkeit rur den Inhalt der Rechtsverordnung nicht mehr feststellen. Das Parlament nimmt durch eine Änderung unmittelbaren inhaltlichen Einfluß auf die Rechtsverordnung. Dabei sind seiner Änderungsbefugnis durch § 59 Satz 3 KrW-IAbfG keine Schranken gesetzt. 239 Ergebnis des Rechtsetzungsverfahrens ist jedoch eine Rechtsverordnung und kein Gesetz. Der Exekutive verbleibt letztendlich in Fällen der Änderung durch den Bundestag bloß das Initiativrecht. Im Ergebnis "erläßt" das Parlament im Falle von Änderungen die Rechtsverordnung und erhält daher faktisch eine Rechtsverordnungsbefugnis. 240 Folglich lassen sich die Verantwortlichkeiten nicht mehr klar zurechnen. Ferner bestünde die Gefahr, daß eine eventuell erforderliche Mitwirkung des Bundesrates an einer inhaltsgleichen gesetzlichen Re-

234 Vgl. aber auch die Kritik daran von v. Danwitz, Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, S. 113/114. 235 Vgl. BVerfGE 8, S. 274 ff(321). 236 Vgl. Konzak, DVBI. 1994, S. 1107 ff(1110). 237 Insofern a. A. wohl Lippold, ZRP 1991, S. 254 ff(256). 238 Vgl. zu dessen rechtlicher Einordnung, v. Danwitz, Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, S. 113/114. 239 Vgl. Konzak, DVBI. 1994, S. 1107 ff(1109). 240 So zutreffend Konzak, DVBI. 1994, S. 1107 ff (1111); Studenroth, DÖV 1995, S. 525 ff (534); vgl. Lippold, ZRP 1991, S. 254 ff (255) zu § 20 Abs. 2 UmwelthaftG; vgl. auch Rupp, NVwZ 1993, S. 756 ff (758).

D. Vorrang der Venneidung vor der Verwertung

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gelung durch einen Änderungsvorbehalt umgangen werden könnte. 241 Die Änderungsvorbehaltsverordnung ist daher kein Unterfall des Zustimmungsrechts, sondern ein aliud242 und diesem auch sonst nicht gleichzustellen. Die Vorschrift verstößt daher gegen die Postulate der Verantwortungsklarheit und der Verantwortungszurechenbarkeit243 , mithin gegen das Rechtsstaatsprinzip.244 Will sich der Gesetzgeber Einfluß auf die Rechtsetzung sichern, so stehen ihm die Möglichkeiten offen, durch Gesetz inhaltlichen Einfluß zu nehmen oder sich die Zustimmungsbefugnis durch eine Zustimmungsverordnung einzuräumen. Folglich ist § 59 Satz 3 1. Alt. KrW-/AbfG wegen Verletzung des Rechtsstaatsprinzips verfassungswidrig.

D. Die Regelungen über den Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung I. Die Vorrangregelungen des Abfallwirtschaftsrechts Nach dem KrW -/AbfG besteht ein absoluter Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung. Zwar enthält das KrW-/AbfG keine dem § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW/ AbfG entsprechende Regelung für die Abfallvermeidung. Ein Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung ist jedoch § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG zu entnehmen. Denn nach § 4 Abs. 1 KrW-/AbfG sind Abfälle "in erster Linie" zu vermeiden und "in zweiter Linie" stofflich zu verwerten. Dieser Vorrang ist nicht von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig. Er ist folglich ein absoluter Vorrang. Der Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung äußert sich derzeit aber noch nicht in konkreten Rechtspflichten nach dem KrW-/AbfG und ist daher lediglich Programmsatz. Auch als Programmsatz ist er aber beispielsweise vom Verordnungsgeber beim Erlaß von Rechtsverordnungen nach §§ 22 ffKrW-/AbfG zu berücksichtigen.

Vgl. auch Studenroth, DÖV 1995, S. 525 ff (534). Vgl. Studenroth, DÖV 1995, S. 525 ff (535); Konzak, DVBI. 1994, S. 1107 ff (1109); vgl. auch im Hinblick auf das bei Verordnungen nach § 20 Abs. 2 UmwhaftG zu beachtende Rechtsetzungsverfahren Lippold, ZRP 1991, S. 254 ff (255); vgl. auch Rupp, NVwZ 1993, S. 756 ff(7571758). 243 Vgl. Konzak, DVBI. 1994, S. 1107 ff (1111). 244 Für die Verfassungswidrigkeit von "Änderungsvorbehaltverordnungen" auch Rupp, NVwZ 1993, S. 756 ff(7581759) und Studenroth, DÖV 1995, S. 525 ff(534/535); vgl. auch Jekewitz, NVwZ 1994, S. 956 ff (960); unklar Lippold, ZRP 1991, S. 254 ff (257). 241

242

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Zweiter Teil: Die Abfallvenneidung

Aus dem KrW-/AbfG ergibt sich daher ein absoluter Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung, der sich bislang jedoch nicht in unmittelbaren rechtlichen Folgen rur die Betroffenen äußert.

11. Die Vorrangregelungen des Immissionsschutzrechts Vorrangregelungen rur nicht genehmigungsbedUrftige Anlagen enthält das BlmSchG bisher nicht. Für solche Anlagen enthält das BlmSchG keine Vermeidungspflichten. Vermeidungspflichten können aber entstehen, wenn eine dem neuen § 22 Abs. 1 Satz 2 BlmSchG entsprechende Rechtsverordnung erlassen wird, rur die die Anforderungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG entsprechend gelten. Die Vorrangregelungen des BlmSchG rur genehmigungsbedürftige Anlagen sind in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG enthalten. Da das KrW-/AbfG den immissionsschutzrechtlichen Vermeidungsbegriff nicht ändert, bleibt es rur genehm igungsbedürftige Anlagen beim bisher bestehenden Rechtszustand der grundsätzlichen Gleichrangigkeit von Vermeidung und Verwertung. 245 Die Reststoffvermeidung hat nur, aber auch immer dann, Vorrang vor der Verwertung, wenn die Verwertung nicht ordnungsgemäß und schadlos möglich ist. 246 Es besteht daher ein prozeduraler Vorrang der Vermeidungspflicht vor der Verwertungspflicht. Es obliegt dem Betreiber zur Abwendung der vorrangigen Vermeidungspflicht darzutun, inwieweit eine Verwertung ordnungsgemäß und schadlos möglich ist. 247 Der in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG enthaltene relative Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung wird von der abfallwirtschaftsrechtlichen Regelung des absoluten Vorrangs der Vermeidung vor der Verwertung nicht beeinflußt. Für Vermeidungspflichten - und darum geht es hier allein - ist das BlmSchG nach § 9 Satz 1 KrW-/AbfG spezieller, eine Ausnahme davon gilt lediglich rur 245 Für G1eichrangigkeit, Jarass, BlmSchG, 3.Aufl., § 5, Rdnr. 76; Meidrodt, Vermeidungs- und Verwertungsgebot, S. 67; BarteIs, Abfallrecht, S. 59; differenzierter Hösel/v. Lersner, AbfG, § 1 a, Rdnr. 2 Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5, Rdnr. 664 und Rehbinder, DVBI. 1989, S. 496 ff (499), die bei den zuletzt aufgefllhrten flIr eine " ... Art prozeduraler Priorität der Reststoffvenneidung vor der Verwertung ... "; vgl. auch Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff (410), nach dem Betreiberpflicht allein die Reststoffvenneidung ist; rur eine Priorität der Venneidung Führ, Industrieanlagen, S. 192/193. 246 Meidrodt, Venneidungs- und Verwertungsgebot, S. 63; Jarass, BImSchG, 3.Aufl., § 5, Rdnr. 76. 247 Rehbinder, DVBI. 1989, S. 496 ff (499); Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5, Rdnr.664.

D. Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung

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stoftbezogene Anforderungen an die Art und Weise auch der anlagenintemen Verwertung, § 9 Satz 2 und Satz 3 KrW-/AbfG. Die Ausnahme nach § 9 Satz 2 und Satz 3 KrW-/AbfG läßt jedoch die "Ptlichtenhierarchie" des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG unberührt. Im Bereich der dem Immissionsschutzrecht unterliegenden Anlagen gibt es daher keinen absoluten Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung. Das Abfallwirtschaftsrecht läßt die Zielhierarchie des Immissionsschutzrechts unberührt. Festzuhalten ist, daß rur genehmigungsbedürftige Anlagen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ein relativer Vorrang der Vermeidung vor der Verwertung besteht.

Dritter Teil

Die Abfallverwertung Das KrW-/AbfG regelt die Verwertung hauptsächlich in den §§ 4-7 KrW/AbfG. In diesem Kapitel soll der Inhalt des Verwertungsbegriffs vor allem in Abgrenzung zum Beseitigungsbegriff geklärt werden (A.). Außerdem soll auf die zwischen stofflicher und energetischer Verwertung einerseits (B.) und Verwertung und Beseitigung andererseits bestehenden Vorrangregelungen (C.) eingegangen werden. Einen Schwerpunkt bilden auch die Anforderungen, die das KrW-/AbfG an die Rechtmäßigkeit der Verwertung (D.) stellt.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung Eines der neuen und ganz zentralen Auslegungsprobleme des KrW-/AbfG ist die Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung.! Dafür ist der Inhalt der stofflichen und der energetischen Verwertung maßgeblich, der im folgenden Kapitel geklärt werden soll. I. Die Bedeutung des Anhangs 11 B des KrW-/AbfG für den Rechtsbegriff der Verwertung Die stoffliche und die energetische Verwertung sind in § 4 Abs. 3 und Abs. 4 KrW-/AbfG definiert. Allerdings fUhrt auch der Anhang 11 B des KrW-/AbfG bestimmte Verwertungsverfahren auf. Möglicherweise ist ein Rückgriff auf die Definitionen entbehrlich, wenn sich der Verwertungsbegriff abschließend aus dem Anhang 11 B des KrW-/AbfG ergibt. 2 Der Anhang 11 B des KrW-/AbfG spielt unmittelbar fUr den Abfallbegriff eine Rolle. Die Definition des Abfallbegriffs nimmt zum Teil auf Verwertungsverfahren Bezug. So liegt Abfall gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 KrW-/AbfG u.a. 1

Weidemann;NVwZ 1995, S. 631 ff(634).

2 Dafllr v.Köller, KrW-IAbfG, § 3, S. 53, "Verwertung"; so zumindest im Ergebnis

wohl auch BeckmannlKersting, UPR 1995, S. 321 ff (326/327). BeckmannlKersting, a.a.O., lassen allerdings insbesondere unklar, in welchem Verhältnis die Anhänge und § 4 KrW-IAbfG zueinander stehen.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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vor, wenn sich der Besitzer einer beweglichen Sache entledigt. Eine Entledigung liegt u. a. vor, wenn die Sache einer Verwertung im Sinne des Anhangs II B zugeftlhrt wird. Während in Anhang II B Verwertungsverfahren aufgetUhrt sind, tUhrt Anhang II A Beseitigungsverfahren auf. Maßgeblich tUr die Einordnung ist dabei, ob ein Abfall tatsächlich verwertet oder beseitigt wird oder nicht. 3 Nicht maßgeblich ist, ob eine Pflicht zur Verwertung oder Beseitigung besteht oder ob Abfillle verwertet oder beseitigt werden dürfen. Werden Abfillle daher tatsächlich einem Verfahren unterzogen, das nach Anhang II B der Verwertung dient, so handelt es sich um Abfillle zur Verwertung. Für eine abschließende Definition des Verwertungsbegriffs im Anhang II B könnte sprechen, daß der Gesetzgeber beabsichtigte, das EG-Recht in nationales Recht umzusetzen und der Anhang II Bauch aufEG-Ebene abschließend ist. 1. Abschließender Charakter des Anhangs 11 B aufgrund der Umsetzung des ebenfalls abschließenden Anhangs 11 B der Richtlinie des Rates 91/156/EWG

Mit dem KrW-/AbfG soll u.a. die Richtlinie des Rates 911156IEWG umgesetzt4 werden, also auch ihr Anhang. Nach Art. 1 f) Rahmenrichtlinie 9111561EWG, welcher Begriffsbestimmungen, u.a. auch die der Verwertung, enthält, fallen unter die Verwertung alle in Anhang 11 B aufgetUhrten Verfahren. Die Formulierung "alle" wird als Argument tUr eine abschließende AuffUhrung der Verwertungsverfahren in Anhang II B vorgebracht. 5 Außerdem seien die an das Vorliegen einer Verwertung geknüpften Pflichten der Aufstellung von Abfallwirtschaftsplänen (Art. 7 Abs. I Rahmenrichtlinie 9111561EWG) sowie die Genehmigungspflicht tUr Abfallverwertungsanlagen (Art. 10 Rahmenrichtlinie 91/l56IEWG) nicht für eine unübersehbare Anzahl von Anlagen sinnvoll, sondern nur für eine abschließend bestimmte Anzahl. 6 Auf den ersten Blick scheint es daher so, als ergebe sich das Vorliegen einer Verwertung abschließend aus dem Anhang II B des KrW-/AbfG. Gegen eine abschließende EG-rechtliche Defmition spricht jedoch der Einleitungssatz des Anhangs 11 B. Danach dient Anhang 11 B der Umsetzung von Art. 4 Rahmenrichtlinie 9111561EWG. Dieser Art. 4 enthält auch Regelungen tUr die Verwertung. Art. 4 gibt den Mitgliedstaaten auf, die Verwertung so sicherzustellen, daß die menschliche Gesundheit nicht gefilhrdet wird und

3 Vgl. Fluck, DVBI. 1995, S. 537 ff (539); vgl. Köller, KrW-/AbfG, § 3, S. 54, "Verwertung" . 4 So ausdrücklich die Fußnote zur Gesetzesüberschrift in BGBI. 1994 I, S. 2705. 5 v.Köller, KrW-/AbfG, § 3, S. 53, "Verwertung". 6 v.Köller, KrW-/AbfG, § 3, S. 53, "Verwertung".

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

eine Schädigung der Umwelt ausgeschlossen ist. Die Vorschrift hat bloß Programmsatzcharakter. Deshalb verbleibt den Mitgliedstaaten ein Spielraum zur Umsetzung des Verwertungsbegriffs. 7 Daraus läßt sich folgern, daß der Katalog des Anhangs 11 B des KrW-/AbfG nicht abschließend, sondern beispielhaft, zu verstehen ist. Dementsprechend heißt es im Einleitungssatz zum Anhang auch, daß dieser Verwertungsverfahren aufftlhre, die in der Praxis angewandt wUrden. Der Wortlaut des Anhangs 11 B spricht daher gegen einen abschließenden Charakter. Folglich bestehen schon am abschließenden Charakter des Anhangs 11 B auf EG-Ebene erhebliche Zweifel.

2. Abschließender Charakter des Anhangs 11 B des KrW-/AbfG

Für einen abschließenden Charakter des Anhangs 11 B des KrW-/AbfG könnte die BegrUndung des Umweltausschusses des Bundestages zu § 3 Abs. 2 KrW/AbfG sprechen, nach der die Begriffe Verwertung und Entsorgung unter Rückgriff auf die Anhänge 11 A und B "konkretisiert" werden sollten. 8 Entgegenhalten läßt sich dem zunächst, daß es bei § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG und der Verweisung auf die Anhänge 11 A und B primär um die Bestimmung des Abfallbegriffs geht. Zwar kennt das neue Abfallrecht Abfiille zur Verwertung und Abfiille zur Beseitigung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG). Es besteht filr den Abfallbegriff daher grundsätzlich eine vergleichbare Problematik der Abgrenzung der Verwertung von der Beseitigung. Allerdings geht es im Rahmen des § 3 Abs. 2 KrW-/AbfG primär darum, ob ein Stoff Abfallqualitätaufgrund einer Entledigung aufweist oder nicht. Für diese Feststellung genügt es zunächst, wenn der betreffende Stoff einem der in den Anhängen 11 A oder B aufgefilhrten Verfahren zugeftlhrt wird, wenn also solche Verfahren überhaupt in Betracht kommen und nicht von vornherein ausgeschlossen sind. Ob Anhang 11 A oder Anhang 11 B einschlägig ist, braucht bei der Prüfung der Abfalleigenschaft nicht abschließend geklärt werden. Relevant wird die Klärung dieser Frage erst bei der nach Feststellung der Abfalleigenschaft folgenden Einstufung der Maßnahme als Verwertung oder Beseitigung. Für den Verwertungsbegriff enthält das KrW-/AbfG im Gegensatz zu Art. 1 t) Rahmenrichtlinie 91/156/EWG keine Vorschrift, die auf den Anhang 11 B verweist. Für den Verwertungsbegriff bestehen vielmehr eigenständige Legaldefmitionen in 7 Insofern ist das von v.KOller, KrW-IAbfU, § 3, S. S3, "Verwertung", hinsichtlich der Problematik des Bergversatzes und § 7 Abs. 2 KrW-IAbfU vorgebrachte Argument des Vorrangs des EG-Rechts zu pauschal. Zunächst müßten die konkreten Grenzen des Vorrangs festgestellt werden. 8 BT-Drs. 12/7284, S. 12.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

97

§ 4 Abs. 3 und Abs. 4 KrW-/AbfG. Nach deren Voraussetzungen bestimmt sich, ob eine Verwertung vorliegt oder nicht. Wäre Anhang 11 B abschließend, wären diese Legaldefinitionen bedeutungslos. Zwar besagen die Legaldefinitionen des § 4 Abs. 3 und Abs. 4 KrW-/AbfG letztlich inhaltlich nichts anderes als die im Anhang 11 B aufgefUhrten Verwertungsverfahren9 , sie enthalten jedoch genauere Bestimmungskriterien. Aus systematischer Sicht kommt es daher fUr das Vorliegen einer Verwertung ausschließlich auf die Voraussetzungen der § 4 Abs. 3 und Abs. 4 KrW-/AbfG an. Zudem ergibt sich aus dem Anhang 11 B als solchem jedenfalls inhaltlich nicht abschließend, wann eine Verwertung vorliegt. Der Anhang 11 B ist sehr allgemein und verwendet teilweise selbst den Begriff "Verwertung" (z. B. in R 2, 3, 4). Er trägt also insofern nichts zur verbindlichen Konkretisierung des Verwertungsbegriffs bei. Außerdem fUhrt er nach seinem Einleitungssatz Verwertungsverfahren auf, die in der Praxis angewandt werden. Es werden also diejenigen Verfahren wiedergegeben, die in der Praxis als Verwertungsverfahren angesehen werden. 10 Damit wird eine Verkehrsanschauung wiedergegeben. ll Der Anhang 11 B bestimmt daher rechtlich nicht abschließend, in welchen Fällen ein Verwertungsverfahren vorliegt. Er fUhrt lediglich in Betracht kommende Verwertungsverfahren auf. 12 Das Vorliegen einer stofflichen oder energetischen Verwertung ergibt sich allein aus dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3, 4 KrW-/AbfG. 13 Für das Vorliegen einer Verwertung kann die Erftillung der Voraussetzungen eines der in Anhang II B aufgefUhrten Verfahren jedoch ein Indiz sein. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß sich das Vorliegen einer Verwertung nicht abschließend nach Anhang 11 B beurteilt.

Fluck, DVBI. 1995, S. 537 ff(539). Vgl. auch BeckmannlKersting, UPR 1995, S. 321 ff(327). 11 Vgl. Fluck, DVBI. 1995, S. 537 ff(540). 12 Vgl. auch Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (233): der Katalog sei wohl nicht abschließend und habe eher Beispielcharakter. \3 Vgl. Fluck, DVBI. 1995, S. 537 ff (539); vgl. auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion der SPD zur Ablagerung von Abfällen als untertägiger Versatz im Bergbau, BT-Drs. 13/258, S. 5/6; a. A. ohne Begründung Beckmann/Kersting, UPR 1995, S. 321 ff (326): § 4 Abs. 3 Satz 1 KrWIAbfG liefere weitere Kriterien zur Abgrenzung der Verwertung von der Beseitigung. Diese Ansicht dürfte angesichts der offenen Formulierung der Anhänge zur Konturenlosigkeit des Verwertungsbegriffs fUhren. 9

10

7 Schimanek

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

11. Die stoffliche Verwertung Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG "beinhaltet" die stoffliche Verwertung die "Substitution" von Rohstoffen durch das Gewinnen von Stoffen aus Abfällen oder die Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfillle. Stoffliche Eigenschaften der Abfiille können entweder fUr den ursprUnglichen Zweck oder fUr andere Zwecke genutzt werden. Zweck darf aber nicht die unmittelbare EnergieTÜckgewinnung sein. Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG ist fUr das Vorliegen einer stofflichen Verwertung außerdem erforderlich, daß der "Hauptzweck" der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt. Das Vorliegen dieses Hauptzwecks ist nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise unter BerUcksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen zu bestimmen. Fraglich ist, ob es für alle Formen der stofflichen Verwertung gemeinsame Kriterien gibt. Zwar nennt § 4 Abs. 3 Satz I KrW-/AbfG drei Fälle der stofflichen Verwertung. Für die Abgrenzung zur Beseitigung kommt es jedoch nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW/AbfG darauf an, daß der Abfall genutzt und nicht lediglich sein Schadstoffpotential beseitigt wird. Zum Teil überschneidet sich der zuerst aufgefUhrte Fall des Gewinnens von Stoffen aus Abfall, um diese zur Rohstoffsubstitution einzusetzen, mit der Nutzung zum ursprUnglichen oder einem anderen Zweck. Nach einer in der Literatur geäußerten Ansicht reduziert sich der Begriff der stofflichen Verwertung daher auf zwei Elemente. Zum einen muß der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls bestehen und zum anderen müssen dadurch Rohstoffe ersetzt werden. 14 Die Textfassung des § 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG legt es jedoch näher, die stoffliche Verwertung auf ein übergeordnetes Element, nämlich das der Nutzung stofflicher Eigenschaften der Abfälle zu reduzieren. Auch beim Gewinnen von Stoffen aus Abfiillen zur Substitution von Rohstoffen geht es letztendlich darum, die stofflichen Eigenschaften der Abfälle zu nutzen. 15

1. Die Gewinnung von Stoffen

Das KrW-/AbfG definiert sekundäre Rohstoffe in § 4 Abs.3 Satz 1 KrW/ AbfG als Stoffe, die aus Abfiillen gewonnen werden und die Rohstoffe ersetzen. Das Gewinnen von Stoffen aus Abfiillen ist bereits nach § 1 Abs. 2 AbfG 1986 Verwertung. Das KrW-/AbfG hat den Inhalt des Verwertungsbegriffs insoweit nicht verändert. Der Begriff des "Gewinnens" nach § lAbs. 2 AbfG 1986 wird nicht in einem ökonomischen Sinne als positive Differenz 14 Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (635); a.A. wohl Fluck, in: KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 98: der Begriff der Rohstoffsubstitution sei eher ein Schlagwort.. 15 Ähnlich Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (233),; ders., in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr.97.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

99

zwischen Ertrag und Kosten, sondern in Anlehnung an die bergrechtliche Tenninologie (vgl. § 4 Abs. 2 BBergG) als Herauslösen nutzbarer Stoffe aus Abfällen aufgefaßt. 16 Unter das Gewinnen von Stoffen aus Abfallen fallen deshalb auch nach neuem Abfallwirtschaftsrecht physikalische, thennische, chemische und biologische Rückgewinnungsverfahren. Das sind beispielsweise die Verwendung von Altpapier bei der Neuproduktion von Papier und Pappe, das Rückfilhren von Altglas an die Glashütten zum Einschmelzen, die Schrottverwertung im Rahmen der Stahl- und Roheisenherstellung, die Aufarbeitung von Altöl oder die Kompostierung von Abfallen. 17 Gewinnen von Stoffen aus Abfallen bedeutet daher das Herauslösen nutzbarer Stoffe aus Abfallen.

2. Die Nutzung stomicher Eigenschaften der Abfälle

Eine Verwertung kann nach § 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG auch in der Nutzung stofflicher Eigenschaften der Abfalle bestehen. Zu klären ist, was das KrW-/AbfG darunter versteht. Insbesondere stellen sich zwei Fragen. Zum einen könnte man sich fragen, ob jede beliebige Art der Nutzung für das Vorliegen einer Verwertung genügt oder ob eine Nutzung mit einem bestimmten Wert bzw. Marktwert erforderlich ist. Zum anderen fragt es sich, ob die Nutzung einen Stofftransfer voraussetzt. Diese zuletzt genannte Problematik dürfte vor allem auftauchen, wenn stomiche Eigenschaften der Abfalle filr andere als ihre ursprünglichen Zwecke genutzt werden. Zur Klärung ist es möglicherweise hilfreich, einen Blick auf die Verwertungsbegriffe ähnlicher, bereits bestehender Regelungen in verwandten Regelungsbereichen zu werfen. a) Ahnliehe Regelungen in verwandten Regelungsbereichen

Im Zusammenhang mit dem Verwertungsbegriff des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG wird vereinzelt für das Vorliegen einer Verwertung eine bestimmte Nutzung des betreffenden Stoffes verlangt. Entscheidend sei danach, daß der betreffende Stoff im Wirtschaftskreislauf "verschwinde", daß er einer "WertSchöpfung" im Wirtschaftskreislauf anstelle eines Rohstoffs oder Zwischenprodukts zugeführt werde. Erforderlich sei eine besondere VerwendungN erwertung im Sinne einer Nutzung des Stoffes selbst bzw. einer Gewinnung von Rohstoffen oder Energie aus ihm. Es komme darauf an, ob der Stoff als solcher,

Vgl. Tettinger/Asbeck-Schröder/Mann, Vorrang der Abfallverwertung, S. 19. KlSN, AbfG, § 1, Rdnr. 40 zum Verwertungsbegriff des § 1 Abs. 2 AbfG 1986; abweichend Hösel/v.Lersner, AbfG, § 1 Rdnr. 14. 16

17 Vgl. Schwerrner, in:

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

beispielsweise sein Sachwert oder Brennwert genutzt werde. I8 Nach dieser Ansicht genügt eine "irgendwie geartete weitere Verwendung" nicht. I9 Es ist vielmehr eine bestimmte Nutzung erforderlich. Diese Ansicht zum Verwertungsbegriff wird mit guten Argumenten angegriffen und vom BVerwG nicht geteilt. 20 Nach Ansicht des BVerwG soll es genügen, wenn irgendein konkreter Nutzen aus den stofflichen Eigenschaften des Stoffes gezogen wird. 21 Angesichts einer fehlenden Legaldefinition läßt sich die engere Version des Verwertungsbegriffs aber zumindest vertreten. Im AbfG 1986 definiert § lAbs. 2 AbfG den Rechtsbegriff der Verwertung. Abfallverwertung ist danach das Gewinnen von Stoffen oder Energie aus Abfällen. Die Nutzung stofflicher Eigenschaften als solcher bzw. die stoffliche Verwertung als solche werden nicht erwähnt, aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Die Nutzung stofflicher Eigenschaften von Abfiillen als Produktionshilfsmittel ohne Stofftransfer nahm § 1 Abs. 2 AbfG nicht von der Verwertung aus. Ein bestimmter Wert des Recyclingprodukts war fiir den Verwertungsbegriff nicht erforderlich, sondern fur die Beurteilung der Frage, ob Abfall im objektiven Sinne vorlag. 22 Den Begriff der stofflichen Verwertung gebrauchen §§ lAbs. 2 Nr. 3, 6 Abs. 2 VerpackVO, ohne ihn jedoch ausdrücklich zu definieren. Zweck der Einfiihrung dieses Begriffs der stofflichen Verwertung ist einmal die Abgrenzung zur Beseitigung und zum anderen, die Energieerzeugung bzw. thermische Verwertung aus dem Verwertungsbegriff auszuschließen. 23 Positiv wird der Begriff der stofflichen Verwertung lediglich vereinzelt definiert. So soll stoffliche Verwertung jede Verarbeitung oder Behandlung (der gebrauchten Verpackung) zum Zwecke der Herstellung eines neuen Wertstoffes sein. In Betracht kämen auch physikalische und chemische Verfahren. Entscheidend fiir das Vorliegen einer Verwertung sei, daß der Zweck der Gewinnung eines Wertstoffes im Vordergrund stehe. 24 Diese Ausfiihrungen könnten darauf hindeuten, daß das Recyclingprodukt einen bestimmten Wert aufweisen muß. Anderer Ansicht nach setzt stoffliche Verwertung i.S. d. VerpackV lediglich voraus, daß ein konkreter wirtschaftlicher oder sonstiger Nutzen aus den Eigen18 Vgl. z.B. OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff (452); wobei die Gewinnung von Energie bzw. die Nutzung des Brennwertes des Stoffes lediglich rur die energetische Verwertung Relevanz besitzen. 19 Vgl. z.B. OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff(451). 20 Vgl. BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f. 21 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f(898). 22 Dazu BVerwGE 92, S. 353 ff. (357). 23 Hösel/v.Lersner, VerpackVO, § I, Rdnr. 2; Rummler/Schutt, VerpackVO, § I, Anm. 5, S. 80. 24 Rummler/Schutt, VerpackVO, § 1 , Anm. 5, S. 81.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

101

schaften eines Stoffes gezogen wird, der die bloße Ablagerung entbehrlich macht. 25 Festhalten läßt sich, daß es keinen allgemeingültigen Begriff der stofflichen Verwertung gibt. Für die Verwertung als solche spielen weder ein Wert des Recyclingprodukts noch ein Stofftransfer eine Rolle. Es kommt daher darauf an, in welchem Sinn er im konkreten Regelungszusammenhang verwendet werden soll. b) Die Definition des KrW-/AbjG

Das KrW -/AbfG definiert den Begriff der stofflichen Verwertung nunmehr ausdrücklich in § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG. Stoffliche Eigenschaften der Abflille können nach § 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG nicht bloß tUr den ursprünglichen Zweck, sondern auch tUr (alle) anderen Zwecke genutzt werden. Sie dürfen nur nicht zur unmittelbaren EnergieTÜckgewinnung genutzt werden. Aus der Definition ergibt sich, daß Abflille letztendlich nur irgendwie genutzt werden müssen. 26 Der Werkstoff als solcher muß daher nicht erhalten bleiben.27 Denn das KrW -/AbfG kennt nur den Begriff der stofflichen und nicht etwa den der werkstofflichen Verwertung. Es ist also beispielsweise nicht erforderlich, daß Altkunststoffe Neukunststoffe substituieren. 28 Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG ist deshalb weder ein bestimmter Wert des (behandelten) Abfalls noch ein Stofftransfer erforderlich. Daß ein bestimmter Wert bzw. Marktwert des Abfalls tUr das Vorliegen einer Nutzung erforderlich ist, könnte sich jedoch daraus ergeben, daß die Verwertung nach Ansicht des Gesetzgebers Wertstoffkreisläufe erhalten muß. In der Begründung des Gesetzentwurfs des KrW-/AbfG der Bundesregierung heißt es: " ... Eine stoffliche oder energetische Verwertung (Wertstoffkreislauj) liegt nicht vor, wenn die stoffliche oder energetische Nutzung lediglich nachge-

Weidemann, Gutachten, S. 3. Vgl. PetersenfRid, NJW 1995, S. 7 ff(lO); vgl. auch VersteyllWendenburg, NVwZ 1994, S. 833 ff (838); vgl. auch Ziffer 50 der Ausschußempfehlungen des Bundesrates, BR-Drs. 245/1/93, S. 36, nach welcher ausdrücklich normiert werden sollte, daß stoffliche Verwertung sowohl werkstoffliche als auch rohstoffliche Verwertung ist. 27 Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(634). 28 So zum EG-Recht Fluck, EuR 1994, S. 71 ff(79). 25

26

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

ordneter Zweck eines hauptsächlich auf Entsorgung (Unterbrechung von Schadstoffkreisläufen) ausgerichteten Vorgangs ist. "29 Außerdem ist in § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG filr die Verwertung normiert, daß keine Schadstoffanreicherung im WertstoJlkreislauf erfolgen darf. Eine Nutzung im Sinne des KrW-/AbfG könnte möglicherweise nur dann vorliegen, wenn die Abfälle so behandelt werden, daß sie im Wertstoffkreislauf verbleiben. Zu prüfen ist deshalb, welcher Nutzungsbegriff mit der in § 1 KrW/AbfG zum Ausdruck kommenden Zwecksetzung des Gesetzes in Einklang steht. Nach § 1 KrW-/AbfG besteht der Zweck des Gesetzes unter anderem in der Förderung der Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen. Die Verwertung zählt ebenso wie die Vermeidung zur Kreislaufwirtschaft im Sinne des § I KrW-/AbfG.30 Dies ergibt sich zum einen aus der Überschrift des § 4 KrW-/AbfG, der die Verwertung zu den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft zählt. Außerdem beziehen sich die in § 5 KrW-/AbfG normierten Grundpflichten der Kreislaufwirtschaft auf die Verwertung. Deshalb ist der Gesetzeszweck bei der Bestimmung des Verwertungsbegriffes und damit des Nutzungsbegriffes zu berücksichtigen. Den nicht definierten, unbestimmten Rechtsbegriff der Kreislaufwirtschaft könnte man eng im oben dargelegten Sinne einer Schließung von Wertstoffkreisläufen verstehen. Das würde dafilr sprechen, auch den Nutzungsbegriff entsprechend eng zu fassen und die Nutzung irgendwelcher Eigenschaften der Abfälle filr nicht ausreichend anzusehen. Vom Sprachgebrauch näher liegt jedoch die Gleichsetzung des Begriffs der Kreislaufwirtschaft mit dem Begriff des Wirtschaftskreislaufs. 31 Für die stoffliche Verwertung genügt es dann, daß irgendwelche Eigenschaften der Abfälle genutzt werden, sofern sie nur wirtschaftliche Relevanz aufweisen. Wobei sich das letztgenannte Kriterium bereits aus § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG ("wirtschaftliche Betrachtungsweise") ergibt. Jedenfalls ist ein bestimmter Wert bzw. Marktwert des (behandelten) Abfalls nicht Voraussetzung der Nutzung. Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Verwertung als Teil der Kreislaufwirtschaft nach § 1 KrW-/AbfG der Schonung der natürlichen Ressourcen dienen soll. Natürliche Ressourcen werden bereits dann geschont, wenn Abfälle zu irgendeinem Zweck verwendet werden können, so daß neue, andere Stoffe nicht in Anspruch genommen werden müssen. Auch Abfalldeponien sind zu den zu schonenden natürlichen Ressourcen zu zählen. Die Deponieentlastung ist daher ein Kriterium für das Vorliegen einer Verwertung. Durch einen weiten Nutzungs- und damit auch VerwertungsbegriffwOrden natürliche Ressourcen in BR-Drs. 245/93, S. 126; Hervorhebung nicht im Original. v.Köller, KrW-/AbfG, § 1, S. 32/33. 31 Allgemein dazu DichtllIssing, Wirtschaftslexikon, S. 2374.

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A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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einem größeren Umfang geschont als bei Annahme eines engeren Verwertungsbegriffs. Auch dem Gesetzeszweck der Schonung natürlicher Ressourcen entspricht folglich ein weiter Verwertungs- und damit auch Nutzungsbegriff besser als ein enger. Die Schließung von Wertstoffkreisläufen ist danach nicht erforderlich. Für das Vorliegen einer Kreislaufwirtschaft genügt es, wenn Abfälle überhaupt im Kreislauf der Wirtschaftsgüter bleiben. Dies kann schon durch die Nutzung irgendwelcher Eigenschaften geschehen. Die Nutzung muß deshalb nur wirtschaftliche Relevanz aufweisen. Dafilr, daß ein Stofftransfer Voraussetzung der Kreislaufwirtschaft ist, fmden sich ebenfalls keine Anhaltspunkte. Abfälle können auch im Wirtscha(tskreislauf verbleiben, ohne daß ein Stofftransfer stattfmdet. Konsequenz der Voraussetzung eines Stofftransfers wäre, daß eine stoffliche Verwertung immer dann ausscheidet, wenn ein Abfall als bloßes Produktionshilfsmittel eingesetzt wird. Obwohl der Wortlaut des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG nicht zu dieser Lösung zwingt. Außerdem müßte man von der Voraussetzung des Stofftransfers ohnehin eine Ausnahme filr die energetische Verwertung machen, bei der ein Stofftransfer nie stattfindet. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG genügt es daher, wenn irgendein konkreter Nutzen aus den stofflichen Eigenschaften des Abfalls gezogen wird. 32 Einen Stofftransfer setzt die Verwertung nicht voraus.

3. Die Bestimmung des Hauptzwecks

Die Anforderungen an die Nutzung stofflicher Eigenschaften von Abfällen sind nach dem oben Ausgefilhrten äußerst gering. Für das Vorliegen einer Verwertung kommt es entscheidend darauf an, daß die Nutzung des Abfalls und nicht die Beseitigung des Schadstoffpotentials Hauptzweck der Maßnahme ist, § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/Abffi. Bevor auf die Kriterien eingegangen wird, nach denen sich beurteilt, ob die Nutzung des Abfalls und nicht die Beseitigung seines Schadstoffpotentials Hauptzweck der Maßnahme ist, muß das Tatbestandsmerkmal des Hauptzwecks geklärt werden. Da es auf den Zweck ankommt, haftet dem Begriff als solchem eine subjektive Komponente an. Wenn eine rein subjektive Sichtweise im Ergebnis wegen der Objektivierung

32 So auch das BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f (898) zum Verwertungsbegriff des derzeit gültigen § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG: ..... konkreter wirtschaftlicher oder sonstiger Nutzen ... ". Verschiedene Stellen des Urteils legen nahe, daß das BVerwG bei seiner Entscheidung das zum damaligen Zeitpunkt schon im Entwurf vorliegende KrW-/AbfG berücksichtigte.

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

durch den Begriff der Maßnahme auch nicht allein maßgeblich sein kann, kommt es für den Hauptzweck der Maßnahme in einem ersten Prüfungsschritt doch zunächst auf die mit einer Maßnahme subjektiv verbundene Zwecksetzung an. Der Hauptzweck der Maßnahme dürfte wohl in den Fällen die größte Bedeutung spielen, in denen es um die Beurteilung geht, ob eine freiwillig vorgenommene Maßnahme eine Verwertung darstellt. Auch die Verwaltung hat jedoch bei der Auferlegung von Verwertungspflichten zu prüfen, ob die von ihr angeordnete Maßnahme dem Hauptzweck nach eine Verwertung darstellt. Da die Pflicht oder die freiwillige Entscheidung zur Verwertung und die tatsächliche Durchführung dieser Verwertung in der Praxis in den meisten Fällen wohl unterschiedlichen Personen zuzuordnen sind, stellt sich zunächst die Frage, auf wessen Zwecksetzung es ankommt. a) Die zwecksetzende Person aa) Die Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a.F. Einen Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Frage könnte die neuere obergerichtliche Rechtsprechung zum Verwertungsbegriff des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a.F. bieten. Im Mittelpunkt der Entscheidungen desOVG Saarlouis 33 , des OVG Koblenz 34 und des BVerwaJ 5 steht zwar das Reststoffverwertungsgebot des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a. F .. Die Entscheidungen können für die hier zu beurteilende Problematik jedoch fruchtbar gemacht werden. Für den Verwertungsbegriff des derzeit gültigen § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gibt es keine Legaldefinition. Auch für das Vorliegen einer Verwertung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG wird auf den Zweck der Maßnahme abgestellt. 36 Zudem ging es in den oben aufgefiihrten Fällen um anlagenexterne Verwertung. Der Verwertungsbegriff des neuen § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ist in diesem Teilbereich mit dem abfallrechtlichen Verwertungsbegriff identisch. Eine Kollision mit der bereits erörterten anlageninternen Verwertung, die es als solche im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG nicht gibt, entsteht nicht. Gegen die unmittelbare Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf das KrW-/AbfG bestehen zwar Bedenken, da die Pflichten, die sich aus dem Immissionsschutzrecht ergeben, im Gegensatz zum Abfallrecht an die Errichtung und den Betrieb einer Anlage anknüpfen. Immerhin sind dieser Rechtsprechung aber Kriterien zu entnehmen, auf welche Beteiligten es bei der Beurteilung des Hauptzwecks ankommen OVG Saarlouis, NVwZ 1990, S. 491 ff. OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff. 35 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f. 36 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f (898); OVG Saarlouis, NVwZ 1990, S. 491 ff (492); OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff(452). 33 34

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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kann. Da der Verwertungsbegriff des Immissionsschutzrechts mit dem des Abfallwirtschaftsrechts zumindest in Teilbereichen identisch ist, sind einheitliche Beurteilungskriterien fUr das Vorliegen des Hauptzwecks im Interesse der Förderung einer einheitlichen Rechtsanwendung wünschenswert. Die Rechtsprechung macht die Zwecksetzung des Anlagenbetreibers zum Ausgangspunkt der Prüfung des Vorliegens einer Verwertung. So stellt das OVG Saarlouis auf die Zwecksetzung der Anlagen-(Kraftwerks-)betreiber ab, die Rückstände aus der Entschwefelung an eine Kalkwerksbetreiberin lieferten, obwohl die zuletzt genannte die Rückstände untertägig einbaute und damit die eigentliche Abfallbehandlungsmaßnahmevornahm. Als "Auslegungsregel" zieht das Gericht die Frage heran, ob der Empfänger der Rückstände als Wirtschaftspartner oder als Dienstleistungsunternehmer tätig wird. 37 Das BVerwG prüft ebenfalls, welche Gesichtspunkte fUr den Anlagenbetreiber im Vordergrund stehen, stellt aber letztendlich fUr die Bestimmung des Zwecks auf die Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der Zwecksetzung desjenigen ab, der die Behandlungsmaßnahme durchührt. 38 Das war in dem konkreten Fall die Betreiberin eines Tontagebaus, die die Rückstände auch einbaute und nicht etwa die Anlagenbetreiber der Kraftwerke, aus denen die Rückstände stammten. 39 Den aufgefUhrten Entscheidungen ist gemeinsam, daß das Interesse und damit auch die Zwecksetzung des Anlagenbetreibers Ausgangspunkt der Prüfung ist, ob eine Verwertung vorliegt. Außerdem werden aber die mit Maßnahmen Dritter verbundenen Zwecke berücksichtigt. Dabei werden die Zwecksetzungen derjenigen Personen beachtet, die die eigentliche Behandlungsmaßnahme fUr den nach § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG zur Verwertung Verpflichteten vornehmen. Dies entspricht der in § 4 Abs. 5 KrW-/AbfG enthaltenen Regelung, nach der die Kreislaufwirtschaft, also auch die Verwertung, neben dem Behandeln von Abfällen zur Verwertung beispielsweise auch das Bereitstellen, Überlassen und Befördern von Abfällen umfaßt. bb) Das KrW-/AbfG Es fragt sich, ob - dem Immissionsschutzrecht vergleichbar - das KrW-/AbfG Raum läßt, Zwecksetzungen anderer zu berücksichtigen, deren sich der freiwillig Verwertende bzw. der zur Verwertung Verpflichtete zur Erfiillung einer ihm selbst obliegenden Pflicht bedient und die die eigentliche Verwertungsmaßnahme durchfUhren, oder ob ausschließlich auf die Zwecksetzung des

37 38 39

OVG Saarlouis, NVwZ 1990, S. 491 ff(492). BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 [(898). Vgl. die Vorinstanz OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff(452).

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Abfallbesitzers oder -erzeugers abzustellen ist. Wäre ausschließlich die Zwecksetzung des Abfallbesitzers oder -erzeugers maßgebend, so könnte dies in Fällen, wie oben geschildert, zur Folge haben, daß eine Abfallbeseitigung vorliegt. Die Zwecksetzung des Betreibers der Anlage, in welcher die Abflille anfallen, wird wohl eher dahin gehen, die Abflille loszuwerden, sie also eher zu beseitigen, als sie zu nutzen. Die Nutzung ist allerdings immer eine willkommene Begleiterscheinung. Dadurch allein wird sie jedoch nicht zum Hauptzweck. Die Nutzung wird wohl primär die Zwecksetzung des Betreibers des Bergwerks oder des Tagebaus sein. Nur der letztgenannte dürfte ein unmittelbares Interesse daran haben, daß das Bergwerk oder der Tagebau vor Einsturz durch die Nutzung der Abflille, beispielsweise durch Einbau, gesichert wird. Nach dem KrW-/AbfG könnte für die Bestimmung des Hauptzwecks ausschließlich auf die Zwecksetzung des Erzeugers oder Besitzers der Abflille abzustellen sein, weil viele abfallwirtschaftsrechtliche Vorschriften Pflichten an diese Rechtsstellung knüpfen. 40 Würde dem Besitzer oder Erzeuger von Abflillen eine "echte" Pflicht zur Verwertung und darüber hinaus auch die Pflicht zur eigenen Durchführung der Verwertung obliegen, könnte es auf die dabei von "eingeschalteten" Dritten verfolgten Ziele nicht ankommen. Deshalb wird im folgenden zunächst darauf eingegangen, ob den Abfallbesitzern und -erzeugern eine Pflicht zur Verwertung obliegt, und sodann, ob es eine Pflicht zur eigenen Vornahme der Verwertung gibt. aaa) Die Verwertungspjlicht

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG sind die Erzeuger oder Besitzer von Abflillen verpflichtet, diese auch grundsätzlich selbst zu verwerten. Auf den ersten Blick spricht diese Vorschrift dafür, daß es sich dabei um eine "echte" Rechtspflicht zur eigenverantwortlichen Abfallverwertung handelt, zum al § 5 KrW-/AbfG nach seiner Überschrift "Grundpflichten" enthält. Die vermeintliche Verwertungspflicht des § 5 Abs. 2 Satz I KrW-/AbfG könnte durch Überlassungspflichten und daran anknüpfende öffentlich-rechtliche Entsorgungskompetenzen für Abfälle aus privaten Haushaltungen aber derart ausgehöhlt sein, daß von einer Verwertungspflicht im Ergebnis rur den Adressaten nichts mehr übrig bleibt. Wäre letzteres der Fall, hätte § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG wohl allenfalls die Qualität eines Programmsatzes. Zur Klärung dieser Problematik ist es erforderlich, den in Abweichung von § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG Überlassungspflichten aufstellenden § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG näher zu betrachten. Dabei ist kurz zu erläutern, inwiefern Überlassungspflichten überhaupt zu einer Abweichung von § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG fllhren können. Dazu ist der Inhalt der Überlassungspflichten zu klären. 40 Z.B. in §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 11 Abs. I, 13 Abs. 1 Satz 1, 17 Abs. I Satzl KrW/AbfG.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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(1) Der Begriff der Überlassungspflicht

Das KrW-/AbfG verwendet den Begriff der Überlassung und den der Überlassungspflicht überwiegend in dem auch entsprechend überschriebenen § 13 KrW-/AbfG. Ebensowenig wie das AbfG 1986 defmiert das KrW-/AbfG diesen Begriff. Dem Wortsinn nach bedeutet Überlassung die Übertragung des tatsächlichen Besitzes auf den Entsorgungspflichtigen. 41 Nach der Rechtsprechung des BVerwG bedeutet überlassen, daß der Abfallbesitzer die Abfälle "zusammentragen und entsprechend den maßgebenden satzungsrechtlichen Bestimmungen so zur Verfilgung stellen muß, daß der Beseitigungspflichtige sie ohne weiteren Aufwand einsammeln kann".42 Will man den Begriff des Überlassens schärfer umgrenzen, kann er wohl so verstanden werden, daß der Abfallbesitzer jegliche körperliche Verfilgungsbefugnis über den Abfall verliert und der Abfall körperlich in den Herrschaftsbereich des Beseitigungspflichtigen gelangt. 43 Verliert demnach der Abfallbesitzer jegliche körperliche Verfilgungsbefugnis, ist er zur Vornahme einer eigenen Verwertung nicht mehr imstande. Die Grundpflicht zur Eigenverwertung und Überlassungspflichten sind daher zumindest tendenziell gegenläufig. (2) Die Ausnahmen des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG von der Grundpflicht des § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG (a) Abfälle aus privaten Haushaltungen Die erste Abweichung von der Grundpflicht normiert § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG flir Abfälle aus privaten Haushaltungen. Danach haben die Erzeuger und/oder Besitzer von solchen Abfällen diese den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern zu überlassen, soweit sie zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Zu dieser Vorschrift wird vereinzelt ausgeflihrt, daß die Überlassungspflicht so umfassend sei, daß sie die eigenverantwortliche Verwertung dieser Abfälle weitestgehend aufhebe, was dem Rechtszustand nach § 3 Abs. 1 AbfG 1986 entspreche. 44 Nach § 3 Abs. 1 AbfG 1986 besteht eine grundsätzlich uneingeschränkte Überlassungspflicht von Hausmüll. Die Ansicht, es habe sich am Rechtszustand nach § 3 Abs. 1 AbfG 1986 nichts geändert, trifft insoweit zu, als sich die Strukturen des § 3 Abs. 1 AbfG 1986 und des § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG auf den ersten Blick weitestgehend entsprechen. Im Unterschied zum AbfG 1986 gilt die Überlassungspflicht des KrW-/AbfG aber nicht einschränkungslos. Denn eine Über-

41

Vgl. Bartram/Schade, UPR 1995, S. 253 ff(253).

42 BVerwG, NJW 1989, S. 1295 ff(1295); vgl. auch VGH BW, DVBI. 1995, S. 247 ff

(248). 43 Weidemann, Neuordnung der Sonderabfallentsorgung, S. 40. 44 Bartram/Schade, UPR 1995, S. 253 ff (254).

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

lassungspflicht besteht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG nur, wenn die Abfallerzeuger oder -besitzer zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. Außerdem kennt das AbfG 1986 keine Abtalle zur Verwertung. Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG stellt gegenüber dem bisherigen Abfallrecht insoweit eine wesentliche Änderung dar4 5, als es die Selbstentsorgung zum Grundsatz erhebt. Der Abfallbesitzer oder -erzeuger ist nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG u.a. bereits dann von einer Überlassungspflicht befreit, wenn er eine Verwertung beabsichtigt. Dafür genügt nach dem Gesetzeswortlaut die bloße Absicht46, denn die Änderungsempfehlung des Bundesrates, den Nachweis der tatsächlichen Verwertung oder die Glaubhaftmachung der beabsichtigten Verwertung in das Gesetz aufzunehmen47 und damit die Anforderungen für das Vorliegen der Absicht zu verschärfen, hat sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen können. Deshalb ist die Überlassungspflicht des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW/AbfG gesetzlich nur schwach ausgestaltet. Zu beachten ist jedoch, daß den betreffenden Abfallbesitzer oder -erzeuger im Falle der beabsichtigten Verwertung die Pflicht zur eigenen Verwertung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG trifft. Ist es von vornherein aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen, daß er dieser Pflicht nachkommt, reicht die bloße Behauptung, verwerten zu wollen, nicht aus. Dafür spricht schon der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG, der eine Überlassungspflicht vorsieht, wenn der Abfallbesitzer zu einer Verwertung "nicht in der Lage" ist "oder" diese nicht beabsichtigt. Behauptet ein Abfallbesitzer daher, eine Verwertung zu beabsichtigen, ist er dazu jedoch von vornherein nicht in der Lage, entsteht die Überlassungspflicht schon nach der ersten Alternative der Norm. Als Ergebnis läßt sich daher festhalten, daß die Verwertungspflicht durch die Überlassungspflicht nicht ausgehöhlt wird, denn das würde einen zwingenderen Charakter der Überlassungspflicht voraussetzen, als das etwa bei § 3 Abs. 1 AbfG 1986 der Fall ist. Die nach dem AbfG 1986 grundsätzlich für Hausmüll bestehende Überlassungspflicht kann allenfalls nach § 3 Abs. 4 Satz 1, Abs. 3 AbfG 1986 entfallen und der Abfallbesitzer selbst zur Entsorgung verpflichtet sein, wenn eine sogenannte "Ausschlußentscheidung" des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers vorliegt. Dabei ist zu beachten, daß der Ausschluß gemäß § 3 Abs. 3 AbfG 1986 der einschränkenden Voraussetzung unterliegt, daß die entsorgungspflichtige Körperschaft die Abtalle nach ihrer Art und Menge nicht mit den in Haushaltungen anfallenden Abtallen entsorgen kann. Trifft der Entsorgungsträger keine Ausschlußentscheidung, erfolgt die Abfallentsorgung 45 v.Köller, KrW-/AbfG, § 13, S. 98; abweichend Queitsch, KrW-/AbfG, § 13, Anm. 2., S. 153: die Abfallüberlassungspflicht sei "aufgeweicht" worden. 46 So zutreffend v.Köller, KrW-/AbfG, § 13, S. 99. 47 Änderungsempfehlung Nr. 77.9, BT-Drs.12/5672, S. 107.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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nach der in § 3 Abs. 2 AbfG 1986 enthaltenen gesetzgeberischen "Grundentscheidung" in öffentlicher Regie. 48 Die Verwertungspflicht wird durch die Überlassungspflicht nicht ausgehöhlt. Den Besitzern und Erzeugern von Abfällen aus privaten Haushaltungen obliegt daher eine Rechtspflicht zur Verwertung der Abfälle. (b) Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen Die zweite Abweichung von § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG durch eine Überlassungspflicht besteht gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG rur Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen. Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG gilt Satz 1, also die Überlassungspflicht an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, soweit die Abfallbesitzer oder -erzeuger diese Abfälle "nicht in eigenen Anlagen beseitigen oder überwiegende öffentliche Interessen eine Überlassung erfordern". Der erste Teil des "soweit"Satzes enthält eine Ausnahme von der Überlassungspflicht nach Satz 1. Der zweite Teil des "soweit"-Satzes birgt erhebliche Unklarheiten. Eine Ausnahme von der Überlassungspflicht, wenn "überwiegende öffentliche Interessen eine Überlassung (gerade) erfordern", macht keinen Sinn. 49 Bei einer sinnvollen Interpretation kann dieser Satzteil nur so ausgelegt werden, daß darin eine Grundvoraussetzung rur Überlassungspflichten festgelegt wird. Die Auslegungsmöglichkeit des zweiten Teils des "soweit"-Satzes als Einschränkung der Ausnahme des ersten Satzteils liegt demgegenüber vom Wortlaut her ferner (Ausnahme von der Überlassungspflicht nur, wenn der Abfallverursacher die Abfälle in eigenen Anlagen beseitigt, "es sei denn", überwiegende öffentliche Interessen erfordern eine Überlassungspflicht).50 § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW/AbfG erfaßt aber nicht Abfälle zur Verwertung. Für diese Abfälle bestehen daher grundsätzlich keine Überlassungspflichten. Die Grundpflicht zur eigenverantwortlichen Verwertung wird folglich insoweit von vornherein nicht aufgehoben. 51 Daraus ist zu schließen, daß grundsätzlich der jeweilige Abfallbesitzer oder erzeuger die Verwertung eigenverantwortlich vornehmen muß und die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nur ausnahmsweise in diese Verantwortung eintreten können. Dies bestätigt auch der Grundsatz der Inlandsbeseitigung von Abfällen nach § 10 Abs. 3 KrW-/AbfG, der Anlagenzwang nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG und die Ausschlußmöglichkeit von der Entsorgung nach

48 Vgl. Beckmann, NWVBl. 1995, S. 81 ff (83/84), der a.a.O. auch weitere Ausnahmen vom grundsätzlichen "Selbsentsorgungsverbot" des AbfG auffUhrt. 49 So zutreffend Bartram/Schade, UPR 1995, S. 253 ff (254). 50 Zutreffend Bartram/Schade, UPR 1995, S. 253 ff (254). 51 So zutreffend Bartram/Schade, UPR 1995, S. 253 ff (254).

110

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

§ 15 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG, die sich allesamt auf Abflille zur Beseitigung und nicht auf Abfälle zur Verwertung beziehen.

Folglich handelt es sich bei § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG um eine "echte" Rechtspflicht zur eigenverantwortlichen Vornahme der Verwertung für Abflille aus anderen Herkunftsbereichen. Den Erzeugern und Besitzern von Abflillen aus anderen Herkunftsbereichen obliegt daher ebenfalls eine Rechtspflicht zur Verwertung. bbb) Die Pflicht zur eigenen Durchführung der Verwertung

Für eine Pflicht zur eigenen Durchfilhrung der Verwertung könnte § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG sprechen. Die Vorschrift legt den Erzeugern oder Besitzern von Abfallen Verwertungspflichten auf. Da die Tatbestandsmerkmale "Erzeuger" und "Besitzer" angesichts der weiten Definitionen in § 3 Abs. 5 und Abs. 6 KrW-/AbfG alle Konstellationen erfassen, in denen Abfall entsteht, trifft die Verwertungspflicht die erste Person, durch oder bei deren Tätigkeit der Abfall anfällt. Da die abfallwirtschaftsrechtliche PflichtensteIlung an das Merkmal des Besitzes bzw. der Erzeugung anknüpft, könnte dies auch filr die Erfilllung der Verwertungspflicht, gewissermaßen als Annex, gelten. Dafilr könnte sprechen, daß auf diese Weise (potentielle) Besitzer bzw. Erzeuger von Abflillen bei fehlender eigener Verwertungsmöglichkeit dazu bewegt werden könnten, Abflille ganz zu vermeiden, um Beseitigungskosten zu vermeiden. Dies würde der Zwecksetzung des KrW-/AbfG entsprechen, der Vermeidung absolute Priorität einzuräumen. Die Erfilllung der Verwertungspflicht würde dann beispielsweise voraussetzen, daß der Verpflichtete Besitz am Abfall behält. Das würde im Ergebnis bedeuten, daß er die Verwertung selbst durchzufilhren hätte. Gegen eine Pflicht zur eigenen Verwertung sprechen aber §§ 13, 16 KrW/AbfG. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG kann die Erfilllung zur Verwertungspflicht auf Dritte übertragen werden. Nach § 16 Abs. 2 KrW-/AbfG kann sogar die Pflicht als solche übertragen werden. In § 16 KrW-/AbfG geht das Gesetz folglich davon aus, daß der zur Verwertung Verpflichtete die Verwertung nicht selbst vornehmen muß. Eine Pflicht zur eigenen Durchfilhrung der Verwertung ergibt sich auch nicht aus § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG. Nach dieser Vorschrift besteht eine Überlassungspflicht filr Besitzer oder Erzeuger von Abflillen aus privaten Haushaltungen, wenn sie zu einer Verwertung nicht in der Lage sind oder diese nicht beabsichtigen. 52 Sind die Abfallbesitzer zu einer Verwertung nicht in der Lage, 52 Beispielsweise ist die Eigenkompostierung von Kleingartenabfällen und sonstigen Grünabfällen, also organischen Abfällen, ein Fall, in dem die Besitzer oder Erzeuger zu einer eigenen Verwertung in der Lage sind, vgl. dazu Queitsch, KrW -/AbfG, § 13, Anm. 2., S. 154.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

111

sind sie auch nicht mehr nach § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG zur Verwertung verpflichtet, sondern nach § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG lediglich zur Überlassung. Die Verwertungspflicht nach Maßgabe der §§ 4-7 KrW-IAbfG obliegt dann den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgern, § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWIAbfG. Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG schließt die Einschaltung Dritter in die Verwertung nicht aus. Besitzer und Erzeuger können auch durch die Einschaltung Dritter zur Verwertung "in der Lage" sein. Für Abfälle aus privaten Haushaltungen läßt sich deshalb keine Pflicht zur eigenen Verwertung feststellen. Es kommt folglich nicht ausschließlich auf die Zwecksetzung des zur Verwertung Verpflichteten an. Bei gewerblichen Abfällen läßt sich nicht einmal im Gegenschluß zu § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG entnehmen, daß eine Einschaltung Dritter bei der Verwertung verboten sein soll. Denn § 13 Abs. 1 KrW-/AbfG regelt die Verwertung gewerblicher Abfälle nicht. Deshalb läßt dieser Bereich ebenfalls Raum rur die Berücksichtigung von Zwecken, die dieser Dritte mit der Verwertungsmaßnahme verfolgt und vom eigentlichen Verwertungspflichtigen in seine eigenen verfolgten Zwecke mit aufgenommen werden. Die Richtigkeit dieser Überlegung wird durch einen Vergleich der Situation der eigenen Verwertung mit der Situation der Verwertung durch einen Dritten verdeutlicht, wenn es sich um dieselbe Verwertungsmaßnahme handelt. Würde der Verwertungsverpflichtete die Maßnahme selbst durchführen, wären die mit der Maßnahme verbundenen Zwecksetzungen auf jeden Fall zu berücksichtigen. Unterschiede, die sich letztendlich aus der Anzahl der am Verwertungsprozeß beteiligten Personen ergeben, ließen sich rational nicht erklären und wären auch nicht vom Gesetzeszweck gefordert. Dem Zweck der Förderung der Kreislaufwirtschaft zur Schonung natürlicher Ressourcen (§ 1 KrW-/AbfG) wird bereits genügt, wenn stoffliche Eigenschaften von Abfällen überhaupt genutzt werden, wobei es grundsätzlich nicht darauf ankommt, wer die Abfälle nutzt, wer also die Maßnahme durchführt. 53 Im übrigen stellt der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG auf den Hauptzweck der Maßnahme ab. Damit ist die Verwertungsmaßnahme gemeint. Das KrW-/AbfG sagt nicht ausdrücklich, daß es für die Zwecksetzung auf die Vorstellung des Abfallbesitzers oder -erzeugers oder desjenigen ankommt, der die Maßnahme durchführt. Vielmehr verwendet es eine nicht personenbezogene neutrale Formulierung. Einer Verwertung können Verwertungsmaßnahmen mehrerer verschiedener Personen dienen. Dies stellt auch § 4 Abs. 5 KrWIAbfG klar, nach welchem die Kreislaufwirtschaft das Bereitstellen, Überlassen, Sammeln, Einsammeln durch Hol- und Bringsysteme, Befördern, Lagern und

53

Vgl. VG Schleswig, NuR 1983, S. 36 f(36) zu § 5 Nr. 3 BImSehG.

112

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Behandeln von Abfällen zur Verwertung umfaßt. Ein Überlassen von Abfällen als solches ist neutral. Überläßt der Besitzer den Abfall aber an einen anderen mit dem Ziel der Verwertung durch diesen, erfolgt die Überlassung zu diesem Zweck, ist sie gewissermaßen Zwischenziel zur Verwertung. Neben dem möglicherweise verfolgten Ziel, sich des Abfalls zu entledigen und ihn zu beseitigen, geschieht die Überlassung zumindest auch mit dem Ziel, dem tatsächlich verwertenden Abnehmer einen wirtschaftlichen Vorteil in Gestalt des Abfalls zukommen zu lassen. 54 Die verschiedenen Personen können die Maßnahmen und Handlungen mit subjektiv jeweils unterschiedlicher Zwecksetzung durchfuhren. Deshalb können mit der Durchfilhrung einer Verwertung auch subjektiv mehrere Zwecke verbunden sein. Daher muß neben der Zwecksetzung des Abfallbesitzers oder -erzeugers die Zwecksetzung desjenigen berücksichtigt werden, der die Verwertung durch Maßnahmen oder Handlungen zumindest mitdurchfilhrt und in diesem Sinne "Verwerter" ist. 55 Wer Verwerter ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles. Ob der von der jeweiligen Person verfolgte Zweck letztendlich Hauptzweck ist, ergibt sich erst aus einer wertenden Betrachtungsweise, deren Kriterien im folgenden dargestellt werden. Als Ergebnis läßt sich daher festhalten, daß das KrW -/AbfG keine Pflicht zur eigenen Durchfilhrung der Verwertung vorsieht. Deshalb ist bei der Feststellung des Hauptzwecks nicht ausschließlich auf die Zwecksetzung des zur Verwertung Verpflichteten abzustellen. Auch Zwecksetzungen anderer an der Durchführung der Maßnahme beteiligter Personen sind berücksichtigungsflihig. b) Die Abgrenzung von Haupt- und Nebenzweck

Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG liegt eine stoffliche Verwertung vor, wenn der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung seines Schadstoffpotentials liegt. Die Nutzung des Abfalls muß also Haupt- und darf nicht bloß Nebenzweck sein. Beurteilungsmaßstab ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der im einzelnen Ab54 Vgl. auch zum Abfallbegriff des AbfG 1986, BrandtIFouquet, LKV 1995, S. 20 I ff (203). 55 Vgl. BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f(898) und Fluck, UPR 1993, S. 426 ff(430) zum Verwertungsbegriff des § 5 Abs. I Nr.3 BImSehG. Fluck erachtet es für das Vorliegen einer Verwertung als ausreichend, daß die Sache zwar nicht rur den Anlagenbetreiber, aber rur einen Dritten, dessen sich der Anlagenbetreiber bedient, einen Nutzungswert hat, begründet dies aber nicht. Obwohl der Anlagenbetreiber in den vom BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f(898); OVG Saarlouis, NVwZ 1990, S. 491 ff(492) und OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff (452) entschiedenen Fällen die Verwertungsmaßnahme als solche nicht vornahm, ist sein Interesse und damit seine Zwecksetzung immerhin noch so relevant, daß es in allen Entscheidungen erwähnt wird.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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fall bestehenden Verunreinigungen. Da der Nutzungsbegriff - wie eben gezeigtsehr weit gefaßt ist, ergibt sich das Problem, daß viele Maßnahmen sowohl der Nutzung als auch der Schadstoffbeseitigung dienen können. Es müssen daher Kriterien entwickelt werden, die es ermöglichen, eine solche Nutzung als Hauptzweck einzustufen. Dazu ist zu erörtern, welche Gesichtspunkte in die Beurteilung einfließen können und nach welchen Maßstäben sie zu gewichten sind. Einen ersten Anhaltspunkt dafUr liefert die Normstruktur des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG. Danach ist eine Entscheidung zwischen den Alternativen Nutzung und Beseitigung des Schadstoffpotentials zu treffen. Maßstäbe zur Beurteilung sind eine wirtschaftliche Betrachtungsweise und die Verunreinigungen des einzelnen Abfalls. Vor allem die zuletzt genannten Gesichtspunkte haben die gemeinsame Funktion, das subjektiv geprägte Kriterium des Hauptzwecks durch vom Willen des Abfallbesitzers oder -erzeugers unabhängige Kriterien zu objektivieren. 56 aa) Die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte Zunächst ist deshalb zu erörtern, was sich inhaltlich hinter den ausdrücklich in § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG aufgefUhrten Gesichtspunkten verbirgt. aaa) Die Nutzung

Die Nutzung wurde bereits oben erläutert. Für das Vorliegen einer Nutzung genügt es danach, wenn irgendwelche stofflichen Eigenschaften der Abflille genutzt werden. Der Begriff der Nutzung als solcher setzt bei der subjektiven Zwecksetzung der an der Verwertung beteiligten Personen an. Durch die Anknüpfung der Nutzung an den Hauptzweck der Maßnahme wird der Nutzungsbegriff jedoch bereits objektiviert. 57 Festzuhalten ist daher, daß im ersten Prüfungsschritt zunächst grundsätzlich alle mit einer Maßnahme verbundenen Zwecke der Verwerter zu berücksichtigen sind.

56 Vgl. ScholzlHerrmanniMoraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S. 20 flir § 4 Abs. 4 Satz 2 KrW-/AbfG. 57 Vgl. auch ScholzlHerrmannIMoraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S. 20 f für die Frage, ob der Hauptzweck einer Abfallverbrennung auf den Einsatz des Abfalls als Ersatzbrennstoff gerichtet ist: Der Gesetzgeber habe die Bestimmung des Hauptzwecks ausdrücklich an objektive, vom Willen des Anlagenbetreibers unabhängige Kriterien geknüpft. 8 Schimanek

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

bbb) Die wirtschaftliche Betrachtungsweise Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG muß der Hauptzweck der Maßnahme nach einer "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" in der Nutzung des Abfalls liegen. Das KrW-/AbfG stellt damit klar, daß für die Einordnung einer Maßnahme als Nutzung wirtschaftliche Kriterien maßgebend sein sollen. Die Umweltverträglichkeit ist nur in ihren wirtschaftlichen Bezügen relevant. 58 Der unbestimmte Rechtsbegriff der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" ist im KrW/AbfG nicht definiert. Als Wirtschaft versteht die Wirtschaftswissenschaft denjenigen Teil menschlichen Handeins, der in Verfügungen (Entscheidungen) über knappe Mittel zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse besteht. 59 Im vorliegenden Zusammenhang geht es darum, nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu beurteilen, ob eine Nutzung des Abfalls durch einen einzelnen bzw. durch einen Anlagenbetreiber Hauptzweck der Maßnahme ist oder nicht. Daraus ergibt sich zum einen, daß die Nutzung des Abfalls dazu führen muß, daß das Verwertungsprodukt in die volkswirtschaftlichen Tauschvorgänge eingebunden werden muß.60 Das entspricht auch der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, nach welcher es um eine volkswirtschaftliche Betrachtungsweise61 gehen sollte. Es geht aber zum anderen auch um eine betriebswirtschaftliehe Betrachtungsweise, da es um die Verwertung durch einzelne geht. Es stellt sich die sogleich zu erörternde Frage, ob eine wirtschaftliche Betrachtungsweise bedeutet, daß die Nutzung als solche wirtschaftlich sein muß.62 Dazu ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise in ihren hier relevanten einzelnen Bezügen zu betrachten. Müßte die Nutzung als solche wirtschaftlich sein, so könnte dies folgendes bedeuten: Wirtschaftliches Handeln unterliegt dem allgemeinen Vernunftprinzip, welches fordert, ein bestimmtes Ziel mit dem Einsatz möglichst geringer Mittel zu erreichen oder mit einem vorgegebenen Mitteleinsatz einen größtmöglichen Nutzen zu erzielen. 63 Dieses Ziel hat eine mengenmäßige Ausprägung und eine wertmäßige Ausprägung. Nach der wertmäßigen Ausprägung des allgemeinen Vernunftprinzips muß mit einem gegebenen Geldaufwand ein maximaler Erlös oder ein bestimmter Erlös mit

Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 119. Brockhaus, Bd. 24, "Wirtschaft", S. 253. 60 Zum Begriff des Wirtschaftskreislaufs vgl. auch Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S.2374. 61 Vgl. BR-Drs. 245/93, S. 130: Der Gesetzgber wolle mit der Zumutbarkeitsklausel das volkswirtschaftliche Interesse und das Wohl der Allgemeinheit wahren. 62 So Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (234). 63 Vgl. Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S. 2366; vgl. auch Hoppe, Wirtschaftliche Vertretbarkeit, S. 59. 58

59

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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einem minimalen Geldeinsatz erwirtschaftet werden. 64 Insofern sind dieKosten der Behandlung des Abfalls, das rur das hergestellte Regenerat erzielte Entgelt und möglicherweise auch der Markt im Hinblick auf ihre Relevanz rur eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zu untersuchen, zumal die Kosten und der Markt ausdrücklich in § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG genannt sind. Nach der mengenmäßigen Ausprägung dieses allgemeinen Vernunftprinzips ist mit einem vorgegebenen Aufwand an Produktionsfaktoren der größtmögliche Güterertrag zu erzielen bzw. ein vorgegebener Güterertrag mit dem geringstmöglichen Einsatz von Produktionsfaktoren zu erwirtschaften. 65 Insofern könnten möglicherweise die bei der Verwertung anfallenden Massenanteile rur eine wirtschaftliche Betrachtungsweise erheblich sein. Ob eine wirtschaftliche Betrachtungsweise i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG in diesem Sinne zu verstehen ist, ist nachfolgend zu untersuchen. (l) Der Gewinn, die Kosten und das Entgelt

Das Wirtschaftlichkeitsprinzip kommt in der Marktwirtschaft vor allem im Prinzip der erwerbswirtschaftlichen Gewinnerzielung zum Ausdruck. Ziel des Betriebes ist es, einen größtmöglichen Gewinn zu erzielen. Der Gewinn ist die Differenz zwischen Gesamterlös und Gesamtkosten. 66 In § 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG ist von einer "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" die Rede. Die Wirtschaftlichkeit als solche wird nicht ausdrücklich zur Voraussetzung für das Vorliegen einer Verwertung gemacht. Dabei könnte es sich jedoch um eine sprachliche Ungenauigkeit handeln. Zu untersuchen ist deshalb, wie sich den Erlös/das Entgelt übersteigende Kosten oder ein rur die Kostendeckung zu geringer Erlös/zu geringes Entgelt im Hinblick auf die vom KrW-/AbfG geforderte wirtschaftliche Betrachtungsweise auswirken. In beiden Fällen gleicht der Erlös/das Entgelt die entstandenen Kosten nicht aus, so daß dem Wirtschaftlichkeitsprinzip nicht genügt wird. Nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise wäre eine Nutzung abzulehnen, wenn die wirtschaftliche Betrachtungsweise i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG bedeutet, daß die Nutzung wirtschaftlich, also dem Wirtschaftlichkeitsprinzip entsprechen muß. (a) Die Kosten (aa) Der Kostenbegriff Kosten sind in betriebswirtschaftlicher Hinsicht der bewertete Verzehr von Produktionsfaktoren und Dienstleistungen, der zur Erstellung und zum Absatz

64

65 66

Vgl. Hoppe, Wirtschaftliche Vertretbarkeit, S. 59. Vgl. Hoppe, Wirtschaftliche Vertretbarkeit, S. 59. Vgl. Hoppe, Wirtschaftliche Vertretbarkeit, S. 62.

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

der betrieblichen Leistungen sowie zur Aufrechterhaltung der Betriebsbereitschaft erforderlich ist. 67 Das KrW-/AbfG verwendet den Kostenbegriff ausdrücklich in § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Zumutbarkeit der Verwertungspflicht, definiert ihn jedoch nicht. Auch das AbfG 1986 verwendet den Kostenbegriff. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986 hat die Verwertung Vorrang vor der sonstigen Entsorgung, wenn u.a. die dabei entstehenden "Mehrkosten" nicht unzumutbar im Vergleich zu anderen Entsorgungsverfahren sind. Zu dem danach gebotenen Kostenvergleich wird die Ansicht vertreten, daß zunächst ein betriebswirtschaftlicher Kostenvergleich durchzuführen sei68 , die anzustellende Kostenrechnung darüber hinaus aber auch mittel- und langfristige Aspekte einzubeziehen hätte, wie beispielsweise den Verbrauch von Deponiekapazität oder Deponiefolgekosten69 . Langzeitrisiken können berücksichtigt werden, wenn sie einen kostenmäßigen Ausdruck finden. Vereinzelt ist auch die Rede von einem "betriebswirtschaftlich-ökologisch" geprägten Kostenbegriff, welcher dem spezifischen Normzweck des § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986 entspringe, der im Gedanken der umweltverträglichen Entsorgung bestehe. 70 Einen Kostenvergleich verlangt § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG nicht. Bei der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG sind aber auch Kostenfaktoren zu berücksichtigen. Denn der Kostenfaktor spielt für den Güteraustausch eine wesentliche Rolle. Da es für eine Verwertung nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG darauf ankommt, ob eine von einem Abfallbesitzer oder erzeuger vorgenommene Maßnahme eine Verwertung darstellt, fließen zumindest die betriebswirtschaftlichen Kosten des Verwerters in die wirtschaftliche Betrachtungsweise mit ein. Da es um eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geht, sind allein ökologische Gesichtpunkte der umweltverträglichen Abfallverwertung auf dieser Stufe noch nicht zu berücksichtigen, zumal die Umweltverträglichkeit nach § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG ausdrücklich nur für den Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung maßgeblich sein soll. Bei der Feststellung der Kosten sind auch die Kosten für Bereitstellen, Überlassen, Sammeln, Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S. 1214. Hösel/v. Lersner, AbfG, § 3, Rdnr. 21. 69 Kunig, in: KlSN, AbfG, § 3, Rdnr. 35; HoschützkylKreft, AbfG, § 3, Anm. 3.1.2; vgl. auch Hösellv. Lersner, AbfG, § 3, Rdnr. 21; vgl. auch Klages, Vermeidungs- und Verwertungsgebote, S. 120; zu den einzelnen Kostenfaktoren vgl. auch die ausführliche Darstellung von Tettinger/Asbeck-SchröderlMann, Vorrang der Abfallverwertung, S. 119-149; instruktiv auch Dichtl/Issing, Wirtschaftslexikon, S. 1214/1215. 70 Tettinger/Asbeck-Schröder/Mann, Vorrang der Abfallverwertung, S. 113; vgl. auch Mann, Abfallverwertung, S. 189 f. 67

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A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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Einsammeln durch Hol- und Bringsysteme, Befördern, Lagern und Behandeln von Abfällen zur Verwertung dazu zu rechnen. Letzteres ergibt sich aus § 4 Abs. 5 KrW-/AbfG, der diese Maßnahmen zur Kreislaufwirtschaft zählt, die ihrerseits die Verwertung einschließt. Bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise sind jedenfalls die sich betriebswirtschaftlich ausdrückenden Kosten zu berücksichtigen. (bb) Die Problematik der den Erlös übersteigenden Kosten Daß den Erlös der Regenerate übersteigende Kosten eine Verwertung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht ausschließen, könnte aus § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG abzuleiten sein. Als Erlös wird die mit Verkaufspreisen bewertete Gesamtmenge eines Wirtschaftsguts während einer Periode bezeichnet. 7l Die Vorschrift des § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG regelt die Einhaltung der Pflicht zur Verwertung. Die Pflicht zur Verwertung ist unter anderem dann einzuhalten, wenn sie wirtschaftlich zumutbar ist (§ 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG). Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist gemäß § 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG gegeben, wenn die mit der Verwertung verbundenen Kosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die ftlr eine Abfallentsorgung zu tragen wären. Bei der Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit handelt es sich demzufolge um ein Tatbestandsmerkmal, das erftlllt sein muß, damit eine Pflicht zur Abfallverwertung besteht. Die Pflicht zur Verwertung, also entweder zur energetischen oder zur stofflichen Verwertung, ist die Rechtsfolge. Aus § 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG ergibt sich, daß die Pflicht zur Verwertung nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil ihre Erfüllung mit Kosten verbunden ist. Die Kosten müssen auch nicht durch tatsächliche oder zu erwartende Gewinne gedeckt sein. Die Kosten ftlr eine Verwertung können sogar theoretisch über denen liegen, die ftlr eine Abfallbeseitigung zu tragen wären. Sie dürfen lediglich nicht außer Verhältnis zu diesen Kosten stehen. 72 Für die Interpretation des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG könnten sich daraus zwei unterschiedliche Folgerungen ziehen lassen. Zum einen könnte man folgern, daß die in § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG geforderte wirtschaftliche Betrachtungsweise das Vorliegen einer Verwertung nicht schon dann ausschließt, wenn die Verwertungsmaßnahme durch den Erlös nicht gedeckte Kosten verursacht, sofern nur die Kosten nicht außer Verhältnis

Dichtl/lssing, Wirtschaftslexikon, 8. 2129. Vgl. auch Fluck, NuR 1995, 8.233 ff(234): die Kosten der Verwertung müßten in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten rur die Beseitigung stehen. 7\

72

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

zu den Kosten stehen, die für eine Abfallbeseitigung zu tragen wären. Denn wenn § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG in einem solchen Fall die Einhaltung der Pflicht zur Verwertung für zumutbar erachtet, kann auch eine Verwertung als solche begrifflich nicht ausgeschlossen sein. Zum anderen wäre aber auch denkbar, daß das Vorliegen einer Verwertung nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ausgeschlossen ist, wenn durch die Verwertungsmaßnahme Kosten entstehen, die durch den Erlös nicht gedeckt sind. Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG müßte dann eingeschränkt interpretiert werden, etwa derart, daß die Vorschrift ausschließlich auf die freiwillig vorgenommene Verwertung Anwendung findet. Bei der Verwertungspflicht würde das Tatbestandsmerkmal "wirtschaftliche Betrachtungsweise" des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG zumindest keine Rolle spielen. Entweder wäre es von vornherein nicht anwendbar oder aber es wäre so auszulegen, daß der Verwertungsvorgang überhaupt nur wirtschaftliche Relevanz besitzen muß. Diese Ansicht hätte letztendlich eine unterschiedliche Interpretation der Tatbestandsmerkmale "wirtschaftliche Betrachtungsweise" i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG und "wirtschaftliche Zumutbarkeit" i.S.d. § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG zur Folge. Eine unterschiedliche Interpretation der Begriffspaare "wirtschaftliche Betrachtungsweise" und "wirtschaftliche Zumutbarkeit" ist jedoch abzulehnen. Wenn die Kosten den Erlös übersteigen, würde diese Interpretation zu dem Ergebnis führen, daß die gleiche Maßnahme freiwillig vorgenommen keine Verwertung ist, aber als Verwertungspflicht auferlegt werden dürfte. Freiwillig vorgenommen würde keine Verwertung vorliegen, weil der Hauptzweck nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise wegen der den Erlös übersteigenden Kosten nicht in der Nutzung des Abfalls liegt. Die Auferlegung einer Verwertungspflicht wäre aber rechtlich zulässig, da sie hinsichtlich der Kosten nach § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG auch noch dann wirtschaftlich zumutbar ist, wenn die Kosten den Erlös übersteigen. Die Einstufung als Verwertung hinge damit davon ab, wer initiativ werden würde. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen § 5 Abs. 4 KrWIAbfG und § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG muß bei einer Verwertungspflicht der Hauptzweck nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise auch dann noch in der Nutzung liegen, wenn nicht gedeckte Kosten entstehen, die Maßnahme nach den Kriterien des § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG jedoch noch wirtschaftlich zumutbar ist. Für das Vorliegen einer freiwillig vorgenommenen Verwertung nach § 4 Abs.3 Satz 2 KrW-/AbfG muß es daher unschädlich sein, wenn sie mit Kosten verbunden ist, die nicht vollständig durch Erlöse gedeckt werden.?3 Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zwingt folglich nicht schon dann zur

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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Ablehnung einer Verwertung und zur Annahme einer Beseitigung, wenn keine Gewinne entstehen. Fraglich ist lediglich, ob die Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit auch bei einer freiwillig vorgenommenen Verwertung durch den Abfallbesitzer oder erzeuger gilt. Dagegen spricht zunächst, daß sich § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG ausdrücklich auf die Pflicht zur Verwertung bezieht. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit soll in erster Linie pflichtbegrenzend und nicht definitorisch wirken. Aus § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG läßt sich ausdrücklich lediglich entnehmen, daß bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit die Pflicht zur Verwertung entfallt, nicht aber, daß bereits keine Verwertung vorliegt. Für eine Nichteinhaltung der Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit bei der freiwilligen Verwertung spricht auch, daß das KrW-/AbfG gerade die Förderung der Kreislaufwirtschaft unter anderem durch die stoffliche Verwertung bezweckt. Macht ein Abfallbesitzer oder erzeuger daher freiwillig mehr als rechtlich von ihm verlangt werden kann, so will das KrW-/AbfG solche Maßnahmen nicht verbieten. Bei einerfreiwilligen Verwertung dürfen die damit verbundenen Kosten folglich außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die für eine Abfallbeseitigung zu tragen wären. Nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist eine freiwillige Verwertung daher nicht ausgeschlossen, wenn die mit einer Verwertung verbundenen Kosten außer Verhältnis zu den mit einer Beseitigung verbundenen Kosten stehen. Daraus ergibt sich zugleich, daß die wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht verlangt, daß die Verwertung dem Wirtschaftlichkeitsprinzip entsprechen muß. Minimalvoraussetzung einer Nutzung ist, daß sie überhaupt wirtschaftliche Relevanz besitzt. Wirtschaftliche Relevanz besitzt sie bereits dann, wenn die Verwertungsprodukte am Güteraustausch teilnehmen. (b) Das Entgelt Das Entgelt ist sowohl Kostenfaktor als auch Erlös.

73 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Ruchay bei den zweiten Osnabrücker Gesprächen zum deutschen und europäischen Umweltrecht, in Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht, S. 45. Auch die Rechtsprechung zum Verwertungsbegriff des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG läßt das Vorliegen einer Verwertung übrigens nicht daran scheitern, daß der Anlagenbetreiber für die Vornahme der Verwertung durch einen Dritten diesem ein Entgelt zahlen muß, vgl. BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f (898); OVG Saarlouis, NVwZ 1990, S. 491 ff(492); abweichend OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff(452).

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

(aa) Das Entgelt als Erlös Das Entgelt, welches der Verwerter rur den Verkauf der Regenerate erhält, ist Erlös. Insoweit gilt das oben bereits Gesagte entsprechend. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise verlangt nicht die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsprinzips. Der Erlös muß deshalb die Kosten nicht decken. (bb) Das Entgelt als Kostenfaktor Fraglich ist ferner, ob das rur die Durchfilhrung der Verwertung durch einen Dritten vom Abfallbesitzer oder -erzeuger zu zahlende Entgelt als Kostenfaktor im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu berücksichtigen ist. Dagegen könnte sprechen, daß § 4 Abs. 4 Satz 3 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung noch eine ausdrückliche Regelung darüber enthielt. Danach war eine Verwertung u.a. dann wirtschaftlich zumutbar, soweit das rur Maßnahmen durch Dritte zu zahlende Entgelt nicht außer Verhältnis zu den Kosten der Abfallentsorgung steht. 74 Diese Regelung war in der Beschlußempfehlung des Umweltausschusses nicht mehr enthalten. 75 Aus dem Wegfall der Regelung könnte man schließen, daß Entgelte rur Maßnahmen durch Dritte überhaupt nicht mehr innerhalb einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu berücksichtigen sind. Der Wegfall der Regelung wird in den Gesetzgebungsmaterialien nicht begründet. Da ein zu zahlendes Entgelt zu den mit einer Verwertung verbundenen Kosten gehört, das zu zahlende Entgelt mithin über den Kostenbegriff zu berücksichtigen ist, ist vielmehr zu schließen, daß der Gesetzgeber eine gesonderte ausdrückliche Regelung rur entbehrlich hielt. Aus diesem Grund war sie überflüssig. Sie fiel nicht deshalb weg, weil Entgelte bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht berücksichtigt werden sollten. Allerdings gibt es keine starre Grenze rur das zu zahlende oder erzielte Entgelt. Eine Verwertung scheidet folglich nicht aus, wenn das zu zahlende Entgelt den Erlös übersteigt oder das erzielte Entgelt unter den Kosten liegt. Eine starre Entgeltgrenze wäre auch mit den Anforderungen der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren. Denn dann wäre die Durchsetzung der Ziele des KrW-IAbfG letztendlich auch von Preisschwankungen der (Abfall-) Warenmärkte abhängig. 76 So wechselt der Preis rur ReststoffelAltstoffe häufiger. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise muß als Rechtsbegriff jedoch auf Bestän-

74 BR-Drs.245/93, S. 12; auch ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion ging in diese Richtung, vgl. BT-Drs. 12/7249, S. 2. 75 Vgl. den dem § 4 Abs. 4 des Regierungsentwurfs entsprechenden § 5 Abs. 4, BTDrs.1217240, S. 7/8. 76 Diesen Gesichtspunkt spricht Wendenburg, ZUR 1993, S. 221 ff (224) im Hinblick auf den Abfallbegriff des AbfG 1986 an; vgl. auch Klett, in: Gutke, Symposium, S. 29 ff (49).

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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digkeit angelegt sein und darf nicht von sprunghaften, manchmal irrationalen Entwicklungen des Marktes abhängen. 77 Das rur die Verwertung zu zahlende Entgelt und das durch den Verkauf der Regenerate erzielte Entgelt sind also bei den Kosten bzw. beim Erlös nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu berücksichtigen. Beide Faktoren müssen jedoch nicht dem Wirtschaftlichkeitsprinzip entsprechen, d.h. durch die Verwertung muß kein Gewinn erzielt werden. (2) Der Markt Für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise könnte entscheidend sein, ob rur die Regenerate ein Markt78 besteht. Denn nach § 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG ist es insbesondere rur gewonnene Stoffe nötig, daß ein Markt vorhanden ist oder wenigstens geschaffen werden kann. Die Vorschrift Nr. 4.3.5 Satz 1 der T A-Abfa1l79 enthält eine Defmition des Marktbegriffs, an die sich die Auslegung des Marktbegriffes des KrW-/AbfG anlehnen kann. Ein Markt ist danach rur die gewonnenen Stoffe oder Energie vorhanden, wenn ihr Absatz derzeit und rur einen angemessenen Zeitraum sichergestellt scheint. 80 Es geht daher um den Austausch von Wirtschaftsgütern, das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage.8 1 Darum geht es aber jedenfalls im Kern auch bei der in § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG geforderten wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Denn die Verwertung zählt zur Kreislaufwirtschaft zur Schonung natürlicher Ressourcen (§ 1 KrW-/AbfG). Wirtschaftskreisläufe in diesem Sinne entstehen und natür-

77 Ein gutes Beispiel für stark schwankende Marktpreise von Reststoffen bildet der Altpapiersektor. So hatte Altpapier in den Jahren 1991-94 einen "negativen" Wert, da die Erfassung von Altpapier stärker anstieg als sein Verbrauch. Das Anwachsen des Verbrauchs durch Schaffung entsprechender Verarbeitungskapazitäten führte ab Frühjahr 1994 sogar zu Altpapierengpässen, was einen hohen Preis nach sich zog; vgl. zum Ganzen auch Rethmann, ENTSORGA 1995, S. 3; näher zur gewerblichen Altpapiersammlung und -verwertung auch Lange, UPR 1996, S. 217 ff. 78 Zum Marktbegriffvgl. Dichtillssing, Wirtschaftslexikon, S. 1394. 79 Zweite allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz (TA-Abfall) vom 12. März 1991, GMBI. S. 139. 80 Vgl. auch die Definition von Hösel/v. Lersner, AbfG, § 3, Rdnr. 19, die im Ergebnis folgern, ein Markt sei immer dann vorhanden, wenn ein Nachfrager bereit sei, ein Angebot für den zu verwertenden Reststoff zu machen. 81 Vgl. Klages, Vermeidungs- und Verwertungsgebote, S. 124/125; vgl. auch Mann, Abfallverwertung, S. 1101111 zu § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986; zu Inhalt und Bedeutung des Marktbegriffs in anderen Gesetzen vgl. ders., a.a.O., S. 112/113 (Zivil- und Steuerrecht), S. 113/114 (Bergrecht), S. 115-117 (EG-Recht), S. 117-121 (Kartellrecht), S. 122/123 (Recht der Konjunktursteuerung), S. 123/124 (Notstandsrecht).

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Iiche Ressourcen werden geschont, wenn Abfälle verwertet und tatsächlich veräußert werden. Die (ursprünglichen) Abfälle bleiben dadurch im Wirtschaftskreislauf und ersetzen andere Produkte. Da andere Produkte entbehrlich sind, müssen sie nicht produziert werden. Dies trägt zur Schonung natürlicher Ressourcen bei. 82 Da § 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG die Substitution von Rohstoffen zur ausdrücklichen Voraussetzung für das Vorliegen einer Verwertung erhebt, ist der Marktbegriff schon deshalb nicht auf einen Markt ausschließlich für wiedergewonnene Stoffe beschränkt. 83 Wiedergewonnene Stoffe stehen in Konkurrenz zu Produkten und Primärrohstoffen. Weil es ausreichend ist, daß ein Markt wenigstens geschaffen werden kann, muß noch kein Markt bestehen, d.h. der gewonnene Stoff braucht nach seiner "Behandlung" auch keinen Marktwert zu besitzen. Deshalb ist es auch nicht erforderlich, daß der Abfall einen Marktwert hat (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 KrW/AbfG),84 Der Abfall muß nach seiner Behandlung aber grundsätzlich marktfähig sein. Zwar gilt dies für die Verwertungspflicht ausdrücklich, die Grenze der Marktfähigkeit muß aber auch - insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden - für die freiwillig vorgenommene Verwertung gelten. Nach einer "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" spricht das Vorhandensein oder die Möglichkeit der Schaffung eines Marktes daher für das Vorliegen einer Nutzung des Abfalls als Hauptzweck. Aus dem Fehlen eines Marktes läßt sich noch nicht schließen, daß der Hauptzweck in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt. Auch § 5 Abs.4 Satz 1 KrW-/AbfG sieht eine wirtschaftliche Zumutbarkeit lediglich "... insbesondere ... " als gegeben an, wenn ein Markt besteht oder geschaffen werden kann. Außerdem kann nach § 4 Abs.3 KrW-/AbfG eine Verwertung auch dann vorliegen, wenn der Abfallbesitzer oder -erzeuger die stofflichen Eigenschaften des Abfalls selbst nutzt. Der Abfall muß nach seiner Behandlung aber zumindest marktfähig sein.

82 Vgl. dazu auch Mann, Abfallverwertung, S. 129. Die fUr das AbfG 1986 vertretene These, ein aus ehemaligen Abfallstoffen neu hergestelltes Produkt müssezwangsläujig Abfall sein, wenn es keinen Absatz findet, läßt sich jedoch nach dem KrW-/AbfG wegen der Weite des Abfallbegriffs in § 3 KrW-/AbfG nicht aufrechterhalten. Auch eine Verwertung wird wegen einer fehlenden Vermarktungsmöglichkeit nicht von vornherein ausscheiden, da immer noch eine Nutzung durch den Abfallbesitzer oder -erzeuger selbst in Betracht kommt. Auch damit wird den Zwecken der Kreislaufwirtschaft und der Schonung natürlicher Ressourcen genügt. 83 V gl. Mann, Vorrang der Abfallverwertung, S. 131 für das AbfG 1986. 84 Vgl. Fluck, NuR 1995, S. 233 ff(234).

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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Das Vorhandensein oder die Möglichkeit der Schaffung eines Marktes spricht daher nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise fUr das Vorliegen einer Verwertung. Der Abfall muß nach seiner Behandlung zumindest marktfähig sein. (3) Der Massenanteil Ein mengenmäßiges Merkmal dafUr, ob der Hauptzweck der Maßnahme nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise in der Nutzung des Abfalls liegt, könnte im Prozentsatz der in den Stoftkreislauf zurückgeführten Masse des jeweiligen Abfalls liegen. Liegt dieser über 50%, so überwiegt der Massenanteil des zurückgeführten Abfalls den nicht ZUTÜckgefllhrten Anteil. Aus dem Überwiegen des Massenanteils des Abfalls, der zur Nutzung zur Verfilgung steht, ließe sich nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise auf ein überwiegendes Nutzungsinteresse schließen. Überwiegt dagegen der Massenanteil, der nicht zur Nutzung zur Verfilgung steht, muß dieser überwiegende Massenanteil nach § 10 Abs. 1 KrW-/AbfG grundsätzlich beseitigt werden. Daraus ließe sich schließen, daß der Hauptzweck der Maßnahme in der Beseitigung und nicht in der Nutzung des betreffenden Abfalls liegt. Der Prozentsatz der in den Stoftkreislauf zurückgeführten Masse vermag jedoch keine absolute Grenze fUr das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen einer Verwertung zu ziehen. Denn die Höhe dieses Prozentsatzes schwankt nach dem jeweiligen Abfall. Es wäre nicht gerechtfertigt, Abfall, dessen Masse nur unter 50% genutzt werden kann, deshalb von vornherein aus der Verwertung auszuschließen. Schwierig zu verwertende Abfälle könnten dadurch von der Verwertung ausgeschlossen werden, obwohl deren Verwertung vielleicht gerade erstrebenswert ist. Außerdem würde sich die Frage aufdrängen, warum Abfall, dessen Masse vielleicht nur zu 49,99% genutzt werden kann, von der Verwertung ausgeschlossen sein soll. Deshalb kann die Menge der zurückgeführten Masse zwar ein Indiz, nicht jedoch allein entscheidend fUr das Vorliegen einer Nutzung nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise sein. (4) Zwischenergebnis zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise Insgesamt lassen sich daher aus der vom Gesetz geforderten wirtschaftlichen Betrachtungsweise nur wenige klare Beurteilungsmaßstäbe herauskristallisieren. Eines ist jedoch sicher. Entspricht die Maßnahme dem Wirtschaftlichkeitsprinzip, übersteigt also der Erlös die Kosten, besteht ein Markt und macht die regenerierte Masse mehr als die Hälfte des behandelten Abfalls aus, so liegen nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise starke Indizien fllr eine Verwertung vor. Eine Verwertung muß nach dem KrW-/AbfG aber nicht zwingend dem Wirtschaftlichkeitsprinzip entsprechen. § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-AbfG verlangt

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

nicht die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsprinzips. Problematisch wird es dann, wenn diese Faktoren vereinzelt oder sogar insgesamt nicht vorliegen. Das KrW-AbfG schließt eine Verwertung nicht einmal dann aus, wenn die mit einer Verwertung verbundenen Kosten außer Verhältnis zu denen stehen, die für eine Beseitigung zu tragen wären. Allerdings muß das Regenerat wenigstens, bezogen auf einen noch zu schaffenden Markt, künftig marktfähig sein. Für alle anderen Fälle enthält das KrW-/AbfG keine schematischen Beurteilungsmaßstäbe. Nach der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" ist im Einzelfall festzustellen, ob die Maßnahme überhaupt wirtschaftliche Relevanz besitzt. ccc) Die Verunreinigungen Bei der Prüfung, ob der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls liegt, sind nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG auch die "im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen" zu berücksichtigen. Von den Verunreinigungen ist zunächst die besondere Gefährlichkeit eines Abfalls zu unterscheiden, beispielsweise ob er gesundheits-, luft- oder wassergefährdend, explosibel oder brennbar ist oder Erreger übertragbarer Krankheiten enthält oder hervorbringen kann (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG). Denn das KrW-/AbfG selbst knüpft an diese Eigenschaften zwar besondere Anforderungen an die Verwertung und an deren Überwachung, schließt aber eine Verwertung als solche grundsätzlich nicht aus. Dies ergibt sich aus der in § 41 Abs. 3 KrW-/AbfG enthaltenen Regelung, wonach durch Rechtsverordnung Abfillle zur Verwertung bestimmt werden, und zwar auch solche Abfillle, für deren Verwertung aufgrund der in § 41 Abs. 1 KrW-/AbfG aufgeführten Stoffmerkmale besondere Anforderungen zu stellen sind. Die Verwertung von Abfilllen, die in diesem Sinne gefilhrlich sind, ist daher nicht schon aufgrund der Gefilhrlichkeit als solcher ausgeschlossen, sondern muß lediglich besondere Anforderungen erfüllen. Damit ist aber noch nicht geklärt, was unter dem Begriff der Verunreinigungen zu verstehen ist. Einen Anhalt dafür könnte ein Vergleich mit dem ebenfalls in § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG verwendeten Begriff des Schadstoffpotentials des einzelnen Abfalls ergeben. Die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG stellt die Nutzung des Abfalls und die Beseitigung seines Schadstoffpotentials als Alternativen gegenüber. Verunreinigungen sind nach dieser Vorschrift einer der Maßstäbe, nach denen das Vorliegen einer Nutzung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise beurteilt werden muß. Es fragt sich, was sich hinter dem Begriff des Schadstoffpotentials verbirgt. Möglicherweise hat dieser Begriff etwas mit der in § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfGgeregelten Schadlosigkeit der Verwertung zu tun. Nach § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG ist das Ausmaß der Verunreinigungen neben der Beschaffenheit der Abfillle und der Art der Verwertung Kriterium zur Bestimmung der Schadlosigkeit der Verwertung. Denn nach § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG können u.a. auch

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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Verunreinigungen zur Scharutoffimreicherung im Wertstoffkreislauf beitragen. Beim Schadstoffpotential kommt es auf die Gefiihrlichkeit des einzelnen Abfalls an. Dies ergibt sich aus §§ 5 Abs. 3 Satz 3, 10 Abs. 4 Satz 2 KrW/AbfG. Eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit liegt nach § 10 Abs. 4 Satz 2 KrW -/AbfG u.a. insbesondere dann vor, wenn die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt (Nr. 1), Tiere und Pflanzen gefahrdet (Nr. 2), Gewässer und Boden schädlich beeinflußt (Nr. 3) oder schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Lärm herbeigeftlhrt werden (Nr. 4). Nach § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG darf eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit nicht zu erwarten sein, insbesondere darf keine Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf erfolgen. Daß nicht jede Verunreinigung automatisch zu einer Schadstoffanreicherung beiträgt, ergibt sich daraus, daß das KrW-/AbfG das Ausmaß der Verunreinigungen zu einem wesentlichen Beurteilungskriterium neben anderen dafiir erhebt, ob eine Schadstoffanreicherung vorliegt. Eine schadlose Verwertung von Abfällen ist daher grundsätzlich auch trotz ihrer Verunreinigungen möglich. Der Schadstoffgehaltrnuß nicht zwingend, er kann lediglich auf die Verunreinigungen zurückzufiihren sein. Gleiches muß fiir das Scharutoffpotential gelten. Der Begriff der Verunreinigungen ist deshalb mit dem Begriff des Schadstoffpotentials nicht deckungsgleich, sondern weist vielmehr einen eigenständigen Inhalt auf. Beide Begriffe können sich im Einzelfall überschneiden, müssen dies aber nicht generell und zwingend. Verunreinigungen können gefährlich im oben genannten Sinne sein und das Schadstoffpotential vergrößern. Verunreinigungen können aber auch gänzlich ohne Belang fiir das Schadstoffpotential sein. Den einzigen Anhaltspunkt, den Begriff der Verunreinigungen näher zu bestimmen, liefert daher seine Funktion im Tatbestand des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG. Danach kommt es bei der Berücksichtigung der Verunreinigungen nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG darauf an, ob der Abfall trotz der Verunreinigungen nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise fiir eine Rohstoffgewinnung oder Nutzung als Hauptzweck noch geeignet ist. 8S Da das Schädlichkeitspotential der Verunreinigungen ftlr das Vorliegen einer Nutzung nicht relevant ist, kommt es nur darauf an, wie sich die Verunreinigungen auf die wirtschaftliche Relevanz der Nutzung auswirken. Sind Qualität oder Ausmaß der Verunreinigungen so beschaffen, daß beispielsweise aufgrund einer nötigen Vorbehandlung mit hohen Verwertungskosten gerechnet werden muß oder der Erlös entsprechen geringer ist oder, falls die Verunreinigungen nicht beseitigt werden können, kein Markt besteht, kann bei wirtschaftlicher Be-

85 Vgl. auch Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (234); vgl. auch ders., in: KrW-IAbfG, § 4, Rdnr.130.

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

trachtungsweise eine Nutzung aufgrund der Verunreinigungen sogar ausgeschlossen sein. Der Begriff der Verunreinigungen ist daher mit dem Begriff des Schadstoffpotentials nicht deckungsgleich. Verunreinigungen bezeichnen diejenigen Verschmutzungen, die nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gegen das Vorliegen einer Nutzung sprechen. ddd) Die Beseitigung des Schadstoffpotentials

Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG darf der Hauptzweck der Maßnahme nicht in der "Beseitigung des Schadstoffpotentials" des Abfalls liegen. Fraglich ist, ob diesem Tatbestandsmerkmal eigenständige Bedeutung zukommt oder ob es sich lediglich um einen Hinweis auf die Rechtsfolge des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG handelt, die das KrW-/AbfG an das Nichtvorliegen einer Verwertung knüpft. Würde dem Tatbestandsmerkmal "Beseitigung des Schadstoffpotentials" eigenständige Bedeutung zukommen, wäre das Schadstoffpotential bei der Prüfung, ob der Hauptzweck der Maßnahme in einer Nutzung liegt, als eigenständiger Gesichtspunkt zu berücksichtigen. Da - wie bereits oben gezeigt - das Tatbestandsmerkmal der Verunreinigungen nicht deckungsgleich mit dem des Schadstoffpotentials ist, würden durch die Berücksichtigung des Schadstoffpotentials zusätzliche Gesichtspunkte in die Prüfung eingebracht werden müssen. Es wäre beispielsweise denkbar, daß die Prüfung des Vorliegens einer Verwertung nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-AbfG eine Abwägungsentscheidung zwischen der Nutzung des Abfalls und der Beseitigung seines Schadstoffpotentials erfordert. Für eine eigenständige Bedeutung des Schadstoffpotentials scheint der Wortlaut des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG zu sprechen. Der Wortlaut der Norm stellt die Nutzung des Abfalls und die Beseitigung seines Schadstoffpotentials als Alternativen gegenüber. Daß das Vorliegen einer Nutzung geprüft werden muß, ist unzweifelhaft. Das Merkmal der "Beseitigung des Schadstoffpotentials" könnte ebenfalls selbständig geprüft werden müssen. Dem wird jedoch entgegengehalten, dem Tatbestandsmerkmal "Beseitigung des Schadstoffpotentials" komme fllr die Feststellung, ob überhaupt eine Verwertung vorliege, lediglich "untergeordnete" Bedeutung zu. Zur Begründung wird angefllhrt, das KrW-/AbfG kenne auch überwachungsbedürftige Abflille zur Verwertung (§ 41 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG). Für die Einstufung als überwachungsbedürftiger Abfall zur Verwertung sei aber gerade eine besondere Geflthrlichkeit bzw. ein besonders hohes Schadstoffpotential maßgebend. Außerdem ermächtige § 23 Nr. 5 KrW-/AbfG zum Erlaß einer Rechtsverordnung zur Kennzeichnung bestimmter Erzeugnisse "wegen des Schadstoffgehalts der nach bestimmungsgemäßem Gebrauch in der Regel verbleibenden Abflille", damit "die erforderliche besondere Verwertung oder Beseitigung sichergestellt" werden könne. Ferner könnten nach § 22 Abs. 2 Nr. 3 KrW-/AbfG schadstoffhaltige

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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Erzeugnisse gekennzeichnet werden, um die umweltverträgliche Verwertung sicherzustellen. Die Anreicherung von Schadstoffen in Erzeugnissen sei außerdem nach § 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 KrW-/AbfG ausdrücklich lediglich Kriterium fUr die Feststellung, ob der Vorrang der Verwertung von Abfiillen entfallen muß. Daraus wird geschlossen, die Gefiihrlichkeit bzw. das Schadstoffpotential eines Abfalls als solches sei ohne Belang rur die rechtliche Einordnung einer Nutzung als Verwertung.8 6 Dieser Ansicht ist - jedenfalls in der Begründung - zuzustimmen. Sie wird durch ein weiteres Argument bestärkt. Nach § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG ist es unschädlich, wenn der Abfall bereits Schadstoffe enthält. Eine Verwertung erfolgt nur dann nicht schadlos und kann deshalb im Ergebnis ausgeschlossen sein, wenn eine Schadstoffanreicherung durch Maßnahmen entsteht, die seine Verwertung bezwecken. Diese Regelung macht nur einen Sinn, wenn das Schadstoffpotential als solches das Vorliegen einer Verwertung nicht ausschließt. Dies bestärkt eine weitere Überlegung. Würde man die Beseitigung des Schadstoffpotentials der Nutzung als alleinige Alternative gegenüberstellen, so wäre dies zu eng. Denn der Ausschluß einer weiteren Nutzung des Abfalls ohne Schädlichkeitspotential könnte dann keine Beseitigung sein. 87 Die daraus gezogene Folgerung der oben aufgeführten Ansicht, der Berücksichtigung des Schadstoffpotentials komme lediglich untergeordnete Bedeutung zu, muß jedoch noch präzisiert werden. Zutreffend ist, daß das Schadstoffpotential eines Abfalls als solches eine Verwertung noch nicht ausschließt. Es ist auch keine Abwägungsentscheidung zwischen der Nutzung des Abfalls und der Beseitigung seines Schadstoffpotentials zu treffen. Lediglich in Einzelfallen mag es so sein, daß das Schadstoffpotential mittelbar für das Vorliegen einer Verwertung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise von Einfluß sein kann. Das Schadstoffpotential entfaltet dann aber allein über das Tatbestandsmerkmal "wirtschaftliche Betrachtungsweise" - gewissermaßen als Hilfskriterium - rechtliche Bedeutung. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Schadstoffpotential so hoch ist, daß wegen einer erforderlichen kostenintensiven Vorbehandlung nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise hauptsächlich eine Schadstoffbeseitigung und keine Nutzung bezweckt ist. Dann liegt aber nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Nutzung nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG vor. Eine Nutzung ist in diesem Fall nicht schon wegen des Schadstoffpotentials als solchen ausgeschlossen.

86 Vgl. Fluck, NuR 1995, S.233 ff (235); vgl. ders., in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 128 und 129. 87 Vgl. Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr.135.

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Als Ergebnis läßt sich deshalb festhalten, daß die Beseitigung des Schadstoffpotentials eine Auslegungshilfe im Rahmen der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" ist. eee) Die Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit der Verwertung

Teilweise wird auch die Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit der Verwertung im Sinne von § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG zur Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung im Zusammenhang mit der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW/ AbfG herangezogen. Es wird ausgefUhrt, daß Stoffe, die unter Anhang 11 B fielen, grundsätzlich Abfälle zur Verwertung seien. Zu Abfällen zur Beseitigung würden sie (erst), wenn die Verwertung nicht ordnungsgemäß und schadlos durchgeführt werden könne. 88 Da der Verwertungsbegriff in § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG und § 4 Abs. 3, Abs. 4 KrW-/AbfG zur Vermeidung von gesetzesimmanenten Widersprüchen den gleichen Inhalt aufweisen muß, kommt dieser Ansicht auch im Rahmen des Verwertungsbegriffs nach § 4 Abs. 3 KrW/AbfG Bedeutung zu. Schon der Wortlaut des § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG belegt aber, daß sie nicht richtig sein kann. Danach bilden die Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit Anforderungen an die Art und Weise der Vornahme einer Verwertung und sind nicht etwa tatbestandliche Voraussetzung fUr das Vorliegen einer Verwertung. Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit sind daher Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Verwertung. Erfolgt die Verwertung nicht ordnungsgemäß und schadlos, ergibt sich daraus lediglich ihreRechtswidrigkeit. Unmittelbar und zwingend ergibt sich daraus aber nicht, daß eine Beseitigung gegeben ist.8 9 Zum Vorliegen einer Beseitigung fUhrt die fehlende Ordnungsgemäßheit und Schadlosigkeit im Ergebnis möglicherweise nur dann, wenn es keine anderen zulässigen Verwertungsmaßnahmen gibt und auch eine Vermeidung nicht in Betracht kommt. Für die Einstufung der Ordnungsgemäßheit und Schadlosigkeit als Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen spricht auch die Bedeutung der in § 4 Abs. 3, 4 KrW-/AbfG enthaltenen Merkmale. Der § 4 Abs. 3, 4 KrW-/AbfG enthält die Legaldefinition fUr das Vorliegen einer Verwertung. Die Bedeutung dieser Legaldefinition würde beeinträchtigt, wenn es fUr das Vorliegen einer Verwertung auf ihre Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit ankommen würde. Bei der freiwillig vorgenommenen Verwertung tritt eine weitere Erwägung hinzu. Das KrW-/AbfG will die Privatinitiative zur Entsorgung von Abfällen stärken. Dazu überläßt es den Besitzern und Erzeugern bewußt die Wahl der BeckmannlKersting, UPR 1995, S. 321 tT (327). Vgl. ZU § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(635): ein Verfahren dürfe nicht schon allein deshalb die Beseitigung zugeordnet werden, weil bei der Durchflihrung einer Verwertung bzw. eines Verwertungsverzichtes im Einzelfall umweltrechtliche Vorschriften mißachtet werden. Fluck, KrW-/AbfG, § 3, Rdnr. 234. 88 89

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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konkreten Verwertungsmaßnahmen. Würde sich aus der mangelnden Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit automatisch das Vorliegen einer Beseitigung ergeben, würde diese Wahlfreiheit eingeschränkt. Folglich kommt es auf die Ordnungsmäßigkeit und Schadlosigkeit im Sinne des § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG jedenfalls rur den Verwertungsbegriffnicht an . .ffJ) Die Einordnung in die Verfahrensbeschreibung der Anhänge Der Vollständigkeit halber soll hier noch einmal auf die Bedeutung der Einordnung einer Maßnahme in Anhang II B rur das Vorliegen einer Verwertung eingegangen werden. Oben wurde bereits gezeigt, daß es rur das Vorliegen einer Verwertung nicht ausschließlich auf die Einordnung in Anhang II B ankommt. Ist ein Verfahren nicht in Anhang II B aufgeruhrt, zwingt dies nicht dazu, das Vorliegen einer Verwertung abzulehnen. Läßt sich ein Verfahren jedoch in Anhang II B einordnen, so ist diese Einordnung als ein Indiz rur eine Verwertung zu berücksichtigenYO bb) Beurteilungsmaßstäbe Nachdem zuvor die für die Feststellung des Vorliegens einer Nutzung als Hauptzweck zu berücksichtigenden Gesichtspunkte erörtert wurden, ist nunmehr kurz darauf einzugehen, nach welchen Maßstäben ihr Vorliegen zu prüfen ist. Insbesondere stellt sich die Frage, ob bei einer anderweitigen Rechtspflicht zur Nutzung von Stoffen und einem daraufhin erfolgenden Einsatz von Abfällen von einer Verwertung LS.d. KrW-/AbfG auszugehen ist. aaa) Die subjektive Zwecksetzung der Verwerter

Erster Ansatzpunkt muß immer - wie bereits oben gezeigt - die subjektive Zwecksetzung des Verwerters bzw. der Verwerter sein. Diese Zwecksetzung darf allerdings nicht von vornherein abwegig und nur vorgeschoben sein. Darur spielt vor allem die technische Auslegung der Anlage eine Rolle. Handelt es sich beispielweise um eine Anlage, die lediglich der Abfallbeseitigung dient, so scheitert das Vorliegen einer Verwertung schon daran. 91

Vgl. auch Fluck, NuR 1995, S. 233 ff(234). Problematisch kann die Feststellung der technischen Auslegung als Abfallbeseitigungsanlage in tatsächlicher Hinsicht insbesondere bei Müllverbrennungsanlagen sein. Diese sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSehG, § 10 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG rechtlich verpflichtet, die anfallende Wärme bzw. Energie zu nutzen. Die Abflille werden einerseits beseitigt, aber andererseits wird ihre Wärme bzw. Energie genutzt. Zur energetischen Verwertung später unten. 90 91

9 Schimanek

130

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

bbb) Die Beurteilung nach dem äußeren Erscheinungsbild der Maßnahme

Die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenzweck könnte außerdem maßgeblich nach dem äußeren Erscheinungsbild der Maßnahme vorzunehmen sein. 92 So könnte man die Ansicht vertreten, daß eine Maßnahme, die schon rein äußerlich überwiegend als dauerhafte Ausschleusung aus dem Stoffkreislauf anzusehen ist und damit überwiegend den Charakter der Endbeseitigung hat, keine Verwertung im Sinne des KrW-/AbfG darstellt. 93 Vom Stoffkreislauf und damit von der Kreislaufwirtschaft würden Abfälle dauerhaft ausgeschlossen, wenn sie so behandelt werden, daß das äußerliche Erscheinungsbild der Maßnahme und deren technische Durchfilhrung einer Abfallbeseitigungsmaßnahme gleicht. 94 Daß das äußere Erscheinungsbild einer Maßnahme filr die Beurteilung des Hauptzwecks maßgeblich sein soll, läßt sich dem KrW-/AbfG nicht ausdrücklich entnehmen. Es ist zwar sicherlich ein Indiz, das im Einzelfall für das Vorliegen eines bestimmten Hauptzweckes von Bedeutung sein kann. Es ist aber wenig aussagekräftig, weil mit äußerlich vergleichbaren Maßnahmen unterschiedliche Zwecke verbunden sein können. ccc) Die Erfüllung einer Rechtspflicht

Ob die Erfüllung einer Rechtspflicht zur Begründung des Vorliegens einer Verwertung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG herangezogen werden kann oder darüber hinaus sogar erforderlich ist, ist zweifelhaft. So lag eine Besonderheit eines vom BVerwG entschiedenen Tontagebaufalles, in dem das BVerwG das Vorliegen einer Verwertung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG bejahte, darin, daß die Betreiberin eines Tontagebaues aufgrund der Zulassung ihrer Grube durch einen Betriebsplan bergrechtlich zur Wiedemutzbarmachung der durch den Tagebau zerstörten Oberfläche verpflichtet war. 95 Während das OVG Kahlenz der Erfilllung dieser Pflicht gegenüber dem mit der Verfüllung verfolgten Interesse keine Bedeutung zumaß96, stützte das BVerwG das Vorliegen einer Verwertung auch auf diesen Gesichtspunkt. 97 Aus dem Umstand, daß die Verfüllung des Tagebaues der Herstellung eines von der Rechtsordnung geforderten Zustandes diene, ergebe sich, daß die Verfilllung Vgl. zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG z.B. OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff(452). Vgl. auch Wendenburg, ZUR 1993, S. 221 ff (224), der deshalb "erhebliche Zweifel" hat, ob der Bergversatz als Verwertung einzustufen ist. 94 So kann z.B. der Einsatz von Verfullungsmaterial in einem Tagebau äußerlich und unter Umständen auch in seiner technischen Durchftlhrung der Ablagerung von AbflUlen in Deponien ähneln, vgl. BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f(898). 95 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f (897); vgl. auch die Vorinstanz OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff (452). 96 OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff(452). 97 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f(898). 92 93

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

131

mit einem über den bloßen Ablagerungsvorgang hinausgehenden konkreten Nutzungseffekt verbunden sei. Bezweckt sei, im öffentlichen Interesse einen Zustand wiederherzustellen, der dem früheren Zustand gleichkomme oder eine andere Nutzung der Oberfläche ermögliche. 98 Das OVG Münster greift diesen Ansatz auf und bejaht in einer neueren Entscheidung mangels Rechtspflicht zur Verwertung das Vorliegen von Abfall. In der Entscheidung geht es zwar primär um die Abgrenzung AbfalllNichtabfall. Sie kann jedoch tUr die hier zu erörternde Abgrenzungsproblematik Verwertung! Beseitigung fruchtbar gemacht werden. Die Voraussetzungen tUr das Vorliegen einer Verwertung nach dem AbfG 1986 sind denen nach dem KrW-/AbfG vergleichbar. Sie zogen lediglich eine andere Rechtsfolge nach sich. Im Gegensatz zum KrW-/AbfG führte das Vorliegen einer Verwertung nach § I Abs. I 1. Alt. AbfG 1986 dazu, die Voraussetzungen des subjektiven Abfallbegriffs abzulehnen. Das OVG Münster führt aus, die Rechtsprechung des BVerwG zu § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG sei nicht übertragbar, weil nach dem im konkreten Fall anwendbaren NW AbgrabungsG nicht in jedem Fall eine Pflicht zur Verfüllung des Abgrabungsgeländes bestehe. 99 Bestehe rechtlich nicht in jedem Falle eine Pflicht zur Verfüllung des Abgrabungsgeländes, fordere die Rechtsordnung daher nicht zwingend im öffentlichen Interesse die Herstellung eines Zustandes, der dem früheren Zustand gleichkomme oder eine andere Nutzung der Oberfläche ermögliche, so sei auch keine Veranlassung zu Erwägungen gegeben, ob und unter weIchen Voraussetzungen dem rechtlich nicht Verpflichteten Erleichterungen bei der Erfüllung einer ihm nicht auferlegten Pflicht zuzubilligen seien. 100 Die Situation des vom BVerwG entschiedenen Falles war dadurch geprägt, daß aufgrund eines anderen Gesetzes als des KrW-/AbfG, nämlich des BBergG I 0 I, im Ergebnis eine Rechtspflicht zur Nutzung grundsätzlich beliebiger Stoffe zu einem bestimmten Zweck bestand. Denn die Maßnahme diente der ErtUllung der bergrechtlich gebotenen Wiedernutzbarmachung. Wiedernutzbarmachung ist nach der in § 4 Abs. 4 BBergG enthaltenen Legaldefinition die ordnungsgemäße Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Ober-

98 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f (898); kritisch dazu Weidemann, DVBI. 1994, S. 1016 ff(lOI7). 99 OVG Münster, NVwZ-RR 1995, S. 441 f (441), freilich betont das Gericht auch, daß im Gegensatz zum vom BVerwG entschiedenen Fall § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG schon deshalb nicht eingreife, weil es nicht um eine genehmigungsbedürftige Anlage gehe, a.a.O., S. 441. 100 OVG Münster, NVwZ-RR 1995, S. 441 f(441). 101 Bundesberggesetz vom 13. August 1980, BGB\. I, S. 1310 Ld.F. vom 6. Juni 1995, BGB\. I, S. 787.

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

fläche unter Beachtung des öffentlichen Interesses. Damit sind alle Maßnahmen gemeint, die erforderlich sind, um die fUr die Zeit nach dem Abbau oder der Einstellung eines bergbaulichen Betriebes geplante Nutzung zu gewährleisten. I02 Zu beachten ist, daß der Begriff des Wiedernutzbarmachens nur Maßnahmen erfaßt, die eine künftige Nutzung vorbereiten und ermöglichen, nicht jedoch diese künftige Nutzung selbst. I03 Inhalt der Wiedernutzbarmachung ist nicht, den Zustand der künftigen Nutzung herbeizufUhren. I04 Der Nutzungszweck im vom BVerwG entschiedenen Fall lag somit in der Verfllllung der Tongrube als solcher und nicht in der Nutzung, die sich künftig daran anschließen sollte. Denn die VerfUllung der Tongrube diente der von § 4 Abs. 4 BBergG geforderten ordnungsgemäßen Gestaltung. Wäre diese VerfUllung nicht zugleich eine Nutzung LS.d. KrW-/AbfG, könnte die Konstellation auftreten, daß eine anderweitig rechtlich gebotene Nutzung, durch die Rohstoffe ersetzt werden, keine Abfallverwertung LS.d. KrW-/AbfG darstellt. Dann würde zwischen dem KrW-/AbfG und dem jeweils anderen Gesetz ein Unterschied in der Bewertung von Nutzungen bestehen, der nicht durch die Eigenart der verschiedenen Rechtsmaterien gerechtfertigt wäre. Dies würde dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung widersprechen. IOS Die Nutzung irgendwelcher stofflicher Eigenschaften LS.d. KrW-/AbfG ergibt sich daher schon automatisch daraus, daß die Maßnahmen einer "Wiedernutzbarmachung" LS.d. BBergG dienen sollten. Die stofflichen Eigenschaften der Abfälle wurden zur ordnungsgemäßen Gestaltung der Oberfläche der ehemaligen Grube genutzt. Hier besteht deshalb aufgrund der bergrechtlichen Pflicht zur Nutzung zu einem bestimmten Zweck der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls fUr einen bestimmten Zweck. Hervorgehoben werden muß aber an dieser Stelle, daß nicht jede beliebige Rechtspflicht ausreicht, sondern daß die Rechtspflicht, vergleichbar dem Tatbestand des § 4 Abs. 3 KrW-/ AbfG, irgendeine Nutzung zu einem bestimmten Zweck vorschreiben muß. Außerdem genügt es nicht, wenn die Rechtspflicht zur Nutzung die bloße Nebenfolge einer Handlung oder Rechtspflicht ist. Denn die ErfUllung dieser Rechtspflicht kann nicht den Hauptzweck der Maßnahme darstellen. So ist die Wärmenufzungspflicht nach § 6 Abs. 2 Satz I Nr. 4 KrW-/AbfG bzw. nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG eine bloße Nebenfolge der energetischen Verwertung bzw. des Anlagenbetriebs. Sie kann als solche rechtlich nicht eigenständig bestehen, sondern knüpft stets an das Vorliegen einer energetischen Verwertung bzw. an 102 103 104 105

Piens/SchultelVitzthum, BBergG, § 2, Rdnr. 10. BoldtlWeller, BBergG, § 2, Rdnr. 21, § 55, Rdnr. 34. BoldtlWeller, BBergG, § 55, Rdnr. 45. Vgl. Schneider, Gesetzgebung, Rdnr. 58; vgl. auch Zippelius, Methodenlehre, S. 44.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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die Errichtung und den Betrieb einer Anlage als Voraussetzung ihrer Entstehung an. Der Hauptzweck liegt dann aber schon in der energetischen Verwertung bzw. dem Betrieb der Anlage. Bloße Nebenfolge wäre auch die Pflicht zur Nutzung der bei der Abfallbeseitigung anfallenden Energie nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG. Die Pflicht zur Abfallbeseitigung als solche setzt schon tatbestandlieh voraus, daß Abflille nicht verwertet werden, daß also der Hauptzweck nicht in der Nutzung stofflicher oder energetischer Eigenschaften der Abflille liegt. Betont sei aber, daß damit lediglich die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Nutzung feststeht. Zur Feststellung, ob letztendlich eine Verwertung vorliegt, muß außerdem noch geprüft werden, ob auch nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen eine Nutzung als Hauptzweck vorliegt. Auf der anderen Seite läßt sich weder dem Gesetz noch der oben erwähnten Entscheidung des BVerwG entnehmen, daß stets eine solche Rechtspflicht bestehen muß, daß sie also Voraussetzung für das Vorliegen einer Verwertung ist. 106 Dadurch würde der Verwertungsbegriff des KrW-/AbfG zu stark eingeschränkt. Dementsprechend betont das BVerwG in seiner Entscheidung auch ausdrücklich, den Verwertungsbegriff nicht abschließend bestimmen zu wollen. 107 Wird die Verwertungsmaßnahme daher aufgrund einer anderweitig bestehenden Rechtspflicht zur Nutzung vorgenommen, liegt immer eine Nutzung LS.d. KrW-/AbfG vor. III. Die energetische Verwertung Die energetische Verwertung ist auf den ersten Blick zweimal im KrW-/AbfG definiert. Eine Legaldefinition der energetischen Verwertung scheint § 4 Abs. I Nr. 2 b) KrW-/AbfG zu enthalten. Danach ist energetische Verwertung die Nutzung von Abflillen zur Gewinnung von Energie. Eine zweite Legaldefinition scheint § 4 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG zu enthalten, wonach die energetische Verwertung den Einsatz von Abflillen als "Ersatzbrennstoff' "beinhaltet". Beide "Definitionen" sind nicht deckungsgleich. Die in § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG enthaltene Definition ist enger, da sie nur den Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoffe erfaßt. Die energetische Verwertung als Gewinnung von

106 Vgl. aber OVG Münster, NVwZ-RR 1995, S. 441 f (441) rur den Abfallbegriff des AbfG 1986, während das BVerwG dies offen ließ, vgl. BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f; vgl. auch Weidemann, DVBI. 1994, S. 1014 ff(1015 und 1017). 107 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f(898).

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Energie könnte daher der vom Gesetz gewählte Oberbegriff sein. Demgegenüber könnte der Einsatz von Abfallen als Ersatzbrennstoff einen Unterfall der energetischen Verwertung darstellen. Entsprechend weit wäre der Anwendungsbereich von Vorschriften, die sich ausdrücklich auf die energetische Verwertung beziehen, beispielsweise § 6 Abs. 2 KrW-IAbfG. Bevor der Begriff der energetischen Verwertung geklärt wird, soll daher zunächst untersucht werden, welche Vorschrift die daftir maßgebliche Legaldefnition enthält. Dazu ist auf das Verhältnis von § 4 Abs. I Nr. 2 b) KrWIAbfG zu § 4 Abs. 4 KrW-IAbfG einzugehen. 1. Das Verhältnis von § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-/AbfG zu § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG

Zunächst drängt sich die Frage auf, ob die in § 4 Abs. 4 Satz I KrW-IAbfG enthaltene Definition der energetischen Verwertung als Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoff abschließend ist. Gegen den abschließenden Charakter ließe sich § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrWIAbfG anftihren. Die Vorschrift scheint die energetische Verwertung als Nutzung von Abfällen zur Gewinnung von Energie zu definieren 108 , denn die Norm hat wegen des Klammerzusatzes das typische Erscheinungsbild einer Legaldefinition. Nach § 4 Abs. 4 KrW-IAbfG "beinhaltet" die energetische Verwertung lediglich den Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoff. Außerdem enthält § 4 Abs. 1 KrW-IAbfG die als "Grundsätze der Kreislaufwirtschaft" maßgeblichen Handlungsanweisungen, die dann im späteren Verlauf des Gesetzes durch weitere Normen konkretisiert werden. So normiert § 4 Abs. 1 KrWIAbfG die Priorität der Vermeidung vor der Verwertung und - was später noch erörtert wird - die Gleichrangigkeit von stofflicher und energetischer Verwertung. In der gesetzesimmanenten "Hierarchie" des KrW-IAbfG nimmt § 4 Abs. 1 KrW-IAbfG die höchste Stufe ein. Dies gilt allerdings lediglich ftir die in § 4 Abs. 1 KrW-IAbfG enthaltenen Handlungsanweisungen. Ganz besonders deutlich wird das bei der stofflichen Verwertung. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 2 a) KrW-IAbfG verwendet zwar den Begriff der stofflichen Verwertung, definiert wird dieser Begriff aber in § 4 Abs. 3 KrW-I AbfG. Schon die Fassung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 a) KrW-IAbfG bietet keinen Ansatzpunkt daftir, in § 4 Abs. 1 Nr. 2 a) KrW-IAbfG eine Legaldefinition der stofflichen Verwertung zu erblicken. Enthielte § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-IAbfG eine Legaldefinition der energetischen Verwertung, würde der Begriff der energetischen Verwertung

108 Dafür, daß § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-IAbfG eine Definition der energetischen Verwertung enthält, die in § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG weiter aufgefachert werde, ist Queitsch, KrW-/AbfG, § 4, Anm. 5, S. 107.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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gegenüber dem Begriff der stofflichen Verwertung gesetzessystematisch zumindest eine andere Struktur aufweisen. Daß dies gewollt ist, ist kaum anzunehmen. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-/AbfG als die einzige maßgebende Legaldefinition anzusehen, würde allerdings den im Gesetzgebungsverfahren zutage getretenen Absichten entsprechen. Daraus läßt sich nämlich entnehmen, daß es den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten gerade auf die nunmehr in § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-/AbfG enthaltene KlarsteIlung ankam, daß die Verwertung die Gewinnung von Energie aus Abflillen bzw. den Einsatz von Abflillen als Ersatz primärer Energieträger einschließt. 109 Allerdings könnte man daraus auch lediglich ableiten, daß es den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten auf die ausdrückliche Festlegung eines Zwecks der Verwendung von Abflillen als Ersatzbrennstoff ankam. Die Verwendung von Abflillen als Ersatzbrennstoff sollte nur dann energetische Verwertung sein, wenn siezur Energieerzeugung erfolgt. Gegen einen abschließenden Charakter des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG und für die Einstufung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-/AbfG als Legaldefinition könnte jedoch Nr. R 9 des Anhangs II B sprechen. Die Nr. R 9 unterscheidet bei den Verwertungsverfahren die "Verwendung als Brennstoff' und "andere Mittel der Energieerzeugung" . Daraus wird der Schluß gezogen, die Definition in § 4 Abs.4 KrW-/AbfG sei nicht abschließend. 110 Die energetische Verwertung

109 Vgl. § 3 Abs. 5 Nr. 3 des Gesetzentwurfes der Bundesregierung, BR-Drs.245/93, S. 10, welcher noch die bloße Herstellung von Brennstoffen der energetischen Verwertung zurechnete; auch die Änderungsempfehlung Nr. 35 des Bundesrates, BTDrs.12/5672, S. 93 und die Gegenäußerung der Bundesregierung dazu, a.a.O., S. 125, in der sie eine Klarstellung forderte, daß die Herstellung von Brennstoffen der energetischen und nicht der stofflichen Verwertung zuzurechnen sei; vgl. weiterhin die Anträge der SPD-Bundestagsfraktion, BT-Drs.12/7284, S. 33 und BT-Drs.12/7248; vgl. schließlich § 4 Abs. I Nr. 2 in der Fassung der Beschlußempfehlung des Umweltausschusses des Bundestages, BT-Drs.12/7240, S. 7, welcher noch keine dem § 4 Abs. I Nr. 2 b) KrW-/AbfG entsprechende Legaldefinition enthielt. 110 Fluck, NuR 1995, S. 233 ff(235); ders., in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 140. Daß das von Fluck, a.a.O. angeflihrte Beispiel der Pyrolyse überhaupt ein Verwertungsverfahren darstellt, ist mehr als zweifelhaft. Als Pyrolyse bezeichnet man die thermische Zersetzung von kohlenstoffhaltigem Material unter Ausschluß von Luftsauerstoff mit dem Ziel, speicherbare Energie bei nur geringfligigen Abgasmengen zu erzeugen, vgl. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, "Abfälle", S. 28 und "Müll- und Abfallverbrennung", S. 2916. Die Erzeugung von Energie dürfte ein - wenn auch erwünschter und rechtlich gebotener - Nebenzweck sein, während der Hauptzweck in der Beseitigung der Abfälle liegen dürfte. Zumindest werden in den Pyrolyseanlagen nicht

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Dritter Teil: Die AbfaUverwertung

durch Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoff wäre dann wohl bloß ein Unterfall der energetischen Verwertung durch Nutzung von Abfällen zur Gewinnung von Energie. Dieser Schluß ergibt sich jedoch nicht zwingend aus Nr. R 9 des Anhangs II B. Denn Anhang II B und auch die Nr. R 9 fUhren lediglich Verwertungsverfahren als solche auf. Sie treffen keine Unterscheidung zwischen stofflichen und energetischen Verwertungsverfahren als solchen. So besagt Nr. R 9 beispielsweise nicht ausdrücklich, daß "andere Mittel der Energieerzeugung" unter die energetische Verwertung fallen. Ebenso gut ist es möglich, solche Verwertungsverfahren als stoffliche Verwertung aufzufassen, sofern die Voraussetzungen dafUr vorliegen. Die Nr. R 9 des Anhangs II B spricht daher nicht gegen den abschließenden Charakter des § 4 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG. Betrachtet man außerdem die Kriterien bzw. Vorrangregelungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG fUr die energetische Verwertung, so machen die Voraussetzungen des § 6 Abs.2 KrW-/AbfG (Heizwert, Feuerungswirkungsgrad, Wärmenutzungspflicht) nur einen Sinn, wenn es um den Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoffe geht. Die energetische Verwertung würde durch ihre Interpretation als Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoffe auch nicht in ihrem Bedeutungsgehalt verkürzt werden. Zwar mag es theoretisch andere Verwertungsverfahren zur Energiegewinnung geben als die Verbrennung. Davon scheint auch das Gesetz in Nr. R 9 Anhang II B auszugehen. Solche anderen Verwertungsverfahren zur Energiegewinnung wären dann bei Vorliegen der dafUr geltenden Voraussetzungen eben als stoffliche Verwertung einzustufen. Die Entwicklung neuer Verfahren zur Energiegewinnung, bei denen Abfälle nicht als Ersatzbrennstoff eingesetzt werden, würde also nicht dadurch behindert, daß diese abfallwirtschaftsrechtlich keine Verwertung sein könnten. Daß es nicht genügt, rur das Vorliegen einer energetischen Verwertung allein auf den in § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-/AbfG normierten Zweck abzustellen 111 und nicht wenigstens zusätzlich auf den Einsatz als Ersatzbrennstoff, erhärtet auch folgende Erwägung. Gerade weil das Verbrennen von Abfall stets zur Volumenreduzierung fUhrt und die Nutzung der bei der Abfallbeseitigung anfallenden Energie nach § 10 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG sogar rechtlich geboten ist, würde das alleinige Abstellen auf die Energiegewinnung den Raum eröffnen, jede Abfallverbrennung als energetische Verwertung einzustufen. Deshalb enthält § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG die fUr die energetische Verwertung maßgebende Legaldefinition. Abfälle müssen bei der energetischen Verwertung irgend welche Ersatzbrennstoffe ersetzt; zur Pyrolyse vgl. auch Bank, Basiswissen Umwelttechnik, S. 837 ff. III SO aber Fluck. NuR 1995, S. 233 ff (235).

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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als ErsatzbrennstoJf genutzt werden. Außerdem müssen sie aber auch nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-/AbfG zum Zweck der Energiegewinnung eingesetzt werden. lI2 Folglich ist § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) und Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG die rur die energetische Verwertung maßgebliche Legaldefmition zu entnehmen. Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-/AbfG normiert den dabei zu berücksichtigenden Zweck der energetischen Verwertung.

2. Der Einsatz als Ersatzbrennstoff

Bei der energetischen Verwertung ersetzen Abflille nach § 4 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG Brennstoffe. Als Verbrennung im naturwissenschaftlichen Sinne bezeichnet man die schnell laufende Vereinigung von Sauerstoff mit den brennbaren Bestandteilen eines Brennstoffes. lI3 Als Brennstoff bezeichnet man einen oxidationsflihigen und deshalb energiehaitigen Stoff. Die Oxidationsflihigkeit eines Stoffes kann auch zu anderen Zwecken als der energetischen Verwertung genutzt werden. Wird beispielsweise die Oxidationsflihigkeit für chemische Prozesse und nicht zur Energiegewinnung genutzt, kann eine stoffliche Verwertung vorliegen. Die Oxidationsflihigkeit kann aber auch zur Abfallbeseitigung genutzt werden. Sowohl bei der energetischen Verwertung als auch bei der thermischen Vorbehandlung von Abflillen zur Beseitigung kann es sich um äußerlich kaum unterscheidbare Verbrennungsvorgänge handeln. So enthält der Beseitigungsverfahren auffilhrende Anhang 11 A unter D 10 die Verbrennung an Land und unter D 11 die Verbrennung auf See. Wärmeenergie entsteht bei allen Verbrennungs vorgängen. 114 Für die Abgrenzung ist auch bei der energetischen Verwertung auf den Hauptzweck der Maßnahme abzustellen, § 4 Abs. 4 Satz 2 KrW-/AbfG. Dabei bestimmen Art und Ausmaß der Verunreinigungen des einzelnen unvermischten Abfalls sowie die durch seine Behandlung anfallenden weiteren Abflille und weiteren Emissionen, ob der Hauptzweck auf die Verwertung oder die Behandlung gerichtet ist, § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG. Bei der energetischen Verwertung muß der Hauptzweck nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-/AbfG in der Nutzung der Abflille zum Zweck der Energiegewinnung bestehen. Hauptsächlich durch diesen Zweck unterscheidet sich die energetische Verwertung von der thermischen Behandlung von Abflillen zur Beseitigung, bei der die Energie-

112 Vgl. auch Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 81 und 140. 1\3

Vgl. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 4812, "Verbrennung".

114 Vgl. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 4814, "Grundlegende

Gesetzmäßigkeiten" der Verbrennung.

138

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

gewinnung nur untergeordneter Nebenzweck ist (vgl. auch § 10 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG). Oder - anders umschrieben - bei der energetischen Verwertung ist die (Behandlung zur) Beseitigung unter Wärmeeinwirkung aHenfaHs untergeordneter Nebenzweck. Der Begriff der energetischen Verwertung reduziert sich daher im wesentlichen auf zwei Elemente. Zum einen muß der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Energieinhalts des AbfaHs zur Energiegewinnung liegen und zum anderen mtissen dadurch Brennstoffe ersetzt werden. Es läßt sich daher bereits an dieser SteHe festhalten, daß sich die tatbestandlichen Strukturen der in § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG und § 4 Abs. 3 KrW/AbfG enthaltenen Legaldefinitionen ähnlich sind. Ein Unterschied liegt darin, daß AbfliHe bei der stofflichen Verwertung Rohstoffe substituieren, während AbfliHe bei der energetischen Verwertung Brennstoffe ersetzen. a) Parallelen zur 17. BlmSchV

Im Hinblick auf die Bestimmung des Inhalts der energetischen Verwertung lassen sich möglicherweise ParaHelen zur 17. BImSchV ziehen. So wird in der Literatur ausgefilhrt, das Problem, die Verwertung durch Energiegewinnung von anderen Produktionsprozessen abzugrenzen, in denen Stoffe durch Wärmeeinwirkung abgebaut werden, ohne deren Energieinhalt zu nutzen, steHe sich auch bei der Klärung des Anwendungsbereichs der 17. BImSchV. Die Kriterien, die filr die "ähnlichen ... brennbaren Stoffe" gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 17. BlmSchV zur Bestimmung des Verbrennungsbegriffs entwickelt worden seien, könnten filr die aHgemeine Abgrenzung der stofflichen von der energetischen Verwertung nutzbar gemacht werden. Unter energetischer Verwertung i. S. d. KrW-/AbfG sei danach, ebenso wie unter Verbrennung i. S. d. 17. BImSchV, die unmittelbare und gezielte Nutzung des Energieinhalts zu verstehen. 115 Die praktischen Vorteile dieser Ansicht dUrften vor aHem darin liegen, daß der vom Länderausschuß filr Immissionsschutz (LAI) in seiner 82. Sitzung vom Oktober 1992 verabschiedete Fragen- und Antwortenkatalog zur Auslegung und Anwendung der 17. BImSchV als Richtschnur fUr die Praxis auch tUr die Beurteilung des Vorliegens einer energetischen Verwertung i.S.d. KrW-/AbfG herangezogen werden könnte. Dieser Katalog beschäftigt sich anhand von Beispielen von Verfahren und Anlagen eingehend mit dem Anwendungsbereich der 17. BlmSchV.1I6 Wären das Vorliegen einer energetischen Verwertung 115 Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (634, insbesondere Fn. 23); ders. Gutachten, S. 17 ff. 116 Vgl. LAI, Auslegung und Anwendung der 17. BImSchV, S. 4-43.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

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nach dem KrW-/AbfG und das Vorliegen einer Verbrennung ähnlicher fester oder flüssiger brennbarer Stoffe nach der 17. BImSchV nach den gleichen Kriterien zu beurteilen, könnte man den Katalog des LAI zumindest als eine erste Auslegungshilfe auch rur § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG heranziehen. I 17 Es ist daher zu klären, was unter einer Verbrennung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 17. BImSchV zu verstehen ist. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Energiegewinnung im Rahmen des § 1 Abs. 1 17. BImSchV eine Rolle spielt und ob ein unmittelbarer und gezielter Einsatz zur Gewinnung von (Wärme-) Energie erforderlich ist. Die 17. BImSch V gilt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 17. BlmSchV zum einen ftir Anlagen, in denen feste oder flüssige Abflille verbrannt werden, also rur alle Abfallverbrennungsanlagen. Sie gilt aber gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 17. BlmSchV auch, wenn ähnliche feste oder flüssige brennbare Stoffe verbrannt werden. Der Verbrennungsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 17. BImSchV wird teilweise einschränkend im Hinblick auf die ähnlichen Stoffe ausgelegt. Nach dieser einschränkenden Auslegung soll er nur den Einsatz solcher Stoffe erfassen, die zielgerichtet einer energetischen Nutzung zugeruhrt werden. II8 Zur Begründung stützt sich diese Ansicht auf die Entstehungsgeschichte der 17. BlmSchV. Auf den ersten Blick scheint dieses Argument überzeugend zu sein. Denn nach der Begründung der Bundesregierung sollte die 17. BlmSch V einerseits Abfallverbrennungsanlagen erfassen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 17. BlmSchV). Andererseits sollten durch § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 17. BImSchV Anlagen erfaßt werden, die in erheblichem Umfang feste oder flüssige brennbare Stoffe zur Nutzung ihres Energieinhalts einsetzen, die im allgemeinen nicht als handelsübliche Brennstoffe angesehen werden und die hinsichtlich der Emissionen den Abfallverbrennungsanlagen vergleichbar sind. I 19

117 Eine weitergehende Bedeutung dürfte dem Katalog nicht zukommen. Er hat keine normative Kraft wie eine Rechtsverordnung oder ein Gesetz. Er ist auch keine Verwaltungsrichtlinie. Er stellt vielmehr eine bloße Verständigung unter den Ländern dar, wie in den dort aufgeflihrten Fällen zu verfahren ist. Vor allem in Zweifelsfällen werden sich die Länder aber freiwillig an ihm orientieren. Auch inhaltlich ist seine Aussagekraft durchaus begrenzt. Denn die Antworten sind äußerst knapp gehalten und sehr ergebnisorientiert. Die Vorschriften der 17. BImSchV werden in juristisch tragfähiger Weise nur in äußerst geringem Umfang geprüft. 118 So Buch, in: Neuere Entwicklungen im ImmSchR, S. 83 ff(91). 119 Vgl. BR-Drs.303/90, S. 41: die 17. BImSchV enthalte "... Anforderungen an Anlagen, die zur Energieerzeugung sonstige feste oder flüssige brennbare Stoffe ... einsetzten und S. 36: die 17. BlmSchV gelte "... flir Anlagen, die in erheblichem Umfang feste oder flüssige brennbare Stoffe, die im allgemeinen nicht als handelsübliche Stoffe 11

140

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Die unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 17. BlmSchV fallenden Anlagen scheinen daher Anlagen zu sein, in denen die ähnlichen festen oder flüssigen brennbaren Stoffe zur Nutzung ihres Energieinhalts filr die Energiegewinnung eingesetzt werden. Allerdings vernachlässigt diese Betrachtungsweise die sich im Laufe des Verordnungsgebungsverfahrens geänderten Fassungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 17. BlmSchV. Nach dem Verordnungsentwurf der Bundesregierung sollte § 1 Abs. 1 Satz 1 17. BlmSchV nur Anlagen erfassen, soweit sie nach § 4 BlmSchG i. V. m. "... den Nummern 1.1 bis 1.3 oder 8.1 des Anhangs der genannten Verordnung l20 genehmigungsbedürftig sind".l2l Erfaßt werden sollten daher Anlagen zur Beseitigung von Stoffen (Nummer 8.1) und Anlagen zur Energieerzeugung (Nummern 1.1 bis 1.3). Der Bundesrat beschloß jedoch die Streichung dieser Beschränkung. 122 Zur Begründung filhrte er im wesentlichen aus, der Geltungsbereich der Verordnung müsse erweitert werden, denn nach § 4 Abs. 1 AbfG (1986) dürften Abfiille grundsätzlich 'auch in immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedÜfftigen Anlagen verbrannt werden. Auch auf diese Anlagen sollten aber die Vorschriften der 17. BlmSchV Anwendung finden. 123 Die Bundesregierung setzte die Verordnung dann in der vom Bundesrat geänderten Fassung in Kraft. Die Begründung der Bundesregierung, ähnliche feste oder flüssige brennbare Stoffe müßten zur Nutzung ihres Energieinhalts eingesetzt werden, ist im Zusammenhang mit der anlagenbezogenen Einschränkung ihres Entwurfs des § 1 Abs. 1 Satz 1 17. BlmSchV zu sehen. Da der Anwendungsbereich der 17. BlmSchV auf Abfallverbrennungs- und aufEnergieerzeugungsanlagen beschränkt sein sollte, war es konsequent, unter die Verbrennung ähnlicher fester oder flüssiger brennbarer Stoffe nur ihren Einsatz zur Energieerzeugung zu fassen. Mit dem Wegfall der anlagenbezogenen Beschränkung im Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 17. BImSchV124, fiel jedoch auch der Grund filr die einschränkende Interpretation des Verbrennungsbegriffs weg. Eine einschränkende Interpretation des Verbrennungsbegriffs würde den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 17. BImSchV im Ergebnis wieder auf Anlagen zur Energieerzeugung im Sinne der Nummern 1.1 bis 1.3 des Anhangs zur 4. BImSchV beschränken. Diese Einschränkung wollte der Bundesrat aber ausdrücklich nicht. Der Bundesregierung blieb nur die Wahl, die 17. BImSchV überhaupt nicht oder in der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung in Kraft zu setzen. Da die Bundesregierung die 17. BImSchV mit den vom Bundesrat angesehen werden, zur Nutzung des Energieinhaltseinsetzen" (Hervorhebungen nicht im Original). 120 Womit die 4. BlmschVO gemeint war. 121 BR-Drs. 303/90, S. 4. 122 BR-Drs. 303/90 (Beschluß), S. 2. 123 BR-Drs. 303/90 (Beschluß), S. 2. 124 Vgl. auch Führ, NWVBI. 1992, S. 121 ff (123) und Rupp, in: Abfallrecht und Abfallwirtschaft, S. 91 ff(109).

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

141

beschlossenen Änderungen in Kraft setzte, liegt die Interpretation näher, daß sie eher bereit war, die Änderungen in Kauf zu nehmen als ganz auf die 17. BlmSch V zu verzichten. Die Entstehungsgeschichte zwingt daher nicht zu dieser einschränkenden Interpretation des Verbrennungsbegriffs der 17. BlmSchV. Auch der Wortlaut gibt keinen Anhalt datUr. Der Zweck, Emissionen zu kontrollieren und zu begrenzen, vor allem auch Emissionen durch Dioxine und Furane 125 , spricht im übrigen gegen eine einschränkende Auslegung des Verbrennungsbegriffs. Denn solche Emissionen können nicht nur bei der Verbrennung zur unmittelbaren und gezielten Nutzung des Energieinhalts von Stoffen tUr die Energieerzeugung entstehen. Folglich ist es tUr den Verbrennungsbegriff des § lAbs. 1 Satz 1 17. BImSchV nicht erforderlich, daß Stoffe zur Energieerzeugung verbrannt werden. 126 Deshalb sind auch die Beispielsfltlle des LAI-Kataloges nur bedingt tUr eine Einstufung als energetische Verwertung tauglich. Hervorgehoben werden muß allerdings an dieser Stelle auch, daß die 17. BImSchV die Verbrennung zur Energieerzeugung nicht von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt. Durch die 17. BlmSchV werden in tatsächlicher Hinsicht vor allem Abfallverbrennungsanlagen und Energieerzeugungsanlagen erfaßt. Alle im LAI-Katalog zu § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 17. BlmSchV aufgefilhrten Beispielsfltlle können daher im Einzelfall zur näheren Eingrenzung des Kreises der Anlagen zur Energieerzeugung indiziell herangezogen werden, soweit es tatsächlich um Energieerzeugungsanlagen geht. Der Verbrennungsbegriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 17. BImSchV ist daher nicht auf die Verbrennung zur Energiegewinnung beschränkt. b) Unmittelbare und gezielte Energiegewinnung

Als wesentliches Bestimmungskriterium der energetischen Verwertung nach § 4 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG bleibt daher die unmittelbare Rückgewinnung von Energie. 127 Das Erfordernis der Unmittelbarkeit ergibt sich im Umkehrschluß aus der in § 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG enthaltenen Regelung zur Abgrenzung der stofflichen von der energetischen Verwertung, der Zweck der stofflichen Verwertung dürfe nicht in der "unmittelbaren EnergierUckgewin-

Vgl. BR-Drs. 303/90, S. 37. Vgl. auch zutreffend Hansmann, 17. BImSchV, in: LandmannIRohmer, UmwR, § 1, Rdnr. 6; a. A. Buch, in: Neuere Entwicklungen im ImmSchR, S. 83 ff(90/91); vgl. dazu auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (634). 127 Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(634). 125

126

142

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

nung" liegen. 128 Die unmittelbare Nutzung des Energieinhalts der Abfälle zur Energierückgewinnung entscheidet daher darüber, ob sie energetisch verwertet werden. Ob in der Gewinnung der Energie der Hauptzweck der Maßnahme liegt, ist außerdem nach den in § 4 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 KrW-/AbfG enthaltenen Kriterien zu prüfen. 129 Eine Nutzung des Energieinhalts von Abfällen zur Energiegewinnung liegt also nur dann vor, wenn sie unmittelbar herbeigefUhrt wird.

3. Die Bestimmung des Hauptzwecks

Nach § 4 Abs. 4 Satz 2, Satz 3 KrW-/AbfG ist fUr die Abgrenzung der energetischen Verwertung von der thermischen Behandlung von Abfällen zur Beseitigung auf den Hauptzweck der Maßnahme abzustellen. Dabei sind Art und Ausmaß der Verunreinigungen des Abfalls sowie die durch seine Behandlung anfallenden weiteren Abfälle und entstehenden Emissionen zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Frage, auf wessen Zwecksetzung es dabei ankommt, kann auf die AusfUhrungen zur stofflichen Verwertung zurückgegriffen werden. Fraglich ist, wie im konkreten Fall festzustellen ist, wann der Hauptzweck auf eine energetische Verwertung oder eine thermische Behandlung von Abfällen zur Beseitigung gerichtet ist. Wenn insoweit ausgefUhrt wird, der Hauptzweck der Verbrennung von Abfällen sei wegen des Vorrangs der Verwertung vor der Beseitigung so auszulegen, daß er eine energetische Verwertung im weiten Umfange ermögliche 130 und der Hauptzweck der Verbrennung von Abfällen sei immer schon dann auf eine energetische Verwertung gerichtet, wenn diese nicht lediglich einen der Abfallbeseitigung untergeordneten Nebenzweck darstelle 131 , so wird damit nur wenig mehr ausgesagt, als sich ohnehin schon aus der sehr abstrakten Fassung des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG bzw. des § 10 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG ergibt. Es fragt sich daher, ob sich nicht konkretere Prüfungsmaßstäbe fUr die Feststellung des Hauptzwecks aus dem KrW-/AbfG ableiten lassen. Deshalb ist im folgenden kurz auf die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG - soweit sie nicht schon bei der Begriffsbestimmung der stofflichen Verwertung berücksichtigt wurden - einzugehen.

128 Nach Petersen/Rid, NJW 1995, S.7ff(IO) schließt diese Textpassage des § 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG die stoffliche Verwertung rur den Fall des direkten Einsatzes zur energetischen Verwertung i.S.d. § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG aus. 129 Vgl. dazu auch Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 105. 130 So ScholzJHerrrnann/Moraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S. 22/23. 131 So ScholzJHerrrnann/Moraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S. 24.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

143

a) Verunreinigungen, anfallende Abfälle und entstehende Emissionen Hinsichtlich der von § 4 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG verlangten Berücksichtigung von Art und Ausmaß der Verunreinigungen des einzelnen Abfalls kann grundsätzlich auf die Ausruhrungen zu den Verunreinigungen zurückgegriffen werden, die bei der Prüfung der stofflichen Verwertung zu berücksichtigen sind. Allerdings verlangt die Feststellung des Vorliegens einer energetischen Verwertung nicht die Beurteilung nach einer "wirtschaftlichen Betrachtungsweise". Zudem hebt § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG Art und Ausmaß der Verunreinigungen hervor. Dieser Unterschied zur Definition der stofflichen Verwertung in § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG erklärt sich daraus, daß "Art und Ausmaß" der Verunreinigungen die Eigenschaft als Ersatzbrennstoffwesentlich mitbestimmen, denn homogene und wenig verunreinigte Abfälle weisen besser definierbare Brenneigenschaften auf und können infolgedessen eher unmittelbar und gezielt zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Da bei der energetischen Verwertung immer weitere Abfälle anfallen, sind diese bei der Prüfung des Hauptzwecks gesondert zu berücksichtigen. Das KrW-/AbfG stellt in § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG, im Gegensatz zu anderen Bestimmungen 132 , nicht auf das Schadstoffpotential der anfallenden Abfälle ab. Deshalb ist der Anfall weiterer Abfälle in seiner quantitativen Komponente zu berücksichtigen. Bleibt mehr als die Hälfte der Masse oder des Volumens der Abfälle nach der (vermeintlichen) Verwertung übrig, so kann das gegen das Vorliegen einer energetischen Verwertung sprechen, dies muß aber nicht so sein. Die bei der energetischen Verwertung entstehenden Emissionen können flir die Beurteilung des Vorliegens der energetischen Verwertung vernachlässigt werden. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die zu erwartenden Emissionen ausdrücklich in § 5 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 KrW-/AbfG als Kriterium der Umweltverträglichkeitsprüfung flir die Feststellung des Vorrangs der Verwertung vor der Beseitigung aufgeflihrt sind. Eine Verwertung als solche, die als logische Vorstufe einer Prüfung nach § 5 Abs. 5 Satz 1 KrW-/AbfG überhaupt in Betracht kommen muß, wird daher durch Emissionen nicht ausgeschlossen.1 33 Dies ist auch vom ökologischen Standpunkt her zu vertreten, denn die rur Emissionen geltenden Grenzwerte der 13. und 17. BImSchV und der TA-Luft sind über die nach § 5 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 KrW-/AbfG einzuhaltenden öffentlichrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen.

\32

133

Z.B. §§ 4 Abs. 3 Satz 2,5 Abs. 3 Satz 3, \0 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG. Vgl. auch Fluck, NuR 1995, S. 233 ff(236).

144

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

b) "Relatives" Vermischungsverbot

Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-IAbfG ist zunächst vom einzelnen Abfall ohne Vennischung mit anderen Stoffen auszugehen. Zu prüfen ist, ob das KrWIAbfG damit ein Vennischungsverbot aufstellt. Enthielte das KrW-IAbfG ein Vennischungsverbot fl1r die Verwertung, so käme in Fällen der Vennischung lediglich eine Beseitigung in Betracht. Nach Ansicht von Fluck enthält § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-IAbfG weder ein Vennischungsverbot noch ein Verbot, vennischte AbfiUle zu verwerten.l 34 Diese These ist nicht unzweifelhaft. Zwar drängt sich eine Auslegung der in § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-IAbfG enthaltenen Regelung als Vennischungsverbot vom Wortlaut der Vorschrift her nicht auf, vor allem wenn man den Wortlaut der jeweils ein Vennischungsverbot aufstellenden Vorschriften der § 2 Abs. 2 HKWAbfV 135 , § 4 Abs. 2 Altö1V136 betrachtet ("Es ist verboten, ..... zu vennischen. ").137 Eine diesen Vorschriften vergleichbare Fonnulierung enthält § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-IAbfG nicht. Nach dieser Vorschrift ist aber vom einzelnen Abfall auszugehen, was jedenfalls bedeutet, daß nicht von miteinander vennischten AbfiUlen auszugehen ist. Außerdem ist vom einzelnen Abfall ohne Vermischung mit anderen Stoffen auszugehen. Dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-IAbfG ist keine Rechtsfolge zu entnehmen, die im Fall der Vennischung von Abfilllen mit Abfilllen und von Abfilllen mit Stoffen eintreten soll. Es wäre daher eine durchaus denkbare Konsequenz, daß das Vorliegen einer Verwertung in diesen Fällen nicht mehr bejaht werden kann und das KrW-IAbfG nur noch Raum fl1r die Annahme einer Beseitigung läßt. J3g Dann würde § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-IAbfG im Ergebnis ein Vennischungsverbot enthalten. Gegen ein Vennischungsverbot spricht jedoch die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgenommene Streichung des § 7 Abs. 1 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung. J39 Danach durften Rückstände " ... nicht vennischt werden, soweit ... die Erfüllung der Grundpflichten erschwert oder unmöglich gemacht ... " wurde. Nach §7 Abs. 2 des Gesetzentwurfes der Bundesregierung waren Rückstände getrennt zu halten, soweit eine Vennischung nach § 7 Abs. 1 nicht vorgenommen werden durfte. Aus der [34

Fluck, NuR 1995, S. 233 ff(236); vgl. auch ders., in: KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 162.

13S Verordnung über die Entsorgung gebrauchter halogenierter Lösemittel vom 23.

Oktober 1989, BGBI. I, S. 1918 ff. [36 Altölverordnung vom 27. Oktober 1987, BGBI. I, S. 2335 ff. 137 Vgl. auch den letztendlich nicht in Kraft getretenen Entwurf des § 2 a Abs. 2 Satz 2 des Altölgesetzes, welcher ein Beiftlgungsverbot vorsah, BT-Drs.l0/2885, S. 7. 138 So wohl Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (236) und in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 162, der dazu neigt, die Vermischung zur energetischen Verwertung geeigneten mit dazu nicht geeigneten Abfällen, insgesamt als Beseitigung einzustufen. 139 BR-Drs.245/93, S. 16 (Hervorhebungen nicht im Original).

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

145

Verwendung des Wortes "soweit" ergibt sich, daß die Vorschrift des § 7 Abs. 1 des Gesetzentwurfes der Bundesregierung ein "relatives Vermischungsverbot" enthielt. Während § 7 Abs. 1 gestrichen wurde, ging die Vorschrift des § 7 Abs. 2 in § 5 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG auf. Daraus ließe sich schließen, daß im KrW-/AbfG gerade kein relatives Vermischungsverbot normiert werden sollte. Da das relative Vermischungsverbot gegenüber einem absoluten Vermischungsverbot die schwächere Eingriffsform darstellen würde, könnte man schließlich folgern, das KrW-/AbfG sollte auch erst recht kein absolutes Vermischungsverbot erhalten. Warum das Vermischungsverbot des § 7 Abs. 1 des Gesetzentwurfes der Bundesregierung letztendlich nicht in das KrW-/AbfG übernommen wurde, ist den Gesetzgebungsmaterialien nicht zu entnehmen. Jedenfalls dürfte die rur das Vermischungsverbot gegebene Begründung, die Erzeugung undefinierbarer Rückstandsqualitäten durch Vermischung und deren Verwertung zu verhindern und gleichzeitig die Verwertung definierbarer Rückstandsqualitäten zu gewährleisten 140 auch noch die Regelung des § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG tragen. Gerade das in der Begründung erwähnte Beispiel der Vermischung sehr unterschiedlicher Rückstände mit Sägemehl, um den Heizwert zu erhöhen, ist auch nach dem KrW-/AbfG, allerdings an anderer Stelle, "verboten". Denn nach § 6 Abs.2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG ist vom Heizwert des einzelnen Abfalls, ohne Vermischung mit anderen Stoffen zur Feststellung der Mindestheizwertgrenze von 11.000 kj/kg auszugehen. Wäre eine Vermischung der Abfiille mit anderen Stoffen möglich, würde über den Deckmantel der energetischen Verwertung die Verbrennung sonst zu beseitigender Abfiille ermöglicht. Liest man § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW/AbfG genau, so ist das relative Vermischungsverbot inhaltlich im ersten Satzteil enthalten, da vom "einzelnen" Abfall auszugehen ist. Auch wenn Abfiille mit Abfiillen und Abfiille mit Stoffen vermischt werden, kann es durchaus noch möglich sein, eine Beurteilung und Verwertung ausgehend vom einzelnen Abfall vorzunehmen, was von der Trennbarkeit der Stoffe bzw . . Abfiille abhängig ist. In diesen Fällen will das KrW-/AbfG, da es der Verwertung grundsätzlichen Vorrang einräumt, die Verwertung nicht, beispielsweise durch ein absolutes Vermischungsverbot, verhindern. Das bedeutet aber auch, daß das KrW-/AbfG es erlaubt, zur energetischen Verwertung geeignete Abfiille mit Stoffen zu vermischen und trotzdem das Vorliegen einer energetischen Verwertung zu bejahen. Die Vermischung VOn zur energetischen Verwertung geeigneten mit nicht zur energetischen Verwertung geeigneten Abfiillen als solche verbietet das KrW-/AbfG ebenfalls nicht. In solchen Fällen bleibt die fehlende Eignung der zur energetischen Verwertung nicht geeigneten Abfiille bestehen. Insoweit liegt keine Verwertung vor. Sind die vermischten Abfiille nicht mehr voneinander trennbar, liegt auch insgesamt keine Ver-

140

BR-Drs.245/93, S. 135.

10 Schimanek

146

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

wertung vor und es kommt nur noch eine Beseitigung in Betracht. 141 Denn dann werden die Abfälle so miteinander vermischt, daß eine Beurteilung der Verwertung ausgehend vom einzelnen Abfall nicht mehr möglich ist. Eine Vermischung von Abfällen mit anderen Abfällen ist daher insoweit verboten als zur energetischen Verwertung geeignete mit dazu ungeeigneten untrennbar vermischt werden. In diesem Sinne enthält § 4 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG ein relatives Vermischungsverbot. Festzuhalten ist daher an dieser Stelle, daß § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG ein relatives Vermischungsverbot enthält. c) Die Bedeutung technischer Optimierung als objektiver Beurteilungsmaßstab Da der Hauptzweck der Müllverbrennung in der Behandlung von Abfällen besteht und der Hauptzweck der energetischen Verwertung in der Bereitstellung von Nutzenergie, weisen die entsprechenden Verfahren unterschiedliche Betriebszwecke auf. Dementsprechend müssen die diesen Verfahren dienenden Anlagen unterschiedlichen technischen Optimierungszielen genügen, die teilweise unvereinbar sind. 142 Technische Optimierungsziele der Abfallbehandlung sind die Volumenreduzierung und die Überführung von Abfällen in einen Zustand minimaler chemisch-physikalischer Wechselwirkungen mit der Umgebung zur Minimierung des ökologischen Risikos bei der Endablagerung (lnertisierung). Dies kommt vor allem fur inhomogene und schadstoffreiche Abfälle mit unbekannter wechselnder Zusammensetzung in Betracht. 143 Technisches Optimierungsziel der energetischen Verwertung ist dagegen die Maximierung der technisch ausnutzbaren W1lrmeausbeute, was einen definierten Brennstoff mit feuerungstechnisch beherrschbaren Eigenschaften voraussetzt. 144 4. Die Bedeutung des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG für die Beurteilung des Hauptzwecks im Rahmen der Prüfung nach § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG

Nach § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG ist eine energetische Verwertung, vorbehaltlich einer Rechtsverordnung nach § 6 Abs. I KrW-/AbfG "nur zulässig", wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 KrW/AbfG enthält Regelungen über den Vorrang der stofflichen oder energetischen Verwertung. Vorrang hat nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG die "besser umweltverträgliche Vet:Vertungsart". Dieser Vorrang kann für bestimmte AbVorsichtiger Fluck, NuR 1995, S. 233 ff(236). Vgl. Fraunhofer-Institut, Gutachten, S. 14. 143 Vgl. auch die Begründung der Änderungsempfehlung Nr. 77.4 des Bundesrates, BTDrs.12/5672, S. 106. 144 Vgl. Fraunhofer-Institut, Gutachten, S. 14. 141

142

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

147

fallarten durch Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 KrW-/AbfG geregelt werden. Soweit der Vorrang einer Verwertungsart nicht in einer Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 Satz 3 KrW-/AbfG festgelegt ist, ist eine energetische Verwertung nur unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG zulässig. Worin der eigentliche rechtliche Gehalt des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG genau liegen soll, läßt sich nur schwer ennitteln. Wegen der Bezugnahme auf die Regelung des § 6 Abs. 1 KrW-/AbfG, kommt eine Interpretation des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG als Ergänzung der Vorrangregelung des § 6 Abs. 1 KrW-/AbfG in Betracht. Andererseits legt der Wortlaut der Nonn ("nur zulässig") nahe, daß sie das Vorliegen einer energetischen Verwertung ausschließt, wenn ihre Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs. 2 KrW-AbfG enthielten dann primär Zulässigkeitsregelungen rur die energetische Verwertung. Darüberhinaus könnten sie die Regelung des § 4 Abs. 4 KrW/AbfG ergänzen, so daß die Merkmale des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG bereits bei der Prüfung des Hauptzwecks zu berücksichtigen sind. Im folgenden sollen daher zunächst der Rechtscharakter des § 6 Abs. 2 KrW/AbfG und anschließend die einzelnen Tatbestandsmerkmale erörtert werden. Man könnte § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG als Vorrangregelung zugunsten der energetischen Verwertung auffassen. In Betracht kommt ferner, die Vorschrift als eine Art gesetzlicher Fiktion rur oder gegen das Vorliegen einer Verwertung anzusehen. 145 Die Nonn des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG könnte auch eine § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG ergänzende Auslegungsregel darstellen. Schließlich ist in Betracht zu ziehen, daß § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG die Vorschrift des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG zumindest teilweise ergänzt. a) Regelung des Vorrangverhältnisses

Nach der Systematik des § 6 Abs. I, Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz KrW-/AbfG scheint die Vorschrift des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG das Vorrangverhältnis von energetischer und stofflicher Verwertung zu regeln. 146 Denn die gesamte Vorschrift des § 6 KrW-/AbfG beschäftigt sich auf den ersten Blick mit dem Verhältnis der stofflichen Verwertung zur energetischen Verwertung. Die

145 Unklar Queitsch, KrW-/AbfG, § 4, Anm. 5, S. 108: die in § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG bestimmten Eckwerte könnten als typisierende Merkmale der energetischen Verwertung angesehen werden. 146 Vgl. Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (237); vgl. auch ScholziHerrmann/Moraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S. 10 und 12, die § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG andererseits aber auch die Funktion eines Maßstabs für die Abgrenzung von energetischer Verwertung und Beseitigung zuweisen, a.a.O., S. 18.

148

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Absätze und 2 sprechen das Vorrangverhältnis dieser beiden Verwertungsarten an. Zulässigkeitsvoraussetzungen vennutet man auf den ersten Blick nach der Gesetzessystematik nicht in § 6 KrW-/AbfG, sondern vielmehr in § 5 KrW/AbfG. Gegen eine bloße Vorrangregelung spricht aber folgende Erwägung: Eine energetische Verwertung ist nicht zulässig, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG nicht gegeben sind. Im Ergebnis hat deshalb eine stoffliche Verwertung Vorrang vor der energetischen Verwertung. Liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG jedoch vor, ergibt sich daraus nicht umgekehrt ein Vorrang der energetischen Verwertung vor der stofflichen Verwertung. Vielmehr greift dann § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG ein, nach dem die "besser umweltverträgliche Verwertungsart" Vorrang hat. Auch die Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG steht einem Verständnis der Vorschrift als bloßer Regelung des Vorrangverhältnis entgegen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthielt noch keine dem jetzigen § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG entsprechende Regelung. AusfUhrungen zur Rangfolge von stofflicher und energetischer Verwertung sind jedoch der Begründung zu § 4 Abs. 5 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - der dem jetzigen § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG vergleichbar ist - zu entnehmen. Danach sollten stoffliche und energetische Verwertung ökologisch gleichwertig sein, wenn u.a. die Verbrennungswänne der Rückstände der Verbrennungswänne nicht getrockneter Braunkohle (8 Mj/kg) und der Wirkungsgrad der energetischen Verwertung dem durchschnittlichen Wirkungsgrad von Kraftwerken (40%) entsprechen. 147 Diese Kriterien nahm der Umweltausschuß des Bundestages in die von ihm empfohlene Fassung des § 6 Abs. 2 ausdrücklich auf. I48 Bemerkenswerterweise enthielt diese Fassung noch nicht die nunmehr gültige Fonnulierung " ... nur zulässig, wenn ... ", sondern es war nur die Rede davon, daß die energetische Verwertung " ... als gleichwertig anzusehen ist, wenn .. .',149. Dies stellt einen weiteren Beleg gegen die Auslegung als bloße Vorrangregelung und fur eine Interpretation als Zulässigkeitsvoraussetzung dar.

b) Auslegungsregel Es könnte erwogen werden, § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG als Auslegungsregel einzustufen. 1SO In Betracht käme zum einen die Einordnung als Auslegungsregel für das Vorliegen einer (energetischen) Verwertung. Gegen eine Auslegungsregel spricht allerdings, daß sich Auslegungsregeln im rechtstechnischen Sinne auf Willenserklärungen beziehen. ISI Der Verwertung 147 148 149 150

BR-Drs.245/93, S. 131. BT-Drs.I217240, S. 8. Beide Hervorhebungen nicht im Original. vgl. Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(638).

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

149

wohnt mit dem Abstellen auf den Hauptzweck zwar ein subjektives Element inne, grundsätzlich ist sie aber realaktbezogen 152, mithin keine Willenserklärung. Zum anderen würde § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG als Auslegungsregel nur rur den Fall eines auslegungsbedürftigen Sachverhalts gelten. Wäre der Sachverhalt nicht auslegungsbedürftig, käme es auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW -/AbfG nicht mehr an. Eine energetische Verwertung könnte auch dann vorliegen, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG nicht erfiillt sind. Gegen eine Anwendbarkeit des § 6 Abs. 2 KrW/AbfG lediglich auf auslegungsbedürftige Sachverhalte spricht die oben aufgefilhrte gesetzgeberische Erwägung, mit den in § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG enthaltenen Kriterien die Ersatzbrennstoffeigenschaft bzw. die Nutzung des Energiegehalts sicherstellen zu wollen. Diesem Anliegen des Gesetzgebers entspricht auch die apodiktische Formulierung des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG (" ... nur zulässig, wenn ... "). Deshalb ist der Anwendungsbereich § 6 Abs. 2 KrW/AbfG nicht auf auslegungsbedürftige Sachverhalte beschränkt. Folglich ist eine Einstufung als Auslegungsregel abzulehnen. c) Fiktion Eine Interpretation des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG als eine Art gesetzlicher Fiktion scheidet schon aufgrund des Wortlauts aus. Es heißt in § 6 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG lediglich, daß eine energetische Verwertung "nur zulässig" ist, "wenn" bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Die Vorschrift sagt nicht etwa, daß Maßnahmen, die die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG erfiillen, Maßnahmen der energetischen Verwertung "sind" oder als solche "gelten".153 An anderer Stelle, und zwar in § 3 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG verwendet das KrW-/AbfG wenigstens die Formulierung" ... ist ... anzunehmen ... ". Nach letztgenannter Vorschrift ist in bestimmten, dort näher beschriebenen Fallkonstellationen ein Entledigungswille anzunehmen. Da mit dieser Formulierung unbeachtlich bleiben soll, ob der Wille tatsächlich auf die Durchfiihrung eines Verwertungs- oder Beseitigungsverfahrens gerichtet ist, handelt es sich um eine Fiktion. 154 Der Gesetzgeber des KrW-/AbfG war sich daher der Rechtstechnik zur Formulierung von Fiktionen bewußt.

Pfeifer, Fiktionen im öffentlichen Recht, S. 62/63. Vgl. Krieger, NuR 1995, S. 342 ff (343). 153 Weitere Beispiele sind bei Pfeifer, Fiktionen im öffentlichen Recht, S. 48, aufgeftlhrt. 154 So Fluck, DVBI. 1995, S. 537 ff (540); vgl. auch Versteyl/Wendenburg, NVwZ 1994, S. 833 ff(836) und Seibert, UPR 1994, S. 415 ff(419). 151

152

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG enthält folglich keine gesetzliche Fiktion. d) Die Regelungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 KrW-/AbjG als tatbestandliehe Ergänzung des § 4 Abs. 4 KrW-/AbjG

Fraglich ist, ob die Merkmale des Heizwerts, des Feuerungswirkungsgrades und der Wännenutzung bereits im Rahmen der Prüfung des § 4 Abs. 4 KrW/AbfG mitberücksichtigt werden müssen, auch wenn sie nicht ausdrücklich genannt werden. Die Merkmale des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG wären dann nicht bloß Zulässigkeitsvoraussetzungen der energetischen Verwertung. Darüber hinaus würde ihr Vorliegen darüber entscheiden, ob überhaupt eine energetische Verwertung vorliegt. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG wären deshalb im Rahmen der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 Nr. 2 b), Abs. 4 KrW/AbfG ergänzend zu berücksichtigen. Grundsätzlich sind zwar Zulässigkeitsbestimmungen und Legaldefinitionen streng voneinander zu unterscheiden. ErfiUlt eine energetische Verwertung die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW/AbfG nicht, so ergibt sich daraus unmittelbar nur, daß sie rechtswidrig ist. Automatisch ergibt sich daraus nicht, daß eine Beseitigung vorliegt. Die in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 KrW-/AbfG aufgefUhrten Tatbestandsvoraussetzungen könnten jedoch untrennbar eng mit den Voraussetzungen einer energetischen Verwertung nach § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG verbunden sein, so daß sie bereits über das Vorliegen/Nichtvorliegen einer energetischen Verwertung entscheiden. aa) Heizwert Bei der energetischen Verwertung nach § 4 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 2 b) KrW/AbfG müssen Abflille als Ersatzbrennstoff zur Gewinnung von Energie eingesetzt werden. Folglich muß der Hauptzweck der Maßnahme in der Energiegewinnung liegen. Kennzeichnende Eigenschaft von Brennstoffen ist auch der Heizwert. ISS Als Heizwert wird die Menge der bei der Verbrennung pro Gewichts- oder Volumeneinheit des Brennstoffs freigesetzten Energie bezeichnet. 156 Entsprechend heißt es auch in der Begründung des Umweltausschusses des Bundestages zu § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG, durch die Vorschrift werde sichergestellt, "daß es sich bei den eingesetzten Stoffen um Ersatzbrennstoffe im Sinne der Defmition der energetischen Verwertung nach § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG" handele. 157 Damit ist der Energiegehalt von AbfliUen ein

155 156 157

Vgl. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 583, "Brennstoff'. Vgl. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 583, "Brennstoff'. BT-Drs.12/7284, S. 14.

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

151

entscheidendes Merkmal rur die Prüfung des Hauptzwecks. 158 Der Heizwert des einzelnen Abfalls ist folglich mitentscheidend rur das Vorliegen einer energetischen Verwertung. Der Heizwert wurde gegenüber der Fassung des Umweltausschusses 159 letztendlich nicht in § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG aufgenommen. Dies geschah aber vor allem deshalb, weil der Heizwert bereits nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG Mindestvoraussetzung der energetischen Verwertung ist. Seine Normierung in § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG war demzufolge überflüssig. 160 Der Heizwert ist folglich Merkmal rur das Vorliegen einer energetischen Verwertung. Für das Vorliegen einer energetischen Verwertung ist ebenso wie rur die Feststellung des Heizwerts vom "einzelnen Abfall" auszugehen (vgl. §§ 4 Abs. 4 Satz 3, 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. I KrW-/AbfG). Weist der einzelne Abfall keinen Heizwert von 11.000 kj/kg auf, so ist seine Verwertung nicht nur unzulässig, sie scheidet vielmehr endgültig und automatisch aus. Eine Heraufsetzung des Heizwerts durch Zugabe anderer Stoffe oder Abfillle hat rur die rechtliche Beurteilung nach §§ 4 Abs. 4 Satz 3, 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG außer Betracht zu bleiben, weil darur vom "einzelnen" Abfall auszugehen ist. Folglich besteht zwischen der Heizwertgrenze von 11.000 kj/kg und dem in § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG aufgeruhrten Hauptzweck ein untrennbarer Zusammenhang. Die Heizwertgrenze des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG ist rur die Feststellung des Vorliegens einer Verwertung nach § 4 Abs. 4 KrW-AbfG ergänzend heranzuziehen. bb) Wärmenutzung Fraglich ist, ob dies auch rur die Voraussetzung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG (Wärmenutzung) gilt. Wird die bei der Verbrennung von Abfall entstehende Wärme weder selbst genutzt noch weitergegeben, liegt schon begrifflich kein Einsatz als Ersatzbrennstoff zur Energiegewinnung vor. 161 Dies deckt sich mit der Gesetzesbegründung, nach der § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG sicherstelle, "daß das über die Feuerung erschlossene Energiepotential entsprechend der Definition des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG ... genutzt"

158 Vgl. Petersen/Rid, NJW 1995, S. 7 ff (10 und Fn. 38), die sich jedoch nicht ausdrücklich zum Verhältnis des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG zu § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG äußern. Sie halten den Heizwert als solchen wohl als Beurteilungsmaßstab für maßgeblich, ob eine energetische Verwertung vorliegt. Die Höhe des Heizwerts stufen sie wohl als Zulässigkeitsvoraussetzung ein. 159 BT-Drs. 12/7240, S. 7. 160 Vgl. Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (235); vgl. ders., in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 143. 161 So ScholzlHerrmann/Moraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S. 18.

152

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

werde. 162 Folglich ist auch insoweit ein untrennbarer Zusammenhang mit den Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG gegeben. 163 Die Wännenutzungspflicht des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG ist rur die Feststellung des Vorliegens einer Verwertung nach § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG ergänzend heranzuziehen. 164, 165 Damit lassen sich die in § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG enthaltenen Merkmale weiter durch Mindestanforderungen konkretisieren l66 : Eine energetische Verwertung liegt demnach nur vor, wenn: der einzelne Abfall als Ersatzbrennstoff eingesetzt wird, § 4 Abs. 4 KrW/AbfG, - was voraussetzt, daß sein Heizwert mindestens 11.000 kj/kg beträgt, § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG und der Abfall zur Gewinnung von Energie genutzt wird, §§ 4 Abs. 4, Abs. 1 Nr. 2 b) KrW-/AbfG, was voraussetzt, daß - die entstehende Wänne selbst genutzt oder an Dritte abgegeben wird, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, liegt keine energetische Verwertung vor.

BT-Drs. 12/7284, S. 15. BT-Drs. 12/7284, S. 14. 164 Vgl. al1gemein auch Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (235); vgl. ders., in: Fluck, KrW/AbfG, § 4, Rdnr. 143. 165 M.E. zu weitgehend ScholzlHerrmannIMoraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S. 18, die § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG die Funktion eines "Maßstabs" rur die Abgrenzung von energetischer Verwertung und Abfallbeseitigung zuweisen. Dies ist rur die Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Satz I Nr. 2 und Nr. 4 KrW-/AbfG äußerst zweifelhaft, da sie keinen untrennbaren Zusammenhang mit dem Tatbestandsmerkmal des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG aufweisen. 166 Unklar Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (240): die Wertung des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG sei im Rahmen der Auslegung des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG mitzuberücksichtigen; deutlicher ders., in: KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 149 und 172, weniger deutlich in § 6, Rdnr.47. 162 163

A. Der Rechtsbegriff der Verwertung

153

5. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs.l KrW-/AbfG

Nachdem der rechtliche Gehalt des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG erörtert wurde, soll nunmehr näher auf den Inhalt der in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1-3 KrW-/AbfG enthaltenen Tatbestandsmerkmale eingegangen werden. a) Der Heizwert des einzelnen Abfalls

Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbtU muß der Heizwert des einzelnen Abfalls ohne Vermischung mit anderen Stoffen mindestens 11.000 kj/kg betragen. Als Heizwert im naturwissenschaftlich-technischen Sinne bezeichnet man die Menge der bei der Verbrennung pro Gewichts- oder Volumeneinheit des Brennstoffs freigesetzten Energie. 167 Das KrW-/AbtU weicht von diesem Sprachgebrauch nicht ab, denn es versteht unter Heizwert die im Abfall enthaltene Energie, ohne Nutzung der Kondensationswärme des Wasserdampfes. 168 Der Heizwert von 11.000 kj/kg gibt dabei eine starre Grenze vor. 169 Dies ergibt sich einmal aus dem Wortlaut ("mindestens") der Norm. Außerdem wird dies durch einen Vergleich mit der in § 6 Abs. 2 Satz I Nr.3 KrW-/AbfG geregelten Abwärmenutzungspflicht bestärkt, für die kein exakter Zahlenwert oder Prozentsatz gilt, obwohl die Normierung eines solchen theoretisch möglich gewesen wäre. Da die Höhe des Heizwertes Gegenstand der Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren war, sollte die 11.000 kj/kg-Grenze auch gezielt verwendet werden. 170 b) Der Feuerungswirkungsgrad

Nach § 6 Abs. 2 Satz I Nr.2 KrW-/AbfG muß ein Feuerungswirkungsgrad von mindestens 75 % erzielt werden. Dem Begriff des Feuerungswirkungsgrades wird entgegengehalten, er sei naturwissenschaftlich-technisch nicht definiert und daher vielfältiger Deutung zugänglich. 171 Der Feuerungswirkungsgrad knüpft an den Begriff der Feuerungswärmeleistung an. Dieser ist in § 2 Nr. 8 der Verordnung über Großfeuerungsanlagen vom 22. Juni 1983 (13. BImSchV)l72 definiert als der auf den unteren Heizwert bezogene Wärmeinhalt des Brennstoffs, der einer Feuerungsanlage im Dauerbetrieb je Zeiteinheit zur

Vgl. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 583, "Brennstoff'. Vgl. BT-Drs.12/7284, S. 14. 169 Vgl. Schol:dHerrmann/Moraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S. 19. 170 Vgl. BR-Drs.245193, S. 131; vgl. ferner BT-Drs.1217672, S. 2. 17\ So Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff (642); vgl. auch die Begründung rur die Versagung der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. I GG, BTDrs.1217672, S. 2. 172 BGBI. 1983 I, S. 719. 167 168

154

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Erzielung der genehmigten Leistung zugeftlhrt wird. Der Feuerungswirkungsgrad bezeichnet den auf die Feuerungswärmeleistung bezogenen Wirkungsgrad. Nach Ansicht des Gesetzgebers errechnet sich der Feuerungswirkungsgrad aus dem Heizwert abzüglich des Abgasverlustes. Dabei ist der Abgasverlust der auf den Heizwert bezogene Energieverlust über das Abgas im Bereich des Feuerungsraumes. Thermisch oder chemisch genutzte Energie soll den Feuerungswirkungsgrad auch dann nicht mindern, wenn sie später nicht als Abwärme genutzt werden kann. 173 Beim in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrW-/AbfG festgelegten Prozentsatz von 75 % handelt es sich um eine starre Grenze. 174 c) Die Abwärmenutzungspjlicht

Nach § 6 Abs. 2 Satz I Nr.3 KrW-/AbfG muß entstehende Wärme selbst genutzt oder an Dritte weitergegeben werden. Wie effektiv die Wärmenutzung zu erfolgen hat, insbesondere ob die bei der Verbrennung entstehende Wärme vollständig oder wenigstens zu einem bestimmten Prozentsatz selbst genutzt oder an Dritte abgegeben werden muß, legt die Vorschrift nicht ausdrücklich fest. 175 Dies ergibt sich bereits im Gegenschluß zu den in § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 KrW-/AbfG normierten fixen Werten. Daraus wird abgeleitet, es sei nur erforderlich, entstehende Wärme überhaupt selbst zu nutzen oder an Dritte abzugeben. Nach dem Sinnzusammenhang mit den Nm. 1 und 2, die im Gegensatz zu Nr. 3 Mindestgrenzen normieren, erfordert Nr. 3 die vollständige Nutzung oder Abgabe der Energie. Nach § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG muß so viel Wärme abgegeben werden, daß ein Einsatz von Abfällen als Ersatzbrennstoff zur Energiegewinnung bejaht werden kann. 176 Erörterungsbedürftig ist, ob § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr.3 KrW-/AbfG mit dem Immissionsschutzrecht kollidiert. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 BlmSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß entstehende Wärme für Anlagen des Betreibers genutzt oder an Dritte abgegeben wird. Dieses Gebot gilt aber nach § 5 Abs. 2 BlmSchG nur ftlr Anlagen, in denen nutzbare Abwärme in nicht unerheblichem Umfang entstehen kann und die in einer Rechtsverordnung aufgeftlhrt sind. Zwar wurde bis auf den fiir Verbrennungsanlagen geltenden § 8 17. BlmSchV noch keine dementsprechende Rechtsverordnung erlassen, so daß die Grundpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 4

BT-Drs.l2/7284, S. 14. Vgl. ScholzJHemnannIMoraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S. 19. 175 Vgl. Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (241); vgl. auch ScholzJHemnannIMoraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S. 24. 176 Vgl. dazu auch ScholzJHemnannIMoraing, Auslegungs- und Subsumtionsprobleme, S.18ff. 173

174

ADer Rechtsbegriff der Verwertung

155

BImSchG nahezu leer läuft. l77 Trotzdem stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der beiden Regelungsbereiche aus rechtsgrundsätzlichen Erwägungen, zumal bereits ein Entwurf rur eine Rechtsverordnung nach § 5 Abs. 2 BlmSchG existiert. 178 Fraglich ist, ob die immissionsschutzrechtliche und abfallrechtliche Rechtslage voneinander abweichen, wie teilweise behauptet wird. 179 Ein Unterschied könnte darin liegen, daß das immissionsschutzrechtliche Wärmenutzungsgebot nur rur Anlagen gilt, bei denen nutzbare Wärme in nicht unerheblichem Umfang entstehen kann (§ 5 Abs. 2 BImSchG). Diese Voraussetzung dürfte aber, da bei der energetischen Verwertung der Hauptzweck im Einsatz als Ersatzbrennstoff zur Energiegewinnung bestehen muß (vgl. § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG) und außerdem ein bestimmter Heizwert und Feuerungswirkungsgrad eingehalten werden müssen (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 KrW-/AbfG), im Regelfall auch bei einer nach dem KrW-/AbfG zulässigen energetischen Verwertung gegeben sein. 180 Ferner normiert § 8 Satz 1 17. BImSchV in Abweichung von § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG ausdrücklich die Grenzen der technischen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Die Vorschrift des § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG enthält diese Grenzen jedoch ebenfalls. Diese Norm gilt zwar unmittelbar nur rur die Pflicht zur Verwertung von Abflillen und nicht wie § 6 Abs. 2 KrWIAbfG rur die Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen bzw. der rechtlichen Zulässigkeit einer (energetischen) Verwertung. 181 Im Ergebnis dürften sich zum Immissionsschutzrecht aber keine Unterschiede ergeben. Denn auch bei § 8 Satz 1 17. BImSchV geht um die Wärmenutzungspflicht. Außerdem handelt es sich bei der technischen Möglichkeit und der wirtschaftlichen Zumutbarkeit um Kriterien, die bereits nach dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Geeignetheit, Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) zu berücksichtigen sind. Folglich kann man im Hinblick auf § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG nicht von einer "rechtsgrundsätzlichen Disharmonie" zum Immissionsschutzrecht sprechen. 182

Vgl. Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff (642). Es handelt sich um den Entwurf einer sogenannten "Wärmenutzungs-Verordnung" des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorischerheit, der bislang wegen Abstimmungsproblemen innerhalb der Bundesregierung nicht weiterverfolgt wurde, vgl. Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 5, Rn. 744 ff. 179 So wohl Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(642). 180 AA wohl Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(642). 181 Insofern ist Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff (642) zuzustimmen. 182 So aber Rebentisch, NVwZ 1995, S. 639 ff(642). 177

178

156

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG kollidiert nicht mit dem Immissionsschutzrecht, insbesondere nicht mit § 8 17. BlmSchV.

B. Das Verhältnis von stofflicher und energetischer Verwertung Nachdem die Begriffe der stofflichen und der energetischen Verwertung erörtert wurden, ist nunmehr darauf einzugehen, in welchem Verhältnis beide Verwertungarten zueinander stehen und wie ihr Vorrangverhältnis nach dem KrW/AbfG ausgestaltet ist.

J. Die Problematik des Dualismus der Verwertungsarten Das KrW-/AbfG beschreibt die stoffliche und die energetische Verwertung in unterschiedlichen Absätzen des § 4 KrW-/AbfG. Fraglich ist, ob das KrW/AbfG damit auch einen inhaltlichen Dualismus der beiden Verwertungsarten enthält, ob also die stoffliche gegenüber der energetischen Verwertung ein aliud ist, oder ob dem KrW-/AbfG ein einheitlicher Verwertungsbegriff zugrunde liegt und daher eine Verwertungsart ein Unterfall der anderen ist.

1. Die Bedeutung der Problematik

Die Frage, ob dem KrW-/AbfG ein einheitlicher Verwertungsbegriff zugrunde liegt, ist eine umweltpolitische Grundentscheidung. 183 Geht das KrW-/AbfG von einem einheitlichen Verwertungsbegriff aus, so scheint die Frage der Verwertungsart jedenfalls rur das Abfallwirtschaftsrecht nur eine geringe Bedeutung zu haben. Dies wiederum impliziert die grundsätzliche Gleichrangigkeit der beiden Verwertungsarten stoffliche und energetische Verwertung. Gibt es keinen einheitlichen Verwertungsbegriff, kommt der Frage, welcher Verwertungsart der Vorzug zu geben ist, eine größere Bedeutung zu. Es geht dann im Kern um die Frage, ob die stoffliche oder die energetische Verwertung vorrangig ist. Neben der Bedeutung als Grundentscheidung hat dieses Problem aber auch eine weitere, mehr formaljuristische, aber deshalb nicht unwichtigere Dimension. So hängt von seiner Lösung die Prüfungsfolge fUr die Verwertung ab. Bestünde kein einheitlicher Verwertungsbegriff, müßten die Voraussetzungen

183

Vgl. Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(634).

B. Verhältnis stoffliche und energetische Verwertung

157

des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG oder des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG getrennt geprüft werden, wobei zuerst geklärt werden müßte, ob überhaupt eine stoffliche oder eine energetische Verwertung in Betracht kommt. Die Abgrenzung der Verwertung von der Beseitigung findet dann im Rahmen der Prüfung des § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG oder des § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG statt. Geht das KrW-/AbfG demgegenüber von einem einheitlichen Verwertungsbegriff aus, müßte nach den den § 4 Abs. 3, Abs. 4 KrW-/AbfG gemeinsamen Kriterien l84 in einem ersten Schritt geprüft werden, ob eine Verwertungs- oder eine Beseitigungsmaßnahme vorliegt. Erst nach Bejahung des Vorliegens einer Verwertung käme es darauf an, ob eine stoffliche oder eine energetische Verwertung vorliegt, mithin ob § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG oder § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG einschlägig ist. Es geht daher um die Frage, ob der erste Prüfungsschritt in der Abgrenzung der Verwertung von der Beseitigung besteht oder in der Abgrenzung der stofflichen von der energetischen Verwertung. Zu prüfen ist daher, ob dem KrW-/AbfG ein einheitlicher Verwertungsbegriff zugrunde liegt.

2. Einheitlicher Verwertungsbegriff

Gegen einen einheitlichen Verwertungsbegriff spricht auf den ersten Blick überzeugend, daß energetische und stoffliche Verwertung getrennt in Abs. 3 und Abs. 4 des § 4 KrW-/AbfG definiert sind. Auch §§ 4 Abs. 1,6 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG gehen von einem Dualismus der Verwertungsarten stofflicher und energetischer Verwertung aus. Außerdem bezieht sich die Vorrangregelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG auf das Verhältnis der stofflichen zur energetischen Verwertung. § 6 Abs. 1 Satz 1 a) und b) KrW-/AbfG stellt die stoffliche und die energetische Verwertung als Alternativen gegenüber und Satz 2 knüpft daran an. Auch nach seiner Entstehungsgeschichte sollte § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG das Vorrangverhältnis zwischen stofflicher und energetischer Verwertung regeln. 18S Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG regelt daher nicht den Fall einer Vorrangentscheidung zwischen verschiedenen lediglich stofflichen oder lediglich energetischen Verwertungsarten. 186 Im übrigen differenziert auch § 6 Abs. 1 Satz 4 KrW-/AbfG zwischen den Verwertungsarten. Außerdem gelten ausschließlich für die energetische Verwertung die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG. Schließlich soll ein gravierender Unterschied zwischen der energetischen und stofflichen Verwertung darin

184 Diese sind: (1) Nutzung (brenn)stofflicher Eigenschaften und (2) Ersetzung von Rohstoffen. 185 Vgl. die Begründung des Umweltausschusses zu seiner Empfehlung, BT-Drs. 12/7284, S. 14. 186 So auch Fluck, NuR 1995, S. 233 ff(240).

158

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

liegen, daß die Verbrennung bei der energetischen Verwertung stets zur Volumenreduzierung des Abfalls rühre und damit zumindest auch stets der Abfallbeseitigung in Gestalt der thermischen Behandlung diene. 187 Dies sei darin begrUndet, daß die Verbrennung - anders als stoffliche Verwertungsverfahren per se eine Schadstoffsenke sei. 188 Für einen einheitlichen Verwertungsbegriff spricht zunächst Anhang 11 B des KrW-/AbfG. Anhang 11 B ist allgemein mit "Verwertungsverfahren" überschrieben. Unter den Oberbegriff "Verwertungsverfahren" faßt der Anhang n B einerseits Verfahren zur Rückgewinnung und Wiedergewinnung von Stoffen (z.B. in R 1-4, 6,7) andererseits aber auch die Verwendung als Brennstoff (R 9). Anhang 11 B sieht daher keinen inhaltlichen Dualismus von stofflicher und energetischer Verwertung vor. Außerdem kennt das KrW-/AbfG beim Begriff der Abfallbeseitigung keine unterschiedlichen Definitionsansätze für stoffliche und thermische Beseitigungsverfahren. 189 Nach § 4 Abs. 3 und Abs. 4 KrW-/AbfG ist aber gerade zu prUfen, ob eine stoffliche bzw. energetische Verwertung oder eine Beseitigung vorliegt. Dies könnte dafilr sprechen, daß das KrW-/AbfG davon ausgeht, der Beseitigung stehe eine Verwertung gegenüber. Weiteren Aufschluß darüber, ob die energetische Verwertung ein spezieller Unterfall der stofflichen Verwertung ist, könnte eine Prüfung nach § 4 Abs. 3, Abs. 4 KrW-/AbfG erbringen. Wäre die energetische Verwertung die speziellere Verwertungsart, würde dem KrW-/AbfG ein einheitlicher Verwertungsbegriff zugrunde liegen. Die energetische Verwertung wäre ein spezieller Unterfall der stofflichen Verwertung, wenn sie alle Merkmale der stofflichen Verwertung enthalten würde und darüber hinaus noch weitere enthielte. Der stofflichen und der energetischen Verwertung ist die Nutzung des Abfalls zu einem bestimmten Zweck gemeinsam. Durch die stoffliche Verwertung müssen irgendwelche stofflichen Eigenschaften zu einem bestimmten Zweck genutzt werden. Bei der energetischen Verwertung liegt der Zweck in der Nutzung als Ersatzbrennstoff zur Energiegewinnung. In beiden Fällen müssen durch die Nutzung andere Stoffe ersetzt werden. Durch stoffliche Verwertung müssen Rohstoffe, durch energetische Verwertung müssen (konventionelle) Brennstoffe ersetzt werden. Auch konventionelle Brennstoffe müssen aus fossilen Primärrohstoffen hergestellt werden. Deshalb geht es bei der energetischen Verwertung letztlich auch um die Ersetzung von Rohstoffen. Allerdings ist die Abgrenzung der stofflichen von der energetischen Verwertung auch teilweise nach inhaltlich voneinander abweichenden Kriterien vorzunehmen. So ist ausschließlich rur die stoffliche Verwertung eine wirt187 188 189

Auf diese Bifunktionalität weist Fluck, NuR 1995, S. 233 ff(235) hin. Vgl. Fluck, NuR, S. 233 ff(236). Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(634/635).

B. Verhältnis stoffliche und energetische Verwertung

159

schaftliche Betrachtungsweise erforderlich. Außerdem stellt das KrW-/AbfG nur der stofflichen Verwertung die Beseitigung des Schadstoffpotentials gegenüber (vgl. § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG). Bei der energetischen Verwertung sind demgegenüber die entstehenden bzw. zurückbleibenden Abfälle und die Emissionen zu berücksichtigen (vgl. § 4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG). Bereits oben wurde jedoch gezeigt, daß dem Merkmal der Beseitigung des Schadstoffpotentials und den Emissionen keine bzw. eine zu vernachlässigende geringe Bedeutung zukommt. Auch die bei der Beurteilung des Vorliegens einer stofflichen Verwertung vom Gesetz geforderte "wirtschaftliche Betrachtungsweise" flilIt letztendlich nicht ins Gewicht. Energieerzeugung hat immer einen wirtschaftlichen Bezug, da es immer einen Grundbedarf an Energie geben wird. Bei der Energieerzeugung besteht nicht die Gefahr der Erzeugung eines Produkts aus Abfall, das keinerlei wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit besitzt und das lediglich erzeugt wird, um der sonst eintretenden abfallrechtlichen Beseitigungspflicht zu entgehen. Deshalb war die Normierung des Wirtschaftlichkeitskriteriums fur die energetische Verwertung entbehrlich. Die Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit gilt im übrigen nach § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG auch fiir die energetische Verwertung. Die bei der energetischen Verwertung geforderte Berücksichtigung der entstehenden bzw. zurückbleibenden Abfälle verlangt eine quantitative masse- oder volumenbezogene Betrachtungsweise. Die Berücksichtigung der Masse des regenerierten Abfalls ist aber auch bei der fur die stoffliche Verwertung geltenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht ausgeschlossen. Die energetische Verwertung enthält daher alle Merkmale der stofflichen Verwertung. Darüber hinaus weist sie aber noch ein spezielles Merkmal auf, das sie von der stofflichen Verwertung unterscheidet. Die Besonderheit liegt darin, daß das Produkt der energetischen Verwertung ein Brennstoff ist, der konventionelle Brennstoffe substituiert. Würde das KrW-/AbfG eine einheitliche Terminologie verwenden, wäre es genauer, die energetische Verwertung als brennstoffliche Verwertung zu bezeichnen. 190 Die energetische Verwertung ist folglich ein Spezialfall der stofflichen Verwertung. Daraus folgt zugleich, daß dem KrW-/AbfG ein einheitlicher Verwertungsbegriff zugrunde liegt. Dieses Ergebnis wird auch von der Entstehungsgeschichte des KrW-/AbfG getragen. So grenzte die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf stoffliche und energetische Verwertung mit gemeinsamen Kriterien, nämlich Bewertung der Stoffbeschaffenheit und Haupt- und Nebenzweck gegenüber der Entsorgung ab. 19 !

190 Vgl. auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (635), der die energetische Verwertung nach dem KrW-/AbfG als brennstoffliche Verwertung einordnet; vgl. auch Queitsch, KrW-/AbfG, § 4, Anm. 5., S. 108; vgl. Fraunhofer-Institut, Gutachten, S. 13. 191 BR-Drs.245/93, S. 126.

160

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Folglich liegt dem KrW-/AbfG ein einheitlicher Verwertungsbegriffzugrunde. 11. Die Vorrangregelungen Das Vorrangverhältnis der beiden Verwertungsarten regelt § 6 KrW-/AbfG. 1. Der Grundsatz der Gleichrangigkeit von stofflicher und energetischer Verwertung

Nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr.2 KrW-/AbfG (" ... oder ... ")192 und dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 KrW-AbfG stehen stoffliche und energetische Verwertung gleichrangig nebeneinander. 193 Demgegenüber sah der Gesetzentwurf der Bundesregierung noch einen "Sollvorrang" zugunsten der stofflichen Verwertung vor. 194 Auch die Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW/AbfG, nach der der umweltverträglicheren Verwertungsart der Vorrang zukommen soll, verdeutlicht, daß das KrW-/AbfG keine generelle Regelung über den Vorrang einer Verwertungsart treffen will. Die Rangfolge der Verwertungsarten ist allein in § 6 KrW-/AbfG geregelt. 195

2. Der Vorrang der umweltverträglicheren Verwertungsart

Die Entscheidung über den Vorrang der stofflichen oder der energetischen Verwertung überläßt das KrW-/AbfG einerseits dem Verordnungsgeber (§ 6 Abs. 1 Satz 4 KrW-/AbfG), andererseits der Behörde im Einzelfall (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG). a) Festlegung durch Rechtsverordnung

Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 4 KrW-/AbfG ermächtigt die Bundesregierung zum Erlaß von Rechtsverordnungen, in denen rur bestimmte Abfallarten der Vorrang der stofflichen oder der energetischen Verwertung festgelegt werden kann. Inhaltliche Kriterien rur solche Verordnungen enthalten § 6 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 KrW-/AbfG. Danach soll § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG entsprechend gelten und der Vorrang aufgrund der in § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG genannten Anforderungen bestimmt werden. Das bedeutet, der Vorrang der 192 Vgl. Queitsch, KrW-IAbfG, § 4, Anm. 3., S. 107.

Vgl. Fluck, in: Fluck, KrW-IAbfG, § 4, Rdnr. 66. Vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BR-Drs.245/93, S. 11. 195 Vgl. Fluck, in: Fluck, KrW-IAbfG, § 4, Rdnr. 66. 193

194

B. Verhältnis stoffliche und energetische Verwertung

161

betreffenden (stofflichen oder energetischen) Verwertungsart muß technisch möglich, wirtschaftlich zumutbar und umweltverträglicher als die jeweils andere Verwertungart sein. Bereits aus dem Wortlaut von § 6 Abs. I KrW-/AbfG ergibt sich, daß die Vorschrift nicht auf den Vorrang mehrerer möglicher Verwertungsverfahren innerhalb der Verwertungsarten anwendbar ist. 196

b) Entscheidung im Einzelfall Gibt es keine Rechtsverordnung nach § 6 Abs. I Satz 4 KrW-/AbfG, könnte § 6 Abs. I Satz 2 KrW-/AbfG im Einzelfall unmittelbar anzuwenden sein. Vorrang hat danach die besser umweltverträgliche Verwertungsart. Die Bedeutung des § 6 Abs. I Satz 2 KrW-/AbfG könnte sich aber auch auf die Bedeutung als Handlungsanweisung fUr den Verordnungsgeber beschränken. Daflir könnte insbesondere § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG sprechen. Danach ist eine energetische Verwertung - soweit der Vorrang einer Verwertungsart nicht in einer Rechtsverordnung nach § 6 Abs. I KrW-/AbfG festgelegt ist - "nur" unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-AbfG zulässig. Gegen die gesonderte Prüfung der umweltverträglicheren Verwertungs art im Rahmen der Prüfung nach § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG wird sein Zweck eingewandt, der in der Vereinfachung der Einzelfallprüfung bestehen soll.197 Die Komplexität der Bewertung der umweltverträglicheren Verwertungsart spreche flir eine Umweltverträglichkeitsprüfung durch den Verordnungsgeber und gegen eine Umweltverträglichkeitsprüfung durch die Behörde im Einzelfall. 198 Deshalb trete die Vorschrift des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG bis zum Erlaß einer Rechtsverordnung vollständig an die Stelle einer Umweltverträglichkeitsprüfung. 199 Im Rahmen der Prüfung des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG sei es daher nicht erforderlich, die umweltverträglichere Verwertungsart gesondert zu prüfen. 200 Gegen eine Prüfung der Umweltverträglichkeit könnte auch die Gesetzgebungsgeschichte sprechen. Eine dem § 6 Abs. I Satz 4 KrW-/AbfG vergleichbare Regelung empfahl der Umweltausschuß des Bundestages. Dabei sollte die Verordnungsermächtigung in einem eigenständigen Absatz 3 geregelt wer-

So im Ergebnis auch Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 6, Rdnr. 46. Vgl. im einzelnen Fluck, NuR 1995, s. 233 ff(240). 198 Vgl. Petersen/Rid, NJW 1995, S. 7ff(ll). 199 Fluck, NuR 1995, S. 233 ff(240). 200 Fluck, NuR 1995, S. 233 ff(240); vgl. auch PetersenlRid, NJW 1995, S. 7 ff(ll); vgl. auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(638). 196 197

11 Schimanek

162

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

den. 201 Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 dieser Empfehlung war mit dem jetzigen § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG weitgehend identisch, während § 6 Abs. 1 dieser Empfehlung weitgehend § 6 Abs. 1 Satz 1-3 KrW-/AbfG entsprach. Im hier zu erörternden Zusammenhang ist § 6 Abs. 1 Satz 2 der Beschlußempfehlung des Umweltausschusses hervorzuheben, der von einer "... gleichwertigen Umweltverträglichkeit nach Maßgabe der in Abs. 2 genannten Voraussetzungen ... " sprach. Der Umweltausschuß des Bundestages sah wohl energetische und stoffliche Verwertung als gleich umweltverträglich an, wenn die Kriterien des § 6 Abs. 2 vorliegen. Daraus könnte sich ableiten lassen, daß die Kriterien des § 6 Abs. 2 an die Stelle einer Umweltverträglichkeitsprüfung treten sollten. In diese Richtung zielt auch die Begründung des § 6 Abs. 2, nach welcher die Norm "... die einzelnen Voraussetzungen der gleichwertigen Umweltverträglichkeit ... " regeln sollte. 202 Daß die Ermächtigungsgrundlage fUr die Rechtsverordnung im jetzigen § 6 KrW-/AbfG nicht mehr in einem eigenständigen Absatz enthalten ist, könnte lediglich formelle Gründe haben. 203 Allerdings schließt die Begründung des Umweltausschusses nicht zwingend aus, die Umweltverträglichkeit zusätzlich zu den in § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG aufgefUhrten Kriterien zu prüfen. Für eine zusätzliche Prüfung der Umweltverträglichkeit spricht die Systematik des § 6 KrW-/AbfG. § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG gebietet, der umweltverträglicheren Verwertungs art den Vorrang einzuräumen. Die Ermächtigungsgrundlage für Rechtsverordnungen ist getrennt davon in § 6 Abs. 1 Satz 4 KrW/AbfG geregelt. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG ist nach der Systematik folglich die Grundnorm fUr die Bestimmung des Vorrangverhältnisses von stofflicher und energetischer Verwertung. Für eine gesonderte Prüfung der Umweltverträglichkeit spricht vor allem das Anliegen des Gesetzgebers des KrW-/AbfG, den Vorrang sowohl der Verwertung vor der Beseitigung als auch der Verwertungsarten untereinander von einer Prüfung der Umweltverträglichkeit abhängig zu machen. 204 Normativ findet dieses Anliegen in § 5 Abs. 5 und § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG seinen Ausdruck. Der Wortlaut des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG schließt eine Umweltverträglichkeitsprüfung zusätzlich zu den Kriterien des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG nicht aus. Nach § 6 Abs. 1 Satz 4 KrW-/AbfG ist der Vorrang auch unter BT-Drs.12/7240, S. 8. BT-Drs.12/7284, S. 14. 203 Vgl. Versteyl/Wendenburg, NVwZ 1994, S. 833 ff(838). 204 Siehe BT-Drs. 1217284, S. 14. Dort heißt es: Satz 2 stelle klar, "..... daß die besser umweItverträgliche Verwertungsart Vorrang besitzt. Im Einzelfall hat die Behörde hierfür den Beweis zu fUhren". Der Gesetzgeber ging folglich davon aus, § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG sei auch im Einzelfall - also nicht nur bei Rechtsverordnungen anzuwenden. 201

202

C. Das Verhältnis von Verwertung und Beseitigung

163

Berücksichtigung der in § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG genannten Anforderungen zu bestimmen. Deshalb sollen die Kriterien nach § 6 Abs. 1 ("besser umweltverträglichere Verwertungsart") und § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG immer bei der Bestimmung des Vorrangverhältnisses von stofflicher und energetischer Verwertung berücksichtigt werden. Auch im Einzelfall ist daher eine Prüfung vorzunehmen, ob die energetische oder die stoffliche Verwertung die umweltverträglichere Verwertungsart ist. 205

C. Das Verhältnis von Verwertung und Beseitigung Nachdem der Verwertungsbegriffund die Vorrangregelungen für die Verwertungsarten geklärt wurden, soll nunmehr auf das Verhältnis zwischen Verwertung und Beseitigung eingegangen werden. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG sind Erzeuger und Besitzer von Abflillen verpflichtet, diese nach Maßgabe des § 6 KrW-/AbfG zu verwerten. Die Verwertung von Abflillen hat nach § 5 Abs. 2 Satz 2 KrW-/AbfG Vorrang vor deren Beseitigung. Das bedeutet, daß die Verwertungspflicht vorrangig zu erfüllen ist. 206 Werden Abflille nicht verwertet, sind sie nach § 10 Abs. 1 KrW/AbfG zu beseitigen. "Echte" Vorrangregelungen enthalten § 5 Abs. 5 und Abs. 6 KrW-/AbfG. Danach entflillt der Vorrang der Verwertung von Abflillen, wenn deren Beseitigung umweltverträglicher ist, § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG. Außerdem gilt der Vorrang der Verwertung nicht rur AbfliIle, die unmittelbar und üblicherweise durch Maßnahmen der Forschung und Entwicklung anfaIlen, § 5 Abs. 6 KrW-/AbfG. Obwohl der Wortlaut des § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG das Vorrangverhältnis nicht erwähnt, ist auch diese Vorschrift als eine Vorrangregelung einzustufen. Die Verwertungspflicht ist gemäß § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG nur einzuhalten, wenn die Verwertung technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist. Ist eine Verwertung technisch nicht möglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar, kann zwar

205 So wohl auch Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (240/241), der meint, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG würden die bei der Beurteilung der Umweltverträglichkeit nach § 5 Abs. 5 Satz 2 KrW-/AbfG zu prüfenden Kriterien berücksichtigt. 206 Fluck, NuR 1995, S.233 ff (238); vgl. zu den möglichen Bedeutungsinhalten einer Vorrangregelung und insbesondere zu § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986: Mann, Abfallverwertung, S. 70-78 und Tettinger/Asbeck-SchröderlMann, Vorrang der Abfallverwertung, S. 30-43.

164

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

verwertet werden, es besteht jedoch keine Pflicht dazu. Die gesetzliche Pflicht zur Verwertung entscheidet letztendlich auch darüber, ob diese gegenüber der Beseitigungspflicht vorrangig ist. Folglich ist § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG als Vorrangregelung zu interpretieren. Im folgenden sollen zunächst die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 KrWIAbfG und danach die des § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG erörtert werden. I. Die technische Möglichkeit der Verwertung Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG ist die Verwertungspflicht unter anderem einzuhalten, soweit dies technisch möglich ist. Den Begriff "technisch möglich" definiert das KrW-IAbfG nicht. In Satz 2 der Vorschrift ist lediglich beispielhaft aufgeführt, daß eine Vorbehandlung von Abfällen die technische Möglichkeit der Verwertung nicht ausschließt. Der Beispielcharakter ergibt sich aus der Verwendung des Wortes "auch".

1. Stand der Technik

Anhaltspunkte für die Interpretation des Begriffes "technisch möglich" könnten sich aus der in § 12 Abs. 3 KrW-/AbfG enthaltenen Definition des "Standes der Technik" ergeben. 207 Möglicherweise verwendet das KrW-/AbfG das Begriffspaar "technisch möglich" im gleichen Sinn. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG ist "Stand der Technik" der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme für eine umweltverträgliche Abfallbeseitigung gesichert erscheinen läßt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg im Betrieb erprobt worden sind. Die abfallrechtliche Defmition des "Standes der Technik" ist daher mit der in § 3 Abs. 6 BImSchG enthaltenen immissionsschutzrechtIichen Definition des Standes der Technik nahezu identisch. Folglich kann die Auslegung des § 3 Abs. 6 BlmSchG auch für die Bestimmung des Inhalts der Tatbestandsmerkmale des § 12 Abs. 3 KrW-/AbfG herangezogen werden. 208

So wohl v.Köller, KrW-/AbfG, § 5, S. 70. Die Auslegung des § 3 Abs. 6 BlmSchG wird auch beim in § 4 Abs. 5 AbfG 1986 enthaltenen Begriff des Standes der Technik herangezogen, vgl. HöseVv.Lersner, AbfG, § 4, Rdnr. 47; vgl. auch Kunig, in: KlSN, AbfG, § 4, Rdnr. 46. 207

208

c. Das Verhältnis von Verwertung und Beseitigung

165

Nicht genügend ist für den Stand der Technik, daß eine Maßnahme bislang lediglich wissenschaftlich geeignet erscheint209 , worin auch ein Unterschied zum Begriff des "Standes von Wissenschaft und Technik" liegt. 210 Bereits der Wortlaut des § 12 Abs. 3 KrW-/AbfG verdeutlicht, daß ein bestimmter Stand der Betriebserprobung nicht erforderlich ist, sondern ein Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren genügt. Die erfolgreiche Betriebserprobung ist ein wichtiges Indiz für die praktische Eignung einer Maßnahme, die nach dem KrW-/AbfG als gesichert erscheinen muß. Zwingende Voraussetzung für das Vorliegen des Standes der Technik ist sie jedoch nicht. 211 Ziel der Normierung des "Standes der Technik" ist die Dynamisierung des Umweltschutzes. 212 Der Begriff "Stand der Technik" ermöglicht es daher grundsätzlich auch, die Anwendung neuer Techniken vorzuschreiben. 213 Praktisch geeignet im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG kann ein Verfahren schon dann sein, wenn es theoretisch entwickelt und zumindest auch in Versuchen erfolgreich erprobt wurde. Allerdings darf derjenige, dem ein solches Verfahren behördlicherseits vorgeschrieben wird, keinem unzumutbaren Risiko ausgesetzt werden. 214 Die in § 12 Abs. 3 KrW-/AbfG enthaltene Definition des Standes der Technik läßt sich jedoch nicht auf den in § 5 Abs. 4 KrW -/AbfG enthaltenen Begriff des technisch Möglichen übertragen. Die Entstehungsgeschichte des KrW -/AbfG schweigt zwar dazu. Daß das KrW-/AbfG zwei unterschiedliche Formulierungen mit gleichem Bedeutungsgehalt verwendet, der Gesetzgeber somit sprachlich ungenau formuliert, ist jedoch nicht anzunehmen, zumal dem Gesetzgeber die mit der Verwendung der Begriffe des "technisch Möglichen" und des "Stan-

Vgl. BVerwG, Buchholz, 406.25, § 3 BImSchG, Nr. 9. Vgl. Feldhaus, BlmSchR, § 3 BlmSchG, Anm. 19 zu § 3 Abs. 6 BImSchG. Den Begriff "Stand von Wissenschaft und Technik" verwenden z.B. § 3 Abs. 4 AbwAG, §§ 4 Abs. 2 Nr.3, 6 Abs. 2 Nr.2, 7 Abs. 2 Nr. 3, 9 Abs. 2 Nr. 3, 26 Abs. 4 Nr. 1 AtG, §§ 7 Abs. 2, 13 Abs. 1 Nr. 4, 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG. 211 Vgl. BVerwG, Buchholz, 406.25, § 3 BImSchG, Nr. 9; vgl. auch Tettinger/AsbeckSchröder/Mann, Vorrang der Abfallverwertung, S. 64 zu "technisch möglich" LS.d. § 3 Abs. 6 Satz 2 BlmSchG: die erfolgreiche Erprobung werde nur für den Regelfall verlangt. 212 Vgl. BT-Drs.7/1513, S. 2/3 zu § 3 Abs. 6 BImSchG; vgl. auch Feldhaus, BImSchR, § 3 BImSchG, Anm. 15. 213 Vgl. BVerfGE 49, S. 89 ff (135): der rechtliche Maßstab für das Erlaubte oder Gebotene werde hierdurch an die Front der technischen Entwicklung verlagert; vgl. auch Jarass, BlmSchG, 3. Autl., § 3, Rdnr. 81. 214 Vgl. BVerwG, Buchholz, 406.25, § 3 BImSchG, Nr. 9; vgl. auch Jarass, BImSchG, 3.Autl., § 3, Rdnr. 81und Kutscheidt, in LandmannIRohmer, BImSchG, § 3, Rdnr. 29 zu § 3 Abs. 6 BlmSchG. 209 210

166

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

des der Technik" verbundene Problematik wegen der Parallelen zum Immissionsschutzrecht bekannt war. 215 Für diese Auslegung spricht auch, daß "technisch möglich" LS.d. § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986 nicht mit dem "Stand der Technik" gleichgesetzt wird. 216 Für das Vorliegen der technischen Möglichkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG genügt es, wenn irgendein geeignetes Verfahren zur VerfUgung steht.217 Hätte der Gesetzgeber des KrW-/AbfG davon abweichen wollen, so hätte er dies zum Ausdruck bringen müssen. Der Begriff des Standes der Technik und der Begriff des technisch Möglichen sind daher nicht identisch.

2. Subjektive oder objektive Interpretation

Vom Wortlaut her kann "technisch möglich" im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG zweierlei bedeuten. Technisch möglich könnte objektiv verstanden werden als die "Gesamtheit der gegenwärtig verfahrenstechnisch realisierten Methoden der Abfallverwertung".218 Technisch nicht möglich in diesem Sinne wären daher zwar wissenschaftlich entwickelte, aber technisch noch nicht umgesetzte Verwertungsverfahren. Damit würden lediglich (technisch) noch nicht realisierbare Verfahren ausgegrenzt. Versteht man technisch möglich dagegen in einem subjektivindividualisierenden Sinne, käme es darauf an, ob dem jeweiligen Abfallbesitzer oder -erzeuger nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten eine Abfallverwertung möglich ist. 219 Damit wäre eine einzelfallbezogene und

215 Vgl. Stich/Porger, ImmSchR, § 5 BImSchG, Anm. 22; UlelLaubinger, BImSchG, § 5, Rdnr. 5; VG Schleswig, NuR 1983, S. 36 f(36); die den Begriff "technisch möglich" (§ 5 Abs. I Satz 3 BImSchG) mit dem Begriff des "Standes der Technik" (§ 3 Abs. 6

BImSchG) gleichsetzen. Vgl. andererseits Feldhaus, BImSchR, § 5 BImSchG, Anm. 9; Jarass, BImSchG, 3. Aufl. § 5, Rdnr. 74; Rehbinder, DVBI. 1989, S.496 ff(501); Fluck, NuR 1989, S. 409 ff (415); Hansmann, NVwZ 1990, S. 409 ff (412), die dem Begriff "technisch möglich" einen dem "Stand der Technik" unterschiedlichen Sinngehalt zuweisen. 216 Vgl. Kunig, in: KJSN, AbfG, § 3, Rdnr. 35; vgl. auch HoschützkylKreft, AbfG, § 3, Anm. 3.1.1 und HöseVv.Lersner, AbfG, § 3, Rdnr. 18. 217 Vgl. Kunig, in KJSN, AbfG, § 3, Rdnr. 35; vgl. auch HoschützkylKreft, AbfG, § 3, Anm.3.1.1. 218 Vgl. Mann, UPR 1995, S. 180 ff(180). 219 Vgl. Mann, UPR 1995, S. 180 ff(l81); vgl. auch Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 5, Rdnr.169.

c. Das Verhältnis von Verwertung und Beseitigung

167

nicht auf ein allgemein bestimmtes technisches Niveau gerichtete Sichtweise bestimmend.220 Für eine subjektiv-individualisierende und gegen eine objektive Betrachtungsweise spricht, daß § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG die Einhaltung der Verwertungspflicht regelt und diese wiederum gemäß § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG den Erzeugern und Besitzern von Abfallen obliegt. Die Norm regelt daher dem Einzelnen obliegende Pflichten. Dementsprechend erfordert die Prüfung der ebenfalls in § 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG normierten Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit eine individualisierende Betrachtungsweise. 221 Zudem wird das in § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986 enthaltene Begriffspaar "technisch möglich" ebenfalls individualisierend ausgelegt. 222 Der Gesetzgeber des KrW-/AbfG hätte es zum Ausdruck gebracht, wenn er von der individualisierenden Sichtweise des § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986 abweichen wollte. Allerdings kann eine individualisierende Sichtweise nicht bedeuten, daß der jeweilige Abfallerzeuger bzw. -besitzer einwenden kann, er selbst sei zum Einsatz technisch realisierbarer Verfahren noch nicht in der Lage. Dann könnte die Verwertungspflicht ausgehebelt werden. Zudem ist der jeweilige Abfallbesitzer/-erzeuger bereits hinreichend dadurch geschützt, daß ihm eine Verwertungsmaßnahme wirtschaftlich zumutbar sein muß. Deshalb sind Untergrenze des technisch Möglichen die Verfahren, die gegenwärtig realisierbar sind. Sind darüber hinaus dem jeweiligen Abfallbesitzer/-erzeuger andere Verfahren möglich, so verschiebt sich die Grenze des technisch Möglichen nach oben. Zu prüfen ist ferner, ob "technisch möglich" bedeutet, daß dem Entsorgungspflichtigen eigene oder zumindest von ihm initiierte Anstrengungen der Entwicklung obliegen. 223 Dagegen spricht aber, daß § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG (" ... ist einzuhalten ... ") das Bestehen einer Verwertungspflicht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG bereits voraussetzt. Die Vorschrift schränkt die Verwertungspflicht ein. Diese Erwägung stimmt mit der des Umweltausschusses des Bundestages überein. Danach sollte § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG Regelungen zur Begrenzung der Vermeidungs- und Verwertungspflicht u.a. aus Gründen der wirtschaftlichen Zumutbarkeit enthalten. 224 Der Begriff der technischen Möglichkeit hat daher keine pflichtenbegründende oder -erweiternde Wirkung. Deshalb muß der je-

220 So Tettinger/Asbeck-Schröder/Mann, Vorrang der Abfallverwertung, S. 60 zu § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986. 221 Vgl. auch Mann, UPR 1995, S. 180 ff{l84). 222 Zur Berücksichtigung der Auslegung des § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986, vgl. PetersenlRid, NJW 1995, S. 7 ff(II). 223 So zu § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986 Hösel/v.Lersner, AbfG, § 3, Rdnr. 18. 224 BT-Drs.12/7284, S.14.

168

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

weilige Abfallbesitzer oder -erzeuger auch keine eigene Leistung zur technischen Entwicklung von Verwertungsverfahren erbringen. Der Begriff "technisch möglich" ist daher objektiv-individualisierend auszulegen. Technisch möglich ist ein Verfahren, wenn es nach dem neuestern technischen Erkenntnisstand realisierbar ist oder wenn es - darüber hinaus mindestens individuell technisch durchftlhrbar ist. 225

3. Einbeziehung ökologischer Belange

Der Vollständigkeit halber sei hier angesprochen, daß eine Verwertung auch dann ftlr technisch nicht möglich gehalten wird, wenn die vorgesehene Art der Verwertung sich insgesamt nachteiliger auf die Umwelt auswirke als andere Entsorgungsmethoden. 226 Einen solchen ökologischen Vergleich verlangt das KrW-/AbfG jedenfalls auf dieser Prüfungsstufe noch nicht. Die Frage nach der umweltverträglicheren Lösung spielt ausdrUcklich erst nach §§ 5 Abs. 5, 6 Abs. I Satz 2 KrW-/AbfG ftlr den Vorrang der Verwertung vor der Beseitigung bzw. tUr den Vorrang einer Verwertungsart eine Rolle. Im übrigen wUrden damit die Anforderungen des technisch Möglichen über den Stand der Technik hinausgehen. Denn nach § 12 Abs. 3 KrW-/AbfG muß die praktische Eignung einer Maßnahme lediglich tUr eine umweltverträgliche Abfallbeseitigung gesichert erscheinen. Der Begriff des technisch Möglichen verlangt daher als solcher nicht die Berücksichtigung ökologischer Belange.

11. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit Die Pflicht zur Verwertung von Abfllllen ist nur einzuhalten, soweit dies auch wirtschaftlich zumutbar ist. Als Beispiel tUr die wirtschaftliche Zumutbarkeit nennt das KrW-/AbfG, dem § 3 Abs.2 Satz 3 AbfG 1986 vergleichbar, insbesondere das Vorhandensein oder die Möglichkeit der Schaffung eines Marktes. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit ist außerdem gern. § 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG gegeben, wenn die mit der Verwertung verbundenen Kosten nicht außer Verhältnis zu den Kosten stehen, die ftlr eine Abfallbeseitigung zu tragen wären. Mit der letztgenannten Voraussetzung knüpft das KrW-/AbfG an die in § 3 Abs.2 Satz 3 AbfG 1986 enthaltene Voraussetzung an, daß die

225 Vgl. Mann, UPR 1995, S.180 ff(185); vgl. auch PetersenJRid, NJW 1995, S. 7 ff (11); vgl. auch Tettinger/Asbeck-SchröderlMann, Vorrang der Abfallverwertung, S. 70/71 zu "technisch möglich" i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986. 226 v.Köller, KrW-/AbfG, § 5, S.70.

C. Das Verhältnis von Verwertung und Beseitigung

169

Mehrkosten der Verwertung im Vergleich zu anderen Entsorgungsverfahren nicht unzumutbar sein dürfen. 227 Nachdem der Begriff des Marktes bereits oben erläutert wurde, ist nunmehr erörterungsbedürftig, ob mit dem begrifflichen Wandel von der noch in § 3 Abs.2 Satz 3 AbfG 1986 enthaltenen (schlichten) Zumutbarkeit zur wirtschaftlichen Zumutbarkeit nach § 5 Abs.4 Satz 1 KrW-/AbfG auch ein Bedeutungswandel einhergeht. So wird zum KrW-/AbfG die Ansicht vertreten, bei der Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit handele es sich um eine lediglich betriebswirtschaftliehe Betrachtung der Frage, wo die Opfergrenze liege. 228 Zu klären ist, ob auch der Begriff der wirtschaftlichen Zumutbarkeit, wie bisher der der schlichten Zumutbarkeit, offen ist für die Berücksichtigung nichtwirtschaftlicher Belange des Gemeinwohls229 , wie beispielsweise durch die Verwertung erreichbare Umweltentlastungen. 230 Wären solche nichtwirtschaftlichen Belange des Gemeinwohls weiterhin zu berücksichtigen, würde das Tatbestandsmerkmal "wirtschaftlich" nur einige Gesichtspunkte der viel umfassenderen "Zumutbarkeit" konkretisieren, und zwar nicht abschließend. Eine Abfallverwertungsmaßnahme wäre auch dann wirtschaftlich zumutbar, wenn sie wegen der mit einer Beseitigungsmaßnahme verbundenen Umweltbelastungen geboten ist. Das heißt, der Abfallbesitzer oder -erzeuger müßte die mit der Abfallverwertung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile möglicherweise hinnehmen, wenn die mit einer Abfallbeseitigung verbundenen Umweltnachteile überwiegen. In den Gesetzgebungsmaterialien heißt es zum Kriterium der "wirtschaftlichen Zumutbarkeit", damit solle das "... volkswirtschaftliche Interesse und das Wohl der Allgemeinheit ... ,,231 gewahrt werden. Auf den ersten Blick spricht dies dafür, eine umfassende Zumutbarkeitsprüfung vornehmen zu müssen. Allerdings führt die Gesetzesbegründung nicht aus, ob das Wohl der Allgemeinheit generell berücksichtigt werden muß oder lediglich in seinen wirtschaftlichen Bezügen. Die Gesetzesbegründung hilft hier also nicht weiter. Für eine umfassende Prüfung sprechen die in § 1 KrW-/AbfG niedergelegten Zwecke des neuen Abfallrechts der Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abflillen und der Ressourcenschonung. Diese Zwecke sind nicht be-

Vgl. auch Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (238). So wohl v.Köller, KrW-/AbfG, § 5, S. 70; vgl. zum AbfG 1986 auch Hösel/v. Lersner, AbfG, § 3, Rdnr. 21, die nicht wirtschaftliche Belange des Gemeinwohls unter dem Gesichtspunkt der "Unzumutbarkeit" der Mehrkosten prüfen wollen. 229 So Hösel/v.Lersner, AbfG, § 3, Rdnr. 21. 230 So Kunig, in KlSN, AbfG, § 3 AbfG, Rdnr. 35. 231 So jedenfalls die Begründung des Regierungsentwurfs, BR-Drs. 245/93, S. 130. 227

228

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

triebswirtschaftlich orientiert. Die Zwecke eines Gesetzes sind bei der Auslegung der in ihm enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe zu berücksichtigen. Der Wortlaut legt es aufgrund der adjektivischen Verbindung der beiden Begriffe nahe, die wirtschaftliche Zumutbarkeit als spezielle, nichtwirtschaftliche Belange nicht umfassende, Zumutbarkeitsart aufzufassen. Für eine rein wirtschaftliche Sichtweise spricht auch, daß § 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG den Begriff der wirtschaftlichen Zumutbarkeit scheinbar abschließend mit dem dort angeordneten Kostenvergleich definiert. Gegen die auf den ersten Blick treffende Annahme einer Legaldefinition spricht allerdings die im gleichen Absatz in § 5 Abs. 4 Satz I KrW-/AbfG enthaltene Voraussetzung "... insbesondere ... " des Vorhandenseins oder der HersteIlbarkeit eines Marktes. Diese Voraussetzung kann sich sinnvoll nur auf die wirtschaftliche Zumutbarkeit und nicht auf die technische Möglichkeit der Abfallverwertung beziehen. Bei der PrUfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit sind daher neben den Anforderungen nach § 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG auch die nach Satz I zu berUcksichtigen. Auch bei der Anforderung des Vorhandenseins oder der Schaffung eines Marktes handelt es sich aber um einen wirtschaftlichen Belang. Der Wortlaut der Norm spricht daher gegen die BerUcksichtigung nichtwirtschaftlicher Belange. Möglicherweise lassen sich Argumente aus der vergleichenden Betrachtung der Entwicklung des Zumutbarkeitskriteriums in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG gewinnen. Das in dieser Vorschrift enthaltene Tatbestandsmerkmal "unzumutbar" ist an die Stelle des früher in dieser Bestimmung enthaltenen Merkmals "wirtschaftlich nicht vertretbar" getreten. Das letztgenannte Tatbestandsmerkmal war stark umstritten. Streitig war insbesondere, ob Umweltbelastungs- bzw. -entlastungseffekte berUcksichtigungsfiihig waren. Wegen des Zwecks des Gesetzes wurde teilweise vertreten, daß bei der Prüfung der "Vertretbarkeit" Umweltaspekte berUcksichtigt werden müßten. 232 Die Entscheidung dieses Streits kann hier dahinstehen und ist allenfalls noch von historischem Wert, denn jedenfalls bezweckte die Einfilhrung des Tatbestandsmerkmals "unzumutbar" anstelle der Merkmale "wirtschaftlich nicht vertretbar", die Zu lässigkeit der Abfallbeseitigung von strengeren Voraussetzungen abhängig zu machen. 233 Der Gesetzgeber vertrat die Ansicht, bisher seien ausschließlich wirtschaftliche 232 Hoppe, Wirtschaftliche Vertretbarkeit, S.152; dagegen vgl. z.B. Thomas, WiVerw 1980, S. 244 ff(263). 233 Vgl. den Gesetzentwurf des Bundesrates, BR-DrS 10/1862 (neu), Anlage 2, S. 4, der noch die Fassung "unverhältnismäßig" enthielt; vgl. die Stellungnahme der Bundesregierung dazu, a.a.O, S. 9, die die Fassung "unzumutbar" vorschlug; vgl. auch die Beschlußempfehlung und den Bericht des Innenausschusses, BT-Drs. 10/3556, S. 6, 14 und 20.

c. Das Verhältnis von Verwertung und Beseitigung

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Aspekte bei der Beurteilung der Zumutbarkeit zu berücksichtigen gewesen234 , die Änderung solle die Berücksichtigung von Umweltaspekten ermöglichen 235 . Im Rahmen der nunmehr vorzunehmenden Zumutbarkeitsprüfung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG fUhrt dies dazu, daß die Nachteile der Reststoffvermeidung oder -verwertung fUr den Anlagenbetreiber gegenüber der Abfallbeseitigung mit den Vorteilen fUr die Umwelt abgewogen werden müssen. 236 Da das KrW-/AbfG nunmehr den Begriff der wirtschaftlichen Zumutbarkeit verwendet, ist davon auszugehen, daß das Tatbestandsmerkmal "wirtschaftlich" in Anbetracht der aufgezeigten abfall- und immissionsschutzrechtlichen Entwicklung des Zumutbarkeitsbegriffs eine den Zumutbarkeitsbegriff einschränkende Wirkung haben soll und der Umweltschutz oder das Gemeinwohlinteresse im Gegensatz zu § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG und zu § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986 jedenfalls nicht unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit in die vorzunehmende Abwägung einzustellen sind. Der Begriff der wirtschaftlichen Zumutbarkeit ist allerdings nicht abschließend in § 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG defmiert. Dies verdeutlicht die in § 5 Abs. 4 Satz 1 KrW-/AbfG enthaltene Regelung. Folglich ist der Umweltschutz oder das Gemeinwohlinteresse als solches nicht unter dem Gesichtspunkt der Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit nach § 5 Abs. 4 KrW-/AbfG in die Abwägung einzustellen.237

III. Die Umweltverträglichkeit Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 KrW-/AbfG entfallt der Vorrang der Verwertung nach § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG, wenn die Beseitigung umweltverträglicher ist. Die Vorschrift bezieht sich wegen der Verweisung auf § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG nur auf die Verwertungspflicht und nicht auf die freiwillig vorgenommene Verwertung. Zunächst stellt sich die Frage, wie und nach welchen inhaltlichen Kriterien die Umweltverträglichkeit zu prüfen ist. Insofern bietet es sich an, inhaltlich auf die in § 2 Abs. I Satz 2 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 12. Februar 1990 (UVPG)238 enthaltenen Anforderungen entsprechend zurückzu-

234 Vgl. StichIPorger, ImmSchR, § 5 BImSchG, Anm. 23; vgl. auch Roßnagel, in GKBImSchG, § 5, Rdnr. 673, 691. 235 Vgl. auch Rehbinder, DVB1.l989, S. 496 ff (501); StichlPorger, ImmSchR, § 5 BImSchG, Anm. 23; Roßnagel, in GK-BImSchG, § 5, Rndr. 669, 691. 236 Vgl. Jarass, BlmSchG, 3.Autl, § 5, Rdnr. 75. 237 So auch Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (238). 238 BGBL 1990 I, S. 205 in der Fassung vom 23. November 1994, BGBL I, S. 3486.

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

greifen. 239 Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG umfaßt die Umweltverträglichkeitsprüfung die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen eines Vorhabens auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen (Nr. 1) und auf Kultur- und Sachgüter (Nr. 2). Dieser Rückgriff wird durch die in § 5 Abs. 5 Satz 2 KrW-/AbfG aufgeführten Kriterien nicht ausgeschlossen, da sie nicht abschließend sind240, wie sich schon aus dem Wortlaut der Norm (" ... insbesondere ... ") ergibt. Neben den inhaltlichen Vorgaben des § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG sind die in § 5 Abs. 5 Satz 2 KrW-/AbfG enthaltenen Vorgaben zusätzlich zu berücksichtigen. Nach § 5 Abs. 5 Satz 2 KrW-/AbfG handelt es sich dabei um die zu erwartenden Emissionen (Nr. 1), das Ziel der Schonung natürlicher Ressourcen (Nr. 2), die einzusetzende oder zu gewinnende Energie (Nr. 3) und die Anreicherung von Schadstoffen in Erzeugnissen, Abfällen zur Verwertung oder daraus gewonnenen Erzeugnissen (Nr. 4). Für die Ermittlung und Beschreibung der Umweltauswirkungen dürfte dies wenig Auswirkungen haben, da die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 Satz 2 KrW-/AbfG durch die Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 UVPG wohl weitgehend mitabgedeckt sind. Besondere Bedeutung entfalten die Anforderungen des § 5 Abs. 5 Satz 2 KrW-/AbfG aber für die Bewertung, da das UVPG keine Bewertungsmaßstäbe enthält. 241 Das KrW-/AbfG legt daher solche Bewertungsmaßstäbe fest. Gegen die Anwendbarkeit der inhaltlichen Kriterien des UVPG ließe sich einwenden, der damit verbundene Aufwand sei für eine Einzelfallprüfung zu groß. Für die anzuwendenden Methoden gibt das UVPG aber einen flexiblen Maßstab vor. 242 So sind nach § 20 Nr. 1 UVPG LV.m. Nr. 0.5.1.3 UVPVwV243 alle im Einzelfall geeigneten und rechtlich zulässigen qualitativen oder quantitativen Verfahren anwendbar. Lediglich die Kriterien des § 5 Abs. 5 Satz 2 KrW/AbfG sind zwingend zu berücksichtigen. Viel wichtiger und auch schwieriger zu beurteilen ist die Frage, ob nach § 5 Abs. 5 Satz 2 KrW-/AbfG nur der Vorrang (der Verwertungspflicht) als solcher entfiillt oder ob darüber hinaus auch die umweltverträglichere Beseitigung gewählt werden muß.244 Der Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG 1986 war in dieser Hinsicht noch eindeutig. 245 Der Wortlaut des § 5 Abs. 5 Satz 1 KrW239 Vgl. dazu instruktiv Appold, in: Hoppe, UVPG, § 2, Rdnrn. 10-60; vgl. aus der Sicht des Abfallwirtschaftsrechts auch Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 5, Rdnr. 220. 240 Vgl. auch Queitsch, KrW-/AbfG, § 5, Anm. 5, S. 112. 241 Statt aller Appold, in Hoppe, UVPG, § 2, Rdnr. 57. 242 V gl. Appold, in Hoppe, UVPG, § 2, Rdnr. 62. 243 Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPVwV), abgedruckt in: Hoppe, UVPG, S. 563 ff. 244 Dazu auch Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 5, Rdnr. 219. 245 Vgl. dazu auch Schwermer, in: KlSN, AbfG, § 3 Rdnr. 35.

c. Das Verhältnis von Verwertung und Beseitigung

173

/ AbfG ist in dieser Hinsicht nur scheinbar eindeutig. Zwar besteht die Rechtsfolge im Entfallen des Vorrangs der Verwertung. Andererseits soll die UmweltverträglichkeitspTÜfung der Ermittlung der umweltverträglicheren "Lösung" dienen. Das Ziel der Ermittlung einer "Lösung" ist vor allem dann sinnvoll, wenn diese Lösung letztlich auch durchgesetzt werden muß. Dafür würde auch der mit einer UmweltverträglichkeitspTÜfung verbundene Aufwand sprechen. Dieser Aufwand würde in einem besseren Verhältnis zum Ertrag stehen, wenn dem Abfallbesitzer oder -erzeuger keine Wahlfreiheit verbleiben würde, eine Verwertung vorzunehmen, obwohl die Beseitigung umweltverträglicher ist. Für einen Vorrang der umweltverträglicheren Lösung spricht auch die Gesetzesbegründung. Demnach sollte die Möglichkeit geschaffen werden, "von der im Grundsatz bestehenden Prioritätsfolge .... abzuweichen, wenn eine Beurteilung der ökologischen Vor- und Nachteile dies gebietet."246 Folglich kann der Abfallbesitzer oder -erzeuger die Verwertung nicht wählen, wenn die Beseitigung die umweltverträglichere Lösung ist. 247 Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß im Fall einer behördlicherseits angeordneten Verwertungspflicht eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Maßstäben des UVPG vorzunehmen ist. Ist die Beseitigung die umweltverträglichere Lösung, besteht keine Wahlfreiheit des Abfallbesitzers oder erzeugers zwischen Verwertung und Beseitigung. IV. Maßnahmen der Forschung und Entwicklung Nach § 5 Abs. 6 KrW-/AbfG gilt der Vorrang nicht für Abfälle, die unmittelbar und üblicherweise durch Maßnahmen der Forschung und Entwicklung anfallen. 248 Im Unterschied zu § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG entfällt der Vorrang nicht, weil die Beseitigung umweltverträglicher ist. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt § 5 Abs. 6 KrW-/AbfG nicht. Vielmehr entfällt der Vorrang generell für eine bestimmte Abfallart. Für diese Abfallart ist keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG durchzuführen. Folglich sind die oben angestellten Erwägungen zu § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG auf § 5 Abs. 6 KrW-/AbfG nicht übertragbar. Das Gebot, die umweltverträglichere

246 Begr. der Bundesregierung, BR-Drs, 245/93, S. 130, daran inhaltlich anknüpfend Begr. des Umweltausschusses des Bundestages, BT-Drs. 12/7284, S. 14. 247 Abweichend Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (239). Im Fall einer behördlicherseits angeordneten Verwertungspflicht kann der Abfallbesitzer oder -erzeuger grundsätzlich einwenden, die Beseitigung sei gleich umweltverträglich wie die Verwertung, um seine Wahlfreiheit wiederherzustellen, näher dazu Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (636). 248 Vgl. dazu im einzelnen Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 5 Rdnrn. 231-239.

174

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Verwertungs- oder Beseitigungsmaßnahme habe Vorrang, gilt rur Abflille nach § 5 Abs. 6 KrW-/AbfG nicht. Folglich besteht in den Fällen des § 5 Abs. 6 KrW-/AbfG eine Wahlfreiheit des Abfallbesitzers oder -erzeugers, zwischen Verwertung und Beseitigung - unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen.

D. Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Verwertung Neben den ausdrücklichen Vorrangregelungen enthält das KrW-/AbfG außerdem Rechtmäßigkeitsanforderungen an die Verwertung. Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG hat die Verwertung von Abfällen ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen. Außerdem ist eine der Art und Beschaffenheit des Abfalls entprechende hochwertige Verwertung anzustreben, § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW/AbfG. Während das Gesetz die Ordnungsgemäßheit und Schadlosigkeit in § 5 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 KrW-/AbfG selbst definiert, sind Rechtscharakter und Inhalt der Anordnung der hochwertigen Verwertung unklar. Diese Rechtmäßigkeitsanforderungen gelten rur alle Verwertungsmaßnahmen, also neben der behördlicherseits auferlegten Verwertungspflicht auch für eine freiwillig vorgenommene Verwertung. Da es sich bei den genannten Regelungen um Rechtmäßigkeitsanforderungen handelt, ergibt sich daraus unmittelbar nur, ob eine Verwertungsmaßnahme rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Ob die Verwertung oder die Beseitigung Vorrang hat, ergibt sich daraus unmittelbar nicht. Trotzdem können diese Rechtmäßigkeitsanforderungen, wie schon die des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSehG, im Ergebnis auch das Vorrangverhältnis beeinflussen. Dies gilt vor allem dann, wenn eine Verwertung nicht ordnungsgemäß und schadlos möglich ist und andere Verwertungsmöglichkeiten nicht existieren. Im Ergebnis ist dann nur noch eine Beseitigung zulässig. I. Das Gebot der ordnungsgemäßen Verwertung

Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG hat die Verwertung ordnungsgemäß zu erfolgen. Nach § 5 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG erfolgt sie ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die in § I Abs. I Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem - Chemikaliengesetz

D. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Verwertung

175

vom 14. Oktober 1993 - Chemikalienverbotsverordnung (ChemVerbotsVO)249 und § 15 Abs. 1 Verordnung zum Schutz vor gefllhrlichen Stoffen vom 26. Oktober 1993 - Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)250 enthaltenen Verbote des Inverkehrbringens bzw. der Herstellung und Verwendung bestimmter Stoffe.

1. Die Bedeutung der ChemVerbotsVO

Nach § I Abs. I ChemVerbotsVO ist das Inverkehrbringen von Stoffen und Zubereitungen, die in Spalte 1 des Anhangs der ChemVerbotsVO aufgeführt sind251 , ausgeschlossen. Das Tatbestandsmerkmal des Inverkehrbringens ist in § 3 Nr. 9 1. Halbsatz ChemG definiert als die Abgabe an Dritte oder die Bereitstellung für Dritte. Der Begriff der Abgabe wiederum setzt die Übertragung der tatsächlichen Sachherrschaft oder der Verfilgungsgewalt vom Inverkehrbringenden auf den Abnehmer voraus. 252 Da die Übergabe an einen Besitzdiener nach § 855 BGB für eine Abgabe nach § 3 Nr. 9 ChemG nicht ausreicht, stellt der Besitzwechsel innerhalb eines Unternehmens kein Inverkehrbringen dar. 253 Die ChemVerbotsVO faßt alle stoffbezogenen Inverkehrbringensverbote in einem einheitlichen Regelwerk zusammen. 254 Wie oben bereits gezeigt wurde, ist die Einschaltung Dritter bei der Verwertung zulässig. Wird bei der Verwertung die tatsächliche Verfilgungsgewalt auf Dritte übertragen oder werden Abflille fUr Dritte bereitgestellt (vgl. auch § 4 Abs. 5 KrW-/AbfG), ist die Verwertung nicht ordnungsgemäß, wenn die Abflille Stoffe oder Zubereitungen der Spalte 1 des Anhangs zur ChemVerbotsVO ent-

BGB\. 1993 I, S. 1720 in der Fassung vom 25. Juli 1994, BGB\. I, S. 1689. BGB\. 1993 I, S. 1782 in der Fassung vom 19. September 1994, BGB\. I, S. 2557. 251 Z.B. DDT, Asbest, Formaldehyd, Dioxine und Furane, Benzol, aromatische Amine, Bleikarbonate und -sulfate, Quecksilberverbindungen, Arsenverbindungen, polychlorierte Biphenyle und polychlorierte Terphenyle, Vinylchlorid, Pentachlorphenol, aliphatische Chlorkohlenwasserstoffe, Teeröle. 252 RehbinderlKayserlKlein, ChemG, § 3, Rdnr. 119; vg\. auch Kippelsrröppner, ChemG, S. 81. 253 RehbinderlKayserlKlein, ChemG, § 3, Rdnr. 120, 121; vg\. auch Kippelsrröppner, ChemG, S. 81182. 254 Nöthlichs, Gefahrstoffe, ChemVerbotsVO, Einführung, Anm. 2. 249

250

176

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

halten. 255 Eine Ausnahme vom Verbot des Inverkehrbringens enthält § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsVO für Stoffe, die zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung in den Verkehr gebracht werden. Fraglich ist, ob eine "ordnungsgemäße Abfallentsorgung" in diesem Sinne auch die Verwertung erfaßt. 256 Orientiert sich die ChemVerbotsVO am Begriff der Abfallentsorgung des § 1 Abs. 2 AbfG 1986 bzw. an § 3 Abs. 7 KrW-/AbfG, umfaßt die Entsorgung auch die Verwertung von Abfällen. Für die Verwendung des abfallwirtschaftsrechtlichen Entsorgungsbegriffs spricht die Anpassung der chemikalienrechtlichen Terminologie durch das Gesetz zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen an die des Abfallwirtschaftsrechts. 257 Da der Entsorgungsbegriffnicht verändert wurde, könnte man daraus folgern, daß er im abfallwirtschaftsrechtlichen Sinne zu verstehen ist. Eine abweichende Interpretation des chemikalienrechtlichen Entorgungsbegriffs hätte der Gesetzgeber des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen zum Ausdruck gebracht. Die Verwendung des gleichen Begriffs in unterschiedlichen Rechtsvorschriften zwingt aber nicht zu einer einheitlichen Auslegung. Die Einbeziehung der Verwertung in den chemikalienrechtlichen Entsorgungsbegriff hätte zur Folge, daß das Inverkehrbringensverbot weitgehend leerlaufen wUrde. Dies erkannte auch der Verordnungsgeber. Nach seiner Begründung sollten die Vorschriften der ChemVerbotsVO zu beachten sein, sobald ein Produkt wieder in den Wirtschaftskreislauf eingeführt wird. 258 Eine Abfallentsorgung im Sinne dieser Vorschriften ist daher mit der Abfallentsorgung im Sinne der § 1 Abs. 2 AbfG 1986, § 3 Abs. 7 KrW-/AbfG nicht identisch, denn die davon umfaßte Verwertung dient gerade dazu, die Abfälle im Wirtschaftskreislauf zu halten. Mit der Abfallentsorgung nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsVO ist daher die Abfallbeseitigung gemeint. 259

255 Die Ansicht von UppenbrinkIBroecker/Schottelius/Schmidt-Bleek, ChemG, § 2, Rdnr. 2, daß Abfall nicht unter den Begriff der Stoffe und Zubereitungen fällt, weil Stoffe und Zubereitungen im Sinne des Chemikalienrechts nur solche sind, die zum Zwecke des Inverkehrbringens, also zur Vermarktung hergestellt werden, läßt sich nach dem KrW-/AbfG nicht mehr aufrechterhalten. Denn Abflllle zur Verwertung setzen eine künftige Marktfllhigkeit voraus. Dagegen auch schon RehbinderlKayserlKlein, ChemG, § 2, Rdnr. 87 und Kippels/Töppner, ChemG, S. 49/50. 256 Dafür wohl Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 5, Rdnr. 142. 257 So faßt Artikel 6 des Gesetzes zur Vermeidung, Verwertung und Beseitigung von Abfllllen § 2 Abs. I Nr. 3 ChemG neu und nimmt ausdrücklich Abflllle zur Beseitigung im Sinne des § 3 Abs. I Satz 2 2. Halbsatz KrW-/AbfG vom Anwendungsbereich des ChemG aus, BGBI. 1994 I, S. 2705 ff (2726). 258 So die Begründung der Bundesregierung, BR-Drs. 201193, S. 59. 259 Vgl. v.Köller, KrW-/AbfG, § 5, S. 69.

D. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Verwertung

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2. Die Bedeutung der GefahrstoftVO

Eine parallele Problematik besteht hinsichtlich § 15 Abs. 2 GefStoffVO. Dort ist geregelt, daß bestimmte Stoffe260 nicht hergestellt und verwendet werden dürfen. Der Begriff "Verwenden" ist in § 3 Nr. 10 ChemG definiert als Gebrauchen, Verbrauchen, Lagern, Aufbewahren, Be- und Verarbeiten, Abfüllen, Umfüllen, Mischen, Entfernen, Vernichten und innerbetriebliches Befördern. Diese Verbote setzen daher früher als das Verbot des Inverkehrbringens der ChemVerbotsVO an und erfassen gerade betriebsinterne Abläufe. Von diesen Verboten macht § 15 Abs. 2 GefStoffVO eine Ausnahme für die ordnungsgemäße Abfallentsorgung. Auch hier muß sich der Begriff der Abfallentsorgung auf die Abfallbeseitigung beschränken.261 Will die GefStoffVO bereits die Herstellung verhindern, so will sie erst recht verhindern, daß solche Stoffe in den Wirtschaftskreislauf geraten. Fallen daher Stoffe, die in Abflillen enthalten sind, unter die Verbote nach § 1 Abs. 1 ChemVerbotsVO und § 15 Abs. 1 GefStoffVO, ist eine Verwertung im Ergebnis ausgeschlossen.

H. Das Gebot der schad losen Verwertung Die Verwertung hat nach § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG außerdem schadlos zu erfolgen. Schadlos erfolgt sie gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 KrW-/AbfG, wenn keine Beeinträchtigungen des Wohls der Allgemeinheit zu erwarten sind und insbesondere keine Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf erfolgt. Wann eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit vorliegt, ergibt sich insbesondere aus den in § 10 Abs. 4 Satz 2 KrW-/AbfG aufgeführten Gesichtspunkten. Da sich § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG insbesondere auch auf die Verwertung von Abfällen durch ihre Einbindung in Erzeugnisse bezieht, gelten die Anforderungen an die Verwertung für das Verwertungsverfahren und rur das durch die Verwertung gewonnene Produkt. 262

260 Vgl. die Aufzählung in § 15 Abs. 1 Nr.I-20 GefStoffVO, die sich in weiten Teilen mit der Aufzählung in Spalte 1 des Anhangs zur ChemVerbotsVO deckt. 261 A.A. wohl Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 5, Rdnr. 142; vgl. auch v.Köller, KrW/AbfG, § 5, S. 68/69. 262 So auch Queitsch, KrW-/AbfG, § 5, Anm. 3, S. 112 und v. Köller, KrW-/AbfG, § 5, S.69170. 12 Scbimanek

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Dritter Teil: Die Abfallverwertung

III. Das Gebot der hochwertigen Verwertung Nach § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG ist eine der Art und Beschaffenheit des Abfalls entsprechende "hochwertige Verwertung" anzustreben. Zu prüfen ist, ob diese Vor-schrift es der Behörde ennöglicht, bestimmte Verwertungsverfahren abzulehnen, die sie ftlr ökologisch "minderwertig" hält. Daftlr kommt es zunächst auf den Regelungsgehalt der Vorschrift an. Ferner kommt es darauf an, welche Bewertungsmaßstäbe sich aus dem Merkmal der "hochwertigen Verwertung" ergeben.

1. Die Bedeutung der Vorschrift

Für den Einzelnen unmittelbar juristisch belastende Pflichten könnten sich aus § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG nur ergeben, wenn die Vorschrift eine Rechtspflicht zur hochwertigen Verwertung enthalten würde.

a) Rechtspf/icht

Aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift mit § 5 Abs. 2 Satz 1 KrW-/AbfG ergibt sich, daß § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG ebenfalls an die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen adressiert ist. Dem Wortlaut nach scheint die Vorschrift ein Gebot zur hochwertigen Verwertung zu enthalten, da eine solche anzustreben "ist". Allerdings wird dieses Gebot durch die Verwendung des Tatbestandsmerkmals "anzustreben" wieder eingeschränkt. Der Wortlaut verlangt daher wohl nicht, daß eine hochwertige Verwertung tatsächlich erreicht und das Gebot damit erftlllt wird. Sonst hätte die Vorschrift beispielsweise so fonnuliert werden mUssen, daß Abfälle entsprechend ihrer Art und Beschaffenheit hochwertig zu verwerten sind. Seinem Wortlaut nach scheint § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW -/AbfG daher eine Rechtspflicht zu enthalten. Diese Rechtspflicht gebietet aber keine hochwertige Verwertung, sondern vielmehr das bloße Anstreben einer solchen. 263 Möglicherweise gibt die Entstehungsgeschichte der Nonn weitere AufschlUsse darüber, ob in ihr eine Rechtspflicht nonniert ist. Nach § 4 Abs. 2 Satz I des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - der Vorläuferregelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG - war eine der Art und Beschaffenheit des - damals noch so bezeichneten - Sekundärrohstoffs entsprechende Verwertung anzustreben. 264 Von "hochwertiger" Verwertung war noch nicht die Rede. Allerdings enthielt § 4 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung auch schon die 263 Vgl. auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (637); vgl. auch Fluck, in: Fluck, KrW·/AbfG, § 5, Rdnr. 117. 264 BR-Drs.245/93, S. 11.

D. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Verwertung

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Formulierung "... anzustreben ist". In der Begründung dazu heißt es, daß Verfahren, die den Rückstand entsprechend seiner Art und Beschaffenheit verwerten, "bevorzugt eingesetzt" werden sollen gegenüber Verfahren, die ihn auf ökologisch niedrigem Niveau nutzen. 265 Wie der bevorzugte Einsatz durchgesetzt werden sollte (z.B. durch behördliche Anordnung), wird nicht ausgeführt. Ferner heißt es in der Begründung, der Gesetzgeber ermögliche das Aufstellen einer Rangfolge der verschiedenen Verwertungsoptionen unter ökologischen Aspekten. 266 Dies könnte gegen den Charakter des § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG als Rechtspflicht sprechen, denn bei Bestehen einer Rechtspflicht besteht nicht bloß die Möglichkeit des AufsteIlens einer solchen Rangfolge, sondern vielmehr die Pflicht dazu. Andererseits schließt das Bestehen einer Pflicht zur Aufstellung einer Rangfolge die Möglichkeit dazu nicht aus. Im übrigen könnte aus diesem Teil der Gesetzesbegründung abzuleiten sein, daß § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG auf eine generell-abstrakte Regelung der Rangfolge verschiedener Verwertungsoptionen durch eine Rechtsverordnung abzielt. Das könnte bedeuten, daß sich die Vorläufervorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG an den Verordnungsgeber wenden sollte. Dies schließt den Charakter als Rechtspflicht jedoch ebenfalls nicht aus. Im Gegenteil ist es konsequent, wenn sich § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG als Rechtspflicht sowohl an den Verordnungsgeber als auch an den einzelnen richtet. Im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wird nicht näher erläutert, was unter der Formulierung "... ist anzustreben ... " zu verstehen ist. 267 Die Entstehungsgeschichte steht folglich der Einordnung des Gebots der hochwertigen Verwertung als Rechtspflicht nicht entgegen. Folglich enthält § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG eine Rechtspflicht zum Anstreben einer hochwertigen Verwertung. 268 b) Die Bedeutung

Im folgenden ist zu erörtern, welche Bedeutung die Rechtspflicht zum Anstreben einer hochwertigen Verwertung aufweist.

BR-Drs.245/93, S. 128. BR-Drs.245/93, S. 128. 267 Vgl. z.B. die Begründung des Umweltausschusses des Bundestages zu § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG, BT-Drs.12/7240, S. 7 und a.a.O., S. 14, die Anträge der SPDBundestagsfraktion, BT-Drs. 12/7240, S. 34 und ihren Antrag in BT-Drs.12/7249 und ferner die Änderungsempfehlung Nr. 36 des Bundesrates, BT-Drs.12/5672, S. 93. 268 A.A. wohl Schäfer, der landkreis, 1994, S. 351; v.Köller, KrW-/AbfG, § 5, S. 67; vgl. auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(637). 265

266

180

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

Das Gebot des Anstrebens einer hochwertigen Verwertung richtet sich zunächst an den Verordnungsgeber. Rechtsverordnungen können nach § 7 KrW/AbfG erlassen werden, soweit sie zur Erftlllung der Pflichten nach § 5 KrW/AbfG erforderlich sind. 269 Fraglich ist, ob das Gebot des Anstrebens einer hochwertigen Verwertung auch ftIr Rechtsverordnungen nach § 6 KrW-/AbfG gilt. Dagegen spricht die ausdrückliche Zitierung von § 5 Abs. 4 und Abs. 5 KrW-/AbfG. Daraus könnte man schließen, der Verordnungsgeber habe § 5 Abs. 2 KrW-/AbfG gerade nicht zu berücksichtigen. Gegen eine Berücksichtigung des Gebots des Anstrebens einer hochwertigen Verwertung spricht auch der Zweck des § 6 Abs. I KrW-/AbfG. Die Vorschrift enhäIt eine Ermächtigung zur Regelung des Vorrangs der energetischen oder der stofflichen Verwertung. Die Vorschrift ermächtigt nicht dazu, den Vorrang verschiedener Verwertungsverfahren innerhalb einer Verwertungsart festzulegen. Unter anderem dazu dient aber das Gebot des Anstrebens einer hochwertigen Verwertung bei konsequenter Anwendung. Deshalb gilt das Gebot der hochwertigen Verwertung nicht filr Rechtsverordnungen nach § 6 Abs. I KrW-/AbfG. Das Gebot des Anstrebens einer hochwertigen Verwertung entfaltet daher sowohl im Einzelfall als auch beim Erlaß von Rechtsverordnungen nach § 7 KrW-/AbfG Bedeutung.

2. Die Hochwertigkeit

Zu klären ist, welchen inhaltlichen Maßstab das Gebot des Anstrebens einer hochwertigen Verwertung dem Verordnungsgeber vorgibt. Zunächst ist festzuhalten, daß die inhaltliche Bedeutung der Rechtspflicht durch das Tatbestandsmerkmal "anzustreben" stark eingeschränkt ist. Das KrW-/AbfG verlangt nicht, daß eine hochwertige Verwertung auch tatsächlich durchgefilhrt wird. Das Gebot verpflichtet jedoch, nach hochwertigen Verwertungsmöglichkeiten zu suchen. Zu erörtern ist im folgenden der Inhalt des unbestimmten Rechtsbegriffs "hochwertige Verwertung". Dazu werden unterschiedliche Ansichten vertreten. a) Ökologische Hochwertigkeit

Hochwertig könnte im Sinne von ökologisch hochwertig zu verstehen sein. Zur Feststellung der ökologischen Hochwertigkeit ließe sich dann die Umweltverträglichkeit der Verwertung heranziehen. 270 Das Gebot. eine hochwertige Vgl. auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(637). So auch Fluck, NuR 1995, S. 233 ff (240); vgl. ders., in: Fluck, KrW-/AbfG, § 5, Rdnr. 108. 269

270

D. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Verwertung

181

Verwertung anzustreben, würde sich dann mit dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG überschneiden. So wird vertreten, daß sich die ökologische Rangfolge von Verwertungsverfahren aus der Differenz der Umweltentlastungseffekte, die durch die Substitution von Produkten erzielt werden, und der Umweltbelastungseffekte, die mit dem Verwertungsverfahren verbunden sind, ergebe. 271 Auszugehen sei von der Wertschöpfungskette der Produktherstellung. Diese sei in die verschiedenen Ebenen der Rohstoff- und Grundstoffgewinnung, Vorprodukt-, Zwischenprodukt- und Endproduktherstellung unterteilt. Jede dieser Ebenen wiederum bestehe in der Regel aus einer mehr oder weniger großen Anzahl von Prozessen, welche ihrerseits wiederum mehrere Prozeß- oder Produktionsstufen umfassen würden. Zwar führe jeder Prozeß zu einer Wertsteigerung der eingesetzten Rohstoffe, verursache aber gleichzeitig auch Umweltbelastungen durch Ressourcenverbrauch, Emissionen, Abwasser und Abfall. Durch die Verwertung von Abfällen würden Originalprodukte substituiert werden, auf deren Herstellung demzufolge verzichtet werden könne. Dadurch entfielen die mit deren Herstellung verbundenen Material- und Energieeinsätze sowie die damit verbundenen Umweltbelastungen. Dabei sei zu beachten, daß die zu erwartende Umweltentlastung umso größer sei, je höher der Veredelungsgrad der substituierten Originalprodukte sei. Daraus ergebe sich die oben zu Anfang vorgestellte Differenzmethode. 272 Diese - auf den ersten Blick - sehr ökologisch orientierte Auffassung vertritt jedoch einen nicht unproblematischen Ansatz bei der Bestimmung der Maßeinheit zur Messung der Umweltentlastungs- und Umweltbelastungseffekte. So wird als Maß für die Umweltentlastungen die Anzahl der Prozesse angesehen, die durch die Substitution von Originalprodukten nicht mehr durchlaufen werden müßten, und als Maß für die Umweltbelastungen wird die Anzahl der zur Verwertung notwendigen Prozesse angesehen. 273 Ergäbe die Differenz der Umweltentlastungs- und -belastungseffekte einen niedrigen Wert in der Nähe von Null, sei zu prüfen, ob es sich noch um Verwertung oder aber schon um Beseitigung handele. 274 Dieser Ansicht läßt sich entgegenhalten, daß sich allein aus der Anzahl der Prozesse nicht auf die ökologische Hochwertigkeit eines Verwertungsverfahrens schließen läßt. Dieser Schluß ließe sich nur dann ziehen, wenn jeder Prozeß gleich umweltbelastend wäre. Dies könnte man zwar dadurch erreichen, daß man die Prozesse von vornherein nach dem Grad ihrer Umweltbelastung festlegt. Wie eine solche Festlegung erfolgen soll, wird je-

271 272 273 274

SutterlMahrwald/Grosse-Ophoff, UTA 1994, S. 427 ff (428). Vgl. Sutter/MahrwaldlGrosse-Ophoff, UTA 1994, S. 427 ff (428). Sutter/MahrwaldlGrosse-Ophoff, UTA 1994, S. 427 ff(430). Sutter/Mahrwald/Grosse-Ophoff, UTA 1994, S. 427 ff(433).

182

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

doch nicht ausgeführt. Daher ist diese Methode mit einem erheblichen Unsicherheitsfaktor belastet. Die Problematik der Feststellung der Hochwertigkeit dürfte sich auf die Feststellung der Anzahl der Prozesse oder ihrer Umweltauswirkungen verlagern. Im übrigen dürfte diese Ansicht die energetische Verwertung aus mit dem KrW-/AbfG nicht zu vereinbarenden Gründen weitgehend ausschließen, obwohl ihre Voraussetzungen nach §§ 4 Abs. 4, 6 Abs. 2 KrW-/AbfG vorliegen. Denn bei der energetischen Verwertung werden in der Regel Primärrohstoffe durch Verbrennung substituiert, so daß eine Umweltentlastung lediglich auf der ersten Ebene der Wertschöpfungskette eintreten wird. 27S Dem werden wohl ebenso regelmäßig Umweltbelastungen durch die notwendige Vorbehandlung der Abfälle rur eine Verbrennung gegenüberstehen. Damit würde die energetische Verwertung an unterer Stelle der ökologischen Verfahrensrangfolge stehen276 und wäre in den meisten Fällen gegenüber der stofflichen Verwertung nachrangig. Dies ist schon nicht mit der vom KrW-/AbfG vorausgesetzten Gleichrangigkeit von energetischer und stofflicher Verwertung zu vereinbaren. Zudem sieht sich die Methode dem grundsätzlichen Einwand ausgesetzt, ausschließlich auf Gesichtspunkte der Umweltverträglichkeit zur Beurteilung der Hochwertigkeit zurückzugreifen. Hätte der Gesetzgeber eine solche Beurteilung gewünscht, so hätte es nahe gelegen, daß er nicht ein Gebot zur hochwertigen Verwertung aufstellt, sondern dem § 5 Abs. 5 KrW-/AbfG vergleichbar vorschreibt, daß das umweltverträglichere Verwertungsverfahren Vorrang hat. Dies ist aber nicht geschehen. Die Differenz aus Umweltbelastungs- und Umweltentlastungseffekten, gemessen an der Anzahl der Prozesse, ist daher weder ein taugliches noch ein mit dem KrW-/AbfG zu vereinbarendes Kriterium zur Feststellung einer hochwertigen Verwertung. b) Wirtschaftliche Hochwertigkeit

Anderer Ansicht nach bedeutet eine hochwertige Verwertung, daß eine wirtschaftlich hochwertige Verwertung angestrebt werden muß. So soll es nach Ansicht von Weidemann auf den "Netto-Primär-Ressourcen-Substitutionseffekt" ankommen. Was unter dem "Netto-Primär-Ressourcen-SubstitutionsVgl. SutterlMahrwaldiGrosse-Ophoff, UTA 1994, S. 427 ff(434). So wollen SutterlMahrwaldiGrosse-Ophoff, UTA 1994, S. 427 ff (436) Verfahren, bei denen nur Produkte auf der Ebene der Rohstoffe substituiert werden und bei denen dieUmwe1tentiastungseffekte und die -belastungseffekte sich annähernd kompensieren, als Beseitigung einstufen, z.B. Füllstoffsubstitution, Verbrennung, Hydrierung und Hochofenprozesse. 275

276

D. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Verwertung

183

effekt" zu verstehen ist, wird nicht ausdrücklich erläutert. Offenbar soll es dabei jedoch darauf ankommen, in welchem Ausmaß Rohstoffe "netto", also ohne Berücksichtigung von verbleibenden Abfallüberschüssen oder entstehenden Abfallverlusten ersetzt werden. Nach dieser Ansicht kommt es vor allem auf den Nutzungs- oder Wirkungsgrad des Abfalls in Prozent an. 277 Fraglich ist, wie der Nutzungs- oder Wirkungsgrad zu ermitteln ist. Dies könnte sich bereits aus den Begriffen des Nutzungs- oder Wirkungsgrades ergeben. Beide Begriffe entstammen dem naturwissenschaftlich-technischen Bereich und sind sich zumindest sehr ähnlich, wenn nicht sogar fast deckungsgleich. Aus dem "Wirkungsgrad" ergibt sich die Effektivität eines Energieumwandlungsprozesses. Er ist ein wichtiges Leistungsmerkmal vor allem ftlr Maschinen. 278 Der Begriff des "Nutzungsgrades" wird vor allem in der Energietechnik verwendet. Der Wirkungsgrad und der Nutzungsgrad bezeichnen das Verhältnis der nutzbar abgegebenen Energie in einer bestimmten Zeitspanne zur zugeftlhrten Energie in derselben Zeitspanne.279 Diese Energie kann beispielsweise in Watt gemessen werden. Damit läßt sich ein Prozentsatz ftlr den Wirkungsgrad errechnen.2 80 Diese Kriterien sind auf die hier in Frage stehende abfallwirtschaftsrechtliche Problematik zu übertragen. Eine allgemeine Maßeinheit zur Feststellung des Netto-Primär-Ressourcen-Substitutionseffekts gibt es nicht. Da das KrW-/AbfG verschiedenartige Nutzurigen von Abfällen als Verwertung zuläßt, hängt die Maßeinheit von der gewählten Nutzungsart ab. Da es nach dem KrW-/AbfG auf die Nutzung ankommt, sollte man dieser Terminologie entsprechend den Begriff des Nutzungsgrades verwenden. Bei der energetischen Verwertung kann es dabei auf die eingesetzte und gewonnene Energie, bei der stofflichen Verwertung - beispielsweise bei der Verfüllung - auf die Masse des Abfalls in Kilogramm oder sein Volumen in Kubikmeter ankommen. Der Nutzungsgrad ergibt sich dann aus dem Verhältnis der zur Verftlgung stehenden Energie, Masse oder des Volumens der Abfälle zur tatsächlich verwendbaren Energie, Masse oder zum tatsächlich eingesetzten Volumen, durch welche Rohstoffe ersetzt werden. Werden Energie, Masse oder das Volumen des Abfalls vollständig genutzt, entstehen also keine Überschüsse oder Verluste und werden dadurch Rohstoffe oder Produkte ersetzt, so würde der sich daraus ergebende Nutzungs- oder Wirkungsgrad bei 100 % liegen. Es läge dann auf jeden Fall

277 Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(637); zweifelnd, Fluck, in: Fluck, KrW-/AbtG, § 5, Rdnr. 109. 278 Vgl. Brockhaus, Bd. 24, S. 251, "Wirkungsgrad". 279 Vgl. Brockhaus, Bd. 24, S. 251, "Wirkungsgrad"; vgl. auch Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 5147 f, "Wirkungsgrad"; vgl. Brockhaus, Bd. 16, S. 53, "Nutzungsgrad". 280 Vgl. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 5147 f, "Wirkungsgrad".

184

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

eine hochwertige Verwertung vor. Bei welchem Prozentsatz die Grenze zur hochwertigen Verwertung verläuft, läßt sich jedoch nicht allgemein sagen. Ein anderer Weg zur Feststellung des Netto-Primär-Ressourcen-Substitutionseffekts ist der der Energiebilanzierung. So sollen kumulierte Gesamtenergien (Energieäquivalenzwerte) bilanziert werden. 281 Der Energieäquivalenzwert eines Produktes ergibt sich nicht nur aus seinem Heizwert, sondern zusätzlich noch aus dem Aufwand der fUr seine Herstellung erforderlichen Prozeßenergie. Die Energieäquivalenzwerte der eingesetzten Abfälle sind mit denen der sonst erforderlichen Produkte - unter Abzug der fUr das Verfahren aufgewendeten Prozeßenergien - zu saldieren. Daraus ergibt sich eine Energiedifferenz, die entsprechende Energieverluste repräsentiert. Aus dieser Differenz läßt sich ein Quotient bilden und damit auch der - energiebezogene - Wirkungsgrad des Verfahrens ableiten. 282

c) Hochwertigkeit als Verbot des Downcyclings Aus dem eben AusgefUhrten ergibt sich, daß der Maßstab des Netto-PrimärRessourcen-Substitutionseffekts zur Feststellung des Vorliegens einer hochwertigen Verwertung nach dem KrW-/AbfG grundsätzlich herangezogen werden kann. Gebietet das KrW-/AbfG eine hochwertige Verwertung, so bringt es damit aber auch zum Ausdruck, eine minderwertige Verwertung (sog. "Downcycling") sei nicht erwünscht. Aus dem Gebot der hochwertigen Verwertung könnte daher als Kehrseite ein Verbot der minderwertigen Verwertung bzw. ein Verbot des Downcyclings abzuleiten sein. Der Maßstab des Netto-PrimärRessourcen-Substitutionseffekts stellt auf den Substitutionswert ab, ist also "quantitativ-wirtschaftlich" orientiert. Downcycling könnte bedeuten, daß Abfälle zwar wieder verwendet und somit im Stoffkreislauf gehalten werden, jedoch auf einer niedrigeren Stufe der Wertschöpfungskette der Produktion als bisher zum Einsatz gelangen. 283 Ein im KrW-/AbfG enthaltenes Verbot des "Downcyclings" wäre daher "qualitativ-ökologisch" orientiert und würde den Maßstab des Netto-Primär-Ressourcen-Substitutionseffekts daher zumindest einschränken. Für das Vorliegen einer hochwertigen Verwertung ist dann neben einem hohen Substitutionseffekt Voraussetzung, daß keine (ökologisch) minderwertige Verwertung vorliegt. Das Gebot, eine hochwertige Verwertung Vgl. Umweltbundesamt, Gutachten, S. 6-8, 27. Vgl. Umwe1tbundesamt, Gutachten, S. 6-8, 27; vgl. auch TÜV Rheinland, zitiert bei Fraunhofer-Institut, Gutachten, S. 17; vgl. zu den übrigen Modellen Fraunhofer-Institut, Gutachten, S. 17 ff. 283 Vgl. Nagel in Rinschede/Wehking//Jünemann, Kreislaufwirtschaft, S. 46. 281

282

D. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Verwertung

185

anzustreben, hätte dann eine quantitative und eine qualitative Komponente. Ob dies so ist, soll im folgenden geklärt werden. aa) Der Inhalt des Downcyclings Zunächst stellt sich die Frage, was unter Minderwertigkeit bzw. einem "Downcycling" zu verstehen ist. Der Begriff des Downcyclings ist weder gesetzlich definiert noch wird er im Gesetzgebungsverfahren näher erläutert. Als Recycling bezeichnet man aus ingenieurwissenschaftlicher Sicht ganz allgemein das Schließen von Stoftkreisläufen. 284 Inhaltlich bedeutet Downcycling deshalb, daß ein Verfahren auf ökologisch niedrigem Niveau steht und damit nicht ökologisch hochwertig ist. 285 Dementsprechend wird zur hochwertigen Verwertung ausgefUhrt, Stoffe seien möglichst lang im Wirtschaftskreislauf zu halten und hochwertige Kunststoffe dürften nicht als Füllmaterial fUr Polstermöbel verwendet werden. 286 Bei einem Downcycling werden Stoftkreisläufe zwar geschlossen, dies erfolgt jedoch auf einer unteren Ebene. bb) Das Verbot Fraglich ist jedoch, ob aus der Pflicht, eine hochwertige Verwertung anzustreben, auf ein Verbot des Downcyclings geschlossen werden kann. Erste Aufschlüsse in dieser Hinsicht könnte die Gesetzgebungsgeschichte ergeben. Nach der Begründung des Umweltausschusses des Bundestages soll das Gebot der hochwertigen Verwertung ein Downcycling verhindem. 287 In der Begründung heißt es, eine hochwertige Verwertung sei anzustreben, "... um einem Downcycling entgegenzuwirken ... ".288 In der Vorläuferbestimmung des § 4 Abs. 2 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung war das Gebot der hochwertigen Verwertung noch nicht enthalten. 289 In der Begründung zu dieser Vorschrift fUhrte die Bundesregierung aus, daß Verfahren, die den Rückstand entsprechend seiner Art und Beschaffenheit verwerten, gegenüber Verfahren, die ihn auf " ... ökologisch niedrigem Niveau ... " nutzen, bevorzugt eingesetzt werden sollen.290 Sachlich dürfte daher § 4 Abs. 2 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung das gleiche gemeint haben, wie § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG

Vgl. Hansen, in Rinschede/Wehking/Jünemann, Kreislaufwirtschaft, S. 26. Vgl. auch v.Köller, KrW-/AbfG, § 5, S. 67: Verwertung von Abfällen zu einem minderwertigen Zweck. 286 PetersenlRid, NJW 1995, S. 7 ff(IO); vgl. auch v.Köller, KrW-/AbfG, § 5, S. 67. 287 Vgl. BT-Drs.12/7240, S. 7. 288 BT-Drs.12/7284, S. 14. 289 BR-Drs.245/93, S. 11. 290 BR-Drs.245/93, S. 128. 284

285

186

Dritter Teil: Die Abfallverwertung

zum Ausdruck bringt. Zwar gab es im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens Anträge, das Tatbestandsmerkmal "hochwertig" im Zuge der Änderungen des § 5 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG und seiner Vorläuferbestimmungen zu streichen. Begründet wurde die beantragte Streichung des Tatbestandsmerkmals jedoch nicht. 29 ! Die "hochwertige" Verwertung sollte daher nach der Gesetzgebungsgeschichte ein Downcycling verhindern. Nach dem Zweck des Gesetzes könnte es fUr das Vorliegen einer hochwertigen Verwertung aber auch ausschließlich auf einen hohen Substitutionswert ankommen. Natürliche Ressourcen im Sinne des § 1 KrW-/AbfG werden auch bei einem Downcycling geschont, sofern ein Substitutionseffekt eintritt. Zwar werden sie auch geschont, wenn durch die Substituierung Rohstoffe oder Produkte mit einem hohen Veredelungsgrad, die sich also auf einer hohen Stufe der Wertschöpfungskette in der Produktion befinden, ersetzt werden. Nach dem Zweck des KrW-/AbfG genügt es jedoch bereits, daß überhaupt natürliche Ressourcen geschont werden. Dieser Zweck scheint insbesondere im Bereich der freiwilligen Verwertung dafUr zu sprechen, schon eine Verwertung mit einem hohen Substitutionseffekt als hochwertig anzusehen. Ist ein Abfallbesitzer unter Berücksichtigung der ökonomischen Rahmenbedingungen zur Verwertung bereit, erreicht die Verwertung einen hohen Substitutionseffekt und könnte dieses Verfahren wegen seiner "ökologischen Minderwertigkeit" abgelehnt werden, so könnte eine Verwertung im Ergebnis ganz entfallen. Natürliche Ressourcen könnten durch den Einsatz von Abfällen anstelle von Rohstoffen nicht geschont werden, sondern müßten wahrscheinlich sogar in Anspruch genommen werden. Das entspräche aber keinesfalls dem Gesetzeszweck des § I KrW-/AbfG 292 , sondern stünde im Widerspruch zu ihm. Außerdem würde dies der gesetzgeberischen Absicht, privatwirtschaftliehe Verwertungspotentiale freizusetzen, entgegenlaufen. Die in § I KrW-/AbfG enthaltene Zwecksetzung vermag sich jedoch gegenüber der dem Gebot der hochwertigen Verwertung als solchem zugrunde liegenden gesetzgeberischen Absicht nicht durchzusetzen. Denn durch die gesetzlichen Anforderungen an eine Verwertung sollte es eine "Verwertung um bzw. fUr jeden Preis" gerade nicht mehr geben. 293 Dazu würde aber eine rein wirtschaftliche Betrachtung, die auf den Substitutionseffekt abstellt, fUhren. Mit dem normativ niedergelegten Zweck läßt sich allenfalls eine ökologisch hochwertige Verwertung mit einem geringen Substitutionswert nicht vereinbaren. Der Zweck schließt es aber nicht aus, zusätzlich zu einem möglichst hohen 291 V gl. Anträge der SPD-Bundestagsfraktion, BT-Drs. 12/7249 und BT-Drs.12/7284, S. 34; vgl. ferner die Änderungsempfehlung Nr. 36 des Bundesrates, BT-Drs.12/5672, S.93. 292 Vgl. auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(637). 293 Vgl. Queitsch, KrW-/AbfG, § 5, Anm. 3, S. 112.

D. Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Verwertung

187

Substitutionswert zu verlangen, daß eine Verwertung nicht minderwertig ist, daß also kein "Downcycling" stattfmdet. Allerdings muß eine hochwertige Verwertung lediglich angestrebt werden. Entsprechendes muß auch rur das Verbot des Downcyclings gelten. Die Befolgung dieses Verbots muß ebenfalls lediglich angestrebt werden. Ein "Downcycling" steht einer Verwertung deshalb nicht zwingend entgegen, wenn der verwertete Abfall auf einer niedrigeren Stufe der Wertschöpfungskette der Produktion als bisher zum Einsatz gelangt. Dies läßt sich auch den Gesetzgebungsmaterialien nicht entnehmen. Insofern lassen sich geringe Abweichungen von einem strikten Verbot des Downcyclings vertreten, wenn auf der anderen Seite ein hoher Substitutionswert erreicht und damit dem Zweck des § 1 KrW-/AbfG in besonderer Weise Rechnung getragen wird. Inhaltlich weist das Gebot der hochwertigen Verwertung daher zwei Komponenten auf: eine quantitativ-wirtschaftliche, nach welcher es darauf ankommt, daß ein möglichst hoher Substitutionswert erzielt wird und eine qualitativ-ökologische, nach welcher es darauf ankommt, daß der Abfall als Verwertungsprodukt möglichst auf einer vergleichbaren Stufe der Wertschöpfungskette der Produktion wie bisher zum Einsatz gelangt, wobei Abweichungen davon zulässig sind.

Vierter Teil

Die Abfallbeseitigung Die Abfallbeseitigung regelt das KrW-/AbfG in seinen §§ 10 ff. Voraussetzung rur die Abfallbeseitigung ist nach § 10 Abs. 1 KrW-/AbfG, daß Abfälle nicht verwertet werden, d.h. zunächst müssen die in Betracht zu ziehenden Verwertungsmöglichkeiten geprüft werden. Darin kommt die abfallwirtschaftsrechtliche Zielhierarchie des Vorrangs der Verwertung vor der Beseitigung zum Ausdruck. Bemerkenswert ist außerdem das in § 10 Abs. 2 Satz 3 KrW-/AbfG enthaltene Nutzungsgebot rur Energie und Abfälle, die bei der Beseitigung anfallen. Die bloße Nutzungsmöglichkeit als solche steht einer Abfallbeseitigung daher begrifflich nicht entgegen. Die Nutzung darf eben nur nicht, worauf im Rahmen der Abfallverwertung bereits eingegangen wurde, Hauptzweck der Maßnahme sein, sondern nur untergeordneter Nebenzweck der Abfallbeseitigung, § 10 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG. Nach § 27 Abs. I Satz 1 KrW-/AbfG besteht ftlr den Bereich der Abfallbeseitigung der bereits nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AbfG 1986 bestehende Anlagenzwang fort, d.h. Abfälle dürfen nur in darur zugelassenen Anlagen oder Einrichtungen beseitigt werden. Den Begriff der Abfallbeseitigung defmiert das KrW-/AbfG nicht. Ebenso wie beim Begriff der Verwertung wird unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 2 KrW/ AbfG vertreten, daß sich die Beseitigungsverfahren abschließend aus dem Anhang 11 A ergäben. I Dies ist jedoch aus den gleichen Gründen, wie bei der Verwertung, abzulehnen. Während § 10 KrW-/AbfG entsprechend der in § 4 KrW-/AbfG enthaltenen Regelung rur die Kreislaufwirtschaft Grundsätze der gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung normiert, enthält § 11 KrW-/AbfG auf den ersten Blick entsprechend § 5 KrW-/AbfG Grundpflichten der Abfallbeseitigung. Nach § 11 Abs. 1 KrW-/AbfG sind grundsätzlich Erzeuger oder Besitzer von Abfällen zur Beseitigung verpflichtet, soweit in den §§ 13-18 KrW-/AbfG nichts anderes bestimmt ist. Zur Konkretisierung der Beseitigungsstrukturen und -pflichten des KrW-/AbfG ist es daher sinnvoll, kurz auf die in den §§ 13-18 KrW-/AbfG enthaltenen Regelungen einzugehen. Da § 13 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG von der Überlassungspflicht nur Ausnahmen rur die I

Vgl. v.Köller, KrW-/AbfG, S. 44 "Beseitigung".

Vierter Teil: Die Abfallbeseitigung

189

Verwertung von Hausmüll macht, gilt die Überlassungspflicht filr Hausmüll zur Beseitigung uneingeschränkt mit der Folge, daß grundsätzlich die öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG zur Entsorgung zuständig sind. Eingeschränkt wird diese Überlassungspflicht lediglich für Abflille zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG. 2 Außerdem können die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die Abflille zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen gemäß § 15 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG von der Entsorgung ausschließen. Die Ausschlußmöglichkeit gilt jedoch nicht für Hausmüll. Erzeuger und Besitzer von Hausmüll haben stets einen Anspruch auf öffentliche Entsorgung.3

2 Zur wenig klaren Regelung des mit "oder" beginnenden Satzteiles vgl. BartramJSchade, UPR 1995, S. 253 ff(254). 3 PetersenlRid, NJW 1995, S. 7 ff(14); Beckmann, NWVBI.l995, S. 81 ff(89).

Fünfter Teil

Praktische Anwendungsfille Nachdem die abstrakten Grundlagen der Abgrenzung der Verwertung von der Beseitigung geklärt wurden, sollen sie an einigen aktuellen Beispielen aus der Praxis auf ihre Tauglichkeit näher untersucht werden.

A. Der Bergversatz und die Verfüllung von Tagebauten Der Bergversatz und die VerfUllung von Tagebauten sind gerade in jüngster Zeit, abgesehen von ihrer politischen Brisanz l , wieder verstärkt Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen. 2 Auch gibt es neuere obergerichtliehe Entscheidungen. 3

J. Die Beurteilungsgrundlagen Beim bergmännischen Versatz werden die beim Abbau von Lagerstätten entstandenen Hohlräume mit Bergmaterial und bestimmten Rückständen verfUllt. Dazu wird das eingesetzte Material mit Wasser vermischt zum Versatzpunkt und von dort so in die Grubenbaue geleitet, daß eine möglichst vollständige Verfiillung erreicht wird. Dort härtet das Material zu einer festen Masse aus. 4 Die Bergwerksbetreiber sind finanziell erheblich daran interessiert, durch

1 Vgl. die Kleine Anfrage von Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion, BTDrs.12/4000 und die Antwort der Bundesregierung darauf, BT-Drs.12/4093, dort insbesondere S. 7 zur beabsichtigten Novellierung des Abfallgesetzes. 2 Vgl. Weidemann, DVBI. 1994, S. 1014 ff; vgl. Fluck, UPR 1993, S. 426 ff; vgl. Wendenburg, ZUR 1993, S. 221 ff; vgl. BrandtIFouquet, LKV 1995, S. 201 ff; vgl. auch Brach, ZUR 1995, S. 114 ff. 3 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f; OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff.; OVG Saarlouis, NVwZ 1990, S. 491 ff.. 4 BrandtIFouquet, LKV 1995, S. 201 ff (202).

A. Bergversatz und die Verfilllung von Tagebauten

191

Annahme von Industrierückständen Einnahmen zu erzielen. S Es ist branchenüblich, daß die Lieferanten von Rohstoffen den Kraftwerksbetreibem im Gegenzug die Verwertung oder Entsorgung ihrer Reststoffe anbieten. 6 Die bereits oben aufgefilhrten neueren obergerichtlichen Entscheidungen des OVG Saarlouis7, des OVG Koblenz 8 und des BVerw(J9 zum Reststoffverwertungsgebot des derzeit gültigen § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG beschäftigen sich mit dem Bergversatz und der VerfUllung von Tagebauten. Besondere Aufschlüsse im Hinblick auf die Auslegung des KrW-/AbfG könnte die BVerwG-Entscheidung vermitteln, da dem BVerwG bei seiner Entscheidung offensichtlich der Entwurf des KrW-/AbfG vorlag.

1. Bergversatz (OVG Saarlouis)

Im vom OVG Saarlouis zu entscheidenden Fall ging es um die Beurteilung des Einbaus von Rückständen aus der Entschwefelung von Kraftwerken als Grubenmörtel in ein Untertagekalkwerk. Die Rückstände wurden als Versatzstoffe zur Herstellung des Grubenmörtels verwendet. Das Vorhaben war ein bergrechtlich - insbesondere durch die Rahmenbetriebszulassung - genehmigtes Versatzvorhaben. Die materialbezogenen bergrechtlichen Sonderbetriebsplanzulassungen enthielten Anforderungen an die Dichte und Druckfestigkeit des Versatzes. lO Das 0 VG Saarlouis sah dies als eine Verwertung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 BlmSchG an. Die Kraftwerksrückstände würden durch den Einbau als Grubenmörtel einer neuen Nutzung zugefilhrt. Sie würden als Versatzstoffe eingebracht, um durch die Einbindung der brüchig gewordenen, aus dem Ursprungsgestein der Grube bestehenden, Stützpfeiler Brüche in der Grube zu vermeiden. Die Einsturzgefahr der Grube sei belegt. Der Versatz sei geeignet zu Stützzwecken. Anforderungen an seine Einbaugüte, insbesondere Dichte und Druckfestigkeit, enthielten die materialbezogenen Sonderbetriebsplanzulassungen. Das Versetzen diene daher nach den Gesamtumständen grubensicherheitlichen und bergwirtschaftlichen Zwecken, was mit dem in § I Nr. 3 BBergG enthaltenen bergrechtlichen Vorsorgegrundsatz übereinstimme. Der Annahme einer Verwertung stehe nicht entgegen, daß die Kraftwerksbetreiber für die Abnahme der Rückstände ein Entgelt an die Betreiberin des Kalkwerks zahlen müßten, denn die Betreiberin werde als Wirtschaftspartnerin und nicht als

Brach, ZUR 1995, S. 114 ff (114). BrandtIFouquet, LKV 1995, S. 201 ff(202). 7 OVG Saarlouis, NVwZ 1990, S. 491 ff. 8 OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff. 9 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f. \0 OVG Saarlouis, NVwZ 1990, S. 491 ff(491/492). 5

6

192

Fünfter Teil: Praktische AnwendungsflUle

Dienstleistungsunternehmen tätig. Es sei ein gemeinsames Interesse von Betreibern von Kalkbergwerken einerseits und Betreibern von Rauchgasentschwefelungsanlagen andererseits als Wirtschaftspartner erkennbar, im Sinne eines Wirtschaftskreislaufs gelieferten Kalk zur Rauchgasentschwefelung und Entschwefelungsprodukte - vor allem Gips - zusammen mit sandhaItiger Asche zur Herstellung von einsturzverhinderndem Bergbaumörtel zu verwenden. 11

2. Tagebau (OVG Koblenz, BVerwG)

In dem vom OVG Koblenz 12 und BVerwG I3 entschiedenen Fall ging es um die zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche vorgenommene VerfUllung eines Tagebaus mit einem Stabilisat aus Gips aus Rauchgasentschwefelungsanlagen, Steinkohleflugasche und Aschen aus Wirbelschichtfeuerungsanlagen. Dieses Stabilisat wird durch Mischung der genannten Stoffe mit Wasser und Zement hergestellt und bindet nach Einbau in die Grube zu einer Art Magerbeton ab. Der Tontagebau wurde auf der Grundlage einer bergrechtlichen Betriebsplanzulassung betrieben, die die Betreiberin zur VerfUllung verpflichtete. I4 Das OVG Koblenz lehnte das Vorliegen einer Verwertung ab, da es - wie oben bereits im Zusammenhang mit dem Nutzungsbegriff dargestellt - fUr das Vorliegen einer Verwertung eine bestimmte Nutzung verlangte. 15 Eine irgendwie geartete weitere Verwendung genüge nicht. I6 Die boße Nutzung der VerfUlleigenschaften von Stoffen genüge daher nicht. Mit der Besitzverschaffung an den KraftwerkSTÜckständen werde dem Verwerter nicht "etwas Gutes" getan, ihm werde "kein Wert ... verschafft"; er verkaufe nur die "Fähigkeit ... zur Abnahme des lästigen Stoffes" .17 Das BVerwG dagegen wertete die Verwendung als Rekultiviermaterial als stoilliche Verwertung. I8 Stoilliche Verwertung setze voraus, daß ein konkreter wirtschaftlicher oder sonstiger Nutzen aus den Eigenschaften des Stoffes gezogen werde, der die bloße Ablagerung entbehrlich mache. Entscheidend für die Abgrenzung von Verwertung und Beseitigung sei, ob die Nutzung der stoillichen Eigenschaften des Materials zu einem bestimmten Zweck oder die OVG Saarlouis, NVwZ 1990, S. 491 ff(492). OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff. 13 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f. 14 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f(897). 15 OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff(452). 16 OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 [[(451). 17 OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff(452). 18 BVerwG, NVwZ 1994, S. 897 f(898). 11

12

A. Bergversatz und die VerfiHlung von Tagebauten

193

Beseitigung eines wegen seiner Schadstoffhaltigkeit oder aus anderen Gründen nicht nutzbaren Stoffes im Vordergrund stehe. Für diese wertende Betrachtung sei von der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der Vorstellungen desjenigen auszugehen, der die Maßnahme durchfllhre. Die Verwendung von Stoffen mit VerfUlleigenschaften sei im konkreten Fall mit einem über den Ablagerungsvorgang hinausgehenden konkreten Nutzungseffekt verbunden. Der Nutzungseffekt ergebe sich im konkreten Fall aus dem Umstand, daß die VerfUllung der ErfUllung einer bergrechtlichen Pflicht diente. Allerdings ergebe sich kein rechtlich relevanter Unterschied zur VerfUllung zu bergtechnischen oder bergsicherheitlichen Zwecken.

11. Die rechtliche Beurteilung nach dem KrW-/AbfG Zwar unterscheiden sich Tagebau und Bergversatz im Sachverhalt voneinander. Für die rechtliche Beurteilung dürfte dies aber kaum eine Rolle spielen. Deswegen sollen hier beide Fallgruppen zusammen erörtert werden. Rein äußerlich betrachtet könnte es sich bei der Verbringung von Abfall in Tagebauten oder unter Tage ebenso um eine Beseitigungsmaßnahme 19 , nämlich um eine Deponierung, bei der die AbflUle dauerhaft20 aus dem Wirtschaftskreislauf ausgeschlossen werden (vgl. § 10 Abs. I KrW-IAbfG), handeln. Es könnte sich dabei um eine Ablagerung in oder auf dem Boden handeln, die das KrW-IAbfG nach Anhang 11 A D 1 als Beseitigungsverfahren einstuft. Ein vergleichbares Verwertungsverfahren sieht Anhang 11 B nicht vor. 21 Zudem wird es dem Betreiber der Anlage, aus der die Gipse stammen, zumindest auch darum gehen, sich ihrer zu entledigen, im Gegensatz zur Interessenlage desjenigen, der sie einbauen läßt. 22 Vor diesem Hintergrund könnte man auch zu dem Schluß gelangen, es werde kein Stoffkreislauf aufrechterhalten, denn die Abfälle sollen dauerhaft im Bergwerk oder Untertage verbleiben. Würde man bei dieser Betrachtung stehenbleiben, würde man jedoch den in § 1 KrW-IAbfG

19 Vgl. OVG Koblenz, UPR 1993, S. 450 ff(452): es handele sich um einen typischen Vorgang der Abfallbeseitigung; vgl. auch Brach ZUR 1995, S. 114 ff (115): rein faktisch betrachtet handele es sich um eine zeitlich unbegrenzte Verbringung von Rückständen; ähnlich auch Wendenburg, ZUR 1993, S. 221 ff(224). 20 Vgl. dazu SRU, BT-Drs.11I8493, Tz. 2015, S. 580. 21 Darauf weist Fluck, UPR 1993, S. 421 ff (431) hin. 22 Insofern verwischen die AusfiIhrungen des OVG Saarlouis, NVwZ 1990, S. 491 ff (492) die unterschiedlichen Interessenlagen der Beteiligten und ihre Gewichtung. Denn das OVG fiIhrt aus, es bestehe ein gemeinsames Interesse des Betreibers der Rauchgasentschwefelungsanlage und des Kalkbergwerks, zunächst gelieferten Kalk nach seiner Verwendung zur Herstellung von einsturzverhinderndem Bergbaumörtel zu verwenden. 13 Schimanek

194

Fünfter Teil: Praktische AnwendungsflUle

enthaltenen Begriff der Kreislaufwirtschaft verkennen, der ein unbestimmter Rechtsbegriff ist und erst durch die einzelnen Regelungen des KrW-/AbfG konkretisiert wird. Maßgebend dafiir, ob eine - hier in Betracht zu ziehende - Verwertung vorliegt, ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSehG. Da der Verwertungsbegriff des BImSchG und der des KrW-/AbfG im Bereich der anlagenextemen Verwertung kongruent sind, müssen die Anforderungen fiir eine (hier nur in Betracht zu ziehende stoffliche) Verwertung nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG vorliegen. Dazu müßte der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Abfalls liegen, und dadurch müßten Stoffe ersetzt werden. Nach der objektivierten Zwecksetzung des Verwerters will dieser die Abfälle zu bergtechnischen und bergsicherheitlichen Zwecken verwenden. Die Abfälle waren in den zuvor geschilderten Fällen auch objektiv geeignet, diese Zwecke zu erfiillen. Eine Nutzung liegt vor, da Verfülleigenschaften der Abfälle genutzt werden. Könnte der Verwerter die Abfälle nicht zu diesem Zweck einsetzen, müßte er andere Stoffe dafiir verwenden. Nicht erforderlich nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG ist die Nutzung stoffspezifischer Eigenschaften in dem Sinne, daß beispielweise der REA-Gips anstelle von Naturgips zum Einsatz gelangt. 23 Denn es genügt die Nutzung irgendwelcher stofflicher Eigenschaften. In der Nutzung der stofflichen Eigenschaften und nicht in der Beseitigung liegt auch der Hauptzweck der Maßnahme. Die Nutzung ist auch nicht nur vorgeschoben. Im vom BVerwG entschiedenen Fall handelt es sich sogar um die Erfüllung einer bergrechtlichen Pflicht des Verwerters. 24 Im vom OVG Saarlouis entschiedenen Fall sollte die konkrete Einsturzgefahr fiir den Tagebau des Verwerters durch die Verwendung der Abfälle beseitigt werden. Möglicherweise haben die REA-Gipse fiir ihren Erzeuger keinen Nutzen mehr. Dies ist - wie oben bereits gezeigt - fiir die Bestimmung des Hauptzwecks jedoch nicht entscheidend. 25 Aus diesen Gründen liegt auch keine "verdeckte" Abfallbeseitigung vor. Folglich liegt eine Verwertung vor. 26 Daß es sich bei den verbrachten Rückständen vielfach um besonders überwachungsbedürftige Abfälle im Sinne des § I AbtBestV handelt,

23

Vgl. Brach, ZUR 1995, S. 114 ff(115).

24 Vgl. aber auch OVG Münster, NVwZ-RR 1995, S. 441 f (441), welches dem Urteil

des BVerwG, NVwZ 1994, 8.897 f das Erfordernis einer Pflicht entnimmt. 25 Ähnlich ohne Begründung Fluck, UPR 1993, S. 421 ff (430) zu § 5 Abs. 1 NT. 3 BImSchG. 26 Vgl. Fluck, UPR 1993,8.421 ff (430) zum Verwertungsbegriff des § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG.

B. Verwendung von Altkunststoffen zur Roheisenherstellung

195

ist für die Einstufung als Verwertung grundsätzlich ohne Belang, wie bereits § 41 Abs. 3 KrW-/AbfG verdeutlicht.27

III. Insbesondere: Die Wertung des § 7 Abs. 2 KrW-/AbfG Das hier gefundene Ergebnis wird auch durch § 7 Abs. 2 KrW-/AbfG bestärkt, der auf Rechtsverordnungen nach § 7 Abs. 1 KrW-/AbfG verweist. In diesen können stoffliche Anforderungen festgelegt werden, wenn Kraftwerksabfälle, REA-Gipse oder sonstige Abfälle in der Bergaufsicht unterstehenden Betrieben aus bergtechnischen oder bergsicherheitlichen Gründen oder zur Wiedernutzbarmachung eingesetzt werden. Die Vorschrift regelt also gerade die oben behandelten Fallkonstellationen. Da in Rechtsverordnungen nach § 7 Abs. 1 KrW-/AbfG bestimmte Anforderungen zur Erfüllung der vermeidungs- und verwertungsbezogenen Pflichten nach § 5 KrW-/AbfG, insbesondere zur Sicherung der schadlosen Verwertung, festgelegt werden können, stellt § 7 Abs. 2 KrW-/AbfG zumindest klar, daß die Verfüllung von Tagebauten und der Bergversatz keine Beseitigung darstellen. 28

B. Die hüttentechnische Verwendung von Altkunststoffen im Hochofen zur Roheisenherstellung Bevor die hochaktuelle 29 und ebenso umstrittene hüttentechnische Verwendung von Altkunststoffen bei der Stahlerzeugung geprüft wird, ist es für eine saubere Subsumtion erforderlich, Grundzüge des chemischen Vorgangs und des Verfahrens darzustellen. 30

27 Vgl. zur Rechtslage nach dem AbfG 1986, Brach, ZUR 1995, S. 114 ff(1l4) und Wendenburg, ZUR 1993, S. 221 ff(224). 28 Vgl. auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(635). 29 Vgl. den Kommentar von Küffner, FAZ v. 15.9.1995, S. 17 und die Erwiderung von Brück, FAZ v. 27.9.1995, S. 14; vgl. auch den Bericht "Plastikabfälle und Lackschlämme im Hochofen", Handelsblatt v. 28.9.1995, S. 27 und "Was wir an Kunststoffen kriegen, blasen wir weg", FAZ v. 5.10.1995, S. 18. 30 Vgl. dazu auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (638) und ders. Gutachten, S. 4-7; vgl. auch Labl, MuA 1995, S. 309 ff.

196

Fünfter Teil: Praktische AnwendungsflUle

I. Die verfahrensbezogenen Beurteilungsgrundlagen Bei der Stahlerzeugung im Hochofen geht es um die Herstellung von Roheisen aus Eisenerz. Das Roheisen wird zur Stahlherstellung verwendet. Zur Gewinnung von Roheisen ist es nötig, die Eisen-Sauerstoffverbindung des Eisenerzes aufzubrechen. Die Abspaltung des Sauerstoffs vom Eisen bezeichnet man chemisch als Reduktion. Die Reduktion erfolgt im Hochofen, indem der Sauerstoff eine Verbindung mit Elementen des sog. Reduktionsmittels eingeht und das Eisen dadurch frei wird. Als Reduktionsmittel werden Stoffe verwendet, die Elemente enthalten, welche zum Sauerstoff eine größere Affmität haben als Eisen. Solche Elemente sind Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Zum Verfahren ist zu sagen, daß der Hochofen abwechselnd mit Koks- und Eisenerzschichten gefilllt wird. Da der Koks verbraucht wird und das Eisen schmilzt, rutschen diese Schichten langsam von oben nach unten. Das im Unterofen gebildete Reduktionsgas steigt von unten nach oben. Im Hochofen fmden folgende chemische Prozesse statt: 3l Der erste Schritt besteht in der Vergasung von Kohlenwasserstoffträgern, wie Koks, Kohle oder Schweröl. Dazu wird in den unteren Teil des Hochofens sauerstoffangereicherte Heißluft mit einer Temperatur von etwa 1.100-1.250° C geblasen. Die Kohlenwasserstoffträger reagieren mit dem Luftsauerstoff und es entstehen die ftlr die Reduktion erforderlichen Gase Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Die durch die chemische Reaktion verursachte Reaktionswärme fUhrt zu einem Temperaturanstieg. Der zweite Schritt besteht in der Reduktion. Das heiße Kohlenmonoxid reduziert die darüber liegende Eisenoxidschicht zu Eisen, da das Kohlenmonoxid eine Verbindung mit dem Sauerstoff eingeht. Das Eisen, das zuvor in der Eisen-Sauerstoffverbindung gebunden war, wird frei und es entsteht außerdem Kohlendioxid. Im dritten Schritt erfolgt eine erneute Vergasung. Das im zweiten Schritt entstandene Kohlendioxid reagiert mit der Koksschicht über der Eisenschicht zu CO. Beim vierten Schritt findet erneut eine Reduktion statt. Das im dritten Schritt entstandene CO reduziert das Eisenoxid der nächsten Eisenoxidschicht. Diese Eisenoxidschicht ist kälter. Durch das unterstützende Einblasen flüssiger und gasförmiger Kohlenwasserstoffträger (Schweröl und Erdgas) wird das Hochofenverfahren tmd damit auch der Reduktionsprozeß technisch verbessert. So werden im unteren Teil des

31

Vgl. dazu Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, "Eisen", S. 992 f.

B. Verwendung von Altkunststoffen zur Roheisenherstellung

197

Ofens etwa auf 1.100-1.250° C vorgewärmte Luft und über eingebaute Lanzen kohlenwasserstoffhaltige Stoffe eingeblasen. Die daraufhin stattfindende chemische Reaktion heizt das entstandene Gas auf etwa 2.000-2.200° C auf. Mittlerweile ist es technisch möglich, Altkunststoffe, beispielsweise aus DSD-Sammlungen, als Ersatz rur das Schweröl (= kohlenstoffreiches Rohöl) einzusetzen. Für ihren konkreten Einsatz ist es zunächst erforderlich, sie zu kleinen Teilchen, etwa 5 mm großen Kügelchen, zu verarbeiten. Der Kunststoff wird dann in den unteren Teil des Hochofens geblasen. Die makromolekularen Kunststoffverbindungen werden schlagartig und vollständig in ihre niedermolekularen Grundbausteine zerlegt. Der im Kunststoff eingebundene Kohlenstoff kann sogleich seine Funktion als Reduktionsmittel übernehmen. Das Schweröl kann bis zu 100% ersetzt werden. Das entstehende Gas wird zu 50% für die chemische Reaktion genutzt. Zu 30% entsteht sog. Gichtgas, das den Ofen verläßt und teilweise rur die Heißlufterzeugung verwendet und teilweise verstromt wird. Das Gas geht ferner zu 20% prozeßbedingt verloren.

11. Die rechtliche Bewertung Für die rechtliche Bewertung ist nach den oben entwickelten Kriterien zunächst entscheidend, ob es sich um eine Verwertungs- oder eine Beseitigungsmaßnahme handelt. Sollte es sich um eine Verwertungsmaßnahmehandeln, wäre zu klären, ob es sich um eine stoffliche oder eine energetische Verwertung handelt. Eine Verwertung liegt nach § 4 Abs. 3, Abs. 4 KrW-/AbfG grundsätzlich vor, wenn irgendwelche stofflichen Eigenschaften des Abfalls genutzt werden und dadurch Rohstoffe ersetzt werden. Die letztgenannte Voraussetzung ist hier unproblematisch. Die Kunststoffe ersetzen das Schweröl. Viel problematischer zu klären ist die erste Voraussetzung der Nutzung. Dazu muß der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in seiner Beseitigung liegen. Es stellt sich daher die juristische Frage, ob der Hauptzweck des Einsatzes der Kunststoffe in ihrer Beseitigung oder in ihrer Verwertung liegt.

1. Verwertung oder Beseitigung

Könnte das Vorliegen einer Verbrennung beim Einsatz von Altkunststoffen im Hochofen bereits aus naturwissenschaftlichen Gründen eindeutig ausgeschieden werden, scheidet auch eine Abfallbeseitigung durch Verbrennen automatisch aus.

198

Fünfter Teil: Praktische Anwendungsflllie

a) Das äußere Erscheinungsbild

Vom äußeren Erscheinungsbild her, welches ein erstes Indiz zu liefern vermag, weist der Einsatz von Kunststoffen im Hochofen Ähnlichkeiten zu Beseitigungsvorgängen durch Verbrennen auf. Beispielsweise wird das Volumen der Kunststoffe reduziert, wenn sie sich nicht sogar vollständig in ihre chemischen Bestandteile auflösen. Für das Vorliegen einer Verbrennung scheint auch zu sprechen, daß Kunststoffe im Hochofen verfahrensbedingt durch Wärme abgebaut werden. Äußerlich und auf den ersten Blick scheinen daher im Hochofen wohl zumindest auch Verbrennungsvorgänge stattzufinden. 32 b) Die naturwissenschaftlich-technische Sichtweise

Ob im Hochofen eine Verbrennung im naturwissenschaftlichen Sinne stattfmdet, was ein weiteres Indiz sein könnte, ist nicht unzweifelhaft. Als Verbrennung im naturwissenschaftlichen Sinne bezeichnet man die schnell laufende Vereinigung von Sauerstoff mit den brennbaren Bestandteilen eines Brennstoffes. 33 Dabei wird chemisch gebundene Wärme durch die Oxidation des Brennstoffes freigesetzt. Der Brennstoff muß vollständig oxidiert werden. 34 Für die Verbrennung ist Kohlenstoff von besonderer Bedeutung. Der Kohlenstoff kann mit Sauerstoff eine Verbindung entweder zu Kohlenmonoxid oder zu Kohlendioxid eingehen. Kohlendioxid entsteht, wenn die Verbrennung von Kohlenstoff unter optimalen Bedingungen durchgefiihrt wird, was insbesondere eine gründliche Durchmischung mit Sauerstoff voraussetzt. Die Verbrennung, also die chemische Reaktion, verläuft dann in einem Schritt, wobei etwa 32.796 kj/kg - bezogen auf den Kohlenstoff - freigesetzt werden. 35 Kohlenstoff reagiert mit dem Sauerstoff jedoch in zwei Stufen, wenn insbesondere die Sauerstoffzufuhr nicht genügend ist. Dabei wird zuerst Kohlenmonoxid gebildet und dabei erheblich weniger Wärmeenergie freigesetzt (10.106 kj/kg C). Erst im zweiten Schritt reagiert Kohlenmonoxid mit Sauerstoff weiter zu Kohlenioxid, wobei weitere 22.690 kj/kg C freigesetzt werden. Dem Vorgang im Hochofen entspricht die zweistufige Reaktion. Bei dieser Reaktion wird die im Kohlenstoff enthaltene Wärmeenergie auf der ersten Stufe noch nicht vollständig freigesetzt. Eine Verbrennung scheidet daher

Vgl. auch Labl, MuA 1995, S. 309 ff (31 0). Vgl. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 4812, "Verbrennung". 34 So das FG Nürnberg als Vorinstanz in BFHE 97, S. 331 ff(333). 35 Vgl. dazu und zum folgenden Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 4817, "Verbrennungswärme (Heizwert)". 32 33

B. Verwendung von Altkunststoffen zur Roheisenherstellung

199

aus, denn bei der zweistufigen Reaktion fmdet keine vollständige Verbrennung statt. 36 c) Die objektivierte Zwecksetzung des Hochofenbetreibers

Die Kunststoffe sollen nach der Zwecksetzung des Hochofenbetreibers im Hochofen, ebenso wie Schweröl u?d Koks37 , als Reduktionsmittel genutzt werden. Ziel der Reduktion ist die Aufspaltung der Eisenoxide. Die Kunststoffe treten an die Stelle von Schweröl, welches sonst eingesetzt werden müßte. Zwar gehen die im Kunststoff enthaltenen Kohlenstoffe - wie bei der Verbrennung eine Verbindung mit dem "Erzsauerstofr' ein. Diese Reaktion wird aber nicht zur Beseitigung des in den Kunststoffen enthaltenen Schadstoffpotentials, sondern zur Roheisenherstellung herbeigefilhrt. Natürliche Ressourcen werden geschont. Die Kunststoffe werden in den Produktionsprozeß eingebunden und nehmen dadurch am Stoffkreislauf teil. Um einen nicht bloß vom Hochofenbetreiber vorgeschobenen Zweck handelt es sich schon deshalb, weil die Kunststoffe die jeweils gleich Menge an Schweröl ersetzen und es deshalb nicht darum geht, die Kunststoffe lediglich flankierend zur Nutzung des Schweröls zu beseitigen. Die Kunststoffe sind vielmehr in der Lage, alle Funktionen des Schweröls mitzuübernehmen. Zwar können nur etwa 50% des im Kunststoff enthaltenen Gases filr die chemische Reaktion als solche genutzt werden, während 30% des Gases zur Wärmeerzeugung oder Verstromung verwendet werden. 38 Demgegenüber gehen aber nur 20% des Gases prozeßbedingt verloren. Da insgesamt 80% des Gases genutzt werden, liegt der Hauptzweck vom Nutzungsgrad her betrachtet, in der Nutzung des Kunststoffs. Nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise liegt daher der Hauptzweck des Einsatzes von Kunststoffen im Hochofen in Ihrer Verwertung, § 4 Abs. 3, Abs. 4 KrW/AbfG.3 9 Grundsätzlich dürfte wohl auch der Gesichtspunkt der Verunreinigungen der Kunststoffe, § 4 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG jedenfalls nach der hier lediglich möglichen abstrakten Beurteilung - zu keiner anderen Bewertung zwingen. 40 Folglich liegt eine Verwertung vor.

36 Vgl. auch FG Nümberg als Vorinstanz in BFHE 97, S. 331 ff (333), das mit der Feststellung, eine Verbrennung des Heizöls im eigentlichen Sinn liege nicht vor, wohl dasselbe meint. 37 Wobei zu beachten ist, daß die Kunststoffe den Koks gerade nicht ersetzen. 38 Im vom BFH entschiedenen Fall wurden 85% des Schweröls zur Reduktion und 15% zur Wärmeübertragung verwendet, vgl. BFHE 97, S. 331 ff(334). 39 Vgl. auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff (635); vgl. auch ders., Gutachten, S.23/24. 40 Vgl. auch Lahl, MuA 1995, S. 309 ff(313).

200

Fünfter Teil: Praktische Anwendungsfälle 2. Stomiche oder energetische Verwertung

Es muß nunmehr geklärt werden, ob eine stoffliche oder eine energetische Verwertung in Betracht kommt. Eine energetische Verwertung würde bei einer unmittelbaren und gezielten Energierückg~winnung nach § 4 Abs. 3 KrW1AbfG vorliegen. Zweck des Einsatzes der Kunststoffe ist die Ersetzung der herkömmlichen Reduktionsmittel und nicht die Oxidation des Kohlenstoffs. Genutzt wird in erster Linie nicht die durch die Reaktion mit den Kunststoffen anfallende Wärme, sondern die chemische Eigenschaft, die Verbindung von Eisen und Sauerstoff im Eisenerz aufzulösen und die Erze auf diese Weise zu reduzieren. Zwar läuft der Hochofenprozeß unter Wärmeeinwirkung ab, die daftlr erforderliche Prozeßwärme wird jedoch nicht aus den Kunststoffen gewonnen, sondern aus der Oxidation des Kohlenstoffs und der Wärme der Heißwinde. 41 Daß das entstehende Gichtgas, welches etwa 30% des Energiegehalts des Kunststoffs ausmacht, zur Heißlufterzeugung und Verstromung verwendet wird42 , ist unschädlich, denn dies geschieht zeitlich später in einem weiteren Prozeßschritt. Dieser Prozeßschritt ist zwar kausal zum Einblasen der Kunststoffe, jedoch nicht unmittelbar kausal. Energie wird dadurch also nicht unmittelbar rückgewonnen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 KrW-IAbfG). Im übrigen verbrennen die Kunststoffe zwar in einem Prozeß, der unter Wärmeeinwirkung stattfmdet, mit. Dieser Effekt wird aber nicht gezielt zur Energiegewinnung angestrebt. Gezielt angestrebt, da zur Roheisenherstellung nötig, wird vielmehr die Verbindung der im Kunststoff enthaltenen Kohlenwasserstoffe mit dem "Erzsauerstoff'. Daß dabei auch Wärmeenergie freigesetzt wird, ist ein Nebeneffekt. Dementsprechend wird das entstehende Gas auch überwiegend, nämlich zu 50%, rur die Verbesserung der chemischen Reaktion und nur zu 30% ftlr die Erwärmung verwendet. 43 Schließlich bestätigt auch ein Blick auf die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 KrW-IAbfG, daß eine stoffliche und keine energetische Verwertung vorliegt. Die Nutzung der im Kunststoff enthaltenen Energie im Hochofen ist nicht optimal, weil diese Nutzung nicht vordergründig bezweckt wird. Um eine optimale Energieausnutzung zu erreichen, müßte eine vollständige Oxidation

41 Vgl. Weidemann, Gutachten, S. 23/24.

Im vom BFH entschiedenen Fall wurden 15% des Schweröls zur Erwärmung verwendet, vgl. BFHE 97, S. 331 ff (334). 43 Vgl. auch BFHE 97, S. 331 ff(336). 42

C. Klärschlamm

201

mit Luftsauerstoff vorgenommen werden. Dazu ist das Hochofenverfahren jedoch technisch nicht ausgelegt. Es bleibt daher festzuhalten, daß der Einsatz von Kunststoffen im Hochofen als Reduktionsmittel stoffliche Verwertung ist. 44

c. Klärschlamm Als weiterer problematischer, aktueller4 5 und praktisch relevanter Bereich wird im folgenden auf die Behandlung von Klärschlämmen eingegangen. J. Beurteilungsgrundlagen Klärschlämme sind nach der in § 2 Abs. 2 Satz 1 Klärschlammverordnung vom 15. April 1992 (AbfKlärV)46 enthaltenen Legaldefmition die bei der Behandlung von Abwasser in Abwasserbehandlungsanlagen einschließlich zugehöriger Anlagen zur weitergehenden Abwasserreinigung anfallenden Schlämme. Die bei der Reinigung häuslicher und industrieller Abwässer anfallenden Schlämme sind daher Klärschlämme. 47 Die Zusammensetzung bzw. Qualität des Klärschlammes ist sehr verschieden. Klärschlamm aus Haushaltsabwässern enthält zu einem großen Teil organische Substanz und relativ große Mengen an Pflanzennährstoffen. Teilweise ist Klärschlamm auch mit einem sehr hohen Gehalt an bestimmten Schwermetallen belastet.48 Diese Klärschlämme werden herkömmlicherweise zum Teil verbrannt und zum Teil auf landwirtschaftlich oder gärtnerisch genutzte Flächen aufgebracht. Davor erfolgt manchmal eine Kompostierung oder andersartige Vorbehandlung, zumindest aber ihre Entwässerung. Hier soll es um die Aufbringung von Klärschlamm auf Böden gehen.

Vgl. auch Fluck, in: Fluck, KrW-/AbfG, § 4, Rdnr. 106. Vgl. den erst vor kurzem erschienenen Aufsatz von BeckmannlKersting, UPR 1995, S. 321 ffm.w.N. zu Literatur und Rechtsprechung. 46 BGBI. I, S. 912. 47 Vgl. BilitewskilHärdtlelMarek, Abfallwirtschaft, S. 25. 48 Vgl. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 2222, "Klärschlamm"; vgl. auch Förstner, Umweltschutztechnik, S.235; vgl. auch Schulz, KA 1993, S. 1006 ff (1007). 44 45

202

Fünfter Teil: Praktische AnwendungsflUle

11. Die rechtliche Beurteilung Während es nach dem AbfG 1986 vor allem um die Problematik des in § 1 AbfG 1986 enthaltenen Abfallbegriffs und im Zusammenhang mit § 15 Abs. 1 AbfG 1986 um die Anwendbarkeit der auf § 15 Abs. 2 AbfG beruhenden AbtKlärV49 geht50 , dürfte nach dem in § 3 KrW-/AbfG sehr weit defmierten Abfallbegriff kein Zweifel an der Einstufung von Klärschlamm als Abfall und damit an der Anwendbarkeit des KrW-/AbfG bestehen. 51 Erst im zweiten Prüfungsschritt kommt es darauf an, ob im Aufbringen der Schlämme auf Böden eine Verwertung und keine Beseitigung liegt und damit dem in §§ 5 Abs. 2 Satz 2, 4 Abs. 1 KrW-/AbfG normierten Grundsatz des Vorrangs der Verwertung vor der Beseitigung entsprochen wird. Dieser Prüfungsschritt ist wegen der Systematik des KrW-/AbfG und aus Gründen der Rechtklarheit strikt vom ersten der Prüfung der Abfalleigenschaft zu trennen. 52 Ob ein Verwertung oder eine Beseitigung vorliegt, richtet sich nach den in § 4 Abs. 3, Abs. 4 KrW-/AbfG enthaltenen Kriterien. Zwar kommt den Anhängen 11 Bund 11 A nicht nur rur die Beurteilung der Abfalleigenschaft einer Sache, sondern auch im Rahmen der Beurteilung, ob eine Verwertungsmaßnahme vorliegt, eine gewisse, grob orientierende, Bedeutung zu, weil der in § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG enthaltene Verwertungsbegriff nicht abweichend von dem des § 4 KrW-/AbfG ausgelegt werden darf. Insofern scheidet eine Einordnung der Aufbringung von Klärschlamm jedenfalls unter die Gruppe RIO des Anhangs 11 B nicht von vornherein aus, denn die Aufbringung von Klärschlamm auf den Boden kann zum Nutzen der Landwirtschaft oder Ökologie geschehen. Entscheidend ist aber auch hier, daß eine Aufbringung zum Nutzen der Landwirtschaft oder Ökologie erfolgt, was konkret geprüft werden müßte. Im Hinblick auf diese Voraussetzung deckt sich die Gruppe RIO des Anhangs 11 B mit den Voraussetzungen rur das Vorliegen einer hier in Betracht zu ziehenden stofflichen Verwertung gemäß § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG. Der Hauptzweck der Aufbringung des Klärschlamms müßte daher in der Nutzung irgendwe1cher stofflichen Eigenschaften des Klärschlamms und der Ersetzung anderer Stoffe

Klärschlammverordnung (AbfKlärV) vom 15. Apri11992, BGBI. I, S. 912. Vgl. dazu instruktiv BeckmannIKersting, UPR 1995, S. 321 tT (321-324) und Schulz, KA 1993, S. 1006 tT; vgl. auch Schwermer, in KlSN, AbfG, § 1, Rdnr. 35; vgl. aus der Rechtsprechung OVG Lüneburg, DÖV 1981, S. 271 f; VG Aachen, ZfW 1983, S. 54 tT; OVG Lüneburg, ArgrarR 1984, S. 228 f; VG Stade, NVwZ 1990, S. 1004 f; OVG Koblenz, NVwZ-RR 1991, S. 532 ff. 51 Vgl. auch BeckmannlKersting, UPR 1995, S. 321 tT(325/326). 52 Diese Trennung halten BeckmannIKersting, UPR 1995, S. 321 tT (326/327) nicht streng durch. 49

50

C. Klärschlamm

203

liegen. Dies läßt sich für Klärschlamm nicht generell bejahen 53, sondern hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Dabei besteht das Problem darin, daß sich das Motiv der Entledigung in der Regel mit dem der Bodenverbesserung verbindet. 54 Durch Klärschlamm werden in erster Linie Torf5 5 und Dünger56 ersetzt. Trotz der in ihm enthaltenen Verunreinigungen ist er dazu auch bei entsprechender Anwendung geeignet. Dabei werden dann auch seine Eigenschaften als Dünger genutzt. Der Klärschlamm wird im Stoffkreislauf gehalten. Wird allerdings mehr Klärschlamm als für eine Düngung notwendig auf den Boden aufgetragen 57 , wird nichts ersetzt. In einem solchen Fall würde es daher schon an der Vorausetzung der Ersetzung anderer Stoffe fehlen. Außerdem würden, da für eine Düngung nicht notwendig, die stofflichen Eigenschaften des Klärschlamms insofern nicht genutzt werden. Auch wenn es sich um "reines Ödland" (= Land, dessen land- und forstwirtschaftliche und gärtnerische Nutzung nicht bezweckt ist) handelt, liegt der Hauptzweck der Autbringung nicht in der Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Abfalls, sondern in der Beseitigung des im Klärschlamm enthaltenen Schadstoffpotentials. 58 Die Maßnahme wäre keine stoffliche Verwertung, sondern eine - möglicherweise unzulässige, da das Gebot des Vorrangs der Verwertung verletzende - Beseitigungsmaßnahme. In einem davon wiederum zu trennenden dritten Prüfungsschritt, müßte bei Vorliegen einer Verwertung geprüft werden, ob diese ordnungsgemäß und schadlos erfolgt, § 5 Abs. 3 Satz 1 KrW-/AbfG. Bei der Ordnungsgemäßheit der Klärschlammautbringung, weIche gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG den Einklang mit anderen öffentlichrechtlichen Vorschriften erfordert, wäre gegenwärtig insbesondere auch die nach Inkrafttreten des KrW-/AbfG noch grundsätzlich weitergeltende AbfKlärV, insbesondere deren §§ 3 und 4, und ggfs. das DüngemitteIG und die Düngemittelverordnung vom 9. Juli 1991 (Düngemit-

So aber wohl BeckmannlKersting, UPR 1995, S. 321 ff (327). So zum AbfalIberiff des AbfG 1986 Hösellv.Lersner, AbfG, § 15, Rdnr. 8; vgl. auch Schulz, KA 1993, S. 1006 ff(1008). 55 Vgl. Versteyl, in KJSN, AbfG, § 15, Rdnr. 3: Torfsurrogat. 56 Vgl. auch VG Stade, NVwZ 1990, S. 1004 f(1004). 57 Dies dürfte beispielsweise auf den vom OVG Koblenz, NVwZ-RR 1991, S. 532 ff (533) entschiedenen Fall zutreffen, in welchem der Klärschlamm in einer Schichtstärke von 30-50 cm auf einen Boden mit einer Schichtstärke von 10 cm aufgebracht wurde. 58 Vgl. OVG Koblenz, NVwZ-RR 1991, S. 532 ff (533); davon ist die Situation zu unterscheiden, daß die Autbringung von Klärschlamm auf Böden vorgenommen wird, um deren Eignung zur Nutzung herzustellen, oder auf brachliegende Felder innerhalb der Fruchtfolge; vgl. Hösellv.Lersner, AbfG, § 15, Rdnr. 8. 53

54

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Fünfter Teil: Praktische Anwendungsfälle

te1VO)59 zu berücksichtigen. Der Klärschlamm wird aber nicht schon deshalb, weil er nicht ordnungsgemäß und schadlos verwertet werden kann, zum Abfall zur Beseitigung. 60 Erfolgt die Verwertung nicht ordnungsgemäß, ergibt sich daraus lediglich ihre Rechtswidrigkeit, nicht ihr Charakter als Beseitigung. 61 Sonst käme es im Ergebnis auf die in § 4 Abs. 3, Abs. 4 KrW-/Abffi enthaltenen Kriterien nicht mehr an. Auch § 10 Abs. 1 KrW-/Abffi spricht von Abfällen, "... die nicht verwertet werden ... ", nicht etwa von AbflUlen, die nicht verwertet werden dürfen oder deren Verwertung nach dem KrW-/Abffi unzulässig ist. Ist eine Kompostierung oder Trocknung von Klärschlämmen erforderlich, so dürfte dies eine Vorbehandlung im Sinne des § 5 Abs. 4 Satz 2 KrW -/AbfG darstellen. 62 Grundsätzlich können Klärschlämme daher verwertet werden, wobei es jedoch auf den konkreten Einzelfall ankommt.

D. Bauschutt Ein weiteres, vor allem mengenmäßiges Problem, ist der Bauschutt. Selbstverständlich können hier nicht alle diesbezüglich bestehenden Rechtsprobleme im Detail gelöst werden. Jedoch kann hier bereits, wenn auch nur recht abstrakt, die Richtung aufgezeigt werden, in die das KrW-/AbfG rur die rechtliche Beurteilung weist. Nach dem AbfG 1986 besteht das Problem hauptsächlich darin, ob der Bauschutt als Abfall zu qualifizieren ist. Greift der subjektive Abfallbegriff des § I Abs. I Satz 1 I. Alt. Abffi nicht ein63 , stellt sich die Frage, ob der Bauschutt unter den objektiven Abfallbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AbfG

59 Vom 9. Juli 1991, BGBI. 1991, I, S. 1450, Ld.F. vom 26. Oktober 1993, BGBI. I, S.1782. 60 So aber BeckmannlKersting, UPR 1995, S. 321 ff(327). 61 Vgl. auch Weidemann, NVwZ 1995, S. 631 ff(635). 62 Anders rur Bioabfallkompost wohl BeckmannIKersting, UPR 1995, S. 321 ff (326): Kompost sei das Produkt der Verwertung. Nach der hier vertretenen Ansicht stellt die Kompostierung als solche einen Tei/schritt der Verwertung dar. 63 Der subjektive Abfallbegriff kann beispielsweise bei langjährigem Liegenlassen des Bauschutts eingreifen, vgl. BVerwG, NVwZ 1990, S. 564.

D. Bauschutt

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fällt, was sich unter anderem nach seinem Schadstoffgehalt und dem Grad seiner Verunreinigungen richtet. 64 Dabei werden schadstoffverunreinigter, belasteter und unbelasteter Bauschutt voneinander unterschieden65 : Schadstoffverunreinigt ist Bauschutt, wenn er mit umweltschädlichen Chemikalien belastet ist.

Als belasteten Bauschutt bezeichnet man Bauschutt, der feste Fremdstoffanteile nicht kontaminierter Bauwerke wie Holz, Metall, Kunststoffe, Versorgungsleitungen, Fußbodenbeläge, Teerpappe und dergleichen enthält. Bei unbelastetem Bauschutt handelt es sich im wesentlichen um rein mineralisches Material, das vorwiegend aus Steinbaustoffen, Mörtel und Betonbruch besteht. Eine solche Qualität des Bauschutts kann in der Regel nur durch eine sorgfältige Aussortierung der ungeeigneten Stoffe erreicht werden Nach der weiten Defmition des Abfallbegriffs in § 3 KrW-/AbfG dürfte Bauschutt nunmehr wohl immer als Abfall einzustufen sein. Auch unbelasteter Bauschutt steht daher, im Gegensatz zur Rechtslage nach dem AbfG 1986, unter dem Regime des Abfallrechts. Nach dem KrW-/AbfG stellt sich vielmehr die Frage, ob seine Verwendung, beispielsweise als Baustoff im Straßenbau oder als Verfüllmaterial, eine Verwertung oder eine Beseitigung darstellt. Das hängt nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG zunächst davon ab, ob irgendwelche stofflichen Eigenschaften genutzt werden und dadurch Rohstoffe substituiert werden. Da jede Bauschuttart als Bau- und Verfüllmaterial geeignet ist und durch die konkrete Verwendung Rohstoffe ersetzt, wird es sich zumindest in den oben beschriebenen Fällen um eine Verwertung handeln und nicht um eine Beeitigung in Gestalt einer Ablagerung. Letzteres wird nur dann anzunehmen sein, wenn der Bauschutt "zwecklos" abgekippt wird oder die Bau- oder Verfilllzwecke nur vorgeschoben sind, etwa wegen des hohen Verunreinigungsgrades des Bauschutts. Bauschutt wird daher grundsätzlich vorrangig zu verwerten sein.

64 Zu Bauschutt als solchem vgl. OVG Koblenz, NuR 1992, S. 437 ff (438/439); bestätigt von BVerwG, DVB1.l993, S. 1139 ff (1140); zu Ziegelsteinabbruch Vgl. OVG NW, GewArch 1989, S. 397 f; bestätigt von BVerwG, UPR 1989, S. 33 f; vgl. aber auch OVG Lüneburg, UPR 1986, S. 228 ff (229) zur Verwendung von Asche aus der Verbrennung unbehandeIter Holzreste als AuffiUlmaterial. 65 Zu dieser Unterscheidung und ihrer Bedeutung vor allem für behördliche Nachweispflichten vgl. OVG Koblenz, NuR 1992, S. 437 ff(438/439).

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Fünfter Teil: Praktische Anwendungsfälle

Im übrigen stellt sich das Problem der Verunreinigungen bzw. des Schadstoffgehalts erst auf der zweiten Prüfungsstufe nach der Klärung, ob eine Verwertung vorliegt, und zwar bei den tUr eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung (§ 5 Abs. 3 Satz I KrW-/AbfG) einzuhaltenden Anforderungen. Dies dürfte vor allem filr schadstoffveruneinigten und belasteten Bauschutt relevant werden. Ist eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung möglich, stellt sich bei einer behördlicherseits auferlegten Verwertungspflicht gegebenenfalls die Frage, ob eine Vorbehandlung nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KrW/AbfG auch wirtschaftlich zumutbar ist (§ 5 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG).

E. Galvanikschlämme in der Klinkerherstellung Mittlerweile ist es technisch möglich, Galvanikschlämme bei der Klinkerherstellung zu verarbeiten. Für das KrW-/AbfG stellt sich die Frage, ob es sich um Verwertung oder Beseitigung handelt. I. Beurteilungsgrundlagen

Für eine rechtliche Beurteilung ist es sinnvoll, kurz auf die Zusammensetzung der Galvanikschlämme und den Prozeß der Klinkerherstellung einzugehen. Mit der Galvanotechnik werden metallische Schichten auf Werkstoffoberflächen übertragen. Dies geschieht aus dekorativen oder technischen Zwecken (z.B im Hinblick auf Lötbarkeit, elektrische Leitfiihigkeit, Korrosionsbeständigkeit usw.).66 In Abwasserbehandlungsanlagen von Galvanikbetrieben fällt der sog. Galvanikschlamm an. Der Schlamm ist mit Schwermetallen, teilweise auch mit organischen Stoffen und Zyanid belastet. In der Regel werden diese Schlämme auf der Sonderabfalldeponie entsorgt oder in der Untertagedeponie abgelagert. Verfahren zur Rückgewinnung des Metallinhalts der Schlämme haben nur geringe Bedeutung, da sie voraussetzen, daß ein bestimmtes Grundmetall Hauptbestandteil des Galvanikschlammes ist (sog. Monoschlämme).67

66 Vgl. Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik, S. 1572/1573, "Galvanotechnik". 67 Vgl. Bosse, EP 1994, S. 66 ff; vgl. aber auch Förstner, Umweltschutttechnik, S. 3S0 und 360; vgl. auch BilitewskilHärdtlelMarek, Abfallwirtschaft, S. 398/399: die Aufarbeitung der metallhaItigen Schlämme sei zwar wirtschaftlich interessant, die dafür erforderlichen Verfahren seien aber bisher nur als Labor- und Technikumsanlagen realisiert, deren großtechnische Umsetzung noch ausstehe bzw. aus wirtschaftlichen

E. Galvanikschlämme in der Klinkerherstellung

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Klinker werden bei hohen Temperaturen zwischen 900 und 1.150° C aus tonigen und lehmigen Massen gebrannt. Verwendet man anstelle des Tons Galvanikschlämme, so werden die darin enthaltenen Schwermetalle in der entstehenden chemischen Verbindung fixiert und die organischen Verunreinigungen durch die hohen Temperaturen beim Brennprozeß vollständig ausgetrieben und zersetzt. Die zugesetzten Galvanikschlämme leisten einen genau definierten Beitrag. Der hergestellte Klinker ist ein Produkt mit definierten Eigenschaften. Im Unterschied zu normalen Ziegeln werden Klinker in Bereichen eingesetzt, in denen sie Witterungseinflüssen ausgesetzt sind und wo außerdem gewisse optische Effekte erwünscht sind. Der Galvanikschlamm substituiert den Ton. Durch seinen Zusatz kann die Brenntemperatur abgesenkt und die Farbpalette der Klinker erweitert werden.

11. Die rechtliche Beurteilung Der in den Galvanikschlämmen enthaltene Schadstoffgehalt an Schwermetallen und die Tatsache, daß diese Schlämme auch bisher auf Sonderabfalldeponien entsorgt bzw. auf Untertagedeponien abgelagert wurden, scheint auf den ersten Blick für das Vorliegen einer Maßnahme der Abfallbeseitigung zu sprechen. 68 Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung muß jedoch § 4 Abs. 3 KrWI AbfG sein. Die Galvanikschlämme als solche substituieren den Ton. Fraglich ist, ob irgendwelche stofflichen Eigenschaften der Schlämme genutzt werden. Nach der Zwecksetzung des betreffenden Anlagenbetreibers geht es hauptsächlich darum, die Schlämme anstelle des Tons bei der Produktion zu nutzen. Die Ersetzung des Tons durch Schlämme geschieht bei gleichbleibender Mengenbilanz. Die Schlämme werden im Wirtschaftskreislauf gehalten. Der Zweck, die mit den Schlämmen hergestellten Klinker zu vermarkten, ist nicht bloß vorgeschoben. Demgegenüber ist der sicherlich nicht unerwünschte Zweck, die in den Schlämmen enthaltenen Metalle zu beseitigen, lediglich bloßer Nebenzweck, nicht aber Hauptzweck im Sinne des § 4 Abs. 3 KrWIAbfG. Folglich liegt eine Verwertung vor.

Gründen nicht realisiert werde; zu abwasserarmen Galvanikanlagen durch sog. integrierten Umweltschutz vgl. jüngst Umweltbundesamt, Umwelt 1995, S. 151 f. Die Reduzierung des Abwasseraufkommens ruhrt zu einer Reduzierung der Galvanikschlämme, vgl. die im Bericht abgedruckte Tabelle a.a.O., S. 151. aB Vgl. aus naturwissenschaftlich-technischer Sicht auch Förstner, Umweltschutztechnik, S. 329.

Sechster Teil

Zusammenfassung 1. Nach dem KrW-/AbfG hat die Abfallvenneidung den absoluten Vorrang vor der davon zu unterscheidenden Verwertung. Das KrW-/AbfG enthält aber selbst keine Pflichten zur Abfallvenneidung, sondern verweist dafür auf das Immissionschutzrecht und Rechtsverordnungen nach dem Muster der VerpackV. Für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen besteht nach § 5 Abs. I Nr. 3 BImSchG lediglich ein relativer Vorrang der Venneidung vor der Verwertung.

2. Das Abfallwirtschaftsrecht versteht unter Venneidung im Bereich der Produktion, daß die Entstehung von Abfall vennieden werden muß. Der abfallwirtschaftsrechtliche Venneidungsbegriff ist weder verfahrensbezogen noch bedeutet er, daß der betreffende Stoff in dem Prozeß oder dem geschlossenen technischen System verbleiben muß, in dem er entstanden ist oder eingespeist wurde. Das Gesetz zur Venneidung, Verwertung und Beseitigung von Abfällen ändert den Inhalt des in § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG enthaltenen anlagenbezogenen immissionsschutzrechtlichen Venneidungsbegriffs nicht. Daher sind der abfallwirtschaftsrechtliche und der immissionsschutzrechtliche Venneidungsbegriff inkongruent. Der Venneidungsbegriff des KrW-/AbfG ist enger, da er den Bereich der anlageninternen Verwertung nicht erfaßt. Eine "anlageninterne Verwertung" im Sinne des KrW-/AbfG ist eine Venneidung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSehG. Die Inkongruenz der Venneidungsbegriffe wirkt sich wegen der Inbezugnahme der maßgebenden Nonnen des KrW-/AbfG durch § 6 Nr. 2 BlmSchG zwar nicht auf den Prüfungsumfang im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren aus, aber auf die Überwachung nach § 52 Abs. I BImSchG und auf die Möglichkeit, nachträgliche Anordnungen nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zu erlassen. 3. Die Spezialitätsklausel des § 9 Satz 1 KrW-/AbfG entfaltet Wirkung fUr genehmigungsbedürftige Anlagen. Aus ihr ergibt sich, daß Anknüpfungspunkt

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rur Abfallvermeidungspflichten (und damit auch Abfallverwertungs- und Abfallbeseitigungspflichten) das BlmSchG und nicht das KrW-/AbfG ist. Das BImSchG ist auch rur nicht-genehmigungsbedürftige Anlagen spezieller. Für solche Anlagen bestehen daher noch keine Vermeidungs- und Verwertungspflichten. Aufgrund der Unberührtheitsklausel des § 9 Satz 2 KrW-/AbfG sind stoffbezogene abfallwirtschaftsrechtliche Pflichten im Bereich der abfallwirtschaftsrechtlichen Verwertung auch ergänzend im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen (§ 6 Nr. 2 BlmSchG LV.m. § 9 Satz 2 KrW-/AbfG). Dies gilt nach § 9 Satz 3 KrW-/AbfG auch rur die anlageninterne Verwertung, die sich mit dem immissionsschutzrechtlichen Bereich der Vermeidung überschneiden kann, sofern stoftbezogene Anforderungen in einer Rechtsverordnung festgelegt sind. Das Merkmal der stoftbezogenen Anforderungen (§ 9 Satz 3 KrW-/AbfG) ist ein deklaratorischer Verweis auf die sich bereits aus § 7 KrW-/AbfG ergebenden Anforderungen und ist im Sinne von einzelstoftbezogenen Anforderungen zu verstehen. 4. Die Produktverantwortung nach § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG ist wegen des Verordnungsvorbehalts nicht unmittelbar durchsetzbar. Sie entfaltet erst beim Erlaß von Rechtsverordnungen nach §§ 23,24 KrW-/AbfG Rechtswirkungen. Der in § 59 Satz 3 1. Alt. KrW-/AbfG enthaltene Änderungsvorbehalt zugunsten des Bundestages ist wegen Verletzung des Rechtsstaatsprinzips verfassungswidrig. 5. Dem KrW-/AbfG liegt ein einheitlicher Rechtsbegriff der Verwertung zugrunde. Maßgebend rur das Vorliegen einer Verwertung sind grundsätzlich die in § 4 Abs. 3, Abs. 4 KrW-/AbfG enthaltenen Legaldefinitionen. Bei der energetischen Verwertung sind außerdem die §§ 4 Abs. 1 Nr. 2 b), 6 Abs. 2 KrW-/AbfG ergänzend heranzuziehen. Voraussetzung rur eine Verwertung ist, daß irgendwelche (brenn-)stofflichen Eigenschaften des Abfalls (bei der energetischen Verwertung zur Energieerzeugung) genutzt und dadurch andere Stoffe ersetzt werden. Energetische und stoffliche Verwertung sind grundsätzlich gleichrangig. Das Vorrangverhältnis ist im Einzelfall nach den Kriterien des § 6 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG zu bestimmen. Außerdem muß der Verordnungsgeber eine Prüfung nach § 6 Abs. 1 Satz 4 KrW-/AbfG vornehmen, ob die energetische oder die stoffliche Verwertung die umweltverträglichere Verwertungsart ist. 14 Schimanek

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Sechster Teil: Zusammenfassung

6. Eine stoffliche Verwertung nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG liegt vor, wenn Stoffe aus Abfallen gewonnen werden oder irgendwelche stofflichen Eigenschaften der Abfalle genutzt und dadurch andere Stoffe ersetzt werden. Für die Feststellung des Hauptzwecks nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG ist nicht ausschließlich auf die Zwecksetzung des zur Verwertung Verpflichteten abzustellen. Auch Zwecksetzungen anderer an der DurchfUhrung der Maßnahme beteiligter Personen sind berücksichtigungsflihig. Nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise liegt eine Verwertung jedenfalls dann vor, wenn die Maßnahme dem Wirtschaftlichkeitsprinzip entspricht. Das KrW-/AbfG verlangt jedoch nicht zwingend die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsprinzips. Eine Voraussetzung der Verwertung besteht jedoch darin, daß das Regenerat wenigstens, bezogen auf einen noch zu schaffenden Markt, künftig marktflihig ist. Für alle anderen Fälle enthält das KrW-/AbfG keine schematischen Beurteilungsmaßstäbe. Den Anforderungen an eine "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" ist genügt, wenn die Maßnahme überhaupt wirtschaftliche Relevanz besitzt. Wirtschaftliche Relevanz besitzt sie bereits dann, wenn die Verwertungsprodukte am Güteraustausch teilnehmen. Der Begriff der Verunreinigungen deckt sich nicht mit dem Begriff des Schadstoffpotentials. Verunreinigungen bezeichnen diejenigen Verschmutzungen, die nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gegen das Vorliegen einer Nutzung sprechen. Die Beseitigung des Schadstoffpotentials als solche ist bei der Prüfung des Vorliegens einer Nutzung nicht als eigenständiger Gesichtspunkt zu berücksichtigen. Wird die Verwertungsmaßnahme aufgrund einer anderweitig bestehenden Rechtspflicht zur Nutzung vorgenommen, liegt immer eine Nutzung i.S.d. KrW-/AbfG vor.

7. Bei der energetischen Verwertung liegt eine Nutzung des Energieinhalts von Abfallen nur dann vor, wenn der Energiegehalt unmittelbar zur Energiegewinnung genutzt wird. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz I Nr. 1 und Nr. 3 KrW-/AbfG sind fUr die Feststellung der Ersatzbrennstoffeigenschaft und der Nutzung des Energiegehalts nach § 4 Abs. 4 KrW-/AbfG ergänzend heranzuziehen. Bei der Beurteilung, ob eine energetische Verwertung vorliegt, ist der Anfall weiterer Abflllle in seiner quantitativen Komponente zu berücksichtigen. Bleibt mehr als die Hälfte der Masse oder des Volumens der Abflllle nach der (vermeintlichen) Verwertung übrig, so kann das gegen das Vorliegen einer energetischen Verwertung sprechen, dies muß aber nicht so sein. Die bei der energetischen Verwertung entstehenden Emissionen können fUr die Beurteilung

Sechster Teil: Zusammenfassung

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des Vorliegens der energetischen Verwertung vernachlässigt werden. Eine Vermischung von Abfällen mit anderen Abfällen ist insoweit verboten, als zur energetischen Verwertung geeignete mit dazu ungeeigneten untrennbar vermischt werden. In diesem Sinne enthält §4 Abs. 4 Satz 3 KrW-/AbfG ein relatives Vermischungsverbot. 8. Die Verwertung besitzt Vorrang vor der Beseitigung. Dieser Vorrang ist ein relativer Vorrang. Eine Verwertung ist zunächst nur dann vorrangig, wenn sie ordnunggemäß und schadlos erfolgt. Darüber hinaus sind behördlicherseits auferlegte Verwertungspflichten nur dann vorrangig zu erfilllen, wenn die Erfilllung technisch möglich, wirtschaftlich zumutbar und außerdem die Beseitigung nicht die umweltverträglichere Lösung darstellt. Eine Verwertung ist technisch möglich, wenn ein Verfahren nach dem neuesten Erkenntnisstand technisch realisierbar ist oder wenn es darüber hinaus mindestens individuell-technisch durchfilhrbar ist. Die wirtschaftliche Zumutbarkeit beschränkt sich auf wirtschaftliche Gesichtpunkte. Der Umweltschutz oder das Gemeinwohlinteresse als solche sind nicht in die Prüfung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit einzustellen. Im Fall einer behördlicherseits angeordneten Verwertungspflicht ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Maßstäben des UVPG vorzunehmen. Ist die Beseitigung die umweltverträglichere Lösung, besteht keine Wahlfreiheit des Abfallbesitzers oder -erzeugers zwischen Verwertung und Beseitigung. Das Gebot der hochwertigen Verwertung ist eine Rechtspflicht. Diese Rechtspflicht ist aber inhaltlich stark eingeschränkt. Inhaltlich kommt es nach dem Gebot der hochwertigen Verwertung darauf an, daß einerseits ein möglichst hoher Substitutionswert erzielt wird (quantitativ-wirtschaftliche Komponente) und daß der Abfall andererseits als Verwertungsprodukt auf einer zumindest vergleichbaren Stufe der Wertschöpfungskette der Produktion wie bisher zum Einsatz gelangt (qualitativ-ökologische Komponente).

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Sachverzeichnis

Abfall 21, 23, 24, 40, 42 f, 50, 56, 67, 94f., 98, 100, 103, 107, 110, 112, 122 ff, 133, 136, 144 ff., 151 ff., 187, 193,202,204 f., 208, 211 Abfallbeseitigung 20, 22 f., 31, 35, 43, 106, 117, 119, 129, 133, 136 f, 142, 158, 164, 168 ff., 176 f., 188, 194,197,207 Abfallbesitzer 107 ff., 116, 119, 120, 122, 166, 168 f., 173, 186 Abfallentsorgung 22 ff., 108, 117, 120, 176 f. Abfall aus anderen Herkunftsbereichen 109 f, 189 Abfall aus privaten Haushaltungen 106 ff. Abfallerzeuger 108, 167 Abfallvenneidung 19,23,25 ff, 32 f., 35 f., 38, 40, 43, 53, 64 f, 84, 91, 208 Abfall zur Beseitigung 43, 96, 110, 128, 137,142,188,204 Abfall zur Verwertung 95 f., 105, 108 ff., 112, 117, 124, 126, 128, 172 Abfallverwertung 21, 23 f., 26 ff., 33, 35, 40,73,94 f., 100, 106, 116 f., 132, 166, 169, 170, 188, 209 Abfallwirtschaft 19,25,82 Ablagerung 101, 131, 146, 192 f., 205 Abwännenutzpflicht 86, 153 f. Adresssaten 51, 82 f., 86, 106 Änderungsvorbehaltsverordnung 87, 89 ff. Anhang 25, 50 f, 94 ff., 128 f., 135 ff., 140,158,175,188,193,202 Anlagenbezogene Anforderungen 61 Anlageninterne Kreislauffilhrung 33, 36 ff. Anlageninterne Verwertung 38, 43,54, 56 ff., 65, 67 ff., 77 f., 208 f. Anlagenorientierte Sichtweise 55

Auslegungsregel 147 ff Ausmaß der Verunreinigung 62, 91, 124 f., 137,142 f. Bauschutt 204 ff. Befördern 20, 105, Ill, 117, 177 Bergversatz 190 f., 193, 195 Behördliche Überwachung 59, 64 Beteiligung 89 Behandeln 20, 105, 112, 117 Bundesrat 29 f., 41, 64, 68 f, 72, 77, 85, 89 f., 108, 140 Bundestag 29 f., 41, 45, 64, 69, 72, 75, 77,81,85,87 ff., 96, 148, 150, 161 f, 167, 185 Chemikaliengesetz 46 f, 79, 174 Chemikalien-Verbotsverordnung 175 Downcycling 184 ff. Düngemittelrecht 46, 203 Emissionen 39, 48, 137, 139, 141 ff, 159,172,181,210 Energetische Verwertung 29 f., 94 f., 98, 101, 103, 117, 132 ff., 141 ff., 145ff, 155 ff., 180, 182f., 197,200, 209 ff. Energiebilanz 184 Entgelt 115, 119ff., 191 Entledigung 21,95 f, 203 Entledigungswille 52, 149 Erlös 114f, 117ff., 123, 125 Ersatzbrennstoff 133 ff., 143, 149 ff., 154 f, 158,210

222

Sachverzeichnis

Feuerungswirkungsgrad 136, 150, 153 ff. Fiktion 147, 149 f. Forschung 163, 173

Prozeßorientierte Sichtweise 54, 58 Prüfungsumfang (im Genehmigungsverfahren) 59, 63

Galvanikschlamm 206 f. Gefahrstoffverordnung 175, 177 Genehmigungsbedürftige Anlagen 22, 36, 44,67,74,75 f., 92 f., 140, 154,208 f. Gleichrangigkeit 63,92, 134, 156, 160, 182 Grundpflichten 19,69 ff., 77, 83, 85 f., 102, 106 f., 109, 144, 154, 188 Geschlossene technische Systeme 39 f., 42 Gewaltenteilungsgrundsatz 87 f.

Rechtsstaatsprinzip 87 ff., 91, 209 Rechtsverordnungen 23, 26 ff" 43, 56 f., 64 f., 70, 75 ff., 84 ff., 124, 126, 146 f., 154f., 160 ff., 179 f., 195, 208 f. Reststoffe 22 f., 39, 41, 44 ff., 48 ff., 58,63,68,120,191 Ressourcenschonung 22, 169 Richtlinien 28, 30 ff., 73, 83, 85, 95 f. Rohstoffe 98, 132, 138, 182 f., 186, 197, 205

Heizwert 136, 143, 150 ff., 184 Hochofen 195 f., 201 Hochwertige Verwertung 79,174,178, 180 ff., 184 ff.

Sachherrschaft 50 f., 175 Schadlose Verwertung 22 f., 44, 62 f., 66, 73, 79 f., 92, 124 f., 128, 174, 177,195,204,206,211 Schadstoffpotential 98, 103, 112 f., 122, 124 ff., 143, 159, 199,203,210 Sekundärrohstoffdünger 46 Sekundärrohstoffe 24, 29, 30, 46, 178 Spezialitätsklausel 74, 208 Stand der Technikl64, 165 f., 168 Stoffkreisläufe 22,42, 101 ff., 123, 125,130,177, 184f., 193, 199,203 Stoffliche Anforderungen 79 f. Stoffliche Verwertung 24, 27, 94, 97 f., 100ff., 112, 117, 119, 134ff., 142f., 146 ff., 156 ff., 180, 182 f., 192, 194, 197,200 ff., 209 f. Subjektiver Abfall 21, 131,204

Klärschlamm 201 ff. Klärschlammverordnung 21, 20 I Kosten 49, 99, 115 ff., 123 f., 168 Kreislaufwirtschaft 19, 79, 102 f., 105, 111,117,119,121,130,134,188,194 Markt 115, 121 ff., 168 ff., 210 Marktwert 99, 101 f., 122 Massenanteil 115, 123 Nachträgliche Anordnungen 66, 208 Nebenprodukte 49 Nebenzweck 112, 130, 138, 142, 159, 188,207 Nichtgenehmigungsbedürftige Anlagen 74 ff., 92, 209 Ökologische Hochwertigkeit 180 f., 185 f. Objektiver Abfall 21 f., 100 Ordnungsgemäße Verwertung 23, 44, 56, 63 ff., 68 f., 174, 206 Pflicht zur Verwertung 66, 95, 104, 106, 108,110 f., 117, 119, 155, 168 Priorität der Abfallvermeidung 29, 32, 35, 110, 134 Prioritätenfolge 31, 173 Produktverantwortung 81 ff., 85 f., 209

TA-Abfall 121 Technische Möglichkeit 164, 170 Technische Behandlung 142 Technische Optimierung 146 Überwachung 59, 64 ff., 208 Umweltverträglichere Lösung 168, 173,

211 Unberührtheitsklausel 76 ff., 209 Unbestimmter Rechtsbegriff 102, 114, 194

Sachverzeichnis Verbrennung 137 ff., 145, 150 f., 153 f., 158, 182, 197 ff. Verfüllung von Tagebauten 130, 190 ff., 195 Venneidung 20 ff. ff. Venneidung von ReA-Gips 194 f Venneidungspflichten 24,28,44,50, 53,59,63,65 f., 74 ff., 87, 92, 167, 209 Vennischung 144 ff., 153,211 Vennischungsverbot 144 ff., 211 Verpackungsverordnung 24 f, 27, 81, 100,208 Verunreinigungen 62, 98, 113, 124 ff., 133, 137, 142 f., 199,203,205 ff., 210 Verwertung 20 ff. ff Verwertungspflichten28, 44, 51 f., 59, 63,66,68,74 ff., 92, 104, 106, 109 ff., 116,118,122,163,167,171 ff., 206, 211

223

Vorrang 22,24 f, 28 ff., 39, 63, 64, 74 f, 91 ff., 116, 127, 142 f, 145 ff., 160 ff., 166, 171 ff., 182, 188,202 f., 208 f., 211 Vorrang der umweltverträglicheren Verwertungsart 146 Wännenutzung 150 f., 154 Wirtschaftskreislauf 100, 103, 122, 176, 177, 185, 192f., 207 Wirtschaftliche Betrachtungsweise 19, 98, 112ff., 123 ff., 133, 159, 170, 199 Wirtschaftliche Hochwertigkeit 182 Wirtschaftlichkeitsprinzip 115, 119, 120f., 123f., 210 Wirtschaftsgüter 103,117,121 Wirtschaft1ichkeitsprozeß 22 Wirtschaftliche Zumutbarkeit 116 ff., 122, 155, 159, 167 ff. Zwischenprodukt 99, 181