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German Pages 261 Year 2023
DIE NEUEN HERRSCHER AM GOLF
Für A.-M.
Sebastian Sons
DIE NEUEN HERRSCHER AM GOLF und ihr Streben nach globalem Einfluss
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. ISBN 978-3-8012-7054-4 (E-Book) ISBN 978-3-8012-0660-4 (Printausgabe) Copyright © 2023 by Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH Dreizehnmorgenweg 24, 53175 Bonn Umschlag: Hermann Brandner, Köln Satz: Rohtext, Bonn E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, 2023 Alle Rechte vorbehalten Besuchen Sie uns im Internet: www.dietz-verlag.de DIETZ & DAS Der Podcast zu Politik, Gesellschaft und Geschichte Auf allen Podcast-Plattformen abrufbar.
Inhalt Cover Titel Impressum Vorwort: Eine Reise nach Saudi-Arabien Einleitung Die Golfmonarchien als neues Zentrum der arabischen Welt Kapitel 1 Der Staat bin ich: Wie die neuen Herrscher ihre Macht bewahren 1. Macht um jeden Preis: Die Herrscher und ihre Seilschaften 2. Personenkult und Populismus: Die neue Herrschergeneration 3. Teile und herrsche: Die starken Männer und ihre Partner Kapitel 2 Auf zu neuen Ufern: Die Golfmonarchien müssen sich neu erfinden 1. Weg vom Öl? Die Wirtschaftspolitik 2. Ringen um die Zukunft: Die Arbeitsmarktpolitik 3. Die Arbeitsmigration: Das Rückgrat des golfarabischen Aufstiegs 4. »Gemeinsam sind wir stark«: Die Identitätspolitik 5. Wer nicht für uns ist, ist gegen uns: Die Menschenrechtspolitik Kapitel 3 Im Auge des Sturms: Die Golfstaaten in einer multipolaren Weltordnung 1. Die Golfstaaten und ihre Außenpolitik: Diplomatie und Diffamierung 2. Iran – Rivale und notwendiges Übel 3. »Ein Konflikt der Egos«: Golfinterne Rivalitäten 4. Die USA – Partner und Problem 5. China – Enger Partner und Verhandlungsmasse im Umgang mit den USA 6. Wir sind uns selbst am nächsten: Die Golfstaaten und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine 7. Ein neuer »Wind of Change«: Chancen für regionale Annäherung 8. Israel: Ein zwiespältiges Verhältnis zwischen Ablehnung und Annäherung Kapitel 4 Globale Netzwerke: Wie die Golfstaaten weltweit Einfluss erlangen 1. Klima- und Energiepolitik: Die Erzählung vom »grünen Champion« 2. Das Ende der Gießkanne: Die golfarabische Entwicklungspolitik 3. Brot und Spiele: Die golfarabische Sportpolitik Kapitel 5 Die »Zeitenwende« und die Golfmonarchien –
Warum uns die Herrscher am Golf näher sind als wir denken Kapitel 6 Verpasste Chancen? Wie Deutschland mit den Golfstaaten zusammenarbeiten könnte Über den Autor
Vorwort: Eine Reise nach Saudi-Arabien Als ich 2008 das erste Mal am Flughafen der saudischen Hauptstadt Riad landete, war SaudiArabien ein gänzlich anderes Land als heute. Ins Flugzeug hatten sich nur wenige europäische Besucher und noch weniger Besucherinnen verirrt und die Organisation in der Ankunftshalle und der Passkontrolle wirkte improvisiert. Damals arbeiteten noch keine Frauen an den Schaltern und die digitale Fingerabdruckkontrolle zur Einreise war Zukunftsmusik. Heute – 15 Jahre später – ist der King Khalid International Airport eine modernisierte und durchstrukturierte Maschinerie, die den täglich anwachsenden Besucherströmen mit internationalisierter Professionalität Herr wird und den Flughäfen im katarischen Doha oder im emiratischen Dubai im Hinblick auf Effizienz, abzufertigenden Tourist:innen und kundenorientierten Dienstleistungsgedanken nacheifert und darauf abzielt, die nachbarschaftlichen Vorbilder schnellstmöglich zu übertreffen. Das Beispiel des Flughafens in Riad zeigt wie unter einem Brennglas, dass sich SaudiArabien und die gesamte Golfregion in einem tiefgreifenden Wandel befinden, der sich nicht allein an technologischem Fortschritt, sondern sogar noch viel stärker auf politischer, gesellschaftlicher und kultureller Ebene zeigt. Zwischen meiner ersten Reise an den Golf und heute liegen Phasen der epochalen Umwälzungen, die die Monarchien am Golf nicht nur geprägt und verändert haben, sondern die sie auch mitgestalten und zunehmend kontrollieren. Im Jahr 2008 hatten die sogenannten »Arabischen Aufstände« noch nicht stattgefunden, die zweieinhalb Jahre später in Tunesien, Ägypten und Libyen die erratischen und repressiven Autokraten hinwegfegten, ehe in Syrien ein blutiger Bürgerkrieg ausbrach. Millionen von Menschen in vielen anderen Ländern der arabischen Welt artikulierten ihre Frustration und Unzufriedenheit auf unzähligen Protesten auf den Straßen oder in den sozialen Medien, forderten Gerechtigkeit und wirtschaftliche Perspektiven, das Ende von Korruption, Unterdrückung und Bevormundung durch die mächtigen Eliten aus Politik, Sicherheitsapparat und Wirtschaft, die sich in einer Spirale der Arroganz immer weiter von den Bedürfnissen und Sorgen ihrer Bevölkerungen entfernt hatten. Auch die arabischen Golfmonarchien wurden vom Sturm der »Arabischen Aufstände« nicht verschont: In Bahrain protestierte eine Melange aus schiitischer Bevölkerungsmehrheit, unzufriedener Jugend und marginalisierten sozialen Minderheiten gegen die Herrscherfamilie der sunnitischen Al Khalifa. Im Oman verlangte eine wachsende Anzahl von Vernachlässigten nach mehr Arbeit, mehr Hoffnung und mehr Einheit von ihrem grundsätzlich bewunderten Sultan Qaboos. In Kuwait gelang es dem Parlament, in dem diverse politische und religiöse Fraktionen vertreten sind, die Regierung und die Dynastie der
Al Sabah in ihren politischen Plänen zu blockieren. Dort hat – im Gegensatz zu allen anderen Parlamenten in den golfarabischen Nachbarstaaten – die Nationale Versammlung politischen Einfluss und liefert sich seit Jahrzehnten einen Machtkampf mit den dynastischen Herrschern. Während der »Arabischen Aufstände« entwickelte sich dieser Konkurrenzkampf zu einem Wettstreit um die Zukunft des Landes. Und selbst in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) gingen vereinzelt desillusionierte Menschen auf die Straße und forderten ein Ende von Patronagenetzwerken, Klüngelei und Elitentum. Für die meisten Herrscher am Golf bedeutete diese Welle der Aufsässigkeit einen Schock und leitete einen Prozess ein, der bis heute andauert. Dieser Prozess ist geprägt von dem unbedingten Willen der Dynastien, ihre Herrschaft nicht zu verlieren, sondern stattdessen ihre Macht in einer Welt des Umbruchs zu zementieren und ihren Führungsanspruch zu legitimieren. Um dieses Ziel zu erreichen, gilt es nicht nur, der drohenden regionalen Instabilität entgegenzuwirken, um ein ähnliches Schicksal wie den Potentaten in Ägypten, Tunesien oder Libyen zu entgehen, sondern eine Alternative anzubieten, die mehr beinhaltet als die reine Bewahrung des Status quo. Seit 2011 befinden sich die Golfmonarchien in dieser Transitionsperiode, die sich auf vielfältiger Ebene niederschlägt: Katar und die VAE sind zu Vorbildern der wirtschaftlichen Diversifizierung, der kapitalistischen Globalisierung und zu attraktiven Investitionsstandorten aufgestiegen – ein Weg, dem auch Saudi-Arabien verstärkt nacheifert. Weiterhin öffnen sich die Gesellschaften der konservativen Golfmonarchien: Viele junge Menschen lösen sich aus den religiösen und traditionellen Dogmen ihrer Elterngeneration und streben nach einem Platz in der Welt. Kulturell besinnen sie sich zwar weiterhin auf ihre eigene Identität, lassen sich aber gleichzeitig von Einflüssen aus den USA und Europa, aber auch China, Japan oder Korea inspirieren. Politisch haben sich jedoch die Hoffnungen vieler Menschen aus dem Jahr 2011 nicht erfüllt: Weder hat die Golfmonarchien ein demokratischer Wandel ergriffen, noch sich die Situation der Menschenrechte verbessert. Stattdessen hat eine neue Generation von Herrschern am Golf ihr Machtmonopol manifestiert und sitzt fest im Sattel: In Saudi-Arabien ist es der junge Kronprinz Muhammad bin Salman, in den VAE Muhammad bin Zayed und in Katar Emir Tamim bin Hamad Al Thani, um nur die prominentesten zu nennen. Während ihrer Ägide ist die Golfregion eine andere geworden. Sie beschreiben den Wandel als wichtigste Konstante ihrer Herrschaft, wollen aber die Wurzeln ihres politischen Überlebens bewahren, indem sie auf repressive Stabilität, wirtschaftlichen Fortschritt und gesellschaftliche Loyalität setzen. Diese Grundzüge der Machterhaltung existieren am Golf bereits seit Jahrhunderten und prägen die heterogenen Gesellschaften auch heute noch. Dennoch: Die Instrumente und die Adressaten dieser Teile- und-Herrsche-Politik haben sich verändert. Traditionelle Günstlinge wurden durch eine aufstrebende Jugend weitgehend abgelöst. Die fundamentalen Quellen des
golfarabischen Wohlstands – Öl und Gas – sind weiterhin wichtig, wie die steigenden Energiepreise nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 zeigen. Dennoch setzen immer mehr Golfstaaten auf alternative Energiequellen wie Solar- oder Wasserkraft, um ihren Energiemix zu diversifizieren und das eigene Geschäftsmodell zu sichern. In der Außenpolitik folgen Phasen der Deeskalation auf Perioden der Konflikte und Rivalitäten. Und so wird der Song von Herbert Grönemeyer »Bleibt alles anders« zum Slogan des golfarabischen Ringens um die Zukunft. Mich hat dieser Aushandlungsprozess, die Komplexität sowie die Widersprüchlichkeit der Golfstaaten seit meiner ersten Reise nach Saudi-Arabien gleichzeitig fasziniert und irritiert. Seit 2008 erhielt ich die Möglichkeit, immer wieder dorthin zu reisen, mit vielen unterschiedlichen Menschen zu sprechen, zu streiten und zu lachen. Ich habe versucht zuzuhören und zu lernen, doch noch immer kehre ich jedes Mal mit einer gehörigen Portion Demut und Verwirrung von meinen Reisen zurück. So brauche ich stets eine gewisse Zeit, um die neu gewonnenen Eindrücke zu verarbeiten, zu sortieren und zu analysieren. Diese Heterogenität der golfarabischen Gesellschaften wird in unserer oftmals schwarz-weißen Undifferenziertheit nicht wahrgenommen. Dabei ist sie es, die aus meiner persönlichen Sicht den Charakter der Golfstaaten und deren Relevanz ausmacht. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern am Golf sind ebenso frappierend wie innerhalb der jeweiligen Gesellschaften. Daher fällt es mir schwer, klare und eindeutige Einschätzungen zu geben, die oftmals von der Öffentlichkeit und der Politik erwartet werden. Um Sie zu enttäuschen: Dies wird mir vermutlich auch nicht in diesem Buch gelingen. Was ich allerdings versuchen möchte, ist, Ihnen einen kleinen Einblick in diese Vielschichtigkeit, in diese Widersprüchlichkeit und Multidimensionalität zu vermitteln. Denn mit einfachen Botschaften der angeblichen Stringenz und Konsistenz innerhalb der Golfstaaten wird man weder deren Mehrschichtigkeit noch ihren komplexen Lebenswirklichkeiten gerecht. Stattdessen bedarf es eines nüchternen, differenzierten und nuancierten Blicks, um das Schwarz und Weiß in diesen Ländern, die uns oftmals so fremd erscheinen, abzuschichten und in Grautöne zu fassen. Sich dieser Aufgabe zu widmen, stellt eine Herausforderung dar. Sicherlich werden sich viele meiner Kolleg:innen aus dem Golf in einigen Passagen dieses Buchs missverstanden fühlen, während Sie als Leser:innen von wieder anderen Teilen irritiert sein könnten. In den letzten Monaten und Jahren wurde die Diskussion um unseren Umgang mit den Golfstaaten zunehmend emotional, vielfach einseitig und selten im Dialog geführt – dies zeigte zuletzt die erhitzte Debatte um die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Zu selten wurde miteinander, sondern vielmehr übereinander geredet. Dies hat Gräben vertieft und Missverständnisse anwachsen lassen – hier bei uns sowie ebenso in den Golfstaaten selbst. Dieses Buch soll daher einen Versuch darstellen, bestehende Widersprüchlichkeiten
einzuordnen. In den letzten 15 Jahren betrachte ich diese Aufgabe als Privileg und Chance, um für mehr Verständnis zu werben, mehr Wissen zu vermitteln und mehr Austausch zu wagen – trotz oder gerade wegen existierender Gegensätze in Bezug auf Menschenrechte oder der Gleichstellung der Geschlechter. Auf meinen Reisen habe ich erfahren, dass der stetige Austausch nicht zwingend dazu führen muss, in allen Themen einer Meinung zu sein. Allerdings ist es in Zeiten der globalen Polarisierung, des grassierenden Populismus und der Verbreitung einer anwachsenden Cancel Culture ein Geschenk, mit meinen Kolleg:innen aus den Golfstaaten leidenschaftlich zu diskutieren und zu debattieren. Für diese Chance bin ich dankbar, und einige dieser Ergebnisse finden Sie in diesem Buch. Es ist als Produkt aus diesen Reisen, aus meinen Gesprächen, meinen Beobachtungen und Eindrücken entstanden und beruht auf wissenschaftlichen Fakten sowie meiner analytischen Einschätzung. Dass es überhaupt entstanden ist, verdanke ich unzähligen Kolleg:innen in Saudi-Arabien, den VAE, Katar, Kuwait, Oman und Bahrain, die mit mir vertrauensvoll ihre Eindrücke geteilt und meine Faszination für die Golfregion geweckt und verstärkt haben. Weiterhin danke ich meinem Lektor Alexander Behrendt für seine Geduld und dem Dietz-Verlag für sein Interesse an der Thematik. Außerdem haben mir meine Kolleg:innen beim Bonner Forschungsinstitut Center for Applied Research in Partnership with the Orient (CARPO) mit ihrem Rückhalt Kraft gegeben, damit das Buch entstehen konnte. Meine Kollegin Mirjam Schmidt unterstützte mich weiterhin bei wichtigen Recherchen. Dafür danke ich sehr. Und zuletzt danke ich meiner Frau und meiner Familie, die mich ermutigt haben, dieses Buch zu schreiben, und die seit meiner ersten Reise nach Saudi-Arabien mein wissenschaftliches Interesse für diese Region unterstützen. Ganz besonders meine Mutter hat mit ihrer Geduld, ihrer Fürsprache und ihrer Liebe gewichtig dazu beigetragen, dass ich nicht nur dieses Buch beenden, sondern auch auch meinen beruflichen Weg gehen konnte. Es ist nicht mein Anspruch, alle Fragen zu Politik, Wirtschaft, Kultur oder Gesellschaft der Golfstaaten zu beantworten – ganz einfach: Weil ich nicht auf alle Fragen Antworten geben kann. Ich möchte allerdings mit diesem Buch versuchen, wichtige Fragen zu stellen und ein Problembewusstsein für diese Fragen zu schaffen. Einfache Urteile können schnell in Verurteilungen und Vorurteilen münden, welche einen unverstellten Blick auf die Komplexität der Golfstaaten erschweren. Dass der nahende Kollaps der Golfmonarchien, wie bereits häufig fälschlicherweise prognostiziert wurde,1 momentan ferner denn je erscheint, ist also keineswegs eine Selbstverständlichkeit, sondern ein Konglomerat von innen-, außen-, sicherheits-, wirtschafts- und kulturpolitischen Faktoren, die in ihrer Widersprüchlichkeit und ihrer Komplexität betrachtet werden müssen. Dafür zu sensibilisieren und aufzuzeigen, dass in den Golfstaaten kein »Entweder-oder«, sondern immer ein »Sowohl-als-auch« existiert, ist Ziel dieses Buches.
Berlin, August 2023
1 C. M. Davidson: After the Sheikhs. The Coming Collapse of the Gulf Monarchies, London: Hurst 2012.
Einleitung Die Golfmonarchien als neues Zentrum der arabischen Welt Es war ein Bild mit Symbolcharakter: Soeben hatte die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar mit einem spektakulären Finalsieg Argentiniens über Frankreich im Elfmeterschießen ihren dramatischen Höhepunkt gefunden, als sich der Superstar der Argentinier, Lionel Messi, darauf vorbereitete, den Siegerpokal überreicht zu bekommen. An seiner Seite: Der katarische Emir Tamim bin Hamad Al Thani und der Präsident des Fußball-Weltverbands FIFA Gianni Infantino. Beide legten Messi das arabische Ehrengewand Bisht um, welches in der golfarabischen Kultur als Ausdruck des Respekts für besondere Errungenschaften überreicht wird und Messi als Kapitän Argentiniens stellvertretend für die Leistungen des Weltmeister-Teams erhielt. Das ikonische Bild von Messi im schwarzen Gewand im Kreise seiner feiernden Mitspieler ging um die Welt und löste kontroverse Debatten aus: Während weite Teile der arabischen Gesellschaften die Geste des Emirs als respektvolle Huldigung an einen der größten Fußballer aller Zeiten feierten1, wurde sie u. a. in Deutschland als Katars letzter Versuch wahrgenommen, die WM für eigene politische Zwecke zu instrumentalisieren und den Moment des WM-Sieges zur Imagekampagne zu nutzen.2 »Bishtgate«3 manifestierte somit den finalen Höhepunkt der Kontroverse um die WM und die Rolle Katars als Gastgeber, die insbesondere in den Monaten vor Beginn des Turniers zunehmend von Unversöhnlichkeit und Unverständnis, von Hysterie und Hybris, von Ignoranz und Irritationen dominiert worden war. Immerhin war die WM in Katar als eines der umstrittensten Turniere in die Geschichte großer Sportereignisse eingegangen. Die Kritik an der Situation der in Katar ausgebeuteten Arbeitsmigrant:innen, der Benachteiligung von Frauen und Mitgliedern der LGBTQI-Community sowie der Gigantomie beim Bau der WMStadien hatte den Gastgeber in den Monaten vor Beginn des Turniers überrascht, schockiert und irritiert. Gleichzeitig stand die WM in Katar als Symbol für den korrumpierten und kommerzialisierten globalen Fußball, der sich längst von den Fans entfernt zu haben scheint und der von gierigen Technokraten und Funktionären wie Infantino ausschließlich als Gelddruckmaschine instrumentalisiert wird.4 Mit der WM in Katar wurde der Sport endgültig zum Politikum und führte zu einer häufig polemischen, undifferenzierten und eindimensionalen Debatte zwischen einer ablehnenden Haltung bei einem Teil der europäischen Fans, Politik und Medien auf der einen Seite und den Verteidiger:innen der WM auf der anderen Seite, die in den Vorwürfen eine islamophobe und überhebliche
Diffamierungskampagne des respektlosen Westens sahen. Von Heuchelei, Doppelmoral und Eurozentrismus war die Rede.5 Katar fühlte sich im Zuge der massiven Kritik ungerecht behandelt, verraten und westlicher Arroganz ausgesetzt, was den katarischen Emir dazu bewegte, sich einige Tage vor Beginn des Turniers in fast schon trotziger Vehemenz den externen Attacken zu stellen und den Kritiker:innen Scheinheiligkeit und PseudoMoralisierung vorzuwerfen. Er beklagte eine »beispiellose Kampagne, die noch kein Gastgeberland jemals erlebt hat.«6 Umso wichtiger wurde die Siegerzeremonie für die katarische Führung, die das Momentum strategisch klug nutzte, um sich als professionelle und trotz der Anfeindungen erfolgreiche WM-Gastgeberin zu inszenieren. Diese Episode steht allerdings auch stellvertretend für den Aufstieg Katars und der anderen Golfmonarchien zu internationalen Schwergewichten in den letzten Jahren.7 Die WM hat endgültig die globale und regionale Bedeutung der arabischen Golfmonarchien ins Zentrum der Weltöffentlichkeit gerückt. Der Sport dient dabei nur als ein relevantes Instrument dieses Bedeutungszuwachses: Im Wettkampf der Systeme zwischen dem nach wie vor von den USA angeführten sogenannten »Westen« und der neuen Supermacht China suchen die Golfmonarchien ihren Platz und etablieren sich als neue mächtige Strippenzieher in einer zunehmend multipolaren Weltordnung. Ziel der Monarchien auf der arabischen Halbinsel – Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Kuwait, Oman und Bahrain – ist das Überleben ihrer Herrscherdynastien – um jeden Preis. Um ihre Macht zu sichern und sich in einer volatilen Welt zu behaupten, müssen die mächtigen Männer am Golf alte Gewissheiten über Bord werfen und sich und ihre Gesellschaften neu erfinden. In den vergangenen Jahrzehnten beruhte die Stabilität der Monarchien auf einer Kombination aus Wohlstand und Wohlfahrt: Durch die enormen Einnahmen aus der Öl- und Gasproduktion gelang es den Herrscherfamilien in den einzelnen Golfmonarchien, ihre omnipräsente Funktion als Vollkaskoversorger auszubauen und zu manifestieren, indem den einheimischen Bevölkerungen jahrelang umfangreiche Annehmlichkeiten wie kostenlose Gesundheitsversorgung oder Steuerfreiheit zur Verfügung gestellt wurden, um im Gegenzug die bedingungslose Loyalität der Untertanen einzufordern.8 Dieser Gesellschaftsvertrag galt über Jahrzehnte als Erfolgsrezept und Stabilitätsgarant der Golfmonarchien: Während die Dynastien mit einer komplexen »Teile und Herrsche«-Strategie einflussreiche Akteure wie mächtige Händlerfamilien (wie im Fall Kuwaits9), Stammesverbände oder die Religionsgelehrten (wie im Fall Saudi-Arabiens10) als enge Partner in den Kreis des Vertrauens einbanden, um damit ihre eigene Macht zu bewahren, blieben weite Teile der Bevölkerung von diesem elitären Kreis ausgeschlossen, genossen aber die paradiesischen Vorteile des allumfassenden Wohlfahrtsstaates. Dieser Balanceakt zwischen kompromissloser Machtbewahrung, Kooption von Günstlingen und
Konzentration auf die Aufrechterhaltung des Status quo entwickelte sich zum Charakteristikum der golfarabischen Monarchien und sorgte lange Zeit für eine gewisse wirtschaftliche und politische Stabilität. Im Zuge dieses komplexen Machtsystems werden die Herrscher am Golf auch als »aufgeklärte Modernisierungsmanager«11 bezeichnet, die trotz ihres autokratischen Regierungsstils über die Loyalität weiter Teile ihrer Bevölkerungen verfügen. Allerdings erfolgte dieser Aufstieg der Golfstaaten nicht spannungsfrei und war geprägt von unzähligen Krisen, Konflikten und Konkurrenzdenken: Vor allem die sogenannten »Arabische Aufstände«, die mit dem Sturz der autokratischen Regimes in Ägypten und Tunesien 2011 begannen, sorgten bei vielen Golfmonarchien für einen Schock und zeitgleich für eine neue Ära des »golfarabischen Momentums« (»Gulf moment«12), welches sich durch verstärktes politisches, entwicklungspolitisches und wirtschaftliches Engagement der Golfmonarchien Saudi-Arabien, VAE und vor allem Katar auszeichnete.13 Die Schwäche traditioneller Regionalmächte wie Ägypten, Irak und Syrien14, die in inneren Konflikten und Bürgerkriegen versanken, verhalf den Golfmonarchien zu einem deutlichen Einflussgewinn, und es gelang ihnen, das entstandene Machtvakuum in der Region zu füllen.15 Somit begriffen die Golfmonarchien nach einer Phase der Angst die Umwälzungen in der arabischen Welt zunehmend als Chance: Insbesondere Saudi-Arabien16, die VAE17 und Katar haben sich seitdem als dominierende Regionalmächte etabliert, denen es gelungen ist, globale und regionale Netzwerke aufzubauen, mithilfe ihres wirtschaftlichen Wohlstands Einfluss zu nehmen und die politischen Geschicke der Region zu bestimmen; längst sind die Golfmonarchien unersetzlich geworden. Wie Spinnen in einem globalen Netz bewegen sie Finanzströme, agieren als potente Investoren in Asien, Afrika, den USA und Europa und haben sich als ressourcenstarke Wirtschaftskräfte im Tourismus, der Logistik, der Unterhaltung oder dem Sport etabliert. Auch Deutschland wird von den schwerreichen Golfinvestoren längst als lukrativer Markt betrachtet, was u. a. das umstrittene Sponsorship von Qatar Airways beim Fußball-Rekordmeister und sportlichen Schwergewicht Bayern München zeigte, welches im Juni 2023 nach fünfjähriger Vertragslaufzeit und kontroversen Debatten zwischen Fans und Verein beendet wurde.18 Mithilfe der Öl- und Gaseinnahmen, durch die Rekrutierung von Millionen von günstigen Arbeitskräften aus dem Ausland und der engen Zusammenarbeit mit internationalen Partnern sind die arabischen Golfmonarchien in die Elite der global players aufgestiegen. Heute gehören die golfarabischen Gesellschaften zu heterogenen multiethnischen und -konfessionellen Schmelztiegeln der hypermobilen globalisierten Arbeitswelt.19 Hinter diesem Streben nach globalem Einfluss verbirgt sich ein Plan, eine Strategie und eine kompromisslose Machtpolitik: Eine neue Generation von Herrschern löst sich aus dem
Schatten ihrer Vorgänger, die eher darauf bedacht waren, den Status quo zu bewahren, Traditionen zu schützen und Zurückhaltung auf internationaler Bühne zu üben. Diese Zeiten sind vorbei: Die WM hat eindrucksvoll bewiesen, dass es den Golfstaaten mehr denn je darum geht, sichtbar und ernstgenommen zu werden. Und dass sie sich nichts mehr von dem Westen sagen lassen wollen, sondern mehr und mehr ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen – in der Wirtschaft, der Politik oder im Sport. Dahinter steckt auch das ehrgeizige Ego der Herrscher:20 Als Gastgeber der WM hat sich insbesondere der katarische Emir als Superstar am Golf etabliert. Tamims Erfolg wird jedoch von den mächtigen Männern in Saudi-Arabien und den VAE mit Skepsis betrachtet. Insbesondere der ambitionierte und ehrgeizige junge saudische Kronprinz Muhammad bin Salman, der nur MbS genannt wird, will sein Land in eine neue Ära führen. Und dafür scheut er weder Kosten noch Risiken: Im Eiltempo katapultierte er das einstig als rückwärtsgewandte und erzkonservativ wahrgenommene Königreich in ein neues Zeitalter. Er lässt künstliche Städte wie NEOM am Roten Meer aus dem Boden stampfen, investiert mit dem von ihm geführten Staatsfonds in Unternehmen auf der ganzen Welt und kauft sich mit Newcastle United seinen eigenen Fußballclub.21 Internationale Sportstars wie Cristiano Ronaldo oder Karim Benzema werden mit astronomischen Gehältern in die saudische Fußballliga gelockt, um dem ganzen Land Glanz und Glamour zu verleihen.22 2029 finden die ersten asiatischen Winterspiele in der saudischen Provinz Tabuk statt23 – obwohl die wenigen Schneefälle keinen Wintersport möglich machen.24 Doch der Kronprinz möchte Grenzen austesten und setzt auf künstlichen Schnee in der Wüste. Mit solchen Vorhaben sorgt er für Euphorie bei seinen Landsleuten, aber auch für Kopfschütteln und Irritationen bei Umweltorganisationen, die solche Pläne für abstrus, abenteuerlich und astronomisch, umweltschädlich und damit »gefährlich«25 halten. Dennoch: Saudi-Arabien geht einen Weg der wirtschaftlichen Diversifizierung und der gesellschaftlichen Liberalisierung. Frauen dürfen Autofahren und werden vom Kronprinzen als wichtigste Treiber seiner RundumTransformation gefördert und gefordert. Mit seinem Credo von »Höher, schneller, weiter« befreit sich Saudi-Arabien zunehmend von dem althergebrachten Image, ein Land der greisen Könige, der bornierten Geistlichen und der geknechteten Frauen zu sein, sondern strebt danach, den regionalen Vorbildern Dubai oder Katar nachzueifern, die einen ähnlichen Weg der wirtschaftlichen Diversifizierung bereits vor Jahren eingeschlagen haben. Neben Tamim und MbS hat sich in den letzten Jahren mit Muhammad bin Zayed ein weiterer einflussreicher Strippenzieher etabliert. Auch wenn er möglicherweise weniger im Rampenlicht steht als seine omnipräsenten Nachbarn – unter ihm sind die VAE zu einem Schwergewicht der internationalen Politik und eine Ordnungsmacht geworden.26 Unter ihm haben sich die VAE von einem Ort des Handels und der Finanzwirtschaft zu einem
Regionalakteur entwickelt, der sich in den letzten Jahren hochgerüstet hat und in Libyen oder Jemen als militärische Macht reüssiert hat. Die VAE betrachten sich längst nicht mehr nur als »kleine Schweiz«27, sondern auch als »kleines Sparta«.28 Mehr als jemals zuvor in der Geschichte der Golfstaaten müssen sich die Gesellschaften und ihre Herrscher also neu erfinden, um den Herausforderungen in einer sich rapide wandelnden Welt zu stellen und ihre Existenz zu bewahren. Neben den Risiken einer brüchigen Weltordnung und einer durch Krisen und Konflikte geprägten direkten Nachbarschaft besteht allerdings die explosivste Herausforderung in der gesellschaftlichen Transformation: In allen Golfmonarchien tobt ein Ringen um die Zukunft. Junge Menschen und vor allem Frauen drängen nach Teilhabe und nach einer aktiveren Rolle in den patriarchalischen Gesellschaften, brechen aus den traditionellen Normen aus und fordern damit den bisherigen Gesellschaftsvertrag heraus. Ihnen geht es darum, sich aktiv in der Wirtschaft, der Politik, der Kultur oder der Kunst zu beteiligen und stellen damit herkömmliche Hierarchien in Frage. In allen Golfmonarchien liegt der Anteil der Unter-25Jährigen bei etwa 50%; in Saudi-Arabien ist ein Viertel der Bevölkerung jünger als 14 Jahre, im Oman sind es gar 27%.29 Darauf müssen die Herrscher reagieren. Immerhin gerät das einstige Rentenmodell an seine Grenzen. Phasen des niedrigen Ölpreises, weiterhin wachsende Bevölkerungen und der hohe Anteil der jungen Bevölkerung setzen die Regierungen unter Druck, nachhaltige Lösungen auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungssystem oder in der Privatwirtschaft anzubieten. Perioden der regionalen und globalen Krisen wie die Finanzkrise 2008/2009, die »Arabischen Aufstände«, die Phase der niedrigen Ölpreise seit 2014 oder der Ausbruch der Corona-Pandemie haben den golfarabischen Herrschern endgültig vor Augen geführt, dass ihr Wohlstand weder als selbstverständlich betrachtet werden sollte noch ein Bewahren des Status quo langfristig ihre Macht bewahren kann. Der »doppelte Schock«30 der Pandemie, der sich aufgrund der globalen Rezession und des niedrigen Ölpreises auch massiv auf die ölproduzierenden Golfstaaten auswirkte, verlangsamte die wirtschaftliche Entwicklung und sorgte für Unruhe innerhalb der golfarabischen Gesellschaften. Viele junge Menschen sorgen sich um ihre Zukunft, da sie keine familienfreundliche und gut dotierte Beschäftigung im öffentlichen Dienst mehr finden. Es droht die Arbeitslosigkeit, was einhergeht mit sozialer Unzufriedenheit, Konflikten mit den enttäuschten Eltern und geringeren Chancen, sich eine Ehe leisten zu können. Denn in vielen Familien spielt die Frage des sozialen Status, der sich über einen angesehenen Job in Regierungsinstitutionen oder den einflussreichen Staatsunternehmen definiert, noch immer eine entscheidende Rolle. Die Erwartungen an die Jugendlichen sind also hoch. Gleichzeitig haben sich die Rahmenbedingungen verschlechtert: In Saudi-Arabien betrug die Jugendarbeitslosigkeit 2022 trotz aller Bemühungen und
zwischenzeitlicher Erfolge noch immer 23,8%31, in Kuwait mehr als 15%32 und selbst in den VAE, das als Vorreiter der wirtschaftlichen Diversifizierung gilt, ist jeder Zehnte zwischen 15 und 24 Jahren arbeitslos.33 Dies führt zu massivem mentalem Druck, dem viele junge Menschen nicht gewachsen sind: Die Zahl der psychischen Erkrankungen steigt ebenso wie die Scheidungsrate oder der Anteil der Singlehaushalte. Viele junge Menschen – vor allem Frauen – wollen sich nicht frühzeitig binden, sondern streben nach Karriere – ein Ausdruck von wachsender Selbstbestimmung und beruflicher Perspektive. Dennoch stellt die Realität auf den umkämpften Arbeitsmärkten die Jugend vor massive Herausforderungen: Viele junge Universitätsabsolvent:innen verdienen in ihren ersten Berufsjahren zu wenig, um sich die steigenden Lebenshaltungskosten in den Städten leisten zu können. Da die meisten von ihnen ihre Elternhäuser verlassen, um in den großen Städten wie Riad oder Maskat ihr Glück zu suchen, brechen traditionelle Familienbindungen auf und sorgen für ein Gefühl der Verlorenheit, der Identitätssuche und der Überforderung, aber gleichzeitig auch der Freiheit, der Flexibilität und der Mobilität. Sogar Beschäftigungen in Regierungsinstitutionen, die früher als angenehme Arbeitsplätze galten, da sie gut bezahlt waren und familienfreundliche Arbeitszeiten boten, werden heute von steigendem Leistungsdruck dominiert. Um die Karriereleiter erklimmen zu können, arbeiten junge Regierungsbeamte – insbesondere Frauen – härter als jemals zuvor, müssen für ihre Vorgesetzten auch spätabends oder an den Wochenenden erreichbar sein, um die Anforderungen erfüllen zu können. In Ländern wie Kuwait, Oman und Saudi-Arabien führt der Zwang zur wirtschaftlichen Diversifizierung zu erhöhtem Leistungsdruck, der mehr denn je die soziale Resilienz und die Belastungsfähigkeit des Einzelnen herausfordert. Dahinter steckt ein fast schon obsessiver Zwang der Herrschenden, ihre Volkswirtschaften endgültig an das Modell des Turbo-Kapitalismus anzupassen. In allen Golfmonarchien dienen sogenannte »Entwicklungsvisionen« als Blaupausen für den Umbau der Wirtschaft, definieren ambitionierte Zielindikatoren in allen Wirtschaftsbranchen, forcieren die Nationalisierung der Arbeitsmärkte und führen effiziente Leistungskontrollen ein. Die Herrscher betrachten sich als CEO’s ihrer Gesellschaften und ihre Länder als zu modernisierende Unternehmen. Geprägt durch den Stillstand und die Friedhofsruhe zu Zeiten ihrer Vorgänger will die aktuelle Generation der Herrscher vieles anders machen und betrachtet daher den stetigen Wandel als einzige Konstante. Dies führt einerseits zu erheblichem Veränderungsdruck und einer rapiden Umgestaltung der Gesellschaftsstrukturen, schlägt sich andererseits aber auch in einer dynamischen Transformation nieder, den viele junge Menschen – gerade Frauen – trotz aller Herausforderungen als Chance begreifen. In Ländern wie Saudi-Arabien, den VAE oder Oman sind die Frauen die größten Profiteurinnen dieser komplexen Transformation. In fast allen Golfstaaten stellen sie die meisten
Universitätsabsolventinnen. Auch auf dem Arbeitsmarkt übernehmen sie immer mehr Verantwortung, erringen als Sportlerinnen und Wissenschaftlerinnen internationale Erfolge, gründen ihre eigenen Start-Ups und prägen die virale Kunst- und Kulturszene. Sie präsentieren sich als selbstbewusste, karrierebewusste und leistungsorientierte Vertreterinnen einer neuen Elite, die sich aus den verkrusteten und erstarrten Vorstellungen der älteren Generationen lösen wollen. Doch dieser Weg birgt Risiken und ist steinig. Immerhin bestehen in allen Golfmonarchien traditionelle Familien- und Geschlechterrollen fort, die von patriarchalischen Strukturen geprägt sind, und Frauen nach wie vor gesellschaftlich und rechtlich benachteiligen. Insbesondere beim Übergang vom Studium zum Arbeitsmarkt herrscht noch immer eine gewisse Diskrepanz: In Saudi-Arabien arbeitet nur jede dritte Frau, wenngleich der Anteil in den letzten Jahren im Zuge der Arbeitsmarktreformen rapide gestiegen ist, lag er doch 2017 bei nur 20,1%.34 Somit muss der Zwang nach Veränderung nicht nur als ein von oben gesteuertes Regierungsprojekt betrachtet werden, sondern fordert fundamentale Elemente der nationalen, individuellen und kollektiven Identität heraus. Es handelt sich um einen komplizierten und komplexen Aushandlungsprozess, der von Generationenkonflikten und Geschlechterkämpfen charakterisiert wird und tradierte Realitäten zum Einsturz bringt. In diesem Kaleidoskop aus Fort- und Rückschritt, aus Aufbruch und Beharrungskräften, aus Optimismus und Stagnation übernehmen die Herrschenden die Rolle der Dirigenten: Sie bestimmen das Konzert des Wandels, legen das Tempo, die Inhalte und die Profiteur:innen der Transformation fest und sind damit zentrale Drahtzieher in der Neu- und Umgestaltung des Gesellschaftsvertrags. Ganz nach dem Motto »Der Staat bin ich« haben Muhammad bin Salman in Riad oder Muhammad bin Zayed in Abu Dhabi ihre Macht schrittweise zentralisiert und monopolisiert und betrachten sich als Fixsterne des nationalen Kosmos: Ohne sie geht nichts. Ohne sie wird nichts entschieden. Daher findet die gegenwärtige Transformation der Golfstaaten auf verschiedenen Ebenen statt: Während sich durchaus eine unumkehrbare und reale gesellschaftliche Liberalisierung und eine ernstgemeinte wirtschaftliche Diversifizierung konstatieren lässt, hat gleichzeitig die politische Repression zugenommen. In allen Golfstaaten existieren Merkmale eines Polizei- und Überwachungsstaats, die während der Pandemie unter dem Vorwand des Gesundheitsschutzes noch zugenommen haben. Die Renaissance der Autokratien findet nicht nur in Osteuropa, der Türkei, China oder Russland statt, sondern auch am Golf: Zwar waren die Golfstaaten immer Monarchien, sollten jedoch nicht als absolut bezeichnet werden.35 Alle Herrscher mussten sich in unterschiedlichem Umfang mit einflussreichen Partnern arrangieren, Machtstrukturen aushandeln und ausbalancieren und sich teilweise dem Druck von externen Eliten beugen; so begriffen sich beispielsweise saudische Könige lange Zeit als
Primus inter Pares.36 Doch die neue Generation agiert kompromissloser und machtbewusster, indem sie mit vehementer Konsequenz ihre Vorstellungen einer prosperierenden Gesellschaft durchsetzt – koste es, was es wolle. Nach dem Credo »Wer nicht für mich ist, ist gegen mich« etablieren sie einen exklusivistischen Nationalismus37 und propagieren eine strikt definierte Identitätspolitik, in der Andersdenkende ausgegrenzt werden. Unter Muhammad bin Salman ist die Zahl der Hinrichtungen im Jahr 2022 auf ein Rekordhoch seit drei Jahrzehnten gestiegen38, während in den VAE Menschenrechtsaktivist:innen in Haft sitzen.39 In Bahrain wird die schiitische Bevölkerungsmehrheit noch immer benachteiligt. Und obwohl es in Katar keine politischen Gefangenen gibt, basiert das Gesellschaftssystem auf einer strikten sozialen Hierarchie, in der vor allem Niedriglohnarbeiter:innen aus Südasien oder Afrika schikaniert werden.40 Diese strukturelle Gewalt gegen Arbeitsmigrant:innen hat sich durch die internationale Kritik im Vorfeld und während der WM zwar reduziert, indem rechtliche Verbesserungen eingeführt worden41, doch das System der Ausbeutung besteht fort. In allen Golfstaaten leiden die Millionen Arbeitsmigrant:innen noch immer unter systemischer Benachteiligung. Soziale Stigmatisierung sowie rechtliche und politische Benachteiligungen von ethnischen und religiösen Minderheiten gehören nach wie vor zum Alltag in allen Golfmonarchien, was sich darin zeigt, dass kritischen Individuen oder Stammesmitgliedern die Staatsangehörigkeit entzogen wird oder bestimmten Bevölkerungsgruppen wie den »Staatenlosen« (bidun) z. B. in Kuwait zivilrechtliche Privilegien trotz einiger Verbesserungen vorenthalten werden.42 Die Marginalisierung der »Anderen«43 gehört seit vielen Jahrzehnten zum Herrschaftsmodell der golfarabischen Eliten, um ein Narrativ von Abgrenzung und Zugehörigkeit zu kreieren, welches ihre Ausnahmestellung als alleinige Machtmonopolisten zementiert und bei einigen ein Klima der Angst schafft. Gleichzeitig werden Feindbilder konstruiert, um einen nationalistischen Populismus bei denen auszulösen, die sich zugehörig fühlen und nicht als Außenseiter und Netzbeschmutzer wahrgenommen werden. Daraus folgt, dass viele Missstände und Probleme weder offen diskutiert noch kritisch reflektiert werden können, sondern stattdessen eine Atmosphäre der Selbstzensur oder der offenen Repression entstanden ist, in der Entscheidungen der Herrschenden nicht infrage gestellt werden dürfen, um das nationale Projekt des Fortschritts nicht zu gefährden. Stattdessen definiert die herrschende Elite, welche sozialen Brennpunkte kritisiert werden. In Saudi-Arabien ist es daher durchaus legitim, die weiterhin existierende Benachteiligung von Frauen oder die mangelhafte Effizienz in den Regierungsinstitutionen anzuklagen, während direkte Kritik am Kronprinzen oder seinen ambitionierten Investitionen in den Unterhaltungs- und Tourismussektor sanktioniert werden. In den VAE proklamiert der Staat zwar die religiöse Toleranz und den interkonfessionellen Dialog, indem eine offizielle Begegnungsstätte der
drei monotheistischen Weltreligionen Islam, Christentum und Judentum errichtet wurde.44 Offene Kritik an der umstrittenen Normalisierung mit Israel ist allerdings nur vereinzelt zu hören, wird aber lauter.45 Und in Bahrain haben die Proteste während der »Arabischen Aufstände« dazu geführt, dass zivilgesellschaftliche Initiativen und regierungskritische Stimmen aus dem öffentlichen Diskurs weitgehend verschwunden sind. Alle Golfstaaten werden im Freedom Index als unfrei definiert46 und die Menschenrechtssituation gestaltet sich als problematisch. Es sind diese Widersprüchlichkeiten, die den politischen Umgang des Westens mit den Golfmonarchien so kompliziert gestalten. Auf der einen Seite hat sich der Grad der Repression deutlich erhöht, einige Golfstaaten sind in militärischen Konflikten wie im Jemen oder Libyen involviert, während sie gleichzeitig in Zeiten des Angriffskriegs auf die Ukraine eine klare Verurteilung des russischen Aggressors vermeiden und eng mit China – dem systemischen Rivalen des Westens, wie es u. a. die deutsche Bundesregierung formuliert47 – zusammenarbeiten. Auf der anderen Seite sind die Golfmonarchien zu wichtig und einflussreich geworden, als dass sie noch ignoriert oder isoliert werden könnten. Wirtschaftlich bieten die Golfmonarchien attraktive Potenziale für intensivierte Zusammenarbeit, wie die Energiepartnerschaften Deutschlands mit Saudi-Arabien, den VAE und Katar unter Beweis stellen. Die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Energiekrise führt auch zu einer »Zeitenwende«48 im Umgang mit den Golfmonarchien: Während sie lange Jahre als »Schmuddelkinder« mit Distanz und Skepsis betrachtet worden, führt der Druck der Energiediversifizierung zu einem neuen Pragmatismus auf Seiten der deutschen Bundespolitik: Der Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz im September 202249 oder Außenministerin Annalena Baerbock im Mai 2023 in Saudi-Arabien50, die Verhandlungen mit der katarischen Regierung über Gaslieferungen und das gewachsene Interesse, mit den Golfstaaten in der Wasserstoffproduktion enger zusammenzuarbeiten, zeigen, dass auch hierzulande die gewachsene Relevanz der Golfmonarchien politisch akzeptiert wird – wenn auch teilweise zähneknirschend, sieht man doch in ihnen problematische Partner, die den deutschen Vorstellungen einer werteorientierten Außenpolitik widersprechen. Doch trotz dieser sich verändernden Wahrnehmung existiert keine kohärente Strategie im Umgang mit den problematischen Partnern am Golf. In Zeiten der multipolaren Weltordnung muss allerdings eine solche Debatte geführt werden, um das politische Dilemma aufzulösen, wie eine werteorientierte und gleichzeitig interessensbasierte Außenpolitik gegenüber autokratischen Systemen aussehen, auf welchen Prämissen sie basieren und welche roten Linien sie definieren sollte. Eine solche Strategie existiert gegenüber den Golfstaaten bislang nicht, was eine systemische Leerstelle schafft und Deutschland in eine nachteilige Position bringt, die Transformation in den Golfstaaten konstruktiv und kooperativ aber auch kritisch
und kontrovers zu begleiten.51 Vor diesem Hintergrund soll dargelegt werden, dass wir eine Strategie im Umgang mit den Golfstaaten brauchen, die Interessen formuliert, Instrumente der Zusammenarbeit definiert und Grenzen dekliniert. Die Kooperation mit problematischen Partnern ist daher keine Frage des politischen Willens, sondern der realpolitischen Notwendigkeit. Dafür braucht Deutschland eine konkrete Haltung und einen klaren Kompass, um Menschenrechte zu achten und gleichzeitig ziel- und zweckorientiert mit den Golfmonarchien zu kooperieren. Dieser Balanceakt wird eine Herausforderung bleiben, der sich die deutsche Politik jedoch stellen muss.
1 https://www.aljazeera.com/opinions/2022/12/20/how-lionel-messis-bisht-exposed-the-western-medias-racism-again. 2 https://edition.cnn.com/2022/12/19/football/lionel-messi-bisht-world-cupt-rophy-lift-spt-intl/index.html. 3 https://newlinesmag.com/argument/messis-crowning-moment-became-cultural-lightning-rod/. 4 https://www.zeit.de/sport/2022-11/wm-katar-profifussball-kommerzialisierung-boykott. 5 https://www.deutschlandfunk.de/heuchelei-doppelmoral-katar-fussball-wm-100.html. 6 https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-kritik-an-katar-emir-sieht-beispiellose-kampagne-dpa.urn-newsml-dpa-com20090101-221025-99-255746. 7 K. Coates-Ulrichsen: The Gulf States and the Rebalancing of Regional and Global Power, James A. Baker III Institute for Public Policy, 8. Januar 2014, https://www.bakerinstitute.org/sites/default/files/2014-01/import/CME-Pub-GulfStates010813.pdf. 8 D. B. Roberts: Security Politics in the Gulf Monarchies. Continuity amid Change, New York: Columbia University Press 2023. 9 M. Herb: The Origins of Kuwait’s National Assembly, LSE Kuwait Programme Paper Series 39, März 2016, https://eprints.lse.ac.uk/65693/1/39_MichaelHerb.pdf. 10 D. Commins: The Gulf States. A Modern History, London und New York: I.B. Tauris 2012; G. Steinberg: The Wahhabi Ulama and the Saudi State: 1745 to the Present, in: P. Aarts, G. Nonneman (Hrsg.): Saudi Arabia in the Balance. Political Economy, Society, Foreign Affairs, London: NYU Press 2006, S. 11–34. 11 C. Derichs und T. Demmelhuber: Monarchies and Republics, State and Regime, Durability and Fragility in View of the Arab Spring, in: Journal of Arabian Studies 4 (2014): S. 180–94, S. 184. 12 A. Abdulla: »The Arab Gulf Moment«, in: D. Held und K. Coates Ulrichsen (Hrsg.): The Transformation of the Gulf. Politics, Economics and the Global Order, London. Routledge 2011: S. 106–124. 13 A. L. Jacobs: Regional and Global Power Competition Deepens Fault Lines Across the Southern Mediterranean, Arab Gulf Institute in Washington, 21. Oktober 2020, https://agsiw.org/regional-and-global-power-competition-deepens-faultlines-across-the-southern-mediterranean/; C. Barnett: GCC-Maghreb Relations in a Changing Regional Order, Center for Strategic and International Studies, 14. August 2013, https://www.csis.org/analysis/gcc-maghreb-relations-changingregional-order. 14 R. Hermann: Die Achse des Scheiterns. Wie sich die arabischen Staaten zugrunde richten, Stuttgart: Klett-Cotta 2021; M. Lynch: The Arab Uprising. The Unfinished Revolutions of the New Middle East, New York: Public Affairs 2013. 15 V. Gervais: The Changing Security Dynamic in the Middle East and its Impact on Smaller Gulf Cooperation Council States: Alliance Choices and Policies, in: K. S. Almezaini und J.-M. Rickli (Hrsg.): The Small Gulf States. Foreign and security policies before and after the Arab Spring, London und New York: Routledge 2017, S. 31–46. 16 G. Steinberg: Anführer der Gegenrevolution. Saudi-Arabien und der arabische Frühling, SWP-Studie 2014, https://www.swp-berlin.org/publications/products/studien/2014_S08_sbg.pdf. 17 K. Coates Ulrichsen: The United Arab Emirates. Power, Politics, and Policymaking, London und New York: Routledge 2017; K. Coates Ulrichsen: Qatar and the Arab Spring, New York: Oxford University Press 2014.
18 https://www.spiegel.de/sport/fussball/fc-bayern-und-qatar-airways-beenden-umstrittenen-sponsorendeal-a-e7df1b4eb3d8-45b8-91d8-bb45122b95d1. 19 F. Heard-Bay, The United Arab Emirates: Statehood and Nation-Building in a Traditional Society, in: Middle East Journal 59(2005)3, S. 360. 20 M. Herb: All in the Family. Absolutism, Revolution, and Democracy in the Middle Eastern Monarchies, New York: Suny Press 1999. 21 https://www.deutschlandfunk.de/jahrestag-newcastle-uebernahme-100.html. 22 https://www.deutschlandfunk.de/saudi-arabien-liv-golf-sport-100.html. 23 https://www.arabnews.com/node/2174656/sport. 24 https://www.zawya.com/en/life/leisure-and-travel/saudi-arabia-makes-artificial-snow-in-trojena-a51qr10w. 25 https://www.france24.com/en/live-news/20221005-greenpeace-blasts-dangerous-saudi-site-for-asian-winter-games. 26 D. Esfandiary: New Order in the Gulf. The Rise of the UAE, London: I.B. Tauris 2022. 27 https://www.thenationalnews.com/opinion/comment/2023/03/21/the-uae-is-more-than-just-the-switzerland-of-themiddle-east/. 28 Joost Hiltermann: Is ‘Little Sparta’ Stepping Back? How the UAE Is Recalibrating in the Gulf, International Crisis Group, 3. Dezember 2021, https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/united-arabemirates-saudi-arabia-qatar-oman-0. 29 https://www.unfpa.org/data/world-population-dashboard. 30 https://www.worldbank.org/en/region/mena/brief/coping-with-a-dual-shock-coronavirus-covid-19-and-oil-prices. 31 https://data.worldbank.org/indicator/SL.UEM.1524.ZS?locations=SA. 32 https://data.worldbank.org/indicator/SL.UEM.1524.ZS?locations=KW. 33 https://data.worldbank.org/indicator/SL.UEM.1524.ZS?locations=AE. 34 https://data.worldbank.org/indicator/SL.TLF.CACT.FE.NE.ZS?locations=SA. 35 S. Foley: The Arab Gulf States. Beyond Oil and Islam, Boulder: Lynne Rienner Publishers 2010, S. 85f. 36 G. Steinberg: Saudi-Arabien: Sicherheit für Öl, in: J. Braml, Josef, W. Merkel und E. Sandschneider (Hrsg.): Außenpolitik mit Autokratien, Berlin: Verlag DeGruyter Oldenbourg 2014, S. 136–144. 37 N. Partrick: Nationalism in the Gulf States, in: D. Held und K. Coates Ulrichsen (Hrsg.): The Transformation of the Gulf: Politics, Economics, and the Global Order, London: Routledge 2012. 38 https://www.amnesty.org/en/latest/news/2023/06/saudi-arabia-imminent-execution-of-youths-would-violate-kingdomspromise-to-abolish-death-penalty-for-juveniles/. 39 https://www.reuters.com/world/middle-east/un-document-uae-keeping-rights-activists-jail-past-end-sentences-2023-0602/. 40 S. Sons: Menschenrechte sind nicht käuflich. Warum die WM in Katar auch bei uns zu einer neuen Politik führen muss, Hamburg: Atrium 2022. 41 https://www.hrw.org/news/2021/08/02/migrant-workers-and-qatar-world-cup. 42 Bertelsmann-Stiftung: BTI 2020 Country Report: Kuwait, https://btiproject.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2020_KWT.pdf. 43 T. Matthiesen: The Other Saudis. Shiism, Dissent and Sectarianism, London: Cambridge University Press 2014. 44 https://www.abrahamicfamilyhouse.ae. 45 https://www.haaretz.com/israel-news/2023-05-22/ty-article/.premium/neta-nyahu-govt-hampering-arab-normalizationefforts-emirati-analyst-says/00000188-4408-dc2a-a798-f59b9cb50000. 46 https://freedomhouse.org/countries/freedom-world/scores. 47 https://www.bmbf.de/bmbf/de/europa-und-die-welt/vernetzung-weltweit/asiatisch-pazifischer-raum/china/china.html. 48 https://www.bundesregierung.de/resource/blob/992814/2131062/78d39dda6647d7f835bbe76713d30c31/bundeskanzlerolaf-scholz-reden-zur-zeitenwendedownload-bpa-data.pdf. 49 https://www.sueddeutsche.de/politik/staatsbesuch-saudi-arabienscholz-1.5663189. 50 https://www.tagesspiegel.de/internationales/menschenrechte-jemenkrieg-erneuerbare-energien-baerbock-besucht-saudiarabien-und-katar-9823580.html. 51 S. Sons: Menschenrechte sind nicht käuflich. Warum die WM in Katar auch bei uns zu einer neuen Politik führen muss, Hamburg: Atrium 2022.
Kapitel 1 Der Staat bin ich: Wie die neuen Herrscher ihre Macht bewahren 1.1 Macht um jeden Preis: Die Herrscher und ihre Seilschaften Abdulaziz Ibn Saud, in der saudischen Historiographie als Gründer des modernen SaudiArabiens verewigt, König zwischen 1932 und 1954 und einer der schillerndsten und spannendsten Personen der golfarabischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, war ein Meister des strategischen Machtspiels. 1902 gelang es ihm, nach dem Untergang der ersten beiden saudischen Reiche im 18. und 19. Jahrhundert, aus dem kuwaitischen Exil nach Zentralarabien zurückzukehren und die alte Hauptstadt Riad im Nadschd von der rivalisierenden Rashid-Familie zurückzuerobern.1 Um seine eigene Position zu stärken und die dominierenden Imperien seiner Zeit nicht zu provozieren, unterzeichnete er Verträge mit den damaligen Großmächten Großbritannien sowie dem Osmanischen Reich.2 1927 gestand er den Briten die Kontrolle der östlichen Küstenregionen auf der arabischen Halbinsel zu, um im Gegenzug die Unabhängigkeit seines saudischen Königreichs zu garantieren, sodass Saudi-Arabien nie unter formeller britischer Kontrolle stand.3 Als Resultat erlangte er die Kontrolle über al-Hasa sowie den Hidschaz mit den beiden Heiligen Stätten Mekka und Medina sowie der Hafenstadt Dschidda, was seinen Aufstieg zum mächtigsten Mann der arabischen Halbinsel beschleunigte. 1925 ließ er sich zum König des Hidschaz ausrufen.4 Vier Jahre später schaltete er in der Schlacht von Sibila mithilfe der Briten die Beduinentruppe der Ikhwan (»die Brüder«) aus, die sich unter seiner Kontrolle zu einer mächtigen militärischen Kraft während der saudischen Eroberungszüge entwickelt, allerdings aufgrund ihrer ideologischen Indoktrination und wiederholter Übergriffe auf von Großbritannien kontrollierte Regionen in Transjordanien und Irak das Vertrauen Ibn Sauds verloren hatten.5 Überfälle auf muslimische Pilger sowie die zeitweise Besetzung und Plünderung von Taif und Mekka führten zu einem Bruch zwischen den Ikhwan und ihrem einstigen Protegé Ibn Saud.6 Sie hatten wiederum Ibn Saud für seine engen Beziehungen zu den »ungläubigen« Briten, seine vielen Ehen sowie die Besteuerung der lokalen Bevölkerung kritisiert. 1926 bestanden sie aus 150.000 Mann.7 Mit dem Sieg über die Ikhwan war es Ibn Saud gelungen, sich als unumstrittener Anführer der saudischen Stämme zu etablieren, was mit einer klugen Heiratspolitik manifestiert wurde8: Insgesamt soll er 50 Mal verheiratet
gewesen sein und hatte 45 Söhne.9 Gleichzeitig zementierte er die Zentralisierung des Staats und schwächte damit den Einfluss der Stämme. Seiner enormen Reputation als erfolgreicher Feldherr, frommer Muslim und weiser Stratege nutzte das Image als potenter Übermann10 ebenso wie die missglückten Anschläge auf ihn, die er alle überlebte. Im Jahr 1932 war er am Ziel seiner Bestrebungen: Das Königreich Saudi-Arabien wurde gegründet. Ibn Saud ist eines der prominentesten Beispiele für die Fähigkeit der Monarchen am Golf, sich gegen viele Widrigkeiten von innen und außen zu behaupten und standhaft ihren Führungsanspruch zu verteidigen. Die herrschenden Familien in den Golfmonarchien waren in ihrer spannungsreichen Geschichte vielfältigen Gefahren ausgesetzt, denen sie mit einer ausgeklügelten Strategie aus Kooption und Kooperation, Repression und Rentenökonomie begegneten. Dafür mussten sie sich in einer unwirtlichen Landschaft nicht nur gegenüber der unbarmherzigen Natur, sondern auch gegen rivalisierende Stammesverbände und konkurrierende Händlerfamilien behaupten. Extreme Wetterbedingungen mit sengend-heißen Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius tagsüber und Minusgraden in der Nacht, Sandstürmen, Dürren, Taifunen und Springfluten an den Küsten prägen die Region bereits seit Jahrhunderten und haben sich in den letzten Jahrzehnten im Zuge des Klimawandels dramatisch verstärkt. In dieser Umgebung mussten die Einwohner:innen, darunter die Beduinen (bedu) sowie die sesshaften Bewohner:innen der Siedlungen und Städte (hadar) eine disziplinierte Widerstandskraft gegen die Gewalten der Natur entwickeln, um überleben zu können. Anpassung an die Natur wurde zum Überlebenselixier und von den regionalen Beduinen perfektioniert: Sie tauschten tierische Produkte gegen Getreide und Reitausrüstung und arbeiteten als Führer und Eskorten für Karawanen, sodass sie die arabische Halbinsel mit Syrien und dem Mittelmeerraum verbanden.11 Gleichzeitig nutzten sie die extremen Wetterverhältnisse aus, um ein regionales Handelsnetzwerk aufzubauen, das bis nach Indien und Afrika reichte: Händler waren auf den Monsunwind angewiesen, der ihre Schiffe in den Sommermonaten gen indischen Subkontinent trieb und sie im Winter zurückkehren ließ.12 Etwa dreiviertel aller Güter dieser Zeit flossen nach Indien13 und die indische Rupie war während des 19. und frühen 20. Jahrhunderts die Leitwährung am Golf. In der Ära der Perlenfischerei entwickelten sich einstig verlassene und von der Welt vergessene Flecken der golfarabischen Küstenregion im heutigen Kuwait oder Bahrain zu pulsierenden Zentren des lokalen Handels.14 Während heute die VAE und Katar im Fokus der Weltöffentlichkeit stehen, galten Mitte des 20. Jahrhunderts Bahrain und Kuwait als das »Dubai ihrer Zeit«15, basierte ihr damaliger Erfolg doch auf jahrhundertealten Handelsnetzwerken und einer kosmopolitischen Kultur des Austauschs.16 Diese polyglotte Kultur der Anpassung, des Austauschs und der Arbeitsmigration bildet bis heute die Basis der golfarabischen Widerstandsfähigkeit.17 In ihrem Zentrum: Die Herrscherfamilien.
Mithilfe des Handels entwickelten sich die im 17. Jahrhundert noch unbewohnten Siedlungen in Doha, Abu Dhabi, die peripheren Häfen in Kuwait oder Bahrain zu internationalen Umschlageplätzen für Gewürze, Perlen, Edelsteine, Datteln und andere Konsumgüter von globalem Interesse.18 Mit externen Mächten wie den Portugiesen im 15. Jahrhundert sowie dem Osmanischen Reich bis zum Ende des Ersten Weltkriegs und vor allem dem britischen Empire im 19. und 20. Jahrhundert schlossen die einflussreichen Familien der Golfregion Handels- und Sicherheitsabkommen, womit es ihnen gelang, konkurrierende Kräfte gegeneinander auszuspielen. Insbesondere die Briten etablierten an der Ostküste der arabischen Halbinsel bereits vor dem Deal mit Ibn Saud ein System der indirekten Herrschaft und kooperierten auf unterschiedlichen Ebenen mit den jeweiligen Herrscherdynastien.19 Dabei zielten letztere darauf ab, mithilfe der Briten ihre Position gegen externe Rivalen wie das Osmanische Reich oder die iranische Qajaren-Dynastie abzusichern20, während das Empire die Golfregion als strategischen Knotenpunkt seiner indischen Kolonie und Protektoratsgebiet betrachtete.21 Es wollte seine Vormachtstellung als dominante europäische Seemacht absichern und suchte dafür die Zusammenarbeit mit den mächtigen Herrschern am Golf. Diese profitierten ebenfalls von der kolonialen Präsenz, sodass sich ein reziprokes Beziehungsgeflecht entwickelte, in dem beide Seiten voneinander abhängig waren und blieben.22 Mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg und dem langsamen Niedergang des britischen Empires in Folge des Zweiten Weltkriegs mussten die Herrscher am Golf neue Bündnispartner suchen. Diese fanden sie in den USA, die für viele Golfstaaten auch heute noch den wichtigsten Partner darstellen – auch wenn diese Allianz Risse bekommen hat.23 Diese Politik der wechselnden Bündnisse wurde zu einem charakteristischen Merkmal der golfarabischen Machtpolitik und setzt sich bis heute fort. Dabei verfolgen die mächtigen Familien einen Kurs des opportunistischen Pragmatismus, der insbesondere das eigene Überleben bewahren soll, was sich in der heutigen Pendeldiplomatie der Golfmonarchien zwischen den miteinander rivalisierenden Weltmächten China und USA zeigt, aber auch schon im 19. Jahrhundert im Umgang mit den Großmächten jener Zeit eine wesentliche Basis der golfarabischen Politik darstellte. Dabei stützten sich die Dynastien in den Golfmonarchien ähnlich wie Ibn Saud auf eine ausgeklügelte Heirats- und Bündnispolitik, vergaben attraktive Konzessionen an USamerikanische oder britische Ölunternehmen und konnten mithilfe ausländischer Expertise und den steigenden Einnahmen aus der Öl- und Gasproduktion schrittweise Staatsinstitutionen und Verwaltungsapparate aufbauen. Nach ihrer Unabhängigkeit von Großbritannien profitierten die Herrscherdynastien in Kuwait, Bahrain, Katar und den VAE von den früheren Seilschaften und Geschäftsverträgen mit den Briten, was ihnen half, ihre
Monopolstellung auszubauen. Dabei entwickelten sich die Herrscherfamilien zu einem Staat im Staate: In Saudi-Arabien beträgt die Anzahl der königlichen Prinzen etwa 5.000–15.000, von denen viele finanzielle und politische Annehmlichkeiten erhalten und damit den Einfluss und die Strahlkraft der Monarchie sichern. In Katar soll gar jeder Vierte der einheimischen Bevölkerung familiäre Verbindungen zu der Al Thani aufweisen.24 Allerdings: Der Aufstieg der Herrscherfamilien verlief keineswegs konfliktfrei. Katar: Opportunistischer Pragmatismus als Erfolgsrezept Am Beispiel der katarischen Al Thani-Familie zeigt sich, welchen Widrigkeiten die golfarabischen Herrscher trotzen mussten, um sich in einem zähen Ringen mit lokalen Mitkonkurrenten als unumstrittene Herrscher durchzusetzen. Seit mehr als 150 Jahren ist das Schicksal des modernen Katars eng mit der Geschichte der Al Thani verbunden, die während des 18. Jahrhunderts aus dem heutigen Saudi-Arabien an die Ostküste der arabischen Halbinsel ausgewandert war. Dort etablierte sie sich als dominante Kraft im lokalen Handel und entwickelte die 1638 gegründete Ortschaft al-Zubara zum regionalen Umschlagplatz für den Warenverkehr, musste allerdings die dominierende Familie der Al Khalifa aus dem heutigen Bahrain verdrängen, die sich ebenfalls als Handelsmacht positionieren wollte. Die Al Khalifa stammt aus Zentralarabien und wanderte in den 1760er Jahren an die Küste des Golfs, baute dort ein Handels– und Fischereiimperium auf und geriet dadurch rasch in Konkurrenz mit der Al Thani.25 Weiterhin befand sich die Al Thani in einer Dauerfehde mit einflussreichen persischen Kräften, was zu wechselnden Machtverhältnissen führte; 1783 eroberten die Al Khalifa Bahrain, wo sie heute noch herrschen, und al-Zubara. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahmen die saudischen Al Saud al-Zubara ein und bedrohten damit den Machtanspruch der Al Thani. Während der 1820er Jahre verlor al-Zubara jedoch an wirtschaftlicher Bedeutung und wurde in den Folgejahren von der heutigen katarischen Hauptstadt Doha als neues Wirtschaftszentrum abgelöst: Die Bevölkerung stieg von 400 im Jahr 1850 auf 12.000 zum Ende des 19. Jahrhunderts.26 Der Aufstieg Dohas wurde vom damaligen katarischen Emir Muhammad bin Thani vorangetrieben, der sich 1849 dort niederließ und zwei Jahre später mit dem einstigen saudischen Rivalen unter Faisal bin Turki Al Saud gegen die vorrückenden Al Khalifa koalierte – ein Zweckbündnis gegen einen gemeinsamen Feind. In der katarischen Geschichtsschreibung gilt Muhammad bin Thani aufgrund seiner militärischen und wirtschaftlichen Erfolge als schillernde Figur und Vorbild des katarischen Aufstiegs und erfährt in der Gründungsgeschichte fast schon mythische Hochachtung. Mit der Zahlung von Schutzgeldern an die mächtigen Nachbarn aus Saudi-Arabien und Bahrain versuchte er, die territoriale Integrität seines Herrschaftsgebiets zu bewahren und externe Einflussnahme zu minimieren. Mit der Perlenfischerei wuchs die Bedeutung der
Küstenregion weiter an, wovon insbesondere die Herrscherfamilien in Katar und Bahrain profitierten, deren Konkurrenzkampf um die Vormachtstellung am Golf sich wieder intensivierte, während die Bedrohung durch die saudische Al Saud stetig wie ein dunkler Schatten über den kleineren Herrscherhäusern hing. Diese Rivalität entzündete sich auch an der Perlenfischerei: Allein in Bahrain stieg das Exportvolumen von Perlen zwischen 1873 und 1906 um 600 Prozent27 – ein regelrechter Boom um den damals wertvollsten Rohstoff begann. In den 1860er Jahren betrug die Anzahl der katarischen Perlenfischer bereits 13.000, in Bahrain gar 18.000 und in den heutigen VAE 22.000.28 Immer wieder kam es zu Überfällen, Raubzügen und Intrigen, um den jeweiligen Gegner zu schwächen und die lukrative Perlenfischerei zu kontrollieren, die sich zu einem existenziellen Wirtschaftszweig entwickelt hatte; allein in Katar arbeiteten mehr als 50% der Bevölkerung in diesem Sektor. Aus dem heutigen Iran, Belutschistan und dem Sindh suchten viele ihr Glück in der Perlenindustrie und wanderten an den Golf aus.29 Monatelang blieben die Männer auf See, um dort in bis zu 50 Tauchgängen pro Tag nach Austernmuscheln zu tauchen und diese an einflussreiche Stammesführer, den Scheichs, nach ihrer Rückkehr zu verkaufen.30 Doch mit dem Ende des Perlenrauschs ab Beginn des 20. Jahrhunderts drohte auch der Untergang der Herrscherfamilien und ihren Günstlingen: In Japan befand sich die Zucht von künstlichen Perlen mittlerweile auf dem Vormarsch, wodurch Katars traditionelle Praxis ineffizient und unrentabel wurde.31 Gemeinsam mit Naturkatastrophen (1925 wurde die katarische Perlenfischerflotte durch einen Sturm vernichtet) und der Weltwirtschaftskrise 1929 führte dies zum Niedergang dieses Wirtschaftssektors. Zwischen den 1920er Jahren und 1944 sank die Zahl der Perlenfischer von 60.000 auf 6.000.32 Der Verkaufswert fiel um das Siebenfache und die Zahl der Fischerboote um das Sechsfache.33 In Folge verließen viele einst mächtige Familien das Gebiet des heutigen Katars, während für die verbliebene Bevölkerung die »Jahre des Hungers«34 begannen, wie diese Zeit der sozialen und sozioökonomischen Krise bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs genannt wird. Die Al Thani drohte, ihre Einnahmequellen zu verlieren und damit in der Bedeutungslosigkeit zu versinken, blieb aber standhaft: Anstatt sich ebenfalls ins Ausland abzusetzen, harrte sie aus. Als 1935 Öl auf dem Territorium der Al Thani gefunden und die ersten Ölförderkonzessionen an die Briten vergeben wurden, ging die Durststrecke zu Ende. Auf einmal verfügten die Herrscher mithilfe ihrer Geduld über einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber den mit ihnen konkurrierenden Familien, die Katar bereits verlassen hatten. 1939 begann die kommerzielle Ölproduktion, die sich aber erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu einer substanziellen Einnahmequelle entwickelte. Damit einher ging der wirtschaftliche Aufschwung Katars. Die Al Thani hatte sich das Machtmonopol gesichert und verteidigt es bis heute. Neben den steigenden Einnahmen aus der Ölproduktion trug zu diesem Aufstieg
auch die kluge Bündnispolitik der Al Thani bei: Insbesondere aus der anwachsenden Präsenz der Briten seit dem 19. Jahrhundert schlug sie Profit. Der »Vater der Nation« Muhammad bin Thani schloss 1868 auf dem britischen Kriegsschiff »Vigilant« eine Vereinbarung mit den Briten, die als Beginn der engen Partnerschaft zwischen den Al Thani und Großbritannien betrachtet werden muss, und von Muhammads Sohn und Nachfolger Jassim nach dessen Tod 1878 ausgebaut wurde. Im November 1916 vertiefte Abdallah bin Jassim Al Thani, Enkel von Muhammad Al Thani, in einem Abkommen mit dem britischen Repräsentanten, Lieutenant-Colonel Sir Percy Cox, diese Partnerschaft. Die Al Thani fungierte somit als Partner der Briten, was ihnen neue Privilegien und Vorteile gegenüber den lokalen Rivalen brachte und ihre Position stärkte. Großbritannien hingegen trat als Schutzmacht der Al Thani auf – eine Win-Win-Partnerschaft, die die Briten auch mit anderen Familien am Golf eingingen, um mithilfe dieser Vereinbarungen ein System der indirekten Herrschaft aufzubauen und ihre Präsenz als maritime Supermacht am Golf zu festigen. Gleichzeitig vereinbarte die Al Thani in den 1870er Jahren ähnliche Schutzgarantien mit dem Osmanischen Reich – eine clevere Pendeldiplomatie, die auch die heutigen Herrscher in Katar mit anderen Partnern wie den USA oder Iran beherzigen, um möglichst von externen Bedrohungen verschont zu bleiben. Als kleiner und verletzlicher Staat suchte Katar also bereits in der Frühphase seiner Geschichte die Nähe zu größeren Partnern, um das eigene Überleben zu sichern. Heute ist dieses Modell der Vernetzung zu einem Markenzeichen und Symbol der katarischen »Soft Power« geworden. Dass diese Bündnispolitik jedoch nicht immer konfliktfrei verlief, zeigte die Entführung von Ahmad bin Muhammad Al Thani im Jahr 1892 durch die Osmanen. Um seinen Bruder zu befreien und die Machtposition der Al Thani zu bewahren, vereinte der damalige Emir Jassim miteinander verfeindete Stammesverbände und führte sie in der Schlacht bei Wadschbah zu einem sensationellen Triumph gegen die übermächtigen Truppen der Hohen Pforte. Die katarische Historiographie feiert diesen Sieg als kollektives Erweckungserlebnis und als Geburtsstunde der katarischen Nation und stilisiert Jassim als »Nationalheld« und »Staatsgründer«, da er Katar vor der Kolonialisierung durch Istanbul geschützt habe.35 Mit der katarischen Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1971 begann eine neue Zeitrechnung, die mit einem politischen Paukenschlag einherging: 1972 löste der damals 40jährige Khalifa Al Thani seinen Cousin Ahmad bin Ali Al Thani als Emir ab, während dieser sich auf der Jagd in Iran befand.36 Khalifa musste die junge Nation nun vor neuen und alten Bedrohungen schützen und sah in der Schaffung von staatlichen Zentralstrukturen die einzige Alternative, dieses Ziel dauerhaft zu erreichen.37 Als kleines Land mit der Größe von Schleswig-Holstein stand er vor der massiven Herausforderung, die territoriale Integrität gegen externe Bedrohungen ohne die Unterstützung der Briten zu bewahren, die politischen
Entscheidungswege zu institutionalisieren und Katars Wirtschaft und Verwaltungsapparat zu modernisieren. Dabei half ihm die konsolidierte Machtposition der Al Thani sowie die relative Homogenität der katarischen Bevölkerung, in der religiöse oder konfessionelle Divergenzen im Gegensatz zu anderen Golfstaaten kaum zu Verwerfungen führten.38 Während seiner bis 1995 dauernden Herrschaft legte Khalifa die Grundlagen für den heutigen politischen und wirtschaftlichen Status. Doch erst mit seinem Nachfolger, Sohn Hamad (reg. 1995-2013), begann der internationale Triumphzug Katars, der mit der WM seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat. In einem unblutigen Putsch hatte Hamad die Macht von seinem Vater übernommen, während sich dieser in Genf aufhielt. Danach setzte Hamad den Modernisierungskurs Khalifas fort, besetzte wichtige Regierungsposten mit engen und vertrauenswürdigen Familienangehörigen und erhob vor dem Hintergrund der traumatischen Erinnerungen an die Invasion Kuwaits durch den Irak 1990/91 die Partnerschaft mit den USA zu einem wesentlichen Pfeiler der katarischen Außenpolitik: 2003 gelang es ihm, dass die USA das Hauptquartier des Central Command (CENTCOM) aus Saudi-Arabien ins katarische Al-Udaid verlegten, was die regionale Bedeutung Katars weiter aufwertete. Neben einer intensivierten Sicherheitspartnerschaft weiteten sich auch die wirtschaftlichen, kulturellen und bildungspolitischen Beziehungen zwischen beiden Staaten unter Hamads Herrschaft aus, ohne jedoch den Kontakt zu anderen regionalen Kräften wie Iran zu vernachlässigen. Dieses Vorgehen steht stellvertretend für die katarische Balancepolitik und weist Ähnlichkeiten zur Pendeldiplomatie der Al Thani zwischen Großbritannien und dem Osmanischen Reich aus dem 19. und dem frühen 20. Jahrhundert auf. Hamad führte 1999 Wahlen zum Central Municipal Council (CMC) ein und erließ 2003 eine Verfassung, gründete den einflussreichen Satellitensender Aljazeera und investierte in das Bildungs- und Gesundheitssystem. 2013 wurde Hamad von seinem Sohn Tamim abgelöst, der seitdem das Land regiert.39 Die VAE: Als Föderation zum Erfolgsmodell Im Unterschied zu Katar mussten in den VAE mehrere Herrscherfamilien einen Kompromiss finden, um am Ende aus einzelnen Scheichtümern eine vereinte Förderation zu schnmieden und ihre Egos hintanzustellen. So gelang es Zayed bin Nahyan (reg. 1966–2004) mithilfe der Öleinnahmen und geschicktem politischen Kalkül, die nach der Unabhängigkeit 1971 zerrissene und fragile Union von sieben Scheichtümern zu einen und mit den jeweiligen Herrscherfamilien Kompromisse auszuhandeln.40 Konflikte über die Festlegung nationaler und lokaler Grenzen, persönliche Animositäten sowie die Sorge, auf Kosten einer Zentralregierung an Macht zu verlieren, führten bei den unterschiedlichen Familien zu Unruhe und Misstrauen. Vor diesem Hintergrund drohte die Schaffung der VAE zu
scheitern.41 Allerdings ließ die Furcht vor externen Bedrohungen nach dem Abzug der Briten als Sicherheitsgarant die individuellen Sorgen schwinden, was die Gründungsgeschichte eher zu einem pragmatischen Aushandlungsprozess werden ließ anstatt zu einem emotionalisierten Akt des emiratischen Patriotismus. Das siebte Emirat Ras Al-Khaimah schloss sich erst sieben Monate nach der Vereinigung von Abu Dhabi, Dubai, Sharjah, Ajman, Umm Al Quwain, and Fujairah den neuen VAE an. Damals gab es auch Überlegungen in Katar und Bahrain, sich in die emiratische Föderation einzugliedern42, doch am Ende zeigten die unterschiedlichen Herrscherfamilien zu wenig Kooperationsbereitschaft und setzten auf ihre nationale Unabhängigkeit.43 Saudi-Arabien betrachtete die Gründung der VAE ebenso mit Sorge, da das Königreich Anspruch auf Khor al-Udaid, Khor Duwayham und Huwayat erhob. Erst nach der Beilegung dieser territorialen Streitigkeiten erkannte die saudische Führung die VAE 1974 an.44 Trotz der nationalen Einheit prägen auch heute noch lokale Unterschiede in politischer Kultur, administrativer Struktur und Hierarchien das komplexe Beziehungsgeflecht der VAE, werden aber mittlerweile von einer durch die Herrscher propagierten nationalen Identitätspolitik überlagert. Zuständigkeiten bei Verwaltungsprozessen, lokaler Wirtschaftsund Gesellschaftspolitik liegen weiterhin in der Hand der einzelnen Emirate, was zu einer ausgeklügelten Ausbalancierung der Herrschaftsteilung innerhalb des »erfolgreichsten föderalen Systems in der arabischen Welt« geführt hat.45 Unter Zayed wurde Abu Dhabi 1996 zur Hauptstadt46 – allerdings erst ein Viertel Jahrhundert nach der Unabhängigkeit, was erneut zeigt, wie sensibel er die inner-emiratischen Konkurrenzkämpfe und Eitelkeiten moderieren, orchestrieren und regulieren musste. Noch immer werden die einzelnen Emirate von unterschiedlichen Stämmen regiert: Während sich die Al Nahyan aus Abu Dhabi – auch wegen Zayed – als einflussreichste Familie etabliert hat, folgen in der Hierarchie die Al Maktoum aus Dubai in der inner-emiratischen Hierarchie.47 Die Al Nuaimi aus Ajman, die Al Sharqi aus Fujairah, die Al Qasimi aus Ras Al Khaimah und Sharjah sowie die Al Mu’alla aus Umm Al Quwain spielen in der internationalen Öffentlichkeit zwar eine untergeordnete Rolle, verfügen aber trotzdem über politischen Einfluss, auf den die Al Nahyan Rücksicht nehmen muss.48 Die VAE stellen somit einen Sonderfall innerhalb der Golfmonarchien dar, da ihre föderale Struktur Kompromisse und Konkurrenz noch deutlicher zutage treten lässt als bei ihren Nachbarn, wenngleich sich das Machtgefüge in den letzten Jahren signifikant nach Abu Dhabi verschoben hat. Das Emirat ist von der Fläche sechs Mal größer als alle anderen sechs Emirate zusammen und verfügt bei weitem Abstand über die meisten Ölreserven, was die politische Ausnahmestellung ebenso erklärt wie die wirtschaftliche Dominanz innerhalb des emiratischen Interessensverbands und die Entscheidungsgewalt in der emiratischen Außenpolitik, die fast ausschließlich in Abu Dhabi konzipiert wird.49
Oman: Kosmopolitischer Sonderfall Für die Mehrheit der omanischen Bevölkerung bedeutete der 11. Januar 2020 einen epochalen Zeitenwechsel. Tausende von Trauernden säumten die Straßen der Hauptstadt Maskat und begleiteten die Zeremonie zu Ehren des verstorbenen Sultans Qaboos bin Said Al-Said (reg. 1970-2020), der den Oman fast ein halbes Jahrhundert und damit länger als jeder andere Machthaber in der arabischen Welt regiert hatte. Sein Ableben nach langer Krankheit beendete eine Ära, die im Unterschied zu Saudi-Arabien, den VAE und Katar weder durch familieninterne Rivalitäten noch von Putschen und Gegenputschen geprägt war, sondern von einer außergewöhnlichen Kontinuität, die Qaboos mit einem Herrschaftsstil zwischen autokratischer Kontrolle und weitsichtigem Kooperationswille bestimmte. Qaboos stammt aus der Al Bu Said, die seit Ahmad bin Said Al Bu Said Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer der einflussreichsten Familien Omans aufgestiegen ist.50 Wie wohl kein anderer golfarabischer Herrscher gilt er als Inbegriff des Vaters der Nation, der sich mit strategischer Klugheit, taktischem Geschick und kompromissloser Härte sein unumstrittenes Machtmonopol sicherte und während seiner Ägide bewahrte. Zu Beginn seiner Amtszeit kontrollierte er zwar ein Territorium, aber keine Nation.51 Während in SaudiArabien die Familien der Al Saud oder in Katar die Al Thani regieren, schuf Qaboos in Oman ein auf seine Person zentriertes System: Oman war Qaboos und Qaboos Oman.52 Unter ihm wurde Oman zum »Staat Qaboos«.53 Da er Zeit seines Lebens kinderlos blieb, konnte er keine Dynastie begründen und stützte sich stattdessen auf eine diverse Gruppe von einflussreichen Beratern aus Wirtschaft, Politik und Religion. Doch dazu brauchte es Mut und Durchsetzungsvermögen: Im Jahr 1970 befand sich das Land unter Qaboos Vorgänger, seinem Vater Sultan Said bin Taimur, in einer schweren Krise. Im Gegensatz zu den aufstrebenden Golfstaaten Kuwait, Katar oder Bahrain, die sich anschickten, mithilfe der Öleinnahmen ihre Wirtschaft zu modernisieren und ihre Verwaltung zu zentralisieren, schien es im Oman, als seien die Uhren stehengeblieben: Wirtschaftlicher Fortschritt und die Entwicklung politischer Institutionen sowie einer landesweiten Verwaltung erfolgten nur langsam, während die heterogene Gesellschaft von vielschichtigen sozialen, ethnischen, wirtschaftlichen und ideologischen Konflikten geplagt wurde. Das Land drohte, von inneren Konflikten zerrissen zu werden: Insbesondere die von 1965 bis 1975 dauernde Dhofar-Rebellion im Süden erschütterte den Oman in seinen Grundfesten.54 Dhofar liegt an der südlichen Grenze zum Jemen und entwickelte sich unter der Herrschaft Saids zu einem explosiven Krisenherd. Die lokale Bevölkerung fühlte sich wirtschaftlich benachteiligt und kritisierte die Besteuerung durch den Sultan, was zu sozialer Frustration und zu einem Exodus in andere Golfstaaten wie Bahrain oder Kuwait führte.55 Die 1962 gegründete Dhofar Liberation Front (DLF) kanalisierte diese Unzufriedenheit und forcierte ihren Widerstand
gegen den Sultan. Als Reaktion auf diese existenzielle Krise entmachtete der damals 29-jährige Qaboos seinen Vater in einem unblutigen Putsch am 23. Juli 1970. Said ging ins englische Exil und starb 1972 im Londoner Dorchester Hotel.56 Im Anschluss an seine Machtübernahme schickte Qaboos sich an, die Rebellion der People’s Front for the Liberation of Oman and the Arabian Gulf (PFLOAG), Nachfolger der DLF, in Dhofar niederzuschlagen57 und konnte sich dabei vor allem auf die engen Beziehungen zu den Briten und sein militärisches Geschick aufgrund seiner Ausbildung an der britischen Sandhurst Royal Military Academy verlassen.58 Seit Mitte der 1950er Jahre hatten sich etwa 700 britische Soldaten der Special Air Services und der Royal Air Force im Land befunden, die Qaboos militärisch in Dhofar unterstützten.59 Auch Iran beteiligte sich auf Seiten Qaboos in Dhafur und sandte 5.000 Soldaten zur Unterstützung des Sultans.60 Knapp zehn Jahre vor der Iranischen Revolution 1979 wurde das Land vom Schah regiert, der sich ebenso wie die arabischen Herrscherdynastien als Gegner des Kommunismus betrachtete. Enge und komplexe Beziehungen zwischen Oman und Iran bestehen seit Jahrhunderten und prägen bis heute das bilaterale Verhältnis.61 Die PFLOAG wurde vor allem von kommunistisch-sozialistischen Kräften wie China und der Sowjetunion sowie dem benachbarten Südjemen unterstützt, während Qaboos auf die militärische Hilfe Großbritanniens und die finanzielle Unterstützung aus Saudi-Arabien und Abu Dhabi zurückgreifen konnte, die einen kommunistischen Umsturz im Oman und damit eine Bedrohung für ihre eigene Herrschaft fürchteten. Oman geriet somit in den Strudel des »Kalten Kriegs« und wurde zum Stellvertreterschauplatz der westlich-kommunistischen Auseinandersetzung.62 Mit einer Mischung aus militärischer Schlagkraft und dem Versuch, die Sympathien der Aufständischen zu gewinnen, gelang es Qaboos, den Konflikt zu beenden. Dabei profitierte er auch von den engen aber oftmals komplizierten historischen Beziehungen mit den Briten: Bereits in den 1620er Jahren war es zu ersten Geschäftsbeziehungen zwischen omanischen Händlern und Vertretern der British East India Company gekommen. Gleichzeitig nutzten die Briten inner-omanische Rivalitäten zwischen dem Sultanat und dem ibaditischen Imamat zu ihren Gunsten aus und festigten damit ihre Position als dominierende externe Kraft.63 Das omanische Imamat verstand sich jahrhundertelang als religiöse und politische Einheit, die sich an den ibaditischen Lehrgrundsätzen orientierte und von einem Imam geführt wurde.64 Die ibaditische Glaubensrichtung stellt eine für den Oman besondere Spielart des Islams dar und zählt weder zur sunnitischen noch schiitischen Konfession. In vielen Phasen der Geschichte konkurrierte das Imamat mit der Herrscherdynastie Al Bu Said um Ressourcen, Land und politischen Einfluss. In den 1950er Jahren strebte das Imamat nach territorialer und rechtlicher
Unabhängigkeit. Erst Qaboos gelang es, dessen Ambitionen zu stoppen, nachdem bereits seine Vorgänger mit Hilfe der Briten das Imamat hatten schwächen können. Nach der Niederschlagung des Aufstands in Dhofar erfolgte Qaboos beispielloser Aufstieg zum omanischen Überregenten: Als Sultan, Premierminister, Außenminister und Oberbefehlshaber der Streitkräfte vereinte er die wichtigsten Ämter auf sich65, und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, wer die Kontrolle im Land ausübte. Unter ihm vollzog sich eine Personalisierung der Entscheidungsstrukturen, die in der omanischen Geschichte einzigartig ist; er regierte als »Modernisierer mit eiserner Faust«.66 Dass er diesen Weg erfolgreich beschreiten konnte, ohne von Thronrivalen herausgefordert zu werden, lässt sich auf drei Faktoren zurückführen: Charisma, Kooption und Kontrolle. Aufgrund seiner Persönlichkeit, seinem Werdegang und seiner Erfolge bei der Niederschlagung der DhofarRebellion wurde er von der überwiegenden Mehrheit respektiert und geschätzt67, während er trotz seiner unumstrittenen Machtfülle ein loyales Netzwerk an Unterstützer:innen aufbaute. In Dhofar förderte er die wirtschaftliche Entwicklung, um die dortige Unzufriedenheit zu minimieren und brach damit mit der Politik seiner Vorgänger, die die entlegene Region eher als auszubeutende Peripherie und nicht als integralen Bestandteil des omanischen Staates betrachtet hatten. Im Unterschied zu den Herrschern in den Nachbarstaaten verließ er sich aber nicht auf enge Familienangehörige, sondern verfolgte eine inklusive Personalpolitik, um die sozialen Rivalitäten und Gräben innerhalb der omanischen Gesellschaft zu schließen. Unter seiner Herrschaft sollten religiöse Konflikte vermieden werden, weswegen er interethnische und -konfessionelle Toleranz betonte und sich damit von anderen Herrschern am Golf und ihrer oftmals ausgrenzenden Religionspolitik abhob. Daneben schloss er enge Allianzen mit den mächtigen Händlerfamilien. Omans traditionelles Geschäftsmodell basierte jahrhundertelang auf einem weit verzweigten und ausgeklügelten »maritimen Imperium«68, das sich zeitweise bis nach Afrika und Asien erstreckte. Die Entfernung zwischen der heutigen Hauptstadt Maskat und der pakistanischen Hafenstadt Karachi beträgt relativ geringe 900 Kilometer. Somit wurde Migration zur historischen Konstante in der omanischen Geschichte; noch heute stammen große Teile der omanischen Bevölkerung aus Belutschistan, Indien, Pakistan, Afrika, Irak oder Iran.69 Ähnlich wie in anderen Teilen der Golfregion existierten lange Zeit keine formalisierten Landesgrenzen. Stattdessen dominierte eine Kultur der Mobilität: Viele Stämme und Familien befanden sich auf einer stetigen Reise und Suche nach Sicherheit, Wohlstand und Geschäftspartnern, und Händler aus Indien, Ostafrika oder Belutschistan siedelten sich ab dem 15. Jahrhundert im Oman an.70 Auf der 2.000 Kilometer von Oman entfernten Insel Sansibar vor der Küste Tansanias errichteten omanische Händler ab 1650 eine omanische Enklave, die zwischen 1820 und 1840 sogar als Regierungszentrum
fungierte. Ab dem 17. Jahrhundert geriet auch die Hafenstadt Mombasa im heutigen Kenia unter omanische Regierungsgewalt.71 Weitere Expansionen reichten bis ins Gebiet des heutigen Bahrains, nach Belutschistan oder Pakistan und führten zu einem goldenen Zeitalter des omanischen Handels mit Gewürzen, Sklaven, Edelsteinen oder Elfenbein.72 Erst 1958 trat die omanische Führung die Provinz Gwadar für 3 Mio. Pfund an die pakistanische Regierung ab.73 Selbst nach dem Niedergang des omanischen Sultanats in Sansibar im Jahr 1860 und der wachsenden Präsenz der Briten dreißig Jahre später kam die omanische Migration nach Afrika nicht zum Erliegen und begründete einen regen Austausch, der in den 1960er Jahre zu einer Rückkehr von den Nachkommen einstiger Auswanderer:innen in den Oman führte. Nach ihrer Ankunft litten sie jedoch unter Marginalisierung und Ausgrenzung, sodass sich die Mehrheit in anderen Golfmonarchien niederlassen musste. Unter Qaboos wurden sie zur Rückkehr ermutigt, da sie seine Reformen aufgrund ihrer Englisch- und Verwaltungskenntnisse produktiv vorantreiben konnten. Heute leben etwa 100.000 bis 200.000 von ihnen im Oman. Obwohl die Erinnerungen an jene Zeiten längst verblasst sind, haben die Verbindungen nach Afrika und Indien also bis heute überdauert und begründen die Prominenz der Händlerfamilien und die dominante Bedeutung von Migration in der omanischen Geschichte.74 Oman gilt als multikonfessioneller und -ethnischer Schmelztiegel, dessen Kultur und Geschichte ohne die Einflüsse von außen sowie inner-arabische Migrationsbewegungen nicht zu verstehen ist. Mithilfe dieser verschachtelten Teile-und-Herrsche-Politik konnte Qaboos ein omanisches Staatskonstrukt aufbauen: Ihm gelang es, unterschiedliche Landesteile unter seine zentrale Kontrolle zu bringen, die miteinander rivalisierenden Stämme an sich zu binden und die Wirtschaft zu modernisieren. Existierten zur Zeit des Putsches 1970 nur drei Straßen, investierte Qaboos in den Ausbau der landesweiten Infrastruktur, ließ die erste Entsalzungsanlage sowie ein nationales Stromnetz errichten. Gleichsam brach er nicht vollständig mit dem Erbe seines Vaters, sondern setzte dessen Bemühungen fort, die omanische Wirtschaft nach Beginn der Ölexporte 1967 zu modernisieren. Allerdings standen ihm dafür deutlich höhere Mittel als seinem Vorgänger zur Verfügung, immerhin stiegen die Ölausfuhren von 20,9 Mio. Barrel im Jahr 1967 auf 121,3 Mio. im Jahr seiner Thronbesteigung 1970.75 Ähnlich wie in anderen Golfmonarchien führte der neue Ölreichtum somit auch im Oman zu einem rapiden Entwicklungsschub, der sich u. a. im Aufbau eines nationalen Bildungs- und Gesundheitssystems äußerte. Im Unterschied zu den VAE oder Katar zeigte Qaboos jedoch eine sensible Zurückhaltung bei seinen Investitionen, da er die Gesellschaft nicht überfordern und die Wurzeln der omanischen Geschichte zugunsten eines glitzernden Neo-Kapitalismus auflösen wollte. Auch deswegen entwickelte
sich Oman unter ihm zu einem golfarabischen Sonderfall, da er weder mit religiöser Indoktrination noch mit skrupelloser Härte regierte, sondern mit Augenmaß und einem Gespür für Ausgleich und Moderation. Nirgendwo wird das deutlicher als in der omanischen Außen- und Regionalpolitik, in der sich Qaboos als Vermittler und »ehrlicher Makler« weltweit einen Namen machte und Oman zu einer »Schweiz des Mittleren Ostens«76 entwickelte, wie noch gezeigt wird. 1.2 Personenkult und Populismus: Die neue Herrschergeneration Die heutige Generation der Herrscher am Golf orientiert sich zwar an der traditionellen Machtverteilungspolitik ihrer Vorgänger, muss aber neue Herausforderungen meistern, um aus dem Schatten der alten Garde hervorzutreten und ihr eigenes Profil zu entwickeln. So müssen die Herrscher einen sensiblen Balanceakt meistern, um einerseits ihre Reputation als unumstrittene Anführer zu bewahren, und andererseits den Eindruck zu erwecken, im Sinne der Gesellschaft und im Konsens mit den wichtigen Günstlingen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dieser sensible Drahtseilakt der Herrscher beruht daher auf einer explosiven Melange aus knallharter Kompromisslosigkeit, einem fast schon mythischen Personenkult des Unnahbaren und der Fähigkeit, sich die Strahlkraft des Visionärs zu verleihen. Dies zeigt sich beispielhaft und in unterschiedlicher Form bei den mächtigen Männern in Saudi-Arabien, Kronprinz Muhammad bin Salman, in Katar, Emir Tamim, den VAE, Muhammad bin Zayed, und Qaboos Nachfolger im Oman, Haitham al-Tariq. Sie sind Meister der Selbstinszenierung und präsentieren sich als nahbare Architekten einer neuen Gesellschaft, bleiben aber unerreichbare Projektionsflächen von Macht, Mythos und Maskerade. Ihr Einfluss erwächst aus der Gleichzeitigkeit aus Image und Realität, aus Sein und Schein. Die unzähligen Spekulationen um die innere Verfasstheit der Königsfamilien, die Gerüchte um die starken Männer und ihre Vorlieben sind Bestandteil des Personenkults – ähnlich wie in anderen Königshäusern dieser Welt. Das Geheimnisvolle bleibt der Reiz der Monarchie. So wird der sprichwörtliche Arbeitsethos von MbS zur Marke für den Ehrgeiz Saudi-Arabiens, während Tamims Eloquenz die Soft Power Katars repräsentiert – der Staat bin ich. Muhammad bin Salman: Der saudische »Mr. Everything« Der 21. Juni 2017 war für einen Teil der saudischen Gesellschaft vermutlich mehr als nur ein heißer Mittwoch, sondern ein Epochenwandel, der für sie den Beginn einer neuen Ära, eines »neuen Saudi-Arabiens«, markierte. An jenem Tag erschien ein Mann auf der Bühne des politischen Saudi-Arabiens, der bis dahin kaum in Erscheinung getreten war: Der neue Thronfolger Muhammad bin Salman, jüngster Sohn des seit Januar 2015 regierenden greisen
Königs Salman und Enkel des populären Staatsgründers Ibn Saud, empfing im Königspalast in Riad seinen Onkel Muhammad bin Nayef, der bis dahin als Kronprinz und somit als legitimer Nachfolger des Königs fungiert hatte. Nun musste er MbS die Treue schwören – ein Akt der Degradierung und des Machtwechsels.77 MbN, wie er genannt wird, galt in seiner Funktion als Innenminister, die er von seinem im Juni 2012 verstorbenen Vater Nayif übernommen hatte, als ausgewiesener Sicherheits- und Anti-Terrorexperte mit exzellenten Netzwerken zur US-amerikanischen Regierung und ihrem Geheimdienst. So hatte er u. a. in den 1980er Jahren Trainings beim FBI und dem britischen Scotland Yard durchlaufen.78 Viele in Saudi-Arabien schätzten MbN als eine lebende Legende und Held im Kampf gegen den Terrorismus: Er überlebte drei Anschläge79 und wurde beim letzten, der im August 2009 vom Al-Qaida-Attentäter Abdullah Hassan al-Asiri durchgeführt worden war, schwer verwundet.80 Doch trotz oder gerade wegen seiner Popularität geriet er ins Visier von Muhammad bin Salman.81 Im Anschluss an seine Degradierung verschwand bin Nayef in der politischen Bedeutungslosigkeit82: Seit März 2020 befindet er sich offenbar unter Hausarrest83 und gilt damit als eines der prominentesten Opfer der Machtpolitik des jungen und ambitionierten neuen Kronprinzen. Seitdem hat MbS, wie er genannt wird, schrittweise seine Macht ausgebaut und ist mittlerweile der unumstrittene De-facto-Herrscher SaudiArabiens, auch wenn sein Vater Salman als König die offizielle Regierungskontrolle besitzt. Als Beispiel für die Machtkonsolidierung von MbS dient auch die Inhaftierung von mehr als 380 saudischen Prinzen, Geschäftsleuten und Medienmogulen im Riader Luxushotel RitzCarlton im November 2017. Ihnen wurde Korruption, Vetternwirtschaft und Veruntreuung vorgeworfen. Am Ende sollen sie für ihre Freilassung mehr als USD 100 Mrd. gezahlt haben.84 Gleichzeitig dienten die bezahlten Lösegelder als Startkapital für die kostspieligen Investitionsvorhaben des Kronprinzen. Er wollte mit dieser Aktion ein Signal der Stärke senden und sich gegenüber dem traditionellen Establishment profilieren. Obwohl die Aktion im Ausland harsche Kritik an den skrupellosen Methoden des Kronprinzen hervorgerufen hatte, erfuhr sie innerhalb des Königreichs weitgehende Zustimmung. Diese Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie kompromisslos der neue starke Mann in Riad seine Ziele durchsetzen will. Unter ihm vollzieht Saudi-Arabien eine signifikante Neuorientierung seiner traditionellen Politik: Sein neues Saudi-Arabien ist auf der einen Seite durch einen repressiven Führungsstil des Autoritarismus geprägt, während auf der anderen Seite ein gesellschaftlicher Liberalisierungs- und wirtschaftlicher Diversifizierungskurs eingeschlagen wird, der sich u. a. darin niederschlägt, ehemals benachteiligte Gruppen wie Frauen oder die junge Generation als wichtigste Zielgruppen der saudischen Politik zu adressieren. Weiterhin hat unter MbS eine Marginalisierung traditioneller Vetoplayer und einflussreicher Akteure stattgefunden, die das bisherige System des Klientelismus85
herausfordert und in bestimmten Bereichen erodieren hat lassen. Sein Credo, sich von althergebrachten Normen, verkrusteten Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen sowie dem Dogma des islamischen Klerus zu emanzipieren und das Land stattdessen zu modernisieren, wird durch eine ambitionierte Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik reflektiert, die darauf basiert, die rentenbasierte Wirtschaft des Königreichs von den Einnahmen aus der Erdölproduktion unabhängiger zu gestalten86 und eine nationalistische Identitätspolitik87 zu forcieren. Insbesondere Teile der jungen Bevölkerung betrachten MbS als einen der Ihren und bewerten das rigide Vorgehen gegen die traditionellen Günstlinge als legitim, galten sie doch als Profiteure eines intransparenten und erratischen Establishments, welches sich mit Korruption und Klientelismus einen Status der Unantastbarkeit erschlichen hatte, während sich die junge Generation vernachlässigt fühlte. Aus Sicht vieler junger Menschen hatte ihnen die traditionelle Elite aus konservativen Religionsgelehrten und kooptierten Händlerfamilien viele Chancen auf beruflichen und wirtschaftlichen Aufstieg verwehrt, da sie keine neue Generation neben sich geduldet und ihre Ambitionen nicht ernst genommen hatten. Stattdessen sollte sich die gut ausgebildete, motivierte und selbstbewusste saudische Jugend dem Willen des Establishments und des hierarchischen Patriarchats beugen. Insbesondere junge Frauen aus der gut situierten urbanen Mittelschicht lehnen diese soziale Ordnung zunehmend ab und äußerten – teilweise auch öffentlich – ihre Frustration und Unzufriedenheit. Der Schlag gegen die alten Garden wurde also auch als Akt der Befreiung und als Weg in eine neue Ära empfunden. Eine saudische Unternehmerin nannte die Phase nach dem Machtantritt des Kronprinzen »eine Zeit des Auf- und Durchatmens«, die ihr gezeigt habe, dass die verkrusteten Strukturen alter einflussreicher Männer aufgebrochen werden könnten, um ihr und ihrer Generation Teilhabe am saudischen Aufschwung zu bieten. Und MbS personifiziert für viele diesen neuen Weg. Vor allem junge Menschen bewundern ihn für seinen Ehrgeiz, seine Dynamik und seinen Mut, ein rückwärtsgewandtes Land in die Moderne zu führen und wach zu küssen. Dabei hilft ihm auch seine Lebensgeschichte: MbS, geboren 1985, gehört zu einer Generation, die die entbehrungsreiche Lebensweise ihrer Eltern und Großeltern in den Jahren vor dem märchenhaften wirtschaftlichen Aufstieg nicht bewusst kennengelernt hat, sondern in einem politischen System sozialisiert wurde, welches bereits von den astronomischen Einnahmen aus dem Öl und Gas profitierte. Im Gegensatz zu vielen seiner Altersgenossen, die im Rahmen des von König Abdullah eingeführten Stipendienprogramms in den USA, Europa oder Kanada studiert hatten und dort mit dem westlichen Lebensstil in Berührung gekommen waren, bevor sie nach dem Ende ihres Studiums wieder in die Heimat zurückkehrten, hatte MbS sein Heimatland nie für längere Bildungsaufenthalte verlassen, sondern an der einheimischen King Saud University studiert. Unter seinem Vater Salman, der
zwischen 1963 bis 2011 als Gouverneur die Entwicklung der Provinz Riad vorangetrieben hatte, war er in die politischen Gepflogenheiten eingeführt worden. Dennoch galt er vor seinem kometenartigen Aufstieg als Nobody, dem keine große Zukunft in der saudischen Politik zugetraut wurde. Ein Irrtum, wie sich schnell zeigte. Statt seine fehlende internationale und politische Erfahrung als Nachteil zu betrachten, nutzte MbS sie zu seinem Vorteil, indem er sich als heimatverbunden und nationalbewusst zeigte und schnell einen saudischen Hyper-Nationalismus proklamierte, den er mit populistischen Elementen anreicherte.88 Anstatt den weltgewandten Kosmopoliten zu geben, präsentiert er sich als bodenständiger und hemdsärmeliger Schutzpatron der jungen Generation, der in seinen Reden einen klaren und einfachen Ton wählt, sich nicht in theoretischen und intellektuellen Phrasen verliert, sondern ehrgeizige Ziele formuliert, was vielen jungen Menschen in SaudiArabien imponierte. Gleichzeitig hat unter ihm die Repression Andersdenkender zugenommen, wie später noch ausgeführt wird. Mit seinem rigorosen Vorgehen stärkte er seinen Status als unumstrittener Anführer und hat Saudi-Arabien von einer Mehr-Prinzen in eine Ein-Prinzen-Monarchie transformiert: Ohne den Kronprinzen geht im Königreich mittlerweile nichts mehr; er ist »Mr. Everything«.89 Der Emir von Katar: »Tamim, der Prächtige« Ähnlich wie in Saudi-Arabien kam es auch in Katar immer wieder zu Streitigkeiten innerhalb der Familie um die politische Macht. So wurden in unblutigen Palastputschen die Herrschaft von Emir Ahmad bin Ali Al Thani (reg. 1960–1972) durch Khalifa bin Thani (reg. 1972– 1995) beendet. Khalifa gilt als Gründer des modernen Katars, da er die Verwaltung und den Staatsapparat modernisierte und das Land nach der Unabhängigkeit von den Briten 1971 auf der Weltkarte platzierte. Unter ihm trat Katar den Vereinten Nationen, der Weltbank und des Internationalen Olympischen Komitees bei und suchte regional die Annäherung an den alten Rivalen Saudi-Arabien. Trotz dieser Erfolge endete Khalifas Herrschaft 1995: So wie er seinen Vorgänger vom Thron vertrieben hatte, putschte nun sein Sohn Hamad gegen seinen Vater, während sich Khalifa in Genf aufhielt. Die Machtübernahme hatte Hamad, der bereits 1977 von Khalifa als Thronfolger ernannt worden war, von langer Hand vorbereitet: Geschickt hatte er seine Getreuen an strategischen Knotenpunkten der Entscheidungsfindung platziert, um seine Machtbasis zu sichern und konnte so einen versuchten Gegenputsch abwehren.90 Gleichzeitig etablierte er Katar auf diplomatischer, kultureller und wissenschaftlicher Bühne als Netzwerker und Plattform. Die heimische Kultur- und Bildungslandschaft wurde ebenfalls ausgebaut. Unter Hamad festigte Katar seine Rolle als einflussreicher Regionalakteur, verlor allerdings während der »Arabischen Aufstände« 2011/12 seine Reputation als neutraler Mediator, was ihn bei seinen Nachbarn Saudi-Arabien und den VAE in Verruf brachte und 2013 zum nächsten Familienputsch führte. Wieder war es
mit Tamim der Sohn des amtierenden Emirs, der die Herrschaft seines Vaters beendete und seitdem Katar regiert. Die Hintergründe des Machtwechsels sind umstritten. In der katarischen Öffentlichkeit wird der Putsch als familieninterner Kompromiss dargestellt, der eher die Einheit der Al Thani symbolisierte als deren Zwietracht. Seitdem hat Tamim seine Position als unumstrittenes Machtzentrum manifestiert: Dies wurde nicht nur während der WM deutlich, sondern bereits während der sogenannten »Golfkrise«, in der zwischen Juni 2017 und Januar 2021 Katar von seinen Nachbarn SaudiArabien, den VAE, Bahrain sowie Ägypten politisch und wirtschaftlich isoliert und eine See-, Land- und Luftblockade eingerichtet worden war. Gerade in dieser Phase der regionalen Isolation präsentierte sich Tamim als Beschützer der katarischen Nation im »Konflikt der Egos« zwischen Tamim und MbS, wie ein saudischer Diplomat den Disput umschrieb. Es dauerte nur wenige Tage, ehe das Porträt des katarischen Emirs ganze Hauswände, Kaffeetassen und T-Shirts in Katar zierte. Das von dem katarischen Künstler Ahmed alMaadheed entwickelte Konterfei des Emirs entwickelte sich nicht nur zum Kassenschlager, sondern auch zum ikonischen Symbol seiner Strahlkraft.91 Seine Popularität führte zu einer »Hashtag-Einheit«92, die sich in Solidaritätskampagnen für den Emir in sozialen Medien wie #qatarisnotalone, #istandwithqatar, #WeAreQatar und #TamimtheGlorious niederschlugen.93 Seine Popularität inner- und außerhalb Katars nahm Züge eines profunden Personenkults an94, der ihn zu Tamim Al-Majed, »Tamim, den Prächtigen« glorifizierte.95 Noch heute erinnert eine Ausstellung im Nationalmuseum Dohas an die Widerstandsfähigkeit Katars während der Krise. Seit der erfolgreichen Bewältigung der Blockade gilt er endgültig als Schutzpatron der katarischen Nation und als siegreicher David gegen den übermächtigen Goliath. Er präsentiert sein Land als Vorreiter in Sport, Diplomatie, Wirtschaft und Kultur. Bei weiten Teilen der Bevölkerung gilt er als charmant und weltläufig: So spricht er auch Englisch und Französisch und interessiert sich für Geschichte und Kultur.96 Muhammad bin Zayed: Der Chef des »kleinen Sparta« In den Emiraten verlor die mächtige Familie des Emirats Dubai, die Al Maktoum, nach der globalen Finanzkrise 2008/2009 immer mehr an Einfluss an die herrschende Dynastie des ölreichen Emirats Abu Dhabi, den Al Nahyan, die Dubai vor dem finanziellen Kollaps bewahrt hatte.97 Damals soll Abu Dhabi dem kriselnden Nachbarn mit USD 20 Mrd. aus der Krise geholfen haben.98 Im Zuge der weltweiten Bankenkrise war auch das aufstrebende Dubai, dass sich seit Beginn der 2000er Jahren als internationales Finanzzentrum und attraktive Touristendestination etabliert hatte, in den Strudel des Bankensterbens gerissen worden. Der Boom Dubais schien zu Ende. Was folgte, war ein Exodus internationaler Unternehmen aus dem einstigen Paradies des renditeorientierten Kapitalismus und der
drohende Bankrott. In dieser Krise zerbröselte nicht nur das schillernde Image Dubais, sondern auch die Macht der herrschenden Al Maktoum. Von dieser Schwäche profitierten schlussendlich die Al Nahyan, die mit den Einnahmen aus den Öleinnahmen die Schulden des klammen Nachbarn übernahmen und sich somit an die Spitze der inner-emiratischen Machthierarchie katapultierten. Im Gegensatz zu Dubai verfügt Abu Dhabi über lukrative Ölressourcen, die nun in Form von rapide steigenden Einnahmen in politisches Kapital umgewandelt wurden. Die Machtablösung von Dubai zu Abu Dhabi ist seitdem zementiert, und der Herrscher Abu Dhabis, Muhammad bin Zayed Al Nahyan, ist mittlerweile nicht nur Kronprinz der VAE, sondern hält als Präsident der Emirate auch die Fäden der Entscheidungsfindung in seinen Händen; 2019 betitelte ihn die New York Times als »mächtigsten Staatsmann der arabischen Welt«.99 MbZ, wie er genannt wird, wird von weiten Teilen der Bevölkerung als Garant der nationalen Sicherheit wahrgenommen100, hat die kleinen Emirate zu einem schlagkräftigen militärischen Tausendsassa und einer aufstrebenden Mittelmacht entwickelt,101 die wirtschaftliche Integration in den Weltmarkt vorangetrieben, effiziente Verwaltungs- und Dienstleistungsstrukturen eingeführt und ein relativ liberales Gesellschaftssystem mit einem strikten Sicherheitsapparat verbunden.102 Darüber hinaus haben die Emirate unter ihm ihren globalen Einfluss über ihren Logistikgiganten DP World als maritime Handelsmacht ausgebaut, der über Beteiligungen an Häfen in Afrika, Asien und Europa wie ein Krake über ein weltweit verzweigtes Netzwerk verfügt. Wer die Seewege kontrolliert, kontrolliert die Welt – dieses Motto haben sich die VAE zu eigen gemacht und sind damit zu einer Mittelmacht aufgestiegen, die auch als »kleines Sparta«103 bezeichnet wird. Architekt dieses »VAE-Modells«104 ist MbZ: Im Gegensatz zu den oftmals spektakulären Umbrüchen und Familienputschen in Katar oder Saudi-Arabien vollzog sich sein Aufstieg zum starken Mann der VAE eher graduell, weniger dramatisch und hinter verschlossenen Türen. Als ältester Sohn von Zayed bin Sultan Al Nahyan wuchs er in der einflussreichsten Familie der VAE auf und wurde bereits früh auf seine Amtsgeschäfte vorbereitet.105 2004 wurde er zum Kronprinzen von Abu Dhabi ernannt. Nachdem sein Halbbruder, Präsident Khalifa bin Zayed, 2014 einen Schlaganfall erlitten hatte106, übernahm MbZ als De-Facto-Herrscher einen Großteil der Amtsgeschäfte und folgte Khalifa nach seinem Tod im Mai 2022 im Amt nach.107 Er durchlief eine Karriere bei der Armee, graduierte 1979 an der renommierten britischen Militärakademie in Sandhurst und errang als Hubschrauberpilot, Befehlshaber der Air Force sowie als Stabschef der Streitkräfte militärisches Ansehen.108 Unter ihm entwickelten sich die Emirate zu einer hochgerüsteten und professionellen Militärmacht109, die nicht nur Krieg im Jemen führt, sondern auch in Libyen oder am Horn von Afrika militärisch involviert sind.110 Bereits 1991 unterstützten die VAE die USA bei ihrem
Vormarsch gegen den Irak, der unter Saddam Hussein Kuwait besetzt hatte, und beteiligten sich an mehreren internationalen Militäreinsätzen wie in Somalia oder Kosovo sowie in Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Selbst im östlichen Mittelmeer und damit direkt vor den Toren Europas engagieren sie sich und konkurrieren mit anderen Regionalakteuren wie der Türkei um den Zugang zu den Handelswegen oder den Ölund Gasressourcen.111 Für den populären emiratischen Politikanalysten Abdulkhaleq Abdulla ist der Kronprinz neben den Faktoren Selbst- und Problembewusstsein sowie Zusammenarbeit (Confidence, Concern, Cooperation, the Crown Prince) einer von vier Treibern für den Aufstieg der VAE zu einer »beeindruckenden arabischen Erfolgsgeschichte«, wie er es nennt. Somit ist MbZ zum Inbegriff für den nationalen Glauben geworden, nichts sei für die VAE unmöglich.112 Omans Sultan Haitham al-Tariq: Aus dem Schatten des Überherrschers Während sich die Herrscher in Saudi-Arabien, den VAE und Katar auf unterschiedliche Art und Weise aus den Schatten ihrer Vorfahren befreit und ihre Position zementiert haben, steht Omans Sultan Haitham al-Tariq nach dem Tod der »Überfigur« Qaboos vor einer vielfach größeren Herausforderung. Seine überbordende Ausstrahlung und Prominenz hatten die Sorge um eine reibungslose Thronfolge nach seinem Tod genährt, da ein Machtvakuum befürchtet wurde.113 Doch die Realität sah anders aus: Qaboos hatte in einem versiegelten Brief Haitham als legitimen Nachfolger designiert, sodass ein stabilitätsgefährdendes Ringen um den Thron ausblieb. Als Cousin des verstorbenen Sultans, Enkel des früheren Sultans Taimur bin Faisal (reg. 1913 bis 1932) sowie ehemaliger Kulturminister kannten Haitham bereits vor seiner Thronbesteigung weite Teile der omanischen Öffentlichkeit und hatten mit seiner Ernennung gerechnet. Er hatte 16 Jahre im Außenministerium als Unterstaats- und Generalsekretär gewirkt, konnte in diesen Funktionen sein internationales Netzwerk ausbauen und sich auf diplomatischem Parkett beweisen.114 Seit 2013 hatte er die omanische Entwicklungsagenda »Oman Vision 2040«115 mitgestaltet, um die wirtschaftliche Diversifizierung voranzutreiben. Dennoch startete Haitham mit der Bürde, sich ein eigenes Profil erarbeiten zu müssen, ohne das Erbe Qaboos zu verraten. Dafür setzte er auf eine Mischung aus Kontinuität und Wandel: Wenige Monate nach seiner Inthronisierung gab er den Posten des Außen- und des Finanzministers ab116, ernannte einen Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrat117, und brach damit mit der kompletten Kontrolle seines Vorgängers. Er erließ eine Reihe von altgedienten Ministern, reduzierte das aufgeblähte Kabinett von 26 auf 19 Minister118, fusionierte mehr als zehn Ministerien und setzte das 2011 aufgelöste Wirtschaftsministerium wieder ein.119 Im Gegensatz zu Qaboos kann und will er nicht mehr allein die Bürde des
nationalen Schicksals tragen, sondern setzt auf enge Vertraute wie den neuen Außenminister Sayyid Badr bin Hamad al-Busaidi120 und Finanzminister Sultan al-Habsi. Die Popularität des alten Sultans und seine Strahlkraft als nationaler Übervater hatten trotz seiner Popularität auch zu Trägheit und Stagnation geführt, sodass das Land notwendige Reformen im Bildungs-, Gesundheits- oder Energiebereich versäumt hatte. Die Staatsverschuldung betrug kurz nach dem Tod Qaboos mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts (BIP), die Privatisierung stockte und notwendige Investitionen in die Infrastruktur blieben aus. In diesen Bereichen hatte Qaboos kaum Erfolge erzielen können, sodass mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie die soziale Unzufriedenheit stieg und es im Mai 2021 zu Demonstrationen in Teilen des Landes kam.121 Der neue Sultan befand sich somit in der unkomfortablen Lage, auf die Verfehlungen seines Vorgängers in der Wirtschaftspolitik reagieren zu müssen, ohne andererseits dessen Erbe zu beschmutzen. Vor diesem Hintergrund initiierte er Maßnahmen, um die Wirtschaft aus der Abhängigkeit von den rapide sinkenden Öleinnahmen zu befreien und dringend benötigte Arbeitsplätze für die junge Bevölkerung schaffen. Kurzfristig versprach er, 32.000 Jobs für omanische Staatsangehörige zu schaffen, um den sozialen Protest abzumildern.122 Weiterhin schuf er im Juni 2020 die neue Oman Investment Authority (OIA).123 In Fragen der Außen- und Gesellschaftspolitik beeilte sich Haitham jedoch rasch, die traditionellen Prinzipien von Ausgleich und Dialog fortzusetzen, um dem Eindruck vorzubeugen, sich zu stark gegen seinen Vorgänger zu stellen. 1.3 Teile und herrsche: Die starken Männer und ihre Partner Der stetige Kampf ums politische und physische Überleben prägt die DNA der golfarabischen Dynastien seit Generationen und hat in der Konsequenz zu komplexen, undurchsichtigen und intransparenten Patronage- und Klientelnetzwerken sowie oftmals personalisierten Prozessen der Entscheidungsfindung geführt.124 Als Konsequenz verzögerte sich die Institutionalisierung des Machtapparats, da die Loyalität von vertrauenswürdigen Familienangehörigen oder technischen Beratern vielen Herrschern als wichtiger für die Konsolidierung ihrer politischen Macht galt, als der Aufbau einer Verwaltung. Gleichzeitig gilt staatliche Reformpolitik weithin als persönliche Angelegenheit des Königs oder Emirs, der damit zwar Veränderungen in Administration, Bildung, Gesundheit oder Wirtschaft anregt, diese aber sehr eng mit seiner Person verknüpft sind.125 Um sich vor internen und externen Bedrohungen zu schützen, bauten die herrschenden Eliten einen Zirkel an Günstlingen auf, buhlen um deren Loyalität und versorgen sie im Gegenzug mit Macht, Geld und Einfluss. Dabei ordnen sich diese Netzwerke in konzentrischen Kreisen um die jeweiligen Herrscher an: Der erste dieser Kreise besteht aus der engsten Entourage des Herrschers und setzt sich aus Familienmitgliedern oder
respektierten Technokraten zusammen, die den Zirkel des Vertrauens bilden. In Saudi-Arabien126 beorderte MbS seinen jüngeren Bruder Khalid bin Salman von seinem Posten als Botschafter in den USA zurück ins Königreich, um ihn dort im Februar 2019 erst zum stellvertretenden Verteidigungsminister und im September 2022 auch zum amtierenden Minister zu befördern, nachdem MbS diesen Posten abgegeben hatte.127 In Zeiten des Jemen-Krieges, in dem sich Saudi-Arabien seit 2015 befindet, kommt dieser Position besondere strategische Bedeutung zu, die KbS, wie er genannt wird, im Sinne seines Bruders wahrnimmt und dessen uneingeschränktes Vertrauen er genießt. Geboren 1988 und ausgebildet als Pilot der saudischen Air Force, ist KbS im Dunstkreis seines älteren Bruders zu einem neuen Star der saudischen Politik aufgestiegen. Daneben gehören der saudische Außenminister Faisal bin Farhan (FbF), ebenfalls Mitglied der Königsfamilie, der Energieminister Abdulaziz bin Salman, Sohn des amtierenden Königs und Halbbruder des Kronprinzen, oder Khalid bin Bandar, früherer Botschafter in Deutschland und jetziger diplomatischer Vertreter des Königreichs im strategisch wichtigen London zum erlauchten Kreis des Vertrauens. Badr bin Abdullah bin Mohammed bin Farhan, geboren 1985, gestaltet seit 2018 als erster Kulturminister die ambitionierte saudische Kulturpolitik.128 Sein Ziel ist es, Saudi-Arabien als regionales Zentrum der Kultur- und Kunstszene zu etablieren. Dafür fördert er die einheimische Filmindustrie, investiert in Ausstellungen, Kulturprogramme, Bibliotheken, Kochkunst und Musik, Museen und Architektur und knüpft Partnerschaften mit Schwergewichten aus Frankreich wie der Campus France Foundation oder dem Louvre.129 Ebenso wie MbS studierte er an der renommierten King Saud University in Riad und leitete vor seiner Beförderung zum Minister das einflussreiche Medienunternehmen Saudi Research and Marketing Group (SRMG). Insbesondere FbF ist seit seiner Ernennung zum Außenminister im Oktober 2019 zu einem der wichtigsten Sprachrohre des saudischen Kronprinzen aufgestiegen. Als ehemaliger Botschafter in Deutschland verfügt er nicht nur über diplomatisches Geschick, sondern auch über internationale Reputation. In Frankfurt am Main im Jahr 1971 als Sohn eines saudischen Bankiers und einer Deutschen geboren, spricht er fließend Deutsch und beeindruckte damit während seiner Zeit in Berlin auf diplomatischem Parkett. Damals befanden sich die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Saudi-Arabien nach der Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi auf einem Tiefpunkt, und FbF sollte mit seiner biografischen Nähe zu Deutschland die Wogen glätten. Regelmäßig lud er dazu deutsche Unternehmer:innen, Journalist:innen oder Wissenschaftler:innen in seine Residenz in der Nähe des Berliner Wannsees zum Dinner ein und sprach dort ohne diplomatische Attitüde, aber gleichzeitig verbindlich über kritische Themen wie die Situation der Menschenrechte in Saudi-Arabien oder das angespannte Verhältnis mit Iran. Auch mit
Außenministerin Annalena Baerbock scheint er sich gut zu verstehen, obwohl Saudi-Arabien für die menschenrechtsorientierte Außenpolitik der Ministerin vermintes Terrain darstellt. Dennoch trafen sich FbF und Baerbock bereits mehrmals u. a. während ihres Besuchs in Dschidda im Mai 2023 oder im Rahmen der Münchener Sicherheitskonferenz und tauschten sich in vertrauensvollem Rahmen über Fragen der internationalen Politik aus – zum Teil auch auf Deutsch. Zu Beginn seiner De-Facto-Herrschaft setzte MbS jedoch eher auf enge Jugendfreunde und »Buddies«, die zwar das uneingeschränkte Vertrauen des Kronprinzen genossen, aber über wenig politische Erfahrung verfügten. Diese Personalpolitik zeigte im Falle von Saud al-Qahtani dramatische Auswirkungen: Ebenso wie KbS hatte er in der Air Force gedient, arbeitete später als Journalist und erhielt von seinem Schulfreund MbS den sensiblen Auftrag, das Center for Studies and Media Affairs aufzubauen und zu leiten, welches die digitale Überwachungsmaschinerie des Königreichs verantwortete.130 Der Aufstieg von MbS wurde für al-Qahtani zur Chance seines Lebens. Im Auftrag des Kronprinzen koordinierte alQahtani als wichtigster »digitaler Handlanger«131 die digitale Überwachungskampagne gegen mögliche Kritiker:innen durch ein künstliches Heer von Trolls und Bots in den sozialen Medien, um Stimmen zum Schweigen zu bringen, die sich explizit oder implizit gegen die Politik des Kronprinzen stellten. »Al-Qahtani agierte willkürlich und brutal«, bekennt ein saudischer Analyst. »Seine Macht war ihm zu Kopf gestiegen und er fühlte sich durch das Vertrauen des Kronprinzen unverwundbar.« US-amerikanische Geheimdienste kamen zu dem Schluss, al-Qahtani könne bei der Ermordung Khashoggis im Oktober 2018 im saudischen Konsulat von Istanbul eine Schlüsselrolle gespielt haben.132 Seitdem ist »Mr. Hashtag«133, wie er in manchen Medien genannt wurde, aus der saudischen Öffentlichkeit verschwunden, wenngleich seine Mittäterschaft offiziell nie von saudischer Seite bestätigt wurde. Die anschließende internationale Isolation Saudi-Arabiens, die auf die Mordaffäre folgte, führte innerhalb der politischen Führung zu einem Umdenken in der Personalpolitik. MbS schien sich darauf zu besinnen, dass Erfahrung auf internationalem Parkett, diplomatisches Geschick und rationale Entscheidungsprozesse in seinem engsten Umfeld seine Machtposition stabilisieren könnten, während al-Qahtani zu einer Belastung geworden war. Seitdem umgibt sich MbS mit erfahreneren Politexperten wie FbF und Co., die in strategischen Schlüsselpositionen zum einen dazu beitragen sollen, das nach Khashoggi zerrüttete Image des Kronprinzen national und international langfristig zu verbessern, und zum anderen mit ihren Netzwerken die wirtschaftliche und außenpolitische Diversifizierung vorantreiben. Auf einer weiteren Ebene der Entscheidungsfindung rangieren einflussreiche
Technokrat:innen, ausgewiesene Fachexpert:innen und erfahrene Diplomat:innen, die in Einzelfällen als ebenso unersetzlich und einflussreich betrachtet werden müssen wie die engsten Familienmitglieder des Kabinetts. Hierzu zählen in Saudi-Arabien u. a. der 42jährige Turki Al Sheikh, der aus der angesehensten Klerikerfamilie des Königreichs stammt und unter MbS bereits im Innen- und Verteidigungsministerium arbeitete, ehe er die Leitung der General Sports Authority und der General Authority of Entertainment übertragen bekam und seitdem die ambitionierte Sport- und Kulturoffensive des Königreichs orchestriert. Zwischenzeitlich investierte er in den spanischen Fußball-Verein UD Almeria und sorgte dort mit einigen Trainerwechseln und umstrittenen Transfers für Unruhe.134 Zur Riege der älteren Fachexperten gehört mit seinen 60 Jahren Mohammad al-Jadaan, der seit 2016 als Finanzminister eine Schlüsselposition in der saudischen Diversifizierungspolitik einnimmt. Er verantwortet unter anderem die Privatisierungsbemühungen des saudischen Staates und kann auf eine erfolgreiche Karriere als Unternehmensgründer zurückblicken – beste Voraussetzungen, um im Dunstkreis des Kronprinzen erfolgreich zu wirken.135 Unter MbS hat weiterhin Yasir al-Rumayyan einen kometenhaften Aufstieg erfahren: Als früherer Banker und Kapitalmarktaufseher mit internationaler Erfahrung bei der Saudi Hollandi Bank und persönlicher Nähe zum Kronprinzen erfüllt er grundlegende Voraussetzungen, um umfangreiche Verantwortung zu übernehmen. Mittlerweile gilt er als Allzweckwaffe in MbS’ engstem Kreis: Er leitet nicht nur den einflussreichen saudischen Staatsfonds (Public Investment Fund, PIF) und verantwortet damit die nationalen und weltweiten Milliardeninvestitionen des Königreichs136, sondern wurde nach der Übernahme des englischen Fußballerstligisten Newcastle United durch den PIF im Oktober 2022 auch als Klub-Vorsitzender mit der strategischen Entwicklung des Traditionsvereins vertraut. Weiterhin delegierte er den Börsengang des staatlichen Ölunternehmens Saudi Aramco und war somit federführend an zwei der strategisch bedeutsamsten Entscheidungen für die saudische Wirtschaft der letzten Jahre beteiligt.137 Mehr Einfluss geht nicht, doch er strebt nach mehr: Mit seiner Rolle als starker Mann bei Newcastle will er langfristig dem katarischen Strippenzieher138 Nasser al-Khelaifi nacheifern, der zu einer der mächtigsten Figuren im europäischen Fußball aufgestiegen ist. Der loyale Vertraute des katarischen Emirs verantwortet seit Jahren die Geschicke des französischen Topclubs Paris St. Germain, den die staatliche Qatar Sports Investments (QSi) im Jahr 2010 übernahm. Seitdem ist al-Khelaifi zu einem der einflussreichsten Funktionäre im europäischen Fußball aufgestiegen und bestimmt die Geschicke des wichtigsten Fußballverbands der Welt: Der 49-Jährige ehemalige ProfiTennisspieler ist seit 2019 nicht nur Mitglied im UEFA-Exekutivkomitee139 und Präsident von PSG, sondern auch der Qatar Tennis Federation und Vize-Präsident der Asian Tennis Federation. Neben seinen Positionen im Sport fungiert er außerdem als Vorsitzender der beIN
Media Group, die zu einem Big Player in der internationalen Medienlandschaft aufgestiegen ist, hält beIN doch die Übertragungsrechte in über 40 Ländern an den wichtigsten Fußballwettbewerben, darunter der deutschen Bundesliga oder der englischen Premier League, und produziert Filme und Serien für ein arabisches Publikum. Ähnlich wie alKhelaifi in Katar hat sich in den VAE Mansour bin Zayed Al Nahyan, Bruder von MbZ, als prominente Figur in der emiratischen Sportpolitik etabliert: Er besitzt die Abu Dhabi United Group, die 2008 den englischen Fußballverein Manchester City übernahm und seitdem zu einem internationalen Topclub entwickelt hat. 2013 wurde sie zur City Football Group, die seitdem neben City Anteile an Vereinen wie New York City seit 2013, Melbourne City FC, dem japanischen Yokohama F. Marinos seit 2014, Montevideo City Torque aus Uruguay und dem FC Girona seit 2017, den chinesischen Zweitligisten Sichuan Jiuniu und Mumbai City FC seit 2019 oder Lommel SK aus Belgien seit 2020 und Palermo FC aus Italien seit 2022 hält.140 Neben dem Fußball ist Mansour Vorsitzender der Emirates Racing Authority für Pferderennen und hält Anteile an der Abu Dhabi Media Investment Corporation, zu der u. a. die englische Tageszeitung The National und der Nachrichtensender Sky News Arabia gehören.141 2017 wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden der Mubadala Investment Company, Staatsfonds von Abu Dhabi, ernannt und gilt als einer der mächtigsten und einflussreichsten Männer der VAE. Zur zweiten Kategorie der einflussreichen Entscheidungsträger gehören in den VAE vor allem Yousef al-Otaiba und Sultan al-Jaber. Als langjähriger Botschafter der VAE in Washington verantwortet al-Otaiba die strategisch relevanten Beziehungen zu den USA und konnte seit seinem Amtsantritt im Juli 2008 ein enges Netzwerk an Vertrauten und Lobbyisten aufbauen142: Zwischen 2020 und 2021 sollen die Emirate über unterschiedliche Kanäle mehr als USD 64 Mio. an Partnerfirmen gezahlt haben, um mit deren Unterstützung das emiratische Image zu verbessern und politische Entscheidungen wie die Normalisierung mit Israel positiv zu vermarkten.143 Unter al-Otaiba hat sich der emiratische Einfluss in den USA massiv ausgeweitet, und er gilt dort als einer der mächtigsten Strippenzieher.144 So soll er auf Drängen von MbZ den Kontakt zwischen dem saudischen Kronprinzen und dem damaligen US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump hergestellt haben.145 Der 49-jährige Sultan al-Jaber gilt als politisches Universaltalent der emiratischen Politik: Bestens ausgebildet an Universitäten in Kalifornien fungiert er seit Juli 2020 als Industrieminister und leitete viele Jahre als Geschäftsführer den staatlichen Energiekonzern Masdar. Als Sonderbeauftragter der VAE für Klimapolitik und als designierter Präsident der UN-Klimakonferenz COP28, die im November/Dezember 2023 in Dubai ausgerichtet wird, repräsentiert er die Klimadiplomatie der VAE. Bereits 2009 wurde er vom damaligen UNGeneralsekretär Ban Ki Moon zum Mitglied des Beratungsgremiums für Energie und
Klimawandel ernannt und setzte sich während seiner Tätigkeit als Sondergesandter für die UN Framework Convention on Climate Change (UNCCC) erfolgreich für die emiratischen Bemühungen ein, die COP28 auszurichten. Doch sein Engagement für den Klima- und Umweltschutz ist umstritten: Als Geschäftsführer des staatlichen Energieunternehmens Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) verantwortet er seit 2016 die Ölproduktion der Emirate, weswegen er kritisiert wurde, als Vertreter der Ölwirtschaft kein Interesse an einer langfristigen Reduzierung der CO2-Emissionen zu zeigen.146 In einem offenen Brief forderten 130 Politiker:innen aus Europa und den USA im Mai 2023 seine Absetzung und warfen ihm aufgrund seiner Nähe zur Ölindustrie vor, als ADNOC-Geschäftsführer möglicherweise Einfluss auf die Verhandlungen der Klimakonferenz nehmen zu wollen.147 In den letzten Jahren ist diese reine Männerriege durch einflussreiche Frauen ergänzt und erweitert worden: Prominentestes Beispiel in Katar ist sicherlich Scheicha Moza Al Misnad, die Frau des ehemaligen Emirs Hamad und Mutter von Tamim, die die wichtigste Kulturstiftung des Landes, die Qatar Foundation, leitet und sich als Förderer von Talenten aus Wissenschaft, Kultur, Kunst und Unterhaltung versteht.148 Sie bestimmt bis heute die Bildungs- und Entwicklungspolitik des Emirats und ist für viele katarische Frauen eine Ikone. In Saudi-Arabien präsentieren Frauen wie Prinzessin Reema bint Bandar bin Sultan, Tochter des populären früheren Botschafters in Washington und Schwester des aktuellen Botschafters in England, einen Wandel in der traditionell männerdominierten Politik des Königreichs. Als erste Botschafterin in der Geschichte des Königreichs trägt sie in ihrer Position ganz in der Tradition ihrer Familie dazu bei, die saudischen Interessen in den USA zu vertreten und setzt sich vor allem für Frauenrechte und Gleichberechtigung ein.149 Damit verfolgt sie zwei wesentliche Ziele: Zum einen soll sie mit ihrem selbstbewussten Charme das beschädigte Verhältnis zur US-amerikanischen Administration verbessern und zum anderen für die Modernisierungsmaßnahmen des Kronprinzen und seine Geschlechterpolitik werben.150 Eine ähnliche Aufgabe verfolgt in den VAE auch Mariam Almheiri, die seit 2021 als Ministerin für Umwelt und Klimawandel fungiert. Sie studierte u. a. an der RheinischWestfälischen Technischen Hochschule Aachen Ingenieurwissenschaften, spricht fließend Deutsch,151 und übte auch deswegen die Aufgabe der Sonderbeauftragten für Deutschland aus, die sie von ihrem Vorgänger Sultan al-Jaber übernahm.152 Mit Reem Ebrahim Al Hashimy als Ministerin für Entwicklungspolitik haben die Emirate einen weiteren strategisch wichtigen Posten an eine Frau vergeben, die bereits vorher als Geschäftsführerin der Weltausstellung EXPO 2020 in Dubai organisatorische und diplomatische Verantwortung übernommen hatte und nun die Ausgestaltung der humanitären Hilfe verantwortet.153 Auf einer dritten Ebene dieser Patronagenetzwerke fungieren einflussreiche gesellschaftliche Akteur:innen ohne offizielle politische Ämter als Sprachrohre der
Herrscher, indem sie über ihre Funktionen in der Wirtschaft, der Kultur oder des Sports die öffentliche Meinung beeinflussen wollen. Sie sind in der Regel sichtbare Personen des öffentlichen Lebens, die eine gewisse Nähe zum Herrscherhaus verfügen, allerdings nicht als deren direkte Günstlinge agieren. Dazu gehören z. B. mächtige Unternehmerinnen wie die saudische Chefin der Olayan Financing Geschäftsgruppe Lubna al-Olayan, die über 40 Firmen umfasst und zu einem weltweit agierenden multisektoralen Konglomerat aufgestiegen ist, oder Hana Al Rostamani, Geschäftsführerin der First Abu Dhabi Bank: Sie rangiert auf der 2022er Forbes-Liste der mächtigsten 100 Frauen der Welt auf Platz 60 und ist damit gemeinsam mit der emiratischen Managerin Raja Easa Al Gurg auf Platz 92 die einzige Vertreterin aus den Golfmonarchien.154 Mit ihren Geschäftskontakten und ihrem Renommee können sie ebenso wie Künstlerinnen oder Analystinnen mit dafür sorgen, die Akzeptanz der obersten Entscheidungen gesellschaftlich zu sichern und die politischen Botschaften ihrer Herrscher medienwirksam zu verbreiten. Übernahmen in der Vergangenheit vor allem prominente Kleriker diese Aufgabe, wurden diese gerade in Saudi-Arabien aufgrund ihrer Popularität weitgehend entmachtet und durch eine neue Generation von Religionsgelehrten ersetzt, die in ihrer Medienstrategie, ihren Inhalten und ihren Adressaten die identitätspolitischen Interessen der Herrschenden reflektieren. Anstatt die konservativen Werte der traditionellen Eliten zu verbreiten, gelingt es ihnen mit ihren Predigten, über soziale Medien ein Millionenpublikum zu erreichen und sich als (zumeist noch immer männliche) Vertreter einer jungen Generation zu präsentieren, denen es darum geht, einen frischen und unverkrampften Blick auf die Religion zu werfen, ohne sich zwingend an reaktionären Dogmen zu orientieren. Damit treffen sie einerseits den Zeitgeist vieler golfarabischer junger Männer und Frauen, die sich aus den verkrusteten Denkmustern der alten Eliten lösen möchten und dafür nach Orientierung und Vorbildern suchen. Andererseits dienen sie damit dem Ziel der politischen Führungen, sich als aufgeschlossen, dynamisch und fortschrittsorientiert zu präsentieren und sind somit Treiber des staatlich gesteuerten Modernisierungskurses im Rahmen der zunehmenden Autokratisierung. Sie bewegen sich innerhalb der engen Grenzen des Sagbaren und damit innerhalb der von den Herrschern vorgegebenen Narrative. Überschreitungen dieser engen Grenzen sind nicht geduldet und werden hart sanktioniert. Dass solche Figuren im Sinne der politischen Führung argumentieren und dabei anpassungsfähig sein müssen, wurde nach der Beilegung der Golfkrise 2021 deutlich: Quasi über Nacht wurden bisherige Feindbilder obsolet, was sich darin äußerte, dass einflussreiche golfarabische Medien ihre Berichterstattung änderten und einen Diskurs der kooperativen Annäherung anstießen. Nach der Beendigung der Golfkrise betonten die staatskontrollierten Medien und die Meinungsmacher:innen in den sozialen Netzwerken unisono die Einheit der golfarabischen Nationen und preisten die Einigung als Zeichen des diplomatischen Geschicks ihrer Herrscher, nachdem sie vorher noch gegen die
jeweiligen Nachbarn gehetzt hatten. Die Dämonisierung des Anderen wich auch im Fall der saudischen Annäherung an Iran einem Ton des skeptischen Optimismus: »Das Problem mit Iran ist nicht der Dialog, sondern echtes Wohlwollen«, kommentierte der prominente politische Analyst Mohammed al-Sulami, Leiter des saudischen Forschungsinstituts für iranische Studien Rasanah und einer der sichtbarsten und lautstärksten Experten des Königreichs. Er bezeichnete den saudischen Willen zur Annäherung als »Sieg« und Zeichen dafür, die »Oberhand behalten zu haben«155, während der berühmte saudische Journalist Faisal Abbas an der Glaubwürdigkeit Irans Zweifel zeigte, obwohl er als »Optimist« hoffe, eine echte Aussöhnung zu erleben.156 Die Bevölkerungen müssen diesen politischen Volten folgen, da sie sonst Gefahr laufen, als illoyal stigmatisiert zu werden.
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Kapitel 2 Auf zu neuen Ufern: Die Golfmonarchien müssen sich neu erfinden 2.1 Weg vom Öl? Die Wirtschaftspolitik Seine Augen glänzen, als er von seinen Erfahrungen an der saudischen Küste des Roten Meeres berichtet. Seit einigen Monaten arbeitet der deutsche Unternehmensberater für die saudische Regierung. Er ist einer von Tausenden Berater:innen aus Europa und den USA, die dem Kronprinzen MbS einen Traum erfüllen sollen. Der Traum nennt sich NEOM und ist das derzeit ambitionierteste und kostspieligste Megaprojekt des saudischen Königreichs. Dabei ist das Schachtelwort »NEOM« Programm: Während das altgriechische »néos« für »neu« steht, symbolisiert das »M« das arabische Wort »mustaqbal«, was übersetzt »Zukunft« bedeutet. Und um nichts weniger geht es bei NEOM – der Schaffung einer neuen Zukunft. So beschreibt es der Unternehmensberater: »Saudi-Arabiens Kronprinz möchte mit NEOM Grenzen verschieben, das Unmögliche möglich machen und neue Standards setzen.« Solche Ziele seien, so erklärt er weiter, in Europa nicht mehr zu erreichen, da dort ein »Klima der Zurückhaltung, der Sorge vor der Innovation und der Überbürokratisierung« herrsche. Die offizielle Homepage von NEOM wirbt mit eindrucksvollen Bildern und Videos für eine aus der Wüste sprießenden Oase der Innovation, des Fortschritts und der Kreativität. Ziel, so wird dort versprochen, sei nicht weniger als »bahnbrechende Ideen zu verwirklichen und Grenzen in einer von Fantasie inspirierten Welt zu überschreiten.«1 Dafür wird geklotzt und nicht gekleckert: NEOM ist eines von fünf Gigaprojekten, die derzeit im Königreich entstehen und maßgeblich vom Kronprinzen auf den Weg gebracht wurden.2 Insgesamt soll die künstliche Planstadt NEOM bis zu 380.000 Arbeitsplätze schaffen und das BIP SaudiArabiens um USD 48 Mrd. erhöhen – so die ambitionierten Ankündigungen. Die Kosten werden auf USD 500 Mrd. geschätzt, die weitgehend vom saudischen Staat übernommen werden. Vorgestellt wurde NEOM bereits 2016 und symbolisiert die ehrgeizigen Bestrebungen Saudi-Arabiens, sich aus der Abhängigkeit des Erdöls zu lösen, sich als Zentrum der Wissenschaft, Forschung und Industrie zu etablieren und als Innovationstreiber in künstlicher Intelligenz und Digitalisierung zu präsentieren. Herz dieses Mammutprojekts ist mit »The Line« eine futuristisch anmutende Planstadt, die mit einer Länge von 140 Kilometern auf einer Fläche von 34 Quadratkilometern schnurgerade durch die saudische
Wüste gebaut und mit einer Breite von 200 Metern und einer Höhe von 500 Metern zu einem Vorreiter des modernen Städtebaus entwickelt werden soll.3 Als emissions- und autofreie Wohlfühloase soll »The Line« zur Heimat für insgesamt 9 Mio. Menschen werden, die in fünf Gehminuten Kindergärten, Einkaufsläden oder künstlich angelegte Skipisten erreichen und mit einem Hochgeschwindigkeitszug innerhalb von 20 Minuten die gesamte Stadt durchqueren können.4 Der deutsche Berater bezeichnet »The Line« als ehrgeizigstes Städtebauprojekt der Welt, während die saudische Regierung von einem »neuen Wunder für die Welt«, der »Zukunft des modernen Lebens« und einer »zivilisatorischen Revolution« spricht.5 Damit wird der Maßstab für die Absichten des Kronprinzen gesetzt: NEOM und »The Line« sollen das neue Saudi-Arabien repräsentieren, das sich nicht scheut, allerhöchste Ziele zu erreichen und im Konzert der Großen mitzuspielen. Weiterhin soll in Riad mit »The Mukaab«6 eines der größten städtischen Shopping- und Wohnzentren in Form eines gigantischen Quaders sowie mit dem King Salman Park mit einer Fläche von 16 Quadratkilometern die größte städtische Parkanlage der Welt entstehen.7 Die bisher touristisch kaum erschlossene Küste des Roten Meeres soll zu einem attraktiven Zielort für Besucher:innen aus aller Welt erwachsen, um bis 2030 jährlich 100 Mio. Tourist:innen ins ehemals verschlossene und isolierte Königreich zu locken.8 2022 waren es 18 Mio.9 Auf 22 Inseln im Roten Meer sollen Luxushotels und Ressorts entstehen, die von den wichtigsten Hotelketten der Welt wie Fairmont, Grand Hyatt oder St. Regis unterhalten werden.10 Und mit Qiddiya entsteht ein neues Zentrum der Unterhaltung im Westen der Hauptstadt Riad, das seinen Besucher:innen Sport- und Fitnessmöglichkeiten, Achterbahnen und Karussells, Golfkurse und Kartbahnen, Kunstausstellungen und Kinos, Restaurants und Konzerte bieten soll.11 Im November 2021 wurde der Plan enthüllt, eine stillgelegte Ölplattform in einen Offshore-Themenpark mit Wasserrutschen, Achterbahnen, Extremsportarten wie Bungeejumping oder Fallschirmspringen und Fünf-Sterne-Hotels umzuwandeln. Bis 2030 soll »The Rig« jährlich 650.000 Besucher:innen anlocken.12 Bei diesen Projekten handelt es sich nur um eine kleine Auswahl; fast täglich werden im Königreich neue Pläne für Projekte in der Infrastruktur, dem Tourismus oder der Unterhaltungsbranche verkündet – für den deutschen Unternehmensberater ein Zeichen des Ehrgeizes und des gewachsenen Selbstbewusstseins in Saudi-Arabien. Dafür werden keine Kosten und Mühen gescheut: Weltweit arbeitet eine Armada an PRSpezialist:innen daran, die saudischen Gigaprojekte als zukunftsträchtiges Modell zu verkaufen, das Saudi-Arabien zu einem Sehnsuchtsort für Auslandsinvestitionen und einem El Dorado für die globale Businesselite stilisiert. Auf Plakaten und im TV wirbt die saudische Tourismusbehörde für Reisen ins Königreich und NEOM. Die exorbitanten Kosten der Projekte müssen sich schließlich rentieren: Milliardensummen sind notwendig, die
bislang zu großen Teilen vom saudischen Investitionsfonds, dem PIF, getragen werden. PIF gilt mit einem Kapitalvermögen von USD 620 Mrd. als fünftgrößter Staatsfonds der Welt13 und fungiert als Investitionsvehikel, um eine Infrastruktur des Amüsements, des Tourismus und der Hightech-Industrie zu schaffen. MbS ist als Vorsitzender des Fonds der Architekt hinter all diesen Projekten und geht für die Erfüllung seiner Vision durchaus Risiken ein.14 Wie der PIF in Saudi-Arabien dominieren auch in den VAE, Katar oder Kuwait die Investitionsfonds die unterschiedlichsten Wirtschaftsaktivitäten und müssen als wichtigste Treiber der ausländischen Einflussnahme betrachtet werden. Hinter dem norwegischen Staatsfonds mit Einlagen von USD 1,47 Billionen und der China Investment Cooperation mit USD 1,22 Billionen rangiert die Kuwait Investment Authority (KIA) auf Rang 3 mit USD 738 Mrd., gefolgt von der Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) mit knapp USD 700 Mrd. und dem saudischen PIF mit USD 620 Mrd. Damit finden sich unter den fünf finanzstärksten Staatsfonds der Welt drei aus den Golfmonarchien. Bereits 1953 wurde in Kuwait unter Leitung der Briten das Kuwait Investment Board (KIB) gegründet, das später in die KIA umgewandelt wurde. 1981 hatte der KIA bereits 1 Mrd. Pfund in London und mehr als USD 7 Mrd. in den USA angelegt. 1967 wurde unter britischer Aufsicht das Abu Dhabi Investment Board ins Leben gerufen, welches fünf Jahre nach der Unabhängigkeit 1976 in ADIA umbenannt wurde. Weitere Fonds folgten vor allem in den 2000er Jahren: Mubadala, gegründet 2002, die Dubai Holding, gegründet 2004, der Abu Dhabi Investment Council (ADIC) sowie die Emirates Investment Authority, beide 2007 gegründet, symbolisieren mit ihrer finanziellen Wucht und ihrer internationalen Strahlkraft den Aufstieg der VAE zur globalen Wirtschaftsmacht.15 In den letzten Jahren hat vor allem der PIF unter seinem Vorsitzenden MbS rapide an finanzieller Bedeutung gewonnen. Seit 2016 haben sich die Einlagen des PIF um 308% erhöht.16 Zwischen 2015 und 2020 stiegen die Einlagen von USD 150 Mrd. auf USD 400 Mrd.17 und sind seitdem weiter in die Höhe geschossen. Bis 2025 soll das verfügbare Kapital auf sagenhafte USD 1 Billion ansteigen.18 Für MbS ist der PIF zu einem wirkmächtigen Instrument seiner Machtpolitik geworden, kontrolliert und gestaltet er doch als oberster Regulator des Fonds die gigantische Investitionsoffensive des Königreichs. Mit der Kontrolle des PIF erhält MbS direkten Zugriff auf die Staatsfinanzen, kann diese nach eigenem Gutdünken einsetzen und strategisch wichtige Akteure im In- und Ausland an sich binden: »Durch den Staatsfonds wird die Wirtschaftstransformation in Saudi-Arabien so aufs engste mit der Herrschaftskonsolidierung des Kronprinzen verbunden.«19 Mithilfe des PIF und seines Vorsitzenden al-Rumayyan kann MbS politischem Kontrollverlust vorbeugen und sich unangreifbar machen. Im Inland hält der PIF Anteile von bis zu 100% am Chemie- und Metallkonzern SABIC, dem Energie- und Wasserstoffunternehmen ACWA Power, der Saudi
Arabian Mining Company, der Saudi Entertainment Ventures Company (SEVEN), der nationalen Produktionsfirma für Helikopter The Helicopter Company (THC), hat in die wichtigsten Finanzinstitute, in die Zement-, Unterhaltungs-, Lebensmittel- oder Tourismusindustrie investiert und 75% der vier populärsten Fußballvereine übernommen.20 Insbesondere der maßgeblich vom PIF mitfinanzierte Börsengang des Energiegiganten Saudi Aramco im Jahr 2019 erregte internationales Aufsehen, wurde er doch nach seiner Ankündigung 2016 mehrmals verschoben und generierte Einnahmen von mehr als USD 28 Mrd. Damit schnappte Aramcos Listung dem bisherigen Rekordhalter, dem chinesischen Internetkonzern Alibaba, den Spitzenplatz weg.21 Dennoch blieb der Börsengang hinter den hohen Erwartungen zurück und generierte weniger Einnahmen als erhofft.22 PIF fungiert weiterhin als wichtigster Investor in die Gigaprojekte NEOM mit einem Volumen von USD 500 Mrd., dem Unterhaltungsgelände Qiddiya inklusive der zukünftigen Formel-1-Strecke, einem Golfplatz, dem Six-Flags-Freizeitpark sowie einer Vielzahl an Kinos und Restaurants mit USD 8 Mrd. oder der Umstrukturierung des historischen Diriyya inklusive Formel-ERennstrecke mit einem Investitionsvolumen von mehr als USD 17 Mrd. Im Ausland betätigt sich der PIF in den verschiedensten Branchen und hält Anteile an großen Unternehmen in den USA, Europa, Russland oder anderen asiatischen Ländern: So investierte er USD 45 Mrd. in den englischen SoftBank Vision Fund, USD 10 Mrd. in den staatlichen Russian Direct Investment Fund (RDIF), USD 3,5 Mrd. in das US-amerikanische Car-Sharing-Unternehmen Uber, USD 432 Mio. in Amazon, USD 1,5 Mrd. in das indische Telekommunikationsunternehmen Jio Platforms, USD 1,5 Mrd. in den US-amerikanischen Hersteller von Elektroautos Lucid Motors, USD 3,3 Mrd. in den Gaming-Riesen Electronic Arts, USD 4,6 Mrd. in den französischen Hotelanbieter AccorInvest sowie je knapp USD 500 Mio. in Microsoft, PayPal und Starbucks.23 Der PIF dient somit in erster Linie nicht als Sparfonds24, um finanzielle Ressourcen für Krisenzeiten zu bündeln, sondern als Entwicklungsfonds, der mit seinen Investitionen im In- und Ausland Marktzugänge, politische Loyalitäten erkaufen und Einflussnahme sicherstellen erreichen will.25 Dieses Konzept ist nicht neu, neu ist allerdings die Dominanz des Kronprinzen in dieser Strategie: In der Vergangenheit wurde die saudische Investitions- und Anlagepolitik nicht ausschließlich von einer Person bzw. Stelle kontrolliert, sondern lag in der Hand verschiedener Technokraten und Staatsinstitutionen.26 Immerhin wurde der PIF bereits 1971 gegründet, war aber bis zu seiner Aufwertung unter MbS nur einer unter vielen saudischen Investitionstreibern.27 Damit folgt Saudi-Arabien dem Vorbild anderer Golfstaaten wie Kuwait, den VAE und Katar, in denen die Staatsfonds zum einen als Investitionsmotor und zum anderen als Werkzeug der Machtkonsolidierung wirken. Gleichzeitig wirkten sie in Krisenzeiten als
Lebenselixier für die internationalen Finanzmärkte, indem sie u. a. angeschlagenen Banken und Unternehmen wie Citigroup während der Finanzkrise 2007/08 frisches Kapital zukommen ließen28 – und sich somit weiteren Einfluss sicherten. Zwar verloren die Entwicklungsfonds nach der Finanzkrise 2008 und der »Arabischen Aufstände« mit USD 340 Mrd. mehr als ein Viertel ihrer Einlagen29, erholten sich aber nach der COVID-19Pandemie aufgrund der gestiegenen Öleinnahmen rasch und erweitern seitdem ihr Portfolio in unterschiedlichen Sektoren und Weltregionen – eine Investitionspolitik, die am Golf Tradition besitzt. Mit ihren Investitionen in unzählige Projekte und Unternehmen in Europa, Asien, Afrika oder den USA instrumentalisieren die Golfstaaten ihre Entwicklungsfonds als Treiber der wirtschaftlichen Diversifizierung und der politischen Einflussnahme. Anteile an strategischer Infrastruktur wie Häfen oder Flughäfen sollen den logistischen Zugang oder exklusive Nutzungsrechte für die nationalen Airlines sichern.30 Katar soll allein in Großbritannien mehr als USD 40 Mrd. angelegt haben und hält Anteile an britischen Luxusmarken wie dem Edelkaufhaus Harrods, der Barclays Bank, der Handelskette Sainsbury’s, der Londoner Börse und am Ölkonzern Shell sowie dem Wolkenkratzer »The Shard«. Weitere internationale Prestigeunternehmen wie Tiffany’s, Louis Vuitton, Moët Hennessy, Porsche, Harrods oder Valentino finden sich ebenfalls im Portfolio des QIA. In Frankreich und den USA ist Katar mit je USD 30 Mrd. investiert und weitet sein Engagement auch in Deutschland aus: Während sich andere golfarabische Staatsfonds bislang kaum in Deutschland eingekauft haben, verfügt Katar über Anteile an renommierten deutschen Traditionskonzernen wie der Deutschen Bank, Volkswagen, Siemens oder Hochtief. Insgesamt hat Katar mittlerweile mehr als EUR 25 Mrd. in Deutschland angelegt und gilt damit hierzulande als wichtigster arabischer Investor.31 Doch trotz der massiven Investitionsoffensive der mächtigen Staatsfonds – es gibt auch große Skepsis am Vorgehen der Golfstaaten: So schüttelt ein saudischer Geschäftsmann nur den Kopf, als er auf die Zukunftsperspektiven von »The Line« angesprochen wird. Für ihn sind die ambitionierten Pläne des Kronprinzen Luftschlösser, die Unsummen kosten, aber langfristig zu wenig Ertrag bringen werden. Ambitionierte Ziele mussten bereits korrigiert werden: Anstatt 2026 sollen jetzt erst 2030 die ersten Einwohner:innen in »The Line« einziehen können.32 Technische Lösungen für die Untergrundzüge, die ihre Passagier:innen mit bis zu 500 Stundenkilometern transportieren sollen, befinden sich noch in der Entwicklungsphase, sodass Skeptiker »The Line« sogar als »titanische Koks-Linie« bezeichnet haben.33 Bisher finanzieren die prallgefüllten Schatullen des PIF diese Giga-Projekte, dabei ist es das Ziel, ausländisches Kapital ins Land zu locken. Dafür wurde ausländischen Unternehmen
der Markteintritt erleichtert34 und Investitionsbehörden zur Unterstützung privater Firmen eingerichtet.35 Doch noch hinkt die saudische Wirtschaft den ambitionierten Zielen hinterher: 2020 betrugen die Auslandsinvestitionen nur 2,3% des BIP36, sollen bis 2030 aber auf 5,7%37 und einem Volumen von USD 100 Mrd. pro Jahr steigen – ein zu ehrgeiziges Ziel, wie Wirtschaftsexpert:innen prognostizieren. In sozialen Medien wurde »The Mukaab« aufgrund seines quaderförmigen Designs als »neue Kaaba«, dem wichtigsten Heiligtum in Mekka, bezeichnet und der saudischen Regierung religiöse Anmaßung vorgeworfen.38 Die Gestaltung des King Salman Parks soll zwar der staubigen und smogbelasteten Wüstenstadt Riad eine neue grüne Lunge schenken, allerdings könnte durch das Ziel, eine Million Bäume zu pflanzen, auch die Luftfeuchtigkeit im Stadtgebiet deutlich ansteigen. Und die Baupläne von NEOM sowie die aufwändige Renovierung der Altstadt in Dschidda führen dazu, dass viele alteingesessenen Familien und lokale Stämme ihre Heimat und ihre Häuser verlassen müssen.39 In Dschidda weichen altehrwürdige Gebäude in der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Altstadt40 17.000 neuen Wohneinheiten, Hotels und Malls, einem Yachthafen, Luxushotels, einem Museum, einem Aquarium, einem Stadion und einer Oper, um die Hafenstadt am Roten Meer mit einem Investitionsvolumen von USD 20. Mrd. in ein neues Dubai zu transformieren.41 Insgesamt sollen 1,5 Mio. Menschen – viele von ihnen mit ausländischen Wurzeln – und eine Fläche von 440 Quadratkilometern von den Maßnahmen betroffen sein. Offizielle Medien proklamierten die Abrissmaßnahmen als notwendige Modernisierung und als Kampf gegen Slums und städtische Armut42, doch lokale Aktivist:innen wiesen darauf hin, dass oftmals keine ausreichenden Entschädigungen für die Umsiedlungen gezahlt würden. In sozialen Medien kursierten Videos und Augenzeugenberichte über die »Zerstörung Dschiddas«.43 Wie Menschenrechtsorganisationen berichten, wurden Mitglieder des Huwaitat-Stammes, der auf dem Baugebiet NEOMs lebt, verhaftet, nachdem sie sich gegen ihre Umsiedlung gewehrt hatten.44 Diese Opfer des Fortschritts spielen in den Hochglanzpräsentationen des Königreichs keine Rolle, sind aber die Schattenseite der saudischen Modernisierung. Außerdem würden solche Prestigeprojekte die eigentlichen Probleme des Königreichs vernachlässigen, bemängelt der saudische Unternehmer: Während »The Line« eine international zahlungskräftige Zielgruppe als zukünftige Bewohner:innen adressiert, herrscht in Saudi-Arabien Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Bis 2030 benötigt Saudi-Arabien 1,3 Mio. neue Wohnungen45, immerhin steigt der Bedarf von knapp 100.000 Wohneinheiten im Jahr 2021 um die Hälfte bis zum Ende des Jahrzehnts.46 Teilweise liegen die Kosten für ein Apartment in saudischen Städten zehn Mal höher als die Gehälter von Familien im Niedriglohnsektor.47 Um dem entgegenzuwirken, wurden in den letzten Jahren bereits staatliche Programme zur Finanzierung von günstigen Krediten aufgesetzt und die Zahl der
Eigentümer:innen von 47% im Jahr 2016 auf 60% im Jahr 2020 erhöht.48 Noch immer existieren allerdings einige Hürden für junge Familien: Da sich viele der Projekte auf die Städte – vor allem auf Riad oder Dschidda – konzentrieren, hat eine Landflucht eingesetzt, die innerhalb der urbanen Zentren zu gravierenden Herausforderungen führt. 80% der saudischen Bevölkerung lebt bereits in den Städten; bis 2030 soll dieser Anteil auf 97% steigen.49 Der Anteil der Singlehaushalte ist auf über 25% gestiegen50; viele junge Menschen können sich schlichtweg die opulenten Hochzeitsfeiern nicht mehr leisten. In den ländlichen Gebieten existieren kaum Job- oder Bildungsmöglichkeiten, sodass vor allem junge Menschen ihre Dörfer und ihre Familien verlassen müssen und in die Städte ziehen. Dort stoßen sie auf eine neue Welt, in der sie zwar berufliche Perspektiven finden, aber auch Hürden überwinden müssen. Trotz staatlicher Subventionen und einem regelrechten Bauboom51 müssen viele auf Mietobjekte ausweichen, was als sozialer Abstieg empfunden und immer teurer wird: So sind die Mieten für Apartments in Riad zwischen 2021 und 2022 um 22% gestiegen.52 Der Druck, Kredite und Anleihen zurückzahlen zu müssen, steigt und reduziert die Kaufkraft von Teilen der saudischen Bevölkerung: Sparen statt Stars heißt es somit für viele, die die wachsende Zahl der Entertainmentangebote mit Konzerten von arabischen Künstlern wie Rashid Al-Majed oder Aseel Abu Bakr53 sowie internationalen Acts wie Pitbull54 oder Alicia Keys55 nicht bezahlen können. Für den Auftritt der USamerikanischen Sängerin mussten für die günstigste Ticketkategorie etwa 280 EUR gezahlt werden56, während ein Kinobesuch pro Person knapp 15 EUR kostet – für viele zu teuer. Gleichzeitig leiden viele junge Menschen in Riad unter dem fehlenden öffentlichen Nahverkehr. Zwar befindet sich die stadtweite Metro bereits seit April 2014 im Bau, deren Fertigstellung wurde aber stetig verschoben. Die Kosten für sechs U-Bahnlinien und ihre 85 Stationen betragen mittlerweile USD 23 Mrd. Ende 2023 oder Anfang 2024 soll die Metro zwar eröffnet werden57, doch in Riad gelten solche Ankündigungen mittlerweile als Running Gag, fürchtet man doch weitere Verzögerungen. Stattdessen muss ohne eigenen Pkw auf Taxis und Uber bzw. den golfarabischen Fahrservice Kareem ausgewichen werden, allerdings sind auch hier die Kosten in den letzten Jahren teilweise um 200% gestiegen: Da mittlerweile nur noch saudische Staatsangehörige eingesetzt werden und die ausländischen Fahrer aus Bangladesch oder Pakistan ersetzt haben, haben sich auch die Löhne und damit die Fahrpreise erhöht. Der Verkehr in Riad ist für viele zu einem Albtraum geworden: Zwischen 1968 und 1996 ist die Zahl der Autos von knapp 27.000 auf mehr als 670.000 gestiegen58 und liegt heute bei geschätzten 7 Mio.59 In der Konsequenz gehören Staus und Verkehrsunfälle zum Alltag in Riad und mindern die Lebensqualität.60 In Saudi-Arabien spricht man bereits von einer »Londonisisierung« Riads: MbS möchte Riad zu einer der zehn größten Städte der Welt entwickeln und die bisherige Bevölkerung von etwa 8 Millionen bis
2030 verdoppeln.61 Dafür verändert sich das Bild der Stadt beinahe täglich: Cafés, Restaurants und Shoppingmalls sprießen ebenso aus dem Boden wie Start-Ups und Sporteinrichtungen, Grünflächen und Kinos. Aus der verstaubten und verschlafenen Stadt ist mittlerweile eine pulsierende Metropole geworden, die einen Fixpunkt in der wirtschaftlichen und sozialen Transformation des Königreichs darstellt. Gleichzeitig werden Fragen nach bezahlbarem Wohnraum, kostengünstiger Mobilität oder Schul- und Kindergärtenplätzen immer drängender. Vor diesem Hintergrund ist die wirtschaftliche Transformation SaudiArabiens ein Drahtseilakt: Auf der einen Seite hat die politische Führung längst erkannt, dass die historische Abhängigkeit von den Öleinnahmen reduziert werden muss. Auf der anderen Seite müssen die sozioökonomischen Risiken minimiert werden, um die Gesellschaft nicht zu überfordern. In Saudi-Arabien empfinden einige diese massiven Veränderungen mittlerweile als »too fast, too furious« und fühlen sich aufgrund der Fülle an Neuankündigungen, der wachsenden Zahl von Megaprojekten und der sich kontinuierlich ändernden Rechts- und Verwaltungsstrukturen überfordert und erschlagen. Finanziert wird diese fundamentale Transformation vor allem aus der Ölproduktion: Noch immer stammen fast 40% der Staatseinnahmen aus dem Ölgeschäft62, während der Ölanteil 23,7% am BIP beträgt.63 Damit ist das Königreich bei Weitem kein Einzelfall am Golf. In den VAE betragen die Öleinnahmen trotz aller Diversifizierungsbemühungen noch immer 40% des BIP64, im Oman sind es mehr als ein Fünftel65, in Bahrain knapp 11%66 und in Kuwait noch immer etwa ein Drittel.67 Dort werden mehr als 90% der Exporterlöse durch den Erdölverkauf generiert.68 Fossile Ressourcen waren und sind die Triebfedern des Aufschwungs und bestimmen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – sie sind das Lebenselixier der Herrscher am Golf.69 Ihre moderne Geschichte ist untrennbar mit der Entdeckung des Erdöls und später des Gases verbunden. Immerhin verfügt Saudi-Arabien mit 298,5 Mrd. Barrel Rohöl70 über 17% der weltweiten Ölressourcen71, in Kuwait sind es 101,5 Mrd. Barrel und damit im weltweiten Vergleich 5,9%, in den VAE 97,8 Mrd. (5,6%) und in Katar 25,2 Mrd. mit einem Anteil von 1,5%.72 Oman und Bahrain folgen mit 5,37 Mrd. bzw. 0,19 Mrd. Mit 11% der weltweiten Gasreserven rangiert Katar nach Russland und Iran auf Rang 3. 2022 lagen die Einnahmen aus den Gasexporten bei USD 132 Mrd.73 1938 wurden in Saudi-Arabien, Katar und Kuwait die ersten Ölfelder entdeckt74 und 1960 wurde die Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC) von den Gründungsmitgliedern Iran, Irak, Kuwait, Saudi-Arabien und Venezuela ins Leben gerufen, die bis heute die internationale Ölpreis- und Produktionspolitik unter Federführung SaudiArabiens bestimmt.75 Mit der kommerziellen Ausbeutung des Erdöls gelang es den Herrscherdynastien, ihre Macht zu sichern, indem sie ihren Untertanen Annehmlichkeiten und Wohlstand wie kostenlose Gesundheitsversorgung oder Steuerfreiheit zur Verfügung
stellen konnten. Das sogenannte »Rentierstaatssystem«76 erlaubte es den jeweiligen Regierungen, ein politisches System der Kooption und der Patronagenetzwerke aufzubauen: Strategisch relevante Ministerien wurden mit Mitgliedern der eigenen Familie oder vertrauenswürdigen Technokrat:innen besetzt, um politische Entscheidungsprozesse zu kontrollieren. In den 1970er Jahren stiegen die Einnahmen aus den Ölverkäufen rapide an und boten den Regierungen am Golf eine exzellente Gelegenheit, massiv in die nationale Infrastruktur, ins Bildungssystem oder die Wirtschaft zu investieren. So wuchs die saudische Wirtschaft zwischen 1970 und 1975 durchschnittlich um 13,2% pro Jahr, da die Öleinnahmen zwischen den 1960er und 1970er Jahren von etwa USD 600 Mio. auf USD 36 Mrd. explodierten. 1979 betrugen sie bereits USD 48 Mrd. Von 1962 bis 1979 stieg das Pro-KopfEinkommen von USD 550 auf USD 22.000 um das 40-fache, während die Ölproduktion im gleichen Zeitraum von 1,64 auf 9,53 Barrel am Tag stieg.77 Ähnliche durch die Öleinnahmen begründeten Entwicklungsschübe durchliefen auch die anderen Golfmonarchien: Zwischen den 1960er und 1970er Jahren schnellten die Öleinnahmen in der Region um 3.000% in die Höhe78 – eine neue Ära hatte begonnen, zumal die Golfstaaten ihre Ölproduktionen bis in die 1980er Jahre unter nationale Kontrolle stellten und sich aus den Konzessionsvereinbarungen mit den Briten oder den USA lösten. Den VAE halfen die Öleinnahmen nach der Unabhängigkeit von Großbritannien im Dezember 1971, innere Machtkämpfe zwischen den einzelnen Herrscherfamilien zu befrieden und die fragile Allianz der sieben Landesteile, welche sich zu den Vereinigten Emiraten zusammengeschlossen hatten, zu festigen. In Katar sorgte der Ölboom für den wirtschaftlichen Aufschwung unter dem damaligen Emir Khalifa, dem es mit einem geschickten wirtschaftspolitischen Kurs gelang, die junge Nation aus der britischen Kolonialzeit in die Unabhängigkeit zu führen. Mit der Entdeckung des größten Gasfeldes der Welt im Jahr 1971, welches Katar »North Field« nennt und sich mit Iran teilt, erhielt der Modernisierungsschub nochmals erheblichen Aufschwung, wenngleich die kommerzielle Produktion von Flüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG) erst in den 1990er Jahren begann. Danach katapultierte sich Katar endgültig in neue Sphären. Allerdings gestaltete sich dieser Weg in den Reichtum durchaus beschwerlich und steinig: Khalifas Entscheidung, die Flüssiggasproduktion auszubauen, war ein enormes Risiko und galt als höchst umstritten. Immerhin ist LNG in Produktion und Transport deutlich kostenintensiver als herkömmliches Gas oder die Ölförderung, sodass sich der Emir damals massiver Kritik gegenübersah, als er entschied, Milliardensummen in den Aufbau des Flüssiggassektors zu investieren. Bei Misserfolg hätte sogar der Staatsbankrott gedroht. Doch seine Mission gelang und wurde zum größten wirtschaftlichen Erfolg in der jungen Geschichte des Landes, wovon Katar auch heute noch profitiert: Insbesondere in Zeiten der Energiekrise aufgrund des russischen
Angriffskriegs gegen die Ukraine suchen Energiekonsumenten wie Deutschland händeringend nach Alternativen wie Katar, wie später noch ausgeführt wird. Durch die jahrzehntelangen Erfahrungen in der Öl- und Gasproduktion entwickelten sich in allen Golfmonarchien die verschiedenen Ministerien und Energiefirmen wie Saudi Aramco, Qatar Energy oder ADNOC zu »Inseln der Effizienz« und verfügen über international hoch angesehen Fachexpertise und technisches Know-how.79 Doch den mächtigen Männern am Golf ist bewusst, dass dieses Geschäftsmodell zum Scheitern verurteilt ist.80 Langfristig wird im Zuge der globalen Energiewende die Nachfrage nach Erdöl und -gas sinken. Im Falle von Saudi-Arabien kalkuliert der Internationale Währungsfonds mit einem Rückgang der Öleinnahmen von knapp 40% am BIP im Jahr 2022 auf 16% im Zeitraum zwischen 2037 und 2046.81 Die Regierungen entwickeln daher längst neue Strategien, um sich vom Erdöl und -gas zu emanzipieren – wie das Beispiel SaudiArabien zeigt. Dort wurde vom Kronprinzen 2016 die sogenannte »Vision 2030« verkündet, die als Masterplan die Diversifizierung der Wirtschaft vorantreibt und das Königreich zu einem »Machtzentrum für globale Investitionen«82 und einer Wissensgesellschaft83 pushen will – inklusive NEOM und »The Line«: Zwischen 2021 und 2026 soll der Anteil des BIP der nicht auf der Ölproduktion beruhenden Wirtschaftsleistung von 4,2% auf 8,8% steigen. So sollen insbesondere die digitale Infrastruktur, der Immobilien-, Tourismus-, Unterhaltungs-, Logistik-, Gesundheits-, Energie- und Sportsektor ausgebaut werden84, um das Königreich in die Zukunft zu führen: Im Zeitraum von 2017 bis 2021 haben sich die Einnahmen aus diesen Sektoren bereits verdoppelt.85 In NEOM materialisieren sich diese Pläne in einem futuristischen Mikrokosmos. Dafür wurden unzählige Initiativen, Programme, Komitees und Regierungsinstitutionen eingerichtet, darunter u. a. das National Industrial Development and Logistics Program (NIDLP), welches Saudi-Arabien zu einem globalen Champion in der Digitalisierung, der Petrochemie oder dem Bergbau entwickeln soll.86 Neue Lieferketten mit Wirtschaftspartnern in Europa, Asien, Afrika und Amerika werden ebenfalls aufgebaut, indem in die Hafeninfrastruktur, das Bahnnetz oder die maritime Logistik investiert wird. Bis 2030 soll der Anteil der Industrie am BIP um das 2,7-fache steigen.87 Lokalisierung ist das neue Zauberwort: Um im Inland neue Arbeitsplätze zu schaffen und die Abhängigkeit von ausländischen Gütern zu reduzieren, soll die einheimische Industrie gestärkt werden. So ist geplant, eine lokale Produktion von Elektroautos88 sowie eine nationale Militärindustrie aufzubauen.89 Die »Made in Saudi«-Kampagne zielt darauf ab, gigantische USD 1,3 Billionen (!) von Privatunternehmen sowie USD 2,6 Billionen (!) von staatlichen Stellen zu generieren, damit Saudi-Arabien zu einem Produzenten eigener Produkte aufsteigen kann.90 Ähnliche Entwicklungspläne dienen auch in den anderen Golfmonarchien als Blaupause
für die notwendige Diversifizierung und ähneln sich in vielen Bereichen: 2008 wurde die »Qatar National Vision 2030« sowie die »Bahrain Economic Vision 2030« veröffentlicht, ehe 2010 die »UAE Vision 2030« sowie 2017 die überarbeitete Vision 2035 »New Kuwait« und im Oman 2020 die »Vision 2040« folgte. Ähnlich wie bei der saudischen »Vision 2030« sollen Sektoren wie Tourismus, Finanzwesen, Unterhaltung, Kultur und Informationstechnologie zu neuen Pfeilern der Wirtschaft aufgebaut werden. Alle »Visionen« eint, die ressourcenabhängige Wirtschaft zu diversifizieren, zu liberalisieren und zu privatisieren91, Arbeitsplätze für die junge Bevölkerung zu schaffen und den Anteil der ausländischen Arbeitskräfte zu reduzieren92, um den Arbeitsmarkt zu nationalisieren.93 Als Paradebeispiel für diese Politik gilt Katar, das sich mithilfe der Gaseinnahmen als Vorreiter der wirtschaftlichen Diversifizierung einen Ruf wie Donnerhall erarbeitet hat. Bis 2030 werden insgesamt USD 200 Mrd. für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der Stadtentwicklung investiert.94 Motor dieses Trends war die Vergabe der Fußball-WM im Jahr 2010: Während der kontroversen Debatte um die WM wurde immer wieder kritisiert, dass es sich um das teuerste Turnier aller Zeiten gehandelt habe. Allerdings wurden die vermuteten USD 200 Mrd. nicht nur in den Stadionbau, sondern auch in die Metro, Autobahnen, Hotels und Bildungs- sowie Kulturprojekte wie das Islamische Museum oder das Nationalmuseum investiert.95 Ein katarischer Analyst spricht deswegen auch davon, dass die WM den Investitionsboom nicht ausgelöst, sondern nur beschleunigt habe. Um ausländische Firmen im Vorfeld der WM nach Katar zu locken, wurde vom Ministerium für Handel und Industrie mit Invest Qatar96 eine eigenständige Behörde geschaffen. Ausländische Investoren erhalten Zugang zu staatlichen Finanzmitteln, profitieren von Doppelbesteuerungsabkommen mit über 65 Ländern und unterliegen keinerlei Enteignungen.97 Wahrscheinlich ist jedoch, dass sich nach dem durch die WM ausgelösten Boom die Investitionswut in Katar verlangsamt. So gingen die Infrastrukturentwicklung und die Neuvergabe von Projekten im Jahr der WM – und nach der Fertigstellung der meisten Vorhaben – um 43% im Vergleich zum Vorjahr zurück.98 Weiterhin bleibt die katarische Wirtschaft auf die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft angewiesen, die noch immer etwa 40% des BIP betragen.99 In den VAE hat sich Dubai zu einem Vorbild der wirtschaftlichen Diversifizierung entwickelt: Als Finanz-, Tourismus- und Logistikplattform galt das öl-arme Emirat insbesondere in den frühen 2000er Jahren als Symbol der wirtschaftlichen Innovation. Seitdem genießt das »Modell Dubai«100 über globale Strahlkraft als etabliertes Handels-, Finanz- und Logistikzentrum und hat sich von seiner Krise nach der Finanzkrise 2008/2009 erholt. Im Januar 2023 wurde die Dubai Economic Agenda (D33)101 verkündet, die zum Ziel hat, die Wirtschaftsleistung Dubais bis zum Jahr 2033 zu verdoppeln, indem umweltfreundliche und nachhaltige lokale Produktionsketten aufgebaut, neue
Wirtschaftskorridore mit Afrika, Lateinamerika und Südostasien entwickelt werden und in den Bildungsbereich investiert wird. Insbesondere im Start-Up-Bereich sollen neue Jobs geschaffen werden, um Jungunternehmen im E-Commerce, Finanztechnologie (Fintech) und dem Gesundheitssektor zu stärken. So setzt z. B. das emiratische Start-Up Zeroe künstliche Intelligenz ein, um Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren.102 Derzeit rangieren die VAE in der Region auf Rang 3 im Start-Up-Bereich und werden nur von Ägypten und Saudi-Arabien übertroffen.103 In Saudi-Arabien ist zwischen 2016 und 2020 die Zahl der kleinen und mittelständischen Unternehmen um 40% gewachsen.104 Der Aufbau einer Start-Up-Szene wird ebenfalls als Schwerpunkt der Wirtschaftstransformation betrachtet. Inkubatoren wie die Organisation Monsha’at105 fungieren als Treiber dieser Entwicklung und sorgen für einen dynamischen Markt im Königreich, der vor allem zu einem Anstieg der Unternehmensgründungen in den Bereichen Informationstechnologie, Lebensmittellieferung, Kunst und Kultur oder Tourismus geführt hat. Da vielen jungen Menschen ein Job im öffentlichen Sektor verwehrt bleibt, gründen sie ihre eigenen Firmen, arbeiten als Touristenführer:innen oder eröffnen Food Trucks. In anderen Golfstaaten wie Oman, Kuwait oder Bahrain führen ähnliche Entwicklungen ebenfalls zu einem Boom bei Unternehmensgründungen, der von staatlichen Subventionsprogrammen und Trainingsangeboten forciert wird – ein neuer Gründergeist ist die Folge, der alte Strukturen herausfordert und gerade Frauen neue Chancen der beruflichen Betätigung bietet. Insbesondere Bahrain investiert in seine Start-Up-Szene, indem die Behörde Tamkeen Anschubfinanzierung gewährt oder Riyadat Finance vor allem Gründerinnen unterstützt.106 Vielen jungen Menschen bleibt schlichtweg keine andere Wahl, als unternehmerische Risiken einzugehen: Die Chancen auf einen Job im öffentlichen Sektor sind minimal und die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ist durch das verbesserte Bildungsniveau gestiegen. Während Katars Bevölkerung mit einem BIP pro Kopf von USD 88.000107 zu den wohlhabendsten Gesellschaften der Erde gehört, verlangt die sozioökonomische Transformation in den anderen Golfmonarchien von den jeweiligen Gesellschaften somit auch Opfer: In den VAE liegt das BIP pro Kopf mit USD 53.000108 etwas höher als in Deutschland mit USD 51.000109, während auf Platz 3 Kuwait mit USD 43.000 folgt.110 In Saudi-Arabien111 und Bahrain112 ist das BIP pro Kopf mit etwas mehr als USD 30.000 bereits deutlich und im Oman sind es gar nur USD 25.000.113 Die Zeiten des Rundum-sorglos-Pakets und der Vollkaskoversorgung sind demnach vorbei. Subventionen für Benzin, Wasser und Strom werden gekürzt und haben sich z. B. in Saudi-Arabien zwischen 2010 und 2020 halbiert.114 Zwischen 1975 und 1983 waren die ProKopf-Subventionen noch um das 27-fache gestiegen.115 Dennoch liegen sie trotz dieser
Maßnahmen noch immer bei mehr als 7% des BIP, gefolgt von Oman mit knapp 5%, Bahrain und Kuwait mit mehr als 4%, während Katar mit 1,5% und die VAE mit 1% die größten Fortschritte erreicht haben.116 Insgesamt stellen die Golfstaaten 40% bis 60% ihres Staatshaushalts für Subventionen zur Verfügung.117 Zusätzlich wurden mit Ausnahme von Katar und Kuwait in allen Golfstaaten Steuern eingeführt – ein Tabubruch im Vergleich zu den früheren paradiesischen Zeiten. In Saudi-Arabien ist die Mehrwertsteuer mit 15% sogar fast so hoch wie in Deutschland, während sie in Bahrain 10%, in Oman118 und den VAE 5% beträgt.119 Ziel ist es, zusätzliche Einnahmen zu generieren: In Bahrain soll sich der Anteil aus den Steuern von 1,7% auf 3% des BIP im Jahr 2024 erhöhen.120 In Saudi-Arabien führte die Erhöhung der Mehrwertsteuer von 5% auf 15% im Jahr 2020121 zu einem Anstieg der Einnahmen um 8,6%.122 In Zeiten des Wandels müssen neue Wege beschritten und neue Risiken eingegangen werden: Eine omanische Jungunternehmerin, die ihr eigenes Modelabel gegründet hat, sieht in diesem Trend eine Analogie zu früheren Generationen, die als Händler einen ähnlichen Unternehmergeist gezeigt hätten und sich nicht auf den Staat hätten verlassen können. »Wir wiederbeleben dieses Erbe und orientieren uns an unserer Vergangenheit, um unsere Zukunft zu bestimmen«, sagt sie. »It’s the economy, stupid« – dieses dem ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton zugeschriebene plakative Motto wird mittlerweile in allen Golfstaaten zum Dogma der alltäglichen Politik erhoben: Oberste Prämisse ist es, Wachstum zu schaffen, Wohlstand zu sichern und wirtschaftlichen Widrigkeiten zu trotzen. Dabei verfolgen die Golfstaaten einen Balanceakt: Auf der einen Seite wollen und müssen sie sich von den Einnahmen aus fossilen Ressourcen emanzipieren, indem sie in Nicht-Öl-Sektoren wie Tourismus, Logistik, Unterhaltung oder Dienstleistungen investieren. Allerdings sind diese Versuche, neue Geschäftsfelder außerhalb des Öls zu erschließen, nicht neu: Bereits in den 1970er Jahren formulierten einige Regierungen am Golf – darunter Saudi-Arabien – das Ziel, den Anteil der Öleinnahmen am Staatshaushalt drastisch zu reduzieren und andere Branchen und Sektoren zu fördern. So waren bereits Jahrzehnte vor der De-Facto-Herrschaft Muhammad bin Salmans unter früheren Königen wie Faisal (reg. 1964–1975)123 erste systematische Reformen eingeführt worden124, die unter König Abdullah (reg. 1995/2005–2015) fortgeführt wurden. Faisal hatte in seinen Fünf-Jahres-Plänen die Diversifizierung der Einnahmen forciert, das Bildungs- und Gesundheitssystem modernisiert und die Verwaltung professionalisiert, während Abdullah bereits vor NEOM sechs Wirtschaftsstädte – darunter die King Abdullah Economic City – ins Leben ruf, um ausländischen Investitionen anzulocken. Diese Projekte sollten 1 Mio. Arbeitsplätze schaffen und USD 150 Mrd. zum BIP im Jahre 2020 beitragen.125 Doch die Resultate blieben aus.126 Die Einnahmen aus dem
Öl- und Gassektor blieben stets als wichtigste Basis des Wohlstands bestehen, sodass umfassende Investitionen nur durch die Einnahmen aus fossilen Ressourcen getätigt werden konnten. Noch schwieriger ist es für Bahrain, Kuwait und Oman, sich im Schatten ihrer Nachbarn aus der Abhängigkeit des Öls zu befreien.127 Dies gelingt ihnen bislang nur bedingt – das gilt insbesondere für Kuwait. Zwar tobt seit Jahrzehnten eine kontroverse Debatte über die notwendige Diversifizierung der ölbasierten Wirtschaft, doch im Gegensatz zu seinen Nachbarn ist es Kuwait bislang kaum gelungen, notwendige Reformen zu realisieren. Ein Grund dafür ist die Dauerfehde zwischen Parlament und Regierung. Kuwaits politisches System stellt einen Sonderfall innerhalb der Golfmonarchien dar: Im Gegensatz zu seinen Nachbarn verfügt es über eine vitale und pluralistische Diskurskultur, in der vor allem die Nationalversammlung über weitaus mehr Rechte verfügt als in den anderen Golfmonarchien. Dadurch erhöhen sich die politischen Freiheiten und führen zu einem lebhaften Diskurs, an dem im Gegensatz zu den golfarabischen Nachbarn eine Vielzahl an politischen, zivilgesellschaftlichen und religiösen Akteur:innen, darunter eine einflussreiche schiitische Minderheit, teilnehmen darf, ohne sanktioniert zu werden. So stellen sogar die in vielen anderen Golfstaaten verbotenen Muslimbrüder (Ikhwan) in Kuwait Parlamentsabgeordnete und können ihre ideologischen Ansichten in den öffentlichen Diskurs einspeisen. Die Ikhwan spielen seit Anfang der 1950er Jahren eine dominante Rolle im politischen Spektrum Kuwaits und formten zeitweise Allianzen mit salafistischen oder säkularen Kräften.128 Bereits 1962 – knapp zwei Jahre nach der Unabhängigkeit von den Briten – erließ der damalige Emir Abdullah Salim eine Verfassung.129 1963 folgten die ersten Wahlen zur Nationalversammlung.130 Sie diente damals der Al Sabah als institutionalisiertes Zeichen für die kuwaitische Unabhängigkeit und den eigenen Machtanspruch.131 Seitdem fungiert sie als Sammelbecken der unterschiedlichen Stimmen und kanalisiert öffentliche Kritik an politischen Missständen, die sich vor allem gegen die Regierung richtet. 1981 ließen sich auch salafistische Kandidaten zum ersten Mal zur Wahl aufstellen132 und schlossen sich zur Society for the Revival of the Islamic Heritage (Jam’iyyat Ihya’ al-Turath al-Islami) zusammen.133 Seit 1992 sind islamistische Gruppen im Parlament vertreten: Forderungen nach der Einführung der Scharia oder einem Alkohol- und Tabakverbot führten zu hitzigen Kontroversen zwischen säkularen und islamistischen Kräften. So wird die kuwaitische Diskurskultur von zwei Trends dominiert: Einerseits sollen islamische Werte mit einer pragmatischen Politik vereinbart werden, während andererseits das demokratische und parlamentarische System gestärkt werden soll – für viele eine Quadratur des Kreises, die zur Krise des kuwaitischen Hybridmodells134 beiträgt. Vor allem die Rivalität zwischen Kabinett und Parlament führt einerseits zu einer
pluralistischen Diskurskultur, andererseits werden dringend notwendige Wirtschaftsreformen blockiert. Dieser Pluralismus bedeutet für Kuwait also gleichzeitig Fluch und Segen.135 Oppositionsgruppen boykottieren Wahlen, Regierungen werden gestürzt und Minister vom Parlament wegen politischer Verfehlungen oder Korruptionsvorwürfe angehört (istidschwab)136 und sehen sich oftmals Amtsenthebungsverfahren ausgesetzt.137 2011 wurden Bestechungsvorwürfe gegen 16 Abgeordnete laut, die USD 350 Mio. für die Unterstützung der damaligen Regierung erhalten haben sollen – ein handfester Skandal, der das Land in Zeiten der »Arabischen Aufstände« erschütterte, zu öffentlichen Protesten führte und das Vertrauen in das politische Establishment weiter sinken ließ.138 Seitdem werden Oppositionsgruppen auch in Kuwait verstärkt kontrolliert und kooptiert, was partizipatorische Entscheidungsfindungen zunehmend aushöhlt. Eine im Herbst 2012 vom damaligen Emir eingeführte Änderung des Wahlsystems führte zu weiteren Benachteiligungen und zum Wahlboykott der Opposition in den Wahlen vom Dezember 2012, im Juli 2013139 und 2018.140 Gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen Parlament und Regierung sind somit an der Tagesordnung. Dieser seit Jahren andauernde Machtkampf hat dazu geführt, dass kuwaitische Unternehmer:innen eher im Ausland investieren, da sie das einheimische Klima als vergiftet und paralysiert wahrnehmen.141 Ambitionierte Pläne, die im Rahmen der kuwaitischen Entwicklungsvision »Vision 2035« formuliert wurden, konnten bisher aufgrund des Stillstands in der politischen Entscheidungsfindung nicht realisiert werden. So sollen staatliche Zuwendungen für Infrastrukturprojekte von 90% auf 30 bis 40% reduziert werden.142 Zwischen 2015 und 2019 sank das staatliche und private Investitionsvolumen von USD 28,6 Mrd. auf USD 3,3 Mrd. – eine weitere Folge des Reformstaus.143 Einige lokale Händlerfamilien nehmen im fragilen Machtkonstrukt zwischen Emir, Regierung und Nationalversammlung eine entscheidende Position ein.144 So konnten sie in den vergangenen Jahren ihr wirtschaftliches Monopol ausbauen, was es ausländischen Firmen und Start-Ups erschwert, in diesem verkrusteten System der Patronage und der Vetternwirtschaft Fuß zu fassen.145 Während der Blütezeit des kuwaitischen Handelsimperiums hatten sie unabhängig von der Al Sabah agiert, was ihr Selbstverständnis als autonome Kraft im kuwaitischen Konzert der Kräfte bis heute prägt.146 Im Gegensatz zu den Herrscherfamilien in Saudi-Arabien oder Bahrain errangen die Al Sabah ihre Macht seit Mitte des 18. Jahrhunderts147 nicht mit Eroberungen, sondern im Dialog mit einflussreichen Akteuren wie den Händlereliten – ähnlich wie die Al Nayhan in den Emiraten.148 Sie bilden eine eigene Klasse, die in der wechselhaften Geschichte Kuwaits oftmals die Al Sabah in ihrer Macht bedrohte und durch ihre Einbindung in die Nationalversammlung gefügig gemacht werden sollte.149 1938 war es zu einer dieser Machtproben zwischen Herrschern .
und Händlern gekommen150: Im sogenannten »Jahr des Madschlis«151 hatten die Händler mit einem beratenden Rat (Madschlis) die Autorität der Al Sabah herausgefordert, um die Verteilung der Öleinnahmen zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Mithilfe der Briten konnte die Madschlis-Bewegung 1939 niedergeschlagen werden, was die Machtposition der Al Sabah zwar zementierte, aber bis heute auch ihr angespanntes Verhältnis zu den Händlern prägt.152 Um ein Gegengewicht zu den einflussreichen Händlern zu bilden, erhielten viele Beduinen seit den 1960er Jahren die kuwaitische Staatsangehörigkeit, wurden in die Sicherheitskräfte und die Bürokratie integriert, während gleichzeitig bis heute noch immer 88.000–100.000 Nachkommen dieser beduinischen Gruppen (bidun) staatenlos sind – ein klassischer Baustein der kuwaitischen Kooptions- und Ausgrenzungsstrategie.153 Dieses Ringen der einzelnen Vetoplayer hat sich demnach zum Hemmschuh der wirtschaftlichen Modernisierung entwickelt; Kuwait leidet unter »zu viel Demokratie«154: Im Gegensatz zu Katar, Saudi-Arabien oder den VAE ist es der Al Sabah nicht gelungen, die politische Macht zu zentralisieren. So wird in Kuwait immer wieder betont, dass die Al Sabah nur eine unter vielen Familien sei – anders als die Al Saud oder die Al Thani.155 Die durch die Nationalversammlung repräsentierten Staatsbeamt:innen fürchten ein Ende ihrer Annehmlichkeiten und sind daher nur bedingt an einer erfolgreichen Umgestaltung der rentierbasierten Wirtschaft interessiert. 2021 betrugen die Gehälter im öffentlichen Dienst und die staatlichen Subventionen noch immer 71% aller Ausgaben156: Jährlich werden fast USD 18 Mrd. für Gas-, Strom- oder Wasserzuschüsse aufgewendet.157 So präsentieren sich die Abgeordneten als Bewahrer:innen des Status quo und versuchen, schmerzliche Kürzungen bei den Subventionen oder den Gehältern zu verhindern,158 indem sie der Regierung immer wieder das Vertrauen entziehen.159 Gleichzeitig kann es die Regierung aber nicht wählen. Diese Entscheidung liegt beim Emir160, der wiederum das Parlament auflösen kann, was seit den 1960er Jahren bei über der Hälfte der gewählten Nationalversammlungen geschah.161 Amtliche Registrierungsprozesse dauern Monate und werden durch fehlende Digitalisierung weiter verzögert. Jedes Jahr drängen etwa 100.000 junge Menschen auf den Arbeitsmarkt, der unter unzureichender Privatisierung und fehlender Wettbewerbsfähigkeit leidet. Da die Kapazitäten des öffentlichen Sektors ausgeschöpft sind, müsste sich also das Wachstum in den Nicht-Öl-Sektoren mehr als verdoppeln, um ausreichende Arbeitsplätze schaffen zu können.162 Dies ist bislang allerdings nicht gelungen. Daher finanziert sich die Wirtschaft weithin aus den sinkenden Öleinnahmen und wird von hohen Ausgaben für Sozialdienstleistungen und Subventionen geschwächt. Die Corona-Krise traf Kuwait daher härter als die anderen Golfstaaten: Durch die gefallenen Ölpreise stieg 2020/21 das Haushaltsdefizit um 175% auf USD 35,3 Mrd., was einem Drittel des BIP entsprach und zu einer Unterfinanzierung des Budgets im siebten Jahr in Folge führte. Immerhin erwirtschaftet
Kuwait 87% aller Staatseinnahmen und 90% aller Exporterlöse aus der Ölproduktion – ein weiteres Zeichen für die mangelnde Diversifizierung.163 Während also in einigen Golfstaaten eine Atmosphäre des Aufbruchs und der optimistischen Dynamik zu spüren ist, da Teile der Bevölkerung die Veränderung als wesentliche Konstante ihres Lebens begrüßen, herrscht in Kuwait Sorge um die politische und wirtschaftliche Stabilität. Zwar empfinden viele kuwaitische Gesprächspartner:innen tiefen patriotischen Stolz auf ihre im regionalen Vergleich freie Diskurskultur und die starke Rolle des Parlaments in ihrem politischen System und fühlen sich in diesen Bereichen ihren golfarabischen Nachbarn moralisch überlegen.164 Dennoch blicken viele von ihnen zunehmend neidisch auf die sich in Katar, den VAE und Saudi-Arabien stattfindenden Entwicklungen und fürchten um den wirtschaftlichen Status Kuwaits. Ein solches Szenario reißt alte Wunden auf, immerhin leidet das kollektive Gedächtnis der kuwaitischen Gesellschaft noch immer unter dem Trauma der irakischen Invasion 1990/1991. Damals drohte das Ende der staatlichen Unabhängigkeit und der Verlust der kuwaitischen Identität – ein monumentaler Schock für die kuwaitische DNA. Selbst die jüngere kuwaitische Generation begreift diese Epoche als Zeitenwende und sorgt sich daher um die eigene Unabhängigkeit. Umso wichtiger ist es für die kuwaitische Wirtschaft, in einer Region der finanzstarken Investitionspolitik eine Nische zu finden, um das eigene Geschäftsmodell zu etablieren. Auch Oman ringt um seine Zukunft. Nach der Machtübernahme von Sultan Haitham möchte es sich aus der Phase der schleichenden Stagnation befreien. Hohe Arbeitslosigkeit und die starke Abhängigkeit von den sinkenden Öleinnahmen haben ähnlich wie in Kuwait zu strukturellen Ungleichgewichten geführt. Bislang betragen die Subventionen noch immer rund 90% der Gesamtausgaben165, was den Haushalt weiter belastet, die soziale Unzufriedenheit aber nicht dauerhaft eindämmen kann. Während der Corona-Pandemie kam es zu sozialen Protesten; Forderungen nach mehr Jobs, mehr Gehalt und mehr sozialer Sicherheit wurden laut. Aufgrund seiner geografischen Lage und seiner historischen Handelsnetzwerke sieht sich Oman allerdings in der komfortablen Situation, insbesondere im Logistikbereich erfolgreich zu sein.166 Vor diesem Hintergrund werden Investitionen in die Häfen von Duqm, Sohar und Salalah angestrebt167, gleichzeitig wurden Vereinbarungen mit Saudi-Arabien getroffen, ein gemeinsames Eisenbahnnetz aufzubauen.168 Außerdem positioniert sich Oman als »grüner Champion« und möchte zum internationalen Produzenten von grünem Wasserstoff aufsteigen. Nach dem Ende der Pandemie erholt sich auch der traditionell wichtige Tourismussektor wieder. Im Gegensatz zu den VAE oder Katar, die auf Luxus- und Unterhaltungstourismus setzen, verfolgt Oman eine andere Strategie und setzt auf Kultur- und Umwelttourismus. Bis 2025 sollen in diesen Sektor USD 5,4 Mrd. investiert
werden.169 Als mit nur 1,5 Mio. Einwohnern bevölkerungsärmstes und geografisch kleinstes Land der Golfstaaten befindet sich Bahrain traditionell in einer sensiblen Situation und ist von seinen Nachbarn – insbesondere von Saudi-Arabien und den VAE – auf wirtschaftliche Unterstützung angewiesen. Dies zeigte sich insbesondere während der »Arabischen Aufstände«, als sich die bahrainische Herrscherfamilie der Al Khalifa mit öffentlichen Massenprotesten konfrontiert sah, die nur mit Hilfe saudischer und emiratischer Truppen niedergeschlagen werden konnte. Finanzielle Unterstützung aus Riad und Abu Dhabi trugen ebenfalls dazu bei, das politische Überleben der Dynastie zu sichern. Traditionell betrachteten vor allem saudische Staatsangehörige das dem Königreich vorgelagerte Bahrain als attraktives Wochenendziel, da dort im Gegensatz zu Saudi-Arabien Glücksspiel und Alkoholkonsum erlaubt sind, sodass Bahrain zu einem saudischen Las Vegas mutierte und die bahrainische Wirtschaft massiv von diesen Einnahmen profitierte. Doch vor dem Hintergrund der stattfindenden Liberalisierungsmaßnahmen im Königreich könnte dieser Standortvorteil in den kommenden Jahren schwinden, zumal in Saudi-Arabien seit einiger Zeit über die Legalisierung von Alkohol diskutiert wird und auf Festivals und Konzerten bereits – wenn auch heimlich – ausgeschenkt wird. Dieses Dilemma erschwert es dem Inselreich, seine Wirtschaft aus der externen Abhängigkeit zu lösen und eigene Schwerpunkte zu setzen; die Staatsverschuldung beträgt 130% des BIP.170 In den letzten Jahren wird daher versucht, Finanzdienstleistungen und Informations- und Kommunikationstechnologien als Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln und sich in diesen Sektoren aus dem Schatten der großen und übermächtigen Nachbarn zu lösen.171 Dennoch bleibt die bahrainische Wirtschaft vor allem auf die Einnahmen aus der Ölproduktion angewiesen: So betragen die Einnahmen aus dem Ölgeschäft 60% des Staatsbudgets.172 In allen Golfstaaten waren die meisten Unternehmen von Staatsaufträgen und der Gunst der politischen Führung abhängig, wodurch sich ein undurchsichtiges Geflecht an Firmenbeteiligungen von Mitgliedern der Herrscherfamilien, gegenseitigen Abhängigkeiten und eine »Eine-Handwäscht-die-andere«-Kultur entwickelt hat – ein Sumpf der persönlichen Beziehungen und des elitären Klüngels, in dem fairer Wettbewerb nicht stattfinden konnte.173 Zwar steuern die Regierungen gegen diesen Filz an, in dem sie die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Privatsektor deutlich verbessert haben und die Liberalisierung des Marktes forcieren. Doch bis heute besteht die Abhängigkeit aus den Öl- und Gaseinnahmen fort. Dies ist Fluch und Segen zugleich: Immerhin reduzieren sich in Phasen des niedrigen Ölpreises die Handlungsspielräume der Regierungen drastisch, was indirekt die Stabilität der Herrscher und damit ihr politisches Überleben gefährden kann. Hatten sich die Ölpreise jedoch wieder erholt, kehrten die Regierungen oftmals zum Business as usual und
einer Gießkannenpolitik der hohen Subventionen und kostspieligen Wohlfahrtssysteme zurück und profitierten erneut von den Öleinnahmen, was den Reformdruck minderte. Dies zeigte die Phase nach der globalen Finanzkrise 2008/09174 ebenso wie die Ära des niedrigen Ölpreises in den 1980er Jahren. In Saudi-Arabien sanken die Öleinnahmen durch den Krieg zwischen Iran und Irak (1980–1988) auf ein historisches Tief und das BIP pro Kopf reduzierte sich von USD 28.600 auf USD 7.000 im Jahr 2000.175 Eine ähnliche Situation entstand auch durch den Ausbruch der Corona-Pandemie, der zu einem Verfall des internationalen Ölpreises und damit zu einem »doppelten Schock«176 bzw. einem »Zwillingsschock«177 in den Golfmonarchien geführt hatte: Zum einen wurden ihre ambitionierten Pläne zum Aufbau einer nationalen Tourismus- oder Unterhaltungsindustrie durch die weltweiten Reisebeschränkungen ebenso gestoppt wie ein Teil der Infrastrukturprojekte, was zu einem Rückgang des Wirtschaftswachstums. Zum anderen brachen die Öleinnahmen durch die drastisch gefallene globale Nachfrage ein, was zu einer ernstzunehmenden Krise führte. Doch nach dem Ende der Pandemie und dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine wuchsen die globale Nachfrage nach rasch verfügbaren und günstigen fossilen Energieträgern und damit die Einnahmen – ein Glücksfall für die Golfmonarchien. Ähnlich wie in früheren Phasen ihrer Geschichte stehen die Golfstaaten nun erneut vor der Herausforderung, die sprudelnden Öleinnahmen zu nutzen, um den Umbau ihrer ölabhängigen Wirtschaften voranzutreiben. Dabei streben sie nicht nach einer drastischen Abkehr von den Einnahmen aus fossilen Energien, sondern nach einer klugen Ergänzung mit anderen Einnahmequellen. Die Emirate planen dafür ebenso zukünftige Investitionen in den Ölsektor178 wie Katar den Ausbau seines Gassektor forciert: So kündigte der katarische Emir an, die LNG-Produktion von 77 Mio. Tonnen im Jahr auf 126 Mio. Tonnen bis 2027 zu steigern.179 Immerhin betrachten die Regierungen ihre fossilen Energieressourcen nicht als Bürde, sondern als Mittel zum Zweck, um sich auf das Post-ÖlZeitalter vorzubereiten. Sie wissen, dass die Ära der fossilen Ressourcen seinem Ende entgegengeht und die globale Energiewende langfristig nicht aufzuhalten ist. Die Machthaber wissen aber auch, dass die Golfstaaten aufgrund ihrer verfügbaren Kapazitäten und der niedrigen Produktionspreise auch in den kommenden Jahrzehnten zu den letzten verbliebenen Produzenten von Gas und Öl gehören werden; vor allem Saudi-Arabien ist der »last man standing«.180 Vor diesem Hintergrund streben sie nicht nur danach, ihre Wirtschaftsmodelle, sondern auch ihre internationalen Partnerschaften breiter aufzustellen. Nicht nur China oder andere asiatische Abnehmer buhlen um die golfarabische Energie, sondern auch Europa ist erpicht darauf, langfristige und strategische Verträge mit Saudi-Arabien, Katar oder den VAE zu schließen. Das beste und prominenteste Beispiel für dieses neue Interesse am Golf ist
Deutschland, das nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mehr denn je auf alternative Energielieferanten angewiesen ist. Die Golfstaaten profitieren von diesem Zwang und betrachten sich als Krisengewinner: Mithilfe der zusätzlichen Öl- und Gaseinnahmen können sie einerseits ihren Status als einflussreiche Wirtschaftskräfte in der globalisierten Welt zementieren und andererseits ihre ökonomische Transformation vorantreiben. Durch die höhere Nachfrage nach Erdöl wuchs das Wirtschaftswachstum mit 8,7% in Saudi-Arabien181 am schnellsten im globalen Vergleich182 und auch die Nachbarstaaten konnten ihre Einnahmen drastisch erhöhen. In der golfarabischen Wirtschaftsdiversifizierung kommt vor allem China eine prominente Rolle zu. Längst ist die Volksrepublik zum wichtigsten Handelspartner der meisten Golfstaaten aufgestiegen: Im Fall von Saudi-Arabien erhöhten sich die chinesischen Einfuhren um 26% auf USD 38 Mrd. zwischen 2022 und 2023183; 19,8% aller Importe stammen aus der Volksrepublik.184 17,4% aller Exporte aus Oman gingen 2021 nach China185, bei den VAE sind es 14,9%, bei Katar 15,5%186, während Kuwait 17,4% seiner Waren aus China einführt.187 China ist mit 24% Saudi-Arabiens größter Ölabnehmer gefolgt von Japan mit 15,6%, Indien mit 13,2% und Südkorea mit 11,7%. Die USA rangieren mit 7,2% auf Platz 5, während der Anteil Frankreichs als erster europäischer Ölkunde nur 2,5% beträgt.188 Gleichzeitig ist China der wichtigste Importeur von saudischem Erdöl – und die Nachfrage steigt. Katar liefert einen Großteil seines Erdgases nach Asien und hat mit den dortigen Abnehmern langfristige Verträge geschlossen. Selbst europäische Vorreiter der grünen Energiewende wie Deutschland setzen in Zeiten der Energieknappheit auf katarisches Erdgas und tragen somit direkt zum Erfolg des hybriden Erfolgsmodells der Golfmonarchien bei; immerhin wäre ohne die Milliarden aus dem Öl- und Gasgeschäft eine ernstgemeinte Diversifizierung der Wirtschaft und eine Emanzipierung von fossilen Ressourcen nicht möglich. Ob es den Golfstaaten gelingt, ihren eingeschlagenen Weg der wirtschaftlichen Diversifizierung erfolgreich fortzuführen, hängt insbesondere davon ab, ob sie maßgeschneiderte Lösungen für ihre sozioökonomischen Herausforderungen finden. Die Entwicklungsvisionen sind zu großen Teilen ein Ergebnis internationaler Beratungsagenturen. Die erste Version der saudischen »Vision 2030« basierte auf einer Vorlage des US-amerikanischen Beratungsriesen McKinsey189; seitdem sind die Golfmonarchien zu einem El Dorado für ausländische Berater:innen geworden:190 In NEOM sollen Manager:innen und Consultants Gehälter von über USD 1 Mio. im Jahr gezahlt werden – ohne Boni.191 2021 wuchs der Beratermarkt in Saudi-Arabien um 18,8% und in den VAE um 16,6%.192 Zumeist wird importiertes Wissen als prestigeträchtiger und neutraler wahrgenommen. Dieser Trend zur »McKinseynierung« wird in vielen Golfstaaten jedoch
zunehmend kritisch gesehen, da hochqualifizierten golfarabischen Fachkräften vielfach der Zugang zu solchen Beratungsleistungen verwehrt bleibt und westliche Berater:innen über Monopolstellung verfügen.193 Ein Mitarbeiter aus dem saudischen Energieministerium bezeichnete die Abhängigkeit von westlichen Beratungsunternehmen wie McKinsey, Booz Allen Hamilton und die Boston Consulting Group (BCG) oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie Deloitte, Ernst & Young, KPMG und PwC als »toxische Obsession« und die Consultants als »Vampire«. Häufig fehlen transparente Kenntnisse über die Dienstleistungen der Beratungsfirmen, die mehr und mehr an politischen Einfluss gewinnen und damit auch lokale Lösungen und die Schaffung von einheimischen Arbeitsplätzen verhindern.194 Anstatt sich auf ausländische Kräfte zu verlassen, die oftmals über zu wenig Kenntnisse über die spezifischen Markteigenschaften verfügen, sind die Golfstaaten somit daran interessiert, ihre eigenen Berater:innen auszubilden, die die lokalen Gegebenheiten besser kennen und sich für das Wohl des Landes und nicht für den eigenen Profit einsetzen – eine Meinung, die immer mehr Anklang findet. Schablonenhafte Reformmaßnahmen haben dazu geführt, dass sich die Aktivitäten der Golfmonarchien in Sektoren wie der Luftfahrt, der Unterhaltung, der Gastronomie, des Hotelgewerbes oder des Sports überschneiden: So unterhält fast jeder Golfstaat seine eigene Fluglinie, obwohl hier durchaus Synergieeffekte erzielt werden könnten.195 Mit Riyadh Airlines schafft SaudiArabien im Jahr 2023 einen neuen Konkurrenten für die eigene Fluglinie Saudi Airlines, die emiratischen Rivalen Emirates und Ettihad sowie Qatar Airways.196 Diese Duplizität der Investitionen sorgt für eine wachsende Rivalität zwischen den Golfstaaten: Saudi-Arabien eifert den Erfolgen Katars und der VAE nach und möchte die beiden Nachbarn übertrumpfen. So hat die saudische Regierung erlassen, dass Staatsaufträge ab 2024 nur noch an Unternehmen vergeben werden, wenn deren regionale Firmenzentralen im Königreich registriert sind.197 Bis 2030 sollen 480 Unternehmen ihre regionale Zweigstelle in SaudiArabien eröffnet haben.198 Bis Oktober 2022 waren es 70 Unternehmen.199 Mit dieser Maßnahme will Saudi-Arabien zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits soll der eigene Wirtschaftsstandort gestärkt, andererseits die Konkurrenz in Dubai, Abu Dhabi und Doha geschwächt werden. Noch immer zieht es viele westliche Unternehmen in die Emirate, da dort die rechtlichen Rahmenbedingungen als unternehmensfreundlicher und die Lebensbedingungen als angenehmer wahrgenommen werden: In den VAE ist beispielsweise Alkoholkonsum nicht verboten – für viele Geschäftsleute aus Europa oder den USA noch immer ein mitentscheidendes Kriterium für den Umzug an den Golf. Viele Gesprächspartner:innen am Golf erachten diese Konkurrenz zwar als förderlich, um noch kreativer, innovativer und effizienter zu werden und sich mit den regionalen Rivalen zu messen. Doch dieser gesunde Wettstreit hat Grenzen, wie die »Golfkrise« von 2017 bis 2021
dramatisch zeigte: Die Isolation Katars sollte den Blockadestaaten nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich nutzen, und deren Standortvorteil gegenüber dem aufstrebenden Konkurrenten stärken. Doch in der Konsequenz ging bei vielen Geschäftspartner:innen das Vertrauen verloren. Immerhin sah man die eigenen Investitionen in Gefahr, worunter der gesamte Markt der arabischen Halbinsel litt. 2.2 Ringen um die Zukunft: Die Arbeitsmarktpolitik Noura gibt sich kämpferisch, während sie spricht. Grundsätzlich sei sie eine große Befürworterin der wirtschaftlichen Modernisierung in Saudi-Arabien und sie schaue voller Optimismus in die Zukunft. Ihr ist bewusst, dass das althergebrachte Wohlfahrtssystem ausgedient hat und sie sich auf einem zunehmend kompetitiven Arbeitsmarkt behaupten muss. Aber, fährt sie fort, die Belastung gerade für junge Menschen wie sie sei enorm: »Mein Chef erwartet von mir, dass ich auch abends und an den Wochenenden erreichbar bin«, schildert sie, während wir in einem Café zusammensitzen. »Ich arbeite teilweise zehn bis zwölf Stunden am Tag, um meine eigenen Ziele zu erreichen, aber auch, weil es von mir erwartet wird.« Noura ist Anfang 30, hat im Ausland studiert und arbeitet mittlerweile als einflussreiche Beraterin in einem saudischen Staatsunternehmen. Früher wären solche Arbeitsbedingungen undenkbar gewesen: Viele Arbeitskräfte in Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten genossen die Annehmlichkeiten der staatlichen Alimentierung. Sichere Posten im öffentlichen Sektor inklusive guter Bezahlung und familienfreundlichen Arbeitszeiten waren die Regel. Doch diese paradiesischen Zustände haben sich radikal verändert: Die neue Generation der Herrscher erwartet von jungen Arbeitskräften eine aufopferungsbereite Arbeitseinstellung, um die ambitionierten Pläne der Regierungen zu realisieren. Immer mehr junge Menschen sind gezwungen, neben ihrer Arbeit im öffentlichen Sektor einen zweiten Job anzunehmen. Während früher nur ausländische Arbeitskräfte aus Pakistan oder Bangladesch an den Rezeptionen der Hotels oder an den Kassen der Supermärkte arbeiteten, sind es heute zumeist junge saudische Männer und Frauen. Die junge Bevölkerung ist hierbei Potenzial und gleichzeitig Problem: In allen Golfstaaten ist mehr als ein Drittel jünger als 25 Jahre; dieses nachwachsende Humankapital bietet hervorragende Möglichkeiten, verkrustete Strukturen aufzubrechen und sich wirtschaftlich neu aufzustellen. In Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, den VAE, Oman und Bahrain rückt eine neue leistungsbereite und motivierte Elite nach, die mit ihren erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten mit ausländischen Konkurrent:innen mithält und sie überflügelt. Diese »Generation Golf« verfügt über Talent, Selbstbewusstsein und internationale Erfahrungen, um in einer neoliberalen Wirtschaftsordnung bestehen zu können. Nach ihrem Studium in
den USA, Kanada oder Europa sind sie in den letzten Jahren in ihre Heimat zurückgekehrt, um ihr Land zu verändern. Sie betrachten sich als Treiber:innen des Fortschritts und als Agent:innen des Wandels und sind daher die wichtigsten Zielgruppen der Herrscher: Ihre Legitimation hängt davon ab, die Jugend für die eigenen Ziele und Ambitionen zu gewinnen und damit die Loyalität ihrer Herrschaft zu sichern. In einer sich dramatisch verändernden Lebenswirklichkeit, in der ölfinanzierte Subventionen und berufliche Annehmlichkeiten drastisch reduziert werden müssen, in der Steuern ebenso zum Alltag gehören wie Überstunden und massiver beruflicher Druck, müssen die Herrscher die Rahmenbedingungen schaffen, um den jungen Menschen eine attraktive Perspektive zu bieten und sie mit der Aussicht auf eine glänzende Zukunft zu überzeugen. Gleichzeitig stehen sie vor der Herausforderung, sich auf einem kompetitiven Arbeitsmarkt mit starker Konkurrenz aus dem In- und Ausland messen zu müssen. Und sie brauchen Jobs. Hier muss der Staat liefern, was ihm immer schwerer fällt. Das Ziel, eine effiziente und leistungsbereite Wissensökonomie aufzubauen und sich mit der internationalen Konkurrenz messen zu können, haben sich alle Golfstaaten seit Jahrzehnten auf die Fahne geschrieben.200 Zwischen 2003 und 2007 entstanden mehr als 100 neue Colleges und Universitäten allein in Saudi-Arabien, während sich 40 Ableger von westlichen Universitäten in den VAE, darunter die Sorbonne und die New York University, oder in Katar die Georgetown University, die HEC Paris Business School und die Texas A&M University niederließen. Im Oman wurde im Jahr 2007 die German Technology University of Oman (GUtech) in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen gegründet, und präsentiert sich seitdem u. a. als Vorreiter in der omanischen Wasserstoffforschung und entwicklung.201 2017 befanden sich allein 53 britische höhere Bildungseinrichtungen in den Golfstaaten, während golfarabische Institutionen zunehmend in den britischen Bildungsmarkt investieren, wie die Partnerschaft zwischen der London School of Economics and Political Science (LSE) und der Kuwait Foundation for the Advancement of Sciences (KFAS) exemplarisch zeigt.202 Hinter diesen Vereinbarungen steckt die Motivation, Kulturzusammenarbeit im Sinne von Cultural203 und Public Diplomacy204 als Instrument für politische Einflussnahme und Nation Branding zu nutzen.205 So haben golfarabische Forschungseinrichtungen wie das Bussola-Institut aus den VAE oder das bahrainische International Institute for Strategic Studies (IISS)206 Büros in Brüssel und Berlin eröffnet – oftmals begleitet mit Skepsis, fürchten manche in Europa doch, dass solche Institutionen nicht als Oasen unabhängiger Forschung, sondern als verlängerter Arm der golfarabischen Lobbymaßnahmen fungieren.207 Gleichzeitig sind in den letzten Jahren mehr und mehr golfarabische Lehreinrichtungen in die Phalanx der westlichen Universitäten eingebrochen, darunter die saudische King
Abdullah University of Science and Technology (KAUST) oder die Princess Nora bint Abdul Rahman University, die als größte Frauenuniversität der Welt vor den Toren Riads als Aushängeschild der saudischen Bildungsoffensive gilt. In Katar verfügt die Qatar University ebenso über wachsende Strahlkraft wie die Kuwait University in Kuwait oder das Masdar Institute of Science and Technology, die Abu Dhabi University und die University of Sharjah in den VAE. Im Oman beherbergt die Knowledge Oasis Muscat mehr als 60 internationale Unternehmen, um jungen Arbeitskräften ein duales Ausbildungssystem zu bieten208, während in Saudi-Arabien die vom Kronprinzen gegründete MiSK Foundation ebenfalls mit namhaften Firmen zusammenarbeitet, um jungen saudischen Talenten den Eintritt ins Berufsleben zu erleichtern. Das Beispiel MiSK zeigt deutlich, dass sich Saudi-Arabien von seinem herkömmlichen Bildungsmodell verabschiedet: In den 1980er Jahren investierte das Königreich vor allem in die religiöse Bildung und schuf damit eine ganze Generation an wahhabitischen Predigern, die im In- und Ausland die saudische Glaubensdoktrin verbreiten sollte. An den Universitäten dominierten Islamstudien und Koranexegese den Lehrplan, während Natur-, Ingenieurs- oder Wirtschaftswissenschaften vernachlässigt wurden. Im Jahr 2006 sollen sich zwei Drittel des nationalen Lehrplans mit religiösen Studien beschäftigt haben209 und islamische Lehranstalten wie die Islamic University Medina oder die Umm al-Qura University entwickelten sich zu Zentren der wahhabitischen Lehre in der gesamten islamischen Welt. Es galt, mit einer Besinnung auf erzkonservative und puristische Lehrinhalte ein Gegengewicht zur Islamischen Republik Iran zu bilden, das sich nach der Iranischen Revolution 1979 anschickte, die Vormachtstellung Saudi-Arabiens als »Hüter der beiden Heiligen Stätten« Mekka und Medina mit dem Export seiner schiitischen Revolution herauszufordern und damit die politische Legitimation des Königshauses bedrohte. Außerdem hatte in den 1970er Jahren eine islamistische Oppositionsbewegung die saudische Führung in ihren Grundfesten erschüttert, als sie 1979 – dem Jahr der Iranischen Revolution – während der Gebetszeit die Große Moschee in Mekka besetzte und die islamische Legitimation der Al Saud in Frage stellte.210 Um diesen Strömungen entgegenzutreten und ihre Vormachtstellung in der islamischen Welt zu behaupten, forcierte die saudische Führung in den Folgejahren den Ausbau der religiösen Bildung und der wahhabitischen Missionierung im Ausland. Diese Maßnahmen führten in Saudi-Arabien zu einer Renaissance streng wahhabitischer Lebensweisen. Die Geschlechtertrennung wurde ebenso verschärft wie die strikten Regeln im Alltag: Die allmächtige Religionspolizei gerierte sich als Sittenwächter, kontrollierte die Einhaltung der Gebetszeiten und drangsalierte Frauen auf offener Straße, sollten sie gegen die Verschleierungsvorschriften verstoßen haben. Doch diese Entwicklung hemmte den Aufstieg Saudi-Arabiens zur einflussreichen Wirtschaftsnation, da inländische
Fachkräfte fehlten und ein Ungleichgewicht bei den Ausbildungsbereichen zugunsten der Religionswissenschaften entstand. Dies führte zu einem Umdenken: Heute soll sich die religiöse Bildung von intoleranten Lehrinhalten verabschieden und radikales Gedankengut bekämpfen211 – ein Ziel, das bereits seit den Anschlägen vom 11. September 2001 und dem Aufstieg des »Islamischen Staates« (IS) forciert wird. Immerhin stammten 15 der 19 Attentäter der Terrorattacken von 9/11 aus dem Königreich, und auch dem IS schlossen sich viele saudische Staatsangehörige an.212 Zumeist von saudischen Dschihadisten begangene terroristische Anschläge bedrohten Anfang der 2000er Jahre die nationale Sicherheit und nahmen zwischen 2012 und 2016 – während der Hochzeit des IS – wieder zu.213 Der Zugang zu Bildung wird somit auch als präventive Maßnahme vor möglicher Radikalisierung betrachtet. Mitte der 2000er Jahre führte der damalige König Abdullah das King Abdullah External Scholarship Program (KASP) ein, um saudischen Studierenden ein Auslandsstudium zu ermöglichen. 2017 sollen sich insgesamt 87.000 saudische Studierende, darunter 29.000 Frauen, im Rahmen des Programms in den USA aufgehalten haben. 2009 gründete Abdullah die King Abdullah University of Science and Technology (KAUST), an der Frauen und Männer gemeinsam studieren durften – ein damaliger Tabubruch im geschlechtergetrennten Saudi-Arabien. Dennoch stellten sich erste Erfolge nur langsam ein: 2015 betrug der Anteil der saudischen Studierenden nur 35%. Bis heute bestehen einige dieser Probleme fort. Das möchte die neue saudische Führung ändern, indem umfassende Reformen im Bildungssektor vorgenommen werden.214 Der Fokus liegt dabei auf »guten Jobs«215, die nicht nur den Lebensunterhalt sichern, sondern auch weichere Aspekte wie die Vereinbarkeit mit dem Privatleben oder Gesundheitsvorsorge berücksichtigen sollen.216 So wurden im November 2020 zum ersten Mal Schulfächer wie »kritisches Denken« und »Philosophie«217 sowie Unterrichtseinheiten zu »Digitalisierung«, »nationaler Einheit« oder »Selbstverteidigung« eingeführt.218 Der 2019 gegründete Saudi Council of Universities Affairs soll landesweit die universitären Curricula besser harmonisieren und kontrollieren219, während Schulen und Universitäten mit Laptops und Tablets ausgestattet oder Stipendienprogramme für Musik, Theater, Film oder Architektur angeboten werden. An der renommierten King Saud University in Riad wurde u. a. ein Fachbereich für Kunst- und Kulturwissenschaften aufgebaut und an der Effat University für Frauen in Dschidda wird ein Programm für Filmwissenschaften angeboten. Mittlerweile existieren unzählige Initiativen in der Berufsbildung, Kurse für die Unternehmensgründung im Unterhaltungssektor, dem Tourismus, dem Veranstaltungsmanagement, digitalem Marketing oder grünen Energien. Dabei wird sich vor allem auf die Bildung von Frauen konzentriert.220 Erste Erfolge stellen sich ein: Im Ranking aller golfarabischen Universitäten aus dem Jahr 2021 lag die King Abdulaziz University vor der Qatar University auf Platz 1. Insgesamt landeten fünf saudische
Universitäten unter den Top-Ten.221 Weiterhin wurden neue Partnerschaften mit internationalen Bildungseinrichtungen initiiert, um insbesondere im kulturellen Bereich saudische Nachwuchstalente auszubilden. So bietet das Kulturministerium seit Januar 2020 Austauschprogramme mit 60 Top-Universitäten, darunter die Harvard University, die Yale University und die Stanford University in den USA, die University of Oxford und die Cambridge University in Großbritannien, die University of Hong Kong, die Sorbonne Université in Frankreich, die Tokyo University in Japan und die Peking University in China in Fächern wie Architektur, Film-, Archiv- oder Museumswissenschaften, Modedesign, Theater, Archäologie oder Musik an.222 Insbesondere mit China wird verstärkt im Bildungsbereich kooperiert: 2019 kündigte MbS an, Mandarin als Unterrichtssprache einzuführen223, was das in Saudi-Arabien dominierende angloamerikanische System herausfordert.224 Saudische Bildungsexpert:innen begrüßen diese Schritte als überfällige Maßnahmen: »MbS betrachtet seine Bildungsreformen als holistischen Ansatz und will damit das fragmentierte saudische System harmonisieren und modernisieren«, erklärt eine saudische Wissenschaftlerin. »Das ist ein wichtiger Schritt, um die alten Strukturen aufzubrechen«, führt sie fort. Dahinter steckt aber auch machtpolitisches Kalkül: Immerhin dienen die Reformen dem Ziel, einen saudischen Nationalismus zu schaffen und die nationale Identität zu stärken. Dass in Zukunft verstärkt »kritisches Denken« oder »Nationale Einheit« an den Schulen gelehrt werden soll, darf nicht als Vorbote einer neuen politischen Diskurskultur gewertet werden. Solche Schulfächer zielen stattdessen darauf ab, die heterogenen Sichtweisen auf die saudische Geschichte zu vereinheitlichen und ein kollektives Gedächtnis für das kulturelle Erbe zu entwickeln. Einige nennen das »Gehirnwäsche«, um die Idee eines saudischen Staates nach Lesart des Kronprinzen bei der jungen Generation zu festigen. Anstatt ein System des lebenslangen Lernens zu fördern, müssten viele Schulen und Universitäten sich streng an den internationalen Rankings orientieren und die entsprechenden Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators, KPI) erfüllen, sagt ein in Saudi-Arabien arbeitender deutscher Bildungsexperte: KPI seien zu einem regelrechten Dogma geworden, sagt er. Noch immer würde die Umsetzung von Reformmaßnahmen von den verantwortlichen Personen abhängen, was Prozesse beschleunigen aber eben auch verlangsamen könne. Der Bildungssektor sei politisch eine »heiße Kartoffel«, da die Verantwortung meistens weitergereicht werde und kurzfristige Erfolge unwahrscheinlich und damit weniger attraktiv seien. Außerdem werde Bildung als ein profitables Geschäft wahrgenommen: Privatschulen sollen zunehmend Gewinne erwirtschaften, was allerdings weniger wohlhabenden Eltern den Zugang zu Qualitätsbildung erschwere. Im Gegensatz zu den VAE und Katar, so führt er aus, existiere
im Königreich Armut und soziale Benachteiligung. Diesem Umstand müsse mit einem inklusiven Bildungssystem Rechnung getragen werden. Hierbei setzt MbS vor allem auf Frauen wie Noura. Die Mehrheit der Studierenden ist weiblich: In Saudi-Arabien lag die Quote der weiblichen Universitätsabsolventen 2019 bei 55,8%. Im Oman sind es 44%, in Bahrain knapp 59%, in Kuwait 70% und in Katar gar 75%.225 Sie streben nach beruflichem und gesellschaftlichem Aufstieg und müssen dafür ihre eigenen Grenzen neu definieren. Noura hat sich bewusst für ihre Karriere entschieden, ist renommierte Sprecherin auf internationalen Konferenzen und betrachtet sich als Vorbild für eine aufstrebende, selbstbewusste und zunehmend selbstbestimmte weibliche Elite, die ein »neues Saudi-Arabien« aufbauen und gestalten möchte. Dafür ist sie bereit auf Verzicht: Sie ist unverheiratet, hat keine Kinder und sieht sich auch in naher Zukunft nicht als Mutter oder Hausfrau. Damit fordert sie traditionelle Familien- und Geschlechterbilder heraus und steht sinnbildlich für eine junge Generation am Golf, die sich aus den verkrusteten Strukturen der Eltern und Großeltern befreien wollen. Frauen stellen in allen Golfstaaten die größte Hoffnung auf eine erfolgreiche wirtschaftliche Transformation dar: Sie verfügen im Durchschnitt über das bessere Bildungsniveau im Vergleich zu gleichaltrigen Männern und werden von ihren Regierungen als Motoren des Fortschritts gefördert. Dahinter steckt jedoch kein Gutmenschentum, sondern knallhartes Kalkül: In Saudi-Arabien blieben ihnen lange Zeit Berufe im sozialen Bereich wie Krankenschwester oder Lehrerin vorbehalten, sie durften kein Auto fahren und waren daher vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Doch dies hat sich geändert: Mittlerweile stehen den saudischen Frauen mehr als 200 Wirtschaftsbereiche offen, sie arbeiten in der sensiblen Ölindustrie, in der IT-Branche, als Architektinnen, Richterinnen oder Geschäftsführerinnen und sogar im Militär. Staatliche Programme wie Tamheer226, das Frauen Trainingsmaßnahmen in ihren jeweiligen Berufen anbietet, oder Wusool227, welches arbeitenden Frauen Transportmöglichkeiten bereitstellt, sollen die Arbeitsbedingungen verbessern. Mittlerweile wird wie in den VAE seit 2020228 bezahlter Mutterschutz und bessere Kinderbetreuung angeboten, um Frauen den Eintritt in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.229 Viele Frauen wie Noura betonen, dass MbS die Triebfeder der emanzipatorischen Gleichberechtigung in Saudi-Arabien sei. Immerhin habe er nicht nur das Fahrverbot für Frauen im Jahr 2018 aufgehoben, sondern ihrer Generation das Gefühl gegeben, Teil der Gesellschaft sein zu dürfen und zu sollen. In den letzten Jahren ist der Anteil der weiblichen Arbeitskräfte rasant gestiegen: Lag er 1990 noch bei 11%, erhöhte er sich 2019 – kurz nach der Aufhebung des Fahrverbots – auf 18,2%.230 2022 soll er bereits die Vorgaben der »Vision 2030« übertroffen haben231 und bei 35% liegen.232 Im Oman beträgt der Anteil der Frauen am Arbeitsmarkt 32%233, in Bahrain bereits 44%234, Kuwait 48%235, in den VAE 55%236 und in Katar sogar 60%.237 In Saudi-Arabien arbeiten die meisten Frauen
vor allem im Privatsektor, wie der Anstieg um 10% zwischen 2019 und 2020 zeigt. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum stieg der Anteil von weiblichen Arbeitskräften im öffentlichen Sektor nur um 5%.238 An diese neue Realität mussten sich viele Unternehmen erst anpassen, verfügten sie doch lange nicht über Damentoiletten, da ihre Büros ausschließlich männlichen Arbeitskräften vorenthalten waren. Es würde jedoch der historischen Realität widersprechen, die Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt als komplett neue Entwicklung zu beschreiben: In Katar oder Kuwait fungierten sie bereits zu Zeiten des Perlenhandels als Geschäftsfrauen ihrer Stämme, weil die Männer lange Zeit auf See waren, sodass ihre Frauen während ihrer Abwesenheit die Familiengeschäfte organisieren mussten. Teilweise gehörten ihnen auch Karawanen oder Perlenschiffe. Durch den Kollaps der Perlenindustrie verloren viele Frauen allerdings ihre Ersparnisse, Investitionen und ihren sozialen Status, während gleichzeitig patriarchalische Strukturen gestärkt wurden. Doch auch nach dem Ölboom wurden die Frauen nicht grundsätzlich vom Wirtschaftsleben ausgeschlossen: 1956 verbrannten kuwaitische Frauen öffentlich ihre Schleier, in Bahrain gründeten Frauen Wohlfahrtseinrichtungen und in SaudiArabien demonstrierten bereits in den 1990er Jahren Frauen für die Aufhebung des Fahrverbots – trotz der existierenden Geschlechtertrennung, die zu dieser Zeit institutionalisiert worden war. In Oman und Bahrain arbeiten Frauen bereits seit den 1970er Jahren bei der Polizei.239 In ländlichen Gebieten Saudi-Arabiens umgingen Frauen auch in der Vergangenheit bereits das Fahrverbot, da ihre Männer auf ihre Unterstützung angewiesen waren und die finanziellen Mittel für kostspielige männliche Fahrer häufig nicht zur Verfügung standen. Heute beziehen sich viele junge Frauen auf diese historischen Entwicklungen. Sie argumentieren, dass die Geschichte der Golfstaaten maßgeblich von den Frauen mitbestimmt wurde, sie nun im Sinne ihrer Mütter und Großmütter und im Einklang mit den Regierungen in eine neue Ära aufbrechen wollen. Sie fordern dabei keine radikale Revolution des Geschlechterverhältnisses, sondern einen kontinuierlichen Wandel im Konsens. Viele fühlen sich von den Fesseln der Vergangenheit befreit, da sie sich selbst verwirklichen und in Branchen arbeiten können, die ihnen bis vor wenigen Jahren noch verschlossen waren. Für die Herrscher sind diese Entwicklungen ein Geschenk: MbS und Tamim präsentieren sich gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung und dem kritischen westlichen Ausland als Förderer der Frauenrechte, und manifestieren so ihren Nimbus als Modernisierer, die alte Strukturen aufbrechen und der weiblichen Bevölkerung eine Stimme verleihen. Allerdings ist diese Geschlechterpolitik auch integraler Bestandteil eines populistischen Nationalismus, der nicht nur integrativ, sondern auch ausgrenzend wirken kann – wie die drakonischen Haftstrafen gegen weibliche Social-Media-Userinnen verdeutlichen. Hinter solchen Repressionen »steckt
eine klare Botschaft der politischen Führung: Kritik an der Deutungshoheit der gesellschaftlichen Transformation wird sanktioniert. Neben empfindlichen Haftstrafen droht Personen, die etwa in den sozialen Medien den Fortschritt der Reformen oder die Geschlechterpolitik des Kronprinzen kritisieren oder nicht pro-aktiv loben, die soziale Ausgrenzung, häufig auch die Festnahme. Sie werden als Verräter und Nestbeschmutzer denunziert.«240 Insbesondere die jüngeren Generationen haben viel zu verlieren: Einstige Gewissheiten, ein sicheres Auskommen zu genießen und einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu erhalten, zerbröseln zusehends. Das sorgt für Unruhe und Angst vor der Zukunft. Zwar gelingt es den bestens ausgestatteten Bildungseinrichtungen, gut ausgebildetes Fachpersonal aus aller Welt zu rekrutieren. Dabei liegt der Fokus allerdings auf den Natur- oder Ingenieurwissenschaften oder Medizin. Geistes- und Sozialwissenschaften haben an Bedeutung verloren. Dahinter steckt auch politisches Kalkül: Da die Herrscher Kritik unterbinden, verhindern sie selbstständiges Denken an den Universitäten, wenn es um sensible Themen wie Demokratie, nationale Sicherheit oder Menschenrechte geht. Stattdessen instrumentalisieren sie ihre Bildungsreformen als nationalistische Erziehungsmaßnahme, die eine nationale Identität und das Band zwischen Bevölkerung und Herrscher stärken sollen. Geschickt werden im Rahmen dieser Strategie Themen von oben gesetzt, die durchaus kritisch diskutiert werden dürfen. Dazu gehören z. B. die Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt, die grassierende Arbeitslosigkeit, die rückständige Verwaltung oder die bestehenden Missverhältnisse im Geschlechterverhältnis. Es ist salonfähig und sogar erwünscht, diese Themen offen und kritisch zu reflektieren, da der Staat im nationalen Agenda Setting exakt diese Probleme als Fokus der sozioökonomischen Transformation identifiziert hat. Da solche Probleme als Überbleibsel einer früheren Zeit des Missmanagements geframt werden, können sich die jeweiligen Herrscher von ihren Vorgängern abgrenzen, was ihrem Modernisierer-Image nützt. An katarischen Universitäten konnte im Vorfeld der WM tatsächlich differenziert und selbstreflexiv über die Missstände in der Migrationspolitik gesprochen werden, doch offene Kritik am Emir wurde vermieden. Themen, die rote Linien überschreiten, darunter Kritik am Herrscherhaus oder dem politischen System, werden tabuisiert – an den Schulen, den Universitäten und außerhalb des Bildungssystems. So gilt Kritik an den Inhalten der »Vision 2030« als direkter Angriff auf MbS – immerhin personifiziert er die saudischen Modernisierungsbemühungen und fungiert als deren Architekt, was eine Trennung zwischen möglichen Verfehlungen der »Vision« und seiner Person unmöglich werden lässt. Bildungspolitik ist somit ein wirkmächtiges Instrument der Machtkonsolidierung sowie wichtigstes Politikfeld, um notwendige Arbeitsplätze zu schaffen. Längst kann der aufgeblähte öffentliche Sektor in Ländern wie Saudi-Arabien und Kuwait die wachsende Zahl der einheimischen Arbeitskräfte nicht mehr absorbieren, während gleichzeitig die
Privatisierung stockt und viele Arbeitsplätze von ausländischen Fachkräften besetzt sind.241 Dazu trägt auch die weiterhin hohe Bevölkerung bei, die zwischen 1950 und 2007 in der Golfregion von 8 Mio. auf 58 Mio. gewachsen ist und bis 2050 auf 124 Mio. steigen soll.242 In Ländern wie Oman, Kuwait oder den VAE wird kalkuliert, dass das Bevölkerungswachstum zwischen 2009 und 2050 71%, 76% bzw. 79% betragen soll.243 So stellt vor allem die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit für alle Golfstaaten eine Jahrhundertaufgabe dar: In Kuwait beträgt sie 15,4%244, in Saudi-Arabien 23,8%245 und im Oman gar fast 50%246 – eine explosive Situation, droht doch dieser jungen Generation die Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Jährlich drängen in Saudi-Arabien – den mit weitem Abstand bevölkerungsreichsten Golfstaat – 250.000 bis 300.000 zusätzliche Jobsuchende auf den Arbeitsmarkt, während die Bevölkerung von derzeit 36,4 Mio. auf 41,4 Mio. im Jahr 2032 wachsen soll.247 Mehr als 40% sind jünger als 25, was die saudische Regierung langfristig vor die Herausforderung stellt, eine ausreichende Anzahl an Arbeitsplätzen anzubieten, um ihrem Versprechen einer goldenen Zukunft nachzukommen. Trotz des Wunsches, einen begehrten Arbeitsplatz im öffentlichen Sektor zu ergattern, sind fast 95% aller saudischen Arbeitslosen mittlerweile bereit, einen Job im Privatsektor anzunehmen und mehr als 80% würden auch akzeptieren, deutlich länger als acht Stunden am Tag zu arbeiten – ein klares Indiz für den gestiegenen Druck, sich auf einem kompetitiven Arbeitsmarkt behaupten zu müssen.248 Auch hier stehen wieder die Frauen im Fokus: Während insgesamt 9,7% der saudischen Bevölkerung arbeitslos sind, liegt der Anteil bei den Frauen mit 19,3% immer noch recht hoch249 – obwohl er bereits auf einem historischen Tief seit 2012 angekommen ist.250 2020 war noch fast ein Drittel aller saudischen Frauen ohne Job.251 Bei den 15–24-jährigen Frauen beträgt die Quote jedoch immer noch 30,5% – aller Maßnahmen der letzten Jahre zum Trotz.252 Und im Lohnniveau zeigen sich weiterhin gravierende Diskrepanzen: Während Frauen mit Bachelorabschluss etwas mehr als USD 2.300 verdienen, sind es bei den Männern mehr als USD 3.500, Frauen mit Masterabschluss erhielten gar nur USD 3.300 im Vergleich zu USD 5.600 bei den Männern.253 Insbesondere die Corona-Pandemie sorgte wie im Rest der Welt auch in den Golfstaaten für einen wirtschaftlichen Einbruch und einen Schock vor allem für junge Menschen: Ihre beruflichen Ambitionen wurden durch die strikten Lockdowns ausgebremst, sodass viele unter mentalen Problemen wie »Zoom-Müdigkeit«, unverhältnismäßig langer Bildschirmzeit oder mangelnder körperlicher Bewegung litten. In Saudi-Arabien verloren 14% der zwischen 18- bis 30-Jährigen ihren Job, während bei Dreiviertel von ihnen die Motivation und der Ehrgeiz sank. Saudische Arbeitskräfte, die in weniger gut bezahlten Jobs wie im Handwerk arbeiteten, mussten 40% an Gehaltseinbußen verkraften.254 Zwar forcieren alle Golfstaaten den Aufbau eines Privatsektors, nach wie vor werden aber
die Aufträge von den finanzstarken Investitionsfonds vergeben, sodass die Gründung eines Unternehmens oftmals ohne staatliche Unterstützung nicht zu realisieren ist. Dies führt zu einer Schein-Privatisierung, in der Arbeitskräfte indirekt beim Staat angestellt sind, da ihre Unternehmen von öffentlichen Stellen die Gelder erhalten, ohne die sie nicht konkurrenzfähig werden. Und gesellschaftlich fordert dieser Wandel traditionelle Geschlechterverhältnisse und familiäre Hierarchien heraus: Noura spricht offen darüber, dass es Konflikte mit ihren Eltern gebe, die nicht verstehen können, warum ihre älteste Tochter einen beruflichen Weg einschlage, der keinen Raum für eine Familie biete. Gleichzeitig versuchen auch ihre Eltern, sich an diese neuen Gegebenheiten anzupassen, sich daran zu gewöhnen, dass ihr Saudi-Arabien heute ein anderes Land sei als vor 20 oder 30 Jahren, in dem Leistungsbereitschaft, Motivation, Ausdauer, Karrierebewusstsein und Hartnäckigkeit fundamentale Werte für den beruflichen Aufstieg geworden sind, die während der Hochzeiten des Wohlfahrtsstaates kaum eine Bedeutung hatten. Für Noura bleibt die Vereinbarkeit von individuellen Bedürfnissen und der Erwartungshaltung ihrer Familie ein Drahtseilakt: Zum einen möchte sie sich selbst verwirklichen und ihren beruflichen Werdegang fortsetzen – trotz oder gerade wegen der mannigfaltigen Herausforderungen. Zum anderen will sie ihre familiären und gesellschaftlichen Wurzeln nicht verlieren und ihre Eltern nicht verprellen. Sie selbst bezeichnet sich als konservativ, sie will nicht provozieren oder revoltieren, muss sich aber den neuen Zwängen des Arbeitsmarkts anpassen. Dieser Widerspruch bringt sie in ein Dilemma: Sie fürchtet aufgrund der enormen beruflichen Belastung und der steigenden gesellschaftlichen Konflikte mentale Probleme. Dies zehrt an ihren Nerven, und damit ist sie nicht alleine. Auch viele Männer werden durch diese neue Realität herausgefordert: Je mehr Frauen sich als integrierte Kräfte des Aufstiegs und der wirtschaftlichen Partizipation verstehen, desto mehr gerät das einstige Patriarchat in den arabischen Monarchien ins Wanken. Dies führt bei vielen jungen Männern zu Unsicherheiten und einer sozialen Furcht, abgehängt zu werden.255 Gleichzeitig sind sie stolz auf den Erfolg der Frauen – eine psychologische Misere. Viele von ihnen sehen einen Job im Privatsektor als Sprungbrett, um früher oder später doch im öffentlichen Dienst zu arbeiten. Umso größer ist die Enttäuschung, wenn sich dieses Ziel nicht realisieren lässt, sie weniger verdienen und sich in einer Konsumgesellschaft nicht alles leisten können. Sie stehen unter enormem Erwartungs- und Erfolgsdruck, dem sie sich selbst aussetzen, der aber auch vom sozialen Umfeld ausgeübt wird. Oftmals erwarten ihre Eltern von ihren Söhnen, wie früher für die Familie sorgen zu können. Doch viele Universitätsabsolventen müssen nach ihrem Abschluss bis zu sechs Monate warten, ehe sie einen passenden Job finden256 – für ihre Eltern wäre eine ähnliche Situation undenkbar gewesen. Viele bemängeln, dass es ihnen nicht möglich sei, einen Job auf offiziellem Wege
zu erhalten, sondern nur mit Hilfe von persönlichen und familiären Netzwerken (wasta). Diese Abhängigkeit von Kontakten sei wie ein »Krebsgeschwür«, kritisieren junge Saudis.257 Und so steigt der soziale und wirtschaftliche Druck für Frauen wie Männer, Erwartungen neu zu justieren und ihre Arbeitsmentalität neuen Realitäten anzupassen. 2.3 Die Arbeitsmigration: Das Rückgrat des golfarabischen Aufstiegs Arbeitsmigration ist in allen Golfstaaten zu einer historischen Konstante geworden. Heute arbeiten weltweit ca. 10% aller Migrant:innen in den Golfstaaten. In vier der sechs Golfmonarchien liegt der Anteil der ausländischen über dem der einheimischen Bevölkerung. Am signifikantesten gestaltet sich das Missverhältnis in Katar, wo der Anteil der Arbeitsmigrant:innen knapp 88% beträgt. Es folgen die VAE mit 87% und Kuwait mit 69% vor Bahrain mit 53% sowie Oman und Saudi-Arabien mit je etwa 39%.258 Seit Jahrhunderten prägt reziproke Einwanderung aus Afrika oder Asien259 die kosmopolitische Gesellschaftsstruktur, die durch komplexe Handels- und Sklavennetzwerke bis ins 16. Jahrhundert zurückgeht.260 Die Pilgerfahrt nach Mekka und Medina befruchtet die Region des saudischen Hidschaz seit Jahrhunderten mit translokalen Ideen und fungiert noch immer als Träger für kulturellen Austausch.261 Nach Beginn der kommerziellen Ölproduktion nahm die Migration in die arabischen Golfmonarchien an Fahrt auf und wurde zu einem Geschäftsmodell der jeweiligen Herrscherfamilien: Um eine effiziente Verwaltung aufzubauen, wurden Lehrkräfte und Beamte aus anderen arabischen Staaten wie Ägypten, Jordanien oder Syrien benötigt. Bereits zur Zeit der saudischen Eroberungszüge setzte Ibn Saud auf ausländische Expertise, die im noch weitgehend beduinisch geprägten Königreich zu seiner Zeit nicht zur Verfügung stand. So engagierte er Technokraten aus Ägypten, Syrien, Jordanien und dem Libanon262 sowie aus Europa, darunter den bekannten britischen Arabisten Harry St. John Philby (1885–1960), der für Ibn Saud in der Zwischenkriegszeit als Berater fungierte.263 Mit der Vergabe der Ölkonzessionen wuchs in allen Golfstaaten die Anzahl der Arbeitsmigrant:innen: Viele von ihnen arbeiteten in der boomenden Ölindustrie und stammten wie im Fall von Saudi-Arabien noch aus den USA, Italien oder Eritrea264, später auch aus Indien und zu einem geringen Anteil auch aus Pakistan.265 Die Zahl der nicht-muslimischen (überwiegend männlichen) Ausländer stieg im Königreich von 50 auf 7.000 bis in die 1950er Jahre.266 Zu dieser Zeit stammten in Kuwait 95% aller Lehrkräfte, Krankenpfleger und Ärzte aus dem Ausland.267 Um die damals mit nur 20.000 Einwohner:innen zu geringe Bevölkerung der Emirate zu erhöhen, setzten die VAE auf die Anwerbung von jemenitischen Arbeitskräften.268 Im Oman übernahmen in den 1970er Jahren Migranten aus Belutschistan wichtige Aufgaben im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich und setzten damit die omanische Tradition der multikulturellen
Einwanderung fort, während Mitte der 1970er Jahre mehr als die Hälfte aller Lehrkräfte aus Ägypten und ein Fünftel aus Jordanien stammte.269 Gleichzeitig suchten viele omanische Arbeitskräfte ihr Glück in Abu Dhabi, da sie in ihrer Heimat häufig weniger verdienten. So fungierte Oman gleichzeitig als Ein- und Auswanderungsland.270 In Zeiten dieser sich wandelnden sozioökonomischen und sozialen Gegebenheiten wurden vor allem männliche Arbeitsmigranten aus arabischen Nachbarstaaten zunehmend als politisches Sicherheitsrisiko wahrgenommen271: Viele von ihnen sympathisierten mit dem vom ägyptischen Präsidenten Gamal Abd al-Nasser (reg. 1952–1954 als Ministerpräsident und 1954–1970 als Staatspräsident Ägyptens) proklamierten arabischen Nationalismus, was die Golfmonarchien als Gefahr für ihr eigenes Herrschaftsmodells betrachteten.272 In dieser Phase mussten Anhänger:innen der ägyptischen Muslimbruderschaft vor der Verfolgung Nassers fliehen und suchten Zuflucht in Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten. Dort wurden sie zwar zu Beginn als willkommene Marionetten betrachtet, um der Strahlkraft des charismatischen ägyptischen Präsidenten entgegenzutreten.273 Doch mit den Jahren setzten die Islamisten ihr politisches Engagement fort und begannen, Lehrinhalte mitzubestimmen und islamistische Inhalte verstärkt zu verbreiten.274 Daraus entwickelte sich die von den Muslimbrüdern inspirierte »islamische Erweckungsbewegung« (as-Sahwa al-Islamiyya), die zu einer einflussreichen Oppositionsbewegung anwuchs. Das Königshaus wurde als »dekadent«, »korrupt« und als Inbegriff der westlichen Modernisierung diffamiert.275 Gleichzeitig kritisierte sie, nicht an den rapide wachsenden Öleinnahmen beteiligt und vom saudischen Wirtschaftswunder ausgegrenzt zu werden.276 Um dieser »Ägyptisierung«277 entgegenzutreten, wurden »unliebsame« arabische Arbeitsmigrant:innen ausgewiesen, wodurch ihre Zahl drastisch sank278: In Saudi-Arabien reduzierte sich ihr Anteil von 72% im Jahr 1975279 auf 25 bis 29% im Jahr 2002.280 Kuwait verzeichnete bis 2003 einen Rückgang von 80% auf 30%. Weiterhin initiierten die Golfmonarchien Ausweisungskampagnen, um die Regierungen der Herkunftsländer in Zeiten bilateraler Krisen unter Druck zu setzen. Dies zeigte sich exemplarisch im Fall der palästinensischen und jemenitischen Unterstützung für den Einmarsch Saddam Husseins in Kuwait, der in den Golfstaaten abgelehnt wurde. In der Folge wies Kuwait 350.000 palästinensische und Saudi-Arabien bis zu 1 Million jemenitische Gastarbeiter:innen aus.281 Bereits in den 1970er Jahren erfolgte ein Kurswechsel und eine »De-Arabisierung«282 des Arbeitsmarktes: Anstatt »Problemmigrant:innen« aus der arabischen Nachbarschaft anzuwerben, wurden nun vor allem asiatische Arbeitskräfte rekrutiert.283 Sie stammen mehrheitlich aus Indien, Bangladesch, Pakistan, den Philippinen, Nepal, Sri Lanka, Indonesien sowie aus afrikanischen Ländern wie Sudan, Eritrea oder Äthiopien284 und arbeiten zumeist aufgrund ihrer geringen Ausbildung in Infrastrukturprojekten, im
Dienstleistungssektor oder im häuslichen Bereich als Hausangestellte, Fahrer oder Köche. Sie galten als weniger empfänglich für islamistische Ideen und wurden damit im Gegensatz zu den arabischen Migrant:innen nicht als Unruhestifter und Querulanten wahrgenommen.285 In den Golfstaaten hat die Anwerbung von Arbeitsmigrant:innen zu einem gewaltigen Bevölkerungszuwachs geführt: Innerhalb von nur zehn Jahren stieg die Bevölkerungszahl in allen Golfmonarchien von 23,5 Mio. auf mehr als 30 Mio. Katars Einwohnerzahl erhöhte sich von 50.000 in den 1950er Jahren auf 1,7 Mio. im Jahr 2010 – dem Jahr der WMVergabe. Zwölf Jahre später – kurz vor Beginn der WM – waren es bereits 2,8 Mio., wovon 90% aus dem Ausland stammen.286 In Kuwait erhöhte sich die Bevölkerung zwischen 1950 bis 2017 von 150.000 auf 4,1 Mio. um das 27-fache. Doch die wachsende Bevölkerung führt zu einem Dilemma: Je mehr ausländische Arbeitskräfte ins Land kommen, umso weniger Jobs finden die jungen golfarabischen Staatsangehörigen. Um sich aus der Abhängigkeit von ausländischen Arbeitsmigrant:innen zu lösen und die steigende Arbeitslosigkeit in der eigenen Bevölkerung zu bekämpfen, priorisieren die Golfstaaten eine Nationalisierungspolitik, um den Anteil ausländischer Arbeitskräfte zu reduzieren.287 Bereits im ersten Entwicklungsplan 1970 forderte SaudiArabien, die Zahl der Arbeitsmigrant:innen zu senken – lange ohne nachhaltigen Erfolg. Die Gründe dafür gestalten sich mannigfaltig: Privatunternehmen sahen keinen Anreiz, mit den Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst zu konkurrieren. Dies führte dazu, dass saudische Arbeitskräfte sich stattdessen in die »freiwillige Arbeitslosigkeit« begaben, da sie sich weigerten, einen Arbeitsplatz im Privatsektor zu schlechteren Konditionen zu akzeptieren. Weiterhin grassierte die sogenannte »Phantom-Beschäftigung«, bei der zwar vertraglich die Angestellten bei dem jeweiligen Unternehmen beschäftigt sind und von ihm bezahlt werden, ohne jedoch tatsächlich ihrem Dienst nachzukommen. Der wird weiterhin von ausländischen Arbeitskräften geleistet. Auch nehmen Unternehmen lieber die drastischen Strafzahlungen in Kauf, wenn sie gegen die Auflagen zur Nationalisierung verstoßen, weil dies günstiger ist, als golfarabische Arbeitskräfte einzustellen. Für die Migrant:innen und ihre Familien ist die Auswanderung häufig die einzige Möglichkeit, der Armut in ihrer Heimat zu entfliehen und ihre daheim gebliebenen Angehörigen finanziell zu versorgen. Weltweit stammt ein Viertel aller Rücküberweisungen aus den arabischen Golfstaaten: Aus den VAE flossen 2020 USD 43,2 Mrd. in die Heimatländer der Migrant:innen. Es folgen Saudi-Arabien mit USD 34,6 Mrd. sowie Kuwait und Katar mit je USD 10,7 Mrd. Diese Rücküberweisungen gelten vielen Entsendestaaten in Asien oder Afrika als existenzielle Einnahmequelle, um die maroden Wirtschaften zu stabilisieren. In Nepal beträgt der Anteil der Rücküberweisungen fast ein Viertel des BIP, in Pakistan sind es 12,6%, in den Philippinen 9,4%, in Ägypten 8,4%, in Marokko 7,4% und in
Bangladesch 6,5%. Im Fall von Bangladesch werden 85% der täglichen Ausgaben aus Rücküberweisungen bestritten und 60% aller Familien sind vollständig von den Geldtransfers aus dem Ausland angewiesen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Bei Indien handelt es sich mit einem Volumen von USD 89 Mrd. um den größten Empfänger von Rücküberweisungen weltweit: 18% stammten aus den VAE, 5,1% aus Saudi-Arabien, 2,4% aus Kuwait, 1,6% aus dem Oman und 1,5% aus Katar.288 Diese Geldtransfers fungieren für die Familien der Migrant:innen sowie die jeweiligen Regierungen als Armutsbremse, sodass trotz vieler Benachteiligungen die Auswanderung für die meisten die einzige Alternative für die Flucht aus der Perspektivlosigkeit bietet. Diese Abhängigkeit hat zu asymmetrischen Machtverhältnissen geführt, die zur strukturellen Ausbeutung der Migrant:innen führen und die Lebensrealitäten der Arbeitsmigranten massiv verändern.289 Insbesondere im Vorfeld der WM fokussierte sich die kontroverse Debatte auf die Ausbeutung der Arbeitsmigrant:innen in Katar. So wurden vor allem die tödlichen Unfälle auf WM-Baustellen, die unhygienischen Lebensbedingungen und die rechtliche Benachteiligung der ausländischen Arbeitskräfte thematisiert und schwollen u. a. in Deutschland zu einem Sturm der Entrüstung an. Vielfach werden die Bedingungen der Arbeitsmigranten in Katar und anderen Golfmonarchien als »moderne Sklaverei« bezeichnet.290 Die Situation der Arbeitsmigrant:innen in allen Golfstaaten bleibt zweifelsohne hochproblematisch.291 Dies gilt insbesondere für weibliche Hausangestellte, da sie lange Zeit nicht rechtlich geschützt waren. Sie beklagen Schlafentzug, Vergewaltigungen und Misshandlungen durch die jeweiligen Bürgen sowie ausstehende Lohnzahlungen. Als historische Grundlage des Migrationssystems fungiert das sogenannte Kafala-System, worin ein »Bürge« (kafil) weitreichende Kontrolle über seine Arbeitskraft ausüben darf.292 Das Kafala-System bietet den politischen und juristischen Hintergrund für das Arbeitsverhältnis zwischen den Bürgen und den Arbeitsmigrant:innen, welches ein asymmetrisches Machtgefüge bildet: Der Kafil kann den ausländischen Migrant:innen u. a. den Reisepass abnehmen, deren Bewegungsfreiheit kontrollieren und vertragliche Absprachen modifizieren. Außerdem darf der Kafil die Arbeitsverträge einseitig kündigen, was viele Migrant:innen in die prekäre Situation versetzt, entweder in die Heimat zurückkehren zu müssen oder sich auf dem Schwarzmarkt zu verdingen, wodurch Abschiebung und Verhaftung drohen.293 Im Zuge der Nationalisierung verloren viele Arbeitsmigrant:innen ihre Jobs und mussten in ihre Heimat zurückkehren – ein Trend, der noch zunehmen könnte, da die Wirtschaften in den Golfstaaten zunehmend digitalisiert und automatisiert werden.294 Die Herkunft des Kafala-Systems ist umstritten295: Traditionell beruht es vermutlich auf der von Beduinen für Fremde gewährte Schutzgarantie, für deren Sicherheit bürgen zu
müssen. Die Briten institutionalisierten es während der Zeit des Protektorats296 zuerst in Bahrain im Jahr 1913. Zwei Jahre später begann die britische Kolonialverwaltung im Oman, die Rekrutierung von ausländischen Arbeitskräften zu kontrollieren. Es folgten Kuwait zehn Jahre später sowie Katar im Jahr 1938. Mit der Einrichtung von Passkontrollen und der Einführung von Staatsbürgergesetzen wurde das Bürgschaftssystem weiter konsolidiert und integraler Bestandteil der indirekten Herrschaft des britischen Empires in den Monarchien am Golf. Bis heute hat das Kafala-System als Basis der Rekrutierung überdauert und bestimmt das Verhältnis zwischen Kafil und Arbeitskraft. Fälschlicherweise wird zumeist angenommen, das Kafala-System existiere nur in den Golfmonarchien, allerdings finden sich ähnliche Strukturen auch in Jordanien oder dem Libanon. Vielen Auswanderer:innen sind vor ihrer Ausreise die Auswirkungen und Inhalte des Kafala-Systems nicht ausreichend bekannt. Dies liegt daran, dass sich zwar eine jahrhundertelange Kettenmigration aus Asien in die Golfstaaten etabliert hat, doch viele Gastarbeiter:innen selten von den Missständen und der strukturellen Ausbeutung berichten. Oftmals stehen sie in der Schuld ihrer Angehörigen, die hohe Gebühren an die Rekrutierungsagenturen zahlen müssen, um die Auswanderung überhaupt zu finanzieren.297 Dafür müssen sie in vielen Fällen Kredite aufnehmen oder gar ihr weniges Eigentum veräußern.298 Vor diesem Hintergrund schämen sich viele Migrant:innen, ihre Familien über ihre Sorgen und Probleme zu informieren, da sie als deren größte Hoffnung gelten, den eigenen Lebensstandard zu erhöhen. Sie befinden sich somit in einer widersprüchlichen Lebenswirklichkeit, da sie im Aufnahmeland nur temporär geduldet sind, und sie deshalb die engen Bindungen an die Heimat nicht aufgeben wollen, obwohl sie mitunter einen Großteil ihres Lebens fernab der Heimat verbringen. Migration wird somit zu einem Status der dauerhaften Vergänglichkeit: In der Regel leben die Migrant:innen in einer kulturell fremden Heimat ohne ihre Familien, sehen diese sehr selten und kommunizieren ansonsten zumeist über soziale Netzwerke. Hinzu kommt die stetige Unsicherheit, die eigene Existenz zu verlieren, da die Abhängigkeit vom Kafil weiterhin hoch ist. Ausweisung, Lohnausfall und Empfinden des Versagens, wenn man in die Heimat zurückkehren muss, sind weiterhin alltägliche Szenarien, die die Migrant:innen belasten. All diese Gründe führen zu mentalen Problemen, da sich die Gastarbeiter:innen in einer dreifachen Abhängigkeit befinden299: Erstens sind sie ihren Familien verpflichtet, die Migration erfolgreich zu gestalten und den Fluss der Rücküberweisungen sicherzustellen. Zweitens haben sie sich hoch bei den Rekrutierungsagenturen verschuldet und stehen drittens unter der weitgehenden Kontrolle ihrer golfarabischen Bürg:innen. Zwar besteht der politische Druck in vielen Entsendestaaten, die irregulären und intransparenten Rekrutierungsprozesse besser zu kontrollieren, indem sich die Agenturen offiziell registrieren. Die Erfolge bleiben jedoch
überschaubar. Stattdessen hat sich ein komplexer und intransparenter Markt an nichtregistrierten Rekrutierungsagenturen entwickelt.300 Die von den Migrant:innen und ihren Familien aufzubringenden Summen für die Agenturen betragen zwischen USD 2.600 im Fall von Katar301 und bis zu USD 5.200 bei einer Auswanderung nach Saudi-Arabien.302 Solche Gebühren stellen für die meisten Arbeitsmigrant:innen astronomische Beträge dar, sodass sie in den ersten Jahren ihres Aufenthalts am Golf diese Schulden begleichen müssen. Sollten sie in dieser Zeit zurückkehren, wäre das getätigte Investment in sie verloren – eine Bürde, die nur die wenigsten bereit sind einzugehen. Weiterhin hat sich mit »Go now, pay later«303 eine Praxis etabliert, in der die Agentur die Migrationskosten im Vorfeld übernimmt, diese aber vom Gehalt der Arbeitskräfte abzieht. Ein solches Vorgehen erleichtert den Migrant:innen zwar die Auswanderung, doch die finanziellen Belastungen steigen im Ausland rapide an. Außerdem erwerben viele golfarabische Bürg:innen das Recht, mehr als für den Eigenbedarf benötigte Arbeitskräfte zu rekrutieren, um sie nach ihrer Ankunft an andere Arbeitgeber:innen für eine hohe Gebühr zu transferieren. Aufgrund dieser Praxis des Visahandels (tasattur) hat sich in den Golfstaaten ein lukrativer Markt entwickelt, in dem »Scheinbürg:innen«304 sogenannte »free visas« (azad wiza) ausstellen und über die Provisionen lukrative Gewinne generieren können. Solche Scheinbürg:innen konnten sich in den letzten Jahren eine lukrative Einnahmequelle aufbauen und sind daher nicht bereit, auf diese Annehmlichkeiten zu verzichten. Im Zuge einer durch den Staat initiierten Privatisierung gelang es mithilfe dieser Praxis einer kleinen Gruppe einheimischer Investor:innen, ihren engen Kontakt zu einflussreichen Eliten der jeweiligen Herrscherfamilie zu ihrem Vorteil zu nutzen und sich weitere Annehmlichkeiten zu sichern. Als Folge entstand ein semi-legales Geschäftsmodell, welches golfarabische Staatsangehörige allein aufgrund ihrer Nationalität in die Lage versetzt, bei der Arbeitgebervermittlung attraktive Provisionen zu generieren. Sie blockieren daher vielfach Versuche der jeweiligen Regierungen, die Benachteiligungen durch das Kafala-System zu mindern. Insbesondere Katar führte im Vorfeld der WM eine Vielzahl von rechtlichen Änderungen ein, die die Situation der Arbeitsmigrant:innen verbessern sollten: Im Oktober 2017 kündigte Katar an, das Kafala-System abzuschaffen305, und weitere Reformmaßnahmen als Bestandteil einer langjährigen Kooperation mit der International Labour Organization (ILO) umzusetzen. Im April 2018 eröffnete die ILO ihr erstes Büro in den Golfstaaten.306 Es wurde festgelegt, dass Arbeitnehmer:innen ihre Bürg:innen ohne deren Zustimmung wechseln sowie das Land verlassen können. Im September 2020 trat dieses Gesetz in Kraft. Mittlerweile ist es für Migrant:innen nicht mehr obligatorisch, von ihren Arbeitgebern ein sogenanntes »No Objection Certificate« (NOC) einholen zu müssen, wenn sie ihre
Arbeitgeber:innen wechseln wollen.307 Strengere und umfassendere Kontrollen zur Einhaltung der Regeln wurden ebenso beschlossen wie die Einführung von Richtlinien zu fairer Rekrutierung. 2017 wurde festgelegt, auch Hausangestellten freien Zugang zu medizinischer Versorgung sowie angemessene Verpflegung und Unterkunft zukommen zu lassen. 2021 folgte die Einführung des Domestic Workers Law, welches vorsieht, Hausangestellten einen revidierten Arbeitsvertrag zu geben, der ihnen die gleichen Rechte hinsichtlich von Überstundenbezahlung, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Beendigung des Kontraktes zuspricht wie Arbeitskräften im kommerziellen Privatsektor.308 Weiterhin wird mittlerweile die Konfiszierung der Reisepässe mit Strafzahlungen belegt.309 Außerdem wurden bessere Beschwerdemechanismen eingeführt, wenngleich in den meisten Golfstaaten die Gründung von Gewerkschaften verboten ist. In Katar wurde mittlerweile ein Mindestlohn eingeführt, der USD 274 beträgt. Weiterhin wurden die Arbeitszeiten neu festgelegt: Arbeiten unter freiem Himmel sind nun zwischen 10.00 Uhr und 15.30 Uhr zwischen dem 1. Juni und dem 15. September verboten. Sollte die Außentemperatur über 32,1 Grad steigen, werden die Arbeiten ebenfalls eingestellt – unabhängig von der Jahreszeit.310 Mit sogenannten Qatar Visa Centers (QVC) versucht die katarische Regierung, mit einigen relevanten Entsendestaaten wie Sri Lanka, Bangladesch, Pakistan, Nepal, Indien oder den Philippinen besser zusammenzuarbeiten, um zukünftige Migrant:innen mit weiterführenden Informationen auf ihre Ausreise vorzubereiten. Diese Zentren informieren über offizielle Rekrutierungsagenturen und stellen Übersetzungsleistungen für die Arbeitsverträge zur Verfügung. Katar gilt mit diesen Maßnahmen als Vorreiter in der Golfregion, doch auch in den anderen Golfmonarchien wurden ähnliche rechtliche und politische Veränderungen auf den Weg gebracht – wenngleich in geringerem Umfang. Dies wird auch von internationalen Menschenrechtsorganisationen bestätigt.311 Allerdings existiert weiterhin eine enorme Diskrepanz zwischen den bestehenden rechtlichen Regelungen und deren Umsetzung: Noch immer leiden viele Arbeitsmigrant:innen unter den beschriebenen Benachteiligungen, da es den Regierungen nicht gelingt, die erlassenen Richtlinien durchzusetzen. So können die Bürg:innen noch immer aus relativ nichtigen Gründen die Arbeitsverträge einseitig kündigen312, während Kontrollen und Inspektionen in allen Golfstaaten in zu geringem Umfang stattfinden313 und im Fall von Katar vor allem auf die Prestigeprojekte der WM-Baustellen begrenzt blieben. Es fehlt geschultes Personal und die Absicht, Regeln umzusetzen. Zudem existieren noch immer zu wenig niedrigschwellige Beschwerdesysteme für Migrant:innen mit geringer Bildung. Trotz der Einführung eines Mindestlohns314 liegt die Garantiesumme zumeist unterhalb des Existenzminimums und bringt die Migrant:innen in die prekäre Situation, nur geringe Rücküberweisungen an ihre Familien leisten zu können. Der pandemiebedingte Preisanstieg
sowie der Arbeitsstopp in vielen Branchen wie dem Bausektor verschärfte die finanzielle Situation der Migrant:innen massiv. Weiterhin klagen sie immer wieder über ausstehende Lohnzahlungen und ineffiziente rechtliche Möglichkeiten, Gehälter einzufordern. Hauptgrund für diese fortbestehenden Missstände ist das weit verzweigte Netzwerk an Lobbyisten, die von der Ausbeutung der Migrant:innen profitieren. Gleichzeitig scheuen sich Regierungen einiger Entsendestaaten, diese Missstände anzugehen, um diplomatische Konflikte mit den Regierungen am Golf zu vermeiden. Immerhin sind sie auf die Rücküberweisungen angewiesen und fürchten im Falle einer bilateralen Krise die Ausweisung ihrer Landsleute. Während der Corona-Pandemie litten in den Golfstaaten vor allem Niedriglohnmigrant:innen unter zusätzlicher Ausgrenzung, da sie als »Superspreader« diffamiert wurden.315 Als Folge wurden ihre Unterkünfte abgeschottet, und sie nur unzureichend mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt, was ihre prekäre Situation noch verschärfte.316 Die Golfstaaten sind zu multiethnischen und -konfessionellen Schmelztiegeln geworden, in denen die Präsenz von unterschiedlichen Kulturen zu einer dauerhaften Realität geworden sind.317 Dies fordert seit Generationen das soziale Zusammenleben heraus: Viele golfarabische Staatsangehörige betrachten die Dominanz der Migrant:innen als Bedrohung ihres Lebensstils, als Gefahr für die soziale Stabilität und die nationale Sicherheit. »Wir gegen die Anderen« heißt vielfach das Motto; Xenophobie und Rassismus grassieren dabei ebenso wie Parallelstrukturen und soziale Hierarchien innerhalb der Migrantencommunities. In Katar oder Kuwait fühlen sich viele als Fremde im eigenen Land.318 Doch trotz aller Benachteiligungen: Die ständige Präsenz der Arbeitsmigrant:innen hat auch zu interkulturellen Netzwerken geführt; asiatische Hausangestellte werden teilweise als Familienmitglieder und wichtige Ansprechpartner:innen für die betreuten Kinder wahrgenommen; indische Küche hat sich mit den arabischen Essensgewohnheiten vermischt; pakistanische und nepalesische Arbeitsmigrant:innen unterhalten in Katar ihre eigenen Cricket-Ligen; und golfarabische Unternehmer:innen gründen mit Kolleg:innen aus Afrika oder Asien gemeinsame Firmen. In den letzten Jahren haben alle Golfstaaten ihre Bereitschaft erhöht, mit internationalen Organisationen wie der ILO zusammenzuarbeiten. Multilaterale Formate wie der 2008 gegründete Abu Dhabi Dialogue (ADD) wollen auf politischer Ebene Lösungen für die Benachteiligungen der Arbeitsmigrant:innen finden. Dem ADD gehören relevante Entsendestaaten wie Bangladesch, Indien, Indonesien, Malaysia, Nepal, Pakistan, die Philippinen, Sri Lanka, Vietnam oder Thailand sowie alle Golfmonarchien an. Weiterhin fungieren Vertreter:innen der ILO und anderer internationaler Organisationen als ständige Beobachter:innen.319 In einigen Golfstaaten setzen sich Nichtregierungsinstitutionen wie das Kuwait Aid Network320 für die Rechte der
Migrant:innen ein und prägen einen nuancierten Diskurs, der die ausländischen Arbeitskräfte nicht als Gefahr und Bürde, sondern als integrierte Mitglieder der golfarabischen Gesellschaften darstellt. Kurz: Arbeitsmigrant:innen fungieren auf vielen Ebenen als Transmissionsriemen für kulturellen Austausch, sodass die Golfstaaten als hybride Ausgeburten der vernetzten Globalisierung gelten können – mit allen Licht- und Schattenseiten.321 2.4 »Gemeinsam sind wir stark«: Die Identitätspolitik Am 22. Februar 2022 erleuchtete das Königreich Saudi-Arabien in den grünen Landesfarben; überall wehten die Nationalflaggen mit dem islamischen Glaubensbekenntnis, hatten sich Menschen ihre Gesichter grün-weiß geschminkt und trugen traditionelle Kleidung.322 An diesem Tag wurde in Saudi-Arabien zum ersten Mal der vom Kronprinzen eingeführte »Gründungstag« gefeiert. Er soll an die glorreiche Geschichte des Königreichs erinnern und bezieht sich auf das Jahr 1727: Damals soll, so die saudische Historiographie, mit der Gründung des ersten saudischen Staates durch Muhammad bin Saud die Geschichte des modernen Saudi-Arabiens begonnen haben. Opern-323, Theater- und Schulaufführungen324 huldigten der saudischen Tradition, Kamel- und Pferdeparaden325 erinnerten an die beduinischen Traditionen und Ausstellungen widmeten sich unterschiedlichen Phasen der saudischen Geschichte. Feiertage wie der saudische Gründungstag finden sich auch in anderen Golfmonarchien. Dahinter steckt das Ziel, heterogene und fragmentierte Gesellschaften zu einen, eine nationale Identität zu konstruieren und mit der Erfolgsgeschichte der jeweiligen Dynastien zu verknüpfen. Als symbolische Momente der Einheit zwischen Bevölkerung und Herrscher verdeutlichen sie die Bemühungen der Regierungen, eine Identitätspolitik zu implementieren326, die – Achtung, Floskel – Tradition und Moderne miteinander verbindet.327 Die Turbo-Modernisierung, die die Golfstaaten durchlaufen, hat traditionelle Lebensgewohnheiten radikal verändert und tribal und beduinisch organisierte Gesellschaften innerhalb weniger Generationen in die kapitalistische Moderne katapultiert. Der Wandel als stetige Kontante sorgt daher bei vielen Menschen für Irritationen, für das Gefühl, zwischen den Stühlen zu sitzen, verloren und entwurzelt zu sein. Die Dominanz der Arbeitsmigrant:innen trägt ebenfalls dazu bei, dass viele Menschen in den Golfstaaten ein Gefühl der Heimatlosigkeit empfinden und sich ihrer eigenen Herkunft nicht mehr bewusst sind. Die zunehmende Urbanisierung, die Auflösung der traditionellen Familien- und Geschlechterstrukturen sowie die neuen Möglichkeiten in Bildung, Wirtschaft und Gesellschaft wirken auf viele wie eine Zentrifugalkraft, die sie nicht kontrollieren können: Vielen fehlt ein kultureller Halt in einer Gesellschaft im Umbruch.328
Dieses Gefühl wollen die jeweiligen Regierungen für ihre Zwecke ausnutzen und bedienen im Rahmen ihrer Identitätspolitik die Sehnsucht nach Nostalgie, Heimat und Geborgenheit. Nationalfeiertage werden dazu ebenso als Wohlfühloasen für die geschundene Seele der golfarabischen Gesellschaften instrumentalisiert wie Kulturfestivals, der Bau von Kulturdörfern oder nationalen Museen. In Saudi-Arabien beinhaltet die neue Identitätspolitik unter MbS auch eine Schwächung der traditionellen religiösen Eliten. Der Gründungstag wurde teilweise als Symbol für die Entmachtung des wahhabitischen Klerus betrachtet, der zweifelsohne unter MbS massiv an Einfluss verloren hat. Insbesondere die historische Allianz zwischen den Wahhabiten und der Al Saud galt als Erfolgsformel der saudischen Geschichte, wird aber von MbS relativiert. Er spricht von einer »Rückkehr zum moderaten Islam«329 und meint damit die Zeit vor 1979 und der zunehmenden Wahhabisierung des Staates. Stattdessen soll die saudische Identität auf einem konservativen Nationalismus beruhen, in dem der Islam zwar weiterhin einen wichtigen Pfeiler des kollektiven Gedächtnisses darstellt, aber nicht mehr den wichtigsten. Allerdings hatte die wahhabitische Gelehrsamkeit bereits vor der Ära MbS an Einfluss und Deutungshoheit verloren und wurde zu einem »Juniorpartner«330 degradiert. Diesen Weg setzt der Kronprinz nun fort – nur mit radikaleren Mitteln, wie u. a. die Entmachtung der Religionspolizei zeigt. Gleichzeitig bleibt Saudi-Arabien ein tiefreligiöses Land, in dem der Islam für die meisten Menschen eine sinn- und identitätsstiftende Bedeutung besitzt. MbS versucht daher, die religiöse Identität mit einer nationalistischen Erzählung zu verbinden, damit sich die saudische Gesellschaft – die »Generation MbS« – aus dem Dogma des traditionellen Klerus löst und seine Definition der saudischen Identität akzeptiert. Im Rahmen dieser hybriden Identitätskonstruktion werden Helden der saudischen Geschichtsschreibung wie Muhammad bin Saud oder Abdulaziz bin Saud als Gründungsväter verehrt, während Prediger Muhammad bin Abd al-Wahhab (1703–1792), Gelehrter und Begründer der sunnitischen Islamauslegung des Wahhabismus, an Popularität verliert. Traditionelle Bräuche wie Tänze, Falknerei oder Gesang werden revitalisiert und gehören mittlerweile zum Teil des modernen Lifestyles, während historische Orte wie Al Ula oder Diriyya im Nordwesten Riads als symbolische Orte einer saudischen Identität stilisiert werden. In Diriyya begann der Siegeszug Ibn Sauds, was in aufwändigen Videoprojektionen den Besucher:innen ebenso vor Augen geführt wird, wie in entsprechenden Ausstellungen zur saudischen Geschichtsschreibung. Al Ula, die Wüstenoase im Herzen des Landes, zu der Mada’in Salih, eine nabatäische Gräberanlage mit über 100 Monumentalgräbern aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., gehört, soll ebenso eine Ikone des saudischen Kulturtourismus werden.331 Die Suche nach einer nationalen Identität und einem kollektiven Gedächtnis bleibt dabei
ein Drahtseilakt für jeden Einzelnen – wie der Fall Mohammads aus Katar zeigt. Das kleine Dorf, Mohammads Heimat, liegt am Stadtrand der glitzernden Metropole Dohas. Die Hauptstadt Katars erstreckt sich mittlerweile weit ins Landesinnere und hat sich bis kurz vor die weißgetünchten Stadtmauern der beschaulichen Siedlung ihren Weg durch die Kargheit der katarischen Wüste gebahnt. Mohammad berichtet stolz, dass sein Heimatdorf seit Generationen seiner Familie gehöre. Im Diwan trifft er sich jeden Freitag gemeinsam mit Freunden und Cousins; solche Treffen finden geschlechtergetrennt statt. Ein Diwan ist ein traditioneller Ort des Austauschs und hat sich als Forum für politische und soziale Diskurse, Kontroversen und Diskussionen in der arabischen Welt etabliert. Auf hochrangiger Ebene treffen sich noch immer Vertreter:innen aus Politik, einflussreichen Stämmen oder der Wirtschaft, um über Probleme des öffentlichen Lebens zu diskutieren und Konflikte beizulegen. Der Diwan ist aber darüber hinaus auch ein Ort, um sich zu Familienangelegenheiten, zu Klatsch und Tratsch in der Nachbarschaft oder wirtschaftlichen Entwicklungen auszutauschen. Bei Kabsah, dem ursprünglich aus dem Jemen stammenden golfarabischen Traditionsgericht bestehend aus mit Kardamom und anderen Gewürzen verfeinertem Lamm, Gemüse und Reis, diskutieren die Freunde und Verwandte von Muhammad über ihr Heimatdorf und ihre Herkunft. Alle bedauern, dass ihr Dorf mittlerweile zu einem Vorort Dohas geworden sei und im Zuge der rasanten Modernisierung Katars ihr Heimatgefühl langsam verlorenginge. Die behagliche und ruhige Atmosphäre, die Weite der Wüste und die gemütlichen Abende in familiärer Geselligkeit seien immer seltener geworden, bemängelt Mohammad. Seine Familie sei im ganzen Land verstreut oder lebe teilweise in Europa und den USA. »Der Fortschritt hat seinen Preis«, betont er. »Und unsere Gesellschaft muss versuchen, einen Mittelweg zu finden, um die eigene Tradition und die Identität nicht zu verlieren.« Sein Beispiel zeigt, dass von vielen Seiten an der Seele und der Psyche der Menschen am Golf gezerrt wird: Er und seine Freunde suchen nach Halt, Identität und einem Orientierungsanker in einer Zeit der stetigen Unsicherheit. Die Bedeutung von Heimat verändert sich und Orte wie sein Heimatdorf verlieren an emotionaler Bedeutung. Es geht darum, nicht zu vergessen, wo man herkommt, um zu wissen, wo man hinwill. Auch deswegen schüren die Herrscher einen patriotischen Hyper-Nationalismus332 des »Saudi« oder »Qatar first«, in dem sie sich in den Mittelpunkt der historischen Staatswerdung rücken. Als Repräsentanten ihrer Dynastien vertreten sie in ihrer Erzählung nicht nur die Gegenwart und die Zukunft, sondern auch die komplexe und entbehrungsreiche Vergangenheit ihrer Gesellschaften und stehen damit in einer Reihe mit ihren Vorvätern. Mithilfe ihrer Identitätspolitik möchten sie ihre Herrschaft nicht nur politisch oder wirtschaftlich legitimieren, sondern durch bestehende Imaginationen von Macht und Kontrolle festigen: Ohne die Al Saud in Saudi-Arabien, die Al Khalifa in Bahrain, die Al Thani in Katar, die Al Sabah in Kuwait oder die Al Nahyan in Abu Dhabi wären die
Golfstaaten nicht das, was sie heute sind. Und ihre aktuellen Herrscher wollen durch ihre Identitätspolitik diesen Alleinstellungsanspruch verteidigen und manifestieren – mit Symbolen der kulturellen Aneignung, mit gemeinsamen Traditionen und einer Kulturpolitik, die das eigene Erbe akzentuiert. Hierfür werden traditionelle Stammesidentitäten wiederbelebt und als Bestandteil der nationalen Identität er- und manchmal verklärt sowie wiederentdeckt.333 Die Herrscher präsentieren sich als moderne Stammesführer. Die tribale Herkunft spielt zwar mittlerwerile eine geringere Rolle in einer urbanisierten Gesellschaft, fungiert aber noch immer als soziale Klammer. Bei Bewerbungsgesprächen wird verstärkt auf die tribale Herkunft geachtet und junge Menschen checken die Follower von ihren neuen Twitter- oder Instagram-Bekanntschaften, um herauszufinden, zu welchem Stamm sie gehören.334 Gleichzeitig bieten sich neue Geschäftsmöglichkeiten der folkloristischen Kulturpolitik in der Kunst, der Fotografie oder der Kultur. In Saudi-Arabien, Kuwait oder den VAE erleben lokale Künstler:innen einen phänomenalen Aufschwung, da sie in ihrer Arbeit die Erzählung einer gemeinsamen Identität präsentieren und somit zu Motoren der staatlichen Identitätspolitik werden. Saudi-Arabien investiert in nationale Archive oder Bibliotheken, finanziert saudischen Wissenschaftler:innen ihre historischen Studien und propagiert eine Kultur der saudischen Küche, Musik und Literatur. Als Folge durchläuft die Kreativindustrie in allen Golfmonarchien einen Boom: Die Exporte aus den Golfstaaten in der Kulturindustrie stiegen von USD 270 Mio. im Jahr 2002 auf USD 16,5 Mrd. im Jahr 2014.335 In den VAE soll der Anteil am BIP bis 2025 um 5% steigen.336 Lokale Künstler:innen können sich mit staatlicher und privater Unterstützung mehr denn je ihren Arbeiten widmen und tragen zur positiven Außendarstellung der Golfstaaten bei. In den VAE, Kuwait oder Katar sind in den letzten Jahren unzählige Kunstkollektive entstanden, die regionale und internationale Kulturkooperationen initiieren. Auf Auktionen werden Kunstwerke und Skulpturen von golfarabischen Künstler:innen für Höchstpreise versteigert und die Musik-, Film-, Podcastoder Theaterszene erlebt einen rapiden Aufschwung. Hinter diesen Initiativen stehen vor allem staatliche Organisationen. Die Regierungen investieren in die Kunst- und Kulturindustrie, wollen Jobs schaffen und die Wirtschaft diversifizieren. Gleichzeitig prägen kleine Kunstinitiativen und private Kollektive ebenso die Szene, sodass die heterogene und pluralistische Kulturlandschaft in den Golfstaaten von einem komplexen Wechselspiel zwischen einer Politik von oben und Graswurzelinitiativen gekennzeichnet wird, die sich von Land zu Land unterscheiden. In Katar rückte im Rahmen der »Qatar National Vision 2030« (QNV 2030) die Kultur- und Kreativindustrie in den Fokus des politischen Interesses, was sich u. a. in der Culture and Sports Sector Strategy (CSSS) zeigte, in deren Rahmen unterschiedliche Kunst- und Kulturinitiativen konzipiert und umgesetzt wurden. 2016
wurden die Ministry of Culture, Arts and Heritage und das Ministry of Youth and Sports zum Ministry of Culture and Sports (MOCS) fusioniert, um die Aktivitäten im Kulturbereich effizienter zu koordinieren und Parallelstrukturen zu minimieren. Die Gründung der Cultural Village Foundation (Katara) 2011 sowie die Durchführung von Filmfestivals durch das Doha Film Institute wie z. B. das Ajyal Film Festival und das Qumra Film Festival haben sich ebenso zu regionalen und internationalen Highlights der katarischen Kulturlandschaft entwickelt wie das 2008 eröffnete Museum of Islamic Art oder das 2019 fertiggestellte Nationalmuseum. Um Nachwuchstalente im Kunstbereich zu fördern, entstand in den letzten Jahren eine Vielzahl an Jugendzentren wie das Al Aziziya Youth Center, das Al Dayeen Youth Center, das Al Kabaan Youth Center oder das Barzan Girls Center. In der von Qatar Foundation gegründeten Education City bietet die Virginia Commonwealth University School of Arts international Studiengänge im Kunst- und Kulturbereich an, während die Qatar Museums Authority (QMA) einige Youth Hubs wie z. B. Fire Station oder M7 zur Förderung der Kreativszene in den Bereichen bildende Kunst, Design oder Mode für lokale und internationale Künstler:innen initiiert hat. Neben Katar haben sich die VAE – vor allem die Emirate Abu Dhabi, Dubai sowie in geringerem Umfang auch Sharjah – als regionale und internationale Zentren für Kunstausstellungen, Messen und Galerien etabliert. Globale Events wie die EXPO 2020 zielen darauf ab, die internationale Reputation im kulturellen Engagement zu verbessern, was zu mannigfaltigen Aktivitäten in den Bereichen bildende Kunst, Film, Design, Mode oder Architektur geführt hat. Institutionen wie Saadiyat Island and TwoFour54 in Abu Dhabi, der Dubai Design District, die Dubai Art Week, die Alserkal Foundation, das Jameel Arts Center und die ebenfalls in Dubai ansässige Mohammed Bin Rashid City sowie die Sharjah Art Foundation, das Maraya Art Centre und die Barjeel Art Foundation des berühmten emiratischen Künstlers Sultan al-Qassimi in Sharjah sind zu Zentren des kulturellen Engagements geworden. Hinzu kommen Initiativen wie das Swalif Publishing House oder die Youth Hubs in Dubai und Abu Dhabi, die sich der Förderung nationaler und regionaler Talente widmen und Formate zur Verbesserung des kulturellen Dialogs organisieren. Im Gegensatz zu den VAE und Katar hat sich in Saudi-Arabien erst in den letzten Jahren eine institutionalisierte Kunst- und Kulturszene entwickelt. Mittlerweile konkurriert das Königreich jedoch mit seinen Nachbarn um die erfolgversprechendsten Talente in der Golfregion, organisiert ebenso wie seine Nachbarn aufwändige Kunst- und Kulturevents mit internationaler Strahlkraft und betrachtet den Kultur- und Unterhaltungssektor als wesentliche Triebkraft der saudischen Diversifizierung und der Jugendförderung.337 Eine intensivierte Kulturpolitik soll dabei nicht nur die gesellschaftliche Kohäsion stärken, sondern auch Arbeitsplätze schaffen. Vor allem die Durchführung von Kulturveranstaltungen wie das Red Sea International Film Festival, die vom Ithra Center organisierte Saudi Film
Days Competition, die Riyadh und Jeddah Seasons oder die Diriyah Contemporary Art Biennale zielen darauf ab, die regionale Position Saudi-Arabiens zu verbessern und sich zunehmend mit den etablierten Standorten Katar und die VAE zu messen bzw. mit ihnen zu konkurrieren. In Saudi-Arabien entwickelt sich eine dynamische Kunstszene, die sich an asiatischer Popkultur wie Manga, Anime oder K-Pop orientiert338 und 2023 fanden zum ersten Mal die Fußball-Weltmeisterschaften im eGaming statt – traditionell erfreut sich das Zocken an der PlayStation in Saudi-Arabien großer Beliebtheit und wird durch den Staat gefördert339: Der Staat hat eine eigene Gaming-Strategie veröffentlicht, um eine einheimische Spieleindustrie aufzubauen und dadurch 300.000 Arbeitsplätze bis 2030 zu schaffen.340 Weiterhin soll Saudi-Arabien zu einem attraktiven Drehort für internationale Filmproduktionen werden. In Al Ula wurde mit »Kandahar« der erste US-amerikanische Blockbuster mit Gerard Butler in der Hauptrolle gedreht.341 Damit eifert das Königreich Jordanien und den VAE nach, wo u. a. »Transformers« oder »Indiana Jones und der letzte Kreuzzug« bzw. »Mission Impossible: Phantomprotokoll« mit Superstar Tom Cruise oder ein Teil der »Fast-&-Furious«-Actionfilme mit Vin Diesel gedreht wurden. In Kuwait dominierten in den letzten Jahrzehnten vor allem Mitglieder der Herrscherfamilie die Kunst- und Kulturszene und fungierten zumeist als Mäzen:innen, während Regierungsinstitutionen wie der Kuwait National Council for Culture, Arts and Letters nur eine rudimentäre Bedeutung besaßen. Allerdings hat sich in Kuwait ebenso wie in Bahrain in den letzten Jahren eine regional gut vernetzte, aus aufstrebenden Talenten bestehende und international sichtbare Kulturszene entwickelt. In Oman hat die Regierung unter Führung des Ministry of Culture, Sports and Youth entschieden, die lokale Kultur substanzieller fördern zu wollen und zu diesem Zweck im September 2021 zum ersten Mal eine nationale Kulturstrategie im Rahmen der »Vision 2040« initiiert. Zweifelsohne vermischen sich die Grenzen orchestrierter Inszenierung der Herrscher und gesellschaftlicher Authentizität und verweben sich zu einem Amalgam der komplexen Identitätssuche, des Personenkults und des nationalistischen Patriotismus. Dies zeigte sich u. a. auch bei der WM 2022: Katarische Staatsangehörige betrachteten das Megaevent als nationales Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Emir und ihnen und waren stolz auf die Errungenschaft – obwohl viele den Stadien fernblieben oder das Land während des Turniers gänzlich verlassen hatten. Gleichzeitig sorgten Tausende von saudischen Fußballfans für Festtagsstimmung342, nachdem sie im ersten Gruppenspiel sensationell den späteren Weltmeister Argentinien mit Superstar Messi 2:1 besiegt hatten. Das Gelände der saudischen Fanmeile (»Saudi House«343) an der Küste der katarischen Hauptstadt Doha wurde zu einem Treffpunkt für saudische Fußball-Enthusiast:innen. Auf einer Bühne sorgten saudische DJ’s und Sänger:innen vor den Spielen für Unterhaltung, und in einem eigenen Pavillon wurden
Höhepunkte der saudischen Fußballgeschichte ausgestellt.344 Gleichzeitig waren unzählige Influencer:innen, Videoblogger:innen und saudische Journalist:innen bemüht, die Bilder der jubelnden und enthusiastischen saudischen Fans – darunter viele verschleierte und unverschleierte Frauen – in der Welt zu verbreiten: Sie sollten Saudi-Arabien als stolze, authentische und fußballbegeisterte Nation porträtieren, die als Teil der weltweiten Fußballgemeinde wahrgenommen werden will. Der Sieg gegen Argentinien war dabei mehr als nur ein sportlicher Triumph, sondern für den saudischen Kronprinzen auch eine perfekte Gelegenheit, sich als Kapitän dieser Erfolgsstory von David gegen Goliath in Szene zu setzen. Nach dem Sieg wurde in saudischen Medien verlautbart, dass es auch die motivierenden Worte Muhammad bin Salmans in der Kabine vor dem Anpfiff gewesen seien, die das Team zu Höchstleistungen getrieben hätten.345 Im Anschluss an diesen Triumph erklärte MbS den Folgetag zum nationalen Feiertag.346 Mit solchen Auftritten präsentiert er sich als Beschützer der Nation, der den Sport als Triebfeder der eigenen Politik betrachtet347, indem er ihn als volksnahes Werkzeug seiner Identitätspolitik instrumentalisiert. »Diese Kombination aus echter Fußballbegeisterung und PR-Kampagnen verdeutlicht, dass Golfmonarchien wie Saudi-Arabien und auch Gastgeber Katar die WM dafür nutzen, eigene Ziele zu erreichen.«348 2.5 Wer nicht für uns ist, ist gegen uns: Die Menschenrechtspolitik Die Golfmonarchien möchten gern als Horte der wirtschaftlichen Diversifizierung und der gesellschaftlichen Öffnung respektiert werden. Ihre Herrscher forcieren daher ein Narrativ des sozialen Aufbruchs und des Wandels und generieren sich als Förderer der Toleranz, der Sicherheit und der Progressivität. So stilisieren sich die VAE als Beschützer der multikonfessionellen Vielfalt349, indem sie nicht nur 2019 als »Jahr der Toleranz« ausgerufen haben350, sondern auch das friedliche Zusammenleben der Religionen fördern.351 Kirchen sind ebenso erlaubt wie Synagogen, und das Abrahamic Family House versteht sich als Sammelbecken eines überkonfessionellen Dialogs, in dem alle Gläubigen ihren Platz finden sollen.352 Höhepunkt dieser Religionspolitik war der Besuch des Papstes Franziskus im Februar 2019, der als Symbol für die emiratische Weltoffenheit stehen sollte.353 Ähnlich wie in den VAE unterliegen auch in Katar Mitglieder nicht-muslimischer Konfessionen keinen gravierenden Einschränkungen, allerdings droht bei blasphemischen Handlungen oder Aussagen gegen den Islam, das Christen- sowie das Judentum eine Haftstrafe von bis zu sieben Jahren, während nicht-islamische Konversionsbemühungen mit bis zu zehn Jahren geahndet werden können. Da 90% der Bevölkerung aus dem Ausland stammt, stellt sich die konfessionelle Zusammensetzung äußerst heterogen dar: Vor allem Anhänger:innen des hinduistischen Glaubens finden sich in der großen Gemeinschaft der
indischen und nepalesischen Arbeitsmigrant:innen, während Buddhist:innen eher aus Südoder Südostasien stammen. Romanische Katholik:innen kommen zumeist aus den Philippinen und Indien sowie aus europäischen Ländern. Weitere Religionsgruppen umfassen Anhänger:innen der anglikanischen, orthodoxen und protestantischen Kirche.354 Vor diesem Hintergrund vollzieht Katar eine pragmatische Religionspolitik, erlaubt z. B. die öffentliche Ausübung von christlichen Gottesdiensten und hat 2008 die Eröffnung von mittlerweile zehn Kirchen gestattet.355 Religiöse Symbole wie das Kreuz dürfen allerdings nicht von außen sichtbar an den Gebäuden angebracht werden. Ähnlich wie in den VAE gilt diese religiöse Toleranz als Bestandteil der nationalen Identität, unterliegt allerdings auch Grenzen: So werden die Inhalte religiöser Publikationen strikt vom Ministerium für Stiftungen und islamische Angelegenheiten kontrolliert, welches auch die Imame einstellt und für die inhaltlichen Vorgaben der Freitagspredigten in den etwa 2.300 landesweiten Moscheen zuständig ist. Politische Inhalte sind weitestgehend verboten. Damit soll verhindert werden, dass sich hinter verschlossenen Türen der Moscheen oppositionelle und staatsfeindliche Ideen entwickeln, sodass die politische Führung den religiösen Diskurs kontrollieren will.356 Doch neben dieser Erzählung über Toleranz und Pluralismus hat die Repression Andersdenkender in allen Golfstaaten in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die mächtigen Männer am Golf proklamieren einen knallharten Kampf gegen den Terrorismus und haben rigide Anti-Terror-Gesetze eingeführt.357 Die rechtlichen Regelungen werden in ihrer vagen Definition von »Terrorismus« als gesetzlicher Vorwand für die Strafverfolgung unterschiedlicher Oppositionsgruppen instrumentalisiert, sodass internationale Menschenrechtsorganisationen die Missachtung von grundlegenden Menschenrechten in den Golfmonarchien, die staatliche Überwachung und Drangsalierung von Oppositionellen sowie die kaum vorhandenen Pressefreiheiten regelmäßig kritisieren.358 Alle Golfstaaten gelten laut Freedom Index von »Reporter ohne Grenzen« als unfrei359, und in Ländern wie SaudiArabien hat die Zahl der Todesurteile einen neuen Höchststand erreicht. Insbesondere die Corona-Pandemie nutzten die Herrscher am Golf, um mithilfe von COVID-19-Apps nicht nur die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung in Zeiten der steigenden Infektionsgefahr zu kontrollieren, sondern auch, um den digitalen Überwachungsapparat auszubauen.360 So haben sich die Golfstaaten – vor allem Saudi-Arabien und die VAE – als Meister der digitalen Überwachung etabliert. Dort entwickelte sich die Nutzungsrate von sozialen Medien in den letzten Jahren rasant: In Saudi-Arabien nutzen fast 80% der Bevölkerung regelmäßig Instagram, Snapchat, TikTok, Facebook, Telegram, Pinterest, LinkedIn oder Twitter (heute X). Mehr als 22 Mio. Menschen kommunizieren über WhatsApp. Im Durchschnitt verbringen saudische Konsument:innen mehr als sieben Stunden am Tag im Internet.361 Für die golfarabischen Regierungen bedeutet dieser Social-Media-Boom Fluch
und Segen zugleich: Zum einen bot er in der Vergangenheit Raum für öffentliche Debatten zu politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Missständen. Inspiriert durch die »Arabischen Aufstände« entstand in allen arabischen Gesellschaften eine Generation der »digital natives«, die soziale Medien als Plattform für Kritik, Satire, gesellschaftlichen Austausch, Karriereziele oder Freizeitinteressen nutzten.362 Diese Tendenz fassten golfarabische Regierungen zum anderen als Bedrohung ihrer Deutungshoheit auf, was in der Folge zu einer Kontrolloffensive der sozialen Medien führte363: »Cyber-Armeen«364 von Trolls und Bots werden von den Eliten eingesetzt, um Agendasetting zu betreiben und Desinformation zu streuen und damit den Diskurs zu steuern. Internetaktivist:innen werden diffamiert und digital als Verräter:innen stigmatisiert, Fake News verbreitet und Shitstorm-Kampagnen initiiert. Wer die sozialen Medien kontrolliert, kontrolliert den Diskurs – dieses Motto erfährt am Golf eine neue Konjunktur. Digitale Überwachung und Dämonisierung sind längst Pfeiler der golfarabischen Repressionspolitik und wurden in den letzten Jahren mit einer Kombination aus Infiltrierung, Kooption und Einschüchterung professionalisiert.365 In SaudiArabien wurde bereits erwähnter Saud al-Qahtani als »Herr der Fliegen«366 zum Mastermind der saudischen Digitalüberwachung, bevor er im Zuge des Khashoggi-Mordes offiziell in Ungnade fiel. Dabei wandten sich seine Troll-Armeen gegen Tweets, die sich kritisch mit Frauenrechten oder dem Krieg im Jemen beschäftigten. Weiterhin werden follower-starke Influencer:innen beauftragt, um vermeintliche Mega-Events zu promoten.367 Mithilfe von Spyware wurden vermutlich u. a. Dissident:innen oder Menschenrechtsaktivist:innen ausgespäht, wie im Zuge der sogenannten Pegasus-Affäre bekannt wurde. So wird berichtet, dass die VAE und Saudi-Arabien mithilfe der israelischen Spionagesoftware Personen wie Jamal Khashoggi368, Loujain al-Hathloul369 oder den früheren tunesischen Ennahda-Führer Rachid Ghannouchi überwacht haben sollen.370 In Zeiten von hoher Jugendarbeitslosigkeit bietet die Digitalindustrie für arbeitslose junge Menschen außerdem eine gut bezahlte Gelegenheit, mit Trolling ihren Lebensunterhalt zu verdienen; diese Not instrumentalisieren die politischen Führungen für ihre eigenen propagandistischen Zwecke.371 Hinter dieser Kombination aus politischer Repression bei gleichzeitiger gesellschaftlicher Öffnung steckt strategisches Kalkül: Ausgrenzung, Dämonisierung und Marginalisierung dienen den autokratischen Herrschern als Instrumente in ihrem Werkzeugkasten der Machtkonsolidierung. Indem sie gemeinsame Feindbilder kreieren und sich als Bollwerke gegen Terrorismus und Anarchie präsentieren, wollen die Herrscher die Loyalität weiter Teile ihrer Bevölkerungen sichern und als unumstrittene Anführer wahrgenommen werden, die mit starker, kompromissloser Hand gegen vermeintliche »Staatsfeinde« und »Verräter« vorgehen. Dabei unterscheidet sich die jeweilige Menschenrechtspolitik von Staat zu Staat und erfährt temporäre Anpassungen in Härte, Kompromisslosigkeit und Rigorosität. Die
Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi sorgte international für einen Aufschrei der Empörung und schadete lange Zeit der Reputation Saudi-Arabiens im Ausland. Gleichzeitig steckte hinter dieser frevelhaften Tat aber auch eine Warnung an alle, die sich der Macht und Autorität der saudischen Führung widersetzen wollten, weder im In- noch im Ausland sicher zu sein. Teile der saudischen Bevölkerung empfanden den Mord als Schock. Sie äußerten sich hinter vorgehaltener Hand bestürzt, emotional betroffen und irritiert, da sie ein solch rücksichtsloses und brutales Vorgehen aus Kreisen des politischen Establishments nicht erwartet hätten. Der perfide Akt, einen Landsmann vorsätzlich in einen geschützten Ort, das Istanbuler Konsulat, zu locken, um ihn dort zu ermorden, wurde von einigen als unmoralischer Frevel und als Verbrechen an den islamischen Werten verurteilt. Dieses Vorgehen sei für den »Hüter der beiden Heiligen Stätten« unwürdig und widerspreche den moralischen, kulturellen und islamischen Werten der saudischen Gesellschaft, betonten saudische Gesprächspartner:innen. Zwar galt Kritik am Königshaus und den Religionsgelehrten traditionell schon unter früheren Königen als Tabu und wurde hart sanktioniert, doch bestanden in vielen Bereichen Möglichkeiten, Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Der Mord an Khashoggi führte jedoch zu einem »Klima der Angst« innerhalb der Gesellschaft, wie es ein saudischer Analyst kurz nach der Tat beschrieb. Bis dahin waren die »roten Linien«, an denen sich jeder zu halten hatte, um von den Drangsalierungen des Staates verschont zu bleiben, bekannt. Doch die Affäre Khashoggi verschob diese Grenzen des Sagbaren, verwischte sie und sorgte damit für Unruhe und Nervosität. Die Hintergründe sowie die wahren Drahtzieher seiner Ermordung liegen weiterhin im Dunkeln, seine zerstückelte Leiche wurde nie gefunden. Doch der Fall zeigt, dass jegliche Form der Kritik am politischen Kurs als Angriff auf die nationale Einheit und Vaterlandsverrat gewertet werden kann. Vor diesem Hintergrund fungiert die Ausgrenzung von Andersdenken auch als Teil der nationalistischen Identitätspolitik, in dessen Epizentrum der Herrscher steht, der nicht herausgefordert werden darf. Um Einheit zu schaffen, ist Ausgrenzung notwendig – diese Strategie erfährt nicht nur in den Golfmonarchien neue Konjunktur, sondern findet auch in anderen autokratischen Systemen statt. Dies mussten auch saudische Frauenaktivistinnen erfahren, die sich für die Aufhebung des Fahrverbots für Frauen eingesetzt hatten.372 Damit proklamierten sie zwar dasselbe Ziel wie die politische Führung um MbS, forderten allerdings seinen Alleinvertretungsanspruch heraus, verantwortlich für die soziale Öffnung und die Geschlechterpolitik zu sein. Das Resultat: Viele von ihnen wurden inhaftiert und zu langen Haftstrafen verurteilt. Besonders prominente Vertreterinnen wie Loujain al-Hathloul wurden zwar im Januar 2021 wieder entlassen373, dürfen aber seitdem das Land nicht verlassen und unterliegen einem Reiseverbot. Dass ihre Freilassung kurz nach der Amtsübernahme des US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden
erfolgte, war keineswegs ein Zufall, sondern ein taktischer Schachzug: MbS wollte damit ein Zeichen der Aussöhnung an Biden senden, der im Wahlkampf die Frage der Menschenrechte ins Zentrum seiner kritischen Politik gegenüber Saudi-Arabien gestellt hatte. Äußerungen von saudischen Staatsangehörigen auf sozialen Medien zu sensiblen politischen Themen haben weiterhin zu drakonischen Gefängnisstrafen geführt, wie die Fälle von Salma alShehab374 und Nourah bint Saeed al-Qahtani exemplarisch zeigen.375 Ähnliche Schicksale erfuhren auch prominente Kleriker, die die Modernisierungsmaßnahmen nicht vollumfänglich befürwortet hatten und deswegen unter Hausarrest gestellt wurden. Somit wird die soziale Ächtung von »Nestbeschmutzern« zum machtlegitimierenden Instrument der politischen Führung.376 Im Rahmen dieses Repressionskurses hat sich auch die Anzahl der Hinrichtungen deutlich erhöht: Im März 2021 erfolgte mit 81 Hingerichteten die größte Exekutionswelle seit 1980377 und 2022 wurden mit 196 die höchste Anzahl an Hinrichtungen in den letzten 30 Jahren vollstreckt.378 Generell treffen die Urteile mehrheitlich mutmaßliche Unterstützer der jemenitischen Houthis, vermeintliche Drogenkonsumenten und -dealer sowie saudische Schiiten.379 Die schiitische Minderheit in Saudi-Arabien leidet noch immer unter prekären Lebensbedingungen, wird wirtschaftlich und politisch benachteiligt und insbesondere nach dem Ausbruch schiitischer Proteste im Zuge der »Arabischen Aufstände« als potenzielle Terroristen und soziale Außenseiter380 stigmatisiert. Dies zeigten u. a. die Hinrichtung des schiitischen Predigers Nimr al-Nimr im Januar 2016 sowie weiterer 47 Menschen381, das anschließende Vorgehen saudischer Sicherheitskräfte gegen schiitische Demonstrant:innen sowie die Zerstörung von schiitisch bewohnten Siedlungen in der Ostprovinz.382 Dass hierbei die Strafverfolgung sowie die Beweisführung nicht völkerrechtlichen Standards entspricht, ist von internationalen Beobachter:innen wie Menschenrechtsaktivist:innen383 oder den Vereinten Nationen384 häufig kritisiert worden. In Saudi-Arabien werden diese Menschenrechtsverletzungen zwar nicht gänzlich geleugnet, aber als komplizierter Bestandteil des komplexen Transformationsprozesses betrachtet, der in vielen reaktionären Teilen der konservativen Gesellschaft Skepsis hervorruft. Daher sei ein hartes Vorgehen gegen diese Gruppen erklärbar und zu legitimieren, um dem Fortschritt zu dienen. So schreibt der saudische Autor und Kommentator Ali Shihabi385, dass »die Frage der Menschenrechte tief in diese Dynamik des Wandels verstrickt ist, was auch die Gefahr der Unterdrückung beinhaltet – ob wir wollen oder nicht.«386 Er fordert dabei mehr Verständnis für die vielschichtige Situation innerhalb des Königreichs, fordere der stattfindende Wandel doch traditionelle Gewissheiten heraus. Solche oder ähnliche Argumente werden immer wieder bemüht, um die prekäre Situation der Menschenrechte im Königreich oder anderen Golfstaaten als zu bedauernde Nebenwirkungen und notwendigen Kampf gegen die Anarchie darzustellen: Das Ausland zeige zu wenig Geduld mit den
golfarabischen Gesellschaften, da Veränderungen Zeit bräuchten. Weiterhin müsse man sich stärker auf andere Themen wie die wirtschaftliche Entwicklung konzentrieren, die höhere Prioriät hätten als die Verbesserung der Menschenrechtslage. Außerdem existieren in nichtwestlichen Gesellschaften andere Vorstellungen von Menschenrechten, die respektiert werden müssten, um Kultur- und Werteimperialismus zu vermeiden.387 Solche Vorwürfe haben seit der WM an Konjunktur gewonnen und dominieren die Debatte um den Umgang mit autokratischen Systemen: »Zugrunde liegt dieser Argumentation ein selektiver Umgang mit den einzelnen Elementen eines an sich ganzheitlichen Menschenrechtskonzepts. Dabei werden vom jeweiligen Regime nur bestimmte Ziele als erstrebenswert dargestellt bzw. öffentlich überhaupt thematisiert. Jene Bestandteile des Menschenrechtskanons, die sich zu Imagezwecken und politischer Mobilisierung ausschlachten lassen, werden überhöht (…). Andere Rechtsansprüche wiederum, welche die autoritäre Herrschaft bedrohen könnten (…) werden bei diesem ›cherry-picking‹ marginalisiert oder gleich ganz außen vorgelassen.«388 Auch Bahrain hat nach den »Arabischen Aufständen« sein Vorgehen gegen vermeintliche Querulant:innen und Unruhestifter:innen verschärft. Die damaligen Proteste haben die Sorge vor Umsturzversuchen innerhalb des politischen Establishments noch erhöht. Daher haben Repressionskampagnen und Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit in den letzten Jahren zugenommen, was sich insbesondere in einem rigideren Vorgehen gegen prominente Oppositionelle, Journalist:innen und Aktivist:innen und einer strengeren Überwachung von Aktivitäten in den sozialen Medien zeigt. Berichte von Polizeifolter und politisch motivierten Gerichtsverfahren gegen Oppositionelle haben zugenommen389, was die Zahl der politischen Gefangenen ebenso deutlich erhöht hat.390 Zu den prominentesten Inhaftierten gehören der ehemalige Generalsekretär der Al-Wefaq-Bewegung Ali Salman, Abdulhadi al-Khawaja, Gründer des Bahrain Center for Human Rights, sowie der Generalsekretär des Haq Movement for Liberty and Democracy Hassan Mushaima, der sich seit März 2011 in lebenslanger Haft befindet und bereits in den 1990er Jahren inhaftiert war. Mushaima leider unter Lungenkrebs und Diabetes. Er und sein Sohn Ali werfen den bahrainischen Behörden vor, notwendige medizinische Behandlung verwehrt zu bekommen.391 Weiterhin wurden in den letzten Jahren unabhängige Medien verboten, was zu gravierenden Einschränkungen in der Pressefreiheit geführt hat. Journalist:innen werden inhaftiert, und 2017 musste die letzte unabhängige Tageszeitung al-Wasat ihre Arbeit einstellen.392 Seitdem befinden sich die Medien ausschließlich im Besitz von Mitgliedern der Herrscherfamilie, was eine unabhängige Berichterstattung verhindert und vor allem OnlineMedien zensiert werden.393 Im Ranking von Reporter ohne Grenzen findet sich Bahrain im Jahr 2022 auf Rang 167 von 180 und liegt damit hinter allen golfarabischen Nachbarn wie Katar (Platz 119), den VAE (Platz 138), Kuwait (Platz 158), Oman (Platz 163) und Saudi-
Arabien (Platz 166), wo die Pressefreiheit in den letzten Jahren ebenso drastisch eingeschränkt wurde und der mediale Diskurs weitgehend von staatsnahen Zeitungen und Fernsehsendern bestimmt wird.394 In vielen Golfstaaten wird außerdem der Entzug der Staatsangehörigkeit als politisches Druckmittel verwendet. In Bahrain nutzt die Herrscherfamilie Al Khalifa dieses Instrument, um die eigene Legitimation und Autorität zu bewahren und das Machtmonopol zu sichern. Zwischen 2012 und 2021 soll im Zuge der Proteste während der »Arabischen Aufstände« fast 1.000 Einwohner:innen, darunter zumeist Angehörigen der schiitischen Bevölkerungsmehrheit, die Staatsangehörigkeit entzogen worden sein, wenngleich in 700 Fällen diese Entscheidung durch die Regierung wieder rückgängig gemacht wurde. Schiitische Staatsangehörige werden von bestimmten Berufszweigen ausgeschlossen, können nur unter erschwerten Umständen öffentliche Ämter einnehmen und werden von der sunnitischen Bevölkerungsminderheit, zu der auch die Al Khalifa gehört, benachteiligt. Anstatt schiitische Verwaltungsbeamt:innen oder Lehrer:innen einzustellen, rekrutiert der Staat häufig sunnitische Fachkräfte aus anderen arabischen Ländern und vereinfacht deren Einbürgerung, um das demografische Ungleichgewicht zugunsten der Sunniten zu verschieben. Aus einer westlichen Perspektive werden diese Missstände oftmals mit einem gänzlichen Fehlen einer golfarabischen Zivilgesellschaft gleichgesetzt. Es wird vielfach behauptet, dass in autokratischen Systemen die Entwicklung von zivilgesellschaftlicher Ertüchtigung weder vom Staat erlaubt noch von der Bevölkerung gewünscht sei. Diese Annahme verkennt allerdings die historische Mehrschichtigkeit der golfarabischen Gesellschaften, in denen seit Jahrzehnten unzählige Zentren des Protests, der Kritik oder der Opposition entstanden, die Missstände anprangern, die regierenden Eliten herausfordern oder deren Legitimität bedrohen. Bereits in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren kam es immer wieder zu Streiks von Arbeitern auf den Ölraffinerien in Kuwait, Katar, Saudi-Arabien oder Bahrain, wo sich einflussreiche Gewerkschaften und nationalistische Bewegungen als relevante Vetoplayer etablierten.395 Dort brachen bereits 1923 erste Proteste der Perlenfischer aus, die sich gegen neue Regularien der Behörden wandten.396 Offene Auflehnung von mächtigen Händlerfamilien löste in den 1930er Jahren in Dubai, Kuwait und Bahrain eine nationalistische Bewegung aus, die sich gegen den britischen Einfluss wandte und von ihren Herrschern eine stärkere Beteiligung an der Entscheidungsfindung verlangten.397 Prominente Familie wie die Al Ghurair und die Al Futtaim, die heute zu den wichtigsten Konglomeraten in den VAE gehören, standen damals an der Speerspitze der Reformbewegung von 1938, die in Kuwait ihren Anfang nahm. In Dubai wurde ein 15-köpfiger Madschlis von der einflussreichen Elite gewählt, um das Machtmonopol der Briten und der Herrscherfamilien
herauszufordern. Später kam es immer wieder zu Protesten gegen das britische Protektorat: Während der Suez-Krise 1956 attackierten Demonstrierende eine britische Luftwaffenbasis in Sharhjah.398 Golfarabische Zivilgesellschaft und politische Protestbewegungen existieren also, müssen sich allerdings in einem asymmetrischen Aushandlungsprozess mit den politischen Führungen behaupten, Kompromisse eingehen und Zugeständnisse akzeptieren, um einen Teil der eigenen Autonomie zu bewahren. Sie nehmen daher viele amorphe und hybride Formen an und können nicht in westliche Denkmuster gepresst werden. Die meisten zivilgesellschaftlichen Akteur:innen sind auf die Gunst des Staates angewiesen, was zu verschwimmenden Trennlinien führt. Viele Prinzessinnen und Prinzen engagieren sich karitativ und fördern zivilgesellschaftliche Initiativen, was einerseits deren Überleben sichert, sie andererseits in die Sphäre staatsnaher Einflussnahme rückt.399 Es wäre jedoch eine irrige Ansicht, zu glauben, zivilgesellschaftliche Akteur:innen könnten nur außerhalb staatlicher Strukturen Wirkung erzielen. Am Golf funktioniert zivilgesellschaftliches Engagement aufgrund der engen Grenzen nur im Dialog mit den Herrschern, da Fundamentalopposition in Repression mündet.400 Nur so ist es Nichtregierungsorganisationen (NRO) möglich, sich einzubringen, auf Missstände aufmerksam zu machen und Veränderungen anzuregen. Dies haben sie verinnerlicht und praktizieren einen sensiblen Balanceakt aus Anpassung, Autonomie und Abhängigkeit.401 Historisch genießt freiwilliges Engagement und der Einsatz für das Gemeinwohl hohe Popularität in den golfarabischen Gesellschaften402 und wird als Zeichen der islamischen Frömmigkeit und der Zivilcourage verstanden.403 Einflussreiche Händlerfamilien mit philanthropischen Aktivitäten konnten ihre eigene soziale Stellung verbessern, indem sie Krankenhäuser oder Brunnen für bedürftige Bevölkerungsgruppen stifteten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand am Golf eine Vielzahl an kollektiven wohltätigen Initiativen wie in Bahrain404, die wie Pfadfindergruppen oder Sportvereinen zu Orten des Austauschs und des zivilgesellschaftlichen Engagements erwuchsen. Diese Strukturen haben bis heute überdauert, sodass sich in allen Golfstaaten zivilgesellschaftliche Akteure zumeist mit unpolitisch verstandenen Themen wie Klimaschutz, Bildungsreformen, Gesundheitsthemen, wirtschaftlichen Problemen, Auswirkungen der Corona-Pandemie, administrativen Missständen und Korruption oder Freizeitaktivitäten beschäftigen können. In Golfstaaten wie Kuwait können solche Initiativen auch sensible Diskussionen um den notwendigen Schutz von Arbeitsmigrant:innen führen und sich für deren rechtliche Besserstellung einsetzen405, während in Saudi-Arabien nach der verheerenden Flut von 2009 in Dschidda lokale Kampagnen das örtliche Missmanagement anprangerten und sich für die Opfer der Katastrophe einsetzten.406
Solche Initiativen bieten insbesondere Frauen Orte, um sich gesellschaftlich zu engagieren. Zwar haben sich in allen Golfstaaten die Partizipationschancen für Frauen deutlich verbessert, dennoch existieren nach wie vor patriarchale Strukturen, sodass Frauen in Wohlfahrtsorganisationen, Sportvereinen oder NRO traditionell größere Freiheiten in Anspruch nehmen und sich für soziale Themen einbringen können. In diesen geschützten Räumen konnten selbst Einschränkungen wie die Geschlechtertrennung in Saudi-Arabien umgangen werden, ohne gesellschaftliche Grenzen zu überschreiten und mit dem Patriarchat in Konflikt zu geraten.407 Dieser Prozess aus Repression und Annäherung durchläuft daher Phasen des offenen Widerstands und des kooperativen Dialogs. Den Herrschenden ist daran gelegen, den Diskurs zu kontrollieren und bei sicherheitsrelevanten Themen die Deutungshoheit zu bewahren. So wurden in allen Golfstaaten einflussreiche oppositionelle Gruppierungen in den letzten Jahren fast vollständig entmachtet. Dies gilt für die Ableger der Muslimbruderschaft in den VAE und Saudi-Arabien ebenso wie für schiitische Gruppierungen. In Bahrain hat insbesondere das Verbot der mehrheitlich schiitischen al-Wefaq National Islamic Society 2016 und der säkularen National Democratic Action Society (Wa’ad) 2017 die politischen Partizipationsmöglichkeiten in Bahrain deutlich geschwächt. 2018 folgten gesetzliche Regelungen, die es Mitgliedern dieser Bewegungen untersagen, in Wahlen für politische Ämter zu kandidieren, was als weitere Einschränkung der politischen Freiheiten in Bahrain gewertet werden muss. Gleichzeitig wurden in den letzten Jahren aber auch einige prominente Menschenrechtsaktivist:innen, darunter u. a. Nabeel Rajab sowie die Stiefmutter des Aktivisten Sayed Ahmed al-Wadaei aus der Haft entlassen. 2019 erlaubte die Regierung, die schiitischen Ashura-Feierlichkeiten zu begehen.408 Im Juni 2023 wurde außerdem bekannt, dass mehr als 5.000 verurteilten Individuen ihre Strafen verkürzt oder in Hausarrest umgewandelt werden, da sie nicht mehr als Sicherheitsrisiko gelten.409 Gleichzeitig wurde das »Open Prison Program« eingeführt, dass Gefangenen die Möglichkeit des offenen Vollzugs anbietet.410 Um diese Veränderungen in politisches Kapital umzuwandeln, haben die meisten Golfstaaten einen Menschenrechtsdialog mit der Europäischen Union (EU) initiiert, um als konstruktive Akteure wahrgenommen zu werden, ohne jedoch gravierende Reformen in der Menschenrechtspolitik umzusetzen. Gleichzeitig bemühen sich bestimmte Golfstaaten, als Mitglieder im Menschenrechtsrat der UN aufgenommen zu werden, was u. a. den VAE bereits drei Mal gelang.411 Damit instrumentalisieren sie die Menschenrechtspolitik als Teil ihres Nation Brandings und ihrer globalen Einflussnahme. »Kleine Staaten« wie Katar und die VAE zielen darauf ab, trotz ihrer geringen geografischen und demografischen Größe ihre globale Bedeutung zu erhöhen und sich »größer zu machen als sie sind« (virtual
enlargement412). Sie wollen sich nicht mehr für Verfehlungen rechtfertigen, sondern in den jeweiligen multilateralen Gremien und Foren einen Gegendiskurs prägen. Die Herrscher betonen, in ihrem Konzept von starker autoritärer Führung bei gleichzeitiger sozialer und wirtschaftlicher Öffnung den Willen der Gesellschaften besser abbilden zu können als westliche Demokratien. Dieser Weg wird aus ihrer Perspektive als inklusiv, kooperativ und attraktiv beschrieben, da er im Gegensatz zu den Systemen in Europa politische Kontinuität, wirtschaftliche Sicherheit und gesellschaftliche Resilienz garantieren könne. In diesem Klima muss die golfarabische Zivilgesellschaft ihren eigenen Weg in einer Zeit der wachsenden Repression gehen und sich unter widrigen Rahmenbedingungen behaupten – ein schmaler Grat. Die Zusammenarbeit mit westlichen Partnern wird zwar bei Themen wie Klimaschutz, Entrepreneurship, Gesundheit oder digitale Kommunikation gesucht und benötigt, Einmischung von außen wird aber skeptisch betrachtet.
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Kapitel 3 Im Auge des Sturms: Die Golfstaaten in einer multipolaren Weltordnung 3.1 Die Golfstaaten und ihre Außenpolitik: Diplomatie und Diffamierung »Momentan gibt es am Golf keine Außenpolitik«, verriet ein emiratischer Analyst im Frühjahr 2023. »Stattdessen verfolgen alle Golfstaaten nur Entwicklungspolitik, die ihren eigenen Zielen nützt und ihre wirtschaftlichen Ziele sichern soll.« Auf den ersten Blick klingt diese Aussage irritierend, immerhin engagieren sich die meisten Golfstaaten stärker denn je auf der Bühne der Außenpolitik und sind zu einflussreichen und interventionistischen Akteuren in der arabischen Nachbarschaft, Afrika, Asien, Lateinamerika und auch Europa aufgestiegen. Doch auf den zweiten Blick wird deutlich, dass zwischen Außen- und Innenpolitik, zwischen Ausweitung des regionalen Einflusses und der Sicherung nationaler Interessen ein enger Kausalzusammenhang besteht. In Zeiten der ökonomischen Diversifizierung drängen alle Golfmonarchien auf eine enge Einbettung in das globale Finanz- und Wirtschaftssystem, investieren in ausländische Märkte und streben nach globaler Aufmerksamkeit. Wie auch in anderen Ländern der Welt lassen sich in den Golfstaaten die außen-, wirtschafts- und innenpolitischen strategischen Erwägungen und Motivationen nicht voneinander trennen, sondern sind eng miteinander verwoben. Entwicklung in allen Bereichen ist demnach das Gebot der Stunde, das sich auch in der Außenpolitik niederschlägt. In einer multipolaren Weltordnung mit wechselnden Allianzen, erodierenden Gewissheiten und sich verschiebenden Machtverhältnissen nimmt diese Interessensverschränkung am Golf immer mehr zu. Die Golfstaaten betrachten die tektonischen Umwälzungen in der globalen Weltordnung, die anwachsende Systemrivalität zwischen dem einstigen Hegemon USA und dem ärgsten Konkurrenten China, die drohende Gefahr des Klimawandels oder die Implikationen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gleichzeitig als Risiko und Chance. Sie drängen darauf, das Momentum einer sich wandelnden Weltordnung zu nutzen, um nationale Interessen zu verfolgen, die eigene Macht zu sichern und unentbehrlich zu werden. Dennoch fürchten sie die Unvorhersehbarkeit dieser Entwicklungen und möchten alte Herrschaftsstrukturen und Netzwerke bewahren, um ihr eigenes Überleben zu sichern. Dieser Balanceakt dominiert ihre Außen- und Regionalpolitik
und sorgt für eine neue Dynamik, in der die Golfstaaten als autonome, selbstbewusste und eigenständige Gestalter auftreten und sich aus dem Schatten ihrer traditionellen Partner wie den USA lösen wollen. Die Herrscher am Golf müssen ihre Strategien anpassen, um sich in einer Welt des Wandels zu behaupten. Dafür wählen sie einen Weg aus Konfrontation und Kompromiss, aus Dialog und Dämonisierung, aus Austausch und Ausgrenzung. Diese Gratwanderung bestimmt die Regional- und Außenpolitik der Golfstaaten auf unterschiedlichen Ebenen und unterscheidet sich von Land zu Land. Hierbei lassen sich grob drei Akteursgruppen unterscheiden: Die erste bildet SaudiArabien, zur zweiten gehören die VAE und Katar, ehe in der dritten Gruppe Kuwait und Oman folgen. Saudi-Arabien: Das außenpolitische Schwergewicht Saudi-Arabien war und ist aufgrund seiner demografischen und geografischen Größe und seines religiösen und wirtschaftlichen Gewichts stärker als die kleineren Nachbarn in der Lage, sich als außenpolitisches Schwergewicht zu präsentieren und fordert traditionell von den anderen Golfstaaten Solidarität gegenüber der eigenen Führungsposition ein. Außenpolitik dient dabei dem Königreich seit Jahrzehnten als Instrument der Machtkonsolidierung. In erster Linie strebt Saudi-Arabien danach, die eigene Stabilität und die innere Sicherheit zu bewahren1, weswegen in der Vergangenheit häufig auf diplomatischen Ausgleich anstatt auf Eskalation gesetzt wurde, um Konflikte zu managen und damit die eigene territoriale Integrität und das Überleben des Königshauses zu gewährleisten.2 Um dieses Ziel zu erreichen, verfolgen die Herrscher in Riad zumeist eine Außenpolitik, die den Status quo als führende Kraft auf der arabischen Halbinsel und darüber hinaus zementieren will und deswegen nach Unterstützung und Konsens sucht. Außerdem strebt Saudi-Arabien nach regionalem Einfluss, um sich gegen Rivalen wie Iran zu behaupten. Das Königreich definiert als »Hüter der beiden Heiligen Stätten« Mekka und Medina seine regionale und globale Führungsstärke auch über die religiöse Strahlkraft.3 In seiner Geschichte wurde außen- wie innenpolitische Einflussnahme häufig durch die wahhabitischen Gelehrten islamisch legitimiert und damit zu Entscheidungen mit religiösem Segen stilisiert.4 Zwar hat die Deutungshoheit des Wahhabismus unter MbS drastisch abgenommen, dennoch muss Saudi-Arabien für die muslimische globale Gemeinde, die umma, nicht nur während der Pilgerfahrt Verantwortung übernehmen und Solidarität beweisen.5 Nach der Inthronisierung Salmans und dem Aufstieg des Kronprinzen suchte SaudiArabien an vielen außenpolitischen Fronten jedoch die Konfrontation statt den Konsens, verschärfte mit seiner interventionistischen Außenpolitik die regionalen Spannungen und
verabschiedete sich zeitweise von der traditionellen saudischen Verhandlungstaktik. Dieser Trend zu mehr außenpolitischem Engagement ist das Resultat eines Gesinnungswandels in Riad: Immerhin muss sich das Königreich in einer globalisierten Welt behaupten und seine Interessen vertreten.6 Dafür setzt es auf eine Kombination aus Kooperation, Koordination und Kooption mit seinen Nachbarn, versucht in den meisten Fällen, seine außenpolitischen Ziele mit anderen zu koordinieren oder zumindest den Eindruck zu erwecken, nicht gänzlich im Alleingang zu handeln.7 Dies zeigte sich besonders zu Beginn der Militärintervention im Jemen, als im Rahmen der saudisch-geführten Koalition andere arabische und islamische Partner gedrängt wurden, sich dem saudischen Militärbündnis anzuschließen – trotz teilweise großer Zweifel, wie im Fall von Pakistan deutlich wurde: Im April 2015, wenige Wochen nach Beginn des saudischen Vormarsches im Jemen, hatte das pakistanische Parlament entscheiden, keine eigenen militärischen Truppeneinheiten an Kampfhandlungen im Jemen zu beteiligen, um »Neutralität« zu bewahren8 – ein Affront gegen die neue Führung in Riad und ein Tritt vor das saudische Schienbein, immerhin gilt Pakistan als einer der engsten Verbündeten des Königreichs und war in der Vergangenheit immer wieder auf finanzielle Unterstützung aus Saudi-Arabien angewiesen, um die marode Wirtschaft zu stabilisieren. Es folgten intensive öffentliche und politische Diskussionen, ehe das Parlament die bemerkenswerte Entscheidung traf, sich der saudischen Militärallianz nicht anzuschließen.9 Die Mehrheit der pakistanischen Parlamentsabgeordneten fürchtete, Pakistan könne bei einem pro-saudischen Engagement im Jemen in die regionalen Konflikte auf der arabischen Halbinsel hineingezogen werden, was die innere Sicherheit hätte gefährden können. So erschien das militärische Engagement im Jemen vielen in Pakistan als unberechenbares Risiko, sodass selbst der offene Disput mit den saudischen Partnern nicht gescheut wurde. Ein pakistanischer Analyst bewertete damals die Weigerung Pakistans als »kluge Entscheidung«, um aus dem Schatten Saudi-Arabiens herauszutreten und Entscheidungen zu vermeiden, die eigenen Sicherheitsinteressen widersprächen. Saudi-Arabien, so der Analyst zu jener Zeit, sei zu einem Unsicherheitsfaktor und einem unberechenbaren Kriegstreiber geworden, dem Pakistan nicht mehr vertrauen dürfe.10 An dieser Episode wird deutlich, dass Saudi-Arabiens Führungsrolle in der Region nicht in Stein gemeißelt ist, sondern Schwankungen und Spannungen unterworfen ist. Die VAE und Katar: Meister der »Soft Power« Die zweite Gruppe umfasst die VAE und Katar, denen es in den letzten Jahren gelungen ist, zunehmend aus dem Schatten Saudi-Arabiens zu treten und außen- und regionalpolitische Autonomie anzustreben. Dafür nutzen sie die gesamte Klaviatur der Politik, der Wirtschaft und der Diplomatie.11 Sie verstehen sich als selbstbewusste und selbstständige Akteure in
einer multilateralen Welt, die sie mehr denn je nach ihren eigenen Vorstellungen gestalten und sich gegen externe Bedrohungen schützen wollen. Dafür sind sie bereit, wirtschaftliche und politische Risiken einzugehen. Unter MbZ verfolgen die VAE eine pro-aktive Außenpolitik, die das gestiegene Selbstbewusstsein und die gewachsene Unabhängigkeit der VAE widerspiegelt12, während Emir Tamim Katar nicht nur durch die Ausrichtung der WM auf die politische Weltbühne katapultiert hat. Das neue Zauberwort hier heißt: Soft power. Das Konzept der »Soft Power« wurde von dem US-amerikanischen Politikwissenschaftler Joseph Nye bereits in den 1990er Jahren entwickelt und in der Folge in der Wissenschaft der internationalen Beziehungen um weitere Konzepte wie »smart« oder »subtle power« ergänzt. Dabei beschreibt Soft Power »eine besondere Form der Machtausübung von Staaten und politischen Akteuren über andere Staaten und Gesellschaften; diese Macht beruht auf nicht militärischen Ressourcen (›hard power‹). Zu den Mitteln der Soft Power zählen im Unterschied zu ›harter Macht‹ die Vorbildfunktion, Attraktivität und die Vermittlung eigener Normen und Werte.«13 Weiterhin definiert Nye »Smart Power« als Kombination von »Hard Power« in Bezug auf Zwang und finanzielle Zuwendungen und »Soft Power«, die über »Überzeugung und Anziehung« Einfluss ausüben will.14 »Subtle Power« umschreibt hingegen die Fähigkeit von Staaten, sich mit dem Einsatz von unterschiedlichen Ressourcen internationales Prestige zu erarbeiten, um damit eigene Interessen zu verfolgen und die Schwächen anderer zum eigenen Vorteil zu nutzen.15 Die VAE und Katar haben sich in den letzten Jahren als Meister der internationalen »Soft Power« präsentiert und nutzen ihre finanziellen, politischen und wirtschaftlichen Ressourcen, um trotz ihrer geringen geografischen, demografischen und militärischer Kapazitäten im Konzert der Großen mitzuspielen. So bot für Katar die WM eine exzellente Möglichkeit, sich auf globaler Ebene ins rechte Licht zu rücken und die eigene Bekanntheit zu steigern. Als »kleiner Staat«16 mit einer einheimischen Bevölkerung von nur etwa 300.000 Einwohner:innen ist Katar darauf angewiesen, Partnerschaften einzugehen und Netzwerke zu knüpfen, um sich gegen externe Bedrohungen abzusichern. Diese Strategie ist Teil der katarischen DNA: Bereits 1972 strebte Katar nach der Unabhängigkeit die Aufnahme in verschiedene Foren und Organisationen an, um sich in die internationale Gemeinschaft zu integrieren. Dazu gehörten u. a. der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank jeweils im Jahr 1972 sowie die International Telecommunication Union 1973 oder Interpol 1974. Katar versteht sich außerdem als Mediator in regionalen Konflikten und übernimmt somit eine wichtige Funktion als Plattform für Vermittlungsversuche, wie nicht zuletzt die Verhandlungen zwischen den USA und den afghanischen Taliban gezeigt haben, die in Doha stattfanden. Diese »hyperaktive Diplomatie«17 wird durch eine enge Partnerschaft mit den USA
charakterisiert: 2003 gelang es dem damaligen Emir Hamad, die US-Regierung davon zu überzeugen, ihren wichtigsten Truppenstützpunkt aus Saudi-Arabien ins katarische Al Udaid zu verlegen – ein Prestigeerfolg für das kleine Katar, das selbst keine schlagkräftige Armee aufbauen kann und auf den militärischen Schutz externer Partner angewiesen ist. 2022 wurde Katar von den USA zum wichtigen Nicht-Mitglied der NATO ernannt.18 Daneben bestehen enge Wirtschaftsbeziehungen zu China sowie zu anderen asiatischen Ländern. So befinden sich die sechs wichtigsten Abnehmerländer katarischer Güter alle in Asien (Japan: 18,6%, Südkorea: 15,6%, China: 12,4%, Indien: 12,2%, Singapur: 7,6%, Thailand: 3,9%).19 Gleichzeitig versteht sich Katar als Akteur, der mit jedem redet und über Partnerschaften und Netzwerke eine Plattform für regionale Vermittlungsbemühungen bieten möchte. Doha verfügt auch über enge Kommunikationskanäle zu »Schmuddelkindern« der internationalen Politik wie den afghanischen Taliban oder der palästinensischen Hamas.20 Seit 2012 hat Katar mehr als USD 1 Mrd. an humanitärer Hilfe an die Hamas im Gaza-Streifen geleistet21 und bis 2018 unterhielt die Hamas in Katar eine Vertretung.22 Diese Zusammenarbeit ist international umstritten, findet aber teilweise mit dem Einverständnis der Vereinten Nationen und Israel statt, um die humanitäre Katastrophe vor Ort einzugrenzen. Nach dem Rückzug der USA und der anderen Alliierten aus Afghanistan 2021 hatte Katar 58.000 Geflüchteten23 die Möglichkeit geboten, das Land nach der Machtübernahme der Taliban zu verlassen und für die internationale Gemeinschaft die notwendige Logistik und Infrastruktur zur Verfügung gestellt.24 Bereits 2012 hatten die Taliban ein Verbindungsbüro in Doha eröffnet.25 In vielen weiteren Konflikten wie im Libanon 2008, zwischen Sudan und Eritrea sowie zwischen Israel und Palästina 200926 verhandelte Katar diplomatische Lösungen und kultivierte das Image eines »ehrlichen Maklers«. Im August 2022 kam mit tatkräftiger Unterstützung Katars die Verhandlungslösung zwischen dem militärischen Übergangsrat und 40 Oppositionsparteien im Tschad zustande.27 Außerdem unterstützte Katar zwischen 2002 und 2019 die USA mit mehr als USD 8 Mrd. für militärische Einsätze in Afghanistan, Irak und Syrien. In den letzten zehn Jahren entwickelte sich in Katar außerdem eine gigantische PRIndustrie, in der Heerscharen von Beratungsfirmen und Marketingexpert:innen das Image Katars aufpolieren sollen, um die Erzählung vom »guten Weltbürger« zu verbreiten.28 Lobbyismus und massive Einflussnahme dienen als lukrativer Geschäftszweig, um z. B. der Kritik an der Ausrichtung der WM entgegenzutreten, das eigene Narrativ des reformfreudigen und aufgeschlossenen Gastgebers zu streuen und Kritiker unter Druck zu setzen.29 Die VAE verfolgen eine ähnliche Strategie des Nation Brandings und haben sich ebenfalls als clevere und geltungssüchtige Netzwerker etabliert. Hierbei kommt der arabischen Nachbarschaft als identitätsbildende Einflusssphäre enorme Relevanz zu, während der
Westen als Sicherheitsgarant und Asien als Wirtschaftspartner definiert werden.30 Dabei setzen die VAE auf eine Strategie des »Minilateralismus«31: Sie verbünden sich anlassbezogen mit einer bestimmten Gruppe von Akteuren, die transaktional bei wenigen Themen zusammenarbeiten, ohne aber eine langfristige oder strategische Allianz zu schmieden. Dieses Vorgehen charakterisiert den cleveren Opportunismus, den die VAE anwenden, um ihre außenpolitischen Ziele zu erreichen. So schlossen sie mit Indien und Frankreich eine Vereinbarung zur besseren Sicherheitskooperation32 oder initiierten gemeinsam mit Indonesien die Mangrove Alliance for Climate, um Mangrovenwälder zu schützen.33 Prominentestes Beispiel für den minilateralistischen Kurs der VAE ist die Normalisierung mit Israel in Form der »Abraham-Abkommen« aus dem Jahr 2020, auf die später noch eingegangen wird. Diese Bündnisse basieren auf ähnlichen Partikularinteressen, sind aber u. U. zeitlich und thematisch begrenzt und müssen nicht von derselben Weltsicht bestimmt sein. Die VAE passen sich den neuen Gegebenheiten an und suchen in einer multipolaren Weltordnung einen flexiblen Weg der »klugen Politik« (smart policy34), indem sie Gemeinschaften bilden.35 In der US-amerikanischen Hauptstadt Washington tummeln sich seit Jahren Lobbyisten aus den VAE36, um die eigenen Interessen bei der US-Regierung durchzusetzen und sich als unersetzliche Partner zu präsentieren.37 Als Donald Trump ins Weiße Haus einzog, war es vor allem den Bemühungen des einflussreichen emiratischen Botschafters Yusuf al-Otaibi zu verdanken, dass Trumps erste Auslandsreise nach SaudiArabien führte und er sich als klarer Unterstützer der Golfstaaten generierte.38 In Zeiten der Blockade gegen Katar nutzten die VAE ihre Zugänge zu den politischen Eliten in Washington, um ihre eigene Position zu stärken und den Rivalen Katar zu diffamieren. Social-Media-Stars und Influencer:innen werden mit lukrativen Angeboten in die Luxushotels in Dubai oder Doha gelockt, um ihren Millionen Followern bei Instagram oder TikTok die Annehmlichkeiten der Golfstaaten zu präsentieren.39 Das Narrativ beider Staaten zielt darauf ab, sich als »gute Kraft«40, Vorreiter des Fortschritts und der Entwicklung zu präsentieren. Mithilfe ihrer Öl- und Gasressourcen streben sie danach, ihre Erzählung vom aufstrebenden Giganten zu verbreiten. Dabei wird die Story ihres Aufstiegs eng mit den jeweiligen Herrschern verbunden, die als Protagonisten dieser Erfolgsgeschichte stilisiert werden und im Mittelpunkt des Nation Brandings stehen. Damit wird ein nationales Image verbreitet, welches die Wahrnehmung in der Welt bestimmen soll und politischen und wirtschaftlichen Interessen nützt: Befanden sich die kleinen Golfstaaten vor Jahren noch in der Peripherie der Weltöffentlichkeit, konnten sie mittlerweile ihre Relevanz über enorme Anstrengungen im Bereich der Soft Power erhöhen und sich größer machen als sie eigentlich sind. Im Gegensatz zu Katar, das sich unter Hamads Herrschaft und seit der Thronbesteigung
Tamims als wahrer Meister der Soft Power präsentiert, nutzen die VAE aber verstärkt auch militärische Mittel – also klassische »Hard Power« –, um ihre nationalen Ziele zu erreichen.41 Bereits seit den 1990er Jahren modernisieren die VAE ihre Streitkräfte und haben sich mithilfe ausländischer Rüstungsimporte und einem professionellen Ausbildungsapparat im Inland mittlerweile zu einer effizienten Militärmacht entwickelt.42 Neben dem strategischen Ziel, sich als globaler Vorreiter in Handel, Energie und Technologie zu präsentieren43, hat der Einsatz militärischer Mittel insbesondere seit den »Arabischen Aufständen« an Bedeutung gewonnen, was sich an emiratischen Missionen in Libyen, Subsahara-Afrika oder Jemen am deutlichsten zeigt. Regelmäßig partizipieren die emiratischen Streitkräfte in UN-Friedensmissionen und zeigen in Libyen oder im Jemen eine kühl berechnende Kompromisslosigkeit, die dem nationalen Sicherheitsinteresse dient und sich den lokalen Gegebenheiten anpasst.44 Gemeinsam mit Saudi-Arabien und der damaligen kuwaitischen Exilregierung unterstützten die VAE die internationale Koalition beim Vorgehen gegen Irak nach der Invasion Kuwaits 1990/1991 mit etwa USD 12 Mrd. und haben mit den USA in Missionen in Libyen, Somalia und Bosnien-Herzegowina oder gegen den »Islamischen Staat« kooperiert. Insbesondere das Engagement in Afghanistan seit 2001 stärkte die emiratische Rolle als militärischer Akteur und Partner der internationalen Gemeinschaft. Sie stellten neben militärischer Unterstützung für die USA und die NATOTruppen auch medizinische und humanitäre Hilfe zur Verfügung. 1996 hatten sie mit SaudiArabien und Pakistan als einzige Staaten der Welt das Taliban-Regime diplomatisch anerkannt, was ihnen eine Ausnahmestellung als Vermittler zwischen den Kriegsparteien gab. Gleichzeitig nutzen sie ihre militärische Expertise allerdings auch, um Krisen und Konflikte zum eigenen Vorteil zu nutzen und gar zu schüren, wofür sie immer wieder kritisiert werden. Die VAE können daher aufgrund ihrer Anpassungsfähigkeit auch als militärisches Chamäleon bezeichnet werden, denen es gelingt, sich trotz einer oftmals destabilisierenden Vorgehensweise als glaubwürdiger und verlässlicher Partner der internationalen Sicherheitspolitik darzustellen. Dieses militärische Engagement dient auch dem Ziel, islamistische Bewegungen in der arabischen Nachbarschaft niederzuschlagen und zu bekämpfen. Nachdem Hosni Mubarak in Ägypten und Zinedine Ben Ali in Tunesien gestürzt worden und politische Bewegungen wie die Ennahda-Partei in Tunesien sowie die Muslimbruderschaft in Ägypten unter Mohammad Mursi (Ikhwan) an die Macht gekommen waren, positionierte sich Abu Dhabi als gegenrevolutionäre Kraft, um dem Aufstieg des Islamismus in der gesamten Region entgegenzuwirken. Damals wurde ihr Vorgehen von einer regelrechten »Ikhwanoia« angetrieben.45 In den VAE existiert eine virale Furcht vor islamistischer Einflussnahme auf regionaler und inländischer Ebene: Im Zuge der »Arabischen Aufstände« erließen 133 prominente Mitglieder der islamistischen Al-Islah-
Bewegung in den VAE eine Petition und forderten verstärkte Rechte auf föderaler Ebene. AlIslah hatte sich 1974 in den Emiraten als Ableger der ägyptischen Muslimbruderschaft gegründet und seitdem als islamistische Opposition fungiert.46 In den Anfangsjahren suchten sogar Mitglieder der Herrscherfamilien die Nähe zu den Islamisten, wie das Beispiel des Herrschers des Emirats Ras al-Khaimah Scheich Saqr bin Mohammed Al Qasimi zeigte.47 Die wachsende Bedeutung Al-Islahs wurde in Teilen des emiratischen Establishments jedoch als Bedrohung wahrgenommen. Um diesem Risiko vorzubeugen, reagierten die emiratischen Behörden mit einer rigorosen Repressionskampagne, ehe 2014 die Muslimbruderschaft und ihre Ableger – darunter auch al-Islah – als Terrororganisationen gelistet und verboten wurden.48 Bereits in den 1990er Jahren hatten islamistische Gruppierungen die Verwestlichung der VAE und grassierende Korruption kritisiert, woraufhin zwischen 2001 und 2003 mehr als 250 Islamisten in Abu Dhabi verhaftet worden waren49 und die Repression Al-Islahs systematisiert wurde.50 2012 wurden 94 Mitglieder der emiratischen Islah-Partei verhaftet; ihnen wurde vorgeworfen, im Zuge der »Arabischen Aufstände« einen Umsturz geplant zu haben.51 Insbesondere MbZ kann als treibende Kraft hinter diesem anti-islamistischen Vorgehen bezeichnet werden: Sein Misstrauen in den politischen Islam scheint nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gewachsen zu sein, immerhin waren zwei der Attentäter emiratische Staatsangehörige.52 Außerdem sollen Islamisten in den 1990er Jahren mehrere Anschläge auf seine Familie durchgeführt haben.53 Für ihn stellt der Islamismus daher eine gefährliche Spielart des militanten Dschihadismus dar und gilt als terroristische Variante mit enger Nähe zu Al-Qaida oder dem IS. Kuwait und Oman: Leben und leben lassen Die dritte Gruppe umfasst Kuwait und Oman: Ihre Regional- und Außenpolitik beruht traditionell auf einem Leben-und-leben-lassen-Prinzip, auf Mediation statt Eskalation. Sie gelten als die Vermittler am Golf, da sie in vielen Regionalkonflikten versucht haben, eine weitgehend neutrale und konsensorientierte Position einzunehmen und zu schlichten. Diese Brückenfunktion erwächst aus der ständigen Sorge beider Staaten, zwischen den großen Rivalen am Golf wie Saudi-Arabien und Iran aufgerieben zu werden. Daher drängen sie auf regionalen Ausgleich, um sich selbst zu schützen. Vor diesem Hintergrund haben sie in den letzten Jahrzehnten ein geschicktes Gespür dafür entwickelt, sich einerseits als ehrliche Makler zu präsentieren, und sich andererseits eine diplomatische Nische zu sichern, die ihnen dabei hilft, die eigene Herrschaft zu bewahren und von den anderen Golfstaaten geschätzt und respektiert zu werden. Oman übernimmt dabei eine Sonderrolle und wird als »arabische Schweiz«54 beschrieben:
Die geografische Lage am Indischen Ozean und an der Straße von Hormuz verleiht dem Sultanat traditionell eine überragende strategische Bedeutung, der sich bereits die Briten bewusst waren. Noch heute werden täglich mehr als 6,2 Mio. Barrel Öl55 und über 50 Mio. Tonnen landwirtschaftliche Produkte56 über die schmale, nur 55 Kilometer breite Meerenge transportiert, und bereits in den 1970er Jahren galt sie als eine der wichtigsten Wasserwege der Welt: Die Hälfte des weltweiten Ölhandels wurde mit Tankern durch die Straße von Hormuz verschifft.57 Diese sensible geografische Lage zwingt den Oman dazu, sich nicht in einseitige Abhängigkeitsverhältnisse zu begeben, sondern eine Politik der Ausgewogenheit und der Äquidistanz zu verfolgen. Nur mit einem solchen Kurs kann Oman seiner Schutzfunktion an der Straße von Hormuz gerecht werden, die Sicherheit globaler Handelsund Lieferwege garantieren und damit seine eigene Ausnahmestellung in der Region bewahren. Diese Verantwortung spiegelt sich daher auch in Omans ausgleichender Außenund Regionalpolitik wider. Eine Politik des Dialogs schützt vor externen Bedrohungen – dieses Credo verfolgt der Oman konsequent. So unterstützte das Sultanat beispielsweise die Friedensvereinbarungen zwischen Israel sowie Ägypten 1980 und Jordanien 1994, engagierte sich als Vermittler im Krieg zwischen Iran und Irak von 1980 bis 1988, vermittelte 1985 zwischen den verfeindeten Rivalen Indien und Pakistan sowie zwischen Bahrain und Katar ein Jahr später, nachdem katarische Truppen in Debil gelandet waren58 und organisierte die Verhandlungen zwischen Saudi-Arabien und den jemenitischen Houthis in den vergangenen Jahren. Nach der irakischen Invasion Kuwaits 1991 verwehrte sich Oman einer militärischen Antwort und forderte eine diplomatische Lösung – sehr zum Unwillen der anderen Golfstaaten, die das Vorgehen Saddam Husseins strikt verurteilt hatten. Weiterhin unterhält Oman pragmatische Beziehungen zu Iran.59 Nachdem Iran die kleinen Inseln Abu Musa, Klein- und Groß-Tunb 1971 besetzt und damit die neu gegründeten Emirate provoziert hatte, die die Kontrolle für die drei Inseln beanspruchten, verhielt sich Oman zurückhaltend60, immerhin war man auf iranische Hilfe bei der Niederschlagung der Dhofar-Revolution angewiesen. 1974 einigten sich Oman und Iran auf eine Festlegung der gemeinsamen Grenzen in der Straße von Hormuz.61 Selbst nach der Iranischen Revolution 1979 hielt Oman diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen zur Islamischen Republik aufrecht62 – während sich das Verhältnis zwischen den anderen Golfstaaten und Iran dramatisch verschlechterte. Diese neutrale Position gegenüber Iran wurde von Seiten der golfarabischen Nachbarn mit Misstrauen betrachtet, immerhin wurde eine klare Positionierung Omans gegen die Islamische Republik erwartet. Dieser Forderung kam die omanische Führung allerdings nicht nach, um die eigene Souveränität zu bewahren. Stattdessen perfektionierte Oman die Kunst der Pendeldiplomatie, um als Vermittler unersetzlich zu werden und sich somit vor langfristiger Isolation zu schützen. Im Zuge der Verhandlungen über das iranische
Atomprogramm gelang es Oman sogar, die beiden Konfliktparteien Iran und die USA zusammenzubringen, um den anschließenden Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) auszuhandeln. Weiterhin hatte Oman 2011 dabei geholfen, drei US-amerikanische Wanderer, die in Iran der Spionage beschuldigt und inhaftiert worden waren, an die USA zu übergeben.63 Dieser außenpolitische Balanceakt galt dem damaligen Sultan Qaboos insbesondere in den ersten Jahren seiner Regierungszeit als effizientes Mittel, die eigene Macht und die nationale Unabhängigkeit zu wahren, indem er enge und vertrauensvolle Netzwerke aufbaute.64 Im Gegensatz zu den VAE oder Katar verfügt Oman nur über geringe Ölressourcen und ist daher mehr als andere Golfstaaten von stabilen und vertrauenswürdigen Handelsbeziehungen abhängig, um die Diversifizierung der Wirtschaft voranzutreiben. Deswegen betrachtet Oman historisch die eigene Außenpolitik als Teil seiner Wirtschaftspolitik und begrüßt regionale Kooperationen.65 Kuwaits Außenpolitik der letzten Jahrzehnte wurde von zwei wesentlichen Indikatoren bestimmt: Vor allem die irakische Invasion unter Saddam Hussein wirkt noch immer als nationales Trauma nach. Bereits vor dem Einmarsch 1991 betrachtete Irak Kuwait als Teil des eigenen Territoriums. Insbesondere nach der kuwaitischen Unabhängigkeit 1961 betonte der Irak seine Gebietsansprüche; ein fehlgeschlagener Mordanschlag auf den damaligen kuwaitischen Emir Jaber al-Ahmed al-Sabah wurde 1985 der von Iran beeinflussten und aus dem Irak operierenden Dawa-Partei zugeschrieben und schürte die kuwaitische Sorge vor der irakischen Bedrohung.66 Um ähnliche Katastrophen zu vermeiden, ist der Herrscherfamilie daran gelegen, eine Politik der Nichteinmischung zu pflegen, regionale Konflikte zu moderieren sowie multilaterale Zusammenarbeit zu forcieren. Bereits vor der Invasion hatte sich Kuwait als Vermittler im Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Ägypten im Nordjemen 1968 oder zwischen Bangladesch und Pakistan 1974 bewährt und seinen Status als ehrlichen Makler zementiert.67 Weiterhin wird die kuwaitische Außenpolitik von dem sensiblen Aushandlungsprozess in der Innenpolitik bestimmt. Zwar liegt die Richtlinienkompetenz beim Emir und der Herrscherfamilie, doch aufgrund der populären Position des Parlaments können außenpolitische Entscheidungen häufig nicht ohne kontroverse öffentliche Debatte getroffen werden. Da in Kuwait die politische Meinungslandschaft von heterogenen Akteuren und einem hohen Grad von Pluralität geprägt ist, wird jegliche außenpolitische Entscheidung zum Spielball des politischen Diskurses. Im Gegensatz zu den VAE oder Katar, wo außenpolitische Fragen kaum öffentlich diskutiert und schon gar nicht in Frage gestellt werden, existiert in Kuwait ein gewisser Raum für öffentliche Kontroversen und ein Zwang zur Kompromissfindung.68 3.2 Iran – Rivale und notwendiges Übel
Seit der Iranischen Revolution 1979 wird die Islamische Republik Iran insbesondere von Saudi-Arabien als Gefahr für die regionale und nationale Stabilität und als »Kernkonflikt des Nahen Ostens«69 betrachtet. Dabei wird das saudisch-iranische Verhältnis von einer »widersprüchlichen Kombination aus Antipathie, Antagonismus und Apathie« bestimmt.70 Die saudische Sichtweise auf Iran ist somit vor allen Dingen geprägt von tiefem Misstrauen, offener Sorge um das eigene Überleben, einer paranoiden Obsession, die auch als »Iranoia«71 umschrieben werden kann, sowie trotz aller Vorbehalte dem Bewusstsein, die Existenz Irans trotz aller Konflikte nicht negieren zu können. Aus saudischer Sicht strebt Teheran seit 1979 nach regionaler Hegemonie, verfolgt den Export seiner Revolution, will das sunnitisch-wahhabitische Saudi-Arabien sowie die als prowestlich dämonisierten Golfmonarchien ideologisch, militärisch und religiös schwächen und seine schiitische Doktrin verbreiten. Damit fordert Iran direkt den Führungsanspruch SaudiArabiens in der islamischen Welt heraus.72 Für saudische Gesprächspartner:innen stellte die Islamische Republik lange Zeit einen irrationalen Akteur dar, der nicht als pragmatischrationaler Nationalstaat agiere, sondern als ideologisch motivierter Unruheherd: Iran strebe danach, die islamische Welt unter seine Kontrolle zu bringen und die Macht der golfarabischen Herrscher zu brechen – so der Tenor in Riad. Außerdem sei die iranische Politik aufgrund der wechselnden Personalien unberechenbar, bemängeln u. a. emiratische Analyst:innen: »Manchmal spricht man mit dem Außenminister, und es stellt sich heraus, dass er nicht der richtige Ansprechpartner ist, weil andere die Entscheidung treffen, und das ist immer wieder passiert.«73 Dahinter steckt die Annahme, dass insbesondere die einflussreichen Sicherheitskräfte wie die Revolutionsgarden einen »Staat im Staate« bilden, der unabhängig von der gewählten Regierung agiere und daher nicht zu kontrollieren sei. Bereits zwischen 1980 und 1988 destabilisierte der Krieg zwischen Iran und Irak die gesamte Region und sorgte für gravierende Unsicherheit auf Seiten der Golfmonarchien. Saudi-Arabien, Katar, die VAE und Kuwait stellten sich auf die Seite des irakischen Diktators Saddam Hussein und ließen ihm finanzielle Unterstützung in Höhe von USD 80 Mrd. zukommen. Insbesondere die kleinen Golfstaaten fanden sich in einem Strudel der Gewalteskalation wieder, die ihre Existenz gefährdete. Diese Wahrnehmung hat sich insbesondere seit den »Arabischen Aufständen« intensiviert: Gegenseitige Schuldzuweisungen sorgten für einen »kalten Krieg« zwischen Saudi-Arabien und Iran.74 2017 bezeichnete MbS den iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khamenei gar als »neuen Hitler«.75 Ein Jahr früher hatte die Hinrichtung des in Saudi-Arabien lebenden schiitischen Predigers Nimr al-Nimr für eine neue Eskalationsstufe im saudisch-iranischen Verhältnis geführt.76 Wütende Demonstrierende hatten versucht, die saudische Botschaft in Teheran zu stürmen, was zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen führte – nicht zum ersten Mal in
der wechselhaften Geschichte der beiden Rivalen. Dabei fungiert das Feindbild Iran in Saudi-Arabien auch als emotionale Klammer, um die Loyalität zwischen der Königsfamilie und der Bevölkerung zu festigen und eine nationalistische Wagenburgmentalität zu schaffen: MbS instrumentalisierte in den ersten Jahren seiner De-Facto-Herrschaft die tiefsitzenden Vorbehalte gegen das iranische Regime, um die eigene Macht zu stärken und innere Stärke gegen eine äußere Bedrohung zu demonstrieren. Im Rahmen dieser Eskalations- und Diffamierungsstrategie wurde u. a. der damalige libanesische Premierminister Saad Hariri zum Rücktritt gezwungen, den er aus Riad vor laufenden Kameras verkünden musste77 – eine Demütigung für den einstigen loyalen Partner Saudi-Arabiens. Der Vorwurf: Hariri war nicht mit voller Härte gegen die pro-iranische Hisbollah vorgegangen und hatte damit die iranische Expansion unterstützt. Trotz aller Konflikte: Beide Staaten durchlaufen aber immer wieder auch Phasen der Annäherung und der pragmatischen Ko-Existenz.78 Vor der Revolution galten Iran unter dem Schah und Saudi-Arabien als Partner der USA im Rahmen der von US-Präsident Richard Nixon deklarierten »Zwei-Säulen«-Politik, um im »Kalten Krieg« ein Bollwerk gegen die Sowjetunion zu schmieden.79 Diese Allianz brach nach der Revolution auseinander: Während Saudi-Arabien im westlichen Lager verblieb, dämonisierte die Führung der Islamischen Republik die USA als »großen Satan« und wurde im Gegenzug zum »Schurkenstaat« deklariert. Es folgte jedoch erneut eine Phase der Entspannung nach dem Tod des Revolutionsführers Ayatollah Khomeini 1989 bis zu Beginn der 2000er Jahre, ehe mit dem Start des iranischen Atomprogramms und der Wahl des Hardliner-Präsidenten Mahmoud Ahmadinedjad eine Zeit der »langsamen Eskalation« begann.80 Vor dem Hintergrund dieses Auf und Abs wäre es zu eindimensional, die Rivalität zwischen Iran und Saudi-Arabien nur als ideologisch-konfessionellen Konflikt81, als Auseinandersetzung zwischen dem mehrheitlich schiitischen Iran und dem sunnitischwahhabitischen Saudi-Arabien zu plakatieren. Stattdessen stecken strategische und politische Interessen dahinter.82 Beide Staaten konkurrieren um Märkte und Rohstoffe, streben nach regionalen Partnerschaften und Einfluss. Aus saudischer Perspektive trägt Iran die Hauptverantwortung für die Konflikte in Syrien, Libanon, Irak oder Jemen. Dort hat sich der machtpolitische Einfluss Teherans in den letzten Jahren tatsächlich massiv ausgeweitet: Im Libanon fungiert die Hisbollah als verlängerter Arm Irans, im Irak etablierten sich proiranische schiitische Milizen seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 als wichtige Machtzentren, in Syrien gilt Diktator Bashar al-Assad als enger iranischer Verbündeter und im Jemen wurden die Houthis in den letzten Jahren immer stärker durch die mächtigen iranischen Revolutionsgarden mit Waffen, Training und Drohnen unterstützt. Kurz: Das saudische Königreich fühlt sich von pro-iranischen Feinden umzingelt, was
auch dazu beitrug, im März 2015 im Jemen zu intervenieren – zwei Monate nach dem saudischen Thronwechsel.83 Seitdem hat sich der Konflikt im Jemen zur größten humanitären Katastrophe der Welt entwickelt: Mit mehr als 24 Mio. Menschen sind 80% der Bevölkerung von akuter Not betroffen und benötigen humanitäre Hilfe, drei Millionen Jemenit:innen sind obdachlos und 600.000 haben ihre Jobs verloren, während 85% der Bevölkerung in extremer Armut leben.84 Die saudische Intervention richtete sich gegen den territorialen Vormarsch der Houthis, die im September 2014 die Hauptstadt Sanaa erobert hatten und in den letzten Jahren Großteile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht hatten.85 Bei ihnen handelt es sich um einen jemenitischen Stammesverband aus der nördlichen Region Sada, der zur schiitischen Konfession der Zaiditen gehört.86 Im Rahmen seiner internen Machtpolitik nutzte MbS die Intervention, um seine eigene Position als starker Anführer zu konsolidieren und potenzielle Opposition auszuschalten. Dies führte jedoch zu massiven Problemen: Saudi-Arabiens rigides Vorgehen, die steigende Anzahl an desaströsen Luftschlägen gegen die Zivilbevölkerung und die dramatische humanitäre Katastrophe schadeten nicht nur dem internationalen Image des Königreichs, sondern bedrohten auch zunehmend seine nationale Stabilität.87 Jahrelang wurden saudische Ziele von den Houthis attackiert: Zwischen 2015 und 2021 kam es zu mindestens 430 Raketen- und mehr als 850 Drohnen-Angriffen auf saudische Ziele.88 Für den Zeitraum von 2015 und 2020 wurden die Kosten für den Militäreinsatz auf USD 100 Mrd. geschätzt; andere Kalkulationen beziffern die monatlichen Ausgaben gar auf USD 5 bis 6 Mrd.89 – eine schwere finanzielle Bürde für das Königreich.90 Gleichzeitig warf die internationale Gemeinschaft der saudischen Führung Kriegsverbrechen vor, was der Reputation des Kronprinzen, der zum damaligen Zeitpunkt die Militärintervention im Jemen als Verteidigungsminister auch formell verantwortete, weiter schadete. Schätzungen gehen davon aus, dass die durch die saudische Allianz durchgeführten Luftschläge mindestens 24.000 Todesopfer gefordert haben sollen – darunter etwa 9.000 Zivilist:innen.91 So sollen sich 30% aller Angriffe auf zivile Ziele wie Wohnhäuser, Wochenmärkte, Schulen, Farmen oder Krankenhäuser konzentriert haben, allein 2.000 Luftschläge sollen landwirtschaftliche Flächen und Teile der lokalen Wasserversorgung zerstört haben.92 Gleichzeitig nutzen die Houthis zivile Infrastruktur für militärische Zwecke, sodass von ihnen willentlich Todesopfer in Kauf genommen werden – so der saudische Vorwurf. Im Königreich gelten die Houthis als Marionette Teherans, deren Einfluss zurückgedrängt werden müsse, um sich aus der iranischen Umklammerung zu lösen. Die Houthis hatten sich nach den »Arabischen Aufständen« als eigentliche Gewinner des jemenitischen Umbruchs erwiesen. Damals fanden auch im Jemen landesweite Proteste gegen die erratische Autokratie des damaligen Präsidenten Ali Abdullah Saleh statt.93 2012 wurde er zum
Rücktritt gezwungen.94 Bereits unter der Herrschaft Salehs, der seit 1978 erst den Nordjemen und seit der Wiedervereinigung 1990 das gesamte Land regiert hatte, war die Zaidiyya, zu denen die Houthis gehören, marginalisiert worden95, was den derzeitigen Konflikt mitverursachte. Traditionell bilden die Zaiditen eine politisch und religiös einflussreiche Führungsschicht im komplexen Machtgefüge des Jemens96, die bereits seit den 1990er Jahren den orthodoxen Wahhabismus saudischer Prägung herausforderten. Das Königreich versuchte diesen Tendenzen entgegenzutreten, indem salafistische Prediger im Norden Jemens der Zaidiyya entgegentreten und die Houthis schwächen sollten – jedoch ohne signifikanten Erfolg.97 Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung kam es bereits zwischen 2004 und 2010 zu sechs militärischen Offensiven Saudi-Arabiens gegen die Houthis, ohne jedoch deren Einfluss entscheidend zurückdrängen zu können – wie sich 2015 erneut zeigte. Damals starteten sie ihren Eroberungszug vom nördlichen Sanaa bis hin zur südlichen Hafenstadt Aden98, verbündeten sich mit Saleh und bedrohten damit die saudischen Interessen im Jemen. Im Dezember 2017 wurde Saleh von den Huthis getötet, die seitdem die alleinige Kontrolle über Sanaa und den Norden des Landes haben. Jahrelang versuchte Saudi-Arabien, die Vorherrschaft der Houthis mit massiver militärischer Schlagkraft zurückzudrängen, verhinderte die Nutzung des Flughafens von Sanaa und erschwerte den Zugang zu al-Hudaida, dem größten Hafen des Landes am Roten Meer. Die saudische Führung deklarierte die militärische Intervention in erster Linie als Verteidigungsmaßnahme gegen eine doppelte Bedrohung – von den Houthis und durch Iran. Dabei hatte erst die saudische Intervention sowie die Diffamierung der Houthis als Marionette Teherans durch Riad zu einer engeren Zusammenarbeit geführt, die über oberflächliche Beziehungen hinausging – die Allianz zwischen den Houthis und der Islamischen Republik wurde für Saudi-Arabien zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung.99 Bis dahin erhielten die Houthis nur geringfügige Unterstützung aus Iran.100 Erst ab 2017 bzw. 2018 wurden immer mehr schwere Waffen wie ballistische Raketen aus Iran in den Jemen transportiert.101 Außerdem existiert keine symbiotische religiöse Nähe zwischen der zaiditischen Islamauslegung und des in Iran proklamierten Zwölfer-Schiismus, da die Zaiditen die in der Islamischen Republik vorherrschende »Herrschaft des Rechtsgelehrten« (Welayat-e Faqih) ablehnen. Auch wegen der engeren Koordination zwischen den Houthis und Iran ließ sich ein Sieg der saudisch geführten Allianz mit Waffengewalt nicht verwirklichen, stattdessen kontrollieren die Houthis mittlerweile große Teile des jemenitischen Territoriums. Für Saudi-Arabien reifte so in den letzten Jahren das Bewusstsein, die Houthis nicht militärisch besiegen zu können. Wie später noch gezeigt wird, setzt die saudische Führung daher mittlerweile auf politische Annäherung und Verhandlungen, um die Bedrohung durch die Houthis einzudämmen und eine
gesichtswahrende Lösung für den desaströsen Konflikt zu finden.102 Auch Syrien entwickelte sich zu einem Schauplatz der golfarabisch-iranischen Rivalität: Dort brachen die meisten Golfstaaten – mit Ausnahme von Oman – die diplomatischen Beziehungen mit Bashar al-Assad nach Beginn des Krieges 2011 ab. Sein brutales Vorgehen gegen die eigene Bevölkerung, der Einsatz von Chemiewaffen sowie die massenhafte Migration syrischer Geflüchteter führten in den meisten Golfstaaten zu einer kompromisslosen Anti-Assad-Position, die durch die wachsende Zusammenarbeit zwischen dem syrischen und dem iranischen Regime noch gestärkt wurde.103 So leisteten vor allem Saudi-Arabien, die VAE und Katar finanzielle und logistische Unterstützung an unterschiedliche Widerstandsgruppen104 und lieferten schwere Waffen an die Freie Syrische Armee (FSA)105, konnten sich allerdings nicht auf eine gemeinsame Strategie verständigen: Während Saudi-Arabien und die VAE insbesondere sunnitisch-salafistische militante Gruppierungen wie Dschaisch al-Islam (»Armee des Islams«) unterstützten106, stand Katar auf Seiten islamistischer Oppositioneller. Diese Uneinigkeit im Vorgehen gegen al-Assad nutzte das Regime in Damaskus geschickt aus, knüpfte enge Bande mit Iran und Russland und konnte sich auch dank dieser Allianz an der Macht halten. Gleichzeitig sank der Einfluss der Golfstaaten auf die syrischen Oppositionsbewegungen: Während die »Golfkrise« sich auch in Syrien auswirkte, konzentrierte Riad seine Aufmerksamkeit zunehmend auf den Konflikt im Jemen. Syrien verlor für Saudi-Arabien an strategischer Priorität. Davon profitierte Iran und konnte sich mit Syrien ein weiteres wichtiges Einflussgebiet sichern. Für Saudi-Arabien ein Dilemma: Man sah die iranische Nähe zu Syrien zwar mit großer Sorge, musste sie allerdings notgedrungen in Kauf nehmen, um sich auf den jemenitischen Konflikt zu fokussieren. Ähnlich wie im Jemen überwiegt mittlerweile auch bei Syrien das Bewusstsein, schmerzhafte Realitäten akzeptieren zu müssen und einen Modus Operandi mit dem Assad-Regime zu finden, da es mit Hilfe Irans und Russland den Konflikt zu seinen Gunsten entschieden hat. In Bahrain, der direkten Nachbarschaft Saudi-Arabiens, wurden die im Zuge der »Arabischen Aufstände« 2011 ausbrechenden Proteste auch als Auswirkungen der iranischen Einflussnahme auf die schiitische Bevölkerungsmehrheit im sunnitisch regierten Inselstaat betrachtet.107 Etwa 65% bis 75% der bahrainischen Bevölkerung gehören der schiitischen Konfession an. Das bahrainische Königshaus Al Khalifa fürchtet daher eine iranische Unterwanderung mithilfe der bahrainischen schiitischen Bevölkerung. Gleichzeitig resultiert die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit von Saudi-Arabien in einer regelrechten »Nibelungentreue«.108 Diese Angst vor einem iranisch orchestrierten Umsturz kumulierte 2011, als sich das Königshaus einer anwachsenden Welle an Protesten gegenübersah, die als iranische Verschwörung dargestellt wurden. Dabei demonstrierten auch Sunnit:innen gegen
wirtschaftliche und politische Benachteiligung, so dass es sich keinesfalls nur um einen schiitischen Protest handelte. Saudi-Arabien und die VAE sandten auf Bitte der bahrainischen Herrscher Truppen in den Inselstaat, um den vermeintlichen iranischen Übernahmeversuch zu beenden.109 Trotz dieser Konflikte: Innerhalb der Golfmonarchien unterscheidet sich der Umgang mit Iran teilweise fundamental. So verfolgen die VAE gegenüber Iran einen opportunistischeren Kurs als Saudi-Arabien, immerhin unterhält das Emirat Dubai traditionell enge Handelsbeziehungen mit Iran und ist aus wirtschaftlichen Gründen auf gute Beziehungen mit der Islamischen Republik angewiesen.110 Für Iran stellen die VAE außerdem eine wichtige Drehscheibe dar, um trotz Sanktionen mit dem Ausland Handel betreiben zu können.111 2020 fungierten die Emirate daher hinter China auch als zweitwichtigster Exporteur nach Iran.112 Zwischen 2022 und 2025 ist geplant, den bilateralen Handel von USD 15 Mrd. auf USD 30 Mrd. zu erhöhen.113 Weiterhin leben etwa 400.000 iranische Staatsbürger:innen vor allem in Dubai, die eine politisch und wirtschaftlich einflussreiche Unternehmerelite gebildet haben. Im Gegensatz zu Saudi-Arabien betrachteten die VAE außerdem den politischen Islam als größere Bedrohung für die eigene Macht als Iran. Deswegen zeigt man sich entspannter gegenüber Iran und versucht mit einem Pendelkurs aus Eindämmung und Annäherung die eigenen Interessen zu schützen. Dennoch wird auch in Abu Dhabi der Aufstieg Irans zur einflussreichen Regionalmacht als Bedrohung wahrgenommen: Immerhin treibt die emiratische Führung die Sorge, der signifikante iranische Bevölkerungsanteil könnte als »fünfte Kolonne« der Islamischen Republik agieren und ihre Herrschaft herausfordern. Solche Sorgen wurden durch die ausbrechenden Proteste in Bahrain noch geschürt und verstärkten sich nach Abschluss des iranischen Atomabkommens, das in den VAE als »Freifahrtschein« für die Expansionsbestrebungen Teheran erachtet wurde.114 Für Oman und Kuwait sorgte die Eskalation im saudisch-iranischen Konflikt dagegen für regelrechte Existenzängste, immerhin beruht deren Überlebensstrategie auf regionalem Ausgleich und Dialog. Deswegen befinden sie sich traditionell in einer Sandwich-Position zwischen den Widersachern, da sie im Zuge des saudisch-iranischen Konflikts zwischen die Fronten geraten könnten – ein Dauertrauma für die Herrscher im Oman und Kuwait. Dieser Balanceakt gleicht einem Ritt auf der Rasierklinge, da sie einerseits den pragmatischen Austausch mit Iran suchen müssen, andererseits aber die starken Männer in Riad und Abu Dhabi nicht verprellen dürfen.115 Zuletzt verfolgt auch Katar einen pragmatischen Kurs gegenüber Iran, wie noch ausgeführt wird. 3.3 »Ein Konflikt der Egos«: Golfinterne Rivalitäten Im Zuge der iranisch-saudischen Auseinandersetzung wurde der Nahe und Mittlere Osten
auch zu einem Schauplatz der inner-golfarabischen Rivalität. Katar hatte unter dem damaligen Emir Hamad bin Khalifa Al Thani (reg. 1995–2013) eine weitgehend ideologisch motivierte Regionalpolitik verfolgt, da islamistische Gruppierungen wie die Ennahda-Partei in Tunesien oder die Muslimbrüder in Ägypten unterstützt wurden.116 Gleichzeitig unterhält Katar konziliante Verbindungen zu Iran, nutzen beide Staaten doch das größte Gasfeld der Erde gemeinsam und unterhalten relevante Wirtschaftsbeziehungen: Zwischen 2016 und 2018 stiegen die Exporte nach Katar um mehr als das Vierfache. Diese Nähe wurde in Riad sowie Abu Dhabi mit Argwohn betrachtet. Insbesondere für die emiratische Führung bedrohte die Zusammenarbeit Dohas mit Iran das eigene Geschäftsmodell. Katars Emir Hamad und sein engster Berater, Außen- und Premierminister Hamad bin Jassim al Thani117, sahen in den »Arabischen Aufständen« eine hervorragende Gelegenheit, in Nordafrika mehr politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Einfluss zu gewinnen und das neu entstandene Machtvakuum zu nutzen, um sich als einflussreicher Regionalakteur zu positionieren. 118 Mit Hilfe des staatseigenen Satellitensenders Aljazeera stellte sich Doha als Förderer der islamischen Demokratie dar, indem es sich mit den Protestbewegungen in Tunesien und Ägypten verbündete. In der Regierungszeit der tunesischen Ennahda positionierte sich Katar nicht nur als öffentlichkeitswirksamer Unterstützer der islamistischen Eliten in Tunesien, sondern auch als aufstrebender wirtschaftlicher Partner und entwicklungspolitischer Akteur.119 Diese pro-islamistische Politik der regionalen Machtprojektion betrachteten die gegenrevolutionären Regionalkräfte Saudi-Arabien und die VAE als direkte Bedrohung ihres eigenen autokratischmonarchischen Herrschaftssystems.120 Daher reduzierten Saudi-Arabien und die VAE ihre politische Unterstützung in Nordafrika auf ein Minimum, was sich mittelfristig auch auf ihr wirtschaftliches und entwicklungspolitisches Engagement auswirkte. 2014 eskalierte diese Rivalität, als SaudiArabien und die Emirate gemeinsam mit Ägypten und Bahrain ihre Botschafter aus Doha abzogen und die katarische Führung aufforderten, ihre engen Verbindungen zu Iran und islamistischen Gruppierungen abzubrechen.121 Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen wurde damals damit begründet, dass Katar ein im November 2013 zwischen dem saudischen König Abdullah und dem katarischen Emir unterzeichnetes Sicherheitsabkommen nicht eingehalten hatte. Erst nachdem Katars Emir eine weitere Vereinbarung ratifiziert hatte, kehrten acht Monate später die abgezogenen Botschafter nach Doha zurück. Bereits diese Krise ließ die fundamentalen Differenzen innerhalb der Golfstaaten zutage treten, welche weder gelöst noch offen debattiert worden waren, sodass der Konflikt weiter schwelte und sich an unterschiedlichen regionalen Schauplätzen niederschlug. So weiteten die VAE und Katar vor dem Hintergrund ihrer wachsenden Rivalität ihr militärisches Engagement in Libyen aus. Dort sorgte die emiratische Einflussnahme für
Aufsehen, immerhin stellten sich die VAE in diesem blutigen Konflikt nach dem Tod des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi im Oktober 2011 gegen die international anerkannte Regierung in Tripolis und paktierten mit Russland und den Söldnern der dubiosen Wagner-Gruppe. Ähnlich wie in Tunesien und Ägypten ging es den VAE auch in Libyen maßgeblich darum, den katarischen Einfluss zurückzudrängen. Katar stand zunächst zusammen mit anderen regionalen Akteuren wie der Türkei und der EU auf der Seite der von den Vereinten Nationen unterstützten Regierung der nationalen Einheit in Tripolis122, während die VAE zusammen mit Ägypten und Saudi-Arabien die gegnerische Seite der Libyschen Arabischen Streitkräfte (LAAF) von Feldmarschall Khalifa Haftar unterstützten. In der Anfangsphase des Konflikts zwischen 2011 und 2014 betrachtete Katar Libyen als Handlungsfeld, um seine Beziehungen zu islamistischen Strömungen auszubauen. Außerdem hatte sich Katar an den militärischen NATO-Operationen zum Sturz al-Gaddafis mit sechs Kampfjets beteiligt, um damit die internationale Sichtbarkeit und die Partnerschaft mit multilateralen Bündnissen zu stärken.123 In dieser Zeit stellte Katar den lokalen Verbündeten auch militärische Unterstützung und Ausbildungskapazitäten zur Verfügung. Nach der Thronbesteigung Tamims reduzierte sich allerdings das katarische Engagement in Libyen merklich, da Katar seine interventionistische und pro-islamistische Regionalpolitik modifizierte124: Seit 2014 spielt Doha keine relevante Rolle mehr in Libyen. Anders die VAE: Ihre finanzielle Unterstützung und die Entsendung ausländischer russischer und syrischer Söldner125, die Rekrutierung sudanesischer Kämpfer126 oder die Zusammenarbeit mit dem privaten US-Sicherheitsdienstleister Erik Prince127 haben den militärischen Konflikt in Libyen zusätzlich angeheizt und die Verwerfungen vor Ort und zwischen den externen Kriegsparteien vertieft. Die Zusammenarbeit der LAAF mit der russischen Wagner-Gruppe spielte bei der Schlacht um Tripolis im August 2019 eine entscheidende Rolle.128 Schätzungen zufolge waren zwischen Juli und September 2020 rund 2.000 Wagner-Kämpfer in Libyen im Einsatz. Sie sollen finanzielle Zuwendungen von den VAE erhalten haben129, was von emiratischer Seite offiziell dementiert wurde.130 Mit ihrem Engagement wollten die VAE nicht nur ihre technischen Kapazitäten in Bezug auf Luft- und Drohnenangriffe unter Beweis stellen, sondern auch international ihre Strahlkraft in militärischen Kontexten beweisen und den katarischen Einfluss zurückdrängen.131 Im Jahr 2016 errichteten die VAE ihre erste Militäreinrichtung al-Khadim im Osten Libyens, die als strategischer Außenposten zur Unterstützung der LAAF diente.132 Darüber hinaus sorgte die direkte Nachbarschaft Libyens zum engen emiratischen Verbündeten Ägypten dazu, sich in den libyschen Konflikt einzumischen: Kairo war ernsthaft in Sorge über ein mögliches Übergreifen des libyschen Chaos auf eigenes Territorium, was die Machtposition von as-Sisi – »Abu Dhabis Mann in Kairo« – hätte untergraben können. Libyen war auch ein wichtiges
Aufnahmeland für ägyptische Arbeitsmigrant:innen, die vor dem Ausbruch des Konflikts jährlich mehr als 33 Mio. USD an Überweisungen überwiesen.133 Trotz der Beilegung der ersten Krise zwischen den starken Männern am Golf: Ihre Ursachen waren 2014 also längst nicht gelöst worden, sodass im Juni 2017 der Konflikt neu und heftiger denn je entflammte. Er resultierte in der bereits erwähnten »Golf-Krise«, die bis Januar 2021 andauerte und die politische und wirtschaftliche Einheit der Golfregion auf eine harte Probe stellte. Damals verhängten Saudi-Arabien, die VAE, Ägypten und Bahrain eine Land- und Seeblockade gegen Katar und beschuldigten die Führung in Doha unter Emir Tamim, Terrorismus, Islamismus und Iran zu unterstützen.134 Im Rahmen von zwölf Forderungen sollte Katar seine Außenpolitik radikal ändern und sich vom bisherigen Kurs verabschieden: Die engen Beziehungen zu Iran sowie die militärische Zusammenarbeit mit der Türkei sollten beendet, die Unterstützung von islamistischen Bewegungen gestoppt, Aljazeera geschlossen und Kontakte zu saudischen, emiratischen, bahrainischen und ägyptischen Oppositionellen unterbunden werden – um nur einige der drakonischen Forderungen zu nennen. In Katar lebende Muslimbrüder wie der bekannte TV-Prediger Yusuf al-Qaradawi sowie Alsayed Mahmoud Ezzat, Ibrahim Eissa oder Alaa Ali al-Samahi sollten ausgewiesen werden, während gleichzeitig eine Vielzahl von katarischen Wohlfahrtseinrichtungen ihr ausländisches Engagement einstellen sollten, da ihnen die Unterstützung von Islamisten in Syrien oder Nordafrika vorgeworfen wurde. Generell wurde Katar beschuldigt, die Führungsrolle Saudi-Arabiens und der VAE in der Region und darüber hinaus herauszufordern. Es wurde sogar spekuliert, einen USD 400 Mio. teuren Kanal entlang der Demarkationslinie zu errichten, um die Halbinsel Katar geografisch vom saudischen Festland abzuschneiden und damit endgültig zu isolieren.135 Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, versuchte das Blockadequartett, durch intensive Medienpolarisierung und Lobbykampagnen in westlichen Hauptstädten wie Washington, Paris oder London ein Anti-Katar-Narrativ zu kreieren. Katar hielt mit umfassenden PRMaßnahmen dagegen – ein regelrechter Medienkrieg begann. Insgesamt sollen die VAE und Saudi-Arabien sowie Katar je USD 1,5 Mrd. ausgegeben haben, um in diesem Konflikt die Deutungshoheit über die öffentliche Wahrnehmung zu behalten.136 Hinter dieser Krise stand ein »Konflikt der Egos«, da sich MbS und MbZ auf Seiten der Blockadestaaten durch den Emporkömmling Tamim herausgefordert fühlten und den Höhenflug Katars beenden wollten. Es folgte eine Phase der gegenseitigen Diffamierung und Dämonisierung, die gravierende gesellschaftliche Gräben aufriss: Innerhalb von 14 Tagen nach Beginn der Sanktionen sollten die 13.000 in den Blockadestaaten lebenden katarischen Staatsangehörigen in ihre Heimat zurückkehren. Die katarische Führung nutzte diese gesellschaftliche Spaltung geschickt, um im Ausland für ihre Position zu werben, sich als
unterdrückter Underdog zu stilisieren, während gleichzeitig die Blockadestaaten immer stärker unter Druck gerieten. Weder erhielten die VAE und Saudi-Arabien die politische Rückendeckung, die sie sich insbesondere von US-Präsident Donald Trump erhofft hatten, noch ging Katar auf ihre Forderungen ein. Stattdessen setzten sich der damalige USAußenminister Rex Tillerson sowie Verteidigungsminister Jim Matthis für eine Beilegung des Konflikts ein und ernannten mit General Anthony Zinni einen Sonderbeauftragten. Weiterhin erhielt die katarische Führung rasch Rückendeckung von europäischen Regierungen – darunter neben Deutschland auch Frankreich, Italien sowie Großbritannien –, die ihre Neutralität erklärten. Während der Krise unterzeichnete Katar umfangreiche Rüstungsverträge mit den USA, Großbritannien und Frankreich – ein weiteres Zeichen für die Resilienz Dohas gegen die versuchte Isolation.137 In der Folgezeit schlug den Blockadestaaten immer stärkerer Gegenwind entgegen und sorgte auch innerhalb der AntiKatar-Allianz für wachsende Zerwürfnisse: Während die VAE in der Blockade eine notwendige Maßnahme sahen, um Katar in die Schranken zu weisen, betrachtete SaudiArabien die Krise zunehmend als geschäftsschädigendes und unprofitables Abenteuer. Je mehr die regionale Polarisierung zunahm, umso mehr wurden die wirtschaftlichen Ziele des Königreichs gefährdet. Immerhin strebte MbS mit seiner »Vision 2030« danach, die Popularität des Königreichs als attraktiven Wirtschaftsstandort zu erhöhen – ein Ziel, das durch die regionale Zerrissenheit der Golfregion zunehmend gefährdet wurde, da mögliche Investoren abgeschreckt wurden. Kuwait und Oman erachteten die Golfkrise als schädlich für die eigene Sicherheit und setzten sich für eine diplomatische Lösung ein. Sie fürchteten, ähnlich wie Katar auch Opfer einer golfinternen Blockade werden zu können und erinnerten sich mit Sorge an historische Episoden, in denen sie bereits durch die Expansionsbestrebungen der golfarabischen Nachbarn bedroht worden waren. Diese zurückhaltende Position sorgte für Missstimmung auf saudischer und emiratischer Seite, weswegen der Besuch des saudischen Kronprinzen in Kuwait im September 2018 kürzer und unterkühlter als erwartet ablief. Bereits 2014, während der ersten Krise, hatte Kuwait seinen Botschafter aus Doha nicht abgezogen. Am Ende verkalkulierte sich das Blockadequartett: Katar kapitulierte nicht, sondern passte sich den widrigen Gegebenheiten an, indem es seine Außenpolitik diversifizierte, seine Interessen gegenüber europäischen und US-amerikanischen Partnern verteidigte und sich als »Opfer« einer externen Aggression darstellte.138 Wie viele Male in seiner wechselvollen Geschichte war es Katar erneut gelungen, sich gegen externe Angreifer zu behaupten und mit einer cleveren Strategie aus Soft Power, Vernetzung und Kooperation seine Position zu stärken. Anstatt die Beziehungen zur Türkei und Iran zu reduzieren, intensivierte Doha die Zusammenarbeit: Kurz nach Beginn der Blockade entsandte die
Türkei Soldaten zum Schutz nach Katar139 und Iran öffnete den Luftraum für katarische Flüge.140 Weiterhin hatte Katar weder mit erheblichen Engpässen bei der Lebensmittel- noch bei der Energieversorgung zu kämpfen, da es innerhalb weniger Tage seine hauptsächlich aus Saudi-Arabien stammenden Lebensmittelimporte von anderen Partnern bezog und mit immensem Aufwand eine eigene Nahrungsmittelindustrie aufbaute. Um die Versorgung mit Milchprodukten sicherzustellen, wurden u. a. Milchkühe aus Deutschland eingeflogen.141 Erst im Juni 2021 endete die Blockade mit der sogenannten Al-Ula-Erklärung: In der historischen Wüstensiedlung im Herzen Saudi-Arabiens legten die Konfliktparteien ihre Krise bei; in der Folge kehrten die Botschafter des Blockadequartetts nach Doha zurück, die wirtschaftlichen und politischen Sanktionen wurden aufgehoben und man versuchte, Normalität nach Jahren des tiefen Misstrauens herzustellen. Offensichtlich scheint SaudiArabien aus bereits ausgeführten Gründen die treibende Kraft hinter der Beilegung der Krise gewesen zu sein, während die VAE ihre Vorbehalte gegen Katar nicht vollends aufgegeben haben, was auch dadurch symbolisiert wurde, dass MbZ dem Gipfel in Al Ula fernblieb. Doch die Golfkrise ist nur die Spitze des Eisbergs der golfarabischen Rivalitäten. Das zeigt sich derzeit eindrucksvoll an den emiratisch-saudischen Beziehungen, die zunehmend von Spannungen geprägt sind. Historisch kam es zwischen beiden Staaten immer wieder zu Reibereien: 1974 geriet das Ölfeld Shaybah-Zararah im Rahmen der damaligen Grenzregelung unter die Kontrolle Saudi-Arabiens – sehr zum Missfallen der Emirate, die das Gebiet für sich beanspruchten.142 Es folgte ein jahrzehntelanges Ringen um die Nutzungsrechte. 2006 kam es zu einem weiteren politischen Streit aufgrund einer von den VAE veröffentlichten Karte, die zeigte, dass sich die Grenzen der Emirate im Norden und Westen auf saudisches Gebiet ausdehnten und das Ölfeld Shaybah-Zararah in das Gebiet der VAE einbezogen wurde.143 Im Jahr 2008 reichten die VAE bei den Vereinten Nationen Beschwerde gegen eine Grenzregelung zwischen Saudi-Arabien und Katar ein und behaupteten, diese verstoße gegen Teile von Sondervereinbarungen, die die Emirate und Katar – noch vor der offiziellen Unabhängigkeit beider Staaten – im Jahr 1969 und später im Jahr 2006 unterzeichnet hatten. Daraufhin kritisierte Saudi-Arabien das Abkommen zwischen Abu Dhabi und Katar über die Seegrenze aus dem Jahr 1969. Und im Jahr 2009 lehnten die VAE Pläne zur Einführung einer gemeinsamen Währung für die Mitglieder des Golfkooperationsrats ab, da die Zentralbank in Riad und nicht in Abu Dhabi angesiedelt werden sollte.144 Nach den »Arabischen Aufständen« näherten sich beide Regierungen jedoch deutlich an und verfolgten ähnliche sicherheitspolitische Interessen. Zu dieser Zeit stimmten beide Führungen ihre konterrevolutionären Bemühungen eng miteinander ab, um den Status quo und das Überleben ihrer monarchischen und autoritären Führungsmodelle zu sichern. Nach der Ernennung Muhammad bin Salmans zum Kronprinzen soll MbZ für seinen
jungen saudischen Vertrauten zeitweise eine Art Mentorenrolle übernommen haben: Beide suchten die Eindämmung Irans und des Islamismus und verfolgten in dieser Periode daher ähnlich Ziele. Ein in Saudi-Arabien stationierter europäischer Diplomat bezeichnete MbS als den »jungen Padawan« von MbZ – in Anlehnung an die in den Star-Wars-Filmen verwendete Bezeichnung für Schüler:innen des Jedi-Ordens. MbZ gewährte MbS über seinen einflussreichen Botschafter in den USA al-Otaiba Zugang zum Weißen Haus und zu Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Ob es sich jedoch wirklich um eine vertrauensvolle »Bromance« der beiden Männer gehandelt hat oder die Beziehung eher auf einer strategischen und pragmatischen Kosten-Nutzen-Abwägung beruht, ist kaum zu beurteilen. Es scheint möglich zu sein, dass sie sich gegenseitig nutzten, um ihre eigenen Interessen in Washington zu verfolgen: Einerseits brauchte MbZ das politische Kapital der arabischen »Supermacht« Saudi-Arabien, um den Einfluss der VAE auf Trump geltend zu machen. Andererseits war MbS – das politische »Greenhorn« – auf eine erfahrenere, gut vernetzte und etablierte Führungspersönlichkeit wie MbZ angewiesen, die ihm als Türöffner in Washington dienen konnte. Doch diese symbiotische Partnerschaft scheint sich abgekühlt zu haben, nachdem MbS einen eigenen, unabhängigen Politikkurs eingeschlagen hat, und sich zunehmend von Abu Dhabi emanzipiert, wie ein saudischer Analyst ausführt: »Wenn die Beziehungen zu den VAE den saudischen Zielen dienen, wird sich MbS auf sie verlassen. Wenn nicht, sind nationale Interessen wichtiger.« Mehr und mehr will MbS aus dem Schatten von MbZ heraustreten und seinen Ruf als starke und entschlossene Führungspersönlichkeit gegenüber der eigenen Bevölkerung festigen. In den VAE wurde dieser unabhängige Kurs von MbS eher als Belastung wahrgenommen: Je mehr er aufgrund der Ermordung Khashoggis oder seiner Menschenrechtsbilanz international in die Kritik geriet, desto mehr sorgte sich Abu Dhabi um die negativen Auswirkungen, die die Partnerschaft mit MbS auf das eigene Image haben könnte. Hinter dieser wachsenden Rivalität stecken also nicht nur die unterschiedlichen Sichtweisen auf den Umgang mit Katar. Riad und Abu Dhabi konkurrieren außerdem um die Pole Position am Golf und verfolgen mittlerweile in einigen politischen Fragen divergierende Interessen.145 Dies zeigt sich besonders eindrücklich im Jemen: Dort haben sich die VAE als einflussreiche Schattenmacht positioniert, die eigene geostrategische Interessen verfolgt. Während sich Saudi-Arabien prioritär auf den Kampf gegen die Houthis konzentrierte, fokussierten sich die VAE vor allem auf den Süden des Landes.146 Engagierten sie sich zu Beginn des Konflikts noch mit massiver militärischer Kraft, wich ihr Engagement sukzessive der Unterstützung loyaler Klienten. Sie wandten sich von der legitimen und von SaudiArabien gestützten Regierung um den damaligen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi ab, der als zahnloser Tiger und Witzfigur galt. Während Riad noch nach einer Strategie im
Umgang mit den Houthis suchte, hatten die VAE längst ihre Ziele definiert: So unterstützen sie den Südlichen Übergangsrat, der von der Wiederherstellung eines unabhängigen Südjemens wie vor 1990 träumt.147 Für die VAE dient die Küste um den Golf von Aden und im Südwesten als geostrategisch relevante Region, um die eigenen maritimen Ambitionen zu realisieren.148 Mittlerweile unterhalten die VAE Militärstützpunkte auf der dem Jemen vorgelagerten Insel Sokotra149 und dominieren die jemenitische Südküste. Dieses Vorgehen ist Saudi-Arabien ein Dorn im Auge, drängt man doch darauf, die nationale Einheit des Jemens aufrechtzuerhalten und die Houthis zu schwächen. Aus saudischer Perspektive schadet die emiratische Jemen-Strategie diesen Zielen, was die bilateralen Spannungen in den letzten Jahren intensiviert hat.150 So nahmen die Emirate an den saudischen Verhandlungen mit den Houthis über eine Beilegung des Konflikts151 nicht teil.152 Angeblich soll der saudische Kronprinz über die VAE sogar gesagt haben, sie hätten »uns einen Dolch in den Rücken gerammt.«153. Die einstige Harmonie der beiden mächtigen Männer scheint zumindest im Fall des Jemens verflogen. Dort ist es mittlerweile sogar zu militärischen Zusammenstößen zwischen pro-saudischen und pro-emiratischen Einheiten gekommen, was die Brisanz der anwachsenden Rivalität unter Beweis stellt.154 Durch die emiratische und saudische Unterstützung für lokale Klienten, die umfassende Lieferung von Waffen und militärischer Ausrüstung haben sich die Fronten im Jemen verhärtet – eine Lage, die sich durch die mutmaßliche Entfremdung der beiden Partner noch verschärft hat. Mittlerweile sollen sich 90.000 irreguläre emiratische Truppen im Land befinden155 – obwohl die VAE 2019 offiziell ihren Rückzug aus dem Jemen verkündet hatten.156 Bislang sind beide Seiten zwar an einem offenen Konflikt nicht interessiert und beschreiben ihr Verhältnis als eng und vertrauensvoll. Doch nicht nur im Jemen zeigen sich Spannungen: Am Horn von Afrika verfolgen beide Akteure ebenfalls unterschiedliche strategische Ansätze und der wirtschaftliche Konkurrenzkampf hat sich ebenso intensiviert.157 Und so befürchten Gesprächspartner:innen am Golf, dass sich die emiratisch-saudische Rivalität in einer neuen Golfkrise niederschlagen könnte. Golfarabische Auseinandersetzungen sind jedoch kein zeitgenössisches Phänomen oder ausschließlich Ausdruck von persönlichen Ego-Streitigkeiten zwischen den starken Männern in Riad, Abu Dhabi und Doha, sondern eine historische Konstante. Familienfehden und Konkurrenzstreitigkeiten führten in den letzten Jahrhunderten immer wieder zu Episoden der Eskalation und der Eskapaden. Lange waren die Landesgrenzen noch porös und nur vage festgelegt, außerdem kam es immer wieder zu Wanderungsbewegungen der einheimischen Bevölkerungen, sodass die fragilen Beziehungen der einzelnen Herrscherfamilien häufig von Grenzkonflikten beeinträchtigt wurden und teilweise – wie zwischen Kuwait und SaudiArabien im Jahr 2000 oder zwischen den VAE und Oman 2003 – erst Jahrzehnte nach ihrer
Unabhängigkeit beigelegt werden konnten.158 Die kleineren Golfstaaten fürchteten vor allem Übergriffe des mächtigen Nachbarn Saudi-Arabien. Dies galt explizit für Katar – bereits vor der »Golfkrise«: Zwischen 1965 – sechs Jahre vor der eigentlichen Unabhängigkeit Katars – bis 1999 blieben Fragen der territorialen Grenzziehung umstritten und sorgten für Dispute zwischen beiden Monarchien.159 1992 kam es sogar zu Zusammenstößen zwischen saudischen und katarischen Einheiten am Grenzübergang al-Khafus.160 Weiterhin wurde Saudi-Arabien beschuldigt, in zwei Putschversuchen gegen den ehemaligen Emir Hamad in den Jahren 1996 und 2005 involviert gewesen zu sein. Darüber hinaus sah sich die katarische Al Thani immer wieder Angriffen der bahrainischen Al Khalifa ausgesetzt, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die von den Al Thani kontrollierten Siedlungen al-Wakra und Doha fast vollständig zerstörten, um die Dominanz der katarischen Konkurrenten zu schwächen. Erst die Vermittlung der Briten führte zu einer Beilegung des Konflikts, doch die gegenseitigen Animositäten flackerten auch in den Folgejahrzehnten auf: 1936 beanspruchte Bahrain die vor der katarischen Westküste liegenden Hawar-Inseln und erließ ein Jahr später ein Handels- und Reiseembargo gegen Katar.161 Erst 2001 konnte der schwelende Grenzstreit vor dem Internationalen Gerichtshof beigelegt werden: Bahrain erhielt die Inseln Hawar und Jarada, Katar Zabarah, Fasht Dibal und Janan.162 Für Oman stellte die wahhabitische Missionierung Saudi-Arabiens um 1800 ebenfalls eine existenzielle Bedrohung dar: Damals sandte der saudische Herrscher Abd al-Aziz Truppen in den Oman, um den dortigen Sultan davon zu überzeugen, die wahhabitische Glaubensdoktrin anzunehmen. 1952 kam es zum erneuten Versuch, omanisches Territorium zu erobern, als saudische Truppen die BuraimiOase besetzten, die sie bereits 150 Jahre zuvor eingenommen hatten, und die heute zu den VAE gehört.163 Zu jener Zeit bestand die strategisch günstige und wasserreiche Oase aus neun Siedlungen, von denen sich drei als omanisch verstanden und sechs unter der Herrschaft Abu Dhabis standen. Saudi-Arabien erhoffte sich mit der Eroberung Buraimis Zugriff auf weitere lukrative Ölfelder und geriet darüber in Streit mit Oman und den Emiraten. Erst in den 1970er Jahren fanden die Querelen zwischen Oman und Saudi-Arabien ein Ende, da Sultan Qaboos nach seiner Machtübernahme rasch den Ausgleich zum größeren Nachbarn im Nordwesten suchte und das Königreich die territoriale Integrität Omans anerkannte – ein Meilenstein in der omanischen Geschichtsschreibung. Gleichzeitig suchte Oman auch den Austausch mit den Herrschern der emiratischen Föderation, um Unklarheiten in der Grenzziehung zu beseitigen. So besuchte Scheich Zayed Al Nahyan 1968 den damaligen omanischen Sultan Said bin Taimur, um ihn über seine Pläne zur Gründung der VAE drei Jahre später zu informieren.164 Und auch Kuwait musste sich in den 1920er Jahren saudischer Expansionsbestrebungen erwehren, da der saudische Staatsgründer Ibn Saud Kuwait zum eigenen Staatsgebiet zählte, hatten er und Teile seiner Familie doch lange Jahre
dort gelebt.165 3.4 Die USA – Partner und Problem Für den saudischen Kronprinzen stellte der 20. Mai 2017 sicherlich einen Höhepunkt seiner noch jungen Regentschaft dar: Der damals neu gewählte US-Präsident Donald Trump hatte Saudi-Arabien als erste Auslandsreise gewählt166 – ein Bruch mit US-amerikanischer Tradition, da neugewählte Präsidenten zumeist nach Kanada aufbrechen, und eine massive Aufwertung Riads. In Saudi-Arabien erhoffte man sich durch den pompösen Besuch des Präsidenten nicht nur, die bilateralen und persönlichen Beziehungen zu stärken, sondern auch volle Rückendeckung aus Washington für den interventionistischen Kurs Saudi-Arabiens im Jemen und gegen Katar zu erhalten – die »Golfkrise« begann nur wenig später. Und die warmen Worte Trumps in Riad in Richtung der saudischen Königsfamilie deuteten tatsächlich darauf hin, einen neuen Honeymoon in den US-saudischen Beziehungen feiern zu können: »Meine Begegnungen mit König Salman, dem Kronprinzen und dem stellvertretenden Kronprinzen waren von großer Herzlichkeit, gutem Willen und hervorragender Zusammenarbeit geprägt«, sagte er in überschwänglicher Euphorie und betonte die engen historischen Beziehungen zwischen beiden Staaten sowie die Chancen für intensivierte wirtschaftliche Zusammenarbeit.167 Dabei hatte Trump während seines Wahlkampfs noch getönt, die Öllieferungen aus Saudi-Arabien einstellen zu wollen, und gesagt: »Ohne uns, ohne unseren Schutz würde Saudi-Arabien nicht mehr existieren.«168 Doch mit seiner Reise nach Riad zeigte Trump, auf wessen Seite er stand. Für die saudische Führung bedeutete daher die Wahl Trumps eine Kehrtwende in der US-amerikanischen Nahostpolitik: Da ihm daran gelegen war, eine isolationistische und protektionistische »America First«-Politik zu proklamieren, hegten die Herrscher in Riad die Hoffnung, Trump werde autokratische Regierungen in der Region eher unterstützen als dessen Vorgänger Barack Obama. Gleichzeitig wandte er sich in seiner Rhetorik gegen Iran, was in Riad mit Wohlwollen aufgefasst wurde. Damit unterschied er sich in vielerlei Hinsicht von Obama. Unter ihm hatten sich die Beziehungen zwischen den USA und den arabischen Golfmonarchien merklich abgekühlt: Während der »Arabischen Aufstände« hatten die USA unter Obama dem langjährigen Verbündeten Hosni Mubarak innerhalb weniger Wochen die finanzielle und politische Unterstützung entzogen, was dessen Sturz beschleunigt hatte. Die golfarabischen Herrscher reagierten mit Panik, fürchteten sie doch, ähnlich wie Mubarak ebenso von den USA fallengelassen zu werden. Die erfolgreichen Verhandlungen unter Federführung der USA über das iranische Atomabkommen waren in Saudi-Arabien und den VAE als Carte Blanche für Iran wahrgenommen worden, seine expansionistische Einflussnahme in der direkten
Nachbarschaft der Golfmonarchien sowie sein ballistisches Raketenprogramm im Schutz des Atomabkommens unbemerkt von der internationalen Gemeinschaft auszuweiten.169 In Riad und Abu Dhabi fühlte man sich von den Verhandlungen ausgeschlossen und von den USA sowie den anderen europäischen Partnern verraten und verkauft. Damals sagte der einflussreiche Politikbeobachter und langjährige saudische Geheimdienstchef Turki al-Faisal: »Bedauerlicherweise schauten die internationale Gemeinschaft und besonders unsere traditionellen Verbündeten in den USA und Europa weg, wenn es um die iranische Einflussnahme in anderen Ländern ging, nur um den Nukleardeal abzuschließen.«170 Obamas Forderung im Jahr 2016, dass sich Saudi-Arabien die Region mit dem Erzrivalen Iran teilen solle171 sowie seine Äußerung, das Königreich sei ein »Trittbrettfahrer«172, stießen in Riad auf Unverständnis und sorgten für eine anwachsende Entfremdung zwischen den beiden Partnern. Im Zuge des Kriegs in Syrien betrachtete Saudi-Arabien die ausbleibende militärische Reaktion der USA auf die Chemiegasangriffe des Assad-Regimes in Ghouta im August 2013 als weiteren Riss in den Beziehungen. Vor den Angriffen hatte Obama noch erklärt, dass solche brutalen Aktionen des al-Assad-Regimes als »rote Linie« betrachtet und zu entsprechenden Maßnahmen führen würden.173 Konkrete Militärschläge blieben jedoch aus174, was die saudische Führung zutiefst beunruhigte.175 Allerdings muss das steigende Misstrauen in die USA als schleichender Prozess und unabhängig von den handelnden Personen betrachtet werden. Bereits die US-amerikanische Invasion im Irak 2003 sowie der »Krieg gegen den Terror« in Afghanistan gegen Al-Qaida und die Taliban nach 9/11 unter Präsident George W. Bush (reg. 2001–2009) schürten in der arabisch-islamischen Welt anti-amerikanische Vorbehalte und Sorgen vor einer neoimperialistischen Expansion des Westens. Der Sturz Saddam Husseins wurde in Teilen der Golfstaaten als »doppelter Verrat« wahrgenommen: Zum einen betrachteten die Monarchien am Golf die US-Intervention als Schwächung autokratischer Regime in der arabischen Welt, um stattdessen demokratische Werte zu fördern, und damit die Herrschaftssysteme am Golf zu schwächen. Zum anderen fiel mit dem Sturz Husseins ein Puffer gegen die iranische Expansion weg, was die strategische Tiefe der Islamischen Republik im Irak ausbaute.176 Nach der US-Invasion habe sich der Irak zu einer iranischen Provinz entwickelt, so die saudische Lesart. Schuld daran seien die USA gewesen, die der Islamischen Republik den Irak auf dem Silbertablett präsentiert hätten.177 Die Hinwendung der US-amerikanischen Außen- und Sicherheitspolitik in den Indo-Pazifik wurde in Riad und anderen golfarabischen Hauptstädten als weiteres Misstrauensvotum und als Rückzug der USA aus dem Nahen und Mittleren Osten betrachtet. Anstatt die golfarabischen Verbündeten gegen ihre Feinde zu unterstützen, würden sich die USA weit entfernten Krisenregionen zuwenden, um den Systemrivalen China einzuhegen – aus Sicht der Golfstaaten eine Fehlkalkulation und ein
Schlag in die Magengrube.178 In den USA wird diese Sichtweise zurückgewiesen: Statt sich aus der Golfregion zurückzuziehen, habe sich die Zahl der militärischen Kapazitäten in den Golfmonarchien im Vergleich zu Europa deutlich weniger reduziert, argumentieren USamerikanische Militärexperten. Im Jahr 2020 waren noch immer mehr als 28.000 USamerikanische Truppen in den Golfmonarchien stationiert; davon mit je 13.000 die meisten in Kuwait und Katar, gefolgt von Bahrain mit 7.000, den VAE mit 5.000, Saudi-Arabien mit 3.000 und Oman mit etwa 600.179 Ein echter Rückzug der USA aus der Golfregion lässt sich also nicht konstatieren. Doch diese unterschiedlichen Wahrnehmungen sind eben auch Ausdruck der komplexen Beziehungen und der existierenden Stereotype. Dieser Entfremdungsprozess wirkt sich massiv auf die traditionellen Beziehungen der Golfstaaten zu den USA aus, die seit mehr als 70 Jahren als wichtigster Sicherheitsgarant fungieren und seit dem Abzug der Briten aus der Golfregion deren Rolle als externe Ordnungsmacht übernommen haben: Im Kalten Krieg sollten die Golfstaaten als Bollwerk gegen die kommunistische Sowjetunion fungieren und gleichzeitig die USA mit günstigem Öl versorgen. Bereits in den 1930 Jahren vergab der saudische Staatsgründer Ibn Saud die ersten Ölkonzessionen an US-amerikanische Unternehmen und im Februar 1945 traf er sich mit dem damaligen US-Präsident Franklin D. Roosevelt auf dem Flugzeugträger USS Quincy, um die bilaterale Partnerschaft zu besiegeln: Dieses Ereignis gilt vielen als eigentliche Geburtsstunde der US-saudischen Beziehungen. So wird oftmals das Credo »Sicherheit für Öl« bemüht, wenn die US-golfarabischen Beziehungen definiert werden sollen.180 Im Südjemen unterstützte die US Air Force saudische Truppen im Kampf gegen das feindliche Bündnis aus Ägypten und kommunistischen Gruppen in den frühen 1960er Jahren, entsandte insgesamt 600.000 Soldaten in die Golfregion während der irakischen Invasion Kuwaits 1991181 und verlegte 2003 seinen wichtigsten Truppenstützpunkt aus dem Königreich nach Katar. Enge sicherheitspolitische und militärische Beziehungen prägen das Verhältnis ebenso wie die kontinuierliche Ausbildung von Mitgliedern der golfarabischen Herrscherfamilien an US-amerikanischen Universitäten oder Militärakademien wie Westpoint.182 Die USA sind weiterhin wichtigster Lieferant von Rüstungsgütern für die Golfstaaten: 2021/2022 stellten sie Saudi-Arabien mit USD 2,6 Mrd. mehr als die Hälfte aller Rüstungslieferungen bereit, während es im Fall der VAE mehr als 75% und bei Katar mehr als 45% waren.183 Zwischen 2013 und 2017 fungierte das saudische Königreich als wichtigster und die VAE als zweitwichtigster Empfänger von US-amerikanischen Rüstungsgütern. Weiterhin flossen zwischen 2021 und 2022 Rüstungsexporte in Höhe von USD 1,19 Mrd. in die VAE. Im Februar 2022 wurden nach Anschlägen der Houthis auf emiratische Ziele weitere Rüstungslieferungen im Umfang von USD 65 Mrd. von den USA bewilligt.184 1994 formalisierten die USA und die VAE ihre sicherheitspolitische
Kooperation, was in der Stationierung von 5.000 US-Soldaten in den VAE sowie der emiratischen Beteiligung an US-Militäroperationen in Bosnien-Herzegowina oder Somalia resultierte.185 Ähnliche Vereinbarungen existieren auch mit den anderen Golfmonarchien. Gleichzeitig prägt die US-amerikanische Popkultur den golfarabischen Lifestyle und hat zu einer »McDonaldisierung« der traditionellen Gesellschaftssysteme am Golf geführt. Im saudischen Königreich waren US-Amerikaner:innen, die auf den Ölraffinerien arbeiteten, die ersten westlichen Ausländer:innen, mit denen saudische Staatsangehörige in Kontakt kamen – für viele ein Kulturschock. Wie in anderen Weltgegenden beeinflusst die US-amerikanische Popkultur heute in Form von Filmen, Musik, Serien, Essen oder sozialen Medien den Alltag vieler: Sie verzehren US-amerikanisches Fast Food, nutzen US-amerikanische Produkte und betrachten die USA weiterhin als Sehnsuchtsort für Kommerz, Karriere und Konsum. Doch trotz dieser engen Beziehungen handelt es sich keineswegs um eine Liebesheirat, sondern eher um eine Zweckehe, die immer wieder gravierenden Stimmungsschwankungen unterworfen war. Während die USA und Saudi-Arabien während des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan in den 1980er Jahren noch die »arabischen Afghanen« unterstützt hatten, die aus arabischen Ländern an den Hindukusch gekommen waren, um die sowjetische Invasion zurückzuschlagen und mithilfe US-amerikanischen Trainings und saudischer Finanzen zu Mudschahidun (»heiligen Kämpfern«) ausgebildet worden waren186, sorgten die Anschläge vom 11. September 2001 zu einer Eiszeit in den Beziehungen zwischen Riad und Washington. Als bekannt wurde, dass 15 der 19 Attentäter aus SaudiArabien stammten, und Osama bin Laden als Drahtzieher fungiert hatte, der bis 1994 die saudische Staatsangehörigkeit besessen187 und im Kampf gegen die Sowjets mithilfe saudischer und US-amerikanischer Unterstützung Al-Qaida aufgebaut hatte, gerieten die saudischen Machenschaften in den kritischen Fokus der US-amerikanischen Öffentlichkeit. Der einstige saudische Verbündete wurde zum Sponsor des dschihadistischen Terrorismus stigmatisiert: 650 Hinterbliebene von Opfern der Anschläge erhoben eine Sammelklage gegen saudische Wohlfahrtsorganisationen, Stiftungen und Privatpersonen und beschuldigten diese, den Terrorismus unterstützt zu haben. In einem 900-seitigen Bericht, den eine vom US-Kongress eingesetzte Kommission zur »Untersuchung der Aktivitäten der Geheimdienste vor und nach den Terroranschlägen am 11. September 2001« vorlegte188, finden sich Verweise auf mutmaßliche Verbindungen zwischen Mitgliedern des saudischen Königshauses und al-Qaida.189 Der US-amerikanische Druck auf das saudische Königshaus wuchs. Als Reaktion wurden dubiose Stiftungen geschlossen und in allen Golfstaaten strengere Kontrollmechanismen für religiöse Spenden ins Ausland eingeführt, um Terrorfinanzierung zu unterbinden.190 Selbst die Euphorie nach dem Amtsantritt Trumps ebbte rasch ab, als die saudische und
emiratische Führung realisierte, dass trotz seines Rückzugs aus dem Atomabkommen mit Iran 2018 eine vollumfängliche Unterstützung für die VAE und Saudi-Arabien ausblieb. In Saudi-Arabien hoffte man, dass Trump seiner Politik des »maximalen Drucks« gegenüber Iran unabdingbare Loyalität und Unterstützung für die saudische Führung folgen lassen würde. Doch diese Hoffnung trog: Während der »Golfkrise« positionierte sich Trump im Gegensatz zur saudischen Erwartungshaltung nicht eindeutig auf der Seite der Blockadestaaten, sondern blieb verhältnismäßig neutral. Nach den Drohnenanschlägen auf die beiden saudischen Ölraffinerien Abqaiq und Khurais im September 2019191, die vermutlich von Iran initiiert worden waren, erfolgte kein massiver US-Gegenschlag gegen Iran. Als Folge brach die Ölproduktion Saudi-Arabiens um 50% ein.192 Doch mehr als die wirtschaftlichen Schäden schockte die saudische Führung die Verletzlichkeit der eigenen Ölindustrie und das Zögern der Trump-Administration – für die saudische Führung ein Weckruf. Das »saudische 9/11«193 führte zu einem radikalen Kurswechsel innerhalb der saudischen Regionalpolitik: Nach einer Phase der Eskalation und Provokation194 setzte nun die Periode des saudischen Konfliktmanagements ein, wie noch analysiert wird. Diese ausbleibende Unterstützung sorgte für ein strategisches Umdenken in Saudi-Arabien, sich schrittweise von den USA zu emanzipieren. So hat die Mystifizierung der USA in den letzten Jahren zunehmend Risse bekommen, die sich nach der Wahl des US-Demokraten Joe Biden zum Präsidenten noch vertieften. Im Wahlkampf hatte er mit massiver Kritik am Königreich die saudische Führung verärgert. Immer wieder hatte er Riad wegen seiner desaströsen Menschenrechtspolitik, dem verheerenden Krieg im Jemen sowie der Ermordung Jamal Khashoggis attackiert und eine Neuausrichtung der US-amerikanischen Beziehungen zum von ihm als »Außenseiter«195 titulierten saudischen Partner angekündigt. Wurde MbS nach seinem Besuch in den USA im April 2018 und seinen PR-trächtigen Treffen mit Trump oder den Stars Michael Douglas, Morgan Freeman und Oprah Winfrey noch gefeiert196, führte insbesondere der Mord an Khashoggi zu einer vorläufigen Isolation des Kronprinzen: Seitdem hat er die USA nicht mehr betreten. In Riad reagierte man auf die Wahl Bidens mit einer Zuckerbrot-und-PeitschePolitik: Im Januar 2021 – nur wenige Tage nach Bidens Amtseinführung – wurde die Golfkrise beigelegt, einige inhaftierte Menschenrechtsaktivist:innen freigelassen und der Eskalationskurs gegenüber Iran abgeschwächt. Damit wollte die saudische Führung in den USA den Eindruck verstärken, der neuen Administration entgegenzukommen, ohne gleichzeitig dem US-amerikanischen Druck nachzugeben. Dennoch befand sich das Verhältnis der USA unter Biden und der saudischen Führung auf einem historischen Tiefpunkt: Im Gegensatz zu Trump wurde Biden als schwacher Moralapostel wahrgenommen, der insbesondere gegenüber Iran zu wenig Stärke gezeigt und damit erneut
die Interessen Riads verraten hatte. Im Königreich wurde die harsche Kritik Bidens als Polemik und Teil der US-Innenpolitik aufgefasst, immerhin hatte er zu jener Zeit mit wirtschaftlichen Problemen und gesellschaftlichen Zerwürfnissen im eigenen Land zu kämpfen, sodass seine anti-saudische Erzählung als Ablenkungsmanöver von eigenen Verfehlungen gewertet wurde. Der US-Präsident betonte mehrmals, nicht direkt mit dem Kronprinzen telefonieren, sondern sich nur mit dessen Vater Salman austauschen zu wollen, während in Riad die Unzufriedenheit mit Biden wuchs. Erst im Juni 2022 besuchte Biden Saudi-Arabien, um vor dem Hintergrund der sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erhöhten Energiepreise von der saudischen Regierung eine Änderung ihrer Ölpreispolitik im Rahmen der OPEC+ zu erwirken. Doch das Treffen zwischen Biden und MbS führte aus US-Sicht nicht zum gewünschten Erfolg. Anstatt auf die Forderungen der USA einzugehen, betonte die saudische Führung, an der OPEC+-internen Vereinbarung mit Russland zur Stabilisierung der Ölpreise und zur Festlegung der Förderobergrenzen festhalten zu wollen und brüskierte damit die US-Administration. 3.5 China – Enger Partner und Verhandlungsmasse im Umgang mit den USA Als Konsequenz auf diese Entfremdung verfolgen vor allem Saudi-Arabien, aber auch andere Golfstaaten eine Politik der strategischen Autonomie, des Ausbalancierens und des Hin-undher-Pendelns: Um die eigenen nationalen Interessen zu wahren und das Überleben zu sichern, lösen sich die Golfstaaten aus der Rolle des US-amerikanischen Steigbügelhalters und suchen ihr Heil in der außenpolitischen Diversifizierung. Einen Fixpunkt in dieser Politik stellt China dar: Die Volksrepublik ist in den letzten Jahren zum wichtigsten Handels- und Wirtschaftspartner fast aller Golfstaaten aufgestiegen.197 Zwischen 1990 und 2019 ist das Handelsvolumen zwischen China und Saudi-Arabien von weniger als USD 500 Mio. auf mehr als USD 78 Mrd. angestiegen.198 Allein zwischen 2018 und 2019 wuchs das Handelsvolumen um mehr als 23%199, wobei die saudischen Exporte nach China im gleichen Zeitraum um 18% und die chinesischen Importe um 36,5% zunahmen. In Kuwait stammen 17,4% der Importe aus China, in Katar 16,3%, und in den VAE 15%, sodass die Volksrepublik in all diesen Ländern als wichtigstes Lieferland fungiert. Bereits 2014 hatte China die USA als wichtigsten Handelspartner Saudi-Arabiens abgelöst, und bei seinem Besuch in Riad im Dezember 2022 vereinbarten MbS und der chinesische Präsident Xi Jinping, Saudi-Arabien noch enger in die 2013 verkündete chinesische Investitionsoffensive der »Neuen Seidenstraße« (Belt and Road Initiative, BRI) zu integrieren. 2018 stammten bereits 13% aller Exporte aus China, während 16% aller Ausfuhren in die Volksrepublik flossen.200 In den letzten Jahren hat auch die Zahl saudischer Besuche in China zugenommen, wie die Reisen von König Salman im Jahr 2017 und von
MbS in den Jahren 2014, 2016 und 2019 zeigen. Nach der Ermordung Khashoggis und der zunehmenden Verurteilung Saudi-Arabiens in den USA und Europa präsentierte sich China als unkritischer Partner für MbS, was dieser wiederum nutzte, um seinen ramponierten Ruf wiederherzustellen. In kultureller Hinsicht kündigte MbS die Aufnahme von Mandarin als Fremdsprache in den saudischen Lehrplan an201, was nicht nur auf eine wirtschaftliche Partnerschaft, sondern auch auf noch engere kulturelle und soziale Bindungen zwischen beiden Ländern hindeutet. Längst unterhält China mehrere seiner Konfuzius-Kulturinstitute in den VAE oder Bahrain, um neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auch den eigenen kulturpolitischen Einfluss zu stärken und die US-amerikanische popkulturelle Dominanz zu schwächen. Allein zwischen 2018 und 2022 wuchs die Anzahl der den Golf besuchenden chinesischen Tourist:innen um 81%; die meisten davon reisten in die VAE.202 Diese Beispiele zeigen, dass das Interesse an einer engeren Einbindung der Golfstaaten in die chinesische Einflusssphäre weiter zugenommen hat, was auch durch die Vereinbarung einer gemeinsamen »umfassenden strategischen Partnerschaft« während des Besuchs von Chinas Präsident Xi Jinping in Saudi-Arabien im Januar 2016 deutlich wurde. Bereits 2014 hatte Katar mit China ihre strategische Partnerschaft verkündet, ehe 2018 Kuwait, Oman und die VAE folgten.203 2010 wurde das erste Treffen des China-GCC Strategic Dialogue in Beijing durchgeführt, um auch den multilateralen Austausch mit den Golfmonarchien zu stärken.204 In Chinas »1+2+3«-Kooperationsmuster, das im »China’s Arab Policy Paper« aus dem Jahr 2016 dargelegt wurde, dienen Energie (konventionelles Öl und Gas sowie kohlenstoffarme Energie), Infrastruktur, Handel und Investitionen und neue Technologien (künstliche Intelligenz, mobile Kommunikation, Satellitennavigation) als Kerninteressen der Zusammenarbeit mit den Golfstaaten.205 So forciert China seine Zusammenarbeit mit golfarabischen Freihandelszonen wie der Khalifa Port Free Trade Zone (KPFTZ) in Abu Dhabi, Omans Duqm Special Economic Zone Authority (SEZAD) oder der Jazan City for Primary and Downstream Industries (JCPDI) in Saudi-Arabien, um den Zugang zu Märkten zu sichern und die Präsenz am Golf auszubauen206 – ein Trend, der bereits vor der BRI begann: Zwischen 2005 und 2014 betrug das chinesische Investitionsvolumen in golfarabische Infrastrukturprojekte bereits USD 30 Mrd.207 Im Vorfeld der WM in Katar beteiligten sich chinesische Unternehmen beim Bau des Stadions in Lusail.208 Darüber hinaus hat die China Petroleum Engineering and Construction Company 2012 den Bau der Ölpipeline Habshan-Fujairah abgeschlossen. Die Pipeline transportiert Öl über 380 Kilometer von Abu Dhabi durch das Landesinnere der VAE zum Hafen von Fujairah und umgeht damit die Passage durch die Straße von Hormuz.209 Chinesische Unternehmen sind auch am Bau des Etihad-Eisenbahnnetzes der VAE beteiligt, das die emiratischen Häfen mit wichtigen Handels- und Industriezentren am gesamten Golf verbinden soll.210 Im Jahr 2017
unterzeichneten beide Länder eine Absichtserklärung, um die Zusammenarbeit in den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie einschließlich Satellitendienste, elektronische Sicherheit, Digitalisierung, Cloud Computing, Personalentwicklung und schulung sowie Entwicklung von Breitbandnetzen zu verbessern. Darüber hinaus hat das saudische Verteidigungsministerium mit China vereinbart, dessen BeiDouNavigationssatellitensystem zu nutzen.211 Huawei dient als Anbieter für den Aufbau von 5GNetzen in Zusammenarbeit mit der Saudi Telecom Company (STC), dem saudi-arabischen Nationalen Zentrum für künstliche Intelligenz (NCAI) und Alibaba Cloud bei der Entwicklung von Smart-City- und KI-Lösungen im gesamten Königreich, die das Ziel der »Vision 2030« ergänzen, digitale Lösungen und technologische Modernisierung zu verbessern.212 Damit haben sich die chinesische Zentralregierung und ihre Staatsunternehmen weitreichenden Zugang zur digitalen Infrastruktur in der Golfregion verschafft213, was in zukünftigen Konflikten zu einer sicherheitspolitischen Herausforderung für westliche Unternehmen und Behörden werden könnte. In den Bereichen Energie und Infrastruktur forciert China ebenso seine Investitionen ins Königreich.214 Da der Anteil des Erdöls immer noch rund 19% des chinesischen Gesamtenergieverbrauchs beträgt, liefert Saudi-Arabien mehr als 14% der chinesischen Rohöleinfuhren. Im Jahr 2021 importierte China Rohöl im Wert von USD 128 Mrd. aus den Golfstaaten, dreimal mehr als die Vereinigten Staaten und die EU zusammen.215 Während der Corona-Pandemie nahm Chinas Engagement in der Golfregion im Rahmen seiner Impfdiplomatie weiter zu216: Im April 2020 wurden dem saudischen Königreich neun Millionen Test-Kits, 500 medizinische Fachkräfte und sechs Testlabors im Wert von insgesamt USD 265 Mio. zur Verfügung gestellt.217 Im Gegenzug lieferte das saudi-arabische King Salman Humanitarian Aid and Relief Center (KSrelief) 1.159 medizinische Geräte, darunter Ultraschallgeräte, nicht-invasive Beatmungsgeräte, Defibrillatoren, Monitore, Infusionspumpen, Injektionspumpen und kontinuierliche Nierenersatztherapie nach China.218 Wie ein technischer Berater von KSrelief erklärte, wurde ein solches Engagement nicht nur als humanitäre Unterstützung, sondern auch als strategische Entscheidung zur Förderung der bilateralen Solidarität in Krisenzeiten betrachtet. Die VAE bezogen bereits zu einer frühen Phase der globalen Impfkampagne gegen die Pandemie das chinesische Vakzin Sinopharm.219 Auch im sicherheitspolitischen Bereich hat sich die Zusammenarbeit in den letzten Jahren ausgeweitet: Bereits 1988 wurden die ersten Mittelstreckenraketen des Typs Dongfeng DF-3 (CSS-2) in Saudi-Arabien stationiert, da damals die USA abgelehnt hatte, dem saudischen Königreich Lance Boden-Boden-Raketen zu verkaufen. Darüber hinaus organisierten beide Länder 2016 ein gemeinsames Training von Spezialkräften; 2019 folgten gemeinsame
Marineübungen.220 Schließlich hat China in Dschibuti seinen ersten Militärstützpunkt in Übersee eingerichtet und Militärspezialist:innen in das pakistanische Gwadar entsandt, was zeigt, dass sich Beijing in der Nähe der Golfregion intensiver militärisch engagieren und Präsenz zeigen möchte. Und nachdem die USA den Emiraten aus Rücksicht auf israelische Interessen den Verkauf von MQ-9-Reaper-Drohnen untersagt hatten, stieg Abu Dhabi auf die kostengünstigeren chinesischen Wing-Loong II-Drohnen um. So gelang es China, neben der Türkei zu einem der größten Lieferanten von bewaffneten Drohnen in der Region zu werden.221 Dennoch vermied es China bislang, die Vormachtstellung der USA in der Golfregion als Militärmacht direkt zu attackieren, und stellt sich selbst als neutraler Garant für eine nicht-interventionistische und unvoreingenommene Regionalpolitik dar.222 Zwischen 2014 und 2018 lieferten die USA 54% der Waffenlieferungen in die Region, während Chinas Anteil weniger als 5% betrug.223 Dabei wird die derzeitige Zusammenarbeit als Win-Win-Situation am Golf sowie in Beijing bewertet: Chinas politische Führung sieht die Golfregion nicht nur als attraktiven Wirtschaftsraum für Investitionen in die Logistik, die Petrochemie oder die Infrastruktur, sondern auch als geostrategisches Sprungbrett, um die ambitionierten Pläne der BRI realisieren zu können. In der Vergangenheit konzentrierten sich die Wirtschaftsbeziehungen vor allem auf die Bereiche Energie und Infrastruktur, doch die Aktivitäten in den Bereichen Cybersicherheit, KI, Kommunikationstechnologie und Wissenstransfer haben sich kontinuierlich intensiviert. China ist mehr denn je in Afrika präsent und braucht für dieses Engagement eine eng angebundene und loyale Golfregion.224 Gleichzeitig erachten die Golfstaaten China als attraktiven Wirtschaftspartner sowie als Druckmittel gegenüber den USA, wie es ein saudischer Wirtschaftsexperte umschrieb: »Während sich die USA darauf konzentrieren, den Status quo zu bewahren, blickt China in die Zukunft.« Im Lichte ihrer voranschreitenden Diversifizierungsbemühungen sind die Golfmonarchien mehr denn je auf chinesische Investitionen und Geschäftsvereinbarungen angewiesen und schätzen die staatlich gesteuerte Vorgehensweise des chinesischen Politbüros. Im Gegensatz zum »moralisierenden Westen« äußert die Volksrepublik keine Kritik an der Menschenrechtssituation in den Golfstaaten, sondern pflegt einen recht unkomplizierten Umgang mit den Autokraten am Golf. Im Gegenzug werden die massiven Menschenrechtsverletzungen in China gegen die muslimische Minderheit der Uiguren von den Golfstaaten schweigend akzeptiert – obwohl sich gerade Saudi-Arabien als »Hüter der beiden Heiligen Stätten« als Schutzpatron aller Muslime betrachtet.225 Mit dieser Hinwendung zum US-amerikanischen Systemrivalen proklamieren die Golfstaaten einen eigenen Kurs der sicherheits- und wirtschaftspolitischen Unabhängigkeit und akzentuieren ihre Eigenständigkeit innerhalb einer multipolaren Welt. Davon zeugt auch, dass die aus
Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika bestehende BRICS-Gruppe im September 2023 u. a. Saudi-Arabien und die VAE (neben Argentinien, Äthiopien, Ägypten und Iran) einlud, sich zum 1. Januar 2024 dem Forum anzuschließen.226 Wirtschaftlich haben sich die BRICS-Länder als globale Schwergewichte etabliert, auf die rund 26% des globalen BIP227 und 16% des Welthandels entfallen.228 In den letzten Jahren wurde dieses enorme Wirtschaftspotenzial jedoch hauptsächlich von China bestimmt, auf das 2021 mehr als 70% des BIP der BRICS-Staaten entfielen.229 Sollte die Zahl der Mitglieder tatsächlich auf elf steigen, würde die BRICS-Gruppe eine Weltbevölkerung von 3,7 Mrd. Menschen umfassen. In Abu Dhabi und Riad wurde ein BRICS-Beitritt bereits seit Längerem intensiv diskutiert und wird als Chance wahrgenommen, sich stärker aus dem westlichen Block zu lösen und engere Allianzen mit Brasilien, Indien oder Südafrika einzugehen. Außerdem soll die eh schon enge Partnerschaft mit China gestärkt werden. Gleichzeitig könnte BRICS eine Plattform für die beiden Rivalen Iran und Saudi-Arabien bieten, sich enger miteinander abzustimmen und die begonnene Normalisierung fortzusetzen. Allerdings verfolgen sie auch entgegengesetzte Interessen: Während Iran die BRICS-Gruppe als antiwestliches Konstrukt und als Chance sieht, der internationalen Isolation durch die verhängten Sanktionen zu entkommen230, betrachtet Saudi-Arabien einen möglichen Beitritt als Gelegenheit, seine Rolle als Sprachrohr des sogenannten »Globalen Südens« auszuweiten und noch mehr Gewicht auf der Weltbühne zu gewinnen.231 Die Golfstaaten sind sich jedoch sehr wohl bewusst, dass eine vollständige Abkehr von den USA zugunsten Chinas den eigenen Interessen schaden würde. Deswegen wollen die Golfstaaten nicht den Eindruck erwecken, einseitig Partei zu ergreifen, sondern setzen auf eine gewisse Neutralität. So hatte Saudi-Arabien im September 2023 noch nicht final entschieden, das Angebot zum BRICS-Beitritt tatsächlich anzunehmen. Schließlich will das Königreich seine wirtschaftliche und sicherheitspolitische Partnerschaft mit dem Westen insbesondere mit den USA - nicht weiter beschädigen und sucht nach einem Ausgleich, um seine eigenen Interessen gegenüber Beijing und Washington zu vertreten und von einer doppelten Partnerschaft mit beiden Rivalen zu profitieren.232 In Zeiten zunehmender Auseinandersetzungen zwischen China und den USA müssen die Golfstaaten somit einen Drahtseilakt vollführen, um ihre Beziehungen zu beiden Ländern ins Gleichgewicht zu bringen. Der Aufstieg Chinas zur Supermacht sowie die wahrgenommene Schwäche der USA stehen demnach in einem komplizierten Wechselverhältnis: Je mehr sich die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit China intensiviert, desto mehr kommt es zu einer Entfremdung mit der Biden-Administration. Ein solcher Balanceakt wird vor allem im Bereich der Cybersicherheit deutlich: Da Biden – ähnlich wie sein Vorgänger Trump – den technologischen Einfluss Chinas in der Region einschränken will,
stellt die künftige Zusammenarbeit in Bezug auf 5G, KI oder Big Data eine rote Linie für die US-Regierung dar und ist daher ein zweischneidiges Schwert für die golfarabischen Führungen. Weiterhin fürchten die USA eine zunehmende militärische Präsenz Chinas im Einflussgebiet Washingtons. Insbesondere die VAE erfahren hierbei besondere Aufmerksamkeit233: 2021 stand der emiratische Khalifa Port im Mittelpunkt dieser Kontroverse234, als der US-Geheimdienst herausfand, dass China dort heimlich mit dem Bau einer Militäreinrichtung begonnen hatte. Washington warnte die VAE angeblich vor den chinesischen Aktivitäten, woraufhin die Bauarbeiten offenbar eingestellt wurden. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten verfügt China nicht über ständige militärische Streitkräfte in der Region, doch sind chinesische Marineschiffe seit 2008 u. a. an Geleitschutzmissionen zur Bekämpfung der Piraterie beteiligt.235 Längst ist die Golfregion somit zu einem Schauplatz der US-chinesischen Systemrivalität geworden.236 Vollumfängliches Vertrauen in China existiert aber auch am Golf nicht: So beobachten die Regierungen in Abu Dhabi und Riad die pragmatische Kooperation Chinas mit Iran skeptisch. Das im Januar 2022 geschlossene sino-iranische Abkommen über die Laufzeit von 25 Jahren beinhaltet geplante chinesische Investitionen in Iran mit einem geschätzten Gesamtvolumen von USD 400 Mrd.237 im Gegenzug für regelmäßige iranische Öllieferungen.238 Diese Aufwertung Irans liegt nicht im Interesse Saudi-Arabiens und der VAE. 3.6 Wir sind uns selbst am nächsten: Die Golfstaaten und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine Die Golfstaaten betrachten sich als Pendelmächte, die ihre Allianzen mehr denn je an nationalen Interessen ausrichten und mit allen Fraktionen ins Gespräch kommen wollen – ganz gleich, ob es China oder die USA, Russland oder Europa sind. Für die kleineren Golfstaaten wie Katar, Kuwait, die VAE oder Oman hat dieses Vorgehen Tradition, da sie mit einem solchen Kurs seit Jahrzehnten ihr eigenes Überleben sichern wollen: Kooperation anstatt Konfrontation lautet das bevorzugte Motto in Doha oder Maskat und hat zu einem opportunistischen Pragmatismus in ihrer Außen- und Regionalpolitik geführt, der in der Wissenschaft auch als Politik der umfassenden Absicherung (hedging) bezeichnet wird.239 Dieses Vorgehen zeigt sich nicht nur im Umgang mit China und den USA, sondern auch mit Russland nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Am Morgen des 25. Februar 2022 befanden sich europäische Diplomat:innen in Riad in heller Aufregung: An diesem Tag sollte im UN-Sicherheitsrat das militärische Vorgehen Russlands international verurteilt werden, um Sanktionen zu genehmigen und eine geschlossene Haltung gegen Putins kriegerisches Regime zu demonstrieren. Doch lange blieb
unklar, ob Saudi-Arabien der Resolution zustimmen oder sich gar auf die Seite Russlands schlagen würden. Am Ende enthielt sich Riad. Von den Golfmonarchien bekundete nur Kuwait seine Zustimmung.240 Im April 2022 stimmten die Golfstaaten gegen den Ausschluss Russlands aus dem UN-Menschenrechtsrat – für die Anti-Russland-Allianz in den USA und Europa ein Affront. Für die Golfstaaten stellte diese Position der Äquidistanz und der Neutralität jedoch eine zwingende Notwendigkeit in ihrem Streben nach Unabhängigkeit in einer multipolaren Weltordnung dar. Kurz nach Beginn der russischen Offensive gegen die Ukraine äußerten viele Gesprächspartner:innen am Golf ihr Unverständnis für die Annahme des Westens, sie müssten ins anti-russische Lager wechseln und klar Position beziehen. »Wo war der Westen, als wir durch Iran bedroht wurden?« fragte ein saudischer Analyst. »Europa und die USA haben immer wieder betont, es handele sich bei unserem Konflikt um eine regionale Auseinandersetzung, die nur regional gelöst werden könne. Das gleiche sagen wir jetzt auch: Der Krieg gegen die Ukraine ist ein Konflikt Europas, mit dem wir nichts zu tun haben.« In seinen Worten schwang durchaus tiefsitzende Frustration mit, und er sprach offen aus, was in Saudi-Arabien oder den VAE gedacht wurde: Der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist kein Problem des Golfs, sondern des Westens. Hinter dieser Haltung verbergen sich auch knallharte Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen. Immerhin arbeiten Riad und Moskau eng in der Organisation erdölexportierender Länder plus Russland, kurz OPEC+, zusammen, und Riad zeigt kein Interesse daran, die gemeinsam abgestimmte Ölpreispolitik zu gefährden.241 Diese abgestimmte russisch-saudische Zusammenarbeit in der OPEC+ ist nicht selbstverständlich und daher für beide Staaten ein teures Gut. Zuletzt kam es im März 2020 zu tiefgreifenden Verwerfungen zwischen beiden Ölproduzenten, als Russland Kürzungen in der Ölproduktion gegen den Willen Saudi-Arabiens abgelehnt hatte. Um den russischen Querulanten in die Knie zu zwingen, erhöhte daraufhin das Königreich seine Produktion von 9,7 Mio. auf 11 Mio. Barrel am Tag, was zu einem Preisverfall von 30% führte.242 Saudi-Arabien wollte ein Zeichen der Stärke senden; erst nach intensiven Verhandlungen gelang es, eine Einigung zu erzielen. Diese will man weder in Riad noch in Moskau gefährden. Erst im April 2023 hatte Saudi-Arabien mit anderen Staaten der OPEC+, darunter auch Russland, eine Drosselung der Fördermengen und damit steigende Preise vereinbart. Somit profitierten die ölproduzierenden Golfstaaten von den steigenden Ölpreisen nach dem Beginn des Kriegs. Auch für die VAE ist Russland in den letzten Jahren ein wichtiger Wirtschaftspartner geworden und fungiert zunehmend als Umschlagplatz für russische Finanztransaktionen und Ölhandel243, was im Westen hart kritisiert wird.244 Nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine sollen Hunderttausende Russen in die Emirate emigriert sein, um sich dem Militärdienst zu entziehen.245 Bereits 2016 wurde die Anzahl russischer Staatsangehöriger in
den VAE auf 100.000 geschätzt.246 Zwischen 2000 und 2017 wuchs das bilaterale Handelsvolumen von USD 200 Mio. auf USD 1,6 Mrd.; im Kriegsjahr 2022 stieg es um 95%.247 Dennoch sollten die golfarabischen Beziehungen zu Russland auch nicht überschätzt werden: Die golfarabischen Nahrungsmittel- und Getreideimporte aus beiden Kriegsländern betrugen vor dem Konflikt nur 2% bzw. 1,4& aller Einfuhren248, allerdings mit gravierenden regionalen Unterschieden: Während Bahrain nur 1% und Kuwait gerade einmal 0,1% seiner Lebensmittel aus Russland oder der Ukraine importierten, lag der Wert der Weizeneinfuhren im Oman bei 60%. Auch die Investitionen der jeweiligen Staatsfonds in Russland sind zu vernachlässigen: Der saudische PIF und die emiratische Investitionsbehörde Mubadala haben weniger als 1% ihrer gesamten Anlagen in Russland investiert249, die KIA gerade einmal 0,1%.250 Es wäre daher zu einfach, die zurückhaltende Position gegenüber des russischen Angriffskriegs als einseitige Solidarität mit Moskua zu interpretieren. Stattdessen durchläuft die anfänglich zögerliche Haltung der Golfstaaten gegenüber der Isolation Russlands einen schrittweisen Wandel: Bereits in einer Abstimmung der UN-Generalversammlung am 2. März 2022 schlossen sich alle Golfmonarchien251 der Verurteilung der russischen Invasion an und unterstützten Forderungen für den Rückzug russischer Truppen von ukrainischem Territorium.252 Bislang haben sie zwar keine Sanktionen gegen Russland implementiert253, präsentieren sich allerdings als Moderatoren und Zwischenhändler, die zu beiden Seiten enge Kontakte pflegen. Mit diesem Vorgehen will insbesondere Saudi-Arabien seine Position als Vermittler und »ehrlicher Makler« festigen. Besonders deutlich wurde dies im August 2023, als in der saudischen Hafenstadt Dschidda auf Einladung der saudischen Führung Sicherheitsberater:innen aus 40 unterschiedlichen Ländern eintrafen, um über eine diplomatische Lösung im Angriffskrieg gegen die Ukraine zu debattieren. Während der ukrainische Präsident Wladimir Selenskyj auf dem Gipfel erneut seinen »Friedensplan« vorstellte, waren russische Repräsentant:innen nicht eingeladen. Stattdessen nahmen allerdings Vertreter:innen aus Indien, Brasilien, Südafrika und vor allem auch China teil – ein vor dem Hintergrund der eigenen Überlegungen, der BRICS-Gruppe beizutreten, nicht zu unterschätzender Prestigeerfolg der saudischen Vermittlungsbemühungen. Immerhin geht es dem Königreich darum, zu zeigen, für keine Seite Partei zu ergreifen und nicht der Handlanger des Westens zu sein, sondern als eigenständiger Akteur mit diplomatischem Geschick und vertrauensvollen Netzwerken zu beiden Konfliktparteien auftreten zu können. Riad präsentierte sich im Rahmen dieses Gipfels also als Sprachrohr von Ländern, die sich nicht eindeutig einem der beiden Lager zurechnen und hohes Interesse an einer baldigen Lösung des Krieges zeigen. Dazu zählen insbesondere Indien oder Brasilien, deren
wirtschaftlicher Fortschritt auch von konzilianten Beziehungen zu Russland abhängt, und die daher eine weitere Konfrontation ablehnen. Saudi-Arabien nutzte daher die Gunst der Stunde, um sich als Brückenbauer zu präsentieren, der auch den bisher zu wenig gehörten Positionen aus dem sogenannten »Globalen Süden« eine Stimme verleihen möchte. Bereits zuvor hatte Saudi-Arabien humanitäre Hilfe an die Ukraine geleistet und im Rahmen eines ukrainischrussischen Gefangenenaustauschs vermittelt. Gleichzeitig suchten saudische Offizielle aber auch immer wieder den Austausch mit Russlands Diktator Wladimir Putin, um die Ausgewogenheit in den Beziehungen nicht zu gefährden. Dahinter steckt das Kalkül, als Problemlöser nicht nur zu einer Deeskalation in der Kriegssituation beitragen zu können, sondern auch eine politische Aufwertung auf internationalem Parkett zu erfahren. MbS möchte mittlerweile als Friedensbringer und nicht als Kriegsschürer wahrgenommen werden, was sich nicht nur im russisch-ukrainischen Krieg zeigt, sondern als Teil eines umfassenderen Annäherungs- und Deeskalationskurs betrachtet werden muss, den SaudiArabien an unterschiedlichen Fronten verfolgt. 3.7 Ein neuer »Wind of Change«: Chancen für regionale Annäherung Es war ein Paukenschlag in der internationalen Diplomatie, als am 10. März 2023 hochrangige Vertreter Saudi-Arabiens und Irans im chinesischen Beijing vor die Kamera traten und die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Rivalen verkündeten.254 In der gemeinsamen Erklärung verständigten sich beide Seiten darauf, die gegenseitige nationale Souveränität zu achten und die Einmischung in die inneren Angelegenheiten zu unterlassen sowie ihre Botschaften wieder zu eröffnen. Hierbei bezogen sie sich auf frühere Sicherheitsabkommen aus den Jahren 1998 und 2001.255 Als Folge der Annäherung kam es zu einer Welle an offiziellen Treffen von saudischen und iranischen Staatsrepräsentanten. Der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian und sein saudischer Amtskollege Faisal bin Farhan trafen sich nach der Vereinbarung zum ersten Mal im April 2023 zu einem Austausch in Beijing256 und zwei Monate später erneut in Teheran.257 Und im August 2023 kam es zu einem historischen Aufeinandertreffen des saudischen Kronprinzen MbS, der Amirabdollahian in Dschidda empfang – ein wichtiger symbolischer Schritt für die saudisch-iranische Annäherung.258 Nach sieben Jahren der diplomatischen Krise suchen das saudische Königreich und die Islamische Republik nach einem Weg, ihre Animositäten, Vorbehalte und Konflikte miteinander zu regeln, anstatt gegeneinander zu agieren. In der westlichen Öffentlichkeit mischte sich unter die Verwunderung über diesen Deal auch große Sorge, da sie unter maßgeblicher Mithilfe Chinas zustande gekommen war, und die Volksrepublik nicht nur als Gastgeber, sondern offenbar auch als einflussreicher Vermittler fungiert hatte.259 Gleichzeitig
blieb westliche Diplomatie außen vor – ein weiteres Signal für die anwachsende Bedeutung Chinas als politischer Akteur am Golf. In der Region wurde die Vereinbarung hingegen als Wendepunkt in der Dauerkrise zwischen Iran und Saudi-Arabien und als Meisterstück des politischen Pragmatismus gefeiert.260 Die weiteren Golfmonarchien befürworteten die Annäherung, da sie in der Vergangenheit bereits auf wirtschaftlicher Ebene eng mit Iran zusammenarbeiteten und fürchten, eine Eskalation zwischen Teheran und Riad könnte ihre eigene Existenz gefährden. Die Politik gegenüber Iran wird derzeit somit durch taktische Zweckdienlichkeit und interessensorientierten Opportunismus charakterisiert.261 Allerdings fiel die Aufnahme diplomatischer Beziehungen nicht vom Himmel, sondern wurde von langer Hand vorbereitet. Für Saudi-Arabien stellt die Annäherung an den Erzfeind den vorläufigen Höhepunkt eines anhaltenden Deeskalationskurses dar, der nach den Anschlägen auf die saudischen Ölraffinerien im September 2019 seinen Anfang nahm.262 Der Schock der Attacken sorgte bei der saudischen Führung zu einem Umdenken und leitete einen Prozess der pro-aktiven Deeskalation ein: Seit April 2021 hatten Repräsentanten des saudischen und iranischen Sicherheits- und Geheimdienstapparats direkte Gespräche in der irakischen Hauptstadt Bagdad geführt.263 In insgesamt fünf Runden wurden gemeinsame Eckpunkte für die später erfolgende Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen diskutiert. Vor diesem Hintergrund kam die Aussöhnung nicht gänzlich überraschend264, und war im Vorfeld von saudischen und iranischen Beobachter:innen hinter verschlossenen Türen für realistisch und sinnvoll erachtet worden. Dabei verliefen die Gespräche keineswegs spannungsfrei, wurden aber von der irakischen Regierung mit großem Ehrgeiz und Motivation organisiert und auch nach dem Amtsantritt der iranischen Regierung unter dem neuen Präsidenten Ibrahim Raissi trotz einer Unterbrechung fortgesetzt – was viele Beobachter:innen bezweifelt hatten, immerhin gilt Raissi im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hassan Rouhani als deutlich weniger moderat und unversöhnlicher im Umgang mit arabischen Nachbarn. Doch beide Konfliktparteien machten aus der Not eine Tugend, brauchen sie doch regionale Stabilität, um ihre eigene Macht zu sichern: Iran leidet seit Jahren unter den internationalen Sanktionen und befindet sich deswegen in einer prekären Wirtschaftskrise, die auch an den Festen des Regimes rüttelt. Im Herbst 2022 brachen nach dem gewaltsamen Tod der Iranerin Jina Mahsa Amini landesweite Proteste aus, die die Grundzüge der Islamischen Republik in Frage stellten.265 Die Sicherheitskräfte reagierten mit brutaler Härte und schlugen die Demonstrationen in den Folgewochen nieder, um den Status quo herzustellen. Dennoch: Das iranische Regime muss seiner Bevölkerung eine Perspektive bieten, befindet sich in einer kritischen Phase seiner Geschichte266 und sucht dafür den Ausgleich mit den Rivalen auf der westlichen Seite des Golfs. Immerhin könnte Iran von
golfarabischen Investitionen und verstärktem Handel profitieren, um sich aus der internationalen Isolation zu lösen. Gleichzeitig sehen sich die arabischen Golfmonarchien und Iran mit dem Klimawandel, dem internationalen Drogenschmuggel und dem Zwang zu wirtschaftlicher und außenpolitischer Diversifizierung mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, die zu mehr Zusammenarbeit führen könnten. Saudi-Arabien betrachtet die Annäherung an Iran als Teil der eigenen Entwicklungspolitik. Um die Ziele der ambitionierten Transformation im Zuge der »Vision 2030« erreichen zu können, benötigt die saudische Führung regionale Stabilität, um Vertrauen in den Investitionsstandort zu wecken.267 Demnach dient die diplomatische Aussöhnung mit Iran als Motor für das eigene Wirtschaftswachstum und folgt damit demselben Kalkül wie bei der Beilegung des Konflikts mit Katar: Dem Königreich ist mehr denn je daran gelegen, Rivalitäten im eigenen Sinne zu managen und zu kontrollieren, um die nationale Wirtschaft zu stärken. China ist hierbei der X-Faktor: Die Besuche des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping in Riad im Dezember 2022 und im Februar 2023 in Teheran haben der saudischiranischen Annäherung maßgeblichen Aufschwung gegeben. Beide Seiten betrachten China als Zünglein an der Waage in diesem Deal, da Iran und Saudi-Arabien mit Beijing intensive Handelsbeziehungen unterhalten und als wichtige Öllieferanten für die Volksrepublik fungieren. Daher erhoffen sie sich mit der Annäherung, ihre Beziehungen mit China zu manifestieren. Gleichzeitig erwartet Saudi-Arabien von China, Iran wirtschaftlich und politisch unter Druck zu setzen, sollte die Vereinbarung gebrochen werden, wenn z. B. neue Angriffe auf Saudi-Arabien durch iranische Verbündete erfolgen. Weiterhin zeigt sich SaudiArabien besorgt, dass China und Russland in Zeiten des Angriffskrieges gegen die Ukraine enger mit Iran kooperieren könnten, sodass der Deal auch als Versuch gedeutet werden kann, dieser verstärkten Partnerschaft vorzubeugen. Zweifelsohne sendet Saudi-Arabien mit der Annäherung an Iran unter Vermittlung Chinas auch ein Signal an die USA. Die saudische Führung löst sich aus dem Schatten Washingtons und verfolgt eine selbstständige Außenpolitik – auch gegen den Willen der USA. Ziel ist es also, einerseits eine unabhängigere Außenpolitik von den USA zu etablieren, sich andererseits aber auch als konstruktiver Versöhner zu präsentieren.268 Insbesondere die Vermittlerrolle Chinas stellt für die USA ein Problem dar und bietet Saudi-Arabien ein taktisches Mittel, um mit Washington über bessere Sicherheitsgarantien zu verhandeln. Taktisches Kalkül fungierte also als treibende Kraft hinter dem Deal mit Iran, während der Weg zu einer langfristigen Aussöhnung und einer vertrauenswürdigen Koexistenz noch weit erscheint. Weder in Saudi-Arabien noch in Iran vertraut man einander; während in Riad die Islamische Republik weiterhin als expansionistischer Wolf im Schafspelz gilt, stellt das
Königreich aus iranischer Sicht eine pro-westliche Marionette der USA dar. In den Golfmonarchien wird das iranische Atomprogramm weiterhin ebenso mit Sorge betrachtet wie die militärischen Fingerübungen Irans am Golf. Und so bleibt die Annäherung ein fragiles Gebilde, das rasch mit einem Funken entzündet werden und in sich zusammenfallen kann. Dies zeigte sich kurz nach der diplomatischen Annäherung am schwelenden Konflikt um das Durra-Gasfeld, das von Kuwait, Saudi-Arabien und Iran beansprucht wird und dessen Nutzungsrechte bisher territorial nicht geregelt sind. So nannte Iran ein saudischkuwaitisches Explorationsabkommen »illegal«.269 Weiterhin führten Truppen der iranischen Revolutionsgarden Übungen auf den umstrittenen Inseln Abu Musa, Klein- und Groß-Tunb durch und provozierten damit die VAE.270 Dennoch: Beide Seiten scheinen verstanden zu haben, dass sie einander akzeptieren müssen, da sich ihre geografische Nachbarschaft schlichtweg nicht ändern lässt. Die Vereinbarung bietet daher Möglichkeiten, diverse Regionalkonflikte zu deeskalieren. Für Saudi-Arabien ist Irans Einfluss auf seine Vasallen in Syrien, im Irak, Libanon oder Jemen eine wichtige Motivation, die Annäherung zu suchen. Ob Riad will oder nicht – Teheran hat seinen Einfluss in der Region sukzessive ausgebaut und bedroht damit die saudische Stabilität. Deswegen dient die diplomatische Annäherung auch dazu, Iran zu einer gemäßigten Position im Jemen und anderswo zu drängen, um die Drohkulisse für das Königreich zu minimieren. Mit der Annäherung an Iran erhofft man sich, dass die Islamische Republik Einfluss auf die Houthis nehmen kann, um ihre Angriffe auf saudisches Territorium dauerhaft zu unterbinden271, und keine Waffen mehr an sie liefert. Im Anschluss an die saudisch-iranische Vereinbarung kam es zu direkten Verhandlungen zwischen Saudi-Arabien und den Houthis, um eine politische Lösung zu finden.272 Die saudische Führung ist erpicht darauf, sich aus dem kostspieligen Konflikt zurückzuziehen und braucht dafür Iran. Zwar stellen diese Entwicklungen einen seltenen Hoffnungsschimmer im desaströsen Jemen-Konflikt dar, dennoch bleibt die Wahrscheinlichkeit eines langfristigen innerjemenitischen Friedens auch nach der saudisch-iranischen Annäherung ein Trugschluss. Immerhin ist Saudi-Arabien prioritär daran interessiert, die eigene nationale Sicherheit zu verbessern, während eine Beilegung des Konflikts zwischen den einzelnen jemenitischen Konfliktgruppen für Riad sekundär bleibt. Dessen sind sich die Houthis bewusst, die die Situation zu ihren Gunsten ausnutzen und im Schatten der Gespräche mit Saudi-Arabien ihre militärische Situation im Jemen verbessern und immer weitere Konzessionen fordern. Sie agieren aus einer Position der Stärke und im Gegensatz zur saudischen Lesart offenbar nicht als Marionette Teherans, sondern als eigenständige Kraft, die sich längst von ihrem Förderer emanzipiert haben. Vor diesem Hintergrund gleicht die Annäherung an Iran für Saudi-Arabien einem
Drahtseilakt: Zum einen ist regionales Konfliktmanagement das Gebot der Stunde und erscheint derzeit alternativlos. Zum anderen ist die politische Führung in Riad auf baldige messbare Erfolge angewiesen, um den Nutzen des Deeskalationskurses als politische Errungenschaft verkaufen zu können. Saudische Offizielle haben bereits zukünftige Investitionen in Iran in Aussicht gestellt273, und beide Staaten könnten auch in den Bereichen Klima- und Umweltschutz274, Kultur- und Bildungsaustausch275 oder Energiepartnerschaften276 pragmatisch zusammenarbeiten. Solche Erfolgsgeschichten könnten beiden Seiten beweisen, dass eine Politik des Ausgleichs den eigenen Zielen eher dient als die gegenseitige Abgrenzung. Dieser Trend verstetigt sich auch in Syrien: Im Mai 2023 wurde das Regime von Bashar al-Assad von einer Mehrheit der Mitgliedsstaaten nach zwölf Jahren wieder in die Arabische Liga aufgenommen277 – ein wesentlicher Schritt zur Normalisierung der arabischen Beziehungen zu al-Assad, der aufgrund seines brutalen Vorgehens gegen die eigene Bevölkerung nach Beginn des Syrien-Krieges in den meisten Golfstaaten zu einem verhassten Außenseiter geworden war. Doch die Zeiten haben sich auch hier geändert: Insbesondere Oman und die VAE gemeinsam mit Jordanien lobbyierten in den letzten Jahren für eine Normalisierung mit Bashar al-Assad. Auch wenn die Golfmonarchien das Überleben des al-Assad-Regimes immer noch kritisch betrachten, so ist es doch zu einer faktischen Realität geworden, die akzeptiert werden muss – ob es ihnen gefällt oder nicht.278 Eine Niederlage des Regimes ist zu einer Illusion verkommen, was die Golfstaaten dazu motiviert hat, sich von moralischen Absichten zu verabschieden, und im Dialog mit al-Assad das kleinere Übel zu suchen. Die Beweggründe dafür sind vielfältig: Wirtschaftliche Diversifizierung, Interesse an Investitionen und Wiederaufbau, Kontrolle des Drogenhandels, Ausgleich des iranischen Einflusses in der Region und Bewältigung der Flüchtlingsströme sind die Hauptmotivationen für das erneute Engagement der Golfstaaten in Syrien. Dies zeigt sich insbesondere bei den VAE: Seit Beginn des Syrien-Krieges haben die Emirate ihre Position zu Syrien von der Unterstützung der Opposition über den Rückzug aus dem Konflikt bis hin zur offenen Annäherung an das al-Assad-Regime geändert.279 Die Phase der Annäherung begann bereits 2018, als die VAE ihre Botschaft in Damaskus wiedereröffneten. Nach dem Besuch des Außenministers der VAE, Abdullah bin Zayed Al Nahyan, im November 2021 – der ersten hochrangigen Reise eines emiratischen Offiziellen nach Syrien seit 2011 – wurden die Bemühungen der Emirate um den Ausbau der bilateralen Beziehungen mit dem al-Assad-Regime intensiviert. Auf der Dubai Expo 2020 war Syrien mit einer offiziellen Delegation vertreten, der auch der Minister für Wirtschaft und Außenhandel, Mohammad Samer al-Khalil, und der stellvertretende Außen- und Auslandsminister Ayman Sousan angehörten.280 Während der Pandemie wurden die
Beziehungen noch enger, als die VAE Impfstoffe und medizinische Hilfsgüter nach Syrien lieferten.281 Schließlich war al-Assads erster Besuch in den VAE im März 2022, bei dem er mit MbZ zusammentraf, ein entscheidender Wendepunkt in den Beziehungen zwischen den VAE und Syrien. 282 Das Engagement der VAE gegenüber Syrien wird hauptsächlich von wirtschaftlichen Erwägungen bestimmt, womit auch die frühen Bemühungen erklärt werden können, die Beziehungen zu normalisieren: Abu Dhabi wollte sich damit einen Wettbewerbsvorteil sichern.283 So vereinbarten beide Staaten bereits 2021, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verstärken, und gründeten im Oktober den Syrisch-Emiratischen Gemeinsamen Rat der Geschäftsleute. Seit 2017 sind die VAE der drittwichtigste Lieferant von Gütern für Syrien, mit Exporten in Höhe von USD 750 Mio. im Jahr 2020.284 Darüber hinaus betrachtet Abu Dhabi die Omnipräsenz Irans in Syrien als potenzielle Bedrohung für die eigene Machtprojektion und möchte daher eine (wirtschaftliche) Alternative für das al-AssadRegime schaffen.285 Saudi-Arabien verfolgt mehrheitlich sicherheitspolitische Interessen im Umgang mit Syrien: Mithilfe des al-Assad-Regimes hat sich Syrien zum Umschlagplatz für den regionalen Drogenhandel entwickelt, was für die Nachbarstaaten und Saudi-Arabien zu einer ernsthaften Bedrohung angewachsen ist.286 Für das Regime in Damaskus stellt das Drogengeschäft mit geschätzten Einnahmen von USD 5 Mrd. ein lukratives Geschäft dar.287 Von der syrischen Grenze aus werden vor allem Amphetamine und Fenetylline über Jordanien288 und Libanon in die Golfstaaten geschmuggelt. Schätzungen zufolge sind mehr als 160 Gruppen in den Drogenhandel verwickelt289, und es existieren 43 Produktionsstätten in Syrien, die sich geografisch auf Deraa und Deir al-Zor konzentrieren.290 Mittlerweile sind das al-Assad-Regime und Akteure im benachbarten Libanon vermutlich für 86% der Produktion des Fenetyllin-haltigen Captagons in der arabischen Region verantwortlich.291 Auf gesellschaftlicher Ebene nimmt der Captagon-Missbrauch vor allem in Saudi-Arabien zu und stellt ein ernsthaftes Problem für die wirtschaftliche Effizienz und den sozialen Zusammenhalt dar.292 Auch wenn keine zuverlässigen Daten vorliegen, gilt Saudi-Arabien als das Land mit der höchsten Zahl von Captagon-Konsument:innen in der Region293, wobei die Attraktivität auch in anderen Golfstaaten zunimmt.294 Deswegen erhofft sich SaudiArabien in einer verstärkten Zusammenarbeit mit Syrien auch einen Rückgang des Drogenschmuggels. Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien im Winter 2023 nutzten die VAE, Saudi-Arabien und andere Golfstaaten die humanitäre Notlage als Anlass, um im Rahmen ihrer »Erdbebendiplomatie«295 engere Beziehungen zum al-Assad-Regime zu knüpfen. Für sie bot die Katastrophe eine »goldene Gelegenheit«296, um ihre Annäherung an
das al-Assad-Regime zu forcieren. So reiste MbZ im Februar 2023 nach Syrien297, während al-Assad im März seinen Gegenbesuch in Abu Dhabi antrat298 und von den VAE zur Klimakonferenz in Dubai im November/Dezember 2023 eingeladen wurde.299 Dabei sagten alle Golfstaaten humanitäre Hilfe zu. Während die Emirate und Bahrain ihre Unterstützung allerdings ausschließlich an das Regime lieferten, leisteten Katar und Kuwait ihre Hilfe nur in den wenigen noch von der Opposition kontrollierten Gebieten – ein klarer Indikator für die sich widersprechenden Standpunkte in Bezug auf Syrien.300 Während Saudi-Arabien, die VAE und Oman die Reintegration Syriens aus pragmatischen Gründen befürworten, zeigen sich Katar und Kuwait deutlich skeptischer in ihrer Position gegenüber Syrien. Das Vertrauen in al-Assad ist nach wie vor sehr gering. Er wird daher hauptsächlich als Partner der Notwendigkeit und nicht als Partner der Wahl betrachtet. Gleichzeitig sind einige Golfstaaten wie die VAE zwar daran interessiert, die Geschäftsbeziehungen mit Syrien auszuweiten, scheuen aber die offene Konfrontation mit den USA. Immerhin werden unternehmerische Tätigkeiten in Syrien durch den Caesar Syria Civilian Protection Act301 weiterhin sanktioniert, sodass die Golfstaaten sorgfältig zwischen ihrem wirtschaftlichen Interesse an Syrien als potenzieller Markt und ihren nach wie vor wichtigen Beziehungen zu Washington abwägen müssen.302 3.8 Israel: Ein zwiespältiges Verhältnis zwischen Ablehnung und Annäherung Im Rahmen dieser pragmatisch-opportunistischen Annäherungspolitik scheint es für einige Golfstaaten keine Tabus mehr zu geben. Dies zeigt insbesondere die Normalisierung von den VAE und Bahrain mit Israel aus dem Jahr 2020. In der Vergangenheit galt Israel als gemeinsamer Feind der arabischen Staaten, dessen Anerkennung sie aufgrund der ungelösten Palästina-Frage ablehnen und in mehreren Kriegen (1948, 1967, 1973) gegen Israel beteiligt waren.303 In den VAE erhoffte man sich von der Normalisierung jedoch nicht nur den Ausbau wirtschaftlicher sowie cyber- und sicherheitspolitischer Beziehungen, sondern auch eine engere Kooperation mit der damaligen Trump-Administration, die die »AbrahamAbkommen« als Teil des »Deals des Jahrhunderts« (deal of the century)304 glorifizierten, während sich MbZ als »Mann des Friedens« feiern ließ.305 Weiterhin erhofften sich die Emirate mithilfe Israels, ihre Präsenz im östlichen Mittelmeer zu erhöhen und die Ausbeutung dortiger Gasvorkommen zu forcieren. Dabei kam die emiratische Annäherung an den einstigen Erzfeind nicht gänzlich überraschend: Bereits 2010 war der damalige israelische Infrastrukturminister Uzi Landau in die Emirate gereist, und 2015 wurde eine israelische Vertretung in den VAE eröffnet. Für Israel bedeuteten die Abkommen einen »strategischen Sieg«306, löste es sich damit aus der weitgehenden Isolation von den arabischen Nachbarn. In der Öffentlichkeit wurden die Deals
auch damit begründet, Israel zu Zugeständnissen gegenüber den Palästinensern drängen zu können, die Siedlungspolitik zu stoppen und eine Wiederbelebung der Friedensgespräche zu erreichen. Doch diese Hoffnungen trogen: Die Abkommen stoßen nicht nur in der arabischen Nachbarschaft auf vielfache Ablehnung und wurden in den sozialen Medien als »Verrat« bezeichnet307, sondern werden zunehmend auch in den VAE und Bahrain kritisch debattiert.308 2022 bewerteten in einer Umfrage 71% der emiratischen Befragten die Normalisierung als weitgehend negativ, in Bahrain waren es gar 76%.309 Die Situation in den Palästinensergebieten, dem Westjordanland sowie dem Gaza-Streifen, haben sich auch nach den Abkommen nicht verbessert – ganz im Gegenteil, wie die intensivierte Siedlungspolitik der ultrarechten Regierungskoalition unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu 2022/2023 zeigte. Trotz aller fortbestehenden Animositäten: Alle Golfstaaten unterhalten mehr oder weniger offizielle Beziehungen zu Israel. 2016 soll das indirekte Handelsvolumen zwischen den Golfmonarchien und Israel bereits USD 1 Mrd. betragen haben, betrachten die Herrscher am Golf Israel doch als interessanten Partner im Bereich der Wirtschafts- und Sicherheitskooperation.310 Die einstige Feindschaft ist daher einer nüchternen KostenNutzen-Abwägung gewichen, sodass die vielfach beschworene Solidarität mit Palästina oftmals zur reinen Folklore und Symbolpolitik verkommt: Statt den Nahostkonflikt langfristig lösen zu wollen, streben viele Golfstaaten vor allem nach einer Eindämmung des Problems. Längst wird Israel in vielen Golfstaaten als faktische Realität wahrgenommen. Nach der Unterzeichnung der Oslo-Abkommen 1992 und der Hoffnung auf eine friedliche Beilegung des Nahostkonflikts gaben viele Golfstaaten zeitweise ihre Isolationspolitik gegenüber Israel auf. Vor allem das gemeinsame Feindbild Iran wirkte als Motor einer vorsichtigen Annäherung. Oman, Katar und Bahrain zeigten sich in dieser Phase besonders pragmatisch: 1994 reiste ein israelischer Minister nach Bahrain sowie der damalige israelische Premierminister Yitzhak Rabin in den Oman; 1996 eröffnete Israel sogar Handelsmissionen in Oman und Katar – erste Etappen auf dem Weg zu einer konzilianteren Israel-Politik der Golfstaaten. Bereits in den 1970er Jahren soll Israel den omanischen Sultan Qaboos bei der Niederschlagung der Dhofar-Rebellion unterstützt haben, und Muskat brach nach dem Friedensschluss zwischen Ägypten und Israel 1980 die Beziehungen zum nordafrikanischen Partner im Gegensatz zu den anderen Golfstaaten nicht ab.311 Mittlerweile wird die Existenz Israels nicht mehr negiert. Stattdessen nahm ein israelischer Athlet im Oktober 2022 am Triathlon im saudischen Königreich teil312, während der Olympischen Sommerspiele in Tokio 2021 kämpften ein israelischer und saudischer Judoka gegeneinander313 und 2023 partizipierte ein israelisches Team an der Weltmeisterschaft im E-
Football, die in Riad stattfand.314 Trotz dieser intensivierten Zusammenarbeit haben jedoch weder Saudi-Arabien noch Katar, Oman oder Kuwait bis September 2023 ihre Beziehungen zu Israel normalisiert. Sie müssen aus unterschiedlichen Beweggründen einen Tanz auf der Rasierklinge vollführen, da sie einerseits Israel aus sicherheitspolitischen Erwägungen und als Drohkulisse gegen Iran brauchen, andererseits aber aus ideologischen und politischen Gründen aufgrund ihrer Unterstützung für Palästina auf Distanz bleiben müssen. Insbesondere am Beispiel SaudiArabiens wird dieses Dilemma deutlich: Auf der einen Seite erhofften sich die USA und Israel bereits im November 2020 einen Durchbruch im saudisch-israelischen Normalisierungsprozess, als Meldungen bekannt wurden, dass sich der israelische Ministerpräsident Netanjahu am Roten Meer mit MbS getroffen hatte.315 Dennoch betrachtet Saudi-Arabien eine offizielle Aussöhnung als problematisch: Das saudische Narrativ betont, dass eine Anerkennung Israels nur vor dem Hintergrund der Zwei-Staaten-Lösung akzeptabel sei, und weist in diesem Zusammenhang gebetsmühlenartig auf die sogenannte Arabische Friedensinitiative von 2002 hin, die der damalige saudische König Abdullah ins Leben gerufen hatte. In ihr wird von Israel gefordert, sich aus den 1967 besetzten Gebieten inklusive Ost-Jerusalem zurückzuziehen und den geflohenen Palästinensern das Rückkehrrecht zuzugestehen, um im Gegenzug von den arabischen Staaten anerkannt zu werden. Außerdem wird das saudische Verhältnis zu Israel vor dem Hintergrund der islamischen Verantwortung für die palästinensische Sache innerhalb der arabischen Welt weitaus aufmerksamer begutachtet als in den VAE und Bahrain. Das Königreich muss als »Hüter der beiden Heiligen Stätten« sein Verhältnis zu Israel und Palästina vorsichtig abwägen. Auch wenn die »Palästina-Frage« insbesondere bei der jungen saudischen Bevölkerung an emotionaler Strahlkraft verloren haben mag, darf MbS die psychologische Wucht dieser Thematik nicht unterschätzen. Eine Normalisierung mit Israel könnte also auch seiner Reputation schaden. Ein solcher Schritt hätte demnach seinen Preis: So wird immer wieder über mögliche Sicherheitsgarantien und neue Waffenlieferungen durch die USA diskutiert, die als Gegenleistung für eine mögliche Normalisierung angeboten werden könnten.316 Katar hingegen lehnt eine Normalisierung strikt ab, kooperiert aber mit Israel, wenn es den eigenen Interessen dient. In den 2000er Jahren hatte die katarische Führung Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas initiiert, doch in den letzten Jahren hat sich das katarische Verhältnis zur israelischen Führung abgekühlt. Kuwait und Oman befinden sich in einer vertrackten Situation: Zum einen sind sie zu verletzlich, um sich ausschließlich auf eine Seite zu schlagen und streben daher aufgrund ihrer Sandwichposition nach konzilianten Beziehungen mit Israel und den anderen Golfstaaten. Zum anderen dürfen sie es
sich mit keinem Regionalakteur wie z. B. Iran verscherzen und scheuen daher die offene Normalisierung mit Israel. In Kuwait wird diese Frage besonders kritisch diskutiert, da konservative und islamistische Kräfte in der Nationalen Versammlung eine Annäherung an den Erzfeind Israel ablehnen und sie ihre emotionale Solidarität mit der palästinensischen Sache betonen. Somit gestaltet sich das Verhältnis der Golfstaaten zu Israel widersprüchlich und wird mehr von realpolitischen Erwägungen als von ideologischen Dogmen dominiert.
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Kapitel 4 Globale Netzwerke: Wie die Golfstaaten weltweit Einfluss erlangen 4.1 Klima- und Energiepolitik: Die Erzählung vom »grünen Champion« »Wenn wir nicht jetzt etwas gegen den Klimawandel unternehmen, wird unsere Heimat bald unbewohnbar sein«, sagt Mohammad. Er engagiert sich im Oman als Klimaaktivist und hat eine eigene NRO gegründet, die in Trainingskursen und Social-Media-Kampagnen über die katastrophalen Folgen des Klimawandels informiert und sich insbesondere an Privathaushalte richtet. Luft- und Wasserverschmutzung, rapide steigende Temperaturen, Springfluten, Sandstürme und Überschwemmungen sind mittlerweile in den meisten Golfmonarchien an der Tagesordnung und werden für viele Menschen zu einer enormen mentalen und wirtschaftlichen Belastung. Die Temperaturen steigen im Oman, den VAE oder SaudiArabien im Sommer bis weit über 50 Grad Celsius und lassen das Leben ausschließlich mit Hilfe energieintensiver Klimaanlagen erträglich werden. Als Folge sorgen Dürren und Wasserknappheit für erschwerte Lebensbedingungen, wirtschaftliche Krisen und steigende Arbeitslosigkeit. In Saudi-Arabien wird Dschidda regelmäßig von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht, was zu massivem Protest der Stadtbevölkerung gegen die Verwaltung führte, da die Hafenstadt über kein effizientes Abwassersystem verfügt. In Kuwait resultiert die drückende Luftfeuchtigkeit zu hitzebedingten Kreislaufkollapsen und steigenden Todeszahlen. 12% der golfarabischen Bevölkerungen sind wegen des steigenden Meeresspiegels, gravierenden Küstenerosionen und Flutkatastrophen von Vertreibung bedroht1 – ein Szenario, das insbesondere den kleinen Inselstaat Bahrain oder den Oman in ihrer Existenz gefährdet.2 Zwischen den 2000er und den 2050er Jahren könnten die Hitzetoten in der Region des östlichen Mittelmeerraums, wozu auch die Golfstaaten gezählt werden, von 5.000 auf 15.000 pro Jahr steigen.3 Studien gehen davon aus, dass ohne eine deutliche Verringerung der CO2-Emissionen desaströse Hitzewellen an 200 Tagen im Jahr auftreten und ab 2060 die Temperaturen sogar auf lebensfeindliche 60 Grad und bis 2075 um 4 Grad im Jahresdurchschnitt zu heute steigen könnten.4 Hinzu kommt ein gravierender Wassermangel: In Saudi-Arabien reduzierte sich die jährliche Niederschlagsmenge von 250 Millimetern im Jahr 1979 in den folgenden 20 Jahren auf weniger als 100 Millimeter5,
während die verfügbaren Wasservorkommen zwischen 1972 und 2014 im Königreich um 93% und in den VAE gar um 94% sanken.6 Vor dem Hintergrund dieser Daten könnte die Golfregion bis zum Ende des 21. Jahrhunderts unbewohnbar werden7 und ist von allen Weltregionen am meisten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen.8 Diese Entwicklung sei einerseits Folge der globalen Energieverschwendung, andererseits liege sie aber ebenso in der Verantwortung der Golfmonarchien selbst, konstatiert Mohammad. Bis 2030 wird prognostiziert, dass alle sechs Golfmonarchien unter den ersten zehn Staaten mit den höchsten CO2-Emissionen pro Kopf liegen werden. So rangiert Katar mit 34,3 Tonnen pro Person auf Rang drei hinter Trinidad und Tobago sowie Brunei Daressalam, während Kuwait, Oman, Bahrain und die VAE auf den weiteren Plätzen folgen.9 Auch der Wasserverbrauch ist trotz des Mangels enorm: Kuwait lag 2016 mit einem Anteil von mehr als 2.000% der jährlichen Frischwasserentnahme an den sich erneuernden Wasserressourcen weltweit an der Spitze. Dort liegen die jährlichen sich erneuernden Wasserressourcen bei 0,02m³, während die Frischwasserentnahme 0,415km³ beträgt – eine dramatische Übernutzung der spärlichen Grundwasserbestände.10 Die VAE folgen mit einer Quote von knapp 1.900%, Saudi-Arabien mit 940%, während Katar mit 370% auf Rang fünf und Bahrain mit mehr als 200% auf Rang sechs liegen.11 Dieser Wassermangel wird durch die Klimakrise weiter zunehmen.12 So wird befürchtet, dass sich der Ernteertrag in der Region bis 2050 um 20%13 und die Verfügbarkeit von Trinkwasser im selben Zeitraum um die Hälfte reduzieren könnten.14 Stattdessen wird in energieintensiven Meerwasserentsalzungsanlagen Trinkwasser aufbereitet, wozu zumeist Unmengen an fossilen Brennstoffen verwendet werden. Neben massiven Beeinträchtigungen auf den Lebensstil sind die wirtschaftlichen Folgen dramatisch: Sollte die Erderwärmung auf 3 Grad Celsius ansteigen, müssten die Golfstaaten mit einem Rückgang ihres BIP von bis zu 3% im Jahre 2067 rechnen.15 Allein in Saudi-Arabien werden die Kosten durch die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf jährlich USD 13 Mrd. geschätzt.16 Für Mohammad ist die Konsequenz daher eindeutig: Ohne einen radikalen Wandel in der Mentalität sowie eine nachhaltige Diversifizierung der Energiepolitik verspielt die Golfregion ihre Zukunft. Aus seiner Sicht gehe es darum, sich aus dem konsumorientierten Lebensstil zu lösen und sich stärker auf klimaneutrale und energieeffiziente Lösungen in Bau, Wirtschaft und Energie zu konzentrieren. »Doch noch sind zu wenige dazu bereit«, sagt er. »Stattdessen streben wir nach einem Leben wie in Europa und den USA und verstehen nicht, wie der Konsumrausch und die Energieverschwendung dazu führen, dass unsere Kinder und Enkelkinder keine lebenswerte Heimat mehr vorfinden werden.« Nicht nur für ihn ist die Lösung der Klimakrise längst eine Frage von Leben und Tod – und damit auch eine drohende Gefahr für die Stabilität der Herrscherhäuser. Deswegen
präsentieren sie sich zunehmend als »grüne Champions« und Verfechter einer klimaneutralen Energiepolitik. Dies zeigt sich u. a. in ambitionierten Zielen der jeweiligen Golfstaaten, Klimaneutralität zu erreichen. Die VAE17, Kuwait18 und Oman19 streben danach, bis 2050 an dieses Ziel zu kommen, Saudi-Arabien20 und Bahrain21 haben sich 2060 als Zieldatum gesetzt. Bis 2030 wollen bis auf Kuwait alle Golfmonarchien ihre Treibhausemissionen drastisch reduzieren: In Saudi-Arabien wird ein Rückgang von 32%, in den VAE von 31%, in Katar von 29%, in Bahrain von 17% und in Oman von 6% angestrebt. Dafür werden energieeffiziente Bauweisen, die Produktion von Elektroautos und umweltschonenden Klimaanlagen sowie Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen gefördert. Doch das kostet: Allein im Oman werden die Ausgaben für die Energiewende bis 2050 von der omanischen Regierung auf USD 190 Mrd. beziffert.22 Neue landwirtschaftliche Technologien wie Vertical Farming werden innerhalb der Golfstaaten gefördert, um die nationale Lebensmittelsicherheit sicherzustellen und die Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten zu reduzieren. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine führte zu gravierenden Engpässen bei der regionalen Versorgung mit Getreide – ein Szenario, welches die Golfstaaten unter allen Umständen in Zukunft vermeiden wollen. Insgesamt importieren die Golfstaaten immerhin 85% ihres Bedarfs an Lebensmitteln aus dem Ausland.23 Dies soll sich ändern. Bis 2029 sollen die Investitionen in Vertical Farming auf USD 29 Mrd. steigen. Eine Vorreiterrolle nehmen die VAE ein, die Modellprojekte wie Bustanica in Dubai und Pure Harvest Smart Farms in Abu Dhabi als Lösungen der Zukunft anpreisen. In Bustanica wird auf knapp 28.000 Quadratmetern Gemüse für die Passagiere von Emirates und anderen Airlines angebaut, um 200.000 Gerichte pro Tag daraus zuzubereiten.24 Seit ihrer Gründung 2016 gelang es dem Agribusinessunternehmen Pure Harvest Smart Farms Kapital von globalen Investoren mehr als USD 380 Mio. zu generieren, um in Treibhäusern diverse Obstund Gemüsesorten anzubauen.25 Dabei wird ein hydroponisches System angewandt, in dem kein Nährboden verwendet, dadurch versickerndes Wasser vermieden und der Wasserbedarf reduziert wird. Gleichzeitig ist Klimapolitik und -diplomatie ein fundamentaler Bestandteil der golfarabischen Soft-Power-Strategie. Alle Golfmonarchien haben das »Pariser Abkommen« der UN unterzeichnet und sich damit verpflichtet, die Klimaziele zu erreichen. Die VAE erließen bereits 2017 als erste Golfmonarchie eine nationale Klimastrategie und können auf eine lange Tradition der Nachhaltigkeitspolitik zurückblicken: Bereits Staatsgründer Zayed Al Nahyan präsentierte sich als Befürworter des Umweltschutzes, ließ ein lokales Bewässerungssystem bauen sowie etwa 200 Mio. Bäume pflanzen.26 2005 wurde ihm posthum von der UN der Titel »Champion of the Earth« für seine Errungenschaften im Naturschutz verliehen. Dieses Erbe wollen die VAE fortsetzen, in dem sie bereits 2013 etwa
12% ihrer Entwicklungshilfe für nachhaltige und umweltschonende Maßnahmen ausgaben, sowie die International Renewable Energy Agency (IRENA) in ihrer ökologischen Technologiestadt Masdar ansiedelten und Konkurrenten in Deutschland und Österreich ausstachen – ein Prestigeerfolg für die VAE. Die vom emiratischen Staat finanzierte MasdarInitiative ist zu einem Aushängeschild der emiratischen Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik geworden, entwickelt über das hauseigene Unternehmen Masdar Clean Energy den nationalen Sektor der erneuerbaren Energien und investiert über den Masdar Clean Tech Fund in Projekte zum Ausbau der Solar- oder Windenergie in strategisch relevanten Ländern wie Ägypten oder Jordanien. In Dubai wird mit dem Mohammed Bin Rashid Al Maktoum (MBRM) Solarpark eine 13-Megawatt-Fotovoltaik-Anlage fertiggestellt, die bis 2030 eine Gesamtleistung von 5 Gigawatt erreichen soll. Auch das Emirat Abu Dhabi baut seine Solarkapazitäten stark aus. Als erstes großes Solarprojekt der VAE ging 2013 Shams 1 mit 100 Megawatt ans Netz und das erste Mega-Solarprojekt, Noor Abu Dhabi Sweihan (1,2 Gigawatt), konnte im Sommer 2019 die Produktion aufnehmen.27 Während sich die VAE bereits vor mehr als 15 Jahren als klimapolitischer Stratege positioniert haben, spielten solche Pläne in Saudi-Arabien lange Zeit keine Rolle. Zwar gab es immer wieder Versuche, die nationale Solar- und Windindustrie zu fördern, um die Abhängigkeit vom Erdöl zu reduzieren. Das Potenzial für die Nutzung von Solarenergie ist immerhin enorm und liegt mit 1.000 Terrawattstunden fast 17-mal so hoch wie in Deutschland.28 Doch mangelnde lokale Expertise, technische Herausforderungen, Kompetenzgerangel zwischen den zuständigen Ministerien, fehlender politischer Wille und eine einflussreiche Öllobby ließen solche Pläne versanden. 2014 trug die Solarenergie nur 4 Terrawattstunden (TWh) zum gesamten Energiemix bei, während aus Öl knapp 2.000 TWh und aus Gas 1.100 TWh gewonnen wurde.29 Doch unter MbS möchte das Königreich eine neue Ära der Energietransition einleiten. Der Kronprinz hat deswegen die Energiewende als ambitioniertes Ziel ausgerufen, und möchte im Rahmen der 2021 gegründeten Saudi Green Initiative und der regionalen Green Middle East Initiative30 ein Umdenken im Klima- und Umweltschutz herbeiführen. Dafür sollen allein im Königreich 10 Mrd.31 und in der gesamten Region 50 Mrd. Bäume gepflanzt und gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels gefördert werden. Bis 2024 will das Königreich die Erneuerbaren Energien auf 27,3 Gigawatt und bis 2030 auf 58,7 Gigawatt ausbauen.32 Urbane Zentren wie Riad sollen zu umweltfreundlichen Vorbildern der globalen Städteplanung transformiert werden. So ist geplant, die CO2-Emissionen in der Hauptstadt um die Hälfte zu senken und USD 92 Mrd. in nachhaltige Projekte zur Verbesserung des Wassermanagements, der Luftqualität und des öffentlichen Nahverkehrs zu investieren. Weiterhin sollen bis 2030 für USD 8 Mrd. 15 Mio. Bäume gepflanzt und 3.300 Nachbarschaftsparks gebaut werden.33
Insgesamt ist beabsichtigt, landesweit USD 187 Mrd. in den Klimaschutz zu investieren. Im Rahmen der Initiative bieten Veranstaltungen wie der Green Energy Summit im Oktober 2021 Jobbörsen und Karriereberatungen für Jungunternehmer aus der grünen Energiebranche an34, um einerseits einen lokalen Arbeitsmarkt für »saubere Jobs« zu schaffen und andererseits solche Initiativen zur Bildung eines »grünen Nationalismus« zu nutzen.35 Zwar stehen die klimapolitischen Bemühungen Saudi-Arabiens noch immer im Schatten der VAE, denen mit der Ausrichtung der UN-Klimakonferenz COP28 ein echter Coup gelungen ist, doch das Königreich klotzt, anstatt zu kleckern: Im Oktober 2023 richtet SaudiArabien zum ersten Mal die MENA Climate Week aus, die internationale Vertreter:innen aus Klimapolitik und Wissenschaft zusammenbringt. Im April 2021 wurde mit Sakaka das erste saudische Solarkraftwerk eingeweiht; sieben weitere sollen in den kommenden Jahren folgen – ein Meilenstein für das Königreich.36 Außerdem soll eines der wichtigsten Prestigeobjekte, die Megastadt NEOM, ausschließlich mit erneuerbaren Energien versorgt werden und auf CO2-Emissionen verzichten. Mittlerweile engagiert sich auch der Öl-Gigant Saudi Aramco stärker als bisher in der Förderung von erneuerbaren Energien und zeigt sein »grünes Gesicht«.37 Das staatseigene Energieunternehmen ACWA Power hat ebenfalls EUR 60,8 Mrd. in 13 Ländern investiert und sich damit als Vorreiter der saudischen Energiediversifizierung etabliert.38 Der neueste Trend ist der Aufbau einer nationalen Wasserstoffindustrie. Das gilt vor allem für Saudi-Arabien, die VAE und Oman. Allein Oman möchte 70.000 neue Jobs in der Wasserstoffindustrie schaffen39, in allen Golfstaaten könnten insgesamt 400.000 direkte und indirekte Arbeitsplätze in diesem Sektor entstehen.40 Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung und außergewöhnlicher Windgeschwindigkeiten sowie der Verfügbarkeit großer Flächen existieren generell hervorragende Bedingungen zum Aufbau einer grünen Wasserstoffindustrie, die durch den Einsatz erneuerbarer Energien versorgt werden kann.41 In Oman, Saudi-Arabien und den VAE liegen die Produktionspotentiale für Wasserstoff zwischen 650 und 900 TWh.42 Gleichzeitig sind die Golfstaaten finanziell in der Lage, umfassende Investitionen in die Wasserstoffindustrie zu tätigen.43 Da das Produktionspotenzial die einheimische Nachfrage übersteigt, fokussieren sich die Golfstaaten auf Wasserstoff als zukünftiges Exportgut.44 Das gilt vor allem für Saudi-Arabien: Im Oktober 2021 wurde verkündet, der weltweit größte Wasserstoffproduzent werden zu wollen. Bis 2030 sollen pro Jahr 2,9 Mio. Tonnen Wasserstoff produziert werden und bis 2035 auf 4 Mio. Tonnen pro Jahr steigen.45 Bisher existiert zwar noch keine einheitliche Wasserstoffstrategie, doch im Rahmen der Modernisierungsagenda »Vision 2030« fungiert Wasserstoff als wesentlicher Treiber der Energietransition.46 Während an der Ostküste die dort vorhandene Gasindustrie logistisch interessante Voraussetzungen für die Produktion von
aus Gas produziertem blauen Wasserstoff bietet und in Dschafurah eine Jahresproduktion von 11 Mio. Tonnen blauem Ammoniak angestrebt wird47, soll NEOM an der Küste des Roten Meeres zukünftig zu einem Zentrum für grünen Wasserstoff entwickelt werden, der aus erneuerbaren Energien wie Wind oder Solar gewonnen wird. In Zusammenarbeit mit ACWA Power und dem US-amerikanischen Unternehmen Air Products soll das NEOM HeliosProjekt mit einem Volumen von USD 8,5 Mrd. ab 2026 4 Gigawatt an erneuerbaren Energien aus Solar und Wind produzieren, um aus 240.000 Tonnen grünem Wasserstoff48 jährlich 1,2 Mio. Tonnen49 an grünem Ammonium herzustellen.50 Das deutsche Unternehmen ThyssenKrupp Uhde Chlorine Engineers wurde mit der Lieferung einer Elektrolyseanlage mit einer Leistung von mehr als 2 Gigawatt beauftragt. Im Rahmen dieses Vertrages wird ThyssenKrupp die Anlage auf Basis seines 20 Megawatt-Moduls für die alkalische Wasserelektrolyse entwickeln, beschaffen und herstellen. Nach der Inbetriebnahme werden die Projektpartner NEOM, ACWA Power und Air Products die Anlage betreiben. Der produzierte Wasserstoff wird zu klimaneutralem Ammoniak synthetisiert, der exklusiv von Air Products in den weltweiten Markt exportiert wird.51 Thyssen-Krupp erhält hierfür eine finanzielle Unterstützung in Höhe von EUR 1,5 Mio. vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).52 Im Rahmen der von Saudi-Arabien proklamierten Circular Carbon Economy sollen weiterhin Energieeffizienz, Emissionsreduzierung und Kohlenstoffbindung (carbon capture) verbessert werden.53 Mittlerweile wird auch das saudische Bildungssystem an die neuen Anforderungen angepasst. Einige Universitäten bieten bereits Ingenieurstudiengänge in Wasserstoff und erneuerbaren Energien an, und Unternehmen wie ACWA Power oder Saudi Aramco entwickeln ihre eigenen Lehrpläne, um die saudischen Fachkräfte von morgen auszubilden. Auch in den VAE kommt der Wasserstoffindustrie eine strategische Bedeutung im zukünftigen Energiemix zu: Im Juli 2023 veröffentlichten die Emirate mit Unterstützung des Fraunhofer-Instituts54 ihre Nationale Wasserstoffstrategie, die vorsieht, bis 2031 1,4 Mio. Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr und bis 2050 15 Mio. Tonnen zu produzieren. Sie steht in engem Zusammenhang mit der 2017 verabschiedeten Energy Strategy 2050, die vorsieht, den Anteil von grüner Energie am nationalen Energieverbrauch auf 25–50% bis 2050 zu erhöhen. Seit 2021 unterhalten die VAE die erste grüne Wasserstoffanlage in der Region, die gemeinsam mit Siemens Energy und DEWA unterhalten wird und mit dem Al Maktoum Solar Park verbunden ist. Ähnliche Ziele verfolgt auch Oman, das sich als regionales Zentrum für Wasserstoffproduktion etablieren und damit die ambitionierten Nachbarn Saudi-Arabien und die VAE überflügeln möchte. Schätzungen gehen davon aus, dass Oman bis 2030 mit einem Anteil von 61% zum wichtigsten Exporteur von Wasserstoff und damit zum sechstgrößten
Wasserstofflieferant weltweit aufsteigen könnte. Die VAE und Saudi-Arabien folgen mit 20% bzw. 16%.55 Aufgrund der günstigen geografischen Lage könnten die Kosten für den Transport von Ammonium auf dem Seeweg bis zum Ende des Jahrzehnts deutlich sinken, was die Wettbewerbsfähigkeit stärken und Omans Bedeutung als Lieferant von grünem Wasserstoff weiter erhöhen könnte.56 Die 2022 veröffentlichte Wasserstoffstrategie sieht vor, bis 2030 jährlich 1 Mio. Tonnen grünen Wasserstoff, bis 2040 3,5 Mio. Tonnen und bis 2050 8 Mio. Tonnen zu produzieren. Dafür soll die Elektrolyseurleistung von 10 Gigawatt auf 100 Gigawatt sowie die Kapazitäten aus Solar- und Windkraft von 20 Gigawatt auf 185 Gigawatt zwischen 2030 und 2050 steigen.57 Das wichtigste grüne Wasserstoffprojekt soll mit Solarund Windkraft betrieben werden und 1,8 Mio. Tonnen Wasserstoff pro Jahr für die Produktion von 10 Mio. Tonnen grünem Ammoniak liefern. Die Fertigstellung ist für 2038 geplant.58 2022 wurde mit Hydrogen Oman (HYDROM)59 eine staatlich finanzierte Institution ins Leben gerufen, die die Umsetzung der ambitionierten Wasserstoffziele koordinieren soll.60 In Duqm und Salalah sollen weitere Wasserstoffprojekte gemeinsam mit Partnern aus Indien, Norwegen, Südkorea, Japan, den VAE, Saudi-Arabien, Belgien und Deutschland entstehen. Doch es gibt Unterschiede zwischen den einzelnen Ansätzen: Im Gegensatz zu SaudiArabien, das verstärkt auf blauen Wasserstoff setzt61, konzentrieren sich die VAE und vor allem Oman auf die Produktion von grünem Wasserstoff.62 Da Saudi-Arabien den Aufbau einer lokalisierten Industrie von Elektroautos forciert, bieten sich Chancen zum Einsatz von Wasserstoff bei der Produktion von Brennstoffzellen, sowie in der Petrochemie und beim Abbau von seltenen Rohstoffen.63 Die Golfstaaten wollen sich als unersetzliche Partner in der Wasserstoffproduktion positionieren und neben ihren Ölexporten auch blauen oder grünen Wasserstoff profitabel auf dem Weltmarkt veräußern. Dafür werden internationale Vereinbarungen geschlossen: SaudiArabien hat bislang Wasserstoffpartnerschaften mit Japan (September 2020), Deutschland und Südkorea (beide im März 2021) und Frankreich (Februar 2023) verkündet. Die VAE haben u. a. mit Südkorea Vereinbarungen zum Aufbau der nationalen Wasserstoffindustrie und der Lieferung von blauem Ammonium geschlossen. Insbesondere asiatische Abnehmer werden dabei bislang priorisiert: So wurde im September 2020 die erste Schiffslieferung von blauem Wasserstoff von Saudi Aramco und SABIC nach Japan getätigt. Anfang 2023 wurde blaues Ammoniak erstmalig nach Südkorea exportiert, und im April 2023 folgte eine weitere Lieferung nach Japan.64 Da die Golfstaaten eine hochentwickelte Erdgas- und Erdölindustrie aufgebaut haben, verfügen sie über umfassende Erfahrungswerte in der technologischen Entwicklung und das Know-how, um die Energietransition schrittweise zu realisieren. Die vorhandene Infrastruktur an Pipelines und maritimer Infrastruktur sowie die strategisch
günstige geografische Lage versetzt die Golfstaaten in die vorteilhafte Lage, den Aufbau einer Wasserstoffindustrie als integralen Bestandteil ihrer Energiepolitik zu betrachten, ohne sie gänzlich neu aufbauen zu müssen. Außerdem arbeiten sie an der Entwicklung von Sonderwirtschaftszonen, um ausländischen Investoren die Geschäftsanbahnung und den Markteintritt zu erleichtern. Dazu zählen im Oman Sohar, Duqm und Salalah und in SaudiArabien NEOM.65 Derzeit scheinen die Ambitionen der Golfstaaten, mit dem Aufbau einer Wasserstoffproduktion ihr Geschäftsmodell zu schärfen, endlos. Saudi-Arabien erwartet Investitionen von USD 36 Mrd. in den nationalen Wasserstoffsektor.66 Weiterhin befinden sich 13 Projekte mit einer Gesamtkapazität von 11,3 Gigawatt in Planung.67 Oman kalkuliert mit Investitionen in Höhe von USD 140 Mrd. bis zum Jahr 2050 im Rahmen seiner Wasserstoffstrategie.68 In den VAE befanden sich im März 2023 28 grüne und blaue Wasserstoffprojekte in der Planungsphase69, bei sieben ist die Finanzierung bereits gesichert.70 In Partnerschaft mit Siemens Energy, TotalEnergies, Marubeni Corporation, Department of Energy in Abu Dhabi, Etihad Airways, Lufthansa Group und der Khalifa University verantwortet Masdar den Bau einer Produktionsanlage für grünen Wasserstoff und nachhaltige Brennstoffe für Flugzeuge.71 Allerdings existieren ernstzunehmende Herausforderungen und Probleme, denen die Golfstaaten gegenüberstehen. Die Wasserstoffindustrie wird vor allem vom Staat gefördert und finanziert, was den Aufbau einer effizienten Privatwirtschaft verhindert. Weiterhin sind die nationalen Energieunternehmen wie ACWA Power in Saudi-Arabien, Masdar in den VAE und Hydrogen Development Oman bzw. Omans staatlicher Energieholding OQ sowie die staatlichen Ölfirmen Saudi Aramco, die Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) und die Petroleum Development Oman (PDO) für die Umsetzung der Pläne, den Aufbau internationaler Partnerschaften und die Forschungs- und Entwicklungsvorhaben verantwortlich.72 Dies führt dazu, dass eine überschaubare Anzahl von Akteuren beim Aufbau der Wasserstoffindustrie aktiv ist, die über enge Verbindungen zu ihren Regierungen verfügen. Dadurch wird die Energietransition zu einem staatlich gesteuerten Projekt, während die Beteiligung nicht-staatlicher Akteure ausgebremst wird. Diese Abhängigkeit von staatlicher Gunst ist aber nur eine der vielen Herausforderungen: So müssen die erforderlichen Wassermengen zur Herstellung von Wasserstoff durch zusätzliche Entsalzungsanlagen erfolgen, die erstens sehr energieintensiv arbeiten und hohe Mengen an CO2 produzieren und zweitens hohe Baukosten aufweisen. Der Entsalzungsprozess führt häufig zu Umweltbeeinträchtigungen, da Salzlaken ins Meerwasser abgeleitet werden, was u. a. die Bildung von giftigen Algen forciert.73 Bereits jetzt sind 70% der lokalen Korallenriffe zerstört74 und die wichtigen CO2-absorbierenden Mangrovenwälder
massiven Umweltschäden ausgesetzt. Gleichzeitig existiert eine gravierende Diskrepanz zwischen ehrgeizigen Ankündigungen und realisierten Ergebnissen: 2019 betrug der Anteil der erneuerbaren Energien am gesamten Energiemix in den VAE nur 3,21%, in Katar 0,26%, in Kuwait 0,22% und in Saudi-Arabien sowie Oman verschwindend geringe 0,04% bzw. 0,01%.75 Seitdem wurden zwar Fortschritte erzielt, dennoch hinken die Golfstaaten ihren ambitionierten Zielen deutlich hinterher.76 Immerhin will Kuwait seinen Anteil der erneuerbaren Energien bis 2030 auf 15% und Katar auf 20% erhöhen, Oman plant 30%, während Saudi-Arabien gar mit 50% kalkuliert.77 Bisher ist die kostenintensive Produktion von grünem Wasserstoff global noch nicht konkurrenzfähig, außerdem muss die notwendige Infrastruktur und die Expertise in den Golfstaaten ebenso verbessert werden wie die rechtlichen Rahmenbedingungen und der regionale Datenaustausch.78 Wenn beispielsweise Oman seine ambitionierten Ziele bei der Wasserstoffproduktion erreichen möchte, müssen sich bis 2030 die Kapazitäten zum Ammoniakexport um das 20- bis 30-fache erhöhen. Dies erfordert kostspielige Investitionen in den Aufbau von Lagertanks und Logistikanlagen.79 Die Verschiffung von entflammbarem Ammoniak oder mögliche Terroranschläge auf kritische Infrastruktur stellen weitere Sicherheitsrisiken dar.80 Derzeit werden noch mehr als 95% des Wasserstoffs aus fossilen Brennstoffen produziert, was die CO2-Emissionen erhöht und zum Klimawandel beiträgt.81 Hinter der golfarabischen Klima- und Energiepolitik steckt demnach mehr als nur reines Umweltbewusstsein: Stattdessen geht es den Herrschern am Golf darum, ihr politisches Gewicht mithilfe ihrer Klimadiplomatie zu stärken sowie die eigenen wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen. Zwar ist allen Golfstaaten bewusst, dass der globale Bedarf nach Öl und Gas langfristig sinken wird, doch der russische Krieg gegen die Ukraine zeigt ihnen, dass die Nachfrage nach schnell verfügbaren fossilen Energien ihnen einen klaren Wettbewerbsvorteil verschafft und den Abschied von Öl und Gas verzögert. Insbesondere Katar sieht aufgrund der hohen Nachfrage nach LNG keine Notwendigkeit, seine Energiewirtschaft radikal umzugestalten und investiert daher nur vergleichsweise geringe Summen in den Aufbau von erneuerbaren Energien. Im Gegensatz zu Saudi-Arabien, den VAE oder Oman verfolgt Katar keine Ambitionen zur Entwicklung einer einheimischen Wasserstoffindustrie. Für den Emir in Doha scheint klar: Das Gas ist keineswegs ein Auslaufmodell – dies zeigen nicht zuletzt die Vereinbarungen zur Lieferung von Flüssiggas an Deutschland, wie später noch gezeigt wird. Und auch in den anderen Golfstaaten bleiben fossile Ressourcen der Brennstoff ihres Wohlstands. Daher müssen manche ambitionierten Pläne zur »grünen Energiewende« in gewisser Weise als Augenwischerei verstanden werden, wie internationale Organisationen kritisieren. Die golfarabische Klimapolitik sei nicht mehr als eine PR-Kampagne, um dem globalen Megatrend des Klimaschutzes zu entsprechen und
der Welt eine positive Erzählung zu präsentieren. Doch in Wirklichkeit sei das Engagement der Golfstaaten hauptsächlich »Greenwashing«.82 Die Online-Plattform Climate Action Tracker bewertet die Maßnahmen der VAE zum Klimaschutz als unzureichend83; SaudiArabien wird gar als äußert unzureichend klassifiziert.84 So fehlten den Ankündigungen der Golfstaaten zur Klimaneutralität die Details und die Datengrundlage. Allerdings schneidet auch Deutschland mit der Wertung »unzureichend« unterdurchschnittlich ab.85 Weiterhin planen Saudi-Arabien, die VAE oder Katar den massiven Ausbau ihrer Öl- und GasProduktionsstätten. So wird Klimapolitik als Gegenstand der Energietransition präsentiert, ohne das eigene Geschäftsmodell und damit den Gesellschaftsvertrag grundsätzlich in Frage zu stellen.86 Immerhin werden nach wie vor Versuche, den Klimawandel zu verlangsamen, in Teilen der golfarabischen Bevölkerungen als Bedrohung des eigenen Wohlstands wahrgenommen.87 Außerdem sieht man in erster Linie die globalen Umweltsünder USA, China und Europa in der Verantwortung, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Zwar liegt der CO2-Verbrauch pro Kopf in den Golfstaaten im weltweiten Vergleich an der Spitze, doch die absoluten Emissionszahlen sind mit einem Anteil von 2,4% im Vergleich zu China oder den USA unbedeutend.88 Auch vor diesem Hintergrund empfinden die Golfstaaten die massive Kritik an ihrer Energiewirtschaft als heuchlerisch und doppelzüngig. Für sie schließen sich grüne und fossile Energien nicht aus und sie setzen darauf, in diesem Ringen um die Deutungshoheit den längeren Atem zu beweisen. Immerhin gehen einige Berechnungen davon aus, dass die Ölressourcen in manchen Golfstaaten noch bis zu 100 Jahre reichen könnten.89 Als 2019 die Europäische Union den Green Deal, das europäische Programm zur Förderung des Klimaschutzes, veröffentlichte, betrachteten die Golfstaaten diesen Schritt als direkten Affront.90 In der Vergangenheit wurde immer wieder über Versuche der Golfstaaten berichtet, Einfluss auf die internationale Klimadiplomatie zu nehmen und den Einfluss der fossilen Energien auf den Klimawandel zu relativieren, um den eigenen Marktanteil nicht zu gefährden.91 So scheinen Saudi-Arabien, Australien und Japan versucht zu haben, Einfluss auf das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der UN zu nehmen, um deren Aussagen, möglichst rasch den Ausstieg aus den fossilen Ressourcen zu suchen, herunterzuspielen und drastische Zielformulierungen zu vermeiden.92 Seitdem hat sicherlich ein Umdenken stattgefunden, doch die Ansichten zur Umgestaltung der globalen Energiewirtschaft unterscheiden sich am Golf und in Europa teilweise noch immer fundamental: Am Golf wird das Konzept der Nachhaltigkeit oftmals als Treiber für wirtschaftliche Diversifizierung und nicht als Voraussetzung zum Umweltschutz verstanden.93 Während die Golfstaaten einen pragmatisch-renditeorientierten Ansatz bei ihrer
Energiepolitik wählen, wird die europäische Strategie als normativ und realitätsfern wahrgenommen – eine Sichtweise, die durch die Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine gestärkt wurde. Es wird kalkuliert, dass mithilfe moderner Technologien und kreativer Innovation fossile Energien umweltfreundlicher und damit langfristiger genutzt werden könnten, was dem Geschäftsmodell und der Überlebensstrategie der Herrscher am Golf zugutekäme. Gleichzeitig erkennen sie das Momentum für grüne Energieressourcen und möchten diesen Boom aus Geschäftsinteressen nutzen. Vor diesem Hintergrund operieren Beharrungs- und Modernisierungskräfte Hand in Hand, um einerseits die traditionellen fossilen Energien zu schützen und andererseits neue Technologien in der grünen Energiewende zum eigenen Vorteil zu nutzen. Das Kalkül ist einfach: Je mehr erneuerbare Energien im Inland genutzt werden, umso mehr Öl und Gas kann exportiert werden, womit sich die Einnahmen erhöhen. Und selbst Mohammad, der überzeugte Umweltaktivist, kann nachvollziehen, warum die Golfmonarchien den schrittweisen Wandel zur grünen Energiewende und nicht den radikalen Umbruch vollziehen, immerhin »würden sie sonst den Ast absägen, auf dem sie sitzen.« 4.2 Das Ende der Gießkanne: Die golfarabische Entwicklungspolitik Es war eine bemerkenswerte Aussage des saudischen Finanzministers Mohammad Jadaan auf dem World Economic Forum im Januar 2023: »Früher haben wir direkte Zuschüsse und Einlagen ohne Bedingungen gewährt; das werden wir ändern. Wir werden stattdessen unsere Zusammenarbeit mit multilateralen Institutionen ausweiten, da wir Reformen bei unseren Partnern sehen wollen.«94 Seine Botschaft: Die Zeiten der »Kofferdiplomatie«95, der konditionslosen und umfangreichen finanziellen Unterstützung für notleidende Partner sind vorbei – ein Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik Saudi-Arabiens. Das Königreich gilt traditionell als einer der wichtigsten golfarabischen Geber: 60% der golfarabischen Entwicklungshilfe stammte in den vergangenen vier Jahrzehnten aus dem Königreich, das seine Öleinnahmen nutzte, um im Ausland seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss auszubauen. Insgesamt belief sich die Hilfe zwischen 1975 und 2021 auf mehr als USD 65 Mrd. Damit hat Saudi-Arabien 5% der weltweiten Gesamthilfe bereitgestellt und rangierte 2021 als drittgrößter Geber im globalen Vergleich.96 Neben Saudi-Arabien haben sich auch die VAE, Kuwait und Katar als einflussreiche Akteure bei der Bereitstellung von Entwicklungsgeldern und humanitärer Hilfe positioniert. Sie sind zu »Meistern der Entwicklungshilfe«97 aufgestiegen und verdrängen zunehmend traditionelle Geber wie die Weltbank oder den Internationalen Währungsfonds, deren Bedingungen von den Empfängerstaaten oftmals als zu strikt, zu protektionistisch und zu regulativ wahrgenommen werden. Stattdessen gilt golfarabische Hilfe bei vielen als flexibler
und unbürokratischer und beruht oftmals eher auf persönlichen Netzwerken als auf institutionellen Hierarchien.98 In den letzten Jahrzehnten wurden mehr als 75% der gesamten nicht-offiziellen Entwicklungshilfe von diesen vier Ländern zugesagt und ausgezahlt. Nach Angaben der Weltbank haben die Golfmonarchien zwischen 1973 und 2008 durchschnittlich 1,5% ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) als offizielle Entwicklungshilfe (official development assistance, ODA) bereitgestellt99 und damit das UN-Ziel von 0,7% des BNE deutlich übertroffen.100 Im Jahr 2021 waren es Saudi-Arabien 2,1 Mrd. USD an ODA, was 0,3 % des BNE entspricht.101 Im selben Jahr zahlten die VAE 1,5 Mrd. USD (0,4% des BNE)102, während Katar im Jahr 2020 591,5 Mio. USD an ODA (0,42% des BNE103) und Kuwait 388 Mio. USD bereitstellte, was 0,28% des BNE entsprach.104 Zum Vergleich: Deutschland zahlte 2020 mehr als EUR 25 Mrd. an ODA, was einem Anteil von 0,73% am BNE entspricht. Damit ist Deutschland der zweitgrößte Geber von ODA weltweit.105 Von westlichen Einrichtungen, Forschungsinstituten sowie politischen Interessenvertreter:innen werden die Golfstaaten oft als reine »Geber«106 bezeichnet, dabei sind die arabischen Golfmonarchien viel mehr als nur eierlegende Wollmilchsäue107 oder Geldautomaten.108 Stattdessen verfügen sie über eine ausgewiesene Expertise und haben sich seit Jahrzehnten als Schwergewichte in der internationalen Entwicklungspolitik etabliert.109 Der erste Entwicklungsfonds, der Kuwait Fund for Arab Economic Development (KFAED), wurde bereits 1961 in Kuwait gegründet. Es folgten die staatlichen Geberorganisationen in den VAE im Jahr 1971, in Saudi-Arabien 1974110 und in Katar 2002. Heute verfügen alle Golfstaaten über effiziente Geberinstitutionen, die sich professionalisiert haben und verstärkt auf ausländische Expertise zurückgreifen, gleichzeitig aber abhängig von den politischen Entscheidungsträgern bleiben.111 Dabei nutzen die Herrscher am Golf ihre Entwicklungspolitik als Instrument der Einflussnahme, wie das Beispiel Saudi-Arabien eindrucksvoll zeigt: 2015 gründete Saudi-Arabien kurz nach dem Amtsantritt König Salmans das nach ihm benannte King Salman Center for Humanitarian Relief (KSrelief), welches sich seitdem als einflussreichster humanitärer Akteur im Königreich etabliert hat. Ursprünglich verantwortete KSrelief die humanitäre Hilfe, die nach Beginn der saudischen Intervention 2015 an den Jemen geleistet wurde. Doch schnell stieg KSrelief zu einem global operierenden entwicklungspolitischen Giganten auf, der mittlerweile eng mit internationalen Organisationen wie der UN zusammenarbeitet und Saudi-Arabien als Aushängeschild der eigenen Entwicklungspolitik dient.112 KSrelief bündelt seitdem die meisten Hilfsinitiativen des Königreichs und trägt damit zur Zentralisierung der Entscheidungsgewalt unter MbS bei. So hat KSrelief seit seiner Gründung 2015 bis April 2023 mehr als USD 4,25 Mrd. in 814 Projekte im Jemen investiert – was den regionalen Schwerpunkt nochmals unterstreicht. Im gleichen Zeitraum flossen allerdings auch USD 372 Mio. in humanitäre Hilfsprojekte an
syrische Geflüchtete, USD 370 Mio. nach Palästina, USD 256 Mio. nach Somalia oder USD 163 Mio. nach Pakistan.113 Auch europäische Länder wie Kosovo, Polen, BosnienHerzegowina oder Bulgarien haben humanitäre Unterstützung erhalten. Weiterhin dient die Institution dazu, das aufgrund des Jemen-Krieges ramponierte Image Saudi-Arabiens zu verbessern, indem sich das Königreich als verantwortungsbewusster, verlässlicher und solidarischer Geber humanitärer Hilfe präsentiert. Saudi-Arabien trägt als »Hüter der beiden Heiligen Stätten« auch eine islamische Verantwortung, Muslim:innen in Not zu helfen – eine religiöse Verpflichtung, der traditionell im Königreich eine wichtige Funktion zukommt und die auch andere golfarabische Geber priorisieren. Neben solchen staatlichen Entwicklungsorganisationen ist eine Vielzahl von semioffiziellen Stiftungen, islamischen Wohlfahrtseinrichtungen und philanthropischen Institutionen entstanden, die zumeist durch Spenden (zakat und sadaqa) finanziert werden und in der entwicklungspolitischen Ausrichtung der Golfstaaten eine fundamental wichtige Rolle spielen. Besonders umstritten waren dabei lange Zeit die islamischen Stiftungen, die als Quellen der Terrorfinanzierung, Brutstätten radikalen Gedankenguts und Treiberinnen der ultra-konservativen Missionierung galten.114 Mithilfe dieser Institutionen haben sich die Golfmonarchien als einflussreiche, erfahrene und exzellent vernetzte Akteure in der globalen Entwicklungspolitik positioniert – ein Trend, der nach den »Arabischen Aufständen« noch zugenommen hat. Dabei konzentrieren sich die Golfstaaten in ihrer Entwicklungspolitik vor allem auf arabische Nachbarstaaten wie Jordanien, Ägypten oder Jemen (wie KSrelief zeigt), die aus strategischen Gründen besondere Relevanz genießen. Insbesondere nordafrikanische Länder wie Ägypten und Tunesien erhielten im letzten Jahrzehnt ebenfalls umfangreiche Finanzhilfen aus dem Golf. Dabei durchlief das golfarabische Engagement in Nordafrika drei wesentliche Phasen: Die erste Phase des »Golf-moments«115 begann während der »Arabischen Aufstände« und war geprägt von wachsender Einflussnahme Saudi-Arabiens, der VAE und Katars auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung in beiden Ländern.116 Während dieser Phase intensivierte sich der golfarabische Konkurrenzkampf zwischen Saudi-Arabien und den VAE auf der einen sowie Katar auf der anderen Seite und wurde insbesondere in Tunesien und Ägypten ausgetragen. Beide Länder wurden in dieser Phase zu einem Schauplatz der innergolfarabischen Rivalität.117 Insbesondere die 2014 ausbrechende diplomatische Krise leitete eine zweite Phase der innergolfarabischen Rivalität ein, die sich auch in Nordafrika zeigte.118 Katar hatte mit seiner aktivistischen und ideologisch motivierten Regionalpolitik die golfarabischen Nachbarn provoziert und vor allem Saudi-Arabiens traditionellen Führungsanspruch als Regionalmacht herausgefordert. Im Zuge dieses regionalen Aufstiegs professionalisierte Katar auch seine Entwicklungspolitik, was sich insbesondere daran zeigte,
dass sich ab 2015 der Qatar Fund for Development zu einem wirkmächtigen Instrument der katarischen Außenpolitik entwickelte. Vorher hatte die katarische Entwicklungspolitik weitgehend im Schatten Saudi-Arabiens, der VAE und Kuwaits gestanden, doch unter Tamim änderte sich das. Damit wollte Katar auf die politischen Querelen mit den VAE und SaudiArabien reagieren und ein Gegengewicht zu deren humanitären Engagement bilden. Insbesondere in Nordafrika sorgten die golfinternen Spannungen zu einer zunehmenden Polarisierung des öffentlichen Diskurses, da unterschiedliche Medien die jeweiligen Konfliktparteien diffamierten und dämonisierten und damit mit diesem »Medienkrieg«119 die politische Fragmentierung innerhalb des heterogenen politischen Systems Tunesiens schürten.120 Katar stieg zum wichtigen Partner der islamistischen Regierung in Tunesien auf, während sich der saudische Kronprinz Muhammad bin Salman während seines Besuchs 2018 mit öffentlichen Protesten konfrontiert sah.121 Dieser auf Nord-afrika projizierte Machtkampf zwischen Katar auf der einen und den VAE und Saudi-Arabien auf der anderen Seite nahm während der »Golfkrise« ab Juni 2017 noch zu.122 Dies äußerte sich in wachsender Unterstützung durch Saudi-Arabien und die VAE für anti-islamistische Kräfte, während der Einfluss Katars schrittweise zurückgedrängt wurde. In Ägypten unterstützten die VAE und Saudi-Arabien ebenfalls anti-islamistische Kräfte, um nach dem Sturz des Islamisten Muhammad Mursi die neue Regierung unter General Abd al-Fattah as-Sisi und seinen antiislamistischen Kurs zu unterstützen. Entwicklungshilfe wurde zu dieser Zeit zu einem relevanten Mittel der golfarabischen Machtpolitik in Nordafrika. So flossen aus den VAE und Saudi-Arabien umfangreiche Geldmittel an die Militärregierung unter as-Sisi, der mit golfarabischer Hilfe seine Repressionskampagne gegen die Muslimbrüder erfolgreich durchsetzen und die Macht des Militärs festigen konnte. Zwischen 2013 und 2017 erhielt Ägypten knapp USD 2,7 Mrd. und damit mit 34% den höchsten Anteil aller golfarabischen Finanzhilfen – vor allem aus den VAE und Saudi-Arabien.123 Investitionen in den ägyptischen Immobilien- oder Energiemarkt von der Majid al Futtaim-Gruppe aus Dubai, dem Gasunternehmen Dana Gas oder Firmen für erneuerbare Energien wie Alcazar and Access Infra ließen die golfarabische Dominanz in Ägypten bis 2018 massiv wachsen.124 Insgesamt sollen aus allen Golfstaaten USD 80 Mrd. nach den »Arabischen Aufständen« nach Ägypten geflossen sein.125 Die Emirate etablierten zu dieser Zeit sogar eine UAE Task Force, die die ägyptische Regierung direkt beriet und die finanzielle Unterstützung hebelte und gleichzeitig direkten Einfluss auf die Entscheidungsfindung der ägyptischen Führung nehmen konnte.126 Nachdem die »Golfkrise« im Januar 2021 beigelegt wurde127, hat sich das golfarabische Engagement in Nordafrika deutlich reduziert.128 Dies zeigt sich insbesondere bei der geleisteten Entwicklungshilfe an Tunesien: Bereits zwischen 2013 und 2017 rangierte
Tunesien mit einem Anteil von 1,6% nur auf Rang 10 der wichtigsten Empfängerstaaten golfarabischer Unterstützung.129 Diese Quote ist seitdem nochmals zurückgegangen, hat Tunesien doch als Schauplatz der inner-golfarabischen Rivalität an Relevanz verloren. Seit 2015 stellte Saudi-Arabien Tunesien mit wenigen Ausnahmen keine offizielle Entwicklungshilfe mehr zur Verfügung und konzentriert sich vor allem auf Unterstützungsleistungen an Ägypten und Jemen, die zwischen 1975 und 2022 USD 14 Mrd. bzw. USD 10,7 Mrd. betrugen.130 Im Falle Tunesiens flossen im selben Zeitraum nur USD 1,7 Mrd.131 Somit sind trotz öffentlicher Forderungen der tunesischen Regierung unter Präsident Kais Saied132 keine umfangreichen Auszahlungen getätigt worden, was die sinkende Bedeutung Tunesiens für die Golfstaaten erneut unterstreicht. Stattdessen wurden die meisten Hilfsleistungen der Golfmonarchien im Rahmen der Corona-Pandemie bereitgestellt, was sich insbesondere im Fall der VAE in den Jahren 2021 und 2022 mit Zahlungen von über USD 22,5 Mio. zeigte. Trotz der allgemein gesunkenen ODA-Quoten begannen sich die Golfstaaten während der Pandemie stärker in der »Gesundheitsdiplomatie«133 zu engagieren, was auch Tunesien zugute kam: 2020 lieferten die VAE u. a. elf Tonnen an medizinischer Nothilfe an Tunesien, während katarische Geberorganisationen wie Qatar Charity im selben Jahr medizinische Unterstützung in Form von 37 Mio. Tonnen, Nahrungsmittelversorgung und Bildungsmaterialien mit einem Budget von insgesamt USD 1,87 Mio. zur Verfügung stellte. 2021 folgten dann Corona-bezogene Hilfsleistungen mit einem Budget von USD 6,13 Mio. durch die emiratische Regierung und von USD 7,05 Mio. durch die saudische Regierung. Diese Hilfsleistungen basierten jedoch auf einer akuten gesundheitlichen Notlage und sind daher eher als transaktionale Unterstützung zu betrachten. Nach Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine litten auch die Golfstaaten unter steigender Inflation134 und reagierten darauf mit umfangreichen Hilfspaketen für ihre Bevölkerungen.135 Seitdem sind sie trotz steigender Einnahmen aus der Öl- und Gasproduktion nicht bereit, krisengeplagten Ländern mit geringer geostrategischer Relevanz wie Tunesien umfassende Finanzhilfen zu gewähren, sodass die zur Verfügung gestellte Unterstützung während der Pandemie als Ausnahme von der Regel betrachtet werden sollte. Dies unterstreicht auch die Aussage Jadaans in Davos. Ägypten bleibt aufgrund seiner demografischen und geografischen Größe, seiner wichtigen geostrategischen Lage am Roten Meer und Mittelmeer und aufgrund des SuezKanals für Saudi-Arabien und die VAE ein bedeutsamer Partner. Auch Tunesien ist nicht gänzlich in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Unter Saied durchlief Tunesien eine Autokratisierung im Sinne der Golfstaaten: So wurde die Auflösung des tunesischen Parlaments136 und die Verhaftung von einflussreichen Ennahda-Mitgliedern 2021137 von
Saudi-Arabien138 und den VAE befürwortet. Katar hat seine Unterstützung der Islamisten weitgehend eingestellt und sich der Regierung Saeid angenähert: Bereits im November 2020 war der Präsident nach Katar gereist, um mit Tamim über die Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu sprechen.139 Während der zunehmenden innertunesischen Proteste telefonierten Tamim und Saeid miteinander, um Möglichkeiten der katarischen Vermittlung zwischen den Konfliktparteien zu eruieren, was erneut Katars neue pragmatische Positionierung im tunesischen Machtkampf zeigt.140 Trotz seiner geringen Größe: Tunesien ist für die Golfstaaten »too big to fail«: Für die VAE diente Tunesien in den letzten Jahren als Zugang zum benachbarten Libyen, um dort das eigene militärische Engagement voranzutreiben. Gleichzeitig betrachten alle Golfmonarchien Subsahara-Afrika und das Horn von Afrika als direktes oder indirektes Einflussgebiet und wollen in diesem Zusammenhang Tunesien als geostrategische Plattform nutzen. Insbesondere die VAE haben sich in den vergangenen Jahren als aufstrebender und einflussreicher Akteur in der internationalen Logistik etabliert und in diesem Zusammenhang ihre maritime Präsenz am Horn von Afrika, dem Roten Meer, am Bab al-Mandab sowie im Mittelmeer ausgebaut.141 Mittlerweile verfügen sie über ein weit verzweigtes Netzwerk mit Konzessionen zur Nutzung von Containerhäfenanteilen und maritimen Stützpunkten in Algerien und dem Senegal seit 2008, im ägyptischen Sokhna seit 2009 und Safaga sowie in Angola seit 2023, in Dschibuti und Mozambique seit 2006, Berbera in Somaliland und Bosaso im Puntland seit 2017, in Ruanda und Guinea seit 2016, in Südafrika seit 2019, in Angola seit 2021.142 10% aller Einnahmen des emiratischen Logistikchampions DP World stammten 2021 aus Afrika.143 Im selben Jahr verfügte DP World weltweit über 49 Anteile an Tiefseehäfen, Container- und Marineterminals, darunter 18 in Asien, sechs in Afrika, acht in Europa sowie 15 in Nord- und Mittelamerika.144 Diese Aktivitäten zeigen, dass die VAE das Rote Meer als Scharnier zwischen der jemenitischen Südküste, dem Indischen Ozean sowie dem Mittelmeer und dem Atlantik betrachten.145 Mit dieser Vernetzung streben die VAE danach, strategische Tiefe zu erreichen und ein maritimes Logistiknetzwerk aufzubauen, welches ihren Handelsinteressen dient und den Indischen Ozean, das Mittelmeer sowie den Atlantik beinhaltet und bis nach Lateinamerika reicht.146 Nach dem Vorbild Chinas betrachten die VAE dieses maritime Engagement als eigene Seidenstraße und werden als »modernes Venedig«147 bezeichnet, um ihre wirtschaftliche Diversifizierung und ihre regionale Machtprojektion voranzutreiben. Die jahrzehntelangen Nutzungsrechte afrikanischer Häfen dienen auch als Basis für einen Ausbau der militärischen Präsenz am Horn von Afrika und als Nachschubzentren für das Engagement im Jemen. Während die VAE in der maritimen Logistik eine Vorreiterrolle einnehmen, versucht auch Saudi-Arabien, sich stärker in diesem Sektor zu engagieren148 und hat in diesem
Zusammenhang im Juni 2021 eine nationale Strategie zum Ausbau der maritimen Logistik veröffentlicht.149 Zwar konzentriert sich dieses Engagement derzeit vor allem auf das Rote Meer, doch vor dem Hintergrund der saudischen Diversifizierungsbestrebungen könnte zukünftig auch Nordafrika von verstärktem Interesse werden. In den letzten Jahren hat sich die golfarabische Aufmerksamkeit somit von Nordnach Subsahara-Afrika verschoben.150 Insbesondere am Horn von Afrika haben die Golfstaaten in den letzten Jahren ihren Einfluss massiv ausgebaut, was mit einer Zunahme an entwicklungspolitischen Hilfsleistungen korrespondiert. Aufgrund der geostrategisch wichtigen Lage am Roten Meer betrachtet vor allem Saudi-Arabien seine afrikanischen Nachbarn auf der gegenüberliegenden Küstenseite als Hinterland und direktes Einflussgebiet. Das Königreich verfolgt am Horn von Afrika eine Strategie der sicherheitspolitischen Machtprojektion, der außenpolitischen Diversifizierung und der wirtschaftlichen Markterschließung. Historisch verbinden Saudi-Arabien und das Horn von Afrika enge kulturelle und sprachliche Verbindungen, da sich in den letzten Jahrhunderten – ähnlich wie im Fall von Oman – enge Handels- und Migrationsbeziehungen entwickelt haben. Bislang verfolgte Saudi-Arabien am Roten Meer zumeist keinen langfristig angelegten strategischen Kurs der Einflussnahme, sondern eher eine von Adhoc-Interessen geleitete kurzfristige Politik. Dieser transaktionale Ansatz ändert sich allerdings unter der neuen saudischen Führung, die das Horn von Afrika als prioritäres Einflussgebiet betrachtet, um SaudiArabiens wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen stärker als bisher zu verfolgen. Vor allem wirtschaftlich ist das Horn von Afrika für golfarabische Investoren interessant: Allein Saudi-Arabien investierte 2018 USD 4,9 Mrd. am Horn von Afrika151, während sich das Investitionsvolumen aller Golfstaaten zwischen 2000 und 2017 auf etwa USD 13 Mrd. belief, wobei neben Sudan auch Äthiopien als bevorzugtes Zielland galt.152 Im Rahmen dieser Investitionen dominieren vor allem umstrittene Landwirtschaftsprojekte und Landkäufe, um die golfarabische Lebensmittelversorgung sicherzustellen. Zwischen 2004 und 2014 sollen die Golfmonarchien mehr als USD 30 Mrd. in diesen Sektor investiert haben.153 Saudi-Arabien hat insgesamt über die King Abdullah Initiative for Saudi Agricultural Investment Abroad154 in Ostafrika mehr als 2 Mio. Hektar Land erworben155 – allein 124.000 Hektar in Äthiopien. Diese Vereinbarungen beeinträchtigen jedoch zum einen die lokale Lebensmittelversorgung und verstärken somit Armut und soziale Ungerechtigkeit, zum anderen sind sie Ausdruck der gewachsenen golfarabischen Rivalität am Horn von Afrika: Während der »Golfkrise« bemühte sich vor allem Katar intensiv um neue Landzukäufe, um die Blockade zu umgehen und die eigene Lebensmittelsicherheit aufrechtzuerhalten.156 Durch den Krieg im Jemen hat das Horn von Afrika an sicherheitspolitischer
Aufmerksamkeit für Saudi-Arabien gewonnen und wird als strategisches Hinterland genutzt.157 So setzte die saudische Führung einige Regierungen am Horn unter Druck, sie im Kampf gegen die Houthis militärisch zu unterstützen, woraufhin sich Sudan, Eritrea und Somalia am saudisch geführten Militärbündnis beteiligten.158 Der Sudan soll zwischen 10.000159 und 30.000 Soldaten und Milizen160 bereitgestellt haben, um Saudi-Arabien im Jemen zu flankieren. 2015 zahlte das Königreich als Gegenleistung USD 1 Mrd. an Einlagen an die sudanesische Zentralbank.161 Weiterhin drängen immer mehr afrikanische Geflüchtete über das Rote Meer nach Jemen und suchen von dort den beschwerlichen Weg ins saudische Königreich, um Krieg und Armut zu entfliehen. Dass sie den gefährlichen Seetransfer wagen, sich in die Hände von kriminellen Menschenhändlern begeben und sogar versuchen, das kriegs- und krisengeplagte Jemen zu durchqueren, um nach Saudi-Arabien zu gelangen, zeigt die existenzielle Notlage in ihren ostafrikanischen Heimatländern. Da sie an der saudischen Grenze häufig abgewiesen werden, stranden sie unter katastrophalen Bedingungen in Auffanglagern auf jemenitischer Seite162 – eine weitere Schattenseite des Krieges im Jemen. Insgesamt kamen im Jahr 2022 bis zum April knapp 25.000 Migrant:innen aus Ostafrika in den Jemen, davon 90% aus Äthiopien.163 An der saudisch-jemenitischen Grenze sollen allein zwischen März 2022 und Juni 2023 Hunderte, womöglich mehrere Tausend äthiopische Geflüchtete von saudischen Grenzkräften erschossen worden sein, berichtete Human Rights Watch im August 2023.164 Zwar haben die saudische und die äthiopische Regierung zugesichert, den Vorwürfen nachzugehen165, doch die Berichte verdeutlichen, in welcher katastrophalen Lage sich ostafrikanische Geflüchtete befinden. Trotz dieser prekären Zustände sind Länder wie Äthiopien jedoch weiterhin massiv von den Rücküberweisungen aus den Golfstaaten wie Saudi-Arabien abhängig, immerhin leiden ihre Wirtschaften unter gravierenden Krisen, sodass Migration zum Überlebenselixier für die notleidenden Familien wird. Doch vor dem Hintergrund der Nationalisierungskampagnen in Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten werden immer mehr ostafrikanische Migrant:innen in ihre Heimatländer abgeschoben – ein Trend, der sich vor allem während der CoronaPandemie verstärkte: Allein zwischen März und Juni 2022 mussten 38.000 äthiopische Staatsangehörige das Königreich verlassen.166 Menschenrechtsorganisationen kritisieren diese Abschiebungskampagnen167, zumal die Rückkehrer:innen in ihrer Heimat unter Arbeitslosig- und Perspektivlosigkeit leiden. Außerdem reduziert sich das Volumen der Rücküberweisungen, was die wirtschaftliche Misere weiter verstärkt: Im Fall von Äthiopien sanken die Finanztransfers aus dem Ausland zwischen 2019 und 2020 von USD 480 Mio. auf USD 404 Mio.168 Saudi-Arabien betrachtet die Instabilität am Horn von Afrika demnach mit wachsender Sorge, werden damit doch die eigenen sicherheitspolitischen und
wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt. Mit dem Bau von NEOM möchte sich das Königreich als Technologie- und Industriezentrum am Roten Meer positionieren. Dafür benötigt es jedoch ein sicheres Umfeld und kann Krisen und Konflikte am westlichen Ufer des Meeres nicht gebrauchen. Weitere Unsicherheitsfaktoren für die ambitionierten Pläne der saudischen Führung sind Piraterie an der Straße von Akaba sowie am Bab al-Mandab sowie Drogenschmuggel und illegale Fischerei.169 Diese Aktivitäten spiegeln zum einen das gewachsene wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interesse am Horn von Afrika wider, zeigen aber auch, dass sich in der Region zahlreiche Akteure tummeln und um Handelswege, Ressourcen und Marktzugänge ringen. Neben Saudi-Arabien und den VAE haben auch die USA, Iran, China oder die Türkei ihre Präsenz am Roten Meer ausgeweitet. Dies führt zu einer intensivierten Rivalität um Handelskonzessionen, Hafenanteile und Verträge zur Lebensmittelsicherheit, die in Zeiten des Nahrungsmittelmangels im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine noch zugenommen hat. Ähnlich wie Nordafrika wurde auch am Horn von Afrika der innergolfarabische Konkurrenzkampf zwischen den VAE und Saudi-Arabien sowie Katar ausgetragen. So übte Saudi-Arabien 2018 gemeinsam mit den VAE auf Somalia Druck aus, die Beziehungen zu Katar zu beenden. Nicht nur Somalia170, sondern auch Sudan171, Dschibuti, Somaliand oder Äthiopien unterstützten schließlich die Blockadestaaten während der Golfkrise, während Eritrea eine eher neutrale Position präferierte, um die pragmatischen Wirtschaftsbeziehungen zu Katar nicht zu gefährden. Die Annäherung zwischen Katar und den Blockadestaaten im Januar 2021172 eröffnete jedoch neue Möglichkeiten für die Staaten des Horns von Afrika, die Beziehungen zu beiden Seiten wieder zu verbessern. Dies zeigte sich insbesondere in Somalia: Der Regierungswechsel von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed »Farmajo« zu Hassan Sheikh Mohamud im Mai 2022173 bot auch eine Chance, die golfarabischen Rivalitäten beizulegen. Während »Farmajo« in den letzten Jahren einen eher pro-katarischen Kurs verfolgt hatte174 und deswegen in Konflikt mit Saudi-Arabien und den VAE geraten war175, kündigte Mohamud an, mit allen externen Partnern mehr konstruktive und weniger konfrontative Beziehungen aufbauen zu wollen176 – mit ersten Erfolgen im politischen Dialog mit Saudi-Arabien177 und den VAE.178 Während die Rivalität mit Katar derzeit also keine allzu große Rolle mehr spielt, könnte der Konkurrenzkampf zwischen den VAE und Saudi-Arabien in dieser Region jedoch zunehmen: Das Königreich orientiert sich in vielen Bereichen am Vorbild der Emirate und verfolgt eine Politik der »Emiratisierung«.179 Dieser Trend könnte auch am Horn von Afrika zu verstärktem Wettkampf in der Logistik, der Lebensmittelsicherheit, der maritimen Sicherheit oder der Handelspolitik führen, da Saudi-Arabien mit einer eigenen maritimen Strategie die Vormachtstellung der VAE herausfordern könnte180, während die Emirate durch
ihre strategische Präsenz im Roten Meer die Strahlkraft von NEOM bedrohen könnten. Weiterhin dient die golfarabische Einflussnahme am Horn auch als Schutz vor der iranischen Bedrohung. Ein Beispiel dieser Politik ist der Council of Arab and African States bordering Red Sea and the Gulf of Aden (»Red Sea Council«181), der 2020 auf saudische Initiative182 ins Leben gerufen wurde und neben dem Königreich noch Ägypten, Jemen, Jordanien, Sudan, Eritrea, Dschibuti und Somalia umfasst.183 Bislang hat das Forum keine signifikanten Ergebnisse erzielen können, dient aber Saudi-Arabien als multilaterale Plattform, um regionale Loyalitäten herzustellen, sich gegen potenzielle Rivalen wie Iran zu wenden und vor allem gemeinsame Sicherheitsinteressen zu verfolgen.184 Humanitäre Hilfe wird vor diesem Hintergrund ebenso wie in Nordafrika instrumentalisiert185, um Konflikte im eigenen Sinne zu kontrollieren und Allianzen zu schmieden.186 So hat Saudi-Arabien insgesamt fast USD 6 Mrd. an Entwicklungshilfe vor allem im Transport-, Landwirtschafts- und Energiesektor in Subsahara-Afrika investiert. Wichtigstes Empfängerland ist Sudan: Dorthin flossen insgesamt mehr als USD 1,6 Mrd., gefolgt von Äthiopien mit USD 767 Mio., Dschibuti mit knapp USD 370 Mio., Somalia mit USD 335 Mio. und Eritrea mit USD 63 Mio.187 Auch für die VAE besitzt der Sudan hohe strategische Bedeutung: Nach dem Militärputsch 2019, der die Amtszeit von Präsident Omar al-Bashir beendete, und dem anschließenden Sturz der zivilen Regierung unter Premierminister Abdalla Hamdok im Oktober 2021188 zahlten die VAE und Saudi-Arabien USD 3 Mrd. an die neue Junta unter dem starken Militärführer Abdel Fattah al-Burhan.189 Zuvor hatte bereits al-Bashir von emiratischen Annehmlichkeiten in Höhe von USD 7,6 Mrd. profitiert, die zwischen Januar 2017 und März 2018 der ADFD an den Sudan geleistet hatte.190 Allerdings wurde al-Bashir zu einem Problem, als er ab 2018 – zur Hochzeit der Golfkrise – seine Beziehungen zu Katar und der Türkei intensivierte und damit Riad und Abu Dhabi brüskierte.191 Er verlor den Rückhalt seiner golfarabischen Protegés und später auch seine Macht.192 Mit ihrer Hilfe für General al-Burhan wiederholten die VAE und Saudi-Arabien ihr Vorgehen in Ägypten und Tunesien nach den »Arabischen Aufständen«, wo sie ebenfalls autokratische Militärregierungen unterstützt hatten. Im Fall Sudan erhoffte sich die saudische Führung außerdem weitere Unterstützung im Jemen-Konflikt: Al-Burhan galt als enger Vertrauter des saudischen Kronprinzen193, der auch den Einsatz sudanesischer Truppen im Jemen befehligt hatte und deswegen in Riad als loyaler Partner erachtet wurde.194 Mit ihrer massiven Einflussnahme durch politische und finanzielle Unterstützung sorgten Saudi-Arabien und die Emirate im Sudan jedoch für eine weitere Eskalation der Situation, da die Militärjunta die zivile Protestbewegung ausschaltete und al-Burhan seine Macht konsolidierte. Seit 2023 versinkt Sudan wieder in einem blutigen Konflikt, nachdem die
beiden Marionetten Saudi-Arabiens und der VAE, al-Burhan und General Mohammed Hamdan Dagalo (»Hemedti«) ihren Pakt aufkündigten und sich bekämpfen – auch für die VAE und Saudi-Arabien ein Dilemma und ein Konflikt, der zur emiratisch-saudischen Rivalität beiträgt.195 Immerhin gilt al-Burhan als »Mann Riads«, während »Hemdeti« eher von den Emiraten unterstützt wird. So bemühten sich die saudische Regierung gemeinsam mit US-amerikanischen Unterhändlern, eine diplomatische Lösung zu erreichen196, während das Königreich gleichzeitig eine Vielzahl sudanesischer Geflüchteter aufnahm und damit das Image als international anerkannter humanitärer Akteur stärken konnte.197 Auch Kuwait betrachtet das Horn als wichtigen Empfänger der eigenen Entwicklungshilfe. Im Gegensatz zu den VAE, Saudi-Arabien und Katar verfolgt Kuwait jedoch eine kaum politisierte Entwicklungspolitik, sondern versteht sich als humanitärer Akteur, der eng mit multilateralen Organisationen zusammenarbeiten möchte. Kuwait nutzt seine entwicklungspolitischen Netzwerke nicht, um zu polarisieren oder zu provozieren, sondern um zu moderieren und zu deeskalieren. Mit diesem Ansatz dient die kuwaitische Entwicklungspolitik dem traditionellen Ansinnen, Kuwait als »ehrlichen Makler«, als Vermittler und Brückenbauer zu präsentieren, um regionale Stabilität und damit nationale Sicherheit zu garantieren. Gleichzeitig streben die Golfstaaten nach neuen Marktzugängen, um ihre wirtschaftlichen Partnerschaften zu diversifizieren und wollen mit humanitärer Hilfe zu regionaler Stabilität beitragen.198 Somit wird Entwicklungshilfe von den Golfstaaten strategisch eingesetzt, um eigene politische und wirtschaftliche Ziele zu erreichen.199 Aus Sichtweise der Golfmonarchien müssen Armut und Perspektivlosigkeit bekämpft werden, um soziale Frustration und damit ähnliche Unruhen wie nach 2011 zu vermeiden. Deswegen zielt das entwicklungspolitische Engagement der Golfstaaten darauf ab, die sozioökonomische Stabilität in wichtigen Partnerländern zu sichern und sich mit krisengeplagten Bevölkerungsgruppen solidarisch zu zeigen. Obwohl sich diese Ziele der golfarabischen Entwicklungspolitik in den letzten Jahrzehnten kaum verändert haben, durchläuft sie dennoch einen fundamentalen Wandel: Die Zeiten der konditionslosen Hilfe scheinen vorbei, wie die Aussage al-Jadaans zeigt. Krisengeplagte Länder wie Ägypten erhielten traditionell umfangreiche Gelder aus den Golfstaaten, um sich der Loyalität der jeweiligen Regierungen zu versichern und die eigenen Interessen zu verfolgen. Doch mittlerweile ist die Frustration in einigen Golfstaaten über den fehlenden Reformwillen auf Seiten dieser Regierungen gewachsen und das Vertrauen in sie geschwunden. Darauf deutet zumindest der fehlende Wille hin, trotz existenzieller Krisen neue Milliardensummen an staatlichen Zuschüssen bereitzustellen. In Zeiten der hohen Jugendarbeitslosigkeit im Inland und des steigenden sozioökonomischen Drucks auf die eigene Bevölkerung erwarten die Golfstaaten ähnliche
Anstrengungen auch von ihren Partnern im Ausland. Stattdessen beobachten sie allerdings Reformstau in Ländern wie Ägypten, die zwar unter grassierender Inflation, einer explodierenden Arbeitslosigkeit und einer korrupten Wirtschaft leiden, sich allerdings scheuen, notwendige Veränderungen durchzuführen. Dies wollen einstige Gönner wie SaudiArabien nicht mehr länger tolerieren, da auch ihre eigene Bevölkerung nur schwerlich Steuererhöhungen und Kürzungen im Sozialsystem akzeptieren kann, wenn gleichzeitig Finanzhilfen ans Ausland gegeben werden. Da die Hilfsleistungen aufgrund von politischen Erwägungen und geostrategischen Interessen eingesetzt werden, können sich die Prioritäten situationsbezogen ändern. Somit wägen in Krisenzeiten die Golfstaaten ab, welche entwicklungspolitischen Ziele weiterhin verfolgt werden müssen, um kosteneffizient den erschwerten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Dies zeigt auch der historische Vergleich: Je höher sich die Einnahmen aus der Ölproduktion gestalteten, desto mehr finanzielle Ressourcen wurden in der Regel für das entwicklungspolitische Engagement eingesetzt, während sich in Zeiten von niedrigen Ölpreisen auch das Volumen der golfarabischen Entwicklungshilfe reduzierte. So lag der ODA-Anteil am BNE in den VAE während der Finanzkrise 2008/2009 bei 0,25%, erhöhte sich aber im Folgejahr aufgrund steigender Ölpreise auf 1,35%.200 Insgesamt gingen die golfarabischen Hilfsleistungen zwischen 2013 und 2017 aufgrund der fallenden Ölpreise um 28% zurück.201 Ein ähnlicher Trend zeichnete sich während der COVID-19-Pandemie ab: Im Zuge der niedrigen Ölpreise und der gravierenden Auswirkungen der Pandemie auf die Volkswirtschaften der arabischen Golfstaaten reduzierte sich das ODA-Volumen 2020 von 0,24% des BIP im Jahr 2019 auf 0,19% in Saudi-Arabien202 und in den VAE von 0,55% des BIP auf 0,48% (von USD 7,8 Mrd. auf USD 2,8 Mrd.).203 Diese Volatilität der golfarabischen Hilfsleistungen wird sich fortsetzen, da die Golfstaaten mehr denn je darauf achten müssen, ihre eigenen nationalen Wirtschaften zu transformieren und den Erwartungen der jungen Bevölkerung gerecht zu werden. Deswegen verfolgen die Golfstaaten einen hybriden Ansatz: So werden finanzielle Hilfen in Notsituationen weiterhin fließen, wenn damit geopolitische Ziele erreicht werden können. Dies zeigte sich u. a. bei der Bereitstellung von humanitärer Unterstützung nach der Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien im Frühjahr 2023.204 Die VAE stellten USD 100 Mio. an humanitärer Hilfe zur Verfügung205, während im Rahmen nationaler Spendenkampagnen in Saudi-Arabien USD 122 Mio.206, in Kuwait insgesamt USD 67,5 Mio.207, in Katar USD 46 Mio. und in Bahrain USD 3,7 Mio. 208 für die Opfer in Syrien und der Türkei gesammelt und die katarische Regierung 10.000 Container ins Krisengebiet lieferte, die während der WM noch für die Unterbringung von Fans genutzt worden waren.209 Im Rahmen ihrer »Erdbebendiplomatie«210 nutzten die Golfstaaten – vor allem Saudi-
Arabien und die VAE – die Gunst der Stunde, um ihre begonnene Annäherung an das AssadRegime voranzutreiben und die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen (siehe Kapitel 4) vorzubereiten. Erneut wurde humanitäre Hilfe als Instrument politischer Interessen eingesetzt. Gleichzeitig hat die Bedeutung der humanitären Hilfe im Rahmen des syrischen Bürgerkriegs jedoch an Bedeutung verloren: Je mehr die Golfstaaten die Beziehungen zum al-Assad-Regime normalisieren, umso weniger Unterstützung fließt an die syrischen Geflüchteten, die sich vor allem in der Türkei, im Libanon und Jordanien aufhalten.211 Zu Beginn des Krieges hatten Saudi-Arabien und die VAE vor allem dort lebende syrische Geflüchtete finanziell massiv unterstützt, während sich das katarische Engagement auf die Türkei konzentrierte.212 Ende 2015 hatten die Golfstaaten bereits USD 2,3 Mrd. an Flüchtlingshilfe in den Aufnahmestaaten geleistet.213 In Jordanien unterhalten die VAE mit Mrajeeb Al Fhood sogar ihr eigenes Camp für syrische Geflüchtete.214 Dabei verfolgten die Golfmonarchien eine Doppelstrategie: Zum einen zeigten sie ihre Solidarität mit ihren muslimischen »Brüdern und Schwestern« und stellten sich gegen das brutale Vorgehen alAssads, während sie gleichzeitig aber auch mit ihren finanziellen Zuwendungen vermeiden wollten, eine hohe Anzahl von syrischen Geflüchteten selbst aufnehmen zu müssen, sodass sie einen »Charity First, Refugees Second«-Ansatz wählten und die Fluchthilfe externalisierten. 215 Anstatt Budgetzuschüsse und Einlagen in die Zentralbanken zuzusagen, suchen die Golfstaaten mittlerweile verstärkt nach Möglichkeiten, Entwicklungs- und Investitionspolitik enger miteinander zu verzahnen. So betrachten die Golfstaaten ihre Entwicklungspolitik mehr denn je als integralen Bestandteil ihrer Wirtschafts- und Außenpolitik: Um die eigene Wirtschaft robuster aufzustellen, neue Märkte zu erschließen und das eigene Geschäftsmodell zu stärken, setzen die Golfstaaten zunehmend auf unternehmerische Investitionen anstatt auf humanitäre Interventionen. Die Staatsfonds sind Treiber dieser neuen Entwicklungspolitik und investieren mehr denn je in ausländische Märkte, um langfristig satte Renditen zu erwirtschaften. Anstatt Regierungen wie in Ägypten oder Tunesien zu unterstützen, denen es an der Bereitschaft mangelt, dringend benötigte Reformen umzusetzen, versuchen Unternehmen aus den Golfstaaten – vor allem staatliche Investmentfonds – lokale Unternehmen zu übernehmen, um ihre Portfolios zu diversifizieren und Chancen auf hohe Investitionsdividenden zu schaffen. So hat der PIF beispielsweise USD 1,3 Mrd. in vier ägyptische Unternehmen investiert216 und im Januar 2023 die Saudi Egyptian Investment Company gegründet.217 Die emiratischen Immobilienunternehmen Emaar (Dubai) and Aldar (Abu Dhabi)218 sowie Katar219 betrachten Ägypten bereits seit längerem als attraktiven Anlagemarkt; bereits 2015 wurde verkündet, dass Emaar die neue Verwaltungshauptstadt
»New Cairo« im Norden der eigentlichen Hauptstadt mit einem Volumen von etwa USD 20 Mrd.220 bauen soll – ein Plan, der sich seitdem jedoch immer wieder verzögerte.221 Mit solchen Investitionen werden neue Marktrealitäten und Abhängigkeiten geschaffen, während die Staatsfonds ihre Dominanz in den Zielmärkten wie Ägypten weiter ausbauen und mehr und mehr unersetzlich werden. Gleichzeitig etablieren die Golfstaaten ein nachhaltiges Entwicklungsmodell, das mehr denn je auf technische Zusammenarbeit, Ausbildungsmaßnahmen und Bildungskooperationen setzt. Ihnen ist bewusst, dass regionale Instabilität durch humanitäre Krisen, desaströse Kriege oder soziale Ungerechtigkeit auch der eigenen Sicherheit und damit den wirtschaftlichen Ambitionen schadet. Deswegen setzt sich eine Vielzahl golfarabischer Hilfsorganisationen dafür ein, gemeinsam mit internationalen Partnern wie den Vereinten Nationen benachteiligten Kindern und Frauen Bildung und Ausbildung zukommen zu lassen, Stipendienprogramme zu organisieren und Trainings für lokale Entwicklungshilfeorganisationen durchzuführen. Entwicklungspolitik soll somit nicht mehr ausschließlich als Machtinstrument eingesetzt werden, sondern internationale Partnerschaften ausbauen und dem Nation Branding dienen, Armut bekämpfen und nachhaltige Entwicklung fördern. Zunehmend verliert die Bereitstellung reiner finanzieller Hilfen an Bedeutung, während sich Organisationen aus Kuwait, Katar oder den VAE an den UNNachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDG) orientieren. In diesem Zusammenhang kooperieren die Golfmonarchien mehr denn je mit internationalen Partnern: So sind die VAE bereits 2014 dem Ausschuss für Entwicklungshilfe der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD-DAC) beigetreten.222 Katar folgte 2016223, Saudi-Arabien224 sowie Kuwait225 je 2018. Diese Entscheidungen unterstreichen, dass alle golfarabischen Geber ein verstärktes Interesse daran zeigen, ihre Entwicklungshilfe zu professionalisieren, transparente Daten bereitzustellen und enger mit multilateralen Organisationen zusammenzuarbeiten. Regional kooperieren verschiedene arabische bilaterale und multilaterale Geberorganisationen in der Arab Coordination Group (ACG)226 und initiierten u. a. eine gemeinsame Arbeitsgruppe für Wasser- und Abwasserprojekte in Guinea und Tunesien im Rahmen der OECD-DAC.227 Vor allem das entwicklungspolitische Engagement im Umwelt- und Klimaschutz hat zugenommen und bietet Möglichkeiten der multilateralen Zusammenarbeit.228 Vor dem Hintergrund der sich vollziehenden Energiewende in den Golfstaaten liegt ein wesentlicher Fokus des entwicklungspolitischen Engagements mittlerweile auch auf grünen Themen, indem Umweltdiplomatie, nachhaltige Entwicklung und Klimaschutzmaßnahmen immer mehr Aufmerksamkeit erfahren.229 Dabei verfolgen die Golfstaaten auf der einen Seite das Ziel, sich als umweltbewusste und grüne Champions der nachhaltigen Entwicklung zu
präsentieren und so ihre globale Marke zu stärken.230 Andererseits sind in den letzten Jahren in Kuwait, den VAE, Oman oder Saudi-Arabien viele nicht-staatliche Initiativen entstanden, die sich dem Schutz der Natur, der Ozeane und der heimischen Flora und Fauna widmen und Trainingskurse und Aufklärungsarbeit anbieten, um vor allem jungen Menschen ökologische Themen näherzubringen und in der golfarabischen Öffentlichkeit ein grünes Bewusstsein zu schaffen.231 So hat die katarische Organisation Education Above All (EAA) die Initiative »Education for Climate Action« ins Leben gerufen, um Umweltthemen und klimabewusstes Denken in Lehrplänen zu implementieren und Geflüchteten Fortbildungen zu Themen wie nachhaltige Aufforstung, wassersparende Maßnahmen, erneuerbare Energien und Recycling anzubieten.232 Die multilaterale Islamische Entwicklungsbank, zu deren 57 Mitgliedern auch alle Golfmonarchien gehören, hat 2019 ihren Climate Policy & Action Plan veröffentlicht, um regionale Initiativen zum Umwelt- und Klimaschutz mitzufinanzieren.233 Umweltbewusstes Handeln wird so als Element der politischen Bildung bei Teilen der für den Klimawandel sensibilisierten Jugend gefördert.234 Weiterhin investieren die Golfstaaten verstärkt auch im Ausland in erneuerbare Energien wie das Beispiel Jordanien zeigt: Dort konkurrieren Energieunternehmen wie Masdar Power aus den VAE, Saudi-Arabiens ACWA Power und Nebras Power QSC aus Katar um die lukrativsten Aufträge in der Solarindustrie. Trotz dieser signifikanten Änderungen in der golfarabischen Entwicklungspolitik existieren jedoch gravierende Unterschiede zu den Modellen traditioneller Geber wie Deutschland. So wird noch immer die unzureichende Transparenz bei der Bereitstellung der Daten bemängelt, während die Golfstaaten weiterhin bilaterale Kooperationsmodelle präferieren. 2020 betrug der Anteil der bilateralen Zuwendungen bei allen Golfstaaten mehr als 85%.235 Oftmals betrachten die Golfstaaten Partnerschaften mit multilateralen Organisationen wie den Vereinten Nationen als zweischneidiges Schwert: Zwar schätzen sie vermehrt die Professionalität der einzelnen UN-Institutionen, misstrauen ihnen allerdings aus politischen Gründen. Im Falle von Saudi-Arabien wurde explizit das UN-Engagement im Jemen kritisiert, da auch Hilfe an Empfängerorganisationen in von den Houthis kontrollierte Gebieten geleistet wurde, während die herausragende humanitäre Rolle Saudi-Arabiens im Jemen nur unzureichend gewürdigt worden sei. Es fehle der Respekt, sodass ein partnerschaftliches Arbeiten auf Augenhöhe vielfach nicht möglich sei. Vertreter:innen aus Saudi-Arabien werfen dabei multilateralen Organisationen vor, golfarabische Entwicklungspolitik nicht ernst zu nehmen, sondern nur als Gelddruckmaschine zu betrachten. Weiterhin wird gefordert, islamische Spenden auch als offizielle Entwicklungshilfe anzuerkennen, was bisher allerdings von Seiten der internationalen Entwicklungspolitik abgelehnt wird – für die Golfstaaten ein weiteres Zeichen für die postkoloniales Überheblichkeit des traditionellen Gebersystems. Auf Seiten der westlichen
Geberorganisationen herrscht ebenfalls ein tief verwurzeltes Misstrauen vor, da golfarabische Entwicklungspolitik teilweise noch immer als verlängerter Arm der religiösen Indoktrinierung betrachtet wird, obwohl alle Golfstaaten seit vielen Jahren strikte Regularien eingeführt haben, um Terrorfinanzierung und ideologische Missionierung zu unterbinden. 4.3 Brot und Spiele: Die golfarabische Sportpolitik Der Medienrummel war gigantisch, und Cristiano Ronaldo schien die Aufmerksamkeit um seine Person zu genießen. Mit strahlendem Lächeln versank der portugiesische Fußballstar im Blitzlichtgewitter der saudischen und internationalen Presse, während er sich auf einer eigenen Bühne im Mrsool Park Stadion seines neuen Arbeitgebers, dem saudischen Fußballclub Al-Nassr, vor 25.000 Fans in den Vereinsfarben gelb und blau präsentierte – selbstverständlich mit seiner ikonischen Rückennummer 7.236 Drei Milliarden Zuschauer sollen seine Vorstellung im Dezember 2022 weltweit mitverfolgt haben – mehr als das WMFinale in Katar. Im sportbegeisterten Königreich ist seitdem die »CR7«-Mania ausgebrochen und hat einen regelrechten Boom ausgelöst: Wenige Monate nach der Ankunft Ronaldos hatten sich die Zuschauerzahlen in den Stadien von 8.000 auf 10.000 sowie die TV-Quoten deutlich erhöht, während die Zahl der Instagram-Follower seines neuen Clubs innerhalb weniger Tage von 850.000 auf mehr als 9,7 Mio. gestiegen war.237 Allein im Sommer 2023 lockte die saudische Fußballliga Heerscharen an internationalen Fußballstars ins Königreich, um der Liga neuen Glanz zu verleihen und internationale bekannter zu werden. Erste Erfolge zeigten sich rasch: So kündigte der im deutschsprachigen Raum sendende Pay-TV-Sportsender Dazn an, in den Saisons 2023/24 und 2024/25 Spiele aus der saudischen Profiliga zu übertragen.238 Stars wie der französische Stürmer Karim Benzema, sein Landsmann N’Golo Kanté, der ehemalige Stürmer vom FC Liverpool und der TSG Hoffenheim Roberto Firmino, der serbische Mittelfeldstratege Sergej Milinković-Savić, der englische Nationalspieler Jordan Henderson oder Ronaldos Landsmann Ruben Neves sind nur einige der prominentesten Beispiele der saudischen Transferoffensive im Sommer 2023.239 Und auch prominente Trainer wie der Engländer Steven Gerrard240 oder das hochgehandelte deutsche Trainertalent Matthias Jaissle haben sich von den Plänen und Gehältern anlocken lassen.241 Doch der größte Coup neben Ronaldo war die Verpflichtung des brasilianischen Stürmerstars Neymar von Paris St. Germain für eine Ablösesumme von etwa EUR 90 Mio. Bei seinem neuen Club Al-Hilal soll er angeblich bis zu USD 200 Mio. verdienen, einen Privatjet nutzen dürfen und eine Siegprämie von USD 80.000 pro Sieg erhalten.242 Gleichzeitig wird er ebenso wie die anderen Stars in die PR-Maschinerie SaudiArabiens eingebunden und erhält für jeden Post auf Social Media, der seine neue Heimat ins rechte Licht rückt, USD 500.000.243 Das Pikante an dem Transfer: Im Juni 2017 wechselte
Neymar für die noch immer höchste Ablösesumme der Geschichte von EUR 222 Mio. vom FC Barcelona zu PSG. Die katarischen Besitzer wollten kurz nach Beginn der Golfkrise auch eine Botschaft der Stärke an die Blockadestaaten wie Saudi-Arabien senden, sich der Isolation nicht beugen zu wollen und auch im Sport Widerstand zu leisten.244 Dass Neymar im Sommer 2023 vom katarischen PSG zum saudischen Al-Hilal wechselt, zeigt demnach auch die Zeitenwende am Golf. Für diesen Aufbruch in neue Sphären scheut man in Saudi-Arabien nicht nur bei Neymar weder Kosten noch Mühen: Allein Ronaldo soll im Rahmen seiner Vertragslaufzeit bis 2025 USD 214 Mio. pro Jahr verdienen und ist damit zum bestbezahlten Fußballer der Welt aufgestiegen.245 Generell werden die Stars aus den europäischen Topligen mit gigantischen Gehältern gelockt: Benzema soll mehr als USD 4,6 Mio. verdienen – pro Woche.246 Bis Juli 2023 beliefen sich die gezahlten Ablösesummen auf etwa EUR 287 Mio. – ohne die astronomischen Gehälter. Damit lag das saudische Oberhaus zwar hinter der Bundesliga mit EUR 448 Mio., aber vor der spanischen La Liga mit EUR 300 Mio.247 Die Einnahmen der saudischen Fußball-Liga sollen sich von derzeit USD 120 Mio. bis 2030 vervierfachen.248 Insgesamt soll das Königreich zwischen 2021 und 2023 mehr als USD 6,3 Mrd. in den Sport investiert haben.249 Zweifelsohne sind die astronomischen Gehälter ein wesentlicher Antrieb, um Weltstars ins Land zu locken. Daneben spielt aber auch die Religion eine gewichtige Rolle: Saudi-Arabien gilt vielen Muslim:innen dieser Welt als Sehnsuchtsort, da die Pilgerfahrt Hadsch ins saudische Mekka eine der fünf Säulen des Islams darstellt. Damit wird der Wechsel muslimischer Fußballspieler ins Land der »Hüter der beiden Heiligen Stätten« für viele auch eine spirituelle Angelegenheit. So argumentierte zumindest der bekennende Muslim Benzema: »Nun, ich bin ein Muslim und dies ist ein muslimisches Land. Ich wollte immer hier leben.» Ähnlich stellte es auch der Senegalese Kalidou Koulibaly dar.250 Und so ist die religiöse Strahlkraft neben den Finanzen ein gewichtiges, oftmals vernachlässigtes Argument für die neue Attraktivität Saudi-Arabiens für internationale Fußballstars. Doch für Saudi-Arabien geht es um viel mehr als um Image und Ikonen: Das Königreich betrachtet den Sport, insbesondere den Fußball, als elementaren Bestandteil der nachhaltigen Diversifizierung.251 Fehlschläge wie die gescheiterte Investitionsoffensive der chinesischen Fußball-Liga252 sieht man als warnendes Beispiel und will daraus lernen. Hinter den gigantischen Ausgaben steckt ein Plan: Ähnlich wie Katar mit der WM will auch SaudiArabien zum regionalen Magneten für sportliche Großveranstaltungen werden und über seine Investitionen in die heimische Liga auch die eigene Strahlkraft erhöhen. Der Staat erhofft sich, eine Sogwirkung initiieren zu können, um über den Sport ausländische Tourist:innen und Unternehmen ins Land zu locken und damit das eigene Geschäftsmodell zu stärken. So
will die saudische Regierung eine einheimische Sportindustrie aufbauen, die Jobs für junge Menschen schafft und gleichzeitig neue Attraktionen in der heimischen Liga bietet. Diese Strategie nutzt der Kronprinz, um seine Popularität zu steigern, indem er der jungen Generation nicht nur Fußballstars im Fernsehen, sondern in den landesweiten Stadien präsentiert. Damit will er den saudischen Patriotismus und die nationale Identität stärken und über den Sport ein Gemeinschaftsgefühl kreieren. Der Schwerpunkt liegt zwar derzeit auf dem Fußball, der auch in Saudi-Arabien die populärste Sportart darstellt – im Dezember 2023 findet in der saudischen Hafenstadt die FIFA Klub-WM statt253 – doch daneben investiert das Königreich auch massiv in andere Disziplinen: Beispiele hierfür sind die Ausrichtung von Formel-1-Rennen in Dschidda seit 2021254, die Organisation des Riader Marathons, Wrestling -und Boxkämpfe, Pläne für den Einstieg ins internationale Tennis255 oder die massiven Investitionen in den Golfsport: So sorgte die Gründung einer neuen GolfProfiliga (LIV Golf), die vom saudischen PIF mit EUR 2 Mrd. finanziert wird, für Aufsehen und konkurrierte mit der etablierten PGA.256 Renommierte Golfprofis wie Phil Mickelson und Bryson DeChambeau wurden mit Handgeldern bis zu USD 100 Mio. von der PGA zu LIV Golf gelockt257, was zu einem handfesten Streit führte, da viele die Zukunft des Golfsports in Gefahr sahen. Einige Spieler klagten nach ihrem Wechsel zur LIV Tour gegen die PGA, da sie aus ihrer Sicht unberechtigterweise aus der in den USA dominierenden Liga herausgeworfen wurden; die Spieler hätten »beispiellose« Strafen zu zahlen, die ihnen »irreparable Schäden zufügen«, so der Tenor.258 Der Konflikt eskalierte und sorgte für böses Blut auf beiden Seiten: Saudi-Arabien wurde wegen der versuchten aggressiven feindlichen Übernahme des Golfsports angeprangert, während die von der PGA verprellten Spieler ihrer alten Tour Neid und Missgunst sowie geschäftsschädigendes Verhalten vorwarfen.259 PGAOffizielle äußerten sich sehr kritisch zur saudischen Einflussnahme; es kam sogar zu Gerichtsklagen.260 Im Juni 2023 folgte dann allerdings der radikale Kurswechsel der PGA261, als verkündet wurde, dass beide Golfligen fusionieren und alle gegenseitigen Anschuldigungen ad acta gelegt werden.262 PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan, der zuvor das saudische Engagement noch harsch kritisiert hatte, ruderte zurück und akzeptierte die Fusion: »Ich weiß, was ich in der Vergangenheit gesagt habe und welche Positionen ich vorher vertreten habe«, gab er zu Protokoll. »Mir ist klar, dass man mich einen Heuchler nennen wird. Ich akzeptiere diese Kritik, aber die Umstände ändern sich.«263 Wie von ihm erwartet, folgte ein Aufschrei der Entrüstung:264 So twitterte der Profigolfer Wesley Bryan, er fühle sich betrogen und werde »für eine sehr lange Zeit nicht in der Lage sein, irgendjemandem auf der Unternehmensseite der PGA zu vertrauen.«265 Mittlerweile beschäftigt sich auch ein Komitee des US-Senats mit den Hintergründen der Fusion: Es fürchtet das Ende der PGA und den Ausverkauf des US-amerikanischen Golfsports.266 Aller
Kritik zum Trotz: Bis auf Weiteres hat das saudische Kalkül gesiegt, immerhin verfügt das Königreich mittlerweile über enormen Einfluss im Golfsport. Wie politisch umstritten dieses Engagement jedoch bleibt, zeigt die enge Beziehung zwischen der saudischen Führung und dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, der als begeisterter Golfer und Inhaber mehrerer Golfkurse von diesem Deal ebenfalls profitieren könnte: Drei der 14 Turniere auf der LIV-Tour 2023 fanden auf Golfanlagen des Trump-Imperiums statt.267 Er lobte die Fusion in markigen Worten als »groß, wunderschön und glamourös« und erhofft sich von diesem Deal direkte politische Vorteile für den kommenden Präsidentschaftswahlkampf – auch dank seiner engen Beziehungen zum saudischen Königshaus.268 Nicht nur im Golf versucht Saudi-Arabien, als Investor in den USA Einfluss zu gewinnen. So gab es Treffen saudischer Lobbyist:innen unter anderem mit Vertreter:innen der National Basketball Association (NBA), der Major League Baseball (MLB) und der Major League Soccer (MLS).269 Weiterhin wurde mit der spanischen Liga ein Deal geschlossen, den nationalen Supercup in Saudi-Arabien stattfinden zu lassen. Dieses Großevent ließ sich das Königreich 120 Millionen für insgesamt drei Austragungen kosten.270 Im Sommer 2023 wurde die saudische Tourismusbehörde »Visit Saudi« als globaler Sponsor der spanischen La Liga verkündet271, und die neue Fluglinie »Riyadh Air« prangt zukünftig auf den Trikots von Atletico Madrid272 – ganz in der Tradition der emiratischen Ettihad und Emirates Airlines sowie Qatar Airways, die sich längst als Giganten im Sport-Sponsorship etabliert haben.273 So wurde die katarische Fluglinie Qatar Airways durch ihre Partnerschaften mit dem FC Bayern sowie PSG vermarktet, um ihren Status als globale Kraft im Fluggeschäft auszubauen. Dabei konzentriert sich die Airline allerdings nicht ausschließlich auf renommierte Sportmärkte in Europa oder den USA, sondern fungierte 2019 auch als Sponsor der All Nepal Football Association (ANFA)274 – ein strategischer Schachzug, stammt doch aus Nepal eine signifikante Anzahl an in Katar beschäftigten Arbeitsmigrant:innen, denen mit dem Sponsorship eine Verbindung zur Heimat geboten wird, während gleichzeitig von den strukturellen Benachteiligungen in Katar abgelenkt werden sollte. Zwar liegt der Fokus auf dem Fußball, wie die Engagements bei Bayern oder PSG, früher auch beim FC Barcelona (2013–2017), der AS Roma aus Italien und den argentinischen Boca Juniors seit 2018 und dem K.A.S. Eupen 2019 zeigen. Gleichzeitig werden aber auch andere Sportarten in strategisch wichtigen Märkten unterstützt. Dazu gehören das australische Rugbyteam Sydney Swans, der US-Basketballclub Brooklyn Nets aus New York sowie Partnerschaften im Radfahrsport, Pferderennen, Motorsport sowie der Unterstützung von sportlichen Großveranstaltungen wie der Frauen-Fußballweltmeisterschaft 2019 und natürlich der WM 2022. Die emiratischen Fluglinien Emirates Airlines und Ettihad verfolgen eine ähnliche Strategie. Und selbst Oman, bislang ein Underdog im golfarabischen Sport-Wettrüsten,
mischt mittlerweile mit: So hat die staatliche Oman Air einen Sponsorenvertrag mit dem englischen Fußballclub FC Chelsea geschlossen.275 Der saudische Ölkonzern Aramco vereinbarte im März 2020 eine strategische Partnerschaft mit der Formel 1276 und kaufte sich im Februar 2022 bei Aston Martin, dem damaligen Formel-1-Team des ehemaligen Weltmeisters Sebastian Vettel, ein.277 Und neben klassischen Sportarten etabliert sich Saudi-Arabien auch zunehmend als Zentrum des E-Gaming: In Riad soll für USD 500 Mio. eine eigene eSport-Stadt mit einer Kapazität für 20.000 Menschen entstehen, die als Talentschmiede und globales Zentrum der Spieleindustrie fungieren und Events wie die World Cyber Games ausrichten soll.278 Gleichzeitig hält die Savvy Gaming Group, die dem Staatsfonds PIF gehört, Anteile an den Gaming-Großkonzernen Nintendo (»Super Mario Bros.«), Take-Two (»Grand Theft Auto«) und Electronic Arts (»FIFA«) und übernahm im Jahr 2022 die beiden größten Turnierorganisatoren im eSport ESL und FaceIT für insgesamt USD 1,5 Mrd.279 Hinter all diesen Maßnahmen steckt der Kronprinz, der als passionierter Gamer des Ego-Shooters »Call of Duty« gilt.280 Unter ihm wurde die Saudi Gaming Federation gegründet und die National Gaming & Esports Strategy setzt die staatlichen, Leitlinien für den Aufbau der GamingIndustrie. Insgesamt will Saudi-Arabien USD 38 Mrd. in den Videospielesektor investieren.281 Zwar werden die Investitionen in das internationale Gaming-Business vielfach kritisiert, finden aber auch Befürworter, wie den Vizepräsidenten des deutschen eSportVerbands Christopher Flato: »Wenn man sich die Entwicklungen durch die saudischen Investitionen anguckt, sieht man, dass sie auch etwas bewegen wollen«, da es Akteure gebe, »denen es tatsächlich darum geht, diese Bereiche weiter zu fördern«.282 Den saudischen Ambitionen scheinen derzeit keine Grenzen gesetzt, da der Staat als wichtigster Geldgeber für den Sport fungiert: Im Juni 2023 übernahm der PIF je 75% von vier der wichtigsten Profiklubs in Saudi-Arabien.283 Al Ahli, Neymars Al Hilal, Al Ittihad – der neue Verein von Benzema – sowie Ronaldos Al Nassr sollen mit den staatlichen Geldern zu nationalen Schwergewichten und Aushängeschildern des saudischen Fußballs hochgerüstet werden. Gleichzeitig zielt diese Strategie darauf, der Liga die notwendige Konkurrenz zu verleihen, um auch für ausländische Spieler sowie Werbepartner attraktiv zu bleiben – und eine Situation wie in der deutschen Bundesliga zu vermeiden, in der der FC Bayern München als Seriensieger elf Mal in Folge die Meisterschaft gewonnen hat, was zu zunehmender Langeweile führt und der internationalen Popularität des deutschen Fußballs geschadet hat. Und selbst vor dem Wintersport wird nicht Halt gemacht: Im Jahr 2029 richtet SaudiArabien die ersten asiatischen Winterspiele aus.284 Dafür wird im Sarawat-Gebirge in der nordwestlichen Region Tabuk das Skiressort Trojena errichtet und ein künstlicher See
angelegt, um den Winter in die Wüste zu bringen – der zu geringe Schneefall lässt ansonsten Wintersport nicht zu. Trojena dient als ein weiteres Beispiel für die ehrgeizigen Absichten des Kronprinzen, sein Land als globales Sportzentrum zu etablieren – koste es, was es wolle. Beobachter:innen verweisen auf die massiven Beeinträchtigungen der Umwelt und die exorbitante Energieverschwendung, doch die saudische Führung wehrt sich gegen solche Vorwürfe: Immerhin sollen die Asienspiele als Motor dienen, um Wintersport im Königreich – eines der heißesten Länder der Welt – zu vermarkten. Nach Fertigstellung soll Trojena jedes Jahr 700.000 Tourist:innen anlocken und 10.000 neue Jobs schaffen.285 Allerdings sind die aktuellen Versuche nicht die ersten Bemühungen in der Geschichte des Königreichs, sich auf der Landkarte des Sports zu platzieren. »Nachdem sie mit ihren Petrodollars Unternehmen, Hotels und berühmte Gemälde gekauft hatten, haben sich arabische Geldgeber nun der Welt des Sports zugewandt und eine ehrgeizige und ausgabenfreudige Kampagne gestartet, um einige der weltbesten Fußballtalente aus Brasilien zu kaufen.«286 Diese Umschreibung der saudischen Sportpolitik stammt überraschenderweise nicht aus dem Jahr 2023, sondern vom 20. August 1978. Damals hatte das Königreich massiv in die lokale Sportindustrie investiert. Der damalige Neymar hieß Roberto Rivelino, war 1970 mit Brasilien Weltmeister geworden und sollte mit seinem Wechsel zu Al Hilal den saudischen Fußball in neue Sphären katapultieren. Bei seiner Ankunft wurde Rivelino von tausenden frenetischen Fans empfangen, ehe er in einem Rolls Royce den Flughafen verließ.287 Als Anreiz für seinen spektakulären Wechsel wurden ihm ein Mercedes und eine Entlohnung von USD 10.000 im Monat zur Verfügung gestellt, außerdem durfte er in einem der Paläste des Neffen von König Khalid und Clubbesitzer al-Hilals nächtigen. Der langfristige Erfolg blieb jedoch aus – die saudische Liga verschwand wieder aus dem Fokus der Weltöffentlichkeit. In den frühen 2000er Jahren wurden erneut alternde Fußballstars wie Bebeto verpflichtet288, doch das Abenteuer währte nur kurz – der brasilianische Weltmeister von 1994 kickte nur fünf Mal für seinen saudischen Klub Al-Ittihad und wurde aufgrund mangelnder sportlicher Leistungen aussortiert.289 Auch aufgrund dieser gescheiterten Versuche gilt Saudi-Arabien als Spätzünder in der Sportpolitik und hechelt dem Erfolg der beiden Nachbarn Katar und den VAE hinterher. Katar betrachtet seine Sportpolitik stattdessen bereits seit Jahrzehnten als langfristiges Investment: Bereits zwei Jahre vor der nationalen Unabhängigkeit 1972 beantragte Katar die Aufnahme in den Fußballweltverband FIFA. Im Jahr 1981 kam es gar zu einer der größten Sensationen in der Geschichte des Weltfußballs, als es dem krassen Außenseiter Katar gelang, das Finale der U21-Jugend-Weltmeisterschaft zu erreichen.290 Erfolge u. a. gegen die hoch favorisierten Brasilien und England erweckten zum ersten Mal internationale Aufmerksamkeit für den Fußballzwerg Katar, ehe im Endspiel die Bundesrepublik
Deutschland – damals mit Spielern wie Michael Zorc von Borussia Dortmund oder Rüdiger Vollborn von Bayer 04 Leverkusen – mit 4:0 triumphierte. 1993 richtete Katar das erste Tennisturnier aus, was damals der deutsche Boris Becker für sich entschied. Nachdem die Vorbehalte gegen die arabischen Golfmonarchien nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in der westlichen Welt gewachsen waren, entschied Katar, seine Bemühungen im Sport auszuweiten. Man erhoffte sich davon mehr Sympathien, ein positives Image und die Ablenkung von der im Zuge des dschihadistischen Terrorismus anwachsenden Islamophobie. Allein in den Jahren 2004 und 2005 fanden in Katar die Asian Handball Championships, die ITTF World Table Tennis Championships, der Arabian Gulf Cup im Fußball, die Asian Basketball Championships, die World Weightlifting Championships und die West Asian Games statt.291 Vorläufiger Höhepunkt war die Ausrichtung der Asienspiele 2006. Damals zeigte die katarische Führung unter Emir Hamad zum ersten Mal einem internationalen Publikum, dass man in der Lage ist, Turniere auf höchstem Niveau organisieren zu können. Diese Erfahrung stärkte das Selbstbewusstsein, sich für die Ausrichtung der Fußball-WM 2022 zu bewerben. Insgesamt soll Katar nach seiner Unabhängigkeit mehr als 500 internationale Sportveranstaltungen organisiert haben, und dieser Trend wird sich auch nach der Fußball-WM fortsetzen: 2030 richtet Katar zum zweiten Mal nach 2006 die Asienspiele aus292 und hat angekündigt, sich für die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2032 bewerben zu wollen.293 Auch die Entscheidung im Jahr 2010, den französischen Fußballclub Paris St. Germain zu übernehmen, wurde nicht zufällig getroffen, immerhin besitzt die katarische Herrscherfamilie Al Thani Firmenanteile und Immobilien in Frankreich, unterhielt eine kontrovers diskutierte enge Beziehung zum damaligen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy und galt als strategischer Puzzlestein der WMBewerbung. Nach dem Einstieg Katars erhöhte sich der Vereinswert des Clubs von EUR 100 Mio. auf mehr als EUR 2 Mrd. im Jahr 2021. Insgesamt flossen geschätzt EUR 1,39 Mrd. an Ablösesummen in Topstars wie Kylian Mbappé, Lionel Messi oder Neymar. Die Übernahme von PSG diente Katar somit dazu, den eigenen Bekanntheitsgrad im Vorfeld der WM zu erhöhen und sich als verlässlicher und langfristiger Partner europäischer Spitzenklubs im Fußball zu etablieren. Die WM symbolisiert dabei Katars Aufstieg zu einer regionalen Mittelmacht und wurde von den mächtigen Männern in Doha als Entwicklungsmotor genutzt – das Turnier als Kata(r)pult und nicht als Kata(r)strophe. Dabei fungiert Sport als Bühne und Mittel der strategischen Kommunikation, um die sportpolitische Professionalität, die wirtschaftliche Attraktivität und die politische Relevanz Katars zu demonstrieren. So bemüht sich Katar um Anteile beim NBA-Club Washington Wizards, dem US-amerikanischen Eishockeyverein Washington Capitals und dem Frauen-Basketballclub Washington Mystics.294 Dass alle diese Vereine ausgerechnet in der US-amerikanischen Hauptstadt
beheimatet sind, ist mehr als nur Zufall und lässt eine strategische Absicht Katars vermuten, im politischen Nordamerika noch mehr Einfluss über den Sport nehmen zu wollen. Spätestens seit der Übernahme von Manchester City durch Abu Dhabi im Jahr 2008 haben sich die auch die VAE als Großmacht im europäischen Fußball etabliert. Die City Football Group, die zu mehr als 80% der Abu Dhabi United Group Investment & Development Limited gehört, hat neben der Übernahme von ManCity Franchise-Vereine in den USA, Indien, China oder Australien gegründet, die die emiratische Ausnahmestellung auf dem internationalen Fußballmarkt manifestieren sollen. In Abu Dhabi findet genauso wie in Saudi-Arabien, Katar und Bahrain ein Formel-1 Grand Prix sowie Rugby-, Cricket- und Tennisturniere und Pferde- und Radrennen statt. Im Gegensatz zu Katar und Saudi-Arabien strebt man allerdings nicht danach, große Turniere wie die WM auszurichten, sondern engagiert sich mehrheitlich in Nischensportarten. In den Emiraten möchte man internationale Reputationsschäden und Diffamierungskampagnen vermeiden und forciert stattdessen ganz im Sinne der eigenen Soft-Power-Politik einen zurückhaltenden Kurs.295 Mit der Übernahme des englischen Traditionsvereins Newcastle United (NUFC) durch den PIF eifert Saudi-Arabien dem emiratischen und katarischen Vorbild nach. Im Oktober 2021 hatte der saudische Investitionsfonds für EUR 360 Mio. 80% der Anteile des im unteren Drittel der Premier-League-Tabelle vor sich hinvegetierenden Traditionsvereins erworben, womit NUFC über Nacht zu einem der potenziell reichsten Clubs der Welt aufstieg.296 Immerhin verfügt PIF mit einem geschätzten Kapital von mehr als USD 600 Milliarden über unermessliche Finanzmittel, die zu einem gewissen Teil auch in Newcastle fließen sollen.297 Und das Investment zeigt seitdem Erfolg: Unter dem saudischen Anteilseigner gelang es Newcastle in der Saison 2022/23, als Tabellen-Vierter in die renommierte Champions League einzuziehen und arrivierte Topclubs wie den FC Chelsea oder den FC Liverpool hinter sich zu lassen. Mittelfristig strebt Newcastle unter saudischer Führung danach, in die Fußstapfen Manchester Citys zu treten, dem es nach der Übernahme durch Abu Dhabi 15 Jahre später zum ersten Mal gelang, die Champions League zu gewinnen – ein Erfolg, der Katars PSG trotz Milliardeninvestitionen bisher verwehrt blieb. Die meisten Golfmonarchien betrachten Sport als Eintrittskarte zu lukrativen Geschäftsmärkten: Im Zuge der Übernahme von City erwarben emiratische Unternehmen lukrative Immobilien im Stadtzentrum von Manchester. Weiterhin wurde 2014 die Manchester Life Development Company ins Leben gerufen, um unterentwickelte Vororte von Manchester mit einem Budget von 1 Mrd. Pfund zu renovieren und 6.000 neue Häuser zu bauen.298 Katars Emir nutzte den Deal mit PSG, um mit dem damaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy militärische und wirtschaftliche Deals auszuhandeln – eine Politik der Einflussnahme, die vielfach kritisiert wurde.299 Auch der Einstieg des PIF bei
Newcastle muss neben den sportlichen Ambitionen auch als Wirtschaftsprojekt verstanden werden, immerhin liegt die englische Hafenstadt geografisch günstig an dem Fluss Tyne und verfügt damit über direkten Zugang zur Nordsee. Da sich Saudi-Arabien verstärkt in der maritimen Logistik engagiert, könnte Newcastle von saudischen Investitionen in die lokale Hafen- und Containerinfrastruktur profitieren.300 Gleichzeitig soll die Region um Newcastle zur britischen Hochburg für den Ausbau erneuerbarer Energien werden – in Zeiten der Energiediversifizierung auch ein potenziell interessanter Markt für saudische Unternehmen.301 Den Investoren aus dem Golf schlägt jedoch in vielen Fällen ein kalter Wind der Ablehnung entgegen. Ähnlich wie die WM werden auch die massiven Beteiligungen im europäischen Fußball als Verrat am Sport abgelehnt und als »Sportswashing« tituliert. Dies zeigt z. B. die 2018 begonnene Werbepartnerschaft zwischen Qatar Airways und dem deutschen Fußball-Rekordmeister Bayern München. An Bayern flossen bis Ende des Vertrags 2023 pro Jahr etwa EUR 20 Mio.302 Dieser Werbevertrag führte in den vergangenen Jahren von Seiten bayerischer Fanverbände jedoch zu massiver Kritik, die eine Beendigung der Zusammenarbeit forderten.303 Während der Mitgliederversammlung im November 2021 kam es zu Protesten seitens der Faninitiative gegen den Vorstand des FC Bayern. Auch aufgrund dieser Querelen wurde der Vertrag im Juni 2023 aufgekündigt – in beiderseitigem Einvernehmen, wie unisono betont wurde.304 Offenbar soll Katar allerdings als treibende Kraft die Beendigung des Geschäftsverhältnisses vorangetrieben haben, fürchtete man doch zukünftige Reputationsschäden.305 Auch die Investitionsoffensive Saudi-Arabiens stößt in Europa weitgehend auf Unverständnis. So nannte der Präsident des europäischen Fußballverbandes UEFA, Aleksander Čeferin, das Vorgehen der saudischen Liga einen Fehler: Anstatt in alternde ausländische Spieler zu investieren, sollte das Königreich stattdessen eigene Talente ausbilden und Nachwuchsakademien aufbauen.306 Und der Sportdirektor des deutschen Bundesligisten Borussia Dortmund Sebastian Kehl sorgte sich wegen der saudischen Transferoffensive um die Zukunft des Fußballs: »Diese Summen, die speziell in Saudi-Arabien gezahlt werden, zu erklären, ist schlicht nicht möglich«, so Kehl. »Sie verändern den Markt und machen es uns noch schwerer, zu agieren (…). Wenn sich das so fortsetzt, entwickelt sich der Fußball in eine Richtung, die ihm ganz sicher großen Schaden zufügen wird.«307 So oder ähnlich äußerten sich auch andere Vertreter:innen des europäischen Sports – Saudi-Arabien als neue Konkurrenz und Bedrohung für die arrivierten Fußball-Schwergewichte. In den Golfstaaten werden solche Aussagen jedoch als despektierliche Kommentare eines neidischen Europas abgetan, das um seine Vormachtstellung im Weltfußball fürchtet. Denn für die Herrscher am Golf sind die Investitionen in den Sport viel mehr als »Sportswashing«.
Zwar wollen sie von Menschenrechtsverletzungen, struktureller Gewalt gegen Arbeitsmigrant:innen oder der Inhaftierung politischer Oppositioneller ablenken, allerdings können sportliche Großveranstaltungen auch erst eine kritische Öffentlichkeit herstellen – wie das Beispiel der WM in Katar deutlich zeigte. Erst wegen der Ausrichtung des Turniers musste die katarische Führung internationalem Gegenwind begegnen.308 Dessen sind sich die Herrscher am Golf durchaus bewusst. Ihnen geht es deswegen vielmehr darum, Sport in ihre Identitätspolitik zu integrieren und physische Aktivität als Ausdruck einer gesunden Nation zu stilisieren. Dahinter steckt nicht nur das Ziel, die Fitness der eigenen Bevölkerung zu verbessern oder einheimische Sporttalente zu fördern, sondern der Druck, den grassierenden Zivilisationskrankheiten beizukommen. So litten in Saudi-Arabien im Jahr 2019 18,7% der Bevölkerung (zwischen 20 und 79 Jahren) an Diabetes und mehr als 50% an Übergewicht.309 Grund dafür sind ungesunde Ernährung durch übermäßig viel kohlenhydratreiches und fettiges Essen wie Fast Food und zu wenig Bewegung. Die anderen Golfstaaten stehen ähnlichen Herausforderungen gegenüber: Über 40% der katarischen Bevölkerung betätigt sich nicht sportlich, jeder Fünfte leidet an Diabetes. In Bahrain liegt der Anteil bei 11,3%, in den VAE bei 16,4% und in Kuwait gar bei 25%.310 Der weltweite Durchschnitt beträgt 8%. Deswegen ist es Ziel der saudischen »Vision 2030«, 40% der saudischen Bevölkerung bis 2030 zu regelmäßigen sportlichen Bewegungen zu animieren. Das Gesundheitssystem soll entlastet werden, Sport als Symbol der gesellschaftlichen Agilität gelten. In den letzten Jahren wurden deshalb regionale Breitensportangebote entwickelt, die für Individuen Laufgruppen, Yogakurse oder Fitnesstrainings anbieten. Der Staat versucht mit der Gründung der Sports for All Federation (SFA) im Jahr 2019, solche Breitensportangebote zu zentralisieren und zu regulieren. Weiterhin werden von der SFA zahlreiche Sportaktivitäten angeboten, um die physische Mobilität der saudischen Bevölkerung zu verbessern. So wurden während der Corona-Pandemie digitale Kurse durchgeführt, um u. a. das Bewusstsein für körperliche Ertüchtigung zu erhöhen (»Move to Game«), Walking- und Jogging-Festivals (»Step together«) oder Trainingskurse für Frauen zu organisieren (»Women’s Fitness Festival«). Solche Initiativen können als identitätsbildende Maßnahme betrachtet werden, die Sport als Bestandteil der nationalen Gesellschaftsvertrages proklamieren und die physische Mobilität des Einzelnen als Inbegriff von Leistungsstärke und Loyalität zur politischen Führung definiert. Doch weiterhin existieren massive Probleme: So ist die Anzahl an Sportlehrer:innen mit 10.000 bei 300.000 Schüler:innen zu gering, da 2021 entschieden wurde, nur noch Lehrkräfte mit saudischer Nationalität im Rahmen der »Saudisierung« einzustellen, während vorher fast 90% aus dem Ausland rekrutiert wurden.311 Gleichzeitig ist man sich in Saudi-Arabien auch bewusst, dass der Transfer von ausländischen Stars zwar einen kurzfristigen Popularitätsschub auslösen kann, langfristig
aber auch in einheimische Talente investiert werden muss. Sogenannte »Local Heros« könnten nicht nur als Identifikationsfiguren für ein heimisches Publikum dienen, sondern auch dem Ziel nützen, die saudische Nationalmannschaft zu stärken. Der Sensationserfolg gegen den späteren Weltmeister Argentinien bei der WM 2022 bot einen Vorgeschmack auf Erfolge, die zeitnah mit den »Grünen Falken« gefeiert werden sollen. Immerhin möchte Saudi-Arabien in naher Zukunft ebenso wie Katar eine Fußball-WM im eigenen Land ausrichten. Konkrete Pläne existierten bereits: So beabsichtigte das Königreich, sich gemeinsam mit Griechenland und Ägypten auf die WM im Jahr 2030 zu bewerben.312 Doch dieses Vorhaben scheiterte.313 Allerdings scheint es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Saudi-Arabien seine Pläne wahr macht und sich entweder allein oder als Co-Gastgeber für eine Fußball-WM bewirbt. Möglicherweise wird auch die Option bevorzugt, eine Frauen-WM auszurichten, boomt der Frauen-Fußball doch derzeit im Königreich und wird von der Regierung explizit als Teil der Geschlechterpolitik gefördert. Da MbS die Frauen als wichtige Zielgruppe seiner Identitäts- und Wirtschaftspolitik adressiert, kommt dem Frauensport eine strategische Bedeutung zu. In Zeiten der strikten Geschlechtertrennung war es jungen Frauen und Mädchen lange vorenthalten, Sport zu treiben. Offizielle Fitnessstudios oder Laufstrecken für Frauen existierten ebenso wenig wie Möglichkeiten, an den Universitäten, den lokalen Vereinen oder Schulen Ballsportarten wie Fußball zu betreiben. Doch die Zeiten haben sich geändert: Mittlerweile ist Frauensport ein anerkannter Trend geworden und Saudi-Arabien schreibt eigene Erfolgsgeschichten. So entsandte das Königreich im Februar 2023 sein erstes Tennis-Frauen-Team zu einem internationalen Turnier nach Sri Lanka314 und die deutsche Trainerin der Frauen-Fußballnationalmannschaft Monika Staab gilt als Ikone des saudischen Frauensports.315 Insbesondere im Bildungsbereich soll die Einführung von Schulsportunterricht für Jungen wie Mädchen in der frühen Kindheit physische Aktivitäten fördern, um den grassierenden Zivilisationskrankheiten entgegenzuwirken. Katar gründete bereits 2004 mit der Aspire Academy ein Hochleistungszentrum für die Ausbildung von sportlichen Nachwuchstalenten und baute in Afrika und Asien ein Netzwerk für Talentscouting auf. Schnell entwickelte sich die Akademie zu einem international anerkannten Zentrum für Talente aus aller Herren Länder: In der Trainingslehre bietet die Akademie weltweiten Spitzenstandard und dient Vereinen wie z. B. dem FC Bayern München seit Jahren als Wintertrainingslager. Ziel dieser Bemühungen ist es, das Niveau des einheimischen Sports zu verbessern und Talente auf der ganzen Welt zu fördern. Im Rahmen des »Football Dreams«-Programms wurde zwischen 2006 und 2016 ein Scoutingsystem aufgebaut, das sich auf die Förderung und Sichtung von Nachwuchstalenten in Asien, Afrika und Lateinamerika konzentrierte. Im Vorfeld der WM wurden die sportlichen
Ausbildungsprogramme weiter intensiviert: Die Initiative »Generation Amazing« organisierte u. a. Trainingskurse, Ausstellungen und Sportfestivals für junge Menschen316 und zielte mit Programmen wie »Football for Development« (F4D) darauf ab, Fußballplätze in Ländern wie Brasilien, Jordanien, Nepal oder Haiti zu bauen bzw. zu modernisieren.317 Dazu gehört auch, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene von katarischen Wohlfahrtsorganisationen wie EAA dazu motiviert werden sollen, sich regelmäßig fußballerisch zu betätigen.318 Weiterhin wurde in den letzten Jahren verstärkt Wert daraufgelegt, den Schulsportunterricht vor allem für Mädchen zu verbessern, Fitnessstudios und Sportzentren aufzubauen und die Privatwirtschaft stärker in den Aufbau einer nationalen Sportindustrie einzubeziehen. Die Einführung des Nationalen Sporttages im Jahr 2012 definiert Sport als integralen Bestandteil der katarischen Modernisierung und der Identitätspolitik319 und möchte junge Menschen für den Sport begeistern. So werden beispielsweise Kardio-, Konditions- und Gewichthebekurse, Yogasitzungen und Sportturniere320 sowie Intervalltrainingseinheiten angeboten.321 So dient der Sport ähnlich wie in Saudi-Arabien als Transmissionsriemen für einen katarischen Nationalismus: Die WM fungierte als Symbol für den nationalen Erfolg Katars und Triumph über externe Kritiker:innen, während die Übernahme von PSG ebenso als Inbegriff des katarischen Aufstiegs zur sportlichen Supermacht stilisiert wird. In Katar selbst wird PSG als verlängerter Arm der globalen Strahlkraft und als heimliche Nationalmannschaft Katars gefeiert. Umso mehr wurde der WM-Sieg Argentiniens mit Kapitän Lionel Messi bejubelt, der als damaliger Spieler von PSG indirekt auch für den Triumph der katarischen Sportpolitik gesorgt hatte. Die Ausrichtung von sportlichen Großveranstaltungen schafft demnach Orte des nationalen Stolzes und der Gemeinsamkeit, soll die innere Resilienz der Herrscherhäuser stärken und Ablenkung in Zeiten der sozioökonomischen Krise bieten. Gleichzeitig soll die Loyalität der Untertanen zu ihren Herrscherhäusern aufrechterhalten werden. Für die Golfstaaten ist Sportpolitik somit zu einem wesentlichen Instrument ihrer Machtkonsolidierung geworden.322 Ihre Investitionen in den Sport verdeutlichen ihren Herrschaftsanspruch und ihr strategisches Ziel, neue Märkte zu erschließen, eine nationale Identität zu kreieren und sich als unersetzliche Partner der Welt zu präsentieren. Doch je mehr sich die Golfmonarchien als finanzstarke Player der Sportpolitik etabliert haben, umso mehr konkurrieren sie miteinander um den Platz an der Sonne. Dabei sieht sich Saudi-Arabien im Vorteil gegenüber Katar und den VAE, immerhin verfügt das Königreich mit einer Einwohnerzahl von mehr als 36 Millionen323 über einen demografischen Wettbewerbsvorteil gegenüber den bevölkerungsarmen Nachbarn; in den VAE und Katar leben gerade einmal 9,4 Mio.324 bzw. knapp 2,7 Mio.325
Der Aufstieg Katars zur globalen Sportmacht wurde lange Jahre in Abu Dhabi und Riad als Bedrohung der eigenen Ambitionen wahrgenommen, was sich während der »Golfkrise« zeigte: So kursierten Gerüchte, dass die Blockade auch deswegen eingerichtet worden war, um Katar die WM wegzunehmen und sich selbst in eine vorteilhafte Situation als Ersatzaustragungsorte zu bringen. Obwohl diese Absicht scheiterte, nahm die Rivalität im Sport während der »Golfkrise« weiter zu: So blockierte Saudi-Arabien ab 2017 die Übertragungen des katarischen Sportsenders beIN (früher Al Jazeera Sport), der Milliardensummen in die Übertragungsrechte der WM in Russland sowie weiterer wichtiger Fußballturniere wie der europäischen Champions League investiert hatte. Was folgte, war ein erbarmungsloser Machtkampf um die Austragungsrechte: In Saudi-Arabien wurde ein Piratensender mit dem vielsagenden Namen beOutQ (das »Q« stand für »Qatar«) gegründet, der illegal die Sendebilder von beIN nutzte, um seiner Bevölkerung die Spiele trotz der Katar-Blockade zugänglich zu machen. Bei beOutQ wurden in den Halbzeitpausen animierte Clips gezeigt, die Katar diffamierten, sodass der saudische Piratensender zu einem Propagandainstrument der saudischen Anti-Katar-Politik wurde. Im Gegenzug legte Katar Beschwerde bei der Welthandelsorganisation ein, um das saudische Vorgehen zu unterbinden. Ein von der FIFA finanzierter Untersuchungsbericht von 2019 belegte schließlich die saudische Verwicklung in den Piratensender. Mittlerweile ist der Streit um die Senderechte beigelegt: Beide Parteien haben auf rechtliche Schritte verzichtet, und Saudi-Arabien hat die Sperrung von beIN aufgehoben. Der Konflikt zeigt aber exemplarisch, wie sich die politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Rivalitäten zwischen den Golfstaaten in dieser Phase überlagerten und potenzierten und die Gräben zwischen den Konfliktparteien immer tiefer wurden. Vor allem Katar, das sich immer wieder externen Bedrohungen wie der Golfkrise ausgesetzt sah, versteht Sportinvestitionen wie die WM als Schutzgarantie für die eigene nationale Integrität: Aufgrund der WM war Katar weltweit zu wichtig geworden, um im Stich gelassen werden zu können. Dies half der katarischen Führung, die negativen Implikationen der Blockade zu überwinden und standhaft zu bleiben; Doha hatte sich schlichtweg unersetzlich gemacht.
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Kapitel 5 Die »Zeitenwende« und die Golfmonarchien – Warum uns die Herrscher am Golf näher sind als wir denken Es sind ehrliche und selbstkritische Worte, die Vertreter:innen deutscher Außen- und Wirtschaftspolitik unter vier Augen wählen, wenn es um die deutschen Beziehungen zu den arabischen Golfmonarchien geht. »Wir verfügen weder über die Strategie noch den politischen Willen und die Ressourcen, um aktiv und selbstbewusst aufzutreten«, gesteht ein deutscher Diplomat, der seit mehreren Jahren Posten in unterschiedlichen Golfstaaten besetzt und die Region sehr gut kennt. Er nennt die deutsche Politik einen Zick-Zack-Kurs, der von mangelndem Interesse, fehlendem Pragmatismus und unzureichendem Wissen geprägt sei. Diese »weltfremde und naive Politik«, wie sie ein Unternehmer mit engen Geschäftsbeziehungen in die Golfregion nennt, müsse stärker denn je eine Antwort auf die Frage finden, wie der Schutz der Menschenrechte und das Erreichen pragmatisch-politischer Ziel im Umgang mit Autokratien – nicht nur den Golfmonarchien, sondern auch China oder Russland – erreicht werden können. Dabei befindet sich die deutsche Außenpolitik in einem grundsätzlichen Zielkonflikt: Auf der einen Seite propagiert Deutschland einen wertegeleiteten Ansatz, definiert die universellen Menschenrechte als »wichtigsten Schutzschild der Würde des Einzelnen«.1 Für Außenministerin Annalena Baerbock sind »Werte und Interessen kein Gegensatz«2, Deutschland müsse allerdings in einer Welt im Wandel eine »klare Haltung«3 einnehmen. Dieser Ansatz findet sich auch in den Grundsatzpapieren zur feministischen Außen- und Entwicklungspolitik, die gemeinsam vom Auswärtigen Amt (AA) und vom Bundesministerium für technische Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) am 1. Februar 2023 vorgestellt wurden. In der Strategie des BMZ steht die Neuausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik im Vordergrund, die inklusiver, geschlechtergerechter und nachhaltiger werden soll, indem Themen wie Unterdrückung, Armut und Hunger oder die Folgen des Klimawandels für benachteiligte Gesellschaften stärker in die Ausgestaltung der politischen Arbeit eingebunden wurden. Frauen und marginalisierte Personen sollen als »Agents of Change für gesellschaftlichen Wandel eintreten« und eine Kultur der Partnerorientierung, der Partizipation und des postkolonialen, antirassistischen Verständnisses von Entwicklungspolitik gefördert werden, um Machtungleichheiten in Form von Patriarchat,
Rassismus, Sexismus, Ableismus oder Klassismus zu reduzieren.4 Das AA möchte sich verstärkt auf »intersektionale und geschlechtsspezifische Risiken« konzentrieren und bis 2025 85% der hauseigenen Mittel an Projekte vergeben, die explizit die Bedürfnisse von Frauen und marginalisierten Gruppen berücksichtigen.5 Auf die beiden Papiere folgte nach zähem Ringen die Veröffentlichung der Nationalen Sicherheitsstrategie, die erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik übergeordnete Leitlinien für das deutsche Handeln im Ausland formuliert und vor allem einen integrierten Sicherheitsbegriff definiert: Deutschland soll sich wehrhaft, resilient und nachhaltig in einer multipolaren Welt aufstellen und als Mitgestalter der internationalen und wertebasierten Ordnung auftreten.6 Handelsbeziehungen sollen diversifiziert und die Gesellschaft auf wachsende Herausforderungen wie systemische Rivalitäten, Pandemien oder den Klimawandel vorbereitet werden; dafür dient die Strategie als »Kompass«, schreibt Kanzler Scholz in seinem Vorwort, während Baerbock die Sicherheit der Freiheit als prioritäres Ziel nennt.7 Dennoch drohte zwischenzeitlich die Fertigstellung der Nationalen Sicherzu scheitern: Lag zu Beginn die Federführung noch beim AA, forderte später das Bundeskanzleramt mehr Mitsprache- und Gestaltungsrechte, was zu Kompetenzgerangel über die Deutungshoheit und zu einem Konflikt zwischen der Partei des Kanzlers, der SPD, und den Grünen, Partei der Außenministerin, führte.8 Trotz dieser konzeptionellen Ansätze zeigt sich aber noch immer ein strategisches Vakuum bei der Ausgestaltung deutscher Außen- und Entwicklungspolitik, da ein ressortübergreifender konsensorientierter Ansatz fehlt.9 In keinem dieser Strategiepapiere werden die arabischen Golfmonarchien erwähnt. Diese Tatsache zeigt erneut, dass Deutschland in seiner außenpolitischen Konzeption in den letzten Jahren die geopolitische Relevanz der Golfmonarchien vernachlässigt hat. »Der Nahe und Mittlere Osten und vor allem die Golfstaaten sind für uns nur nachrangig«, bekannte ein hochrangiger Diplomat des Auswärtigen Amtes freimütig und betonte, die Golfregion besitze kaum Priorität für Deutschland. Dass es sich dabei um eine gravierende Leerstelle in der außenpolitischen Strategie der Bundesrepublik handelt, bestätigen mittlerweile viele unterschiedliche Vertreter:innen aus Politik, Medien und Wissenschaft. Aus ihrer Sichtweise trägt die mangelhafte Priorität der Golfmonarchien im deutschen Diskurs dazu bei, an Glaubwürdigkeit zu verlieren, da eine Balance zwischen interessensbasierter und wertegeleiteter Außenpolitik fehle. Dass hinter dieser fehlenden Priorisierung jedoch nicht ausschließlich Ignoranz und Desinteresse stecken, sondern vielschichtigere Gründe, zeigt ein kurzer Blick auf die Geschichte der deutschen Außenpolitik seit der Wiedervereinigung: Anstatt sich als gestaltender sicherheitspolitischer Akteur zu verstehen, verließ sich Deutschland auf multilaterale Bündnisse wie die NATO, agiert im Rahmen der EU und
betrachtet die transatlantische Partnerschaft mit den USA als Pfeiler der nationalen Sicherheit.10 Deutschland konzentrierte sich auf Soft Power und auswärtige Kultur- und Entwicklungszusammenarbeit. Man wollte in der Welt als pazifistischer und moralischer Akteur – als »guter Deutscher«11 – und nicht als militärische Supermacht wahrgenommen werden, um nach den traumatischen Erfahrungen unter Nazi-Deutschland nicht als potenzieller Aggressor zu gelten; nie wieder Krieg war und ist das Credo. Eine grundlegende Abkehr von diesen Werten ist weder zu erwarten noch gewünscht: Diese Auffassung wird auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie deutlich. Doch in Zeiten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und dem globalen Erstarken autoritärer Kräfte drohen diese Überzeugungen zu erodieren und fordern tradierte Vorstellungen von Außenpolitik heraus.12 Innerhalb Europas ist der Rechtspopulismus auf dem Vormarsch – wie nicht nur die Erfolge der Alternative für Deutschland (AfD) zeigen. Donalds Trumps von Lügen, Anfeindungen und Skandalen geprägte Präsidentschaft hat gezeigt, dass die Verlässlichkeit der USA ins Wanken geraten ist und auch unter seinem Nachfolger Biden an Wucht verloren hat und zu einer »transatlantischen Illusion« verkommen ist.13 Die USA sind »nicht mehr zwingender Garant für Sicherheit und Wohlstand der viertgrößten Weltwirtschaft, der er jahrzehntelang war. Deutschland steht angesichts seiner tiefen wirtschaftlichen Verflechtungen mit den USA und mit China vor einem schwierigen Balanceakt.«14 Die Forderungen, Deutschland solle außenpolitisch eine »Ankerfunktion«15 erfüllen und als »Impulsgeber«16 auftreten, existieren bereits seit Längerem und werden auch in der Sicherheitsstrategie wiederholt, aber mit dem UkraineKrieg hat die Diskussion um Deutschlands Selbstwahrnehmung als globaler Akteur nochmal an Fahrt aufgenommen. Ohne Frage befindet sich Deutschland inmitten einer »Zeitenwende«17, wie es Bundeskanzler Scholz nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine umschrieben hat. Alte Gewissheiten sind durch den russischen Angriff zerbröselt: Mehr denn je muss sich Deutschland in einer neuen Weltordnung orientieren, indem die Energieversorgung diversifiziert wird, um sich aus der Abhängigkeit von russischem Gas zu lösen18, indem die Bundeswehr modernisiert wird und sich die Bundesrepublik als starker und verlässlicher Partner in einem multipolaren Weltsystem positioniert, in dem die Bedeutung des »Westens«, die Strahlkraft von liberalen Demokratien und die europäische Deutungshoheit in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten von einem Aufstieg von populistischen, autokratischen und erratischen Regimes herausgefordert und bedroht wird. Daraus erwächst der Anspruch, Deutschlands Rolle in der Welt neu zu definieren, zu konzipieren und zu materialisieren. Baerbock formulierte das Ziel, Deutschlands Politik müsse in einer sich ändernden Welt auch eine andere sein.19 Die politischen Entscheider durchlaufen einen komplizierten
Mentalitätswandel und Anpassungsprozess, der sie nicht nur aufgrund fehlender personeller und finanzieller Ressourcen herausfordert, sondern auch auf mentaler Ebene: In vielerlei Hinsicht scheint die deutsche Außenpolitik in einer Ära der gleichzeitigen Ungleichzeitigkeit mit den selbstgesetzten Standards und den von außen an sie herangetragenen Erwartungen überfordert. Ressortstreitigkeiten erschweren seit längerem eine engere Abstimmung der Politikansätze20 – wie der Streit um die Nationale Sicherheitsstrategie zeigt –, sind aber als eine Quelle des Übels erkannt worden: Die Ausgestaltung der jeweiligen feministischen Entwicklungspolitiken wurde gemeinsam diskutiert und koordiniert. Immerhin soll laut Koalitionsvertrag die deutsche Außenpolitik »(…) aus einem Guss agieren und ressortübergreifend gemeinsame Strategien erarbeiten, um die Kohärenz unseres internationalen Handelns zu erhöhen.«21 Doch in diesem Prozess der Anpassung spielt die Golfregion bislang nur eine untergeordnete Rolle: Anstatt den Aufstieg der Herrscher am Golf zu globalen Akteuren ernst zu nehmen und sich über einen strategischen Umgang mit diesen problematischen Partnern Gedanken zu machen, verharrt die deutsche Debatte um den Golf in einer Blase aus Unkenntnis, Ignoranz und Schwarz-Weiß-Malerei. Dies zeigte die kontroverse und polemische Kontroverse um die WM 2022 in Katar wie unter einem Brennglas: In den Medien wurde Katar aufgrund der existierenden Menschenrechtsverletzungen, der strukturellen Ausbeutung von Arbeitsmigrant:innen22 oder der mangelnden Gleichstellung von Frauen und der LGBTQI-Gemeinschaft kritisiert. Menschenrechtsorganisationen23 und Gewerkschaften24 verlangten umfassende Arbeitsreformen zum Schutz der Migrant:innen und setzten damit die katarische Regierung unter Druck, diesem Druck teilweise nachzukommen.25 Forderungen nach einem WM-Boykott fanden bei vielen Faninitiativen26 und Fußballinteressierten Zuspruch, was sich auch im Rückgang der Zuschauerzahlen zeigte. Doch in dieser hitzigen Debatte verschwammen oftmals die einzelnen Ebenen der Kritik: Die legitime Kontroverse um die Menschenrechte vermischte sich mit einer Fundamentalkritik an den Zuständen des kommerzialisierten Fußballs, der Korruption der Fußballverbände und der Entfremdung der Fans von ihrem liebsten Sport, was anhand des Beispiels der WM zum Ausdruck gebracht wurde. Vor allem der Fußball-Weltverband FIFA und Präsident Gianni Infantino wurden als »Inbegriff der Überkommerzialisierung des globalen Fußballs«27 attackiert. Katar wurde im Zuge dieser Entfremdung zwischen Sport und Fans zum Sündenbock stilisiert, der als Newcomer des Weltfußballs nicht akzeptiert wird. Dessen Investment bei PSG28, das umstrittene Sponsorship von Qatar Airways beim deutschen Rekordmeister Bayern München29 oder die gewachsene Macht des Fußball-Funktionärs und katarischem Strippenziehers Nasser al-Khelaifi30 im europäischen Spitzenfußball gelten als Ausgeburt einer pervertierten Fußballkultur, in der der Fan weder ernst- noch
wahrgenommen wird. Hinzu kamen teilweise islamophobe Töne, die suggerierten, ein arabisch-islamisches Land im sogenannten »globalen Süden« gehöre nicht zum Klub der auserwählten traditionellen Fußballnationen. Durch diese unklaren Trennschärfen in der Debatte versanken nicht nur die legitimen Kritikpunkte in einer Kakophonie der Polemik, sondern auch die Fähigkeit, miteinander anstatt übereinander zu sprechen. In den deutschen Talkshows und Diskussionsrunden zur WM kamen nur selten Gäste aus Katar oder der arabischen Welt zu Wort. Ebenso wenig wurde in den arabischen Medien danach gefragt, warum insbesondere in Deutschland die Wucht der Kritik so heftig angeschwollen sei. Anstatt aufeinander zuzugehen und sich in eine offene Diskussion zu begeben, verharrten beide Seiten in ihrer Blase und auf ihren Argumenten. Was darauf folgte, war eine »Empörungsrhetorik«31 auf deutscher sowie arabischer Seite, die von gegenseitigen Vorwürfen geprägt war. Gleichzeitig rücken die Beziehungen Deutschlands zu den Golfmonarchien nach Beginn des Ukraine-Kriegs verstärkt ins Zentrum der Öffentlichkeit, da sich Katar, die VAE, Oman und Saudi-Arabien als wertvolle Alternativen bei der Energieversorgung anbieten – ein Umstand, der sich in verschiedenen Energiepartnerschaften zwischen Deutschland und diesen Staaten niederschlägt. So existieren bereits seit 201732 und seit 202133 – und damit bereits vor dem Krieg gegen die Ukraine – solche Abmachungen mit den VAE und Saudi-Arabien. Dieser neue Druck, sich vom russischen Erdgas zu emanzipieren und Alternativen am Golf zu erschließen, traf jedoch auf eine weitgehend ablehnende Reaktion in der deutschen Öffentlichkeit, die u. a. den Besuch von Wirtschaftsminister Robert Habeck in Katar und seine angedeutete Verbeugung vor dem katarischen Emir als Zeichen der Unterwerfung vor einem Monarchen und als »Shoppingtour«34 kritisierte, da Tamim Vorstellungen von Menschenrechten mit Füßen trete und daher kein legitimer politischer Partner sein könne. Als wichtigste Wirtschaftsmacht in Europa hat die Welt lange Zeit Deutschland als verlässlichen Geschäftspartner geschätzt und respektiert. »Made in Germany« galt über Jahrzehnte als Maßstab für Qualität und prägte das deutsche Bild in der Welt – insbesondere in den Golfmonarchien: Deutsche Unternehmen sind seit vielen Jahren in Dubai, Doha oder Riad präsent, viele golfarabische Firmen greifen auf deutsche Produkte in der Industrie, in der Pharmazie, in der Medizintechnik, in der Architektur oder dem Ingenieurswesen auf deutsche Produkte und Fachkräfte zurück. Ableger von deutschen Universitäten wie der GU Oman bieten Ausbildungsmöglichkeiten in der Umwelt- und Wasserstofftechnologie und viele junge saudische oder emiratische Medizinstudierende haben in den letzten Jahren ihre Facharztausbildung an deutschen Kliniken durchlaufen. Nach wie vor ist Deutschland zweifelsohne ein wirtschaftlich wichtiger Handelspartner für die Golfmonarchien. Doch das Image des »guten Deutschen« in der Golfregion beginnt zu bröckeln.
Stattdessen zeigte die WM, wie ambivalent Deutschland mittlerweile in seiner Rolle als »moralischer Weltpolizist« mit eigenen wirtschaftlichen Interessen wahrgenommen wird. Insbesondere die Reaktion auf die deutsche Nationalmannschaft, die sich vor dem Gruppenspiel gegen Japan geschlossen den Mund zugehalten hatte, zeigte exemplarisch die wachsende Entrüstung über den deutschen Ton gegenüber Katar. Das Team hatte darauf aufmerksam machen wollen, dass ihrem Kapitän Manuel Neuer von der FIFA verwehrt worden war, eine Binde in Regenbogenfarben als Zeichen der Solidarität mit der LGBTQICommunity zu tragen. Bei arabischen Gesprächspartner:innen erntete diese Geste vor allem entgeistertes Kopfschütteln, worauf hämische Schadenfreude folgte, nachdem die DFB-Elf bereits nach der Gruppenphase aus dem Turnier ausgeschieden war. Nachdem Innenministerin Nancy Faeser während ihres WM-Aufenthalts in Katar die Binde in der Öffentlichkeit getragen hatte, wurde der deutsche Botschafter in Doha von der katarischen Regierung einbestellt.35 Danach brachte er in einem internen Memo an die Zentrale in Berlin seine Bedenken zum Ausdruck, dass diese Episoden nachhaltig dem politischen und wirtschaftlichen Interessen Ansehen schaden könnten.36 Ein katarischer Gesprächspartner beschrieb beide Gesten als Ausdruck der westlichen Überheblichkeit und Doppelmoral, als respektloses Zeichen der Ignoranz, des Eurozentrismus und der Islamophobie und forderte von Deutschland mehr Zurückhaltung und Demut gegenüber anderen Kulturen. Diese Meinung steht exemplarisch für eine sich verfestigende Haltung gegenüber Deutschland, in der solche Vorwürfe immer häufiger zu hören sind. Der Westen, stellvertretend durch Deutschland, habe versucht, Katar und damit der gesamten arabischen Welt die WM wegzunehmen.37 So solidarisierten sich bei Twitter unter dem Hashtag #I_Am_Arab_and_I_Support_Qatar38 und in arabischen Medien viele mit dem Gastgeber.39 In einer multipolaren Weltordnung verstehen sich die Golfstaaten als gleichberechtigte Partner, die weder bevormundet noch belehrt werden wollen. Anstatt sich ausschließlich auf den Schutz des Westens zu verlassen, emanzipieren sie sich von ihrer jahrzehntelangen Rolle als »Erfüllungsgehilfe« des Westens und suchen einen Weg der ausbalancierten Pendeldiplomatie: Ihre Hinwendung nach China oder ihr konziliantes Verhalten gegenüber Russland sind ebenso Zeichen dieser golfarabischen »Zeitenwende« wie eine explizite Dünnhäutigkeit bei Themen wie Menschenrechte oder Diversität. Die WM hat gezeigt, wie stark dieses neue Selbstbewusstsein in den jeweiligen Gesellschaften verwurzelt ist, und dass der Westen nicht mehr als respektiertes Vorbild und glänzender Leuchtturm des wirtschaftlichen Fortschritts und der demokratischen Teilhabe, sondern als moralisch ausgehöhltes System vergangener Tage wahrgenommen wird. Stattdessen »präsentieren sich die golfarabischen Herrscher als Architekten des Fortschritts, des Wandels, der Prosperität und der Sicherheit.«40
In Deutschland scheint der Blick auf die Zukunft dagegen von Pessimismus, Polarisierung und Populismus bestimmt zu werden; eine Vision fehle, so die Schriftstellerin Jagoda Marinic: »Hoffnung ist ein zu großes Wort, um es in diesen aufgeregten Zeiten in den Diskurs einzubringen. Es scheint jedoch genau das zu sein, was in den letzten Monaten fehlte: Das Vertrauen in die Zukunft.«41 Diese Wahrnehmung bestimmt auch die golfarabische Perspektive auf Deutschland: Aus dem Land der Dichter und Denker, der Innovation und der Inspiration sei eine Gesellschaft der Zauderer und Zanker geworden, wird bemängelt. Galt Deutschland früher als Hort des Fortschritts, wird jetzt am Golf über die deutschen Probleme in der Digitalisierung, den Reformstau in der Verwaltung und die Politikverdrossenheit der Kopf geschüttelt. Im Gegensatz zum verkrusteten Deutschland präsentieren sich die Golfstaaten dagegen als dynamische Optimisten, die eine Vision für die Zukunft mit Enthusiasmus und Euphorie verfolgen. Nicht umsonst sprach MbS bereits 2018 davon, dass der Mittlere Osten zum neuen Europa werden könne.42 Diese Botschaft richtet sich zum einen an die eigenen Gesellschaften, um ihre Loyalität zu sichern, und zum anderen an den Westen, um das gewachsene Selbstbewusstsein zu betonen. Diese Argumentationsmuster müssen stärker als bisher von der deutschen Politik berücksichtigt werden, um glaubwürdig zu sein und konsistente Taten folgen zu lassen. Einerseits sind die Golfstaaten für Deutschland mittlerweile unersetzliche Partner geworden und können schlichtweg nicht mehr ignoriert werden.43 Andererseits sollen die eigenen Werte nicht verraten werden, indem man sich in neue Abhängigkeiten von Autokratien begibt und damit denselben Fehler wie mit Russland wiederholt – ein Dilemma.44 Dieses Ungleichgewicht zwischen der Notwendigkeit, Kritik zu äußern und gleichzeitig realpolitische Realitäten im Umgang mit nicht-demokratischen Partnern anzuerkennen, wird in Teilen der deutschen Politik zwar mittlerweile reflektiert, doch eine Lösung dieses Problems ist nicht abzusehen. Deswegen ist es notwendig, eine Strategie im Umgang mit den Golfmonarchien zu entwickeln, die auf drei Säulen beruht: Erwartungsmanagement, Ehrlichkeit und Empathie. Diese drei E’s können als Basis dienen, um konkrete Felder der Zusammenarbeit sowie rote Linien zu definieren und damit dem Vorwurf der Doppelmoral und der fehlenden Haltung entgegenzutreten. Erwartungsmanagement: Bislang dominieren wirtschaftliche und energiepolitische Interessen die deutsch-golfarabischen Beziehungen. Diese ökonomische Priorisierung wird in einer Zeit der globalen Rezession andauern, immerhin ist der exportorientierte Mittelstand mehr denn je davon abhängig, neue Märkte außerhalb Europas zu erschließen und Geschäftspartnerschaften zu diversifizieren. Dadurch wird sich der Blick automatisch mehr gen Golfregion richten, da die dortigen Herrscher auf ausländische Investitionen,
Technologie und Expertise angewiesen sind, um ihre ambitionierten Pläne einer diversifizierten Wirtschaft realisieren zu können. Arbeitsplätze müssen geschaffen werden, um ihren jungen Bevölkerungen eine attraktive Zukunft bieten zu können. Trotz ihrer zunehmenden Hinwendung zu asiatischen Granden wie China, Korea oder Japan und der steigenden Entfremdung zu Europa werden deutsche Unternehmen weiterhin respektiert. Politisch sollte allerdings kluges Erwartungsmanagement betrieben werden: Das Dilemma zwischen exportorientierten Interessen, die im Inland Jobs sichern, und der moralischen Verantwortung, eine wertegeleitete Wirtschaftspolitik betreiben zu müssen, lässt sich gerade beim Umgang mit den Golfstaaten kaum auflösen. Dies sollte in den Diskussionen ebenso berücksichtigt werden wie die Grenzen der deutschen Außenpolitik: In den Golfmonarchien herrscht der Eindruck vor, Deutschland verfüge als wichtigste Wirtschaftsmacht Europas quasi automatisch über die notwendigen Kapazitäten, um eine pro-aktive Außen- und Sicherheitspolitik betreiben zu können. Bei vielen Gesprächen am Golf zeigt man sich konsterniert und irritiert, dass Deutschland trotz seiner wirtschaftlichen Wucht offenbar kein Interesse an einem verstärkten Engagement in der Region zeige. Dieser Wahrnehmung sollte entgegengetreten werden, indem die sicherheits- und außenpolitischen Kapazitäten Deutschlands realistisch dargestellt und eingeordnet werden, um überzogenen Erwartungen vorzubeugen. Die »Zeitenwende« ist ein Prozess, der Ausdauer und Geduld braucht. Zweifelsohne reduziert die Annäherung zwischen Autokratien wie Iran und Saudi-Arabien Chancen für zivilgesellschaftliches Engagement und widerspricht damit dem deutschen Ziel nach mehr Inklusion, mehr Partizipation und mehr individueller Freiheit widerspricht. Deutschland sitzt allerdings – ebenso wie der Rest Europas oder die USA – momentan eher auf dem Beifahrersitz dieser Entwicklung und kann kaum gestaltend auf diese Prozesse einwirken, was von golfarabischer Seite aber auch nicht explizit gewünscht wird. Gleichzeitig liegt regionale Stabilität in beiderseitigem Interesse, sodass Deutschland grundsätzlich die derzeit stattfindende Deeskalation und diplomatische Annäherung befürworten sollte. Da die Emanzipation vom Westen zum Bestandteil der politischen Strategie erkoren wurde und ein eigener Weg gegangen wird, verengen sich die Räume der externen Einflussnahme und werden zunehmend als Oberlehrertum und Bevormundung wahrgenommen. Diese Skepsis gegenüber Deutschland im Speziellen und dem Westen im Allgemeinen sollte verstärkt reflektiert werden, um klarer zu definieren, in welchen Bereichen eine engere Kooperation gewünscht ist und welche Politikfelder sich eher nicht dafür eignen. Deutschland besitzt faktisch keine Hebel der Einflussnahme – ein Umstand, der am Golf durchaus realistisch eingeschätzt wird, hierzulande aber manchmal kaum wahrgenommen wird. Anstatt den eigenen Einfluss zu überschätzen, sollte sich verstärkt die Frage gestellt werden, ob und in welchen Bereichen die Golfstaaten mit Deutschland
zusammenarbeiten wollen und müssen. »Dabei würde eine nüchterne Kosten-NutzenKalkulation helfen, dieser Bredouille zu entfliehen, denn ohne Interessen gibt es keinen Plan, und ohne klar formulierte Ziele ist eine glaubwürdige Zusammenarbeit mit den Golfstaaten zum Scheitern verurteilt. Eine solche Kooperation sollte dabei nicht als Option, sondern als Priorität eingestuft werden.«45 Ehrlichkeit: Innerhalb Deutschlands sowie gegenüber den Golfstaaten sollte daher klar kommuniziert werden, was möglich und was nicht möglich, was gewollt und was nicht gewollt ist. Rote Linien sollten ehrlich und offen kommuniziert werden, um gegensätzliche Wahrnehmungen in Bezug auf Menschenrechte oder regionale Allianzen zu benennen und zu diskutieren. Dass dieser Austausch unangenehm und unbequem werden kann, muss dabei einkalkuliert und angestrebt werden. Zu oft werden entweder Höflichkeitsfloskeln und Allgemeinplätze oder undifferenzierte Verallgemeinerungen und Klischees instrumentalisiert, was einen offenen und konstruktiven Dialog erschwert. Vor dem Hintergrund einer ernsthaften Partnerschaft sollte daher verstärkt versucht werden, miteinander ins Gespräch zu kommen und unangenehme Ansichten zu artikulieren, ohne zu verletzen. Derzeit präsentieren sich Vertreter:innen aus den Golfmonarchien hierbei als besonders kritisch gegenüber Deutschland, während sich auf deutscher Seite ein Reflex der überzogenen Selbstkritik und der Demut herausbildet. Dieses Ungleichgewicht in der Diskurskultur führt zu weiterem Unverständnis und verhindert vertrauensvolle Modelle der Kooperation. Die WM in Katar hätte eine Möglichkeit geboten, in einen solchen Austausch zu treten. Dabei wäre es nicht zwingend darum gegangen, Divergenzen bei Fragen der Menschenrechte beizulegen, es hätte aber die Option eröffnet, einen Perspektivwechsel zu vollziehen und sich besser kennenzulernen. Doch obwohl diese Chance leichtfertig vertan und Opfer einer anlassbezogenen Aufmerksamkeitskonjunktur wurde, hat sich die Relevanz der Golfstaaten nach der WM nicht reduziert – ganz im Gegenteil. Daher sollten langfristige Formate des Austauschs und des geschützten Dialogs gepflegt und ausgebaut werden, um Netzwerke zu erweitern und Gesprächskanäle offenzuhalten. Zwar existieren bereits interessante und effiziente Foren, doch insbesondere die individuelle und institutionelle sowie interdisziplinäre Durchlässigkeit und Inklusion sollte erhöht werden: Noch immer finden viele Workshops, Konferenzen, Fachreisen oder Diskussionsforen mit einer kleinen Gruppe der etablierten Community aus Wissenschaft, Politikberatung, Politik und Medien statt, während neue Talente nur schrittweise Zugang zu diesen Formaten erhalten. Weiterhin wäre es befruchtend, wissenschaftliche Debatten aus ihrem Elfenbeinturm zu befreien und stärker mit einer zivilgesellschaftlichen oder unternehmerischen Perspektive zu ergänzen. Zu oft finden wissenschaftliche, zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Diskurse voneinander getrennt in Paralleluniversen statt, sodass ein interdisziplinärer Austausch ausbleibt. Dadurch wird eine Möglichkeit verspielt, unterschiedliche Perspektiven zu hören: Eine
Firmenvertreterin betrachtet schließlich die Golfregion aus einem unternehmerischen und geschäftsorientierten Blickwinkel, während ein Politik- oder Islamwissenschaftler in seinen Ansichten intellektuell zu verkopft und realitätsfern argumentieren könnte. Zuletzt wäre es hilfreich, mehr lokale Stimmen zu Wort kommen zu lassen; viele golfarabische Gesprächspartner:innen bemängeln, dass der politische und mediale Diskurs zumeist von Expert:innen oder Institutionen aus Europa oder den USA dominiert wird, während eine explizit golfarabische Perspektive häufig fehlt. Zwar stehen solche Akteur:innen unter politischem Druck und können bzw. wollen sich nicht bei jeder Gelegenheit offen äußern, allerdings sind in den letzten Jahren bei Themen wie Klima- und Umweltschutz, Energieund Wirtschaftsdiversifizierung, Arbeitsmarktreformen, Sicherheitspolitik, Kunst und Kultur oder Youth and Female Empowerment in allen Golfmonarchien interessante Initiativen entstanden, die den lokalen Diskurs bestimmen und auch auf internationale Ebene mehr wahrgenommen werden sollten. Es sollte also darum gehen, differenziert und nuanciert die Entwicklungen am Golf zu verfolgen, ohne sich von der golfarabischen PR instrumentalisieren zu lassen, denn: »Repression und Reform dienen den Herrschern als sich ergänzende Instrumente, um die eigene Macht zu sichern, und sind daher zwei Seiten derselben Medaille.«46 Gleichzeitig sollte dem Impuls der einseitigen und stereotypen Wertung sowie des Whataboutism nicht nachgegeben werden. Empathie: Oftmals werden die Gesellschaften am Golf mit ihren jeweiligen Herrschern gleichgesetzt: Es fehlt das Verständnis für die komplexen Prozesse, die derzeit in den Golfmonarchien stattfinden und den traditionellen Gesellschaftsvertrag herausfordern. Die Region durchläuft einen fundamentalen Wandel, der die Lebenswirklichkeiten des Einzelnen ebenso beeinflusst wie die des Kollektivs. Die Auswirkungen des Klimawandels zeigen sich in der arabischen Welt ebenso wie in Deutschland, und das Ringen um Arbeitsplätze, bezahlbaren Wohnraum und der Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf beschäftigt in Ländern wie Saudi-Arabien, Oman oder Kuwait die jungen Menschen ähnlich wie in Europa. Sie hadern mit ihren Zukunftsperspektiven, lösen sich aus den traditionellen Zwängen der älteren Generation, verändern Geschlechterverhältnisse und brechen mit religiösen Dogmen. Trotzdem stellt die Mehrheit der golfarabischen Gesellschaften ihre Herrscher nicht in Frage – trotz einer Zunahme an politischer Repression. Die traumatischen und desillusionierenden Erfahrungen nach den »Arabischen Aufständen«, die Gräueltaten des IS, die desaströsen Kriege in Libyen, Jemen oder Syrien haben in vielen Menschen die Sehnsucht nach Stabilität wachsen lassen, die sie vor allem durch ihre Herrscher gewährleistet sehen. Diese Sorge vor Anarchie und Chaos nutzen die jeweiligen Herrscher geschickt aus und präsentieren sich gegenüber ihren eigenen Bevölkerungen sowie dem Ausland als Bollwerk gegen den Terrorismus und als Schutzmacht gegen Krisen und Kriege, um so die eigene Macht zu
sichern. Dieser Widerspruch wird in der deutschen Diskussion nicht ausreichend reflektiert, da zumeist ein Wissensvakuum und ein Mangel an Zugängen zu nicht-staatlichen Akteuren vorherrscht. Dabei wäre es für eine ausgewogene Debatte um den Umgang mit den Golfstaaten hilfreich, zwischen Staat und Gesellschaft dezidierter zu unterscheiden und sich diesen Grautönen zu widmen. Dafür benötigt es Empathie gegenüber den Menschen am Golf und ihren verschiedenen Lebensrealitäten: Wohlstands- und Bildungsniveau unterscheiden sich massiv zwischen Ländern wie Oman und Katar, zwischen einzelnen Landesregionen wie dem Nadschd oder dem Hidschaz in Saudi-Arabien sowie zwischen urbaner und ländlicher Bevölkerung. Armut und Obdachlosigkeit existieren zeitgleich neben unermesslichem Reichtum und Dekadenz, konservative Religiosität neben säkularem Hedonismus und gleichberechtigte Geschlechterbeziehungen neben patriarchalischen Strukturen. Diese doppelten Böden charakterisieren die komplexe Verfasstheit der Golfmonarchien und bleiben externen Beobachte:innen häufig verschlossen und verborgen. Daher benötigt es eine empathische Sensibilität im Umgang mit diesen Phänomenen und gleichzeitig die Offenheit und Toleranz, Heterogenitäten und Unterschiede zu erklären, konstruktiv zu kritisieren oder zuzulassen – auf beiden Seiten.
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17 https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-putin-ukraine-scholz-1.5537957. 18 https://www.deutschlandfunk.de/nord-stream-2-gas-kritik-abhaengig-100.html. 19 https://www.sueddeutsche.de/politik/russland-putin-ukraine-scholz-1.5537957. 20 G. Maihold: Von Goethes Welt zu Goethe in der Welt. Für eine neue Politik der internationalen Kulturbeziehungen, SWP-Aktuell 2021/A 51, Stiftung Wissenschaft und Politik, 16. Juli 2021, https://www.swp-berlin.org/publikation/vongoethes-welt-zu-goethe-in-der-welt. 21 Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP: Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, 2021. 22 S. Sons: Katar: Vom Regen in die Traufe, Rosa-Luxemburg-Stiftung, 11. August 2022, https://www.rosalux.de/news/id/46842/katar-vom-regen-in-die-traufe. 23 https://www.bundestag.de/resource/blob/901222/d4bb9a0760a242a3f244cda9d87e6f54/220704-Amnesty-Internationalldata.pdf. 24 https://www.bundestag.de/resource/blob/901958/86f6296d7f6399e0187cd3140a1998fd/220704-IGBau-data.pdf. 25 https://www.ilo.org/beirut/countries/qatar/WCMS_760466/lang--en/index.htm. 26 https://www.boycott-qatar.de. 27 https://www.zeit.de/sport/2022-11/wm-2022-katar-aussenpolitik-debatte-deutschland. 28 https://www.spiegel.de/sport/fussball/champions-league-wie-katar-auspsg-eine-weltmarke-formte-und-trotzdem-nichtans-ziel-kam-a-a8b43c41-347a-4dee-813e-c05c84701101. 29 https://www.deutschlandfunk.de/sponsoring-von-qatar-airways-fans-kritisieren-antworten-des-fc-bayern-zu-katar-dlf3d0312f9-100.html. 30 https://www.welt.de/sport/fussball/plus241821607/WM-2022-Nasser-Al-Khelaifi-Der-gefuerchtete-Strippenzieher-desWeltfussballs.html. 31 https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/140201-bm-muesiko/259554. 32 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Meldung/2019/20190124-deutsch-emiratische-energiepartnerschaft-foerdertdialog.html. 33 https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2021/03/20210311-altmaier-unterzeichnet-gemeinsameabsichtserklärung-zur-deutsch-saudischen-wasserstoffzusammenarbeit.html. 34 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/robert-habeck-beim-emir-in-katar-ein-minister-auf-shoppingtour-a-b2ffd15e825a-4a9e-b8f1-da98d829a903. 35 https://www.zeit.de/politik/2022-10/katar-menschenrechte-botschafter-nancy-faeser-fussball-wm. 36 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/katar-und-die-wm-vertrauliches-schreiben-des-deutschen-botschafterswarnt-vor-miserabler-stimmung-a-3fa0dfcb-c44d-4582-9581-5acc2e404c66. 37 https://www.tagesspiegel.de/sport/keine-fussball-wm-fur-alle-arabische-staaten-und-das-turnier-in-katar-8838598.html. 38 https://twitter.com/hashtag/I_am_Arab_and_I_support_Qatar?src=hashtag_click. 39 https://amwaj.media/media-monitor/german-criticism-of-qatar-s-rights-record-ignites-arab-solidarity. 40 S. Sons: Problematische Partner, IPG-Journal, 14. November 2022, https://www.ipg-journal.de/regionen/naherosten/artikel/problematische-partner-6321/. 41 https://www.deutschlandfunk.de/jagoda-marinic-demokratie-ampelkoalition-rechtspopulismus-100.html. 42 https://www.arabnews.com/node/1393491/saudi-arabia. 43 T. Borck und S. Sons: Germany’s New Government and the Middle East, Roy-al United Services Institute, 14. Januar 2022, https://rusi.org/explore-our-research/publications/commentary/germanys-new-government-and-middle-east. 44 S. Sons: Menschenrechte sind nicht käuflich. Warum die WM in Katar auch bei uns zu einer neuen Politik führen muss, Hamburg: Atrium 2022. 45 Ebd., S. 70. 46 Ebd., S. 86.
Kapitel 6 Verpasste Chancen? Wie Deutschland mit den Golfstaaten zusammenarbeiten könnte Neben diesen generellen Leitlinien sollte die deutsche Außenpolitik stärker als bisher konkrete Felder identifizieren, in denen mit den Golfstaaten zusammengearbeitet werden könnte, ohne die eigenen Werte zu verraten. Dass dieses Ziel der Quadratur des Kreises gleicht, erschwert den Umgang mit den Golfmonarchien. Dennoch: In einer sich wandelnden Weltordnung sind die Herrscher am Golf eine politische Realität, der mit einer gesunden Portion skeptischem Pragmatismus begegnet werden sollte. Dies wird auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie der Bundesregierung angedeutet, auch wenn die Golfstaaten nicht explizit genannt werden. Dort heißt es: »Zugleich bemühen wir uns um engere Zusammenarbeit mit Staaten, die zwar nicht alle unsere Werte teilen, die aber wie wir für eine solche internationale Ordnung eintreten.«1 Diese Einschätzung trifft auch auf die Golfmonarchien zu, bekennen sie sich doch zu einer internationalen Ordnung der Stabilität und des Dialogs, festigen aber ihre autoritären Herrschaftsmodelle, die einer freiheitlichdemokratischen Grundvorstellung widersprechen. Spätestens mit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sind die Golfstaaten zu einem Partner der Notwendigkeit geworden. Im Lichte der deutschen Energiediversifizierung braucht Deutschland katarisches Erdgas oder in Zukunft saudischen Wasserstoff und betrachtet daher die Golfregion als attraktiven Wirtschaftspartner. Doch auch wenn die Wirtschaft ein etabliertes Feld der Kooperation war, ist und bleibt – Handel und Investitionen reichen nicht aus, um der neuen Bedeutung der Golfregion gerecht zu werden. Dafür braucht es neben der Energiepolitik auch verstärkten Dialog in der Migrations- und Entwicklungspolitik, der Kultur und dem Sport, der Klimadiplomatie sowie dem Prozess der regionalen Annäherung. Verstärkte Zusammenarbeit in der Migrations- und Entwicklungspolitik: Anstatt die Golfstaaten für ihre strukturelle Ausbeutung von Arbeitsmigrant:innen ausschließlich zu kritisieren, könnte gemeinsam mit ihnen über Initiativen nachgedacht werden, um globale Prozesse der Arbeitsmigration zu verbessern.2 Regionale Formate wie der sogenannte Abu Dhabi Dialogue haben in den vergangenen Jahren wichtige Entsendestaaten sowie die Golfmonarchien zusammengebracht, um die Rahmenbedingungen von Arbeitsmigration zu
diskutieren. An diesem 2008 gegründeten Forum beteiligen sich Bangladesch, China, Indien, Indonesien, Nepal, Pakistan, die Philippinen, Sri Lanka, Thailand und Vietnam sowie Aufnahmestaaten wie Katar, Saudi-Arabien, Bahrain, die VAE und Kuwait.3 Solche Initiativen sollte Deutschland gemeinsam mit internationalen Organisationen wie der International Labour Organization (ILO) und der International Organization for Migration (IOM) unterstützen und mit Staaten wie Saudi-Arabien, Katar oder den VAE sowie asiatischen Partnern wie Pakistan, Indien oder Bangladesch nach Wegen suchen, die Ausbeutung von Migrant:innen als gemeinsame Herausforderung zu betrachten – immerhin sind westliche Staaten wie Deutschland durch ausbeuterische Lieferketten in die strukturelle Gewalt globaler Migration eingebunden und müssten sich dieser Verantwortung ebenso bewusst werden wie die vielfach kritisierten Golfmonarchien. Dabei sollte eine gemeinsame Verantwortung für den Migrantenschutz betont werden, anstatt gegenseitig Schuldzuweisungen zu fällen. Mittlerweile existieren am Golf sowie in asiatischen Herkunftsländern zivilgesellschaftliche Initiativen und NRO, die sich für den besseren Schutz der Migrant:innen einsetzen und versuchen, eine kritische, aber konstruktive Öffentlichkeit herzustellen. Mit solchen Akteuren könnten z. B. die politischen Stiftungen in Deutschland einen verstärkten Dialog suchen. Die Bundesrepublik hat über seine Entwicklungspolitik in der Vergangenheit bereits Projekte realisiert, die Migrant:innen aus Asien Angebote bieten, sich über die Chancen und Risiken ihrer Auswanderung zu informieren. In solchen Orientierungszentren werden Kurse und Lehrgänge angeboten, umfassen allerdings bislang nicht den Migrationskorridor an den Golf. Ähnliche Initiativen wurden auch von einigen Golfstaaten wie Katar eingerichtet, das Visazentren in wichtigen asiatischen Entsendestaaten gegründet hat. Noch findet allerdings kein institutioneller Austausch statt, und Maßnahmen werden nicht koordiniert. Um dies zu ändern, könnten Informationen zum Migrationsprozess, zum Schutz vor Ausbeutung insbesondere von Frauen, regulären Migrationsbedingungen, offiziellen Rekrutierungsagenturen und zur Wiedereingliederung in den heimischen Arbeitsmarkt nach der Rückkehr vom Golf bereitgestellt werden. Dass die Golfmonarchien Migration vor allem als potenzielles Sicherheitsrisiko betrachten und diese Wahrnehmung mit einigen europäischen Staaten teilen, zeigt die Teilnahme aller sechs Golfmonarchien am sogenannten »Rom-Prozess«, der von der populistischen italienischen Regierung 2023 unter Premierministerin Giorgia Meloni ins Leben gerufen wurde, um irreguläre Migration zu bekämpfen.4 Die VAE stellten für die beschlossenen Maßnahmen zur Migrationskontrolle aus Nordafrika EUR 100 Mio. zur Verfügung.5 Solche Initiativen müssen mit größter Vorsicht betrachtet werden, dienen sie doch den beteiligten Staaten als Instrument einer restriktiven Einwanderungspolitik, die
weder den Schutz der Migrant:innen noch die Entwicklung von nachhaltigen Kooperationsmodellen mit relevanten Entsendestaaten in Afrika ausreichend berücksichtigen. Stattdessen dienen sie der Abschottung. Umso wichtiger wäre es, Alternativen anzubieten, um einen inklusiven Ansatz bei der Migrationspolitik zu suchen, der den deutschen Vorstellungen gerecht wird und einer populistischen Herangehensweise entgegentritt. Eine besser koordinierte Migrationspolitik bietet außerdem die Möglichkeit, entwicklungspolitisch enger mit den Golfstaaten zu kooperieren, die sich in den letzten Jahren verstärkt auf die technische Zusammenarbeit konzentrieren. Ein solcher Ansatz kommt dem deutschen entwicklungspolitischen Prinzip entgegen. Allerdings müssen solche Kooperationsmodelle sorgfältig auf potenzielle Reputationsrisiken geprüft werden, da die »Politisierung«6 von Golfhilfe oftmals deutschen Interessen von Inklusion, der Förderung von Zivilgesellschaften, politischer Teilhabe und Geschlechtergerechtigkeit widerspricht. So stehen Staaten wie Saudi-Arabien oder Katar bei entwicklungspolitischen Akteuren unter Generalverdacht, islamistische Strömungen in Europa zu unterstützen.7 In Deutschland oder der Schweiz stehen deswegen die eingerichteten Initiativen zur engeren entwicklungspolitischen Zusammenarbeit mit den Golfstaaten auf dem Prüfstand und werden intern oftmals skeptisch betrachtet. Vertreter:innen der Golfstaaten wiederum kritisieren, dass der europäische humanitäre Ansatz von einer eurozentrischen Doppelmoral getrieben sei, da er die herausragende Expertise der Entwicklungsorganisationen am Golf weitgehend vernachlässigt und sie nach wie vor eher als finanzstarke Geber denn als respektierte Partner bei der Projektumsetzung betrachtet. Dennoch bieten sich Optionen in den Bereichen Bildung und Ausbildung, Gesundheitsund Klimaschutz sowie Jugendförderung. Golfarabische Organisationen wie EAA oder die Islamische Entwicklungsbank werden daher auch bei Entscheidungsträger:innen in Berlin und anderen europäischen Hauptstädten als geeignete Partner betrachtet8, engagieren sie sich doch verstärkt in für die europäische Entwicklungspolitik relevanten Zielregionen wie Afrika und suchen verstärkt den Austausch mit europäischen Gebern auf der Grundlage der SDG. Um sich als verlässliche und vertrauenswürdige Akteure zu positionieren, suchen solche Institutionen verstärkt den Austausch mit der deutschen Entwicklungspolitik, um Synergien und Ressourcen zu bündeln und den Wissenstransfer zu verbessern.9 Die Golfstaaten verfügen über weit verzweigte Netzwerke in Afrika und Asien, die auch dem deutschen Engagement von Nutzen sein könnten, während eine bessere Geberkoordinierung über die Arbeitsgruppen der OECD eine weitere Möglichkeit bietet, sich abzustimmen und mehr vonund übereinander zu lernen. In der im Juni 2019 unterzeichneten gemeinsamen Erklärung der VAE und Deutschlands wird die humanitäre Hilfe daher als vielversprechendes Feld für
bilaterale Maßnahmen genannt.10 Auch die EU hat dieses Potenzial erkannt und als Pfeiler einer engeren Zusammenarbeit mit den Golfstaaten formuliert. Wie im Strategieplan 2020– 2024 der EU-Generaldirektion »Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung« dargelegt wird, sind die wichtigsten Prioritäten der europäischen Entwicklungszusammenarbeit Klimawandel, Umwelt und Energie, nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung, Digitalisierung, Migration, Förderung der Menschenrechte und menschliche Entwicklung.11 Die meisten dieser Themen sind auch für die sich verändernde Entwicklungspolitik am Golf relevant. Die im Mai 2022 verlautbarte »Strategische Partnerschaft mit der Golfregion« der EU zielt ebenfalls darauf ab, eine globale humanitäre und Entwicklungspartnerschaft mit der Golfregion einzugehen. Die Verknüpfung von humanitärer Hilfe, Entwicklung und Frieden wird ausdrücklich als eine der wichtigsten Säulen der Zusammenarbeit genannt. Regelmäßige Austauschformate wie der Arab-DAC-Dialog oder ein verstärktes Engagement mit der Arab Coordination Group werden daher als konkrete zukünftige Formate für eine solche Zusammenarbeit vorgestellt.12 Schließlich bietet die zunehmende Verknüpfung von Investitions- und Entwicklungspolitik auch einen neuen Impuls für die Zusammenarbeit zwischen der EU und den Golfstaaten: Bei der Identifizierung von Initiativen zur Förderung des Unternehmertums, der Befähigung von Jugendlichen und Frauen sowie inklusiver Gesundheitsdienste könnten Akteure aus der EU und der Golfregion in Zeiten wirtschaftlicher Diversifizierung Synergieeffekte erzielen. Je knapper die Ressourcen werden, desto mehr Zusammenarbeit ist notwendig, um Wege für eine nachhaltige Entwicklungshilfe zu finden.13 Auch ein verstärkter Wissenstransfer ist erforderlich: In diesem Zusammenhang sind die Bestrebungen, im Herbst 2023 ein EU-Golf-Ministertreffen zur humanitären Hilfe zu veranstalten, vielversprechend, sollten aber auch eine Vielzahl von Fachleuten aus Europa, der Golfregion und relevanten Partnerregionen umfassen. Ein solches Treffen könnte einen regelmäßigen Austausch initiieren, indem es sich mit der gemeinsamen Finanzierung von Entwicklungsprojekten befasst, aber auch technische Partnerschaftsmodelle mit einem stärkeren Fokus auf Kapazitätsentwicklung diskutiert. Verstärkte Zusammenarbeit in der Kultur und im Sport: Der Boom um die saudische Transferoffensive im Fußball führt bei deutschen Fußballtraditionalist:innen zu Bauchschmerzen und verstärkt die Sorgen vor einer weiteren Kommerzialisierung des Sports. Finanzstarke Golfmonarchien werden als Bedrohung des Kulturguts Fußball wahrgenommen, die mit ihren Milliarden danach streben, traditionelle Strukturen aufzubrechen, das Spiel politisch zu instrumentalisieren und »Sportswashing« zu betreiben. Diese Haltung hat zwar einerseits ihre Berechtigung, greift aber andererseits zu kurz, da sich in dem Trend zu verstärkten Investitionen in den Sport auch eine Chance zu engerer Zusammenarbeit verbirgt. In Ländern wie Saudi-Arabien wird der Breitensport massiv ausgebaut, was deutschen
Akteuren aus dem Freizeit- und Gemeindesport in Partnerschaft mit den einflussreichen Verbänden wie dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) ermöglichen könnte, gemeinsame Initiativen ins Leben zu rufen. Dazu könnten Sportfestivals, Leichtathletik- oder Laufwettbewerbe, Fußballturniere oder E-Gaming-Convents ausgerichtet werden, um Aktive aus Deutschland und Saudi-Arabien sowie anderen Golfstaaten in einen sportlichen Wettbewerb zu bringen, der mit gemeinsamen Kulturveranstaltungen und gegenseitigen Besuchen ergänzt werden könnte. Sport bietet eine Plattform für zwischenmenschlichen Austausch, kann kulturelles Wissen vermitteln und Vorurteile abbauen. Der momentane Hype um den Sport am Golf bietet also gerade in diesem Bereich eine Möglichkeit zu intensiverem Dialog. In Saudi-Arabien zeigen Offizielle gesteigertes Interesse am deutschen Vereinswesen, was im Bereich der Aus- und Weiterbildung gemeinsame Kooperationen ermöglichen könnte. Überall am Golf finden sich lokale Laufgruppen, Fitnesskurse und Radrennen – eine Situation, die vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre; ebenso wird Frauenfußball immer populärer.14 Sportveranstaltungen könnten außerdem zu Orten der Begegnung werden, an denen nicht nur europäische und golfarabische Sportler:innen, sondern auch Arbeitsmigrant:innen teilnehmen könnten, um Inklusion und das soziale Miteinander zu fördern. Vor dem Hintergrund der regionalen Annäherung sind auch sportliche Wettbewerbe, an denen Iran sowie die Golfmonarchien stattfinden, kein Tabu mehr. Und auch die Abraham-Abkommen bieten einen politischen Rahmen, um regionalen Austausch über den Sport zwischen Israel und den Golfstaaten zu forcieren. Deutsche und europäische Akteure könnten dieses neue Momentum nutzen, um stärker als bisher über den Sport diesen Prozess zu unterstützen.15 Ähnlich wie im Sport bietet auch die Kulturszene Möglichkeiten der verstärkten Zusammenarbeit: In den letzten Jahren hat sich am Golf eine vitale und vielschichtige Kunstund Kulturszene entwickelt, die in vielen Bereichen vom Staat unterstützt wird. Eine dynamische Kunst- und Kulturindustrie wird in allen Golfstaaten als Teil der wirtschaftlichen Diversifizierung begriffen, soll Jobs für Kreative schaffen und die jeweilige Identitätspolitik stärken. Mittlerweile sind die Golfstaaten zu einem wahren Sammelbecken für aufstrebende Künstler:innen und Kulturschaffende geworden, die in unzähligen Ausstellungen, Residenzund Austauschprogrammen, Biennalen oder Messen ihre Exponate ausstellen und zu wahren Superstars der internationalen Kulturszene aufsteigen können. Gerade Saudi-Arabien betrachtet sich hier wieder als Vorreiter.16 Insbesondere junge Künstlerinnen können sich durch staatliche und private Fördermöglichkeiten mittlerweile in ihrer kreativen Arbeit entfalten und werden vom Staat zu »Motoren des Wandels« stilisiert. Damit soll nicht nur die Kreativindustrie gefördert, sondern auch die Reputation des Königsreiches verbessert werden: Kunst als Katalysator für Fortschritt und Wandel – auf diese Formel lässt sich die
Kulturpolitik am Golf bringen. Daher muss erneut jedwede Zusammenarbeit kritisch geprüft werden, um zu vermeiden, für politische Zwecke instrumentalisiert zu werden. Dennoch können gemeinsame Kunst- und Kulturprojekte das gegenseitige Verständnis stärken und zum Dialog beitragen. Insbesondere die Goethe-Institute, die in Saudi-Arabien, Oman und den VAE über Büros verfügen, haben in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mit golfarabischen Künstler:innen gefördert, Veranstaltungen vor Ort oder Austauschprogramme zwischen Deutschland und den Golfstaaten organisiert. So werden Drehbuchwerkstätten für Nachwuchsregisseur:innen17, Poetry Slams, Kinoabende, Workshops oder Kulturveranstaltungen durchgeführt.18 Derzeit forcieren auch andere Initiativen den Austausch zwischen Kulturschaffenden aus Deutschland und den Golfstaaten, um Themen wie Umweltbewusstsein, Identitätsfindung in einer sich wandelnden Welt, Nostalgie und Traditionen, Geschlechterverhältnisse und Generationenkonflikte aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren und gemeinsam Kunst zu produzieren.19 Im Rahmen des populären saudischen MiddleBST-Musikfestival wurden zur Musikkonferenz XP Music Futures20 auch mehrere deutsche Musiker:innen, Bands und DJ’s nach Riad eingeladen, um vor Ort zu performen. Mittlerweile existieren einige wenige nicht-staatliche Räume, in denen lokale Kulturschaffende ohne Kontrolle des Staates Netzwerke bilden und ihre Kunst zeigen können: Beispielsweise hat sich in Saudi-Arabien eine Gruppe von jungen Künstler:innen zusammengeschlossen und ein altes Gebäude renoviert, um es zu einem Kulturzentrum umzuwandeln, in dem Konzerte, Partys oder Filmabende stattfinden – gänzlich ohne staatliche Unterstützung. Noch sind diese Initiativen in Deutschland weitgehend unbekannt, doch es besteht Interesse bei den Organisator:innen, sich stärker mit der deutschen und europäischen Kulturszene zu vernetzen, um gemeinsame Projekte zu realisieren. Immer mehr golfarabische Künstler:innen zieht es nach Deutschland, um in Berlin und anderswo ihre Arbeit auszustellen oder sich inspirieren zu lassen. Vor diesem Hintergrund bestehen bereits enge individuelle und institutionelle Netzwerke, die allerdings noch zu wenig öffentlich sichtbar sind und enger miteinander koordiniert werden könnten. Verstärkte Zusammenarbeit in der Klimadiplomatie und der Energiepolitik: Im Rahmen des Angriffskrieges gegen die Ukraine war Deutschland gezwungen, sich von russischen Erdgaslieferungen zu emanzipieren und Alternativen zu finden. Dies konstatiert auch Außenministerin Baerbock in ihrem Vorwort der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie: »Wir haben jeden Kubikmeter russisches Gas doppelt und dreifach mit unserer nationalen Sicherheit bezahlt. In Zukunft werden wir Sicherheitspolitik stärker mitdenken bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen.«21 Damit beruft sie sich auf einen integrierten Sicherheitsbegriff, der der Strategie zugrunde liegt, worunter »das Zusammenwirken aller relevanten Akteure, Mittel und Instrumente (verstanden wird), durch deren Ineinandergreifen
die Sicherheit unseres Landes umfassend erhalten und gegen Bedrohungen von außen gestärkt wird.«22 Hierzu zählt explizit die Energiepolitik. In diesem Zusammenhang sind die arabischen Golfmonarchien zu relevanten Partnern aufgestiegen. Dies symbolisierte die Reise von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck im März 2022 in die VAE und nach Katar, um bei Emir Tamim die Möglichkeiten der engeren Kooperation auszuloten.23 Danach folgte ein reges Kommen und Gehen der mächtigen Männer vom Golf im Berliner Regierungsviertel: Im Mai besuchten der katarische Emir24 und der damalige VAE-Minister für Industrie und Hochtechnologie Sultan Ahmed Al Jaber die deutsche Hauptstadt25, um über eine verstärkte Zusammenarbeit im Wasserstoffbereich zu sprechen. Zwei Monate später reiste auch der omanische Sultan Haitham bin Tariq zu Konsultationen über die deutsch-omanische Wasserstoffpartnerschaft nach Berlin.26 Und auch bei Bundeskanzler Olaf Scholz’ erster Reise nach Riad, Abu Dhabi und Katar im September 2022 standen die Themen Energiesicherheit und wirtschaftliche Zusammenarbeit im Mittelpunkt.27 In dieser Zeit fanden zähe Verhandlungen zwischen Katar und Deutschland statt, ehe eine Einigung erreicht werden konnte: Im September 2022 vereinbarten Doha und Berlin eine umfassendere Energiepartnerschaft, in deren Rahmen Deutschland ab 2026 für 15 Jahre Flüssiggas28 von der staatlichen Gesellschaft Qatar Energy über die US-Firma ConocoPhillips beziehen soll.29 Dieses Kooperationsmodell markiert einen Wendepunkt in den Beziehungen Deutschlands zu den Golfmonarchien. Bislang war das wirtschaftliche Engagement Deutschlands am Golf vor allem durch Exporte in den Bereichen Automobil, verarbeitendes Gewerbe, Infrastruktur oder Dienstleistungen geprägt. Im Jahr 2021 belief sich der Gesamtwert der Ein- und Ausfuhren zwischen Deutschland und den Golfmonarchien auf EUR 18,9 Mrd.30, wobei die deutschen Exporte USD 13 Mrd. zur Handelsbilanz beitrugen. Die VAE sind mit einem Volumen von EUR 8 Mrd. Deutschlands wichtigster Handelspartner am Golf, gefolgt von Saudi-Arabien mit EUR 6,6 Mrd. Partnerschaften im Energiesektor hielten sich dagegen bislang in Grenzen, doch nach Beginn des Ukraine-Krieges haben sich die Zeiten geändert und erfordern auch in Deutschland ein Umdenken. Vor dem Krieg bezog Deutschland 55% seiner Gaslieferungen aus Russland31, was wiederum eine höchst problematische politische Abhängigkeit zum Kreml schuf. Als Scholz im vergangenen Jahr den russischen Angriff auf die Ukraine als »Zeitenwende« bezeichnete32, musste die Bundesregierung demnach umfangreiche Anstrengungen unternehmen, um die Energiepartnerschaften des Landes zu diversifizieren. Im Rahmen der nationalen Energiewende strebt Deutschland an, die Kohlendioxidemissionen bis 2030 um 65% zu senken33, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung auf 80% zu erhöhen34 und bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen.35 Wasserstoff soll dabei zu einer tragenden Säule des deutschen Energiemix werden. Bereits im Juni 2020 hat die
damalige Bundesregierung die Nationale Wasserstoffstrategie36 auf den Weg gebracht, die einen Rahmen für die Energieerzeugung auf Basis von Wasserstoff gibt und notwendige Importe sicherstellen soll. Da die Golfmonarchien sich als regionale Drehscheiben für die Wasserstoffproduktion etablieren wollen, ist Deutschland mehr denn je an einer Zusammenarbeit interessiert.37 So unterzeichneten Deutschland und Saudi-Arabien bereits im März 2021 den Deutsch-Saudischen Energiedialog38, um die bilaterale Zusammenarbeit bei der Produktion und dem Transport von Wasserstoff zu fördern39, und im Februar 2022 eröffnete Deutschland unter Federführung des AA in der saudischen Hauptstadt ein »Büro für Wasserstoffdiplomatie« in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH.40 Mit den VAE wurde bereits 2017 ein Energiepartnerschaftsabkommen unterzeichnet.41 Siemens baute 2021 die erste Wasserstoffproduktionsstätte in Dubai42, und im Dezember 2022 ratifizierte das staatliche Ölunternehmen ADNOC eine Vereinbarung mit RWE, 137.000 Kubikmeter LNG nach Deutschland zu liefern.43 Im Februar traf die erste Lieferung aus den VAE am Brunsbütteler Elbehafen ein.44 Für die Golfstaaten sind solche Partnerschaften ein wichtiger Treiber ihrer Energiediversifizierung, erfolgen aber gleichzeitig aus machtpolitischem Kalkül.45 Immerhin dient ihnen ihre aktive Klimadiplomatie nicht nur dazu, die eigene Energiepolitik an neue Gegebenheiten wie den Klimawandel anzupassen, sondern auch, um ihre traditionelle Ölund Gasabhängigkeit beizubehalten. Damit streben sie danach, ihr erfolgreiches Geschäftsmodell beizubehalten und die Energiewende nur in Bereichen zu fördern, die ihren eigenen Interessen nutzen. Es geht erneut um ein Sowohl-als-auch und nicht um ein Entweder-oder: Immerhin wollen die golfarabischen Herrscher so lange wie möglich von den Öl- und Gaseinnahmen profitieren, um damit die Energiewende zu finanzieren: Sie nutzen also die Öleinnahmen, um sich unabhängiger vom Erdöl aufzustellen.46 Weiterhin sind die Golfstaaten darauf fixiert, die gravierenden Auswirkungen des Klimawandels mithilfe moderner Technologie in den Griff zu bekommen. Am Golf existiert derzeit eine fast schon überbordende Euphorie in den technologischen Fortschritt, der zum einen Chancen für profitable Geschäfte westlicher Unternehmen eröffnet, zum anderen aber auch Fragen nach effizienter Energienutzung verdrängt. Dieser Trend wird durch die engen Partnerschaften mit asiatischen oder europäischen Energieunternehmen und Regierungen noch verstärkt. Daher könnten auch die Wasserstoffpartnerschaften mit Deutschland zu kritischen Diskussionen führen, konzentriert sich die Bundesrepublik doch eher auf den grünen Wasserstoff, der aus Solar- und Windenergie gewonnen wird, während z. B. Saudi-Arabien auch auf den gasbasierten blauen Wasserstoff setzt. Technische und logistische Hürden, fehlende Zertifikationsstandards oder mangelnde Fachkräfte erhöhen bei deutschen
Expert:innen weiter die Skepsis, dass die Energiepartnerschaften mit den Golfstaaten langfristig erfolgreich sein können.47 Diesen Schattenseiten muss man sich bewusst sein, um eine Politisierung der Wasserstoffpartnerschaften zu vermeiden und nicht für machtlegitimierende Zwecke der Herrscher am Golf instrumentalisiert zu werden. Dennoch bietet die Energiepartnerschaft mit den Golfstaaten eine der wenigen Win-Win-Situationen mit geringen politischen Risiken und hohen Profitpotenzialen. Die deutsche Bundesregierung möchte eine »grüne« Außenpolitik verfolgen48, in der die Unterstützung der internationalen Klimapolitik, die Auseinandersetzung mit außen- und sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels und der Dialog mit dem Ausland für mehr Klimaschutz zu den drei obersten Prämissen erhoben wurden.49 Im Rahmen dieses Ansatzes sollten die Energiepartnerschaften jedoch nicht nur als Chance für wirtschaftliche Gewinne betrachtet werden, sondern auch als Weg, Umweltbewusstsein und Maßnahmen gegen den Klimawandel in der Region zu fördern.50 Deutschland verfügt fraglos über ausreichende Expertise, um nachhaltige Ansätze in Fragen der erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz oder des Klimaschutzes gemeinsam mit golfarabischen Akteuren zu diskutieren und zu entwickeln. Es wäre allerdings ein strategischer Fehler, die Golfstaaten als reine Empfängerinnen und Günstlinge der deutschen Expertise zu betrachten, da dies als respektlose Bevormundung wahrgenommen würde. Immerhin hat auch am Golf der Stellenwert der deutschen Wirtschaft gelitten: Deutsche Produkte werden zwar noch immer aufgrund ihrer Qualität geschätzt, gelten aber im Vergleich zu chinesischen Konkurrenzgütern als zu teuer und zu kompliziert in der Wartung und Bedienung. Mit Argwohn wird am Golf auch die Diskussion innerhalb Deutschlands über mangelhafte Digitalisierung, veraltete Industriestrukturen, verkrustete und langsame Entscheidungsprozesse sowie fehlender Innovation verfolgt, die die Einschätzung schürt, die Bundesrepublik könne den hohen wirtschaftlichen Standard nicht mehr garantieren und zu einem Auslaufmodell werden: »Wer regelmäßig mit Besuchern oder deutschen Rückkehrern aus dem Ausland spricht, kennt die Verwunderung: Vieles funktioniert hier digital nicht, was anderswo selbstverständlich ist. Darunter sind Länder, auf die Deutsche herabblicken und die sie für rückständig halten.«51 Anstatt den Status quo zu bewahren, sollte Deutschland die Golfregion als Chance für wirtschaftliche Partnerschaft begreifen, fordern viele Gesprächspartner:innen aus Saudi-Arabien oder den VAE. Mittlerweile sei Deutschland nur noch ein Partner unter Vielen, was auf die Zögerlichkeit und die fehlende Lernbereitschaft auf deutscher Seite zurückzuführen sei, weswegen andere Wirtschaftsnationen längst vorbeigezogen seien. Deutschland sei zu phlegmatisch und müsse sich lernfähiger zeigen, wolle es den Anschluss nicht verlieren. Immerhin verfügen die Golfstaaten über langjährige Erfahrungen in der Energiepolitik und wollen auf Augenhöhe behandelt werden.
Empfehlungen, die als Belehrungen ausgelegt werden, können daher eine vertrauensvolle Zusammenarbeit insbesondere im Energiebereich erschweren. Deswegen sollten deutschgolfarabische Initiativen gestärkt werden, die nicht nur technischen oder ingenieurwissenschaftlichen, sondern interdisziplinären Dialog anstreben, und NRO sowie lokale Initiativen und Forschende zu den Themen Umweltschutz und Nachhaltigkeit zusammengebracht werden, um Erfahrungswerte auszutauschen.52 Solche Projekte könnten auch Vertreter:innen aus anderen vom Klimawandel betroffene Länder wie Irak oder Jemen sowie in Zeiten der regionalen Annäherung sogar Iran beinhalten; immerhin leidet die gesamte Region massiv unter Dürren, Sandstürmen, Überschwemmungen und Küstenerosion.53 Im Rahmen des europäischen Green Deals sollen die europäischen CO2-Emissionen bis 2030 um 55% reduziert und die EU bis 2050 klimaneutral werden. Damit könnte der Green Deal auch als Anreiz für die Golfstaaten dienen, sich mit der EU stärker für die Energiewende einzusetzen. Doch bislang blieb der europäische Ansatz gegenüber den Golfstaaten unzureichend und fragmentiert54: Während EU-Mitgliedsstaaten wie Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Polen, Griechenland oder Ungarn zuletzt Energievereinbarungen mit den Golfstaaten eingegangen sind55, fehlt es an innereuropäischer Abstimmung und Dialogbereitschaft. Die »RE-PowerEU«-Strategie der EU56 legt zwar Regeln für den Energieimport aus dem Golf und anderen Weltregionen fest, während die EU-Strategie für die Golfstaaten grüne Energien als wesentlichen Pfeiler der Zusammenarbeit definiert und es in den letzten Jahren immer wieder zu hochrangigen Treffen zwischen EU- und Golf-Offiziellen gekommen ist, um den Energiedialog zu intensivieren.57 Doch eine echte institutionalisierte Partnerschaft im Wasserstoffbereich ist bislang nicht vereinbart worden.58 Dies führt insbesondere auf Seiten der Golfstaaten zu vermehrter Unzufriedenheit. Aus ihrer Sicht zeigt sich die EU zu unflexibel, zu bürokratisch und zu desinteressiert an einer substanziellen Ausweitung der Zusammenarbeit. In Riad, Abu Dhabi oder Muskat sorgt vor allem der jahrelange Stillstand bei den Verhandlungen um ein Freihandelsabkommen für Frustration. Die politische Zerrissenheit und die sinkende Popularität der EU sorgen am Golf für wachsendes Misstrauen und die Tendenz, sich verstärkt anderen Partnern wie China zuzuwenden. Der Brexit wird dabei immer als warnendes Beispiel für den Niedergang der EU genannt. In diesem Zusammenhang sorgte die Ernennung von Luigi di Maio im Juni 2023 zum erstem Sonderbeauftragten der EU für die Golfregion59 für Kritik: Zwar unterstreicht seine Nominierung, dass die EU die Beziehungen zu den Golfstaaten intensivieren möchte, doch di Maio wurde von golfarabischen Gesprächspartner:innen als ungeeigneter Kandidat bezeichnet.60 Als Mitglied der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung sorgte er für Aufruhr innerhalb des italienischen
politischen Establishments und nahm euroskeptische Positionen ein. Weiterhin befürwortete er einen gescheiterten Waffendeal zwischen Italien, Saudi-Arabien und den VAE, was seiner Reputation am Golf merklich schadete.61 Im Vergleich zu möglichen Alternativkandidaten galt er als zu unerfahren, da er weder diplomatische Erfahrungen am Golf gesammelt hatte noch Arabisch spricht.62 Trotz solcher Vorbehalte und gegenseitigem Misstrauen kann eine Win-Win-Partnerschaft entstehen, sollte es der EU gelingen, ihre ambitionierten Pläne umzusetzen und ein funktionales, effizientes und flexibles Partnerschaftsmodell mit den Golfstaaten zu entwickeln. Hierzu wäre es hilfreich, neben kommerzieller Kooperation auch Bildungs- und Ausbildungsformate und Austauschprogramme mit golfarabischen Universitäten und Forschungseinrichtungen auszuweiten sowie Fortbildungen und Lehrgänge anzubieten. Verstärkte Zusammenarbeit bei der regionalen Annäherung: Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Iran wurde im politischen Berlin mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis genommen: Während einerseits der Prozess zur Annäherung positiv bewertet und als Voraussetzung für regionale Sicherheit und Stabilität betrachtet wird, sorgt insbesondere Chinas Vermittlerrolle für Sorgen um eine weitere Hinwendung des Golfs nach Osten. Grundsätzlich bleiben die Möglichkeiten Deutschlands und Europas, diesen Prozess aktiv zu unterstützen, gering. Dennoch sollte versucht werden, in Form von Dialogformaten die fragile Annäherung zu unterstützen, anstatt sie zu diskreditieren. Auch wenn zu Recht die Sorge existiert, im Zuge des iranisch-saudischen Dialogs könnten autokratische Systeme wie Syrien und die Islamische Republik legitimiert und gestärkt werden, sollten gerade deswegen zivilgesellschaftliche, politikberatende oder wissenschaftliche Projekte realisiert werden, die den inter-regionalen Dialog fördern und somit zum kritischen Austausch beitragen. Dabei muss allerdings Bewusstsein für die begrenzten Mittel und Ressourcen bestehen, die Deutschland aufbringen kann. Die Bundesrepublik kann und will in der Region nicht als Ordnungsakteur auftreten. Dies muss aber nicht zwingend ein Nachteil sein. Deutschlands positives Image am Golf beruht auch darauf, Netzwerke aufzubauen und Chancen für zwischenmenschlichen Dialog zu bieten – auch unter erschwerten Bedingungen. Da die Region derzeit eine Phase der Annäherung, des Konfliktmanagements und der Deeskalation durchläuft, sollte Deutschland sein diplomatisches Gewicht anbieten, wenn es gebraucht wird, um diesen Prozess zu stärken. Als relevanter humanitärer Akteur im Jemen oder Syrien verfügt Deutschland über eine Expertise, die am Golf geschätzt und respektiert wird. Dieses Wissen könnte stärker mit diplomatischen Zielen verzahnt werden, um vertrauensbildende Maßnahmen zu implementieren. Das Tauwetter zwischen Iran und Saudi-Arabien kann sich auch schnell wieder in eine Eiszeit verwandeln. Um dem entgegenzuwirken, braucht es
intensiven Austausch auf politischer, wissenschaftlicher, wirtschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Ebene. Der hochrangige politische Dialog sollte dabei nachrangig betrachtet werden, da er nur den Eindruck schüren könnte, Autokratien zu stärken. Stattdessen könnten Netzwerke zu Akteuren aus dem Klima- und Umweltschutz, der Kunst und Kultur, der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft oder der Energiewirtschaft aufgebaut und intensiviert werden, um Veranstaltungen zu Themen gemeinsamer Dringlichkeit wie Klimawandel oder Energiediversifizierung diskutieren zu lassen. Solche Veranstaltungen zu Konfliktdialog und Mediation sollten den Eindruck vermeiden, kulturimperialistische Einflussnahme ausüben zu wollen und müssen die Teilnehmenden vor politischer Drangsalierung schützen, können aber von deutschen Akteuren professionell und effizient ausgerichtet werden, wie vergangene Formate und Institutionen bereits bewiesen haben.63 In Workshops, Seminaren und Konferenzen gelang es deutschen Forschungs- und Kultureinrichtungen regelmäßig, golfarabische und iranische Teilnehmer zusammenzubringen.64 Internationale Konferenzen wie das Doha Forum in Katar65 oder der Manama-Dialog in Bahrain66 bieten bereits hochrangige Plattformen für politischen Austausch und könnten stärker von deutscher Seite unterstützt werden. Gerade im Bereich der Klimadiplomatie existieren Chancen für konkrete Zusammenarbeit: Im Juli 2022 trafen sich auf Einladung der iranischen Regierung mehrere Staaten aus der Region, um grenzübergreifende Projekte für die Bekämpfung von Sandstürmen zu initiieren. Iran unterzeichnete außerdem Absichtserklärungen mit den VAE, Kuwait, Syrien und Irak als Bestandteil der regionalen »Sandsturmdiplomatie«.67
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Über den Autor
Sebastian Sons, arbeitet als Senior Researcher beim Forschungsinstitut CARPO - Center for Applied Research in Partnership with the Orient. Zwischen 2019 und 2021 war er als Berater im Regionalvorhaben »Zusammenarbeit mit arabischen Gebern« der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH in Jordanien beschäftigt. Er promovierte zum Thema »Alltägliche Präsenz, öffentliche Absenz: Praktiken, Strategien und Inhalte bei pakistanischen Medienakteuren zu Arbeitsmigration nach Saudi-Arabien« am Fachbereich Gender and Media Studies for the South Asian Region der Humboldt-Universität zu Berlin. Sebastian Sons studierte Islamwissenschaften, Neuere Geschichte und Politikwissenschaft in Berlin und Damaskus und absolvierte eine Ausbildung an der Berliner JournalistenSchule. Nach seinem Studium arbeitete er als wissenschaftlicher Abteilungsleiter beim Deutschen Orient-Institut und war Chefredakteur der wissenschaftlichen Zeitschrift Orient (2009–2014). Im Anschluss war er als wissenschaftlicher Projektmitarbeiter im Programm Naher Osten und Nordafrika der Deutschen Gesellschaft für Politik (DGAP) in Berlin beschäftigt. Von 2018 bis 2019 arbeitete er bereits als Senior Researcher bei CARPO. Im November 2016 erschien sein politisches Sachbuch Auf Sand gebaut. Saudi-Arabien – Ein Problematischer Verbündeter, im September 2022 sein Buch Menschenrechte sind nicht käuflich. Warum die WM in Katar auch bei uns zu einer neuen Politik führen muss. Er stellt seine Regionalexpertise und politischen Beratungsleistungen deutschen und internationalen Regierungsbehörden, Forschungseinrichtungen, internationalen Organisationen und politischen Stiftungen zur Verfügung und analysiert regelmäßig in deutschsprachigen und internationalen Medien sowie in Fachbeiträgen und Artikeln politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklungen in den arabischen
Golfstaaten. Er bereist seit 2009 zu Forschungszwecken regelmäßig die arabischen Golfstaaten.
232 Seiten | Broschur 22,00 Euro BN 978-3-8012-0639-0 Fußball-WM und Energiekrise heben Katar derzeit auf die Bühne internationaler Politik – begleitet von Vorwürfen der Terrorfinanzierung, der Korruption und Ausbeutung von Gastarbeiter*innen. Fakt ist: Mit seinen Milliardeninvestments besitzt das Emirat einen immensen Einfluss auf die Regierungen, die Kultur und Wirtschaft des Westens. Mathias Brüggmann, International Correspondent des Handelsblatts, schreibt kenntnisreich über Katars Weg vom Piratennest zum weltgrößten Flüssiggasexporteur, von einem Vasallen Saudi-Arabiens zu einem der reichsten Länder der Welt und zur Drehscheibe in Sportbusiness und Diplomatie. Er lässt Entscheidungsträger aus der katarischen Politik, Vertreter*innen von in- und ausländischen Unternehmen und internationalen Organisationen zu Wort kommen. Ein Buch jenseits von Klischees und Vorurteilen.
www.dietz-verlag.de
360 Seiten | Broschur 22,00 Euro BN 978-3-8012-0619-2 Der frühere israelische Geheimdienstchef und sozialistische Knesset-Abgeordnete Ami Ajalon war das, was man einen »Falken« nennt. Aber er machte eine Wandlung durch. Ihm wurde klar, dass sein patriotisches Leben ihn blind gemacht hatte für die selbstzerstörerische Natur einer Politik, die Israels Zivilgesellschaft untergräbt und gleichzeitig seine palästinensischen Nachbarn erniedrigt. Mit großer Ehrlichkeit und Offenheit schreibt er über sein Leben im Anti-Terror-Krieg und über Israels Weg der vergangenen Jahrzehnte Aus dem Vorwort von Daniel Barenboim: »Ami Ajalons Buch hat mich nicht nur überrascht, es hat mich tief bewegt. Denn Ajalons Memoiren zeigen uns, dass es für Menschen doch möglich ist, sich selbst, ihre Meinungen und Handlungsweisen zu ändern und das Gegenüber nicht nur zu erkennen, sondern auch Empathie für den vermeintlichen Feind zu empfinden.«
www.dietz-verlag.de