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German Pages 424 Year 1982
Das ausländische Strafrecht der Gegenwart Herausgegeben von Edmund Mezger † Adolf Schönke † Hans-Heinrich Jescheck
Sechster Band Polen . Sowjetunion . Spanien
Duncker & Humblot . Berlin
Mezger t — Schönkef — Jescheck
Das ausländische Strafrecht der Gegenwart
Sechster Band
Das ausländische Strafrecht der Gegenwart Herausgegeben von
E d m u n d Mezger f Adolf Schönke f Hans-Heinrich Jescheck
Sechster
Band
Polen · Sowjetunion * Spanien
D U N C K E R
& H U M B L O T
/
B E R L I N
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1982 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1982 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 01474 X (Gesamtausgabe) ISBN 3 428 05254 4 (Bd. 6)
Inhall
Prof. Dr. Igor Andre jew, Warschau: Das polnische Strafrecht
Prof. Dr. V. N. Kudrjavcev, Prof. Dr. A. M. Jakovlev, S. G. Kehna, Prof. Dr. V. M. Savickij, Moskau: Das sowjetische Straf recht
Prof. Dr. Enrique
Gimbernat
Das spanische Strafrecht
Dr. jur.
habil. 157
Ordeig, Alcalâ de Henares: 301
Das polnische Straf re dit
V o n Professor D r . I g o r A n d r e j e w Warschau
übersetzt von
Dr. Ewa Weigend Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht i n Freiburg i. Br.
Inhalts verzeich nie
Erster
Abschnitt
Einführung 1. Einleitende Bemerkungen
13
2. Die H e r k u n f t des polnischen Strafrechts
13
3. Uberblick über die Rechtsentwicklung i n der Volksrepublik Polen . .
18
4. Lehre und Schrifttum
23
Zweiter
Abschnitt
Das materielle Strafrecht
Erstes K a p i t e l Das Strafgesetzbuch
von 1969
24
Zweites K a p i t e l Allgemeine
Verbrechenslehre
5. N u l l u m crimen sine lege poenali anteriori
26
6. Der Begriff der Straftat
28
7. Typische Fälle des Fehlens der Strafwürdigkeit der Tat
30
8. Keine Straftat ohne Schuld
33
9. Jugendliche u n d Heranwachsende
36
10. Formen der Begehung einer Straftat
38
11. Uber das Zusammen treffen mehrerer Handlungen und Delikte . . . .
42
12. Verantwortlichkeit f ü r i m Ausland begangene Straftaten
45
10
Inhaltsverzeichnis Drittes K a p i t e l Die strafrechtlichen Sanktionen und die Grundsätze für ihre Anwendung
13, Allgemeiner Uberblick
45
14
46
Bedingte Einstellung des Verfahrens
15. Die Strafen
48
16. Die Todesstrafe
48
17. Die Freiheitsentzugsstrafe
49
18, Die Freiheitsbeschränkungsstrafe
50
19. Die Geldstrafe
51
20
Die Nebenstraßen u n d die Buße
52
21. Die Maßnahmen der Sicherung
54
22. Allgemeine Strafzumessungsgrundsätze
57
23. A r t e n der Strafmilderung
59
24. Die bedingte Strafaussetzung
61
25. Der hooliganistische Charakter der Straftat
62
26. Der Rückfall
63
27. Begnadigung und Amnestie
65
28. Die V e r j ä h r u n g
66
29. Die Tilgung der Verurteilung
69
Viertes K a p i t e l Die Straftaten
im
einzelnen
30. Systematik der Straftaten und ihrer Rechtsfolgen
70
31. Straftaten gegen grundlegende Interessen des Staates
72
32. Kriegsverbrechen sowie Straftaten gegen den Frieden, die Menschlichkeit u n d die friedliche Zusammenarbeit der Völker
75
33. Straftaten gegen die allgemeine Sicherheit sowie gegen die Sicherheit des Verkehrs zu Lande, zu Wasser u n d i n der L u f t
79
34. Straftaten gegen das Leben und die Gesundheit a) Straftaten gegen das Leben
81 81
b) Künstliche Schwangerschaftsunterbrechung
83
c) Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung
85
d) Gefährdungstatbestände
86
Inhaltsverzeichnis
11
35. Straftaten gegen verschiedene Bürgerrechte
89
36. Straftaten gegen die Freiheit
91
37. Straftaten gegen die Ehre und die körperliche Unversehrtheit
94
38. Straftaten gegen die Rechte der Arbeitnehmer
100
39. Straftaten gegen die Freiheit des Gewissens und der Religion
100
40. Straftaten i m Bereich der Sexualbeziehungen
101
41. Straftaten gegen Familie, Vormundschaft und Jugend
106
42. Straftaten gegen das Vermögen
111
43. Wirtschaftsstraftaten
117
44. Geldfälschung
122
45. Straftaten gegen die Tätigkeit und die A u t o r i t ä t der Staatsorgane sowie der staatlichen und der gesellschaftlichen Institutionen (Allgemeine Bemerkungen) 123 46. Straftaten gegen die Wahlen zum Sejm und zu den Nationalräten .. 125 47. Straftaten gegen die Tätigkeit Institutionen
staatlicher
und
gesellschaftlicher 126
48. Bestechung
128
49. Straftaten gegen Staats- u n d Dienstgeheimnisse
131
50. Der subsidiäre Tatbestand des Amtsmißbrauchs
133
51. Straftaten gegen die Rechtspflege
134
52. Straftaten gegen U r k u n d e n
138
53. Straftaten gegen die öffentliche Ordnung
139
Dritter
Abschnitt
Die Vorbereitungen zur Reform des Strafrechts
142
Anhang : Zusammenstellung der Strafandrohungen der Vorschriften des Strafgesetzbuches
153
Erster
Abschnitt
Einführung 1.
Einleitende Bemerkungen
Das polnische System des Strafrechts i m weiteren Sinne umfaßt das materielle und prozessuale Strafrecht, das Strafvollzugsrecht sowie die drei Spezialzweige: Militärstraf recht, Steuerstraf recht und Übertretungsrecht. Diese Darstellung befaßt sich m i t dem materiellen Strafrecht. Das polnische Strafrecht gehört zum Rechtskreis des kontinentaleuropäischen Systems, aber die Entwicklung dieses Rechts, die eng mit dem historischen Schicksal des polnischen Volkes verbunden ist, weist viele Besonderheiten auf. Außerdem gehört das polnische Strafrecht auch zum sozialistischen Rechtskreis; es zeigt manche Ähnlichkeiten mit dem Recht der anderen sozialistischen Staaten. Man darf jedoch nicht übersehen, daß sich der Aufbau des Sozialismus i m Rahmen eines nationalen Staates vollzogen hat; dies bedeutet für das geltende Recht, daß es eigene und originelle Züge bekommen hat. 2. Die H e r k u n f t des polnischen Strafrechts
I. Die Frage nach der Herkunft des geltenden polnischen Strafrechts ist schwer zu beantworten, da die Existenz des polnischen Staates und somit auch die Geltung seines Rechtssystems keine Kontinuität aufweist. Der polnische Staat verlor gegen Ende des 18. Jahrhunderts seine politische Unabhängigkeit: das Staatsgebiet wurde zwischen den drei benachbarten Mächten Österreich, Preußen und Rußland aufgeteilt 1 . I m 19. Jahrhundert galten zwar i n einigen polnischsprachigen Gebieten nur für diese Territorien bestimmte Gesetze2; es w i r d jedoch angenommen, daß das Jahr 1795 (dritte Teilung Polens) den Geltungszeitraum des „alten polnischen Rechts" abschließt. 1
Vgl. die allgemeine A r b e i t von Bardach / Lesnidorski / Pietrzak, Historia paùstwa i prawa polskiego (Geschichte des polnischen Staates und Rechts), 1976. 2 Es handelt sich u m das von 1807 bis 1815 bestehende Herzogtum Warschau, u m das m i t dem Zarenreich Rußland Vereinigte Königreich Polen sowie um das sogenannte Westgalizien u n d die Freie Stadt Krakau.
Das polnische Strafrecht
14
Das alte polnische Recht w i r d von den Rechtstheoretikern und Historikern unter dem Gesichtspunkt der fortwirkenden Tradition betrachtet. Diese Tradition findet ihren Ausdruck i n fortschrittlichen allgemeinen Ideen wie ζ. B. der Humanität, der Gleichheit vor dem Gesetz und der individuellen Verantwortung sowie i n der Tatsache, daß Rechtsinstitute, die erst später durch die Lehre und Gesetzgebung entwickelt worden sind, hier ihren Ursprung haben 3 . I m Grundbestand des alten polnischen Rechts finden sich tatsächlich bereits Begriffe wie Tat, Täterschaft, Unzurechnungsfähigkeit, Notwehr usw. Die spätere Entwicklung scheint jedoch nicht an diese Ursprünge anzuknüpfen, allenfalls i m Bereich der Terminologie. Den überwiegenden Teil des alten Rechts bildete das Gewohnheitsrecht, das nur teilweise durch Gesetze oder durch andere schriftliche Aufzeichnungen der geltenden Sitten erfaßt war. Als Beispiel solcher Kodifikationen verdienen insbesondere die Statuten des Königs Kasim i r des Großen (14. Jahrhundert) sowie die drei litauischen Statuten (16. Jahrhundert) Erwähnung. Diese wurden zwar zunächst nur für das Großfürstentum Litauen, das vom Jahre 1569 an zum polnischen Bundesstaat gehörte, verabschiedet, galten jedoch subsidiär auch i n anderen Staatsgebieten. I n den Stadtgerichten fand das magdeburgische Recht (der Sachsenspiegel, ergänzt durch die Spruchsammlungen der verschiedenen Stadtgerichte, auch polnischer Städte wie Chelm, Thorn, Breslau, Krakau und Posen) Anwendung 4 . II. Das Ideengut des Strafrechts zur Zeit der Aufklärung steht dem strafrechtlichen Denken der Gegenwart sehr nahe. Es fand jedoch nur zum Teil seinen Niederschlag i m Recht der alten polnischen Republik. Z u den wichtigsten gesetzgeberischen Entscheidungen dieser Zeit gehört ein Gesetz aus dem Jahre 1776, durch das die Todesstrafe für Hexerei und die Folter i m Gerichtsverfahren abgeschafft wurden. Das Gesetz vom Jahre 1791 über die Sejm-Gerichte führte das Prinzip „ n u l l u m crimen, nulla poena sine lege" ein und räumte dem Angeklagten i m Strafprozeß eine Reihe von Rechten ein, wie etwa das Recht auf Verteidigung, die Beweisregel „ i n dubio pro reo" sowie die Unschuldsvermutung. 3
Vgl. Makarewicz, Polskie prawo karne, czçsc ogólna (Polnisches Strafrecht, Allgemeiner Teil), 1919. Der T i t e l des Buches weist darauf hin, daß der Verfasser unter polnischem Recht nicht dasjenige verstand, das i m 19. Jahrhundert i n K r a f t war. 4 Von besonderer Bedeutung sind i n diesem Zusammenhang die i m 16. Jahrhundert i n polnischer Sprache erschienenen Werke von Bartlomiej Groicki.
2. Die H e r k u n f t des polnischen Strafrechts
15
Die Ideen der Aufklärung wurden i m alten Polen sowohl durch die Übersetzung der Werke westlicher Philosophen als auch durch die Bücher polnischer Autoren bekannt. Als Beispiele lassen sich Beccarias „Dei delitti e delle pene", das i m Jahre 1772 i n polnischer Sprache erschien, Montesquieus „Sur l'esprit des lois" — auf polnisch i m Jahre 1777 herausgegeben — sowie die Werke von Voltaire und Filangieri nennen. Das erste polnische Lehrbuch des Strafrechts von Jakub Czechowicz 5 ist zwar noch den Ideen der Feudalzeit verhaftet; bei späteren Autoren wie Sebastian Czochron, Tomasz Kuzmirski und Józef Pawlikowski sind jedoch die Ideen der Aufklärung zu finden. A n der Krakauer Universität wurde Strafrecht seit 1870 von den Professoren Antoni Poplawski und Józef Januszkiewicz gelehrt. A n der Universität von Wilna, das damals zu Polen gehörte, hielt Professor Hieronim Stroynowski strafrechtliche Vorlesungen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Abhandlungen über die Prinzipien des Strafrechts von Józef Szymanowski und Józef Weyssenhof, die die für dieses Gebiet maßgeblichen aufklärerischen Ideen i n der Form von „Gesetzgebungsprospekten" enthalten. Infolge des Verlustes der politischen Unabhängigkeit Polens sind aber die Entwürfe dieser Gelehrten nie i n das Gesetzgebungsverfahren gelangt. I I I . Die während der Teilung Polens (1795—1918) erlassenen Kodifikationen des Strafrechts erfüllten nur teilweise die Postulate der A u f klärung. A m frühesten wurde der Rechtszustand i n den zu Österreich gehörenden polnischen Gebieten geregelt. Dort, d. h. i m sogenannten West-Galizien, galten seit 1796 Teile des später i m Jahre 1803 i n Österreich i n K r a f t getretenen Strafgesetzbuches 6. Diese Kodifikation umfaßte sowohl das materielle als auch das prozessuale Recht. Die erste moderne polnische Strafgesetzgebung, die auch von polnischen Strafrechtlern vorbereitet wurde, stammt aus dem Jahre 1818 und heißt „Strafkodex für das Polnische Königreich" 7 . Dieses Gesetz ist als großer Fortschritt anzusehen, da es den Grundsatz „ n u l l u m crimen, nulla poena sine lege" sowie das Schuldprinzip anerkannte. Der vorher sehr komplizierte Rechtszustand wurde durch dieses Gesetz vereinheitlicht. Z u den Nachteilen gehören die für die Feudalzeit noch charakte5 Das erste Lehrbuch des Strafrechts i n polnischer Sprache stammt von Jakub Czechowicz, P r a k t y k a k r y m i n a l n a (Strafrechtspraxis), 1769. β Vgl. Koranyi, Powszechna historia prawa (Allgemeine Rechtsgeschichte), 1976, S. 266. 7 Vgl. Sliwowski, Kodeks Karz^cy Królestwa Polskiego ζ 1818 r. (Der Strafkodex des Königreichs Polen von 1818), 1958.
16
Das polnische Strafrecht
ristischen grausamen Strafen wie die Brandmarkung, die Fesselung i n Ketten sowie die qualifizierten Todesstrafen. I m Jahre 1847 wurde i m sogenannten Polnischen Königreich ein Strafgesetzbuch eingeführt, das eigentlich eine verkürzte Fassung des russischen StGB aus dem Jahre 1845 darstellte: der „Kodex der Hauptund Besserungsstrafen". Er zeichnete sich durch Kasuistik aus, enthielt komplizierte Vorschriften, die die Täter nach ihrer Konfession unterschiedlich behandelten und kannte körperliche und religiöse Strafen (wie ζ. B. kirchliche Sühne, Entzug des Rechts auf ein kirchliches Begräbnis bei Selbstmördern). Das Gesetzbuch enthielt weiterhin Straftaten, die i n der Verletzung religiöser Verbote bestanden; die Täter wurden je nach ihrem Stand unterschiedlich behandelt. Alle diese Merkmale weisen darauf hin, daß dieses Strafgesetzbuch i m Vergleich m i t dem Gesetz aus dem Jahre 1818 einen Rückschritt bedeutete. I n der Zeit der Teilung Polens entwickelten die polnischen Rechtstheoretiker ihre Auffassungen über das Strafrecht vor dem Hintergrund der damaligen Gesetzgebung. Von den theoretischen Werken, die bis heute ihre Aktualität nicht verloren haben, sind zu erwähnen: „Die allgemeinen Grundsätze der Lehre des Strafrechts" von Romuald Hube (1830), die Arbeiten von Stanislaw Budzinski, Edmund Krzymuski und Juliusz Makarewicz (vgl. seine i n deutscher Sprache erschienenen Werke: „Das Wesen des Verbrechens", 1896 und „Einführung i n die Philosophie des Strafrechts", 1906). Die beiden letztgenannten Gelehrten setzten ihre wissenschaftliche Tätigkeit auch nach der Wiedergewinnung der Unabhängigkeit Polens fort. IV. Nach 1918 blieben — jedenfalls i n der ersten Zeit — die alten Gesetze aus der Epoche der Teilung i n Kraft, d. h. die deutsche, österreichische und russische Gesetzgebung i n den zuvor von diesen Mächten jeweils besetzten Gebieten. Seit dem Jahre 1920 war man aber i n Polen bemüht, ein einheitliches Strafrecht für das gesamte Staatsgebiet zu verabschieden. Diese gesetzgeberischen Arbeiten waren schließlich auch von Erfolg gekrönt: I m Jahre 1928 traten das Strafverfahrensgesetzbuch und das Gerichtsverfassungsgesetz i n Kraft, i m Jahre 1932 das Strafgesetzbuch, das Übertretungsgesetz und das Militärstrafgesetzbuch, i m Jahre 1936 das Militärstrafverfahrensgesetzbuch sowie das Gerichtsverfassungsgesetz für Militärgerichte. Das Strafgesetzbuch von 1932 ist ein wichtiger Meilenstein i n der Entwicklung des polnischen Strafrechts. Seine Entstehung ist der polnischen Wissenschaft zu verdanken, vor allem Juliusz Makarewicz. Dieses Gesetz zeichnet sich durch eine moderne, knappe Form aus; es enthält nur 295 Artikel, die größtenteils aus ein bis zwei Paragraphen (Absät-
2. Die H e r k u n f t des polnischen Strafrechts
17
zen) bestehen. Es stellt die wichtigsten Regelungen des Allgemeinen Teils sowie die Mehrheit der Straftatbestände i n einer so präzisen und klaren Form dar, daß es auch für spätere gesetzgeberische Arbeiten eine sichere Grundlage abgab. Das Strafgesetzbuch erfüllte die von der Lehre des Subjektivismus i n der Zeit zwischen den Kriegen erhobenen Forderungen, indem es der Persönlichkeit des Täters besondere A u f merksamkeit widmete und es ermöglichte, durch die sogenannte Zweispurigkeit der strafrechtlichen Sanktionen die schuldangemessene Strafe durch die Sicherungsmaßregeln, die der Gefährlichkeit des Täters entsprachen, zu ergänzen. Den Ausgangspunkt der strafrechtlichen Verantwortung stellte nach diesem Gesetz die verschuldete Begehung einer Tat dar, die zur Tatzeit durch ein geltendes Gesetz unter Strafe gestellt war (nullum crimen, nulla poene sine lege). Als Folge der strafrechtlichen Verantwortung war eine der Tat angemessene Strafe vorgesehen, wobei bei der Bewertung der Straftat der Schwerpunkt auf der subjektiven Seite lag. Für die Verwirklichung der Forderungen des Subjektivismus sah das Gesetz ein ausgebautes System von Maßregeln der Sicherung vor; diese waren teilweise medizinischer, teilweise auch nichtmedizinischer A r t . So konnten mehrfache Rückfalltäter, Berufstäter und Gewohnheitstäter nach Verbüßung ihrer Strafe für die Zeit von mindestens fünf Jahren i n einer „Anstalt für Unverbesserliche" untergebracht werden, wobei die Unterbringung noch um weitere Zeiträume von je fünf Jahren verlängert werden konnte. Für Täter, deren strafbare Handlungen i n Zusammenhang m i t A r beitsscheu standen, sah das Gesetz die Möglichkeit der Unterbringung i m Arbeitshaus für mindestens fünf Jahre vor. Aus den obigen Ausführungen w i r d ersichtlich, daß durch das Strafgesetzbuch von 1932 die Postulate der Strafrechtslehre aus der Zeit zwischen den Kriegen verwirklicht wurden. Es war eine moderne, auf der Idee der Zweispurigkeit beruhende Kodifikation. Das Gesetz spiegelt die Prinzipien des damaligen kapitalistischen Wirtschaftssystems wider; der Besondere Teil des Gesetzes enthält etwa Abschnitte über Straftaten gegen Gläubiger und über den Diebstahl von lebensnotwendigen Gegenständen aus Armut. A n manchen Stellen des Gesetzes lassen sich auch rückschrittliche Tendenzen erkennen; dies gilt etwa für die vorgesehene milde Strafe für den Totschlag während eines Duells sowie für die fakultative Straffreiheit der Sekundanten. Zu bemerken ist weiterhin, daß das Gesetz die Verantwortung für politische Straftaten nur teilweise geregelt hat. Die strafrechtlichen Vorschriften über verschiedene Formen der Spionage waren i n einer Verordnung des Präsidenten der Republik vom 24. 10. 1934 enthalten. 2 Ausländisches Strafrecht V I
18
Das polnische Strafrecht
Diese Verordnung führte besondere, verschärfte Sanktionen für die dort geregelten Straftaten ein. V. I n den Jahren 1918—1939 gab es i n Polen sechs Lehrstühle für Straf recht: i n Krakau, Wilna, Lemberg, Warschau, Posen und an der katholischen Universität Lublin. Von den namhaften Strafrechtsprofessoren verdienen Erwähnung: Juliusz Makarewicz, Browislaw Wróblewski, Waclaw Makowski, Wladyslaw Wolter, Stefan Glaser und Stanislaw Sliwmski. 3. Überblick über die Rechtsentwicklung i n der Volksrepublik Polen
I. I n der Volksrepublik Polen finden Veränderungen sozialistischen Charakters statt; sie vollziehen sich jedoch i m Rahmen eines nationalen Staates, der seine spezifischen Züge beibehalten hat. Diese Feststellung bezieht sich sowohl auf die Anfänge der sozialistischen Revolution als auch auf ihre weitere Entwicklung. I I . I n Polen fand die Machtübernahme durch die Polnische Arbeiterpartei (PPR-Kommunisten) unmittelbar nach der Befreiung von der Hitlerbesetzung statt. Diese Machtübernahme verlief nicht ohne bewaffneten Kampf; es war jedoch ein Kampf mit einem zerstreuten Gegner, der keine einheitliche Führung besaß. Als Ordnungsmittel setzte man Rechtsinstitute ein, die zwar aus der Zeit des Kapitalismus stammten, i m großen und ganzen jedoch als nationales Erbe angesehen wurden. Diese Konzeption hatte zur Folge, daß die juristischen Führungskräfte größtenteils aus den Reihen der Juristen stammten, die schon vor dem Krieg i n der Justiz tätig gewesen waren und die nach dem Krieg ihre Arbeit wieder aufnahmen. Aus diesen Gründen war es noch lange Zeit möglich, die Vorkriegsgesetzgebung beizubehalten. Dies betrifft sowohl das Strafgesetzbuch und das Übertretungsgesetz aus dem Jahre 1932 als auch das Strafverfahrensgesetzbuch aus dem Jahre 1928. Diese Gesetzbücher sind allerdings durch neue Gesetze ergänzt worden. Die einzige vollständig neue Gesetzgebung betraf das Militärstraf recht. 1944 w u r den das Militärstrafgesetzbuch für die Polnische Armee und das Gerichtsverfassungsgesetz für die Militärgerichte sowie für die M i l i t ä r staatsanwaltschaft erlassen; 1945 trat das neue Militärverfahrensgesetzbuch i n Kraft. Das Strafgesetzbuch von 1932 wurde einerseits durch neue Gesetze ergänzt, die besondere Sachgebiete regelten; andererseits wurden auch einzelne Vorschriften außer K r a f t gesetzt; schließlich wurden manche Vorschriften auch anders ausgelegt, als dies vor dem Kriege der Fall gewesen war. I m übrigen blieb der Text des Gesetzes jedoch bis zum
3. Uberblick über die Rechtsentwicklung i n der Volksrepublik Polen
19
Inkrafttreten des neuen Strafgesetzbuches von 1969 fast unverändert. Dies beweist i n gleichem Maße die hohe Qualität dieses Gesetzes wie die Anhänglichkeit der polnischen Juristen gegenüber dem Gesetzeswerk. Diese Faktoren beeinflußten auch die Arbeiten an der neuen Strafgesetzgebung, bei denen nach dem Prinzip verfahren wurde, die Formulierungen aus dem Gesetz des Jahres 1932 überall dort, wo es möglich war, beizubehalten. I m Gegensatz dazu wurde das Strafverfahrensgesetzbuch mehrfach durchgreifend novelliert. I I I . Die Ergänzungen des Strafgesetzbuches waren i n erster Linie durch politische, wirtschaftliche und soziale Veränderungen bedingt. Diese Veränderungen kann man für alle sozialistischen Staaten Osteuropas als charakteristisch bezeichnen. Andererseits ist jedoch zu betonen, daß sich diese Veränderungen i n Polen i n ganz spezifischer Form vollzogen haben, was nicht ohne Einfluß auf die Entwicklung der Strafgesetzgebung geblieben ist. I m Bereich des politischen Systems zeichnet sich Polen durch die Beibehaltung des Mehrparteiensystems, allerdings unter Anerkennung der führenden Rolle der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR), aus. Die übrigen Parteien und politischen Gruppierungen arbeiten m i t dieser Partei i m Rahmen der sogenannten Front der Nationalen Einheit zusammen. Außerdem sind i m polnischen Parlament Gruppierungen vertreten, die katholisch orientiert sind. Alle Gruppierungen und Parteien sind sich darin einig, daß den wichtigsten Interessen des Volkes, das den Sozialismus aufbaut, der Vorrang gebührt. Dieses Bewußtsein folgt auch aus der Tatsache, daß das Land während des Zweiten Weltkriegs unter der Okkupation durch das Hitler-Regime sehr große Opfer bringen mußte. I m Bereich des Wirtschaftssystems gehören i n Polen alle wichtigen Wirtschaftszweige dem Staat oder sind genossenschaftliches Eigentum. Der Staat lenkt die Wirtschaft durch die Aufstellung von ein- und mehrjährigen Wirtschaftsplänen. I n Privathand befindet sich i n Polen der überwiegende Teil der Landwirtschaft sowie der sogenannte Privatsektor i n den Städten, zu dem die Kleinindustrie, das Kleinhandwerk und der Kleinhandel gehören. I m Bereich der sozialen Verhältnisse spielt die Tatsache eine sehr wichtige Rolle, daß die Mehrheit der polnischen Bevölkerung aus praktizierenden Katholiken besteht. Daher bemüht sich die katholische K i r che i n Polen, eine sozial-erzieherische Rolle zu spielen. IV. Bei der Darstellung der Entwicklung der Strafgesetzgebung i n Polen i n Form eines kurzen Überblicks können nur diejenigen Gesetze 2*
20
Das polnische Strafrecht
erwähnt werden, die die oben aufgezeigten Veränderungen i n ihrer spezifisch polnischen Form am deutlichsten widerspiegeln. Hierbei ist darauf hinzuweisen, daß die Gesetzgebungsgeschichte Polens nach dem Kriege i n mindestens drei Perioden zerfällt: 1. 1944—1949: die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Kriege und der allgemein-demokratischen Reformen ; 2. 1949—1955: die Zeit des sogenannten 6-Jahres-Plans, d. h. die Zeit des Aufbaus der Grundlagen des Sozialismus; 3. 1955 bis heute: die neueste Zeit, die unter anderem durch die Suche nach neuen Formen des sozialistischen Aufbaus i m wirtschaftlichen und sozialen Bereich charakterisiert werden kann und die sich durch die strikte Einhaltung der Regeln der Rechtsstaatlichkeit auszeichnet. Der Zeitpunkt, an dem ein Gesetz verabschiedet wurde, gibt darüber Aufschluß, welcher der drei Perioden es jeweils zuzurechnen ist. Das Dekret vom 13. 6. 1946 über Straftaten, die während des Wiederaufbaus des Staates besonders gefährlich sind, enthielt strafrechtliche Sanktionen für politische Delikte. Es wurde als „Kleines Strafgesetzbuch" bezeichnet. Dieses Dekret blieb viel länger i n K r a f t als sein Titel andeutete; dies ist wahrscheinlich dadurch zu erklären, daß die Vorarbeiten für ein neues Gesetz sehr lang gedauert hätten. Das Dekret vom 16. 10. 1945 über das standgerichtliche Verfahren enthielt nicht nur prozeßrechtliche Normen, sondern auch eine Vorschrift, die das Gericht zur Verhängung strengerer Strafen berechtigte, als sie i m StGB vorgesehen waren. Diese Norm fand ebenso wie das Strafgesetzbuch der polnischen Armee auf die Fälle der Spionage, der Sabotage, des unerlaubten Waffenbesitzes sowie auf andere politische bzw. politisch gefärbte Straftaten Anwendung. Drei Dekrete aus der Anfangszeit betrafen Fragen des Kampfes gegen die faschistische Besatzungsmacht sowie der Bestrafung der Kriegsverbrecher und der polnischen Kollaborateure: 1. das Dekret vom 22. 1. 1946 über die Verantwortlichkeit für die Septemberniederlage sowie für das Eindringen des Faschismus i n das staatliche Leben; 2. das Dekret vom 28. 6. 1946 über die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Verleugnung der polnischen Nationalität während des Krieges; 3. das sogenannte August-Dekret vom 31. 8. 1944 über die Bestrafung faschistisch-hitlerischer Verbrecher, die sich der Tötung oder Miß-
3. Uberblick über die Rechtsentwicklung i n der Volksrepublik Polen
21
handlung von Angehörigen der Zivilbevölkerung oder von Kriegsgefangenen schuldig gemacht hatten, sowie für Verräter des polnischen Volkes. Der zweite Bereich, der durch neue Gesetze geregelt wurde, war der Schutz des gesellschaftlichen Eigentums. Anfangs wandte man auf die Fälle des Diebstahls von gesellschaftlichem Vermögen die allgemeinen Vorschriften über Diebstahl bzw., wenn der Täter Beamter war und sich Eigentum eines Betriebes angeeignet hatte, über Amtsmißbrauch an. A m 4. 3.1953 wurden mehrere Dekrete erlassen, die für Angriffe auf das gesellschaftliche Eigentum verschärfte Sanktionen festsetzten. Durch diese Dekrete wurden verschiedene Formen von Angriffen auf gesellschaftliches Eigentum zusammengefaßt und als „Entwendung" von gesellschaftlichem Vermögen definiert. Die i n den Dekreten von 1953 enthaltenen Normen über den Schutz von gesellschaftlichem Vermögen wurden später durch neue ersetzt, die es erlaubten, nach der jeweiligen Schwere der Straftaten zu differenzieren. Das Gesetz vom 21. 1. 1958 verschärfte die Sanktionen für solche Delikte, durch die dem gesellschaftlichen Vermögen ein großer, genau bezifferter Schaden zugefügt wurde. Das Gesetz vom 18. 6. 1959 verband das Merkmal „Entwendung gesellschaftlichen Vermögens" m i t dem Wert dieses Vermögens. A u f diese Weise bildete man drei Fallgruppen der Vermögensentwendung, die sich untereinander durch den Wert des entwendeten Vermögens unterschieden (bis zu 300 zl, bis zu 2000 zl und über 2000 zl), sowie zwei weitere Fallgruppen, bei denen der Schaden über 50 000 bzw. über 100 000 zi lag. Die letzte Etappe der Differenzierung der strafrechtlichen Verantwortung nach dem Wert des Vermögens vollzog sich durch das Gesetz vom 17. 6. 1966, das kleinere Diebstähle (bis zu 300 zi) i n Übertretungen umwandelte und der Verwaltungsstrafgerichtsbarkeit unterstellte. A u f die veränderten ökonomischen Verhältnisse bezogen sich die folgenden neuen Gesetze: Das Dekret über die Bekämpfung von Spekulation und Kriegswucher vom 22. 10. 1944, das später durch das Gesetz vom 2. 6. 1947 über die Bekämpfung von Teuerung und übermäßigen Gewinnen i m Handelsverkehr, durch das Dekret vom 4. 3. 1953 über den Schutz der Interessen der Käufer i m Handelsverkehr und schließlich durch das Gesetz vom 13. 7. 1957 über die Bekämpfung der Spekulation und über den Schutz der Interessen der Käufer und der Landwirte i m Handelsverkehr ersetzt wurde. I n den Jahren 1945 bis 1954 arbeitete die Sonderkommission für die Bekämpfung des Wirtschaftsmißbrauchs und der Wirtschaftsschädigung; die Organe dieser Sonderkommission verhängten zwar keine der i m
22
Das polnische Strafrecht
StGB vorgesehenen Strafen, verfügten jedoch gegenüber Tätern, die sich der Entwendung von gesellschaftlichem Vermögen, der Korruption, der Bestechung, der Spekulation oder anderer Wirtschaftsdelikte schuldig gemacht hatten, über die Sanktionen der Einweisung i n ein Arbeitslager bis zu zwei Jahren sowie des Verbots des Aufenthalts am bisherigen Wohnsitz. Die Fiskalstrafgesetzgebung wurde mehrmals geändert (1936, 1947, 1960, 1971). Zu erwähnen sind noch weitere Gesetze, deren Verabschiedung mit bestimmten aktuellen Problemen i n Verbindung stand. Innere und äußere Spannungen fanden ihren Niederschlag etwa i n den drei folgenden A k t e n des Gesetzgebers: i m Dekret vom 3. 8. 1949 über den Schutz der Gewissens- und der Religionsfreiheit; i m Dekret vom 26. 10. 1949 über den Schutz von Staats- und Dienstgeheimnissen; und i m Gesetz vom 19. 4. 1950 über die Sicherung der sozialistischen Arbeitsdisziplin. Später beschäftigten den Gesetzgeber die Probleme, die mit dem übermäßigen Genuß von Alkohol sowie mit den daraus folgenden hooliganistischen Exzessen verbunden sind. Die Lösung dieses sozialen Problems wurde durch das Gesetz vom 17. 4. 1956, das durch das Gesetz vom 10. 12. 1959 ersetzt wurde, angestrebt. Das Gesetz vom 22. 5. 1958 über die Verschärfung der strafrechtlichen Verantwortung für Hooliganismus betraf Probleme des Rowdytums. Eine wesentliche Veränderung der Rechtslage bewirkte das Gesetz vom 27. 4. 1956 über die Bedingungen für die Zulässigkeit des Schwangerschaftsabbruchs, das die Schwangerschaftsunterbrechung bei Vorliegen der sozialen Indikation legalisierte. Hervorzuheben ist schließlich die Verkündung der Verfassung der Volksrepublik Polen am 22. 7. 1952; die Verfassung gilt jetzt i n der Fassung vom 16. 2.1976 (Gesetzblatt 1976, Nr. 7, Pos. 36). V. Aus der Tatsache, daß das alte Strafgesetzbuch i n K r a f t blieb, sollte man nicht schließen, daß man i n Polen nicht an die Notwendigkeit einer Neukodifikation etwa gedacht hätte. Schon i m Jahre 1947 begannen die Vorarbeiten für die Gesetzgebung. I n den Jahren 1956 und 1963 wurden jeweils vollständige Entwürfe eines Strafgesetzbuchs publiziert und i n der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt. A n beiden Entwürfen wurde jedoch von seiten der Juristen heftig K r i t i k geübt; dies führte dazu, daß man erneut i n die Gesetzgebungsarbeit eintrat. Die i m Jahre 1964 berufenen Arbeitsgruppen der Gesetzgebungskommission erarbeiteten die Entwürfe eines Strafgesetzbuchs sowie eines Strafverfahrensgesetzbuchs und eines Vollzugsgesetzes, die der Sejm,
4. Lehre und Schrifttum
23
das Parlament der Volksrepublik Polen, sämtlich am 19. 4.1969 verabschiedete8. VI. A l l e strafrechtlichen Gesetze werden i n Polen kontinuierlich i m offiziellen Gesetzblatt (Dziennik Ustaw Polskiej Rzeczypospolitej Ludowej) veröffentlicht. Das Gesetzblatt erscheint nach Bedarf (etwa 50 Nummern pro Jahr). Außerdem werden die Texte der Gesetze i n gesonderten Ausgaben veröffentlicht, die verschiedentlich auch Nebengesetze sowie Vorschriften, die für die Praxis von Bedeutung sind, enthalten. Schließlich werden die Gesetzestexte auch m i t den Kommentierungen bekannter Autoren publiziert. 4. Lehre und Schrifttum
I. I n Polen gibt es derzeit neun juristische Fakultäten, nämlich an den Universitäten Warschau, Krakau, Posen, Lublin, Lodz, Breslau, Thorn, Kattowitz und Danzig. Die Institute für Strafrecht und für Kriminologie, die bei diesen Fakultäten sowie bei einzelnen Fachhochschulen (ζ. B. der Akademie des Innenministeriums) eingerichtet sind, bilden nicht nur die Führungskräfte i m juristischen und verwaltungs juris tischen Bereich aus, sondern führen gleichzeitig auch wissenschaftliche Forschungsprojekte durch. M i t solchen Arbeiten beschäftigen sich auch die Forschungsinstitute der Polnischen Akademie der Wissenschaften (Institut für Staat und Recht), des Justizministeriums (Institut zur Erforschung des Gerichtsrechts) und der Generalstaatsanwaltschaft (Institut für die Problematik der Kriminalität). II. Die wichtigeren wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die i n Buchform vorliegen, werden i n den folgenden Teilen dieser Darstellung angeführt. Kleinere Abhandlungen erscheinen i n den juristischen Zeitschriften, insbesondere i n den Monatszeitschriften Panstwo i Prawo (Staat und Recht) (seit 1945), Nowe Prawo (Neues Recht) (seit 1950; von 1945 bis 1950 unter dem Namen Demokratyczny Przegl^d Prawniczy — Demokratische Juristische Rundschau) und Palestra (seit 1957), die schon i n den Jahren 1924 bis 1939 unter demselben Namen herausgegeben wurde. Außerdem erscheinen vierteljährlich die folgenden Zeitschriften: Studia Prawnicze (Juristische Studien); Wojskowy Przegl^d Prawniczy (Militärrechtsrundschau) (seit 1928); Ruch Prawniczy, Eko8 Eine kurze Darstellung der Geschichte der Arbeiten am neuen Strafgesetzbuch findet sich bei Andrejew / Swida / Wolter, Kodetks k a r n y ζ komentarzem (Strafgesetzbuch m i t Kommentar), 1973.
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Das polnische Strafrecht
nomiczny, i Socjologiczny (Juristische, wirtschaftliche und soziologische Entwicklung) (seit 1958 als Wiederaufnahme einer Viertel] ahresschrift aus den Jahren 1921 bis 1939). I I I . Gerichtsentscheidungen von größerer Bedeutung werden i n der monatlich erscheinenden amtlichen Sammlung Orzecznictwo S^du Najwyzszego (Rechtsprechung des Obersten Gerichts) veröffentlicht, 1918—1939 und 1945—1953 unter dem Namen Zbiór OrzeczeÄ S T S 29. 5.1968. 169
So Cordoba , Las eximentes, S. 206. Siehe i n diesem Sinne Ferrer I, S. 204; Diaz Palos, op. cit., S. 59; Castro Pérez, Circunstancias de irresponsabilidad en el Derecho de la circulación, V Curso Internacional de Derecho de la Circulación, S. 203; Cuello I, S. 392. 170
§ 8 Der Unrechtstatbestand
341
Rechtsprechung, die i n derartigen Fällen wegen fahrlässigen Delikts v e r u r t e i l t 1 7 1 oder lediglich einen strafmildernden Rechtfertigungsgrund a n n i m m t 1 7 2 . I n jedem Fall bleibt der Dritte von jeglicher Verantwortlichkeit befreit, auch wenn der i n Gefahr Befindliche die Notstandssituation herbeigeführt h a t 1 7 3 . 5. Der letzte Fall des A r t . 8 Ziff. 7 bedeutet eine Durchbrechung des Prinzips der Güterabwägung. Oblag dem Notstandstäter aufgrund seines Berufes oder Amtes die Pflicht sich zu opfern, so kommt nur strafmildernder Notstand i n Betracht. D. Der
Nötigungsnotstand
Nach A r t . 8 Ziff. 10 ist von strafrechtlicher Verantwortlichkeit ausgenommen, „wer aus unüberwindlicher Furcht vor einem gleichgroßen oder größeren Übel handelt". Der Ausschließungsgrund der unüberwindlichen Furcht, bei dem die Androhung eines Übels von einem Dritten herrühren muß 1 " 74 , ist von einem Teil des spanischen Schrifttums als überflüssig bezeichnet worden 1 7 5 , da man annimmt, daß kein Fall des A r t . 8 Ziff. 10 denkbar sei, der nicht gleichzeitig unter den Notstand subsumiert werden könne. Nach der i n der Rechtsprechung herrschenden Meinung muß das angedrohte Übel ein wirkliches sein; ein nur vorgestelltes genügt n i c h t 1 7 6 . I m Schrifttum dagegen sind die Meinungen über das Erfordernis der Wirklichkeit des Übels geteilt 1 7 7 . 171 Vgl. ζ. B. TS 16. 4.1962; 26. 1.1968; 15. 6.1971 (anderer Ansicht TS 29.10. 1976); i m gleichen Sinne Luzon Domingo, Tratado I, S. 453—456; Derecho penal I, S. 217—218. Einverstanden m i t dieser Tendenz der Rechtsprechung i m Endergebnis, aber nicht i n der Begündung: Gimbernat, Dos aspectos de la imprudencia y u n aspecto del hurto de uso de vehlculos de motor en el Derecho penal espanol, i n : Delitos contra la seguridad del trâfico y su prevención, Valencia 1975, S. 123 ff. 172 So TS 15.10.1964. 173 Vgl. Ferrer I, S. 206; Anton, S. 268; Diaz Palos, op. cit., S. 60; Cuellol, S. 392; Rodriguez Devesa, PG, S. 499. 174 Vgl. TS 12. 5.1971; Rodriguez Devesa, PG, S. 555, der m i t A r t . 20, 3. Regel, argumentiert. 175 V g l Ferrer I, S. 228, 229; Quintano, Curso I , S. 352. Dagegen: dei Rosai I I , S. 239. 176 I n diesem Sinne TS 12.3.1941; 15.3.1947; 20.4.1959; 23.1.1967, 28.3. 1968; 14. 4.1970; 23. 5. 1975; 25. 3.1977. 177 Der Meinung der Rechtsprechung stimmen z.B. zu: Quintano, C u r s o I , S. 353 u n d Rodriguez Devesa, PG, S. 554. Dagegen: Ferrer I, S. 231 (es genügt „der Beweis, daß der Täter bei Ausführung der Tat i n einem Zustand der unüberwindlichen Furcht gehandelt hat, gleichgültig, ob die Gefahrensituation, die einen solchen Gemütszustand hervorgerufen hat, w i r k l i c h oder n u r vorgestellt w a r " ) ; del Rosai I I , S. 245; Cordoba, Comentarios I, S. 351/352.
Das spanische Strafrecht
Während die Mehrheit des Schrifttums 1 7 8 die unüberwindliche Furcht als Schuldausschließungsgrund ansieht, sind w i r der Meinung, daß es sich u m einen Rechtfertigungsgrund handelt, und zwar aus den gleichen Erwägungen, die auch für den Notstand gelten 1 7 9 . E. Die
Einwilligung
Das Problem der strafrechtlichen Bedeutung der Einwilligung hat die Rechtsprechung bisher nicht beschäftigt. Dagegen ist die Frage i n der spanischen Lehre eine der umstrittensten und hat eine umfangreiche Literatur hervorgebracht; die Diskussion hat sich vorzugsweise i m Bereich der Körperverletzung entwickelt, wobei sowohl die These von der strafrechtlichen Relevanz der Einwilligung als auch die der Irrelevanz vertreten worden i s t 1 8 0 . F. Handeln auf Befehl Hinsichtlich der Rechtsnatur des Handelns auf Befehl ist die spanische Lehre geteilt 1 8 1 . Das Gesetz erkennt es i n A r t . 8 Ziff. 12 („Von strafrechtlicher Verantwortung ist [sind] ausgenommen . . . wer aufgrund geschuldeten Gehorsams handelt") ausdrücklich als Ausschließungsgrund an, ohne aber seinen Inhalt zu bestimmen. Die Lehre stellt für die Anwendung des A r t . 8 Ziff. 12 die folgenden Voraussetzungen auf: 1. Daß das Handeln auf Befehl innerhalb eines öffentlich-rechtlichen Unterordnungsverhältnisses 182 erfolgt; dagegen ist der familiäre oder sich aus einem Arbeitsverhältnis ergebende Gehorsam strafrechtlich unerheblich 1 8 3 , 178 Vgl. f ü r alle Rodriguez Devesa, PG, S. 552; i m gleichen Sinne TS 25. 3. 1977. 179 x s i2.5.1971 unterscheidet zwischen unüberwindlicher Furcht als Rechtfertigungsgrund, je nachdem, ob das Übel, m i t dem der Täter bedroht w i r d , ein größeres oder gleiches ist, i m Verhältnis zu dem, welches er verursacht. 180 Z u m ganzen siehe Gimbernat, Quintano I, S. 794 ff. m i t weiteren H i n weisen. 181 Als Rechtfertigungsgrund sehen es an: Quintano, Curso I, S. 393; del Rosall, S. 807; Rodriguez Devesa, PG, S. 474, 476 und Luzón Pena, Aspectos esenciales, 1978, S. 117 A n m . 466. Als Schuldausschließungsgrund sehen es an: Ferrer I, S. 251; Anton, S. 274 und TS 2. 6.1972. 182 Vgl. i n diesem Sinne z.B. TS 8.2.1961; 25.10.1962; Ferrer I, S.257; Quintano, Curso I, S. 393; del Rosai I, S. 805; de Rivacoba, L a obediencia jerârquica en el Derecho penal, 1969, S. 169/170. 183 I n diesem Sinne TS 21.1.1941; 24.11.1962; 30.1.1967; 8.3.1969; 10.12. 1970; 1.7.1976; Quintano, Curso I, S. 393; del Rosai I, S. 805. Dagegen: Cordoba, Comentarios I, S. 399, 400 und Rodriguez Devesa, PG, S. 457.
§ 9 Die Schuld
343
2. daß der Befehlende i m Rahmen seiner Befugnisse handelt 1 8 4 und 3. daß der Befehl den Anschein der Rechtmäßigkeit besitzt 1 8 5 . G. Die Erfüllung einer Pflicht und die rechtmäßige Ausübung eines Rechtes, eines Amtes oder einer Stellung Als Rechtfertigungsgrund betrachten die spanische Rechtsprechung und Lehre schließlich die Bestimmung i n A r t . 8 Ziff. 11, wonach von strafrechtlicher Verantwortlichkeit ausgenommen ist, „wer i n Erfüllung einer Pflicht oder i n rechtmäßiger Ausübung eines Rechtes, eines Amtes oder einer Stellung handelt". Gemäß diesem Ausschließungsgrund sind ζ. B. diejenigen von strafrechtlicher Verantwortlichkeit befreit, die i m Rahmen eines Züchtigungsrechtes handeln, sowie die Behörden und Privatpersonen, die i n den gesetzlich vorgesehenen Fällen Verhaftungen vornehmen. § 9 D i e Schuld I . Einleitung
A u f der Grundlage des normativen Schuldbegriffs versteht das moderne spanische Schrifttum so gut wie einstimmig die Schuld als den Vorwurf, den man dem Täter macht, weil er rechtswidrig gehandelt hat, obwohl er anders hätte handeln können 1 8 6 . Dagegen lehnt Gimbernat die normative Schuldlehre ab, weil seiner Ansicht nach der freie 184 So ζ. B. i n diesem Sinne; TS 23.11.1950; 10.12.1970; 30. 4.1976; Ferrer I, S. 258; Quintano, Curso I, S. 394; Rodriguez Devesa, PG, S. 460. 185 Dieses Erfordernis (vgl. Ferrer I, S. 259; Quintano, Curso I , S. 394; Rodriguez Devesa, PG, S. 467) leitet sich e contrario aus A r t . 369 her: „Richterliche oder Verwaltungsbeamte, die sich offen weigern, Urteilen, Entscheidungen oder Anordnungen einer vorgesetzten Behörde, welche innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit u n d unter Beachtung der gesetzlichen Formerfordernisse erlassen worden sind, Folge zu leisten, werden m i t der besonderen Aberkennung von Rechten (inhabilitación especial) u n d m i t Geldstrafe von 20 000,— bis 100 000,— Peseten bestraft. Unbeschadet der Bestimmung des vorstehenden Absatzes machen sich diejenigen Beamten nicht strafbar, die einer Anordnung nicht Folge leisten, welche eine offensichtliche, klare und eindeutige Verletzung einer gesetzlichen Vorschrift darstellt. Ebensowenig machen sich diejenigen als Obrigkeit fungierenden Beamten strafbar, die eine Anordnung nicht befolgen, die offensichtlich und eindeutig irgendeine andere allgemeine Norm verletzt". lee v g l z. B. Quintano, Hacia una posible concepción unitaria juridicopénal de la culpabilidad, ADPCP 1951, S. 534 ff.; derselbe, Curso I, S. 270; Diaz Palos, Culpabilidad juridico-penal, 1954, S. 94; Suârez Montes, Psicopatia y responsabilidad, i n : Delincuentes anormales, S. 651; Jiménez de AsuaV, S. 187 ff.; del Rosai I I , S. 58 ff.; Cuello I, S. 403; Rodriguez Devesa, PG, S. 366, 368.
Das spanische Strafrecht
Wille, auf dem diese Lehre beruht, nicht nachweisbar i s t 1 8 7 . Zur abweichenden Lehre zählen außerdem Pereda 188 und de Miguel 189, die noch immer den psychologischen Schuldbegriff vertreten. Das Oberste Gericht bedient sich häufig der normativen Schuldlehre; auf sie hat es sich beispielsweise gestützt, u m den Verbotsirrtum anzuerkennen 1 9 0 . I I . Die Voraussetzungen der Schuld
A. Die Schuldfähigkeit Eine Person ist schuldunfähig, wenn sie weniger als 16 Jahre alt (Art. 8 Ziff. 2) oder geisteskrank ist oder i n einem Zustand vorübergehender Bewußtseinsstörung handelt (Art. 8 Ziff. 1) oder wenn sie von Geburt oder seit ihrer Kindheit taubstumm ist und jedweder Bildung ermangelt (Art. 8 Ziff. 3). 1. Schuldunfähigkeit wegen straf rechtlicher Minderjährigkeit A r t . 8 Ziff. 2 verwendet ein rein biologisches Kriterium, indem er „den Minderjährigen unter sechzehn J a h r e n " 1 9 1 von strafrechtlicher Verantwortlichkeit ausnimmt. Bei Tätern über sechzehn und unter achtzehn Jahren w i r k t das A l t e r lediglich als mildernder Umstand 1 9 2 . Die auf den minderjährigen Täter anwendbaren Maßregeln werden w i r weiter unten behandeln 1 9 3 .
187 Vgl.: H a t die Strafrechtsdogmatik eine Zukunft? Z S t W 82 (1970), S. 382 ff. ; Z u r Strafrechtssystematik auf der Grundlage der Unbeweisbarkeit der Willensfreiheit, Henkel-Festschrift, 1974, S. 153/154, 159 ff. Munoz Conde, F u n k t i o n der Strafnorm und Strafrechtsreform, Strafrecht und Strafrechtsreform, 1974, S. 312 ff., ist Gimbernats Auffassung beigetreten; zum T e i l übereinstimmend: Mir, Introducción a las bases del Derecho penal, 1976, S. 57, 106 ff., u n d Quintero, Represión penal y Estado de Derecho, 1976, S. 118. Ausdrücklich gegen die von Gimbernat vertretene Auffassung: Cordoba , Culpabilidad y pena, 1977, S. 38 ff.; Bajo, Algunas observaciones sobre la teoria de la motivación de la norma, i n : Estudios penales I, 1977, S. 9 ff.; Rodriguez Mourullo, S. 81/82 A n m . 17 u n d S. 241 ff. 188 Siehe: E l concepto normativo de la culpabilidad, A D P C P 1949, passim. 189 Vgl.: Panorama de la culpabilidad en la dogmàtica penal contemporanea, A D P C P 1952, S. 47, 48. Gleichfalls kritisch gegenüber der normativen Lehre: Luzón Domingo, Tratado I, S. 102 ff. 190 Siehe oben § 8 I Β 3 a. 191 I n Estudio 1972 (base 3 a, 4) w i r d die Altersgrenze f ü r die Strafmündigkeit auf 15 Jahre herabgesetzt. Cerezo, Informe sobre el anteproyecto de bases del L i b r o I del Código Penal, A D P C P 1972, S. 773/774, erklärt sich m i t dem Vorschlag des Entwurfs von 1972 einverstanden; Rodriguez Devesa, PG, S. 527, k r i t i s i e r t i h n dagegen. " 1 9 2 Siehe unten § 10 I I C. 193 Siehe unten § 20 I I I .
§ 9 Die Schuld
345
2. Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen a) Geisteskrankheit und vorübergehende Bewußtseinsstörung A r t . 8 Ziff. 1 bestimmt, daß von strafrechtlicher Verantwortung ausgenommen ist „der Geisteskranke u n d derjenige, der sich i n einem Zustand vorübergehender Bewußtseinsstörung befindet, außer wenn er diesen Zustand absichtlich zwecks Begehung eines Verbrechens herbeigeführt hat".
Trotz der ersichtlich rein biologischen Fassung dieser Bestimmung 1 9 4 legen Lehre und Rechtsprechung A r t . 8 Ziff. 1 i m Sinne der gemischten biologisch-psychologischen Methode aus 1 9 5 . So verlangt die Rechtsprechung als Voraussetzung für die Anerkennung einer Geisteskrankheit 1 9 6 und einer vorübergehenden Bewußtseinsstörung 197 als Schuldausschließungsgründe, daß diese den Täter daran hindern, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden oder nach dieser Einsicht zu handeln. Wenn die Kenntnis des Verbotenen oder die Handlungsfreiheit nur zum Teil vorhanden sind, können die Geisteskrankheit und die vorübergehende Bewußtseinsstörung nur auf der Grundlage des A r t . 9 Ziff. 1 als Strcimilderungsgründe angesehen werden 1 9 8 . Die Auslegung des A r t . 8 Ziff. 1 i n diesem biologisch-psychologischen Sinne ist auch von der Lehre anerkannt worden 1 9 9 . aa) Die Geisteskrankheit Da es entscheidend auf die psychologischen Folgen der Krankheit für den Täter ankommt, hängt es vom Einzelfall ab, ob die verschiedenen geistigen Störungen als Ausschließungsgründe wirken oder nicht. So hat die Rechtsprechung bezüglich der Psychosen erklärt, daß sie je nach ihrer Intensität als Ausschließungsgründe oder mildernde Um194 Vgl. Anton, S. 296; Navarrete, E l problema penal y criminológico de las neurosis, Delincuentes anormales, S. 464; Rodriguez Devesa, PG, S. 511. 195 I n Estudio 1972 (base 3 a, 4, 2) w i r d m i t Entschiedenheit eine gemischte Formel vertreten: „ A l s unzurechnungsfähig ist (sind) anzusehen: .. . w e r i m Augenblick der Begehung der Tat unter einer dauernden oder vorübergehenden Bewußtseinsstörung leidet, die i h n hindert, das Unrecht der Tat einzusehen oder sein Verhalten i n gehöriger Weise zu regeln". m V g L T S 1 2 . 7.1936; 10. 2.1945; 23. 1.1946; 12. 4. 1950; 10. 4.1957; 11. 2.1958; 28.1.1959; 25.2. und 30.6.1970; 19.11.1971; 7.4. und 16.6.1975; 30.11.1976; 12. 5.1977. 197 Siehe TS 13. 3.1934; 10. 1.1945; 2. 4.1949; 25. 5.1970; 21.1. 1971; 18.1. 1972; 29. 4.1975; 18. 6.1975. 198 Siehe unten § 10 I I A. 199 Vgl. Anton, S. 296; Diaz Palos, Teoria general de la imputabilidad, 1965, S. 242; Cerezo, Die Auseinandersetzung u m die finale Handlungslehre i n der spanischen Strafrechtswissenschaft, ZStW 84 (1972), S. 1065; Rodriguez Devesa, PG, S. 516.
Das spanische Strafrecht
stände anzusehen seien 2 0 0 . Das gleiche gilt für die Epilepsie, die je nach Lage des Falles als ausschließender oder mildernder Umstand wirken k a n n 2 0 1 ; sie kann auch unerheblich für die strafrechtliche Verantwortung sein, wenn zwischen der Krankheit und der begangenen Straftat kein Kausalzusammenhang besteht 2 0 2 . Innerhalb des Gebietes der Oligophrenie hat die Rechtsprechung entschieden, daß die Idiotie die Verantwortung stets ausschließt, der Schwachsinn aber nur i n einigen Fällen; i n anderen kann er die Verantwortung nur mildern. Die Geistesschwäche führt nur dann zu einer Milderung, wenn sie sehr ausgeprägt i s t 2 0 3 . Die Psychopathien ändern i m Prinzip nichts an der strafrechtlichen Verantwortlichkeit 2 0 4 , können sie aber i n einigen Fällen mildern, wenn sie sehr schwerwiegend sind und i n Kausalzusammenhang mit der begangenen Verfehlung stehen 2 0 5 ; nur ausnahmsweise hat man ihnen die Eigenschaft eines Ausschließungsgrundes zuerkannt 2 0 6 . Ausdrücklich abgelehnt hat man die Erheblichkeit des sogenannten „moralischen Irreseins" 2 0 7 und der Neurosen 2 0 8 . bb) Die vorübergehende Bewußtseinsstörung Die vorübergehende Bewußtseinsstörung besteht i n einer zeitlich begrenzten Sinnesverwirrung außerordentlichen Umfangs, die plötzlich auftritt und sodann spurlos verschwindet 2 0 9 . Das zentrale Problem der vorübergehenden Bewußtseinsstörung besteht i m spanischen Recht darin, ob sie eine pathologische Grundlage voraussetzt oder ob man diesen Ausschließungsgrund auch bei einer absolut normalen Person annehmen kann, die aus lediglich äußeren 200 Vgl. ζ. B. die Urteile des TS v o m 15. 11.1966 und 21.1.1971 (betreffend die manisch-depressive Psychose) und v o m 5.11.1966; 19.11. 1971 und 14.11. 1975 (betreffend die Schizophrenie). 201 Vgl. TS 2. 4.1947; 7. 3.1951; 18.11.1955; 7. 4.1975. 202 Siehe i n diesem Sinne TS 5.5.1955; 11.12.1958; 27.10.1976; 27.4.1977. 203 Vgl. ζ. B. TS 24.11.1958 und 25. 2.1970. 2M Vgl. z.B. TS 25.5.1970; 9.4.1976; 25.1.1977. Kritisch gegenüber dieser Einstellung der Rechtsprechung: Lopez Ibor, Psicologia del acto criminoso, Delincuentes anormales, S. 417; Alberca Lorente, L a actualidad de la enfermedad y la tipicidad del delito en Derecho penal. Psiquiatria y Derecho penal, 1956, S. 61. 205 Vgl. i n diesem Sinne TS 10. 6.1954; 25. 5.1964; 2. 5. u n d 10. 6.1968; 30. 6. 1970; 23. 5.1972; 8. 3.1975. 206 So TS 27. 2. 1936. 207 V g L x s 1 8 > 3 1 9 4 8 < 208 Neurosen können, wie das U r t e i l des TS v o m 13.10.1971 erklärt, n u r i n Extremfällen die Schuld ausschließen oder mildern. 209 Vgl. i n diesem Sinne TS 12.4.1950; 11.11.1953; 5.4.1954; 24.6.1970; 21.1.1971; 18. 6.1975; Alberca, i n : Ferrer I, S. 156; Perez Vitoria, E l „trastorno mental transitorio" corno causa de i n i m p u t a b i l i d a d en el Código Penal espanol, A D P C P 1952, S. 29 ff.; Cuello I, S. 486; Rodriguez Devesa, PG, S. 518 ff.
§ 9 Die Schuld
347
Gründen (Eifersucht, Provozierung seitens des späteren Opfers etc.) i n einen Zustand der Unzurechnungsfähigkeit gerät. Die Ansichten i m Schrifttum sind geteilt. Das Erfordernis einer pathologischen Grundlage bejahen Alberca 210, Castro Perez 211 und Rodriguez Devesa 212 ; gegen dieses Erfordernis haben sich Anton 213, Perez Victoria 214, Quintano 215, 216 217 Luzón Domingo und Cuello ausgesprochen. Die Rechtsprechung ist widersprüchlich 2 1 8 . M i t der Bedeutung der Trunkenheit für die Zurechnungsfähigkeit werden w i r uns weiter unten beschäftigen 219 . cc) Rechtsfolgen A r t . 8 Ziff. 1 schreibt vor, daß das Gericht die Unterbringung eines Geistesgestörten i n einer für Kranke dieser A r t bestimmten Anstalt, welche er nur mit Genehmigung des Gerichts verlassen kann, anordnet, wenn er eine Tat begangen hat, die das Gesetz als Delikt m i t Strafe bedroht. Diese Regelung ständig und daher rungsmaßnahmen rungsgrund der schließt sie, ohne
ist, wie i m Schrifttum betont worden ist, unvollunbefriedigend 2 2 0 . Einerseits sieht sie keinerlei Sichefür denjenigen vor, auf den lediglich der StrafmildeGeistesstörung 221 Anwendung findet, andererseits ersatzweise Sicherungsmaßregeln anzuordnen, den-
210 j n : Ferrer I, S. 138, 156, und i n seinem Aufsatz: L a actualidad de la enfermedad y la tipicidad del delito en Derecho penal, 1965, S. 64 ff. 211 Vgl. E l delincuente pasional corno sujeto mentalmente anòmalo. Delincuentes anormales, S. 178. 212 Siehe PG, S. 518/519. 213 Vgl. S. 298. 214 Siehe ADPCP 1952, S. 35, 36. 215 v g i # Curso I, S. 325; Estimativa jurisprudencial de las anomalias mentales. Delincuentes anormales, S. 518/519. 216
Vgl. Derecho penal I, S. 78, 79. Siehe I, S. 488. 218 I n den Urteilen des TS v o m 10. 2.1945; 11.11.1953; 5. 4.1954; 4. 3.1958; 18.1. und 18.12.1972 w i r d eine pathologische Grundlage verlangt. Die Möglichkeit, eine vorübergehende Bewußtseinsstörung bei normalen Personen zu berücksichtigen, w i r d i n folgenden Entscheidungen des TS zugelassen: 13. 3.1934; 14. 10.1944; 27. 4.1953; 27. 2.1954; 21.1.1971; 1. 4.1971 („Nach dem jetzigen Stand der Rechtsprechung ist das Erfordernis einer pathologischen Grundlage f ü r die Annahme des Ausschließungs- oder Milderungsgrundes der vorübergehenden Bewußtseinsstörung überholt; diese w i r d bereits ohne weiteres als plötzliche und zeitweilige, ihrer Entstehung nach endogene oder exogene seelische Störung angesehen, die, über die bloße mehr oder weniger intensive Gefühlsverwirrung hinausgehend, während ihrer Dauer i n den Bereich krankhaften Geisteszustandes f ä l l t " ) ; 24.1.1974; 18. 6.1975. 219 Siehe unten § 10 I I B. 220 y g i f ü r alle Castro Perez, E l delincuente pasional corno sujeto mentalmente anòmalo. Delincuentes anormales, S. 179. 217
221
Siehe unten § 10 I I A.
Das spanische Strafrecht
jenigen von Strafe aus, der auf pathologischer Basis, gedeckt durch eine vorübergehende Bewußtseinsstörung, handelt. b) Taubstummheit A r t . 8 Ziff. 3 bestimmt: „ V o n strafrechtlicher Verantwortlichkeit ist (sind) befreit: . . . w e r von Geb u r t oder von K i n d h e i t an taubstumm ist u n d jeglicher B i l d u n g ermangelt".
Wenn ein Taubstummer eine vom Gesetz als Delikt unter Strafe gestellte Handlung begangen hat, w i r d er i n einer Erziehungsanstalt für Abnormale untergebracht. Nach herrschender Meinung i n Rechtsprechung 222 und L e h r e 2 2 3 ist hier Bildung nicht i n einem intellektuellen Sinn zu verstehen, ob der Täter ζ. B. lesen und schreiben kann oder nicht, sondern i n einem psychologischen Sinn dahingehend, daß mangels entsprechender Erziehung die betreffende Person nicht zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann oder nicht fähig ist, nach dieser Einsicht zu handeln. I m übrigen nimmt ein Teil des Schrifttums a n 2 2 4 , daß der Ausschließungsgrund der Taubstummheit überflüssig ist, denn wenn der Täter schuldunfähig nach A r t . 8 Ziff. 3 sei, sei er es auch nach A r t . 8 Ziff. 1. 3. Das Problem der actio libera i n causa Mangelnde Handlungs- oder Schuldfähigkeit i m Augenblick der Begehung der Straftat schließt die Verantwortung des Täters nicht aus, wenn er vorsätzlich oder fahrlässig diesen Zustand herbeigeführt hat. Die Lehre von der actio libera i n causa ist auch von der spanischen Gesetzgebung 225 sowie von Rechtsprechung 226 und Schrifttum 2 2 7 angenommen worden. 222
Siehe z. B. TS 16. 12. 1935 und 17. 11.1960. Vgl. Ferrer I, S. 169; Luzon Domingo, Derecho p e n a l l , S. 86; Navarrete, Delincuentes anormales, S. 464/465, A n m . 8; Quintano, Curso I, S. 330; Rodriguez Devesa, PG, S. 530. 224 So Quintano, Curso I, S. 330; Diaz Palos, Teoria general de la i m p u t a b i lidad, 1965, S. 225/226. 225 v g l . A r t . 8: „ V o n strafrechtlicher Verantwortung ist (sind) ausgenommen: 1. Wer geisteskrank ist oder w e r sich i n einem Zustand vorübergehender Bewußtseinsstörung befindet, es sei denn, daß dieser Zustand absichtlich herbeigeführt worden ist, um eine Straftat zu begehen" und A r t . 9: „ M i l d e r n d e Umstände sind: . . . 2. Die nicht gewohnheitsmäßige Trunkenheit, vorausgesetzt, daß sie nicht mit verbrecherischen Absichten verursacht worden ist. ( t 226 So verurteilt das TS wegen fahrlässigen Delikts den Fahrer, der i n schlafendem Zustand einen U n f a l l verursacht, indem es die Fahrlässigkeit auf den Moment zurückbezieht, i n dem der Fahrer, obwohl er seine M ü d i g keit bemerkt hatte, weiterfuhr (vgl. z. B. die Urteile des TS vom 31. 3. und 3. 6.1971; 28. 3.1972; 11.10.1973; 16. 3.1974; 18. 2.1975; 6.11.1976). 223
§10 Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung ändern
B. Das Bewußtsein
der Rechtswidrigkeit
349
und der Verbotsirrtum
I n Spanien hat die Anerkennung der normativen Schuldlehre durch Rechtsprechung 228 und L e h r e 2 2 9 und die vorherrschende Auslegung des A r t . 8 Ziff. 1 i m Sinne der gemischten biologisch-psychologischen Form e l 2 3 0 die Grundlage dafür geschaffen, daß als Voraussetzung der Strafbarkeit verlangt wird, daß der Täter das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens hat. Daher ist der Verbotsirrtum zu beachten 2 3 1 . Über den augenblicklichen Stand dieser Frage i m spanischen Recht haben i n Deutschland Cerezo 232 und Cordoba 233 berichtet. W i r verweisen auf diese Autoren und auf das oben Ausgeführte. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Mehrheit i m spanischen Schriftt u m die Vorsatztheorie vertritt, daß die Schuldtheorie nur von Cerezo verteidigt w i r d und daß, mit Ausnahme von Gimbernaf l34, der I r r t u m über die tatsächlichen Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe nicht als Tatbestandsirrtum, sondern als Verbotsirrtum angesehen wird. I I I . Die Unzumutbarkeit 2 3 5
Die spanische Lehre betrachtet den Notstand wegen Konflikts zwischen gleichwertigen Gütern und die unüberwindliche Furcht als Schuldausschließungsgründe. Entsprechend dem System der vorliegenden Darlegung sind diese beiden Ausschließungsgründe bei den rechtfertigenden Umständen behandelt worden 2 3 6 .
§ 10 Umstände, die die strafrechtliche V e r a n t w o r t u n g ändern I . Einleitung
Außer i m Besonderen Teil, wo sich Erschwerungs- und Privilegierungstatbestände i n Beziehung zu ihren Grundtatbeständen finden lassen, regelt der Código Penal i m Allgemeinen Teil die allgemein m i l 227
Vgl. f ü r alle Cuello I, S. 416/417. Siehe oben § 8 I Β 3 a. 229 Siehe oben § 8 I Β 3 a. 230 Siehe oben I I 2. 231 Die Erheblichkeit des Verbotsirrtums w i r d von Gimbernat, HenkelFestschrift, S. 163 ff. i n anderer Weise begründet. 232 Siehe ZStW 84 (1972), S. 1053 ff. 233 Vgl. Maurach-Festschrift, S. 635 ff. 234 Vgl. Henkel-Festschrift, S. 165. 235 Uber die Unzumutbarkeit i m spanischen Recht grundlegend Sainz Cantero, L a exigibilidad de conducta adecuada a la norma en Derecho penal, 1965, S. 109 ff. 236 Siehe oben § 8 I I C u n d D. 228
Das spanische Strafrecht
dernden und erschwerenden Umstände, die somit als grundsätzlich auf alle Arten von Straftaten anwendbar erscheinen 237 . Was aber die erschwerenden Umstände anbelangt, so t r i f f t diese allgemeine Anwendbarkeit i n Wirklichkeit vielfach nicht zu. Es gibt dogmatische (begrifflich können einige erschwerende Umstände die Verantwortlichkeit nur i n bezug auf eine Gruppe oder einzelne Gruppen von Verbrechen erhöhen) und gesetzliche Hinderungsgründe (ζ. B. beschränkt A r t . 10 Ziff. 1 ausdrücklich die Annahme der Heimtücke [alevosia] auf die Verbrechen gegen Personen), die eine erhebliche Einschränkung des Bereichs der erschwerenden Umstände bedeuten. Übereinstimmung besteht darüber, daß es zweckmäßig wäre, das System der erschwerenden Umstände zu vereinfachen. Häufig findet ein und dasselbe Erschwerungsprinzip seinen Ausdruck i n mehreren Umständen. So haben ζ. B. die Heimtücke und andere Merkmale des A r t . 10 ihren Grund i n der Wehrlosigkeit des Opfers, und obwohl es ein einmütig anerkanntes Auslegungsprinzip ist, daß aus einem Umstand nur ein einziger Erschwerungsgrund abgeleitet werden kann, gibt es doch sehr schwierige Probleme bezüglich der Abgrenzung analoger Erschwerungsgründe sowie bezüglich der Vereinbarkeit der Erschwerungsgründe unter sich und i n Verbindung m i t einigen m i l dernden Umständen. Endlich schlägt ein Teil des Schrifttums vor, die allgemeinen erschwerenden Umstände oder wenigstens einen Teil von ihnen abzuschaffen und von Seiten des Gesetzgebers dazu überzugehen, ausschließlich — und nicht mehr gelegentlich, wie bisher — besondere Erschwerungstatbestände zu schaffen. Zur Berücksichtigung einiger Umstände reicht eine bloße objektive Sachlage, die durch den Vorsatz des Täters erfaßt wird, nicht aus; es ist vielmehr außerdem notwendig, daß mit einer bestimmten Gesinnung gehandelt wird. Dies ist vor allem bei den erschwerenden Umständen der Fall. Eine der i m spanischen Recht umstrittensten Fragen ist die nach dem Wesen der erschwerenden und mildernden Umstände. Das Problem w i r d gewöhnlich unter dem Gesichtspunkt ihrer objektiven oder subjektiven Natur behandelt, die man mit der Frage gleichzusetzen pflegt, ob sie sich auf die Rechtswidrigkeit oder auf die Schuld auswirken. Aus all dem sucht man Folgerungen für den Anwendungsbereich des A r t . 60 herzuleiten, der vorsieht, daß sich bestimmte Umstände auf die Teilnehmer auswirken, andere wieder nicht 2 3 8 . 237
Uber die Rechtsfolgen siehe unten § 26. A r t . 60 bestimmt: „Erschwerende oder mildernde Umstände, die i n der moralischen Einstellung des Täters, seinen persönlichen Beziehungen zum Verletzten oder i n einer 238
§ 10 Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung ändern
351
Silvela: 239, Ferrer 240 u n d Cuello 241 n e h m e n an, daß alle m i l d e r n d e n U m s t ä n d e s u b j e k t i v e r N a t u r seien, d e n n diese ließen eine „geringere G e f ä h r l i c h k e i t " 2 4 2 , eine „geringere V e r w e r f l i c h k e i t der G e s i n n u n g " 2 4 3 des Täters erkennen. I m gleichen Sinne äußert sich Puig 244, f ü r den alle m i l d e r n d e n U m s t ä n d e eine s u b j e k t i v e u n d persönliche Note aufweisen, i n d e m sie die „ V o r w e r f b a r k e i t " m i n d e r n . A n i o n 2 4 5 , Quintano 246, 247 248 Luzón Domingo u n d del Rosai t e i l e n dagegen die m i l d e r n d e n U m stände i n o b j e k t i v e u n d s u b j e k t i v e ein; den ersten e r k e n n e n sie die M ö g l i c h k e i t der Ü b e r t r a g u n g auf die T e i l n e h m e r zu, d e n z w e i t e n nicht249. Bezüglich der erschwerenden U m s t ä n d e n e h m e n Ferrer 250 und Cuello 251 an, daß sie alle s u b j e k t i v e r N a t u r sind. Silvela 252 vertritt einen r a d i k a l entgegengesetzten S t a n d p u n k t ; f ü r i h n sind es s ä m t l i c h o b j e k t i v e Umstände. Rodriguez Devesa 253 unterscheidet zwischen o b j e k t i v e n , s u b j e k t i v e n u n d o b j e k t i v - s u b j e k t i v e n erschwerenden U m s t ä n d e n 2 5 4 , er weist der Schuld n u r die r e i n s u b j e k t i v e n zu, dagegen „beanderen persönlichen Ursache bestehen, können nur bei demjenigen, bei dem sie vorliegen, die Strafbarkeit erhöhen oder vermindern. Umstände, welche i n der Tatausführung oder i n den angewandten M i t t e l n liegen, können die Strafbarkeit nur bei denjenigen erhöhen oder vermindern, welche dieselben i m Augenblick der Tat oder der Teilnahme daran kannten." Diéz Ripollés, Naturaleza de las circunstancias modificativas, su referencia a los elementos del delito y el articulo 60 del Código penal espanol, ADPCP 1977, S. 643 ff., bestreitet die Gleichsetzung objektiv = Unrecht, subjektiv = Schuld und meint außerdem, daß die i m A r t . 60 vorgesehene Zurechnung oder Nichtzurechnung der erschwerenden und mildernden Umstände unabhängig 239 Vgl. I I , S. 176. die Rechtswidrigkeit oder die Schuld betreffen. davon ist, ob diese 240 Vgl. I, S. 267. 241 Vgl. I, S. 528 ff. 242 Ferrer, op. cit., loc. cit. 243
Cuello, op. cit., S. 528. Siehe I I , S. 57. 245 Siehe S. 333. 246 Vgl. Comentarios, S. 151/152. 247 Siehe Derecho penal I, S. 254. 248 Vgl. I I , S. 253 ff. 249 Nach Anton, op. cit., loc. cit., ist es unmöglich, daß alle mildernden U m stände zur Schuld gehören, denn wenn unter den Ausschließungsgründen einige die Rechtswidrigkeit und andere die Schuld ausschließen, so muß das gleiche mindestens bei denjenigen mildernden Umständen der Fall sein, die einen unvollständigen Ausschließungsgrund darstellen. 250 Vgl. I, S. 328. 251 Siehe I, S. 550. 252 Siehe I I , S. 177. 253 v g l , p ò , S. 621. 244
254 Die herrschende Lehre unterscheidet gleichfalls zwischen objektiven und subjektiven erschwerenden Umständen und beantwortet danach die Frage nach der Übertragbarkeit auf die Teilnehmer.
Das spanische Strafrecht
rühren die Rechtswidrigkeit diejenigen erschwerenden Umstände, die sich auf die A r t und Weise der Begehung der Straftat, Zeit und Ort ihrer Ausführung oder auf die Herbeiführung eines schwererwiegenden als sonst üblich eintretenden Erfolges beziehen" 2 5 5 . Die Wesensbestimmung der Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung ändern, würde eine eingehende Behandlung von Fragen erfordern, die sowohl i m spanischen Strafrecht als auch i m deutschen (Gesinnungsmerkmale) aufgeworfen, erörtert, aber nicht gelöst sind. W i r untersuchen i m folgenden die erschwerenden und die mildernden Umstände, ohne zu diesen Fragen Stellung zu nehmen, denn dies ist i m Rahmen einer überwiegend beschreibenden Darlegung des spanischen Strafrechts weder möglich noch notwendig. I I . Die mildernden Umstände A. Die unvollständigen
Rechtfertigungs-
und
Entschuldigungsgründe
1. Nach A r t . 9 Ziff. 1 gelten als mildernde Umstände „die i m vorhergehenden Kapitel erwähnten Umstände [d.h. die Rechtfertigungsund Entschuldigungsgründe des A r t . 8], wenn nicht alle Voraussetzungen gegeben sind, u m i n den entsprechenden Fällen die Verantwortlichkeit auszuschließen". 2. Die Tragweite des A r t . 9 Ziff. 1 muß i n zweifacher Richtung begrenzt werden. Zwei der nach A r t . 8 die Verantwortlichkeit ausschliessenden Umstände können in keinem Falle zu Strafmilderungsgründen werden. Dies gilt einmal für die Strafunmündigkeit Jugendlicher unter 16 Jahren nach A r t . 8 Ziff. 2, denn der Código Penal sieht ausdrücklich i n A r t . 9 Ziff. 3 als selbständigen mildernden Umstand vor, „daß der Täter ein Minderjähriger unter 18 Jahren [und über 16 Jahren] ist". Ebensowenig kann der Zufall nach A r t . 8 Ziff. δ 2 5 6 als Strafmilderungsgrund zum Zuge kommen, weil die Anwendbarkeit des A r t . 9 Ziff. 1 durch A r t . 64 ausgeschlossen ist, wonach die Vorschrift des A r t . 565 [das heißt: Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit] anzuwenden ist, „wenn nicht alle nach A r t . 8 Ziff. 8 für die Befreiung von Verantwortung erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind". A l l e anderen Ausschließungsgründe des A r t . 8 können zu Milderungsgründen nach A r t . 9 Ziff. 1 werden, wenn der Ausschließungsgrund lediglich wegen des Fehlens einer unwesentlichen Voraussetzung unvollständig geblieben ist. Fehlt ein wesentliches Erfordernis, so ist — und dies bedeutet eine zweite Begrenzung der Reichweite des A r t . 9 255 256
Rodriguez Devesa, PG, S. 621. Siehe unten § 13 I I .
§ 10 Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung ändern
353
Ziff. 1 — weder Raum für einen Ausschluß der Verantwortlichkeit noch für deren Milderung 2 5 7 . (Beispiel: Die Notwehr stellt einen Milderungsgrund nach A r t . 9 Ziff. 1 dar, wenn der Täter die Grenzen der Abwehr des rechtswidrigen Angriffs überschritten oder wenn der Angegriffene vorher den Angriff herausgefordert hat, aber nicht, wenn es an einem vorausgegangenen rechtswidrigen Angriff fehlt) 2 5 8 . 3. Hinsichtlich Ziff. 1 des A r t . 8 (Geisteskrankheit und vorübergehende Bewußtseinsstörung) sind die Psychopathien als mildernde Umstände i m Sinne von unvollständigen Ausschließungsgründen angesehen worden 2 5 9 ; in anderen Fällen hat man ihnen aber auch jede schuldausschließende oder mildernde Wirkung abgesprochen 260 und erklärt, daß sie nur i n vereinzelten Fällen mildernd wirken können 2 6 1 , nämlich wenn sie schwerwiegend sind und überhaupt Anlaß zum Handeln des Täters waren 2 6 2 . Als Milderungsgründe i m Sinne des A r t . 9 Ziff. 1 i n Verbindung mit A r t . 8 Ziff. 1 sind auch die QuerulantenParanoia 2 6 3 und die Oligophrenien 2 6 4 bewertet worden, wobei bezüglich der letzteren 2 6 5 angenommen wird, daß die Idiotie ausschließend und der Schwachsinn mildernd w i r k t und daß die Geistesschwäche i n bestimmten Fällen die Strafe mildern kann. Unhaltbar ist, worauf i m Schrifttum hingewiesen worden i s t 2 6 6 , die jetzige Rechtslage, wonach für den vermindert Schuldfähigen keinerlei Sicherungsmaßregeln vorgesehen sind, sondern nur eine Strafmilderung. (Siehe dazu Anhang I C). 4. Von anderen Umständen nach A r t . 8 sind als Strafmilderungsgründe anerkannt worden: die Taubstummheit seit der Kindheit, wenn der Täter nur eine unvollständige Bildung erhalten hat (Art. 8 Ziff. 3) 2 6 1 , sowie die Verteidigungshandlungen des A r t . 8 Ziff. 4 nach vorausgegangener Provokation, obwohl man i n diesem letzten Fall verschiedent257
Vgl. i n diesem Sinne TS 29.10.1934; 30.1.1968; 28. 10.1970. So TS 19.11.1962; 28.12.1964; 12. 4.1975; 22. 6.1976; 26. 9. 1977; Ferrer I, S. 278; Cordoba , Las eximentes incompletas, 1966, S. 83/84; Rodriguez Devesa, PG, S. 599; Luzón Pena, Aspectos esenciales de la légitima defensa, 1978, S.130. 259 So TS 1.6.1962; 12.11.1969; 23.5.1972; 8.3.1975; Ferrer I, S. 274. 260 V g L T S 2 3 5 1 9 5 7 ; 9 4 1 9 7 6 258
261
Siehe TS 25. 5.1970; 20.1. 1976. Siehe TS 30. 6.1970; 20.1.1976. 263 So i n TS 30. 6.1969. 264 V g l T S 3Q λ 1 9 5 9 ; g 6 1 9 6 0 ; g g 1 9 6 9 265 V g l > T S 25. 2.1970; 8. 5.1976. 266 v g l . z< β . Barbero , Estudio preliminar. Psiquiatria y Derecho penal, 1965, S. 16; Quintano, Curso I, S. 327; derselbe, Comentarios, S. 155; Puig I I , S. 65. 262
267
Siehe TS 17.11. 1960.
2 Ausländisches Strafrecht V I
Das spanische Strafrecht
lieh die Verantwortlichkeit voll ausgeschlossen und den Befreiungsgrund der unüberwindlichen Furcht angewandt h a t 2 6 8 . Schließlich hat man auf dem Weg über A r t . 9 Ziff. 1 die Fälle des Notstandes 269 , der unwiderstehlichen Gewalt 2 7 0 , der unüberwindlichen Furcht 2 7 1 , der Erfüllung einer Pflicht 2 7 2 und des geschuldeten Gehorsams 273 als m i l dernde Umstände angesehen, wenn bei ihnen gewisse Elemente des entsprechenden Ausschließungsgrundes fehlten oder wenn nicht das Ausmaß erreicht wurde, das von der Verantwortung gänzlich befreit hätte. B. Die Trunkenheit 1. Der zweite in A r t . 9 behandelte mildernde Umstand ist „die nicht gewohnheitsmäßige Trunkenheit, vorausgesetzt, sie wurde nicht in der Absicht herbeigeführt, eine Straftat zu begehen" 2 7 4 . 2. Die spanische Lehre teilt die Trunkenheit nach zwei Gesichtspunkten ein. Der erste ist der Grund ihrer Entstehung; so kann man i n den Zustand der Trunkenheit durch Zufall geraten sein (ζ. B. aufgrund einer nicht vorhersehbaren Unverträglichkeit von Alkohol) oder aber fahrlässig oder vorsätzlich. Der zweite Gesichtspunkt ist der ihrer Intensität; hier unterscheidet man als strafrechtlich erheblich Volltrunkenheit und Halbtrunkenheit (embriaguez piena y semipiena). Das Oberste Gericht nimmt an, daß Trunkenheit von Verantwortlichkeit gemäß A r t . 8 Ziff. 1 nur i n denjenigen seltenen Fällen befreit, i n denen sie zufällig eintritt und Vollrausch vorliegt 2 7 5 . Ist sie zufällig eingetreten, ohne die Intensität des Vollrausches zu erreichen, so kommt der Strafmilderungsgrund des A r t . 9 Ziff. 1 i n Verbindung mit A r t . 8 Ziff. 1 zum Zuge 2 7 6 ; ist sie vorsätzlich herbeigeführt worden, dann t r i t t die Milderung nach Ziff. 2 des A r t . 9 ein. K l a r ist, daß die vor der Straftat und i m Hinblick auf diese herbeigeführte Trunkenheit, wie sich aus Art. 9 Ziff. 2 und auch Art. 8 Ziff. 1 eindeutig ergibt, weder als Ausschließungsgrund noch als mildernder Umstand i n Betracht kommt. 288
Vgl. z. B. TS 20. 6.1936; 4. 7. 1940. Vgl. TS 29. 4. u n d 6. 7.1971. 270 Siehe TS 2. 3. 1950. 271 Siehe TS 6. 12.1912. 272 V g l > T S 20. 3. 1946; 8. 5. 1950; 14. 6. 1960. 269
273
Siehe TS 23. 1. 1936. Gegen den gewohnheitsmäßigen und gefährlichen T r i n k e r kann eine Sicherungsmaßregel verhängt werden: vgl. A r t . 2,7 LPRS. 275 Vgl. z.B. die Urteile v o m 17.4. und 21.4.1969; 14.5. u n d 9.6.1971; 4.6. 1975; 3. 2. 1976; 17. 3. 1976; 29. 5.1976; 13. 11. 1976. 270 So TS 16.5.1961; 3.2.1976; 28.6.1976; 13.11.1976 und, i m Schrifttum, Puig I I , S. 31. 274
§ 10 Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung ändern
355
Das Schrifttum weicht teilweise von der Auslegung durch die Rechtsprechung ab. Ferrer 2™, Anton 278, Cordoba 279 und Puig 280 schlagen vor, i n allen Fällen des Vollrauschs, gleichgültig welchen Ursprungs er sei, den Ausschließungsgrund der vorübergehenden Bewußtseinsstörung des A r t . 8 Ziff. 1 anzuwenden. Andererseits w i r d daran festgehalten, daß die Gewohnheitsmäßigkeit der Trunkenheit jedenfalls — und das ergibt sich auch aus dem Wortlaut des A r t . 9 Ziff. 2 — die Annahme dieses Milderungsgrundes verhindert, nicht aber die des Ausschließungsgrundes des A r t . 8 Ziff. 1 und die des Milderungsgrundes des A r t . 9 Ziff. I 2 8 1 . 3. Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß nach der herrschenden Ansicht i n der Rechtsprechung die Trunkenheit weder bei der fahrlässigen Straftat 2 8 2 noch bei der unterlassenen Hilfeleistung 2 8 3 als m i l dernder Umstand w i r k t . C. Der mildernde
Umstand der
Minderjährigkeit
A r t . 9 Ziff. 3 sieht für den Minderjährigen zwischen 16 und 18 Jahren einen Milderungsgrund vor. Wie w i r sehen werden 2 8 4 , läßt das System der Rechtsfolgen, die der Código Penal mit diesem mildernden Umstand verbindet, viel zu wünschen übrig. D. Die sogenannten mildernden
Affektgründe
1. I m Schrifttum pflegt man die sogenannten mildernden Affektgründe zusammenfassend zu behandeln. Sie finden sich i n A r t . 9 Ziff. 5 („daß seitens des Verletzten eine der Tat entsprechende Provokation oder Drohung unmittelbar vorausgegangen ist"), Ziff. 6 („daß die Tat zur alsbaldigen Vergeltung eines schweren Unrechts begangen wurde, das dem Täter, seinem Ehegatten, seinen Aszendenten, Deszendenten oder Geschwistern, sei die Verwandtschaft ehelich, nichtehelich oder auf Adoption beruhend, sowie der Verschwägerten gleichen Grades zugefügt wurde") und Ziff. 8 („daß aufgrund so mächtiger Impulse gehandelt wurde, daß diese ihrer Natur nach einen Zustand heftiger Erregung oder Verwirrung herbeigeführt haben"). 277
Vgl. I. S. 286. Siehe S. 311. 279 Siehe Las eximentes, S. 59. 280 Vgl. I I , S. 33. 281 I n diesem Sinne TS 12. 2.1975 und Ferrer I, S. 288. 282 V g l T S 2 6 1 9 6 9 ; 2 8 6 1971; 29. 5. 1976. 278
283 284
23*
Siehe TS 2. 6. 1969. Siehe unten § 20 I.
Das spanische Strafrecht
2. Während darüber Einstimmigkeit herrscht, daß der Zustand der heftigen Erregung oder Verwirrung als subjektiver Milderungsgrund anzusehen ist i n dem Sinne, daß er den Eintritt einer psychischen Störung i m Täter voraussetzt, ist die Lehre i n der Frage geteilt, ob die Milderungsgründe der Ziffern 5 und 6 außer den objektiven Umständen der „Provokation oder Drohung" und des „schweren Unrechts" noch voraussetzen, daß diese Umstände eine psychische Erschütterung oder Störung beim Täter verursacht haben 2 8 5 . Sieht man alle drei Milderungsgründe als subjektive an, so folgt daraus, daß sie untereinander unvereinbar sind; denn angesichts einer Situation der psychischen Störung kann nur einer von ihnen zum Zuge kommen 2 8 6 . Demgemäß hat man sich auch für eine Streichung der M i l derungsgründe nach Ziff. 5 und 6 des A r t . 9 eingesetzt, da sie überflüssig seien. Denn lägen sie vor, so sei gleichzeitig auch der mildernde Umstand der heftigen Erregung gegeben 287 . Nimmt man aber i m Gegenteil einen ausschließlich objektiven Charakter der Milderungsgründe nach Ziff. 5 und 6 an, so ist es durchaus möglich, einen von ihnen als gegeben anzusehen und, wenn eine psychische Störung vorgelegen hat, außerdem noch den Umstand der heftigen Erregung oder V e r w i r r u n g 2 8 8 . 3. Einschränkend hat das Oberste Gericht die heftige Erregung dahingehend ausgelegt, daß der Ausdruck „naturalmente" (ihrer Natur nach) i n A r t . 9 Ziff. 8 i n einem ethischen Sinne zu verstehen sei 2 8 9 , und diese Auslegung ist auch auf die Milderungsgründe der Unrechtsvergeltung und Provokation ausgedehnt worden. Die Folgerung aus all dem ist, daß die Rechtsprechung bei den mildernden Affektgründen außer einer psychischen Erschütterung verlangt, daß diese sich aus einem rechtmäßigen Impuls ergeben haben 2 9 0 . Die heftige Erregung kann also i m Prinzip einen Milderungsgrund darstellen, wenn die Tat aus Eifersucht begangen w u r d e 2 9 1 ; sie ist aber strafrechtlich unbeacht285 Als subjektiv bezeichnen die Milderungsgründe der Ziff. 5 und 6 des A r t . 9: TS 2.11.1960; Pacheco I, S. 212; Ferrer I, S. 302; Cobo, Consideraciones sobre las atenuantes de „arrebato u obcecación" und „provocación y amenaza adecuada", 1968, S. 19; Cuello I, S. 549. Als objektiv betrachten sie dagegen Anton, S. 338; Quintano, Comentarios, S. 173; Luzon Domingo, Derecho penal I, S. 304; Rodriguez Devesa, PG, S. 609; Cordoba, Comentarios I, S. 483. 286 I n diesem Sinne TS 21. 11.1941; 30. 10.1964; 22. 6.1971; 11.11. 1975; 13. 2. u n d 26. 3.1976; 2. 5. 1977. 287 I n diesem Sinne Ferrer I, S. 301. 288 I n diesem Sinne TS 31. 10.1924; 16. 2.1949; Quintano, Comentarios, S. 174; Rodriguez Devesa, PG, S. 609. 289 Siehe Cobo, Consideraciones, S. 10, 11. 290 V g L T S 9.4.1952; 18.4.1959; 1.12.1960; 16.12.1963; 9.6.1969; 6.5.1970; 24.1., 24.4. u n d 10.12.1975; 12.5. und 20.12.1976; 21.2.1977; Rodriguez Devesa, PG, S. 610. Dagegen: Quintano, Comentarios, S. 188. 291 V g l . T S 28. 4.1950.
§ 10 Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung ändern
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lieh, wenn die Eifersucht sich i m Rahmen unerlaubter Beziehungen entwickelt hat, ζ. B. ehebrecherischer 292 , homosexueller 2 9 3 oder anderer, die von der Gesellschaft nicht anerkannt werden 2 9 4 . Des weiteren hat der Ausdruck „naturalmente" in A r t . 9 Ziff. 8 auch dazu gedient, die A n wendung des Umstandes der heftigen Erregung auf diejenigen Fälle zu beschränken, i n denen die Erregung „verständlich" i s t 2 9 5 . Demgemäß lehnt man das Vorliegen des mildernden Umstandes der Ziff. 8 A r t . 9 i n Fällen ab, i n denen, auch wenn eine schwere psychische Störung verursacht worden ist, der Durchschnittsbürger sich nicht erregt haben w ü r d e 2 9 6 , und man verlangt i n Situationen der „an sich rechtmäßigen" Eifersucht zudem noch, daß diese Eifersucht begründet und nicht das Ergebnis falschen Verdachts gewesen i s t 2 9 7 . Ferrer 298 hat den Unterschied zwischen heftiger Erregung und dem Strafmilderungsgrund der vorübergehenden Bewußtseinsstörung dahingehend definiert, daß die Erregung sich eines psychisch gesunden Menschen bemächtige, während die vorübergehende Bewußtseinsstörung eine Abnormalität des Täters voraussetze. Diese Unterscheidung setzt aber den anfechtbaren Grundsatz voraus, daß die vorübergehende Bewußtseinsstörung eine pathologische Grundlage erfordere 2 9 9 . 4. Die Umstände i n Ziff. 5 und 6 des A r t . 9 setzen eine relative Unmittelbarkeit der zeitlichen Beziehung zwischen Provokation, Drohung oder Unrechtszufügung und der strafbaren Reaktion voraus 3 0 0 . Dies ist jedoch bei dem Umstand der heftigen Erregung nicht der F a l l 3 0 1 , den man sogar berücksichtigt hat, wenn er durch eine vor Jahresfrist erfolgte Demütigung verursacht worden w a r 3 0 2 .
292
Siehe i n diesem Sinne TS 20. 10.1952; 1.2.1956. Dagegen: TS 25.6.1903. Siehe i n diesem Sinne TS 8. 5.1970. 294 I n diesem Sinne lehnt das TS 4. 6.1969 es ab, als mildernden Umstand die Eifersucht anzuerkennen, die gegenüber der früheren Verlobten nach Auflösung des Verlöbnisses empfunden w i r d . 295 Vgl. i n diesem Sinne Rodriguez Devesa, PG, S. 610. 296 Siehe TS 6. 3.1968; 29. 4.1975; 12. 5. und 21. 9.1976; 21.12. 1977. 297 Siehe i n diesem Sinne TS 14.11.1933; 16. 4.1959; 14.11. 1969; 20.12.1976; 21.2.1977. 298 Vgl. I, S. 275. 299 Siehe oben § 9 I I A 2 a bb. 300 Vgl. i n diesem Sinne TS 14.10.1944; 20.3.1958; 11.11.1975; 21.5.1976; 21.2. 1977. 301 Siehe TS 30. 11.1960; 20.1.1977. 3 2 Siehe TS 1 . 1 9 5 . 293
358
Das spanische Strafrecht
E. Sittliche,
altruistische
oder patriotische
Beweggründe
Praxis 3 0 3 und Wissenschaft 304 sind sich darüber einig, daß der Milderungsgrund des A r t . 9 Ziff. 7 („daß aus sittlichen, altruistischen oder patriotischen Beweggründen von offenkundiger Bedeutung gehandelt worden ist") keinerlei A r t von seelischer Störung voraussetzt. Wiederholt ist die Annahme dieses Milderungsgrundes zugunsten des politischen Überzeugungstäters abgelehnt 3 0 5 und auf Fälle beschränkt worden wie den der Urkundenfälschung, begangen durch die standesamtliche Eintragung eines unehelichen Kindes als ehelich 3 0 6 , oder den des Gehilfen bei einer Kindestötung 3 0 7 . F. Die freiwillige
Reue
Kein Milderungsgrund ist i n einem so moralisierenden Sinne ausgelegt worden wie der der freiwilligen Reue des A r t . 9 Ziff. 9. Das Oberste Gericht 3 0 8 verlangt, daß der Täter seine Zerknirschung über die begangene Tat i n einem wirklichen Reueakt zum Ausdruck gebracht hat: „Die Reue ist religiöser und sittlicher N a t u r " 3 0 9 . Die Rechtsprechung hat die These vertreten, daß der Milderungsgrund der Reue mit Fahrlässigkeit unvereinbar sei 3 1 0 , da es eine unterlassene Hilfeleistung darstelle, wenn man dem Opfer nicht zu Hilfe käme 3 1 1 . G. Die analogen Milderung s gründe Schließlich betrachtet A r t . 9 Ziff. 10 i n einer Generalklausel „jedweden anderen Umstand, der eine den vorhergehenden Umständen analoge Bedeutung besitzt", als Milderungsgrund. Dies legt den Gerichten die Verpflichtung auf anzugeben, mit welchem der einzelnen m i l dernden Umstände des Art. 9 die Analogiebeziehung hergestellt w i r d 3 1 2 . 303
Siehe TS 28.1.1970; anderer Ansicht TS 18.12.1945. Vgl. Ferrer I, S. 311; Quintano, Comentarios, S. 183; Citello I, S. 550; Rodriguez Devesa, PG, S. 611; Huerta, 4 > 1975 und 11. 2.1977. 335
337 Siehe z.B. die Urteile des TS v o m 26.6.1884; 30.11.1933; 20.11.1947; 25. 2.1977. Der erschwerende Umstand k o m m t jedoch nicht i n Betracht, wenn die A n s t i f t u n g gerade i n der Bezahlung bestanden hat: TS 25.5.1976 und 11. 2.1977 argumentieren, daß, wenn sich aus dem Umstand der Bezahlung gleichzeitig die Bewertung des Verhaltens als Anstiftung ergibt, die A n nahme des erschwerenden Umstandes des A r t . 10 Ziff. 2 dem Prinzip ne bis i n idem zuwiderlaufen würde. 338 I m Sinne der Rechtsprechung Sanchez Tejerina I, S. 312; Cuello I, S. 565. Dagegen m i t der Begründung, daß der erschwerende Umstand n u r auf den anwendbar sei, der die Zahlung i n Empfang nehme: Anton, S. 357; Quintano, Comentarios, S. 209; Cordoba, Comentarios I, S. 562; Rodriguez Devesa, PG, S. 636. 339 Hierauf weisen h i n : Ferrer I, S. 350; Quintano, Curso I, S. 443; Cordoba, Comentarios I, S. 570; R,odriguez Devesa, PG, S. 623.
Das spanische Strafrecht
Nach alledem ist von den erschwerenden Umständen des A r t . 10 Ziff. 3 der Gebrauch von Gift der einzige, der als solcher praktisch Anwendung findet. Die Strafschärfung w i r d damit begründet, daß dieser Fall eine Variante der Heimtücke darstellt 3 4 0 , da das Gift als ein Mittel zur Ausführung der Tat anzusehen ist, gegen welches das Opfer sich nur schwer verteidigen kann. Dementsprechend w i r d behauptet, A r t . 10 Ziff. 3 könne nur dann als erschwerender Umstand wirken, wenn das Opfer nicht wisse, daß man ihm Gift verabreicht, nicht aber, wenn man es als Waffe verwende und das Opfer selbst sich dessen bewußt sei 3 4 1 . Als Gift sind auch Substanzen angesehen worden, die nicht auf chemischem, sondern auf mechanischem Wege wirken, wie ζ. B. Glaspulver 3 4 2 . D. Öffentliche Bekanntmachung. Vorsätzliche Vermehrung des durch die Straftat angerichteten Schadens Die Umstände des Art. 10 Ziff. 4 („Begehung des Verbrechens durch Drucklegung, Rundfunk oder ein anderes Medium zur Verbreitung i n der Öffentlichkeit") und Ziff. 5 („willentlich den durch die Straftat verursachten Schaden durch Zufügung von anderen Übeln zu vermehren, die für die Ausführung des Verbrechens nicht notwendig sind") bilden erschwerende Umstände aufgrund des Ausmaßes des verursachten Schadens. Der auf die Verbrechen gegen Personen beschränkte Spezialfall des A r t . 10 Ziff. 5 hat die Bezeichnung Grausamkeit (ensanamiento) erhalten und w i r d i n A r t . 406 Ziff. 5 als qualifizierender Umstand des Mordes dahingehend definiert, „willentlich und unmenschlich die Leiden des Verletzten zu vergrößern". Da das Gesetz Leiden verlangt, können Manipulationen an der Leiche, ζ. B. die Zerstückelung, wohl den Tatbestand der Leichenschändung erfüllen, sie stellen aber keinen Fall der Grausamkeit d a r 3 4 3 . Grausamkeit setzt außer dem Leiden des Opfers die Gesinnung des Täters voraus, das Opfer u m des Leidens w i l l e n leiden zu lassen 344 . Daher hat man das Vorliegen von Grausamkeit verneint, wenn das zugefügte Leiden den Zweck verfolgte, vom Opfer die Preisgabe des Ortes zu erzwingen, wo sich eine bestimmte Summe Geldes befand 3 4 5 , oder wenn der Beweggrund nicht Grausamkeit, sondern die Wut des Täters w a r 3 4 6 . 840 v g l . TS 5. 11.1977. 341
Vgl. i n diesem Sinne Quintano, Curso I, S. 443; Luzon Domingo, Derecho penal I, S. 373; Cordoba , Comentarios I, S. 629. 342 I n diesem Sinne: TS 17. 7.1889 und Rodriguez Devesa, PG, S. 623. A n derer Ansicht: Quintano, Curso I, S. 443. 343 I n diesem Sinne: TS 19. 3.1936; Ferrer I, S. 360; Anton, S. 361. 344 v g l t T S 27. 6.1928; 21.12.1977; Quintano, Comentarios, S. 216, 217. 345 V g l T S 1 8 6 . 1 8 8 7 ; Cordoba, Comentarios I, S. 582.
§ 10 Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung ändern
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E. Handeln mit Vorbedacht Das vorbedachte Handeln, gleichfalls ein qualifizierender Umstand des Mordes (Art. 406 Abs. 1 Ziff. 4), w i r d als allgemeiner Erschwerungsgrund in A r t . 10 Ziff. 6 aufgeführt. Seine erschwerende Wirkung ist i m wesentlichen auf die Verbrechen gegen die Person beschränkt 3 4 7 und setzt außer einer gewissen Beharrlichkeit i n dem Entschluß, ein Verbrechen zu begehen, Kaltblütigkeit bei der Aufrechterhaltung des Entschlusses voraus 3 4 8 . Ein vorbedachtes Handeln ist daher trotz Vorliegens des zeitlichen Faktors ausgeschlossen, wenn der Täter seine verbrecherische Absicht nicht entschieden aufrechterhält, sondern sich unschlüssig v e r h ä l t 3 4 9 . Ebenso folgt aus der geforderten Kaltblütigkeit, daß ein vorbedachtes Handeln m i t einer Affektsituation 3 5 0 , wie der der Eifersuchtstat, oder mit dem Milderungsgrund der heftigen Erregung 3 5 1 nicht vereinbar ist. Obwohl das Erfordernis der Kaltblütigkeit den Anwendungsbereich dieses erschwerenden Umstandes bereits eingeschränkt hat, wendet sich ein wichtiger Teil der Lehre de lege ferenda gegen diesen Strafschärfungsgrund überhaupt 3 5 2 und schlägt de lege lata ein weiteres einschränkendes K r i t e r i u m dahingehend vor, daß vorbedachtes Handeln nur dann als erschwerender Umstand betrachtet werden soll, wenn es sich als Symptom einer größeren Verwerflichkeit der Tat erweist 3 5 3 . F. List, Betrug und Maskierung A r t . 10 Ziff. 7 sieht es als Erschwerungsgrund an, „unter Anwendung von List, Betrug oder Maskierung zu handeln". Unter dieser Ziffer sind Fälle subsumiert worden wie der des Eintritts i n ein Haus durch Vortäuschung der Eigenschaft als Angestellter der Telefongesellschaft, u m sodann einen Diebstahl zu begehen 354 . Man hat angenommen, daß MasSiehe TS 16. 5. 1968. 347 V g l T S 5 3 1 9 7 6 ; Antón, S. 367. 348
Vgl. TS 24.1.1962; 28.2.1969; 7.6.1976; Ferrer I, S. 367; Camargo, La premeditación, 1958, S. 20. Anderer Ansicht: TS 24.1.1975; Sainz Cantero, L a circunstancia de premeditación conocida, 1959; S. 11; Luzón Domingo, Derecho penal I, S. 384; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 591, 592. 349 V g l x s 22. 2.1950; 25. 3.1957. 350 Vgl. i n diesem Sinne TS 16. 5. 1936; 14.10. 1941; Ferrer I, S. 368; Camargo, op. cit., S. 47; Rodriguez Devesa, PG, S. 635. 351 Vgl. i n diesem Sinne TS 6. 12. 1902; 12. 2. 1972. 352 So TS 15. 4. 1958; Anton, S. 365; Quintano, Curso I, S. 445; derselbe, T r a tado I, S. 300 ff. Anderer Ansicht: Cuello I, S. 559. 353 So, i n Ubereinstimmung m i t Quintano, TS 19.1.1971. 354 V g L x s 1 5 l l m 1 9 6 7
Das spanische Strafrecht
kierung bedeutet, seine Gesichtszüge durch Schwärzen m i t K o h l e 3 5 5 oder Schuhwichse 356 oder durch M e h l 3 5 7 zu verbergen; ebenso der Gebrauch eines falschen Bartes 3 5 8 , einer Priestertracht 3 5 9 oder eines Tuches, u m einen Teil des Gesichtes 360 zu verdecken, oder eines Damenstrumpfes, u m es zu entstellen 3 6 1 . G. Mißbrauch
der Überlegenheit
Das Hauptproblem bei dem Erschwerungsgrund i n Ziff. 8 A r t . 10, „seine Überlegenheit auszunutzen oder sich eines Mittels zu bedienen, durch welches die Verteidigung geschwächt w i r d " , besteht darin, i h n von der Heimtücke zu unterscheiden. Man hat unter anderem die A n sicht vertreten 3 6 2 , daß bei A r t . 10 Ziff. 8, den man gelegentlich als „Heimtücke zweiten Grades" 3 6 3 bezeichnet hat, dieser Vorteil „ i n der Unterlegenheit des Opfers" zu finden i s t 3 6 4 , während bei dem erschwerenden Umstand des A r t . 10 Ziff. 1 „der Vorteil des Angreifers . . . i n den angewandten Mitteln besteht". Nach Quintano 365 besteht der Unterschied darin, daß beim Mißbrauch der Überlegenheit die Verteidigung nur geschwächt wird, während sie bei der Heimtücke gänzlich ausgeschaltet ist. Das Oberste Gericht hat dio Verwendung von Feuerwaffen oder blanken Waffen gegen Unbewaffnete als Mißbrauch der Überlegenheit und nicht als Heimtücke angesehen 366 , ebenso den Angriff von zwei Personen gegen eine 3 6 7 , sowie den auf einen K r ü p p e l 3 6 8 oder auf eine durch kürzliche Entbindung geschwächte F r a u 3 6 9 . I n anderen Fällen 3 7 0 hat man Mißbrauch der Überlegenheit angenommen, wenn i n einer objektiven Situation der Heimtücke (vorsätzlicher Angriff mit einem gegen einen Fußgänger gelenkten Kraftfahrzeug) deren subjektives Element fehlt, gerade willentlich dieses Angriffsmittel gewählt zu haben. 855
Siehe TS 23. 6.1898. Siehe TS 20. 2.1904. 357 Siehe TS 10. 3.1947. 358 Siehe TS 28.1.1878; 4.12.1976. 359 Siehe TS 5. 3.1936. 360 TS 16. 6.1976. 361 TS 13. 4.1977. Dagegen ist es nicht als Maskierung angesehen worden, den Rockkragen hochzuschlagen, u m sein Gesicht teilweise zu verdecken (TS 17. 2. 1975). 302 So von Anton, S. 352; i m gleichen Sinne TS 17. 5.1969. 363 Siehe TS 25. 4.1964; 20. 3.1975; 17.1.1977. 364 Anton, S. 352. 365 Vgl. Curso I, S. 440; i m gleichen Sinne TS 12. 2.1975. 306 Vgl. U r t e i l v o m 10. 3.1969. 367 Vgl. die Urteile v o m 22.10.1956; 23. 2. 1959; 25. 11.1975; 31. 5.1977. 368 Vgl. U r t e i l v o m 11. 6.1969. 309 Vgl. U r t e i l v o m 18. 2. 1970. 356
§10 Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung ändern
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H. Vertrauensmißbrauch Der Vertrauensmißbrauch (Art. 10 Ziff. 9), der auch eine besondere Qualifizierung des Diebstahls darstellt (Art. 516 Ziff. 2), besteht i n dem Bruch eines Treueverhältnisses 371 . I. Ausnutzung
amtlicher Eigenschaft
Der erschwerende Umstand der Ausnutzung einer amtlichen Eigenschaft des Täters (Art. 10 Ziff. 10) erfordert, daß der Täter nicht als Privatperson handelt, sondern unter Mißbrauch seiner amtlichen Eigenschaft, die er zur Durchführung seines verbrecherischen Entschlusses benutzt 3 7 2 . Dieser Erschwerungsgrund liegt ζ. B. vor, wenn ein Polizeibeamter seine Stellung dazu benutzt, eine Privatperson zu betrügen 3 7 3 . J. Begehung der Straftat bei Gelegenheit von Brand, Schiffbruch oder anderen Unglücks fällen I m Unterschied zu A r t . 10 Ziff. 3, wo der Täter selbst die Katastrophensituation hervorruft, ist diese Situation i n Art. 10 Ziff. 11 („das Verbrechen bei Gelegenheit von Brand, Schiffbruch oder anderem Notstand oder Unglück zu begehen") bereits eingetreten und der Täter nutzt sie nur aus, u m die Straftat zu begehen. „Notstand oder Unglück" können auch privater Natur sein, ζ. B. Krankheit des Opfers 3 7 4 . K. Hilfe von Bewaffneten Ausführung der Tat „mit Hilfe von Bewaffneten oder Personen, welche die Straflosigkeit sichern oder sie verschaffen sollen", bedeutet eine weitere Form des Angriffs, bei dem Ungleichheit zwischen Täter und Opfer besteht. Man wendet daher den Erschwerungsgrund nicht beim Zusammenstoß zweier bewaffneter Banden an 3 " 75 . Als „Bewaffnete" gelten Angreifer sowohl wenn sie Schußwaffen bei sich führen als auch wenn sie andere zum Angriff geeignete Gegenstände wie blanke Waffen, Knüppel, Eisen etc. benutzen 3 7 6 . Die Beurteilung dieses Erschwerungsgrundes als solchen bereitet Schwierigkeiten, denn ge370 v g l . TS 4. 11. 1971. 371
Vgl. ζ. B. TS 13. 2. und 14. 10. 1976; 17. 1.1977. Vgl. i n diesem Sinne TS 11.3. und 26.10.1942; 30.11.1962; 27.6.1968; 9.11.1975. 373 Vgl. TS 25. 1.1951. 874 Vgl. i n diesem Sinne TS 17.1.1928; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 679. 375 V g l . TS 19. 6. 1875. 37β v g l . i n diesem Sinne TS 15.1.1895; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S.693. 372
Das spanische Strafrecht
wohnlich liegt ein besonderer Strafschärfungsgrund vor (beim Raub der des A r t . 501, letzter Absatz, oder des A r t . 506 Ziff. 1) oder ein Bandendelikt. L. Nachtzeit, einsame Gegend und Bande A r t . 10 Ziff. 13 faßt drei verschiedene Erschwerungsgründe zusammen: „Die Begehung zur Nachtzeit, i n einsamer Gegend oder i n einer Bande (en cuadrilla)". Diese erschwerenden Umstände liegen sowohl vor, wenn das Opfer i n einen Zustand der Wehrlosigkeit versetzt worden ist als auch, wenn die Situation dazu gedient hat, das Verbrechen nicht mit Überlegenheit gegenüber dem Opfer, wohl aber unter Verminderung des Risikos der Entdeckung für den Täter zu begehen. Man hat daher den Erschwerungsgrund der Nachtzeit ausgeschlossen, wenn die Tat zwar nachts, aber an einem ausreichend beleuchteten Ort begangen w u r d e 3 7 7 . Die Umstände der Nachtzeit und der einsamen Gegend erfordern außer ihrem objektiven Vorliegen noch das subjektive Element, daß es sich nicht bloß u m eine günstige Gelegenheit gehandelt hat, sondern diese Situation besonders gesucht worden w a r 3 7 8 . Nachtzeit und einsame Gegend stellen keine erschwerenden Umstände bei gewissen Straftaten dar wie ζ. B. den Fälschungsdelikten, bei denen sie für die Erlangung einer günstigen Position oder zur Behinderung der Strafverfolgung unwesentlich sind 3 7 9 . Die einsame Gegend ist ζ. B. bei der Notzucht als erheblich angesehen worden 3 8 0 und die Nachtzeit beim Diebstahl oder Raub 3 8 1 . Die Begehung i n einer Bande, i n A r t . 10 Ziff. 13 Abs. 2 als „die Begehung des Verbrechens durch mehr als drei bewaffnete Täter" defin i e r t 3 8 2 , ist nur schwer von dem Strafschärfungsgrund des A r t . 10 Ziff. 12 zu unterscheiden und weist ähnliche Probleme auf. M. Ungleichartiger
und gleichartiger
Rückfall
Der Rückfall erscheint i m Código Penal i n zwei Formen, und zwar erstens als ungleichartiger Rückfall (reiteración). Art. 10 Ziff. 14 sieht es als erschwerenden Umstand an, 377 Vgl. i n diesem Sinne TS 3. 2. 1951; 18. 5. 1959; 15. 6.1970; 24. 1. 1975; Anton, S. 377; Quintano, Curso I, S. 464; Rodriguez Devesa, PG, S. 628. 378 Vgl. TS 18. 6.1955; 11. 5.1963; 7. und 20.10.1968; 4. und 11. 6.1969; 24. 1., 2. 7. und 3.11.1975; 12. 2.1976; 11. 5. und 22. 12. 1974; Ferrer I, S. 406, 408. 379 Vgl. i n diesem Sinne TS 14. 2.1963. 380 V g L T S 1 0 . 1968; 22. 12. 1975; 31. 11. 1977. 381 382
Vgl. TS 2. 4.1970; 24.1.1975; 12. 2.1976; 11. 5. und 22.12. 1977. D. h.: mindestens 4 Täter (TS 21. 2.1975).
§10 Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung ändern
367
„ungleichartiger Rückfalltäter (reiterante) zu sein. Ungleichartiger Rückfall liegt vor, w e n n der Täter bei Begehung der Straftat bereits wegen einer Tat bestraft war, die das Gesetz m i t einer gleichen oder höheren Strafe bedroht oder wegen zwei oder mehr Taten, die v o m Gesetz m i t geringerer Strafe bedroht sind".
Für die Annahme des ungleichartigen Rückfalls ist es gleichgültig, ob der Täter wegen einer i m Código Penal oder i n einem Sondergesetz tatbestandsmäßig erfaßten Straftat verurteilt w a r 3 8 3 . Es ist daher unerheblich, wenn das vorausgegangene Urteil i m Rahmen der Militärgerichtsbarkeit 3 8 4 oder von einem Marinegericht 3 8 5 erlassen worden ist oder wenn es sich u m eine strafbare Handlung des außer Kraft gesetzten und dem Código Penal eingefügten Kraftfahrzeugstrafgesetzes gehandelt h a t 3 8 6 . Die andere Form des Rückfalls ist der i n Art. 10 Ziff. 15 definierte gleichartige Rückfall (reincidencia): „Gleichartiger Rückfall (reincidencia) liegt vor, wenn der Täter bei Begehung der Straftat bereits wegen einer oder mehrerer Straftaten des gleichen Titels dieses Gesetzbuches rechtskräftig verurteilt w a r " 3 8 7 .
Mehrfacher Rückfall (multirreincLdencia) liegt vor, wenn der Täter bei Begehung der Tat wegen zwei oder mehr der i n dem vorhergehenden Absatz erwähnten Straftaten durch mehrere Urteile rechtskräftig verurteilt war, vorausgesetzt, daß i n einem der Urteile der Umstand des Rückfalls bereits berücksichtigt ist. Das Schrifttum verurteilt einmütig die formalistische Abgrenzung des Gesetzes, nach der gleichartiger Rückfall nur dann gegeben ist, wenn die vorhergegangene Gesetzesverletzung i m gleichen Titel des Código Penal vorgesehen w a r 3 8 8 ; dies bedeutet, daß Grabschändung gleichartigen Rückfall bei einer späteren Verfälschung von pharmazeutischen Produkten begründet (beide Straftaten sind i n Buch I I Titel V enthalten) und daß das ebenso beim Verrat von Geheimnissen und der Aussetzung von Kindern (zwei i n Buch I I Titel X I I vorgesehene Straftaten) ist. Dagegen besteht trotz der Ähnlichkeit untereinander keine besondere Rückfallsbeziehung zwischen einem Verbrechen gegen die Sittlichkeit, begangen durch einen Beamten i n Ausübung seines Amtes (Titel V I I , Kap. V I I I ) und dem von dem383
Vgl. TS 11.2.1975; 17.2. und 15.11.1977. Anderer Ansicht M i r , L a reincidencia en el Código Penal, Barcelona 1974, S. 109. 384 V g l T S 6 6 > 1959; 4. 7. 1962; 2. 11.1963; 22. 4. 1968. ses V g l T S 23. 4. 1964. see V g L T S 26. 6. 1964; 11. 2. und 13. 3. 1975; 17. 2. u n d 15. 11. 1977. 387 Uber die unterschiedlichen Folgen der einen und der anderen F o r m des Rückfalls siehe unten § 19. 388 Vgl. Ferrer I, S.427; Anton, S. 385; Quintano, Curso I, S. 459; Rodriguez Devesa, PG, S. 640; Mir, op. cit., S. 364.
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selben Beamten ohne Mißbrauch seiner Stellung begangenen Sittlichkeitsverbrechen (Titel IX). Bis zum Gesetz vom 28. 12. 1978 war die Vorverurteilung ohne zeitliche Begrenzung als Voraussetzung für ungleichartigen oder gleichartigen Rückfall geeignet, denn weder Rehabilitierung noch Verjährung der Strafe berührte sie 3 8 9 . I m Schrifttum war wiederholt darauf hingewiesen worden, daß dies unter dem Gesichtspunkt der Kriminalpolitik unhaltbar sei 3 0 0 . Diesem Zustand hat das Gesetz vom 28. 12.1978 ein Ende gesetzt; nunmehr w i r d für den ungleichartigen wie auch für den gleichartigen Rückfall folgendes vorgesehen: „ I n den Fällen, i n denen die Vorstrafen i m Strafregister gelöscht sind, werden sie i m Sinne dieses erschwerenden Umstandes nicht berücksichtigt, wenn zur Zeit der Begehung der zur Last gelegten Straftat das Doppelte der f ü r jeden F a l l i n A r t . 118 Abs. 3 dieses Gesetzbuches vorgesehenen Frist, von dem dort bezeichneten Zeitpunkt an gerechnet, verstrichen ist, i m Höchstfalle aber zehn Jahre".
Ungleichartiger und gleichartiger Rückfall setzen nicht voraus, daß die Strafe vollstreckt worden ist. Es genügt, daß ein Urteil vorliegt und dieses rechtskräftig geworden i s t 3 9 1 . N. Beleidigung der Obrigkeit. Mißachtung von Würde, Alter oder Geschlecht. Wohnung I n A r t . 10 Ziff. 16 („die Tatbegehung unter Beleidigung der Obrigkeit oder Mißachtung der dem Verletzten zukommenden Würde, seines Alters oder Geschlechts oder i n seiner Wohnung, vorausgesetzt, daß der Verletzte den Vorfall nicht provoziert hat") sind fünf voneinander unabhängige Erschwerungsgründe erfaßt. Der Straferschwerungsgrund der „Tatbegehung unter Beleidigung der Obrigkeit" w i r d schwerlich praktisch werden. Fast immer w i r d ein Tatbestand des Besonderen Teils erfüllt sein, der dieses Merkmal enthält. Ζ. B. ist das der Fall bei einem Angriff auf einen Amtsträger oder i m Falle der Mißachtung eines Amtsträgers (desacato), der hoheitliche Befugnisse ausübt 3 9 2 . Sowohl bei dem erschwerenden Umstand der Beleidigung der Obrigkeit als auch bei dem der Mißachtung des dem Verletzten aufgrund seiner Würde zukommenden Respekts (ζ. B. ein Priester) 3 9 3 ist die Annahme des erschwerenden Umstandes ausgeschlossen, wenn das Opfer das Delikt provoziert hat. äse v g L TS 8. 5.1936; 6.10.1942. 390
Vgl. z. B. Quintano, Curso I, S. 460. ι γ 1 9 6 7 ; 1 8 > 2.1970; 11. 2. 1975; M i r , op. cit., S. 307, 308. T S 392 Hierauf weisen Ferrer I, S. 430 und Rodriguez Devesa, PG, S. 603, hin. 393 V g l > TS 27. 8.1904. sai
V g l
§ 10 Umstände, die die strafrechtliche Verantwortung ändern
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Der erschwerende Umstand der Mißachtung des Geschlechts ist bei Angriffshandlungen eines Mannes gegen eine Frau gegeben, wenn dieser i n der Absicht handelt, die Frau als solche zu erniedrigen 3 * 4 . Bei Angriffen von Frauen auf Frauen greift er nicht e i n 3 9 5 . Auch hier ist erforderlich, daß keine Provokation seitens des Opfers vorausgegangen ist 3 » 6 . Für den Erschwerungsgrund der Mißachtung des Alters ist es ohne Belang, ob das Opfer ein Greis oder ein K i n d i s t 3 9 7 . Die ratio ist auch hier nicht die geschwächte Verteidigung, sondern der Mangel an Respekt 3 9 8 , und es ist gleichfalls Voraussetzung, daß die Opfer den A n greifer nicht provoziert haben 3 9 9 . Der erschwerende Umstand der Tatbegehung i n der Wohnung ist ζ. B. beim Diebstahl angenommen worden 4 0 0 , ferner beim Ehebruch, als dieser noch strafbar war, wenn Tatort die eheliche Wohnung w a r 4 0 1 . Auch hier w i r d vorausgesetzt, wie es das Gesetz ausdrücklich formuliert, daß keine Provokation seitens des Opfers vorgelegen h a t 4 0 2 . Der erschwerende Umstand ist nicht gegeben, wenn der Täter und das Opfer i n der gleichen Wohnung leben 4 0 3 . O. Heilige
Stätte
Nach A r t . 10 Ziff. 17 stellt es einen erschwerenden Umstand dar, „die Tat an einer heiligen Stätte (lugar sagrado) zu begehen". Heilige Stätten sind nach herrschender M e i n u n g 4 0 4 nicht nur die Gotteshäuser, sondern auch die Friedhöfe. Eine noch nicht entschiedene Frage ist die, ob A r t . 10 Ziff. 17 sich nur auf die katholischen heiligen Stätten bezieht 4 0 5 oder ob er auch die anderer Konfessionen einschließt 4 0 6 . 394 V g l . x s 20. 11.1975; 21.12. 1977. 395 v g l . Ferrer I , S.434; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 757. 39β V g l T S 20.3.1969; 4.11.1971; 21.12.1977; Ferrer I, S.434; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 758; Rodriguez Devesa, PG, S. 632. 397 Vgl. TS 4. 2.1922; 23.12.1950; Cuello I, S. 575. 898 Vgl. i n diesem Sinne Ferrer I, S. 432. 399 Siehe TS 23.12.1950; 28.12.1963; Rodriguez Devesa, PG, S. 632. 400 Vgl. TS 21. 1.1967. 401 v g l . TS 17. 2. 1965. 402 v g l . TS 2. 4.1969; 8. 5.1970; 8. 4.1975; 5. 5.1976. 403 Vgl. i n diesem Sinne TS 14.12.1918; 25.10.1962; 2.7.1975; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 768. 4M v g l . TS 6. 2.1928; 11.2. und 10.12.1955; 15.3.1959; Anton, S.398; Cuello I, S. 576; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 776. 405 I n diesem Sinne Cuello I, S. 576; und Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 778; „ T r o t z der kürzlichen gesetzlichen Neuerungen auf dem Gebiet der
24 Ausländisches Strafrecht V I
Das spanische Strafrecht I V . Der S traf milder ungs- oder Strafschärfungsgrund der Verwandtschaft
A r t . 11 bestimmt, daß es je nach der A r t , den Beweggründen und den Folgen der Straftat einen die Verantwortung mildernden oder erschwerenden Umstand darstellt, wenn der Verletzte der Ehegatte, ein ehelicher, nichtehelicher oder durch Adoption Verwandter auf- oder absteigender Linie oder der Seitenlinie ersten Grades oder i n entsprechender Weise mit i h m verschwägert ist. I n Zusammenfassung der herrschenden Meinung schreibt Rodriguez Devesa über diesen Umstand 4 0 7 , daß man ihn „ i m allgemeinen bei den Verbrechen gegen die Person und gegen die Sittlichkeit als Erschwerungsgrund betrachten müsse und als mildernden Umstand bei den Verbrechen gegen den öffentlichen Glauben, das Eigentum und die E h r e " 4 0 8 . Es kann auch vorkommen, daß dieser Umstand bei bestimmten Delikten weder erschwerend noch mildernd w i r k t 4 0 9 . Auch wenn es sich u m Straftaten handelt, bei denen die Verwandtschaft einen Erschwerungsgrund darstellt, läßt das Oberste Gericht dessen Anwendung nicht zu, wenn die Familienbande zerbrochen sind 4 1 0 . § 11 Vorbereitung und Versuch I . Die Bestrafung der Vorbereitungshandlungen
Das Prinzip der Straflosigkeit für Vorbereitungshandlungen kennt i m Código Penal zwei Ausnahmen: Erstens stellt das spanische Gesetz gelegentlich bestimmte Vorbereitungshandlungen als selbständige Straftaten unter Strafe, wie z. B. den Besitz von Diebeswerkzeug (Art. 509). Zweitens sind i n Beziehung auf alle Verbrechen die Verabredung (consReligionsfreiheit glauben w i r , daß unter Heilige Stätten nach w i e vor n u r die katholischen zu verstehen sind, ebenso w i e an anderen Stellen des Gesetzes (z. B. A r t . 492bis)". 406 Diese Meinung v e r t r i t t Rodriguez Devesa, PG, S. 630: „Der Respekt vor anderen Glaubensbekenntnissen als dem katholischen muß dazu führen, als Heilige Stätten auch die anzusehen, die nicht der offiziellen Religion des Staates dienen. H i e r f ü r liegen die gleichen Gründe vor, und grammatikalisch besteht kein Anlaß, Diskriminierungen vorzunehmen". Nunmehr muß auch A r t . 16 Ziff. 3 der spanischen Verfassung vom Dezember 1978 berücksichtigt werden. 407 PG, S. 647. F ü r weitere Einzelheiten vgl. Bajo, E l parentesco en el Derecho penal, Barcelona 1973, S. 59 ff. 408 Siehe i n diesem Sinne TS 7.10.1957; 30.1.1959; 27.10.1964; 2.5. und 21. 11. 1968; 27.1. und 29.10. 1969; 3. 2.1977. 409 Vgl. i n diesem Sinne TS 28. 3.1958; 14. 3.1964; 23. 2.1966; 28. 4.1975. «ο V g l T S 1 4 - ι 1953; is. io. 1957; 23. 4.1959; 2. 7.1967; 27.1. und 23. 3.1970; Bajo, op. cit., S. 53 ff. Dagegen: Cordoba, E l parentesco corno circunstancia m i x t a de modificación de la responsabilidad penal, ADPCP 1967, S. 174.
371
§11 Vorbereitung u n d Versuch
piración), die versuchte Anstiftung (proposición) und die Anstiftung (provocación) unter Strafe gestellt 4 1 1 . A. Verabredung
eines Verbrechens
„Verabredung eines Verbrechens (conspiración) liegt vor, wenn zwei oder mehr Personen darüber einig werden, ein Verbrechen zu begehen, und dessen Ausführung beschließen" (Art. 4 Abs. 1).
Der gemeinsame Entschluß muß die Verpflichtung beinhalten, Ausführungshandlungen zu begehen. Straflos bleibt daher das Verhalten desjenigen, der sich bereit erklärt, als Hauptgehilfe oder Gehilfe tätig zu werden 4 1 2 . Obwohl das Gesetz hierüber nichts sagt, nehmen sowohl die Rechtsprechung 413 als auch die Lehre 4 1 4 an, daß die freiwillige Abstandnahme von der Ausführung der Straftat die Strafbarkeit aufhebt, und zwar nicht nur beim beendigten und beim unbeendigten Versuch, wo das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt 4 1 5 , sondern auch bei der Verabredung. B. Aufforderung zur Teilnahme an einem Verbrechen Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens
und
A r t . 4 Abs. 2 und 3 bestimmen: „ D i e Aufforderung zur Teilnahme (proposición) besteht darin, daß derjenige, welcher beschlossen hat, ein Verbrechen zu begehen, eine oder mehrere Personen auffordert, es zur Ausführung zu bringen. Aufforderung zum Verbrechen (provocación) liegt vor, w e n n mündlich oder schriftlich, i n gedruckter F o r m oder durch andere geeignete M i t t e l zur Begehung eines Verbrechens angereizt wird. Ist hierauf die Begehung des Verbrechens erfolgt, so t r i t t Bestrafung wegen Anstiftung (inducción) ein".
Nach Ansicht von A n i o n 4 1 6 besteht der Unterschied zwischen Aufforderung zur Teilnahme an einem Verbrechen und Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens darin, daß es sich bei diesem letzten Fall 411 Die spanische Lehre schlägt de lege ferenda vor, die Strafbarkeit der Verabredung eines Delikts, der versuchten A n s t i f t u n g und der Anstiftung auf einige wenige Delikte von besonderer Schwere zu beschränken. Vgl., für alle, Rodriguez Mourullo, L a punición de los actos preparatorios, ADPCP 1968, S. 296. 412 Vgl. i n diesem Sinne Rodriguez Mourullo, Comentarios I , S. 152; Gimbernat, A u t o r y complice, S. 165, 166. Anderer Auffassung TS 7. 5.1975 und Cuello Contreras , L a conspiración para cometer el delito, Barcelona 1978, S. 39 ff. 413 V g l T S 5 7 > 1 9 4 8 ; 1 9 . 4 . 1 9 6 5 . 414 Siehe Anton, S. 406; Jiménez de Asua V I I , S. 833; Rodriguez Comentarios I, S. 168; Cuello Contreras, op. cit., S. 211. 415 Siehe unten V. 416 Vgl. S. 405.
24*
Mourullo,
Das spanische Strafrecht
u m eine Anreizung allgemeiner A r t ohne bestimmten Adressaten handelt, während bei jener eine bestimmte Person zur Begehung eines Verbrechens aufgefordert wird. Andere A u t o r e n 4 1 7 sehen dagegen den Unterschied darin, daß bei der Aufforderung zur Teilnahme derjenige, der entschlossen ist, das Verbrechen selbst zu begehen, jemanden sucht, der i h n bei dessen Ausführung unterstützen soll, während sich der Provokateur i m Sinne von A r t . 4 Abs. 3 darauf beschränkt, zu einem Verbrechen anzureizen, an dem er nicht unmittelbar teilzunehmen gedenkt. I I . Unbeendigter und beendigter Versuch
Die Unterscheidung zwischen Versuch (tentativa) und fehlgeschlagenem Delikt (delito frustrado) i m spanischen Recht entspricht der Unterscheidung von unbeendigtem und beendigtem Versuch i m deutschen Recht. A r t . 3 Abs. 3 lautet wie folgt: „ E i n Versuch (tentativa) liegt vor, wenn der Täter die Ausführung der Straftat unmittelbar durch äußere Handlungen beginnt, aber nicht alle Ausführungshandlungen v o r n i m m t , die zur Vollendung erforderlich sind, u n d zwar infolge anderer Gründe oder Ereignisse als seinem freiwilligen Rücktritt".
A r t . 3 Abs. 2: „ E i n fehlgeschlagenes D e l i k t (delito frustrado) liegt vor, w e n n der Täter alle Ausführung-shandlungen v o r n i m m t , die die Straftat zum Ergebnis haben sollten, diese aber aus Gründen, die v o m W i l l e n des Täters unabhängig sind, nicht herbeiführen".
I m spanischen Strafrecht sind sowohl der beendigte als auch der unbeendigte Versuch jedes Verbrechens strafbar; dagegen bestimmt A r t . 5 bezüglich der Übertretungen folgendes: „Übertretungen werden n u r bestraft, w e n n sie vollendet sind. Ausgenommen sind beendigte Versuche von Übertretungen gegen Personen oder das Eigentum". I I I . Der untaugliche Versuch
Lange Zeit hat die Rechtsprechung i n der Frage, ob der untaugliche Versuch strafbar ist oder nicht, geschwankt. Das Problem wurde i m Wege der Gesetzgebung durch Einfügung des A r t . 52 Abs. 2 i n das Strafgesetzbuch gelöst: „Dasselbe (d.h. die Strafregel für den Versuch) gilt für den F a l l der U n möglichkeit der Ausführung oder des Zustandekommens der Straftat". 417 Wie Ferrer I, S. 87, 88; Rodriguez bernat, A u t o r y complice, S. 164.
Mourullo,
Comentarios I, S. 180; Gim-
§11 Vorbereitung u n d Versuch
373
Einige A u t o r e n 4 1 8 wollen die Reichweite des A r t . 52 Abs. 2 auf die Untauglichkeit der Mittel beschränken und nehmen daher Mangel am Tatbestand an, wenn die Unmöglichkeit auf die Untauglichkeit des Objekts zurückzuführen ist (Abtreibungsversuch an einer nicht schwangeren Frau, Totsehlagversuch an einer Leiche etc.). Die herrschende Lehre folgt jedoch dieser Auffassung nicht. Sowohl die Rechtsprechung 4 1 9 als auch die Mehrheit des Schrifttums 4 2 0 vertreten die Ansicht, daß A r t . 52 Abs. 2 beide Arten des untauglichen Versuchs umfaßt und bestraft. Soweit das Problem des untauglichen Täters i m spanischen Schrifttum behandelt wird, hat man seine Strafbarkeit verneint 4 2 1 . I V . Der irreale Versuch
Die herrschende Lehre verneint die Strafbarkeit des irrealen Versuchs 422 . Der gleichen Ansicht ist Gimbernat, weil w i r es beim irrealen Versuch entweder mit Fällen des Wahnverbrechens oder mit solchen zu tun haben, bei denen das intellektuelle Element (nicht das Willenselement, wie ein Teil der deutschen Lehre annimmt) des Vorsatzes fehlt 423. V. Der Rücktritt
Gestützt auf grammatikalische Argumente nimmt die herrschende Lehre an, daß i n Spanien der Rücktritt ein negatives Tatbestandsmerkmal des beendigten und des unbeendigten Versuchs sei 4 2 4 , womit man zu dem Ergebnis kommt, daß — nimmt der Haupttäter freiwillig von der Begehung einer Straftat Abstand — seine Straflosigkeit sich auch auf die Teilnehmer erstreckt, selbst wenn diese nicht zurückgetreten sind 4 2 5 . M i t Recht ist dem Munoz Conde entgegengetreten 426 , der den Rücktritt als einen Strafausschließungsgrund ansieht 4 2 7 . Natürlich ändert 418 So Anton, S. 417; Quintano, Curso I , S. 232; Nunez Barbero, E l delito imposible, 1963, S. 163. 419 V g l . T S 30. g. 1965; 5. 2.1966; 17. 6.1969; 6. 2.1971; 5. 4. u n d 18. 5.1976. 420 Vgl. Suârez Montes, E l delito imposible de aborto en la jurisprudencia del T r i b u n a l Supremo, A D P C P 1966, passim; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 228; Cuello I, S. 620; Rodriguez Devesa , PG, S. 669. 421 Vgl. ζ. Β . Rodriguez Devesa, PG, S. 669. 422 Vgl. Cuello I, S. 621 und Rodriguez Devesa, PG, S. 669; m i t Vorbehalten: Cordoba, Maurach I I , S. 185, 186. 423 Siehe Problematik, S. 143 ff. 424 So TS 31.1.1975; Anton, S. 411; Quintano, Curso I , S. 230; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 98,126. 425 v g l . Anton, S. 411; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 98. 426 427
Siehe E l desistimiento voluntario de consumar el delito. 1972, S. 45 ff. Vgl. op. cit., S. 65.
Das spanische Strafrecht
der Rücktritt nichts an der Strafbarkeit derjenigen Ausführungshandlungen, die schon an sich eine vollendete Straftat darstellen 4 2 8 . Bis vor kurzem ist das Problem, wann ein Rücktritt als freiwillig anzusehen ist, kaum von der spanischen Dogmatik behandelt worden. Die Rechtsprechung pflegt i n t u i t i v zu entscheiden; so w i r d gesagt, daß der Rücktritt nur dann freiwillig sei, wenn er aufgrund einer psychologisch „freien" Motivierung erfolgt, obwohl er nicht notwendigerweise moralischen Antrieben zu entsprechen brauche 4 2 9 ; i n anderen Fällen w i r d angenommen, der entscheidende Gesichtspunkt sei der der erhöhten Gefahr, die sich während der Ausführung der Tat ergebe und mit welcher der Täter vorher nicht gerechnet habe 4 3 0 . Als unfreiwillig hat man den Rücktritt desjenigen Täters angesehen, der vom Diebstahl Abstand nimmt, weil i h m das Messer zerbricht, mit dem er eine Schublade zu öffnen versucht 4 3 1 . Gleiches gilt, wenn jemand wegen einer situationsbedingten Impotenz eine Notzucht nicht vollziehen k a n n 4 3 2 . Dagegen hat man Freiwilligkeit angenommen, wenn eine Hebamme von der Durchführung einer Abtreibung wegen der von ihr vermuteten Gefahr für die Gesundheit der Schwangeren Abstand n i m m t 4 3 3 . Neuerdings v e r t r i t t Munoz Conde eine Theorie über die Freiwilligkeit, bei der er auf der Grundlage der i n Deutschland von Roxin vertretenen Meinung mit zusätzlichen general- und spezialpräventiven Erwägungen arbeitet 4 3 4 . Die Lösung von Rodriguez Mourullo 435 ist erheblich von der Gutmanns beeinflußt. V I . Die Grenze zwischen Vorbereitungs- und Ausführungshandlungen
Die Diskussion über den Unterschied zwischen Vorbereitungs- und Ausführungshandlungen entwickelt sich i n Spanien unter ähnlichen grundsätzlichen Erwägungen wie i n Deutschland. Für die formellobjektive Theorie haben sich Anton 436, Cerezo 437 und Rodriguez Devesa 438 ausgesprochen; Rodriguez Mourullo 439 schließt sich der i n Deutschland 428 Vgl. i n diesem Sinne z. B. TS 13.10.1970; Anton, S. 411; Rodriguez rullo, Comentarios I, S. 137; Cuello I, S. 619. 429 v g L T S 3 3 1 9 6 9 ; 25.1. 1977. 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439
Siehe TS 7. 6.1976. TS 5. 5. 1969. Siehe TS 23. 5. 1972. TS 3. 3.1969. Vgl. op. cit., S. 100. Vgl. Comentarios I, S. 103. Vgl. S. 409, 410. Siehe L o objetivo y lo subjetivo en la tentativa, 1964, S. 19. Siehe PG, S. 661. Vgl. Comentarios I, S. 117.
Mou-
§ 12 Die fahrlässige Straftat
375
von Baumann vertretenen Auffassung an; Ferrer 440 und Jiménez de Asua 4 4 1 , die m i t dem K r i t e r i u m der Gefahr für das Rechtsgut operieren, vertreten eine materiell-objektive Theorie; Gimbernat' 442 schließt sich gleichfalls der materiell-objektiven Theorie an, so wie sie von Welzel vertreten wird; der Standpunkt der Rechtsprechung ist schwankend 4 4 3 . Zu Unrecht ist von einem Teil des Schrifttums 4 4 4 behauptet worden, daß bei den Tätigkeitsdelikten und echten Unterlassungsdelikten nicht nur der beendigte, sondern auch der unbeendigte Versuch undenkbar sei. Die Rechtsprechung vertritt einen anderen Standpunkt 4 4 5 ; nach ihr ist z. B. der Versuch bei unzüchtigen Handlungen 4 4 6 , Hausfriedensbruch 4 4 7 , Ehebruch 4 4 8 (im früheren Recht) und unterlassener Hilfeleistung 4 4 9 etc. strafbar. V I I . Das Wahnverbrechen
Nach absolut herrschender Meinung ist das Wahndelikt nicht strafbar450.
Drittes
Kapitel
Andere Erscheinungsformen der Straftat § 12 D i e fahrlässige Straftat I . Besonderheiten der Fahrlässigkeit im spanischen Recht
A. Das System der
Generalklauseln
I m Unterschied zu den meisten Strafgesetzbüchern anderer Länder stellt das spanische Strafgesetzbuch nicht ausdrücklich und für jedes einzelne Delikt (Totschlag, Körperverletzung etc.) besonders fest, ob fahrlässige Begehung strafbar sein soll. Obwohl dies nicht ausdrück440
Siehe I, S. 56. Vgl. V I I , S. 552. 442 Vgl. A u t o r y complice, S. 105. 443 Nachweise bei Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 117 ff. 444 Vgl. Anton, S. 411, u n d Quintano, Curso I, S. 229. 445 I h r folgen Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 141 und A u t o r y complice, S. 105—107. 448 TS 26. 4.1967; 20.10.1969; 27. 5.1972; 16.12.1976. 447 TS 27. 5.1968; 28. 5. 1969. 448 TS 11.11. 1968. 449 Siehe TS 20.12.1976. 450 Vgl., für alle, Rodriguez Devesa, PG, S. 669. 441
Gimbernat,
Das spanische Strafrecht l i e h gesagt w i r d , ist g r u n d s ä t z l i c h a n z u n e h m e n , daß d i e i m Strafgesetzb u c h beschriebenen V e r h a l t e n s w e i s e n n u r vorsätzliche T a t e n m e i n e n . Das b e d e u t e t : D i e B e s t i m m u n g des A r t . 407 ( „ w e r e i n e n a n d e r e n t ö t e t , w i r d als Totschläger [ h o m i c i d a ] m i t Z u c h t h a u s g e r i n g e r e r D a u e r [ r é c l u s i o n m e n o r ] b e s t r a f t " ) b e d r o h t m i t dieser Strafe n u r d e n j e n i g e n , d e r vorsätzlich „einen anderen tötet". Der Tatbestand der Fahrlässigkeit e n t s t e h t , i n d e m m a n die G e n e r a l k l a u s e l n d e r A r t i k e l 5 6 5 4 5 1 , 586 A b s . 1 Z i f f . S 4 5 2 u n d 6 0 0 4 5 3 m i t d e m entsprechenden V o r s a t z t a t b e s t a n d i n Bezieh u n g setzt. W e n n d a h e r j e m a n d e i n e n a n d e r e n aus g r o b e r F a h r l ä s s i g k e i t t ö t e t , e r g i b t sich die T a t b e s t a n d s m ä ß i g k e i t dieses V e r h a l t e n s n i c h t aus e i n e r a u s d r ü c k l i c h e n Gesetzesnorm, die d e n fahrlässigen Totschlag als solchen b e h a n d e l t , s o n d e r n i n d e m m a n die V e r b i n d u n g z w i s c h e n A r t . 565 A b s . 1 u n d A r t . 407 (vorsätzlicher Totschlag) h e r s t e l l t 4 5 4 . 451 A r t . 565 : „ W e r grob fahrlässig eine Tat begeht, die, w e n n Böswilligkeit (malicia) vorläge, ein Verbrechen wäre, w i r d m i t Gefängnis von geringerer Dauer bestraft. Wer, unter Verstoß gegen Ordnungsvorschriften (reglamentos), ein V e r brechen aus leichter Fahrlässigkeit oder Nachlässigkeit begeht, w i r d m i t Haft von längerer Dauer bestraft. Bei der Verhängung dieser Strafen sollen die Gerichte nach freiem Ermessen verfahren, ohne sich an die i n A r t . 61 vorgeschriebenen Regeln zu halten. Die Vorschriften der beiden ersten Absätze dieses Artikels finden keine A n wendung, wenn die für das Verbrechen selbst vorgesehene Strafe gleich oder geringer ist als die i n diesen Absätzen festgesetzten. I n diesen Fällen sollen die Gerichte auf die nächstgeringere Strafe i n dem Grade erkennen, den sie f ü r angebracht halten. Wenn durch Unerfahrenheit oder berufliche Nachlässigkeit ein Todesfall oder schwere Körperverletzungen verursacht werden, sind die i n diesem A r t i k e l bestimmten Strafen i n ihrem höchsten Grade zu verhängen. Diese Strafen können nach Ermessen des Gerichts u m einen oder zwei Grade erhöht werden, wenn das zugefügte Übel von äußerster Schwere ist. Sind die i n diesem A r t i k e l unter Strafe gestellten Verstöße m i t einem Kraftfahrzeug begangen, so erfolgt gleichzeitig die Entziehung des F ü h r e r scheins auf die Dauer von drei Monaten und einem Tag bis zu zehn Jahren. Die Entziehung erfolgt für immer, w e n n der Täter bereits zweimal wegen des i n Abs. 1 dieses Artikels oder i n A r t . 340bis a) oder i n beiden Bestimmungen vorgesehenen Delikts zur zeitweiligen Entziehung des F ü h r e r scheins verurteilt worden ist. I n keinem Falle darf die Strafe gleich oder schwerer sein als die, welche der m i t Vorsatz begangenen Tat entsprechen würde". 452 A r t . 586: „ M i t Geldstrafe von mehr als 1000,— und weniger als 20 000,— Peseten und nichtöffentlichem Verweis w i r d b e s t r a f t : . . . 3. Wer aus leichter Fahrlässigkeit oder Nachlässigkeit ohne Verstoß gegen Ordnungsvorschriften Personen ein Übel zufügt, das, w e n n Böswilligkeit vorläge, ein Verbrechen wäre, und w e r aus irgendeiner A r t von Fahrlässigkeit Personen ein Übel zufügt, das, wenn Böswilligkeit vorläge, eine Übertretung w ä r e . . . " 453 A r t . 600 : „ W e r aus leichter Fahrlässigkeit oder Nachlässigkeit, ohne Verstoß gegen Ordnungsvorschriften, einen Sachschaden verursacht, der, wenn Böswilligkeit vorläge, ein Verbrechen wäre, und wer aus irgendeiner A r t von Fahrlässigkeit einen Sachschaden verursacht, der, w e n n Böswilligkeit vorläge, eine Übertretung wäre, w i r d m i t Geldstrafe von mehr als 1000,— und weniger als 20 000,— Peseten bestraft".
§ 12 Die fahrlässige Straftat
377
Ausnahmsweise und neben dieser allgemeinen Regelung der Fahrlässigkeit gibt es einige strafrechtliche Tatbestände, bei denen bestimmte Fahrlässigkeitsdelikte gesondert für strafbar erklärt werden (Beispiele: A r t . 355, 358, 360, 395, 521). B. Arten der Fahrlässigkeit 1. Einleitung Der Código Penal unterscheidet i n erster Linie zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit (imprudencia temeraria und imprudencia simple). Es gibt keine klaren Unterscheidungsmerkmale dafür, wann die eine oder die andere A r t von Fahrlässigkeit vorliegt, denn es handelt sich u m ein Problem, dessen Grenzen fließend sind. Einmütigkeit besteht allein i n Rechtsprechung und L e h r e 4 5 5 darüber, daß die gesetzliche Unterscheidung nicht mit der Abgrenzung zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit übereinstimmt und daß daher durchaus eine unbewußte Fahrlässigkeit eine Leichtfertigkeit darstellen kann. Angesichts der enormen Schwierigkeit, die grobe Fahrlässigkeit von der leichten Fahrlässigkeit zu unterscheiden, hat man vorgeschlagen, diese Unterscheidung fallenzulassen und an ihre Stelle eine einzige A r t der Fahrlässigkeit zu setzen 456 . 2. Die grobe Fahrlässigkeit W i r d eine Tat aus grober Fahrlässigkeit (imprudencia temeraria) begangen, die, läge Böswilligkeit (malicia) vor, m i t einer schweren Strafe geahndet würde, das heißt ein (vorsätzliches) Verbrechen i m engeren Sinne w ä r e 4 5 7 , so kommt die Vorschrift des A r t . 565 Abs. 1 zur Anwendung, und die Fahrlässigkeitstat ist ihrerseits ein Verbrechen i m engeren Sinne, da A r t . 565 i m II. Buch („Delitos y sus penas") steht und eine schwere Strafe (Gefängnis geringerer Dauer) vorsieht. I n diesen Fällen der groben Fahrlässigkeit, die ein Übel bewirkt, das ein Verbrechen i m engeren Sinne darstellt, gibt es keine gesetzliche Begrenzung: grundsätzlich sind alle Handlungen, die als vorsätzlich be454 A r t . 565, Abs. 1 bestimmt: „ W e r grob fahrlässig eine Tat begeht, die, w e n n Böswilligkeit vorläge, ein Verbrechen wäre, w i r d m i t Gefängnis von geringerer Dauer bestraft". Da der Totschlag aus grober Fahrlässigkeit n a t ü r lich auch ein Verbrechen ist, muß die Vorschrift i n dem Sinne verstanden werden, daß, „ w e n n Böswilligkeit vorgelegen hätte, die Tat ein (vorsätzliches) Verbrechen wäre". 455 Vgl. Anton, S. 223; Rodriguez Munoz, Mezger I I , S. 203; Luzón, Tratado I I , S. 79. 450 So Jiménez de Asua V, S. 988; Comentarios, S. 1067. 457 Siehe oben § 5.
Das spanische Strafrecht
gangene Straftaten unter Strafe stehen, auch dann strafbar, wenn ihre Begehung fahrlässig erfolgt 4 5 8 . W i r d eine Tat aus grober Fahrlässigkeit begangen, die, läge Böswilligkeit vor, eine vorsätzliche Übertretung darstellte, so ist sie eine Übertretung. Es liegt aber i n diesem Falle eine gesetzliche Begrenzung vor: strafbar ist eine solche grobe Fahrlässigkeit nur dann, wenn das verursachte Übel, vorausgesetzt, es wäre vorsätzlich verursacht worden, eine Übertretung gegen Personen (Art. 586 Ziff. 3) oder eine Sachbeschädigung in Form einer Übertretung dargestellt hätte (Art. 600). 3. Die leichte Fahrlässigkeit a) Leichte Fahrlässigkeit unter Verstoß gegen Ordnungsvorschriften Ist bei leichter Fahrlässigkeit (imprudencia simple) zugleich ein Verstoß gegen Ordnungsvorschriften 459 begangen (unter Ordnungsvorschriften — reglamentos — sind alle Arten von Rechtsnormen zu verstehen 4 6 0 , gleichgültig welchen Ranges [Gesetz, Verordnung etc.], die eine gefährliche Tätigkeit regeln, ζ. B. die Straßenverkehrsordnung), so besteht, ebenso wie bei Leichtfertigkeit, keinerlei gesetzliche Begrenzung: Jede Handlung, die bei vorsätzlicher Begehung ein Verbrechen i m engeren Sinne darstellt, kann grundsätzlich mit der Strafe des Arrests längerer Dauer (arresto mayor) belegt werden, wenn leichte Fahrlässigkeit unter Verstoß gegen Ordnungsvorschriften (Art. 565 Abs. 2) vorliegt. Als Übertretung w i r d leichte Fahrlässigkeit unter Verstoß gegen Ordnungsvorschriften dagegen nur i n den Fällen bestraft, i n denen, hätte Vorsatz vorgelegen, eine Übertretung gegen Personen (Art. 586 Abs. 1 Ziff. 3) oder eine Sachbeschädigung als Übertretung (Art. 600) gegeben gewesen wäre. b) Leichte Fahrlässigkeit ohne Verstoß gegen Ordnungsvorschriften ist stets eine Übertretung. Strafbar ist jede aus Fahrlässigkeit ohne Verstoß gegen Ordnungsvorschriften begangene Handlung, die, wäre Vorsatz gegeben, ein (vorsätzliches) Verbrechen des II. Buches (Art. 586 458 M i t den Ausnahmen von diesem Grundsatz werden w i r uns unter D beschäftigen. 459 Selbstverständlich liegt i n den meisten Fällen von grober Fahrlässigkeit ebenfalls ein Verstoß gegen Ordnungsvorschriften vor (z. B. i n den grob fahrlässigen Verkehrsunfällen der Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung). I m Falle grober Fahrlässigkeit k o m m t es darauf aber nicht an. Von Bedeutung ist der Verstoß gegen Ordnungsvorschriften nur, wenn die Nachlässigkeit den Charakter einer leichten Fahrlässigkeit hatte; dann entscheidet sich danach die Frage, welche der beiden A r t e n von Fahrlässigkeit (mit oder ohne Verstoß gegen Ordnungsvorschriften) i n Betracht kommt. 480 Vgl. Jiménez de Astia V, S. 945; Luzon Domingo, Tratado I I , S. 240.
§ 12 Die fahrlässige Straftat
379
Abs. 1 Ziff. 3 ) 4 6 1 darstellte oder die vorsätzlich begangen eine Übertretung gegen Personen (Art. 586 Abs. 1 Ziff. 3) oder Sachbeschädigung als Übertretung (Art. 600) darstellen würde. 4. Schlußfolgerung Es ergibt sich somit für die komplizierte Regelung der Fahrlässigkeit i m spanischen Recht das folgende Schema: Fahrlässigkeit als Verbrechen i m engeren Sinne
Ausführung einer Tat aus grober oder leichter Fahrlässigkeit unter Verstoß gegen Ordnungsvorschriften, w e n n die vorsätzliche Begehung ein (vorsätzliches) Verbrechen i m engeren Sinne des I I . Buches (Art. 565 Abs. 1 und 2) darstellte.
Fahrlässigkeit als Übertretung
Ausführung einer Tat aus grober oder leichter Fahrlässigkeit unter Verstoß gegen Ordnungsvorschriften, wenn die vorsätzliche Begehung eine (vorsätzliche) Übertretung gegen Personen oder Sachbeschädigung als Übertretung (Art. 600) des I I I . Buches darstellte. Ausführung der Tat aus leichter Fahrlässigkeit ohne Verstoß gegen Ordnungsvorschriften, wenn vorsätzliches Verhalten entweder ein (vorsätzliches) Verbrechen i m engeren Sinne des I I . Buches oder eine (vorsätzliche) Übertretung gegen Personen oder Sachbeschädigung als Übertretung gemäß dem I I I . Buch (Art. 586 Abs. 1 Ziff. 3 und A r t . 600) darstellt.
C. Der Streit über crimen culpae oder crimina
culposa
I n der Frage, ob der Código Penal nur eine einzige Fahrlässigkeitstat (crimen culpae) kennt oder einen ganzen Katalog von fahrlässigen Straftaten (crimina culposa) aufstellt, hat sich die herrschende Meinung i n der Rechtsprechung für den ersten Standpunkt entschieden 462 . Dagegen v e r t r i t t das Schrifttum so gut wie einmütig den zweiten Standp u n k t 4 6 3 . Der wichtigste Unterschied ist folgender: ergeben sich aus einem fahrlässigen Verhalten verschiedene rechtsverletzende Folgen (Beispiel: ein nachlässiges Verhalten verursacht Tod, Körperverletzung und Sachbeschädigung), so verurteilt das Oberste Gericht wegen einer 461 Das spanische Strafrecht (vgl. z.B. TS 13.11.1967) kennt demgemäß einen fahrlässigen Totschlag als Übertretung: Tod einer Person infolge leichter Fahrlässigkeit ohne Verstoß gegen Ordnungsvorschriften (Art. 407 i. V. m. 586 Abs. 3). 462 Siehe z. B. TS 2. 4.1932; 11. 5.1940; 29. 9. 1962; 2. 6.1972. 463 Siehe Anton, S. 222; Rodriguez Munoz, Mezger I, S. 206 ff.; Jiménez de A s u a V , S. 724; Quintano, Derecho penal de la culpa, 1958, S. 19; Cordoba, Maurach I I , S. 254; Nunez Barbero, E l delito culposo, Salamanca 1975, S. 77.
Das spanische Strafrecht
einzigen Tat (delito de imprudencia), welche Tötung, Körperverletzung und Sachbeschädigung einschließt. Das Schrifttum dagegen nimmt eine Verbrechenskonkurrenz zwischen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Sachbeschädigung an: „Von einer »Straftat der Fahrlässigkeit oder culpa 4 zu sprechen, ist ebenso unrichtig oder sogar absurd, wie eine ,Straftat des Vorsatzes 4 anzunehmen 4 6 4 ." D. Beschränkungen
des Anwendungsbereiches
der Generalklauseln
1. Trotz der weiten Fassung der Generalklauseln der A r t . 565 und 586 Abs. 1 Ziff. 3 besteht Einigkeit sowohl i n der Rechtsprechung als auch i m Schrifttum darüber, daß nicht alle Tatbestände bei fahrlässiger Begehung unter Strafe gestellt sind. Da aber eine große Unsicherheit darüber besteht, welche Tatbestände nur bestraft werden, wenn sie vorsätzlich verwirklicht werden 4 6 5 , hat man tatsächlich der Rechtsprechung eine Aufgabe zugeschoben, die durch den Gesetzgeber hätte gelöst werden müssen, nämlich festzulegen, welche fahrlässigen Verhaltensweisen i m spanischen Recht strafbar sind. Diese Rechtsunsicherheit und die Tatsache, daß die spanische Regelung es dem Obersten Gericht erlaubt hat, die Existenz eines crimen culpae anzunehmen, hat die spanische L e h r e 4 6 6 mit Ausnahme von Quintano 467 dazu bewogen, das gesetzliche System der Fahrlässigkeitsbestraftung mittels Generalklauseln abzulehnen. 2. I m einzelnen hat man vier Lösungen vorgeschlagen, u m den Bereich der Fahrlässigkeit i m spanischen Strafrecht zu begrenzen 468 . a) Ein erster Vorschlag geht dahin, die Anwendung der A r t . 565 und 586 Abs. 1 Ziff. 3 bei solchen Straftaten auszuschließen, die i n ihrer vorsätzlichen Form subjektive Unrechtsmerkmale enthalten 4 6 9 wie ζ. B. 484
Quintano, Derecho penal de l a culpa, S. 19. Z u m ganzen siehe Torio , Sobre los limites de la ejecución por i m p r u dencia, A D P C P 1972, S. 53 ff. 488 Vgl. Anton, S. 226; Jiménez de AsuaV, S. 738; Cerezo , Welzel, S. 110; derselbe, Informe sobre el anteproyecto de bases del L i b r o I del Código penai, A D P C P 1972, S. 766; del Rosa I I I , S. 146; Rodriguez Devesa , PG, S. 413. I n Estudio 1972 (base 3,6) w i r d vorgeschlagen, ein eindeutiges System der crimina culposa zu entwickeln. 487 Vgl. Derecho penal de la culpa, S. 223; Comentarios, S. 1063. 488 Cordoba , Maurach I I , S. 217, und derselbe, Die Regelung der Fahrlässigkeit i m spanischen Strafrecht, ZStW 1969, S. 438 ist der Ansicht, daß diese Begrenzungen n u r f ü r die Tatfahrlässigkeit, nicht aber für die Rechtsfahrlässigkeit gelten (siehe oben § 8 I B 3 a ) . Dagegen: Torio, ADPCP, 1972, S. 86. 489 So TS 8.5.1933; 12.11.1958 und 11.3.1977; Anton, S. 224; Jiménez de Asua V, S. 1050; Cordoba , Maurach I I , S. 216; Rodriguez Devesa, PG, S. 414. Einschränkend: Cordoba , ZStW 1969, S. 437; Τοήο , A D P C P 1972, S. 55, 66; Gimbernat, Dos aspectos de la imprudencia y un aspecto d e l hurto de uso 485
§ 12 Die fahrlässige Straftat 4
Diebstahl, unzüchtige Handlungen ™, Kindesmord Verleumdung 4 7 3 usw.
381 471
,
Beleidigung 4 7 2 ,
b) Nach einer zweiten Ansicht können diejenigen Straftaten nicht i n ihrer fahrlässigen Erscheinungsform unter Strafe gestellt werden, die als Vorsatztaten erfordern, was Quintano 474 einen „doppelten Vorsatz" (dolo duplicado) nennt, so z. B. der Verwandtenmord, wo der Vorsatz darauf gerichtet sein muß, (erstens) einen anderen Menschen zu töten, der (zweitens) einer der i m A r t . 405 genannten Verwandten i s t 4 7 5 . c) Eine andere, vor allem i n der Rechtsprechung vertretene Tendenz geht dahin, aus dem Bereich der strafbaren Fahrlässigkeit die schlichten Tätigkeitsdelikte 4 7 6 , die Urkundenfälschung 4 7 7 (die man auch irrtümlich als Tätigkeitsdelikt bezeichnet) sowie die echte Unterlassung 4 7 8 herauszunehmen und die Anwendung der Fahrlässigkeit auf die Erfolgsdelikte zu beschränken. d) Schließlich w i r d die Ansicht vertreten, die Strafbarkeit sei bei denjenigen Straftaten, bei denen der Gesetzgeber i m Gesetzestext ausdrücklich auf das Merkmal des Vorsatzes mit Ausdrücken wie „absichtlich", „wissentlich", „böswillig" usw. hingewiesen h a t 4 7 9 , auf die Vorsatztat beschränkt.
de vehiculos de motor en el Derecho penal espanol. Delitos contra la seguridad del trâfico y su prevención, 1975, S. 127 ff. 470 Anderer Ansicht: Cordoba , ZStW 1969, S. 430. 471 Vgl. i n diesem Sinne TS 20.5.1929; 6.6.1933; 30.8.1944. Anderer A n sicht: Luzón Domingo, Tratado I I , S. 450. 472 Vgl. TS 1.6.1969; 27.10.1970; 26.1. und 11.12.1972; 17.5.1974. Dagegen TS 19.11.1885 und 16. 6.1969. 473 So TS 16.10.1928. Dagegen: TS 12.6.1965; Luzón Domingo, Tratado I I , S. 481. 474 Vgl. Comentarios, S. 1064. 475 Die Möglichkeit eines fahrlässigen Verwandtenmordes w i r d abgelehnt von: TS 23.12.1947 und Luzón Domingo, Tratado I I , S. 449. — TS 15.11.1969 läßt sie zu. 476 So TS 20. 4.1948; 23. 6.1958; Quintano, Derecho penal de la culpa, S. 238; Sàinz Cantero , E l delito de tenencia ilicita de armas, 1965, S. 33. Dagegen lassen die Fahrlässigkeitsinkriminierung bei Tätigkeitsdelikten zu: TS 20.11. 1909; 21.6.1976 (Doppelehe); 11.4.1977 (sexueller Mißbrauch eines Kindes); Ferrer I V , S. 219 ff.; Rodriguez Mourullo, E l delito de intrusismo, 1969, S. 41; Cordoba , Z S t W 1969, S. 430; Torio , A D P C P 1972, S. 80; Rodriguez Devesa, PG, S. 415. 477 Siehe i n diesem Sinne Anton, S. 225; dei Rosai I I , S. 147. Dagegen: TS 15. 2. u n d 22. 5.1968. 47θ Siehe i n diesem Sinne TS 2.12.1967; 20. 2.1969; Luzón Domingo, Tratado I I , S. 498. 479 Siehe i n diesem Sinne Cordoba, Maurach I I , S. 217; derselbe, ZStW 1969, S. 437; Rodriguez Devesa, PG, S. 414.
Das spanische Strafrecht
E. Die Voraussetzung rechtmäßigen Grundverhaltens (arranque licito) bei Fahrlässigkeit Bis vor kurzem hat die Rechtsprechung i m Falle eines unrechtmäßigen Grundverhaltens, das zu einem fahrlässig verursachten Erfolg führte, nicht wegen fahrlässiger, sondern wegen vorsätzlicher Tat v e r u r t e i l t 4 8 0 . Den Umstand, daß der Täter den Erfolg nicht vorsätzlich verursacht hatte, berücksichtigte man lediglich als mildernden Umstand der sog. Präterintentionalität (preterintencionalidad; A r t . 9 Ziff. 4). Wurde z. B. infolge eines vorsätzlichen Angriffs fahrlässig der Tod des Opfers herbeigeführt, verurteilte man demgemäß nicht wegen vorsätzlicher Körperverletzung i n Tateinheit mit einer fahrlässigen Tat, sondern wegen vorsätzlichen Totschlags mit dem mildernden Umstand der Präterintentionalität. Diese Anwendung des Satzes „versari i n re i l l i c i t a " 4 8 1 auf die Fahrlässigkeit durch die Rechtsprechung, welche die Mehrheit des Schrifttums ablehnte 4 8 2 , wurde unhaltbar, als der spanische Gesetzgeber i m Jahre 1950 gewisse Straßenverkehrsgefährdungen als strafrechtliche Tatbestände formulierte, z. B. grob fahrlässiges Fahren, Fahren i m Zustand der Trunkenheit usw. Wenn man nämlich nach 1950 jenes von der Rechtsprechung aufgestellte K r i t e r i u m auch bei Verkehrsdelikten angewandt hätte, hätten die meisten Tötungen und Körperverletzungen i m Straßenverkehr als vorsätzliche Delikte bestraft werden müssen, da der fahrlässigen Erfolgsverursachung i n der Mehrzahl der Fälle ein einen strafrechtlichen Gefährdungstatbestand erfüllendes Verhalten vorausgegangen war. Das Oberste Gericht ging nicht so weit und sah seit dem Jahre 1950 davon ab, seine Auffassung des versari auf die fahrlässigen Verkehrsdelikte anzuwenden. Später ist es allmählich dazu übergegangen, die Voraussetzung des rechtmäßigen Grundverhaltens bei fahrlässigen Taten auch außerhalb des Verkehrsrechts nicht mehr zu verlangen 4 8 3 . F. Strafbarkeit
der Fahrlässigkeit
Die Ahndung der Fahrlässigkeit, deren Strafmaß niemals das der Vorsatztat erreichen darf (Art. 565 Abs. 4 und 7) 4 8 4 , bringt, wenn die 480
Siehe z. B. TS 24.11.1944 u n d 2. 4.1954. M i t der Bedeutung dieses Grundsatzes i m spanischen Recht werden w i r uns unter § 13 eingehender beschäftigen. 482 Vgl. z.B. Jiménez de AsuaV, S. 854; Luzon Domingo, Tratado I I , S. 223; Quintano, Comentarios, S. 1062; Cuello I, S. 454. Z u m ganzen siehe Cerezo, E l „versari i n re i l l i c i t a " en el Código penal espanol, A D P C P 1962, S. 50, 51 und E l versari i n re illicita y el parrafo tercero del articulo 340bis a del Código penal espanol, A D P C P 1970, S. 290, 291. 483 Vgl. TS 17.12.1958; 28. 9. und 17.11.1964; 26.1.1977. 4S4 Über die Tragweite der Absätze 4 und 8 des A r t . 565 vgl. Gimbernat i n : Quintano, Tratado I, S. 748/749. 481
§ 12 Die fahrlässige Straftat
383
Tat mit einem Kraftfahrzeug begangen wurde, „die Entziehung des Führerscheins für einen Zeitraum von 3 Monaten und 1 Tag bis zu 10 Jahren" mit sich (Art. 565 Abs. 6). Ferner bestimmt A r t . 565 Abs. 5 folgendes: „ W e n n durch Unerfahrenheit oder berufliche Nachlässigkeit ein Todesfall oder schwere Körperverletzung verursacht werden, ist auf das Höchstmaß der i n diesem A r t i k e l bestimmten Strafen zu erkennen. Diese Strafen können nach Ermessen des Gerichts u m einen oder zwei Grade erhöht w e r den, wenn das verursachte Übel von äußerster Schwere ist". I I . Die Behandlung der fahrlässigen Straftat in der spanischen Dogmatik
Bis vor wenigen Jahren faßte die spanische Lehre die Rechtswidrigkeit des fahrlässigen Delikts als die Verursachung eines tatbestandsmäßigen Erfolges auf und die Schuld als die Verletzung einer Sorgfaltspflicht. Daher waren die Kausalität und ihre verschiedenen Theorien (adäquate Verursachung, Unterbrechung des Kausalzusammenhanges etc.) die Wege, welche Wissenschaft 485 und Rechtsprechung vorzugsweise beschritten, u m die Verantwortlichkeit für Fahrlässigkeit irgendwie zu begrenzen 486 . Gegenwärtig treten andere Gesichtspunkte i n Erscheinung, die eine bessere Erfassung des fahrlässigen Delikts gestatten, so ζ. B. der des Normzwecks 4 8 7 und, bei Fahrlässigkeit i m Verkehr, die Grundsätze des Vertrauens und des defensiven Fahrens 4 8 8 . I n diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, daß unter dem Einfluß der deutschen Lehre die Meinung immer mehr Anhänger gewinnt, nach der die Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht dem Unrechtstatbestand des fahrlässigen Delikts und die Verletzung der subjektiven Pflicht der Schuld zuzuweisen i s t 4 8 9 . 485
Vgl. z. B. Jiménez de Asua V, S. 866 ff. Z u m ganzen vgl. Gimbernat, Cualificados, S. 89 ff. 487 Vgl. TS 13. und 15.10.1969; Gimbernat, Cualificados, S. 119 ff. u n d derselbe, Gedanken zum Täterbegriff und zur Teilnahmelehre, ZStW 1968, S. 922, 923, A n m . 20; Torto , „Versari i n re i l l i c i t a " y delito culposo, ADPCP 1976, S. 39. 488 Vgl. TS 22.5., 2.6. und 4.12.1967; 24.1.1969; 14.11. u n d 4.12.1970; 4. 3.1972; 25. 3.1975; 23.1. u n d 24.11.1976; 17. 5. und 15.10.1977. 489 So TS 16. 6. und 13.10. 1964; 2.10.1967; 16. 10. 1970; 15. 10.1971; 13. 6.1972; 4.6. 1974; Cerezo, Lo injusto de los delitos dolosos en el Derecho penal espanol, ADPCP 1961, S. 65; derselbe, Die Auseinandersetzung u m die finale Handlungslehre i n der spanischen Strafrechtswissenschaft, ZStW 1972, S. 1060 ff. ; Conde-Pumpido, Exposición critica de la doctrina finalista de la acción, ADPCP 1962, S. 277; Suârez Montes, Consideraciones criticas en torno a la doctrina de la antijuricidad en el finalismo, 1963, S. 75 ff.; Cordoba, Una nueva concepción del delito. L a doctrina finalista, 1963, S. 90, 91, 96; derselbe, ZStW 1969, S. 433; Beristain, Objetivación y finalismo en los delitos de t r ò f i co, 1963, S. 22, 24, 25, 27, 28, 32 ff.; Gimbernat, Cualificados, S. 99 ff.; derselbe, Z u r Strafrechtssystematik auf der Grundlage der Nichtbeweisbarkeit der 488
Das spanische Strafrecht
Die Rechtsprechung, die sich bei der vorsätzlichen Straftat der Gleichsetzung von Handlung und Unterlassung entschieden widersetzt, läßt dagegen ohne weiteres i n zahlreichen Fällen fahrlässigen Totschlag, Körperverletzung und Sachbeschädigung als durch Unterlassung begangen z u 4 9 0 . M i t Ausnahme des Notstandes 491 ist die Anwendbarkeit der Rechtfertigungsgründe auf fahrlässige Straftaten i n der spanischen Dogmatik kaum erörtert worden. Begrifflich ist so gut wie keiner der erschwerenden fahrlässige Straftaten anwendbar. Was die mildernden trifft, so hat das Oberste Gericht ausdrücklich verneint, rungsgründe der Trunkenheit 4 9 2 und der freiwilligen lässigkeitstaten berücksichtigt werden können 4 9 3 .
Umstände auf Umstände bedaß die MildeReue bei Fahr-
Eine Minderheit i n Rechtsprechung 494 und Lehre 4 9 5 läßt die Möglichkeit der Teilnahme an Fahrlässigkeitsdelikten zu. § 13 D i e auf der Erfolgshaftung beruhenden Straftaten I . Einleitung
„Das Prinzip vom versari i n re illicita beherrscht unser geltendes Recht derart, daß man den besonderen Charakter der Schuld i n unserem Gesetzbuch nur erfassen kann, wenn man diesen Grundsatz ständig berücksichtigt 4 9 6 ." Die Geltung dieses Prinzips kommt darin zum Ausdruck, daß fahrlässig oder sogar durch Zufall herbeigeführte Folgen mit Strafen für vorsätzliche Taten geahndet werden, wenn sie sich aus einer rechtswidrigen Grundhandlung herleiten. Für die Untersuchung der Erfolgshaftung i m spanischen Strafrecht kann man zwei Gruppen unterscheiden; die unbeabsichtigte (präterintentionale) Tötung (homicidio preterintencional) und die erfolgsqualifizierten Delikte. Willensfreiheit, Henkel-Festschrift, S. 159 A n m . 17; Nunez Barbero , E l delito culposo, 1975, S. 34, 49, 50. Gegen diese Auffassung des Unrechts und der Schuld beim fahrlässigen D e l i k t haben sich ausgesprochen: Rodriguez Deve sa, PG, S. 405, 406 und Torio, E l deber objetivo de cuidado en los delitos culposos, A D P C P 1974, S. 54 ff. 490 Siehe unten § 14 I I Β 2. 491 Siehe oben § 8 I I C 4. 492 Siehe oben § 10 I I B. 493 Siehe oben § 10 I I F. 494 V g l T S 2 2 2 1 9 3 0 . 1 7 n 1 9 5 8 ; 2 Ί 1 9 6 6 ; 1 7 g. 1976. 495
Vgl. Quintano, Derecho penal de la culpa, S. 333; Rodriguez E l autor mediato en Derecho penal espanol, A D P C P 1969, S. 480. 496 Rodriguez Munoz, Mezger I I , S. 35, 36.
Mourullo,
§ 13 Die auf der Erfolgshaftung beruhenden Straftaten
385
I I . Die unbeabsichtigte (präterintentionale) Tötung (Körperverletzung mit Todesfolge)
A r t . 8 regelt den Zufall als einen strafrechtliche Verantwortung ausschließenden Umstand (eximente) wie folgt: „ V o n strafrechtlicher Verantwortlichkeit ist (sind) ausgenommen: . . . 8. Wer bei Ausführung einer rechtmäßigen Handlung unter Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt durch bloßen Zufall, ohne Fahrlässigkeit oder Vorsatz einen Schaden verursacht".
Da sich hieraus e contrario zu ergeben scheint, daß man für zufällig verursachten Schaden haftet, wenn dieser die Folge einer rechtswidrigen Handlung ist, stellt A r t . 8 Ziff. 8 gegenwärtig das größte Hindernis für die Geltung des Schuldprinzips i m spanischen Recht d a r 4 9 7 . Es sind jedoch i n Rechtslehre und Rechtsprechung Versuche unternommen worden, die Straflosigkeit des Täters i n irgend einer Weise zu begründen, wenn infolge einer rechtswidrigen Handlung (meist Körperverletzung) sich ein zufälliger Erfolg (besonders der Tod des Verletzten) ergibt. A. Die Lehre Cerezos Cerezo nimmt „beim Vorliegen eines Zufalls, der nicht von A r t . 8 Ziff. 8 erfaßt wird, d. h. bei rechtswidriger Grundhandlung, einen . . . übergesetzlichen Schuldausschließungsgrund an (übergesetzlicher Z u f a l l ) " 4 9 8 . B. Die Lehre Rodriguez
Mourullos
Rodriguez Mourullo ist der Ansicht, daß der Ausdruck „willentlich" des A r t . 1 Abs. 1 die Bedeutung von „schuldhaft" habe und daß daher, wenn keine Schuld (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) vorliege, eines der Merkmale der Definition der Straftat fehle. Demgemäß und auf der Grundlage dieser Definition des Gesetzes folgert er, daß für zufällige Folgen nicht gehaftet werde, auch dann nicht, wenn die Grundhandlung widerrechtlich gewesen sei 4 9 9 . 497 So Gimbernat , Cualificados, S. 207 ff.; Cerezo, E l versari i n re illicita y el pârrafo tercero del articulo 340bis a del Código penal espanol, ADPCP 1970, S. 300; Munoz Conde, Del llamado homicidio preterintencional, RJC 1974, S. 909, 910. 498 Siehe E l versari i n re illicita en el Código penal espanol, ADPCP 1962, S. 59; sowie derselbe, ADPCP 1970, S. 292 ff. Gegen die Ansicht von Cerezo Gimbernat, Cualificados, S. 206 ff., und Torio, „Versari i n re i l l i c i t a " y delito culposo, A D P C P 1976, S. 18. 499 y g i . Rodriguez Mourullo, Hacia una nueva interpretación de la eximente de caso fortuito, ADPCP 1963, S. 295 ff.; Comentarios I, S. 319 ff. Eine ähnliche Auslegung des Wortes „willentliche" („voluntarias") vertreten Luzón Domingo (vgl. Tratado I I , S. 123, 124, 127) und Cordoba (siehe Maurach I I , S. 85, 86). Gegen die Ansicht von Rodriguez Mourullo haben sich Gimbernat, Cualificados, S. 209 ff., Cerezo, ADPCP 1970, S. 296, und Torio, ADPCP 1976, S. 18 ausgesprochen.
25 Ausländisches Strafrecht V I
Das spanische Strafrecht
C. Der Standpunkt
des Obersten Gerichts
Wenn durch eine vorsätzliche Körperverletzung unabsichtlich der Tod des Angegriffenen herbeigeführt wird, sei es aufgrund einer besonderen körperlichen Disposition des Verletzten oder infolge mangelhafter ärztlicher Behandlung, pflegt das Oberste Gericht wegen vorsätzlicher Tötung zu bestrafen, obwohl es an der Tötungsabsicht fehlt. I n Ausnahmefällen eines völlig abnormen Kausalverlaufs arbeitet das Oberste Gericht zuweilen mit der Lehre von der Unterbrechung des Kausalzusammenhangs 500 . Es verneint, daß die Tat des Angreifers den Tod verursacht habe, und bestraft lediglich wegen Körperverletzung. Dies ist jedoch nicht häufig. Meistens ist es so, daß bei abnormem Kausalzusammenhang zwischen Körperverletzung und Tod der Täter, der ohne Tötungsvorsatz gehandelt hat, nicht etwa wegen fahrlässiger Tötung bestraft wird, sondern wegen vorsätzlichen Totschlags mit dem Milderungsgrund der Präterintentionalität (Art. 9 Ziff. 4: Ein mildernder Umstand liegt vor, „wenn der Täter nicht den Vorsatz hatte, ein so schweres Übel wie das von ihm verursachte herbeizuführen") 5 0 1 . Begründet w i r d dies wie folgt: Bei der Körperverletzung mit Todesfolge verhindert die rechtswidrige Grundhandlung, den Ausschließungsgrund des Zufalls anzuwenden; ebensowenig kann man die Tat als fahrlässigen Totschlag bestrafen, denn das Oberste Gericht lehnt ab, Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn die Grundhandlung rechtswidrig i s t 5 0 2 . Die einzige verbleibende Lösung ist nun offenbar die, die Tat unter den vorsätzlichen Totschlag einzuordnen und höchstens den mildernden Umstand des präterintentionalen Vorsatzes anzuwenden. I n den letzten Jahren hat das Oberste Gericht i n dem gleichen Bestreben wie die Rechtslehre, das Gebiet der Erfolgshaftung einzuschränk e n 5 0 3 , verschiedentlich die nachstehend erörterten Lehren angewandt. D. Die Lehre Silvelas 504
Die Lehre von Silveld hat i m spanischen Schrifttum weitgehend Zustimmung gefunden. Nach ihr ist A r t . 50 anzuwenden, wenn bei der Begehung einer Straftat unbeabsichtigt ein anderes Delikt begangen wird. A r t . 50 Abs. 1 lautet: 500
Siehe oben § 8 I A 2. Vgl. ζ. B. TS 6. 4.1976 und 10. 5. 1977. Ausführliche Hinweise zu dieser Rechtsprechung bei Munoz Conde, RJC, S. 882, Anm. 3. Diese Lösung findet keine Anhänger i n der gegenwärtigen Rechtslehre, w o h l aber i n der früheren (ausführliche Hinweise bei Gimbernat, Cualificados, S. 203, 204, Anm. 250). 502 Siehe oben § 12 I E . 503 Siehe ζ. B. TS 26.1.1977. 504 Dargelegt i n Derecho penal I I , S. 116. 501
§ 13 Die auf der Erfolgshaftung beruhenden Straftaten
387
„ I n den Fällen, i n denen die begangene Straftat von derjenigen abweicht, die der Täter beabsichtigt hatte, ist die dem weniger schweren D e l i k t entsprechende Strafe in ihrem Höchstmaß zu verhängen".
Da bei der Körperverletzung mit Todesfolge ein anderes als das vom Täter beabsichtigte Delikt (nämlich Totschlag) begangen wird, ist dieser mit der für Körperverletzung vorgesehenen Strafe höchsten Grades zu bestrafen. Der mildernde Umstand der Präterintentionalität w i r d von Silvela dann angewandt, wenn der verwirklichte Tatbestand von der gleichen Art wie der beabsichtigte, jedoch von größerer Schwere ist. Hiernach wäre ζ. B. der mildernde Umstand der Präterintentionalität dann anzuwenden, wenn der Täter eine schwerere Körperverletzung als die beabsichtigte verursacht hat. Die Lösung von Silvela überwiegt i m Schrifttum. Für sie haben sich ausgesprochen: Rueda 505, Ferrer 506, Anton 501, Rodriguez Munoz und Rodriguez Devesa 508, Diaz Palos 500, Pereda 51°, del Rosai / Cobo / Rodriguez Mourullo 511, Camargo 512 und Ruiz Vadillo 513. M i t Einschränkungen w i r d sie von Huerta 514, Sanchez Tejerina 515, Cobo516, Munoz Conde 517 und Rodriguez Mourullo 518 akzeptiert. Puig 519 schwankt i n seiner Meinung. Das Oberste Gericht hat die Theorie von Silvela in seinem Urteil vom 30. März 1973 übernommen. E. Die Lehre
Quintanos
520
Die Lösung Quintanos besteht darin, daß i n denjenigen Fällen wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen ist, i n denen das Oberste 505
Siehe Elementos I, S. 248, 332 ff.; Elementos I I , S. 69 ff., 257 ff. Siehe Comentarios I, S. 32, 33; I I , S. 236; I V , S. 242, 243. 507 Vgl. S. 231, 336 Anm. 1. 508 Vgl. Rodriguez Munoz / Rodriguez Devesa, S. 228; Rodriguez Munoz, Mezger I I , S. 42. 500 Siehe L a culpabilidad juridicopenal, NEncJ V I , S. 146. 510 Siehe A D P C P 1956, Vestigos actuales de responsabilidad objetiva, S. 224. 511 Siehe S. 148. 512 Siehe L a ley de 9 de mayo de 1950 sobre uso y circulación de vehiclos de motor y algunos de sus principales problemas, ADPCP 1962, S. 30. 513 Siehe Desviaciones al principio „no hay pena sin culpabilidad" en el Código Penal espanol. Estudios Penales, 1965, S. 678, 679. 514 Siehe La relación de causalidad en la teoria del delito, 1948, S. 335. 515 Vgl. Derecho penal I, S. 303, 304. 516 Siehe „Praeter intentionem" y principio de culpabilidad, ADPCP 1965, S. 99,100. 517 Vgl. RJC 1974, passim. 518 Siehe Comentarios I I , S. 461. 519 Vgl. Derecho penal I I , S. 78, 79. 520 Vgl. Derecho penal de la culpa, 1958, S. 305 ff., 309 ff.; Tratado I, S. 89, 99, 104, 105; Curso I, S. 271, 294, 300, 305, 317, 318. M i t anderer Begründung k o m m t Torio, ADPCP 1976, passim, zum gleichen Ergebnis. 500
25»
Das spanische Srafrecht
Gericht präterintentionalen Totschlag annimmt; damit w i r d Art. 8 Ziff. 8 angewandt, wonach die Verantwortung nicht ausgeschlossen wird, wenn die Grundhandlung rechtswidrig ist. Zwar pflegt das Oberste Gericht bei Fahrlässigkeit die Rechtmäßigkeit der Grundhandlung zu verlangen und andernfalls wegen vorsätzlicher Tat zu verurteilen 5 2 1 . Diese Rechtmäßigkeit ist aber, wie Quintano bemerkt, „bei der Fahrlässigkeit ein Erfordernis, das sich nicht aus dem Wortlaut des Artikels 565 ergibt, sondern das von der Rechtsprechung ebenso häufig wie anfechtbar aufgestellt worden i s t " 5 2 2 . Die Lösung, i n den Fällen von Körperverletzung mit zufälliger Todesfolge wegen fahrlässiger Tötung zu verurteilen, findet sich i n den Urteilen des Obersten Gerichts vom 21. 11. 1884 und 17. 12. 1958 und bildet die Grundlage einiger neuerer Urteile 5 2 3 . F. Schlußbetrachtung Aus dem Ausgeführten ergibt sich, daß trotz der Hindernisse im Gesetz (vor allem der Voraussetzung einer rechtmäßigen Grundhandlung für den Ausschließungsgrund des Zufalls) die Lehre und neuerdings auch die Rechtsprechung eine Linie verfolgen, auf der nach Möglichkeit dem Schuldprinzip Geltung verschafft werden soll. I I I . Die durch den Erfolg qualifizierten Delikte
Nach der i n der Rechtsprechung überwiegenden Auffassung, die auch von einem Teil des Schrifttums akzeptiert wird, gründet sich die Verantwortlichkeit bei den erfolgsqualifizierten D e l i k t e n 5 2 4 darauf, daß der qualifizierende Erfolg durch Fahrlässigkeit oder durch Zufall als Ergebnis der Grundhandlung herbeigeführt worden ist. Dies w i r d ζ. B. bei Raub und Abtreibung mit Todesfolge angenommen, Verbrechen, die mit so schwerer Strafe bedroht sind (Zuchthausstrafe längerer Dauer i m ersten, Zuchthausstrafe geringerer Dauer i m zweiten Falle), daß diese nur gerechtfertigt wären, wenn hinsichtlich der Todesfolge Vorsatz verlangt wäre. M1
Siehe oben § 12 E. Quintano, Curso I I , S. 18. 523 V g l < T S 28. 9. und 17. 12. 1964; 22. 2. und 29. 12. 1972; 21. 1. 1974; 7. 4. 1975; 26. 1. und 20.6.1977. 522
524 Anton, S. 229, 230 und Jiménez de Asua VI, S. 101 ff., bringen zwei A u f zählungen der durch den Erfolg qualifizierten Delikte, die nach ihrer Ansicht i m spanischen StGB vorkommen. I n der Reform von 1963 wollte man eine dem § 18 StGB ähnliche Bestimmung einführen in dem Sinne, daß für die qualifizierende Folge mindestens Fahrlässigkeit verlangt wird. Diese Neuerung scheiterte jedoch i m Rechtsausschuß der Cortes.
§ 14 Das Unterlassungsdelikt
389
U m die V e r a n t w o r t l i c h k e i t f ü r die e r f o l g s q u a l i f i z i e r t e n D e l i k t e i r g e n d w i e z u begrenzen, ist i n der spanischen Rechtslehre g e l e g e n t l i c h vorgeschlagen w o r d e n , w i e es auch i n D e u t s c h l a n d ι;οπ Kries g e t a n h a t , die S t r a f b a r k e i t d a n n auszuschließen, w e n n d e r q u a l i f i z i e r e n d e E r f o l g k e i n e V e r w i r k l i c h u n g des d e r G r u n d h a n d l u n g i n n e w o h n e n d e n Risikos darstellt525. § 14 Das Unterlassungsdelikt I . Echte und unechte Unterlassung Ebenso w i e i n D e u t s c h l a n d unterscheidet die D o g m a t i k i n S p a n i e n z w e i große G r u p p e n v o n U n t e r l a s s u n g s d e l i k t e n : die d e r echten U n t e r lassung (so ζ. B . die T a t b e s t ä n d e d e r A r t . 3 3 8 b i s 5 2 6 u n d 4 8 9 b i s 5 2 7 ) u n d d i e d e r u n e c h t e n U n t e r l a s s u n g , auch B e g e h u n g d u r c h U n t e r l a s s u n g genannt. I I . Die Begehung durch Unterlassung A. Die
Lehre
528
Nach der herrschenden L e h r e l i e g t e i n unechtes U n t e r l a s s u n g s d e l i k t i n d e n j e n i g e n F ä l l e n v o r , i n d e n e n der T ä t e r , d e r b e i d e r V o r nahme der unterlassenen H a n d l u n g den tatbestandsmäßigen Erfolg v e r h i n d e r t h ä t t e 5 2 9 , die S t e l l u n g eines G a r a n t e n i n n e h a t 5 3 0 . Was G r u n d 525 Vgl. zum ganzen Gimbernat, Cualificados, S. 167 ff.; Torio, A D P C P 1976, S. 38, 39 und TS 27. 6.1972. 526 A r t . 338bis: „Wer durch unmittelbares Eingreifen und ohne eigene oder fremde Gefahr ein D e l i k t gegen das Leben oder ein Delikt, das eine schwere Schädigung der Unversehrtheit, der Sittlichkeit, der Freiheit oder der Sicherheit von Personen verursacht, verhindern k a n n und aus freiem W i l l e n hiervon Abstand n i m m t , w i r d m i t Haft von längerer Dauer oder m i t Geldstrafe von 20 000,— bis 200 000,— Peseten oder m i t beiden Strafen bestraft . . . " . 527 A r t . 489bis: „ W e r einer hilflosen Person, die sich i n einer offensichtlichen und schweren Gefahr befindet, keine Hilfe leistet, obwohl er dies ohne Gefahr f ü r sich oder einen D r i t t e n t u n könnte, w i r d m i t H a f t von längerer Dauer oder Geldstrafe von 20 000,— bis 40 000,— Peseten bestraft. Derselben Strafe unterliegt, wer, w e n n er selbst verhindert ist, H i l f e zu leisten, nicht dringend fremde Hilfe anfordert. Wenn das Opfer sich i n einer solchen Lage infolge eines Unfalls befindet, den der verursacht hat, der die geschuldete Hilfeleistung unterläßt, ist auf Gefängnis von geringerer Dauer zu erkennen". 528 Vgl. z.B. Ferrer I, S. 12; Jiménez de Asùalll, S. 408, 419 ff.; Rodriguez Mourullo, La omisiión de socorro en el Código Penal, 1966, S. 88; derselbe, Derecho penal, PG, S. 307 ff.; Cuello I, S. 329, 330; Rodriguez Devesa, PG, S. 328, 329. 529 Vgl. z. B. Rodriguez Devesa, PG, S. 328. 530 Cuello I, S. 330, h ä l t es für übertrieben, auf den Garanten i n jedem Falle die Strafe des Begehungsdelikts anzuwenden, und schlägt de lege ferenda die Einführung einer fakultativen Milderung vor. Dagegen: Rodriguez Devesa, PG, S. 330.
Das spanische Strafrecht
läge einer solchen Garantenstellung sein kann, ist ebenso umstritten wie i n Deutschland, insbesondere ob die Lebensgemeinschaft darunter fällt oder nicht 5 3 1 . Ebensowenig herrscht Übereinstimmung darüber, ob Kausalität zwischen der Unterlassung und dem Erfolg besteht 5 3 2 . Schließlich ist das spanische Schrifttum sich auch der Schwierigkeiten bewußt, die die Gleichstellung der Unterlassung mit der Begehung unter dem Gesichtspunkt des Gesetzlichkeitsprinzips mit sich b r i n g t 5 3 3 . B. Die
Rechtsprechung
Vorweg kann gesagt werden, daß das Oberste Gericht bemerkenswerten Widerstand gegen die Anerkennung der Begehung durch vorsätzliche Unterlassung leistet, wobei es an einer uneinheitlichen und widersprüchlichen Lehre festhält. Beim fahrlässigen Delikt dagegen stellt es die Unterlassung seitens des Garanten der Handlung gleich 5 3 4 . 1. Die vorsätzliche Begehung durch Unterlassung a) Soweit ersichtlich, läßt das Oberste Gericht eine Vorsatzhaftung wegen Täterschaft
bei Begehung durch Unterlassung lediglich i n zwei
Fällen z u 5 3 5 : dem der Mutter, die ihr K i n d durch unterlassene Ernährung t ö t e t 5 3 6 , und dem der Mutter, die es, um ihr Neugeborenes zu töten, unterläßt, die Nabelschnur abzubinden 5 3 7 . b) Relativ oft hat das Oberste Gericht sich mit der Frage beschäftigt, wann Untätigkeit angesichts des verbrecherischen Verhaltens eines Dritten als Beihilfe durch Unterlassung angesehen werden k a n n 5 3 8 . Die 531 I n bejahendem Sinne: Jiménez de Asua I I I , S. 427. Dagegen: Rodriguez Mourullo, L a omisión, S. 84; del Rosai I, S. 613. 532 Die Existenz eines Kausalzusammenhanges bejahen: Rodriguez Mourullo, L a omisión, S. 48 ff.; derselbe, Derecho penal, PG, S. 307; del Rosall, S. 607. Sie w i r d verneint von: Sanchez Tejerina, Teoria de los delitos de omisión, 1918, S. 28; Huerta, L a relación de causalidad en la teoria del delito, 1948, S. 158; Anton, S. 172; Diaz Palos , L a causalidad material en el delito, 1953, S. 80; Rodriguez Devesa , PG, S. 328. 533 Vgl. Anton, S. 172, 173; Rodriguez Mourullo, L a omisión, S. 79. 534 Die Behauptung von Quintano, Comentarios, S. 25 u n d Rodriguez Mourullo, L a omisión, S. 114, daß es sich gegen die Begehung durch Unterlassung „sträubt", ist daher n u r i n Beziehung auf das vorsätzliche D e l i k t zutreffend. 535 I n jedem Falle gehört die kategorische Behauptung, daß Delikte wie M o r d n u r durch eine Handlung begangen werden können (so TS 10. 4.1874), der Vergangenheit an. 536 Siehe TS 12. 2.1892; 15.11.1977. 537 Die Verurteilungen i n einem derartigen Falle wegen Verwandten- oder Kindesmordes sind häufig. Vgl. z.B. TS 11.7.1874; 30.9.1944; 14.1.1946; 22.5.1952; 3. 6.1969. säe £ ) i e grundsätzliche Frage, ob derjenige, der die Verletzung des von i h m garantierten Rechtsgutes durch einen D r i t t e n nicht verhindert, stets Täter ist oder ob er auch Gehilfe sein k a n n (in diesem Sinne Rodriguez Mourullo, L a omisión, S. 380, 381), ist k a u m i m spanischen Schrifttum erörtert worden.
§ 14 Das Unterlassungsdelikt
391
widersprüchlichen Entscheidungen des Gerichts dazu gestatten jedoch nicht, eine zusammenhängende Theorie aufzustellen. Während i n dem Urteil vom 23. 6.1917 eine Person, die nicht einmal Garant war, für die durch Unterlassung begangene Beihilfe zum Selbstmord verantwortlich gemacht wurde, w i r d die gleiche Unterlassung seitens eines Nichtgaranten bei einem anderen Selbstmord i n dem Urteil vom 8. 10.1927 als straflos angesehen. Ebenso w i r d i n dem Urteil vom 19. 10.1943 die strafrechtliche Verantwortlichkeit einer Person verneint, die nicht eingegriffen hat, u m eine Abtreibung zu verhindern, obwohl sie es hätte t u n können 5 3 9 . Schließlich verlangt das Urteil vom 8. 11. 1961 als Voraussetzung der Strafbarkeit einer durch Unterlassung begangenen Beihilfe beim Selbstmord, daß der Unterlassende eine Garantenstellung haben müsse. Zwei letzte Beispiele mögen dazu dienen, die Unsicherheit der Rechtsprechung gegenüber der Teilnahme durch Unterlassung und allgemein gegenüber der Lehre von der Begehung durch Unterlassung zu belegen: Während das Urteil vom 30.1. 1945 den Vater, der seine Tochter nicht an der Begehung eines Diebstahls hindert, als Gehilfen bei diesem Delikt verantwortlich macht, lehnt das Urteil vom 12. 2.1958 eine durch Unterlassung geleistete Beihilfe zum Verwandtenmord i m Falle einer Mutter ab, die keinen Arzt ruft, u m das Leben ihrer durch ihren Vater vergifteten Tochter zu retten, und wendet lediglich Art. 489bis an. 2. Die fahrlässige Begehung durch Unterlassung I m Gegensatz zu dieser einschränkenden Haltung des Obersten Gerichts i n den Fällen vorsätzlicher Taten gibt es unzählige Urteile, in denen wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung oder Sachbeschädigung verurteilt wird, wenn jemand trotz einer bestehenden Rechtspflicht zu handeln es fahrlässig unterläßt, einzuschreiten und den Erfolgseintritt zu verhindern. So hat man Strafbarkeit i n folgenden Fällen fahrlässiger Erfolgsdelikte bejaht: Hundehalter unterläßt Maßnahmen, u m zu verhindern, daß dritte Personen gebissen werden 5 4 0 ; Schrankenwärter läßt nicht zur rechten Zeit die Schranken an einem Bahnübergang herunter 5 4 1 ; Arzt vergißt ein Instrument i m Körper des Operierten 5 4 2 ; Besitzer von Sprengstoff oder geladenen Waffen bewahrt 539 Dieses Verhalten wäre jetzt zweifellos aufgrund des i m Jahre 1950 eingefügten A r t i k e l s 338bis strafbar. Das Oberste Gericht hat diese Bestimmung i n seinem U r t e i l vom 28.2.1957 auch auf diejenigen angewandt, die eine Vergewaltigung nicht verhinderten. 540 TS 28.10.1900. s« V g l T S io.10.1910; 16.10.1946; 25.4. und 21.5.1964; 11.5.1968; 23.2. 1970; 27.1. 1975; 2. 3. 1977. 542 Siehe TS 15.12.1953; 5. 3. 1965.
Das spanische Strafrecht
diese so auf, daß sie für Kinder zugänglich sind 5 4 3 ; Portier verhindert nicht, daß ein Aufzug i n mangelhaftem Zustand i n einem Mietshaus benutzt w i r d 5 4 4 ; der zur Überwachung von Baugruben, Hindernissen etc. Beauftragte macht diese bei Nacht nicht ausreichend kenntlich 5 4 5 ; Angestellter einer Elektrizitätsgesellschaft verursacht durch Unterlassung den Tod dritter Personen durch Stromschlag 546 ; Mutter unterläßt es fahrlässig, die Nabelschnur nach der Geburt abzubinden 5 4 7 ; Bereitschaftsarzt unterläßt eine Blinddarmoperation, so daß der Patient s t i r b t 5 4 8 etc. etc.
Viertes
Kapitel
Täterschaft, Teilnahme und Begünstigung § 15 Täterschaft und Teilnahme I . Einleitung
Täterschaft und Teilnahme sind wie folgt geregelt. A r t . 14: „ A l s Täter werden Personen angesehen, 1. die unmittelbar an der Ausführung der Tat teilnehmen, 2. die andere d i r e k t zur Tatausführung zwingen oder anstiften, 3. die bei der Ausführung der Tat durch eine Handlung m i t w i r k e n , ohne welche dieselbe nicht v e r w i r k l i c h t worden wäre".
Art. 16: „Gehilfen sind die nicht durch A r t . 14 erfaßten Personen, die an der Ausführung der Tat durch vorherige oder gleichzeitige Handlungen m i t w i r k e n " .
Für diejenigen Straftaten, die durch „Drucklegung, bildlichen Abdruck (grabado) oder anderweitige mechanische Wiedergabe, durch Rundfunk oder andere Verfahren begangen werden, welche die öffentliche Verbreitung ermöglichen", besteht eine besondere Regelung. M 3 Vgl. TS 27. 5. 1955; 12.11.1959. — Die Frage, ob diese Fälle Begehungsoder Unterlassungsdelikte darstellen, ist i n der spanischen Lehre k a u m e r örtert worden. 544 y g l T S 9 > 1 0 . 1956; 10. 5. 1969. 545 Siehe TS 1. 7. 1921; 3.10.1930; 10. 2. und 5. 4.1968. 546 y g l . TS 26.1. 1910. 547 v g l . TS 9. 5.1966. 548 Siehe TS 16. 4. 1970. Das Oberste Gericht hat hier wegen fahrlässigen Totschlags verurteilt und ausdrücklich die Subsumierung dieses Falles unter den A r t . 489bis abgelehnt.
§ 15 Täterschaft und Teilnahme
393
A r t . 13 b e s t i m m t , daß f ü r diese S t r a f t a t e n n u r die T ä t e r selbst s t r a f b a r sind. A r t . 15 v e r v o l l s t ä n d i g t diese V o r s c h r i f t d a h i n , daß „ n u r diejenigen als Täter der i n A r t . 13 erwähnten Zuwiderhandlungen anzusehen sind, die tatsächlich die Urheber des veröffentlichten oder verbreiteten Schriftstücks oder der Darstellung (estampa) sind. Wenn sie nicht bekannt oder nicht i n Spanien wohnhaft oder gemäß A r t . 8 dieses Gesetzbuches von strafrechtlicher Verantwortung ausgenommen sind, werden als Täter die Herausgeber der Veröffentlichung angesehen, sofern auf sie keiner der drei vorgenannten Fälle zutrifft. I n Ermangelung dieser werden als Täter die Verleger angesehen, gleichfalls soweit sie bekannt, i n Spanien wohnhaft u n d nicht von strafrechtlicher Verantwortung nach dem oben angeführten A r t i k e l befreit sind, und mangels derselben die Drucker. Unter Druckern i m Sinne dieses Artikels sind die Direktoren oder Leiter des Unternehmens anzusehen, i n welchem das i n k r i m i n i e r t e Schriftstück oder die bildliche Darstellung gedruckt, abgebildet oder in irgendeiner anderen Weise veröffentlicht worden ist". I I . Mittäterschaft D i e herrschende L e h r e , die A r t . 14 Z i f f . 1 i n e i n e m f o r m e l l - o b j e k t i v e n S i n n e auslegt, m e i n t , daß d e r B e g r i f f des T ä t e r s i n n e r h a l b dieser V o r s c h r i f t i n e i n e m e n g e r e n S i n n e z u v e r s t e h e n s e i 5 4 9 . Gimbernat 55°, Quintero 551 u n d Rodriguez Devesa 552 s i n d dagegen d e r A n s i c h t , daß d e r T ä t e r i m e n g e r e n S i n n e j e w e i l s i m entsprechenden gesetzlichen T a t b e s t a n d des B e s o n d e r e n T e i l s d e f i n i e r t sei u n d A r t . 14 Z i f f . 1 z u r A u s d e h n u n g d e r S t r a f b a r k e i t auf d i e j e n i g e n ermächtige, die, ohne T ä t e r i m engeren S i n n e z u sein, a n d e r H a u p t h a n d l u n g m i t A u s f ü h r u n g s h a n d l u n g e n t e i l n e h m e n 5 5 3 . Rodriguez Mourullo 554 n ä h e r t sich dieser A u f f a s s u n g . D i e subjektive Theorie hat i n Spanien w e n i g Anhänger gefunden 555. Das Oberste G e r i c h t h a t l a n g e Z e i t eine T h e o r i e v e r t r e t e n , nach der als T ä t e r gemäß A r t . 14 Z i f f . 1 a l l e d i e j e n i g e n v e r a n t w o r t l i c h sind, die a u f g r u n d eines „ v o r h e r i g e n g e m e i n s a m e n Entschlusses" h a n d e l n , u n a b 549 Vgl. i n diesem Sinne Pacheco I, S. 272; Ferrer I I , S. 43, 44; Anton, S. 421; Rodriguez Munoz, Mezger I, S. 382. 550 Vgl. A u t o r y complice, S. 215 ff. Gedanken zum Täterbegriff und zur Teilnahmelehre, ZStW 1968, S. 916. 551 Siehe Los delitos especiales y la teoria de la participación, 1974, S. 74. 532 V g l P G ) 6 8 3 :,53 Dieser Ansicht ist Cerezo, Die Auseinandersetzung u m den finalen Täterbegriff i n der spanischen S traf rechts Wissenschaft, Welzel-Festschrift, S. 639, ausdrücklich entgegengetreten. 554
Vgl. Comentarios I, S. 821, 822, 839, 840. Sie w i r d n u r vertreten von Montes I I , S. 246, 247; Conde-Pumpido, Encubrimiento y receptación, 1955, S. 88, 89 und Luzón Domingo, Derecho penal I I , S. 202,203. Dagegen: Gimbernat, A u t o r y complice, S. 49 ff.; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 823; Vives, Libertad de prensa y responsabilidad criminal, 1977, S. 129 ff. 555
Das spanische Strafrecht
hängig davon, welches ihr materieller Tatbeitrag i s t ' 5 6 . Diese Theorie ist von der Wissenschaft verworfen worden 5 5 7 und beginnt auch i n der Praxis selbst auf Ablehnung zu stoßen 558 . I I I . Die mittelbare Täterschaft
Die Rechtsfigur der mittelbaren Täterschaft w i r d grundsätzlich sowohl von der Rechtsprechung 550 als auch von der Wissenschaft 560 anerkannt. I V . Die Hauptgehilfenschaft
I n der Definition der Hauptgehilfenschaft des A r t . 14 Ziff. 3 hat sich die Lehre mit den Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, die sich sowohl bei der abstrakten als auch bei der konkreten Auslegung der Vorschrift ergeben 5 6 1 . Zu der abstrakten Auslegung neigen Castro! Ortiz 562, Pacheco™3, de Vizmanos! Alvarez 564 und Silvela 5r'5, zu der konkreten Ferrer 566, Quintano 561, Luzon 568, Rodriguez Mourullo 569 und überwiegend das 570 Oberste Gericht . Rodriguez Devesa vertritt eine abstrakt-konkrete Auslegung 5 7 1 . Dem Standpunkt von Gimbernat, der davon absieht, mit hypothetischen Urteilen zu operieren, u m den Inhalt des A r t . 14 Ziff. 3 5 7 2 zu bestimmen, hat das Oberste Gericht i n einigen Urteilen beigepflichtet 5 7 3 . 556
Vgl. ζ. B. die Urteile v o m 4. und 12. 2. 1971; 17. 3.1972; 2. 4.1976. Siehe Gimbernat, A u t o r y complice, S. 54 ff.; Rodriguez Devesa, PG, S. 693; Vives, op. cit., S. 124 ff. 558 Siehe TS 11.12.1970; 28. 9.1971; 25.1.1977. 559 y g i T S 21.12.1967; 12. 5.1971; 19. 5.1975; 5. 6. 1976. 557
500 Siehe Gimbernat, A u t o r y complice, S. 222 ff.; derselbe, ZStW 1968, S. 934 ff.; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 803 ff.; Cerezo , Welzel-Festschrift. S. 647; Rodriguez Devesa, PG, S. 675 ff. 561 Siehe Gimbernat, A u t o r y complice, S. 113 ff.; derselbe, ZStW 1968, S. 921 ff. 562 Siehe I I , S. 106. 568 Vgl. I, S. 282. 561 Siehe I, S. 173. 565 Siehe I, S. 186. 506 Vgl. I I , S. 59. 367 Siehe Autoria penal, NEncJ I I I , 1951, S. 151. 5ft 8 Vgl. Derecho penal I I , S. 195,196. 509 Vgl. Comentarios I, S. 878, 879. 570 Vgl. z.B. die Urteüe v o m 6.2.1942; 18.6.1955; 28.6.1963; 25.3. und 1. 4. 1965; 17.11. 1975; 22.12.1976. 571 Vgl. P G S. 690; siehe auch TS 23. 3.1971. 572 Vgl. A u t o r y complice, S. 152 ff.; ZStW 1968, S. 929 ff. Dagegen: Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 874 ff. 578 Vgl. die Urteile v o m 29. 12. 1969; 21. 1. und 29. 10. 1970; 20 12. 1971; 1.3. 1972;19. 5.1975;18. 11.1977.
§ 15 Täterschaft und Teilnahme
395
Die Theorie der Tatherrschaft, deren sich die Rechtsprechung gelegentlich zur Auslegung des A r t . 14 Ziff. 3 5 7 4 bedient hat, w i r d von Cordoba 575 und Cerezo 576 als alleingültiges K r i t e r i u m angesehen, um den Täter vom Gehilfen zu unterscheiden 577 . V. Die Anstiftung
Die Anstiftung, für die die gleiche Strafe wie für die Täterschaft vorgesehen ist, setzt voraus, daß sie einen solchen Einfluß auf die Begehung der Straftat gehabt hat, daß diese ohne sie nicht erfolgt wäre^™. V I . Die Beihilfe
Die Beihilfe w i r d stets mit einer u m einen Grad geringeren Strafe geahndet als die Täterschaft 5 7 9 . Der Beihilfeversuch w i r d nicht bestraft 5 8 0 . V I I . Die Teilnahme an Sonderdelikten
Das Problem der Teilnahme an Sonderdelikten hat sich i m spanischen Recht vor allem beim Verwandtenmord (Art. 405), bei der Kindestötung (Art. 410) und bei der Abtreibung „um Schande zu verbergen" (Art. 414) gestellt. Die herrschende Lehre nimmt, gestützt auf Art. 60 5 8 1 , an, daß ein Außenstehender, der an einem unechten Sonderdelikt teilnimmt, als Gehilfe des entsprechenden Grunddelikts strafbar ist. Der intraneus (z. B. der Sohn), der einen extraneus anstiftet, seinen (des Anstifters) Vater zu töten, ist der Anstiftung zum Verwandtenmord schuldig, während auf den Täter der Tatbestand des Totschlages oder des Mordes anzuwenden i s t 5 8 2 . Gegen diese Auffassung und für die Ausschaltung des Art. 60, dessen Anwendung auf die allgemeinen Milderungs- und 574 Vgl. TS 1.7.1963; 4.3. und 5.6.1965; 3.6.1968; 11.12.1970; 1.3.1972; 25. 1.1977. 575 Siehe Maurach I I , S. 310. 576 V g l . Welzel-Festschrift, S. 640 ff. 577 Dagegen Gimbernat, A u t o r y complice, S. 135 ff.; derselbe, ZStW 1968, S. 925 ff.; Vives , op. cit., S. 147. 578 Vgl. z.B. TS 6.12.1902; 12.5.1909; 12.11.1916; 20.1.1917; 15.1.1918; 20. 4. 1961; 25. 6. 1962; 18. 10.1975; 30. 6. 1976; 10. 2. 1977; Ferrer I I , S. 51; Anton, S. 439; Cuello I, S. 617. 579 Vgl. A r t . 53. 580 Siehe Gimbernat, A u t o r y complice, S. 162 ff.; Mir, Los términos „delito" y „falta" en el Código Penal, ADPCP 1973, S. 365. 581 Siehe oben § 10 I. 582 Siehe i n diesem Sinne TS 11.3.1887; 7.2.1888; 27.1.1902; 7.10. und 15.12.1953; 5.2.1955; de Vizmanos / Alvarez I , S. 291; Gómez de la Serna / Montalbân I I I , S. 138, 139; Rueda I I , S. 57, 58; Benito y Curto, S. 314; Anton, S. 430, 431; Ferrer I V , S. 185, 250; Cuello I, S. 615; Cordoba, Maurach I, S. 292; del Rosai / Cobo / Rodriguez Mourullo, S. 182,185.
Das spanische Strafrecht
Erschwerungsgründe der Art. 9, 10 und 11 beschränkt bleiben solle, haben sich Viada 5 8 3 , Silvela 584, Quintano r>8 5, Gimbernat 586, Rodriguez Devesa™ 1, Quintero'° H8 und gelegentlich das Oberste Gericht 5 8 9 ausgesprochen. Nach dieser Meinung ist der extraneus nach der auf den intraneus als Haupttäter anwendbaren Vorschrift zu bestrafen, der intraneus dagegen als Teilnehmer an dem Grunddelikt, das der extraneus als Täter i m engeren Sinne verübt. A n i o n 5 9 0 , Gimbernat™ 1, Rodriguez Mourullo 592 und Quintero 593 haben die Theorie des vorsätzlichen qualifikationslosen Werkzeugs abgelehnt. Die Ansicht Roxins, bei den Sonderdelikten sei der intraneus immer Täter, so gering auch seine Beteiligung sein möge, ist mit gewissen Einschränkungen übernommen worden; man nimmt an, daß sie nur bei bestimmten Tatbeständen gültig ist, wie ζ. B. denen der A r t . 362 und 367, wo tatsächlich der intraneus als Täter verantwortlich ist, soweit er seine Pflicht verletzt 5 9 4 . V I I I . Die Akzessorietät
Die Mehrheit der spanischen Lehre stimmt der limitierten Akzessorietät z u 5 9 5 . Auf der Grundlage der finalen Handlungslehre (Cerezo, Cór doba, Suârez Montes) oder außerhalb derselben (Gimbernat) nimmt ein Teil der spanischen Lehre an, daß die Haupttat vorsätzlich begangen sein müsse 5 9 6 . I X . Die Teilnahme an fahrlässigen Straftaten
M i t dieser Frage haben w i r uns bereits weiter oben (§ 12 I I E) beschäftigt. 583
Siehe I I I , S. 8. Vgl. I , S . 149; I I , S. 216. 585 Siehe Codelincuencia, NEncJ I V , 1952, S. 228, 229. 586 Vgl. A u t o r y complice, S. 272 ff.; ZStW 1968, S. 938 ff. 587 Siehe PG, S. 694. 588 Vgl. Los delitos especiales, 1974, S. 49, 65, 67 u. passim. os» y g L T S 1 2 . 12. 1975. 584
590
Siehe S. 436, 437. Siehe A u t o r y complice, S. 291 ff.; ZStW 1968, S. 942—943. ' 3 2 Vgl. Comentarios I, S. 806, 810. 593 Siehe Los delitos especiales, 1974, S. 99. 594 Vgl. Gimbernat, A u t o r y complice, S. 296 ff.; Quintano, Los delitos especiales, 1974, S. 102. 595 Siehe Anton, S. 422, 423; Rodriguez Munoz, Mezger I I , S. 279—280; Rodriguez Devesa, PG, S. 682; Vives, op. cit., S. 167. 596 Uber die H a l t u n g des Oberstens Gerichts und des spanischen Schrifttums zu der Teilnahme an einer durch Notstand gedeckten Tat vgl. Gimbernat, Welzel-Festschrift, S. 488, 489, A n m . 16. 501
§ 16 Die Begünstigung
397
X . Die Kettenteilnahme
Das Oberste Gericht nimmt i n seinem Urteil vom 30. 11. 1964 an, daß der Anstifter des Anstifters als Anstifter zur Haupttat anzusehen sei. Cordoba 597 ist der Ansicht, daß beim Gehilfen des Gehilfen nicht Beihilfe zur Haupttat, sondern Beihilfe zu der Handlung „Beihilfe" vorliege und verlangt deshalb eine doppelte Herabsetzung des Strafrahmens. Del Rosai / Cobo / Rodriguez Mourullo 598 sprechen sich dagegen für die Straflosigkeit der Kettenteilnahme aus. Für Gimbernat 599, dem sich Rodriguez Mourullo 600 jetzt anschließt, ist Teilnahme an der Teilnahme gleichbedeutend mit Teilnahme an der Haupttat; i m Falle der Anstiftung zur Anstiftung schlagen beide vor, daß der erste Anstifter wegen Hauptgehilfenschaft bestraft werden solle. X I . Die Nebentäterschaft
I n der spanischen Dogmatik ist die Nebentäterschaft bisher so gut wie gar nicht behandelt worden oder allenfalls rein theoretisch 601 .
§ 16 Die Begünstigung
Ursprünglich regelte A r t . 17, als auxilium post delictum, sowohl die Begünstigung (encubrimiento) als auch die Hehlerei (receptación). I m Jahre 1950 normierte der spanische Gesetzgeber die Hehlerei als selbständigen Tatbestand des Besonderen Teils (Art. 546bis a ff.). I n A r t . 17 beließ er lediglich die Begünstigung. De lege ferenda ist die herrschende Meinung dafür, auch die Begünstigung als Tatbestand des Besonderen Teils auszugestalten 602 . Art. 17 hat folgenden Wortlaut: „Begünstiger sind diejenigen, welche i n Kenntnis der Begehung einer strafbaren Handlung, an der sie selbst weder als Täter noch als Gehilfen teilgenommen haben, nach Tatausführung i n einer der folgenden Modalitäten t ä t i g werden : 1. Indem sie den Tätern Hilfe leisten, damit diese aus den durch das Verbrechen oder die Übertretung erlangten Sachen Vorteil ziehen können. 2. Indem sie Beweisstücke, durch die Straftat erlangte Sachen oder W e r k zeuge des Verbrechens oder der Übertretung verbergen oder unbrauchbar machen, um ihre Entdeckung zu verhindern. 597 598 399 600 b01 602
Vgl. Maurach I I , S. 367. Siehe S. 272, 274. Vgl. A u t o r y complice, S. 329 ff. Siehe Comentarios I, S. 862. Vgl. Gimbernat, Problematik, S. 149,150. Vgl., für alle, Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 899.
Das spanische Strafrecht 3. I n d e m sie dem Täter U n t e r k u n f t gewähren, i h n verbergen oder i h m zur Flucht verhelfen, vorausgesetzt, daß einer der folgenden Umstände gegeben ist: Erster Umstand: Daß auf Seiten des Begünstigers ein Mißbrauch öffentlicher Amtsstellung vorliegt. Zweiter Umstand: Daß der Täter Verbrechen des Landesverrats, der E r mordung des Staatsoberhaupts oder seines Nachfolgers, des V e r w a n d tenmordes, des Mordes, der erpresserischen Freiheitsberaubung, der Freiheitsberaubung unter Amtsanmaßung, Waffen- oder Sprengstoffdelikte oder gemeingefährliche Straftaten begangen h a t " 6 0 3 . S o w o h l die B e g ü n s t i g u n g eines b e e n d i g t e n als auch eines u n b e e n d i g t e n Verbrechensversuchs s i n d s t r a f b a r 6 0 4 . N a c h herrschender L e h r e ist es n o t w e n d i g , daß die V o r t a t t a t b e s t a n d s m ä ß i g u n d r e c h t s w i d r i g ist; es w i r d aber n i c h t v e r l a n g t , daß der B e g ü n s t i g t e auch s c h u l d h a f t g e h a n d e l t h a t 6 0 3 . Was d e n V o r s a t z b e t r i f f t , so n i m m t die herrschende L e h r e an, daß es n i c h t g e n ü g t , w e n n d e r B e g ü n s t i g e r w e i ß , daß der V o r t ä t e r eine S t r a f t a t b e g a n g e n h a t , s o n d e r n daß er auch die A r t der V o r t a t , die er begünstigt, i n ihren Grundzügen kennen m u ß 6 0 6 .
003 Bei der persönlichen Begünstigung des A r t . 17 Ziff. 3, zweiter Umstand, erwähnt das Gesetz nicht ausdrücklich den Raubmord. Nach einer Ansicht (Denkschrift der Generaloberstaatsanwaltschaft beim Obersten Gericht für das Jahr 1908; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 938) ist die persönliche Begünstigung gleichfalls strafbar, wenn beim Raubmord einer der qualifizierenden Umstände des Mordes hinzukommt (Heimtücke, Handeln m i t Vorbedacht etc.). Die herrschende Meinung (Anton, S. 447; Conde-Pumpido, Encubrimiento y receptación, 1955, S. 204; Quintano, Comentarios, S. 286; Rodriguez Devesa, PG, S. 709) v e r t r i t t dagegen den Standpunkt, daß eine derartige Bestrafung des Begünstigers gegen das Gesetzlichkeitsprinzip verstieße. ß04 So TS 20.4.1929 und 27. 10.1950; Anton, S. 444; Quintano, Comentarios, S. 282; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 901; Rodriguez Devesa, PG, S. 706. 605 Vgl. Conde-Pumpido, op. cit., S. 210; Rodriguez Mourullo, Comentarios I, S. 902, 903, 936; Rodriguez Devesa, PG, S. 706. Anderer Ansicht Anton, S. 443, für den bei der Begünstigung das Prinzip der strengen Akzessorietät gilt. 608 Vgl. i n diesem Sinne Anton, S. 444; Rodriguez Mourullo, Comentarios! S. 907; Rodriguez Devesa, PG, S. 707.
§17 Einheit und Mehrheit von Straftaten Fünftes
399
Kapitel
Konkurrenzen § 17 Einheit und M e h r h e i t von Straftaten I . Gesetzeskonkurrenz A r t . 68 b e s t i m m t , daß „bei Straftaten, für die zwei oder mehrere Vorschriften dieses Gesetzbuches i n Betracht kommen, diejenige anzuwenden ist, welche die schwerere Strafe f ü r das Verbrechen oder die Übertretung vorsieht". I n dieser B e s t i m m u n g h a t m a n d e n F a l l des p r i v i l e g i e r t e n speziellen D e l i k t s ( V e r w a n d t e n m o r d — K i n d e s t ö t u n g ) n i c h t vorgesehen. N a t ü r l i c h ist i n diesen F ä l l e n auch der spezielle S t r a f t a t b e s t a n d (der K i n d e s t ö t u n g ) a n z u w e n d e n , d e n n w e n n dies n i c h t d e r F a l l w ä r e , k ö n n t e n die p r i v i l e g i e r t e n speziellen V e r b r e c h e n n i e m a l s z u r A n w e n d u n g k o m m e n 6 0 7 . Das S c h r i f t t u m u n d die P r a x i s der Rechtsprechung entscheiden die F ä l l e d e r G e s e t z e s k o n k u r r e n z u n t e r B e a c h t u n g der h e r k ö m m l i c h e n R e g e l n d e r S p e z i a l i t ä t , d e r K o n s u m t i o n , der A l t e r n a t i v i t ä t u n d der Subsidiarität608. I I . Realkonkurrenz D i e R e a l k o n k u r r e n z ist w i e f o l g t geregelt. A r t . 69: „Demjenigen, der zwei oder mehr Verbrechen oder Übertretungen begangen hat, sind alle den verschiedenen Straftaten entsprechenden Strafen aufzuerlegen. Deren Verbüßung soll gleichzeitig erfolgen, wenn dies nach ihrer N a t u r u n d ihren Wirkungen möglich ist". A r t . 70: „ K a n n der Verurteilte nicht alle oder einige der den verschiedenen Straftaten entsprechenden Strafen gleichzeitig verbüßen, so sind hierfür folgende Regeln zu beachten: 1. Regel: Die Verhängung der Strafen erfolgt, zu ihrer nachfolgenden Verbüßung durch den Verurteüten, i n der Reihenfolge ihrer Schwere, soweit dies aufgrund von gnadenweisem Erlaß oder Verbüßung der zuerst erkannten Strafen möglich ist. 2. Regel: Ungeachtet der vorstehenden Regel darf das Höchstmaß der S traf verbüß ung durch den Verurteilten das Dreifache der Zeit nicht überschreiten, zu welcher er durch die schwerste der gegen i h n erkannten Strafen verurteilt ist. Die darüber hinausgehenden Strafen werden nicht 007 608
Vgl. Rodriguez Devesa, PG, S. 166,167. Siehe z.B. Anton, S. 461 ff.; Rodriguez
Devesa, PG, S. 160 ff.
Das spanische Strafrecht vollstreckt, soweit die bereits verhängten das Höchstmaß der vorerwähnten Zeit erreichen; dieses darf dreißig Jahre nicht überschreiten. Diese Begrenzung gilt auch bei Verhängung der Strafen i n verschiedenen Verfahren, wenn die Straftaten wegen ihres Zusammenhangs i n einem einzigen Verfahren hätten abgeurteilt werden können".
Das Gesetz sieht somit das Prinzip der strengen Kumulation (acumulación material, A r t . 69), begrenzt durch das der modifizierten Kumulation (acumulación juridica, Art. 70, 2. Regel), vor. I I I . Idealkonkurrenz
Bei der Bestrafung der Idealkonkurrenz w i r d gemäß der Vorschrift des A r t . 71 das Absorptionsprinzip mit Strafschärfung (principio de la exasperación) angewendet: „Die Vorschriften des vorhergehenden Artikels finden keine Anwendung, w e n n eine einzige Handlung zwei oder mehr Straftaten darstellt oder wenn eine von ihnen ein notwendiges M i t t e l zur Begehung einer anderen ist. I n diesen Fällen w i r d die der schwersten Straftat entsprechende Strafe in ihrem höchsten Grade auferlegt bis zu der Grenze der Gesamtdauer, auf die bei gesonderter Bestrafung der einzelnen Straftaten erkannt werden könnte. Wenn die auf diese Weise festgesetzte Strafe diese Grenze überstiege, werden die Straftaten einzeln bestraft".
I m Schrifttum 6 0 9 ist darauf hingewiesen worden, daß einer der i n Art. 71 behandelten Fälle (ein Delikt ist als notwendiges M i t t e l zur Begehung eines anderen begangen worden) im Grunde eine Modalität der Realkonkurrenz darstellt. I V . Die fortgesetzte Handlung und das sogenannte Verbrechen mit einem Opferkollektiv (sujeto pasivo masa)
Obwohl das Gesetz die fortgesetzte Handlung nicht vorsieht, arbeitet die Rechtsprechung ständig mit diesem Begriff. Das Oberste Gericht hat z. B. eine fortgesetzte Handlung angenommen bei Vorlage ungedeckter Schecks 610 , Urkundenfälschung 6 1 1 , Ehebruch (als dieser noch strafbar w a r ) 6 1 2 , bei Manipulationen zur Veränderung von Preisen an Gegenständen 613 und vor allem bei Eigentumsdelikten. Dagegen lehnt das Oberste Gericht es ab, die am selben 609
Vgl. Quintano, Curso I, S. 264; Rodriguez Siehe TS 30. 4.1970; 19. 5. und 7. 7.1972. 011 Vgl. TS 29. 10. 1970 und 25. 10. 1971. G12 v g L T S 22. 5.1971.
610
β13
Vgl. TS 9. 10. 1971.
Devesa, PG. S. 720, 721.
§17 Einheit und Mehrheit von Straftaten
401
Opfer bei verschiedenen Gelegenheiten vorgenommenen unzüchtigen Handlungen als eine einzige fortgesetzte Handlung anzusehen 614 . I m allgemeinen stimmen die für die fortgesetzte Handlung aufgestellten Erfordernisse m i t denen der Lehre überein. Keine Übereinstimmung besteht darüber, ob man einen Gesamt- oder einen Fortsetzungsvorsatz verlangen soll. Die erste Lösung befürworten die Urteile des Obersten Gerichts vom 7.11.1955, 18. 5. und 22.10.1970 und 12. 5.1972, 16. 2. und 28. 5. 1977 sowie i m Schrifttum Camargo 615 und Rodriguez Devesa 616. Zugunsten des Fortsetzungsvorsatzes haben sich die Urteile des Obersten Gerichts vom 6. 6. 1934 und 6. 3. 1946 und in der Wissenschaft Anton 617 und Cordoba 618 ausgesprochen. Das Oberste Gericht hat wiederholt den allgemeinen Grundsatz ausgesprochen, daß eine fortgesetzte Handlung nur angenommen werden könne, wenn die Zeitpunkte der Begehung der Einzelhandlungen nicht bekannt seien. Ebensowenig dürfe bei den Eigentumsdelikten der Betrag der durch die verschiedenen Handlungen verursachten Schäden bekannt sein. Demgemäß w i r d die Annahme einer fortgesetzten Handlung abgelehnt, wenn z. B. die Zeitpunkte feststehen, zu denen die Urkunden gefälscht wurden oder die Schadensbeträge der einzelnen Diebstähle bekannt sind 6 1 9 . Diese Auffassung der fortgesetzten Handlungen als „prozessualer Behelf" ist von der Mehrheit des Schrifttums abgelehnt worden 6 2 0 und letztlich hat auch das Oberste Gericht in einigen Urteilen begonnen, davon abzurücken 6 2 1 . Besonders beim Betrug hat das Erfordernis der Unkenntnis der erschwindelten Beträge und ein gewisser Widerstand des Obersten Gerichts gegen die Annahme der fortgesetzten Handlung bei einer Mehrheit von Opfern zu einer Neuschöpfung der Rechtsprechung geführt: der des „Verbrechens mit einem Opferkollektiv" (delito con sujeto pasivo masa). Sinn dieser Figur ist es, die gegenüber einer Mehrzahl von Personen verübten Betrügereien, vor allem beim Kauf von Wohnungen, zu einer einzigen Straftat (im Ergebnis: einer fortgesetzten Handlung) zusammenfassen zu können 6 2 2 . 611
Vgl. die Urteile v o m 21. 1.1970; 30.1. und 14. 5.1971; 27. 5.1972. Siehe E l delito continuado, 1951, S. 32. 616 Vgl. PG, S. 729. 617 Vgl. Delito continuado, 1954, S. 10, 11. 818 Siehe Comentarios I I , S. 319. 619 Vgl. z. B. TS 3. 2. 1968; 8. 2. 1969; 22. 10. 1970. 620 Vgl. Anton, Delito continuado, S.7; Cuello I, S. 655; Rodriguez Devesa, PG, S. 731, 732; Castineira, E l delito continuado, Barcelona 1977, S. 176. 21 « Vgl. die Urteile v o m 22.10. 1970; 16. 6.1972; 18. 11.1975 und 4. 6.1976. 622 Z u r Theorie des Delikts m i t einem Opferkollektiv zustimmend: Säinz Cantero , E l delito masa, ADPCP 1971, passim. Dagegen: Cerezo, Informe ü15
26 Ausländisches Strafrecht V I
Das spanische Strafrecht
Schließlich ist zu betonen, daß die fortgesetzte Handlung den Täter i m spanischen Recht nicht immer begünstigt. Die Annahme eines einzigen Delikts w i r k t sich zwar zugunsten des Urhebers verschiedener Urkundenfälschungen aus. Bei den Eigentumsdelikten, bei denen die Strafe sich nach dem Wert der Entwendungen richtet 6 2 3 , ist es aber ζ. B. für denjenigen, der drei Diebstähle von je 15 000 Peseten begangen hat, günstiger, wenn man in seinem Falle Realkonkurrenz annimmt, als daß man ihn wegen Diebstahls von 45 000 Peseten i n fortgesetzter Handlung verurteilt. Obwohl das Schrifttum darauf besteht, daß der Sinn der fortgesetzten Handlung die Besserstellung des Täters sei 6 2 4 , vertritt das Oberste Gericht nach wie vor den Standpunkt, daß die Annahme einer fortgesetzten Handlung i n keiner Weise davon abhängt, ob sie den Täter begünstige oder benachteilige 625 .
Dritter
Abschnitt
Die Rechtsfolgen der Straftal § 18 D i e Strafe I. Einteilung der Strafen
Das Gesetz unterscheidet i n A r t . 27 zwischen schweren Strafen (für Verbrechen i m engeren Sinne), leichten Strafen (für Übertretungen), für beide Kategorien gemeinsamen Strafen (die sowohl für Verbrechen als auch für Übertretungen gelten) und Nebenstrafen (die stets mit einer der Hauptstrafen verbunden sind). sobre el anteproyecto de bases del L i b r o I del CP, ADPCP 1972, S. 772, 773; Munoz Conde , Derecho penal, Parte Especial, 1977, S. 227; Cuello Contreras , L a frontera entre el concurso de leyes y el concurso ideal de delitos. La función de la normativa concursal, A D P C P 1979, S. 69 A n m . 80. Landrove (Los fraudes colectivos, Barcelona 1978, S. 61 ff.) n i m m t nach Prüfung der letzten Änderungen i n der Rechtsprechung i n bezug auf das fortgesetzte Verbrechen, insbesondere den Verzicht auf das Erfordernis der Identität des Verletzten, an, daß heutzutage alle Fälle des Verbrechens m i t einem Opferk o l l e k t i v unter den Tatbestand des fortgesetzten Verbrechens subsumiert werden können. Gleicher Ansicht: Fernandez Albor, Estudios sobre criminalidad econòmica, Barcelona 1978, S. 47 ff. 023 Vgl. z. B. A r t . 515. 624 Siehe Anton, Delito continuado, S. 6; Rodriguez Devesa, PG, S. 731. Dagegen Quintano, Curso I, S. 260. 625 Vgl. z.B. die Urteile v o m 12.11.1971; 16.6.1972; 24.1. und 4.3.1977. Dagegen Castineira, op. cit., S. 194, 197.
§ 18 Die Strafe
403
Nach A r t . 27 sind schwere Strafen: Zuchthaus längerer Dauer (réclusion mayor); Zuchthaus geringerer Dauer (réclusion menor); schwerer Kerker längerer Dauer (presidio mayor); Gefängnis längerer Dauer (prisión mayor); schwerer Kerker geringerer Dauer (presidio menor); Gefängnis geringerer Dauer (prisión menor); Haft längerer Dauer (arresto mayor); Landesverweisung (extranamiento); Zwangsaufenthalt (confinamiento); Aufenthaltsverbot (destierro); öffentlicher Verweis (represión pùblica); Verlust der spanischen Staatsangehörigkeit; allgemeine Aberkennung von Rechten und Fähigkeiten (inhabilitación absoluta); spezielle Aberkennung (inhabilitación especial) der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts, eines Berufes oder Gewerbes; Enthebung von öffentlichen Ämtern (suspension), Entziehung des aktiven und passiven Wahlrechts, Verbot der Berufs- oder Gewerbeausübung. Leichte Strafen sind: Haft geringerer Dauer und nicht-öffentlicher Verweis (reprensión privada). Beiden vorstehenden Klassen werden zugerechnet Geldstrafe, Entziehung der Fahrerlaubnis und Kautionsleistung 6 2 6 . Nebenstrafen sind: Entziehung bürgerlicher Rechte (interdicción civil) und Verlust oder Einziehung der Tatmittel und der durch die Tat erlangten Sachen 627 . I I . Die Todesstrafe
M i t Ausnahme der nur wenige Jahre währenden II. Spanischen Republik, welche die Todesstrafe i m Jahre 1932 abschaffte 628 , sah das spanische Recht diese Strafe bis zum Inkrafttreten der Verfassung vom Dezember 1978 stets vor. Das Strafgesetzbuch drohte sie i n keinem Falle als einzige Strafe an, sondern immer alternativ mit Freiheitsstrafe (Zuchthaus längerer Dauer bis Todesstrafe). I m Militärjustizgesetzbuch (CJM) dagegen erschien die Todesstrafe bisweilen als einzige für ein bestimmtes Verbrechen vor628a Grundlegend über Maßregeln der Sicherung i m spanischen Recht: Berisiain, Medidas penales en Derecho contemporaneo, 1974. 639 I n § 10 I I A 3 ist bereits ausgeführt, daß der CP keinerlei Maßregel der Sicherung für den vermindert Zurechnungsfähigen vorsieht. 645 Die auf Jugendliche unter 16 Jahren anwendbaren Maßregeln bestimmen sich nach dem L T T M . Siehe unten § 20 I I I . 641 Atenuante de minoria de edad y sustitución de pena por medida en el articulo 65 del CP espanol, R D J 1970, S. 106.
Das spanische Strafrecht
Jugendkriminalität heutzutage darstellt, nicht durch einen einzigen, unvollständigen und fast formelhaften A r t i k e l des Código penal gelöst werden". I I . Gesetz über Gefährlichkeit und Resozialisierung (Ley de Peligrosidad y Rehabilitación Social; LPRS) 6 4 2
Das Gesetz über Gefährlichkeit und Resozialisierung (LPRS) enthält Maßregeln für die Zeit vor und nach der Straffälligkeit. M i t Recht hat die Mehrheit der spanischen Rechtslehre auf den staatlichen Mißbrauch hingewiesen, der darin besteht, daß die Anwendung von Maßregeln der Sicherung auf Personen möglich ist, die noch nicht gegen das Strafgesetz verstoßen haben 6 4 3 . Nach A r t . 2 LPRS ist dieses Gesetz auf die folgenden über 16 Jahre alten Personen 644 anwendbar, bei denen eine soziale Gefährlichkeit erkennbar ist: —• Gewohnheitsmäßige Landstreicher; — Zuhälter und Kuppler; — Homosexuelle; — Wer gewohnheitsmäßig die Prostitution ausübt, fördert, begünstigt oder ihr Vorschub leistet, sowie die Eigentümer, Unternehmer, Geschäftsführer, Verwalter oder Hausmeister von Räumlichkeiten, in denen diese Tätigkeiten ausgeübt werden; — Wer den Handel mit pornographischen Darstellungen oder deren Zurschaustellung fördert, sowie die Exhibitionisten; — Gewohnheitsmäßige Bettler und diejenigen, welche von der Bettelei anderer leben; — Gewohnheitsmäßige Trinker und Rauschgiftsüchtige; — Personen, die den Gebrauch von Drogen fördern; — Wer durch anmaßendes, brutales oder zynisches Verhalten das gesellschaftliche Zusammenleben stört oder Tiere mißhandelt oder Pflanzen oder Sachen beschädigt; &l2 Uber die Maßregeln der Sicherung i m LPRS vgl. Beltràn und andere, Peligrosidad social y medidas de seguridad, Valencia 1974; Jorge, Las medidas de seguridad en el Derecho espanol, 1976. 643 Vgl. z.B. Barbero , Estudios, S. 56; Beristain, Medidas penales en derecho contemporaneo, 1974, S. 51; Casabó, E l fundamento de las medidas de seguridad, en: Peligrosidad social y medidas de seguridad, 1974, S. 58; Rodriguez Mourullo, Medidas de seguridad y Estado de Derecho, en: Peligrosidad social y medidas de seguridad, 1974, S. 363, 364; Jorge, Las medidas de seguridad, 1976, S. 148,149; Cerezo, Curso I, S. 30. 644 Die Jugendlichen unter diesem Alter, die i n die dem Gesetz über Gefährlichkeit und Resozialisierung vorgesehenen Fälle eingeordnet werden können, werden den Jugendpflegegerichten überstellt.
§ 20 Die Maßregeln der Sicherung
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— Wer sich Banden oder Rotten anschließt und durch deren Zielsetzung und Tätigkeit offensichtliche Neigung zum Verbrechen zeigt; — Wer Waffen oder gefährliche Gegenstände, von denen anzunehmen ist, daß von ihnen Gebrauch gemacht wird, bei sich führt; — Wer gewohnheitsmäßig oder aus Gewinnsucht Personen, die hierfür keine Erlaubnis haben, die Ein- oder Ausreise nach oder aus Spanien ermöglicht; — Wer durch wiederholte Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung oder durch häufiges unerlaubtes Benutzen fremder Fahrzeuge eine Gefährdung des Straßenverkehrs bedeutet; — Jugendliche unter 21 Jahren, die von ihrer Familie i m Stich gelassen sind oder sich selbst gegen sie aufgelehnt haben, wenn sie sich in sittlich verwahrlostem Zustand befinden; — Wer durch ständigen Umgang mit Straftätern oder sozialgefährlichen Personen einen Hang zu Verbrechen an den Tag legt; — Geisteskranke und geistesschwache Personen, die sich einer angemessenen Behandlung entziehen oder ihrer ermangeln und dadurch eine Gefährdung der Allgemeinheit darstellen; — Die wegen drei oder mehr Verbrechen Verurteilten, bei denen in Anbetracht ihrer sonstigen Eigenschaften verbrecherische Gewohnheitsmäßigkeit anzunehmen ist. Als Maßregeln der Sicherung und Resozialisierung sieht Art. 5 LPRS folgende vor: — Einweisung i n eine Anstalt für Verwahrung oder Arbeit (establecimiento de custodia ο trabajo) für die Höchstdauer von fünf Jahren; — Einweisung i n eine Anstalt für Umerziehung (establecimiento de reeducación), bis zu fünf Jahren; — Einweisung i n eine Bewahrungsanstalt (establecimiento de preservación), bis zur Heilung des Betreffenden oder bis zur Beendigung seiner Sozialgefährlichkeit; — Arrest an vier bis zwölf Wochenenden 645 ; — Isolierung zwecks Behandlung in einer Entziehungsanstalt, bis zur Heilung des Betreffenden; — Zwangsweise ärztliche Behandlung in Anstalten für ambulante Behandlung, bis zum Heilungserfolg; 045 Uber die Wochenendhaft vgl. Sàinz Cantero, Consideración sobre el arresto fin de semana y su utilización para el tratamiento del dejincuente, en: Estudios en Homenaje al profesor Lopez Rodò, 1972.
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Das spanische Straf recht
— Entziehung der Fahrerlaubnis oder Verbot ihrer Erteilung, für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren; — Schließung eines Lokals oder einer Anstalt für die Dauer von einem Monat bis zu einem Jahr; — Verpflichtung, den Wohnsitz anzuzeigen oder an einem bestimmten Ort oder Platz zu wohnen, für die Dauer von nicht mehr als fünf Jahren; — Verbot, an einem bestimmten Ort oder Platz zu wohnen, für die Höchstdauer von fünf Jahren; — Verbot des Besuches von Ausschankstätten für alkoholische Getränke und von Orten, an denen gefährliche Umtriebe i m Gange sind, für die Höchstdauer von fünf Jahren; — Ausweisung aus dem Staatsgebiet, wenn es sich um Ausländer handelt; — Gerichtlicher Verweis; — Unterwerfung unter behördliche Überwachung zwecks Schutz und Betreuung; — Geldbuße von 5000,— bis zu 100 000,— Peseten; — Beschlagnahme von Geld, Sachen oder Werkzeugen. Viele dieser Maßnahmen sind kumulativ anwendbar. I I I . Gesetz über Jugendpflegegerichte (Ley de Tribunales Tutelares de Menores; L T T M )
Grundsätzlich erstreckt sich die Zuständigkeit der Gerichte zum Schutz der Minderjährigen auf Delikte, die von Jugendlichen unter 16 Jahren begangen werden 6 4 6 . Folgende Maßregeln können die Gerichte ergreifen: Verwarnung oder kurze Einweisung in eine Anstalt; Belassung des Minderjährigen i n Freiheit unter Aufsicht; Unterstellung unter die Obhut einer anderen Person oder Familie oder einer Gesellschaft zum Schutze von Minderjährigen; Einweisung i n ein Beobachtungszentrum, eine Erziehungsanstalt, eine Besserungsanstalt oder eine halboffene Anstalt; Unterbringung i n einer Anstalt für anomale Jugendliche. Die Schutzmaßregel darf sich nicht über den E i n t r i t t der Volljährigkeit hinaus erstrecken.
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Näheres in A r t . 9 L T T M .
§ 22 Das Erlöschen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit
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§ 21 Zivilrechtliche Folgen
Der Código penal regelt i n den A r t . 19—22 und 101 ff. ausführlich die zivilrechtliche Verantwortung für Straftaten. I m spanischen Strafprozeß werden der Strafanspruch und die zivilrechtlichen Ansprüche gleichzeitig geltend gemacht 6 4 7 . Dies ist ein Thema, das bei uns herkömmlicherweise i m Allgemeinen Teil behandelt wird. Da es sich aber um ein zivilrechtliches Gebiet handelt und außerdem über die zivilrechtliche Verantwortung für Straftaten eine ausgezeichnete Monographie i n deutscher Sprache vorliegt 6 4 8 , verzichten w i r hier auf die Behandlung dieser Frage.
§ 22 Das Erlöschen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit I . Einleitung
Nach A r t . 112 erlischt die strafrechtliche Verantwortung: durch den Tod des Täters; durch die Verbüßung der Strafe; durch Amnestie; durch Begnadigung; durch Verzeihung seitens des Verletzten, wenn die Strafe wegen Straftaten verhängt worden ist, die nur auf Anzeige oder Privatklage des Verletzten verfolgt werden können; durch Strafverfolgungsund Strafvollstreckungsverj ährung. Da einige dieser Erlöschensgründe der strafrechtlichen Verantwortung sich von selbst verstehen, wollen w i r uns i m folgenden nur mit der Amnestie und der Begnadigung sowie mit der Verjährung beschäftigen, daneben auch noch mit der Rehabilitation, da diese Institution gleichfalls die Wirkung einer Verurteilung zum Erlöschen bringt. I I . Amnestie und Begnadigung
Dem König steht das Recht der Begnadigung (derecho de gracia) zu; allgemeine Straferlasse (indultos generales) sind nicht zulässig (Art. 62 Buchstabe i der Verfassung von 1978). 017 Vgl. A r t . 108 L E C : „Der zivilrechtliche Anspruch ist von der Staatsanwaltschaft gleichzeitig m i t dem Strafanspruch geltend zu machen, unabhängig davon, ob i n dem Verfahren ein Privatkläger vorhanden ist oder nicht; wenn aber der Verletzte ausdrücklich auf sein Recht auf Rückerstattung, Wiedergutmachung oder Entschädigung verzichtet, beschränkt sich die Staatsanwaltschaft darauf, die Bestrafung der Schuldigen zu beantragen". A r t . 112 Abs. 1 L E C : „ I s t n u r der Strafanspruch geltend gemacht, so gilt auch der zivilrechtliche Anspruch als erhoben, es sei denn, daß der Verletzte oder Geschädigte darauf verzichtet oder sich ausdrücklich vorbehält, i h n nach Beendigung des Strafverfahrens geltend zu machen, soweit dies zulässig sein sollte". 648 Lobedanz, Schadensausgleich bei Straftaten i n Spanien und L a t e i n amerika, 1972.
27 Ausländisches Strafrecht V I
Das spanische Strafrecht
I n den letzten Jahrzehnten hatte man in Spanien vom Gnadenrecht, insbesondere dem Straferlaß, sehr häufig Gebrauch gemacht 6 4 9 . Damit war die enorme Strenge des spanischen Strafrechts zwar nicht an der Wurzel gepackt, wohl aber sowohl hinsichtlich der übertriebenen Härte zahlreicher Strafen als auch hinsichtlich der Straftatbestände, die abgeschafft werden sollten, gemildert worden. I I I . Die Verjährung
Nach A r t . 113 gelten folgende Verjährungsfristen für die Strafverfolgung: 20 Jahre für mit Zuchthausstrafe längerer Dauer bedrohte Delikte; 15 Jahre für mit Zuchthausstrafe geringerer Dauer bedrohte Delikte; 10 Jahre, wenn die angedrohte Strafe sechs Jahre überschreitet; fünf Jahre i n den übrigen Fällen. Ausgenommen sind die Tatbestände der Verleumdung (Verjährung ein Jahr) und der Beleidigung (sechs Monate). Die Übertretungen verjähren in zwei Monaten. Was die Vollstreckungsverjährung betrifft, so bestimmt A r t . 115 folgende Fristen: 35 Jahre für Zuchthaus längerer Dauer; 25 Jahre für Zuchthaus geringerer Dauer; 15 Jahre für Strafen über sechs Jahre; zehn Jahre für Strafen von über einem Jahr und höchstens sechs Jahren; fünf Jahre für die übrigen Strafen, soweit sie keine leichten sind, und ein Jahr für leichte Strafen. Gemäß A r t . 116 „beginnt der L a u f der Verjährungsfrist m i t dem D a t u m der Rechtskraft des Urteils oder m i t dem Zeitpunkt des Ausbruchs aus der Strafhaft (quebrantamiento de la condena), wenn deren Vollzug bereits begonnen hatte. Die V e r j ä h r u n g w i r d unterbrochen und die bereits verstrichene Zeit nicht berücksichtigt, w e n n der Verurteilte vor A b l a u f der Verjährungsfrist eine neue Straftat begeht, unbeschadet des Beginns einer neuen Verjährungsfrist".
649 A u f g r u n d des Gesetzes v o m 23. September 1939 wurde eine Amnestie für die während der I I . Republik von Anhängern Francos begangenen Straftaten erlassen. A r t . 1 dieses Gesetzes bestimmte Folgendes: „ A l s nicht strafbar werden diejenigen Handlungen angesehen, welche Gegenstand von Strafverfahren gewesen sind, w e i l angenommen wurde, daß sie den Tatbestand irgendeines der Delikte gegen die Verfassung oder die öffentliche Ordnung, der Zuwiderhandlungen gegen die Gesetze über den Besitz von Waffen oder Sprengstoff, des Totschlags, der Körperverletzung, Sachbeschädigung, Bedrohung u n d Nötigung sowie jeglicher m i t diesen zusammenhängenden Delikte erfüllten, wenn sie i n der Zeit vom 14. A p r i l 1931 bis 18. J u l i 1936 von Personen begangen wurden, von denen m i t Sicherheit ihre m i t der Nationalen Bewegung übereinstimmende Gesinnung feststeht und i n jedem Falle diejenigen Handlungen, die aufgrund ihrer sozialpolitischen Beweggründe als Protest gegen den antipatriotischen Geist der Organisationen oder der Regierung angesehen werden konnten, die m i t i h rem Verhalten die Erhebung gerechtfertigt haben".
Der Allgemeine Teil des Entwurfs eines Strafgesetzbuches von 1979
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I V . Die Rehabilitation
Für die Verurteilten, die ihre Strafe verbüßt haben oder denen sie bedingt erlassen worden ist, sieht A r t . 118 die Möglichkeit der Tilgung ihrer Strafen i m Strafregister vor. Hierfür ist es unerläßlich, daß die folgenden Fristen verstrichen sind, ohne daß der Verurteilte i n ihrem Verlauf erneut straffällig geworden ist: sechs Monate bei leichten Strafen; zwei Jahre bei Haft längerer Dauer, Verurteilung wegen fahrlässiger Tat oder zu nicht freiheitsentziehenden Strafen; drei Jahre bei schwerer Kerkerstrafe und Gefängnis; fünf Jahre bei Zuchthaus und zehn Jahre in allen Fällen gleichartigen Rückfalls (reincidencia) oder Widerrufs der Rehabilitation (die bewilligte Tilgung verliert ihre W i r kung, wenn der Rehabilitierte später eine neue Straftat begeht).
Anhang Der Allgemeine T e i l des Entwurfs eines Strafgesetzbuches von 1979 I m Amtsblatt der Cortes, Serie A Nr. 108—1 vom 17. 1. 1980, wurde der Entwurf eines neuen Strafgesetzbuchs 650 veröffentlicht. Dieser stimmt, von wenigen Änderungen abgesehen, mit dem Text des von dem Sonderausschuß ausgearbeiteten Vorentwurfs (s. o. S. 317) überein. Er enthält in seinem Allgemeinen Teil folgende wesentliche Neuerungen: I. Allgemein, und vor allem i n bezug auf die Behandlung der Straftat, kann man sagen, daß der Entwurf von 1979 alle Einwendungen berücksichtigt hat, die das Schrifttum einhellig oder so gut wie einhellig gegen das geltende Strafrecht erhoben hatte. A. Der Entwurf, der die Dreiteilung der Straftaten i n Verbrechen (delitos graves), Vergehen (delitos menos graves) und Übertretungen (faltas) übernimmt (Art. 19), regelt ausdrücklich in Art. 35 das Handeln für einen anderen. 650 A r t . 81 der Spanischen Verfassung von 1978 bestimmt: „1. Organgesetze (leyes orgânicas) sind diejenigen, welche sich auf die Ausgestaltung der Grundrechte und der öffentlichen Freiheiten beziehen, A u t o nomiestatute billigen und das allgemeine Wahlrecht sowie die anderen i n der Verfassung vorgesehenen Gesetze. 2. F ü r die Beschlußfassung über Organgesetze sowie deren Abänderung oder Außerkraftsetzung ist die absolute Mehrheit des Kongresses i n einer Schlußabstimmung über den Gesamttext erforderlich".
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Das spanische Strafrecht
B. A r t . 20 Abs. 1 und 2 behandelt den I r r t u m über Tatbestandsmerkmale. Er schließt den Vorsatz aus, wenn der I r r t u m unvermeidbar war, und nimmt Fahrlässigkeit i m Falle der Vermeidbarkeit des Irrtums an. Die Frage, ob der I r r t u m über die Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes ein Tatbestands- oder ein Verbotsirrtum ist, läßt der Entwurf offen. Die Regelung der Rechtfertigungsgründe hat gegenüber dem geltenden Recht kaum Änderungen erfahren. Die wichtigsten bestehen i n dem Fortfall der Beschränkungen, die A r t . 8 Ziff. 4 für die Notwehr bei der Verteidigung des Eigentums und der Wohnung vorsah (s. o. S. 333), und darin, daß i n Buch II, I. Titel, ausdrücklich die Tragweite der Einwilligung bei der Körperverletzung festgelegt wird: „Außer i n den Fällen einer ausdrücklichen anderweitigen Regelung w i r d die in diesem Titel unter Strafe gestellte, mit Einwilligung des Verletzten verursachte Körperverletzung nur dann bestraft, wenn sie als sozial verwerflich angesehen wird. I n diesem Falle ist auf eine dem Grade nach geringere Strafe als die für die betreffende Körperverletzung vorgesehene zu erkennen". C. A r t . 3 des Entwurfs besagt folgendes: „Strafe setzt Schuld voraus. Ist die höhere Strafe an eine besonders schwere Folge der Tat geknüpft, so ist der Täter für diese nur dann verantwortlich, wenn sie zumindest durch Fahrlässigkeit verursacht ist". Diese Regel w i r d durch Art. 21 ergänzt, der den Schuldausschließungsgrund des Zufalls bejaht und von der Konstruktion des rechtswidrigen Handlungsbeginns (arranque ili— cito) Abstand nimmt (s. o. S. 384 ff.), sowie von Art. 20 Abs. 3, der die Verantwortlichkeit dessen, der sich bei der Tat i n einem unvermeidbaren I r r t u m befindet, ausschließlich und i m Falle des vermeidbaren Irrtums eine Milderung der Strafe vorsieht. Damit schließt sich der Entwurf der Schuldtheorie an. Bei der Regelung der Unzurechnungsfähigkeit hält der Entwurf an rein biologischen Formeln fest. Er setzt die Strafmündigkeit auf 15 Jahre herab, sieht aber für den, der über 15 Jahre und unter 21 Jahre alt ist, die Möglichkeit der Ersetzung der Strafe durch Einweisung i n eine Anstalt für Resozialisierung vor (Art. 148). Ebenso sieht der Entw u r f Maßregeln der Sicherung für den vermindert Zurechnungsfähigen (Art. 145) vor und beseitigt damit die gegenwärtige unhaltbare Situation (s. o. S. 347). D. Die erschwerenden und die mildernden Umstände sind erheblich vereinfacht worden. So wurden z. B. alle mildernden Affektgründe zu einem einzigen zusammengefaßt (Art. 27 Ziff. 4).
Der Allgemeine Teil des Entwurfs eines Strafgesetzbuches von 1979
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E. Der Entwurf bestimmt weiter, daß die Verabredung eines Verbrechens, die versuchte Anstiftung und die Anreizung zum Verbrechen nur i n den Fällen strafbar sind, i n denen das Gesetz dies besonders vorsieht (Art. 22). Er setzt der Unterscheidung zwischen beendigtem und unbeendigtem Versuch ein Ende (Art. 24 und 25) und bestraft ausdrücklich den untauglichen Versuch, sowohl den wegen Untauglichkeit der angewandten Mittel als auch den wegen Untauglichkeit des Objekts. F. Eine der wichtigsten Neuerungen i m Allgemeinen Teil ist der Fortfall der Generalklauseln für die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit. I n Zukunft sollen nur diejenigen fahrlässigen Handlungen bestraft werden, die der Código Penal ausdrücklich tatbestandsmäßig erfaßt. G. Der Entwurf bestimmt ferner die Strafbarkeit des mittelbaren Täters (Art. 32). Er behält die Figur des Hauptgehilfen bei und macht bei den Delikten, die durch Drucklegung, bildlichen Abdruck (grabado), Rundfunk, Fernsehen oder andere Formen der schriftlichen, mündlichen oder visuellen Wiedergabe oder Verbreitung begangen werden, die Verantwortlichkeit der Leiter der Verlage, Sendestationen und Druckereien davon abhängig, daß sie den strafbaren Inhalt des Gegenstandes der Wiedergabe oder Verbreitung kannten (Art. 34). II. A. Der Entwurf kennt drei verschiedene Strafen: Freiheitsentziehung, Entziehung von Rechten und Geldstrafe. Wie bereits ausgeführt (s. o. S. 403 f.), ist die Todesstrafe durch Art. 15 der Verfassung grundsätzlich abgeschafft und lediglich ausnahmsweise in den Militärgesetzen für Kriegszeiten zugelassen. Der Entwurf ist der Tendenz gefolgt, die kurzen und die übermäßig langen Freiheitsstrafen abzuschaffen. Was letztere betrifft, so soll es im künftigen spanischen Strafrecht i m Unterschied zum deutschen Strafgesetzbuch auch keine lebenslängliche Freiheitsstrafe mehr geben. Die Absicht des Ausschusses, der den Entwurf verfaßt hat, ging dahin, für die Freiheitsstrafe ein Höchstmaß von 15 Jahren vorzuschreiben. Diese Obergrenze wurde jedoch vom Ministerrat auf 20 Jahre erhöht. I n Ausnahmefällen liegt die obere Grenze bei 25 Jahren, nämlich dann, wenn bei den schwersten Straftaten — z. B. Mord oder Verwandtenmord — zwei oder mehrere erschwerende Umstände zusammentreffen, oder bei Konkurrenz von zwei oder mehr Straftaten, die mit Strafen bis zu 20 Jahren bedroht sind. I n Extremfällen, die in Zusammenhang mit dem Terrorismus stehen, kann die Strafhöhe sogar bis zu 35 Jahren betragen (Art. 564). Für die Festsetzung der unteren Grenze nimmt der Entwurf eine mittlere Stellung zwischen dem deutschen Strafgesetzbuch und dem
Das spanische Strafrecht
Alternativ-Entwurf ein. Wie letzterer setzt er das Mindestmaß der Freiheitsstrafe auf 6 Monate und nicht auf einen Monat fest, führt aber als zweite Modalität der Freiheitsstrafe den Wochenendarrest ein. Hierbei folgte man dem Gedanken, daß diese Strafart, obwohl sie eine kurze Freiheitsstrafe darstellt, auch unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention durchaus tragbar ist, da sie den Täter weder dazu zwingt, seine Familie zu verlassen, noch seine Arbeit aufzugeben. Der Umfang dieser Strafe liegt zwischen einem und 24 Wochenenden. Sie w i r d an Samstagen und Sonntagen vollstreckt und darf jeweils 36 Stunden nicht überschreiten. I m Falle zweimaligen unentschuldigten Ausbleibens des Verurteilten soll die Freiheitsstrafe ohne Unterbrechung vollzogen werden, wobei für jedes Wochenende zwei Tage Freiheitsentzug berechnet werden. Der Entwurf hält an den rechtsentziehenden Strafen als Haupt- und Nebenstrafen fest. Als Hauptstrafen deshalb, weil es unter Vermeidung der Nachteile einer Freiheitsentziehung eine empfindliche Einwirkung auf den Täter bedeutet, ihm das Recht ζ. B. zur weiteren Bekleidung seines Amtes oder seiner Stellung oder zur Ausübung seines Berufes zu entziehen. Berücksichtigt man andererseits, daß diese Strafen verhängt werden, wenn das bekleidete A m t oder die Stellung des Täters mit der Tat i n Beziehung stehen, so übt die Strafe natürlich eine bedeutende spezialpräventive Wirkung aus. Der Entwurf hat sich also in diesem Punkt sowohl vom geltenden deutschen Strafgesetzbuch als auch vom Alternativ-Entwurf entfernt. Es ist nicht einzusehen, warum man von einer Strafe keinen Gebrauch machen soll, die, ohne die Notwendigkeit einer Freiheitsentziehung mit sich zu bringen, der Generalprävention in gleichem Maße dient und die mit dem Verlust der Amtsträgerschaft, des Berufes oder Gewerbes verhindert, daß der Täter in Ausübung dieser Befugnisse erneut straffällig werden kann. Unter den rechtsentziehenden Strafen enthält der Entwurf die der Entziehung der Fahrerlaubnis. Neben den Tatbeständen, die diese Strafe ausdrücklich vorsehen, ist sie stets auch dann zu verhängen, wenn die Straftat, welcher A r t sie auch sei, mittels eines Kraftfahrzeuges begangen wurde. Es w i r d so i m Falle eines strafbaren Mißbrauchs eines Kraftfahrzeuges eine Nebenstrafe verhängt, und dies erscheint sowohl unter dem Gesichtspunkt der Generalprävention als auch unter dem der Spezialprävention angebracht. I n Übereinstimmung mit dem geltenden deutschen Strafgesetzbuch erkennt das künftige spanische Strafrecht die rechtsentziehenden Strafen auch als zusätzliche Nebenfolgen der Freiheitsstrafen an. Dieser Anerkennung stehen die Einwendungen des Alternativ-Entwurfs gegen eine solche Strafmodalität nicht entgegen, denn die Nebenstrafe ist von gleicher zeitlicher Dauer wie die Freiheitsstrafe, und es werden so die
Der Allgemeine Teil des Entwurfs eines Strafgesetzbuches von 1979
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erheblichen Unzuträglichkeiten des deutschen Rechts vermieden, welche die Wiedereingliederung des Täters in die Gesellschaft nach Beendigung seiner Haftzeit erschweren. Der Entwurf führt erstmalig in Spanien für die Geldstrafe das System der Tagesbußen ein. Seine Ausdehnung entspricht der des Alternativ-Entwurfs: vorgesehen sind ein Tag bis zu 24 Monaten Geldstrafe. Die Beträge werden nach der gesamtwirtschaftlichen Situation des Täters festgesetzt. Die Einkünfte des Täters sind daher nur ein Umstand, der neben anderen Umständen, u. a. seinem Vermögen, zu berücksichtigen ist. I m Einklang mit dem geltenden deutschen Strafgesetzbuch (und i n diesem Punkt abweichend vom Alternativ-Entwurf) setzt der spanische Entwurf nicht nur den Mindest-, sondern auch den Höchstbetrag der zu zahlenden Tages-, Wochen- oder Monatssätze fest. Dieser Betrag kann herabgesetzt werden, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters verschlechtern; bezahlt der Verurteilte die Geldstrafe nicht, so greift eine Ersatzfreiheitsstrafe Platz. Der Entwurf behält die bedingte Verurteilung bei Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren bei. Dem Täter kennen besondere Auflagen gemacht werden, und er bleibt der Aufsicht des Überwachungsrichters unterworfen. I n Art. 91 ff. des Entwurfs w i r d erstmalig in Spanien die Aussetzung der Vollstreckung eingeführt, die grundsätzlich bei Tätern unter 21 Jahren anwendbar ist. I n Art. 101 und 102 w i r d die Institution der bedingten Entlassung beibehalten. Schließlich sieht der Entwurf unter dem unmittelbaren Einfluß des § 50 des Alternativ-Entwurfs vor, daß Freiheitsstrafen, die weniger als zwei Jahre betragen, durch Geldstrafe oder auch durch Wochenendarrest ersetzt werden können. B. Mit dem Entwurf soll das Gesetz über Gefährlichkeit und Resozialisierung (LPRS) (s. o. S. 414 ff.) außer Kraft gesetzt werden. Damit schließt der Entwurf Maßregeln der Sicherung vor Straffälligkeit (antedelictuales) aus dem spanischen Recht aus. Gleichzeitig führt er ein vollständiges System von Maßregeln der Sicherung für gefährliche Verbrecher ein. Unter diesen Maßnahmen ist die Einweisung in Anstalten zur Resozialisierung von Gewohnheits- und Berufsverbrechern hervorzuheben.