Das ausländische Strafrecht der Gegenwart: Bd. 2.: Finnland – Schweiz – Tschechoslowakei [1 ed.] 9783428414765, 9783428014767


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Das ausländische Strafrecht der Gegenwart: Bd. 2.: Finnland – Schweiz – Tschechoslowakei [1 ed.]
 9783428414765, 9783428014767

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Das ausländische Strafrecht der Gegenwart Herausgegeben von Edmund Mezger Adolf Schönke † Hans-Heinrich Jescheck

Zweiter Band Finnland . Schweiz . Tschechoslowakei

Duncker & Humblot . Berlin

M e z g e r — S c h ö n k e t — Jescheck

Das ausländische Strafrecht der Gegenwart Zweiter

Band

Das ausländische Strafrecht der Gegenwart Herausgegeben von

Edmund Adolf

Mezger

Schönkef

Hans-Heinrich

Zweiter

Jescheck

Band

Finnland · Schweiz · Tschechoslowakei

D U N C K E R

& H U M B L O T /

B E R L I N

© 1957 Duncker & Humblot, Berlin Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Ubersetzung, vorbehalten Gedruckt 1957 bei Richard Schröter, Berlin S W 29

Inhalt Prof. Brynolf Honkasalo, Helsinki: Das finnische Strafrecht Prof. Dr. H. F. Pfenninger,

7 Zürich:

Das schweizerische Strafrecht

149

Doz. Dr. Erich Schmied, Stuttgart: Das tschechoslowakische Strafrecht

359

Das finnische Strafrecht Von Prof. Brynolf H o n k a s a l o ,

Helsinki

Vorwort Bei der Abfassung dieses Buches hat der Unterzeichnete das Ziel vor Augen gehabt, eine möglichst richtige und klare Darstellung des geltenden finnischen Strafrechts zu geben, obwohl die Begrenztheit des verfügbaren Raumes i n dieser Hinsicht gewisse Schwierigkeiten bereitet hat. Unter dem Raummangel hat besonders der Teil gelitten, der die Strafvollstreckung behandelt; dort habe ich mich mit der Herausstellung der Hauptlinien begnügen müssen. Die Gesetzgebung ist bis zum heutigen Tage berücksichtigt worden. A n dieser Stelle sage ich meinen Dank Dr. phil. Bernd Assmuth, der unter meiner Leitung die Übersetzung ins Deutsche besorgt hat. Ebenso bringe ich meine Dankbarkeit gegenüber dem Finnischen Kulturfonds und dem Finnischen Justizministerium zum Ausdruck, die freundlicherweise die zur Ermöglichung der Übersetzung erforderlichen Geldmittel bewilligt haben.

Helsinki, den 22. Februar 1956. Brynolf

Honkasalo

Inhalt Erster

Abschnitt:

I. Geschichte des finnischen Strafrechts. Entscheidungen. Zweiter Der

allgemeine

Teil

I I . Gesetzsammlungen.

Literatur.

Abschnitt: des

Strafgesetzbuchs

Einleitung. Analogie. — 1. Kap. I. Räumliche Geltung der Strafgesetze. I I . Zeitliche Geltung. — 2. Kap. Strafen. I. Die allgemeinen Hauptstrafen: A. Die Todesstrafe. B. Die Zuchthausstrafe. C. Die Gefängnisstrafe. D. Die Jugendgefängnisstrafe. E. Einzelhaft in heller Zelle. F. Die Geldstrafe. G. Das bedingte Strafurteil. H. Absehen von der Anklage. I. Absehen von der Verurteilung. I I . Die besonderen Hauptstrafen: A. Die Verwarnung. B. Die Amtsentsetzung. C. Die vorläufige Dienstenthebung. I I I . Die allgemeinen Zusatzstrafen: A. Die Strafschärfungen für einen lebenslänglichen Zuchthaussträfling. B. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. I V . Die besonderen Zusatzstrafen: A. Die Ausweisung. B. Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter. V. die strafrechtlichen Sicherungsmaßnahmen: A. Die Zwangsanstalt. B. Verlust des Rechts zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes. C. Die Vermögenseinziehung. — 3. Kap. Von den Gründen, die die Strafbarkeit ausschließen oder vermindern: I. Die Straf Unmündigkeit. I I . Die Jugend. I I I . Die Unzurechnungsfähigkeit. I V . Die verminderte Zurechnungsfähigkeit. V. Die Notwehr. V I . Der Notstand. — 4. Kap. I. Der Versuch: A. Die subjektive Seite des Versuchs. B. Die objektive Seite des Versuchs. C. Die Bestrafung des Versuchs. D. Ablassen vom Versuch und tätige Reue. I I . Die Vorbereitung. — 5. Kap. Die Teilnahme. I. Die Täterschaft. I I . Die Anstiftung. I I I . Die Beihilfe. I V . Der Einfluß besonderer Umstände auf die Strafbarkeit der an einer Straftat Beteiligten. — 6. Kap. Der Rückfall. I. Der Rückfall als Strafzumessungsgrund. I I . Der Rückfall als Strafschärfungsgrund. I I I . Die Verjährung der Rückfallwirkung einer verbüßten Strafe. — 7. Kap. Das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen. I. Die Idealkonkurrenz. I I . Das fortgesetzte Verbrechen. I I I . Die Realkonkurrenz. — 8. Kap. Die Frist der Strafverfolgung und Strafvollstreckung. I. Die Verjährung des Rechtes zur Strafverfolgung. I I . Die Verjährung der Vollstreckung von Strafen. — 9. Kap. Der Schadenersatz. Dritter Abschnitt: D e r b e s o n d e r e T e i l des S t r a f g e s e t z b u c h s 10. Kap. Straftaten gegen die Religion. — 11. Kap. Der Hochverrat. — 12. Kap. Der Landesverrat. — 13. Kap. (aufgehoben). — 14. Kap. Straftaten gegen befreundete Staaten. — 15. Kap. Straftaten gegen den Reichstag und Störungen fremder Wahl- und Stimmrechte. — 16. Kap. Straftaten gegen die öffentlichen Behörden und die öffentliche Ordnung. — 17. Kap. Unwahre Aussagen. — 18. Kap. Straftaten in bezug auf den Personenstand. — 19. Kap. Ehebruchshandlungen. — 20. Kap. Unerlaubter Beischlaf und andere U n -

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Inhalt

zucht. — 21. Kap. Mord, Totschlag und sonstige Mißhandlung. — 22. Kap. Der Kindesmord (und die Fruchtabtreibung). — 23. Kap. Der Zweikampf. — 24. Kap. Der Friedensbruch. — 25. Kap. Verbrechen gegen die Freiheit. — 26. Kap. Falsche und unbewiesene Anschuldigung. — 27. Kap. Straftaten gegen die Ehre. — 28. Kap. Die Diebstahlsverbrechen. — 29. Kap. Die U n terschlagung. — 30. Kap. Entwendung von gemeinschaftlichem Gut. — 31. Kap. Raub und Erpressung. — 32. Kap. Hehlerei und sonstige rechtswidrige Befassung mit auf verbrecherische Weise erlangtem Gut. — 33. Kap. Rechtswidrige Benutzung fremden Bodens sowie rechtswidrige Jagd und Fischerei. — 34. Kap. Gemeingefährliche Straftaten. — 35. Kap. Die Sachbeschädigung. — 36. Kap. Betrug und Fälschung. — 37. Kap. Die Münzverbrechen. — 38. Kap. Untreue und strafbarer Eigennutz (u. a. Individualwucher und Zollbetrug). — 39. Kap. Die Konkursstraftaten. — 40. Kap. Amtsdelikte von Beamten. — 41. Kap. Verstöße gegen kirchliche Vorschriften. — 42. Kap. Verstöße gegen die Vorschriften über die Sicherheit des Staates oder über die öffentliche Ordnung. — 43. Kap. Verstöße gegen die Vorschriften über die guten Sitten. — 44. Kap. Verstöße gegen die Vorschriften zum Schutze von Leben, Gesundheit oder Eigentum. Vierter

Abschnitt:

Die

w i c h t i g s t e η S ρ e ζ i a 1 g e s e t ze

I. Übersicht. I I . Das Militärstrafgesetz vom 30. 5. 1919. I I I . Das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft vom 17. 2. 1950. IV. Das K a strationsgesetz vom 17. 2. 1950. V Das Sterilisierungsgesetz vom 17. 1. 1950. V I . Das Gesetz über die Druckfreiheit vom 4. 1. 1919. Fünfter

Abschnitt:

Die

Strafvollstreckung

1. Die Zuchthaus- und Gefängnisstrafe. 2. Die Zwangsanstalt. Jugendgefängnis. 4. Die Umwandlungsstrafe von Geldstrafen.

3. Das

Erster

I. G e s c h i c h t e

Abschnitt

des f i n n i s c h e n

Strafrechts

Über die rechtlichen Verhältnisse bei den Finnen der vorgeschichtlichen Zeit haben sich keine schriftlichen Nachrichten erhalten. Aller Wahrscheinlichkeit nach waren diese Verhältnisse i m großen Ganzen ebenso wie bei den Germanen. Nachdem die schwedische Herrschaft i n Finnland durch drei Kreuzzüge, die in den Jahren 1156, 1249 und 1293 unternommen wurden, errichtet und gefestigt worden war, wurden die Rechtsverhältnisse allmählich von den schwedischen Rechtsverhältnissen beeinflußt; aber sie wurden nicht völlig verändert, sondern es ergab sich eine Verschmelzung mit den schwedischen Rechtsgewohnheiten, was auch sehr natürlich war, da Finnland i n kurzer Zeit eine mit den übrigen Teilen des schwedischen Reiches gleichberechtigte Stellung erlangte. Es ist nicht bekannt, ob die schwedischen Landschaftsgesetze (landskapslagarna) i n dem von Finnen bewohnten Teil Finnlands überhaupt zur Anwendung kamen, wenn auch die Möglichkeit besteht, daß entweder das helsingländische oder das uppländische Recht bei der in den Küstengebieten siedelnden schwedischen Bevölkerung angewandt wurde. Das Gesetzbuch, das als erstes für ganz Finnland maßgebend wurde, war Magnus Erikssons Landrecht (landslag), das u m 1340 zusammengestellt und vom König nicht bestätigt wurde, aber trotzdem i n Finnland noch i n der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts Anwendung fand, obwohl ein neues, vom König bestätigtes Gesetzbuch, Kristoffer s Landrecht (landslag), schon 1442 erlassen wurde. Das älteste schwedisch-finnische Strafrecht wies die gleichen Züge auf wie die Strafrechte i n den übrigen alten germanischen Rechtssystemen. Die Blutrache war bereits zur Zeit der Landschaftsgesetze auf einige i m Gesetz ausdrücklich genannte Fälle beschränkt; nur wenn der Schuldige auf frischer Tat ertappt wurde, wollte man dem Rachedurst des Verletzten keine Fesseln anlegen. Die Straftaten konnten i m allgemeinen durch 'Sühnegeld gesühnt werden, das anfangs ausschließlich dem Verletzten entrichtet wurde, dann aber, nachdem die Staatsgewalt erstarkt war und sich als Trägerin der Rechtsordnung gefestigt hatte, i n drei Teile geteilt wurde; unter den Verletzten, die Rechtsgemeinschaft (rättssamfund) und den König.

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Das finnische Strafrecht

Einige besonders schwere Verbrechen, wie Landesverrat, Majestätsverbrechen, Zauberei und Mord, waren, vor allem nach den späteren Landschaftsgesetzen, nicht durch Geldstrafe sühnbar. Für sie wurde i m allgemeinen die Todesstrafe verhängt, vorausgesetzt, daß der Verbrecher auf frischer Tat ertappt worden war. Die Landrechte brachten keine große Änderung i n das Strafsystem. Allerdings wandten sie die Todesstrafe sowie körperliche Züchtigungen und Ehrenstrafen häufiger an als die Landschaftsgesetze. Die Auffassung, daß eine Straftat auch eine Beleidigung der öffentlichen Gewalt ist, hatte mehr Boden gewonnen. Die i n den ältesten Gesetzen zutage tretende Auffassung, daß der Täter f ü r den Erfolg der Tat haftete, unabhängig davon, i n welchem Verhältnis dieser zu seinem Willen stand (reine Erfolgshaftung), war schon i n den Landschaftsgesetzen insofern geändert worden, als man zwischen vorsätzlichen Taten („viliavenk") und unbeabsichtigten Taten („vadhaverk") unterschied. Damit eine Tat als unbeabsichtigt betrachtet werden konnte, mußte sie zu einem i m Gesetz festgelegten Typus von Taten gehören, der auch nach der damaligen Ansicht außerhalb der Vorsätzlichkeit blieb. Der Täter hatte eidlich zu versichern, daß seine Handlung unbeabsichtigt war. Zu den unbeabsichtigten Taten rechnete man sowohl solche, die aus Fahrlässigkeit (vâllande, culpa) begangen werden, als auch solche, die auf einem bloßen Zufall (casus) beruhen. I m 17. Jahrhundert und am Anfang des 18. Jahrhunderts trat insofern eine Änderung ein, als zur Haftung stets eine gewisse Nachlässigkeit erforderlich war, so daß eine bloße Unfallhandlung keine strafrechtlichen Folgen mehr hatte. Während der langen Geltungsdauer der Landrechte änderte sich das Strafsystem beträchtlich durch die Gutsrechte, Hof- und Kriegsartikel, die damals erlassen wurden. Sie wandten die Todesstrafe i n größerem Umfang an, als es früher geschehen war, und führten i m Reaktionssystem neue Strafarten ein, wie Prügelstrafe (spöstraff), Gefängnis bei Wasser und Brot (fängeise vid vatten och bröd) und Strafarbeit (straffarbete). Auch Kirchenstrafen kamen viel zur Anwendung. Der Einfluß des kanonischen und des römischen Rechts auf das Strafrecht war i n dieser Periode sehr erheblich. Auch auf das Gesetz des Moses griff man zurück, da i n der eigentlichen Gesetzgebung lange ein Stillstand herrschte. Das monumentalste Gesetzwerk des schwedisch-finnischen Rechtes, das Gesetzbuch von 1734, sanktionierte die Entwicklung, die i n der strafrechtlichen Praxis während der vorhergehenden Periode stattgefunden hatte. Die wichtigsten Reaktionen waren folgende: die Todesstrafe, die in qualifizierter oder unqualifizierter Form für 68 Fälle festgelegt war, die körperliche Züchtigung, die gleichfalls auf

Geschichte des finnischen Strafrechts

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Grund dieses Gesetzbuches häufig angewandt wurde, und die Geldstrafe, die nach wie vor einen wesentlichen Platz i m Strafsystem einnahm und auch weiterhin unter den Verletzten, die Rechtsgemeinschaft und den König geteilt wurde. A u f dem Gebiet des Begriffes der Fahrlässigkeit war eine Entwicklung vor sich gegangen. Man unterschied grobe Fahrlässigkeit, gewöhnliche Fahrlässigkeit und geringfügige Fahrlässigkeit. Der Begriff des Zufalls bedeutete wie schon i m vorhergehenden Zeitalter eine Verursachung, m i t der nicht die geringste Schuld verbunden ist. Die i m Gesetz festgelegten strengen Strafen mußte man i n der Praxis mildern, und man war der Ansicht, daß das Gericht ein Recht zu solcher Milderung habe. Zum gleichen Zweck wurde das Gnadenrecht angewandt. Eine Wendung i n eine humanere Richtung führte die Verordnung herbei, die von König Gustav I I I . am 20. Januar 1779 erlassen wurde und die Todesstrafe für viele Verbrechen aufhob. Als Freiheitsstrafen wurden von nun an Festungshaft und Zuchthaus ohne Arbeitszwang angewandt, erstere für Männer, letztere für Frauen. I n diesem Entwicklungsstadium befand sich das Strafrecht, als Finnland i m Jahre 1809 als autonomer Staat dem russischen Kaiserreich angegliedert wurde, und es blieb i n der Hauptsache unverändert, bis, nachdem Kaiser Alexander I I . i m Jahr 1863 den Landtag einberufen hatte, die Gesetzgebung wieder i n Gang kam. Da Finnland als autonomer Staat seine eigene einheimische Gesetzgebung hatte, hat die russische Gesetzgebung keinerlei A n t e i l an der finnischen Gesetzgebung und nicht den geringsten Einfluß auf sie gehabt. Die Grundlage der heute geltenden Strafgesetzgebung ist das Strafgesetz vom 19. Dezember 1889 m i t der Verordnung vom selben Tage über die Strafvollstreckung. Dieses Gesetz ist nach vielen vorbereitenden Arbeiten entstanden. Die Regierung hatte dem Landtag von 1863/1864 zahlreiche Vorlagen zugeleitet, die die Erneuerung des Strafgesetzes betrafen. Die erste Vorlage betraf die allgemeinen Grundsätze, auf denen das neue Strafgesetz aufgebaut werden sollte. Die zweite enthielt einen neuen Entwurf zu einem Strafensystem, das A n wendung finden sollte, bis ein neues Strafgesetz zustande gebracht würde. Diese Vorlage führte jedoch zu keinem Ergebnis, da der Landtag die Todesstrafe abschaffen wollte, während die Regierung mit der völligen Abschaffung derselben nicht einverstanden war. Eine Vorlage gleichen Inhalts vom Jahre 1867 wurde zwar von den Landständen angenommen und vom Herrscher bestätigt, konnte aber nicht veröffentlicht werden, weil ihre Ausführung sich wegen des Fehlens der nötigen Gefängnisse als unmöglich erwies. A u f Grund einer dritten Vorlage kamen die Verordnungen vom 26. November 1866 zustande, von denen vier sich auf verschiedene Straftaten bezogen und die fünfte

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Das finnische Strafrecht

auf die Vollstreckung der Freiheitsstrafen. Diese fünfte Verordnung war insofern bedeutungsvoll, als durch sie die heutigen Freiheitsstrafen, Zuchthaus und Gefängnis, eingeführt wurden. Inzwischen hatte man die Arbeiten zur Vorbereitung eines neuen Strafgesetzes i n Angriff genommen. Ein Komitee, das die Regierung i m Jahre 1865 einsetzte, stellte i m Jahr 1875 einen Entwurf fertig. Zur Prüfung dieses Entwurfes wurde ein neues Komitee eingesetzt, dessen neuer Entwurf i m Jahr 1884 erschien. Die Vorlage an den Landtag, die auf diesem letzten Entwurf aufgebaut war, wurde vom Landtag des Jahres 1888 endgültig angenommen. Das Strafgesetz wurde am 19. Dezember 1889 verkündet und sollte am 1. Januar 1891 i n Kraft treten. Das Inkrafttreten verzögerte sich jedoch, w e i l die russische Regierung der Ansicht war, daß einige i m Strafgesetz gebrauchte Ausdrucksweisen ein falsches B i l d von dem staatsrechtlichen Verhältnis Finnlands zum russischen Reich gaben. Als die deswegen erforderlichen Änderungen mit Zustimmung des finnischen Landtags vorgenommen worden waren, wurde das Strafgesetz am 14. A p r i l 1894 verkündet und gleichzeitig sein sofortiges Inkrafttreten verfügt. I m Strafgesetz und in der Verordnung über die Strafvollstreckung sind zahlreiche Änderungen vorgenommen worden. Unter den Änderungen, die den allgemeinen Teil des Strafgesetzes betreffen, sind die wichtigsten folgende: die Einführung des Systems der Tagesgeldbußen, die allgemeine Regelung der Konfiskation, die Neuregelung des Rechtsinstituts der Rückfälligkeit und die Änderung der Bestimmungen über die Zusammenfassung von Strafen. Die bedeutungsvollsten Neuerungen sind jedoch durch Gesetze herbeigeführt worden, die man nicht in den Rahmen des Strafgesetzbuches hat einbauen können. Zu ihnen gehört das Gesetz über das bedingte Strafurteil, das Gesetz über die gefährlichen Rückfallverbrecher und das Gesetz über die jugendlichen Rechtsbrecher, die alle zu den Ausdrucksformen des individualpräventiven Prinzips i n unserem hauptsächlich noch auf der klassischen Grundlage beruhenden Strafrecht gezählt werden müssen. Neben dem allgemeinen Strafgesetz nimmt das Militärstrafgesetz mit den zahlreichen darin vorgenommenen Änderungen einen wichtigen Platz unter den strafrechtlichen Quellen ein. II.

Gesetzsammlungen.

Literatur.

Entscheidungen

1. Die das Straf recht betreffenden Gesetze und Verordnungen werden von der Regierung veröffentlicht. A l l e veröffentlichten Verordnungen sind mit laufenden Nummern versehen, wobei m i t dem Beginn jedes Kalenderjahres eine neue Numerierung beginnt.

Geschichte des finnischen Strafrechts

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I n den Gesetzen und Verordnungen ist oft erwähnt, m i t welchem Tag sie i n K r a f t treten. Wenn eine solche Angabe fehlt, treten sie m i t sofortiger Wirkung i n Kraft. Die Gesetzbücher wurden früher von Privatleuten veröffentlicht. Die größten Verdienste i n dieser Hinsicht hat sich die Gesellschaft für Finnische Literatur erworben. I n der letzten Zeit hat jedoch die Regierung, nachdem sie dieser Gesellschaft das Veröffentlichungsrecht abgekauft hat, die Zusammenstellung und Herausgabe von Gesetzbüchern dem Finnischen Juristenbund zur Aufgabe gemacht, der zur Ausführung dieses Auftrags Staatsbeihilfen erhält. Der allgemeine Teil des Gesetzbuches erscheint jedes zweite Jahr und der das öffentliche Recht behandelnde Teil des Gesetzbuches ebenfalls jedes zweite Jahr, so daß jedes Jahr abwechselnd das eine oder das andere der ebengenannten Bücher erscheint. 2. Die einheimische finnische strafrechtliche Literatur ist nicht sehr umfangreich, umfaßt aber doch einige recht wertvolle Werke. Systematische Werke sind folgende: Jaakko Forsman, Föreläsningar öfver straffrättens allmänna läror, von denen viele Auflagen erschienen sind, und die von demselben Verfasser veröffentlichten Föreläsningar öfver de särskilda brotten, die zuletzt m i t den Änderungen und Ergänzungen, die der veränderten Gesetzgebung entsprechen, von Honkasalo herausgegeben worden sind; Serlachius-Särkilahti, Suomen rikosoikeuden oppikirja (Lehrbuch des finnischen Strafrechts), von dessen erstem Teil, der die allgemeinen Lehren umfaßt, viele Auflagen von Salmiala und Honkasalo mit Ergänzungen herausgegeben worden sind; Brynolf Honkasalo, Suomen rikosoikeus, yleiset opit (Das finnische Strafrecht, die allgemeinen Lehren), I. Teil 1948, II. Teil 1949 und I I I . Teil 1953 sowie das von demselben Verfasser geschriebene Werk Erinäiset rikokset (Die verschiedenen Verbrechen), 3. Auflage 1950. Es gibt keinen Gesamtkommentar zum Strafgesetzbuch; über dessen allgemeinen T e i l liegt ein Werk von Grotenfelt vor, das i m Jahr 1913 erschienen ist. Hingegen gibt es zahlreiche Monographien. Von denjenigen unter ihnen, die von allgemeinerer Bedeutung sind, seien hier folgende genannt: Ellilä, Tutkintavankeuden lukeminen rangaistuksen vähennykseksi Suomen oikeuden mukaan (Die Anrechnung der Untersuchungshaft als Strafherabsetzung nach dem finnischen Recht, 1949); Honkasalo, Kausaalisuuskysymys rikosoikeudessa (Die Kausalitätsfrage i m Strafrecht, 1933), Sikiönlähdettäminen de lege lata et de lege ferenda (Die Abtreibung d.l.l.e.d.l.f., 1936), Nulla poena sine lege (in finnischer und schwedischer Sprache, 1937), Rangaistusten yhdistämisestä ja yhteenlaskemisesta (Über die Zusammenfassung und Zu2

Ausländisches Strafrecht II

18

Das finnische Strafrecht

sammenrechnung von Strafen, 1947); Honkasalo-Ellilä, Rikosten uusimisesta (Über den Rückfall i n Verbrechen, 1945); Kekomäki, A m mattimaisten ja tavanomaisten rikosten käsitteistä (Über die Begriffe der gewerbsmäßigen und gewohnheitsmäßigen Straftaten, 1933); Livson, Epävarsinainen laiminlyöntirikos (Die uneigentliche Unterlassungsstraftat, 1949); Salovaara, Rikoksen yrityksestä (Über den Versuch des Verbrechens, 1948); Sundström-Salmiala, Varsinaisesta osallisuudesta (Über die eigentliche Teilnahme, 1926); Sotatuomioistuinprosessioikeus I (Das Militärgerichtsprozeßrecht, 1925). Von wissenschaftlichem Wert sind auch die Aufsätze über strafrechtliche Fragen, die i n den einheimischen Zeitschriften Lakimies, Defensor Legis, Tidskrift utg. av Juridiska föreningen i Finland und Suomen kriminalistiyhdistyksen vuosikirja (Jahrbuch des finnischen Kriminalistenvereins) sowie i n den allen nordischen Ländern gemeinsamen Zeitschriften De nordiska kriminalistföreningarnas ârsbok und Nordisk Tidskrift for Kriminalvidenskab veröffentlicht sind. 3. Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs erschienen bis 1916 als Beilage zu der Tidskrift utg. av Juridiska föreningen i Finland, werden aber seit 1916 alljährlich vom Obersten Gerichtshof veröffentlicht. Die wichtigsten Rechtsfälle werden unter dem Titel Selostuksia (Referate), die weniger wichtigen unter dem Titel Tiedonantoja (Mitteilungen) veröffentlicht.

Zweiter

Abschnitt

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs Der allgemeine Teil umfaßt die neun ersten von den 44 Kapiteln des Strafgesetzbuchs. Er w i r d ergänzt von den besonders erlassenen Gesetzen über das bedingte Strafurteil, über die jugendlichen Rechtsbrecher und über die gefährlichen Rückfallverbrecher, von denen i m Zusammenhang mit dem Strafsystem die Rede sein wird. Das finnische Strafgesetz hat ebenso wie viele andere Strafgesetze solche Grundbegriffe wie Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld, ursächlicher Zusammenhang und Versuch ohne Definition gelassen, so daß man hierfür die finnische Strafrechtswissenschaft zu Hilfe nehmen muß. Das obengenannte Werk von Honkasalo ist eine systematische und gründliche Darstellung der allgemeinen Lehren. Die finnische Doktrin fußt hauptsächlich auf der deutschen Strafrechtswissenschaft, auf die auch i n den wissenschaftlichen Werken ganz allgemein hingewiesen wird. Aus der Rechtspraxis des Obersten Gerichtshofes lassen sich nur

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

19

in recht geringem Maß Anleitungen gewinnen, weil den Urteilsbegründungen dieser Instanz eine gewisse Knappheit eigen ist. I n der finnischen Gesetzgebung ist der Grundsatz „nulla poena sine lege" nicht ausdrücklich ausgesprochen worden. Trotzdem kann kein Zweifel darüber bestehen, daß dieser Grundsatz i n unserer Rechtsordnung angenommen ist. Die seinerzeitigen Vorbereitungsarbeiten zum Strafgesetz beweisen, daß man beabsichtigte, eine Bestimmung i n das geltende Strafgesetzbuch aufzunehmen, die den ebenerwähnten Grundsatz zum Ausdruck bringen sollte. Der i m Jahre 1875 veröffentlichte Strafgesetzentwurf enthielt folgende Stelle (§ 6): „Eine Handlung darf nicht als Verbrechen oder Vergehen bestraft werden, wenn nicht die Strafe für solch eine Handlung i m Gesetz oder i n einer gesetzmäßigen Verordnung festgelegt ist, die i n Finnland verkündet worden ist, bevor die Handlung begangen wurde." Der Entwurf des Prüfungskomitees vom Jahr 1884 enthält jedoch keine entsprechende Bestimmung. I n den Begründungen heißt es, daß diese Weglassung deshalb erfolgt war, weil man es nicht für nötig hielt, einen selbstverständlichen Grundsatz ausdrücklich auszusprechen. Aus dem gleichen Grunde ist offenbar auch i n dem Strafgesetzbuch, das auf Grund dieses Entwurfs entstand, eine ausdrückliche Erwähnung dieses Grundsatzes als unnötig betrachtet worden. Der Entwurf zu einem neuen Strafgesetz, den Serlachius-Särkilahti vorlegte, spricht ihn allerdings aus. § 3 i m 1. Kap. des I. Teils dieses Entwurfes lautet: „Für eine Tat, für die das Gesetz keine Strafe androht, ist auf keine Strafe zu erkennen." Meinungsverschiedenheiten sind sowohl i n der Praxis als auch in der Theorie darüber aufgetreten, ob man die Strafbarkeit einer Tat durch Analogie begründen kann. Die Doktrin hat sich — abweichend von der Meinung, die i n der skandinavischen Lehre herrscht — ziemlich allgemein auf den Standpunkt gestellt, daß Analogie zum Schaden des Angeklagten überhaupt nicht erlaubt sei. A u f einem anderen Standpunkt steht jedoch das obengenannte Lehrbuch von Honkasalo, das die sogenannte Gesetzanalogie anerkennt. Aus der Rechtspraxis lassen sich viele Fälle anführen, in denen die Analogie ad malam partem angewandt worden ist 1 . Erstes

Kapitel

Von denen, die dem finnischen Strafgesetz unterworfen sind Die Bestimmungen über die räumliche Geltung der Strafgesetze sind i n dem 1. Kapitel enthalten, das die obige Überschrift trägt. Eine Bestimmung über die zeitliche Geltung findet sich in der Verordnung über die Inkraftsetzung des Strafgesetzes. Honkasalo *

I

S. 4 ff.

20

Das finnische Strafrecht

I. R ä u m l i c h e G e l t u n g (§1 bis 4 und 6) A. A l l e i m finnischen Staat oder auf einem finnischen Schiff auf hoher See begangenen Handlungen unterliegen ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Täters der finnischen Strafgewalt (§ 1 Abs. 1 Ziffer 1 und § 2 Abs. 1), soweit nicht völkerrechtlich anerkannte Ausnahmen entgegenstehen. Diese Bestimmungen sind Ausdrucksformen des Territorialprinzips. B. Das S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t s p r i n z i p kommt darin zum Ausdruck, daß ein finnischer Staatsangehöriger nach finnischem Gesetz auch für eine solche Straftat abgeurteilt wird, die er außerhalb Finnlands begangen hat, falls er später i n Finnland angetroffen w i r d oder zur Aburteilung dorthin geschickt worden ist, und seine Straftat sich gegen die oberste Staatsgewalt i n einem fremden Staat oder gegen die Rechte eines Staatsangehörigen eines solchen Staates richtet und von Seiten der Regierung oder den Verletzten i m fremden Staat Klagen gegen den Schuldigen eingelaufen sind, oder wenn seine Straftat ein Münzverbrechen ist (§ 1 Abs. 1 Ziffer 2 b und c). Das Recht des Staates, seine Strafgewalt i n den ebengenannten Fällen anzuwenden, ist ein primäres Recht, auf das der Staat nicht zugunsten eines anderen Staates verzichtet. Seine eigenen Staatsangehörigen liefert Finnland anderen Staaten nicht aus. Nach gleichen Grundlagen hat Strafe verwirkt, wer, ohne finnischer Staatsangehöriger zu sein, außerhalb Finnlands eine Straftat begangen und danach die finnische Staatsangehörigkeit erworben hat (§ 1 Abs. 2). Für eine Straftat, die ein finnischer Staatsangehöriger gegen die oberste Staatsgewalt i n einem fremden Staat oder gegen einen ausländischen Staatsangehörigen verübt, kann eine Bestrafung nur unter der Voraussetzung i n Frage kommen, daß die Tat nach dem finnischen Strafgesetz strafbar ist. Die oberste Staatsgewalt i n einem fremden Staat genießt nur i n der Ausdehnung Strafschutz, wie aus den Bestimmungen des 14. Kapitels des StGB hervorgeht. Hochverrat, der gegen einen fremden Staat begangen wird, ist nur unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit strafbar (Kap. 14 § 3). Falls eine Tat, die gegen das Oberhaupt eines fremden Staates gerichtet ist, nicht der qualifizierten Strafe unterliegt, die dieses Kapitel festsetzt, kann sie doch als Straftat gegen einen ausländischen Staatsangehörigen strafbar sein. Für die Strafverfolgung einer Straftat, die ein finnischer Staatsangehöriger außerhalb der Landesgrenzen begangen hat, ist — ausgenommen bei Münzverbrechen — Voraussetzung, daß gegen den Schuldigen von der Regierung oder dem Verletzten i n dem betreffenden fremden Staat Klagen einlaufen. Diese Klagen können jedoch nur dann berücksichtigt werden, wenn die Regierung oder Privatperson,

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

21

die die Klagen vorbringt, das Recht auf Anklageerhebung i n bezug auf die betreffende Straftat hat. Die Strafbarkeit einer Tat i n Finnland hängt nicht davon ab, ob sie nach dem am Tatort geltenden Strafgesetz strafbar ist. C. I n den Geltungsbereich des finnischen Strafgesetzes gehören außerdem, ungeachtet dessen, ob der Täter ein eigener Staatsangehöriger oder ein Ausländer ist, solche Straftaten, die außerhalb der Landesgrenzen gegen den finnischen Staat oder einen Teil davon oder einen finnischen Staatsangehörigen verübt werden, falls der Täter danach in Finnland angetroffen oder zwecks Aburteilung dorthin befördert w i r d (§ 1 Abs. 1 Ziffer 2 a und § 2 Abs. 2); diese Bestimmungen sind Ausdrucksformen des S c h u t z p r i n z i p s . Die Tatsache, daß neben Finnland noch besonders ein Teil davon erwähnt wird, findet ihre Erklärung i n der ursprünglichen Form dieser Gesetzesstelle, wo der Wortlaut „das Russische Reich oder ein Teil davon" war. Die Erwähnung eines Teiles ist m i t der Selbständigwerdung des finnischen Staates überflüssig geworden, weil eine Straftat, die sich gegen einen Teil Finnlands richtet, immer auch gegen Finnland als Ganzes gerichtet ist. I n erster Linie als Ausdrucksform des Schutzprinzips ist auch die Bestimmung (§ 3) anzusehen, wonach ein i m Staatsdienst stehender Beamter auch für ein außerhalb der Landesgrenzen begangenes Amtsverbrechen vor einem finnischen Gericht und nach finnischem Gesetz abzuurteilen ist. Diese Bestimmung gilt auch für solche Ausländer, die als Beamte des finnischen Staats anzusehen sind. I n den Geltungsbereich des finnischen Gesetzes gehören von den i m Ausland verübten Straftaten nur die eigentlichen Amtsverbrechen. Wenn die Tat auch eine Übertretung des allgemeinen Gesetzes darstellt, erstreckt sich das finnische Strafgesetz nicht auf sie, sondern sie fällt nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts i n den Geltungsbereich des am Tatort geltenden Strafgesetzes. Das gleiche Recht zur Bestrafung eigener Beamten, das Finnland durch die i n Rede stehende Gesetzesstelle für sich i n Anspruch nimmt, billigt es i n entsprechenden Fällen auch einem fremden Staat zu. Ein Beamter eines fremden Staates w i r d für eine Straftat, die er i n Finnland begeht, nur dann verurteilt, wenn sie auch eine Übertretung des allgemeinen Gesetzes ist. Was i m Strafrecht unter einem Beamten zu verstehen ist, geht aus Kap. 2 § 12 hervor. Der Geltungsbereich des finnischen Strafgesetzes kann durch Vertrag mit einem fremden Staat erweitert werden. Nach dem Gesetz vom 27. Mai 1932 ist jemand, der nicht finnischer Staatsangehöriger ist und außerhalb Finnlands eine solche Straftat verübt, für die er nach einem Vertrag zwischen Finnland und einem fremden Staat i n Finn-

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Das finnische Strafrecht

land zu bestrafen ist, vor einem finnischen Gericht und nach finnischem Gesetz abzuurteilen, falls er in Finnland angetroffen wird, auch wenn seine Straftat keine solche ist, wie sie in Kap. 1 § 2 des StGB genannt sind. Eine Einschränkung des in den ebenerwähnten Bestimmungen angegebenen Geltungsbereichs des finnischen Strafgesetzes w i r d durch die Vorschrift von Kap. 1 § 4 bewirkt, wonach eine außerhalb Finnlands begangene Straftat, die eine Polizeiübertretung ist, hier nur dann strafbar ist, wenn das i m Gesetz oder durch einen Vertrag zwischen Finnland und einem fremden Staat besonders festgelegt ist. Polizeiübertretungen sind alle i n den vier letzten Kapiteln des Strafgesetzes genannten Taten sowie solche Taten, die i n anderen Gesetzen und Verordnungen als i m Strafgesetz kriminalisiert sind und für die nur Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten angedroht ist. Falls jemand, der eine Straftat begangen hat, zwecks Aburteilung nach Finnland ausgeliefert worden ist, kann eine Einschränkung der Anwendung des finnischen Strafrechts sich auch aus den Bedingungen ergeben, die mit der Auslieferung verbunden sind und zu deren Einhaltung die finnischen Behörden verpflichtet sind (§ 7). Die finnische Staatsgewalt hat auch erklärt, daß sie i n bestimmten Grenzen von der Ausübung ihrer Strafgewalt gegenüber solchen Personen absieht, die auf Einladung finnischer Behörden freiwillig nach Finnland gekommen sind, um in Strafsachen als Zeugen auszusagen. Solche Personen dürfen während der Zeit, i n der sie sich zur Abgabe ihrer Zeugenaussagen in Finnland aufhalten, nicht für eine früher verübte Straftat oder auf Grund eines früheren Urteils unter Anklage gestellt oder verhaftet werden, auch nicht, wenn dem Betreffenden Teilnahme an Taten vorgeworfen wird, die i m Zusammenhang m i t der Sache, in der er als Zeuge vernommen wird, untersucht werden (§ 7 Abs. 2). Aus dem Legalitätsprinzip, das i n Finnland hinsichtlich der Anklageerhebung i n bezug auf Straftaten, die der öffentlichen Anklage unterliegen, mit wenigen Ausnahmen herrscht, ergibt sich, daß der öffentliche Ankläger eine Tat, die zu dieser Straftatengruppe gehört und in den Geltungsbereich des finnischen Strafgesetzes fällt, ohne Rücksicht darauf, ob in einem fremden Staat deswegen eine Anklage erhoben worden oder darin ein Urteil gefällt worden ist, unter Anklage zu stellen hat, sogar i n dem Fall, daß die Strafe ganz oder zum Teil dort verbüßt worden ist, wenn nur die praktischen Voraussetzungen für die Anklageerhebung vorliegen. Da jedoch i m Strafrecht der Grundsatz herrscht, daß ein und dieselbe Straftat nicht zweimal bestraft werden darf, hat der Gesetzgeber zwecks Ausschließung einer solchen Möglichkeit festgesetzt (§ 5), daß eine i m Ausland für irgendeine Straftat verbüßte Strafe bei der Aburteilung dieser Straftat i n Finnland zu be-

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rücksichtigen ist, indem die hier verhängte Strafe entweder um so viel herabzusetzen oder als voll verbüßt zu betrachten ist. Der Gesetzgeber hat dabei keine Anweisungen darüber gegeben, einem wie hohen Strafmaß i n Finnland ein bestimmtes Maß einer i m Ausland verbüßten Strafe entspricht, sondern hat das dem Ermessen des Richters anheimgestellt. Hinsichtlich des Tatorts ist als maßgebend anzusehen, wo die zum Tatbestand der betreffenden Straftat gehörende Folge eingetreten isl. in Finnland oder i m Ausland. Ein Versuch ist als dort geschehen zu betrachten, wo das betreffende Rechtsgut von einer konkreten Gefahr bedroht worden ist, ein Ort, der i m allgemeinen m i t dem Ort identisch ist, wo nach dem Willen des Täters die Folge eintreten sollte; eine Vorbereitung ist als dort durchgeführt anzusehen, wo i h r Tatbestand erfüllt ist. Da Anstiftung und Beihilfe, die akzessorische Tatformen sind, als Beteiligung an der Verursachung der Folge angesehen werden müssen, durch die das Wesen der betreffenden Straftat verwirklicht wird, sind sie als dort geschehen zu betrachten, wo man die Ausführung der Haupttat als vollendet ansehen muß, mit anderen Worten, an dem Ort des Eintretens der in Rede stehenden Folge. Ein uneigentliches Unterlassungsdelikt (delictum per omissionem commissum) ist hinsichtlich des Tatortes einem Kommissivdelikt völlig gleichzustellen. Ein eigentliches Unterlassungsdelikt (delictum omissionis) ist als dort begangen anzusehen, wo der Unterlassende die Pflicht gehabt hatte, zu handeln 2 . II. Z e i t l i c h e

Geltung

§ 3 der Verordnung über die Inkraftsetzung des Strafgesetzes schreibt folgendes vor: „ A u f Straftaten, die während der Geltung eines früheren Gesetzes begangen worden sind, über die aber vor Inkrafttreten des Strafgesetzes kein Urteil gefällt worden ist, das rechtskräftig geworden ist oder werden darf, ist dasjenige Gesetz anzuwenden, das milder ist." Diese Bestimmung spricht den allgemein üblichen Grundsatz aus, der auch sonst bei Änderungen von K r i m i n a l gesetzen zu befolgen ist. Da das Gesetz die Frage nicht näher behandelt, welches von beiden Gesetzen, das neue oder das alte, in solchen Fällen grundsätzlich anzuwenden ist, wenn nicht der i n der obenangeführten Gesetzesstelle genannte Umstand entscheidet, bleibt diese Frage positivrechtlich unentschieden. I n der Doktrin sind verschiedene Auffassungen darüber geäußert worden. Ihrem Wortlaut nach würde die in Rede stehende Bestimmung nur auf diejenigen Fälle anwendbar sein, in denen die betreffende Tat 2

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sowohl nach dem alten wie nach dem neuen Gesetz strafbar ist und die Änderung also nur den Grad der Strafbarkeit betrifft. Nach der herrschenden Auffassung aber ist sie auch i n dem Fall anwendbar, daß eine Gesetzesänderung eine Tat, die nach dem früheren Gesetz strafbar war, zu einer straflosen macht, falls die Analogie die A n wendung der erwähnten Bestimmung erfordert. I n den Fällen, in denen eine nach dem früheren Gesetz strafbare Tat nach dem neuen Gesetz straflos ist, besteht immer Veranlassung zu untersuchen, ob die Änderung von einer veränderten Einstellung des Gesetzgebers zu der sozialen Verwerflichkeit der Tat und zu der Anwendbarkeit der Strafsanktion auf die Tat überhaupt herrührt oder vielleicht davon, daß in den durch das Strafgesetz betroffenen Verhältnissen eine solche Veränderung eingetreten ist, daß es als zweckmäßig betrachtet worden ist, die Kriminalisierung aus dem Gesetz zu entfernen. I m praktischen Rechtsleben ist es i n der heutigen Zeit der sozialen Fürsorge nicht selten, daß die Beseitigung der Strafandrohung bei irgendeiner Tat durch den letztgenannten Grund veranlaßt ist, was keine Änderung der Einstellung des Gesetzgebers zu einer solchen Tat bedeutet, die während der Geltung der Strafandrohung begangen worden ist. I n derartigen Fällen kann man dem neuen Gesetz keine rückwirkende Kraft geben, sondern das alte Gesetz ist auf eine während seiner Geltungsdauer verübte Tat anzuwenden, ungeachtet dessen, daß die Tat nach dem neuen, zur Zeit ihrer Aburteilung geltenden Gesetz straflos ist. Ein Gesetz über die Aufhebung einer Kriminalisierung kann i m allgemeinen keine rückwirkende Kraft erhalten, wenn es sich u m eine solche Strafbestimmung handelt, die von Anfang an nur für eine b e s t i m m t e G e l t u n g s d a u e r gedacht ist, wie man sie i m F a l l von Kriegen und schweren Wirtschaftskrisen zu erlassen pflegt. Das gleiche gilt für die sogenannten Blankettstrafbestimmungen. Nach der herrschenden Lehre ist das ältere Gesetz, falls es milder ist, auf eine Tat anzuwenden, wenn der Täter sie während der Geltung des alten Gesetzes vollendet hat und dadurch die zu ihrem Tatbestand gehörende Folge eingetreten ist. Wenn aber irgendein Teil der Handlung oder Unterlassung, die zu dieser Folge geführt hat, während der Geltung des neuen Gesetzes geschehen ist, kann nur das neue Gesetz auf die Tat angewandt werden. Entscheidend ist also der Augenblick der Vollendung der Handlung oder Unterlassung und nicht der Zeitpunkt des Eintretens der Folge, wie es sich hinsichtlich der räumlichen Anwendbarkeit des Strafgesetzes verhält. I m finnischen Strafgesetz herrscht unerschütterlich der Grundsatz, daß man durch ein neues Gesetz nicht eine solche Tat strafbar machen kann, die nach dem zur Zeit ihrer Begehimg geltenden Gesetz straflos

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gewesen ist. Dieser Grundsatz ist eine konsequente Folgerung aus dem Prinzip „nulla poena sine lege" 3 .

Zweites

Kapitel

Strafen I. D i e

allgemeinen Hauptstrafen A. Die Todesstrafe Die Todesstrafe ist i m geltenden Zivilstrafgesetz als unbedingte Folge der Ermordung des Oberhauptes eines befreundeten Staates (Kap. 14 § 1) sowie als alternative Folge von Landesverrat (Kap. 12 § 2) und Mord (Kap. 21 § 1) angedroht. I m Militärstrafgesetz ist sie als Folge recht vieler Straftaten festgesetzt. Die letzte Phase der Gesetzgebung über die Todesstrafe ist das Gesetz vom 2. Dezember 1949, wonach die Todesstrafe auch i n den Fällen, in denen sie i m Gesetz für bestimmte Verbrechen angedroht ist, nur dann verhängt werden darf, wenn das betreffende Verbrechen begangen wird, während über Finnland der Kriegszustand verhängt ist, oder in einem Teil Finnlands verübt wird, über den der Kriegszustand verhängt ist. Als Form der Vollstreckung ist Hinrichtung auf dem Gefängnishof oder an einem anderen abgeschlossenen Platz vorgeschrieben, wobei die i m Gesetz genannten Beamten und eventuellen sonstigen Personen anwesend zu sein haben (StrafvollstrVO, Kap. 1 § 1 bis 6). Die Todesstrafe ist nach 1826 nur bei den Straf maßnahmen i m A n schluß an den finnischen Freiheitskrieg von 1918 und i n den letztvergangenen Kriegen, an denen Finnland beteiligt war, verhängt worden, so daß sie als M i t t e l zur Bekämpfung der Kriminalität gar keine Bedeutung hat. B. Die Zuchthausstrafe (Kap. 2 § 2) Es kann entweder auf lebenslängliche oder auf zeitige Zuchthausstrafe erkannt werden. Der Mindestbetrag der zeitigen Zuchthausstrafe ist sechs Monate und der Höchstbetrag zwölf Jahre, außer bei Verhängung einer Gesamtstrafe, wobei der Maximalbetrag fünfzehn Jahre ist. Wenn eine oder mehrere der i n die Gesamtstrafe einzubeziehenden Strafen nach Kap. 6 § 2 erhöht worden sind, beträgt die Zeit der Zuchthausstrafe höchstens fünfundzwanzig Jahre (Kap. 7 § 5). Auch bei Addition von Strafen darf die Dauer der Zuchthausstrafe die letztgenannte Zeit nicht überschreiten (StrafvollstrVO Kap. 2 § 2). I n welchem Ausmaß die in Rede stehende Strafe für jede Straftat verhängt Honkasalo

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werden kann, w i r d aus dem Strafrahmen i n der betreffenden Strafbestimmung ersichtlich. Von der Vollstreckung der Zuchthausstrafe wie auch der übrigen Strafen w i r d bei der Besprechimg der Strafvollstreckung die Rede sein. C. Die Gefängnisstrafe (Kap. 2 § 3) Es kann nur auf zeitige Gefängnisstrafe erkannt werden, und zwar von vierzehn Tagen bis zu vier Jahren (Kap. 2 § 3), außer bei der Verhängung einer Gesamtstrafe, wobei der Höchstbetrag sechs Jahre ist. Wenn eine oder mehrere der in die Gesamtstrafe einzubeziehenden Strafen nach Kap. 6 § 2 erhöht worden sind, beträgt die Dauer der Gefängnisstrafe höchstens zehn Jahre (Kap. 7 § 5), was auch der Maximalbetrag dieser Strafe bei Addition von Strafen ist (StrafvollstrVO Kap. 2 § 1). D. Die Jugendgefängnisstrafe Diese Freiheitsstrafe ist durch das Gesetz über die jugendlichen Rechtsbrecher vom 31. M a i 1940 eingeführt worden. Ihre Vollstreckung ist i n Kap. 5 der Verordnung über die Strafvollstreckung und i n der Verordnung über das Jugend gefängnis geregelt. Diese Reaktionsform sowie einige andere Maßnahmen, die das Gesetz über die jugendlichen Rechtsbrecher eingeführt hat, sind Ausdrucksformen des Bestrebens des Gesetzgebers, zur Resozialisierung der straffälligen Jugendlichen mehr als früher ein erzieherisches Verfahren anzuwenden. A u f Jugendgefängnis erkennt nicht das Gericht, sondern die Einweisung w i r d von der Gefängniskommission, die man auch Gefängnisgericht nennt, angeordnet. Diese Kommission kann ins Jugendgefängnis jugendliche Rechtsbrecher einweisen, worunter das Gesetz solche Personen versteht, die bei der Begehung der jeweiligen Straftat das fünfzehnte, aber nicht das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben. Die Einweisung darf jedoch nicht mehr erfolgen, nachdem der Betreffende das dreiundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat. Voraussetzung ist, daß die Freiheitsstrafe, zu der das Gericht den jugendlichen Rechtsbrecher verurteilt hat, i n einer Dauer von wenigstens sechs Monaten und höchstens vier Jahren bemessen ist. Außerhalb der Reichweite des Jugendgefängnisses bleiben somit diejenigen straffällig gewordenen Jugendlichen, die zu einer Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten, und ebenso diejenigen, die zu einer solchen von mehr als vier Jahren verurteilt worden sind. Wenn die ebengenannten objektiven Voraussetzungen vorliegen, hängt die Frage, ob ein jugendlicher Rechtsbrecher die verhängte Strafe im Jugendgefängnis oder in einer gewöhnlichen Strafanstalt zu verbüßen hat, davon ab, wie die Untersuchung seiner Persönlichkeit ausfällt. I n § 16 des in Rede stehenden Gesetzes über die jugendlichen Rechtsbrecher heißt es nämlich, daß die Strafverbüßung i m Jugend-

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gefängnis dann anzuordnen ist, wenn man begründeten Anlaß hat anzunehmen, daß der Verurteilte einer solchen Erziehung und Belehrung bedarf, die er i m Jugendgefängnis erhalten kann, und daß er entwicklungsfähig ist. Voraussetzung ist also einerseits das B e d ü r f n i s n a c h E r z i e h u n g , andererseits die E n t w i c k l u n g s fähigkeit. Die Gefängniskommission kann die Strafzeit eines jugendlichen Hechtsbrechers, den sie ins Jugendgefängnis eingewiesen hat, um höchstens ein Jahr über die i m Urteil festgesetzte Zeit hinaus verlängern, jedoch nicht mehr nach Ablauf von sechs Monaten seit der Einweisung ins Jugendgefängnis. Ebenso kann die Gefängniskommission eine derartige Verlängerung aufheben (Gesetz vom 18. Dezember 1953)4. E. Verurteilung von lebenslänglichen Zuchthaussträflingen zu Einzelhaft in heller Zelle (Kap. 2 § 13) Z u r Bestrafung von lebenslänglichen Zuchthaussträflingen gibt es, weil man ihre Strafe quantitativ nicht mehr erhöhen kann, eine besondere Strafart, die Einzelhaft in heller Zelle. Die Bestimmungen über diese Strafart sind enthalten in Kap. 2 § 13 des StGB, i n der Form, die diese Gesetzesstelle durch das Gesetz vom 19. M a i 1944 erhalten hat. Diese Strafart ist nach der ebengenannten Gesetzesstelle zu verhängen: 1. für solche in der Strafanstalt begangene Straftaten, die nicht durch eine Geldstrafe gesühnt werden können, 2. für außerhalb der Strafanstalt verübte Straftaten, wenn der Täter dadurch nicht die Todesstrafe v e r w i r k t hat, und 3. für Straftaten, die — unter der ebenerwähnten Voraussetzung — von einem auf Bewährungsfrist Freigelassenen während der Bewährungsfrist begangen werden, wenn dem Täter deshalb die Bewährungsfrist entzogen wird. Aus dem Wortlaut von Kap. 2 § 13 Abs. 2 des StGB: „ W i r d die Straftat als nicht durch Geldstrafe sühnbar betrachtet", läßt sich entnehmen, daß unter einer durch Geldstrafe sühnbaren Straftat eine solche Handlung verstanden wird, für die eine Geldstrafe in dem betreffenden Fall als ausreichende Strafe anzusehen ist. Diese Deutung ist um so zutreffender, als aus den Vorbereitungsarbeiten für dieses Gesetz hervorgeht, daß der Gesetzgeber m i t dem Begriff einer durch Geldstrafe sühnbaren Straftat eine solche Tat gemeint hat, für die in concreto, nicht i n abstracto eine Geldstrafe zu verhängen ist. Leiter und Vorstand einer Strafanstalt können also einen lebenslänglichen Zuchthausgefangenen zu einer Disziplinarstrafe verurteilen, wenn sie zu dem Ergebnis gelangen, daß dieser durch seine Tat keine andere als eine Geldstrafe verwirkt hat. Handelt es sich aber u m eine solche Straftat, für die nach der Meinung der ebengenannten Behörde auf eine FreiHonkasalo

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heitsstrafe erkannt werden müßte, so ist die Festsetzung der strafrechtlichen Folge dieser Tat dem Gericht zu überlassen. So· muß auch dann verfahren werden, wenn sich aus der Tat, obwohl man sie nach dem Ermessen der Gefängnisbehörden durch eine Geldstrafe sühnen könnte, eine Schadenersatzverpflichtung ergibt, oder wenn zu ihrer Klärung die Vernehmung von Zeugen notwendig ist. Einzelhaft in heller Zelle kann höchstens für sechs Jahre verhängt werden. I n der Praxis hat man jedoch die Ansicht vertreten, daß dieses Maximum überschritten werden darf, wenn der betreffende Zuchthaussträfling mehrere Straftaten begangen hat, für die auf eine Gesamtstrafe erkannt werden muß oder die Strafen zu addieren sind 5 . F. Die Geldstrafe (Kap. 2 § 4 bis 6) Die Geldstrafe ist die einzige das Vermögen treffende Strafe, die das finnische Strafrecht kennt. Die Bestimmungen über sie sind enthalten in Kap. 2 § 4, 5 und 6 des StGB, in der Form, die die beiden erstgenannten Paragraphen durch das Gesetz vom 21. M a i 1921 erhalten haben. Außer durch diese Gesetzesstellen ist die Vollstreckung der Geldstrafe durch Kap. 6 der Verordnung über die Strafvollstrekkung und durch die Verordnung über die Vollstreckung von Geldstrafen vom 22. Dezember 1944 geregelt. Die Geldstrafe ist die am meisten angewandte Strafart. Ihre Reform ist i n der kriminalpolitischen Diskussion lange erörtert worden. I n ihrer früher gebräuchlichen Form konnte man gegen diese Strafe den berechtigten Einwand erheben, daß ihre Schwere recht verschieden empfunden wurde, je nachdem, i n welcher wirtschaftlichen Lage sich der jeweils von i h r Betroffene befand. Diesen Übelstand hat man durch das obenerwähnte Gesetz vom 21. Mai 1921 zu beseitigen versucht, indem man das sogenannte Tagesgeldbußensystem einführte. Bei der Entscheidung darüber, zu wieviel Tagesgeldbußen ein Beschuldigter für seine Tat zu verurteilen ist, müssen die allgemeinen Grundsätze über die Strafzumessung eingehalten werden. Die Vermögensverhältnisse des Angeklagten können bei der Festsetzung der Zahl der Tagesgeldbußen nicht berücksichtigt werden. Erst bei der Bestimmung der Höhe der einzelnen Tagesgeldbußen ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit i n Betracht zu ziehen. I n Kap. 2 § 4 Abs. 2 des StGB heißt es, daß das Gericht bei der Verhängung einer Geldstrafe nach freiem Ermessen auf Grund des durchschnittlichen Tagesverdienstes, den der Bestrafte zu der betreffenden Zeit hat oder haben könnte, und unter Berücksichtigung seiner Wohlhabenheit, seiner Unterhaltspflicht gegenüber seiner Familie sowie sonstiger Umstände, die seine Honkasalo

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Zahlungsfähigkeit beeinflussen, festzusetzen hat, welcher Geldbetrag als Tagesgeldbuße des Bestraften anzusehen ist. Den Gesamtbetrag der Geldstrafe i n Geld, der i m Urteil angegeben werden muß, erhält man, wenn man den Geldbetrag der betreffenden Tagesgeldbuße m i t der Zahl der verhängten Tagesgeldbußen multipliziert. Die geringste Geldstrafe beträgt eine Tagesgeldbuße, die höchste dreihundert Tagesgeldbußen, wenn keine Gesamtstrafe verhängt wird. I n den Fällen, wo die Geldstrafe i m Gesetz i n Tagesgeldbußen festgelegt ist, obliegt es dem jeweiligen Anwender des Gesetzes, i n den Grenzen des Maximal- und des Minimalbetrages des Strafrahmens nach den allgemeinen Grundsätzen über die Strafbemessung die richtige Anzahl von Tagesgeldbußen zu wählen. Wenn eine Geldstrafe, wie es i n den älteren Gesetzen und Verordnungen der Fall ist, i n Geldbeträgen oder gemäß dem Wert von besonderem Vermögen festgelegt ist, muß zuerst eine Skala der verfügbaren Tagesgeldbußenzahlen angelegt werden, deren Maximum in der Weise erhalten wird, daß man den Höchstbetrag der i n Geld angegebenen Geldstrafe oder des Vermögenswertes durch zehn dividiert. Ist i m Gesetz auch das M i n i m u m einer in Geld angegebenen Geldstrafe bestimmt, so erhält man den Mindestbetrag der Tagesgeldbußenzahl durch eine gleichartige Division. — Eine solche Geldstrafe, die gegenüber einer namentlich genannten Person angedroht ist, d. h. die als Zwangsmittel angewandt wird, ist i n Finnmark festzusetzen und zu verhängen. Wenn das Gericht gegen einen Angeklagten auf Geldstrafe erkennt, bestimmt es zugleich, i n welche Strafe die Geldstrafe umzuwandeln ist, falls der Verurteilte diese nicht erlegt und man auch auf dem Pfändungswege sie nicht von i h m beitreiben kann. Die Geldstrafe w i r d dann i n eine Freiheitsstrafe umgewandelt, die hinsichtlich ihrer Vollstreckung sehr wenig von einer unmittelbar verhängten Freiheitsstrafe abweicht. Die i n Rede stehende Freiheitsstrafe ist keine Alternative der Geldstrafe, sondern eine Ersatzstrafe, die i n dem Fall angewandt wird, daß man die Geldstrafe als Vermögensstrafe nicht vollstrecken kann. Sie ist ein Mittel, durch das man eine Person, von der man weder freiwillig noch auf dem Zwangsvollstreckungswege die Erlegung der Geldstrafe erreichen kann, einem dieser entsprechenden Strafzwang unterwirft, aber sie dient auch als Drohung, u m zur Entrichtung der Geldstrafe i n Geld zu veranlassen. Da aber der Gesetzgeber den zu Geldstrafen Verurteilten keine solchen Erleichterungen der Zahlung dieser Strafen zugestanden hat, wie sie die Gesetzgebung einiger anderer Länder eingeführt hat, ζ. B. das Recht zur Erlegung der Geldstrafe während längerer Zeit in Ratenzahlungen, so ist die Freiheitsstrafe i n Finnland, besonders i n Notzeiten, ein recht häufiges M i t t e l der Verbüßung von Geldstrafen geworden.

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Bei der Umwandlung von Geldstrafe i n Gefängnisstrafe entsprechen zehn Tage Gefängnis zehn Tagesgeldbußen. Übersteigt die Geldstrafe diesen Betrag, so w i r d ein Tag Gefängnis für jede Tagesgeidbuße hinzugefügt, bis zu einer Gefängnisstrafe von hundertachtzig Tagen, welcher Betrag das M a x i m u m derjenigen Freiheitsstrafe ist, i n die eine Geldstrafe umgewandelt werden kann, einerlei ob es sich u m eine einfache Geldstrafe oder um eine Gesamtstrafe aus mehreren handelt. Bei der Addierung von Geldstrafen gibt es für die Freiheitsstrafe, i n die diese umgewandelt werden können, keinen anderen Höchstbetrag als den der Gefängnisstrafe überhaupt 6 . G. Das bedingte Strafurteil Das bedingte Strafurteil, das den Einfluß neuzeitlicher kriminalpolitischer Strömungen erkennen läßt, ist durch das Gesetz vom 20. Juni 1918 eingeführt worden. Das belgisch-französische System ist dabei i n der Form zur Anwendung gekommen, daß das Strafurteil verkündet wird, aber gleichzeitig darin erklärt wird, daß es nicht vollstreckt wird, wenn der Verurteilte sich während einer bestimmten Bewährungsfrist, die zwischen zwei und fünf Jahren schwankt, i n der vom Gesetz vorgeschriebenen Weise verhalten hat. Diese Strafärt w i r d recht häufig angewandt. Das Gesetz macht die Verhängung eines bedingten Strafurteils von bestimmten f o r m a l e n V o r a u s s e t z u n g e n abhängig. Erst wenn die i m Gesetz genannten formalen Voraussetzungen erfüllt sind, kann es dem Ermessen des Gerichts anheimgestellt werden, ob die i m Gesetz vorgesehenen individualpräventiven Gesichtspunkte, die man alsm a t e r i e l l e V o r a u s s e t z u n g e n bezeichnen kann, für die Verhängung eines bedingten Strafurteils sprechen. a) Die formalen Voraussetzungen 1. Die bedingt verhängte Strafe muß entweder eine Freiheitsstrafe i n allgemeiner Strafart von höchstens einem Jahr oder eine Geldstrafe sein (§ 1). Die besonderen Hauptstrafen, Amtsentsetzung und vorläufige Dienstenthebung, sowie die allgemeinen und besonderen Zusatzstrafen und die übrigen Nebenstrafen, auf die neben der Hauptstrafe erkannt werden kann, dürfen nicht bedingt verhängt werden. Solche Nebenstrafen, wie Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte oder der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, Einziehung des Vermögens und Verlust des Rechtes zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes, werden rechtskräftig und vollstreckt, auch wenn die Hauptstrafe für bedingt erklärt wird. Wenn aber die Hauptstrafe deshalb hinfällig wird, w e i l der bedingt Verurteilte sein Recht auf Strafaufschub nicht verwirkt hat, so hören nach § 7 des Gesetzes folgende Honkasalo

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ebengenannte Nebenstrafen auf: Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter. Von den übrigen Nebenstrafen schweigt das Gesetz; aus diesem Schweigen kann man wohl den Schluß e contrario ziehen, daß sie nicht hinfällig werden. 2. Ein bedingtes Strafurteil darf nicht verhängt werden, wenn der Beschuldigte i n den unmittelbar vorhergehenden fünf Jahren zu einer Zuchthausstrafe oder einer Gefängnisstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist oder während dieser Zeit eine derartige Freiheitsstrafe für eine frühere Straftat verbüßt hat (§ 2, i n dem Gesetz vom 23. Dezember 1948). Die früher verhängten oder verbüßten Strafen bilden jedoch kein Hindernis für die Verhängung eines bedingten S traf urteils, wenn es sich um einen jugendlichen Rechtsbrecher handelt (§ 9 des Ges. über die jugendl. Rechtsbrecher). 3. Bestimmte Gruppen von Straftaten sind dem Wirkungsbereich des Rechtsinstituts des bedingten Strafurteils entzogen. Nach § 4 des Gesetzes, i n der Form, die dieser Paragraph i n dem Gesetz vom 23. Dezember 1948 erhalten hat, darf ein bedingtes Strafurteil nicht für ein Amtsdelikt verhängt werden, das von einer Person begangen wird, die das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat. Unter dem Begriff Amtsdelikt werden i n dieser Gesetzesstelle nicht nur eigentliche, sondern auch uneigentliche Amtsdelikte verstanden. Nach § 29 des Militärstrafgesetzes, i n der Form, die diese Bestimmung i n dem Gesetz vom 10. März 1944 erhalten hat, darf ein bedingtes Strafurteii nicht für eine Straftat verhängt werden, die von einer Person, die das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, verübt worden ist. Diese Ausnahme gilt sowohl für die eigentlichen als auch für die uneigentlichen Militärdelikte. b) Die materiellen Voraussetzungen § 3 des i n Rede stehenden Gesetzes nennt einige Gesichtspunkte, die beim Stellen einer Prognose i n Betracht zu ziehen sind. I n Abs. 1 dieses Paragraphen heißt es: „Ein bedingtes Strafurteil darf lediglich dann verhängt werden, wenn man i n Anbetracht des früheren Lebens des Täters, der Beweggründe der Straftat und der Umstände bei ihrer Begehung annehmen kann, daß er sich bessern wird, auch wenn die Strafe nicht vollstreckt wird. Dabei ist auch das Verhalten des Täters nach der Tat und besonders seine Bereitwilligkeit, nach Kräften den dadurch verursachten Schaden zu ersetzen, in Betracht zu ziehen." Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann das Gericht bestimmen, daß der Täter, damit i h m der Aufschub der Strafvollstreckung zugute kommt, innerhalb einer festgesetzten Frist seine Schadenersatzverpflichtung zu erfüllen hat, wenn es ihn als dazu imstande ansieht. Der Gesetzgeber hat dabei offenbar nicht gemeint, daß bei der Beurteilung des künf-

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tigen Verhaltens des betreffenden Rechtsbrechers nur auf die obengenannten Umstände zu achten sei, denn auch viele andere Tatsachen können für die Stellung der Prognose aufschlußreich sein. c) Verwirklichung und Rückgängigmachung des Strafaufschubs Der Vorteil des Aufschubs der Strafvollstreckung kann aus zwei verschiedenen Gründen v e r w i r k t werden, erstens durch eine Straftat, die der Betreffende vor Ablauf der Bewährungsfrist begeht, und zweitens dadurch, daß er während der Bewährungsfrist i n Trunksucht oder eine unsittliche oder sonst anstößige Lebensweise verfällt. Über den erstgenannten Verwirkungsgrund ist i n § 5 Abs. 1 und 2 des in Rede stehenden Gesetzes folgendes bestimmt: „Wenn jemand, der durch ein bedingtes Strafurteil Strafaufschub erhalten hat, vor A b lauf der Bewährungsfrist vorsätzlich eine Straftat begeht, für die er zu einer Zuchthausstrafe oder zu einer Gefängnisstrafe von wenigstens drei Monaten verurteilt wird, ist auch die bedingt verhängte Strafe zu vollstrecken (Abs. 1). Lautet das Urteil auf eine mildere Strafe, als i m ersten Absatz angegeben, oder ist die Straftat nicht vorsätzlich begangen worden, so ist es dem Ermessen des Gerichts anheimgestellt, ob die früher verhängte Strafe zu vollstrecken ist" (Abs. 2). Ob die Lebensweise des bedingt Verurteilten dermaßen anstößig gewesen ist, daß dafür der Strafaufschub rückgängig gemacht werden muß, ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhältnisse nach freiem Ermessen zu entscheiden. Eine Forderung nach Vollstreckung einer bedingt verhängten Strafe aus dem ebenangeführten Grunde kann sowohl der öffentliche Ankläger als auch der Verletzte erheben. Wenn der bedingt Verurteilte ein jugendlicher Rechtsbrecher ist, der nach § 8 des Gesetzes über die jugendlichen Rechtsbrecher unter Überwachung gestellt werden muß, kann auch der zum Überwacher des Betreffenden Bestimmte die Forderung nach Rückgängigmachung des Strafaufschubs aus dem i n Rede stehenden Grunde stellen, ebenso wie i n dem Fall, daß der Jugendliche sich als aufsässig erweist. Der Vorteil des Aufschubs der Strafvollstreckung kann auch deshalb e n t z o g e n w e r d e n , w e i l nach der Fällung des bedingten Strafurteils sich herausgestellt hat, daß der bedingt Verurteilte vor dei Urteilsfällung eine andere Straftat verübt hat; Voraussetzung dafür ist, daß die Anklage deswegen während der Bewährungsfrist erhoben wird. Die Strafe, auf die für diese neue, später entdeckte Straftat erkannt w i r d , ist nach den Vorschriften des 7. Kapitels m i t der bedingt verhängten Strafe zu einer Gesamtstrafe zusammenzufassen. Auch eine Gesamtstrafe kann bedingt verhängt werden, wenn die formalen und materiellen Voraussetzungen dafür vorliegen. Ist dies nicht der Fall, so muß die Gesamtstrafe als unbedingte Strafe ver-

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hängt werden, so daß der Vorteil des Strafaufschubs dem Verurteilten entzogen w i r d (§ 6) 7 . H. Absehen von der Anklage Das i n der Überschrift genannte Rechtsinstitut ist ebenso wie das i m nächsten Abschnitt (I) behandelte Absehen von der Verurteilung dem finnischen Strafrechtssystem durch das Gesetz über die jugendlichen Rechtsbrecher vom 31. M a i 1940 eingefügt worden. Diese Rechtsinstitute sind n u r auf solche Jugendliche anwendbar, die i m A l t e r zwischen 15 und 18 Jahren eine Straftat begehen. M a n kann wohl verschiedener Meinung darüber sein, i n welchem Zusammenhang diese Maßnahmen besprochen werden müßten. Sie bedeuten einerseits einen Verzicht auf den Strafanspruch des Staates, so daß man sie i n systematischer Hinsicht bei den Gründen für eine Beseitigung des Strafanspruchs behandeln könnte, andererseits aber kann man die Tatsache nicht unberücksichtigt lassen, daß sie für den, der ihnen unterworfen wird, ein strafartiges Übel enthalten und daß sie außerdem die rechtliche Grundlage für diejenigen Maßnahmen abgeben, die die Behörden der sozialen Fürsorge gegen jemanden, von dessen Anklage oder Verurteilung abgesehen worden ist, ergreifen können. Nach § 5 des i n Rede stehenden Gesetzes haben nämlich der öffentliche Ankläger, wenn er von der Anklage gegen einen jugendlichen Rechtsbrecher abgesehen hat, und das Gericht, wenn es entschieden hat, daß ein solcher Rechtsbrecher nicht zu verurteilen ist, die Sozialkommission davon i n Kenntnis zu setzen. Aus diesen Gründen dürfte es sachgemäß sein, die obengenannten Maßnahmen zu den Strafen zu rechnen. Sie gehören zu den Reaktionen, die die Anwendung der individualpräventiven Idee i n die finnische Rechtsordnung hineingebracht hat. I n der Praxis hat man sie beide bisher recht wenig und recht ungleichmäßig angewandt. § 2 des obengenannten Gesetzes bestimmt, daß es dem Ermessen des öffentlichen Anklägers anheimgestellt ist, von der Anklage eines jugendlichen Rechtsbrechers abzusehen, wenn dieser die betreffende Straftat vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangen hat, und wenn die Straftat m i t keiner anderen Strafe i n allgemeiner Strafart bedroht ist als m i t Geldstrafe oder m i t Gefängnis nicht über drei Monaten oder wenn die Strafe für sie i n § 4 a des 11. Kapitels oder i n § 24 des 16. Kapitels festgesetzt ist. Nach § 4 des Gesetzes ist die materielle Voraussetzung für das Ebengesagte, daß man die Tat als aus Unverstand oder Unbedachtsamkeit geschehen betrachten kann und Grund hat anzunehmen, daß der Täter sich bessern wird, auch wenn er nicht verurteilt wird. Der Beschluß, von einer Anklage abzusehen, ist als autoritative 7

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Das finnische Strafrecht

Feststellung der Tatsache zu betrachten, daß die der Untersuchung unterworfene Person die i n der Entscheidung genannte Straftat begangen hat, und unterscheidet sich somit grundsätzlich von der Stellungnahme, auf Grund deren der öffentliche Ankläger deshalb auf eine Anklage verzichtet, weil die Beweise zur Erhebung oder Weiterführung der Anklage nicht genügen, oder weil die Unzurechnungsfähigkeit der Person, die der betreffenden Straftat überführt ist, sich herausgestellt hat. Über die Form, i n der der Beschluß, von einer Anklage abzusehen, abgefaßt werden soll, gibt es i m Gesetz keine Vorschrift. Über die Frage, ob man einen Beschluß der ebenerwähnten A r t aus materiellen Gründen rückgängig machen kann, sind, da das Gesetz hierüber schweigt, i n der D o k t r i n Meinungsverschiedenheiten aufgetreten. Eine völlig verneinende Stellungnahme zu dieser Frage dürfte sich jedoch nicht triftig begründen lassen 8 . I. Absehen von der Verurteilung Nach § 3 des Gesetzes über die jugendlichen Rechtsbrecher ist das Gericht befugt, von der Verurteilung eines jugendlichen Rechtsbrechers abzusehen, wenn er die betreffende Straftat vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangen hat und dafür nach dem Ermessen des Gerichts keine strengere Strafe zu erwarten hätte als Geldstrafe oder Gefängnis nicht über sechs Monate, oder wenn die Strafe für diese Straftat i n § 4 a des 11. Kapitels oder i n § 24 des 16. Kapitels festgesetzt ist. Die materielle Voraussetzung ist, ebenso wie beim Absehen von einer A n klage, daß man die Tat als aus Unverstand oder Unbedachtsamkeit geschehen betrachten kann und Grund hat anzunehmen, daß der Täter sich bessern wird, auch wenn er nicht verurteilt wird. Die formale Voraussetzung für die Anwendung der i n Rede stehenden Reaktionsform ist also, daß die Strafe, die der Beschuldigte nach dem Ermessen des Gerichts verdient hat, eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten nicht überschreitet. Die Grenze w i r d also von der Strafe, i n concreto und nicht i n abstracto gezogen, wie es beim Absehen von einer Anklage der Fall ist. Wenn ein jugendlicher Rechtsbrecher mehrere Straftaten verübt hat, für die auf eine Gesamtstrafe erkannt werden muß, w i r d die Zulässigkeit der oben erwähnten Reaktionsform von der Strafe bestimmt, die nach dem Ermessen des Gerichts als Gesamtstrafe verhängt werden müßte. Das Absehen von einer Verurteilung ist entweder für alle Straftaten zu beschließen oder für keine von ihnen. Die Frage, ob das Gericht seinen Entscheid, wonach es von einer Verurteilung absieht, widerrufen könnte, wenn die Grundlagen dieses Honkasalo

I I I S.

ff.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

35

Entscheides sich als fehlerhaft erweisen, hat man sowohl i n der Doktrin als auch i n der Praxis verneinend beantwortet 9 . II. D i e b e s o n d e r e n

Hauptstrafarten

A. Die Verwarnung Die Verwarnung ist eine Strafe, auf die gegen einen Beamten für ein von i h m begangenes Amtsdelikt erkannt werden kann. Sie ist als Strafe für Amtsdelikte i n einem einzigen, nämlich dem i n Kap. 40 § 21 angegebenen F a l l vorgesehen und auch dann als Alternative zu anderen Strafen. B. Die Amtsentsetzung Die i n der Überschrift genannte Strafe und ebenso die vorläufige Dienstenthebung sind deshalb als besondere Hauptstrafen zu betrachten, weil sie auch allein ohne irgendeine andere Strafe verhängt werden können. Meistens jedoch werden sie zusammen m i t einer Strafe i n irgendeiner allgemeinen Hauptstrafart verhängt. Die eben genannten Strafen können n u r solche Personen treffen, die Beamte i m Sinne des Strafgesetzes .sind. Nach Kap. 2 § 12 sind Beamte erstens die Staatsbeamten, zweitens diejenigen, die eingesetzt sind, u m die Angelegenheiten der Städte, Marktflecken, Landgemeinden, Kirchengemeinden oder sonstigen Körperschaften oder von der Obrigkeit bestätigten öffentlichen Einrichtungen oder Stiftungen zu verwalten, und drittens die Beamten und Bediensteten, die solchen Amts- oder Verwaltungsbehörden unterstellt sind, sowie andere, die zur Verrichtung öffentlicher Aufträge eingesetzt oder gewählt sind. Die Amtsentsetzung ist i m Strafgesetz von zweifacher Bedeutung, einer engeren und einer weiteren. I m engeren Sinne umfaßt die Amtsentsetzung den Verlust des Amtes, i n dem die betreffende Straftat begangen wurde, oder desjenigen, das der Schuldige anstatt desselben erhalten hat (Kap. 2 § 7). Wenn die Amtsentsetzung von dieser A r t ist, berührt sie nicht die anderen Ämter, die der Schuldige möglicherweise hat. I m weiteren Sinne umfaßt die Amtsentsetzung den Verlust aller der Ämter, die der Schuldige hat. Amtsentsetzung dieses Inhalts t r i f f t einen Beamten, der für eine von ihm verübte Straftat die Todesstrafe oder lebenslängliche Zuchthausstrafe oder zeitige Zuchthausstrafe v e r w i r k t hat, wenn nicht i m letztgenannten Fall besonders mildernde Umstände vorliegen. Die Amtsentsetzung darf nicht verwechselt werden m i t dem Verlust von Ämtern, der aus der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte oder der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter resultiert. Bei Anwendung dieser Reaktionsformen w i r d der Schuldige nicht beson9

3*

Honkasalo

I I I S. 149 ff.

Das finnische Strafrecht

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ders zur Amtsentsetzung verurteilt. Das Gericht braucht nicht einmal Kenntnis davon zu haben, ob der Angeklagte irgendein A m t bekleidet. Der Verlust aller Ämter ist eine unmittelbare Folge der Anwendung der eben genannten Reaktionsformen, ohne daß irgendeine zusätzliche Erwähnung seitens des Gerichts stattfindet (s. jedoch MilStrafg. § 20). E i n Beamter, der seines Amtes entsetzt wird, verliert damit alle die Vorteile und Rechte, die zu dem betreffenden A m t gehören, nicht jedoch das Recht auf Auszahlung desjenigen Gehalts, das vor der Verurteilung fällig wird. Er verliert auch das Recht auf Ruhegehalt; dieser Verlust t r i t t auch dann ein, wenn ein Beamter nach Kap. 2 § 9 i n dem Fall, daß er verabschiedet oder nur vorläufig i m A m t ist, für ein Amtsdelikt zu einer Ersatzstrafe verurteilt wird. Die eben angeführte Gesetzesstelle Kap. 2 § 9 bestimmt, daß, wenn jemand, der durch ein Amtsdelikt Amtsentsetzung v e r w i r k t hat, verabschiedet oder n u r vorläufig i m A m t ist, an Stelle von Amtsentsetzung auf höchstens dreihundert Tagesgeldbußen oder auf Gefängnis nicht über ein Jahr zu erkennen ist. Diese Ersatzstrafe kann also n u r statt einer Amtsentsetzung, die durch ein Amtsdelikt v e r w i r k t ist, verhängt werden und nicht statt einer solchen Amtsentsetzung, die eine Folge einer außerhalb des Amtes begangenen Straftat ist. Hat ein Beamter, der für ein i n einem bestimmten A m t begangenes Amtsdelikt verurteilt werden muß, vor der Fällung des Urteils ein anderes A m t erhalten als das, i n dem er die Straftat verübt hat, so darf keine Ersatzstrafe angewandt werden, sondern es ist nach der ausdrücklichen Vorschrift von Kap. 2 § 7 Abs. 1 auf Verlust desjenigen Amtes zu erkennen, das der Schuldige an Stelle des früheren erhalten h a t 1 0 . C. Die vorläufige

Dienstenthebung

(Kap. 2 § 8)

A u f vorläufige Dienstenthebung kann nur für ein Amtsdelikt erkannt werden, wenn das Gesetz eine solche Strafe dafür festsetzt. Die Maximalzeit dieser Strafe beträgt zwei Jahre. Die vorläufige Dienstenthebung als Strafe für ein Amtsdelikt ist zu unterscheiden von der Entfernung aus dem Dienst, die einen solchen Beamten trifft, der eine Freiheitsstrafe i n einer Strafanstalt oder i n Bewährungsfrist verbüßt und der während dieser Zeit entweder praktisch an der Führung seines Amtes verhindert ist oder wegen des noch andauernden Strafvollzuges nicht i m A m t gehalten werden kann. Einerlei, ob die Entfernung vom Dienst eine Strafe für ein Amtsdelikt oder eine praktische Folge der Verbüßung einer Freiheitsstrafe ist, der Beamte verliert nach Kap. 2 § 8 Abs. 2 und § 10 Abs. 3 für die Honkasalo

I I I S.

ff.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

87

Zeit, die er vom Dienst entfernt ist, die zu dem betreffenden A m t gehörenden Dienstbezüge. (Diese Bestimmungen des Gesetzes beziehen sich jedoch nicht auf eine solche Entfernung aus dem Dienst, zu der ein Beamter auf dem Disziplinarwege verurteilt werden kann, sondern ein auf diesem Wege vom Dienst Entfernter verliert seine Dienstbezüge auf Grund von § 12 des Gesetzes über die Besoldung der staatlichen Beamten und Angestellten vom 22. Dezember 1942.) F ü r den Fall, daß der zur vorläufigen Dienstenthebung Verurteilte inzwischen aus seinem A m t verabschiedet worden! oder nur vorläufig i n diesem A m t ist, bestimmt das Gesetz als Ersatzstrafe eine Geldstrafe von höchstens zweihundert Tagesgeldbußen. III. D i e

allgemeinen

Zusatzstrafen

A. Die Straf Verschärfungen, zu denen ein lebenslänglicher Zuchthaussträfling neben Einzelhaft in heller Zelle verurteilt werden kann Nach Kap. 2 § 13 des StGB kann Einzelhaft i n heller Zelle folgendermaßen verschärft werden: 1. durch hartes Ruhelager bis zu dreißig Tagen, 2. durch Einschränkung der Kost auf Wasser und Brot bis zu zwanzig Tagen, 3. durch beide S traf Verschärfungen gleichzeitig. Eine solche Strafverschärfung kann entweder deshalb stattfinden, w e i l die von dem lebenslänglichen Zuchthaussträfling begangene Straftat ein schweres Verbrechen ist, oder weil sie unter erschwerenden Umständen verübt worden ist. Diese Strafverschärfungen sind eigentliche Strafen, auf die das Gericht erkennt, und müssen also von Disziplinarstrafen unterschieden werden. B. Die Aberkennung

der bürgerlichen

Ehrenrechte

Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte gehörte nicht zu den Strafen, die der Strafgesetzentwurf von 1875 kannte. Die Weglassung dieser Strafe begründete man damit, daß die Straftat durch Verbüßung derjenigen Strafe als gesühnt angesehen werden müsse, die i n den Grenzen des festgesetzten Strafrahmens für die betreffende Straftat verhängt werde. Der Täter sollte darum nicht der Infamie preisgegeben werden, die i m Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte enthalten ist und nach seiner Entlassung aus der Strafanstalt seine Eingliederung i n die Gesellschaft i n hohem Grade erschweren kann. Das Komitee hingegen, das den Entwurf über die Grundsätze, die bei der Schaffung eines neuen Strafgesetzes eingehalten werden sollten, für den finnischen Landtag von 1863/64 ausarbeitete, hatte die Einführung der i n Rede stehenden Strafe an Stelle des früher angewandten vollständigen Ehrverlustes vorgeschlagen. Auch der Strafgesetzentwurf, den das Prü-

38

Das finnische Strafrecht

fungskomitee von 1884 veröffentlichte, nahm den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte unter die Strafen auf und begründete das damit, daß bestimmte schwere Verbrechen einen so großen Mangel an sittlichen Grundsätzen und an Achtung vor dem Gesetz beim jeweiligen Täter beweisen, daß dieser des Vertrauens der Gesellschaft nicht wert ist, so daß Veranlassung bestehe, ihm den Genuß solcher Rechte und Vorteile zu entziehen, die Vertrauenswürdigkeit und guten Ruf voraussetzen. Diese Strafe enthielt auch der Entwurf, der dem Landtag von 1888 vorgelegt wurde, und sie wurde in das neue Strafgesetz aufgenommen. Kap. 2 § 14 des StGB bestimmt: „Wenn ein Verbrechen nach dem Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte zur Folge hat, sind dem Schuldigen während der Dauer dieser Nebenstrafe die Rechte und Vorteile zu entziehen, zu deren Genuß der Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte erforderlich ist. Bekleidet er ein A m t oder eine sonstige öffentliche Stellung, so verliert er automatisch das A m t oder die Stellung. Der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ist lebenslänglich, wenn das Verbrechen zugleich die Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus zur Folge hat, andernfalls aber befristet, und zwar m i t einem Mindestbetrag von einem Jahr und einem Höchstbetrag von fünfzehn Jahren. Wenn neben dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf zeitige Freiheitsstrafe erkannt wird, hat dieser Verlust sofort einzutreten und über die Dauer der Freiheitsstrafe hinaus so lange zu gelten, wie es das Urteil bestimmt." Die oben zitierte Gesetzesstelle legt nicht fest, welches die Rechte und Vorteile sind, die durch Verhängung der i n Rede stehenden Nebenstrafe aberkannt werden. Somit läßt sich die Antwort auf diese Frage nur auf Grund der Gesetze und Verordnungen geben, i n denen Bestimmungen über den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte enthalten sind 1 1 . Durch ein Gesetz vom 10. März 1944 ist dem 2. Kapitel des StGB der § 14 a eingefügt worden, der bestimmt, daß, wenn jemand, der einen militärischen Dienstgrad hat. ein Verbrechen begeht, für das er zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt oder i h m die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkannt wird, er auch seinen militärischen Dienstgrad verliert. Nach § 20 des Militärstrafgesetzes darf jemand, dem die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden sind, auch nach Ablauf der Zeit des Verlustes dieser Rechte kein A m t i n der Wehrmacht bekleiden. Eine Folge der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte ist nach § 18 des Militärstrafgesetzes auch der Ver11

Honkasalo

I I I S. 158 f.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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lust von anderen Orden und Ehrenzeichen als solchen, die i m Kriege oder für Teilnahme an Kriegszügen verliehen sind. IV. D i e b e s o n d e r e n

Zusatzstrafen

A. Die Ausweisung Die i n der Überschrift genannte Strafe ist nur für eine einzige Straftat angedroht, nämlich für die i n Kap. 10 § 5 des StGB kriminalisierte Handlung, und zwar unter der Voraussetzung, daß der Täter nicht finnischer Staatsangehöriger ist. Bisher dürfte niemand zu dieser Strafe verurteilt worden sein. B. Die Aberkennung

der Fähigkeit

zur Bekleidung

öffentlicher

Ämter

Z u der i n der Überschrift genannten Zusatzstrafe w i r d nach Kap. 2 § 11 des StGB ein Beamter neben der Amtsentsetzung für eine i m A m t begangene Straftat verurteilt, wenn das Gesetz dafür eine solche Strafe androht. Sie w i r d auf bestimmte Zeit verhängt, wenigstens für ein Jahr und höchstens für fünfzehn Jahre. Wenn gleichzeitig auf eine Freiheitsstrafe erkannt wird, ist die Frist der Zusatzstrafe von dem Tag an zu rechnen, an dem die Strafverbüßung beendet wird. W i r d keine Freiheitsstrafe verhängt, so ist die Dauer der i n Rede stehenden Zusatzstrafe von der Rechtskräftigwerdung des Urteils an zu rechnen. Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter bedeutet, daß der Verurteilte während der Dauer dieser Zusatzstrafe i n keinem solchen A m t und i n keiner solchen Stellung oder Aufgabe beschäftigt werden darf, deren Inhaber nach Kap. 2 § 12 des StGB als Beamter anzusehen ist. Von der Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter ist diejenige Unfähigkeit zu unterscheiden, zu der nach Kap. 40 § 16 des StGB eine solche Person verurteilt wird, die bei einer Eisenbahn oder einem Kanal, einer Schleuse, der öffentlichen Telegrafenanstalt oder einem Leuchtt u r m angestellt ist oder die Aufsicht über eine solche Einrichtung oder über ein Seezeichen hat. Die i n dieser Gesetzesstelle vorgeschriebene Aberkennung der Fähigkeit zu weiterem gleichartigem Dienst ist eine Nebenstrafe für die i n Kap. 34 §§ 9, 10, 11, 12 und 14 des StGB genannten Straftaten, wenn sie von jemandem begangen werden, der sich i n einer der aufgezählten öffentlichen Stellungen befindet, falls er nach dem Ermessen des Gerichts Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe verdient hat. Die i n Rede stehende Zusatzstrafe, auf die neben der Amtsentsetzung zu erkennen ist, macht den dazu Verurteilten unfähig zu weiterem Dienst bei der Einrichtung, i n deren Dienst er gestanden hat, oder bei einer anderen ähnlichen Einrichtung.

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Das finnische Strafrecht

V. D i e s t r a f r e c h t l i c h e n

Sicherungsmaßnahmen

A. Die Zwangsanstalt Es gibt zwei Dinge, über die sich die auf der Kriminologie fußende spezialpräventive Richtung ihrer Ansicht nach klar ist, nämlich erstens darüber, daß man Jugendliche, wenn irgend möglich, mehr durch erzieherische als durch repressive Maßnahmen i n die Gesellschaft eingliedern soll, und zweitens darüber, daß gegenüber Personen, die sich durch immer wieder erneute Straftaten als gefährlich für die Gesellschaft erwiesen haben, die vom Gesetz zur Verfügung gestellten Strafen zum Schutz der Gesellschaft nicht ausreichen. F ü r diese Personen, die das Gesetz unter den eben genannten Voraussetzungen g e f ä h r l i c h e R ü c k f a l l v e r b r e c h e r nennt, ist deshalb durch das Gesetz vom 27. M a i 1932, das nachher, besonders durch das Gesetz vom 9. J u l i 1953, beträchtliche Änderungen erfahren hat, die sogenannte Zwangsanstalt eingeführt worden. Die Einweisung i n eine Zwangsanstalt ist teils eine Straf-, teils eine Sicherungsmaßnahme. Eine Sicherungsmaßnahme ist sie hinsichtlich der Zeit, die der dorthin Eingewiesene über die i m Urteil festgesetzte Strafzeit hinaus i n der Anstalt verbringen muß. Die Voraussetzungen für die Einweisung i n eine Zwangsanstalt untersucht das Gericht, das bei der Verhängung der Strafe ein Gutachten darüber abgibt, ob für den Verurteilten Einweisung i n eine Zwangsanstalt angeordnet werden kann. Sache der G e f ä n g n i s kommission, die als Gefängnisgericht bezeichnet wird, ist es, auf Grund dieses Gutachtens die Anordnung zu geben, daß der verurteilte Verbrecher i n eine Zwangsanstalt eingewiesen wird, wenn man beim Strafvollzug i n einer gewöhnlichen Strafanstalt bemerkt, daß die Strafe den betreffenden Rückfallverbrecher nicht bessert. Die objektiven Voraussetzungen für die Einweisung i n eine Zwangsanstalt sind verschieden, je nachdem, ob der Verurteilte normal oder aber i m Sinne von Kap. 3 § 4 Abs. 1 des StGB ein solcher Rechtsbrecher ist, der seine Tat i n einem Zustand verminderter Zurechnungsfähigkeit begangen hat. Ist er normal, so kann er i n dem Fall i n eine Zwangsanstalt eingewiesen werden, daß er für zwei oder mehr Straftaten entweder Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen von wenigstens drei Jahren verbüßt hat und danach ein neues Verbrechen begeht, für das er unter Anwendung von Kap. 6 § 2 Satz 2 des StGB als Rückfallverbrecher zu zeitigem Zuchthaus nicht unter einem Jahr verurteilt wird. Ist er dagegen vermindert zurechnungsfähig, so kann seine Einweisung i n eine Zwangsanstalt angeordnet werden, wenn er eine Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe von wenigstens einem Jahr verbüßt hat und danach eine neue Straftat verübt, für die er unter Anwendung der eben genannten Stelle i n Kap. 6 § 2 des StGB als Rückfallverbrecher zu einer

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird. Voraussetzung ist i n beiden Fällen, daß der Täter wegen der Beweggründe seines Verbrechens oder wegen der Umstände, die bei der Begehung desselben zutage getreten sind, oder wegen seines Geisteszustandes als gefährlich für die öffentliche oder private Sicherheit angesehen wird. Strafen, die wegen politischer Straftaten verhängt sind, werden bei der Anwendung dieses Gesetzes nicht in Betracht gezogen (§ 1 und 2 des Gesetzes vom 9. J u l i 1953)12. B. Verlust des Rechtes zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes Der i n der Überschrift genannte Verlust von Rechten ist eine strafrechtliche Sicherungsmaßnahme nur unter der Voraussetzung, daß er eine vom Gericht verhängte Folge für eine Straftat ist. Viel häufiger erfolgt ein solcher Verlust auf administrativem Wege und ist dann als Verwaltungsmaßnahme zu betrachten. Weder i m Strafrecht noch i m Verwaltungsrecht ist dieser Verlust allgemein geregelt, sondern die Gesetze und Verordnungen enthalten nur kasuistische Bestimmungen darüber. Eine strafrechtliche Sicherungsmaßnahme ist die Aberkennung des Rechtes zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes i n folgenden Fällen. Nach Kap. 16 § 11 des StGB ist jemand, der einen Gefangenen zu bewachen oder zu transportieren hat, wenn er ihn vorsätzlich freiläßt oder vorsätzlich sein Entweichen fördert oder durch Fahrlässigkeit das Entweichen verschuldet, für unfähig zu erklären, fernerhin für ähnliche Aufträge eingesetzt zu werden, falls die Straftat eine solche Aberkennung erfordert. Nach Kap. 38 § 2 ist einem Rechtsanwalt, der zum Schaden seines Auftraggebers dessen Gegner unter erschwerenden Umständen unterstützt oder wider besseres Wissen seinen Auftraggeber zu einem unbegründeten oder unrechtmäßigen Prozeß verleitet oder wider besseres Wissen eine unrechtmäßige Sache übernimmt und führt, die Fähigkeit abzuerkennen, vor Gericht oder anderen öffentlichen Behörden als Bevollmächtigter aufzutreten. Nach Kap. 43 § 4 Abs. 2 ist der Besitzer oder Vorsteher einer Gaststätte oder eines ähnlichen öffentlichen Ortes, der dort Glücksspiel gestattet, zum Verlust des Rechtes zur Ausübung oder zum Vorstehen des Gaststättengewerbes oder eines anderen ähnlichen Gewerbes zu verurteilen, wenn die Straftat es erfordert. Nach § 8 desselben Kapitels ist dem Inhaber oder Vorsteher einer Schankwirtschaft, der jemanden ohne die nötige Pflege läßt, der i n dieser Wirtschaft so betrunken angetroffen wird, daß er der Pflege bedarf, das Recht zur Ausübung des Schankgewerbes oder zum Vorstehen einer Schankwirtschaft abzuerkennen, wenn die Straftat es erfordert. 12

Honkasalo

I I I S. 305 ff.

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Das finnische Strafrecht

C. Die Vermögenseinziehung

oder Konfiskation

(Kap. 2 § 16 und 17)

a) Begriff und allgemeiner Charakter der Konfiskation Unter Konfiskation versteht das finnische Strafrecht eine gesetzlich begründete, entschädigungslose Vermögenseinziehung. Voraussetzung für sie ist immer, daß eine Straftat begangen worden ist, wenn auch derjenige, der zur Vermögenseinziehung verurteilt wird, nicht unbedingt der Täter oder an der Straftat beteiligt zu sein braucht. Diese Strafe kann auch gegen Personen verhängt werden, die außerhalb der strafrechtlichen Verantwortlichkeit stehen, falls sie i n dem vom Gesetz vorgesehenen Verhältnis zum Täter stehen und von der Straftat Nutzen gehabt haben oder falls sie — i n diesem Verhältnis zum Täter stehend — Eigentümer von Gegenständen sind, die als M i t t e l zur Ausführung der Straftat gedient haben. Solches Vermögen verfällt i n der Regel dem Staat, aber diesen Umstand kann man nicht als ein Begriffskennzeichen der Konfiskation ansehen. Die Konfiskation kann ein bestimmtes Vermögensgut i n specie betreffen — dann w i r d sie Sachenkonfiskation genannt — oder den Wert der betreffenden Sache — dann bezeichnet man sie als Einziehung des Wertes. Außerdem kann die Konfiskation alternativ sein und ist es auch recht oft, indem sie entweder ein bestimmtes Vermögensgut oder dessen Wert betrifft; i n diesem Fall steht die zweite Alternative i n subsidiärem Verhältnis zu der ersten. I n der D o k t r i n bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Konfiskation eine Strafe ist oder eine Reaktion, die zu den sogenannten strafrechtlichen Sicherungsmaßnahmen gerechnet werden muß. A u f diese Frage kann man keine solche A n t w o r t geben, die allgemeingültig wäre, unabhängig davon, vom Standpunkt welcher Rechtsordnung man die i n Rede stehende Maßnahme betrachtet, sondern die Frage ist für jede Rechtsordnung gesondert zu lösen. Was die finnische Rechtsordnung angeht, so sprechen viele Umstände gegen den Strafcharakter dieser Maßnahme. Davon ist vor allem die Tatsache zu erwähnen, daß nach Kap. 2 § 16 Abs. 1 und 3 sowie nach verschiedenen Spezialbestimmungen auch andere Personen als die an der Begehung der betreffenden Straftat Beteiligten von der Konfiskation betroffen werden können. Ferner gehört hierher das Infragekommen einer solidarischen Haftung für ein Vermögensgut, das für verfallen erklärt worden ist, sowie das Fehlen eines solchen Entsprechungsverhältnisses zwischen Straftat und Einziehung, wie es für die Strafe kennzeichnend ist, von vielen anderen Unterschieden ganz zu schweigen. Man kann somit sagen, daß die Konfiskation i n der Regel eine Reaktion ist, die zu den strafrechtlichen Sicherungsmaßnahmen gezählt werden muß.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

Obwohl die Vermögenseinziehung vom Standpunkt des finnischen Rechtes i m allgemeinen zu den strafrechtlichen Sicherungsmaßnahmen zu rechnen ist, kann die positivrechtliche Regelung irgendeines Konfiskationsfalles eine solche sein, daß die Maßnahme überwiegend den Charakter einer Strafe annimmt. Ein solcher Fall ist der Verlust des erlangten Nutzens, der i n § 3 des Rationierungsstrafgesetzes vom 30. Dezember 1943 festgelegt ist; dieser Verlust kann über das hinausgehen, was der betreffende Rechtsbrecher durch die Straftat gewonnen hat, und bis zum dreifachen Betrag dieses widerrechtlich erlangten Nutzens ansteigen. Der Strafcharakter dieses Verlustes i n bezug auf den Betrag, der das wirklich Erlangte übersteigt, t r i t t auch darin zutage, daß dazu nur jemand, der an der betreffenden Straftat teilgenommen hat, verurteilt werden kann 1 3 . b) Die verschiedenen Arten der Konfiskation Die Gegenstände der Konfiskation kann man i n drei verschiedene Gruppen einteilen: a) Produkte der Straftat (producta sceleris), b) M i t t e l zur Ausführung der Straftat (instrumenta sceleris), c) gegenständlicher oder dementsprechender Nutzen, der durch die Straftat erlangt worden ist (scelere quaesita). Nach dieser Einteilung können Gegenstände der Konfiskation die unmittelbaren Produkte der kriminalisierten Tat sein. Solche Produkte können entweder Gegenstände sein, m i t deren Hervorbringen die strafbare Tätigkeit geendet hat, oder Gegenstände, die Erzeugnisse einer solchen strafbaren Tätigkeit sind, die erst m i t dem Gebrauch dieser Gegenstände enden solL Die allgemeine Bestimmung des finnischen Strafgesetzes (Kap. 2 § 16) über die Konfiskation erwähnt die Produkte der Straftat nicht als Gegenstände der Vermögenseinziehung, man kann aber wohl zu dieser Kategorie wenigstens einen Teil der Objekte rechnen, die Kap. 2 § 17 des StGB betrifft, eine Gesetzesstelle, die die Einziehung von Drucksachen, Schriften und bildlichen Darstellungen regelt. Das Strafgesetz sowie andere Gesetze außerhalb desselben enthalten zahlreiche Sonderbestimmungen über den Verlust der Produkte von Straftaten. Derartige Bestimmungen sind z. B. Kap. 36 § 10 Abs. 4 des StGB, wonach gefälschte oder nachgeahmte Sachen als verfallen zu erklären sind, Kap. 37 § 7, der bestimmt, daß nachgemachtes oder gefälschtes Metall- oder Papiergeld oder Wertpapiere oder verringertes Metallgeld verfallen sind, und § 78 Abs. 1 Punkt 1 des am 9. Februar 1932 erlassenen Gesetzes über die alkoholischen Getränke, wonach u. a. unbefugt hergestellte alkoholische Getränke und ihre Herstellungsgeräte als verfallen zu erklären sind. Da die Produkte von Straftaten Honkasalo

I I I S. 30 ff.

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Das finnische Strafrecht

nicht allgemein als verfallen erklärt werden, kann eine Einziehung solcher Produkte keine anderen Gegenstände betreffen als diejenigen, auf die sich die genannten Sonderbestimmungen erstrecken. E i n Produkt strafbaren Handelns ist aber i n der Regel entweder ausschließlich oder wenigstens hauptsächlich zur Begehung von Straftaten angefertigt oder beschafft unci ist daher zugleich ein M i t t e l zur Ausführung von Straftaten; unter diesen Voraussetzungen kann es der Konfiskation verfallen. Auch M i t t e l zur Ausführung von Straftaten können als verfallen erklärt werden. Die allgemeine Bestimmung darüber ist enthalten i n Kap. 2 § 16 Abs. 3 des StGB, wo es heißt: „Wenn eine Straftat begangen worden ist, kann auf Einziehung eines Gegenstandes oder sonstigen Vermögensgutes erkannt werden, der oder das dem Täter oder demjenigen gehört, für den oder zugunsten dessen dieser gehandelt hat, und zur Begehung der Straftat benutzt worden oder ausschließlich oder hauptsächlich für die Begehung derselben angefertigt oder beschafft worden ist, auch wenn eine solche Folge i m Gesetz nicht ausdrücklich für die betreffende Straftat vorgeschrieben ist." Außerdem gibt es zahlreiche Sonderbestimmungen über die Einziehung von M i t t e l n zur Ausführung von Straftaten. Einige von ihnen haben die Einziehung auf solche Vermögensgüter ausgedehnt, die man nicht als M i t t e l zur Ausführung von Straftaten i n gewöhnlichem Sinne betrachten kann und die deshalb i n der wissenschaftlichen Lehre Gegenstände der Straftat genannt werden (corpus delicti). So ist nach § 4 des Rationierungsstrafgesetzes als ganz oder teilweise verfallen zu erklären ein solches Vermögensgut oder der Wert eines solchen Vermögensgutes, hinsichtlich dessen der Rechtsbrecher gegen die i n § 1 dieses Gesetzes gegebenen Vorschriften verstoßen hat; eine erläuternde und ergänzende Bestimmung über derartige Verstöße ist enthalten in § 4 Abs. 3 desselben Gesetzes. Die Konfiskation kann auch den durch eine Straftat erlangten w i r t schaftlichen Nutzen betreffen. Die Hauptbestimmung hierüber findet sich i n Kap. 2 § 16 Abs. 1: „Der wirtschaftliche Nutzen, den eine Straftat ihrem Täter oder demjenigen bringt, für den oder zu dessen Gunsten er sie begangen hat, ist vom Gericht nach freiem Ermessen zu schätzen und für verfallen zu erklären, ohne Rücksicht darauf, ob gegen den, für den der Täter gehandelt hat, Anklage erhoben worden ist." Eine weittragende Sonderbestimmung über derartige Konfiskation ist enthalten i n § 3 des Rationierungsstrafgesetzes, dessen eine Bestimmung schon oben erwähnt worden ist 1 4 . 14 Honkasalo I I I S. 309 ff., Die Einziehung von scelere quaesita usw. in ,Studi in memoriam di Arturo Rocco II", S. 69 ff.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

Drittes

45

Kapitel

Von den Gründen, die die Strafbarkeit ausschließen oder vermindern Dieses Kapitel enthält, ohne der i n der Theorie angenommenen Einteilung zu folgen, eine Anzahl von Gründen, die die Strafbarkeit ausschließen oder vermindern. Notwehr (§§ 6, 7, 8, 8 a und 9) und Notstand (§ 10) werden i n der D o k t r i n z u den objektiven straf ausschließenden oder strafmildernden Gründen gerechnet, wogegen Strafunmündigkeit (§ 1), Jugend (§ 2), Unzurechnungsfähigkeit (§ 3), sogenannte verminderte Zurechnungsfähigkeit (§ 4) und sinnlose Trunkenheit (§ 3, vgl. § 4) als subjektive straf ausschließende oder strafmildernde Gründe angesehen werden. Das Kapitel enthält auch eine Bestimmung darüber, daß für eine Handlung, die nach dem Ermessen des Gerichts eher auf einen unglücklichen Zufall als auf Verschulden zurückzuführen ist, keine Strafe verhängt werden darf (§ 5). I. D i e S t r a f u n m ü n d i g k e i t

(§ 1)

Taten, die von Kindern begangen werden, bevor diese das fünfzehnte Lebensjahr vollendet haben, bleiben straflos. Gegenüber solchen K i n dern können nach dem Kinderschutzgesetz vom 17. Januar 1936 nur soziale Fürsorgemaßnahmen angewandt werden. I I . D i e J u g e n d (§2) Wenn jemand, der i m A l t e r von der Vollendung des fünfzehnten bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres eine Straftat begangen hat, zu einer gewöhnlichen Freiheitsstrafe oder zu Geldstrafe verurteilt wird, ist seine Strafe nach der i n § 2 angegebenen herabgesetzten Skala zu bemessen. Ist für die betreffende Straftat i m Gesetz die Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus angedroht, so beträgt die reduzierte Skala Zuchthaus von zwei bis zu zwölf Jahren. I n den übrigen Fällen beträgt eine Strafe i n allgemeiner Strafart höchstens drei Viertel der i m Gesetz angedrohten strengsten Strafe und nicht weniger als der Mindestbetrag, auf den i n der vorgesehenen Strafart gemäß Kapitel 2 erkannt werden darf. Ist das Verbrechen m i t keiner anderen Strafe i n allgemeiner Strafart bedroht als m i t zeitigem Zuchthaus, so kann ein Jugendlicher, der die Tat i m oben genannten A l t e r verübt hat, auch zu Gefängnis bis zu drei Vierteln des Höchstbetrages dieser Zuchthausstrafe verurteilt werden, jedoch zu nicht mehr als vier Jahren. Bei Jugendlichen von der oben erwähnten A r t kann unter den i n Kapitel 2 angegebenen Voraussetzungen von einer Anklage und Verurteilung abgesehen werden. Die Verhängung eines bedingten Straf-

46

Das finnische Strafrecht

urteils w i r d nicht dadurch gehindert, daß der Täter während der seiner Tat vorausgegangenen fünf Jahre zu einer Strafe verurteilt worden ist, die i n § 2 des Gesetzes über das bedingte Strafurteil genannt ist, oder während dieser Zeit solche Strafen verbüßt hat; davon ist bei der Besprechung des bedingten Strafurteils ebenfalls die Rede gewesen. Statt zu einer gewöhnlichen Strafe kann ein solcher Jugendlicher unter bestimmten subjektiven Voraussetzungen zur Verbüßung seiner Strafe i n das Jugendgefängnis eingewiesen werden 1 5 . III. D i e U n z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t

(§3)

§ 3 des i n Rede stehenden Kapitels bestimmt: „Eine Tat ist nicht strafbar, wenn sie von einem Geisteskranken oder von jemandem, der aus Altersschwäche oder einer anderen ähnlichen Ursache unzurechnungsfähig ist, begangen w i r d (Abs. 1). Befindet sich jemand i n einer solchen zufälligen Geistesverwirrung, daß er seiner nicht bewußt ist, so ist eine Tat, die er i n diesem bewußtlosen Zustand verübt, ebenfalls nicht strafbar" (Abs. 2). Geisteskrankheit und Schwachsinn schließen die Strafbarkeit nur unter der Voraussetzung aus, daß sie den Täter unzurechnungsfähig machen. Die Unzurechnungsfähigkeit kann nicht allgemein beurteilt werden, ohne die jeweils begangene Straftat i n Betracht zu ziehen. Das Gutachten des medizinischen Sachverständigen bindet den Richter nicht, sondern dieser hat i n dieser Frage eine Entscheidungsgewalt, die er nach eigenem Ermessen auszuüben hat. E i n wegen Unzurechnungsfähigkeit Freigesprochener kann sichernden Maßnahmen unterworfen werden. Solche Maßnahmen anzuordnen ist Sache der Verwaltungsbehörden, nicht des Gerichts (s. Ges. über die Geisteskranken vom 2. M a i 1952, §§ 33—36). Auch m i t Geisteskrankheit vergleichbare Zustände, wie Fieberphantasien, epileptische Dämmerzustände usw. können die Zurechnungsfähigkeit beseitigen. Während der Dauer der Unzurechnungsfähigkeit darf eine Strafe nicht vollstreckt werden (s. StrafvollstrVO Kap. 2 § 1 Ziffer 4). IV. D i e v e r m i n d e r t e

Zurechnungsfähigkeit

(§ 4)

§ 4 bestimmt folgendes: „Wenn das Gericht der Ansicht ist, daß jemand bei der Begehung einer Straftat des vollen Gebrauchs der Vernunft nicht mächtig war, obwohl man i h n nicht nach § 3 als unzurechnungsfähig betrachten kann, so ist auf eine Strafe i n allgemeiner Strafart nach Maßgabe von § 2 zu erkennen (Abs. 1). I n diesem Fall 15

Honkasalo I I I S. 123, 144 ff.; I I S. 30 ff.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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darf ein Rausch oder eine andere ähnliche, vom Täter selbst verschuldete Geistesverwirrung nicht allein als Grund zu einer derartigen Strafminderung angesehen werden" (Abs. 2). Den i n dieser Gesetzesstelle gemeinten, eine Strafminderung veranlassenden Zustand hat man verminderte Zurechnungsfähigkeit genannt. Obwohl darin nur davon gesprochen wird, daß der Täter des vollen Gebrauchs der Vernunft nicht mächtig ist, ist die Anwendung dieser Gesetzesstelle nicht auf solche Fälle beschränkt, i n denen sein intellektuelles Niveau beträchtlich unter dem Normalen liegt, sondern erstreckt sich auch auf Psychopathen, denen es wegen der Abnormität ihrer Willensfunktionen und ihres Gefühlslebens schwer fällt, sich den Forderungen des sozialen Zusammenlebens zu fügen. Die i n Rede stehende Gesetzesstelle besagt ausdrücklich, daß ein Rausch, den der Täter selbst verschuldet hat, nicht als Strafminderungsgrund angesehen werden kann. Aus dieser Stelle läßt sich die Schlußfolgerung ziehen, daß das Gesetz nicht hindert, einen solchen Rauschzustand, der vollständige Unzurechnungsfähigkeit verursacht, als Strafausschließungsgrund zu betrachten. I n der Praxis hat jedoch nur sogenannte pathologische Trunkenheit und auch sie nur i n einigen wenigen Fällen Freisprüche veranlaßt 1 6 . V. D i e Ν ο t w e h r (§ 6, 7, 8 und 8 a) Die Notwehr ist eine zur Abwehr eines unmittelbar drohenden oder bereits begonnenen rechtswidrigen Angriffs erforderliche Verteidigung mittels eines Gegenangriffs gegen den Bedränger. Für die Notwehr zum Schutz von privaten Rechtsgütern gelten folgende Bestimmungen: „Hat jemand, um sich selbst oder einen anderen oder eigenes oder eines anderen Eigentum gegen einen begonnenen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff zu schützen, eine Handlung begangen, die, obwohl sonst strafbar, zur Abwehr des Angriffs notwendig war, so ist er für diese Notwehr nicht zu bestrafen" (§ 6). „Dringt jemand unerlaubterweise i n eines anderen Zimmer, Haus, Hof oder Schiff ein, oder setzt sich jemand zur Wehr gegen einen, der auf frischer Tat sein Eigent u m zurücknehmen w i l l , so ist gleichfalls ein Recht zur Notwehr vorhanden" (§ 7). I n der Doktrin bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, i n welchem Ausmaß Notwehr berechtigt ist. Nach der einen Ansicht beruht das Notwehrrecht auf dem Grundsatz, daß das Recht dem Unrecht nicht zu weichen brauche, woraus sich ergebe, daß Notwehr soweit berechtigt sei, wie sie zum Schutz eines Rechtsguts nötig ist. Die andere A n sicht fußt auf dem Relativitätsgrundsatz. Der Wortlaut des Gesetzes 16

Honkasalo I I S. 39 ff., 70 ff.

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Das finnische Strafrecht

stützt ohne Zweifel die erstgenannte Auffassung. Dessen ungeachtet ist man allgemein der Meinung, daß aus dem Gesetz trotz dessen Wortlaut keine extremen Folgerungen gezogen werden sollen. Anwendung äußerster Gewalt zum Schutz eines ganz geringfügigen Interesses ist zweifellos als Notwehrexzess anzusehen. Das ist besonders dann der Fall, wenn der Angriff von Seiten eines Kindes oder eines Unzurechnungsfähigen erfolgt und keine bewußte Auflehnung gegen die Rechtsordnung i n sich schließt. Das finnische Recht gestattet Notwehr nicht zum Schutz jedes beliebigen Rechtsguts. Durch Notwehr geschützt werden dürfen n u r das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit, der Hausfriede und das Vermögen einschließlich des tatsächlichen Besitzes. Das finnische Strafgesetz kennt auch eine Notwehr zum Schutz öffentlicher Interessen, die sogenannte ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e N o t w e h r . Das Recht dazu w i r d i n § 8 den Behörden zugesprochen, u m das Entweichen von Gefangenen zu verhindern, die Ordung i m Gefängnis aufrechtzuerhalten, Verhaftungen durchzuführen oder entwichene Gefangene zu ergreifen. Das gleiche Recht haben Personen, die den zuständigen Beamten zur Erreichung der eben genannten Zwecke Hilfe leisten. Die i n Rede stehende Gesetzesstelle besagt ausdrücklich, daß Notwehr i n dem Umfang angewandt werden darf, der zur Erreichung dieser Zwecke notwendig ist; somit liegt die Beschränkung des Notwehrrechts nach dieser Gesetzesstelle n u r i n dem jeweiligen Grade der Notwendigkeit einer Notwehr. Hingegen hat der Gesetzgeber hinsichtlich des Notwehrrechts, das er i n § 8 a den Polizeibehörden zugebilligt hat, das i n den oben erwähnten Gesetzesstellen angenommene Unbedingtheitsprinzip aufgegeben und stattdessen bestimmt, daß wenn jemand einem Polizeibeamten bei der Ausübung seiner Dienstpflichten, die die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit bezweckt, gewalttätig oder unter Androhung von Gewalt Widerstand leistet, dieser Beamte das Recht hat, soweit Gewalt anzuwenden, wie sich unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit des Widerstandes, der Person des Widerstand Leistenden und der Notwendigkeit, die Ordnung zu sichern, vertreten läßt. I n dieser Gesetzesstelle hat also der Relativitätsgrundsatz eine ausdrückliche Anerkennung gefunden. Einigen Beamten w i r d i n verschiedenen Spezialbestimmungen ein Notwehrrecht zugesprochen. Solche Bestimmungen sind § 38 des Mil.StGB, Kap. 3 § 30 des Gesetzes über die Zwangsvollstreckung und § 60 des Seemannsgesetzes. Über die Anwendung von Waffengewalt i n einigen Fällen finden sich Bestimmungen i n Kap. 16 § 6 des StGB, i n der Bekanntmachung über die Aufforderung an Wehrmachtstruppen, Amtshilfe zu leisten, vom Jahr 1896 sowie i n der Verordnung über die

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Beziehungen zwischen M i l i t ä r - und Zivilbehörden i m Frieden, die am 11. November 1922 erlassen worden ist. Als straf ausschließender Grund kommt auch die P u t a t i v n o t w e h r i n Frage, weil bei eineu Person, die glaubt, innerhalb der erlaubten Grenzen Notwehr anzuwenden, die Vorsätzlichkeit fehlt. Stritt i g ist die Frage, ob jemand, der Putativnotwehr anwendet, n u r für Notwehrexzeß zu bestrafen ist, wenn er die Grenzen überschreitet, bis zu denen zu gehen die von i h m geglaubte Situation gestattet hätte. I n der D o k t r i n vertritt man allgemein diese Meinung. Der Oberste Gerichtshof hat sich jedoch i n einem Rechtsfall auf den Standpunkt gestellt, daß jemand, der sich einen Putativnotwehrexzeß zuschulden kommen läßt, keine Minderung der Strafe erhalten soll. Notwehr, die sich i n den erlaubten Grenzen hält, ist gerechtfertigt und somit straflos. Auch Notwehrexzeß bleibt straflos, „ w e n n eine so dringende Not oder Gefahr vorhanden war, daß der Betreffende sich nicht besinnen konnte". Falls Notwehrexzeß strafbar ist, kann die festgesetzte Strafe i n der Weise herabgesetzt werden, wie es i n § 2 für eine solche Tat bestimmt ist, die der Täter i m A l t e r zwischen der Vollendung des fünfzehnten und der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres begangen hat, oder es kann bei Zumess ung der Strafe nach der nicht herabgesetzten Skala die Notwehrsituation als mildernder Umstand berücksichtigt werden (§ 9) 1 7 . V I . D e r N o t s t a n d (§ 10) § 10 dieses Kapitels bestimmt: „Hat jemand, u m sich oder einen anderen oder eigenes oder eines anderen Eigentum aus einer unmittelbaren Gefahr zu retten, eine strafbare Handlung begangen, und wäre eine Rettung ohne dieselbe unmöglich gewesen, so hat das Gericht nach der A r t der Tat und den Umständen zu entscheiden, ob er straflos ausgehen soll oder ob er eine volle Strafe oder eine nach Maßgabe des 1. Abs. von § 2 herabgesetzte Strafe v e r w i r k t hat." I n der Strafrechtswissenschaft sind Meinungsverschiedenheiten darüber aufgetreten, worauf sich die Straflosigkeit oder verminderte Strafbarkeit der Notstandshandlung gründet. Nach der einen Ansicht beruht die Straflosigkeit oder verminderte Strafbarkeit auf der größeren oder geringeren Entschuldbarkeit der Tat. Nach der anderen Auffassung ist eine i m Notstand geschehene Tat unter gewissen Voraussetzungen geradezu gerechtfertigt, so daß eine aus subjektiven Gründen festgesetzte Straflosigkeit oder mildere Bestrafung nur dann i n Frage kommt, wenn diese Voraussetzungen fehlen. Die letztgenannte Auffassung kann man als die heute herrschende betrachten. 17 4

Honkasalo I S. 166 ff.

Ausländisches Strafrecht II

as finnische Strafrecht

Eine Notstandshandlung w i r d u n t e r d e r V o r a u s s e t z u n g a l s g e r e c h t f e r t i g t a n g e s e h e n , daß der S c h a d e n , den sie v e r u r s a c h t , w e s e n t l i c h g e r i n g e r ist als der S c h a d e n , d e n s i e a b w e h r t . Diese Richtlinie ist relativ und gibt dem Richter, der das Gesetz anwenden soll, keine bestimmten A n weisungen für die i n der Praxis vorkommenden Fälle. Somit muß als Richtlinie außer der Wertung der verschiedenen Rechtsgüter seitens des Gesetzgebers, die sich u. a. i n den für ihre Verletzung jeweils angedrohten Strafen zeigt, i n erster Linie das allgemeine Rechtsgefühl dienen. Als gerecht kann es wohl i m allgemeinen betrachtet werden, wenn zur Rettung des Lebens Vermögen eines anderen geopfert wird. Ebenso ist das Opfern von Vermögen, u m anderes Vermögen von erheblich höherem Wert zu retten, als gerechtfertigt anzusehen. Sehr schwierig w i r d die Beurteilung des gegenseitigen Verhältnisses, wenn eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit m i t der Opferung eines Vermögenswertes verglichen werden muß. Dieser Grundsatz der Rechtfertigung einer Notstandshandlung erfordert eine Modifizierung bei einigen Interessengegensätzen, nämlich i n solchen Fällen, i n denen der durch die Notstandshandlung verursachte Verlust eines Vorteils jemanden trifft, i n dessen Besitz sich der Gegenstand befindet, von dem die Gefahr droht, zu deren Abwehr die betreffende Notstandshandlung ausgeführt wird. Eine Person, die i n eine derartige Lage geraten ist, fühlt sich i n höherem Maße berechtigt, die gefährdeten Interessen zu verteidigen, als jemand, der i n den Interessenkreis eines anderen eindringt, ohne daß von Seiten dieses anderen irgendeine Gefahr seine Interessen bedroht. Das allgemeine Rechtsempfinden b i l l i g t d i e O p f e r u n g d e s R e c h t s guts derjenigen Person, von deren Interessenkreis her eine Gefahr droht, wenn nicht der Schaden, der durch die N o t s t a n d s h a n d l u n g verursacht w i r d , im V e r g l e i c h zu dem g e r e t t e t e n Rechtsgut u n v e r h ä l t n i s m ä ß i g g r o ß i s t . Diese Norm des lebendigen Lebens, die das Rechtsgefühl gutheißt, kann der Anwender des Strafgesetzes nicht unberücksichtigt lassen. Der i n Rede stehende Paragraph definiert die Interessen, die durch eine Notstandshandlung gerettet werden dürfen, i n derselben Weise wie § 6, der sich auf die Notwehr bezieht, die Rechtsgüter, die durch Notwehr geschützt werden können. Nach der i n Finnland einmütig angenommenen Meinung, von der früher die Rede gewesen ist, gibt es ein Notwehrrecht nicht ausnahmslos, auch nicht zum Schutz aller individuellen Rechtsgüter; dieser Umstand zeigt sich deutlich darin, daß der Hausfriede als Schutzobjekt i n § 7 besonders berücksichtigt ist. Diese Einschränkung läßt sich wohl durch die Unbedingtheit begrün-

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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den, die das finnische Rechtssystem i n §§ 6, 7 und 8 angenommen hat, aber eine solche Einschränkung kann man nicht aus dem Charakter des Prinzips herleiten, das dem Institut des Notstandes zugrunde liegt. Da man unter dem Wortlaut von § 10 alle individuellen Interessen verstehen kann, liegt kein Grund vor, irgendeine Beschränkung für diese auszusprechen. Recht zweifelhaft ist es dagegen, ob man eine Tat, die zur Rettung eines öffentlichen Rechtsguts begangen wird, als Notstandshandlung betrachten kann. Die Opferung eines öffentlichen Interesses zur Rettung eines privaten Rechtsguts läßt sich aber nach der i n Rede stehenden Gesetzesstelle offenbar als Notstandshandlung beurteilen. Für eine gerechtfertigte Nots,tandshandlung kann keine Strafe verhängt werden. Auch bei einer rechtswidrigen Notstandshandlung kann man aus subjektiven Gründen von einer Bestrafung absehen. Wenn auf eine Strafe erkannt werden muß, steht dem Richter nach den Umständen entweder die ursprünglich festgesetzte Skala zur Verfügung oder die nach § 2 herabgesetzte Skala, von der schon mehrfach die Rede gewesen i s t 1 8 . Viertes I. D e r

Kapitel Versuch

Das Kapitel des StGB, das den Versuch behandelt, enthält keine Definition desselben. Hingegen haben beide Entwürfe zum Strafgesetz eine solche enthalten. Die Hauptbestimmung über den Versuch i n § 68 des Strafgesetzentwurfs von 1875 lautet: „Eine vorsätzliche Straftat ist nicht als vollendet anzusehen, bevor die Wirkung eingetreten ist, die einer solchen Straftat eigen ist. Wenn jemand seine Absicht, irgendeine Straftat zu begehen, durch eine solche Tätigkeit gezeigt hat, die einen Anfang zur Begehimg einer solchen Straftat enthält, so ist er, auch wenn die Straftat durch seine Tätigkeit nicht vollendet wird, wegen Versuchs der betreffenden Straftat zu bestrafen, wenn i m Gesetz besonders bestimmt ist, daß der Versuch einer solchen Straftat durch eine Strafe zu sühnen ist." Dieser Strafgesetzentwurf machte einen Unterschied zwischen dem Versuch m i t absolut untauglichen M i t t e l n und dem m i t relativ untauglichen Mitteln. Er enthielt auch eine Definition der Vorbereitung einer Straftat. Die Definition des Versuchs i m Strafgesetzentwurf von 1884 lautet folgendermaßen (§ 39): „Wenn jemand i n der Absicht, eine bestimmte Straftat zu begehen, eine Handlung ausgeführt hat, durch die die Ausführung der betreffenden Straftat begonnen worden ist, ohne daß aber die Straftat vollendet wird, so ist diese Handlung als Versuch der Straftat anzu18

4*

Honkasalo

I S. 186 ff.

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Das finnische Strafrecht

sehen." Eine Bestimmung über die Vorbereitung hat das Komitee, das diesen Entwurf ausgearbeitet hat, nicht für nötig gehalten, w e i l aus der Definition des Versuchs m i t genügender Klarheit hervorging, daß die Vorbereitung außerhalb von dessen Bereich blieb. Die Bestimmungen des früheren Strafgesetzentwurfs über die Untauglichkeit der M i t t e l des Versuchs betrachtete das Komitee als ins Gebiet der Wissenschaft gehörig und nahm sie deshalb nicht i n seinen E n t w u r f auf. A. Die subjektive

Seite des Versuchs

Obwohl auch eine andersartige Meinung aufgetreten ist, herrscht i n der finnischen Strafrechtswissenschaft die Auffassung, daß die subjektive Seite des Versuchs auch m i t dem Charakter eines dolus eventualis auftreten kann. B. Die objektive

Seite des Versuchs

Gemäß dem Charakter des positiven Rechts hat sich die finnische D o k t r i n ganz allgemein auf den Standpunkt objektiver Theorien gestellt, nach denen zur Strafbarkeit eines Versuchs eine Tat erforderlich ist, die irgendein Rechtsgut konkret gefährdet und wegen dieser konkreten Gefährlichkeit vom Rechtssystem verboten ist. I n der Strafrechtswissenschaft ist eine Richtung vertreten, die zur Tauglichkeit des Versuchs nichts anderes fordert, als daß er nach den Verhältnissen, die i m Augenblick der Begehung der Tat herrschten und erkannt werden konnten, gefährlich gewesen ist. Demnach könnte ein strafbarer Versuch auch dann vorliegen, wenn der betreffenden Tat i m Lichte späterer Betrachtung die zum Tatbestand der Straftat notwendigen Kriterien fehlen. Der Versuch zur Tötung einer Person, von der nachträglich festgestellt wird, daß sie schon vor diesem Versuch tot war, wäre dann strafbar, wenn sie auf Grund der Tatsachen, die sich bei der Begehung der Tat erkennen ließen, für lebendig gehalten wurde; ebenso ist ein Versuch der Abtreibung strafbar, auch wenn die behandelte Frau gar nicht schwanger war, wenn aber geglaubt wurde, daß sie sich i m Zustande der Schwangerschaft befand. Da das Strafgesetz als vollendete Tat n u r ein solches Verhalten bestraft, das die vom Gesetz vorausgesetzten Kriterien erfüllt, t r i t t in der finnischen Doktrin i n weitem Umfang die Meinung auf, daß kein strafbarer Versuch vorliegen kann, wenn der auf die jeweilige Folge abzielenden Tat die vom Gesetz vorgesehenen Kennzeichen fehlen, deren Vorhandensein auf Grund der i n der Gerichtsverhandlung bekannten Tatsachen festzustellen ist. Die Rechtsprechung scheint zwischen den beiden soeben dargestellten objektiven Theorien zu schwanken. C. Die Bestrafung des Versuchs Ein Versuch ist nur i n den Fällen strafbar, i n denen das Gesetz eine ausdrückliche Bestimmung darüber enthält.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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Wenn das Gesetz keine besondere Strafe für den Versuch androht, ist dafür eine Strafe nach der Gesetzesstelle zu verhängen, die die Strafe für die vollendete Straftat festsetzt, aber das Strafmaß ist in der Weise herabzusetzen, wie es nach dem obenerwähnten § 2 des 3. Kapitels bei einem Jugendlichen herabgesetzt wird, der bei der Begehung der Straftat das fünfzehnte, aber noch nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat. Wenn für die vollendete Straftat der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte angedroht ist, so ist zu dieser Nebenstrafe für den Versuch nur eine solche Person zu verurteilen, die eine Zuchthausstrafe v e r w i r k t hat (§ 1). D. Ablassen vom Versuch und tätige Reue § 2 dieses Kapitels bestimmt: „Hat der Täter aus eigenem Antriebe, nicht wegen äußerer Hindernisse, die Ausführung der Straftat aufgegeben oder die zur Vollendung derselben gehörende Wirkung abgewendet, so bleibt der Versuch straflos." Aufgeben kann man nur etwas Unvollendetes, wogegen durch tätige Reue die zu erwartende Folge der abgeschlossenen Tätigkeit abgewendet werden kann. Bei der Beurteilung der Frage, ob das Ablassen von einem Versuch aus eigenem Antrieb oder wegen äußerer Hindernisse erfolgt ist, muß man von dem subjektiven Standpunkt des Ablassenden ausgehen. Wenn er glaubt, daß äußere Hindernisse der Vollendung der betreffenden Straftat entgegenstehen, r ü h r t das Ablassen vom Versuch nicht von solchen Motiven her, die i h m als frei gewählt erscheinen, sondern es rührt davon her, daß er die Erzielung der gewünschten Folge nicht für möglich hält. Die seelische Einstellung desjenigen, der den Versuch unternommen hat, w i r d in einem solchen Fall treffend durch die Formel von F r a n k ausgedrückt: „Ich erreiche mein Ziel nicht, obwohl ich es wollte." Wenn er dagegen denkt: „Ich w i l l das Ziel nicht erstreben, obwohl ich es könnte", ist das Ablassen vom Versuch als etwas freiw i l l i g Geschehenes anzusehen. Die Freiwilligkeit w i r d also nicht nur durch tatsächliche Hindernisse beseitigt, die der Ausführung der betreffenden Straftat entgegenstehen, sondern auch durch solche Hindernisse, die lediglich in der Vorstellung desjenigen bestehen, der den Versuch unternommen hat. Nach § 42 des Strafgesetzentwurfs von 1884 schloß tätige Reue die Strafbarkeit eines Versuchs unter der Bedingung aus, daß der Betreffende „von selbst, bevor seine Tat entdeckt worden ist, das Eintreten der Wirkung verhindert hat, die der Vollendung der Straftat eigen ist". Hinsichtlich des Einflusses der Entdeckung oder Nichtentdeckung der Tat ist diese Bestimmung nicht ins StGB aufgenommen worden, aber die Forderung der Freiwilligkeit ist sowohl für die tätige Reue als auch für das Ablassen vom Versuch beibehalten worden. Die Verhinderung des Eintretens der Folge kann nicht wegen einer Ent-

Das finnische Strafrecht

deckung der Straftat als durch äußere Gründe veranlaßt betrachtet werden, nicht einmal i n dem Fall, daß diese Entdeckung demjenigen, der den Versuch unternommen hat, bekannt geworden ist. Tätige Reue hat strafausschließende Wirkung nur unter der Voraussetzung, daß das Eintreten der Folge der betreffenden Straftat verhindert wird. Ebenso ist Voraussetzung, daß das Verhindern des Eintretens der Folge durch eine Tätigkeit des Täters erreicht wird. Wenn dieses Kausalverhältnis fehlt, kann ein Handeln des Täters, das auf die Verhinderung des Eintretens der Folge abzielt, keine von der Strafe befreiende Wirkung haben. Aber die Folge ist auch dann als vom Täter verhindert anzusehen, wenn er diese Verhinderung durch Vermittlung oder Hilfe eines anderen erzielt hat. Das soeben besprochene Sichzurückziehen von der Straftat ist ein solcher besonderer Umstand, der nach Kap. 5 § 4 des StGB nur für solche Täter, Anstifter oder Gehilfen gilt, bed denen die erwähnten Umstände vorliegen 1 9 . II. D i e

Vorbereitung

Die Vorbereitung einer Straftat ist nur dann strafbar, wenn das Gesetz eine ausdrückliche Bestimmung darüber enthält. Eine solche Bestimmung gibt es für recht wenige Fälle. Zur Vorbereitung gehört die Absicht, i n der Zukunft eine bestimmte Straftat zu begehen, und ein äußeres Handeln, durch das man die künftige Ausführung der Straftat erleichtern w i l l . Der Gesetzgeber hat i n § 3 Abs. 2 dem Vorbereiter einer Straftat die gleiche Möglichkeit, straffrei auszugehen, zugebilligt wie i n § 2 demjenigen, der den Versuch einer Straftat unternimmt. Freiheit von der Strafe für eine solche Vorbereitung kann man sowohl durch Ablassen von der Vorbereitung als auch durch tätige Reue erlangen, falls diese beiden Formen bei der jeweiligen Vorbereitung möglich sind. Das Ablassen von der Vorbereitung einer Straftat ist ein solcher besonderer Umstand, der i n Kap. 5 § 4 des StGB gemeint ist 2 0 .

Fünftes

Kapitel

Die Teilnahme Anstiftung und Beihilfe sind i m Strafgesetz einer Sonderregelung unterworfen. Das bedeutet jedoch nicht, daß der Gesetzgeber den Kausalzusammenhang als durch die freie und vorsätzliche Tat des Täters abgebrochen betrachtet hätte oder daß er hätte ein Verbot er19 20

Honkasalo I I S. 140 ff. Honkasalo I I S. 164 ff.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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lassen wollen, die Täterverantwortung auf die Herbeiführung einer Folge auszudehnen, die durch die freie und vorsätzliche Willenstätigkeit eines anderen bewirkt w i r d (Regreßverbot). Zum Verständnis dieser Sonderregelung ist zu beachten, daß der Unterschied zwischen den obengenannten Formen der Tätigkeit und der eigentlichen Begehung der Straftat schon seit uralten Zeiten bekannt ist. Das finnische Recht enthält viele Beweise einerseits dafür, daß der Gesetzgeber den Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des Anstifters sowie des Gehilfen und der Folge nicht als abgebrochen angesehen hat, andererseits dafür, daß die zur eigentlichen Teilnahme gehörenden Handlungen trotz ihrer Kausalität vom Gesetzgeber strafrechtlich anders beurteilt werden als die Haupttat. Indem der Gesetzgeber i m geltenden Strafgesetz Anstiftung und Beihilfe von der Haupttat getrennt hat, ist er der historischen Tradition gefolgt. Man kann also die Bestimmungen über Anstiftung und Beihilfe nicht so auslegen, daß der Gesetzgeber dadurch die strafrechtliche Verantwortung auf solche Taten hätte ausdehnen wollen, die seiner Ansicht nach keine kausalen Voraussetzungen der Folge sind, sondern man muß sie so deuten, daß der Gesetzgeber die genannten, seit alten Zeiten besonders berücksichtigten Tätigkeitsformen, die nach den vom Strafgesetz angenommenen allgemeinen Grundsätzen eine Täterverantwortung bewirken würden, Sonderbestimmungen unterworfen hat. Die Doktrin ist fast einmütig darin, daß die Beihilfe vom Handeln des Täters nach formal objektiven Kriterien zu unterscheiden ist. Der Wortlaut von § 1 dieses Kapitels: „Haben zwei oder mehrere gemeinschaftlich eine Straftat b e g a n g e n " , sowie der Wortlaut von §3: „Hat jemand w ä h r e n d oder v o r der B e g e h u n g einer Straftat durch einen anderen vorsätzlich m i t Rat und Tat oder durch Ermunterung der A u s f ü h r u n g V o r s c h u b g e l e i s t e t " , sprechen deutlich für die Auffassung, daß der Gesetzgeber den Unterschied zwischen dem Handeln des Täters und der Beihilfe auf Grund ihrer formalen Qualität gemacht hat. Als Täterschaft ist das Handeln bei der Ausführung der Tat anzusehen, als Beihilfe dagegen eine solche Handlung, die die Ausführung ermöglicht oder begünstigt. Als Ausführung ist eine solche Tat zu betrachten, die, ohne Anstiftung oder Beihilfe zu sein, die tatbestandsmäßige Folge herbeiführt. Voraussetzimg für die Strafbarkeit von Anstiftung und Beihilfe ist nicht die Strafbarkeit der Haupttat i n concreto, sondern lediglich i n abstracto. M i t anderen Worten, Voraussetzung ist nicht, daß der Täter bestraft wird, sondern nur, daß seine Tat die allgemeinen Voraussetzungen der Strafbarkeit erfüllt. Verschiedene Meinungen sind darüber geäußert worden, was man als zur abstrakten Strafbarkeit der Haupttat gehörig ansehen muß. Nach der herrschenden Ansicht gehört

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Das finnische Strafrecht

dazu außer Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit auch die Zurechnung i n ihrer v o r s ä t z l i c h e n Form. Nach S u n d s t r ö m S a l m i a l a genügt auch ihre fahrlässige Form i n den Fällen, i n denen die Straftat auch i n dieser Form strafbar ist 2 1 . Es ist zuzugeben, daß der Wortlaut des StGB die letztgenannte Auslegung nicht hindert. A n stiftung und Beihilfe müssen laut ausdrücklicher Bestimmung des Gesetzes vorsätzlich geschehen, aber diese Forderung stellt das Gesetz nicht i n bezug auf die Haupttat. Dem Wortlaut nach kann man A n stiftung und Beihilfe zu einer fahrlässigen Tat unter der Voraussetzung bestrafen, daß die Tat auch i n dieser Form kriminalisiert ist. Aber das Ergebnis wäre vom Standpunkt der strafrechtlichen Grundsätze nicht befriedigend, wenn der eigentliche Teilnehmer m i t der Strafe davonkäme, die für eine fahrlässig begangene Straftat angedroht ist, ungeachtet dessen, daß er vorsätzlich zur Herbeiführung der Folge mitgewirkt hat. Z u einem richtigeren Ergebnis gelangt man zweifellos, wenn man gemäß der herrschenden Auffassung den A n stifter und den Gehilfen, falls die Haupttat eine fahrlässige Straftat ist, als mittelbare Täter für eine vorsätzliche Handlung bestraft 2 2 . I. D i e T ä t e r s c h a f t Über die Täterschaft gibt es i m StGB keine anderen Bestimmungen als die i n § 1 dieses Kapitels enthaltene Bestimmung über die M i t täterschaft, die folgendermaßen lautet: „Haben zwei oder mehrere gemeinschaftlich eine Straftat begangen, so w i r d jeder von ihnen als Täter bestraft." Hinsichtlich der eigentlichen Mittäterschaft, die von der zufälligen Mittäterschaft zu unterscheiden ist, folgen die finnische D o k t r i n u n d die finnische Praxis den von der deutschen Strafrechtswissenschaft vorgezeichneten L i n i e n 2 3 . Auch i n bezug auf die mittelbare Täterschaft haben die wissenschaftliche Lehre und die Praxis im allgemeinen den Standpunkt der deutschen Strafrechtswissenschaft angenommen 24 . II. D i e A n s t i f t u n g I

§ 2 des Kapitels bestimmt: „Wer einen anderen vorsätzlich durch Aufforderung, Geschenke, Verführung oder sonstwie zur Begehung einer Straftat bestimmt oder verleitet, wird, einerlei ob die Straftat vollendet w i r d oder beim strafbaren Versuch bleibt, wegen Anstiftung 21 Sundström, Varsinaisesta osallisuudesta ( = Über eigentliche Teilnahme) S. 88. 22 Honkasalo I I S. 194 ff. 28 Vgl. Schönke-Schröder, Strafgesetzbuch, 7. Aufl., S. 185 f.; Honkasalo I I S. 204 ff. 24 Honkasalo I I S. 196 ff.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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bestraft, als wäre er selbst der Täter." Diese Gesetzesstelle hat man sowohl i n der Doktrin als auch in der Praxis so ausgelegt, daß auf den Anstifter regelmäßig die gleiche Gesetzesstelle anzuwenden ist wie auf den Täter. Daraus folgt jedoch keineswegs, daß die Strafe des Anstifters in concreto die gleiche zu sein brauchte wie die des Täters. Die Abwägung der Strafe für jeden von beiden ist auf Grund der objektiven und subjektiven Gesichtspunkte vorzunehmen, die Einfluß auf das Strafmaß haben. Hinsichtlich der Fälle von excessus mandati sei auf die deutsche Strafrechtswissenschaft hingewiesen 25 . III. D i e Β e i h i 1 f e § 3 bestimmt: „Hat jemand während oder vor der Begehung einer Straftat durch einen anderen vorsätzlich m i t Rat oder Tat oder durch Ermunterung der Ausführung Vorschub geleistet, so w i r d er, falls die Straftat vollendet wurde oder — bei gleicher Strafandrohung für Versuch und vollendete Tat — beim Versuch blieb, wegen Beihilfe nach der Gesetzesstelle verurteilt, die zur Anwendung hätte kommen müssen, wenn er der Täter gewesen wäre. Dabei ist jedoch eine Strafe in allgemeiner Strafart so zu ermäßigen, wie sie nach § 2 des 3. Kapitels für einen Täter, der das fünfzehnte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ermäßigt wird. Blieb es bei einem Versuch, der nach § 1 des 4. Kapitels zu bestrafen ist, so ist für den Gehilfen höchstens auf die Hälfte derjenigen Strafe zu erkennen, die ihn hätte treffen können, wenn der Täter die Straftat vollendet hätte." Wenn die Haupttat vollendet wird, beträgt also die Strafe für den Gehilfen nach der soeben zitierten Gesetzesstelle und nach Kap. 3 § 2 höchstens drei Viertel der Höchststrafe, die den Täter für die vollendete Straftat trifft. Wenn die Haupttat nicht über einen Versuch hinauskommt, ist zuerst die Skala für die Bestrafung des Versuchs zu bilden und diese Skala dann noch zu reduzieren, so daß sie auf den Gehilfen anwendbar ist. Die obere Grenze der für Beihilfe anzuwendenden Strafskala erhält man, wenn man das Maximum der für den Versuch angedrohten Strafe durch zwei dividiert. Hinsichtlich der Minimalstrafe sind die Bestimmungen von Kap. 2 über das Minimum der Strafarten zu berücksichtigen. Für Beihilfe kann auf Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte nur bei einer solchen Person erkannt werden, die zu einer Zuchthausstrafe verurteilt wird. Die Bestimmungen über Amtsentsetzung, Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, vorläufige Dienstent25

Schönke S. 184.

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Das finnische Strafrecht

hebung und andere Nebenstrafen sind auch bei der Bestrafung des Gehilfen anzuwenden. IV. D e r E i n f l u ß b e s o n d e r e r U m s t ä n d e a u f d i e S t r a f b a r k e i t der an e i n e r S t r a f t a t Beteiligten § 4 dieses Kapitels bestimmt: „Wenn besondere Umstände bei jemandem die Strafbarkeit irgendeiner Handlung ausschließen, vermindern oder erhöhen, ist das nur solchen Tätern, Anstiftern oder Gehilfen zuzurechnen, bei denen die erwähnten Umstände vorliegen." Es sind verschiedene Meinungen darüber geäußert worden, ob diese Bestimmung sowohl subjektiv als auch objektiv persönliche Umstände betrifft. Auch ohne die Bestimmung ist es klar, daß der Einfluß von subjektiv persönlichen Umständen, wie Unzurechnungsfähigkeit, Jugend usw., ein rein persönlicher ist, so daß die Bestimmung nur dann von Bedeutimg ist, wenn es sich u m o b j e k t i v p e r s ö n l i c h e U m s t ä n d e handelt. Derartige Umstände, die die Strafe herabsetzen oder erhöhen, sind: Verwandtschaft bestimmter A r t oder andere Beziehungen bei der Befreiung von Gefangenen (Kap. 16 § 10 Abs. 2), Widerruf einer unwahren Aussage bei Meineid (Kap. 17 § 7), Reizung zum Zorn durch eine schwere Beleidigung oder außergewöhnliche Gewalttätigkeit bei Totschlag (Kap. 21 § 2), Verwandtschaft i n direkt aufsteigender Linie oder Ehe zwischen dem Täter und dem Getöteten bei dem gleichen Verbrechen, die Situation der Gebärerin bei Kindesmord (Kap. 22 § 1), persönliches oder vermögensrechtliches Verhältnis bestimmter A r t bei Entwendung von gemeinschaftlichem Gut (Kap. 30 § 1), Gewerbsmäßigkeit und Gewohnheitsmäßigkeit (Kap. 32 §3, Kap. 38, § 10 Abs. 3), die Stellung des extraneus und intran eus beim uneigentlichen Amtsdelikt (Kap. 40 §§ 6 und 7). Von den objektiv persönlichen straf ausschließenden Umständen seien erwähnt die Exterritorialität (die Freiheit von der Unterwerfung unter das Strafgesetz), Verwandtschaft bestimmter A r t oder ein anderes Verhältnis bei einigen Straftaten (Kap. 16 § 19 und § 20 Abs. 2), Ablassen vom Versuch und tätige Reue (Kap. 4 §§ 2 und 3). Der i n Rede stehende Paragraph spricht nicht von solchen Umständen, die eine Strafbarkeit begründen. Aus den Vorbereitungsarbeiten zum Strafgesetz w i r d ersichtlich, daß der Gesetzgeber die Wirkung dieser Umstände auch auf den Anstifter und Gehilfen hat ausdehnen wollen. Ein extraneus kann somit Anstifter und Gehilfe bei Sonderverbrechen (delieta propria) sein, bei denen als Täter nur eine Person, die sich in einer bestimmten Stellung oder i n bestimmten Verhältnissen befindet (intraneus), i n Frage k o m m t 2 6 . 2

Honkasalo

I I S. 2

ff.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

Sechstes

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Kapitel

Der Rückfall Das Strafgesetz nennt viele Gründe, die die Strafbarkeit einer Straftat oder irgendwelcher Straftaten schärfen. Solche besondere Strafschärfungsgründe sind Gewohnheitsmäßigkeit und Gewerbsmäßigkeit (Kap. 32 § 3 und Kap. 38 § 10) Bewaffnetsein (Kap. 28 § 2), Zusammenschluß von mehreren zur Begehung einer Straftat (Kap. 28 § 2 und Kap. 31 § 2), Annahme von Geld für eine Straftat (Kap. 22 § 5 Abs. 2). Früher gab es i m Strafgesetz keinen einzigen Grund, der einen schärfenden Einfluß auf Strafen für alle Straftaten gehabt hätte, weil die strafschärfende Wirkung des Rückfalls sich nur auf einige Taten erstreckte, vorzugsweise auf Delikte gegen das Vermögen. Eine allgemein strafschärfende Wirkung erhielt der Rückfall erst durch das Gesetz vom 17. November 1939, das das 6. Kapitel des StGB völlig änderte. Durch dieses Gesetz ist an Stelle eines Spezialsystems ein allgemeines System eingeführt worden, das System des récidive générale. Voraussetzimg für die Beurteilung als Rückfall ist nicht mehr, daß die neue Tat des Rückfälligen ganz gleich oder ähnlich ist wie diejenige Straftat, für die er früher Strafe verbüßt hat. Der Rückfall w i r k t nach dem geltenden Gesetz unter gewissen Voraussetzungen als S t r a f s c h ä r f u n g s g r u n d , der das Gericht verpflichtet, auf die betreffende Tat eine (besondere erhöhte Strafskala anzuwenden, unter gewissen Voraussetzungen dagegen als S t r a f z u m e s s u n g s g r u n d , d. h. als Umstand, der das Strafmaß innerhalb der Strafskala erhöht. I. D e r R ü c k f a l l a l s

Strafzumessungsgrund

§ 1 dieses Kapitels bestimmt: „Wenn jemand, der eine Zuchthausstrafe oder eine unmittelbar verhängte Gefängnisstrafe oder eine Geldstrafe von wenigstens 75 Tagesgeldbußen ganz oder teilweise verbüßt hat, eine Straftat begeht, für die auf eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten erkannt werden kann, so ist die Tatsache seiner Vorbestraftheit als erschwerender Umstand anzusehen." Der hier gebrauchte Ausdruck „teilweise" weist darauf hin, daß der verbüßte Teil einen solchen Betrag erreichen muß, der als kleinste Strafverbüßung berücksichtigt werden kann. Es scheint somit, daß ein Strafvollzug von weniger als einem Tag nicht genügen kann, um Rückfälligkeit i n dem jetzt i n Rede stehenden Sinne zu konstituieren. Strafvollzüge von weniger als einem Tag gehen nicht aus dem Strafregister hervor, auf dem die Kenntnis des Gerichts vom Vollzug einer Strafe fußt.

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Das finnische Strafrecht

Eine bedingt verhängte Strafe, die nicht wegen einer vom Verurteilten während der Bewährungsfrist begangenen Straftat oder wegen anstößigen Lebenswandels vollstreckt wird, konstituiert keine Rückfälligkeit. Wenn die Vollstreckung einer solchen Strafe angeordnet worden ist, befindet sich diese als Voraussetzung für die Feststellung von Rückfälligkeit in gleicher Stellung wie eine unbedingt verhängte Strafe. Das Gericht hat nach § 3 die Befugnis zu entscheiden, ob eine i m Ausland verbüßte Strafe als die Rückfälligkeit konstituierend zu berücksichtigen ist. Eine Strafe, die dem Täter auf dem Gnadenwege erlassen worden ist, soll nach der ausdrücklichen Vorschrift von § 4 bei der Anwendung der §§ 1, 2 und 3 dieses Kapitels einer verbüßten Strafe gleichgeachtet werden. Eine Strafe, die für eine Straftat verhängt worden ist, bei deren Begehung der Täter das fünfzehnte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, ist nicht als Voraussetzung für Rückfälligkeit in Betracht zu ziehen, wie aus § 5 Abs. 2 hervorgeht. Außerdem bestimmt das Gesetz vom 17. November 1939, daß eine Strafe, die für eine vor dem 1. Januar 1941 begangene Straftat verhängt wird, nicht als eine solche Voraussetzung berücksichtigt werden darf. Die vollständige oder teilweise Strafverbüßung w i r k t als erschwerender Umstand nur unter der Voraussetzung, daß die neue Straftat eine bestimmte Größenordnung erreicht. Die i n Rede stehende Gesetzesstelle sieht als Voraussetzung vor, daß für die neue Straftat auf eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten erkannt werden kann. Somit w i r d Rückfälligkeit nicht durch solche Straftaten konstituiert, für die lediglich Geldstrafe angedroht ist, selbst wenn die als Ersatzstrafe für die Geldstrafe zu verhängende Freiheitsstrafe drei Monate übersteigt. Maßgebend ist die Höchststrafe, die für die betreffende Straftat i n ihrer konkreten Erscheinungsform festgesetzt ist. Wenn ein Umstand vorliegt, der die Anwendung einer besonderen abgeleiteten Strafskala motiviert, wie verminderte Zurechnungsfähigkeit, Beihilfe, Versuch, solcher Notwehrexzeß, der die Zugrundelegung einer besonders herabgesetzten Skala begründet, oder Notstand, ist die Maximalstrafe der abgeleiteten Strafskala entscheidend. Jugend kann kein Strafminderungsgrund sein, da nach § 5 Abs. 2 auf eine erhöhte Strafe nicht zu erkennen ist, wenn die frühere Straftat begangen wurde, bevor der Täter das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte. Treffen mehrere Strafmildungsgründe i n ein und demselben Fall zusammen, so erfolgt eine mehrfache Reduzierung der Grundlatitude. Da als Maximalstrafe die für die jeweilige Straftat i n ihrer konkreten Erscheinungsform festgesetzte Höchststrafe zur Anwendung kommt, ist die für den Fall besonders erschwerender oder besonders

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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mildernder Umstände vorgesehene Skala nicht anzuwenden, wenn die Tat nicht nach dem Ermessen des Gerichts unter solchen Umständen begangen worden ist. Unter den obengenannten Voraussetzungen ist die Tatsache, daß ein Rechtsbrecher schon vorbestraft ist, als erschwerender Umstand zu betrachten. Nach der obigen Auslegung bedeutet diese Bestimmung, daß eine früher verbüßte Strafe i m Rahmen derjenigen Skala straferhöhend w i r k t , die auf die Tat i n ihrer konkreten Erscheinungsform anzuwenden i s t 2 7 . II. D e r

Rückfall

als

Strafschärfungsgrund

§ 2 bestimmt: „Wer nach Verbüßung einer für ein oder mehrere Verbrechen verhängten Zuchthausstrafe oder einer unmittelbar verhängten Gefängnisstrafe von wenigstens einem Jahr Dauer, die er i n einem Zuge oder m i t Unterbrechung verbüßt hat, eine Straftat begeht, für die als strengste Strafe eine zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten angedroht ist, ist dafür, wenn die Straftat nicht unter mildernden Umständen begangen wurde, als Rückfallverbrecher zu Zuchthausstrafe oder, wenn für die betreffende Straftat auf Gefängnis erkannt werden kann, zu Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe zu verurteilen, und zwar jeweils zum anderthalbfachen Betrag der für die Straftat festgesetzten Höchststrafe. Hat der Täter früher eine derartige Strafe von wenigstens drei Jahren Dauer verbüßt, so beträgt die Zuchthausstrafe höchstens das Doppelte der längsten für die betreffende Straftat festgesetzten Freiheitsstrafe und die Gefängnisstrafe höchstens das Doppelte der längsten für die Straftat festgesetzten Gefängnisstrafe. Wer jedoch ein Jahr Freiheitsstrafe verbüßt hat, darf zu nicht mehr als fünfzehn Jahren Zuchthaus, und wer drei Jahre Freiheitsstrafe verbüßt hat, zu nicht mehr als zwanzig Jahren Zuchthaus verurteilt werden." Diese Gesetzesstelle macht einen Unterschied zwischen zwei Fällen. Den ersten kann man Rückfall als 50prozentigen Strafschärfungsgrund und den zweiten Rückfall als lOOprozentigen Strafschärfungsgrund nennen. Die Voraussetzungen für beide sind die gleichen hinsichtlich der Straftat, i n der sich die Rückfälligkeit zeigt, aber i n bezug auf die früher verbüßte Strafe unterscheidet sich die Forderung insofern voneinander, als der leichtere Fall eine kleinere Quantität verbüßter Strafe voraussetzt als der schwerere Fall. Die Zeit, die ein Gefangener als auf Bewährungsfrist Freigelassener verbracht hat, w i r d als Verbüßung des i n der Strafanstalt nicht ver2

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0 ff.

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Das finnische Strafrecht

büßten Teiles der Strafe nur unter der Voraussetzung berücksichtigt, daß die Bewährungsfrist bereits abgelaufen ist (StrafvollstrVO Kap. 2 § 17 Abs. 1). Die verbüßte Freiheitsstrafe muß eine unmittelbar verhängte sein. Die Verbüßung einer Ersatzstrafe für eine Geldstrafe w i r d nicht als Umstand gewertet, der einen Rückfall konstituieren würde. Als solcher ist aber eine i m Jugendgefängnis verbüßte Strafe zu berücksichtigen, soweit eine durch ein ursprüngliches Urteil verhängte Strafe damit verbüßt worden ist; ebenso ist ein Aufenthalt i n einer Zwangsanstalt i n dieser Weise zu berücksichtigen, soweit er als Verbüßung einer verhängten Strafe u n d nicht als Sicherungsmaßnahme anzusehen ist (vgl. das Ges. über die gefährlichen Rückfallverbrecher vom 27. M a i 1932, § 11). Das Gericht hat bei der Anwendung von § 2 dieses Kapitels nach seinem Ermessen darüber zu entscheiden, ob eine i m Ausland verbüßte Strafe bei der Feststellung des Maßes der früher verbüßten Strafe i n Betracht zu ziehen ist. Eine Strafe, die dem Täter auf dem Gnadenwege ganz oder teilweise erlassen worden ist, w i r d bei Rückfall einer verbüßten Strafe gleichgeachtet (§§ 3 und 4). Die Strafe für eine Straftat, bei deren Begehung der Verurteilte das fünfzehnte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, ist nach § 5 Abs. 2 bei Rückfall nicht zu berücksichtigen. Wenn eine verbüßte Gesamtstrafe sich aus Strafen zusammensetzt, von denen ein Teil für i n dem ebengenannten A l t e r begangene Straftaten, ein Teil für später begangene verhängt worden ist, hat das Gericht nach der obenangeführten Gesetzesstelle zu entscheiden, welchen Teil der Gesamtstrafe man als denjenigen Straftaten entsprechend betrachten muß, die der Täter nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres verübt hat. Ob jemand, der sich eine neue Straftat zuschulden kommen läßt, nach § 2 als Rückfallverbrecher zu behandeln ist, hängt nicht allein von der verbüßten Strafe ab, sondern auch von der Strafe für das neue Delikt. Die ebengenannte Gesetzesstelle bestimmt nämlich als Voraussetzung, daß für die neue Straftat als strengste Strafe eine zeitige Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten angedroht ist. Es ist unstreitig, daß die Gesetzesstelle die Strafe für die neue Straftat i n abstracto meint. Aus den Vorbereitungsarbeiten für das Strafgesetz geht hervor, daß unter der Maximalstrafe diejenige Strafe verstanden wird, die für die betreffende Straftat in ihrer konkreten Erscheinungsform festgelegt ist. Wenn ein solcher Umstand vorliegt, der die Anwendung einer besonders herabgesetzten Strafskala veranlaßt, ist die Höchststrafe der herabgesetzten Skala maßgebend. Bei Vorliegen mehrerer solcher Umstände ist die Maximalstrafe derjenigen Skala

Der algemeine Teil des Strafgesetzbuchs

maßgebend, die man erhält, wenn alle durch diese Umstände veranlaßten Herabsetzungen vorgenommen worden sind. Wenn eine Straftat nur i n dem Fall, daß sie unter besonders erschwerenden Umständen verübt worden ist, einen Rückfall konstituieren würde oder nur dann, wenn sie unter besonders mildernden Umständen begangen worden ist, nicht als Voraussetzung für Rückfall i n Frage käme, ergibt sich daraus, daß das Gericht i m U r t e i l das Vorliegen solcher besonders erschwerender oder mildernder Umstände festzustellen hat, falls die Strafzumessung auf Grund einer f ü r diese Umstände vorgesehenen Skala erfolgt ist; sonst könnte man nämlich unmöglich wissen, ob der i n Rede stehende Paragraph richtig angewandt worden ist. Trotz des Vorliegens der erwähnten Voraussetzungen ist ein Rechtsbrecher i n dem F a l l nicht als Rückfallverbrecher zu behandeln, i n dem die neue Straftat, die durch ihre Maximalstrafe Rückfall konstituieren würde, unter mildernden Umständen begangen worden ist. Diese Bestimmung ist nicht so auszulegen, als ob man sich darauf nur i n den Fällen stützen könnte, i n denen es eine besondere Skala für das Vorliegen mildernder Umstände gibt, sondern man kann diese Ausnahmebestimmung auch dann anwenden, wenn keine solche Skala vorhanden ist, falls der Anwender des Gesetzes bei der Abwägimg der Verhältnisse i n casu zu dem Ergebnis gelangt, daß man die Behandlung des Beschuldigten als Rückfallverbrecher i n Anbetracht der aufgetretenen mildernden Umstände nicht als begründet ansehen kann. Bei Rückfällen i m Sinne von § 2 steht dem Gericht eine erweiterte Strafskala zur Verfügung. Über das M i n i m u m der Skala enthält das Gesetz keine Bestimmung. Somit dürfte es nach der ebengenannten Gesetzesstelle auch kein Hindernis dafür geben, daß das M i n i m u m der Grundskala angewandt wird. Da aber i n jedem Fall, i n dem ein Rückfall als Strafschärfungsgrund vorliegt, auch ein erschwerender Umstand i m Sinne von § 1 vorhanden ist, ergibt sich daraus, daß die niedrigste Strafe der Skala nicht i n Frage kommt. Eine weitere Einschränkung hinsichtlich des Minimums kann dadurch veranlaßt werden, daß m i t der Tat, die den Rückfall konstituiert, mehrere Delikte begangen worden sind. Nach § 1 des 7. Kapitels, der die Idealkonkurrenz betrifft, ist maßgebend für die Reaktion i n solchen Fällen die Gesetzesstelle, die am strengsten ist. Daraus, daß die Tat auch das Wesen von i n einer anderen Gesetzesstelle oder i n mehreren anderen Gesetzesstellen vorgesehenen Straftaten erfüllt, folgt, daß als Reaktion für sie keine niedrigere Strafe i n Frage kommt als diejenige, die als niedrigste Strafe i n der Gesetzesstelle festgesetzt ist, die hinsichtlich des M i n i mums am strengsten ist 2 8 . 2

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Das finnische Strafrecht

III. D i e

V e r j ä h r u n g der Rückfallwirkung einer verbüßten Strafe

Die Rückfällwirkung einer verbüßten Strafe w i r d hinfällig, wenn fünf Jahre seit dem Tage vergangen sind, an dem die Strafe v o l l verbüßt gewesen ist (§ 5). Wenn die letzte Phase der Vollstreckung einer Strafe Bewährungsfrist gewesen ist, wie es bei Freiheitsstrafen von mehr als sechs Monaten regelmäßig der Fall ist, w i r d die Verjährung von dem Tage an gerechnet, an dem die Bewährungsfrist abgelaufen ist (StrafvollstrVO Kap. 2 § 17 Abs. 1). Der i n Rede stehende § 5, der die Rückfallwirkung verbüßter Strafen betrifft, enthält jedoch eine Bestimmung, wonach die Rückfallwirkung einer verbüßten Strafe i m Sinne von § 2 nicht verjährt, wenn derjenige, der die Strafe verbüßt hat, eine neue, Rückfall konstituierende Straftat begeht, bevor die fünfjährige Verjährungsfrist abgelaufen ist, sondern die neue Straftat verlängert die Rückfallwirkung u m weitere fünf Jahre, gerechnet v o n der Begehung des neuen Deliktes. Der Sinn dieser Bestimmung ist der, daß der Gesetzgeber den Vorteil der Verjährung der Rückfallwirkung einer früher verbüßten Strafe einer solchen Person nicht zubilligen wollte, die noch während der Dauer der Verjährungsfrist durch Ver Übung einer neuen Straftat die Gesellschaft an die immer noch vorhandene A k t i v i t ä t ihres asozialen Willens erinnert. Voraussetzung ist natürlich, daß festgestellt worden ist, daß die während der Verjährungsfrist der Rückfallwirkung begangene Straftat Rückfall konstituiert. Z u der prozessualen Seite der Sache vgl. Honkasalo I I I S. 214 f. Diese Auslegung hat der Oberste Gerichtshof i n seinem Urteil Nr. 1799 vom 13. A p r i l 1942 anerkannt 2 9 .

Siebentes

Kapitel

Das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen Dieses Kapitel enthält die Bestimmungen über die Idealkonkurrenz, das fortgesetzte Verbrechen und die Realkonkurrenz. I. D i e

Idealkonkurrenz

Kap. 7 § 1 des StGB bestimmt: „Sind durch ein und dieselbe Handlung mehrere Straftaten verübt worden, so ist nur auf eine Strafe i n allgemeiner Strafart zu erkennen, aber der Umstand, daß es sich um mehrere Straftaten handelt, als erschwerend i n Betracht zu ziehen. Sind die Straftaten m i t verschiedenen Strafen bedroht, so kommt die Honkasalo

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Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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Gesetzesstelle zur Anwendung, die die strengste Strafe vorschreibt. Ist i n der strengsten Gesetzesstelle Gefängnis angedroht . . . und i n einer anderen Gesetzesstelle Zuchthaus, so ist die Gefängnisstrafe nach A b zug eines Viertels i n Zuchthausstrafe umzuwandeln, außer wenn die letztgenannte Gesetzesstelle auch eine mildere Strafart vorsieht und die Strafe nach dem Ermessen des Richters i n dieser Strafart zu verhängen ist." Das Wesen der Idealkonkurrenz w i r d i m Gesetz nicht genauer definiert. Die finnische D o k t r i n steht i n dieser Hinsicht auf dem gleichen Standpunkt wie die deutsche 30 . I n bezug auf die Bestrafung von Straftaten, die i n Idealkonkurrenz untereinander stehen, gilt das Absorptionsprinzip. Danach w i r d für die Straftaten n u r eine einzige Strafe i n allgemeiner Strafart verhängt, die, wenn für die Straftaten verschiedene Strafen angedroht sind, nach der strengsten Gesetzesstelle zu bemessen ist. Die Tatsache, daß es sich u m mehrere Straftaten handelt, w i r k t als erschwerender Umstand. Wenn der Täter nach einer Gesetzesstelle, die irgendeine i n Idealkonkurrenz stehende Straftat betrifft, auch wenn diese Stelle nicht die strengste ist, seines Amtes zu entsetzen, vorläufig des Dienstes zu entheben oder f ü r unfähig zur Bekleidung öffentlicher Ä m t e r oder der bürgerlichen Ehrenrechte verlustig zu erklären ist, oder eine andere ähnliche Nebenstrafe verhängt werden muß, ist neben der Strafe i n allgemeiner A r t auch auf diese Nebenstrafe zu erkennen. Obwohl für die Straftaten n u r eine Strafe i n allgemeiner Strafart verhängt wird, hat das Gericht i m Urteil festzustellen, welche Straftaten der Verurteilte sich i n der von i h m begangenen Handlung i m einzelnen hat zuschulden kommen lassen. II. D a s f o r t g e s e t z t e

Verbrechen

§ 2 dieses Kapitels bestimmt: „Wenn wiederholte strafbare Handlungen eine Fortsetzung derselben Straftat bilden, ist der Schuldige wie für eine einzige Straftat zu bestrafen, aber der Umstand, daß diese Straftat fortgesetzt wurde, als erschwerend i n Betracht zu ziehen." Eine solche Gruppe von Handlungen, die wie eine einzige Straftat zu bestrafen sind, w i r d fortgesetztes Verbrechen genannt. I n der herrschenden finnischen D o k t r i n dominiert die sogenannte objektive Theorie, die keinen einheitlichen Vorsatz zu den jeweils zusammenhängenden Taten fordert, aber auch die subjektiv-objektive Theorie hat ihre Anhänger 3 1 . 30 31

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Schönke-Schröder S. 302 ff.; Honkasalo I I S. 247 ff. und I I I S. 216 ff. Honkasalo I I S. 257; Schönke-Schröder S. 291 f.

Ausländisches Strafrecht II

Das finnische Strafrecht

Zu einem fortgesetzten Verbrechen gehören, wie aus §§ 2 und 3 hervorgeht, mehrere strafbare Handlungen, die eine Fortsetzung ein und derselben Straftat sind. M a n ist einmütig darin, daß das so auszulegen ist, daß zwei strafbare Handlungen zur Konstituierung eines fortgesetzten Verbrechens genügen. Ungewißheit besteht hingegen darüber, was die i n Rede stehende Gesetzesstelle unter dem Begriff „dieselbe Straftat" versteht. Wenngleich i n der D o k t r i n auch eine Richtung vorhanden ist, die das Gebiet des fortgesetzten Verbrechens mehr einschränken w i l l , dürfte doch die Meinung als richtiger zu betrachten sein, daß eine völlige Gleichartigkeit i n strafrechtlichem Sinne nicht gefordert werden darf, sondern daß es als ausreichend anzusehen ist, wenn jede der einzelnen Taten den gleichen Grundtatbestand erfüllt. Auf diesem Standpunkt steht die Rechtspraxis, die Diebstahl und schweren Diebstahl i n einem Rechtsfall als ein fortgesetztes Verbrechen betrachtet hat. Die Tatsachen der Qualifizierung und Privilegierung können allein nicht die Gleichartigkeit beseitigen, die §§ 2 und 3 dieses Kapitels voraussetzen. Die Praxis ist geneigt gewesen, auch Verstöße gegen Rationierungsvorschriften, die den gleichen Geschäftszweig betreffen, als fortgesetztes Verbrechen zu betrachten. Eine andere vom positiven Recht gegebene Voraussetzung ist, daß jede der Taten, die zusammen das fortgesetzte Verbrechen bilden, schon an sich eine Straftat ist. Es w i r d jedoch nicht verlangt, daß jede einzelne dieser Handlungen eine vollendete Straftat bildet, sondern Einzelhandlung i n einem fortgesetzten Verbrechen kann auch ein strafbarer Versuch sein. Nach der herrschenden Meinung können auch Anstiftung und Beihilfe solche Teilhandlungen bilden 3 2 . Jede der Taten, die zu einem fortgesetzten Verbrechen gehören, muß gegen das gleiche Rechtsgut gerichtet sein. Deshalb kommt als Verletzungsobjekt nur ein solches Rechtsgut i n Frage, das i n höherem oder geringerem Grade verletzt werden kann. Der Umstand, daß die Subjekte eines Gutes, das Schutzobjekt ist, mehrere Personen sind, hindert nicht, Verletzungen dieses Gutes als ein Ganzes anzusehen. N u r wenn es sich um untrennbar m i t der Person verbundene Rechtsgüter handelt, wie die Ehre (insbesondere die geschlechtliche Ehre), die Freiheit und das Leben, ist Voraussetzung f ü r die Aufrechterhaltung der Einheitlichkeit der strafbaren Tätigkeit, daß bei jeder Tat das Subjekt des jeweils verletzten Gutes dasselbe ist. U m als fortgesetztes Verbrechen bestraft werden zu können, müssen die einzelnen Handlungen eine A r t von Ganzheit bilden. Welcher A r t der Zusammenhang zwischen den Taten sein muß, läßt sich kaum durch eine allgemeine Regel festlegen. M a n kann Anforderungen hinsichtlich 3

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Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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der Zeit der Tat, des Tatorts und der Tatsituation stellen. M a n kann sagen, daß die einen Taten, u m eine Ganzheit i m oben erwähnten Sinne zu bilden, stärkere Einschränkungen voraussetzen als die anderen. Zwischenräume, die geeignet sind, die Behandlung von Aneignungshandlungen als fortgesetztes Verbrechen zu verhindern, können bedeutungslos sein, wenn es sich u m Verkauf von Losen für eine gesetzwidrige Lotterie handelt. Ebenso relativ ist die Forderung, die man hinsichtlich der zeitlichen Kontinuität stellen kann. Die i n der Doktrin oft vorgebrachte Forderung, daß die Taten unter Ausnutzung ein und derselben Tatgelegenheit begangen sein müßten oder wenigstens unter Ausnutzung einer solchen Tatgelegenheit, die i n einem Kausalzusammenhang m i t einer früher ausgenutzten Tatgelegenheit steht, ist von der Rechtspraxis nicht als unbedingte Voraussetzung angenommen worden. I n welchem Verhältnis die einzelnen Taten zueinander stehen müssen, bleibt somit letzten Endes der Entscheidung überlassen, die der Richter nach seiner natürlichen Lebensauffassung t r i f f t 3 3 . III. D i e

Realkonkurrenz

Der Gesetzgeber ist der Ansicht gewesen, daß Straftaten ein und derselben Person mildere Strafe verdienen, wenn sie alle begangen worden sind, bevor der Betreffende von der Staatsgewalt i n Form eines Strafurteils eine Verwarnung wegen seiner Asozialität erhalten hat. Die begrenzende Bestimmung der Realkonkurrenz ist enthalten i n § 8 dieses Kapitels, wo es heißt: „Ist jemand, nachdem er für eine oder mehrere Straftaten verurteilt worden ist, für schuldig befunden worden, vor der Fällung dieses Urteils noch andere Straftaten verübt zu haben, so ist der Schuldige, einerlei ob er die Strafe ganz oder teilweise oder gar nicht verbüßt hat, so zu bestrafen, als ob er für sämtliche Straftaten gleichzeitig zur Verantwortung gezogen würde; auf die Gesamtstrafe ist dann der eventuell vollzogene Teil der früheren Strafe anzurechnen (Abs. 1). Strafen, die für solche Straftaten verhängt werden, von denen die eine begangen wurde, nachdem für die andere bereits auf eine Strafe erkannt worden ist, sind nicht zusammenzufassen" (Abs. 2). Die Realkonkurrenz besteht also i n Straftaten, die alle verübt worden sind, bevor für irgendeine von ihnen eine Strafe verhängt worden ist. Ob ein Gericht, das später sein Urteil fällt, früher verhängte Strafen zusammenfassen darf, hängt davon ab, ob das Urteil, i n dem auf diese Strafen erkannt worden ist, rechtskräftig geworden ist oder nicht. Wenn es nicht rechtskräftig geworden ist, läßt sich eine Zusammenfassung nicht durchführen, da man i n dem betreffenden Augenblick noch nicht 33

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Das finnische Strafrecht

weiß, ob die Strafeinheiten endgültig so bleiben werden, wie sie i n dem nicht rechtskräftigen Urteil bestimmt worden sind, oder ob sie sich qualitativ oder quantitativ oder i n beiden Hinsichten ändern werden. Ist von mehreren früheren Urteilen eins rechtskräftig, ein anderes nicht, so verhindert die fehlende Rechtskraft des letztgenannten Urteils die Zusammenfassung auch der rechtskräftigen Strafen, weil Zusammenfassung zu einer Gesamtstrafe nur dann von Bedeutung ist, wenn sie die Strafen für alle konkurrierenden Straftaten erfaßt. A m einfachsten liegt der Fall, wenn die Strafe für alle konkurrierenden Straftaten i n ein und demselben Urteil verhängt wird; dann kann auch gleichzeitig eine Zusammenfassung der Strafen vorgenommen werden. Hat eine Zusammenfassung der Strafen vorher nicht stattfinden können, so ist sie i n der Vollstreckungsphase durchzuführen. I n § 9 ist festgelegt, daß wenn mehrere Strafen, die nach den Bestimmungen dieses Kapitels zusammengefaßt werden müssen, gleichzeitig zu vollstrecken sind, der Leiter des Gefängnisses davon dem Hofgericht Meldung zu machen hat, dem dann die Zusammenfassung dieser Strafen obliegt. Die Zusammenfassung von Geldstrafen ist jedoch nach Abs. 3 dieses Paragraphen Sache der vollstreckenden Behörde. Die Zusammenfassung zu einer Gesamtstrafe erfolgt je nach den einzelnen Strafen gemäß drei verschiedenen Prinzipien: dem Absorptionsprinzip, dem gemilderten Kumulationsprinzip und dem ungemilderten Kumulationsprinzip. Durch das Gesetz vom 17. November 1939 ist die wichtige Änderung i n K r a f t gesetzt worden, daß Freiheitsstrafen und Geldstrafen nicht mehr zusammengefaßt werden. Freiheitsstrafen werden n u r m i t anderen Freiheitsstrafen zusammengefaßt und Geldstrafen nur m i t anderen Geldstrafen. § 4 enthält eine Anweisung für den Fall, daß für irgendein konkurrierendes Verbrechen die Todesstrafe oder eine lebenslängliche Zuchthausstrafe verhängt worden ist. Nach dieser Gesetzesstelle gehen alle übrigen Strafen i n allgemeiner Strafart i n der Todesstrafe und alle Freiheits- und Geldstrafen i n der lebenslänglichen Zuchthausstrafe auf. Eine entsprechende Bestimmung über das Aufgehen von Disziplinarstrafen, von deren A r t e n für die Zusammenfassung nur die Arreststrafe von Bedeutung ist, i n der Todesstrafe und i n der lebenslänglichen Zuchthausstrafe ist i n das Mil.StGB § 40 aufgenommen. Die Bestimmung über das Aufgehen aller übrigen Strafen i n allgemeiner Strafart i n der Todesstrafe sowie aller Freiheits- und Geldstrafen i n der lebenslänglichen Zuchthausstrafe ist eine Anweisung für die Zusammenfassung zu einer Gesamtstrafe. Dadurch w i r d das Gericht nicht davon befreit, für die übrigen Straftaten die Strafen zu verhängen, die der Täter durch diese Taten v e r w i r k t hat, auch wenn, für irgendeine der Straftaten auf Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus er-

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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kannt wird, sondern für jede Straftat ist die Strafe gesondert festzusetzen. Uber die Zusammenfassung zeitiger Freiheitsstrafen bestimmt § 5 folgendes: „Hat jemand mehrere zeitige Freiheitsstrafen verwirkt, so ist auf eine Gesamtstrafe zu erkennen, indem der strengsten dieser Strafen oder, wenn für zwei oder mehrere Straftaten gleiche Strafen verhängt worden sind und auf keine noch strengere Strafe erkannt worden ist, einer dieser Strafen höchstens drei Viertel der übrigen Strafen hinzugefügt werden. Ist eine der Strafen i n einer schwereren Strafart verhängt als die der strengsten Strafe, so ist die letztgenannte Strafe i n die schwerere Strafart umzuwandeln und i n der oben ausgeführten Weise zu erhöhen." Über die Zusammenfassung von Arreststrafen m i t anderen zeitigen Freiheitsstrafen bestimmt § 43 des Mil.StGB i n der Form, die diese Gesetzesstelle durch das Gesetz vom 17. November 1939 erhalten hat. Die eben erwähnten Gesetzesstellen bestimmen, daß die Strafen vor der Zusammenfassung i n die gleiche Strafart umzuwandeln sind. Die Straf art w i r d dabei durch diejenige Einzelstrafe bestimmt, die i n der schwersten Strafart verhängt ist. Wenn beispielsweise eine der Einzelstrafen Arrest ist, während eine andere Zuchthaus ist, muß eine Umwandlung i n die letztgenannte Strafart vorgenommen werden. Sind aber nur Arrest- und Gefängnisstrafen zusammenzufassen, so sind die Arreststrafen i n Gefängnis umzuwandeln. Das Gesetz enthält A n weisungen darüber, wie die Umwandlung zu geschehen hat. Eine Gefängnisstrafe w i r d nach Kap. 7 § 5 Abs. 2 Ziff. 2 des StGB i n Zuchthaus umgewandelt, indem ein Viertel von i h r abgezogen wird. § 43 des Mil.StGB legt das Verhältnis zwischen den verschiedenen Arreststrafen fest, wobei aus dieser Gesetzesstelle auch das Verhältnis der Arreststrafen zu den übrigen Freiheitsstrafen ersichtlich wird. Danach entspricht ein Tag Hausarrest anderthalb Tagen Gefängnis, ein Tag einfacher Arrest oder Wacharrest einem Tag Gefängnis, ein Tag geschärfter Arrest drei Tagen Gefängnis. Die Zusammenfassung zeitiger Freiheitsstrafen ist, falls sie nicht alle Arreststrafen sind, nach Kap. 7 § 5 des StGB i n der Weise durchzuführen, daß die strengste Strafe oder, wenn die Strafen gleich streng sind, eine von ihnen als Grundlage genommen wird, der dann höchstens drei Viertel der übrigen Strafen hinzugefügt werden. Wenn alle Einzelstrafen Arreststrafen sind, ist die Zusammenfassung laut § 42 des Mil.StGB nach dem Kumulationsprinzip vorzunehmen, nachdem die Umwandlung i n die gleiche Strafart erfolgt ist. Ist die Gesamtstrafe i n einfachem Arrest, Haus- oder Wacharrest zu verhängen, so darf sie nicht über fünfundvierzig Tage betragen; ist sie dagegen

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Das finnische Strafrecht

i n geschärftem Arrest zu verhängen, so darf ihre Dauer zwölf Tage nicht überschreiten. Die Zusammenfassung von Geldstrafen erfolgt ebenfalls nach dem Kumulationsprinzip. Eine Beschränkung für den Maximalbetrag der Tagesgeldbußen i m Fall der Realkonkurrenz ist nicht festgesetzt; somit kann dieser Betrag beliebig hoch sein. Für Ersatzfreiheitsstrafen dagegen gilt nach Kap. 7 § 6 Abs. 2 des StGB auch dann, wenn Geldstrafen zusammengefaßt worden sind, die Bestimmung von Kap. 2 § 5 Abs. 2. Die Gefängniszeit darf dabei nicht länger als auf 180 Tage bemessen werden. Das M a x i m u m der Ersatzfreiheitsstrafe für eine zusammengefaßte Geldstrafe ist also gleich, wie das der Ersatzfreiheitsstrafe für eine als Einzelstrafe verhängte Geldstrafe, nämlich 180 Tage Gefängnis. Kap. 7 § 8 des StGB bestimmt, daß auf eine Gesamtstrafe der eventuell vollzogene Teil einer früher verhängten Strafe anzurechnen ist. Über die Fragen, die bei einer nach dieser Gesetzesstelle vorzunehmenden Anrechnung auftreten können, s. Honkasalo I I I , S. 247 ff. Kap. 7 § 7 des StGB bestimmt: „Hat i n den oben i n diesem Kapitel genannten Fällen der Schuldige für eine Straftat Amtsentsetzung, vorläufige Dienstenthebung, Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter oder Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte oder eine andere ähnliche Nebenstrafe verwirkt, so ist außer auf die Strafe i n allgemeiner Strafart auch auf diese Folge zu erkennen." Darüber, wie die hier genannten Nebenstrafen zusammenzufassen sind, s. Honkasalo I I I , S. 261 ff. Achtes

Kapitel

Die Frist der Strafverfolgung und der Strafvollstreckung Es gibt zwei A r t e n strafrechtlicher Verjährung: Verjährung des Rechtes zur Anklageerhebung wegen einer Straftat und Verjährung des Rechtes zur Vollstreckung der Strafe. I. D i e V e r j ä h r u n g d e s R e c h t e s z u r (Kap. 8 § 1—6)

Strafverfolgung

1. Die Verjährungsfrist des Rechtes zur Strafverfolgung, d.h. zur Anklageerhebung wegen einer Straftat, hängt von der Schwere der betreffenden Straftat ab. Handelt es sich um ein Verbrechen, f ü r das die Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus verhängt werden kann, so verjährt das Recht zur Strafverfolgung niemals. I n den übrigen Fällen verjährt dieses Recht

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

1. nach zwanzig Jahren, wenn die schwerste Strafe, auf die für das Verbrechen erkannt werden kann, zeitiges Zuchthaus über sechs Jahre ist; 2. nach zehn Jahren, wenn die schwerste Strafe Zuchthaus von zwei bis zu sechs Jahren oder Gefängnis nicht unter vier Jahren ist; 3. nach fünf Jahren, wenn sie Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Gefängnis von einem bis zu vier Jahren ist; 4. nach zwei Jahren, wenn sie Gefängnis bis zu einem Jahr oder Geldstrafe ist; 5. nach einem Jahr, wenn es sich u m eine i n Kap. 41, 42, 43 oder 44 des StGB genannte oder damit vergleichbare Straftat handelt. Da man der Ansicht gewesen ist, daß das öffentliche Interesse eine genügend lange Strafverfolgungsfrist für Amtsdelikte fordert, sind i n Kap. 8 § 1 Abs. 2 des StGB längere Fristen für die Anklageerhebung wegen Amtsdelikten festgesetzt. Ein Amtsverbrechen verjährt überhaupt nicht, wenn die dafür festgesetzte Höchststrafe Zuchthaus von mehr als sechs Jahren ist. Beträgt die Maximalstrafe höchstens sechs Jahre Zuchthaus, so verjährt das Amtsdelikt i n zehn Jahren, wenn es m i t Amtsentsetzung bedroht ist, sonst i n fünf Jahren. Ist i m Amtsdelikt noch eine andere Straftat enthalten, bei der die Frist für die Anklageerhebung länger ist, so gilt diese längere Frist für beide Straftaten. Diese Bestimmung betrifft den Fall, daß zwischen dem Amtsdelikt und der allgemeinen Straftat Idealkonkurrenz besteht. Bei der Realkonkurrenz sind die Verjährungsfristen der Straftaten voneinander unabhängig. Aus Kap. 8 § 1 des StGB geht hervor, daß bestimmend für die Verjährungsfrist die Höchststrafe i n abstracto ist. Wenn es i n der Gesetzesstelle, die auf das betreffende Delikt anwendbar ist, eine besondere S traf skala für erschwerende oder besonders erschwerende Umstände gibt, ohne daß alle erschwerenden oder besonders erschwerenden Umstände aufgezählt sind, ist nach der herrschenden Meinung bestimmend für die Verjährung das M a x i m u m der für solche Umstände festgesetzten Skala. Der Oberste Gerichtshof hat sich i n seinen letzten Urteilen auf den gleichen Standpunkt gestellt. Eine eigene Skala, deren M a x i m u m die Verjährung bestimmt, bilden die allgemeinen Qualifizierungs- und Privilegierungsgründe: Rückfall, Versuch, Beihilfe, Notwehrexzeß und Notstand, falls die letztgenannten eine Strafminderung gemäß Kap. 3 § 2 Abs. 1 bewirken, sowie Jugend und verminderte Zurechnungsfähigkeit. Maßgebend für die Verjährung ist die für die betreffende Straftat angedrohte Strafe i n allgemeiner Strafart. Zusatzstrafen sind i n dieser Hinsicht nicht von Bedeutung. Wenn Straftaten i n Ideal- und Realkonkurrenz stehen, w i r d die Verjährungsfrist für jede Straftat geson-

Das finnische Strafrecht

dert entschieden (s. jedoch das vorhin über das Amtsdelikt Gesagte). Som i t können eine oder einige konkurrierende Straftaten verjährt sein, während andere nicht verjährt sind. Das Recht zur Anklageerhebung wegen einer Straftat w i r d von dem Tage an gerechnet, an dem die Tat begangen wurde, diesen Tag selbst nicht mitgerechnet (Kap. 8 § 1 Abs. 3). Maßgebend ist der Tag, an dem die Folge der Straftat eingetreten ist. Wenn es bei einer Straftat, wie ζ. B. bei den Erfolgshaftungsdelikten, eine nähere und eine weitere tatbestandsmäßige Folge gibt, ist die Verjährungsfrist nach der letztgenannten Folge zu rechnen. Von der obigen Bestimmung über den Tag des Beginns der Verjährungsfrist gibt es jedoch Ausnahmen. So kann man die Entstehung eines Konkurses nicht als Folge der Bankrotthandlung und auch nicht als ein Kennzeichen dieser Handlung betrachten, sondern sie ist nur eine sogenannte objektive Voraussetzung für die Strafbarkeit, aber die Verjährungsfrist w i r d erst von der Entstehung des Konkurses an gerechnet. I n dieser Hinsicht ist auch Kap. 8 § 1 Abs. 4 zu berücksichtigen: „Darf eine Strafverfolgung nach dem Gesetz nicht eintreten, bevor u m Ehescheidung oder Auflösung der Ehe nachgesucht worden ist, so ist die Frist von dem Tage an zu rechnen, wo eine dahinzielende Klage erhoben worden ist, diesen Tag selbst nicht mitgerechnet." Die Verjährungsfrist w i r d durch den Beginn der Strafverfolgung unterbrochen. Die Strafverfolgung ist nach Kap. 8 § 2 Abs. 1 als begonnen anzusehen, sobald derjenige, der einer Straftat angeklagt werden soll, deshalb verhaftet oder zufolge der zugestellten Vorladung zur Verantwortung gezogen worden ist. Die Verjährungsfrist ist nur hinsichtlich derjenigen Straftat als unterbrochen zu betrachten, auf Grund deren die Verhaftung vorgenommen oder die Vorladung vor das Gericht zugestellt worden ist. Die Verjährung anderer Straftaten w i r d durch diese Maßnahmen nicht beeinflußt. Außerdem heißt es i n Kap. 8 § 2 Abs. 2: „Sind mehrere an einer Straftat beteiligt, so hat die Verhaftung oder Vorladung eines von ihnen nicht als Strafverfolgung der anderen zu gelten." Diese Bestimmung gilt unabhängig davon, auf welche Weise die betreffenden Personen an der Straftat teilgenommen haben, als Mittäter oder als Anstifter oder als Gehilfen. Die Verjährung beseitigt die Strafbarkeit der verjährten Tat. Das Gericht hat eine verjährte Anklage ex officio abzulehnen. Durch die Verjährung können jedoch nur die strafrechtlichen Folgen hinfällig werden. Darüber, daß eine auf einer Straftat beruhende Schadenersatzforderung innerhalb der für eine Klage i n Schuldsachen vorgeschriebenen Frist gestellt werden kann, auch nach der Verjährung der betreffenden Straftat, enthält Kap. 9 § 6 des StGB eine ausdrückliche Bestimmung. Obwohl der Strafanspruch nach Ablauf der Verjährungsfrist

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

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hinfällig wird, verliert die verjährte Straftat doch nicht i n jeder Beziehung ihre Bedeutung. Kap. 27 § 5 Abs. 3 bestimmt, daß wenn der Beklagte i n einem Beleidigungsprozeß zu seiner Verteidigung den Wahrheitsbeweis für eine Straftat erbringen w i l l , deren Strafverfolgung verjährt ist, dieses i h m gestattet werden muß. I n einem Prozeß wegen Hehlerei muß es dem Kläger erlaubt sein, zu beweisen, daß die betreffende Ware durch eine der i n Kap. 32 § 1 und 4 genannten Straftaten erlangt ist. Man könnte noch andere Beispiele aufzählen 34 . 2. Außer der allgemeinen Verjährungsfrist gibt es i m Strafgesetz aus Gründen der Rechtssicherheit eine besondere kürzere Verjährungsfrist für das Recht des Verletzten, die Strafverfolgung einer Straftat zu beantragen. Kap. 8 § 4 Abs. 1 bestimmt: „Wenn das Gesetz bestimmt, daß eine Straftat vom öffentlichen Ankläger nur verfolgt werden darf, falls der Verletzte einen Antrag darauf stellt, verjährt das Recht des Verletzten zur Strafverfolgung innerhalb eines Jahres von dem Tage, an dem er Kenntnis von der Straftat erhielt; doch darf eine Strafverfolgung nicht nach Ablauf der i n § 1 gesetzten Frist eingeleitet werden." Der i n dieser Gesetzesstelle erwähnte Antrag des Verletzten ist eine Prozeßvoraussetzung, bei deren Fehlen das Gericht nicht i n die Verhandlung der i h m vorgelegten Sache eintreten kann. Das Vorhandensein dieser Voraussetzung hat das Gericht ex officio zu prüfen. I m Strafgesetz ist jedesmal gesagt, ob die betreffende Straftat der öffentlichen Anklage entzogen ist. Die allgemeine Verjährungsfrist w i r d unabhängig davon, wann eine Straftat jemandem bekannt geworden ist, von ihrer Begehung an gerechnet. Hingegen beginnt die Verjährungsfrist des Rechtes des Verletzten zur Beantragung von Strafverfolgung erst m i t dem Zeitpunkt, an dem er Kenntnis von der Straftat erhalten hat, denn vorher kann er ja von diesem Recht keinen Gebrauch machen. Die i n der D o k t r i n herrschende Meinung geht dahin, daß Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist auch der Umstand ist, daß der Verletzte Kenntnis von dem Täter erhalten hat und daß i h m so viel Beweise zur Verfügung stehen, wie man nach § 18 der Verordnung über die Inkraftsetzung des Strafgesetzes dem öffentlichen Ankläger vorlegen muß, um ihn zur Anklageerhebung zu veranlassen, und wie es für den Antragsteller notwendig ist, damit er sich nicht bei der Ausübung seines Rechtes hinsichtlich der Straftat die für falsche und unbewiesene Anschuldigung angedrohte Strafe zuzieht (vgl. Kap. 26 § 4 Abs. 2 des StGB). Wenn es mehrere Verletzte gibt, ist die Verjährungsfrist für jeden von ihnen von dem Zeitpunkt an zu rechnen, an dem er auf Wahrscheinlichkeitsgründen beruhende Kenntnis von der Straftat und dem Täter erhalten 34

Honkasalo

I I I S. 279 ff.

74

Das finnische Strafrecht

hat. Eine Maßnahme, die einer der Verletzten zwecks Aufrechterhaltung seines Anspruchs ergreift, kann nicht einem anderen von ihnen zugute kommen. Hat der Verletzte nicht innerhalb der gesetzten Frist den Strafanspruch gerichtlich verfolgt oder die Strafverfolgung der Straftat beantragt, so hat er sein Recht auch i n dem Fall verloren, daß er wegen eines gesetzlichen Hinderungsgrundes diese Maßnahmen nicht ergriffen hat. Wenn die allgemeine Verjährungsfrist abgelaufen ist und die Straftat somit ihre Strafbarkeit verloren hat, ist das Recht des Verletzten zur Anklageerhebung unrettbar verloren. Kap. 8 § 4 Abs. 2 bestimmt, daß wenn der Verletzte innerhalb der i h m zur Strafverfolgung zugestandenen Frist gestorben ist, ohne von seinem Recht zur Strafverfolgung Gebrauch gemacht zu haben, seine Gattin, seine Kinder, Eltern oder Geschwister berechtigt sind, vor Ablauf jener Frist die Strafverfolgung einzuleiten, falls nicht der Verletzte gewollt hat, daß eine Strafverfolgung unterbleiben sollte. Ist die Strafverfolgungsfrist zu Lebzeiten des Verstorbenen nicht abgelaufen, so steht den eben genannten Verwandten die noch übrige Zeit zur Verfügung. Jeder von ihnen hat ein selbständiges und gleiches Recht zur Strafverfolgung, so daß die ablehnende Einstellung eines von ihnen keinen Hinderungsgrund dafür bildet, daß ein anderer, der zur genannten Gruppe gehört, dieses Recht ausübt. W i r d eine Straftat, deren Strafverfolgung nur auf Antrag des Verletzten möglich ist, gegen jemanden begangen, der unzurechnungsfähig oder minderjährig ist, so hat sein gesetzlicher Vertreter das Recht zur Anklageerhebung bzw. zur Beantragung der Strafverfolgung (Kap. 8 § 5); laut derselben Gesetzesstelle gilt für ihn das i n § 4 dieses Kapitels über den Verletzten Gesagte. Wenn eine solche Straftat gegen jemanden, der unzurechnungsfähig oder minderjährig ist, von seinem gesetzlichen Vertreter begangen wird, darf der öffentliche Ankläger die Strafverfolgung einleiten, auch wenn kein Antrag darauf gestellt worden ist (Kap. 8 § 6) 3 5 . II. D i e

Verjährung

der V o l l s t r e c k u n g (Kap. 8 § 7—9)

von

Strafen

Die Vollstreckung einer durch rechtskräftiges Urteil verhängten Strafe verjährt, wenn sie nicht begonnen hat: 1. innerhalb von dreißig Jahren, wenn das Urteil auf zeitige Zuchthausstrafe von über sechs Jahren lautet; 2. innerhalb von zwanzig Jahren, wenn es auf Zuchthaus von zwei bis zu sechs Jahren oder auf Gefängnis über vier Jahre lautet; 35

Honkasalo

I I I S. 288 ff.

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

5

3. innerhalb von zehn Jahren, wenn es auf Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder auf Gefängnis von einem Jahr bis zu vier Jahren lautet; 4. innerhalb von fünf Jahren, wenn es auf Gefängnis bis zu einem Jahr oder auf Geldstrafe lautet. Die Vollstreckung der Todesstrafe und der lebenslänglichen Zuchthausstrafe verjährt niemals. Die für die Strafvollstreckung festgesetzten Fristen werden von dem Tage an gerechnet, an dem das Urteil, das nachher rechtskräftig geworden ist, gefällt wurde, diesen Tag selbst nicht mitgerechnet. Wenn ein bedingtes Strafurteil vollstreckt werden muß, sind die obigen Fristen f ü r die Verjährung der Strafen von dem Tage an zu rechnen, an dem die Bewährungsfrist abgelaufen ist oder, wenn die Vollstreckung zu der betreffenden Zeit begonnen hatte, aber unterbrochen worden ist, vom Tage der Unterbrechung an (Ges. über d. bedingte Strafurt. § 9). Bei addierten Strafen ist die Höhe der Gesamtstrafe entscheidend für die Verjährung. Ist die Strafe auf dem Gnadenwege herabgesetzt oder wegen einer i m Ausland verbüßten Strafe oder einer zu lange ausgedehnten Untersuchungshaft herabgesetzt worden (Kap. 1 § 5 und Kap. 3 § 11 des StGB), so ist maßgebend für die Verjährung das ursprünglich verhängte Strafmaß, nicht der nach der Herabsetzung übrigbleibende Rest. Die Verjährung ist unabhängig von der Ursache, die die Vollstreckung verhindert hat. E i n verurteilter Rechtsbrecher kann sich durch die Flucht der Strafvollstreckung entziehen, ebenso wie er dadurch auch die Anklageerhebung verhindern kann. Die Verjährung w i r d jedoch nach Kap. 8 § 8 durch eine innerhalb der festgesetzten Frist begonnene Strafvollstreckung unterbrochen. Man kann die Strafvollstreckung noch nicht damit als begonnen ansehen, daß irgendeine Maßnahme zur Herbeiführung der Vollstreckung, ζ. B. die Verhaftung des Verurteilten, getroffen worden ist, sondern die Strafvollstreckung selbst muß begonnen haben. W i r d eine Strafvollstreckung unterbrochen, so gilt die neue Verjährungsfrist von dem Tage an, wo die Strafvollstreckung unterbrochen wurde, diesen Tag selbst nicht mitgerechnet. Die i n Kap. 8 § 7 festgesetzten Verjährungsfristen beziehen sich nur auf allgemeine Straftaten, nämlich auf zeitige Freiheitsstrafen und auf Geldstrafen. Sie gelten nicht für Amtsentsetzung und vorläufige Dienstenthebung, so daß diese besonderen Hauptstrafen nicht verjähren können. Abs. 4 des eben genannten § 7 bestimmt, daß Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte nicht hinfällig werden, wenn die Hauptstrafe i n allgemeiner Strafart verjährt, sondern daß diese Nebenstrafen für die i m Urteil bestimmte Zeit

Das finnische Straf recht

in K r a f t bleiben, von dem Tage an gerechnet, an dem die Verjährung eintritt, diesen Tag selbst nicht mitgerechnet. Die übrigen strafrechtlichen Folgen von Straftaten kann man i n zwei Gruppen einteilen: solche, die eine besondere Maßnahme erfordern, um vollstreckt zu werden, und solche, die m i t der Rechtskräftigwerdung des Urteils ohne weitere Maßnahme i n Geltung treten. Die erstgenannten, zu denen beispielsweise Ausweisung und Konfiskation gehören, verjähren gleichzeitig m i t der Hauptstrafe; die letztgenannten verjähren überhaupt nicht, falls sie i m Urteil für immer verhängt worden sind. Zu diesen gehören u. a. die Unfähigkeit, vor öffentlichen Behörden als Bevollmächtigter aufzutreten (Kap. 38 § 2 Abs. 3), die Unfähigk e i t zum Dienst bei der Eisenbahn, bei Kanälen, Schleusen, bei der öffentlichen Telegrafenanstalt oder bei Leuchttürmen (Kap. 40 § 16), die Unfähigkeit zur Ausübung des Schankgewerbes oder zum Vorstehen einer Schankwirtschaft (Kap. 43 § 8). Da die Bestimmungen über die Verjährung von Strafen i n keinem Fall andere als strafrechtliche Folgen betreffen, bleiben außerhalb ihres Wirkungsbereichs alle zivilrechtlichen Folgen einer Straftat, wie das Recht auf Schadenersatz und sonstige privatrechtliche Ansprüche, für deren Verjährung besondere Bestimmungen gelten 8 6 . Neuntes

Kapitel

Der Schadenersatz Von der engen Verbindung, die früher zwischen Geldstrafe und Schadenersatz bestanden hat, rührt es her, daß i n das geltende Strafgesetz ein Kapitel über den Schadenersatz aufgenommen worden ist; ebenso verhält es sich m i t dem schwedischen Strafgesetz von 1864. Die Aufnahme verschiedener Bestimmungen über den Schadenersatz ins Strafgesetz bedeutet jedoch keineswegs, daß ein zu Schadenersatz berechtigender Anspruch immer einen kriminellen Grund haben müßte, sondern die zu Schadenersatz verpflichtenden Gründe können auch rein zivilrechtlicher Natur sein. Hinsichtlich des Ersatzes von Schaden, der außerhalb eines Vertragsverhältnisses verursacht ist, steht das finnische Recht grundsätzlich auf dem gleichen Standpunkt wie die skandinavischen Rechtssysteme überhaupt. Damit ein Schadenersatzanspruch i n Finnland i n strafprozessualer Ordnung bestätigt werden kann, muß die Tat, die der Grund dieses Anspruchs ist, den objektiven Tatbestand irgendeiner Straftat verwirklichen; andernfalls ist der Anspruch in zivilprozessualer Ordnung durchzusetzen. 36

Grotenfelt, Kommentar tili strafflagen S. 243; Honkasalo I I I S. 295,

Der allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs

§ 1 des i n Hede stehenden Kapitels enthält eine allgemeine Bestimmung darüber, daß ein durch eine strafbare Handlung einem anderen zugefügter Schaden von dem Schuldigen zu ersetzen ist, einerlei ob die Handlung vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit geschah. Hat der Geschädigte durch eigene Schuld oder hat ein anderer von der Straftat unabhängiger Umstand zu dem Schaden beigetragen, so ist der Schadenersatz demgemäß zu ermäßigen. § 2 besagt, daß unter Schadenersatz Vergütungen u. a. für Folgendes zu verstehen sind: 1. für notwendige Kosten, wie ζ. B. für beschädigtes, zerstörtes oder vergeudetes Gut oder für Arzthonorar oder ähnliches; 2. für Schmälerung der Einnahmen oder des Lebensunterhalts, wie ζ. B. Schädigung oder Behinderung des Erwerbs oder ähnliches und 3. für ausgestandene Schmerzen oder für ein Gebrechen oder einen anderen dauernden Schaden sowie für Leiden, die durch Notzucht, Freiheitsberaubung oder ähnliches verursacht sind. Hinsichtlich des Ersatzes von immateriellem Schaden ist die Rechtspraxis recht zurückhaltend gewesen. Beispielsweise f ü r Leiden, die durch Beleidigung oder falsche Anschuldigung verursacht worden sind, hat man dem Verletzten keinen Schadenersatz zugesprochen. Die Gattin und die Kinder eines Getöteten sind berechtigt, vom Täter ihren Lebensunterhalt zu erhalten, falls sie nicht versorgt sind, und zwar so lange, bis sie selbst ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Bei der Schätzung der Höhe dieses Schadenersatzes ist einerseits das Bedürfnis der Witwe und der Kinder zu berücksichtigen, andererseits die Vermögensverhältnisse des Täters und die übrigen Umstände (§ 3). § 5 des i n Rede stehenden Kapitels bestimmt: „Ist ein Schaden von einem Kinde unter fünfzehn Jahren oder von einem Geisteskranken oder einer sonstigen unzurechnungsfähigen Person verursacht worden und kann der, der wegen unterlassener Aufsicht über eine solche Person oder wegen einer anderen ähnlichen Fahrlässigkeit zur Vergütung des Schadens verpflichtet worden ist, den Schadenersatz nicht zahlen, so ist dieser aus dem Eigentum des Täters zu entrichten." Schadenersatz kann innerhalb der f ü r eine Klage i n Schuldsachen vorgeschriebenen Frist gefordert werden, auch wenn das Recht zur Strafverfolgung der zum Schadenersatz berechtigenden Straftat i m Lauf einer kürzeren Frist verjährt. Ist die Strafverfolgungsfrist von längerer Dauer, so steht dem Schadenersatzberechtigten die gleiche Frist auch für die Erhebung des Schadenersatzanspruchs zur Verfügung (§ 6). Das Recht auf den Ersatz von immateriellem Schaden (§ 2 Abs. 3) ist ein persönliches Recht, das nicht vererbt werden kann (§ 8).

Das finnische Straf recht

Dritter

Abschnitt

Der besondere Teil des Strafgesetzbuches Ebenso wie hinsichtlich der allgemeinen Lehren befolge ich auch hinsichtlich der einzelnen Verbrechen die vom finnischen Strafgesetz angenommene Systematik, damit der enge Zusammenhang m i t dem positiven Recht erhalten bleibt. Die Systematik des Strafgesetzes weicht von der der wissenschaftlichen D o k t r i n beträchtlich ab. I m Interesse der Kürze der Darstellung werden die Strafmaße nur dann angegeben, wenn dazu wegen der Strafart Veranlassung besteht. Ist die Verfolgung der Straftat vom Antrag des Verletzten abhängig, so ist das jeweils erwähnt 1 .

Zehntes

Kapitel

Straftaten gegen die Religion A. Die Gotteslästerung

(Kap. 10 § 1)

Die Ratio dieser Bestimmung ist es, den religiösen Gefühlen anderer Menschen Strafschutz zu gewähren. Die i n Rede stehende Straftat kann durch Bezeigung von spöttischer, unehrerbietiger, geringschätziger oder verächtlicher Einstellung i n jeglicher A r t begangen werden, falls diese Bezeigung öffentlich geschieht. Hinsichtlich der Bestrafung w i r d ein Unterschied zwischen vorbedachter Gotteslästerung einerseits und aus Unbedachtsamkeit oder Jähzorn geschehener Gotteslästerung andererseits gemacht. B. Die Beschimpfung von Gottes Wort und Sakrament (Kap. 10 § 2) Da man nach § 1 des Gesetzes über die Religionsfreiheit vom 10. November 1922 i n Finnland jede Religion öffentlich und privat ausüben darf, wenn das Gesetz und die guten Sitten nicht dadurch verletzt werden, betrifft der i n § 2 dieses Kapitels erwähnte Strafschutz Lehre, Sakramente und kirchliche Gebräuche jeder Religionsgesellschaft, unter der ebengenannten Voraussetzung. Das Gesetz spricht hier von Beschimpfung, worunter öffentliche Verhöhnung oder Lächerlichmachung zu verstehen ist. 1

Über die Auslegung der einzelnen Straftaten s. Forsman, Föreläsningar öfver de särskilda brotten, utgivna av Honkasalo, I, I I und I I I , 1938; Serlachius-Särkilahti, Oppikirja I I , 1912 bis 1914; Honkasalo, Erinäiset rikokset, 1950.

Der

e n e

Teil des Strafgesetzbuchs

C. Die Verhinderung oder Störung des Gottesdienstes oder anderer Religionsausübungen (Kap. 10 §§ 3 und 4) Absatz 1 des erstgenannten Paragraphen kriminalisiert die Verhinderung der i n der Überschrift angegebenen Handlungen, Absatz 3 ihre Störung. Auch der Versuch der i n Abs. 1 genannten Tat ist strafbar. § 4 kriminalisiert die Verhinderung oder Störung privater Andachten. Den Strafschutz der i n Rede stehenden Gesetzesstelle genießen außer den Religionsübungen der evangelisch-lutherischen und der griechischkatholischen Kirche auch die jeder anderen sachgemäß registrierten Religionsgemeinschaft. D. Die gesetzwidrige

Aufnahme eines anderen in eine Religionsgesellschaft (Kap. 10 § 5) Diese Gesetzesstelle kriminalisiert die Verleitung eines anderen zum Übertritt zu einer anderen Glaubenslehre, falls sie durch Zwang, List, Geschenke oder Vorspiegelung zeitlicher Vorteile geschieht. Ihre heutige Form erhielt die Gesetzesstelle durch das Gesetz vom 10. J u n i 1921. Sie bedroht m i t Strafe auch den, der durch Taufe oder eine andere Handlung einen Minderjährigen gesetzwidrig i n eine Religionsgesellschaft aufnimmt, zu der dieser dem Gesetz nach nicht gehört. Als Zusatzstrafe ist für die i n Rede stehende Straftat, wenn sie das erfordert, die Ausweisung festgesetzt.

Elftes

Kapitel

Der Hochverrat A. Der Hochverrat

im allgemeinen

(Kap. 11 § 2)

Da Kap. 11 § 1 und § 2 Abs. 1 Ziff. 1 ihre Bedeutung verloren haben, seit Finnland eine selbständige Republik geworden ist, werden als Hochverrat nur die i n § 2 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 genannten Taten bestraft, die sich gegen das Staatsgebiet und gegen die Verfassung richten. Hochverrat, der sich gegen das Staatsgebiet richtet, umfaßt die Loslösung eines Teils dieses Gebiets oder seine Unterstellung unter eine fremde Macht. Hochverrat, der sich gegen die Verfassung richtet, umfaßt die gesetzwidrige Außerkraftsetzung oder Änderung der Verfassung. Der Versuch der genannten Verbrechen ist von der gleichen Strafe bedroht wie das vollendete Verbrechen. B. Die hochverräterische Verschwörung (Kap. 11 § 3) Unter hochverräterischer Verschwörung versteht man eine Verabredung zwischen zwei oder mehreren Personen, ein bestimmtes Hoch-

0

Das finnische Strafrecht

verrats verb rechen auszuführen. Die Verabredung braucht jedoch hinsichtlich Zeit, Ort und anderer Einzelheiten nicht individualisiert zu sein. C. Die Vorbereitung

von Hochverrat

(Kap. 11 § 4 und 4 a)

Als Vorbereitung von Hochverrat bestraft das finnische Strafgesetz die Verbindungsaufnahme m i t einer fremden Regierung, den Mißbrauch anvertrauter Amtsgewalt und die Beschaffung von Waffen oder A n werbung von Mannschaften zum Zweck der Begehung von Hochverrat sowie andere ähnliche Vorbereitungshandlungen. Offenbar deshalb, weil man nicht alle Formen der Vorbereitung von Hochverrat, die der Gesetzgeber als strafwürdig angesehen hat, zu den i n § 4 genannten rechnen kann, ist diesem Kapitel durch das Gesetz vom 23. Januar 1931 ein § 4 a hinzugefügt worden, der Strafe androht 1. für Anschluß an eine Organisation, die auf den gewaltsamen Umsturz der Gesellschaftsordnung hinarbeitet oder eine solche Tätigkeit fördert oder unterstützt, 2. für Teilnahme an einer Versammlung, i n der über hochverräterische Tätigkeit oder deren Förderung beraten oder beschlossen wird, 3. für Lobpreisung des Hochverrats durch Reden oder Schriften oder Verbreitung solcher Schriften, 4. für sonstige Förderung einer auf Hochverrat abzielenden Tätigkeit durch Reden oder Taten.

Zwölftes

Kapitel

Der Landesverrat A. Der militärische Landesverrat (Kap. 12 §§ 1, 2, 3, 4 und 5 nach dem Gesetz vom 20. August 1942) Subjekt der i n den Paragraphen 1, 2 und 3 genannten Taten kann auch ein Ausländer sein, falls er sich i n Finnland aufhält oder das Verbrechen i m Dienste des finnischen Staates begeht. § 1 kriminalisiert den E i n t r i t t i n eine Wehrmacht, von der der Täter weiß, daß sie dem finnischen Staat feindlich ist, und das Nichtausscheiden aus einer solchen Wehrmacht. Diese ist auch dann als feindlich zu betrachten, wenn der Krieg so unmittelbar vor der T ü r steht, daß eine derartige Auffassung begründet ist. § 2 enthält Strafandrohungen für qualifizierte Fälle von militärischem Landesverrat, die sehr zahlreich sind. Zum militärischen Landesverrat gehören auch die i n § 5 genannten Taten: 1. die Aufforderung an eine fremde Regierung, den Krieg oder eine sonstige feindselige Handlung gegen Finnland zu beginnen oder fortzusetzen oder ein Militärbündnis m i t Finnland zu brechen oder den

Der

e n e

Teil des Strafgesetzbuchs

Abschluß eines solchen Bündnisses abzulehnen; 2. das Versprechen, einer fremden Regierung i n ihrem Krieg gegen Finnland Hilfe zu leisten, das vor der Kriegserklärung abgegeben wird. Subjekt der i n § 5 genannten Taten kann nur ein finnischer Staatsangehöriger sein. B. Der diplomatische Landesverrat (Kap. 12 § 6 nach dem Gesetz vom 18. Oktober 1939) Subjekt dieses Verbrechens kann n u r eine solche Person sein — sei es ein finnischer Staatsangehöriger oder ein Ausländer —, der von Seiten Finnlands der Abschluß eines Vertrages oder Verhandlungen darüber m i t einer fremden Macht aufgetragen sind. Die Straftat kann durch jeden beliebigen zum Schaden des finnischen Staates gereichenden Mißbrauch des Vertrauens begangen werden. C. Die Mitteilung

von Staatsgeheimnissen (Kap. 12 § 7 nach dem Gesetz vom 18. Oktober 1939)

Der Mitteilung von Staatsgeheimnissen ist es gleichgestellt, wenn sich jemand Kenntnis von solchen Sachen verschafft, die Finnlands Beziehungen zu einer fremden Macht gefährden können. D. Fälschung, Vernichtung, Verderbung, Versteckung oder Verheimlichung von für den Staat bedeutungsvollen Urkunden (Kap. 12 § 8 nach dem Gesetz vom 18. Oktober 1939) Objekt dieses Paragraphen ist eine Urkunde, die für Finnlands Sicherheit oder für die Wahrung von Finnlands Rechten oder Interessen wichtig ist. Für die Strafbarkeit ist nicht Voraussetzung, daß ein Schaden entsteht. E. Die landesverräterische Verschwörung (Kap. 12 § 9 nach dem Gesetz vom 18. Oktober 1939) F ü r dieses Verbrechen g i l t dasselbe, was oben über die hochverräterische Verschwörung gesagt ist. F. Die Anstiftung

zum Landesverrat (Kap. 12 § 9 Abs. 2 nach dem Gesetz vom 18. Oktober 1939)

Diese Gesetzesstelle kriminalisiert eine solche Anstiftung zum Landesverrat, die nicht zu der Tat führt. Somit liegt hier einer der seltenen Fälle vor, i n denen eine versuchte Anstiftung strafbar ist. Das Verbrechen, zu dem der Betreffende jemanden anzustiften versucht, kann militärischer oder diplomatischer Landesverrat, Mitteilung von Staatsgeheimnissen oder eine Straftat sein, die für den Staat bedeutungsvolle Urkunden betrifft. 6 Ausländisches Strafrecht II

Das finnische Strafrecht

G. Die Vorbereitung

von Landesverrat (Kap. 12 § 9 Abs. 3 nach dem Gesetz vom 18. Oktober 1939)

Als Vorbereitung zum Landesverrat strafbar ist die Verbindungsaufnahme zu einer fremden Macht oder einem Agenten einer solchen Macht, um eine der i n diesem Kapitel genannten landesverräterischen Taten zu begehen. Dreizehntes

Kapitel

Majestätsverbrechen sowie Tätlichkeit und Beleidigung gegenüber Mitgliedern des Kaiserlichen Hauses Dieses Kapitel ist durch die Verfassung vom 17. J u l i 1919 praktisch bedeutungslos geworden. Vierzehntes

Kapitel

Straftaten gegen befreundete Staaten Eine Strafverfolgung solcher Straftaten darf der öffentliche Ankläger nicht einleiten, wenn nicht die Regierung des betreffenden fremden Staates darum bittet oder der Präsident der Republik es bestimmt. Bei einer i n § 4 a genannten Straftat darf nur der Präsident der Republik die Strafverfolgung anordnen. A. Ermordung

oder Totschlag des Oberhauptes eines befreundeten Staates (Kap. 14 § 1 Abs. 1) Jeder sich dem Völkerrecht unterordnende Staat, der nicht i m Krieg gegen Finnland steht, w i r d als m i t Finnland befreundet angesehen. Die Tat ist ein qualifizierter Fall von Mord, vorsätzlichem Totschlag oder sonstigem Totschlag. Unter sonstigem Totschlag w i r d Körperverletzung mit tödlichem Ausgang verstanden. Für Mord ist i n diesem Fall als einzige Strafe die Todesstrafe angedroht. B. Tätlichkeit

gegen das Oberhaupt eines befreundeten (Kap. 14 § 1 Abs. 3)

Staates

Unter Tätlichkeit w i r d Körperverletzung verstanden, und diese w i r d nach den allgemeinen Gesetzesstellen über die Körperverletzung bestraft, aber als erschwerender Umstand ist zu betrachten, daß das Objekt der Straftat das Oberhaupt eines befreundeten Staates ist. C. Beleidigung

des Oberhauptes eines befreundeten Staates (Kap. 14 § 2)

Diese Gesetzesstelle hat nur eine Strafskala, die demnach sowohl auf Verleumdung als auch auf Beleidigung anzuwenden ist. A u f die

Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs

Beschimpfung des Andenkens eines toten Staatsoberhauptes läßt sich die Gesetzesstelle nicht anwenden, so daß eine solche Beleidigung nach Kap. 27 § 4 zu bestrafen ist. D. Verletzung eines befreundeten Staates durch eine solche Tat, die — gegen den eigenen Staat begangen — Hochverrat oder dessen Vorbereitung wäre (Kap. 14 § 3) Für Bestrafung nach dieser Gesetzesstelle kommen lediglich solche Taten ini Frage, die, wenn sie gegen den eigenen Staat begangen w ü r den, den Tatbestand der i n Kap. 11 §§ 2, 3 oder 4 genannten Straftaten erfüllen würden. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist nach dem Gesetz, daß zwischen Finnland und dem betreffenden fremden Staat hinsichtlich der Bestrafung der i n Rede stehenden Straftaten ein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht. Die Strafen sind milder als für entsprechende Verbrechen gegen den eigenen Staat. E. Mißhandlung oder Beleidigung eines diplomatischen Vertreters eines fremden Staates (Kap. 14 § 4 Abs. 1) Die Mißhandlung kann beliebiger A r t sein, aber wenn sie zu einer schweren Körperverletzung führt, ist nicht die Strafskala dieser Gesetzesstelle anzuwenden, sondern die i n Kap. 21 § 5 enthaltenen Skalen, die strengere Strafen festsetzen. Die Ehrenkränkung kann sowohl i n der Form der Verleumdung als der Beleidigung geschehen. F. Beschimpfung des Staatswappens oder eines anderen Hoheitszeichens eines befreundeten Staates (Kap. 14 § 4 Abs. 2) Als Objekte kommen Wappen und andere Hoheitszeichen i n Frage, u. a. Flaggen eines fremden Staates, einerlei ob sie sich i n Finnland oder i m Ausland befinden, G. Verstoß gegen eine in gehöriger Ordnung verkündete Neutralitätsbestimmung (Kap. 14 § 4 Abs. 3) Als Verstoß gegen eine Neutralitätsbestimmung können Lieferung von Sanitätsbedarf an eine Wehrmacht und Dienst als Arzt nicht angesehen werden. Auch Äußerungen von Sympathie sind nicht als solche Verstöße zu betrachten, auch wenn sie i n der Presse ausgesprochen sind. H. Herabsetzung

eines fremden Staates (Kap. 14 § 4 a nach dem Gesetz vom 8. M a i 1948)

Die heikle außenpolitische Lage Finnlands hat die Kriminalisierung dieser Tat veranlaßt. Die Herabsetzung ist jedoch nur dann strafbar, wenn sie durch eine Drucksache, Schrift, bildliche Darstellung oder 6*

Das finnische Straf recht

sonstige Äußerungsmittel oder i n anderer Weise öffentlich geschieht und wenn dadurch die Gefahr einer Schädigung der Beziehungen Finnlands zu dem betreffenden fremden Staat heraufbeschworen wird.

Fünfzehntes

Kapitel

Straftaten gegen (die Reichsstände) Finnlands und Störungen fremder Wahl- und Stimmredite A. Straftaten

gegen den Reichstag (Kap. 15 § 1)

Diese Gesetzesstelle kriminalisiert erstens die Störung der Hedeoder Beschlußfreiheit des Reichstags und seiner Ausschüsse durch Gewalt oder durch Bedrohung m i t Gewalt. Eine solche Störung kann ζ. B. so geschehen, daß eine Sitzung des Reichstags aufgelöst w i r d oder daß der Reichstag oder ein Ausschuß desselben zur Fassung eines bestimmten Beschlusses gezwungen oder an der Fassung eines Beschlusses verhindert wird. Desgleichen kriminalisiert die Gesetzesstelle die Verhinderung des Reichstags oder eines Ausschusses desselben am Zusammentreten. Der Versuch ist ebenso strafbar wie die vollendete Tat. Betreffend den Reichstagsabgeordneten ist i n § 15 der Reichstagsordnung vom 13. Januar 1928 festgesetzt, daß die Tatsache, daß die strafbare Tat gegen einen Reichstagsabgeordneten auf dem Wege zum Reichstag oder während der Sitzungsperiode des Reichstags oder nach dieser wegen der Erledigung seiner Aufgaben gerichtet ist, als erschwerender Umstand anzusehen ist. Diese Bestimmung gilt auch für den Sekretär des Reichstags sowie für die übrigen Reichstagsbeamten und -bediensteten. Ein Beamter, der sich die letztgenannte Straftat zuschulden kommen läßt, oder eine der anderen i n diesem Kapitel erwähnten, ist auch seines Amtes zu entsetzen (§ 5). B. Störung der Wahlfreiheit

(Kap. 15 § 2)

Diese Gesetzesstelle setzt die Strafe fest für den, der durch Gewalt oder durch Bedrohung m i t Gewalt einen anderen i n der Ausübung seines Wahl- oder Stimmrechts bei der Wahl öffentlicher Funktionäre oder Beamter oder bei der Verhandlung anderer öffentlicher Angelegenheiten stört oder daran hindert. Als Störung ist es auch zu betrachten, wenn jemand gezwungen wird, seine Stimme einer bestimmten Person zu geben. Auch der Versuch der genannten Straftaten ist strafbar.

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Für Störung der Wahlfreiheit bei der Wahl der Reichstagsabgeordneten ist die Strafe i n § 5 der Reichstagsordnung vom 13. Januar 1928 festgesetzt. C. Kauf und Verkauf von Stimmen in öffentlichen (Kap. 15 § 3)

Angelegenheiten

Diese Straftat w i r d nicht dadurch vollendet, daß jemand einseitig irgendeinen Vorteil für eine Stimme anbietet oder sich einseitig erbietet, für irgendeinen Vorteil auf bestimmte Weise zu stimmen, sondern dazu ist entweder ein ausdrücklicher oder ein aus konkludenten Umständen ersichtlicher Vertrag zwischen Käufer und Verkäufer erforderlich. Der Vorteil braucht nicht unbedingt materieller Natur zu sein. Auch Verzicht auf die Ausübung des Stimmrechts sowie Verzicht auf die Freiheit, nach seiner Überzeugung abzustimmen, erfüllt den Tatbestand der i n Rede stehenden Straftat. Beide Vertragspartner sind strafbar. F ü r Stimmenkauf und -verkauf bei der Wahl der Reichstagsabgeordneten ist i n § 6 Ziff. 7 der Reichstagsordnung als Nebenstrafe der befristete Verlust des Wahlrechts angedroht. D. Herbeiführung

unrichtiger Abstimmungsergebnisse Angelegenheiten (Kap. 15 § 4)

in öffentlichen

Diese Straftat w i r d dadurch vollendet, daß jemand unter dem Namen eines anderen an öffentlichen Verrichtungen teilnimmt oder durch Bet r u g oder auf sonstige Weise ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl oder Abstimmung herbeiführt. Ein falsches Ergebnis kann auch dadurch herbeigeführt werden, daß jemand an einer Wahl oder Abstimmung teilnimmt, ohne dazu berechtigt zu sein. Ein Wahlfunktionär kann ein unrichtiges Ergebnis herbeiführen, indem er die Stimmen falsch zusammenzählt, Wahlzettel vernichtet oder eine andere Stimmenzahl bekanntgibt, als sie w i r k l i c h ist. Es ist nicht erforderlich, daß sich das sachliche Ergebnis der Abstimmung dadurch geändert hat, sondern nur, daß die Abstimmungsziffern geändert worden sind.

Sechzehntes

Kapitel

Straftaten gegen die öffentlichen Behörden und die öffentliche Ordnung A. Widerstand gegen Beamte (Kap. 16 §§ 1 und 2) Objekt dieser Straftat kann außer jeder Person, die zu einer der i n Kap. 2 § 12 aufgezählten Gruppen gehört, auch jemand sein, der zur Hilfeleistung bei einer öffentlichen Verrichtung bestimmt oder gewählt

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ist, ein Wachtposten oder eine i n der Ausübung des Dienstes begriffene Militärperson; bei der i n § 2 genannten Straftat kann außerdem noch jemand, dem behördlicherseits die Befugnis zu einer Haussuchung erteilt worden ist, Objekt sein (Verordn. über d. Inkrafts. d. StGB § 13). Die i n Rede stehende Straftat kommt i n vier verschiedenen Hauptformen vor: 1. Zwingen eines Beamten durch Gewalt oder durch, Bedrohung m i t Gewalt, eine Amtshandlung vorzunehmen oder zu unterlassen, oder der Versuch dazu, 2. Widerstand gegen einen Beamten i n Amtsangelegenheiten auf gleiche Weise, 3. sonstige Gewaltanwendung gegen einen Beamten im Dienst und 4. Gewaltanwendung gegen einen Beamten als. Rache für eine Amtshandlung. Zum Tatbestand der i n § 2 genannten milder zu bestrafenden Tat gehört weder Gewalt noch Drohung m i t Gewalt, aber die Behinderung muß durch positive Handlungen geschehen. Passives Verhalten genügt nicht. B. Der Auf lauf (Kap. 16 § 3) Zum objektiven Tatbestand dieser Straftat gehören drei Momente: 1. Zusammenrottung einer Menschenmenge, 2. ersichtlich gewordene Absicht, mit vereinten Kräften eine der i n Kap. 16 § 1 genannten Straftaten zu begehen oder sonstwie die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, 3. Nichtbefolgung der in § 6 dieses Kapitels erwähnten Aufforderungen zum Auseinandergehen. Das Auffordern zum Auseinandergehen ist Sache der i n Kap. 16 § 6 genannten Beamten. Die Aufforderung ist dreimal auszusprechen. Die Straftat ist erst dann vollendet, wenn auch die dritte Aufforderung nicht befolgt worden ist. W i r d die dritte Auforderung zum Auseinandergehen nicht befolgt, so ist die Anwendung von Waffengewalt gegen die Menschenmenge gestattet. Sie ist es aber auch schon früher, wenn die Menschenmenge so plötzlich zu Gewalttätigkeiten schreitet, daß keine Zeit vorhanden ist, auf die vorgeschriebene Weise die Aufforderungen zum Auseinandergehen auszusprechen. Über die von der Wehrmacht zu gewährende Amtshilfe finden sich Bestimmungen i n der Bekanntmachung vom 20. Januar 1896 und in § 8 der Verordnung vom 11. November 1922. Für die Anstifter und Rädelsführer ist eine strengere Strafe angedroht als für die übrigen Teilnehmer an der Straftat. C. Der Aufruhr

(Kap. 16 § 4)

Wenn eine Menschenmenge m i t vereinten Kräften die in Kap. 16 § 1 genannte Straftat begeht, w i r d diese vom Strafgesetz als A u f r u h r bezeichnet. Der Auflauf ist eine Vorbereitung zum A u f r u h r oder zu der i n Kap. 16 § 5 genannten Straftat. Aber ein Aufruhr setzt nicht unbe-

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dingt einen Auflauf voraus, denn die Menschenmenge kann sich einen A u f r u h r zuschulden kommen lassen, ohne daß der Tatbestand des Auflaufs, wozu die oben erwähnten drei Aufforderungen zum Auseinandergehen gehören, erfüllt wird. Die Anstifter und Rädelsführer sowie jeder, der an der Begehung der Straftat teilgenommen hat, sind i n eine strengere Strafbarkeitsklasse eingestuft als die übrigen Teilnehmer am Aufruhr. D. Der Landfriedensbruch

(Kap. 16 § 5)

Diese Straftat unterscheidet sich vom Aufruhr darin, daß sie sich nicht gegen Beamte richtet, sondern gegen Privatpersonen oder gegen Vermögen, sei es nun privates oder öffentliches. Das von der Strafbestimmung geschützte Rechtsgut ist der allgemeine Frieden, der durch m i t vereinten Kräften begangene Gewaltanwendung einer Menschenmenge gegen eine Person oder gegen Vermögen verletzt wird. Die Anstifter und Rädelsführer sowie jeder Teilnehmer an Gewalttätigkeiten oder Plünderung gehören zu einer strengeren Strafbarkeitsklasse als die übrigen an der Straftat Beteiligten. I n § 7 dieses Kapitels handelt es sich u m Handlungen, die man als Vorbereitung zum A u f r u h r oder zur Störung des allgemeinen Friedens ansehen kann. Hat die Vorbereitung jedoch einen hochverräterischen Charakter, so gelangen die Strafbestimmungen des 11. Kapitels zur Anwendung. E. Öffentliche

Aufforderung zu einem Verbrechen oder zu Ungehorsam gegenüber dem Gesetz (Kap. 16 § 8)

Diese Gesetzesstelle betrifft nur öffentlich geschehende Aufforderung. Wenn auf Grund einer solchen eine Straftat oder ein strafbarer Versuch begangen wird, finden auf den Anstifter die allgemeinen Bestimmungen über die Anstiftung Anwendung. Die Hauptbedeutung der Gesetzesstelle liegt darin, daß sie auch eine solche öffentliche Aufforderung kriminalisiert, die zu keiner Straftat führt, also die sogenannte versuchte Anstiftung. Für Aufforderung zu Hochverrat, Landesverrat, Aufruhr, Mord, Raub oder zu einem solchen Verbrechen, das eine allgemeine Gefährdung für Leben, Gesundheit oder Besitz mit sich bringt, ist eine wesentlich strengere Strafe angedroht als für Aufforderung zu anderen Straftaten. Die Strafe darf jedoch keinesfalls schwerer sein, als sie hätte für Anstiftung zu der betreffenden Straftat verhängt werden können. Abs. 2 dieses Paragraphen kriminalisiert eine solche Aufforderung, die nicht Anstiftung zu einer bestimmten Tat ist, sondern zum Ungehorsam gegen das Gesetz oder gegen gesetzliche Bestimmungen; und

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desgleichen Lobpreisung einer m i t Strafe bedrohten Handlung sowie den Versuch, eine solche als straflos hinzustellen. F. Beitritt zu einer militärisch organisierten Vereinigung oder sonstigen Verbindung (Kap. 16 § 8 a) Diese Gesetzesstelle ist dem 16. Kapitel durch Gesetz vom 20. J u l i 1933 hinzugefügt worden. Die darin gemeinte Vereinigung oder Verbindung muß eine solche sein, zu deren Zwecken die Einflußnahme auf staatliche Dinge gehört. Eine strengere Strafskala besteht für Gründer und Leiter einer derartigen Organisation sowie für solche Personen, die zu ihrer Gründung anstiften oder zum Beitritt zu i h r öffentlich auffordern oder verleiten. E i n Beamter kann für eine dieser Straftaten, auch wenn diese nicht i m Dienst begangen ist, zur vorläufigen Dienstenthebung verurteilt werden. G. Verleitung

von Wehrpflichtigen, sich der Einberufung (Kap. 16 § 9)

zu entziehen

Diese Gesetzesstelle bedroht denjenigen m i t Strafe, der einen Wehrpflichtigen verleitet oder zu verleiten versucht, der Musterung oder dem regulären Dienst i m Frieden oder i m Kriege oder einer Reservistenübung fernzubleiben. Wenn eine solche Verleitung öffentlich oder durch irgendeine Schrift oder andere Darstellung geschieht, ist sie strenger zu bestrafen. Die Gesetzesstelle legt auch die Strafe für den fest, der einen Wehrpflichtigen verleitet oder zu verleiten versucht, gegen seine Vorgesetzten Gewalttätigkeiten zu begehen, ihnen ungehorsam zu sein oder sonstwie seinen Dienstpflichten zuwiderzuhandeln, sowie für den, der jemanden versteckt oder unterstützt, der sich der Wehrdienstpflicht zu entziehen versucht. H. Befreiung von Gefangenen (Kap. 16 § 10) Diese Tat kann verübt werden durch Befreiung eines Gefangenen aus einer Strafanstalt, Haft oder sonstigem Gewahrsam oder aus der Obhut dessen, der ihn bewacht, begleitet oder transportiert, oder dadurch, daß einem Gefangenen oder jemandem, der entwichen ist und ergriffen werden soll, zur Flucht verholfen wird. Die Strafe ist i n abstracto milder, wenn das Subjekt der Straftat eine m i t dem Gefangenen i n direkt auf- oder absteigender L i n i e verwandte oder verschwägerte Person oder sein Gatte, seine Gattin, sein Pflegevater, seine Pflegemutter, sein Pflegekind, sein Bruder oder seine Schwester oder der Gatte bzw. die Gattin eines der beiden Letztgenannten oder m i t dem Gefangenen verlobt ist (Abs. 2).

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I. Befreiung

von Gefangenen durch Gefangenenwärter oder Gefangenenführer (Kap. 16 § 11) Subjekt dieser Tat kann nur eine solche Person sein, die den Auftrag erhalten hat, einen Gefangenen zu bewachen, zu begleiten oder zu transportieren. Als Täter kommen Privatleute i n Frage, denen der Transport von Gefangenen obliegt. Für einen Beamten, der einen Gefangenen freiläßt oder sein Entweichen fördert, ist die Strafe i n Kap. 40 § 5 festgesetzt. Die Tat w i r d dadurch vollendet, daß man einen Gefangenen freiläßt oder sein Entweichen fördert. Sie ist auch dann strafbar, wenn sie fahrlässig begangen w i r d (Abs. 3). J. Entweichen

von Gefangenen (Kap. 16 § I I b , nach dem Gesetz vom 13. M a i 1932)

Durch das Gesetz vom 13. M a i 1932 hat Kap. 16 den zusätzlichen § 11 b erhalten, der die Selbstbefreiung eines Gefangenen und den Versuch dazu kriminalisiert. Es ist gleichgültig, ob der Gefangene sich die Freiheit selbst verschafft hat oder als Anstifter zu seiner Befreiung beigetragen hat oder Gehilfe dabei gewesen ist. § 11 a, der gleichfalls durch das eben erwähnte Gesetz diesem Kapitel hinzugefügt worden ist, legt die Strafe für einen solchen Gefangenen fest, der unerlaubterweise eine Schuß-, Stoß- oder Schlagwaffe oder ein sonstiges Werkzeug für Gewalttätigkeiten anfertigt, beschafft oder in Besitz hat. K. Die Meuterei (Kap. 16 § 12) Als Meuterei werden folgende von Gefangenen verübte Taten bestraft: 1. gemeinsame Gewaltanwendung gegen den, der sie zu bewachen hat, 2. gemeinsam geleisteter Widerstand m i t Gewalt oder unter Bedrohung m i t Gewalt gegen die eben genannte Person oder Zwingen dieser Person durch Gewalt oder Bedrohung m i t Gewalt, etwas zu tun, oder ein Versuch dazu, 3. gemeinsamer Ausbruch oder Ausbruchsversuch aus dem Gefängnis oder einem sonstigen Gewahrsam. Für diejenigen, die sich Gewalttätigkeiten oder Bedrohung m i t Gewalt haben zuschulden kommen lassen, sind strengere Strafen festgesetzt als für die übrigen Teilnehmer. L. Die Bestechung (Kap. 16 § 13 nach dem Gesetz vom 19. A p r i l 1946) Die in der Überschrift angegebene Gesetzesstelle kriminalisiert die sogenannte aktive Bestechung. Diese ist eine selbständige Straftat und also nicht eine Form der Teilnahme an der passiven Bestechung, die i n Kap. 40 § 1 behandelt wird. Wenn ein Beamter durch Bestechung zur Begehung einer Straftat veranlaßt wird, ist der Bestecher, falls die

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erforderlichen Voraussetzungen vorliegen, auch für die Anstiftung zu dieser Straftat zu bestrafen, so daß Bestechung und Anstiftung i n Idealkonkurrenz miteinander stehen. Die Bestechung muß „ f ü r irgendeine Amtshandlung" gegeben, versprochen oder angeboten sein, obwohl diese nicht individualisiert zu sein braucht. Die Amtshandlung braucht nicht unbedingt rechtswidrig zu sein, sondern kann auch den Dienstpflichten entsprechen. Das zur Bestechung verwendete Geschenk oder Gut oder sein Wert ist für verfallen zu erklären; s. Kap. 2 § 16. M. Verbotene Eigenmacht (Kap. 16 § 14 Abs. 1) Unter verbotener Eigenmacht versteht das Strafgesetz die eigenmächtige Verwirklichung eines Rechtsanspruchs, der dem Täter zusteht oder von dem er das wenigstens glaubt, ohne daß er sich zwecks V e r w i r k lichung an die Staatsgewalt wendet. Die Tat w i r d nach der i n Rede stehenden Gesetzesstelle bestraft, wenn nicht eine andere Gesetzesstelle eine schwerere Strafe dafür vorschreibt. N. Anmaßung von Amtsgewalt (Kap. 16 § 14 Abs. 2) Diese Tat kann i n zwei Formen vorkommen: 1. der Täter gibt sich für einen Beamten aus und nimmt als solcher eine Amtshandlung vor, oder 2. der Täter w i l l nicht als Beamter auftreten, nimmt aber trotzdem eine Handlung vor, die lediglich ein Beamter ausführen darf. Auch ein Beamter kann sich die i n Rede stehende Straftat zuschulden kommen lassen. Die Straftat ist qualifiziert, wenn sie i n betrügerischer Absicht begangen wird. O. Straftaten gegen die Flagge oder das Staatswappen Finnlands (Kap. 16 § 16 nach dem Gesetz vom 2. Februar 1925) Objekt dieser Straftat ist die Flagge Finnlands oder das von einer Behörde an einem öffentlichen Platz angebrachte finnische Staatswappen. Die Straftat w i r d durch Wegnehmen, Beschädigen oder Verderben der Flagge oder des Staatswappens begangen. Sie ist qualifiziert, wenn sie in der Absicht geschieht, einer Behörde Mißachtung zu bezeigen. Die Gesetzesstelle legt auch die Strafe für denjenigen fest, der die Flagge oder das Staatswappen Finnlands durch eine Druckschrift oder bildliche Darstellung beschimpft, die er verbreitet oder anschlägt oder ausstellt. P. Straftaten, die öffentliche Bekanntmachungen oder die finnische Gesetzsammlung betreffen (Kap. 16 § 16 Abs. 1 nach dem Gesetz vom 2. Februar 1925) Diese Gesetzesstelle enthält die Strafandrohung für den, der ein Exemplar der finnischen Gesetzsammlung oder eine Bekanntmachung,

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die eine Behörde zur Kenntnisnahme des Publikums ausgestellt hat, entfernt oder beschädigt. R. Erbrechen des Siegels einer Behörde oder eines Beamten (Kap. 16 §17 Abs. 1) Diese Gesetzesstelle kriminalisiert das Erbrechen eines Siegels, das eine Behörde oder ein Beamter angelegt hat, um Sachen, oder Schriftstücke zu versiegeln. S. Entziehung

von gepfändeten oder beschlagnahmten (Kap. 16 § 17 Abs. 2)

Sachen

Diese Straftat w i r d durch jedes Sichvergreifen an Vermögen vollendet, durch das eine dieses Vermögen betreffende behördliche Pfändungs- oder Beschlagnahmeverfügung hinfällig gemacht oder ihre Durchführung erschwert wird. T. Unterlassung

der Anzeige des Vorhabens von Verbrechen bestimmter Art (Kap. 16 § 19)

Eine Pflicht zur Anzeige begangener Straftaten gibt es nicht. Auch bei geplanten Straftaten beschränkt sich die Anzeigepflicht auf die i n der Gesetzesstelle ausdrücklich genannten Verbrechen, nämlich auf Hochverrat (Kap. 11), Landesverrat (Kap. 12), Mord (Kap. 21 § 1), Raub (Kap. 31 §§ 1 und 2), Menschenraub und Sklavenhandel (Kap. 25 § 1), Münzverbrechen (Kap. 37 §§ 1, 2 und 4) sowie gemeingefährliche Straftaten, die das Leben oder die Gesundheit eines anderen gefährden (Kap. 34 §§ 1 bis 6, 8 bis 10, 13 bis 16). Die Versäumnis der Anzeige ist nur unter der Voraussetzung zu bestrafen, daß eine strafbare Tat oder ein strafbarer Versuch erfolgt. Personen, die in einem in Kap. 16 § 10 Abs. 2 genannten Verhältnis zum Täter stehen, werden für Versäumnis der Anzeige nicht bestraft. U. Begünstigung

des Täters (Kap. 16 § 20)

Diese Straftat kann auf zwei Arten begangen werden: 1. durch Verstecken des Täters oder Hilfeleistung beim Verstecken desselben oder Förderung seiner Flucht, oder 2. durch Beihilfe bei der Verheimlichung der Tat oder bei der Vernichtung von Beweisen für diese. Begünstigung des Täters ist nach dem Gesetz dann, nicht strafbar, wenn der Begünstigende zu dem Begünstigten i n einem i n Kap. 16 § 10 Abs. 2 genannten Verhältnis steht. Für Begünstigung darf auf keine höhere Strafe erkannt werden als die, die für Beihilfe zu der betreffenden Straftat verhängt werden könnte.

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V. Irreführung von Behörden in bezug auf Namen, Stand oder Beruf (Kap. 16 § 20 a nach dem Gesetz vom 4. Februar 1928) Diese Gesetzesstelle ist i n erster Linie i m Interesse der Rechtsanwendung entstanden. Gleichgestellt m i t solcher Irreführung ist die Benutzung des Passes, des Arbeitsausweises oder eines sonstigen ähnlichen Ausweises eines anderen. Y. Andere im 16. Kapitel

genannte Straftaten

Verleitung und Anstiftung einer Militärperson zur Desertion (§ 21), Anwerbung eines finnischen Staatsangehörigen zum Militärdienst einer fremden Macht (§ 22), Verleitung eines finnischen Staatsangehörigen zur Auswanderung durch betrügerische M i t t e l (§ 23), öffentliche Herabsetzung der Regierung, der Volksvertretung oder einer öffentlichen Behörde (§ 24), öffentliche Beschimpfung eines anderen oder Zwingen zu einer demütigenden Handlung, weil er an Maßnahmen teilgenommen hat, die der Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der gesetzlichen Gesellschaftsordnung dienten (§ 25).

Siebzehntes

Kapitel

Unwahre Aussagen Durch Gesetz vom 29. J u l i 1948 ist das 17. Kapitel des Prozeßgesetzes gänzlich geändert worden, woraus sich auch eine völlige Änderung von Kap. 17 des StGB ergab, die durch ein anderes Gesetz vom selben Tage geschehen ist. A. Vorsätzliche

unwahre Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen vor Gericht (Kap. 17 §§ 1 und 2)

Subjekt dieser Straftat kann nur jemand sein, der als Zeuge oder Sachverständiger vor Gericht vernommen wird. Die Straftat w i r d vollendet durch eine unwahre Aussage oder durch Verschweigen eines Umstandes, der Licht i n die Sache bringen könnte, ohne gesetzlichen Grund. Eine derartige Aussage vor Gericht ist auch i n dem Fall strafbar, daß sie nicht durch einen Eid bekräftigt ist, aber viel milder, als wenn sie unter Eid gemacht wird. Die Straftat w i r d strenger bestraft, wenn die Aussage oder das Verschweigen dazu beigetragen hat, daß ein Unschuldiger verurteilt oder daß jemand zu einer strengeren Strafe verurteilt wurde, als er verdient hätte. Eine noch strengere Strafskala ist für den Fall festgesetzt, daß der Angeklagte zu Zuchthausstrafe oder zum Tode verurteilt worden ist. I n den qualifizierten Fällen ist kein Unterschied in der Strafbar-

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keit darauf begründet, ob die Aussage unter Eid gemacht w i r d oder nicht, aber innerhalb der Grenzen der Strafzumessungsskala ist dieser Umstand zweifellos von großer Bedeutung. Die i n Rede stehende Straftat ist einer der Ausnahmefälle, i n denen der Gesetzgeber aus kriminalpolitischen Gründen der tätigen Reue auch noch nach Vollendung der Tat eine das Strafmaß beeinflussende Bedeutung verliehen hat. § 7 dieses Kapitels bestimmt, daß wenn jemand, der sich die Straftat hat zuschulden kommen lassen, aus eigenem A n trieb, bevor i n der betreffenden Sache ein Urteil gefällt oder ein anderer geschädigt worden ist, seine unwahre Aussage widerruft oder das, was er verschwiegen hat, mitteilt, auf Geldstrafe zu erkennen ist, wenn nicht nach Ansicht des Gerichts der Schuldige straflos bleiben soll. Wenn er später widerruft und die Folgen seines strafbaren Verhaltens sich dadurch noch beseitigen lassen, ist das Strafmaß gemäß Kap. 3 § 2 herabzusetzen. I n diesem Fall kann statt einer Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt werden. Eine fahrlässig gemachte unwahre Aussage eines Zeugen oder Sachverständigen vor Gericht ist ebenfalls strafbar (Kap. 17 § 1 Abs. 3). Die Kriminalisierung gilt sowohl für Aussagen unter Eid als auch für solche, die nicht eidlich gemacht werden. Hinsichtlich des Widerrufs von solchen unwahren Aussagen gilt § 7 dieses Kapitels. B. Vorsätzliche unwahre Aussagen von Prozeßparteien vor Gericht unter Eid oder sonstiger Wahrheitsv er Sicherung (Kap. 17 § 3) Subjekt dieser Straftat kann nur eine Prozeßpartei sein, die zwecks Beweisführung vor Gericht verhört wird. Eine der beiden Prozeßparteien oder beide können auf Grund einer Wahrheitsversicherung i n einer Zivilsache oder Strafsache, i n der es lediglich um eine privatrechtliche Forderung geht, vernommen werden. I n einer Strafsache, i n der für den Angeklagten eine Strafe gefordert wird, kann der Verletzte auf Grund einer Wahrheitsversicherung verhört werden, jedoch nur darüber, wieviel Schaden er durch die Straftat erlitten hat (Kap. 17 § 61 des Prozeßgesetzes). Die Aussage oder Verschweigung muß wider besseres Wissen erfolgen, um strafbar zu sein. Auch eine fahrlässig gemachte unwahre Aussage ist strafbar (Kap. 17 § 3 Abs. 3). Über den Widerruf, einerlei ob es sich um eine vorsätzliche oder fahrlässige, auf Grund einer Wahrheitsversicherung gemachte unwahre Aussage handelt, s. § 7.

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C. Vorsätzliche unwahre Aussagen in der von einer Polizeibehörde oder dem öffentlichen Ankläger geführten Voruntersuchung (Kap. 17 § 4) Subjekt dieser Straftat kann, jeder beliebige andere als der einer Straftat Verdächtigte sein. Es ist gleichgültig, i n welchem! Rang der die Voruntersuchung führende Polizeibeamte steht, wenn er nur formell zu ihrer Führung berechtigt ist (über die Befugnisse der Polizeibeamten s. Honkasalo, Nimismies rikostutkijana ja virallisena syyttäjänä [Der Ortspolizeikommissar als Untersuchungsbeamter i n Strafsachen und öffentlicher Ankläger] S. 86 ff.). Die Straftat ist qualifiziert, wenn die unwahre Aussage dazu beigetragen hat, daß ein Unschuldiger angeklagt oder verhaftet worden ist. Über den Widerruf der unwahren Aussage s. § 7. D. Vorsätzliche

unwahre Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen vor anderen Behörden (Kap. 17 § 5) Diese Gesetzesstelle kriminalisiert nur unwahre Aussagen, während Verschweigen den Tatbestand cler Straftat nicht erfüllt. Die Tat ist qualifiziert, wenn die Aussage durch einen Eid oder eine entsprechende Versicherung bekräftigt wird. E. Vorlegung eines unwahren schriftlichen Zeugnisses bei Behörden oder Überlassung eines solchen Zeugnisses einem anderen, zwecks Gebrauch bei Behörden (Kap. 17 § 8) Die Kriminalisierung, die von dieser Gesetzesstelle ausgesprochen wird, ist subsidiär. Sie ist nur i n dem Fall anzuwenden, daß die Tat nicht nach einer anderen Gesetzesstelle strenger zu bestrafen ist. F. Versuchte Anstiftung zu einer der in diesem Kapitel genannten Straftaten (Kap. 17 § 9) Dieser Fall ist einer der Ausnahmefälle, i n denen das Gesetz auch solche Anstiftung bestraft, die nicht zu der betreffenden strafbaren Handlung führt. Es ist gleichgültig, aus welchem Grunde die Anstiftung keinen Erfolg gehabt hat. Abstehen von der schon begonnenen A n stiftung befreit nicht von der Strafe, da die Anstiftung in diesem Fall bereits eine vollendete Straftat ist (Kap. 4 § 2 Abs. 2). Achtzehntes

Kapitel

Straftaten in bezug auf den Personenstand A. Verletzung des Familienstandes eines anderen (Kap. 18 § 2) Diese Gesetzesstelle spricht von der Änderung oder Unterdrückung des Familienrechts, aber man muß wohl die Ansicht vertreten, daß sie

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Verletzung des Familienstandes meint. Unter Familienstand versteht das Gesetz alle die Rechte, die die Zugehörigkeit eines Individuums zu einer Familie oder einem Geschlecht diesem Individuum bringt. Nur ein Lebender kann einen Familienstand haben. Das Wesen der i n Rede stehenden Straftat w i r d außer durch die i m Gesetz erwähnte Kindesunterschiebung oder -vertauschung auch durch jede andere Tat verwirklicht, durch die ein I r r t u m über den Familienstand eines anderen herbeigeführt wird. Die Straftat ist qualifiziert, wenn sie begangen wird, um sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder um einen anderen zu schädigen. B. Betrügerische

Anmaßung eines Familienrechts (Kap. 18 § 3)

eines anderen

I n dieser Gesetzesstelle handelt es sich nicht wie i n der vorigen um den Familienstand i n seiner Gesamtheit, sondern um irgendein besonderes Familienrecht. Als Beispiel für ein solches Recht w i r d eine Erbschaft angeführt. Das Familienrecht braucht aber nicht unbedingt zu den Vermögensrechten zu gehören, sondern auch ein rein persönliches Recht kann Objekt der 1 Anmaßung sein. Zum Wesen der i n Rede stehenden Straftat gehört, daß das Familienrecht, wenn auch vielleicht nur vorübergehend, einem anderen genommen worden ist. C. Die Eheerschleichung

(Kap. 18 § 1)

Die i n der Überschrift genannte Tat kann entweder durch positives Handeln geschehen, indem ein anderer durch eine falsche Angabe von Namen oder Stand zum Abschluß eines Ehevertrages verleitet wird, oder durch passives Verhalten, indem ein gesetzliches Ehehindernis oder ein Umstand, der die Auflösung der Ehe herbeiführen kann, verschwiegen wird. Zum Wesen dieser Straftat gehört, daß der Ehevertrag durch die Irreführung veranlaßt ist. Die Tat ist qualifiziert, wenn die Vornahme der Trauung hinzukommt, oder wenn der Betrüger die zum Abschluß des Ehevertrags verleitete Frau schwängert. Eine Strafverfolgung der i n Rede stehenden Tat darf vom öffentlichen Ankläger nicht eingeleitet werden, wenn der Verletzte nicht einen Antrag darauf stellt oder beim Gericht um Nichtigkeitserklärung des Ehevertrages oder der Ehe nachsucht.

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Neunzehntes

Kapitel

Ehebruchshandlungen Die Kriminalisierungen der Ehebruchsdelikte, die i n Kap. 19 §§ 1, 2 und 3 des StGB enthalten gewesen sind, sind durch Gesetz vom 23. September 1948 aufgehoben worden. A. Die Doppelehe (Kap. 19 §§ 4 und 5) Es gibt zwei A r t e n von Doppelehe: die einseitige, bei der n u r eine der beiden Personen, die miteinander die Ehe eingehen, von früherher verheiratet ist, und die zweiseitige, wenn beide von früherher verheiratet sind. Bei einseitiger Doppelehe w i r d der bisher unverheiratete Partner milder bestraft als der bereits verheiratete. Die Straftat ist vollendet, wenn die Ehe geschlossen ist. Daß Beischlaf stattgefunden hat, ist nicht erforderlich. B. Verlobung

einer verheirateten

Person (Kap. 19 § 6)

Milder als die Doppelehe bestraft das Gesetz die Verlobung einer verheirateten Person m i t einer anderen, die entweder unverheiratet oder verheiratet sein kann. Auch ein unverheirateter Partner ist strafbar, wenn er von der Ehe des anderen Kenntnis hatte; allerdings ist seine Strafe milder. Falls die unverheiratete Person bereits früher m i t einer anderen verlobt war, erhält sie eine strengere Strafe. Wenn i n einer solchen Verlobung Beischlaf stattfindet, ist die Strafe die gleiche wie für einseitige oder zweiseitige Doppelehe, je nachdem, ob beide Verlobten von früherher verheiratet sind oder n u r einer von ihnen. Zwanzigstes

Kapitel

Unerlaubter Beischlaf und andere Unzucht A. Unzucht unter Mißbrauch einer Macht- oder Autoritätsstellung (Kap. 20 § 6 nach dem Gesetz vom 5. Februar 1926) Diese Gesetzesstelle kriminalisiert Beischlaf oder sonstige Unzucht, die m i t einem Pflegekind oder Mündel oder m i t jemandem, dessen Erziehung oder Unterweisung dem Täter anvertraut ist, getrieben w i r d (Abs. 1). Die Kriminalisierung gilt auch für Beischlaf oder sonstige Unzucht, die ein Beamter einer öffentlichen Anstalt m i t einer dort i n Pflege oder Gewahrsam befindlichen Person treibt (Abs. 2). Sowohl ein Mann als auch eine Frau kann Subjekt und Objekt dieser Straftat sein.

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Hat der Täter m i t der Person, gegen die seine Straftat sich richtete, die Ehe geschlossen, so ist auf keine Strafe zu erkennen (Kap. 20 § 14 a). B. Verleitung oder Veranlassung eines Kindes zu Beischlaf oder sonstiger Unzucht mit einem anderen unter Mißbrauch einer Machtoder Autoritätsstellung (Kap. 20 § 11 nach dem Gesetz vom, 5. Februar 1926) Als Subjekte dieser Straftat kommen Eltern, Pflegeeltern, Vormünder, Lehrer und Erzieher i n Frage, einerlei ob sie männlichen oder weiblichen Geschlechts sind. Objekte können sowohl Mädchen als auch Jungen sein. Die Straftat w i r d vollendet, indem das betreffende Objekt zu unerlaubtem Beischlaf oder sonstiger Unzucht m i t einem anderen verleitet oder bewogen wird. I m Zusammenhang m i t den Eltern spricht das Gesetz von Verführen oder Bewegen, bei anderen Subjekten nur von Bewegen. Ist das Objekt jünger als siebzehn Jahre, so besteht Idealkonkurrenz zwischen der i n Rede stehenden Straftat und der, die i n Kap. 20 § 9 a genannt wird. C. Unzucht mit Minderjährigen (Kap. 20 § 7 nach dem Gesetz vom 26. Februar 1954) Subjekt dieser Straftat kann sowohl ein Mann als auch eine Frau sein, Objekt sowohl ein Junge als auch ein Mädchen. Wenn es sich u m andere Unzucht als Beischlaf handelt, kann das Objekt auch gleichen Geschlechts m i t dem Subjekt sein. Die Tat ist i n drei verschiedene Strafbarkeitskategorien gegliedert, je nachdem, ob das Objekt weniger als 12 Jahre alt ist oder das 12., aber nicht das 15., oder das 15., aber nicht das 17. Lebensjahr vollendet hat. Richtet sich die Tat gegen ein Objekt der letztgenannten Kategorie, so ist sie n u r dann strafbar, wenn sich das Opfer nicht m i t gewerbsmäßiger Unzucht befaßt. Auch vor den Augen einer Person der genannten Kategorien begangene Handlungen, die die geschlechtliche Zucht verletzen, sind k r i minalisiert (Abs. 3). Die Tat bleibt straflos, wenn der Täter m i t dem Objekt die Ehe geschlossen hat (Kap. 20 § 14 a). Wenn das Objekt zur Zeit der Begehung der Tat älter als fünfzehn Jahre gewesen ist oder bei Erhebung der Anklage älter als siebzehn Jahre ist, darf eine Strafverfolgung nur i n dem Fall eingeleitet werden, daß der Verletzte einen Antrag darauf stellt. 7 Ausländisches Strafrecht II

Das finnische Straf recht

D. Die Verleitung eines Minderjährigen zu Unzucht mit einem anderen (Kap. 20 § 9 a nach dem Gesetz vom 5. Februar 1926) Diese Tat ist i n zwei Strafbarkeitskiassen gegliedert, je nachdem, ob das Objekt das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet oder wohl das fünfzehnte, nicht aber das siebzehnte Lebensjahr vollendet hat. Sowohl Subjekt als auch Objekt dieser Straftat können Personen beiderlei Geschlechts sein. Die Tat, zu der das Objekt verführt oder bewogen wird, kann außer Beischlaf auch sonstige Unzucht m i t einer Person des anderen oder des gleichen Geschlechts sein. Ist das Objekt zur Zeit der Begehung der Tat älter als fünfzehn Jahre gewesen oder ist es bei Erhebung der Anklage älter als siebzehn Jahre, so darf eine Strafverfolgung nur dann eingeleitet werden, wenn der Verletzte einen Antrag darauf stellt (Kap. 20 § 14 a). E. Beischlaf mit einer geisteskranken Frau (Kap. 20 § 8) Als Objekte dieser Straftat kommen außer Geisteskranken auch schwer Schwachsinnige i n Frage. Der Tatbestand w i r d nur durch unerlaubten natürlichen Beischlaf erfüllt. F. Bewegung oder Verleitung einer Frau zum Beischlaf unter Ausnutzung ihrer schutzlosen oder bedrängten Lage oder ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit (Kap. 20 § 9 nach dem Gesetz vom 5. Februar 1926) Subjekt dieser Straftat kann nur ein M a n n sein und sein Objekt eine Frau, die sich i n einer Lage oder einem Abhängigkeitsverhältnis von der oben genannten A r t befindet und sich nicht m i t gewerbsmäßiger Unzucht befaßt. Der Tatbestand w i r d nur durch natürlichen Beischlaf erfüllt. Eine Strafverfolgung darf nur dann eingeleitet werden, wenn die Verletzte einen Antrag darauf stellt. Hat der Täter m i t dem Objekt die Ehe geschlossen, so ist keine Strafe zu verhängen (Kap. 20 § 14 a). G. Die Kuppelei (Kap. 20 § 10 nach dem Gesetz vom 17. Januar 1936) Diese Gesetzesstelle bezog sich früher sowohl auf Kuppelei als auch auf gewerbsmäßige Unzucht. Abs. 3, der sich auf die letztgenannten Handlungen bezog, ist durch das Gesetz vom 17. Januar 1936 aufgehoben worden; dieses Gesetz bestimmt, daß eine Frau, die sich gewerbsmäßige Unzucht zuschulden kommen läßt, administrativen Maßnahmen zur Bekämpfung der Landstreicherei unterworfen wird, wenn sie nicht jünger als achtzehn Jahre ist. Subjekt der Kuppelei kann sowohl ein Mann als auch eine Frau sein. Der Tatbestand der Kuppelei w i r d erfüllt durch Unterhaltung eines Hauses für gewerbsmäßige Unzucht oder Verführung einer Frau zur Unzucht. Die Unzucht kann sowohl natürlich als auch unnatürlich sein.

Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs

H. Öffentliche Begehung von unzüchtigen oder anstandswidrigen Handlungen (Kap. 20 § 14 nach dem Gesetz vom 5. Februar 1926) Diese Straftat setzt die Erregung von Ärgernis voraus. Es genügt dabei, wenn eine einzige Person daran Anstoß genommen hat. F ü r die Verbreitung oder Ausstellung unzüchtiger oder anstandswidriger Drucksachen, Schriften oder bildlicher Darstellungen, die der aufgehobene 2. Absatz betraf, ist die Strafe i n dem Gesetz vom 28. Januar 1927 zur Verhütung der Verbreitung unsittlicher Veröffentlichungen festgesetzt. 7. Unzucht zwischen Personen gleichen Geschlechts (Kap. 20 § 12 Abs. 1) Unter Unzucht werden hier solche Handlungen verstanden, die die Befriedigung des Geschlechtstriebes bezwecken. Die Gesetzesstelle gilt sowohl für Unzucht zwischen Männern als auch für solche zwischen Frauen. J. Beischlaf mit Tieren (Kap. 20 § 12 Abs. 2) Unter Beischlaf w i r d hier die Vereinigung der Geschlechtsorgane entweder eines Mannes und eines weiblichen Tieres oder einer Frau und eines männlichen Tieres zur Befriedigung des Geschlechtstriebes verstanden. Der Versuch ist hinsichtlich der Strafbarkeit der vollendeten Tat gleichgestellt. K . Die Blutschande (Kap. 20 §§ 1, 2, 3, 4 und 5) F ü r die Verwandtschaft, die von dieser Straftat vorausgesetzt wird, ist es gleichgültig, ob sie durch ehelichen oder durch außerehelichen Beischlaf entstanden ist und ob die Betreffenden untereinander vollbürtige oder halbbürtige Verwandte sind. Als Blutschande bestraft w i r d Beischlaf m i t eigenen Nachkommen (§ 1), m i t der Ehegattin bzw. dem Ehegatten eines eigenen Nachkommen sowie m i t einem Stiefkind oder dessen Nachkommen (§ 2), m i t Geschwistern oder Halbgeschwistern (§ 3), m i t Kindern von Geschwistern oder Halbgeschwistern oder Nachkommen solcher Kinder (§ 4), m i t Ehegatten eigener Geschwister oder Ehegatten von deren Nachkommen oder m i t Nachkommen von Geschwistern der eigenen Gattin bzw. des eigenen Gatten (§ 5). Die Strafe ist um so strenger, je näher die Verwandtschaft ist. Beischlaf zwischen den i n § 5 genannten Verwandten bleibt jedoch straflos, wenn die Schuldigen miteinander die Ehe geschlossen haben.

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Das finnische Strafrecht

E i η u η d ζ w a nz i g s t e s K a p i t e l Mord, Totschlag und sonstige Mißhandlung I. D i e V e r b r e c h e n

g e g e n das

Leben

A. Der Mord (Kap. 21 § 1) Der M o r d unterscheidet sich vom vorsätzlichen Totschlag darin, daß bei i h m die Tötung m i t Vorbedacht (praemeditatio) geschieht, beim Totschlag dagegen i m Affekt (impetus). Die Entscheidung, um welches von beiden Verbrechen es sich handelt, hängt davon ab, auf was für einem Gemütszustand die unmittelbare Ausführung der Tat beruht. B. Der vorsätzliche Totschlag (Kap. 21 § 2) E i n privilegierter Fall des Totschlags ist der, wenn der Getötete den Totschläger ohne dessen Schuld durch eine schwere Beleidigung oder außergewöhnliche Gewalttätigkeit zum Zorn gereizt hat. Es gibt jedoch auch hier eine strengere Strafskala für den Fall, daß der Getötete ein Verwandter i n aufsteigender Linie oder die Ehegattin bzw. der Ehegatte des Totschlägers ist. C. Die Tötung eines anderen auf dessen ernstliche Bitte (Kap. 21 § 3) Damit die Bitte eine Strafmilderung bewirken kann, muß sie unbedingt und von einer zurechnungsfähigen Person aus freiem W i l l e n ausgesprochen sein. Sie muß auch, wenngleich nicht notwendig m i t Worten, doch so deutlich geäußert sein, daß kein Zweifel über ihren Inhalt bestehen kann. Ernstlich ist die Bitte, wenn sie dem wirklichen Willen des Bittenden entspricht. D. Die fahrlässige Tötung (Kap. 21 § 10) E i n qualifizierter Fall von fahrlässiger Tötung ist i n § 12 des Gesetzes über den Verkehr von Motorfahrzeugen geregelt, und zwar i n der Form, die diese Gesetzesstelle durch das Gesetz vom 7. J u l i 1950 erhalten hat, nämlich die fahrlässige Tötung beim Führen eines Motorfahrzeugs i n betrunkenem Zustand oder unter der Einwirkung von Alkohol oder eines anderen Rauschgiftes. II. D i e S t r a f t a t e n g e g e n d i e Unversehrtheit

körperliche

A. Die Mißhandlung (Kap. 21 §§ 5, 11 und 12) E i n erschwerender Umstand bei Mißhandlungen ist es, wenn der Mißhandelnde eine Schuß- oder Stoßwaffe oder ein sonstiges lebensgefähr-

Der

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Teil des Strafgesetzbuchs

liches Werkzeug verwendet oder wenn die Tat sich gegen eine Person richtet, die sich wegen einer zu ihrem Beruf gehörenden Arbeit oder Tätigkeit nicht verteidigen kann (Kap. 21 § 13 nach dem Gesetz vom 18. März 1949). Die i n den §§11 und 12 kriminalisierte Mißhandlung ist eine solche Straftat, deren Strafverfolgung nur auf Antrag des Verletzten eingeleitet werden darf, wenn sie nicht an einem öffentlichen Ort oder bei einer öffentlichen Verrichtung oder vor einer Behörde oder von einem Beamten i m Dienst begangen wird. a) Die schwere Körperverletzung (Kap. 21 § 5 nach dem Gesetz vom 23. A p r i l 1926) Eine Mißhandlung ist schwer, wenn dadurch eine schwere Körperverletzung herbeigeführt wird. Schwere Körperverletzungen sind nach dem Gesetz „Verlust der Sprache, des Sehvermögens oder des Gehörs, eine schwere Verkrüppelung oder ein sonstiges schweres körperliches Gebrechen, eine dauernde schwere Schädigung der Gesundheit oder eine lebensgefährliche Krankheit oder Verletzung". Man hat diese Gesetzesstelle so ausgelegt, daß auch der Verlust eines beträchtlichen Teiles der darin genannten Sinne den Tatbestand der i n Rede stehenden Straftat erfüllt. Die Zustimmung des Verletzten kann die Tat nicht rechtfertigen. Eine schwere Körperverletzung braucht nicht als vorsätzliche oder auch n u r fahrlässige Tat dem Täter als Schuld zugerechnet zu werden. Es genügt, daß sie i n einem adäquaten ursächlichen Verhältnis zu der begangenen vorsätzlichen Mißhandlung steht. Die Straftat ist also ein sogenanntes Erfolgshaftungsverbrechen. Der Versuch ist strafbar. Auch die fahrlässige Verursachung einer schweren Körperverletzung ist strafbar (Kap. 21 § 10). b) Leichtere als die i n § 5 genannte Körperverletzung (Kap. 21 § 11) Die i n Rede stehende Körperverletzung muß leichter als eine schwere Körperverletzung sein, aber schwerer als eine Verletzung, die durch eine leichte Mißhandlung herbeigeführt wird. Auch die fahrlässige Verursachung einer derartigen Verletzung ist strafbar (Abs. 2). c) Die leichte Körperverletzung (Kap. 21 § 12 nach dem Gesetz vom 3. Dezember 1948) Leicht ist eine Mißhandlung, die eine leichte oder gar keine Verletzung zur Folge hat. Aus der Bestimmung i n Abs. 2 dieser Gesetzesstelle, wonach auf keine Strafe zu erkennen ist, wenn jemand bei der Ausübung seines Züchtigungsrechtes dem Gezüchtigten eine leichte Ver-

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Das finnische Straf recht

letzung beibringt, hat man den Schluß gezogen, daß die Verletzung nicht schwerer sein darf, als man es als Folge einer mäßigen Züchtigung ansehen kann. B. Die Mißhandlung

mit tödlichem Ausgang (Kap. 21 § 4 nach dem Gesetz vom 23. A p r i l 1926)

Eine besondere mildere Strafskala ist für den Fall festgesetzt, daß der Getötete den Täter ohne dessen Schuld durch eine schwere Beleidigung oder außergewöhnliche Gewalttätigkeit zum Zorn gereizt hat, oder daß die Mißhandlung derart war, daß der Tod oder eine schwere Körperverletzung als Folge derselben nicht erwartet werden konnte, oder daß sonst besonders mildernde Umstände vorliegen. Die i n Rede stehende Straftat ist ein Er folgsjiaftungs verbrechen. Hinsichtlich der erschwerenden Umstände s. § 13. C. Die Schlägerei (Kap. 21 §§ 8 und 9 nach dem Gesetz vom 23. A p r i l 1926) Diese Gesetzesstelle macht einen Unterschied zwischen den Fällen, i n denen ermittelt werden kann, wer von den an einer Schlägerei Beteiligten den Tod des Mißhandelten verursacht hat, und denjenigen, i n denen das nicht ermittelt werden kann. I m erstgenannten Fall gibt es, wenn der Tod eingetreten ist, vier verschiedene Klassen von Teilnehmern: 1. die, die jeder für sich dem Opfer eine tödliche Verletzung beigebracht haben; 2. die, die ihm Verletzungen beigebracht haben, die nicht einzeln für sich, aber alle zusammen den Tod herbeigeführt haben; 3. die, die sich auf andere Weise am Mißhandelten vergriffen haben; 4. die an der Schlägerei Beteiligten, die sich nicht an i h m vergriffen haben. I m ersten und zweiten Fall w i r d jeder, der dem Opfer Verletzungen beigebracht hat, als Totschläger bestraft, aber i m zweiten F a l l gibt es eine besondere mildere Strafskala für die, die nicht den Vorsatz hatten zu töten, allerdings nur bei besonders mildernden Umständen. Hat die Schlägerei m i t einer schweren Körperverletzung geendet, so ist die Klassifizierung der Teilnehmer i m übrigen die gleiche, außer daß zwischen der ersten und der zweiten Gruppe kein Unterschied gemacht wird. Wenn nicht ermittelt werden kann, wer von den an einer Schlägerei Beteiligten den Tod oder die schwere Körperverletzung des Opfers verursacht hat, unterscheidet das Gesetz nur zwei Klassen von Teilnehmern: 1. die, die sich am Mißhandelten vergriffen haben, und 2. die, die auf andere Weise an der Schlägerei teilgenommen haben. Die Schlägerei ist ein Erfolgshaftungsverbrechen. erschwerenden Umstände s. § 13.

Hinsichtlich der

Der

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Teil des Strafgesetzbuchs

D. Straftaten, die eine vorsätzliche, offensichtliche Gefährdung von Leben oder Gesundheit eines anderen oder eine Mißhandlung in sich schließen und den Tod oder eine schwere Körperverletzung zur Folge haben (Kap. 21 § 6) Als Taten, die zur erstgenannten Gruppe gehören, nennt das Gesetz Fruchtabtreibung ohne Einwilligung der Frau, Aussetzung, Herbeiführung einer Überschwemmung oder eines Schiffbruchs, Brandstiftung oder andere ähnliche Verbrechen; als Taten, die eine Mißhandlung i n sich schließen, erwähnt es Aufruhr, Auflauf, Notzucht und Raub. Aber auch andere Straftaten, für die die vom Gesetz angegebenen Kennzeichen zutreffen, kommen i n Frage. Nach dem Gesetz können die i n diesem Kapitel genannten Mißhandlungen nicht Vorverbrechen sein, da die Fälle, i n denen der Tod oder eine schwere Körperverletzung die Folge der Mißhandlungen ist, i m Gesetz bei der Mißhandlung und Schlägerei geregelt sind. Die i n Rede stehenden Straftaten sind Erfolgshaftungsverbrechen. Der Täter darf nicht den Vorsatz haben zu töten. E. Die Vergiftung

(Kap. 21 § 7)

Diese Straftat ist vollendet, wenn das Gift i n den Organismus hineingebracht ist. Das Gesetz unterscheidet drei Fälle, je nachdem, ob die Folge der Tat 1. der Tod, 2. eine schwere Körperverletzung oder 3. eine leichtere oder gar keine Körperverletzung ist. Für jeden dieser Fälle besteht eine gesonderte Strafskala. Der Versuch ist strafbar und ebenso auch die Vorbereitung i n Form von Herstellung oder Anschaffung von Gift oder ähnlichen gefährlichen Stoffen. Zur Vorsätzlichkeit gehört das Bewußtsein, daß der betreffende Stoff geeignet ist, die Gesundheit zu schädigen. Die Straftat muß ohne den Vorsatz zu töten begangen werden.

Ζ w ei u η d ζ w aη ζ i g st es K a p i t e l I. D e r

Kindesmord

A. Der Kindesmord

(Kap. 22 § 1)

Subjekt dieser Tat kann nur eine durch außerehelichen Beischlaf schwanger gewordene Frau sein, auch eine verheiratete Frau, jedoch nicht eine solche, die vor der Tat m i t dem Beischläfer die Ehe geschlossen hat. Als Kindesmord w i r d eine Tat nur dann bestraft, wenn sie bei der Geburt oder „gleich danach" verübt wird. Erfolgt die Tötung nach dem

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Das finnische Strafrecht

Aufhören des durch die Geburt verursachten unnormalen Zustandes, so ist sie als gewöhnlicher Mord oder Totschlag zu bestrafen. Fahrlässige Tötung des außerehelichen Kindes durch die Kindesmutter w i r d wie andere fahrlässige Tötung bestraft (Kap. 21 § 10). B. Verschuldung des Todes eines in außerehelichem Beischlaf gezeugten Kindes durch den Schwängerer oder durch den Vater oder die Mutter der Kindesmutter oder durch den Hausherrn oder die Hausfrau der Kindesmutter (Kap. 22 § 3) Man hat eine besondere Kriminalisierung als notwendig für den Fall betrachtet, daß der Vater, die Mutter, der Hausherr oder die Hausfrau der Kindesmutter diese ohne die nötige Pflege lassen, oder daß der Schwängerer es unterläßt, i h r die notwendige Hilfe oder Pflege zukommen zu lassen. Hinsichtlich der vier erstgenannten Personen bezieht sich die Kriminalisierung nur auf Versäumnis bei der Niederkunft, hinsichtlich des Schwängerers aber auch auf Unterlassung von Hilfeleistung und Pflege während der Schwangerschaft. Die Betreffenden werden nicht allein i n dem Fall zur Verantwortung gezogen, daß das K i n d infolge des Mangels an Hilfe oder Pflege stirbt, sondern auch dann, wenn die Frau durch dieses Verhalten zur Tötung ihres Kindes veranlaßt w i r d ; der Schwängerer w i r d außerdem i n dem Fall zur Verantwortung gezogen, daß das K i n d ausgesetzt wird. C. Aussetzung eines in außerehelichem Beischlaf gezeugten Kindes durch die Mutter (Kap. 22 § 8) Diese Tat w i r d milder bestraft als gewöhnliche Aussetzung. Wenn die Straftat den Tod oder eine schwere Körperverletzung zur Folge hat, gibt es für jeden dieser beiden Fälle eine besondere Strafskala. Wenn nur geringe Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des K i n des vorhanden war, die Tat aber trotzdem den Tod oder eine schwere Körperverletzung zur Folge gehabt hat, ist die Gesetzesstelle über die fahrlässige Tötung, Kap. 21 § 10, anzuwenden. Kap. 21 § 6 kommt nicht i n Frage. II. S t r a f t a t e n A. Die Abtreibung

gegen die

Leibesfrucht

(Kap. 22 §§ 5 und 6 nach dem Gesetz vom 17. Februar 1950)

Das Gesetz unterscheidet vier verschiedene Fälle: 1. die von der Frau selbst vorgenommene Abtreibung; 2. die Abtreibung, die ein anderer m i t Einwilligung der Frau ohne Recht, aber auch ohne Bezahlung vornimmt; 3. die Abtreibung, die ein anderer m i t Einwilligung der Frau ohne Recht, aber für Geld vornimmt; 4. die Abtreibung, die ohne Recht

Der

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Teil des Strafgesetzbuchs

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gegen den Willen der Frau erfolgt. I m letztgenannten Fall ist die Tat auch ein Verbrechen gegen die Mutter. Wenn diese infolgedessen den Tod oder eine schwere Körperverletzung erleidet, w i r d Kap. 21 § 6 angewandt. Durch das Gesetz vom 17. Februar 1950 ist die von der Frau selbst vorgenommene Abtreibung i n eine mildere Strafbarkeitskategorie eingestuft als die von einem anderen m i t Einverständnis der Frau vorgenommene Abtreibung. Liegen besonders mildernde Umstände vor, so kann die von der Frau selbst ausgeführte Abtreibung straflos bleiben. Eine Abtreibung ist gerechtfertigt, wenn sie unter den Verhältnissen vorgenommen wird, die das Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft vom 17. Februar 1950 vorsieht. B. Fahrlässige Abtreibung

durch Mißhandlung

der Frau (Kap. 22 § 7)

Die Leibesfrucht genießt keinen Straf schütz gegen fahrlässige Taten. Eine Ausnahme bildet der Fall, daß der Tod der Leibesfrucht durch vorsätzliche Mißhandlung der Frau verschuldet wird.

D r ei u η d ζ w aη ζ i g st es K a p i t e l Der Zweikampf Da sich i n Finnland keine Zweikämpfe ereignen, ist dieses Kapitel des Strafgesetzbuchs nicht von praktischer Bedeutung; deshalb w i r d es i n dieser kurzen Darstellung nicht behandelt.

V i er u η d ζ w aη ζ i g st es K a p i t e l Der Friedensbrudi Die Taten, die i n Kap. 24 §§ 1, 2, 3 und 3 a kriminalisiert sind, gehören zu denjenigen Straftaten, deren Strafverfolgung vom öffentlichen Ankläger nur auf Antrag des Verletzten eingeleitet werden darf, falls sie nicht an den i n § 1 Abs. 2 genannten Orten begangen werden. A. Bruch des privaten

Hausfriedens

(Kap. 24 § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1)

Als Arten des Hausfriedensbruchs nennt das Gesetz die folgenden: 1. Eindringen i n die Wohnung eines anderen ohne gesetzlichen Grund, 2. Nichtbefolgung der Aufforderung, sich von dort zu entfernen, ohne annehmbaren Grund und 3. Sicheinschleichen oder Sichverstecken i m Bereich des Hausfriedens ohne triftige Ursache.

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Das finnische Straf recht

Die Tat ist qualifiziert, wenn sie i n der Absicht geschieht, jemandem Gewalt anzutun oder Eigentum zu beschädigen, oder von, einem begangen wird, der m i t einer Waffe oder einem lebensgefährlichen Werkzeug oder einem sonstigen M i t t e l zur Beibringung von Verletzungen ausgerüstet ist, oder von zwei oder mehr Personen gemeinsam verübt wird. Als besondere A r t des Hausfriedensbruchs w i r d der sogenannte gewaltsame Hausfriedensbruch kriminalisiert (§ 3 Abs. 1): Einschlagen von Fenstern bei einem anderen und Hineinwerfen von irgendwelchen Gegenständen i n dessen Zimmer, Haus, Hof oder Schiff. Durch das Gesetz vom 28. Oktober 1938 ist diesem Kapitel § 3 a hinzugefügt worden, der die Strafe für denjenigen festsetzt, der aus Bosheit oder Übermut durch schrille Geräusche oder sonstigen L ä r m den Hausfrieden eines anderen stört oder i n der offenbaren Absicht zu stören ihn telefonisch anruft oder anrufen läßt. B. Bruch des öffentlichen

Hausfriedens

(Kap. 24 § 1 Abs. 2 und § 3 Abs. 2)

Als Orte, deren Friede einen größeren Strafschutz genießt, nennt das Gesetz ein Haus, einen Hof oder ein Schiff, wo sich der Präsident der Republik aufhält, der finnische Reichstag oder ein Ausschuß desselben versammelt ist, sowie ein Amtszimmer oder einen Raum, wo zu der betreffenden Zeit eine Amtshandlung vollzogen wird. Diese Straftat ist unter den gleichen Voraussetzungen qualifiziert wie der Bruch des privaten Hausfriedens. Auch der gewaltsame Bruch des öffentlichen Hausfriedens w i r d vom Gesetz kriminalisiert (§ 3 Abs. 2). Der öffentliche Hausfriede kann auch auf die i n § 3 a angegebene Weise gebrochen werden (Abs. 2). C. Rechtswidrige

Haussuchung (Kap. 24 § 2)

Diese Gesetzesstelle unterscheidet zweierlei rechtswidrige Haussuchung, nämlich 1. die Haussuchung, die von einer dazu nicht befugten Person vorgenommen wird, und 2. die Haussuchung, die von jemandem, der dazu befugt ist, i n rechtswidriger Weise vorgenommen wird. Subjekt der i n Rede stehenden Straftat kann auch ein Beamter sein. Die Vorschriften über die Durchführung von Haussuchungen sind i n §§ 13 und 14 der Inkraftsetz.V des StGB enthalten. D. Störung des Grdbesfriedens

(Kap. 24 § 4)

Außer durch unbefugtes Verderben oder Beschädigen eines Grabes oder Unfugtreiben an einem Grabe w i r d diese Straftat dadurch vollendet, daß eine Leiche oder ein Teil derselben unbefugt aus einem Grabe herausgenommen oder eine unbeerdigte Leiche vernichtet, versteckt oder zerstückelt oder m i t einer Leiche Unfug getrieben wird.

Der

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Teil des Strafgesetzbuchs

Hingegen w i r d Beschädigung eines Grabmals als Sachbeschädigung bestraft (Kap. 35 § 2).

F ü η f u η d ζ w aη ζ i g st es

Kapitel

Verbrechen gegen die Freiheit Bei den Straftaten, die i n den §§ 4, 5, 6, 7, 8, 12 und 13 dieses Kapitels genannt sind, darf eine Strafverfolgung vom öffentlichen Ankläger nur auf Antrag des Verletzten eingeleitet werden. A. Der eigentliche Menschenraub (Kap. 25 § 1) Unter eigentlichem Menschenraub w i r d verstanden, daß jemand sich durch Gewalt, Drohungen oder List der Person eines anderen bemächtigt, u m i h n i n einen Zwangszustand außerhalb des Landes oder i n eine hilflose Lage, an einem Ort, wo Gefahr für sein Leben vorhanden ist, zu bringen. Als Beispiele für den erstgenannten Zustand erwähnt das Gesetz den Kriegs- oder Marinedienst eines anderen Landes sowie Sklaverei oder Leibeigenschaft. Als besondere A r t dieser Straftat w i r d der Sklavenhandel und Sklaventransport angeführt. B. Der weiße Sklavenhandel

(Kap. 25 § la)

Durch das Gesetz vom 15. März 1935 ist dem Kapitel die i n Rede stehende Gesetzesstelle hinzugefügt worden. Sie setzt die Strafe fest für denjenigen, der i n der Absicht, eine Frau zu einem Werkzeug der Unzucht zu machen, diese zur Annahme einer Anstellung bewegt, entführt oder von ihrer Umgebung trennt, einerlei ob die Tat i m Einverständnis m i t der Betreffenden geschieht oder nicht. A u f diese Straftat ist das finnische Strafgesetz anzuwenden, auch wenn sie nur zu einem Teil i n Finnland begangen w i r d oder wenn ein finnischer Staatsangehöriger das Verbrechen i n einem anderen Land gegen einen Staatsangehörigen eines fremden Staates begangen hat und keine Klagen darüber gekommen sind. C. Der Kindesraub

(Kap. 25 § 2 nach dem Gesetz vom 5. Februar 1926)

Objekt dieser Straftat kann nur eine Person sein, die das fünfzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die Straftat ist noch nicht dadurch vollendet, daß der Täter sich des Kindes bemächtigt hat, sondern dazu gehört auch die Entführung des Kindes oder seine Trennung vom Vater, von der Mutter oder von dem, dessen Obhut oder Befehlsgewalt es untersteht. Das Verbrechen

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Das finnische Strafrecht

ist qualifiziert, wenn der Täter die Absicht hatte, das K i n d zu Bettelei oder einem anderen gewinnsüchtigen oder unsittlichen Zweck zu benutzen. D. Die Aussetzung (Kap. 25 § 3) Die Ausführung dieser Straftat geschieht entweder 1., indem das Objekt i n eine hilflose Lage gebracht wird, so daß sein Leben oder seine Gesundheit Gefahren ausgesetzt ist, oder 2., indem i n einer solchen Lage jemand verlassen wird, zu dessen Transport, Begleitung oder Pflege der Verlassende verpflichtet ist. Eine mildere Strafskala besteht für den Fall, daß nur geringe Gefahr für Leben oder Gesundheit des Ausgesetzten vorhanden ist. S. Kap. 21 § 6. E. Die Notzucht (Kap. 25 § 4) Subjekt dieses Verbrechens kann sowohl ein Mann als auch eine Frau sein, Objekt nur eine Frau. Die Notzucht besteht i m Zwingen einer Frau durch Gewalt oder durch Bedrohung m i t einer unmittelbaren Gefahr zu natürlichem unerlaubtem Beischlaf m i t einem, Mann. Dieser Straftat gleichgestellt ist der Beischlaf m i t einer solchen Frau, die der Täter zu diesem Zweck i n einen Zustand versetzt hat, i n dem sie sich ihrer selbst nicht bewußt ist oder sich nicht zu wehren vermag. S. Kap. 21 §6. F. Beischlaf mit einer bewußtlosen Frau (Kap. 25 § 5) Diese Straftat unterscheidet sich von der Notzucht darin, daß der Zustand, i n dem sich die Frau ihrer selbst nicht bewußt ist, nicht vom Täter oder von einem i m Einverständnis mit ihm handelnden Mittäter herbeigeführt ist. Es muß sich um natürlichen und unerlaubten Beischlaf handeln. G. Zwingen

einer Frau zur Duldung Handlung als Beischlaf Subjekt dieser Straftat kann sowohl sein, Objekt nur eine Frau, auch eine

einer anderen unzüchtigen (Kap. 25 § 6) ein Mann als auch eine Frau Ehefrau.

Die Ausführung geschieht i n der Weise, daß die Frau durch Gewalt oder durch Bedrohung m i t einer unmittelbaren Gefahr zur Duldung einer anderen unzüchtigen Handlung als Beischlaf genötigt wird, oder daß eine solche Handlung m i t einer Frau vorgenommen wird, die der Täter zu diesem Zweck i n einen Zustand versetzt hat, i n dem sie sich ihrer selbst nicht bewußt ist oder sich nicht wehren kann. H. Der Frauenraub (Kap. 25 § 7 nach dem Gesetz vom 5. Februar 1926) Subjekt dieser Tat kann sowohl ein Mann als auch eine Frau sein, Objekt eine mindestens fünfzehn Jahre alte verheiratete oder un-

Der

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Teil des Strafgesetzbuchs

verheiratete Frau. Die Straftat w i r d dadurch vollendet, daß der Täter sich der Frau bemächtigt und sie gegen ihren Willen entführt oder i n seiner Gewalt behält, um Unzucht m i t i h r zu treiben oder sie zu einer Ehe zu veranlassen. Als M i t t e l der Freiheitsberaubung sind gesondert Gewalt und Drohung genannt, aber nach dem Gesetz kommen auch andere M i t t e l i n Frage. I. Die Entführung

der Frau (Kap. 25 § 8 nach dem Gesetz vom 5. Februar 1926)

F ü r das Subjekt gilt bei dieser Straftat das gleiche, was beim Frauenraub gesagt worden ist, Objekt ist eine unter Vormundschaft stehende, wenigstens fünfzehn Jahre alte Frau. Diese Straftat besteht i n der Entführung der Frau m i t ihrem Willen, jedoch ohne die vom Ehegesetz vorgesehene Einwilligung der Eltern oder des Vormunds, um sie zur Eingehung einer Ehe zu veranlassen oder Unzucht m i t i h r zu treiben. Die Tat w i r d strenger bestraft, wenn sie geschieht, um m i t der Betreffenden Unzucht zu treiben. J. Die rechtswidrige

Freiheitsberaubung

(Kap. 25 §§ 9 und 10)

Das Gesetz unterscheidet drei verschiedene A r t e n dieser Straftat: 1. die Gefangennahme erfolgt i n böswilliger Absicht (mala fide) ohne gesetzlichen Grund; 2. die Gefangennahme erfolgt i n gutem Glauben und unter Einhaltung der gesetzlichen Formen, aber ohne gesetzlichen Grund; 3. die Gefangennahme erfolgt m i t gesetzlichem Grund, aber nicht i n den gesetzlichen Formen. Der unter P u n k t 1 genannte Fall ist qualifiziert, wenn der Verlust der Freiheit länger als 30 Tage gedauert hat. K. Folter zur Erzwingung

eines Geständnisses (Kap. 25 § 11)

Unter Geständnis w i r d verstanden, daß der Betreffende zugibt, irgendeine Straftat oder einen anderen Fehltritt begangen zu haben. Die Worte „ i n irgendeiner Sache" bedeuten, daß der gestandene Umstand von rechtlicher Bedeutung sein muß. Die Tat ist vollendet, wenn Folter angewandt worden ist, auch wenn das Objekt kein Geständnis abgelegt hat. S. Kap. 21 § 6. L. Die Nötigung (Kap. 25 § 12) Die Nötigimg schließt i n sich den rechtswidrigen, durch Gewalt oder Drohungen erfolgenden Zwang, etwas zu tun, zu dulden oder zu unterlassen, wenn die Tat nicht nach einer anderen Gesetzesstelle strenger zu bestrafen ist.

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Das finnische S traf recht

Die Nötigung ist vollendet, wenn der Gezwungene sich dem Zwang gefügt hat, einerlei, ob der Zwingende seine endgültigen Ziele erreicht hat. M. Bedrohung

mit einer Straftat

(Kap. 25 § 13)

Bedrohung m i t einer Straftat ist lediglich dann strafbar, wenn die Umstände derart sind, daß sie die Verwirklichung der Drohung wahrscheinlich machen.

Sechsundzwanzigstes

Kapitel

Falsche und unbewiesene Anschuldigung A. Die eigentliche

falsche Anschuldigung

(Kap. 26 §§ 1, 3 und 4)

Die Anschuldigung muß eine bestimmte Person und eine bestimmte Straftat betreffen. Unter Straftat w i r d dabei eine i m StGB, Mil.StGB oder einem anderen Gesetz oder i n einer Verordnung genannte, i n concreto strafbare Tat verstanden, die der Gerichtsbarkeit eines finnischen Gerichts untersteht. Die Anschuldigung kann auf zwei Arten gemacht werden: 1. indem jemand vor Gericht oder einer anderen Behörde einer Straftat angeklagt wird, und 2. indem eine Straftat bei dem Verletzten, dem öffentlichen Ankläger oder der K r i m i n a l polizei angezeigt wird. Das Gesetz macht einen Unterschied zwischen der Anschuldigung wider besseres Wissen und der, die nicht wider besseres Wissen geschieht. Bei der Anschuldigung wider besseres Wissen werden hinsichtlich der objektiven Seite der Sache drei Fälle unterschieden: 1. die Anschuldigung hat nicht nur zur Anklageerhebung geführt, sondern auch dazu, daß der Beschuldigte zu Zuchthaus oder zum Tode verurteilt und die Strafe ganz oder teilweise vollstreckt worden ist, 2. die Anschuldigung hat zur Anklageerhebung und möglicherweise auch zu einer Verurteilung geführt, die jedoch nicht von der unter Punkt 1 genannten A r t sein darf, 3. die Anschuldigung, die i n diesem F a l l nur die Anzeige i m eigentlichen Sinne umfaßt, nicht aber die Anklage vor Gericht, hat zu keiner Strafverfolgung geführt. Jeder von diesen Fällen gehört i n eine verschiedene Strafbarkeitskategorie. Die nicht wider besseres Wissen gemachte falsche Anschuldigung ist i n allen ihren Erscheinungsformen, die alle voraussetzen, daß wenigstens die Anklage erhoben worden ist, nach § 4 zu bestrafen. Wenn der Anzeigende i n diesem Fall zur Stützung seiner Anzeige Wahrscheinlichkeitsgründe anführt, bleibt er straflos.

Der

e n e

B. Die indirekte

Teil des Strafgesetzbuchs

falsche Anschuldigung

(Kap. 26 § 2)

Die i n der Überschrift genannte Tat besteht darin, daß der Täter den Verdacht einer Straftat auf einen anderen lenkt. Als A r t e n der Ausführung nennt das Gesetz: 1. die Anführung eines unwahren und belastenden Umstandes, der eine Strafverfolgung zur Folge hat, 2. die Beseitigung von Beweisen für die Unschuld eines Verdächtigen, 3. die Vernichtung von Beweisen für die Unschuld desselben, nachdem eine Strafverfolgung eingeleitet worden ist, 4. die Anführung eines unwahren und belastenden Umstandes gegen den Angeklagten. Auch i n dem unter Punkt 2 genannten Fall w i r d vorausgesetzt, daß die Tat zur Anklageerhebung geführt hat. Die Strafe ist strenger, wenn der Beschuldigte zu Zuchthaus oder zum Tode verurteilt und die Strafe ganz oder teilweise vollstreckt worden ist. S i eb eη u η d ζ w aη ζ i g st es

Kapitel

Die Beleidigung I. D i e

Straftaten

Α. Die Verleumdung

gegen die

Ehre

(Kap. 27 §§ 1 und 2)

Die Verleumdung schließt i n sich die Behauptung, daß ein anderer eine bestimmte Straftat oder eine bestimmte A r t von Straftaten oder eine andere solche Handlung begangen habe, die i h n verächtlich zu machen, oder i n seinem Gewerbe oder Fortkommen zu schädigen geeignet ist. Gleichgestellt w i r d der i n Rede stehenden Tat die Verbreitung von Lügen oder unwahren Gerüchten über eine solche Tat. I n subjektiver Hinsicht setzt die Tat Vorsätzlichkeit voraus, aber keine Absicht zu beleidigen. Das Gesetz macht einen Unterschied zwischen der wider besseres Wissen ausgesprochenen Verleumdung (Kap. 27 § 1) und der nicht wider besseres Wissen ausgesprochenen Verleumdung (Kap. 27 § 2). Die Tat ist qualifiziert, wenn sie öffentlich oder durch eine Druckoder andere Schrift oder eine bildliche Darstellung geschieht, die der Schuldige verbreitet oder verbreiten läßt. B. Die Beleidigung

(Kap. 27 § 3)

Die Beleidigung ist eine Bezeigung unverdienter Mißachtung gegenüber einem anderen, sofern sie nicht Verleumdung ist. Auch die Bezeigung verdienter Mißachtung w i r d als Beleidigung bestraft, wenn sie i n der Absicht geschieht, zu kränken (Kap. 27 § 6).

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Das finnische Strafrecht

Die Beleidigung ist qualifiziert, wenn sie öffentlich oder durch eine Druck- oder andere Schrift oder eine bildliche Darstellung erfolgt, die der Schuldige verbreitet oder verbreiten läßt. C. Beschimpfung

des Andenkens eines Toten (Kap. 27 § 4)

Diese Tat kann nur i n Form einer wider besseres Wissen ausgesprochenen Verleumdung vorkommen. Sie muß die Behauptung einer bestimmten Straftat oder einer bestimmten A r t von Straftaten oder einer anderen Handlung enthalten, die den Toten bei seinen Lebzeiten verächtlich zu machen geeignet gewesen wäre, oder die Verbreitung eines unwahren Gerüchts über ihn, das Derartiges behauptet. Hingegen ist eine Behauptung, die den Toten bei seinen Lebzeiten i n seinem Gewerbe oder Fortkommen hätte schädigen können, nicht strafbar, wenn sie gegen den Toten vorgebracht wird. Berechtigt zur Einleitung oder Beantragung der Strafverfolgung sind die Gattin bzw. der Gatte, die Eltern, Kinder und Geschwister des Toten. über

II. V e r s c h i e d e n e Bestimmungen B e l e i d i g u n g s s t r a f t a t e n (Kap. 27 §§ 5 und 7)

Wer wegen Ehrenkränkung angeklagt wird, hat das Recht, die Wahrheit der von i h m ausgesprochenen Beleidigung zu beweisen. Der Wahrheitsbeweis erfolgt i n der Regel i m Beleidigungsprozeß. Er kann aber auch i n einem gesonderten Prozeß geschehen, wenn der Beleidiger selbst der Verletzte ist und er die von i h m behauptete Straftat verfolgen w i l l , oder wenn die Straftat der öffentlichen Anklage unterliegt und nicht verjährt ist. Eine Verjährung bildet nach der ausdrücklichen Bestimmung des Gesetzes kein Hindernis für die Erbringung des Wahrheitsbeweises i m Beleidigungsprozeß. Die Verfolgung der i n diesem Kapitel genannten Straftaten ist vom Antrag des Verletzten abhängig.

A ch t u η d ζ w aη ζ i g st es

Kapitel

Die Diebstahlsverbrechen A. Der Diebstahl

(Kap. 28 § 1 nach dem Gesetz vom 14. Juni 1946)

Unter Diebstahl versteht man das unerlaubte Ansichnehmen einer beweglichen Sache, die Eigentum eines anderen ist und sich i m Besitz eines anderen befindet, i n der Absicht, sie zu seinem eigenen oder eines anderen Nutzen sich selbst oder einem anderen anzueignen. Der Diebstahl w i r d i m Gesetz als geringfügiger Diebstahl bezeichnet und milder bestraft, wenn er in Anbetracht des Wertes des gestohlenen

Der

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Teil des Strafgesetzbuchs

Gutes und der übrigen bei der Tat zutagegetretenen Umstände als unbedeutend anzusehen ist. Der Wert ist nach dem Preis zu bestimmen, den die Sache bei Begehung der Straftat gehabt hat (Kap. 2 § 6). Die Nutzens- und Schadensmomente eliminieren aus dem Bereich des Diebstahl die Fälle, i n denen derjenige, der die Sache an sich nimmt, dem Verletzten einen dem Wert des angeeigneten Gutes völlig entsprechenden Gegenwert hinterläßt. Eine solche Tat w i r d i n der Praxis als Eigenmacht bestraft (Kap. 16 § 14). Es bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob das Objekt eines Diebstahls einen Geldwert besitzen muß. Nach der herrschenden Meinung ist das Vorhandensein eines Geldwertes nicht notwendig, wenn nur die Sache überhaupt einen Wert hat. Der Versuch ist strafbar. B. Der schwere Diebstahl (Kap. 28 § 2) Dieser Paragraph enthält ganze zwölf Punkte, in denen die Verhältnisse genannt sind, die einen Diebstahl zu einem schweren machen. Diese geschlossene Kasuistik hat zur Folge, daß strafrechtlich gleich-· wertige Fälle i n der Rechtsprechung verschieden beurteilt werden. C. Der Einbruch (Kap. 28 § 3) Einen Einbruch begeht derjenige, der i n der Absicht, wenig oder viel zu stehlen, m i t Gewalt oder List i n den Hof, das Haus, das Schiff oder den verschlossenen Aufbewahrungsort eines anderen eindringt oder auf gleiche Weise einen Schrank, eine Kiste, einen Kasten oder ein sonstiges Behältnis, das von einem anderen m i t einem Schloß, Siegel oder anderem ähnlichem Verschluß versehen worden ist, öffnet, ohne es wegzubringen. Diese Tat wäre ohne die i n Rede stehende Bestimmung als Versuch eines schweren Diebstahls zu bestrafen. Die Anwendung dieser Bestimmung beschränkt sich auf Fälle, i n denen man die Tat i n Ermangelung eines Objektes nicht als Versuch bestrafen kann. Die Aufnahme der Bestimmung ins Strafgesetz ist durch historische Gründe veranlaßt.

Ν eu η u η d ζ w aη ζ i gst es

Kapitel

Die Unterschlagung A. Die Unterschlagung

(Kap. 29 §§ 1 und 2 nach dem Gesetz vom 14. Juni 1946) Die Unterschlagung ist die Aneignung einer beweglichen Sache, die Eigentum eines anderen ist, sich aber i m Besitz des Täters befindet. 8

Ausländisches Strafrecht II

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Das finnische Strafrecht

I n bezug auf Massengegenstände, die durch Vermischung mit Massengegenständen des Besitzers zu seinem Eigentum geworden sind, ist keine Unterschlagung möglich, aber die Benutzung solcher Massengegenstände zu anderen Zwecken als denen, für die sie dem Besitzer überlassen worden sind, ist nach Kap. 39 § 3 Abs. 5 strafbar. Zur Unterschlagung gehört ebenso wie zum Diebstahl das Bereicherungsmoment. Wenn derjenige, der sich die betreffende Sache aneignet, dem Eigentümer einen genügenden Gegenwert dafür zur Verfügung stellt, fehlt dieses Moment. I n einem solchen Fall kann Kap. 16 § 14 Abs. 1 zur Anwendung kommen. Die Unterschlagung ist unter den i n Abs. 2 genannten Verhältnissen qualifiziert. § 2 des i n Rede stehenden Kapitels setzt die Strafe für denjenigen fest, der eine Sache, die er gefunden hat oder die durch einen anderen ähnlichen Zufall i n seinen Besitz gelangt ist, verheimlicht, wenn der Eigentümer oder ein sonst dazu Berechtigter sich danach erkundigt, oder sie auf andere Weise sich widerrechtlich aneignet. Die Unterlassung der vorschriftsmäßigen Meldung und Ablieferung von Funden und Fundsachen ist eine besondere Straftat. S. das Gesetz über die Fundsachen vom 19. November 1943.

Dreißigstes

Kapitel

Entwendung von gemeinschaftlichem Gut (Kap. 30 § 1) Das Gesetz gebraucht für die Vollendung dieser Straftat den finnischen Ausdruck für „unterschlagen", obwohl sie sich nicht auf die Aneignung von anvertrautem Gut beschränkt. Die Tat, die das Gesetz als Entwendung von gemeinschaftlichem Gut bestraft, wäre Diebstahl bzw. geringfügiger oder schwerer Diebstahl oder Unterschlagung, wenn es nicht das besondere Verhältnis zwischen Täter und Verletztem gäbe, das den Gesetzgeber veranlaßt hat, daraus eine besondere Straftat zu machen. Als Entwendung von gemeinschaftlichem Gut bestraft das Gesetz die Entwendung, die von Ehegatten, Eltern, Pflegeeltern oder Beteiligten an einem Nachlaß oder einer Gesellschaft begangen wird. Diese Aufzählung kann man jedoch nicht als erschöpfend betrachten. Man kann zu keinem anderen Ergebnis gelangen, als daß Täter jeder sein kann, der sich i n einem Verhältnis befindet, das den vom Gesetz genannten analog ist. Eine Strafverfolgung ist vom öffentlichen A n kläger nicht einzuleiten, wenn der Verletzte keinen Antrag darauf stellt.

Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs

Einunddreißigstes

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Kapitel

Raub und Erpressung A. Der Raub (Kap. 31 §§ 1 und 2 nach den Gesetzen vom 14. J u n i 1946 und 18. März 1949) Beim Raub sind alle Kennzeichen des Diebstahls vorhanden. Zu einem selbständigen, vom Diebstahl zu trennenden Verbrechen macht ihn die Anwendung von Gewalt gegen die Person oder von Drohungen m i t zwingender Gefahr für Leben oder Gesundheit. Voraussetzung ist, daß beide M i t t e l zur Aneignung irgendeines Gutes dienen. Auch der Versuch des Raubes ist strafbar. § 2 dieses Kapitels zählt i m einzelnen die vielen Verhältnisse auf, die einen begangenen Raub zu einem schweren machen. S. Kap. 21 § 6. B. Der raubähnliche

Diebstahl (Kap. 31 § 3)

Vom Raub unterscheidet sich der raubähnliche Diebstahl darin, Gewalt oder Drohung m i t zwingender Gefahr für Leben oder sundheit erst dann angewandt werden, wenn die Ausführung Aneignung begonnen hat, u m die Straftat vollenden oder das wendete Gut behalten zu können.

daß Geder ent-

C. Die Erpressung (Kap. 31 § 4) Ebenso wie der Raub richtet sich auch die Erpressung sowohl gegen die Freiheit als gegen das Vermögen. Als Zwangsmittel dient bei einer gewöhnlichen Erpressung die Drohung. Die Vollendungshandlung der Erpressung w i r d vom Gesetz m i t dem finnischen Wort „kiskoa" bezeichnet, die Vollendungshandlung des Raubes dagegen m i t dem Wort „ottaa". Beim Raub vergreift sich der Täter am Eigentum eines anderen, bei der Erpressung disponiert der unter Zwang Gesetzte selbst über sein Eigentum. Als Vorteile, die durch Drohung erlangt werden, nennt das Gesetz Gut, Geld, Schuldennachlaß, Schuldschein, Bürgschaft oder einen sonstigen materiellen Vorteil. Der erpreßte Vorteil muß ein solcher sein, auf den der Täter kein gesetzliches Recht hat. W i r d bei der Erpressung eine Drohung angewandt, die eine zwingende Gefahr für Leben oder Gesundheit enthält, oder w i r d gegen den anderen Gewalt angewandt, so ist die Strafe die gleiche wie für Raub (§ 4 Abs. 3). Eine solche Tat hat man i n der Doktrin raubähnliche Erpressung genannt. Wenn keine Bereicherungsabsicht vorliegt, ist die Tat als Nötigung zu bestrafen. 8*

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Das finnische Strafrecht

Zweiunddreißigstes

Kapitel

Hehlerei und sonstige rechtswidrige Befassung mit auf verbrecherische Weise erlangtem Gut (Kap. 32) Die Bezeichnung „Hehlerei" entspricht nicht ganz der Tat. Objekt derselben kann nämlich außer einer gestohlenen Sache auch eine solche Sache sein, die durch Raub oder Erpressung ihrem Eigentümer abhanden gekommen ist, und i h r Tatbestand w i r d auch durch andere Tätigkeit erfüllt als durch Verstecken. Als Objekt kommt solches Vermögen i n Frage, das Gegenstand eines i m Gesetz genannten Vorverbrechens sein kann. Das Vorverbrechen braucht nicht i n concreto strafbar zu sein; es genügt, wenn es den objektiven Tatbestand einer i m Gesetz genannten Straftat erfüllt. Als Vollendungshandlung kommt jede beliebige Tat i n Frage, die wesentlich zur Fortdauer des durch das Vorverbrechen entstandenen rechtswidrigen Zustandes beiträgt (§ 1). Für die i n Rede stehende Straftat darf nach dem Gesetz auf keine strengere Strafe erkannt werden als für Beihilfe zu der Straftat, durch die die betreffende Sache erlangt worden ist. Die gewerbsmäßige und gewohnheitsmäßige Ausübung der i n Rede stehenden Straftat ist als qualifiziertes Verbrechen kriminalisiert (§ 3). I n § 4 dieses Kapitels hat der Gesetzgeber die Befassung m i t solchen Sachen kriminalisiert, die durch eine andere Straftat als die i n § 1 genannten erlangt worden sind. Das Vorverbrechen kann jedes beliebige sein, durch das fremdes Eigentum verletzt worden ist. F ü r fahrlässige Befassung m i t auf verbrecherische Weise erlangtem Gut ist die Strafe i n § 5 dieses Kapitels festgesetzt. Das Vorverbrechen kann jede kriminalisierte Tat sein, durch die fremdes Eigentum verletzt worden ist. § 6 des i n Rede stehenden Kapitels setzt die Strafe für den fest, der i n gutem Glauben i n den Besitz fremden Gutes gelangt ist und dieses verheimlicht, nachdem er i n Erfahrung gebracht hat, daß es durch eine Straftat erlangt worden ist. Dreiunddreißigstes

Kapitel

Rechtswidrige Benutzung fremden Bodens sowie rechtswidrige Jagd und Fischerei A. Die unerlaubte

Aneignung von Akzessionen des Grundstücks (Kap. 33 §§ 1, 6 und 7)

Der Gesetzgeber ist bei der Kriminalisierung von Taten gegen die Akzessionen des Grundstücks der in Finnland herrschenden Rechts-

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Teil des Strafgesetzbuchs

auffassung gefolgt. Ungeachtet dessen, daß einige dieser Güter, wie ζ. B. der Wald, i n der letzten Zeit einen ungeheuren Wertzuwachs erfahren haben, ist das allgemeine Rechtsbewußtsein nicht geneigt gewesen, die Aneignung solcher „Gaben der Natur" dem Diebstahl oder der Unterschlagung gleichzustellen. Diese Auffassung ist jedoch seit einiger Zeit i n einer Wandlung begriffen, die auch im Gesetz ihren Ausdruck gefunden hat (Gesetz vom 4. Juni 1937). Objekt dieses Deliktes sind viele i n § 1 Abs. 1 genannte Güter, die zum Grundstück gehören. Nach der herrschenden Auffassung sind sie nicht als Beispiele angeführt, sondern man ist der Ansicht, daß die als Objekt i n Frage kommenden Güter i m Gesetz erschöpfend aufgezählt sind, woraus sich ergibt, daß das Pflücken von Beeren und Pilzen nicht den Tatbestand dieses Deliktes erfüllen kann. Aber auch eine Tat, die sich gegen irgendeins der aufgezählten Güter richtet, ist unter gewissen Voraussetzungen Diebstahl oder geringfügiger Diebstahl. § 3 dieses Kapitels bestimmt nämlich nach dem Gesetz vom 4. Juni 1937, daß „wer unbefugt Obstbäume oder fruchttragende Büsche oder etwas von diesen aus einem fremden Garten oder Gehege oder von einem fremden Felde nimmt oder Erdfrüchte, Getreide, Gras oder etwas anderes, was an einem solchen Ort oder auf einer Wiese oder auf einer anderen Anbaufläche gesät oder gepflanzt ist, wegnimmt, w i r d je nach der A r t der Straftat für Diebstahl oder geringfügigen Diebstahl bestraft". Nach Abs. 2 dieses Paragraphen ist gleichfalls für Diebstahl oder geringfügigen Diebstahl zu bestrafen, wer „unbefugt von fremdem Grund und Boden geschlagenes Holz, Balken oder Zaunholz, behauene Steine oder etwas anderes zum Gebrauch Vorbereitetes oder Gesammeltes wegnimmt oder einen wertvollen Baum fällt, um ihn sich anzueignen". Der Gesetzgeber hat eine besondere Kriminalisierung als nötig für den Fall betrachtet, daß der Schaden auf fremdem Grund und Boden angerichtet wird, den das Subjekt bebaut oder besitzt; dann hat die Tat den Charakter der Unterschlagung (§ 6). Eine besondere K r i m i nalisierung ist auch für den Fall als nötig angesehen worden, daß das Subjekt Teilhaber an dem Wald oder an dem Grund und Boden ist, an dem die Tat begangen wird; dann hat die Tat den Charakter der Entwendung von gemeinschaftlichem Gut (§ 7). Formen von unbefugter Benutzung fremden Bodens, die das Gesetz kriminalisiert hat, sind noch: unbefugtes Schwenden 2 auf fremdem Grund und Boden (§ 4); unbefugtes Bauen, Säen usw. auf fremdem Grund und Boden (§ 5); vorsätzliches oder fahrlässiges Lassen von Vieh auf fremdes Weideland (§ 9); Überschreitung des Weiderechts 2

schwenden: durch Verbrennen des Holzes oder Grases urbar machen.

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Das finnische S traf recht

an gemeinschaftlichem Grund und Boden (§ 10); unbefugte Legung eines Weges oder Fußpfades über den Hof eines anderen oder über fremde Äcker, Wiesen oder Pflanzungen (§ 11); unbefugte Jagd i n einem fremden Gebiet oder Jagdrevier oder Überschreitung des Jagdrechts (§ 12 nach dem Gesetz vom 6. A p r i l 1934); Fischerei, die das Fischrecht eines anderen verletzt (§ 13 nach dem Gesetz vom 28. Sept. 1951); unbefugte Einwirkung auf die Fischerei oder auf da c Schwimmen der Fische sowie unbefugtes Fischen i n einer Verkehrsstraße für Fische (§ 15). Wer, wenn er bei der Begehung einer i n diesem Kapitel genannten Straftat auf frischer Tat ertappt wird, dem Eigentümer, Besitzer oder Verwalter des Grund und Bodens oder des Fischwassers oder seinen Leuten Widerstand leistet, wenn einer derselben den Täter an seinem Vorhaben hindern oder i h m das, was er sich unbefugt angeeignet hat oder was gemäß besonderen Vorschriften als Beweisstück für die Straftat einbehalten werden darf, abnehmen w i l l , w i r d nach § 17 bestraft. Die Tat entspricht ihrem Charakter nach einem raubähnlichen Diebstahl (s. Kap. 31 § 3).

Vierunddreißigstes

Kapitel

Gemeingefährliche Straftaten Wer durch eine vorsätzliche Tat, die i n den §§ 1, 2, 4, 5, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15 und 16 dieses Kapitels genannt ist, den Tod eines anderen oder eine schwere Körperverletzung verursacht, ist i n jedem Fall nach den Bestimmungen von Kap. 21 § 6 zu bestrafen. Auf alle fahrlässigen gemeingefährlichen Straftaten, die eine konkrete Gefahr hervorrufen, bezieht sich die Bestimmung von Kap. 34 § 21, wonach jemand, der eine solche Tat begeht, wenn er durch eine Maßnahme oder Meldung die Gefahr beseitigt, bevor daraus Schaden entstanden ist, nach dem Ermessen des Gerichts straflos ausgehen kann, A. Oie Brandstiftung 1. Die gewöhnliche Brandstiftung (Kap. 34 § 1) Als Objekte dieses Verbrechens nennt das Gesetz ein Haus oder sonstiges Gebäude, ein Schiff oder etwas anderes, was 1. Menschen als Wohnung dient, oder 2. i n dem zur Zeit der Begehung der Straftat Menschen sich aufzuhalten pflegen, oder 3. in dem sich nach dem Wissen des Subjektes jemand befindet. Nach dem Gesetz ist die Tat m i t der Inbrandsetzung vollendet. Sie ist strafbar wegen ihrer abstrakten Gefährlichkeit. Die Entstehung einer konkreten Gefahr setzt jedoch

Der

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Teil des Strafgesetzbuchs

der i n Abs. 3 dieser Gesetzesstelle genannte Fall voraus, i n dem das angezündete Vermögen dem Täter selbst gehört. I n diesem Fall ist die Tat nur unter der Voraussetzung strafbar, daß daraus eine konkrete Gefahr für Leben, Gesundheit oder Eigentum eines anderen entsteht. Die Straftat ist qualifiziert, wenn der Täter Löschgeräte wegschafft, um das Löschen des Feuers zu verhindern oder zu erschweren, oder wenn das Verbrechen i n einer solchen Zeit begangen wird, i n der Aufruhr, Bedrängung durch den Feind, Epidemie oder eine andere ähnliche Gefahr vorhanden ist (§ 3). Nicht nur der Versuch der Brandstiftung, sondern auch ihre Vorbereitung ist strafbar (§ 6). F ü r fahrlässige Brandstiftung ist die Strafe i n § 7 dieses Kapitels festgesetzt. 2. Die schwere Brandstiftung (Kap. 34 § 2) Als Objekte sind genannt eine Kirche, eine Festung, ein staatlicher Vorratsraum oder ein Zeughaus, ein öffentliches Archiv oder ein Gebäude, i n dem sich Amtszimmer befinden oder in dem öffentliche Sammlungen von Büchern, Handschriften, wissenschaftlichen Gegenständen, Kunstwerken oder Industrieerzeugnissen verwahrt werden. Diese Tat ist unter den gleichen Voraussetzungen qualifiziert wie die gewöhnliche Brandstiftung (§ 3). Sowohl der Versuch als auch die Vorbereitung sind strafbar (§ 6). Auch wenn die Tat aus Fahrlässigkeit begangen wird, ist sie strafbar (§ 7). 3. Die leichte Brandstiftung (Kap. 34 § 4) Objekte dieser Straftat sind nach dem Gesetz u. a. ein Haus oder sonstiges Gebäude oder ein Schiff i n anderen Fällen als den i n §§ 1 und 2 genannten, wachsendes, gemähtes oder eingebrachtes Getreide, ein Heu- oder Strohschober, Wald, Moor, ein Lager von Arbeitsgeräten, Brennholz, Kohle, Bauholz, Brettern oder sonstigen Bedarfsartikeln oder von Waren. Auch i n diesem Fall sind Versuch und Vorbereitung (§ 6) sowie fahrlässige Brandstiftung (§ 7) strafbar. B. Die Verursachung von Explosionen (Kap. 34 § 5 nach dem Gesetz vom 16. A p r i l 1919) Als Objekte kommen die gleichen Gegenstände i n Frage wie bei der Brandstiftung. Je nach dem Objekt sind auf die Tat die verschiedenen Gesetzesstellen über die Brandstiftung, §§ 1, 2 und 4, anzuwenden. Der Versuch ist m i t derselben Strafe bedroht wie die vollendete Tat. Die Vorbereitung (§ 6) und die fahrlässig begangene Tat (§ 7) sind strafbar,

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Das finnische Strafrecht

Durch das Gesetz vom 16. A p r i l 1919 ist der i n Rede stehenden Gesetzesstelle der Abs. 2 hinzugefügt worden, der die Strafe für den festsetzt, der sonstwie durch Sprengstoff vorsätzlich Leben oder Gesundheit eines anderen i n konkrete Gefahr bringt oder die Gefahr erheblicher Zerstörung für fremdes Eigentum heraufbeschwört. Die Vorbereitung und der Versuch (§ 6) sowie die fahrlässig begangene Tat (§ 7) sind strafbar. C. Die Herbeiführung

einer Überschwemmung

(Kap. 34 § 8)

Diese Tat ist i n dem Fall, daß dadurch Menschenleben gefährdet werden, strenger zu bestrafen, als i n dem Fall, daß sie eine Gefahr lediglich für Vermögenswerte m i t sich bringt. Die Gefahr muß konkret sein. I m erstgenannten Fall genügt es, daß eine einzige Person, sei es eine vorher bestimmte oder nicht, i n Gefahr geraten ist. I m letztgenannten Fall muß es sich um eine nicht individuell bestimmte Menge von Gegenständen handeln, m i t anderen Worten, die Gefahr muß allgemein sein. Die Tat ist auch dann strafbar, wenn sie fahrlässig begangen wird. D. Die Gefährdung

der Benutzung der Eisenbahn (Kap. 34 § 9)

Als Vollendungshandlung kommt jede beliebige Handlung i n Frage, durch die eine konkrete Gefahr hervorgerufen wird. Der Versuch ist strafbar. Die Strafbarkeit hängt davon ab, ob dem Täter dolus directus, dolus eventualis oder Fahrlässigkeit zur Last gelegt wird. Wenn die Tat von einem i m Dienste der Eisenbahn Stehenden verübt wird, ist hinsichtlich der zu verhängenden Folgen Kap. 40 § 16 zu berücksichtigen. E. Die gemeingefährliche

Beschädigung (Kap. 34 § 10)

Nach dem Gesetz w i r d diese Tat dadurch vollendet, daß Dampfkessel, Dampfmaschinen, Einrichtungen zur Erzeugung von Leuchtgas, Pulver oder anderen ähnlichen Stoffen, Bergwerke oder dazugehörige Werkstätten, Gas- oder Wasserleitungen, Dämme oder andere ähnliche Wasserwerke, Wasserstraßen, Häfen, Schiffsbrücken, Brücken, Fähren, Wege oder Straßen oder solche Zäune oder Zeichen, die angebracht sind, u m eine Gefahr zu Lande zu verhüten oder vor i h r zu warnen, verdorben oder beschädigt werden. Die Strafe eine Gefahr fahrlässiger S. Kap. 40 §

ist strenger, wenn die Tat i n der Absicht begangen wird, hervorzurufen. Sie ist auch dann strafbar, wenn sie i n Herbeiführung eines der genannten Schäden besteht. 16.

Der

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Teil des Strafgesetzbuchs

F. Herbeiführung einer Behinderung oder Verzögerung in der Benutzung der Eisenbahn oder eines Kanals oder einer Schleuse (Kap. 34 § 11) Diese Tat ist vollendet, wenn eine Behinderung oder Verzögerung i n der Benutzung der Eisenbahn, eines Kanals oder einer Schleuse eingetreten ist. Die Entstehung einer Gefahr ist nicht erforderlich. Die Tat ist sowohl als vorsätzliche wie auch als fahrlässige Handlung strafbar. S. Kap 40 § 16. G. Hinderung oder Störung der Benutzung einer öffentlichen Telegrafen- oder Telefoneinrichtung (Kap. 34 § 12) Diese Straftat w i r d durch jede beliebige Handlung vollendet, die sich — sei es vorsätzlich oder fahrlässig — gegen telegrafische oder telefonische Anlagen richtet. S. Kap. 40 § 16. H. Die Verursachung eines Schiffbruchs (Kap. 34 § 13) Nach dem Gesetz w i r d diese Tat durch Verursachung des Sinkens, Scheiterns oder Strandens eines Schiffes vollendet. Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, daß die Tat wenigstens eine abstrakte Gefahr für Leben oder Gesundheit eines anderen herbeiführt. Die Tat ist strenger zu bestrafen, wenn sie i n der Absicht geschieht, eine solche Gefahr hervorzurufen. Sie ist auch als fahrlässige Handlung strafbar. I. Die Zerstörung von Zeichen, die für die Schiffahrt aufgestellt sind (Kap. 34 § 14 nach dem Gesetz vom 16. A p r i l 1919) Diese Tat w i r d nach dem Gesetz dadurch vollendet, daß Leuchttürme, Leuchtschiffe, Leuchtsignale, Seezeichen, Wegweiser oder andere für die Schiffahrt aufgestellte Zeichen zerstört, verdorben, von der Stelle bewegt, verändert oder entfernt werden, oder durch Auslöschen eines Feuers, das zur Leitung der Seefahrer angezündet sein soll, oder durch Unterlassung des Anzündens eines Feuers, das der Unterlassende zu diesem Zweck zu unterhalten verpflichtet ist, oder durch Anzünden eines irreführenden Feuers oder Aufstellung eines anderen irreführenden Zeichens. Voraussetzung ist die Entstehung einer abstrakten Gefahr für Leben, Gesundheit oder Vermögen von Menschen. I n subjektiver Hinsicht w i r d ein Unterschied gemacht zwischen der Tat, die i n der Absicht, eine Gefahr heraufzubeschwören, begangen wird, und der, die ohne diese Absicht geschieht. Die Tat ist auch als fahrlässige Handlung strafbar. J. Die Vergiftung

von Brunnen, Speisen usw. (Kap. 34 § 15)

Diese Straftat w i r d vollendet durch Vergiftung eines Brunnens, einer Wasserleitung oder einer anderen Wasserstelle oder zum Verbrauch

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Das finnische Straf recht

durch andere geeigneter oder zum Verkauf bestimmter Speisen oder Getränke, wodurch eine abstrakte allgemeine Gefahr entsteht. I n fahrlässiger Form setzt die Tat voraus, daß eine konkrete allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit von Menschen entsteht. K . Die Verbreitung einer Seuche unter Menschen (Kap. 34 § 16) Die Vorsätzlichkeit muß bei dieser Tat das Bewußtsein enthalten, daß die Möglichkeit der Verbreitung einer Krankheit auf einen oder mehrere nicht vorher bestimmte Menschen vorliegt. I n Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist die Strafe für fahrlässige Verursachung von Erkrankungen anderer an einer Seuche festgesetzt, die dadurch geschieht, daß der Täter eine zur Verhütung einer Epidemie erlassene Vorschrift übertritt. L. Die Verbreitung einer Seuche unter Tieren (Kap. 34 § 18) Für diese Straftat gilt, was oben über die Verbreitung einer Seuche unter Menschen gesagt ist. M. Die Vergiftung von Viehweiden, Wiesen, Futtervorräten, für das Vieh bestimmtem Trinkwasser usw. (Kap. 34 § 19) Diese Straftat setzt die Entstehung einer konkreten allgemeinen Gefahr für das Vieh eines anderen voraus. N. Die Nichterfüllung eines Lieferungsvertrages (Kap. 34 § 20) Der Lieferungsvertrag muß für einen Krieg oder eine Notlage abgeschlossen sein, so daß er also nach erfolgter Kriegserklärung oder nach einer Mißernte oder einem anderen Unglück zu erfüllen ist. Die Unterlassung w i r d wegen ihrer abstrakten Gefährlichkeit bestraft, sowohl wenn sie vorsätzlich als auch wenn sie fahrlässig ist.

F ü η f u η d d r ei ß i g st es K a p i t e l Die Sachbeschädigung Als Objekt kommt sowohl bewegliches als auch unbewegliches Vermögen i n Frage. I n Anbetracht der Bedeutung bestimmter Gegenstände hat der Gesetzgeber zwei Gruppen von Gegenständen unter einen größeren Strafschutz gestellt als die übrigen Gegenstände. Die eine dieser Gruppen bilden die i n § 1 dieses Kapitels genannten Gegenstände, für die der Gesetzgeber den Sammelnamen „ähnliches Bauwerk" angewandt hat, die andere bilden die i n § 2 aufgezählten Gegenstände, die einem öffentlichen Interesse dienen. Unter dem Ausdruck „öffentliche Sammlung", der i n der letztgenannten Gesetzesstelle gebraucht wird,

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Teil des Strafgesetzbuchs

hat man eine solche Sammlung zu verstehen, die der Staat oder eine öffentliche Institution oder eine Gemeinde zu einem gemeinnützigen Zweck unterhält. Alle Gegenstände, die nicht i n den eben angeführten Gesetzesstellen genannt sind, kommen als Objekt der milder zu bestrafenden i n § 3 kriminalisierten Tat i n Frage. Wenn i n den Fällen, die § 3 dieses Kapitels vorsieht, der Schaden geringfügig ist, liegt es i m Ermessen des Richters, ob auf eine Strafe zu erkennen ist oder nicht. W i r d durch eine Sachbeschädigung lediglich ein privates Recht verletzt, so darf die Strafverfolgung vom öffentlichen Ankläger nur auf Antrag des Verletzten eingeleitet werden (§ 4).

Sechsunddreißigstes

Kapitel

Betrug und Fälschung A. Der Betrug (Kap. 36 § 1) Der Betrug ist eine Vermögensschädigung, die i n der Absicht, sich oder einen anderen rechtswidrig zu bereichern, einem anderen durch Irreführung zugefügt wird. Nach dem Wortlaut des Gesetzes w i r d der Betrug begangen, indem falsche Tatsachen vorgespiegelt oder die Wahrheit entstellt oder verheimlicht wird. Unter Tatsachen werden konkrete, i n die Vergangenheit oder i n die Gegenwart gehörende Gegenstände, Ereignisse oder Zustände verstanden. Der Begriff der Tatsache kann auch Geschehnisse des Seelenlebens enthalten, ζ. B. daß der Täter etwas weiß, daß er einen bestimmten Willen oder eine bestimmte Absicht hat. Zum Tatbestand des Betruges gehört, daß der Vermögensverlust die unmittelbare Folge des i m I r r t u m geschehenen Disponierens ist. Zum Vermögen gehört auch der Besitz. E i n Vermögensschaden liegt nicht vor, wenn der Vermögensverringerung ein ebenso großer Vermögenszuwachs entspricht. Die irregeführte Person braucht nicht m i t der, die durch die Disponierung einen Schaden erleidet, identisch zu sein. Es genügt, daß der Irregeführte sich i n einer solchen Stellung befindet, daß er über das betreffende Vermögen disponieren kann. Dieser Umstand macht den sogenannten Prozeßbetrug möglich. Da das Gericht sich i m allgemeinen nicht auf unbewiesene Behauptungen stützen kann, ist nach der allgemein angenommenen Meinung zu einer Irreführung i m Prozeß erforderlich, daß dazu falsche Zeugen oder andere falsche Beweismittel benutzt werden. A u f diesem Standpunkt steht i m allgemeinen die finnische Rechtsprechung.

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Das finnische Strafrecht

Das finnische Strafgesetz bestraft auch den ohne Bereicherungsabsicht begangenen Betrug. Bei diesem liegt als subjektives Moment statt der Bereicherungsabsicht die Schädigungsabsicht vor. Der Versuch ist strafbar. B. Der Versicherungsbetrug (Kap. 36 § 2) Objekt dieser Straftat kann gegen Feuersgefahr versichertes unbewegliches oder bewegliches Vermögen sein, desgleichen ein Schiff, das selbst oder dessen Last oder Fracht versichert ist. Die Ausführung geschieht bei feuerversichertem Vermögen durch die Inbrandsetzung, bei einem Schiff durch das Sinkenlassen oder Strandenlassen desselben. Die Tat ist vollendet, wenn die Inbrandsetzung geschehen ist bzw. wenn das Schiff gesunken oder gestrandet ist. Der Versuch ist strafbar. I n subjektiver Hinsicht setzt die Tat voraus, daß der Vorsatz vorhanden ist und daß die Absicht besteht, sich oder einem anderen durch Empfang der Versicherungssumme einen rechtswidrigen materiellen Vorteil zu verschaffen. C. Die Fälschung einer Archivurkunde (Kap. 36 § 3) Objekte dieser Tat sind öffentliche Archivurkunden, worunter man solche Urkunden versteht, die von öffentlichen Behörden ausgefertigt sind und als Nachweise dafür aufbewahrt werden, was die betreffende Behörde getan hat oder was sich bei ihr ereignet hat. Die Straftat ist m i t der Ausfertigung einer falschen Urkunde dieser A r t oder der Fälschung einer richtigen Urkunde vollendet; sie setzt nicht voraus, daß von der Urkunde Gebrauch gemacht wird. W i r d Gebrauch davon gemacht, w i r d die Tat strenger bestraft, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß der Gebrauch i n der Absicht geschieht, sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder einen anderen zu schädigen. Der erstrebte Vorteil braucht nicht unbedingt rechtswidrig zu sein. Wenn ein anderer als der Fälscher, um sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder um einen anderen zu schädigen, von einer Urkunde Gebrauch macht, von der er weiß, daß sie falsch ist, so ist er nach § 6 dieses Kapitels so zu bestrafen, als hätte er selbst die Fälschung begangen. D. Die Fälschung einer ausgefertigten öffentlichen Urkunde (Kap. 36 § 4) Dieser Paragraph betrifft Urkunden, die von einer öffentlichen Behörde oder einem Beamten ausgefertigt werden. Zu der Gruppe von Urkunden, die geringeren strafrechtlichen Schutz genießen, gehören nach dieser Gesetzesstelle „ein Reisepaß, ein Leumundszeugnis oder ein ähnliches Zeugnis". Die von der Tat stets vorausgesetzte Absicht, sich

Der

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Teil des Strafgesetzbuchs

oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder einen anderen zu schädigen, muß m i t dem Gebrauch der Urkunde verbunden sein. Erst damit, daßl Gebrauch von der Urkunde gemacht wird, ist die Tat vollendet. S. § 6 dieses Kapitels. E. Die Fälschung einer Privaturkunde (Kap. 36 § 5) Auch hier macht das Strafgesetz einen Unterschied zwischen wichtigeren und weniger wichtigen Urkunden. Zu der zweiten Gruppe gehören nach dem Gesetz „ein Verabschiedungsschein, ein von einer Privatperson ausgestelltes Leumundszeugnis oder ein anderes ähnliches Zeugnis". Die Straftat ist m i t dem Gebrauch der betreffenden Urkunde vollendet. M i t dem Gebrauch derselben muß die zu der Tat gehörende Absicht verbunden sein, sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder einen anderen zu schädigen. S. § 6 dieses Kapitels. F. Die intellektuelle Fälschung (Kap. 37 § 7) Als Objekte kommen nur solche Archivurkunden i n Frage, deren Eintragungen von Bedeutung für Entstehung, Aufrechterhaltung oder Aufhören von Rechten und Rechtsverhältnissen sind. Die Eintragung w i r d nicht vom Subjekt der Straftat selbst gemacht, sondern die Tat w i r d dadurch vollendet, daß jemand, dessen Aufgabe das Führen von Archivurkunden ist, irregeführt wird, so daß er eine unrichtige Eintragung i n diese Urkunden macht, die i n der oben genannten Hinsicht unmittelbar oder mittelbar von Bedeutung ist. I n subjektiver Beziehung setzt die Tat Vorsätzlichkeit voraus. Wenn sie i n der Absicht geschieht, sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder einen anderen zu schädigen, ist sie strenger zu bestrafen als i n dem Fall, daß sie ohne eine solche Absicht begangen wird. I m erstgenannten Fall ist eine noch strengere Strafskala für den Fall festgesetzt, daß derjenige, der die falsche Eintragung veranlaßt hat, i n der eben genannten Absicht von i h r Gebrauch macht. G. Die Fälschung einer ausländischen Urkunde (Kap. 36 § 8) I n dieser Gesetzesstelle heißt es, daß der Strafschutz gegen Fälschungsverbrechen sich auch auf solche Urkunden erstreckt, die i m Ausland geschrieben oder ausgefertigt sind. H. Die Fälschung von Grenz- oder Marksteinen oder Merkmalen für die Wasserhöhe (Kap. 36 § 9) Als Objekt dieser Straftat kommen außer den genannten auch „andere ähnliche Merkzeichen" i n Frage, deren Zweck darin besteht, etwas zu beweisen, was Einfluß auf Rechtsverhältnisse hat.

Das i i s c h e Strafrecht

Als Vollendungshandlungen der Straftat nennt das Gesetz Wegnahme, Zerstörung, Verrückung, Versetzung oder falsche Aufstellung. Es genügt, daß das Zeichen mehr oder weniger untauglich für seinen Zweck wird. W i r d die Tat i n der Absicht begangen, sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder einen anderen zu schädigen, so ist die Strafe strenger als i n dem Fall, daß sie ohne diese Absicht geschieht. I. Die Fälschung von Steuerzeichen, Maßen usw. (Kap. 36 § 10) Die i n dieser Gesetzesstelle enthaltene Kriminalisierung gliedert sich i n drei Teile. Der erste betrifft die Nachmachung oder Fälschung von Stempeln und Zeichen, ohne Rücksicht darauf, ob die Stempel oder Zeichen auf den Gegenständen angebracht sind, für die sie bestimmt sind. I m zweiten Teil handelt es sich u m die Kennzeichnung von Maßen, Gewichten, Wägegeräten oder Waren m i t fälschlich angebrachten staatlichen Stempeln oder anderen öffentlichen Zeichen oder um Fälschung auf solchen Gegenständen angebrachter staatlicher Stempel oder anderer öffentlicher Zeichen. Der dritte Teil kriminalisiert die Kennzeichnung einer Ware m i t einem staatlichen Stempel oder sonstigen öffentlichen Zeichen, das nicht für diese Ware bestimmt ist. Die Tat setzt voraus, daß Vorsätzlichkeit vorliegt und daß die A b sicht besteht, sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder einen anderen zu schädigen. Daß von der nachgemachten oder gefälschten Sache Gebrauch gemacht wird, gehört nicht zum Tatbestand der genannten Straftaten. Wenn hinzukommt, daß von der Sache Gebrauch gemacht wird, ist die Tat qualifiziert. Ist derjenige, der von der Sache Gebrauch macht, ein anderer als der Täter des Anfangsverbrechens, so unterliegt er der gleichen qualifizierten Strafe unter der Voraussetzung, daß er i n der Absicht handelt, sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder einen anderen zu schädigen. Der Strafschutz erstreckt sich nur auf die finnischen Stempel und Zeichen. I n einer Ausnahmestellung befinden sich die ausländischen Postmarken, die den Strafschutz des finnischen Strafgesetzes genießen, falls der Präsident der Republik es bestimmt (§ 12). J. Erneute Verwendung gebrauchter Steuerzeichen oder Inverkehrbringen solcher Zeichen (Kap. 36 § 11) Diese Tat setzt Vorsätzlichkeit voraus; dagegen ist eine Absicht, sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder einen anderen zu schädigen, nicht erforderlich. Die Kriminalisierung bezieht sich auf ausländische Postmarken nur unter der Voraussetzung, daß der Präsident der Republik es bestimmt (§ 12).

Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs

12?

S i eb eη u η d d r ei ßi g st es K a p i t e l Die Münz verbrechen Geld ist jedes vom Staat anerkannte einheimische oder ausländische Zahlungsmittel, einerlei ob es aus Metall oder aus Papier ist. Das Geld muß ein Zeichen tragen, daß es als Zahlungsmittel anerkannt ist. Als dem Geld gleichgestellt betrachtet das Strafgesetz (Kap. 37 § 4): „solche gedruckte Obligationen, Banknoten oder auf den Inhaber lautende Wertpapiere, die von der Regierung Finnlands oder eines fremden Staates oder von der betreffenden Staatsbank oder m i t Genehmigung der genannten Regierungen von einer Gemeinde, Körperschaft, Vereinigung, Gesellschaft oder Privatperson ausgegeben worden sind". Die Produkte von Münzverbrechen sowie die zur Anfertigung solcher Produkte gebrauchten oder bestimmten Gegenstände sind nach § 7 dieses Kapitels für verfallen zu erklären. Vgl. Kap. 2 § 16. A. Nachmachung und Fälschung von Geld sowie Einfuhr von nachgemachtem oder gefälschtem Geld nach Finnland (Kap. 37 § 1 nach dem Gesetz vom 27. M a i 1932). Als Herstellung von Falschgeld ist außer der Nachmachung von Metall- oder Papiergeld auch das Verleihen des Scheines von gültigem Geld an solches Papiergeld anzusehen, das seine Geltung verloren hat, sei es durch Entfernen eines Zeichens, das die Ungültigkeit anzeigt, oder auf andere Weise. Fälschung von Geld ist die Vornahme von Veränderungen an echtem Metall- oder Papiergeld, dem dadurch der Schein höheren Wertes gegeben wird, als es i h n i n Wirklichkeit hat. Den eben genannten Taten gleichgestellt ist die Anschaffung von nachgemachtem oder gefälschtem Metall- oder Papiergeld und die Einfuhr solchen Geldes nach Finnland. I n subjektiver Hinsicht ist es erforderlich, daß Vorsätzlichkeit vorliegt und daß die Absicht besteht, das Geld statt richtigem oder gültigem i n den Verkehr zu bringen oder sonst damit etwas Betrügerisches zu t u n (nach dem Wortlaut, den diese Gesetzesstelle durch das Gesetz vom 27. M a i 1932 erhalten hat). W i r d die Tat nicht i n der eben genannten Absicht begangen, das Produkt dann aber doch i n Umlauf gebracht, so handelt es sich nicht u m die i n Rede stehende Straftat, sondern um Inumlaufbringen von Falschgeld. Die Straftat ist damit vollendet, daß i n der erwähnten Absicht Geld nachgemacht, gefälscht oder ins Land eingeführt wird. Wenn hinzukommt, daß das Geld i n Umlauf gebracht wird, ist die Tat qualifiziert (§ 1 Abs. 2). Dieser Absatz ist auch i n dem F a l l anzuwenden, daß derjenige, der das Falschgeld i n Umlauf bringt, nicht der eigentliche Täter

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Das i i s c h e Strafrecht

gewesen ist, sondern nur der Anstifter zu der Tat oder der Gehilfe bei ihrer Ausführung. B. Die Verringerung

von Geld (Kap. 37 § 5 nach dem Gesetz vom 27. M a i 1932)

Die Verringerung von Geld geschieht i n der Weise, daß durch Beschneiden oder auf andere Weise der wirkliche Wert von Metallgeld vermindert wird, während das Geld dem äußeren Anschein nach vollwertig bleibt. Dieser Handlungsweise gleichgestellt ist die Beschaffung von verringertem Metallgeld oder die Einfuhr solchen Geldes nach Finnland. I n subjektiver Hinsicht gilt, was früher über die i n § 1 dieses Kapitels genannten Straftaten gesagt ist. Die Tat ist qualifiziert, wenn zu der Verringerung das Inumlaufbringen hinzukommt. C. Das Inumlauf bring en von Falschgeld (Kap. 37 §§ 2, 3 und 5 nach dem Gesetz vom 27. M a i 1932) Subjekt dieser Straftat kann nicht sein, wer Täter oder Teilnehmer an der Nachmachung, Fälschung oder Verringerung von Geld oder an der Beschaffung oder Einfuhr von falschem oder verringertem Geld ist. Die Tat ist milder zu bestrafen, wenn i h r Objekt verringertes Metallgeld ist. Das Vorverbrechen braucht nicht i n concreto strafbar zu sein, sondern es genügt, daß es den objektiven Tatbestand eines Münz Verbrechens erfüllt. Das Gesetz unterscheidet zwei Fälle. Die Tat ist milder zu bestrafen, falls derjenige, der das Falschgeld i n Umlauf bringt, es als echtes oder gültiges angenommen hat, strenger dagegen, falls er schon damals erkannt hat, daß es sich u m falsches oder verringertes Geld handelt. Strenger ist die Tat auch i n dem Fall zu bestrafen, daß derjenige, der das falsche oder verringerte Geld i n Umlauf bringt, es zwar nicht als solches erkannt hat, aber die Erwerbung des Geldes einer Erwerbung mala fide gleichzustellen ist, weil er sich durch eine Straftat i n den Besitz davon gesetzt hat. Durch das Gesetz vom 27. M a i 1932 ist dem § 2 dieses Kapitels ein Absatz (Abs. 1) hinzugefügt worden, der die Strafe für den festsetzt, der nachgemachtes oder gefälschtes Papier- oder Metallgeld annimmt, um es als echtes oder gültiges i n Umlauf zu bringen. Die darin k r i m i nalisierte Handlung steht der i n § 1 Abs. 1 Ziff. 4 genannten Tat näher als dem Inumlaufbringen, m i t dem sie i m Gesetz i n Zusammenhang gebracht worden ist. Der Unterschied liegt darin, daß die i m erstgenannten Absatz kriminalisierte Handlung keine solche A k t i v i t ä t enthält, die sie zu einem „Anschaffen" von Falschgeld machen würde. Die

Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs

entsprechende Bestimmung über verringertes Geld ist durch das oben genannte Gesetz dem § 5 dieses Kapitels hinzugefügt worden (Abs. 2). Die Vorbereitung von Münz verb rechen ist strafbar (§ 6). Zu den Münzverbrechen zu rechnen sind auch die i n Kap. 44 §§26 und 27 genannten Polizeiübertretungen.

Achtunddreißigstes

Kapitel

Untreue und strafbarer Eigennutz A. Die Untreue (Kap. 38 § 1) Als Subjekte dieser Tat nennt das Gesetz gesondert Vormünder, Verwalter des Eigentums von Instituten, Vereinen oder Gesellschaften, Vertrauensmänner und Konkursverwalter. Durch Hinzufügung der Worte „oder sonstige Bevollmächtigte" zu dieser Aufzählung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß die genannten Personen nur als Beispiele angeführt sind. Täter dieser Straftat kann jeder sein, der durch seine Stellung verpflichtet ist, i n den von i h r gezogenen Grenzen wirtschaftliche Interessen eines anderen wahrzunehmen. Die Vollendung der Tat ist i m Gesetz folgendermaßen ausgedrückt: „bei der Ausübung der ihnen übertragenen Geschäfte vorsätzlich diejenigen schädigen". Dabei kommt die Schädigung eines anderen durch ein solches Rechtsgeschäft i n Frage, zu dessen Abschluß m i t für den Auftraggeber bindender W i r k u n g der Bevollmächtigte befugt ist. Aber die Schädigung kann auch durch andere wirtschaftliche Tätigkeit oder durch Untätigkeit geschehen. Aus der Tat muß dem, dessen Interessen der Täter wahrzunehmen hat, wirtschaftlicher Schaden erwachsen. Schaden bedeutet hier dasselbe wie beim Betrug, nämlich jede Verminderung des Gesamtvermögens. Der Schaden muß gerade die Interessen treffen, deren Wahrnehmung dem Täter übertragen ist. Das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Tat kann fehlen, wenn der Täter Anlaß gehabt hat, auf Grund seiner Fähigkeit und seines Willens zum Ersatz des Schadens vorauszusetzen, daß sein Auftraggeber m i t der Tat einverstanden sein werde. Z u r Untreue i m weiteren Sinne werden allgemein die i n den §§2 und 3 dieses Kapitels genannten Straftaten gerechnet. I n der erstgenannten Gesetzesstelle ist die Strafe für einen Rechtsanwalt festgesetzt, der i n einer i h m anvertrauten Rechtssache zum Schaden seines Auftraggebers dessen Gegner m i t Ratschlägen, Beweisgründen oder Schriftstücken, die er aufsetzt, unterstützt oder seinen Auftraggeber vorsätzlich schädigt; desgleichen für einen Rechtsanwalt, der wider besseres Wissen seinen Auftraggeber zu einem unbegrün9

Ausländisches Straf recht II

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Das i i s c h e Strafrecht

deten oder unrechtmäßigen Prozeß verleitet oder wider besseres Wissen eine unrechtmäßige Sache übernimmt und führt. I n der letztgenannten Gesetzesstelle ist die Strafe für Rechtsanwälte oder andere Bevollmächtigte, Ärzte, Wundärzte, Hebammen, Apotheker oder die Gehilfen solcher Personen festgesetzt, die unbefugt Privatoder Familiengeheimnisse offenbaren, von denen sie i n ihrer Berufstätigkeit Kenntnis erhalten. Z u r Untreue i m weiteren Sinne w i r d noch die Verleugnung seiner Unterschrift wider besseres Wissen und die Zurückforderung einer schon bezahlten Schuld oder von verpfändetem, vermietetem, verliehenem oder anvertrautem Gut, das der Betreffende bereits zurückerhalten hat, gerechnet (§ 7). Durch das Gesetz vom 14. Juli 1932 ist dieser Gesetzesstelle ein zweiter Absatz hinzugefügt worden, i n dem die Strafe für denjenigen festgesetzt ist, der vorsätzlich oder fahrlässig zum Schaden eines anderen einen ungedeckten Scheck ausstellt oder vor Ablauf der Frist, nach der ein von i h m ausgestellter Scheck zur Zahlung vorgelegt werden soll, ohne triftigen Grund den, Scheck zurückzieht oder dessen Deckung benutzt. § 8 dieses Kapitels kriminalisiert das unbefugte Öffnen fremder verschlossener Briefe oder Schriftstücke sowie das Vernichten, Verstecken und Verheimlichen von Briefen oder Schriftstücken, von denen der Täter weiß, daß sie an einen anderen als Empfänger gerichtet sind. Eine Strafverfolgung der oben genannten Straftaten darf der öffentliche Ankläger n u r auf Antrag des Verletzten einleiten. B. Rechtswidrige

Aneignung fremden Besitzes (Kap. 38 § 5 nach dem Gesetz vom 31. Dezember 1930)

Objekt dieser Tat ist bewegliches Vermögen, das ein anderer als Pfand oder Sicherheit besitzt oder zurückzubehalten oder zu benutzen berechtigt ist. Es genügt nicht, daß der Verletzte das Recht zum Besitz der betreffenden Sache hat, sondern es ist erforderlich, daß die Sache sich tatsächlich i n seinem Besitz befindet. Dem Wegnehmen der Sache gleichgestellt ist ihr Verstecken, falls dadurch die Ausübung der i n der Gesetzesstelle vorgesehenen Rechte verhindert wird. Durch das Gesetz vom 31. Januar 1930 ist dem § 5 dieses Kapitels ein zweiter Absatz hinzugefügt worden, der die Strafe für den festsetzt, der unter Verletzung des Rechtes des Hypothekeninhabers verpfändete Sachen, die sein Eigentum sind, wegbringt oder zum Schaden des Hypothekeninhabers über seine Bedürfnisse hinaus benutzt oder auf andere Weise vergeudet, sowie für den, der ohne Erlaubnis des Hypothekeninhabers den Wald eines von i h m besessenen oder i h m gehörenden, m i t einer Hypothek belasteten Landgutes i m Widerspruch zu der Beschrän-

Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs

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kung des Waldbenutzungsrechtes oder zu den Bestimmungen des Forstwirtschaftsplanes benutzt. Bei beiden Taten darf eine Strafverfolgung vom öffentlichen A n kläger nur auf Antrag des Verletzten eingeleitet werden. C. Rechtswidrige Benutzung fremden beweglichen Vermögens (Kap. 38 § 6 nach dem Gesetz vom 3. Dezember 1937) I n der Form, die diese Gesetzesstelle durch das eben genannte Gesetz erhalten hat, stuft sie i n eine strengere Strafbarkeitskiasse die unbefugte Benutzung solchen Vermögens ein, das sich i m Besitz eines anderen befunden hat (Abs. 2). Die Tat verletzt i n dieser Form auch fremden Besitz, was sie nicht tut, wenn Vermögen benutzt wird, das der Täter i n Verwahrung hat (Abs. 1). Wenn es sich um solches Vermögen handelt, das aus fremder Verwahrung unbefugt i n Benutzung genommen worden ist, bestimmt das Gesetz eine strengere Strafe für den Fall, daß die unbefugte Benutzung besonderen Schaden verursacht oder eine Gefahr heraufbeschworen hat oder daß sonst besonders erschwerende Umstände vorliegen. Abs. 3 dieses Paragraphen setzt die Strafe für den fest, der sich weigert, ein Pfand, ein Darlehen oder eine anvertraute Sache zurückzugeben, nachdem sein Recht zum Besitz erloschen ist. Bei den i n Abs. 1 und 3 genannten Taten darf der öffentliche A n kläger eine Strafverfolgung nur auf Antrag des Verletzten einleiten. D. Der Wucher (Kap. 38 § 10 nach dem Gesetz vom 22. M a i 1931) Diese Gesetzesstelle betrifft nur den sogenannten Individualwucher, der i n Ausnutzung der Not, Abhängigkeit, des Unverstandes oder des Leichtsinns einer bestimmten Person geschieht. Der Wucher dagegen, bei dem die wirtschaftliche Not der Gemeinschaft ausgenutzt w i r d (der sogenannte Sozialwucher), ist nach einigen Spezialgesetzen zu bestrafen, hauptsächlich nach dem Gesetz über die Bestrafung von Rationierungsstraftaten, das am 30. Dezember 1943 erlassen worden ist. Beim Wucher unterscheidet man Sachwucher und Zinswucher. Der erstgenannte liegt vor, wenn jemand durch einen vermögensrechtlichen Vertrag oder i m Zusammenhang m i t diesem sich oder einem anderen einen materiellen Vorteil verschafft, der i n offensichtlichem Mißverhältnis zu seiner Leistung steht; der letztgenannte, wenn bei der Gewährung von Darlehen Zinsen oder sonstige Vergütungen genommen werden, die beträchtlich über dem Zinsfuß liegen, den die öffentlicher Überwachung unterstehenden Kreditinstitute bei gleichartiger Darlehensgewährung i m allgemeinen zu der Zeit angewandt haben, i n der der Vertrag über die Zinsen abgeschlossen worden ist. Zinswucher ist auch der sogenannte Nachwucher, nämlich die Ausnutzung oder A b 9*

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Das i i s c h e Strafrecht

tretung einer solchen Forderung, von der der Täter weiß, daß sie durch Wucher entstanden ist. Der Wucher ist qualifiziert, wenn er gewerbsmäßig oder gewohnheitsmäßig betrieben w i r d oder wenn sonst besonders erschwerende Umstände vorliegen. Die gezahlten Wucherzinsen sind als durch eine Straftat erlangter wirtschaftlicher Nutzen nach Kap. 2 § 16 i n ihrer Gesamtheit für verfallen zu erklären. E. Der Zollbetrug (Kap. 38 § 11 nach dem Gesetz vom 29. A p r i l 1926) Diese Tat weist alle Kennzeichen des Betruges auf. Da jedoch die i n Rede stehende Gesetzesstelle einen, Spezialfall betrifft, ist ausschließlich sie anzuwenden. Der Versuch ist i n dieselbe Strafbarkeitskiasse eingestuft wie die vollendete Tat. F. Der Schmuggel (Kap. 38 § 12 nach dem Gesetz vom 29. A p r i l 1926) Diese Gesetzesstelle kriminalisiert sowohl die widerrechtliche Einfuhr als auch die widerrechtliche Ausfuhr von Waren. Der Versuch ist i n dieselbe Strafbarkeitskiasse eingestuft wie die vollendete Tat. G. Befassung mit Waren, die unter Hinterziehung der Zollgebühren oder durch Schmuggel eingeführt sind (Kap. 38 § 13 nach dem Gesetz vom 29. A p r i l 1926) Diese Tat w i r d sowohl dann bestraft, wenn sie vorsätzlich begangen wird, als auch dann, wenn sie fahrlässig geschieht. Die Strafe darf nicht höher sein als für Beihilfe zur Einfuhr der betreffenden Waren unter Hinterziehung der Zollgebühren oder durch Schmuggel.

Neununddreißigstes

Kapitel

Die Konkursverbrechen (Kap. 39 §§ 1 bis 7) Täter der i n diesem Kapitel genannten Straftaten kann i m allgemeinen nur jemand sein, der nach oder vor der Tat i n Konkurs geraten ist, ausgenommen bei der i n § 6 genannten Straftat, deren Subjekt ein Gläubiger ist. Eine weitere Ausnahme gibt es nur hinsichtlich der i n § 1 Abs. 1 Ziff. 4 und § 3 Abs. 1 Ziff. 2 genannten Straftaten, deren Täter nur ein Buchführungspflichtiger sein kann, der i n Konkurs gerät. Buchführungspflichtig ist nach § 1 des am 14. Februar 1925 erlassenen Gesetzes über die Buchführungspflicht jeder, der gemäß den darüber besonders erlassenen Bestimmungen verpflichtet ist, eine Firmenbezeichnung zu führen und sie zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden (§ 9 der Verordnung vom 2. M a i 1895 über das

Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs

Handelsregister usw.)· Ein Schuldner ist dann als i n Konkurs geraten anzusehen, wenn die Eröffnung des Konkursverfahrens endgültig erfolgt ist; aber unter der Voraussetzung, daß dies geschehen ist, muß der Konkurs als an dem Tage eingetreten betrachtet werden, an dem der Antrag, der dazu geführt hat, dem Gericht eingereicht worden ist (§ 9 der Konkurs Verordnung). Ist der Eigentümer des Vermögens, über das ein Konkursverfahren eröffnet worden ist, eine Stiftung, ein Verein, eine Gesellschaft oder ein Gewerbetreibender, der nicht selbst seinem Gewerbe oder Handel vorsteht, so kann Täter der Straftat auch der sein, dem die Verwaltung des betreffenden Vermögens anvertraut ist (§ 5 dieses Kapitels). Die obenerwähnte Einschränkung, daß als Täter nur der i n Konkurs Geratene i n Frage kommt, gilt nur für den eigentlichen Täter, während ein extraneus sowohl Anstifter als auch Gehilfe bei der Straftat sein kann. Ausgenommen beim betrügerischen Konkurs, darf eine Strafverfolgung von Konkursstraftaten nur auf Antrag des Verletzten eingeleitet werden (§ 7). Der öffentliche Ankläger hat jedoch das Recht zur Strafverfolgung, wenn eine i n § 2 oder 3 dieses Kapitels genannte Straftat i n der Geschäftsführung einer Bank oder eines anderen, öffentlicher Überwachung unterstehenden Geldinstituts begangen wird. Die Gläubiger können i n ihrer Gesamtheit i h r Recht zur Strafverfolgung ausüben, aber auch der einzelne Gläubiger hat das Klagerecht. Die i n § 2 und 3 dieses Kapitels genannten Taten sind nur unter der Voraussetzung zu bestrafen, daß der Schuldner nicht beweisen kann, daß er seine Gläubiger voll befriedigt hat. Die Gläubiger sind als befriedigt anzusehen, wenn sie bei Konkursabrechnungen die Begleichung ihrer Forderungen erhalten haben. Auch i n dem Fall sind sie als befriedigt zu betrachten, in dem sie m i t dem Schuldner einen A k k o r d oder Vergleich eingegangen sind (s. Konkursverordnung 71 und 93). Die Befriedigung kann auch so geschehen, daß jemand anders als der Schuldner die Forderungen der Gläubiger in voller Höhe begleicht. Die Befriedigung der Gläubiger hat eine von der Strafe befreiende W i r k u n g nur so lange, wie noch kein rechtskräftiges Urteil i n der Konkursstrafsache gefällt worden ist. A. Der betrügerische Konkurs

(Kap. 39 § 1)

I n subjektiver Hinsicht setzt diese Tat die Absicht voraus, sich oder einem anderen einen materiellen Vorteil zu verschaffen. Hingegen setzt sie nicht die Absicht voraus, die Gläubiger zu schädigen, sondern i n dieser Beziehung genügt das Bewußtsein, daß die Tat geeignet ist, das Recht der Gläubiger zu verletzten. Eine Form dieser Straftat ist die i m Gesetz genannte Beschaffung von Vermögen unter angenommenem Namen durch Kauf oder auf

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Das i i s c h e Strafrecht

andere Weise und die Verheimlichung des so erworbenen Vermögens bei der Angabe des Eigentums (§ 1 Abs. 1 Ziff. 1). Unter Angabe ist hier die Eidesleistung zu verstehen, denn bis zur Eidesleistung hat der Schuldner die Möglichkeit, Berichtigungen in dem Vermögensverzeichnis vorzunehmen. Ziff. 2 dieses Absatzes kriminalisiert das Verstecken, Verheimlichen, Wegbringen oder Vergeuden solchen Vermögens, das beim Beginn des Konkurses zur Konkursmasse gehört hat. Die Kriminalisierung erfaßt auch andere als durch Rechtsgeschäfte geschehende Wegnahme aus der i n Konkurs erklärten Masse. I n den ebengenannten Ziffern handelt es sich u m Taten, durch die die A k t i v a der Konkursmasse verringert werden. Dagegen werden durch die i n Ziff. 3 genannte Tat die Passiva der Konkursmasse als größer hingestellt, als sie i n Wirklichkeit sind. Die Handlungsweise besteht hier i n der Angabe oder Anerkennung von erdichteten Schulden oder sonstigen Verpflichtungen. Die Schuld oder Verpflichtung kann auch nur zum Teil erdichtet sein. Ziff. 4 betrifft nur die buchführungspflichtigen Schuldner, von denen oben die Rede gewesen ist. Das unrichtige Führen, Vernichten, Ändern, Verstecken oder Unleserlichmachen muß m i t dem Vorsatz geschehen, die Gläubiger irrezuführen oder i n Unkenntnis über den Zustand der Konkursmasse oder über verschiedene darauf bezügliche Geschäftstransaktionen zu halten. B. Der unredliche

Konkurs

(Kap. 39 § 2)

I n Abs. 1 Ziff. 1 dieser Gesetzesstelle w i r d als Handlungsweise die Schenkung oder eine andere, i n ihren Folgen damit vergleichbare Maßnahme genannt, durch die der Schuldner Vermögen von solchem Wert weggibt oder Verpflichtungen von solcher Höhe eingeht, daß daraus den Gläubigern erheblicher Schaden erwächst oder erwachsen könnte, obwohl er weiß, daß er unfähig ist, seine Verpflichtungen zu erfüllen. I n Ziff. 2 handelt es sich u m einige Handlungsweisen, die sich der Schuldner zuschulden kommen läßt, nachdem er um die Erlaubnis nachgesucht hat, sein Vermögen seinen Gläubigern abzutreten, oder Kenntnis davon erhalten hat, daß diese beantragt haben, ihn dazu zu verpflichten. Die hier genannten Handlungsweisen sind Verkauf von Eigentum über die eigenen Bedürfnisse hinaus und vorsätzliche Vergeudung auf andere Weise. I n Ziff. 3 ist die Rede von einer Tat, die sich i n ihrem Charakter von den übrigen Konkursstraftaten beträchtlich unterscheidet, nämlich von Widerspenstigkeit des Schuldners, die dieser zeigt, indem er sich weigert, den Schuldnereid zu schwören oder seinen Gläubigern die nötigen Mitteilungen über die Konkursmasse zu machen, und, nachdem er dafür dem Gesetz gemäß in Haft gehalten worden ist, bei

Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs

seiner Widerspenstigkeit verharrt. Die Zeit, die ein Schuldner zur Brechung seiner Widerspenstigkeit i n Haft gehalten werden darf, ist i n § 18 der Konkursverordnung auf höchstens zwei Monate festgesetzt. C. Der leichtsinnige oder fahrlässige Konkurs (Kap. 39 § 3) Diese Tat setzt nicht immer den Vorsatz voraus, sondern i n subjektiver Hinsicht ist Fahrlässigkeit ausreichend. Abs. 1 Ziff. 1 dieser Gesetzesstelle kriminalisiert die Verwendung von Summen, die i n keinem angemessenen Verhältnis zu der Stellung und den M i t t e l n des Schuldners stehen, für seinen Haushalt oder seine privaten Ausgaben oder den Verlust solcher Summen i m Spiel oder anderen damit vergleichbaren Unternehmungen, deren Enderfolg ausschließlich vom Zufall abhängt, oder durch schwindelhafte Wechselgeschäfte oder durch leichtsinnige Übernahme einer Verpflichtung. I n der folgenden Ziffer (2) ist die Strafe für nachlässige Buchführung festgesetzt. Ob die Bücher nachlässig geführt sind, muß i n casu entschieden werden. Bei der Beurteilung dieser Frage hat der Richter als Richtlinie die Vorschriften des Gesetzes vom 14. Februar 1925 über die Buchführungspflicht. Ziff. 3 kriminalisiert die Beschaffung von Geldeinnahmen durch Verkauf von Waren zu offensichtlichen Unterpreisen oder auf andere ähnliche Weise, nachdem der Täter i n eine so schlechte Vermögenslage geraten ist, daß er seine Unfähigkeit, die Verbindlichkeiten zu erfüllen, hätte begreifen müssen, desgleichen auch die Fortsetzung seinem Handels oder Gewerbes unter Aufnahme von Anleihen i n Geld oder Waren, um den E i n t r i t t desi Konkurses zu verzögern. Die letztgenannte Handlungsweise können sich nur Geschäftsleute und Kaufleute zuschulden kommen lassen. Ziff. 4 setzt die Strafe für einen solchen Schuldner fest, der während der letzten 30 Tage vor dem E i n t r i t t des Konkurses Geld einkassiert, Waren annimmt oder Vermögen weggibt, ohne darüber befriedigend Rechenschaft zu geben. I n Ziff. 5 ist die Strafe für denjenigen festgesetzt, der Geld oder Waren, die i h m für einen bestimmten Zweck anvertraut sind, für seine eigenen Bedürfnisse oder auf andere Weise i m Gegensatz zur erhaltenen Vorschrift verbraucht. D. Die Flucht wegen der Schuld (Kap. 39 § 4) Voraussetzung für die Strafbarkeit ist, daß die Verschuldung ein Faktor ist, der zu der Flucht beiträgt, und daß der Schuldner nicht innerhalb von vier Monaten seit dem Zeitpunkt, an dem er die Flucht ergriffen hat, zurückkehrt. Dabei ist es gleichgültig, ob der Schuldner ins Ausland gegangen ist oder sich im Inland versteckt,

Das i i s c h e Strafrecht

E. Verabredung

einer Stimmabgabe zugunsten des Schuldners (Kap. 39 § 6)

Subjekt dieser Tat ist der Konkursgläubiger. Die Straftat ist vollendet m i t dem Treffen eines Übereinkommens, durch das der Gläubiger sich für die Stimme, die er i n der Gläubigerversammlung hat, vom Schuldner oder statt dessen von einem anderen einen besonderen Vorteil ausbedingt oder sich sonst m i t dem Schuldner heimlich über einen besonderen Vorteil für sich einigt. Das Gesetz vom 31. Januar 1935 bestimmt die Strafe für einen Gläubiger, der auf Grund einer solchen Forderung abstimmt, von der er weiß, daß sie unrichtig angegeben ist.

Vierzigstes

Kapitel

Amtsdelikte von Beamten Die Taten, die dieses Kapitel kriminalisiert, sind teils eigentliche Amtsdelikte, die nur dann strafbar sind, wenn sie von einem Beamten begangen werden, teils uneigentliche Amtsdelikte, die auch dann strafbar sind, wenn sie von einer anderen Person als einem Beamten verübt werden, bei denen man aber der Ansicht gewesen ist, daß sie eine strengere Strafe verdienen, wenn sie von einem Beamten begangen werden, und deshalb i n diesem Fall eine besondere Kriminalisierung erfordern. Die eigentlichen Amtsdelikte sind i m allgemeinen spezifizierte, i n ihren Tatbeständen genau definierte Taten. Es gibt jedoch unter den Bestimmungen über diese Straftaten zwei Blankettstrafbestimmungen, zu denen die besonderen Normen, die der Beamte i m Dienst oder außerhalb desselben einzuhalten hat, eine Ergänzung bilden. Spezifizierte eigentliche Amtsdelikte sind: Annahme von Geschenken für eine Amtshandlung (§ 1); vorsätzliches Unrechttun als Richter oder anderer Beamter bei einer Urteilsfällung oder einer anderen dienstlichen Entscheidung (§ 2); Vollstreckung oder Vollstreckenlassen einer solchen Strafe, von der der Schuldige weiß, daß sie nicht vollstreckt werden darf (§ 4); Auferlegung von Steuern, Zollgebühren oder sonstigen öffentlichen Abgaben, die der Betreffende entweder gar nicht oder nicht i n der auferlegten Höhe zu zahlen verpflichtet ist oder die bereits bezahlt sind (§ 8); vorsätzliche rechtswidrige Abzüge von Steuern, Zollgebühren oder sonstigen öffentlichen Abgaben (§ 9); A n nahme von Geschenken oder Belehnungen von einer fremden Macht, wenn der Empfänger nicht vorher oder gleich nachher dazu um die Genehmigung des Präsidenten der Republik nachsucht (§ 11); Vor-

Der besondere Teil des Strafgesetzbuchs

nähme einer Eheschließung vor dem gesetzlichen Aufgebot oder zwischen solchen Personen, die nicht miteinander die Ehe schließen dürfen (§ 12), und Geldleihen von einem dem Täter unterstellten Beamten (§ 19). Blankettstrafbestimmungen sind die i n § 20 enthaltene K r i m i n a l i sierung, die die Strafe für einen Beamten festsetzt, der vorsätzlich i n anderer als der i m Gesetz genannten Weise gegen seine Pflichten verstößt, und die i n § 21 ausgesprochene Kriminalisierung, wo die Strafe für fahrlässige oder unvorsichtige Verletzung von Amtspflichten festgelegt ist, wenn für diese Verstöße nicht an anderer Stelle eine besondere Strafe angedroht ist. Z u den uneigentlichen Amtsdelikten zu rechnen sind folgende Taten: Anklageerhebung durch den öffentlichen Ankläger gegen jemanden, dessen Unschuld ihm bekannt ist (§ 3); Unterschlagung von Geld oder anderem Vermögen, das der Täter von Amts wegen empfangen oder i n Verwahrung hat (§ 7); unbefugtes öffnen, Vernichten, Verstecken oder Verheimlichen von Postsendungen durch einen Postbeamten oder Beihilfe zu einer solchen Tat oder Gestatten derselben (§ 14). Auch wenn die Straftat keine Verletzung der Amtspflichten und somit weder als eigentliches noch als uneigentliches Amtsdelikt zu bestrafen ist, muß man sie als unter erschwerenden Umständen begangen ansehen, wenn sie von einem Beamten i m Dienst begangen worden ist (§ 22). Einundvierzigstes

Kapitel

Verstöße gegen kirchliche Vorschriften Dieses Kapitel enthält viele Polizeiübertretungen; die Bestimmungen über sie sind formell noch gültig, haben aber i n der Praxis ihre Bedeutung fast völlig verloren. Interessant ist die Bestimmung i n § 8, nach der der Umstand, daß eine Straftat zur Sabbatszeit begangen worden ist, als erschwerend i n Betracht zu ziehen ist, wenn die Straftat nicht solcher A r t ist, daß sie nur zur Sabbatszeit begangen werden kann. Ζ w ei u η d ν i er ζ i g st es

Kapitel

Verstöße gegen die Vorschriften über die Sicherheit des Staates oder über die öffentliche Ordnung Von den i n diesem Kapitel enthaltenen Polizeiübertretungen seien folgende erwähnt: unbefugte Überschreitung der Grenzen Finnlands

138

Das i i s c h e Strafrecht

(§ 2); Benutzung des Passes, Arbeitsausweises oder eines sonstigen ähnlichen Ausweises eines anderen, um eine Privatperson irrezuführen (§ 5); unbefugtes Tragen einer Uniform oder eines Ordens oder anderen Ehrenzeichens (§ 5 a) und Ruhestörung oder anderer Unfug an öffentlichen Orten oder i n öffentlichen Versammlungen oder bei öffentlichen Verrichtungen (§ 7). Dreiundvierzigstes

Kapitel

Verstöße gegen die Vorschriften über die guten Sitten Von den Übertretungen, die dieses Kapitel aufzählt, seien folgende erwähnt: unerlaubte Veranstaltung einer Geld- oder Warenlotterie; Verkauf von Losen einer solchen oder einer i m Ausland veranstalteten Lotterie (§§ 1, 2 und 3); Unterhalt eines Hauses zur Veranstaltung von Glücksspielen oder Veranstaltung solcher Spiele i n einer Gaststätte oder an einem anderen öffentlichen Ort (§ 4); Tierquälerei, auch wenn sie aus g r o b e r Fahrlässigkeit begangen w i r d (§ 5), und Betrunkenheit an einem öffentlichen Ort die einer Sonderregelung unterliegt, wenn ein Beamter sich dieses Vergehen zuschulden kommen läßt (§ 6). V i er u η d ν i er ζ i g st es

Kapitel

Verstöße gegen die Vorschriften zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Eigentum Von den Polizeivergehen, die i n den 27 Paragraphen dieses Kapitels enthalten sind, seien hier nur das i n § 2 kriminalisierte genannt, wo die Strafe für den festgesetzt ist, der weiß, daß ein anderer sich i n tatsächlicher Lebensgefahr befindet, und es trotzdem unterläßt, ihm solche Hilfe zu bringen oder zu verschaffen, die ohne Gefahr für ihn oder einen Dritten möglich ist.

Vierter

Abschnitt

Die wichtigsten Spezialgesetze I.

Übersicht

Die i m allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches enthaltenen Vorschriften gelten i m allgemeinen auch für die Straftatbestände, die sich i n außerhalb des Strafgesetzes stehenden Gesetzen und Verordnungen finden, wenn nicht irgendein Gesetz etwas anderes be-

Die wichtigsten Spezialgesetze

189

stimmt. Bemerkenswerte Ausnahmen von den allgemeinen Grundsätzen gibt es nur i m Militärstrafgesetz. Von den vielen Gesetzen, die wichtige Straftatbestände enthalten, seien hier folgende genannt: das Jagdgesetz vom ö . A p r i l 1934, das Fischereigesetz vom 28. September 1951, das Zollgesetz vom 8. September 1939, das Gesetz über die Rationierungsstraftaten vom 30. Dezember 1943, das Gesetz über die alkoholischen Getränke vom 9. Februar 1932 und das Gesetz über den Verkehr m i t Motorfahrzeugen vom 21. Mai 1926. Von recht großer Bedeutung für die Bekämpfung des Verbrechertums sind einige Gesetze, die ins Gebiet der sozialen Fürsorge gehören, so daß w i r Grund haben, die wichtigsten von ihnen hier zu erwähnen. Es sind folgende: das Kinderschutzgesetz vom 17. Januar 1936, das die Fürsorgemaßnahmen, die bei asozialen K i n d e r n und Jugendlichen anzuwenden sind, und das bei der Verfügung dieser Maßnahmen einzuhaltende Verfahren regelt; das Landstreichergesetz vom selben Tage, das die Vorschriften über die Überwachung der Landstreicher und über ihre Einweisung i n Arbeitshäuser enthält, sowie das ebenfalls am selben Tage erlassene Alkoholikergesetz, das von der Verordnung über die Einweisung von Alkoholikern i n eine Alkoholikerfürsorgeanstalt vom 5. Januar 1951 ergänzt wird. Die beiden letztgenannten Gesetze regeln die Fürsorge für die Alkoholiker sowohl i n Freiheit als auch i n der Trinkerheilanstalt. II. D a s M i l i t ä r s t r a f g e s e t z v o m 30. M a i 1919 m i t d e n später darin vorgenommenen Änderungen und Zusätzen Das Militärstrafgesetz ist wie das allgemeine Strafgesetz aufgebaut. Dieses gilt subsidiär für solche Taten, die nicht durch das M i l i t ä r strafgesetz einer Sonderregelung unterworfen worden sind. Die Verfahrensvorschriften sind i n dem Gesetz über die Militärgerichte und die Prozeßführung vor ihnen vom 16. A p r i l 1920 enthalten. Kap. 1 des Mil.StGB legt die Personengruppen fest, die diesem Gesetz unterstehen. Da hierzu auch andere als Militärpersonen gehören, kann hier auf die vielen Vorschriften über die sachliche Geltung des Mil.StGB nicht eingegangen werden. Auch diejenigen, die diesem Gesetz nicht unterstellt sind, können sich als Anstifter oder Gehilfen eigentliche Militärstraftaten zuschulden kommen lassen. 1. Der allgemeine Teil (Kap. 1—6) Wie schon früher erwähnt, sind die Vorschriften des allgemeinen Teils des StGB auch auf die Straftatbestände des Mil.StGB anwendbar. Von den Ausnahmen seien hier folgende genannt:

140

Das i i s c h e Strafrecht

A. Eine Straftat, die ein dem Mil.StGB Unterstehender außerhalb Finnlands als Angehöriger finnischer Truppen oder Kommandos oder i n sonstigen dienstlichen Aufgaben begeht, ist so zu bestrafen, als ob sie i n Finnland begangen worden wäre. B. F ü r die öffentlichrechtliche Notwehr, die ein recht umfangreiches Gebiet ist, gelten Sonderbestimmungen. C. Wenn jemand, der einer Straftat für schuldig befunden worden ist, von seinem Vorgesetzten einen Befehl erhalten hat, ist er lediglich i n dem Fall zu verurteilen, daß er vom Befehl abgewichen ist, oder daß festgestellt wird, daß er offenbar begriffen hat, daß er durch Ausführung des Befehls gegen das Gesetz oder gegen seine Dienstpflichten verstoßen würde. D. Für Beihilfe zu einer Straftat, die i m Mil.StGB m i t keiner strengeren Strafe bedroht ist als m i t Gefängnis, kann eine M i l i t ä r person auch zu einer Disziplinarstrafe verurteilt werden. E. Ein bedingtes Strafurteil w i r d für eine Militärstraftat nicht verhängt, wenn der Täter das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat. F. Die Militärstraftaten unterliegen der öffentlichen Anklage, m i t der Ausnahme, daß eine Strafverfolgung wegen Ehrverletzung ohne Antrag des Verletzten lediglich i n dem Fall eingeleitet werden darf, daß die Straftat eine Verletzung des Gehorsams oder des Unterstellungsverhältnisses in sich schließt. G. Die Strafen, die nach dem Mil.StGB verhängt werden, sind i m übrigen die gleichen wie die i m allgemeinen Strafgesetz angedrohten, ausgenommen die recht häufig i n Frage kommenden Disziplinarstrafen; zu diesen gehören einige Ausgangsbeschränkungen, Arbeiten außer der Reihe sowie vor allem Arreststrafen, deren Arten und deren Verhältnis zu den anderen Strafen schon früher dargestellt worden sind. H. Die Todesstrafe ist i m Mil.StGB entweder als unbedingte oder als alternative Strafe für recht viele Verbrechen angedroht. Ihre Anwendung ist jedoch durch die Vorschriften des Gesetzes vom 2. Dezember 1949 über die Abschaffung der Todesstrafe i n Friedenszeiten beschränkt; dieses Gesetz ist früher bei der Besprechung der Todesstrafe dargestellt worden. 2. Der besondere Teil (Kap. 7—18) Die i m besonderen Teil des Mil.StGB enthaltenen Straftatbestände, von denen viele durch die mannigfaltigen Verhältnisse und Situationen veranlaßt sind, i n die man beim M i l i t ä r sowohl im Frieden als auch i m Kriege geraten kann, lassen sich i n dieser kurzen Darstellung unmöglich wiedergeben. Eine Straftat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die Ehre, die ein Vorgesetzter gegen einen ihm Unterstellten begeht,

Die wichtigsten Spezialgesetze

ist als unter erschwerenden Umständen verübt zu betrachten (Kap. 12 § 113). Eine entsprechende Straftat, die ein Untergebener gegen einen Vorgesetzten begeht, ist ebenfalls als unter erschwerenden Umständen geschehen anzusehen, auch wenn der Verletzte sich während der Tat nicht i m Dienst befindet (Kap. 12 § 107). Von allgemeinem Interesse ist die Vorschrift i n Kap. 7 § 67, wonach auch jemand anders als eine Militärperson, wenn er sich zu Spionage für den Feind hergibt, m i t dem Tode oder lebenslänglichem Zuchthaus zu bestrafen ist. III. D a s G e s e t z ü b e r d i e U n t e r b r e c h u n g d e r S c h w a n g e r s c h a f t v o m 17. F e b r u a r 1950 Die Bestimmungen über die Bestrafung widerrechtlicher Schwangerschaftsunterbrechung sind i n Kap. 22 des StGB enthalten und bei der Besprechung dieses Kapitels behandelt worden. Die materiellen und formellen Voraussetzungen, unter denen eine Unterbrechung der Schwangerschaft gerechtfertigt ist, sind durch das i n der Überschrift genannte Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft geregelt. 1. Die materiellen Voraussetzungen (§ 1) A. Die medizinische Indikation ist vorhanden, wenn die Fortdauer der Schwangerschaft oder die Geburt wegen Krankheit, Gebrechlichkeit oder Schwäche der Frau ihre körperliche oder seelische Gesundheit gefährden würde; bei der Beurteilung dieser Gefahr sind auch besonders schwierige Lebensverhältnisse und sonstige Umstände zu berücksichtigen, die den Gesundheitszustand der Frau beeinflussen können. B. Die ethische Indikation ist vorhanden, wenn die Frau unter solchen Umständen geschwängert worden ist, die i n Kap. 25 §§ 4 und 5 sowie i n Kap. 20 §§ 1, 3, 8 und 9 vorgesehen sind, oder unter den in Kap. 20 § 6 vorgesehenen Umständen, falls die Tat eine schwere Verletzung der Handlungsfreiheit der Frau i n sich schließt, und immer, wenn die Frau zur Zeit des Beischlafs das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. C. Die eugenische Indikation ist vorhanden, wenn man begründetermaßen annehmen kann, daß die Frau oder der Vater des zu erwartenden Kindes solche Erbanlagen hat, die bei den Nachkommen Geisteskrankheit, Idiotie oder eine schwere körperliche Krankheit oder ein schweres Gebrechen hervorrufen würden. Nach dem vierten Schwangerschaftsmonat darf die Schwangerschaft nicht mehr auf Grund einer anderen als der medizinischen Indikation unterbrochen werden, wenn die Medizinalverwaltung nicht die Genehmigung dazu erteilt (§ 4).

142

Das i i s c h e Strafrecht

2. Die formellen Voraussetzungen (§§ 2, 3 und 6) Die Unterbrechung der Schwangerschaft setzt die Zustimmung der Frau voraus, wenn sie nicht unfähig ist, eine gültige Zustimmung zu erteilen (§ 2). Zu einer Schwangerschaftsunterbrechung, die auf Grund einer eugenischen Indikation vorgenommen wird, kann nur die Medizinalverwaltung die Erlaubnis erteilen. Auf Grund anderer Indikationen können Schwangerschaftsunterbrechungen vorgenommen werden, wenn zwei Ärzte, jeder für sich, ein ausführlich begründetes schriftliches Gutachten erstatten und eine gemeinsame Entscheidung treffen. Der eine der beiden Ärzte muß derjenige sein, der die Schwangerschaftsunterbrechung ausführt, und der andere jemand, der von der Medizinalverwaltung bestimmt ist, um Schwangerschaftsunterbrechungen betreffende Angelegenheiten zu behandeln (§ 5). Erfolgt eine Schwangerschaftsunterbrechung auf Grund einer eugenischen Indikation, so ist dabei auch die Sterilisierung durchzuführen, falls nicht gewichtige Gründe dagegen sprechen. IV.

Das

Kastrationsgesetz

vom

17. F e b r u a r 1950

Es gibt zwei A r t e n von Kastration, die zwangsweise und die freiwillige. Der erstgenannten Maßnahme kann unterworfen werden, wer durch ein rechtskräftiges Urteil für schuldig einer Straftat oder des Versuchs einer Straftat erklärt worden ist, die beweist, daß er wegen seines Geschlechtstriebes anderen Personen gefährlich ist. Desgleichen kann i h r ein seelisch Defekter oder chronisch Geisteskranker unterworfen werden, der i n einer Irrenanstalt oder einer damit vergleichbaren Anstalt gepflegt wird, wenn er wegen seines Geschlechtstriebes anderen Personen gefährlich ist u n d ein genügender Beweis darüber vorgelegt worden ist (§ 1). Das Gesetz bestimmt, i n welchen Fällen ein Kastrationsantrag unbedingt gestellt werden muß (§ 5). Die freiwillige Kastration kann gestattet werden, wenn — obwohl die ebengenannten Voraussetzungen für eine zwangsweise Kastration nicht gegeben sind — eine geschäftsfähige Person sie beantragt, falls Grund zu der Befürchtung vorliegt, daß der Betreffende wegen seines Geschlechtstriebes Straftaten begehen würde oder daß i h m die beträchtliche Stärke dieses Triebes oder die Richtung desselben schwere seelische Leiden oder andere ernsthafte Schädigungen verursachen würde (§ 2). Die Weisung oder Erlaubnis zur Durchführung der Kastration erteilt die Medizinalverwaltung, die zur Entscheidung solcher Angelegenheiten bestimmte sachverständige Mitglieder heranzieht. Wer das einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, darf nicht kastriert werden (§ 3).

Die wichtigsten Spezialgesetze

18

Wenn derjenige, dessen Kastration angeordnet worden ist, sich der Kastration widersetzt, ist es Sache der Medizinalverwaltung, zu bestimmen, ob die Kastration unter Anwendung geeigneter Zwangsmittel durchzuführen ist, oder ob sie für eine bestimmte Frist aufzuschieben und der zur Kastration Vorgesehene für diese Zeit zu internieren ist. Die letztgenannte Verfügung kann erneuert werden (§ 9). S. die Kastrationsverordnung vom 5. M a i 1950. V. D a s

Sterilisationsgesetz

vom

17. J a η u a r 1950

Obwohl die Sterilisation nicht ausschließlich kriminalpolitischen Zwecken dient, dürfte Veranlassung bestehen, auch sie an dieser Stelle kurz zu erwähnen. Auch bei der Sterilisation gibt es zwei Arten: die zwangsweise und die freiwillige. Der erstgenannten Maßnahme kann ein Geisteskranker oder Schwachsinniger unterworfen werden, wenn sein Defekt derartig ist, daß er i n seinen, Nachkommen zutage treten würde oder zur Folge haben würde, daß seine Kinder unversorgt bleiben würden (§ 1). Diei freiwillige Sterilisation ist gestattet, wenn eine geschäftsfähige Person sie beantragt, falls Grund zu der Befürchtung vorliegt, daß durch die Erbanlagen des Betreffenden Geisteskrankheit oder Schwachsinn oder eine andere schwere Krankheit oder ein schweres Gebrechen sich auf seine Nachkommen vererben würde, oder falls man annehmen kann, daß er wegen seines krankhaften Seelenlebens oder wegen Mißbrauch von Alkohol oder Rauschgiften oder wegen einer sonstigen asozialen Lebensweise i n Zukunft offenbar unfähig sein würde, für seine Kinder zu sorgen. Eine Frau, die an einer schweren Krankheit oder einem schweren körperlichen Gebrechen leidet, kann m i t ihrer Zustimmung zur Verhütung des Eintritts von Schwangerschaften sterilisiert werden, wenn eine Schwangerschaft i h r Leben oder ihre Gesundheit gefährden würde (§ 2). Die Anordnung oder Erlaubnis zur Durchführung der Sterilisation erteilt die Medizinalverwaltung, i n der an der Verhandlung solcher Angelegenheiten auch bestimmte sachverständige Mitglieder teilnehmen (§ 3). VI.

Das

Gesetz vom

überdie Druckfreiheit 4. J a n u a r 1919

Für eine Straftat, die auf dem Inhalt einer veröffentlichten Druckschrift beruht, sind derjenige oder diejenigen verantwortlich, die nach dem Strafgesetz als Täter oder als Teilnehmer an der Straftat zu betrachten sind (§ 31). Der Hauptschriftleiter ist jedoch, auch wenn er nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen für eine Straftat,

144

Das i i s c h e Strafrecht

die auf dem Inhalt eines gedruckten Aufsatzes in einer Veröffentlichung beruht, nicht verantwortlich ist, wegen Mißbrauchs der Druckfreiheit zu bestrafen, wenn er nicht zu beweisen, daß er zur Verhinderung der Straftat alle verlangende Vorsicht beobachtet hat (§ 32).

periodischen fahrlässigen imstande ist von ihm zu

Wenn eine veröffentlichte Druckschrift nicht periodisch ist und der Verfasser des veröffentlichten Aufsatzes oder der veröffentlichten A n zeige seinen Namen angegeben hat, kann der Herausgeber oder Hauptschriftleiter bei Vorliegen besonderer Gründe von einer Strafe freigesprochen werden (§ 33). Auch für Verleger, Buchdrucker, Buchhändler und andere Verbreiter von Druckschriften gelten Ausnahmebestimmungen (§ 34).

Fünfter

Abschnitt

Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts F ü r die Vollstreckung von Zuchthaus-, Gefängnis-, Jugendgefängnisund Geldstrafen g i l t das Gesetz über die Strafvollstreckung vom 19. Dezember 1889 m i t den vielen darin vorgenommenen Ergänzungen und Änderungen. Der Strafvollzug i n der Zwangsanstalt ist durch das Gesetz vom 9. J u l i 1953 und die Verordnung vom 21. Juni 1954 über die Zwangsanstalt geregelt. Diese Gesetze über die Vollstreckung der Freiheitsstrafen sind auf dem Progressionsprinzip aufgebaut, insbesondere auf dem irischen System. 1. Die Z u c h t h a u s s t r ä f l i n g e werden i n bestimmte Klassen eingeteilt; diese sind: die Zwangsklasse, die I. Lehrklasse, die I I . Lehrklasse und die Prüfungsklasse (Strafvollstr.VO, Kap. 3 § 4). F ü r die G e f ä n g n i s s t r ä f l i n g e gibt es drei Klassen: die untere und die obere Abteilung sowie die Disziplinarabteilung (Kap. 4 §§ 3 und 4). Die Versetzung aus einer Klasse oder Abteilung i n die andere geschieht nach den Wertungen, die dem Gefangenen auf Grund seiner Führung erteilt werden (Strafvollstr.VO, Kap. 3 § 5 und Kap. 4 § 3). Die Gefängnisleitung hat am Anfang jedes Kalendermonats jedem Gefangenen eine Wertung seiner Führung zu erteilen; bei der Erteilung dieser Wertung sind die Einstellung des Gefangenen zu der i n der Strafanstalt herrschenden Ordnung sowie sein Fleiß i n der Arbeit und i m Lernen zu berücksichtigen. Von Gefangenen, die eine längere Strafe verbüßen, die früher eine Freiheitsstrafe verbüßt haben, die i n der Zwangsanstalt gehalten worden sind oder die sich während des Strafvollzugs eine Straftat haben zuschulden kommen lassen, wer-

Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts

145

den zur Versetzung i n eine höhere Klasse oder Abteilung befriedigende Wertungen während einer längeren Zeit gefordert (s. die Verordnung über das Gefängniswesen vom 17. Februar 1950). I n der Rechtsstellung, i n der ein Gefangener auf Grund seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Klasse oder Abteilung sich nach den geltenden Rechtsvorschriften zu befinden hat, sind große Änderungen eingetreten, indem man halboffene und offene Strafanstalten eingeführt hat. Auch der Grundsatz der individuellen Behandlung, def i n dem obengenannten Gesetz über die Strafvollstreckung nicht i n nennenswertem Grade berücksichtigt ist, aber i n der darauf fußenden Verordnung über das Gefängniswesen i n beträchtlichem Umfang zum Ausdruck kommt, ist dazu angetan, das Klassensystem zu schwächen. Nach § 54 der ebengenannten Verordnung sind i n der Unterbringung, Arbeit, Erziehung und Behandlung der Gefangenen ihre individuellen Eigenschaften sowie i h r Geschlecht, Alter, geistiger und körperlicher Zustand und ihre Neigungen i n Betracht zu ziehen; desgleichen ist der Grund der Einlieferung i n die Strafanstalt zu berücksichtigen. Um diese individuellen Dinge berücksichtigen zu können, haben die Beamten der Strafanstalt i n bestimmten Zeitabständen Beratungen abzuhalten, i n denen auch der betreffende Gefangene selbst zu hören ist. Die Praxis hat dazu geführt, daß die Vergünstigungen, die früher nur den Gefangenen i n den oberen Klassen oder Abteilungen gewährt wurden, heute i m allgemeinen auch den übrigen Sträflingen zugebilligt werden. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Klassen und Abteilungen sind heutzutage recht gering. Die letzte Stufe i m Strafvollzug ist die Freilassung auf Bewährungsfrist, auf die nach freiem Ermessen erkannt werden kann, wenn der Gefangene die Hälfte seiner Freiheitsstrafe verbüßt hat, und zwar wenigstens sechs Monate, falls er nicht gefängnismäßig Zweitmaliger ist, denn dann ist für die Freilassung auf Bewährungsfrist Voraussetzung, daß er zwei D r i t t e l seiner Strafe verbüßt hat. Die Freilassung auf Bewährungsfrist ist obligatorisch, wenn der Gefangene fünf Sechstel seiner Strafe verbüßt hat (Strafvollstr.VO, Kap. 2 § 13). Die Dauer der Bewährungsfrist ist die bei der Freilassung übrige Strafzeit, verlängert um ein Jahr, die jedoch höchstens fünf Jahre betragen darf (Strafvollstr.VO, Kap. 2 § 17 Abs. 2). Die bedingte Freiheit kann dem auf Bewährungsfrist Freigelassenen durch gerichtliche Verfügung wegen einer i n dieser Zeit begangenen Straftat sowie durch Verfügung des Justizministeriums wegen schlechter Führung während der bedingten Freiheit oder wegen Nichtbefolgung der Überwachungsvorschriften entzogen werden (Strafvollstr.VO, Kap. 2 § 15). Die Bewährungsfrist kann auch auf Anordnung des Justizministeriums verlängert werden. 10 Ausländisches Strafrecht II

146

Das i i s c h e Strafrecht

Da es oft unsicher ist, ob der Gefangene in der nach freiem Ermessen zu bewilligenden bedingten Freiheit sein Auskommen finden wird, sind zur Erleichterung des Übergangs i n diese Freiheit durch Entscheidung des Justizministeriums vom 3. Februar 1949 Arbeitslager eingerichtet worden. Ein Gefangener, der sich zur Arbeit i n einem solchen Lager verpflichtet, kann nach Ermessen auf Bewährungsfrist freigelassen werden, auch wenn die vom Gesetz vorgesehenen äußeren Voraussetzungen dafür nicht in jeder Hinsicht vorhanden sind. I n einem solchen Lager, das von dem Gefangenschaftsverein organisiert und überwacht wird, erhält ein auf Bewährungsfrist freigelassener Gefangener einen dem üblichen Lohnniveau entsprechenden Lohn, ist aber verpflichtet, sich der i m Lager herrschenden Ordnung zu fügen. Wenn die Dauer einer Gefängnisstrafe nicht mehr beträgt als zwei Jahre, kann diese auch i n einer staatlichen Arbeitskolonie verbüßt werden, falls der Gefangene die äußeren Voraussetzungen zur Arbeit i n einer solchen Kolonie besitzt und nicht gefängnismäßig Zweitmaliger ist (Strafvollstr.VO, Kap. 4 § 1 a). I n einer derartigen Kolonie erhält der Gefangene einen dem üblichen Lohnniveau entsprechenden Lohn, ist aber verpflichtet, sich der i n der Arbeitskolonie herrschenden Ordnung zu fügen, wobei für Zuwiderhandlung Rückführung ins Gefängnis angedroht ist, ohne daß ihm die in der Arbeitskolonie verbrachte Zeit auf die Strafverbüßung angerechnet wird. Für die Arbeitskolonien gilt die Verordnung vom 30. Dezember 1954. A u f Anordnung des Justizministeriums kann eine Freiheitsstrafe teilweise auch i n einer Gefangenenkolonie verbüßt werden; diese Form der Strafvollstreckung ist in dem Gesetz vom 30. Dezember 1954 geregelt. I n eine solche Kolonie kann auch ein zu längerer Freiheitsstrafe verurteilter Sträfling eingewiesen werden, wenn er die äußeren Voraussetzungen zur Arbeit i n der Kolonie besitzt. Ein Gefangener, der wegen schlechter Führung ins Gefängnis zurückgeführt wird, darf die i n der Kolonie verbrachte Zeit nicht auf die Strafverbüßung angerechnet bekommen. 2. Für Gefangene, die i n eine Z w a n g s a n s t a l t eingewiesen sind, gelten i m allgemeinen die gleichen Normen wie für solche, die i n gewöhnlichen Strafanstalten ihre Strafe verbüßen; sie haben allerdings einige Vergünstigungen, die den Gefängnisinsassen nicht zustehen. Für die Freilassung aus der Zwangsanstalt auf Bewährungsfrist gelten besondere Vorschriften (§ 12 des Gesetzes über die gefährlichen Rückfall verb recher und die Verordnung über die Zwangsanstalt). 3. Für die J u g e n d g e f ä n g n i s s t r a f e gilt Kap. 5 der Strafvollstr.VO. Diese Freiheitsstrafe weicht von den gewöhnlichen Freiheitsstrafen darin ab, daß i n ihrem Vollzug die erzieherischen Ge-

Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts

147

sichtspunkte einen wichtigeren Platz einnehmen als i n dem Vollzug der gewöhnlichen Freiheitsstrafen. Die Einteilung in Klassen und die Freilassung auf Bewährungsfrist sind für das Jugendgefängnis durch besondere Vorschriften geregelt. 4. Die U m w a n d l u n g s s t r a f e v o n G e l d s t r a f e n wird i m großen ganzen wie die allgemeine Gefängnisstrafe vollstreckt (s. Strafvollstr.VO, Kap. 4 § 5).

10

Das schweizerische Strafrecht Von Prof. Dr. Hans Felix P f e n n i n g e r ,

Zürich

Inhalt Erster

Abschnitt: Die Entwicklungsgeschichte des S c h w e i z . S t r a f r e c h t s

§ 1. Die Zeit bis zum Bundesschwur von 1291. — § 2. Der Bundesbrief von 1291 und seine strafrechtlichen Auswirkungen. I. Der Bundesbrief. I I . Die strafrechtlichen Auswirkungen. I I I . Gemeinschweizerische strafrechtl. Erscheinungen. — § 3. Das Strafrecht der einzelnen Orte bis 1798. I. Die Rechtsquellen. I I . Fremdsprachliche Einflüsse. I I I . Das materielle Strafrecht der einzelnen Orte. I V . Die Aufklärung. — § 4. Von der Helvetik zum Bundesstaat. I. Das Strafrecht der Helvetik (1798 bis 1803). I I . Von der Mediation zum Bundesstaat (1803 bis 1848). — § 5. Das Strafrecht im Bundesstaat bis zur Vereinheitlichung (1848 bis 1941). I. Das Strafrecht des Bundes. I I . Die Strafgesetzgebung der Kantone. I I I . Der Weg zur Vereinheitlichung. Z w e i t e r A b s c h n i t t : G r u n d f r a g e n des s c h w e i z e rischen Strafrechts (Allgemeiner Teil) § 6. Der Begriff des schweizerischen Strafrechts und seine Quellen. I. Der Begriff. I I . Die Art der Rechtsquellen. I I I . Die Gesetzgebung des Bundes. IV. Die Gesetzgebung der Kantone. — § 7. Die Literatur zum schweizerischen Strafrecht. — § 8. Strafzweck und Auslegung. — § 9. Der Geltungsbereich des Gesetzes. — § IQ. Die Straftat und ihre Merkmale. I. I m allgemeinen. I I . Die Straftat als willkürliches Verhalten eines Menschen. 1. Der Mensch als Subjekt der Straftat. 2. Das willkürliche Verhalten eines Menschen. I I I . Das Erfordernis der Tatbestandsmäßigkeit. 1. Das Subjekt des verbrecherischen Verhaltens. 2. Das Verhalten und der Erfolg (Handlungsobjekt). 3. Modalitäten des strafbaren Verhaltens. I V . Das Erfordernis der Schuld. 1. Die Schuld im allgemeinen. 2. Die Schuldformen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit. 3. Die Schuldausschließungsgründe. V. Das Erfordernis der Rechtswidrigkeit. V I . Strafbarkeitsbedingungen und Prozeßvoraussetzungen. — § 11. Die Straftat und ihre Erscheinungsformen. I. Die Erscheinungsformen der Tat. 1. Vollendung, Versuch und Vorbereitung. 2. Einheit und Mehrheit der strafbaren Handlungen. I I . Die Erscheinungsformen der Täterschaft. 1. Die Täterschaft. 2. Die Teilnahme. 3. Die Täterschaft i m Pressestrafrecht. — § 12. Strafen und Maßnahmen. I. I m allgemeinen. I I . Die Strafen. A. Hauptstrafen: 1. Die Strafe am Leben: Die Todesstrafe. 2. Die Strafe an der körperlichen Integrität. 3. Die Strafen an der Freiheit: Zuchthaus, Gefängnis, Haft. 4. Der bedingte Strafvollzug. 5. Die Strafe am Vermögen: die Buße. B. Nebenstrafen: 1. Die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit. 2. Die Amtsentsetzung. 3. Die Entziehung der elterlichen Gewalt und Vormundschaft. 4. Das Verbot, einen Beruf, ein Gewerbe oder ein Handelsgeschäft auszuüben. 5. Die Landesverweisung. 6. Das Wirtshausverbot. 7. Die Nebenstrafen des MStG: Ausschluß aus dem Heere und Degradation. C. Die Strafzumessung. D. Strafaufhebungsgründe: 1. Unmöglichkeit des Vollzuges. 2. Verjährung. 3. Gnade, a) Wiedereinsetzung in entzogene Rechte und Löschung, b) Begnadigung

152

Inhalt

i. e. S. I I I . Die Maßnahmen. A. Die Maßnahmen gegenüber Unzurechnungsfähigen und vermindert Zurechnungsfähigen. B. Sichernde Maßnahmen: 1. Die Verwahrung von Gewohnheitsverbrechern. 2. Die Erziehung Liederlicher und Arbeitsscheuer zur Arbeit. 3. Die Behandlung von Gewohnheitstrinkern und Rauschgiftkranken. C. Andere Maßnahmen: 1. Die Friedensbürgschaft. 2. Die Einziehung gefährlicher Gegenstände. 3. Verfall von Geschenken und anderen Zuwendungen. 4. Verwendung z. G. des Geschädigten. 5. Veröffentlichung des Urteils. — § 13. Das schweizerische Jugendstraf recht Dritter

Abschnitt: Der besondere Teil rischen Strafrechts

des

schweize-

§ 14. Aufbau und Gliederung. A. Straftaten gegen Einzelinteressen. — § 15. I. Titel: Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben. I. Die Vernichtung des Lebens. 1. Das Leben des Menschen. 2. Das Leben der Leibesfrucht. I I . Körperverletzungen. I I I . Die Gefährdung des Lebens und der Gesundheit. — § 16. 2. Titel: Strafbare Handlungen gegen das Vermögen. I. Eigentum und andere dingliche Rechte. 1. Eigentumsverletzung ohne Bereicherungsabsicht. 2. Eigentumsverletzungen in Bereicherungsabsicht. 3. Strafbare Handlungen gegen andere dingliche Rechte. I I . Das Vermögen überhaupt. 1. Betrug und betrugsähnliche Tatbestände. 2. Erpressung und Chantage. 3. Wucher und wucherähnliche Tatbestände. 4. Die ungetreue Geschäftsführung. 5. Vermögensgefährdung durch Glücksspiele. I I I . Immaterielle Güterrechte. I V . Forderungsrechte (Betreibungs- und Konkursstrafrecht). — § 17. 3. Titel: Strafbare Handlungen gegen die Ehre und das Schriftgeheimnis. — § 18. 4. Titel: Strafbare Handlungen gegen die Freiheit. — § 19. 5. Titel: Strafbare Handlungen gegen die Sittlichkeit. — § 20. 6. Titel: Strafbare Handlungen gegen die Familie. B. Straftaten gegen Gemeinschaftsinteressen. — § 21. 7. Titel: Strafbare Handlungen mit Gemeingefahr. — § 22. 8. Titel: Strafbare Handlungen gegen die öffentliche Gesundheit. — § 23. 9. Titel: Strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Verkehr. — § 24. 10./11. Titel: Strafbare Handlungen gegen Treu und Glauben i m V e r kehr (Geld- und Urkundendelikte). — § 25. 12. Titel: Strafbare Handlungen gegen den öffentlichen Frieden. 1. Die Vergehen gegen die öffentliche Ordnung. 2. Die Vergehen gegen den Religionsfrieden. 3. Die Störung des Totenfriedens. C. Straftaten gegen den Staat. — § 26. 13. Titel: Strafbare Handlungen gegen Staat und Landesverteidigung (StGB 265 bis 278, M S t G 86 bis 107). 1. Verbrechen oder Vergehen gegen den Staat. 2. Verbotener Nachrichtendienst. 3. Gefährdung der verfassungsmäßigen Ordnung. 4. Störung der militärischen Sicherheit. — § 27. 14. Titel: Strafbare Handlungen gegen den Volkswillen. — § 28. 15. Titel: Strafbare Handlungen gegen die öffentliche G e w a l t 1. Auflehnung gegen die Staatsgewalt. 2. Verfälschung der Staatsgewalt. 3. Mißachtung der Staatsgewalt. — § 29. 16. Titel: Störung der Beziehungen zum Ausland. 1. Vergehen gegen die Ehre eines fremden Staates. 2. Vergehen gegen die Existenz eines fremden Staates. — § 30. 17. Titel: Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege. 1. Vergehen gegen die Strafverfolgung. 2. Vergehen gegen die Reinheit des Beweises. 3. Vergehen gegen den Strafvollzug. — § 31. 18. Titel: Strafbare Handlungen gegen Amts- und Berufspflicht. — § 32. 19. Titel: Übertretungen bundesrechtlicher Bestimmungen. — § 33. Schlußtitel: Einführung und Anwendung des Gesetzes. 1. Das Verhältnis des Schweiz. StGB zum bisherigen Bundesund Kantons-Strafrecht. 2. Bundes- und Kantonsgerichtsbarkeit. 3. Der Strafvollzug und die Kantone. 4. Begnadigung und Wiederaufnahme.

Inhalt Vierter

A b s c h n i t t : Das M i l i t ä r s tr af r e c h t Nebenstrafgesetzgebung

153 und

die

§ 34. Das Militärstrafrecht. — § 35. Die Nebenstrafgesetzgebung des Bundes. 1. B G betr. die Auslieferung. 2. BG über das Zollwesen. 3. BG über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr. 4. B G über den unlauteren Wettbewerb. 5. BRB über das kriegswirtschaftliche Strafrecht. Fünfter

Abschnitt:

§ 36. Die Grundlagen des Strafvollzugsrechtes.

Abkürzungen Actes I G K :

Verhandlungen der Internat. Gefängniskongresse (ab 1872)

AS:

Amtliche Sammlung eidgenössischer Gesetze (seit 1874)

AT:

Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuches

BB:

Bundesbeschluß

BG:

Bundesgesetz

BGE:

Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichtes

BRB:

Bundesratsbeschluß

BS:

Bereinigte Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen 1848 bis 1947 (Band/Seitenzahl)

BStrP

B G über die Bundesstrafrechtspflege v. 15. Juni 1934 (BS 3, 303), abgeändert durch OG Art. 168

BStrR

BG über das Bundesstrafrecht der Schweiz. Eidgenossenschaft v. 4. Februar 1853, aufgehoben durch Art. 398 lit. a StGB

BT:

Besonderer Teil des Strafgesetzbuches

BV:

Bundesverfassung der 29. M a i 1874 (BS 1/2)

EG

Einführungsgesetz

Erw.:

Erwägung

Germann:

Germann: Schweiz. Strafgesetzbuch (Taschenausgabe) 6. A. 1956

Hafter:

Hafter: Lehrbuch des schweizerischen Straf rechts (AT 2. A. 1946, BT I 1937, I I 1943)

JT:

Journal des tribunaux (IV: droit pénal), Lausanne (ab 1852)

KH:

Kassationshof

KV:

Kantonsverfassung

Logoz:

Logoz: Commentaire du code pénal Suisse A T 1942, BT I 1954 (art. 111—112) ,Bd. I I (art. 213—332)

MFG:

BG über den Motorfahrzeug- und Fahrradverkehr vom 15. März 1932 (BS 7/595)

MStGO:

BG über die Militärstrafgerichtsordnung v. 28. Juni 1889, zuletzt revidiert 21. Dez. 1950 (BS 5/3)

MStG:

Militärstrafgesetz v. 13. Juni 1927, zuletzt re vidiert 21. Dez. 1950 (BS 3/391)

Schweiz. Eidgenossenschaft

vom

Abkürzungen MKGE:

Entscheidungen des Eidgenössischen gerichtes (MKG) Bd. 1—5 1915—50

155 Militärkassations-

NZZ:

„Neue Zürcher Zeitung", Zürich (ab 1779)

OG:

BG über die Organisation der Bundesrechtspflege v. 16. Dez. 1943 (BS 3/531)

OR:

BG über das schweizerische Obligationenrecht v. 30. März 1911 (BS 2/199)

Recueil:

Recueil de documents en matière pénale et pénitentiaire, Bern (Bd. I — X V , 1931—51)

Rep.:

Repertorio di Giurisprudenza Patria, Bellinzona

RStrS:

Rechtsprechung in Strafsachen, mitgeteilt von der „Schweiz. Kriminalistischen Gesellschaft", Bern (ab 1943)

Sem.:

La Semaine judiciaire, Genf, ab 1878

SJZ: StGB:

„Schweizerische Juristen-Zeitung", Zürich (ab 1903) Strafgesetzbuch, vor allem Schweiz. StGB v. 21. Dez. 1937 (BS 3/203)

Thormann/

Ph. Thormann und A. v. Overbeck: Das schweizerische

Overbeck: VV:

Strafgesetzbuch (Kommentar), A T 1940, BT 1941 und Einführungsbestimmungen 1941 Vollziehungsverordnung

Z:

„Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht", Bern (ab 1889)

ZBJV:

„Zeitschrift des bernischen Juristen Vereins" Bern (ab 1864)

ZGB:

„Schweizerisches Zivilgesetzbuch" v. 10. Dez. 1907 (BS 2/3)

ZR:

„Blätter für zürch. Rechtsprechung", Zürich (ab 1902)

ZSR:

„Zeitschrift für schweizerisches Recht", Basel (ab 1881)

Einleitung Die „ S c h w e i z e r i s c h e E i d g e n o s s e n s c h a f t", wie sich die Gesamtheit der „durch gegenwärtigen Bund vereinigten Völkerschaften der zweiundzwanzig souveränen Kantone" i m Eingangsartikel der heute noch geltenden Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 nennt, oder die „ S c h w e i z" („la Suisse"), wie unser kleines Land allgemein i m internationalen Verkehr heißt, ist entstanden aus dem Bund der drei Länder Uri, Schwyz und Unterwaiden von anfangs August 1291 und hat in langsamem Wachstum durch die Jahrhunderte eigentlich erst 1815 ihre heutige Ausdehnung erreicht. Sie liegt i m Herzen Europas, und es kommen i n ihrem eigenen Mittelpunkt, dem Gotthardmassiv, nicht nur vier verschiedene Alpenketten zusammen, sondern es nehmen von hier auch vier große Ströme ihren Ursprung, die zu den sprachverwandten Völkern Mitteleuropas führen. Bot uns das eine Sicherheit und Schutz, war uns das andere stets Symbol unserer Verbundenheit m i t der übrigen Welt. Dieses Land blickt auf eine staatliche Unabhängigkeit von bald sieben Jahrhunderten zurück. Es verdankt sie nicht nur seiner geographischen Lage, sondern nebst einem gütigen Schicksal der Härte und dem Freiheitssinn des Alpenbewohners, der ja i m Mittelalter noch andere Alpenrepubliken entstehen ließ, der Kriegstüchtigkeit seiner Bewohner, wie sie sich i n den Freiheitskriegen des 14. und 15. Jahrhunderts und i m späteren Reislaufen offenbarte, und — last not least — der Staatsmaxime der ewigen Neutralität oder, volkstümlicher ausgedrückt, der „Nichteinmischung i n fremde Händel", wie sie sich nach der schweren Niederlage bei Marignano (1515) dahin bildete, daß man nun endlich dem Ratschlag des Bruders Klaus (Nikolaus von Flüe) und anderer hervorragender Eidgenossen folgte, auf jede gewaltsame Expansion verzichtete und dieses Neutralitätsprinzip bis heute hochhielt. Dieser lang andauernden Unabhängigkeit, die nur einmal vorübergehend durch die französische Revolution während der Helvetik (1798—1803) i n Frage gestellt wurde, und dem durch das Neutralitätsprinzip bewirkten Friedenszustand, den auch die Glaubenskriege nicht ernstlich zu trüben vermochten, verdankt unser R e c h t , daß es sich ohne gewaltsame äußere Einwirkung zu entwickeln vermochte. Es ist nicht die Schöpfung eines großen Gesetzgebers, es bildet vielmehr als langsam wachsendes Volksrecht eher ein Beispiel für die Grundidee der historischen Schule, die i m stillschaffenden Volksgeist den eigentlichen

158

Einleitung

Rechtsschöpfer erblickte. W i r finden daher bis zu den großen Kodifikationen des Z i v i l - und Straf rechts i m 20. Jahrhundert relativ viel Gewohnheitsrecht, selten eigentliche Gesetzbücher. Aber auch dort, wo das Recht schriftlich fixiert wurde, ist es weniger Neuschöpfung als Aufzeichnung bereits geltenden Rechtes. Auch das S t r a f r e c h t d e r S c h w e i z erhebt keinen Anspruch auf besondere Originalität. Es spiegelt vielmehr die Rechtsentwicklung wieder, wie sie von den germanischen Volksrechten bis zur Gegenwart dem mitteleuropäischen Raum eigentümlich war, und zeigt nur insofern nationale Eigentümlichkeiten, als auf dem Gebiet der heutigen Schweiz bekanntlich mehrere Völker zeitlich aufeinander folgten, wovon jedes, ohne daß dies i m einzelnen nachweisbar wäre, Spuren hinterlassen haben mag, daß weiter unsere gegenwärtige Bevölkerung sich aus vier Sprachstämmen zusammensetzt und daß unser Land i m Schnittpunkt dreier großer K u l t u r e n liegt. Sie mögen zunächst i n ihren Gegensätzen aufeinandergeprallt sein und hierauf nach Ausgleich gesucht haben, und es ist vielleicht aus diesem Ringen ein besonderes schweizerisches Rechtsdenken entstanden, wie es uns nicht selten i m Verkehr m i t den stammverwandten Völkern zum Bewußtsein kommt, indem es uns vielfach von diesen trennt und m i t unseren Miteidgenossen verbindet. Wenn i m berühmten Religionsgespräche von Marburg (1529) M a r t i n Luther zum Zürcher Reformator Huldreich Z w i n g l i sagte: „ I h r Schweizer habt einen andern Geist als w i r " , haben w i r die Wahrheit dieses Wortes stets nicht nur i m religiösen Sinn anerkannt, und es hat sich ähnliches auch i m Verhältnis unserer welschen und ennetbirgischen Landsleute zu Frankreich und Italien gezeigt. Dazu kommt, daß w i r trotz unserer demokratischen Institutionen ein recht konservatives Volk sind, auch unter uns an alten Rechten und Gewohnheiten hartnäckig festhalten und ζ. B. Neuerungen wie dem Frauenstimmrecht bis heute noch nirgends Eingang gewährten. Das führt zu jener weitgehenden Rechtszersplitterung, die trotz Kodifikation i n Z i v i l - und Strafrecht noch heute i m öffentlichen Recht, i m Prozeßrecht und i m Strafvollzug weiterbesteht und nicht nur durch unsere geographischen Verhältnisse, sondern auch durch den damit zusammenhängenden politischen Föderalismus gefördert wird. Dem ausländischen Leser sei am Beispiel des K t . Graubünden gezeigt, wie kompliziert oft die Verhältnisse liegen. Dieser — man hat ihn schon die „Eidgenossenschaft i m Kleinen" genannt — zählt auf 7000 k m 2 nur 140 000 Einwohner, die aber i n 150 Tälern leben, vier Sprachen und mehrere Dialekte sprechen und sich selbst i m Lauf der Jahrhunderte erst mühsam aus drei Bünden zusammenfanden. Trotz der schlechten Erfahrungen m i t ihrer (absoluten) Unabhängigkeit — man denke an C. F. Meyers „Jürg Jenatsch" — sind sie 1803 erst unter dem Druck des Mediators Napoleon Bonaparte

Einleitung

dem Schweizerbund beigetreten! Da vor allem die E n t w i c k l u n g s g e s c h i c h t e zeigt, wie schwierig die Vereinheitlichung auch auf dem Gebiete des Strafrechts war und wie erklärlich die Schlacken, die i h r heute noch anhaften, sei auf diesen Teil meiner Aufgabe mein besonderes Augenmerk gerichtet.

Erster

Abschnitt

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Strafrechts Das schweizerische Strafrecht zeigt i n seiner Entwicklung durch die Jahrhunderte die überall feststellbare Tendenz, die Verbrechensbekämpfung der W i l l k ü r des Verletzten und der Sphäre des Privatstrafrechts zu entziehen und sie immer ausschließlicher als Recht des Staates auszugestalten. Ich habe selbst diese Entwicklung ohne Beschränkung auf ein bestimmtes Land i n meinen beiden Abhandlungen „Das Materialprinzip des modernen Strafprozeßrechtes" (Z. 31, 61 ff.) und „Die Strafberechtigten i n der Geschichte" (Z. 32, 32 ff.) darzustellen versucht und dem gleichen Zweck ist J. G r a ν e η s (Genf) Abhandlung „De la vengeance privée à la peine conditionelle" (Z. 58, 24 ff.) gewidmet. Hier möchte ich mich weniger m i t dieser allgemeinen Tendenz als m i t den schweizerischen Besonderheiten befassen. § 1. Die Zeit bis zum Bundesschwur von 1291 Wenn auch schon vor der letzten Eiszeit Menschen das schweizerische Alpenland bewohnten, interessieren uns hier weder jene Jägervölker, deren Spuren i m Wildkirchli oder Drachenloch nachgewiesen wurden, noch jene Seebewohner, die i n Pfahlbauten gehaust haben sollen, denn von beiden sind uns keinerlei „Rechtsaltertümer" erhalten geblieben 1 . Und fast ähnlich ergeht es uns m i t den K e l t e n , von denen schon um 400 vor Beginn unserer Zeitrechnung einige Stämme i n das Land zwischen Jura und Alpen eingewandert sind und zu denen auch die H e 1 ν e t i e r gehörten, die sich i m Zusammenhang m i t den Wanderungen der Cimbern und Teutonen ungefähr ums Jahr 100 vor Chr. Geb. angesiedelt haben. W i r wissen zwar, daß i n dieser der römischen Herrschaft unmittelbar vorangehenden Zeit neben den Helvetiern i m heutigen Graubünden die R a e t i e r wohnten, ein keltisch-etruskisches Mischvolk, das i m Namen „alt-fry-Raetien" weiterlebt, i m Westen die A l l o b r o g e n und i m Süden (Tessin) die L e p o n t i e r , aber auch vom Hauptstamm, den Helvetiern, über die w i r durch Caesars „Bellum 1 Dazu Oswald Heer, Die Urwelt der Schweiz (Neuausgabe Sammlung Dalp 1946) und Heinz Bächler, Die ersten Bewohner der Schweiz (S. Dalp 1947).

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Strafrechts

161

Gallicum" (1. Buch, cap. 3—7) noch am besten orientiert sind, urteilte schon vor hundert Jahren m i t Recht T h e o d o r M o m m s e n („Die Schweiz i n römischer Zeit" [1853] S. 3), sie seien „nicht das einzige Volk, von dem die Geschichte nichts weiter melde, als wie es zu Grunde ging". W i r wissen von Caesar, daß sie i m Jahre 58 vor Chr., vermutlich dem Druck der Germanen weichend, ihre Heimstätten (12 Städte und 400 Dörfer) i n Brand steckten und verließen, nachdem sie vorher noch eine Volkszählung veranstaltet hatten, wie sie i m gleichen Territorium erst wieder neunzehnhundert Jahre später vorgenommen worden ist. Caesar hat ihren Widerstand i n harten Kämpfen bei Bibrakte (Gallien) gebrochen und w i l l 110 000 Männer, Frauen und Kinder i n das verlassene Land zurückgeschickt haben m i t der Weisung, ihre Heimstätten wieder aufzubauen und dem römischen Reich fortan als Stütze gegen Norden zu dienen. Da kurz nach der Rückführung der Helvetier i n die Zentral- und Ostschweiz die Römer i n der Nähe Basels die Rauraker ansiedelten, i m Westen die Allobrogen, i m Osten die Raetier und i m Süden die Lepontier unterwarfen, war i m Verlauf weniger Jahrzehnte die ganze heutige Schweiz dem römischen Imperium einverleibt worden. Wie aber E r n s t M e y e r i n seiner interessanten Schrift „Die Schweiz i m A l t e r t u m " (1946, S. 46) hervorhebt, darf diese römische Okkupation der Schweiz i n keinem Zeitpunkt i m Sinne einer Massenansiedelung römischer Bürger verstanden werden, denn auch i m Zenith römischer Herrschaft waren es außer der i n Vindonissa (Windisch) lagernden Legion m i t Schutztruppen am Rhein und den i n Nyon, Avenches und Äugst angesiedelten Veteranenkolonien nur einzelne Beamte, Kaufleute, Gewerbetreibende (u. a. der Vater des Kaisers Vespasian, der i n Avenches, der Hauptstadt Helvetiens, als Gelddarleiher gelebt haben soll). R e c h t l i c h genossen die Unterworfenen gemäß ihrer Zweckbestimmung das beste römische Untertanenrecht, das der „foederati" oder Bundesgenossen, m i t dem ein hoher Grad von Selbständigkeit verbunden war, und s t r a f r e c h t l i c h dürfte die römische Minderheit dem römischen Strafrecht, die helvetisch-keltischen Bewohner dagegen dem eigenen Stammesrecht unterstanden haben. Aber während uns das römische Straf recht u. a. aus M ο m m s e n s monumentaler Darstellung hinlänglich bekannt ist (Leipzig 1899), besitzen w i r weder i m grundlegenden Werk S t ä h e l i n s „Die S c h w e i z i n r ö m i s c h e r Z e i t " (3. A. Basel 1940) noch i n Η ο w a l d - M e y e r s Text- und Inschriften-Sammlung (Zürich 1946) irgendwelche Anhaltspunkte über Recht oder gar Strafrecht der Unterworfenen, und es war, so sehr die bisherigen Ausgrabungen unser Wissen um die damalige K u l t u r bereicherten, speziell dem letzteren Werk kein Fund i m Sinne etwa der Stele Hammurabis beschieden. Von Vorgängen strafrechtlicher Natur aus jener Zeit kämen höchstens die 11 Ausländisches Strafrecht II

162

Das schweizerische Strafrecht

Märtyrer-Legenden um die thebaeische Legion in Betracht, von denen aber Stähelin sagt, sie seien „historisch ganz ungreifbar". Als i m Jahre 401 n. Chr. der Feldherr Stilicho alle römischen Truppen nördlich der Alpen zum Schutze Italiens zurückzog, war das Land zwischen Rhein, Jura und Alpen schutzlos der Invasion der Germanen preisgegeben, von denen sich die B u r g u n d e r i n der Westschweiz, die A l e m a n n e n i n der M i t t e l - und Ostschweiz ansiedelten, während sich die R a e t i e r i n Graubünden zu behaupten vermochten und die Lepontier i m Süden allmählich durch die L a n g o b a r d e n verdrängt wurden, so daß schon i m 5. Jahrhundert die B e s e t z u n g H e l v e t i e n s d u r c h d i e G e r m a n e n (mit Ausnahme Graubündens) eine vollzogene Tatsache gewesen sein dürfte. Das S t r a f r e c h t d i e s e r V ö l k e r s t ä m m e dürfte ungefähr dem entsprochen haben, was T a c i t u s i n seiner „ G e r m a n i a " für Deutschland berichtet: Recht des Staates zur Strafe bei Staatsdelikten, B l u t rache und Fehderecht bei Verbrechen gegen einzelne 2 , woraus sich dann allmählich jenes Bußen- und Kompositionen-System entwickelte, dem w i r i n den germanischen Volksrechten begegnen und das uns plastisch der Basler A n d r e a s H e u s l e r i n seinem „ S t r a f r e c h t d e r I s l ä n d e r s a g a s " (Leipzig 1911) geschildert hat, bei welchem Wergeid und Buße dem Verletzten und seiner Sippe zukamen (mit gegenseitiger Aufrechnung bei Friedensschluß fehdeführender Sippen) und der Staat selbst nur m i t dem Friedgeld (fredus) beteiligt war. Als solche Volksrechte, die allerdings erst i n fränkischer Zeit schriftlich fixiert wurden, kommen für unser Land i n Betracht: Der P a c t u s A l a m a n n o r u m (anfangs 7. Jahrh.) und die L e x A l a m a n n o r u m (zwischen 717 bis 720 entstanden) für die A l e m a n n e n , die L e x B u r g u n d i o n u m (auch Lex Gundobada genannt, weil unter König Gundobad Ende des 5. Jahrh. entstanden) für die B u r g u n d e r 3 , das E d i k t d e s K ö n i g s R o t h a r i (643) und die daraus entstandene L e x L a n g o b a r d o r u m , die i m 8. Jahrh. i m Süden geltendes Recht gewesen sein dürfte und i n E d u a r d O s e n b r ü g g e n s „Strafrecht d e r L a n g o b a r d e n " (Schaffhausen 1863) ihre Darstellung gefunden hat, für die Langobarden. Daneben entstand relativ spät i m Lande der Raetier die L e x R o m a n a C u r i e n s i s (etwa 750), die ζ. Z. Karls des Großen ergänzt wurde durch die C a p i t u l a e p i s c o p i R e m e d i i , das erste Strafgsetzbuch, das auf schweizerischem Boden entstanden sein dürfte. Es war ein Werk des Churer Bischofs Remedius, 2

Vgl. Tacitus: Germania cap. 12, 19 u. 21. Wilda: Das Strafrecht der Germanen, Halle 1842. 3 Zur L e x B u r g u n d i o n u m : Mensching, Minna: Das Straf recht der Lex Burgundionum, Zürch. Diss. 1928 und Ruegger: Einflüsse des römischen Rechts in der Lex Burgundionum, Bern. Diss. 1949.

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Straf rechts

163

eines Freundes des fränkischen Kanzlers Alkuin, der i m Jahre 785 K a r l den Großen veranlaßt hatte, i n besonderer Urkunde das Grenzland Raetien unter seinen Schutz zu nehmen und i n seinen alten Rechten und Gewohnheiten zu bestätigen 4 . Was aber ist, müssen w i r zum Schlüsse dieser „germanischen Periode" fragen, aus den rechtlich und politisch entmachteten Helvetiern geworden? Während sich i m Westen die Burgunder friedlich m i t der Vorbevölkerung ins Land geteilt hatten, ging es bei den Alemannen wesentlich kriegerischer zu, aber auch, hier brauchte die nachfolgende Durchdringung Jahrhunderte bis zur endgültigen Alemanisierung der heutigen deutschen Schweiz, und es dürfte ein helvetischer Einschlag nicht nur i n Ortsnamen und Sprache, sondern auch i n Charakter und Recht der heutigen Schweizer anzunehmen sein. Sowohl i n der L e x G u n d o b a d a wie i n den C a p i t u l a R e m e d i i aber zeigt sich der römischrechtliche Einfluß unverkennbar i m stark ausgebildeten Offizialprinzip der Strafverfolgung wie i n der stärkeren Betonung der staatlichen Strafberechtigung auch bei Verbrechen gegen einzelne. Die vier Stämme, die gegen Ende des 5. Jahrhunderts auf dem Gebiet der heutigen Schweiz als herrschend feststellbar waren, wurden bereits i m Laufe des 6. Jahrhunderts vom g e r m a n i s c h e n S t a m m d e r F r a n k e n unterworfen, die selbst der L e x S a l i c a unterstanden (von K a r l Martel zwischen 714—717 zum Stammesrecht der salischen Franken erhoben), aber nach dem damals herrschenden Personalitätsprinzip (iura ossibus inhaerent) den Alemannen, Burgundern, Raetiern und Langobarden ihr eigenes Strafrecht beließen. Sie unterstellten diese aber einer straffen Heeres- und Zivilgewalt und führten i n den einzelnen Gauen — die sich wie z. B. der Thür- und der Aargau noch heute i n Kantonsnamen erhalten haben — eine einheitliche Justizverwaltung unter fränkischen Gaugrafen ein, wodurch es ihnen gelang, bereits unter den Merowingern (481—751), dann aber vor allem unter den Karolingern (751—843) eine starke Staatsgewalt m i t entsprechender Rechtssicherheit einzurichten. Dazu kam, daß sich insbesondere unter K a r l dem Großen durch die k a r o l i n g i s c h e n K a p i t u l a r i e n über den einzelnen Stammesrechten ein R e i c h s r e c h t formte und daß diese selbst durch schriftliche Fixierung zu Gesetzesrecht wurden. Nach diesen Gesetzen sprachen die Gaugrafen zusammen m i t Urteilsfindern aus dem Gau auch dem geringsten Bürger Recht und 4 Zu den C a p i t u l a e p i s c o p i R e m e d i i : Sie finden sich i m U r text wiedergegeben bei Planta, Das alte Raetien (Berlin 1872 S. 449 ff.). Über sie Frau Meyer-Marthaler: „Die Gesetze des Bischofs Remedius v. Chur" (in „Zeitschrift f. schweizerische Kirchengeschichte" Bd. 44 (1950) S. 81 bis 110. Das einzige erhaltene Exemplar dieses Gesetzbuches, das nur für die raetoromanische Bevölkerung bestimmt war, fand sich in Codex 722 der Stiftsbibliothek St. Gallen.

11*

164

Das schweizerische Strafrecht

versuchten, durch Befragung angesehener Bürger i m Gau auf dem Wege des sogenannten Rügeverfahrens schwere Verbrechen von Amtes wegen festzustellen und zu verfolgen. Nimmt man hinzu, daß neben und über diesen Gerichten am jeweiligen Aufenthaltsort des Königs, der Pfalz, das K ö n i g s g e r i c h t Recht sprach, w i r d man verstehen, wie sehr das Volk diese Rechtssicherheit zu schätzen wußte und sich ihrer, nachdem sie m i t dem Karolingerreich zu Ende gegangen war, noch lange als eines Idealzustandes erinnerte. So gedachte die welsche Schweiz noch Jahrhunderte nachher dankbar der Lex Gundobada oder „ L o i Gombeth" und i n der deutschen Schweiz zeugt von dieser Dankbarkeit die zürcherische Legende von der Schlange, die von K a r l dem Großen Recht gegen die Kröte begehrt, welche i h r das Nest gestohlen hat, und die, als i h r dies Recht geworden war, dem König aus Dankbarkeit einen kostbaren Ring i n den Becher wirft. Der T o d K a r l s d e s G r o ß e n und der U n t e r g a n g d e s K a r o l i n g e r r e i c h s (843) brachte auch der Schweiz, die seit der Reichsteilung dem „Römischen Reich deutscher Nation" angehörte, jene Rechtszersplitterung in Land-, Stadt- oder gar D o r f r e c h t e , deretwegen man d i e Z e i t v o n 900 — 1250 die „stummen J a h r h u n d e r t e der deutschen Rechtsges c h i c h t e " genannt hat und die schließlich zu jenem Z u s t a n d d e s F a u s t r e c h t s führte, der eine Reihe mehr oder weniger erfolgreicher Abwehrmaßnahmen i m gesamten mitteleuropäischen Rechtskreis hervorrief. So begegnen w i r vor allem i m 13. Jahrhundert dem B e d ü r f n i s , das g e l t e n d e Gewohnheitsrecht s c h r i f t l i c h f e s t z u l e g e n , woraus i m Norden E i k e v. R e p k o w s „ S a c h s e n s p i e g e l " (etwa 1230) und i n Süddeutschland, etwa 50 Jahre später, der „ S c h w a b e n s p i e g e l " eines unbekannten Verfassers entstand, beides Privatarbeiten, von denen aber vor allem der „Schwabenspiegel" auch bei uns Eingang fand und als „ M i r o i r de Souabe" sogar i m Welschland zur Anwendung gelangte 5 . Als weitere wirksame Gegenwehr darf gewertet werden, daß an Stelle der Bußen der Volksrechte und der ungenügenden Reaktion des Verletzten und seiner Sippe schon i n dieser Periode wenigstens bei den schwersten Verbrechen und vor allem i m V e r f a h r e n gegen l a n d s c h ä d l i c h e L e u t e L e i b e s - und L e b e n s s t r a f e n traten und man auch vor O f f i z i a l v e r f o l g u n g nicht zurückschreckte, wenn ζ. B. bei einem aufsehenerregenden Mord der Verletzte zur Rache zu schwach oder überhaupt keine racheverpflichtete Sippe vorhanden war. Wie sehr schon relativ früh die Notwendigkeit einer Offizialverfolgung i n solchen Fällen i n den kleinen Gemeinschaften der 5 Vgl. Matile , G. Α.: Le miroir de Souabe d'après le manuscript français, Neuchàtel 1843.

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Straf rechts

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Alpenbewohner empfunden wurde, zeigt m. E. deutlich die L e g e n d e v o n d e n R a b e n d e s h l . M e i n r a d , der 861 i m Schwyzer A l p tal von Mörderhand erschlagen worden war, dessen zwei Raben aber die Mörder bis nach Zürich verfolgten und dort zur Bestrafung brachten. M i t Recht weist O s e n b r ü g g e n i n seinem Vortrag „D i e R a b e n d e s h l . M e i n r a d " (Schaffhausen 1861) auf das Analogon hin, das Schillers Gedicht „Die Kraniche des Ibykus" zugrunde liegt, und auf die Bitte des Sängers: „Von Euch, I h r Kraniche dort oben, wenn keine andere Stimme spricht, sei meines Mordes Klag' erhoben." Beiden Fällen liegt der Gedanke zugrunde, daß wenigstens bei so schweren Verbrechen die Gemeinschaft von sich aus gegen die Verbrecher vorgehen sollte, und dem kam gegen Ende dieser Periode das k a n o n i s c h e R e c h t entgegen, das aus römischem und spätbiblischem Rechtsdenken heraus zur Offizialverfolgung neigte und von seinen Pflegestätten, den oberitalienischen Universitäten, sicher auch schon vereinzelt zu uns gebracht worden sein mag. Es mußte gerade i n diesem Punkte auf die einfach-frommen Männer unseres Volkes um so stärker wirken, als es sich auf bekannte Bibelstellen berufen konnte, wonach unschuldig vergossenes Blut nicht nur den Täter befleckt, sondern alle, die m i t i h m i n Gemeinschaft leben (z. B. 3. Buch Moses, Kap. 17), und es mag schon damals jener Umschwung vorbereitet worden sein, der i m 14./15. Jahrhundert zur Absetzung des Verletzten als „Hauptmann der Klage" und i m Verfahren zum I n q u i s i t i o n s p r o z e ß führte, der selbst kirchlich auf Innozenz I I I . (1215) und weltlich auf Friedrich I I . (1231) zurückgeht und sich entwicklungsgeschichtlich als eine Weiterbildung des fränkischen Rügeverfahrens darstellt. Doch die wohl stärkste Gegenwehr gegen Rechtsunsicherheit und Fehderecht bildeten die i n dieser Zeit v o n K i r c h e u n d K a i s e r g e b o t e n e n F r i e d e n . Schon i m 11. und 12. Jahrhundert hatte die K i r c h e sogenannte G o t t e s f r i e d e n (treuga dei) verkündet und i h r waren K a i s e r und s o n s t i g e L a n d e s f ü r s t e n m i t ihren L a n d f r i e d e n gefolgt, deren erster H e i n r i c h II. 1004 von Zürich aus geboten haben soll, deren wohl bedeutendster F r i e d r i c h s II. M a i n z e r L a n d f r i e d e n von 1235 war und deren letzter K a i s e r M a x i m i l i a n s W o r m s e r L a n d f r i e d e n von 1495 gewesen ist, der den Bruch zwischen deutscher und schweizerischer Rechtspflege endgültig herbeiführen sollte. Alle diese Frieden hatten das V e r b o t oder wenigstens die E i n s c h r ä n k u n g d e s F e h d e r e c h t e s zum Zwecke und sahen für gemeingefährliche Delikte wie Mord, Brandstiftung und Raub (typische Fehdedelikte) in der Regel Verfolgung von Amtes wegen vor 6 . Ihre Aus6

Eine allgemeine Orientierung über die ganze Bewegung bietet Joachim

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Das schweizerische Strafrecht

Wirkung auf die heutige Schweiz schildert B r u n o M e y e r : „ D i e Sorge für den L a n d f r i e d e n im Gebiete der h e u t i g e n E i d g e n o s s e n s c h a f t 1250—1350" (Zürch. Diss. 1935). Es w i r d daraus m. E. ohne weiteres verständlich, warum der Bundesschwur von 1291 die Form eines Landfriedens wählte und den Bundesgenossen neben der Unabhängigkeit von Österreich eine wirksamere Verbrechensbekämpfung sichern wollte. § 2. Der Bundesbrief von 1291 und seine strafrechtlichen Auswirkungen I. D e r

Bundesbrief

Der Bund, den die drei Länder Uri, Schwyz und Unterwaiden anfangs August 1291 miteinander eingingen, w i r d von den Historikern bald als b l o ß e r L a n d f r i e d e n , bald als B u n d m i t L a n d f r i e d e n s b e s t i m m u n g e n gewertet. Ich w i l l hier auf diese Kontroverse, die ich i m Sinne der zweiten Alternative beantworte, nicht weiter eingehen, denn für uns ist lediglich wichtig, daß m i t diesem Bundesbrief der G r u n d s t e i n d e r s c h w e i z e r i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t gelegt wurde und daß sich i n ihm auch die ersten Ä u ß e r u n g e n schweizerischen Strafrechts finden 7. Der Bundesbrief von 1291 hat offenkundig zum Vorbild den Mainzer Landfrieden von 1235. Er wahrt ausdrücklich den bisherigen Rechtszustand, w i l l vor allem keine Strafrechtskodifikation i m Sinne der Vereinheitlichung für das Bundesgebiet sein, sondern überläßt den einzelnen Ländern die Verbrechensbekämpfung i n ihren Grenzen und verlangt lediglich die einheitliche Verfolgung der gemeingefährlichsten Delikte: Tötung, Brandstiftung, Raub und andere Schädigung, wie sie auch vom Standpunkt der Friedenssicherung dringend geboten war, da vor allem die ersten drei Delikte immer wieder zu Blutrache und Fehde führten. Diese Verbrechens Verfolgung w i r d verstärkt durch die Verpflichtung der Bundesgenossen („Eidgenossen"), flüchtige Täter auch aus ihren Talschaften zu verbannen, i h r Gut Gernhub er: „Die Landfriedensbewegung in Deutschland bis zum Mainzer Reichsfrieden 1235", Bonn 1952. 7 T e x t des Bundesbriefes v. 1291 in „Amtliche Sammlung der älteren eidgenössischen Abschiede" (zitiert Abschiede) I 241 bis 242, Text des Bundesbriefes v. 1315 Abschiede I 247 bis 248. Aus der sehr umfangreichen Literatur nenne ich als h i s t o r i s c h interessant K a r l Meyer: Die UrschweizerBefreiungstradition (Zürich 1927), r e c h t s g e s c h i c h t l i c h interessant den Osloer Vortrag von Hans Fehr: Die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft (Bern 1929) und von s t r a f r e c h t l i c h e m Intere s s e : Jürg Schuler: Bedeutung und Tragweite der strafrechtlichen Bestimmungen in den ältesten schweizerischen Bundesbriefen v. 1291 bis 1332 (Zürch. Diss. 1947).

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auch i n diesen zu beschlagnahmen und jeden, der sie begünstigt, des Landes zu verweisen. Dem gleichen Zweck dient i m spätem Bunde m i t Luzern (1332) die Erweiterung der Verrufung, indem diese i m eigenen Lande auch die Verrufung i n den andern Ländern zur Folge hat, so daß i m ganzen Bundesgebiet — das war der Sinn der Maßnahme — der Verrufene von jedermann bußlos getötet werden konnte und die Sippe des Verletzten die Erlaubnis zur Blutrache erhielt. Da somit die Selbsthilfe nur noch i n den Formen der Verrufung und (zivilrechtlich) der Pfändung gestattet war und der Bluträcher damit zum Vollstrecker eines Gerichtsurteils wurde, darf man der Auffassung Hans Fehrs beistimmen, der Bundesbrief von 1291 habe — zweihundert Jahre vor dem Wormser Landfrieden — i n seinem Geltungsbereich das Fehderecht aufgehoben. Der Richter aber, der dieses Recht gewährte, bestimmt die gleiche Urkunde, darf sein A m t nicht erkauft haben und muß ein Einwohner oder Landsmann sein. W i r stehen damit der ersten Bildung gemeinschweizerischen Strafrechts gegenüber, bewußt i n den Schranken der bisherigen Landfrieden gehalten, aber zur Anwendung gebracht durch einheimische Richter und infolge der größeren Rechtssicherheit, der sich schon damals das Bundesgebiet i m Vergleich zu weiten Teilen des Reiches erfreute, eine wirksame Stärkung der Strafrechtspflege i n den einzelnen Ländern. Dieser Bundesbrief erhielt seine Sanktion durch den Sieg am Morgarten (15. November 1315) und seine Bestätigung i m Bundesbrief v o m 9. D e z e m b e r 1315, der sich statt der lateinischen der deutschen Sprache bediente, aber wenigstens strafrechtlich lediglich eine Wiederholung der älteren Urkunde war. Beide Bünde wurden i m Inhalt nicht verändert, aber i n ihrer Bedeutung verstärkt durch die nun rasch folgenden Bündnisse m i t L u z e r n (1332), Z ü r i c h (1351), Z u g (1352), G l a r u s (1352) und B e r n (1353), welche den Dreiländerbund zur achtörtigen Eidgenossenschaft weiteten. II. D i e s t r a f r e c h t l i c h e n

Auswirkungen

Als solche möchte ich i n kurzem Überblick alles erfassen, was die alte Eidgenossenschaft bis zu ihrem Zusammenbruch i m Jahre 1798 an strafrechtlicher Gesetzgebung hervorgebracht hat. Man w i r d sofort ersehen, daß der Bund, der sich um etwa 1500 zu einer der bedeutendsten europäischen Militärmächte entwickelt hatte, auf dem Gebiete des Strafrechts eine nur unbedeutende Weiterentwicklung erfuhr. Ihre einzelnen Marksteine sind: 1. Der sogenannte P f a f f e n b r i e f v o m 7. O k t o b e r 1370, abgeschlossen von allen Orten m i t Ausnahme von Bern und Glarus, verursacht durch einen Überfall auf den Schultheißen von Luzern,

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Das schweizerische Strafrecht

dessen Täter, die Söhne des Zürcher Bürgermeisters Rudolf Brun, sich zu Unrecht auf die geistliche Gerichtsbarkeit des Bischofs von Konstanz beriefen. Er bestimmte, es sollte niemand, „pfaff oder lai, edel oder unedel", der in der Eidgenossenschaft wohne, ein auswärtiges Gericht anrufen dürfen, außer i n ehelichen und geistlichen Sachen (die vor das bischöfliche Gericht von Konstanz gehören), und es soll „von der stiebenden Brücke bis Zürich" — so w i r d i m Brief „unsere Eidgenossenschaft" damals umgrenzt — jeder gezwungen werden, von Angriffen abzustehen und den Schaden zu ersetzen. Damit w i r d einmal eine A u s s c h e i d u n g zwischen weltlicher und g e i s t l i c h e r G e r i c h t s b a r k e i t vorgenommen, die bis 1798 maßgebend blieb, die Anrufung ausländischer Gerichte Einheimischen verboten, und darüber hinaus vor allem für den Verkehr auf der Gotthardstraße („stiebende Brücke") eine R e c h t s s i c h e r u n g geschaffen, die ergänzend zum Strafrecht des Bundesbriefes hinzutritt 8 . M i t Recht nennt i n seiner Schweizergeschichte (1/323) D i e r a u e r den Brief „ e i n e Ü b e r e i n k u n f t z u r W a h r u n g d e s h e i m i s c h e n G e r i c h t s s t a n d e s u n d des L a n d f r i e d e n s " . 2. D e r S e m p a c h e r b r i e f v o m 10. J u l i 1393, veranlaßt durch die in den Siegen von Sempach (1386) und Naefels (1388) gewonnene Erfahrung, daß zu einem schlagkräftigen Heer nicht nur Wehrtüchtigkeit, sondern auch Mannszucht gehört, und geschlossen von allen acht Orten, denen sich noch Solothurn beigesellte. Er bekräftigt zunächst den g e l t e n d e n L a n d f r i e d e n — es soll kein Eidgenosse den andern schädigen und sie sollen einander i n allen Sachen getreulich zu H i l f und zu Trost kommen —, bezweckt aber vor allem die H e b u n g d e r M a n n s z u c h t durch das V e r b o t der F a h n e n f l u c h t und durch das V e r b o t d e s P l ü n d e r n s , bevor das Schlachtfeld endgültig behauptet ist und der Hauptmann das Plündern erlaubt. Strafrechtlich stellt er sich als das erste einheitliche schweizerische Kriegsstrafr e c h t dar, das trotz seiner wenigen Tatbestände auch i m Defensionale von 1668 (schweiz. Wehrverfassung) keine wesentlichen Ergänzungen erfuhr. Er hat sich durch seinen S c h u t z der K i r c h e n u n d F r a u e n , den er „Gott und unserer Lieben, Frauen zu Ehren" proklamierte, womit er seiner Zeit weit vorauseilte, den ehrenden Namen „Frauenbrief" verdient. 3. Das S t a n s e r V e r k o m m n i s v o m 22. D e ζ e m b e r 1481. Es hatte die Aufgabe, den zwischen Land- und Stadt-Kantonen ent8

Abschiede I 301 bis 303, ferner F. Fleiner, Der Pfaffenbrief, Art. in der Realenzyklopädie f. protest. Theologie X V (1904) S. 237. 9 Abschiede I 327 bis 329. Dazu Segesser, Rechtsgeschichte des Kt. Luzern I 81 bis 85.

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standenen Zwist beizulegen, was i h m dank Bruder Klaus trefflich gelungen ist, und für die Zukunft Vorkommnisse zu verhüten wie den sogenannten „Saubannerzug" (Beutezug zügelloser Innerschweizer gegen Savoy en i m Anschluß an die Burgunderkriege). Letztere Aufgabe führte dazu, daß das Stanser Verkommnis nicht nur den Pfafienund Sempacherbrief bestätigte, sondern überdies die Obrigkeiten verpflichtete, i n Zukunft bewaffnete Aufbrüche wie diesen Beutezug zu verhindern und jede Aufwiegelung der Untertanen verbot. Es enthält keine Straftatbestände, aber es versprechen sich i n i h m sämtliche Orte gegenseitige Hilfeleistung gegen ungehorsame Untertanen und es ermächtigt den einzelnen Ort, „gefährliche Gemeindeversammlungen" und andere Anzeichen von Ungehorsam zu bestrafen, so daß wit es i n ihm m i t einem verstärkten Staatsschutz der einzelnen Orte zu t u n haben, der bei der blutigen Unterdrückung des Bauernkrieges von 1653 i n Wirksamkeit trat und auch noch i m sogenannten StäfnerHandel (1795) angerufen wurde. Das Stanser Verkommnis hat politisch von der achtörtigen zur dreizehnörtigen Eidgenossenschaft geführt •— durch Aufnahme von F r e i b u r g und S o l o t h u r n (1481), B a s e l und S c h a f f h a u s e n (1501) und A p p e n z e l l (1513). Es ist die letzte für das Strafrecht bedeutsame eidgenössische Gesetzgebung bis 1798, weil diese eben i n der Hauptsache i n die Kompetenz der einzelnen Orte fiel. Bevor ich mich aber mit diesen befasse, sei noch einiger Erscheinungen der Verbrechensbekämpfung gedacht, die keiner eidgenössischen Gesetzgebung riefen, aber doch gemeinschweizerischen Charakter tragen. III.

Gemeinschweizerische strafrechtliche Erscheinungen

Es sind vor allem f ü n f E r s c h e i n u n g e n gemeinschweizerischen Charakters, auf die ich strafrechtlich noch besonders hinweisen möchte: 1. Das V e r f a h r e n g e g e n l a n d s c h ä d l i c h e L e u t e : Wie Italien und das benachbarte Süddeutschland kennt auch die Schweiz den sehr summarischen Prozeß gegen landschädliche Leute und gerade i n die Zeit des Stanser Verkommnisses fällt eine jener gemeinschweizerischen Säuberungsaktionen, die man „Landjegi" nannte und i n welcher um 1480 i m Gebiet der damaligen deutschen Schweiz nicht weniger als 1500 Diebe, Räuber, Vagabunden, „Zigeuner und anderes Heidengesind", wie die Chroniken melden, aufgegriffen und ohne Gericht vom Leben zum Tode gebracht wurden. Das war nicht etwa 10 Abschiede I I I / l 638 bis 701. Dazu Philipp v. Segesser: Beiträge zur Geschichte des Stanser Verkommnisses, 1878.

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Das schweizerische Strafrecht

Bestrafung auf handhafte Tat, sondern ein Notwehrakt der damaligen staatlichen Gemeinschaften gegen die Landplage der Vagabunden, Landstreicher und Berufsverbrecher, gegen die man periodisch m i t größter Strenge vorging und i m Lauf der Zeit die Bekämpfungsmethoden nur insofern veränderte, als man statt der Todesstrafe das lukrativere Verschicken auf die Galeeren bevorzugte oder die Leute zu fremdem Militärdienst anwerben ließ. Dieser Kampf gegen die landschädlichen Leute wurde m i t viel W i l l k ü r geführt, hatte aber zur guten Folge, daß hier die Strafverfolgung von Amtes wegen zuerst praktiziert wurde, weil sie sich hier am dringlichsten erwies 1 1 . 2. D a s V e r f a h r e n g e g e n T i e r e : Eine weitere nicht nur i n der Schweiz feststellbare, religiös bedingte Eigentümlichkeit des schweizerischen Strafrechts war das Tierstrafrecht. So hat ζ. B. i m Jahre 1479 die Stadt Bern ihren Ratsschreiber Thüring Fricker beauftragt, „ i n ausgespitzter Klageschrift" Käfer, Würmer und Engerlinge, welche Kräuter, Weiden und K o r n beschädigt hatten, vor das geistliche Gericht i n Lausanne zu laden, welches sie, da sie zur Verhandlung nicht erschienen, i n contumaciam zu lebenslänglicher Landesverweisung verurteilte. I n Zürich hatte schon einige Jahrzehnte vorher der gelehrte Bologneser Doktor der Rechte F e l i x H ä m m e r l i die Berechtigung der Tierprozesse dargetan und i n Basel wurde 1474 auf dem Kohlenberg ein Hahn lebendig verbrannt, weil er ein Ei gelegt hatte. Das alles geschah vermutlich i m Glauben, es seien Dämonen i n die delinquierenden Tiere gefahren, und hat fast überall zum Vorgehen ex officio geführt 1 2 . 3. D a s s c h w e i z e r i s c h e K r i e g s s t r a f r e c h t : Da der Sempacherbrief selbst keine Strafen enthält, war es Sache der einzelnen Orte, unter deren Fähnlein die Mannschaft ins Feld zog, die Kriegsknechte, welche diese eidgenössischen Bestimmungen verletzten, abzuurteilen und zu bestrafen. Wie verschieden dies geschah, wurde i m speziellen i n den Mailänder Feldzügen offenbar (1511 —1515), aber der Mangel eines voll ausgestalteten schweizerischen Kriegsrechtes zeigte sich vor allem, wenn es galt, den eidgenössischen Söldnern i n fremden Diensten ein einheitliches schweizerisches Kriegsrecht mitzugeben. Für diese wurde nämlich regelmäßig i n den Militärkapitulationen, welche die Tagsatzung m i t fremden Regierungen Schloß, ausbedungen, diese Söldner seien „eidgenössischer Zuzug" m i t eigenen Führern und eigener Gerichtsbarkeit, und 11 Vgl. dazu Zallinger, Das Verfahren gegen die landschädlichen Leute in Süddeutschland (Innsbruck 1895). 12 Zum T i e r s t r a f r e c h t im allgemeinen: v. Amira , Tierstrafen und Tierprozesse (Innsbruck 1891). Zu den Verhältnissen in der Schweiz: Osenbrüggen, Rechtsgeschichtliche Studien (Basel 1881) S. 139 ff. („Die Personifizierung der Tiere").

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noch i m Bündnis mit L u d w i g X I V . von 1663 bestimmt Art. 8: „Und soll die Justitien verwaltet werden durch die Richter von der Nation und keine andern". Das setzte aber voraus, daß diese „Nation" ihren Offizieren ein gemeinschweizerisches Militärstrafrecht i n den fremden M i l i tärdienst geben konnte, wozu weder der Sempacherbrief noch das Defensionale von 1668 tauglich waren. So kam es, daß man nach einigen erfolglosen Versuchen, Kriegsordungen ausschließlich zu diesem Zweck aufzustellen, dazu gelangte, die „ P e i n l i c h e H a l s g e r i c h t s o r d n u n g K a i s e r K a r l s V." v o n 1532 (abgekürzt Carolina oder CCC) den eidgenössischen Söldnern als eidgenössisches Kriegsstrafrecht in fremde Dienste mitzugeben 1 3 . Wie sich hier die Notwendigkeit einheitlichen Rechtes zuerst aufdrängte, ist es später i m 19. Jahrhundert gerade i m Militärstrafrecht zuerst zur Vereinheitlichung gekommen. 4. S t r a f r e c h t l i c h e J u d e n v e r f o l g u n g e n : Die i m M i t telalter überall vorkommenden Judenverfolgungen, die von R a d b r u c h - G w i n n e r (Geschichte des Verbrechens [1951] S. 140) m i t Recht als massenpsychotische Entladungen besonders markanter Zeitereignisse (Kreuzzüge i m 12. Jahrh., der Schwarze Tod 1348/1350) charakterisiert werden, sind auch der Schweiz nicht erspart geblieben und erfolgten vor allem i n Seuchenzeiten wegen Brunnenvergiftung, Kindsmord (Ritualmord), Gotteslästerung (Lästerung der christlichen Religion) und Ehebruch bzw. Sodomie, was man i n unsern Tagen als „Rassenschande" bezeichnet hat, wobei sich die Obrigkeiten mehrfach mutig der Massenpsychose entgegenstellten, 1349 ihr zwar nachgeben mußten, 1379 und 1401 i h r aber erfolgreich widerstanden. Darüber berichtet sehr ausführlich Pfarrer J o h a n n C a s p a r U l r i c h i n seiner „ S a m m l u n g j ü d i s c h e r G e s c h i c h t e n " (Zürich 1760, neu verlegt Berl i n 1922), w o r i n er die Judenverfolgungen i n der Schweiz vom 13. Jahrh. bis 1760 schildert und Radbruchs Feststellung bestätigt, daß die Juden auch i n der Schweiz i m Laufe des 15. und 16. Jahrhunderts aus allen Städten vertrieben wurden und sich schließlich nur noch i n EndingenLengnau (Aargau) aufhalten durften (1. c. 271). 5. D e r E i n f l u ß d e r F e m e i n d e r S c h w e i z : Die w e s t f ä l i s c h e F e m e hat i n der Schweiz auch i n ihrem Zenith (1430—1440) 13 Eine Art Zwischenlösung beabsichtigte wohl das kleine Büchlein Trinklers „Schweizerisches Kriegsrecht" (gedruckt Frankfurt 1704), aber schon 1734 erschien in Paris die wohl offizielle Ausgabe v. F. A. Vogel, Großrichter der dortigen Schweizergarde: „Code criminel de l'empereur Charles V à l'usage des conseils de guerre des troupes Suisses", worin unter anderem die unrichtige Behauptung aufgestellt wurde, das materielle Strafrecht der Carolina sei auch in der Schweiz geltendes Kriegsrecht, was nicht zutraf. Vgl. dazu Meyer, Albert: Die Geltung der CCC im Gebiet der heutigen Schweiz (Bern. Diss. 1911), ferner Businger, Das Kriegsrecht der Schweizer in fremden Diensten (Bern. Diss. 1916).

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Das schweizerische Strafrecht

nur ein geringes Echo gefunden, weil sich die eidgenössischen Orte, die sich bereits i m Bundesbrief und i m Pfaffenbrief gegen jede ausländische Gerichtsbarkeit erklärt hatten, sofort energisch gegen jedes Übergreifen der Feme auf Schweizer Boden zur Wehr setzten. Sie forderten vom Erzbischof von K ö l n die Beschränkung der Feme auf Westfalen, verboten ihren Bürgern, als Freischöffen tätig zu sein oder sich als Kläger an diese Gerichte zu wenden und bewirkten so, daß nach 1461 nur noch St. Gallen und Graubünden, die beide damals noch nicht zur Eidgenossenschaft gehörten, einige wenige Femefälle aufweisen. Es hat W. C. S c h e r r e r i n seiner Berner Dissertation „ D i e w e s t f ä l i s c h e n F e m g e r i c h t e u n d d i e E i d g e n o s s e n s c h a f t " (1940) gewissenhaft alles zusammengestellt, was über die Tätigkeit der Feme auf Schweizer Gebiet unsern Archiven entnommen werden konnte. Er hat zwar die Namen von 70 schweizerischen Freischöffen eruiert, aber insgesamt nur 11 Rechtshändel, darunter nur wenige strafrechtlicher Natur und nur einen einzigen, der zur Exekution (durch den Strang) führte. Der Kampf gegen die Feme fällt unter den Kampf gegen jede Höchstgerichtsbarkeit von Seiten des deutschen Reiches, wie er schließlich 1495 i n der Ablehnung von Kaiser Maximilians Reichskammergericht zum endgültigen Abschluß kam. § 3. Das Strafrecht der einzelnen Orte bis 1798 I. D i e

Rechtsquellen14

Statt i m offensichtlich mangelhaft entwickelten gemein-eidgenössischen Strafrecht finden w i r die eigentlichen strafrechtlichen Satzungen dieser Zeit i m S t r a f r e c h t d e r e i n z e l n e n O r t e , die bis zum Zusammenbruch der alten Eidgenossenschaft i m Jahre 1798 diese bildeten. Diese Orte sind bald L ä n d e r , bald S t ä d t e , aber durchweg d e u t s c h s c h w e i z e r i s c h e n C h a r a k t e r s , indem die welschen, tessinischen oder rätischen Gebiete in, dieser Zeit entweder Untertanengebiet waren oder überhaupt noch nicht zur Eidgenossenschaft gehörten. Das S t r a f r e c h t finden w i r zusammen m i t „anderem" Recht i n den L a n d - oder S t a d t r e c h t e n niedergelegt, indem R e c h t e k l e i n e r e r K r e i s e (Offnungen, Hofrechte, Dorfsatzungen) strafrechtlich wenig ergiebig sind. Dabei ist aber nicht gesagt, daß 14 Es besteht eine „ S a m m l u n g S c h w e i z e r i s c h e r Rechtsq u e l l e n", angeregt 1893 durch Andreas Heusler (Basel), der selbst auf die „Monumenta Germaniae Historica" und ihre Abteilung „Leges Nationum Germanicorum" als Vorbild hinwies. Sie bezweckt, in kantonalen Reihen Stadtrechte, Landrechte, aber auch die Rechte kleinerer bäuerlicher Kreise aus der Zeit vor 1798 zu sammeln und im Druck herauszugeben. Es sind bisher in kantonalen Reihen 34 Bände erschienen und es ist zu hoffen, daß das Werk trotz finanzieller Schwierigkeiten weitergeführt werden kann. Dazu Elsener in „Schweizer Rundschau" (Einsiedeln) Jahrg. 1951/52.

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jeder Ort bereits ein einheitliches Rechtsgebiet bildet, sogar der kleine Ort Zug zeigt nebeneinander Stadt- u n d Landrecht. Das R e c h t d e r L ä n d e r findet sich i n der Regel als L a n d r e c h t i n den sogenannten L a n d b ü c h e r n . Das ist vor allem die F o r m d e r R e c h t s q u e l l e n i n der I n n e n s c h w e i z , wo sich die einzelnen Talschaften, von der Außenwelt durch hohe Gebirge getrennt, allmählich ein eigenes Talrecht geschaffen hatten, das sie später zwecks besserer Handhabung niederschrieben und das dann allein oder zusammen m i t andern Talrechten zum Landrecht dieses Ortes wurde. So hat Glarus 1387, ein Jahr vor der Befreiungsschlacht von Naefels, erstmals Verfassung und Rechtsordnung schriftlich fixiert, 1448 eine Sammlung des geltenden Rechtes veranstaltet und zu einem Landbuch zusammengestellt, das jeder Systematik entbehrte, aber Volk und Obrigkeit bis 1798 genügte. I n ähnlicher Weise kam das Landrecht in Uri, Schwyz, Unterwaiden, Appenzell und Zug zustande wie auch in andern Talschaften, die später ihre Selbständigkeit verloren 1 5 . Die Satzungen mögen dem Volke jeweilen an den Landsgemeinden ins Gedächtnis gerufen worden sein. Dem Landrecht entspricht bei den S t ä d t e n das S t a d t r e c h t . Es verdankt seinen Ursprung bald der „ H a n d f e s t e", m i t welcher geistliche oder weltliche Herren einer Stadt das Recht zu Gesetzgebung und Gericht verliehen, bald dem Bestreben der Bürger, bisheriges Gewohnheitsrecht schriftlich zu fixieren, oder endlich dem Brauch, das Stadtrecht einer andern Stadt einfach zu übernehmen, und ist der Verschiedenheit des Ursprungs entsprechend unter verschiedenen Namen auf uns gekommen (Handfeste, Richtebrief, Stadtrecht, Statuten, Coutumes, Franchises). Während durch g e i s t l i c h e Verleihung vor allem die Bischofssitze zu einem Stadtrecht gelangten 16 , ist von den weltlichen Verleihungen die berühmteste die H a n d f e s t e v o n B e r n (1218), die das Siegel des Hohenstaufen Friedrich II. trägt, aber allerdings Jahrzehnte lang, speziell von Berner Historikern, als Fälschung erklärt wurde, bis sie die neueste Untersuchung durch S t r a h m 15 So die beiden Miniaturrepubliken G e r s a u und U r s e r n t a l , die d r e i B ü n d e , die sich in der Folge zu Graubünden zusammenschlossen, das E n t l i b u c h , das H a s 1 i - und S i m m e n t a l , G r e y e r z , W e r d e n b e r g , T o g g e n b u r g u. a. (vgl. darüber sehr eingehend Eugen I i u b e r , System und Geschichte des schweizerischen Privatrechts (4 Bde, lb86 bis 1893) spez. Bd. I V (Geschichte). 16 So neben Chur, von dem ich bereits sprach, L a u s a n n e (1144), S i t t e n (13. Jahrhundert), B a s e l (1264), S t . G a l l e n (1291) und G e n f (1387). 17 Die w e l t l i c h e n Verleihungen werden nach den Herrschern, die sie verliehen, in v i e r G r u p p e n eingeteilt: Die z ä h r i n g i s c h e mit Freiburg i. Br. als Mutterrecht, die h a b s b u r g i s c h - ö s t e r r e i c h i s c h e , die n e u e n b u r g i s c h e und schließlich die s a v o i s c h e , letztere vor allem für W a a d t und W a l l i s .

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(„Die Berner Handfeste", Bern 1953) nun wohl endgültig rehabilitierte. Rechtshistorisch wertvoller als solche Verleihungen, die meist nach einem bestimmten Mutterrecht ausgefertigt wurden, erscheinen jene Fälle, da die Bürger i h r eigenes Gewohnheitsrecht schriftlich fixierten, wie dies i n Z ü r i c h geschah, dessen „ R i c h t e b r i e f d e r B u r g e r " v o n 1304 eingangs ausdrücklich erklärt: „Diese Gesetzeden hant die Burger von Zürich der Stadt zu eren under i n selber ufgesetzed", was wohl auch für L u z e r n s „ G e s c h w o r n e n B r i e f " v o n 1252 und S c h a f f h a u s e n s R i c h t e b r i e f v o n 1291 angenommen werden darf. Denn w i r haben es zwar auch hier nicht m i t Neuschöpfungen, wohl aber m i t Aufzeichnungen von i n diesen städtischen Verhältnissen gewachsenem Recht zu tun. I n schroffem Gegensatz dazu steht der Vorgang, daß eine Stadt einfach das Recht einer anderen übernimmt, wie dies L u g a n o m i t dem S t a d t r e c h t v o n C o m o getan hat, und i n der M i t t e steht jene Rechtsbildung i n der Waadt, wo das m i t Recht angesehene S t a d t r e c h t v o n M o u d o n von den waadtländischen Städtchen M o r g e s , N y o n und Y v e r d o n zu einem gemeinwaadtländischen Rechte ausgebildet wurde, nach und nach auch i n F r e i b u r g Geltung erhielt und schließlich als „coutumes de ces quatre bonnes villes du Pays de Vaud" Gegenstand des K o m m e n t a r s Q u i s a r d (1562) wurde. Diese Land- und Stadtrechte werden strafrechtlich vielfach ergänzt durch die H o c h g e r i c h t s - oder M a l e f i z o r d n u n g e n mancher Orte, die allerdings strafrechtlich nicht sehr ergiebig sind und meist lediglich den Rechtsgang regeln, aber doch oft i n ihren Urteilsformeln sagen, welche Strafen an diesem Orte ausgefällt wurden und wie sie vollzogen worden sind. Dabei fällt eine gewisse Gleichförmigkeit auf, die wohl darauf zurückzuführen ist, daß diese Ordnungen vielfach unverändert von einem anderen Ort übernommen wurden (so ζ. B. die Malefizordnung von Glarus durch Schwyz, St. Gallen und die Freien Aemter [Aargau]), so daß die Bemerkung Osenbrüggens, es sei aus ihnen „ein gemeinsamer Prozeßgang i n peinlichen Sachen" zu erkennen, richtig, aber infolge solcher Übernahme ohne große Bedeutung ist 1 8 . Sehr viel wertvoller ist daher die Ergänzung, welche diese Gesetzesgebung durch die vielen offiziellen oder privaten C h r o n i k e n erhält, die auf uns gekommen sind, zwar i n erster Linie von Staatsund Kriegsgeschichte Kenntnis geben, aber auch der „ c a u s e s c é l è b r e s " jener Zeit gedenken und uns damit u. a. A n t w o r t auf die Frage erteilen, ob die harten Satzungen i n der Praxis auch wirklich starr zur Anwendung gelangten und inwieweit sie durch das „ R i c h t e n n a c h 18

Vgl. dazu Osenbrüggen, Rechtsgeschäftliche Studien S. 273 ff. („Schweiz. Hochgerichtsordnungen").

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G n a d e " gemildert wurden 1 9 . Darüber orientieren noch besser die i n manchen Städten geführten und erhaltenen S t a d t b ü c h e r , i n welchen nicht nur die Satzungen, sondern auch die ausgefällten K r i m i n a l urteile chronologisch wiedergegeben sind. Sie gestatteten ζ. B. i n S t. G a 11 e η Dr. C a r 1 Μ ο s e r i n Bd. V bis V I I (1951/55) seines Werkes „Die freie Reichsstadt und Republik St. Gallen" die Praxis der Strafjustiz jener Zeit zur Darstellung zu bringen und ebenso für Z ü r i c h Z e l l e r - W e r d m ü l l e r i n seinem dreibändigen Werk „Die Zürcher Stadtbücher des 14. und 15. Jahrhunderts" (1898—1906). Einer besonderen Betrachtung bedürfen endlich die R e c h t s q u e l len der U n t e r t a n e n g e b i e t e und gemeinen Herrs c h a f t e n , denn die Eidgenossen, die sich selbst unter schwersten Opfern die Freiheit von Österreich und schließlich vom deutschen Reich erkämpft hatten, haben diese den Ländern vorenthalten, die durch Eroberung i n ihren Besitz gelangt waren. So war die W a a d t Untertanengebiet Berns, das L i v i n e n t h a l Untertanengebiet Uris geworden, während das Gebiet der heutigen Kantone A a r g a u , T h u r g a u u n d T e s s i n als „gemeine Herrschaften" i n der gemeinsamen Verwaltung mehrerer Orte standen, und es sich fragt, ob i n d i e s e n T e r r i t o r i e n das R e c h t des U n t e r t a n e n g e b i e t e s w e i t e r G e l t u n g h a t t e o d e r das R e c h t der j e w e i l i g e n H e r r s c h a f t g a l t . M a n kann darauf allgemein antworten: Diesen Territorien blieb die Anwendung einheimischen Rechtes erhalten, soweit dieses nicht ausdrücklich durch Erlasse der „regierenden Orte" abgeändert worden war. Das letztere traf häufiger zu, wo nur e i n Ort die Herrschaft ausübte (Waadt, Livinenthal), seltener i n den gemeinen Herrschaften, und es hat i m schwierigsten Fall, der Rechtssetzung und Rechtsprechung i n den ennetbirgischen Vogteien (Tessin), ein Dekret der X I I Orte für Mendris und Baierna 1678 bestimmt: „ I n a l l e n Zivil-, K r i m i n a l - und Malefizfällen soll erstlich laut Dekreten, mangels solchen nach Statuten und m a n g e l s s o l c h e n nach k a i s e r l i c h e n R e c h t e n geu r t e i l t w e r d e n . " Das aber wollte besagen, daß i n erster Linie die (nicht sehr zahlreichen) eidgenössischen Erlasse (Dekrete) anzuwenden seien, hierauf die heimischen Rechte und Gewohnheiten (Statuten) und schließlich das „kaiserliche Recht", worunter aber nicht die Caro19 Einen Überblick über die Mannigfaltigkeit dieser Chroniken enthält der Artikel „ C h r o n i k e n " i m „Histor.-Biograph. Lexikon der Schweiz" II/579 ff. Strafrechtlich kommen vor allem in Betracht die Berner Chroniken von Konrad Justinger, Diebold Schilling, Valerius Anselm und Michael Stettier, die Z ü r c h e r Chroniken von Georg Edlibach und Johannes Stump , die Chronik des L u z e r n e r Diebold Schilling, die G 1 a r η e r Chroniken v. Aegidius und Valentin Tschudi, Christian Wurstisens B a s l e r C h r o n i k , die waadtländische „ C h r o n i q u e d e M o u d o n " und die „ C r o n a c a L u g a η e s e" des Tessiners Nicola Laghi (16. s.).

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Das schweizerische Strafrecht

lina, sondern das Recht der regierenden Orte zu verstehen war, welches die eidgenössische Tagsatzung als Appellationsinstanz zu gewährleisten hatte (bei divergierendem Rechte keine leichte Aufgabe!) 2 0 . E u g e n H u b e r , der verdiente Schöpfer des schweizerischen ZGB, sagte von den schweizerischen Stadtrechten — und das gilt i n noch erhöhtem Maße von den Landrechten —, sie seien nur „ein erster entwicklungsfähiger Anfang gewesen" (Geschichte des Schweiz. Privatrechts IV/65). Sind sie, muß gefragt werden, i n der folgenden Zeit, da sich die Schweiz m i t Ausnahme der Religions- und Bauernkriege bis 1798 einer relativ friedlichen Entwicklung erfreute, verbessert oder wenigstens ergänzt worden? Das ist i n relativ geringem Umfange bei den L a n d r e c h t e n geschehen. Wie ich schon am Beispiel von Glarus zeigte, haben die Länder am alten Recht festgehalten und wenig neues hinzugefügt. M i t e i n e r Ausnahme, bei der die Voraussetzungen besonders günstig waren: Das W a l l i s , das damals noch lediglich zugewandter Ort war, hatte schon 1446 sein bisheriges Gewohnheitsrecht i n den „ A r t i k e l n von Naters" zusammengefaßt, es hatte hierauf 1511 sein berühmtester Sohn, Kardinal Schinner, durch eine Kommission von Rechtsgelehrten ein eigentliches Landrecht erstellen lassen, dessen Geltung zwar umstritten ist, weil die Niederlage von Marignano den Sturz Schinners nach sich zog, das aber zum großen Teil i n das ausgezeichnete Landrecht aufgenommen wurde, das 1571 von Bischof Hiidebrand von Riedmatten dem Wallis geschenkt worden ist und das m i t zwei Revisionen (1597 und 1780) bis 1798 i n Geltung stand (vgl. dazu C a r l e n , Das Landrecht des Kardinals Schinner [Freib. Diss. 1955]). Dagegen vollzog sich auf dem G e b i e t d e r S t a d t r e c h t e i n dieser Zeit, was man später die S t a d t r e c h t s - R e f o r m a t i o n genannt hat, die i n der Schweiz u m die M i t t e des 16. Jahrh. begann, i m 17. Jahrh. ihren Höhepunkt erreichte, aber nach dem Bauernkrieg (1653) allmählich abflaute. Ihre Träger waren die meist juristisch gebildeten Stadtschreiber, sie hat aber insbesonders strafrechtlich nie und nirgends zu einem eigentlichen Gesetzbuch i m Sinne der CCC oder auch nur zu einem Rechtsbuch i m Sinne des Sachsen- oder Schwabenspiegels geführt. Sie verfolgte i m wesentlichen zwei Ziele: Ausgleichung der Widersprüche zwischen den oft i m gleichen Ortsgebiet geltenden ver20

Eine ausgezeichnete Darstellung dieser Verhältnisse gewährt A n d r e a s Heusler in der Einleitung zu „Rechtsquellen des Kt. Tessin" (Basel 1892). Lesenswert auch die beiden Zürcher Dissertationen von Otto Weiss: „Die tessinischen Landvogteien der X I I Orte im 18. Jahrhundert" (1914) und Franco Paravicini: „Beitrag zur Rechtsgeschichte des Luganese" (1934). Über die eidgenössische Strafjustiz im Kt. Tessin urteilt Heusler, sie sei trotz aller Mängel nicht als „Unterdrückung unter rohe gewalttätige Tyrannei" empfunden worden, manchem Landvogt habe man Liebe und Verehrung entgegengebracht. Tatsache ist, daß t r o t z dieser Rechtspflege die Tessiner 1798 zwar frei, aber Schweizer bleiben wollten: Liberi e Svizzeri!

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Straf rechts

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schiedenen Rechtsquellen und damit Vereinheitlichung i m Ortsgebiet, sowie Weiterbildung dieses Rechtes i m Sinne seiner Verbesserung. So hat bespielsweise B e r n die bereits erwähnte Handfeste von 1218 zum Stadtrecht von 1539, dann zur Gerichtssatzung von 1614 und schließlich zur erneuerten Gerichtssatzung von 1761 weitergebildet und für sein welsches Untertanengebiet (Waadt) die „Coutumes de Moudon", die dank dem Kommentar Quisard zu einer A r t Coutumier des Welschlandes geworden waren (sie finden sich abgedruckt i n der ZSR X I I I bis XIV), 1616 durch „Der Landschaft Waadt Satzungen und Statute" ersetzt, zu denen J. F. Β ο y ν e , A n w a l t an der welschen Appellationskammer i n Bern, unter dem Titel „Remarques sur les lois et statuts du Pays de Vaud" 1756 einen Kommentar schrieb, zusammen m i t dem Kommentar Quisard die einzigen wissenschaftlichen Bearbeitungen des geltenden Rechtes i n jener Zeit. Schon das Stadtrecht (Gerichtssatzung) von 1539 hatte übrigens den Beifall H e i n r i c h P f e n n i n g e r s gefunden, der i n seinem „Strafrecht der Schweiz" (1890) dieses bernische Stadtrecht zur Grundlage seiner Darstellung des damaligen Strafrechts machte, weil es dieses i n typischer Vollkommenheit enthalte und größte Kürze m i t der größten Anschaulichkeit verbinde (1. c. S. 12 ff.). II. F r e m d r e c h t l i c h e

Einflüsse

Es wäre sonderbar, wenn die schweizerischen Orte bei ihrer mangelhaften Gesetzgebung und schon infolge ihrer geographischen Lage nicht i n Theorie und Praxis auch fremdrechtlichen Einflüssen zugänglich gewesen wären. Ich habe schon früher den möglichen Einfluß deutscher Landfrieden und Rechtsbücher erwähnt. Die R e z e p t i o n d e s r ö m i s c h e n R e c h t s , wie sie i m 15./16. Jahrh. für Deutschland festgestellt werden muß, hat i n der Schweiz weder i m Z i v i l - noch i m Strafrecht stattgefunden, was wohl darauf zurückzuführen ist, daß bei uns die Rechtsprechung bis i n die höchsten Gerichte Laienrichtern anvertraut war und daß schon lange vor der Loslösung vom Reich jeder Weiterzug an Reichsinstanzen abgelehnt worden ist. Dagegen ist ein m i t t e l b a r e r E i n f l u ß d e r R e z e p t i o n insofern nicht zu leugnen, als die i m Jahre 1532 i m Geiste Schwarzenbergs geschaffene „ P e i n l i c h e H a l s g e r i c h t s o r d n u n g K a i s e r K a r l s V." (Carolina oder CCC abgekürzt) viel römisch-rechtliches Gedankengut enthält, und zwar nicht sofort, aber doch im 17./18. Jahrh. einen starken Einfluß auf die schweizerische Rechtsprechung i n Strafsachen ausübte, indem sie an einigen wenigen Orten zum geltenden Recht erklärt wurde — i n Basel, St. Gallen, vielleicht auch Schaffhausen —, aber auch dort, wo dies nicht geschah, von der Kriminaljustiz subsidiär zu Rate gezogen wurde. Das geschah nicht, weil man sie auch für 12 Ausländisches Strafrecht II

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Das schweizerische Strafrecht

die Schweiz als verbindlich erachtete, wohl aber wegen ihrer Vortrefflichkeit als beste Strafrechtskodifikation ihrer Zeit, deren Hilfe auch unsere Laienrichter, schon wegen ihrer eigenen mangelhaften Gesetzgebung, gerne i n Anspruch nahmen. Die hohe Wertung, welche die Carolina damals i n der Schweiz genoß, ist vor allem aus zwei Umständen ersichtlich: daß sie, wovon ich bereits sprach, zum schweizerischen Kriegstrafrecht für die Söldner i n fremden Diensten erklärt wurde und daß die R e p u b l i k d e r d r e i B ü n d e (Graubünden) sich 1716 eine M a l e f i z o r d n u n g gab, die einheimisches Gewohnheitsrecht, bisherige Rechtssatzungen und reichsdeutsches, Strafrecht miteinander zu vereinigen suchte und sich offen als Rezeption der Carolina bekannte 2 1 . Was hier auf dem Wege der Gesetzgebung geschah, vollzog sich i n den Gebieten des Fürstabtes von S t . G a l l e n und des Fürstbischofs von B a s e l auf dem Wege der Gerichtspraxis 22 , und für alle bezeichnend ist die Motivierung, die der bündnerische Gesetzgeber seiner Anlehnung an die CCC gab, seine Richter seien Berufsleute, sie hätten keine Zeit „die Schriften der Rechtsgelehrten zu durchblättern", und müßten daher durch klare Regeln i n Verfahren und Urteil geleitet werden 2 3 Es konnte allerdings nicht ausbleiben, daß man vielfach diese Geltung der CCC als Überbleibsel der früheren Reichshoheit betrachtete, weil man sie m i t den „ k a i s e r l i c h e n R e c h t e n " identifizierte, auf welche sich schweizerische Gerichte bei Beurteilung schwerster Verbrechen auch noch nach der Loslösung vom Reich zu berufen pflegten, ohne allerdings zu sagen, was damit gemeint sei. Das tut ja auch die CCC und versteht darunter „römisches Recht" (Art. 104). Heute neigt man eher der Auffassung zu, daß damit zwar i n bestimmten Zusammenhängen die CCC gemeint sein kann, daß aber i m allgemeinen das „ R i c h t e n n a c h k a i s e r l i c h e n R e c h t e n " kein bestimmtes Recht i m Auge hatte — außer der CCC könnten noch der Schwabenspiegel oder die kaiserlichen Landfrieden i n Frage kommen —, sondern selbst altes Herkommen war, wie 1 man ja auch noch vielfach i m 18. Jahrh. das Blutgericht „ R e i c h s k a m 21

Vgl. Baumgärtner, Die Geltung der peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V in „Gemeinen I I I Bünden" (Berner Diss. 1929). 22 B a s e l und S t . G a l l e n nahmen bis zum westfälischen Frieden v. 1648 überhaupt eine Art Zwischenstellung ein, wozu in Basel noch der Einfluß der Universität kam, deren juristische Fakultät dem Rat den ständigen Rechtskonsulenten stellte, in dessen strafrechtlichen Gutachten, „Bedenken" genannt, die CCC eine überragende, wenn auch nicht ausschließliche Rolle spielte. Dazu Nagler, Die Geltung der Carolina in Basel in der Festschrift zur Feier des 450jährigen Bestehens der Universität Basel (Basel 1910). 23 Dazu Meyer, Albert: Die Geltung der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V. im Gebiet der heutigen Schweiz (Bern 1911), ferner die bereits in Anm. 21 erwähnte Arbeit Baumgärtners und Anton v. Segesser in seiner Rechtsgeschichte Luzerns Bd. I V , 5. Buch.

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m e r " nannte und ζ. Β. i n Appenzell nach 1863 der öffentliche A n kläger den Namen „R e i c h s ν ο g t " führte (Osenbrüggen, Culturhist. Bilder S. 18) 24 . Man w i r d schließlich gerade für schweizerische Verhältnisse auch den Einfluß nicht gering anschlagen dürfen, den das m o s a i s c h e S t r a f r e c h t i n der Form, wie· es uns die Bibel übermittelt, auf die mittelalterliche schweizerische Strafrechtspfiege ausgeübt haben mag. Ist er schon vor der Reformation bei der Lückenhaftigkeit unserer Gesetzgebung und der Kirchenverbundenheit unserer Vorfahren nicht gering gewesen, ist er sicher durch die Reformation mit ihrem starken Bibelglauben eher noch verstärkt worden. Wohl zutreffend spricht H e i n r i c h P f e n n i n g e r (1. c. 93) von einem eigentlichen R e f o r m a t i o n s - S t r a f r e c h t , das der Obrigkeit als der Stellvertreterin Gottes auf Erden höheren Schutz gewährte und zu härterer Bestrafung der Delikte neigte, welche Kirche oder Moral verletzen (Gotteslästerung, Ketzerei, Ehebruch und eigentliche Sittlichkeitsdelikte). Während dies i m Zürich Zwingiis zur Hinrichtung einiger Wiedertäufer führte, waren die Strafen Calvins so drakonisch, daß J. J. Rousseau, „citoyen de Genève", noch zweihundert Jahre später i n seinen „Lettres de la montagne" diese Blutjustiz an den Pranger stellte. Darob dürfen w i r aber nicht vergessen, daß der gleiche Christenglaube auch jene holländischen Bürger beseelte, die Ende des 16. Jahrh. dem mittelalterlichen Blutstrafensystem durch Errichtung von Zuchthäusern entgegenwirkten und jene großen Reformer, die wie John Howard durch Verbesserung des Gefängniswesens den Sieg der Freiheitsstrafe über Todes- und Körperstrafen möglich machten. I n der Form der „Schallenwerke" haben diese Bestrebungen schon zu Anfang des 17. Jahrh. den Weg auch zu uns gefunden, so daß diese Wirkung des neuen Testaments die des alten wohltätig paralysierte. III. D a s m a t e r i e l l e

Strafrecht

der

einzelnen

Orte

Es ist angesichts der Vielgestaltigkeit der Rechtsquellen zunächst die Frage am Platze, o b d e r f o r m e l l e n M a n n i g f a l t i g k e i t d i e m a t e r i e l l e e n t s p r i c h t . Diese Frage ist von den besten Kennern dieses Strafrechts — Eduard Osenbrüggen, Heinrich Pfenninger, Hermann Rennefahrt u. a. 2 5 — übereinstimmend verneint wor24 Darüber vor allem Rennefahrt, Das Richten nach kaiserlichem Recht im alten Bern in der „Zeitschrift des bern. Juristenvereins" Bd. 65/529. 25 So stellt Osenbrüggen in seinen „Reditsgeschichtlichen Studien" S. 273 fest, es lasse sich in der deutschen Schweiz „nicht undeutlich ein gemeines materielles Strafrecht und ein gemeiner Prozeßgang in peinlichen Sachen" erkennen ,und Heinrich Pfenninger begründet I.e. S. 10ff. eine ähnliche Behauptung damit, daß Ausnahmen als „Besonderheiten kantonaler Lebensverhältnisse" nicht stark ins Gewicht fallen gegenüber dem „gemeinsamen Rechtsbewußtsein einer gleichstämmigen Bevölkerung, welche die Kraft

12*

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Das schweizerische Strafrecht

den: W i r h a b e n es i m S t r a f r e c h t d e r e i n z e l n e n O r t e m i t e i n e m i n den G r u n d z ü g e n g l e i c h e n R e c h t zu t u n , das überdies mit dem damaligen deutschen bzw. süddeutschen Strafrecht übereinstimmt, wie es i n einer der besten Gesamtdarstellungen dieses Strafrechts, der zweibändigen Arbeit des aus Basel stammenden R u d o l f H i s : „ D a s S t r a f r e c h t d e s d e u t s c h e n M i t t e l a l t e r s " (Bd. I 1920, Bd. I I 1935), seine vor allem auch für die Schweiz gültige Prägung gefunden hat. Unsere Kenntnis dieses Strafrechts leidet darunter, daß die modernen Bearbeiter des heutigen schweizerischen Straf rechts sich fast regelmäßig einer geschichtlichen Einleitung enthalten ( C a r l S t o o s s i n seinen „Grundzügen", E r n s t H a f t e r i n seinem „Lehrbuch", ebenso S c h w a n d e r und sämtliche Kommentatoren m i t Ausnahme von T h o r m a n n - O v e r b e c k , die i n Bd. I 1—29 die bisherige Gesamtentwicklung zu kurzer Darstellung bringen). Wer das mittelalterliche Straf recht der Schweiz kennen lernen w i l l , greift am besten zu E d u a r d O s e n b r ü g g e n s „Alemannischem Strafrecht" (1860), das dieses von den Karolingern bis zur Helvetik zur Darstellung bringt, und zu seinen „Rechtsgeschichtlichen Studien" (1881), i n welchen dieser Balte m i t großer Einfühlungsgabe und stets bedeutender Darstellung Einzelfragen dieses Rechts behandelt. I n einer noch umfassenderen Weise hat H e i n r i c h P f e n n i n g e r i n seinem „Strafrecht der Schweiz" (1890) auch dessen Geschichte darzustellen versucht, ist aber allzusehr i n Einzelheiten stecken geblieben. Da aber dieses Strafrecht auch i m Strafrecht eines einzelnen Ortes erkannt werden kann, sei ergänzend auf die Darstellungen hingewiesen, die w i r vom Strafrecht einzelner Orte besitzen 26 . Für das Recht ζ. Z. des Bundesschwurs verhatte, sich ihr politisches Leben selbst zu gestalten". Ähnlich Rennefahrt in der SJZ 34, 21 ff., wo er von einer „tatsächlichen Strafrechtseinheit der ganzen Schweiz im Mittelalter" spricht. 26 Als solche D a r s t e l l u n g e n nenne ich: H. Rennefahrt: „Grundzüge der bernischen Rechtsgeschichte" 3. Teil: Straf recht und Strafverfahren (1933), Karl Metzger: „Die Verbrechen und ihre Straffolgen im Basler Recht des späteren Mittelalters" (1931), von dem aber nur der „Allgemeine Teil" erschienen ist, Carl Moser-Nef: „Die freie Reichsstadt und Republik St. Gallen", in deren Bd. V bis V I I der Verfasser auf Grund von 300 Ratsund Gerichtsprotokollen aus der Zeit von anfangs 14. Jahrh. bis 1798 eine A r t „St. Galler Strafrechtsspiegel" zusammengestellt hat. Ferner Emil Stutz: „Das Strafrecht von Stadt und Amt Zug" (1352 bis 1798), (Bern. Diss. 1917), über das W a l l i s e r R e c h t Jean Graven: „Essai sur l'évolution du droit pénal valaisan jusqu à l'invasion française de 1798" (Genf 1927) und schließlich über das Strafrecht des Kt. Tessin neben der bereits zitierten ausgezeichneten Studie Andreas Heuslers C h i c h e r i o : „Apercu historique du droit pénal et des procédures pénales" (Bellinzona 1892) und neuestens Elsa Pozzi-Molo: L'amministrazione della giustizia nei balliggi appartenenti ai cantoni primitivi (Zürch. Diss. 1953) mit ausführlichen weiteren Literaturangaben.

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Straf rechts

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sucht einen Gesamtüberblick B r u n o M e y e r in seinem bereits genannten Werk über die Landfrieden von 1250—1350, und den Zusammenhang m i t dem mittelalterlich deutschen Straf recht jener Zeit vermittelt das bereits genannte grundlegende Werk des Baslers R u d o l f His. I n diesem Strafrecht vollzieht sich der Übergang des Rechtes des Verletzten zur Strafe fast unmerklich zum R e c h t d e s S t a a t e s z u r S t r a f e , dessen Strafzweck aber vorläufig fast ausschließlich auf U n s c h ä d l i c h m a c h u n g d e s T ä t e r s und A b s c h r e k k u n g a l l e r a n d e r n geht, nach der Forderung des Deuteronomiums cap. 19 Vers 19—20: „ D u sollst das Böse aus Deiner M i t t e ausrotten, die übrigen aber sollen es hören, daß sie sich fürchten und nie mehr eine solche böse Tat i n Deiner Mitte tun", oder nach einer Formel jener Zeit: „Dem Täter billig zur Strafe und andern zu einem schreckenlichen Exempel." Damit glaubte auch das schweizerische Strafrecht den Frieden am besten zu wahren, denn es ist ein ausgesprochenes F r i e d e n s r e c h t , das den F r i e d e n s e i n e r B ü r g e r i m a l l g e m e i n e n durch den g e b o t e n e n oder g e l o b t e n F r i e d e n i m E i n z e l f a l l verstärken läßt, wie dies vor allem P f e n n i n g e r (1. c. S. 8 ff.) gut zur Darstellung gebracht hat. Dagegen hat es m. E. keinen Zweck, neben dieser allgemeinen Charakterisierung auf die Dogmatik dieses Strafrechts i m besonderen einzutreten, denn wie überall i m Mittelalter sucht man auch in, der schweizerischen, Gesetzgebung vergebens nach a l l g e m e i n e n L e h r e n oder f e s t u m r i s s e n e n T a t b e s t ä n d e n . Beide könnten höchstens der Rechtsprechung entnommen werden, wie es für die allgemeinen Lehren i m Basler Strafrecht M e t z g e r (1. c. S. 139) versucht hat, während vom Verbrechenskatalog jener Zeit zu sagen ist, daß er bereits die Haupttypen des unsrigen enthält, aber höchstens bei der Scheidung zwischen Mord und Totschlag dogmatisches Interesse bietet 2 7 . Charakteristisch nicht nur für das schweizerische, sondern für das gesamte mittelalterliche Strafrecht sind die Tatbestände der Zauberei, Hexerei und Ketzerei, von denen nach G. B a d e r „Die Hexenprozesse i n der Schweiz" (Zürch. Diss. 1945) allein die Hexenprozesse über 8000 Personen i n Strafuntersuchung geführt und über 5000 Personen das Leben gekostet haben. Diese Verfolgungen verteilen sich ziemlich gleichmäßig auf die Zeit vor und nach der Reformation, auf katholische und protestantische Orte, und es sind Z w i n g l i und Calvin so wenig wie Luther von diesem 27 Vgl. zu dieser Streitfrage im früheren schweizerischen Recht: Osenbrüggen, Beitrag zur Strafrechtsgeschichte der deutschen Schweiz (1859) und Konrad Stockar, Die Lehre von der Tötung nach dem Zürcher Richtebrief (Zürch. Diss. 1865).

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Das schweizerische Strafrecht

Irrglauben verschont geblieben 28 . Eine schweizerische Besonderheit bildet dabei die Tatsache, daß 1782 i n Glarus die letzte Hexe (Anna Goeldli) hingerichtet w u r d e 2 9 und daß bei uns die genannten drei Tatbestände nie ausdrücklich aufgehoben worden sind, wie dies ζ. B. 1714 i n Preußen und 1740 i n Österreich geschah. Auch das S t r a f e n s y s t e m hat mit dem mitteleuropäischen Strafrecht gemeinsam, daß T o d e s - und K ö r p e r s t r a f e n dominieren und daß vor allem die ersteren i n enger Verbindung m i t bestimmten Verbrechen (vor allem als spiegelnde Strafen) stehen. Die F r e i h e i t s s t r a f e kommt zunächst lediglich i n der Form des „ewigen Gefängnisses" oder der „Einmauerung" im eigenen Hause vor, erst i m 16./17. Jahrhundert gelangt die Galeerenstrafe häufiger zur Anwendung, zuerst in der Schweiz selbst, dann als Verschickung auf venezianische, genuesische oder französische Galeeren, was nicht nur von gefährlichen Verbrechern auf Lebenszeit befreite, sondern direkt gewinnbringend war, weshalb ihre Abschaffung durch die französische Revolution sehr bedauert wurde. Daneben versuchte man, die Verbrecher durch Einweisung in fremden Militärdienst loszuwerden, man erwog sogar den Gedanken der Anlegung von Verbrecherkolonien i n den Alpen und hat vor allem i m 18. Jahrhundert alles, was man nicht frei herumlaufen lassen konnte und (mangels schwerer Verbrechen) auch nicht hinrichten oder auf die Galeeren schicken durfte, i n den sogenannten S c h a l l e n w e r k e n untergebracht, die seit Beginn des 17. Jahrhunderts nach dem Vorbild der holländischen „Tuchthuis" als Arbeitsanstalten i n Bern, Zürich, Basel, St. Gallen und i n Städten der welschen Schweiz errichtet worden waren. Wenn w i r von den B u ß e n absehen, die zur Bereicherung des Staates und nicht selten auch der Richter (vor allem i n den Untertanengebieten) etwas allzu häufig ausgefällt wurden, haben von all den Mitteln, m i t denen die Schweiz i m Mittelalter das Verbrechen bekämpfte, eigentlich nutf diese Schallenwerke den Zusammenbruch der alten Eidgenossenschaft überlebt, indem sie mancherorts i n Strafanstalten umgewandelt und so zur Grundlage und Hauptstrafe der neuen Strafvollzuges geschaffen wurden 3 0 . 28

Zu den H e x e n v e r f o l g u n g e n i n d e r S c h w e i z enthält die Arbeit G. Baders erschöpfende Angaben über die Spezialliteratur. Zur Stellungnahme der Reformatoren vgl. Oskar Pfister: Calvins Eingreifen in die Hexenprozesse von 1545 (Zürich 1947). 29 Aus der sehr umfangreichen Literatur über diesen Fall nenne ich Osenbrüggen, Rechtgeschichtliche Studien S. 413 ff., Braunschweig, Schicksale vor den Schranken (1943), S. 160 ff. und Kaspar Freuler Anna Goeldli (Zürich 1947). 30 Vgl. dazu Hafner, Geschichte der Gefängnisreformen in der Schweiz (Bern 1901).

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Strafrechts

IV. D i e

183

Aufklärung

Die Aufklärung ging zweifellos auch für die Schweiz von Frankreich aus, aber auf dem Gebiet der Strafrechtspflege kam das eigentliche Fanal aus Italien, als dort C e s a r e B e c c a r i a B o n e s a n a 1764 i n Livorno, m i t angeblichem Erscheinungsort Lausanne, sein kleines Büchlein „ D e i d e l i t t i e d e l l e p e n e " („Über Verbrechen und Strafen") erscheinen ließ, das sich i n mitreißendem Pathos gegen die Tortur und das Übermaß an Blutstrafen wandte und sehr rasch auch i n der Schweiz bekannt geworden sein muß, denn schon 1765 ehrte die „Patriotische Gesellschaft" i n Bern den unbekannten Verfasser durch Prägung einer Medaille als „marque d'estime" und bereits 1766 veröffentlichte V o l t a i r e , diesmal wirklich i n Lausanne, zum Buche Beccarias seinen „ C o m m e n t a i r e p a r u n a v o c a t d e p r o v i n c e " . Noch i m gleichen Jahre schrieb der bekannte Basler Philanthrop I s a a c I s e l i n an Moses Mendelsohn i n Berlin, das Buch Beccarias habe i n der Schweiz vor allem bei den Leuten, die täglich „Zeugen der abscheulichen Mißbräuche sind, welche aus den Überbleibseln einer barbarischen Kriminalrechtsgelehrsamkeit entstehen", ein eigentliches Entzücken hervorgerufen 3 1 , und i n der Tat scheint vor allem die P r a x i s d e r S t r a f r e c h t s p f l e g e von den neuen Ideen am stärksten beeindruckt worden zu sein, denn man richtet seither häufiger „nach Gnade" und macht seltener von der Tortur Gebrauch. Es ist ganz offensichtlich, daß die Aufklärung auch bei uns die m i t der französischen Revolution herbeigeführte Kriminalreform geistig vorbereitete, wenn auch i n der Gesetzgebung bis zum Zusammenbruch der alten Eidgenossenschaft alles beim A l t e n geblieben ist. Auch i m Schrifttum findet sich nur e i n Rufer i m Streit: H e i n r i c h P e s t a l o z z i , der durch seinen Freund Iselin auf Beccaria aufmerksam gemacht worden sein dürfte und sowohl i n seinem Buch „ U e b e r G e s e t z g e b u n g u n d K i n d e r m o r d " (1783) wie auch i n „ A r n e r s G u t a c h t e n ü b e r K r i m i n a l g e s e t z g e b u n g " (in „Lienhard und Gertrud") vor allem für den Ersatz der Leibes- und Lebensstrafen durch die Freiheitsstrafe eintritt und für deren Ausgestaltung zur Besserungsstrafe das höchst modern anmutende Postulat aufstellt, es solle der Strafvollzug lediglich „Hilfe zur Selbsthilfe" sein und den Sträfl i n g selbst zur Mitarbeit an seiner Besserung aufrufen. Vom Geist der Aufklärung dürfte übrigens bereits das Vorgehen Lavaters und Füsslis gegen den ungerechten Landvogt v. Grebel inspiriert worden sein, eine zürcherische Parallele zum Kampf Ciceros gegen Verres, von der 81 Der Brief findet sich wiedergegeben in Gustav Radbruchs „Elegantiae iuris criminalis" 2. A. Basel 1950 S. 181 ff. Die Wirkung Beccarias in der Schweiz zeigt gut dokumentiert Paul-Emile Schazmann: Le traité des délits et des peines en Suisse", erschienen in der Z. Bd. 57, 56 ff.

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Das schweizerische Strafrecht

Goethe sagte: „Eine solche Tat g i l t hundert Bücher" 3 2 , während andererseits die Hinrichtung des Nationalökonomen J. H. Waser i n Zürich (1780) und die strafrechtliche Behandlung der Führer im sogenannten Stäfner Handel (1795) 33 zur Genüge zeigt, wie wenig die damalige zürcherische Strafrechtspraxis vor allen in politischen Prozessen des neuen Geistes einen Hauch verspürt hat! § 4. Von der Helvetik zum Bundesstaat I. D a s S t r a f r e c h t d e r H e l v e t i k (1798—1803) M i t dem Widerstand Berns brach am 5. März 1798 die dreizehnörtige Eidgenossenschaft zusammen und mit i h r das bisherige Strafrecht i n Bund und Kantonen. A n ihre Stelle trat der E i n h e i t s staat der „einen und u n t e i l b a r e n h e l v e t i s c h e n Rep u b l i k " , in welchem die bisher selbständigen Orte zu bloßen Verwaltungsbezirken des Einheitsstaates wurden, in genau gleicher Weise wie die einstigen gemeinen Vogteien und Untertanengebiete, und der vor allem die Rechtsvereinheitlichung und ihre Anpassung an die Ideen der Aufklärung als einen seiner vornehmsten Programmpunkte betrachtete. Schon m i t Rätebeschluß vom 12. Mai 1798 war verfügt worden, „daß von jetzt an die Tortur i n ganz Helvetien abgeschafft seye", auch wurde die Vermögenskonfiskation als Straf mittel beseitigt und die Bestrafung wegen religiöser Meinungen verboten. Vor allem aber wurde am 4. Mai 1799 das „ P e i n l i c h e G e s e t z b u c h d e r H e l v e t i s c h e n R e p u b l i k " erlassen, das dem französischen Code pénal von 1791 nachgebildet war, gleich diesem auf Verbrechen beschränkt blieb, erhöhten Staatsschutz gegen innere Feinde (meist durch Androhung der Todesstrafe) anstrebte, als größten Fortschritt den Ersatz der bisherigen qualifizierten Todesstrafen durch die einfache Enthauptung vermittelst der Guillotine vorsah und die Körper- und Verstümmelungsstrafen endgültig aus dem Strafkodex verbannte. Neben die Todesstrafe trat als Hauptstrafe die Freiheitsstrafe in den drei Formen der Kettenstrafe, Stockhausstrafe und einfachen Einsperrung, von denen die beiden ersten als Vollzugsort die bisherigen Schallenwerke, die letztere die bisherigen Untersuchungsgefängnisse zugewiesen erhielten. Dieser Strafvollzug blieb kantonal, und es ist aie Helvetik selbst erst 1801 und fast zufällig zu einem „eidgenössischen 32

Lavaters Denkschrift wird wörtlich wiedergegeben und der Fall nach den Akten dargestellt bei G. Strickler, Lavater und Landvogt Grebel in Grüningen (Zürich 1902). 33 Dazu: Ander egg, Johann Heinrich Wiaser, sein Leben und sein Werk (Zürich 1932), Kaspar Fr euler, Anna Göldli, die Geschichte der letzten Hexe (Zürich 1947) und Otto Hunziker, Die Unruhen in der Landschaft Zürich 1794—1798, in „Quellen zur Schweizergeschichte" X V I I 233—249 (1897).

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Straf rechts

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Zuchthaus" gekommen, indem damals der Straßenbau Baden—Zürich dazu führte, daß durch Umbau eines Spitals i n Baden (Aargau) eine „helvetische Zentralzuchtanstalt" errichtet wurde, deren Sträflinge am genannten Straßenbau Verwendung fanden 3 4 . Der materiellrechtlichen Reform parallel gingen Bestrebungen, welche auch die Vereinheitlichung der Strafrechtspflege bezweckten, aber lediglich zur Errichtung eines obersten Gerichtshofes führten und im übrigen „ungenügendes Stück- und Flickwerk" blieben 3 5 . Wie ist diese helvetische Periode der schweizerischen Strafrechtsentwicklung, die schon 1803 i h r Ende fand, kriminalpolitisch zu werten? Der Vorwurf, i h r Strafrecht sei drakonisch-grausam gewesen, t r i f f t höchstens für den Staatsschutz m i t seinen vielen Todesstrafen zu, aber auch hier ist sofort beizufügen, daß einmal ein Dekret vom 27. Januar 1800 diese Todesstrafen lediglich als Maxima erklärte und Ersatz durch mindestens elfjährige Kettenstrafe zuließ, und daß tatsächlich die Gerichtspraxis während der ganzen Dauer der Helvetik, obwohl es dieser an inneren Erschütterungen nicht fehlte, kein einziges politisches Todesurteil vollzogen hat. Der Wahrheit kommt wesentlich näher H e i n r i c h P f e n n i n g e r , wennn er (1. c. S. 142) dieses Gesetz vor allem i m Hinblick auf das bisherige schweizerische Recht als „das m i l deste seiner Zeit" bezeichnet und m i t Recht seinen Hauptvorzug i n dem erblickt, womit es aufgeräumt hat: die qualifizierten Todesstrafen, die Körperstrafen, die Tortur, die Vermögenskonfiskation und all die Unterschiede, welche die Rücksichtnahme auf Stand, und Rang des Verbrechers m i t sich brachte. Der schwerste Angriff, der auf dieses Gesetz erfolgte, die Schrift des zürcherischen Oberrichters L u d w i g M e y e r ν. Κ η ο n a u „Bemerkungen über die Gebrechen des helvetischen Kriminalwesens" (Zürich 1802), tadelt denn auch nicht die Härte, sondern die Milde des Gesetzes, schwärmt für Wiedereinführung des Hängens und Räderns und glaubt, es werde „ein unbefangeneres, unterscheidenderes Jahrhundert" auch von der Tortur wieder einigen Gebrauch machen, womit er i n der Tat leider Recht behalten sollte. Richtig war, wenn er dem Gesetz vorwarf, der Vollzug der verschiedenen Formen der Freiheitsstrafe benötige „so viel Gefängnisse, sie Helvetien i n ruhigen Zeiten nie besaß". Aber auch m i t dem (unberechtigten) Vorwurf allzu großer Milde dürfte er der Mehrheit seiner M i t bürger aus dem Herzen gesprochen haben. Denn als m i t dem Ende der 34 Vgl. dazu Nold Halder: Der Strafvollzug zur Zeit der Helvetik (Z. 49/137 ff. (1935) und vom gleichen Verf.: Die helvetische Zentralzuchtanstalt Baden (Aarau 1935). Die Anstalt wurde 1803 vom Kt. Aargau übernommen und diente diesem noch bis 1855 als Strafanstalt. 35 So Lüthy, Die Gesetzgebung der helvetischen Republik über die Strafrechtspflege (Bern 1938), S. 152. Dazu weiter Levi , Der oberste Gerichtshof der Helvetik (Zürch. Diss. 1945).

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Das schweizerische Strafrecht

Helvetik auch das helvetische Gesetzbuch als solches aufgehoben wurde, haben auch diejenigen Kantone, die es als kantonales Recht beibehielten, seine Bestimmungen eher verschärft als gemildert. Trotzdem w i r d man heute m i t Heinrich Pfenninger (1. c. S. 160) feststellen dürfen, dieses Gesetz sei „wie kein anderes geeignet gewesen, den Übergang vom alten Recht zu vermitteln, eine gesunde Fortbildung anzubahnen und i n den wesentlichsten Stücken ein treffliches Vorbild zu sein", und man w i r d abschließend m i t Carl Stooss feststellen („Grundzüge" I S. 5): Es war ein sehr bedeutendes gesetzgeberisches W e r k 3 6 ! II. V o n d e r M e d i a t i o n z u m B u n d e s s t a a t

(1803—1848)

Die Mediationsakte vom 19. Februar 1803, die geniale Friedensvermittlung Napoleon Bonapartes, ließ die helvetische Gesetzgebung fallen und gab den Kantonen das Gesetzgebungsrecht zurück. Diese standen nun vor der Frage, ob sie das „Peinliche helvetische Gesetzbuch" als kantonales Recht beibehalten wollen oder ob sie es vorziehen, zu ihrem früheren Recht zurückzukehren, oder ob sie sich selbst neues Recht schaffen wollen. Den ersten Weg wählten fünf Kantone 3 7 und zum früheren Recht kehrten zurück die Urkantone, Glarus und die beiden Appenzell. Für die übrigen aber stellte sich die weitere Frage, ob sie sich selbst aus eigener K r a f t ein neues Strafgesetz schaffen wollen oder ob sie es vorziehen, sich ein fremdes Gesetzbuch zum Vorbild zu nehmen. Der erste Weg wurde von keinem Kanton beschritten. Es sind zwar vielfach Entwürfe ausgearbeitet worden (ζ. B. in Zürich 1806, 1819, 1827), aber es fehlte offenbar der Beruf zur Gesetzgebung. Es stand bei dieser Gruppe daher lediglich noch zur Diskussion, w e l c h e s Gesetzbuch man sich zum V o r b i l d nehmen wolle. Man ist erstaunt, welche Vorbilder i n Betracht gezogen worden sind! So wurde, allerdings ohne Erfolg, der Vorschlag gemacht, a u f d a s S t r a f r e c h t des a l t e n T e s t a m e n t s z u r ü c k z u g r e i f e n . Mehr Erfolg hatte der Vorschlag, d i e C a r o l i n a z u m V o r b i l d z u n e h m e n . Der K t . F r e i b u r g hat in der Tat 1803 das Peinliche Helvetische Gesetzbuch durch die CCC ersetzt, i m K t . N e u e n b u r g gab die Regierung den Gerichten Weisung, die CCC „comme une sorte de raison écrite" anzuwenden, d. h. wohl als eine A r t ergänzendes Naturrecht, und i m K t . S c h w y z wurde noch i m „Gesetz über das Rechtsverfahren in Kriminalfällen" vom 14. März 1835 auf 80

Das Gesetz findet sich publiziert im „Tagblatt der Gesetze und Dekrete der gesetzgebenden Räte der Helvetischen Republik" Bd. I S. 569 ff. E ne eingehende Darstellung bringt vor allem Heinrich Pfenninger 1. c. S. 142—163. 37 I n diese Gruppe gehören B e r n (bis 1867), W a a d t (bis 1843) S o l o t h u r η (bis 1859), L u ζ e r η (bis 1827) und T h u r g a u (bis 1841).

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Strafrechts

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die CCC verwiesen, „wobei aber unbenommen bleibt, sich auf die i n verschiedenen Kantonen eingeführten Strafgesetze und den allgemeinen Gerichtsgebrauch zu beziehen". Ebenso hat der K t . G r a u b ü n d e n die Malefizordnung, die er sich 1715 auf Grund der CCC und des Kommentars Froehlichs v. Froelichberg geschaffen hatte, 1808 neuerdings in K r a f t gesetzt und bis 1832 beibehalten. So konnte man noch 1821 in Chur beobachten, wie der Leichnam eines Mörders, der sich nach der Tat selbst entleibt hatte, unter dem Läuten des Rathausglöckleins vom Scharfrichter auf einer Kuhhaut durch die obere Reichsstraße zur Richtstatt geschleift und allda an den Galgen gehängt wurde, wo er zum warnenden und abschreckenden Exempel hängen bleiben sollte „bis er von selbst herunterfällt"! Neben diesem Rückgriff auf altes Recht waren es nun vor allem die n e u e n S t r a f g e s e t z b ü c h e r u n s e r e r N a c h b a r s t a a t e n , die für unsere kantonale Gesetzgebung vorbildlich wurden: F r a n k r e i c h s C o d e p é n a l von 1810 für G e n f , Österr e i c h s kurzes und klargefaßtes StGB von 1803 für den K t . A a r g a u (1804), das b a y e r i s c h e S t G B von 1813 für S t . G a l l e n (1819), B a s e l (1821) und L u z e r n (1827). I m StGB des Κ t. T e s s i n von 1816 sind alle drei Vorbilder wirksam. Das waren die Strafgesetzbücher, die in der Zeit der M e d i a t i o n (1803—1815) und i n der Zeit der R e s t a u r a t i o n (1815—1830), durch welche die Schweiz ihre Unabhängigkeit von Frankreich, i h r heutiges Territorium und die heutige Zahl von 22 bzw. 25 Kantonen erlangte (Bundesvertrag vom 7. August 1815), geschaffen worden sind. Nachdem dieser als Folge der französischen Julirevolution von 1830 die P e r i o d e d e r R e g e n e r a t i o n (1830—1848) folgte, führte dies zwar i n 16 Kantonen zu neuen Verfassungen, aber nur in relativ wenigen (Schaffhausen 1834, Zürich 1835, Basel 1835/1846, Luzern 1836, Thurgau 1841 und Waadt 1843) zu neuen Strafgesetzen, die nun stark von der gleichzeitigen deutschen Partikulargesetzgebung beeinflußt waren 3 8 . § 5. Das Strafrecht im Bundesstaat bis zur Vereinheitlichung Der Sonderbundskrieg von 1847 führte mit der Niederlage des Sonderbundes zur U m w a n d l u n g d e s b i s h e r i g e n e i d g e n ö s s i s c h e n S t a a t e n b u n d e s i n e i n e n B u n d e s s t a a t durch die B u n d e s v e r f a s s u n g v o m 12. D e z e m b e r 1848, die auch dem B u n d gewisse Kompetenzen auf dem Gebiet des Strafrechts ein88

Vgl. dazu Heinrich Pfenninger 1. c. S. 234—301. Der starke Freiheitsgehalt dieser Periode äußert sich vor allem strafprozessual und führt in Zürich, Genf, Solothurn, Bern, Thurgau, Schwyz, Waadt, Luzern und Glarus zu gesetzlicher Fixierung des Strafverfahrens.

1

Das schweizerische Strafrecht

räumte, i m übrigen aber den K a n t o n e n ihr Gesetzgebungsrecht beließ. Obwohl die staatliche Umwandlung von der Absicht getragen wurde, „den Bund der Eidgenossen zu festigen" (Präambel der Verfassung), hat man sich i n der Frage der Rechtsvereinheitlichung auf das notwendigste beschränkt und die Selbständigkeit der Kantone fast völlig unangetastet gelassen. Das gleiche war der Fall bei der Verfassungserneuerung vom 29. M a i 1874. Die Vereinheitlichung von Z i v i l und Straf recht ist erst durch die Verfassungsrevision vom 13. November 1898 möglich geworden (Revision von B V A r t . 64 & 64 bis), und auch sie hat die Organisation der Gerichte, das gerichtliche Verfahren und die Rechtsprechung „wie bis anhin" den Kantonen belassen. I. D a s S t r a f r e c h t

des

Bundes

Die Bundesverfassung vom 12. Dezember 1848 wurde für das schweizerische Straf recht nach folgenden Richtungen von Bedeutung: 1. Sie verbot i n A r t . 65, daß wegen politischer Vergehen ein Todesurteil ausgefällt werden dürfe. Die Revision von 1874 wollte hier einen Schritt weitergehen und die Todesstrafe überhaupt verbieten, ist aber i n diesem Punkte durch die Volksabstimmung vom 18. Mai 1879 wieder aufgehoben worden 3 9 . Dagegen blieb das Verbot körperlicher Strafen bestehen und wurde i n der Folge auch auf körperliche Züchtigung als Disziplinarstrafe (ζ. B. in den Strafanstalten) angewandt 4 0 . 2. B V A r t . 107 erklärte den Bund für kompetent, ein Gesetz über bestimmte Straftatbestände zu erlassen, wie sie i n A r t . 94, 103, 104 und 106 zum Schutze des Bundes und seiner Einrichtungen als notwendig erachtet wurden, und auch die Gerichtsbarkeit und das Verfahren zu regeln. Der Bund erließ daher am 4. Februar 1853 das „BG ü b e r das B u n d e s s t r a f r e c h t der schweizer i s c h e n E i d g e n o s s e n s c h a f t " , das aus einem allgemeinen Teil bestand, der bis Ende 1941 auch den allgemeinen Teil der sogenannten Nebenstrafgesetze des Bundes bildete, und einem besonderen Teil m i t n u r wenigen Straftatbeständen zum Schutze der äußeren und inneren Sicherheit der Schweiz gegen völkerrechtswidrige Handlungen und gegen Verbrechen von und gegen Bundesbeamte. Zuständig war ausschließlich das Bundesgericht „ m i t Zuziehung von Geschworenen, welche über die Tatfrage absprechen" („eidgenössische Assisen"), und das Verfahren wurde geregelt durch das „ B G über die B u n d e s s t r a f r e c h t s p f l e g e " vom 27. Juni 1934 39

Vgl. Stooss, Grundzüge I 58 ff. Vgl. Stooss, Grundzüge I 58 ff. Dazu Häberli, Die Disziplinarstrafen in den schweizerischen Gefängnissen (Zürch. Diss. 1911) und Merckling, Die körperliche Züchtigung (Zürch. Diss. 1922). 40

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Strafrechts

(BG 3/303), durch welches das Schwurgericht i m Bund eingeführt worden ist 4 1 .

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englischer Observanz

3. Die B V erklärte i n A r t . 20 die G e s e t z g e b u n g ü b e r d a s H e e r w e s e n als Sache des Bundes und schuf damit die verfassungsrechtliche Grundlage für das schweizerische M i l i t ä r s t r a f g e s e t z v o m 27. A u g u s t 1851, das bis 1. Januar 1927 i n Geltung stand, um vom heute noch geltenden M i l i t ä r s t r a f g e s e t z v o m 13. J u n i 1927 abgelöst zu werden. A u f der gleichen Grundlage ruht die M i l i t ä r s t r a f g e r i c h t s o r d n u n g v o m 28. J u n i 1889, die, wenn auch mehrfach abgeändert, heute noch g i l t 4 2 . 4. Die B V hat weiter i n A r t . 55 bestimmt, daß ein BG über die Auslieferung der Angeklagten von einem Kanton an den anderen Bestimmungen treffen soll — m i t Ausnahme der politischen Vergehen und der Preßvergehen —, und es ist daraufhin das B G v o m 24. J u l i 1852 ü b e r d i e A u s l i e f e r u n g v o n V e r b r e c h e r n oder A n g e s c h u l d i g t e n , das sogenannte i n t e r k a n t o n a l e A u s l i e f e r u n g s g e s e t z , zustande gekommen, das seither durch die Vereinheitlichung überflüssig wurde und durch StGB Art. 398 lit. b aufgehoben worden ist 4 3 . Gleichzeitig bestimmte A r t . 8, der Bund sei befugt, Staatsverträge m i t dem Ausland abzuschließen, was m i t der weiteren Bestimmung von heute A r t . 102 Z. 8, der Bundesrat habe die völkerrechtlichen Beziehungen zu wahren, i n der Folge dazu führte, daß über 30 Auslieferungsverträge m i t dem Ausland abgeschlossen wurden und die Voraussetzungen und das Verfahren des sogenannten internationalen Auslieferungsrechtes durch das B G b e t r . d i e A u s l i e f e r u n g g e g e n ü b e r d e m A u s l a n d v o m 22. J a n u a r 1892 geregelt worden sind (BG 3/509) 44 . 5. B V A r t . 4, der die Gleichheit aller Schweizer vor dem Gesetze proklamiert, und B V A r t . 48, der die Kantone verpflichtet, die Schweizerbürger den Bürgern des eigenen Kantons i n Gesetzgebung und Verfahren gleichzustellen, schützen jeden Schweizer vor W i l l k ü r — es steht i h m gegen Verletzung die staatsrechtliche Beschwerde ans 41 Der Text beider Bundesgesetze findet sich wiedergegeben bei O. Kronauer, Kompendium des Bundes-Strafrechts, 2. Aufl., Zür. 1912 samt der damaligen Nebenstrafgesetzgebung des Bundes, 42 Zur gegenwärtig geltenden Militärstrafgesetzgebung besitzen wir zwei Kommentare: Von Bundesrichter Dr. A. Stooss zur Militärstraf gerichtsordnung (Bern 1915) und von F. H. Comtesse zum schweizerischen Militärstrafgesetz (Zürich 1946). 43 Darüber Lienhart, Ε. E., Die interkantonale Auslieferung (Zür. Diss. 1933). 44 Als L i t e r a t u r zum internationalen Auslieferungsrecht: Langhard, Das schweizerische Auslieferungsrecht nebst den Auslieferungsverträgen der Schweiz (Bern 1910) und Hans Schultz, Das schweizerische Auslieferungsrecht (Basel 1953).

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Das schweizerische Strafrecht

Bundesgericht zu — und bewirken, daß kantonsfremde Schweizer nicht kriminell m i t Kantonsverweisung bestraft werden dürfen, wenn auch der administrative Entzug der Niederlassung unter bestimmten Voraussetzungen (Art. 45 Abs. 2 und 3) heute noch zulässig ist. Das waren i m wesentlichen die strafrechtlichen Auswirkungen der Bundesverfassung von 1848. Ausdrücklich bestimmte A r t . 3, daß den Kantonen alle Rechte bleiben, die nicht ausdrücklich der Bundesgewalt übertragen worden sind. II. D i e

Strafgesetzgebung

der

Kantone

Es scheint, daß die nach 1848 kräftig einsetzende Bundesgesetzgebung auch stimulierend auf die Kantone wirkte, denn i m Zeitraum von 1848 bis 1870 sind nicht weniger als fünfzehn neue kantonale Strafgesetzbücher entstanden 45 . M a n kann nach dem Urteil H e i n r i c h P f e n n i n g e r s , auf den hier für Einzelheiten dieser Gesetzgebung verwiesen werden muß (1. c. S. 361—532), tatsächlich von einer äußerst tätigen kantonalen Gesetzgebung sprechen, die nach Vervollkommnung strebte und der gleichzeitigen deutschen Partikulargesetzgebung s.tark verpflichtet war. Dieser deutsche Einfluß verstärkte sich, als das deutsche Strafgesetzbuch vom 15.Mai 1871 an Stelle der Ländergesetzgebung trat, wenn auch zu sagen ist, daß es gegenüber dem französischen Code pénal von 1810, dem es durch das preußische StGB von 1851 verbunden blieb und der die allgemeine Grundlage der europäischen Strafgesetzgebung i m 19. Jahrhundert bildete, keine derartigen Unterschiede aufweist, daß die schweizerischen Kantone, welche s,einem Vorbild folgten, damit i n starken Gegensatz zu den andern Kantonen getreten wären. Zu diesen Kantonen gehörten Zürich (1871), Basel (1872), Freiburg (1873), Solothurn (1874/85) und St. Gallen (1886/1911), während Tessin (1873) und Genf (1874) eher französischen Einflüssen zugänglich waren und Zug (1876), Appenzell A.Rh. (1878), Schwyz (1881) und Appenzell I.Rh. (1899) offensichtlich bestrebt blieben, den Kontakt m i t ihrem eigenen frühern Recht aufrecht zu erhalten. Aber auch zu einer Zeit, da die Rechtseinheit bereits verfassungsrechtlich beschlossen war und da intensiv am Einheitswerk gearbeitet wurde, gab es Kantone, die wie Freiburg (1924) und Waadt (1931) sich neue Strafgesetzbücher schufen, womit sie vor allem erweisen wollten, daß die neuen Strafrechtsgedanken auch (und besser!) auf dem Wege der kantonalen Gesetzgebung verwirklicht werden könnten. Diese Tendenz war in45 I n chronologischer Reihenfolge: Freiburg (1849), Graubünden (1851), Neuenburg (1856), Aargau (1857), St. Gallen (1857), Wallis (1858), Schaffhausen (1859), Solothurn (1859), Appenzell A.R. (1859), Luzern (1860), Obwalden (1864), Bern (1866), Glarus (1867), Thurgau (1868) und Schwyz (1869).

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Straf rechts

191

sofern wertvoll, als sich seit der Jahrhundertwende i m Strafrecht internationale Strömungen geltend machten, denen gegenüber mit Recht der Standpunkt eingenommen werden konnte, man solle sie vorerst auf kantonalem Boden erproben, weshalb auch Freunde der Vereinheitlichung ihre vorläufige Einführung durch Teilrevision der kantonalen Gesetzgebung empfahlen. So fand die I d e e d e r b e d i n g t e n V e r u r t e i l u n g bereits 1892 i n Genf, 1897 i n der Waadt, 1900 i m Tessin, 1903 i n Freiburg, 1904 i n Neuenburg und schließlich 1919 i n Zürich, wo sie 1911 noch abgelehnt worden war, Aufnahme, während der gleiche Gedanke i n der F o r m d e s b e d i n g t e n S t r a f e r l a s s e s 1905 i n St. Gallen, 1906 i n Basel, 1907 i n Bern, 1908 i n Baselland und Obwalden, 1909 i n Graubünden und Luzern, 1911 i n Solothurn, 1914 i n Appenzell A.Rh., 1919 i m Aargau, 1927 i m Thurgau und 1934 i n Zug Gesetz wurde, so daß die Erfahrungen von 18 Kantonen vorlagen, als das Schweiz. StGB den gleichen Gedanken i n Form des bedingten Strafvollzuges verwirklichte (StGB 41). Das gleiche w a r der F a l l m i t der ebenfalls um die Jahrhundertwende von Amerika ausgehenden Jugendgerichtsbewegung, deren Leitgedanken, das Prinzip der Spezialprävention und die Schaffung besonderer Jugendgerichte, i n Genf (1912), Neuenburg (1917), Basel (1919), Zürich (1919), Freiburg (1924) und Bern (1930) i n die kantonale Gesetzgebung aufgenommen worden waren und hier auf ihre Wirkung geprüft werden konnten, bevor sie i m Jugendstrafrecht des Schweiz. StGB materiellrechtlich und i m Strafprozeß aller Kantone formalrechtlich i n Geltung traten. Diese Teilrevisionen beweisen, wie sehr unter dem Einfluß, den die Arbeiten am Schweiz. StGB auch auf die kantonalen Gesetzgeber ausübten, vor allem i n den fortschrittlich gesinnten Kantonen der Wille vorhanden war, die Verbrechensbekämpfung durch Reformen auf kriminalpolitischem Neuland zu verstärken, dürfen aber nie vergessen lassen, daß diese Reformen nur dem Territorium dieser Kantone zu Gute kamen, während ihre Verwirklichung i m Schweiz. StGB alle Kantone an diesem Fortschritt teilhaben ließ. Sie ersetzte auch recht zurückgebliebene Strafgesetzbücher und hat in zwei Kantonen, U r i und Nidwaiden, überhaupt keine Strafgesetzgebung, sondern nur Gewohnheitsrecht vorgefunden. III. D e r

Weg zur

Vereinheitlichung

Obwohl das „Helvetische peinliche Gesetzbuch" bereits durch seine Existenz auch für die Zukunft die Frage zur Diskussion stellte, ob nicht die Vielheit der kantonalen Gesetzbücher durch ein einheitlichschweizerisches ersetzt werden könnte, und obwohl diese Vielheit selbst eigentlich nur formell und nicht materiell eine solche war, ging

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Das schweizerische Strafrecht

es noch fast ein Jahrhundert, bis die verfassungsrechtliche Grundlage der Einheit geschaffen werden konnte und ein halbes Jahrhundert dazu, bis sie tatsächlich verwirklicht war. Zwar lag schon der Tagsatzung, welche die Bundesverfassung von 1848 vorzubereiten hatte, ein Antrag Solothurns vor, dem Bund die Gesetzgebung über Strafrecht und Strafverfahren zu übertragen, und es hatte wenigstens der Verfassungsentwurf von 1872 diese Übertragung vorgesehen, fand aber vielleicht gerade deswegen keine Gnade vor dem Souverän. Erst als am 27. September 1887 der „Schweizerische Juristenverein" an seiner Tagung i n Bellinzona den Bundesrat ersuchte, die Vorarbeiten für die Vereinheitlichung des Strafrechts an Hand zu nehmen, „überzeugt, daß ein wirksamer und erfolgreicher Kampf gegen das Verbrechertum nicht möglich ist, solange die Zersplitterung der kantonalen Strafgesetzgebung fortbesteht", und darin am 13. Dezember 1887 i m Nationalrat durch die Motion Forrer unterstützt wurde, entschloß sich der Bundesrat 1889, den Berner Professor Dr. C a r l S t o o s s m i t den wissenschaftlichen Vorarbeiten zu betrauen, der größte Glücksfall, welcher der Vereinheitlichung zuteil werden konnte, denn i n Carl Stooss hatte man tatsächlich dem schweizerischen Strafrecht den Gesetzgeber gefunden, der, ähnlich wie auf dem Gebiet des Zivilrechts Eugen Huber, m i t offenem Sinn für das kriminalpolitisch Notwendige einen klaren prägnanten Stil verband zur kurzen und volkstümlichen Formulierung seiner Gedanken. Schon 1890 veröffentlichte er als Vorarbeit „ D i e k a n t o n a l e n S t r a f g e s e t z b ü c h e r z u r V e r g l e i c h u n g z u s a m m e n g e s t e l l t " (Basel und Genf 1890) und i h r folgte 1892/93 als Hauptwerk „ D i e G r u n d z ü g e des schweizerischen S t r a f r e c h t s " . Das war die kriminalpolitische Grundlage des 1893/94 veröffentlichten „ V o r e n t w u r f e s zu e i n e m s c h w e i z e r i s c h e n S t r a f g e s e t z b u c h , allg e m e i n e r u n d s p e z i e l l e r T e i 1", der i n den Jahren 1893—95 einer Kommission von Theoretikern und Praktikern des Strafrechts unterbreitet wurde, deren „ V e r h a n d l u n g e n " , i n 2 Bänden 1896 veröffentlicht, den „ V o r e n t w u r f zu e i n e m schweizerischen Strafgesetzbuch nach den Beschlüssen d e r E x p e r t e n k o m m i s s i o n " (VE 1896) zum Resultat hatten. Auf Grund dieser Vorarbeiten beantragte der Bundesrat am 28. November 1896, es sei i n Ergänzung von B V Art. 64, der das Gesetzgebungsrecht des Bundes regelt, die Gesetzgebung i n Z i v i l - und Strafrecht dem Bunde zu übertragen, was von beiden Räten m i t großem Mehr angenommen und i n der Volksabstimmung vom 30. Juni 1898 vom Schweizervolk m i t 266 616 Ja gegen 102 780 Nein sowie der Mehrheit der Standesstimmen 153/2 gegen 43/2 bestätigt worden ist. M i t

Die Entwicklungsgeschichte des schweizerischen Straf rechts

193

dem damit neu i n die B V aufgenommenen A r t . 64 bis 4 6 war aber erst die verfassungsrechtliche Grundlage, nicht bereits das Werk selbst geschaffen. Trotz diesem erfreulichen Abstimmungsergebnis wurde der VE 1896 nun nicht sofort der Bundesversammlung zur Beratung unterbreitet — das Zivilrecht hatte den V o r t r i t t und fand bereits am 10. Dezember 1907 seinen endgültigen Abschluß —, sondern man beschloß, die Zwischenzeit zur weitern Verbesserung der bisherigen Entwürfe zu verwenden. So entstand auf Grund der Arbeiten einer kleinen Expertenkommission der „ V o r e n t w u r f v o n 1903", zu dem Prof. Dr. E m i l Z ü r c h e r den „ E n t w u r f e i n e s E i n f ü h r u n g s g e s e t z e s " verfaßte (VE 1903), und schließlich der „ V o r e n t w u r f v o m A p r i l 1908" (VE 1908), der, von Prof. Zürcher i m Auftrag des Bundesrates erläutert („Erläuterungen", Bern 1914), Grundlage der Beratungen der I I . Expertenkommission bildete, die von August 1912 bis 1916 i n neun Sessionen tagte und deren Verhandlungen i n einem „Protokoll" von neun Bänden (Bern 1912—16) veröffentlicht worden sind. Sie führten zum Vorentwurf von 1916 (VE 1916), aus dem schließlich der „ E n t w u r f des B u n d e s r a t e s vom 23. J u l i 1918" hervorging, den dieser samt seiner von Prof. Zürcher verfaßten Botschaft nun der Bundesversammlung zur Beratung unterbreitete. Aber auch diese Beratungen konnten nicht sofort beginnen, da die Erfahrungen des I. Weltkrieges die Revisionsbedürftigkeit des MStG von 1851 erwiesen hatten, das auf Grund eines Vorentwurfes von Prof. H a f t e r und der Beratungen einer militärischen Expertenkommission zuerst in Angriff genommen wurde und dessen Reform erst am 13. Juni 1927 durchgeführt w a r 4 7 . So begannen dann die parla40

BV Art. 64 bis lautet: „Der Bund ist zur Gesetzgebung auf dem Gebiete des Strafrechts befugt. Die Organisation der Gerichte, das gerichtliche Verfahren und die Rechtsprechung verbleiben wie bis anhin den Kantonen. Der Bund ist befugt, den Kantonen zur Errichtung von Straf-, Arbeits- und Besserungsanstalten und für Verbesserungen im Strafvollzug Beiträge zu gewähren. Er ist auch befugt, sich an Einrichtungen zum Schutze verwahrloster Kinder zu beteiligen." Daraus ist ersichtlich, daß nur das materielle Strafrecht vereinheitlicht wurde und daß Gerichtsorganisation, Strafverfahren und Strafvollzug „wie bis anhin" kantonaler Regelung unterstehen. 4T Vgl. dazu „ V o r e n t w u r f zu e i n e m Schweiz. Militärstrafgesetzbuch mit M o t i v e n " von Ernst Hafter (Bern 1916). Die B e r a t u n g e n d e r E x p e r t e n k o m m i s s i o n liegen nur in Maschinenschrift vor. Dagegen sind d i e p a r l a m e n t a r i s c h e n B e r a t u n g e n der B u n d e s v e r s a m m l u n g ü b e r das M i l i t ä r s t r a f g e s e t z b u c h (1921—1927) separat herausgegeben worden. Dazu schließlich B o t s c h a f t des B u n d e s r a t e s an die Bundesv e r s a m m l u n g zu e i n e m G e s e t z e n t w u r f e n t h a l t e n d das Schweiz. Militärstrafgesetzbuch vom 26. November 1918. 13 Ausländisches Strafrecht II

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Das schweizerische Straf recht

mentarischen Beratungen des bürgerlichen StGB erst i m Frühjahr 1928 und endigten am 21. Dezember 1937 m i t der Annahme des Gesetzes i n beiden Räten 4 8 . Da das Gesetz aber dem fakultativen Referendum unterstand und dieses von etwa 70 000 Bürgern ergriffen wurde, ward für das schweizerische StGB i m Gegensatz zum ZGB und zum MStG die Erwahrung i n einer Volksabstimmung notwendig, die m i t 358 438 Ja gegen 312 030 Nein, d. h. m i t 46 408 Stimmen Mehrheit zur Annahme des Gesetzes führte, wenn sie auch das Ständemehr nicht erreichte, indem sich nur 91/2 Kantone dafür, I2V2 Kantone dagegen erklärten. Dies letztere war aber ohne Bedeutung, da das Ständemehr nur für Verfassungsänderungen erforderlich ist. Das Gesetz trat am 1. Januar 1942 i n Kraft, nachdem i n der Zwischenzeit diei Kantone E i n f ü h r u n g s g e s e t z e dazu erlassen hatten, die, wie bereits bemerkt, der Kommentar Thormann/Overbeck i n seinem I I I . Band übersichtlich nach Kantonen geordnet mitsamt der übrigen kantonalen Gesetzgebung zum schweizerischen StGB wiedergibt.

Zweiter

Abschnitt

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts (allgemeiner Teil) § 6. Der Begriff des schweizerischen Strafrechts und seine Quellen I. D e r

Begriff

Nennt man m i t H a f t e r (Lehrbuch A T 1) „ S t r a f r e c h t " die G e s a m t h e i t der R e c h t s s ä t z e , n a c h d e n e n e i n bestimmtes menschliches Verhalten staatliche S t r a f e n a c h s i c h z i e h t", kann man unter „ s c h w e i z e r i s c h e m S t r a f r e c h t " immer noch z w e i e r l e i verstehen, nämlich sowohl d a s f ü r d i e g a n z e S c h w e i z gültige Strafrecht als auch s ä m t l i c h e s zur Zeit in der Schweiz geltende Strafrecht. Den Gegenstand unserer Darstellung bildet naturgemäß das erstere und w i r werden vom letztern, welches darüber hinaus das noch geltende kantonale Strafrecht in sich schließt, nur sprechen, wo es uns zur Ergänzung als wichtig genug erscheint. I m Wort „Strafe" sind alle öffentlichen Verbrechensfolgen, d. h. auch sichernde und andere Maßnahmen, Inbegriffen. 48 Die Annahme erfolgte im N a t i o n a l r a t mit 138 Ja gegen 36 Nein (bei 5 Enthaltungen und 7 Absenzen) und im S t ä n d e r a t mit 29 Ja gegen 11 Nein (bei 2 Enthaltungen, 1 Absenz & 1 Vakanz). Die s t e n o g r a p h i s c h e n V e r h a n d l u n g s b e r i c h t e sind in Sonderausgabe veröffentlicht worden (1928—1937).

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

195

Die Entwicklungsgeschichte hat uns bereits gezeigt, von wie geringem Umfang das gemeinschweizerische Strafrecht bis zum Inkrafttreten des Schweiz. StGB am 1. Januar 1942 war. Aber auch heute findet sich i n diesem lediglich das m a t e r i e l l e S t r a f r e c h t vereinheitlicht, während G e r i c h t s o r g a n i s a t i o n , S t r a f v e r f a h r e n und S t r a f v o l l z u g i n der Hauptsache den K a n t o n e n verblieben und nur insoweit i n die Vereinheitlichung einbezogen werden durften, als sich dies zur Verwirklichung des materiellen Strafrechts als notwendig erwies (vgl. dazu P f e n n i n g e r , Eidgenössisches Straf recht und kantonales Strafprozeßrecht, SJZ 51 [1955] 197 ff.) und dort genannte Literatur). Aber auch a u f d e m G e b i e t e d e s m a t e r i e l l e n S t r a f r e c h t s beansprucht das Schweiz. StGB nicht ausschließliche Geltung. Sein A r t . 335 überläßt den Kantonen das Ü b e r t r e t u n g s s t r a f r e c h t , soweit es nicht Gegenstand der Bundesgesetzgebung ist, die S trafgesetzgebung gegen die Ü b e r t r e t u n g kantonaler Verwaltungs- und Prozeßvorschriften und z u m S c h u t z e des k a n t o n a l e n S t e u e r r e c h t s . Ferner erklärt A r t . 366 die Kantone für berechtigt, Bestimmungen über die p a r l a m e n t a r i s c h e I m m u n i t ä t der M i t g l i e d e r i h r e r gesetzgebenden B e h ö r d e n zu erlassen und über die Strafverfolgung ihrer höchsten Vollziehungsund Gerichtsbehörden (Regierungsräte und Oberrichter) Sonderbestimmungen aufzustellen. Z u diesem verbleibenden kantonalen Strafrecht, das sich zur Hauptsache i n den kantonalen Einführungsgesetzen niedergelegt findet, können die Kantone selbst allgemeine Bestimmungen erlassen oder auf den A T des StGB verweisen. Dieses kantonale Strafrecht unterliegt nicht der Überprüfung durch das Bundesgericht, indem StGB A r t . 365 I I die Nichtigkeitsbeschwerde an dieses auf eidgenössisches Strafrecht beschränkt (vgl. auch BGE 69 I V [1943] 211, 7 1 I V [1945] 51 und 72 I V [1946] 144). Die Betrachtung der Rechtsquellen w i r d die Abgrenzung noch deutlicher in Erscheinung treten lassen. II. D i e A r t

der

Rechtsquellen

Während das schweizerische ZGB i n A r t . 1 neben dem Gesetz auch das Gewohnheitsrecht und die richterliche Rechtschöpfung als mögliche Rechtsquellen nennt, erklärt das schweizerische StGB i n A r t . 1: „ S t r a f b a r i s t n u r , w e r e i n e T a t b e g e h t , die das Ges e t z a u s d r ü c k l i c h m i t S t r a f e b e d r o h t . " Rechtsquelle des Strafrechts ist somit allein das G e s e t z , die geschriebene, i n den verfassungsmäßigen Formen zustandegekommene und gehörig publizierte Rechtsnorm, und die Zeiten sind auch i n der Schweiz vorbei, da 13*

19

Das schweizerische Strafrecht

das Strafrecht ganzer Kantone (Uri, Nidwaiden) auf Gewohnheitsrecht und Gerichtsgebrauch zurückging. Theoretisch denkbar ist heute höchstens eine mittelbare gewohnheitsrechtliche Einwirkung, indem z. B. gewohnheitsrechtliche Änderungen i m Zivilrecht Rückwirkungen auf das Strafrecht haben könnten. Möglich ist weiter richterliche Rechtschöpfung, soweit sie sich i n der Auslegung des Gesetzes zu äußern vermag, dagegen nicht auf dem Wege der Analogie und auch nicht in Form der heute vielfach vertretenen Auslegung ex nunc 1 . III.

Die

Gesetzgebung

des

Bundes

Ist auf dem Gebiete des Strafrechts einzige Rechtsquelle das Gesetz, bildet seine Grundlage das s c h w e i z e r i s c h e S t G B v o m 21. D e z e m b e r 1937 m i t Abänderung vom 5. Oktober 1950. Es enthält i n seinem 1. Buch (Art. 1—110) den Allgemeinen Teil (AT), i n seinem 2. Buch (Art. 111—332) den besondern Teil (BT) und i n seinem 3. Buch Einführung und Anwendung des Gesetzes und damit den Übergang vom bisherigen zum neuen Recht. Neben dem schweizerischen StGB steht ergänzend die N e b e n s t r a f g e s e t z g e b u n g d e s B u n d e s , ob sie n u n vor oder nach dem schweizerischen StGB erlassen worden ist. Abgesehen vom M i l i t ä r s t r a f r e c h t , das materiellrechtlich seine Grundlage i m M i l i t ä r s t r a f g e s e t z v o m 13. J u n i 1927 besitzt, ist sie zwar sehr umfangreich, aber strafrechtlich von geringer Bedeutung und soll i m I V . Abschnitt behandelt werden. Das StGB hat einige dieser Nebenstrafgesetze völlig aufgehoben (398)2 und bei anderen wenigstens ihre Strafbestimmungen i n seinen besonderen Teil aufgenommen 3 , so daß diese Nebengesetze die Bedeutung von Strafgesetzen verloren haben. Soweit die verbleibende Nebenstrafgesetzgebung ergänzend ins allge1 Hajter (AT 15) und Thormann/Overbeck (I 34) halten derogierendes Gewohnheitsrecht für möglich, was aber bis heute bei uns nicht praktisch wurde. Daß eine Auslegung ex nunc entgegen dem klaren Willen des Gesetzgebers eine dem Richter nicht zustehende Abänderung des Gesetzes wäre, erklärt auch Liver in seiner Rektoratsrede „Der Wille des Gesetzes" (Jahresbericht Universität Bern 1952/53, S. 3 ff. und spez. 29 und dort zitierte Literatur). 2 So vor allem das B G v. 4. 2. 1853 ü b e r d a s B u n d e s s t r a f r e c h t und das i n t e r k a n t o n a l e A u s l i e f e r u n g s g e s e t z v. 24. J u l i 1852 mitNebengesetzen. 3 Dies geschah in der Weise, daß die Strafbestimmungen des Nebengesetzes aufgehoben und durch solche des StGB ersetzt wurden. So beim BG ü b e r d i e N a t i o n a l b a n k v. 7. A p r i l 1921 und beim BG ü b e r d a s M ü n z w e s e n v. 3. J u n i 1931, aufgehoben durch 398 lit. h und η, ersetzt durch StGB 240 ff., beim sog. S p r e n g s t o f f g e s e t z v. 19. D e z e m b e r 1924, aufgehoben durch 398 lit. 1 und ersetzt durch StGB 224 ff, und schließlich beim BG ü b e r F r a u e n - u n d K i n d e r h a n d e l und V e r breitung unzüchtiger V e r ö f f e n t l i c h u n g e n v. 30. September 1925, aufgehoben durch 398 lit. m und ersetzt durch StGB 202 ff.

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

197

meine Strafrecht eingreift, w i r d sie bereits m i t diesem dargestellt werden. IV. D i e G e s e t z g e b u n g d e r K a n t o n e W i r haben bereits unter I ausgeführt, welche strafrechtlichen Materien StGB A r t . 335 und 366 den Kantonen zur Regelung überläßt. Ohne Einschränkung gilt dies vom k a n t o n a l e n S t e u e r s t r a f r e c h t , während i m Ü b e r t r e t u n g s s t r a f r e c h t der kantonale Gesetzgeber nur dort legiferieren kann, wo das schweizerische StGB schweigt und es sich nicht um ein sogenanntes q u a l i f i z i e r t e s S c h w e i g e n handelt, wonach der Bund die Materie abschließend regeln wollte 4 . § 7. Die Literatur zum schweizerischen Strafrecht Nachdem ich i m entwicklungsgeschichtlichen Abschnitt der Werke gedacht habe, welche das W e r d e n des schweizerischen Strafrechts zum Gegenstand haben, sei hier die Literatur kurz charakterisiert, welche i n erster Linie den Zweck verfolgt, dem g e l t e n d e n S t r a f r e c h t und seinen Hilfswissenschaften zu dienen. Beginnen w i r m i t der L i t e r a t u r z u m s c h w e i z e r i s c h e n S t G B , gebührt der Ehrenplatz dem dreibändigen „ L e h r b u c h d e s s c h w e i z e r i s c h e n S t r a f r e c h t s " von E r n s t H a f t e r , der von 1905—1942 an der Universität Zürich Straf recht dozierte und dem es während dieser Zeit vergönnt war, an maßgebender Stelle am schweizerischen StGB mitzuarbeiten. N u r der Kenner unserer Rechtsverhältnisse vermag völlig zu erfassen, welche Arbeit zur Erschaffung dieses Werkes notwendig war, das den Leser anscheinend mühelos und stets anregend von den kantonalen Lösungen zur eidgenössischen führt und i n seiner einfachen klaren Darstellungsweise fast vergessen läßt, wie schwierig die Aufgabe und wie groß das verarbeitete Material war. Dieses Werk, das die schweizerische Fachliteratur (bis zum Jahr des Erscheinens) nahezu vollständig wiedergibt, ist i n seinem 1. Band (AT) i n 1. A. 1926 i n Berlin und i n 2. A. 1946 i n Bern erschienen, i n seinem 2. Band (BT) 1. Hälfte 1937 i n Berlin und in seiner 2. Hälfte 1943 ebendaselbst. Es ist die beste Darstellung der kriminalpolitischen Atmosphäre, aus welcher das schweizerische StGB entstanden ist, und zu4 Die S t r a f g e s e t z g e b u n g d e r K a n t o n e bis Ende 1943, d. h. wie sie auf das Inkrafttreten des Schweiz. StGB neu geordnet wurde, findet sich übersichtlich aufgeführt bei Helene Pfander, Die kantonale Strafgesetzgebung nach dem neuesten Stande (Z. 58, 561—572). Die kant. Gesetze und Verordnungen, auf deren Mannigfaltigkeit hier nicht eingetreten werden kann, bringt meist i m Wortlaut Bd. I I I des Kommentars iThormann-Overbeck. Eine Ubersicht über das kantonale Übertretungsstrafrecht bietet Schreiber, Das materielle Strafrecht der kantonalen Einführungsgesetze zum schweizerischen StGB (Zürch. Diss. 1946).

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Das schweizerische Strafrecht

gleich ein höchstpersönliches Werk, das nicht nur das Können und Wissen, sondern die ganze Menschlichkeit, K u l t u r und Erfahrung eines Mannes widerspiegelt, der Theoretiker, Gesetzgeber und Praktiker war und dessen Werk, wie ich i n meinem Nachruf (Jahresbericht Universität Zürich 1948/49 S. 82—86 und SJZ 46 101—108) schrieb, als eine A r t „Schweizerspiegel" ζ. Z. der Vereinheitlichung auch der Wertschätzung späterer Generationen sicher sein kann. Daneben ist mehr „KurzLehrbuch" oder „Einführung" der dreibändige, geistreich geschriebene „ C o u r s é l é m e n t a i r e s u r l e C o d e p é n a l S u i s s e " (Lausanne 1942/45) von F r a n ç o i s C l e r c , ursprünglich als Unterricht für die i m Militärdienst an der Grenze weilenden Studenten gedacht, und ähnlich i n seinem Zwecke V i t a l S c h w a n d e r s „ S c h w e i zerisches Strafgesetzbuch unter besonderer Ber ü c k s i c h t i g u n g der b u n d e s g e r i c h t l i c h e n Praxis" (Zürich 1952), welches ebenfalls lehrbuchartig das schweizerische StGB zur Darstellung bringt und dabei eingehend die bisherige bundesgerichtliche Praxis (bis M a i 1952) berücksichtigt, aber fast vollständig auf Angaben über Literatur und auf Diskussion m i t dieser verzichtet. Weiter dürfen als interessante Beiträge zur Auslegung des Gesetzes erwähnt werden Ο. A. G e r m a n n s „ D a s V e r b r e c h e n i m n e u e n S t r a f r e c h t " (Zürich 1942), „ M e t h o d i s c h e G r u n d f r a g e n " (Basel 1946) und, soweit sie sich m i t dem Strafrecht befassen, des gleichen Verfassers „ G r u n d l a g e n d e r R e c h t s w i s s e n s c h a f t " (Bern 1950). Die systematischen Darstellungen werden ergänzt durch eine ziemlich reichhaltige K o m m e n t a r - L i t e r a t u r . Hier ist i n erster Linie der dreibändige K o m m e n t a r von P h . T h o r m a n n und A. v. O v e r b e c k zu nennen (Bd. I AT, Bd. I I BT und Bd. I I I die kantonalen Einführungsgesetze und all das, was die Kantone bis Ende 1942 zur Einführung des schweizerischen StGB für erforderlich erachteten [Verlag Schulthess & Co. Zürich 1940/42]). Da dieser tüchtige Kommentar ζ. Z. des Inkrafttretens des Gesetzes bereits vorlag, indem er vor allem der Vorbereitung der Praxis zu dessen Anwendung dienen wollte, enthält er noch keine bundesgerichtliche Praxis. Das, gleiche gilt vom welschen Kommentar von L ο g ο ζ , wenigstens von seinem Bd. I, der den A T enthält, während Bd. I I 1. Hälfte (Art. 111—212) erst 1955 und Bd. I I 2. Hälfte (Art. 213—332) erst 1956 erschienen sind und diese Praxis nun i n reicher Fülle bringen, war doch der Verfasser selbst als Mitglied des Kassationshofes daran maßgebend mitbeteiligt (Neuchâtel 1939/1955). Was aber diesen beiden großen Kommentaren an bundesgerichtlicher Judikatur fehlt, w i r d wettgemacht durch die K u r z - oder T e x t a u s g a b e n , von denen aus dem deutschen Sprachgebiet in erster Linie zu nennen ist O. A. G e r m a η n s

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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„Taschenausgabe mit kurzen Erläuterungen" (6. A. Zürich 1956), der erst i n einem gewissen Abstand folgen Oberrichter Dr. N e i d h a r t s Taschenausgabe (Zürich 1948), mit sorgfältiger Orientierung über die bundesgerichtliche Praxis, Dr. O s k a r H ä r d y s Textausgabe (Zürich 1941), welch letztere wesentlich erweitert 1951 bereits i n 2. A. erscheinen konnte samt einem Verzeichnis der wichtigsten Bundesgesetze m i t Spezialstrafrechtsnormen und einer kurzkommentierten Textausgabe des BG über den unlauteren Wettbewerb vom 30. September 1943. Eine welsche Übersetzung des Kurzkommentars Härdy ist der von BR Dr. P a n c h a u d herausgegebene welsche Kommentar des schweizerischen StGB, der auch die Einführungsgesetzgebung der welschen Kantone enthält. Eher dem m i t t l e m Kommentartypus entsprechen a. Staatsanwalt Dr. W. P e t r zilkas „Zürcher Erläuterungen zum schweizerischen Strafgesetzbuch" (Winterthur 1942), die eigentlich als Wegleitung der zürcherischen Strafjustiz gedacht waren, vom Verfasser aber zum vornherein i n Kommentarform gebracht wurden und trotz Titel und Herausgabe durch die zürcherische Justizdirektion als private Arbeit des Verfassers gewertet werden müssen. I m weiteren hat die Tatsache, daß beim Schweiz. StGB alle drei Texte gleichwertig sind, Oberrichter Dr. B. N e i d h a r t veranlaßt, eine dreisprachige Ausgabe m i t ausführlichem Sachregister zu veranstalten (Zürich 1939), die leider heute vergriffen ist. Dagegen sei bereits hier auf eine Neuerscheinung hingewiesen, nämlich die 1. Lieferung des Kommentars zum schweizerischen StGB von Ο. A. G e r m a n n , Bd. I Allgemeiner Teil, welche zwar i m gleichen Verlag wie der Kommentar Thormann/ Overbeck erscheint, aber nicht als dessen 2. A. zu betrachten ist, sondern eine mehr subjektivistisch eingestellte Darstellung verspricht (Zürich 1953). Wesentlich weniger umfangreich ist die Literatur zur N e b e n s t r a f g e s e t z g e b u n g d e s B u n d e s , von der nur wenige besonders wichtige Gesetze kommentiert worden sind. So das B G ü b e r den Motorfahrzeugund F ah r r a d v er k eh r vom 15. F e b r u a r 1932 (MFG) durch den zweibändigen Kommentar von Bundesrichter Dr. S t r e b e l (Zürich 1933 und 1938) und die beiden Kurzkommentare von B a d e r t s c h e r (1932) und S t a d l e r (1933). Weiter das B G ü b e r d e n u n l a u t e r e n W e t t b e w e r b v o m 30. S e p t e m b e r 1943, m i t Erläuterungen und einem Geleitwort herausgegeben von Ο. A. G e r m a n n (Zürich 1945), und endlich das schweizerische Militärstrafgesetzbuch vom 13. J u n i 1927, kommentiert durch F. H. C o m t e s s e (Zürich 1946). Dam i t i m Zusammenhang sei der Vollständigkeit halber noch erwähnt der leider i m Buchhandel vergriffene ausgezeichnete Kommentar zur

Das schweizerische Strafrecht

M i l i t ä r s t r a f g e r i c h t s o r d n u n g v o m 28. J u n i 1889 von Bundesrichter Dr. A. S t ο ο s s , einem Bruder des Gesetzgebers. Last not least sei schließlich auch der jüngsten, aber umfangreichsten wissenschaftlichen Arbeit auf diesem Gebiete gedacht: Dem lehrbuchartigen Werk von H a n s S c h u l t z : „Das schweizerische Auslieferungsrecht" (Basel 1953), das auf mehr als 500 Seiten das formelle und materielle schweizerische Auslieferungsrecht auf Grund des A u s l i e f e r u n g s g e s e t z e s v o n 1892, der Auslieferungsverträge m i t fremden Staaten und der bisherigen bundesgerichtlichen Judikatur behandelt. Bishei hatte sich unsere Praxis m i t der Arbeit Dr. J. L a n g h a r d s : „Das schweizerische Auslieferungsrecht" (Bern 1910) begnügt. I m Anschluß an diese eigentliche Strafrechtsliteratur ist aber weiter festzustellen, daß m i t der Vereinheitlichung auch die L i t e r a t u r d e r s t r a f r e c h t l i c h e n H i l f s w i s s e n s c h a f t e n einen unverkennbaren Aufschwung genommen hat. Nachdem auf dem G e b i e t d e r g e r i c h t l i c h e n M e d i z i n H e i n r i c h Z a n g g e r s eigenartiges Buch „Medizin und Recht" (Zürich 1920) lange allein geblieben war, haben sich Zanggers Schüler J. D e t t l i n g , S. S c h ö n b e r g und F. S c h w a r z zu einer Gemeinschaftsarbeit verbunden: „Lehrbuch der gerichtlichen Medizin" (Basel 1951). die als erstes Werk dieser A r t auf Schweizerboden alle Beachtung verdient. Desgleichen mußten w i r auf dem G e b i e t d e r f o r e n s i s c h e n P s y c h i a t r i e zunächst einer schweizerischen Wegleitung entbehren. Das an sich sehr bedeutende „Lehrbuch der Psychiatrie" von E u g e n B l e u l e r , dem bekannten Schüler Foreis, behandelt zwar vor allem i n seiner vom Sohne Manfred Bleuler herausgegebenen 7. A. (Berlin 1943) wenigstens anhangsweise auch die gerichtliche Psychiatrie, ist aber doch i m wesentlichen nur für Mediziner geschrieben. Ein früheres Werk „Psychiatrie und Strafrecht" von C h a r i o t S t r a s s e r (Aarau 1927) war allzu polemisch gehalten und ein „Leitfaden für forensische Psychiatrie" von B i n s w a n g e r (Zürich 1945) ließ noch die notwendige Fühlung m i t der Gerichtspraxis vermissen. I h r dienen heute vor allem zwei bedeutende Werke: W y r s c h : „Gerichtliche Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Juristen und Mediziner" (Bern 1946) und H a n s B i n d e r : „Die Geisteskrankheit i m Recht" (Zürich 1952). I n seiner Doktorarbeit „Die Bedeutung des psychiatrischen Gutachtens im schweizerischen Strafrecht" (Zürich 1953) behandelt Dr. R o m erschöpfend die Fragen, die sich bis heute im Zusammenwirken von Psychiatrie und Strafrecht gestellt haben. Kein eigentliches Lehrbuch besitzen w i r auf dem G e b i e t d e r K r i m i n o l o g i e o d e r K r i m i n a l b i o l o g i e , das aber durch die Arbeit E r w i n F r e y s „Der frühkriminelle Rückfallsverbrecher" (Basel 1951) eine Bereicherung erfahren hat. Besser steht es dagegen auf dem G e b i e t d e r K r i m i n a l i s t i k , wo schon 1911

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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der Lausanner Kriminalist R. A. H e i s s seinen „Manuel de police scientifique" veröffentlichte, von dem leider nur der I. Bd. erschienen ist („Vols et homicides"), der aber seither durch M a r c B i s c h o f f mit seinem Buche „ L a police scientifique" (Lausanne—Paris 1938) fortgeführt wurde. I m deutschen Sprachbereich hat ein juristischer Praktiker, der Luzerner Amtsstatthalter Dr. C a r l Z b i n d e n , i n der bekannten Sammlung juristischer Kurzlehrbücher unter dem Titel „Kriminalistik (Strafuntersuchungskunde)" (München/Berlin 1954), eine recht brauchbare Einführung in dieses Gebiet herausgegeben. Endlich orientieren über den S t r a f v o l l z u g , der nur i n den Grundzügen vereinheitlicht, i m übrigen aber kantonal geblieben ist, die „Schweizerische Gefängniskunde" von H a f n e r und Z ü r c h e r (Bern 1925), sowie G r a ν e η s „Le système pénitentiaire de la Suisse" (Recueil Sirey Paris 1950), erschienen i n der von den Prof. Hugueney und Donnedieu de Vabres (Paris) herausgegebenen Sammlung „Les grands systèmes pénitentiaires" 5 . Neben diesen größern Arbeiten auf dem Gebiet des Strafrechts und seiner Hilfswissenschaften sind es vor allem d r e i G r u p p e n v o n V e r ö f f e n t l i c h u n g e n , die befruchtend auf das schweizerische Straf recht und seine Anwendung eingewirkt haben: Die D o k t o r a r b e i t e n s t r a f r e c h t l i c h e n I n h a l t s , die Z e i t s c h r i f t e n und die P r ä j u d i z i e n s a m m l u n g e n . Zur ersten Gruppe, den D i s s e r t a t i o n e n , ist zu sagen, daß hauptsächlich i n dieser Form bei uns wissenschaftliche Fragen erschöpfend behandelt werden und sie in der A r t , wie sie an unseren zahlreichen Universiäten (Basel, Bern, Zürich, Freiburg, Neuenburg, Genf und Lausanne) entstehen, von durchschnittlich gutem Niveau sind, was auch im gleichsprachigen Ausland anerkannt wird. Neben ihnen findet sich die wissenschaftliche Behandlung theoretischer und praktischer Probleme in größern oder kleinern Abhandlungen vor allem i n unsern allgemeinschweizerischen F a c h z e i t s c h r i f t e n , insbesondere der 1889 von Carl Stooss gegründeten „ S c h w e i z e r i s c h e n Z e i t s c h r i f t f ü r Strafr e c h t " (Z), dann der „ Z e i t s c h r i f t f ü r s c h w e i z e r i s c h e s R e c h t " (ZSR), Basel, und der „ S c h w e i z e r i s c h e n J u r i s t e n 5 Der K r i m i n o l o g i e und der K r i m i n a l i s t i k dient seit 1947 die in Genf unter der wissenschaftlichen Leitung von Jean Graven stehende, von Carlo Moretti herausgegebene „ R e v u e d e c r i m n o l o g i e e t d e p o l i c e t e c h n i q u e", die sich seit 1953 zur „Revue internationale" umgestaltet hat. Nur der K r i m i n a l i s t i k w i l l der in Luzern herausgegebene „P ο 1 i ζ e i b e a m t e" dienen und nur dem S t r a f v o l l z u g die unter der Leitung von Francois Clerc vom „Schweiz. Verein für Straf-, Gefängniswesen und Schutzaufsicht" seit 1953 herausgegebene kleine Zeitschrift „D e r S t r a f v o l l z u g i n d e r S c h w e i z " (Verlag Sauerländer & So., Aarau), die in jährlich ca. vier Heften die bisherigen „Verhandlungen" ersetzen soll.

Das schweizerische Strafrecht

Z e i t u n g " (SJZ). Von diesen konnte die zweite 1952 ihr hundertjähriges Bestehen feiern, die dritte 1954 ihr fünfzigjähriges. Während die Stooss'sche Strafrechtszeitschrift ausschließlich dem Strafrecht dient, bringen die beiden andern auch Arbeiten aus andern Rechtsgebieten, wobei die ZSR mehr die rechtshistorisch-wissenschaftlichen, die SJZ mehr die aktuellen Probleme (etwa i m Sinne ihres Vorbildes, der einstigen DJZ) pflegt und die ZSR für das Strafrecht vor allem dadurch von Bedeutung ist, daß i n i h r die alljährlichen „ V e r h a n d l u n g e n des s c h w e i z e r i s c h e n J u r i s t e n v e r e i n s " veröffentlicht werden und sie schon immer, seit 1946 separat, i n ihrer „ Ü b e r s i c h t d e r L i t e r a t u r ü b e r s c h w e i z e r i s c h e s R e c h t " eine nach Materien geordnete Zusammenstellung aller i m betreffenden Jahre zum schweizerischen Recht erschienen Abhandlungen bringt. Weitere Fachzeitschriften, die auch Abhandlungen strafrechtlichen Inhalts publizieren, sind die speziell der bernischen Rechtspflege dienende „ Z e i t s c h r i f t d e s b e r n i s c h e n J u r i s t e n v e r e i n s (ZBJV), die i m welschen Landesteil stark verbreitete „Semainejudiciaire" (Sem.) und das i n Bellinzona erscheinende „ R e p e r t o r i o d i g i u r i s p r u d e n z a P a t r i a " (Rep.), welche drei Zeitschriften überdies viel Raum der Berichterstattung über die kantonale und eidgenössische Rechtsprechung widmen. Ausschließlich P r ä j u d i z i e n s a m m l u n g e n sind endlich die „ E n t s c h e i d u n g e n d e s s c h w e i z e r i s c h e n B u n d e s g e r i c h t e s i n S t r a f s a c h e n " (BGE), die seit 1. Januar 1942 als Bd. I V der „Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichtes" von diesem herausgegeben werden (in wertvoller Weise gewürdigt vonWaiblinger i n Jahresberichten der ZBJV), und denen auf dem Gebiete des Militärstrafrechts entsprechen die „ E n t s c h e i d u n g e n d e s M i l i t ä r k a s s a t i o n g e r i c h t e s " (MKGE), die seit 1915 meist alle fünf Jahre i m Auftrag des Eidgenöss. Militärdepartements vom Oberauditor der schweizerischen Armee veröffentlicht werden 6 . Neben diesen Sammlungen höchstrichterlicher Rechtsprechung bestehen als weitere Präjudiziensammlungen: Aus der kantonalzürcherischen Praxis die „ B l ä t t e r f ü r z ü r c h e r i s c h e R e c h t s p r e c h u n g " (ZR) und gemeinschweizerisch die „ R e c h t s p r e c h u n g i n S t r a f s a c h e n " hgg. von der „Schweiz. Kriminalistischen Gesellschaft" Einen möglichst lückenlosen Überblick über Schrifttum und Judikatur bietet endlich die 1942 von Comtesse gegründete und seither von P. Fink und D. v. Rechenberg weitergeführte „ K a r t o t h e k z u m s c h w e i z e r i s c h e n S t r a f g e s e t z b u c h " (Schulthess & Co., Zürich). 6

Vgl. dazu m e i n e Abhandlung Z e i t s c h r i f t e n im Dienst der 16. Juni 1951 Nr. 1318).

über „ V e r e i n i g u n g e n und S t r a f r e c h t s p f l e g e " N Z Z v.

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

Die Literatur kann schließlich noch auf zwei weiteren Gebieten von Bedeutung werden: dem G e b i e t d e s i n t e r n a t i o n a l e n S t r a f r e c h t s i.e. und w.S. und dem G e b i e t d e r K r i m i n a l s t a t i s t i k . Die erstere Disziplin regelt ganz allgemein gesprochen neben dem Auslieferungsrecht die strafrechtlichen Beziehungen zum Ausland und hat bereits 1910 i m „Lehrbuch des internationalen Straf rechts und Strafprozeßrechts" von F r i e d r i c h M e i l i eine Bearbeitung erhalten. Seitdem sie i m StGB Art. 3 ff. vereinheitlicht wurde, hat C l e r c in seiner Abhandlung „Le droit pénal Suisse et le droit pénal international" (1938) die hier vorliegenden Probleme behandelt und ich selbst habe versucht, i n meiner Abhandlung „Der Ausbau des internationalen Strafrechts" (SJZ 32, 325 ff.) den Unterschied zwischen dem bloßen Kollisionsrecht und dem eigentlichen internationalen Strafrecht (i. w. S.) herauszuarbeiten. Dagegen wurde bei uns die K r i m i n a l s t a t i s t i k , die sich mit Feststellung und Wertung der K r i m i n a l i t ä t befaßt, bis heute ziemlich stiefmütterlich behandelt, wie ich dies i n meiner Abhandlung „Schweizerische Kriminalstatistik" (Z. 50, 47—82) darzutun versuchte. Seit 1903 hat zwar das Schweizerische Zentralpolizeibureau i n Bern die Aufgabe, ein Zentralstrafenregister zu führen, aber erst seit 1. Januar 1942 sind die Kantone verpflichtet, diesem sämtliche Verurteilungen zu melden (StGB 362), so daß erst seit diesem Zeitpunkt eine einigermaßen zuverlässige Kriminalstatistik i m Sinne einer Verurteiltenstatistik als möglich erscheint. Die einzige größere offizelle Veröffentlichung auf diesem Gebiete, die „Schweizerische Kriminalstatistik 1929" ist daher von ziemlich problematischem Wert, während einige Kantone, vor allem der K t . Zürich, schon seit Jahrzehnten verwertungsfähiges kriminalstatistisches Material gesammelt haben. Das hat uns den merkwürdigen Glücksfall bescheert, daß der 1945 verstorbene bekannte ungarische Kriminalstatistiker E r w i n H a c k e r auf diese Kriminalstatistik des K t . Zürich aufmerksam wurde, die er nicht nur als die sorgfältigste der Schweiz, sondern auch als diejenige Kriminalstatistik Europas betrachtete, i n welcher während der längsten Zeit verwertbares kriminalstatistisches Material gesammelt worden sei. Er hat dieses Material in seinem Buche „Die K r i m i n a l i t ä t des K t . Zürich (Versuch einer K r i m i nalätiologie des K t . Zürich)" (Miskolc 1939) einer eingehenden Bearbeitung unterzogen. Er setzte damit eine Arbeit fort, die bereits A l b e r t M e y e r , der spätere schweizerische Bundesrat, i n seiner Dissertation: „Die Verbrechen i n ihrem Zusammenhang m i t den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen i m K t . Zürich" (1895) vielversprechend begonnen hatte. Eine ähnliche Arbeit liegt über den K t . Bern vor ( K r e b s , Die K r i m i n a l i t ä t i m K t . Bern, Bern. Dis,s. 1932), während sich die Veröffentlichungen, welche die neue schweizerische Kriminalstatistik zur

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Das schweizerische Strafrecht

Grundlage haben, auf einige Abhandlungen Zürchers (Z. 28, 344 u. 31, 231) und eine bemerkenswerte Arbeit von S c h u l t z (Z. 69/121, 1954), sowie auf die alljährlichen, unkommentierten Veröffentlichungen der kriminalstatistischen Tabellen i m „Statistischen Jahrbuch der Schweiz" (Verlag Birckhäuser, Basel) durch das Eidgenössische Statistische A m t beschränken. Sie werden seit einiger Zeit auch separat herausgegeben, doch eine Kriminalstatistik der Schweiz, wie sie Hacker für den K t . Zürich erstellte, bleibt ein Postulat der Zukunft. I m Anschluß an die Literatur noch zwei Worte über die V e r e i n i g u n g e n , die über die Bedeutung bloßer Fachgruppen hinausgehen und früher der Idee der Vereinheitlichung wie heute dem Zwecke der Fortbildung des Strafrechts dienen. Da ist i n erster Linie der „ S c h w e i z e r i s c h e J u r i s t e n v e r e i n " zu nennen, gegründet 1861, ein Jahr nach dem 1. deutschen Juristentag, der i h m Vorbild war, indem er wie dieser das Gesamtgebiet des Rechtes als Objekt seiner Tätigkeit betrachtet. I h m schließt sich an der 1867 gegründete „Schweiz. V e r e i n für Straf-, Gefängniswesen und S c h u t z a u f s i c h t " , der dem 1863 gegründeten „Verein der Strafanstaltsbeamten Deutschlands" nachgebildet wurde und sich auch heute noch hauptsächlich m i t dem Strafvollzug beschäftigt. Erst m i t Inkrafttreten des schweizerischen StGB entstand 1942 die „ S c h w e i z e r i s c h e K r i m i n a l i s t i s c h e G e s e l l s c h a f t (SKG), welche die Nachfolge der nie sehr zahlreichen „Internationalen Kriminalistischen Vereinigung, Landesgruppe S c h w e i z " ( I K V Schweiz) übernahm, sich i m Gegensatz zur I K V hauptsächlich aus Praktikern der Strafrechtspflege zusammensetzt und heute zum zentralen Träger der wissenschaftlichen Diskussionen über das Strafrecht geworden ist. Der S K G hat sich etwas künstlich die „Groupe Suisse" der „ A s s o c i a t i o n internationale de d r o i t p é n a l " angegliedert, die aber für schweizerische Verhältnisse nur durch i h r Publikationsorgan „Revue internationale de droit pénal" (Sirey, Paris) und durch die Auswirkung ihrer internationalen Kongresse (wie früher ihre Vorgängerin, die I K V ) i n Erscheinung tritt. Seit 1953 besteht i n weiterem die „ S c h w e i z e r i s c h e G e s e l l s c h a f t f ü r K r i m i n o l o g i e " , die sich dem Studium der Verbrechensursachen widmen w i l l , und auf dem Gebiete des Strafvollzuges ist eine „ S c h w e i z e r i s c h e G e s e l l s c h a f t f ü r S t r a f rechtspflege u n d S t r a f v o l l z u g s r e f o r m " entstanden. Gewiß genügend Gesellschaften, um das Strafrecht und seine A n wendung den Zeitströmungen anzupassen!

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§ 8. Strafzweck und Auslegung Ein Strafgesetz w i r d i n erster Linie durch den Strafzweck bestimmt, der i h m zu Grunde liegt, meist zwar i m Gesetz nicht ausdrücklich genannt wird, aber aus seinem Werden und seinem Inhalt gefolgert werden kann. Zum Verständnis des schweizerischen StGB ist daher wichtig, sich zu erinnern, daß i n den 90er Jahren des 19. s., als Carl Stooss an die Arbeit ging, i n ganz Mitteleuropa jener Schulenstreit zwischen der klassischen und der kriminal-anthropologisch-soziologischen Schule tobte über den bereits von Seneca formulierten Gegensatz: „Punitur quia peccatum est" und „ p u n i t u r ne peccetur". Wie i m A l t e r t u m erschien auch damals die K l u f t unüberbrückbar, bis Carl Stooss m i t seiner grundlegenden Konzeption beide Schulen zur (allerdings n u r bedingten) Zustimmung brachte. Er sagte: Die Strafe ist so, wie sie nach Vergeltung ausgefällt werden muß — Stooss stand selbst durchaus auf dem Boden der Vergeltung —, n u r für den Durchschnitt berechnet und kann nur bei diesem die erhoffte Wirkung ausüben. Sie ist aber machtlos und muß durch andere Maßnahmen ersetzt werden gegenüber allen jenen Tätern, die i h r noch nicht zugänglich sind (Kinder, Jugendliche) oder nicht mehr zugänglich sind (unverbesserliche Gewohnheitsverbrecher) oder schließlich nicht genügend zugänglich sind (Arbeitsscheue, Liederliche, Trunksüchtige, vermindert Zurechnungsfähige und Unzurechnungsfähige), so daß diesen gegenüber an Stelle der Strafe andere wirksame Maßnahmen treten müssen: Erziehung Arbeitsscheuer und Liederlicher zur Arbeit, Heilung Trunksüchtiger, Heilung oder Pflege geistig Erkrankter, Unschädlichmachung Unverbesserlicher. Carl Stooß und m i t ihm, wie unschwer zu erkennen ist, das schweizerische StGB gehen somit von der Strafe als Vergeltung der Tat für den Durchschnitt aus, indem in StGB A r t . 63 die Strafe bemessen w i r d „nach dem Verschulden des Täters", sehen aber für die genannten Spezialgruppen von Tätern individualpräventive Maßnahmen vor. Man hat dies als „ D u a l i s m u s v o n S t r a f e u n d s i c h e r n d e r M a ß n a h m e " bezeichnet, aber m. E. zu Unrecht, denn ein solcher Dualismus läge nur vor, wenn Strafe und sichernde Maßnahme n a c h e i n a n d e r vollzogen werden müßten, wie dies i m italienischen StGB der Fall ist, während sie i n unserem StGB w a h l w e i s e angedroht werden, so· daß der Richter i n jedem Einzelfall die Möglichkeit besitzt, zuerst die sichernde Maßnahme anzuordnen und, je nach deren Erfolg, auf die Strafe ganz oder teilweise zu verzichten. Statt von Dualismus spricht man daher w o h l besser von einem S y s t e m wirksamer Verbrechensbekämpfung durch Strafe und sichernde Maßnahme im Sinne ihrer zweckmäßigsten V e r b i n d u n g . Ich habe i n meinem Vortrag „Zehn Jahre schweizerisches Strafgesetzbuch" (SJZ 49, 220) darauf hingewiesen, daß gerade

Das schweizerische Strafrecht

das Strafrecht als Verbrechensbekämpfungsrecht e i n eminent p r a k t i s c h e s R e c h t i s t , und ich befinde mich damit i n voller Übereinstimmung m i t Carl Stooss, der i n seinem Motivenbericht zum VE 1893 (S. 86) schrieb: „ E i n Strafgesetz erfüllt nur d a n n s e i n e n Z w e c k , w e n n es s i c h z u r Bekämpf u n g d e s V e r b r e c h e n s w i r k s a m e r w e i s t " . Auch wenn w i r den Ausgangspunkt der Vergeltung nie aus den Augen verlieren, dürfen w i r i h m doch w o h l i m schweizerischen StGB als fast ebenso wesentlich den G r u n d s a t z d e r Z w e c k m ä ß i g k e i t zur Seite stellen, und es ist charakteristisch, wenn v. L i s z t , dessen ganze Kriminalpolitik vom Vorwurf der Wirkungslosigkeit der bisherigen Verbrechensbekämpfung ihren Ausgangspunkt nahm, gegenüber dem VE Stooss feststellte, er bringe zwar nicht „eine Verwirklichung unseres Programms", aber er habe besser als alle bisherigen Entwürfe die wichtigste Aufgabe des Strafgesetzgebers erkannt, „der Rechtsordnung i n der Strafe und den i h r verwandten Maßregeln die M i t t e l zur Bekämpfung des Verbrechens an die Hand zu geben" (Aufsätze I I 94), wie ja auch ein anderer bedeutender deutscher Kriminalpolitiker, F r a n z E x n e r , dem schweizerischen StGB zu allen Zeiten seine uneingeschränkte Unterstützung lieh 7 . Selbstverständlich darf dieser Grundsatz der Zweckmäßigkeit nicht i n W i l l k ü r ausarten, wie dies bei autoritären Verwirklichungen der Fall war, sondern er soll stets nur i n n e r t d e r S c h r a n k e n des Rechtsstaates unter Wahrung der I d e e d e r R e c h t s s i c h e r h e i t und der Idee der M e n s c h l i c h k e i t verwirklicht werden. Das w i l l heißen, daß sich der Richter nach Feststellung der Schuld bei Bemessung der Verbrechensfolgen stets innerhalb der Schranken des Gesetzes halten muß, dabei aber nach Möglichkeit die Gebote der Menschlichkeit achten und seinen Entscheid so ausfällen soll, daß nicht nur die Missetat dadurch vergolten, sondern der Täter endgültig von weiterem verbrecherischen Verhalten abgehalten wird. Dem gleichen Grundsatz der Zweckmäßigkeit dient die klare, volkstümliche Sprache des Gesetzes, und ihn soll sich auch die Rechtsprechung i n der G e s e t z e s a u s l e g u n g zur Richtschnur nehmen. Wie ich bereits i n § 6 I I ausführte, w i r d durch StGB A r t . 1 sowohl Gewohnheitsrecht wie richterliche Rechtsschöpfung ausgeschlossen, und es kommt für den Richter ausschließlich das G e s e t z zur Anwendung. Dieses liegt i n deutschem, französischem und italienischem Text vor, die alle nach B V 116 grundsätzlich gleichwertig sind. Widersprechen sie sich, ist n a c h d e m r i c h t i g e n S i n n d e s G e s e t z e s zu forschen (BGE 69 I V 179), dem „texte juste" i m Gegensatz zur früheren 7 Z. B. Exner, Z. 30, 189.

Die

Kriminalpolitik

des Schweiz.

Strafgesetzentwurfes

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Auslegung nach dem „texte le plus favorable à l'accusé" (BGE 511 161). Das gleiche gilt für die Streitfrage, ob das StGB r e s t r i k t i v oder e x t e n s i v ausgelegt werden soll. Auch hier hat das BG i n konstanter Praxis (E 71 I V 148; 72 I V 103 und 77 I V 167) erklärt, es sei nach A r t . 1 nicht verboten, eine Strafbestimmimg auch extensiv auszulegen, wenn dies ihrem wahren Sinn entspreche. Dagegen besteht Streit darüber, ob, wie G e r m a η η neuerdings i n seinem Kommentar (N. 8/3 zu A r t . 1) behauptet, das Gesetz „nach dem objektiven S i n n des G e s e t z e s z u r Z e i t s e i n e r Anwendung" oder, wie L i v e r (vgl. Anm. 1) erklärt, „ n a c h d e m historis c h e n W i l l e n d e s G e s e t z g e b e r s " auszulegen ist. Hier ist wohl M e i e r - H a y o z (SJZ 48, 213) beizupflichten, der die „objektivzeitgemäße Auslegungsmethode" (Germann) ablehnt und sich für die „objektiv-historische Auslegungsmethode" einsetzt, indem er m i t Recht darauf hinweist, daß es sich beim „ W i l l e n des Gesetzgebers" weniger um den konkreten Gesetzgeber als u m „eine Personifizierung der i m Gesetze niedergelegten Werturteile" handelt, und daß ein Gesetz vor allem nach dem Geist der Entstehungszeit auszulegen ist, wofür allerdings auch die Materialien wertvoll sein können. Dieser Auslegungsmethode entspricht auch seit 1942 die Praxis des BG bei Auslegung des StGB (z.B. BGE 69 [1943] 179). Sie empfiehlt sich aus dem Gedanken heraus, daß der Richter ohne besondere Ermächtigung des Gesetzes, wie sie ζ. B. i n ZGB A r t . 1 vorliegt, nicht Gesetzgeber sein soll, w e i l dies dem Grundsatz der Gewaltentrennung und der Unterordnung der richterlichen unter die gesetzgebende Gewalt widerspricht. I m Interesse der Rechtssicherheit stellt StGB A r t . 1 den G r u n d s a t z d e r L e g a l i t ä t auf, der als Schranke gegen W i l l k ü r sich vor allem auch gegen richterlichen Subjektivismus wendet. Ergänzende Rechtsfindung praeter legem dürfte deshalb weder zur Begründung der Strafbarkeit noch zur Entlastung zulässig sein (a. M. G e r m a η η , Kommentar Ν. 12 zu A r t . I) 9 . Die i n Deutschland viel diskutierte Frage der „ W a h l f e s t s t e l l u n g " i n Fällen, da ein Sachverhalt nur alternativ feststellbar ist, würde unsere Praxis wohl i m Sinne des deutschen StGB § 2 b durch Bestrafung nach dem mildesten Gesetz lösen. Dagegen besteht bei uns kein P r a e j u d i z i e n z w a n g i m Sinne des englischen Rechtes, und es hindert der Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz" nicht einen Wechsel i n der Auslegung, indem das gleiche Ge8 So auch Hafter, A T 11, Thormann/Overbeck 34, Schwander 50, Clerc , I n troduction. 20. 9 Den gleichen Standpunkt nimmt neuerdings in bezug auf die Auslegung der Bundesverfassung ein H. G. Lüchinger: Die Auslegung der schweizerischen Bundesverfassung, Zürch. Diss. 1954. Zum Problem „Richter und Gesetzgebung" im allgemeinen Meier-Hayoz: Der Richter als Gesetzgeber, Zürcher Habilitationsschrift 1951.

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rieht, das bisher einen bestimmten Tatbestand für nicht strafbar erklärte, seine Auffassung ändern und Strafbarkeit annehmen kann, wie das BG in E 74 I V (1948) 65 und 76 I V (1950) 153 gegenüber seiner früheren Praxis (BGE 70 I V [1944] 9 und 152) getan hat (Abtreibungsversuch durch eine Nichtschwangere). Dies ist nicht zu verwechseln mit dem anderen Fall, da zwei voneinander unabhängige Kammern des gleichen Gerichtes eine Rechtsfrage verschieden beurteilen. Zwecks Wahrung der Einheit in der Rechtsprechung dieses Gerichtes muß i m Bund (OrgG A r t . 16) und i n verschiedenen Kantonen (z. B. Zürich GV 51) ein Plenarentscheid des Gesamtgerichtes provoziert werden, eine weniger materiellrechtliche als strafprozessuale Ordnungsvorschrift (so auch Sträuli, Kommentar zur zürch. G V § 51 N. 2). § 9. Der Geltungsbereich des Strafgesetzes Das schweizerische StGB ist gemäß Art. 401 am 1. Januar 1942 in K r a f t getreten und hat auf diesen Zeitpunkt alle ihm widersprechenden Rechtssätze aus Rechtsquellen gleicher Stufe (Bundesrecht) aufgehoben (Art. 398) und widersprechendes Recht niedrigeren Ranges (kantonales Recht) nach dem Satz „Bundesrecht bricht kantonales Recht" gebrochen (Art. 400). Die Lehre des Geltungsbereichs prüft, wie weit es selbst an persönliche oder zeitliche oder örtliche Schranken gebunden ist. Für den p e r s ö n l i c h e n G e l t u n g s b e r e i c h gilt, daß ihm grundsätzlich j e d e r m a n n unterworfen ist, der eine strafbare Handlung begangen hat, und daß davon nur ausgenommen sind d i e n a c h Völkerrecht exterritorialen Personen, die dem M i l i t ä r s t r a f r e c h t u n t e r s t e h e n d e n Ρ e r s ο n e η (Art. 8), deren Kreis i n Friedens-, A k t i v - oder Kriegsdienst verschieden weit bestimmt w i r d und i m einzelnen i m MStG A r t . 2 bis 5 seine Regelung hat, sowie d i e der parlamentarischen Immunität t e i l h a f t i g e n V o l k s v e r t r e t e r für Äußerungen i n den Verhandlungen, wie sie i m Bund gemäß BG vom 9. Dezember 1850 über die Verantwortlichkeit der eidgenössischen Behörden und Beamten A r t . l / I I (BS 1, 462) unbedingt besteht und wie sie nach StGB A r t . 366 (lit. a) von den Kantonen den Mitgliedern ihrer gesetzgebenden Behörden gewährt werden kann 1 0 . Für den z e i t l i c h e n G e l t u n g s b e r e i c h oder das i n t e r t e m p o r a l e S t r a f r e c h t gilt StGB Art. 2 Abs. 1: „Nach diesem Gesetze w i r d beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen 10 Vgl. dazu Hafter A T 191 ff. und von Spezialliteratur v. Muralt, Die parlamentarische Immunität, Zürch. Diss. 1902 und Schwarz, Die parlamentarische Immunität der Mitglieder der schweizerischen Bundesversammlung, Zürch. Diss. 1929.

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oder Vergehen verübt", so daß grundsätzlich Nachwirkung alten Rechts v/ie Rückwirkung neuen Rechts ausgeschlossen erscheint. Dabei ist „Zeit der Begehung" analog dem „Ort der Begehung" zu bestimmen, d. h. nach A r t . 7 die Zeit, i n welcher der Täter das Delikt ausführte, und die Zeit, i n welcher der Erfolg eintrat. Es ist nun aber denkbar, daß die Ausführung unter altem Rechte geschah, der Erfolg aber erst unter neuem Rechte eintrat, und es ist weiter möglich, daß zwar die Gesamttat unter altem Recht vorgenommen wurde, die Beurteilung aber erst unter neuem Recht möglich wurde. Die Literatur (Hafter, A T 84, Logoz Ν. 1 zu A r t . 7 und Thormann-Overbeck Nr. 10 zu A r t . 7) hat beide Fälle gleich behandelt und nach A r t . 2 Abs. 2 das neue Recht zur Anwendung gebracht, „wenn es für den Täter das mildere ist". Die Prüfung der Frage, welches von mehreren Gesetzen das mildere oder mildeste sei, ist dabei nicht i n abstracto, sondern i n concreto vorzunehmen, d. h. es ist zu prüfen, welches Gesetz i m Einzelfall das für den Täter günstigste ist (BGE 68 I V [1942] 33), wobei nach dem Prinzip der Einheit nur das eine oder andere Strafgesetz zur Anwendung gelangen kann (BGE 68 I V 129) und Meinungsverschiedenheit nur darüber besteht, ob auch die Möglichkeit sichernder Maßnahmen zu berücksichtigen ist, was von Hafter A T 46, Logoz A r t . 2/N. 8 und der Praxis der BGE 68 I V (1942) 37 und 65 verneint, von Thormann/Overbeck N. 15 und 16 zu A r t . 2 vor allem für sichernde Maßnahmen m i t Straf Charakter, wie ζ. B. die Verwahrung (Art. 42) bejaht wird, desgleichen von H a l t e r (Das zeitliche Geltungsgebiet des Schweiz. StGB [Luzern 1942] S. 40). Der Grundsatz der mitior lex w i r d schließlich i n StGB 336 ff. auch auf Strafurteile ausgedehnt, die ζ. Z. des Inkrafttretens des StGB bereits rechtskräftig waren, aber erst unter neuem Recht zu vollziehen sind und folgenden Änderungen unterworfen werden: Verzicht auf Vollzug, wenn die Tat i m neuen Recht nicht mehr strafbar ist (336 a), Umwandlung einer Todesstrafe i n lebenslängliches Zuchthaus (336 b), Anwendung des neuen Rechtes auf Verjährung (337), bed. Entlassung (336 c), Rehabilitation (338) und Löschung (338 II), sowie Recht eines Verurteilten, der aus mehreren Verurteilungen am 1. Januar 1942 noch mehr als fünf Jahre Freiheitsstrafe zu verbüßen hatte, vom Bundesgericht Festsetzung einer Gesamtstrafe nach A r t . 68 zu verlangen (336 d). Der Umstand, daß die Antragsdelikte der früheren kantonalen Rechte notwendigerweise nicht immer mit denen des neuen Rechtes übereinstimmen, führte zur gesetzlichen Regelung des A r t . 339 und die Möglichkeit, daß bei einem fortgesetzten Delikte Teilhandlungen unter altes und neues Recht fallen können, zur Regelung der Praxis, es seien bei milderem neuen Recht alle nach diesem zu beurteilen, sonst aber die einen nach altem und die anderen nach neuem Recht und aus beiden so erhaltenen Strafen eine Gesamtstrafe nach A r t . 68 zu bilden (BGE 69 I V [1943] 145). 14 Ausländisches Straf recht II

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Das schweizerische Strafrecht

Was nun endlich den r ä u m l i c h e n G e l t u n g s b e r e i c h betrifft, w i r d er nach StGB A r t . 3 vom Territorialprinzip beherrscht: „Diesem Gesetz ist unterworfen, wer i n der Schweiz ein Verbrechen oder Vergehen verübt." Das Territorialprinzip gilt aber bei uns i m Gegensatz zum englisch-amerikanischen Rechtskreis nicht i n seiner negativen, sondern i n seiner positiven Form, indem es die Ergänzung der Bestrafung aller Inlandstaten durch Bestrafung bestimmter Auslandstaten nicht ausschließt. Diese letztere Bestrafung erfolgt einmal nach A r t . 4 auf Grund des R e a l - oder S t a a t s s c h u t z p r i n z i p s (Bestrafung bestimmter i m Ausland begangener Delikte gegen den schweizerischen Staat), weiter nach A r t . 5 auf Grund des p a s s i v e n P e r s o n a l i t ä t s p r i n z i p s (Bestrafung eines i m Ausland gegen einen Schweizer begangenen Deliktes), ferner nach A r t . 6 auf Grund des a k t i v e n P e r s o n a l i t ä t s p r i n z i p s (Bestrafimg eines Schweizers, der i m Ausland eine auch dort strafbare Handlung begangen hat) und schließlich auf Grund des U n i v e r s a l i t ä t s - oder W e l t r e c h t s p r i n z i p s bei bestimmten international verfolgten Delikten: Frauen- und Kinderhandel (StGB 202 Z. 5), Geldfälschungen (StGB 240 Abs. 3), Fälschung amtlicher Wertzeichen (StGB 245 Abs. 3), Betäubungsmittel (BG v. 3. Oktober 1951 A r t . 19 Ζ. 1 Abs. 2 [AS 1952, 241]) und Telegraphen- und Telephonverkehr (BG v. 14. Oktober 1923 A r t . 40 Abs. 2 [BS 7, 880]). Nach diesem Prinzip kann ein Täter dieser Delikte i n der Schweiz bestraft werden, auch wenn er sie irgendwo i m Ausland begangen hat, aber i n der Schweiz betreten und nicht ausgeliefert wird, sofern die Tat auch am Begehungsort strafbar ist. Von der Erweiterung des Territorialprinzips durch die genannten ergänzenden Prinzipien hat vor allem das Prinzip der aktiven Personalität — das „Prinzip der Volkszugehörigkeit" i m nationalsozialistischen Deutschland — Anlaß zur Diskussion gegeben, indem das Gesetz darunter nicht nur das sogenannte stellvertretende Strafrecht versteht (Bestrafung eines Schweizers für Auslandstaten bei Verweigerung der Auslieferung), sondern sich tatsächlich darüber hinaus zum aktiven Personalitätsprinzip bekennt (so auch BGE 76 I V [1950] 209), beschränkt allerdings auf Delikte, für welche das schweizerische Recht die Auslieferung zuläßt und die auch i m Begehungsstaate strafbar sind, welche Bestimmung es der Schweiz nach dem zweiten Weltkrieg ermöglichte, Schweizer, die sich Kriegsverbrechen hatten zu schulden kommen lassen, i n der Schweiz zur Bestrafung zu bringen. Dabei gilt hier wie beim passiven Personalitätsprinzip des A r t . 5 die Ausnahmebestimmung des F r e m d r e c h t s p r i n z i p s , d. h. es ist das Gesetz des Begehungsortes anzuwenden, wenn es für den Täter das mildere ist 1 1 . 11 Hierzu m e i n e Abhandlung: „Der Umfang der Strafberechtigung nach Territorialität oder nach Volkszugehörigkeit" (SJZ 42, 49), ferner Schultz,

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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Wie bereits angedeutet, erhält Art. 6 als Grundlage des stellvertretenden Strafrechts seine Ergänzung durch das B G b e t r . d i e A u s l i e f e r u n g g e g e n ü b e r d e m A u s l a n d v o m 22. J a n u a r 1892 (BS 3, 509), das zwar auch materiellrechtliche Bestimmungen enthält — Kreis der auszuliefernden Personen und der möglichen Auslieferungsdelikte (Art. 1 bis 3), Prinzip der identischen Norm und der Spezialität (Art. 3 und 7), Verbot der Auslieferung wegen politischer Delikte (Art. 10), Übertretung fiskalischer Gesetze und reiner M i l i t ä r vergehen (Art. 11) und Verbot der Auslieferung von Schweizerbürgern —, hauptsächlich aber das A u s l i e f e r u n g s v e r f a h r e n regelt und daher mehr prozeßrechtlicher Natur ist 1 2 . Wenn w i r vom räumlichen Geltungsbereich sprechen, verstehen w i r darunter lediglich die R e c h t s a n w e n d u n g , nicht aber die S t r a f b e r e c h t i g u n g oder die p r o z e s s u a l e Z u s t ä n d i g k e i t . Die Schweiz ist nicht i m ganzen räumlichen Geltungsbereich auch s t r a f b e r e c h t i g t — so nicht i m stellvertretenden Strafrecht, aktiven oder passiven Personalitätsprinzip —, was schon daraus erhellt, daß Bestrafung i m Ausland inländische Bestrafung hindert und bei milderem Gesetz des Begehungsstaates dieses angewandt w i r d (Art. 5 und 6), während bei eigener Strafberechtigung stets das eigene Recht zur Anwendung gelangt und im Ausland verbüßte Strafen nur a n g e r e c h n e t werden (Anrechnungs- statt Erledigungsprinzip in A r t . 3 und 4). Unter p r o z e s s u a l e r Z u s t ä n d i g k e i t aber verstehen w i r das Recht, A k t e der Rechtspflege vorzunehmen, wie es nicht i n A r t . 3 ff., sondern i n A r t . 346 ff. (Gerichtsstand usw.) geregelt ist. Vom räumlichen Geltungsbereich oder internationalem Strafrecht i. e. S. ist endlich zu trennen das i n t e r n a t i o n a l e S t r a f r e c h t i. w. S., das aus internationalen Rechtsquellen (speziell internationalen Konventionen) stammt und mehreren Staaten gemeinsam ist 1 3 . Auslieferungsrecht S. 29 ff. und Theiler, Das Fremdrechtsprinzip im Strafrecht, Zürch. Diss. 1943. 12 Zum s c h w e i z e r i s c h e n A u s l i e f e r u n g s r e c h t außer den bereits genannten Arbeiten von Schultz und Langhard (S. 46) Schwarzenbach, Das materielle Auslieferungsrecht der Schweiz, Zür. 1901, Benz, Prinzip der identischen Norm, Zürch. Diss. 1941, Hess, Der Grundsatz der Spezialität, Zürch. Diss. 1944, Pfenninger, Eine Frage des Auslieferungsrechtes (SJZ 10, 62), Corbaz, Le crime politique et la jurisprudence du tribunal fédéral en matière d'extradition, Laus. Diss. 1927, Gut, Die fiskalischen und militärischen Vergehen i m Schweiz. Auslieferungsrecht, Zürch. Diss. 1943, v. Cleric , Das sog. stellvertetende Strafrecht in „Festschrift für Zürcher" 1920, Wettstein, Die Staatsangehörigkeit im Schweiz. Auslieferungsrecht, Zürch. Diss. 1905, Bolens, Essai sur l'extradition et la non-extradition des nationaux, Laus Diss. 1940. 13 Dazu m e i n e Abhandlung: „Der Ausbau des internationalen Strafrechts" (SJZ 32, 1935/36) 225. Z u m internationalen Straf recht i. w. S. gehören schon heute die nach dem Weltrechtsprinzip zu verfolgenden Delikte und ferner das in den Genfer Konventionen zum Schutze der Kriegsopfer niedergelegte Strafrecht, das heute in der Schweiz nach MStG Art. 109 als „Dienst14*

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Das schweizerische Strafrecht

§ 10. Die Straftat und ihre Merkmale I. I m

allgemeinen

Als S t r a f t a t oder V e r b r e c h e n i. w. S. bezeichnen w i r i n der Schweiz das V e r h a l t e n e i n e s M e n s c h e n , d a s einen staatlichen Strafanspruch zur Entstehung bringt. Diese Umschreibung gilt auch für das J u g e n d s t r a f r e c h t , dessen Tatbestände mit denen des Erwachsenenstrafrechts identisch sind und dessen Maßnahmen und Strafen nach A r t . 361 ins Straf register aufgenommen werden, also technisch den Strafen gleichgestellt sind. Da mit diesem Begriff aber eine Skala von den leichtesten bis zu den schwersten Rechtsgüterverletzungen umfaßt wird, hat es bereits der französische Code pénal ν. 1810 A r t . 1 für notwendig erachtet, eine Dreiteilung (Trichotomie) der verbrecherischen H a n d l u n g e n i n crimes, délits und contraventions nach ihrer Straffolge oder Schwere durchzuführen. Diesem Beispiel folgt das schweizerische StGB, indem A r t . 9 unter „ V e r b r e c h e n " die mit Zuchthaus und unter „ V e r g e h e n " die m i t Gefängnis i m Höchstmaß bedrohten Handlungen versteht. Ihnen schließt sich als dritte Kategorie i n A r t . 101 die der „ Ü b e r t r e t u n g e n " an als die mit Haft oder Buße allein bedrohten Handlungen. Die Abgrenzung erfolgt somit nach r e i n o b j e k t i v e n M a ß s t ä b e n , nämlich, wie i m Code pénal, allein nach der S c h w e r e d e r T a t , wie sie in der angedrohten und nicht etwa i n der i m Einzelfall verwirkten Strafe zum Ausdruck kommt. Damit, daß er keinen Wesens-, sondern nur einen Maß-Unterschied anerkennt, t r i t t der Gesetzgeber jenen Versuchen entgegen, die auch bei uns unternommen wurden, u m vor allem die Übertretungen als moralisch erlaubt oder indifferent auch qualitativ von den Vergehen und Verbrechen zu trennen 1 4 . Die B e d e u t u n g d e r D r e i t e i l u n g besteht, abgesehen vom bereits genannten Zweck größerer Gliederung, darin, daß zwar für alle drei Kategorien der Allgemeine Teil des StGB gilt, für die Übertretungen aber i n A r t . 101 bis 109 gewisse Abänderungen vorgesehen sind, und daß ihre verschiedene Schwere vom Gesetz u. a. insofern berücksichtigt wird, als ζ. B. die erfolglose Anstiftung nur bei Verbrechen strafbar ist (Art. 24) und sich die Verfolgungsverjährung i n ihren Fristen nach der Dreiteilung richtet (Art. 70). Vor allem aber soll die Trichotomie den kantonalen Verletzung" im Sinne des M S t G Art. 72 bestraft wird: „Wer den Vorschriften internationaler Abkommen über Kriegsführung und zum Schutze von Kriegsopfern zuwiderhandelt". 14 So noch unter altem Recht BGE 56 I (1931) 413, im Wortlaut wiedergegeben Z. 45 (1931) 80, und Germann in „Das Verbrechen im neuen Strafrecht" 98. Α. A. Bundesanwalt Stämpfli, Zum Fall Bassanesi (Z. 45, 1) und Hafter (Z. 45, 14), die beide schon nach damaligem Recht lediglich einen U n terschied in der Schwere der Tat anerkennen.

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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Gerichtsorganisationen ermöglichen, die sachliche Zuständigkeit der Gerichte nach dieser Dreiteilung vorzunehmen und insbesondere für die Übertretungen ein mehr summarisches Verfahren vorzusehen, wie sie es für die eigenen Übertretungen (365 Ζ. 1 II) vorschreiben (367). Noch der bundesrätliche E n t w u r f von 1918 hatte sich zur Zweiteilung i n Vergehen und Übertretungen bekannt, aber die parlamentarische Beratung war zur Dreiteilung zurückgekehrt, weil nur sie dem Sprachgebrauch genüge, der ζ. B. Mord oder Raub nie als bloße Vergehen bezeichnen werde. Jede Straftat muß nach schweizerischem StGB f o l g e n d e M e r k m a l e erfüllen, u m einen staatlichen Strafanspruch zu begründen: Sie muß sich darstellen als das w i l l k ü r l i c h e V e r h a l t e n e i n e s M e n s c h e n , das t a t b e s t a n d s m ä ß i g , s c h u l d h a f t und r e c h t s w i d r i g ist. Diese Voraussetzungen müssen vorhanden sein, wenn nach geltendem Recht eine Straftat vorliegen soll. Dazu kommt das Erfordernis der S t r a f b a r k e i t , w e i l dieses auch bei Vorliegen von Tatbestandsmäßigkeit, Schuld und Rechtswidrigkeit infolge eines Strafausschließungsgrundes fehlen und damit die Straftat negieren kann. Neben diesem f o r m e l l e n Verbrechensbegriff gibt es bekanntlich einen m a t e r i e l l e n , der sozusagen naturrechtlich feststellen w i l l , wie ein menschliches Verhalten beschaffen sein muß, damit der Gesetzgeber seine Begehung unter Strafdrohung setzt. Er w i r d es offensichtlich nur dort tun, wo er Strafe für notwendig erachtet, woraus ohne weiteres hervorgeht, daß die Erfüllung aller Voraussetzungen S t r a f p f l i c h t und nicht nur Strafmöglichkeit auslöst (materiellrechtliches P r i n z i p d e r L e g a l i t ä t ) , sofern nicht das Gesetz selbst etwas anderes vorsieht, was weder i n StGB A r t . 1 noch sonstwo der Fall ist. Da die Merkmale der Straftat i m geltenden mitteleuropäischen Recht vielfach miteinander übereinstimmen, wie dies vor allem vom deutschen StGB von 1871 und dem schweizerischen StGB festzustellen ist, werde ich mich i m folgenden nur dort auf nähere Erörterungen einlassen, wo Abweichungen oder Besonderheiten des schweizerischen Rechts hervorzuheben sind. Vor allem werde ich keine weitere Beachtung dem S t r e i t um die W a n d l u n g e n der Verb r e c h e n s l e h r e schenken, der sich i m Anschluß an W e l z e l s „finalen Handlungsbegriff" i n Deutschland entwickelt hat (vgl. M e z g e r , Moderne Wege der Strafrechtsdogmatik 1950), weil dieser, soweit ich die Sachlage überblicke, bis heute bei uns von der Literatur restlos abgelehnt w i r d 1 5 und i n der Praxis keinen Eingang gefunden hat. 15

So bereits von Hafter in Z. 63, 522, dann Germann in Z. 65, 106 und Germann, Verbrechen S. 119, ferner Schwander in ZSR N F 68, 123 und

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Das schweizerische Strafrecht

II. D i e S t r a f t a t

als w i l l k ü r l i c h e s eines Menschen

Verhalten

1. Der Mensch als Subjekt der Straftat Subjekt einer Straftat kann nach schweizerischem Straf recht nur der M e n s c h sein. Die daneben heute einzig noch in Betracht fallende D el i k t s f ä h i g k e i t d e r K ö r p e r s c h a f t e n ist schon vor Inkrafttreten des neuen Rechts von der kantonalen wie der bundesgerichtlichen Praxis (z.B. BGE 41 I 214 ff.) eindeutig abgelehnt worden und das gleiche ist von Gesetzes wegen der Fall, wenn StGB Art. 172 und 326 für die i m Geschäftsbetrieb einer juristischen Person begangenen strafbaren Handlungen die handelnden Organe für strafrechtlich verantwortlich erklären. Solchen Organen wurden i n einem neueren Entscheid (BGE 78 I V [1952] 28 ff.) auch Personen gleichgestellt, welche die statutarischen Organe als Strohmänner benützen und die Körperschaft tatsächlich leiten 1 6 . Dagegen findet sich eine strafrechtliche M i t haftung juristischer Personen für die Straftaten ihrer Organe subsidiär i n einigen Nebengesetzen des Fiskal- und Wirtschaftsrechts 17 . Ist somit lediglich der Mensch strafrechtlich verantwortlich und nur für sein eigenes Verhalten — keine Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung anderer (BGE 68 I V [1942] 31), sofern sie das Gesetz nicht ausdrücklich vorsieht (wie in StGB Art. 27) —, fragt es sich, ob seine Deliktsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, wegen einer unerlaubten Handlung Strafe zu erleiden, unbeschränkt ist. Da sie Urteilsfähigkeit voraussetzt, ist sie bei Unzurechnungsfähigen nicht und bei verminderten Zurechnungsfähigen nur i n geringerem Umfang vorhanden. Sie fehlt den Kindern von 1 bis 6 Jahren vollständig, führt für die Kinder von 6 bis 14 Jahren lediglich zu Fürsorgemaßnahmen, für die Jugendlichen von 14 bis 18 Jahren zu anderer spezialpräventiver Behandlung als i m Erwachsenenstrafrecht und schließlich für das Übergangsalter schließlich m e i n e Abhandlung „Die moderne deutsche Strafrechtswissenschaft" (SJZ 45, 353 ff.). 16 Bezeichnend für den gegenwärtigen Stand der Doktrin ist, daß Hafter, der in seiner Habilitationsschrift: „Die Delikts- und Straffähigkeit der Personenverbände (Berlin 1903) unter dem Einfluß v. Liszts und v. Gierke die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Personenverbände für alle jene Delikte bejahte, welche nicht lediglich der Mensch in seiner Individualsphäre auszuführen vermöge, und dafür „Verbandsstrafen" vorsah — Geldstrafen, Verbandsauflösung, Privilegienentzug, Verweis, Urteilsveröffentlichung usw. •—, in seinem Lehrbuch Α. T. 71 ff. zum Standpunkt „societas delinquere non potest" zurückgekehrt ist und lediglich in einem Gutachten „Patentschutz gegenüber Aktiengesellschaften" (1919) 33 ff. die Verhängung sichernder Maßnahmen für möglich erachtet. Vgl. auch Zürcher in Z. 16, 311 ff. 17 Stempelgesetz Art. 56, Alkoholgesetz Art. 56 und Getreidegesetz Art. 36, wo überall der Verband solidarisch haftbar erklärt wird für die Geldstrafe, welche seinen Organen für strafbare Handlungen in seinem Geschäftsbetrieb auferlegt worden ist.

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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von 18 bis 20 Jahren zu milderer Bestrafung. Dagegen haben Stand des Täters, hohes A l t e r oder Geschlecht keinen Einfluß auf seine strafrechtliche Verantwortung, und es hat H. K. S o n d e r e g g e r i n seiner Dissertation „Die strafrechtliche Behandlung der Frau" (Bern. Diss. 1924) m i t seinem Vorschlag für fakultative Strafmilderung bei weiblichen Tätern, die bei „Handeln unter dem Einfluß generativer Vorgänge" sogar obligatorisch sein sollte, keine Nachfolge i m Gesetz erzielt. Doch spielt eine solche Rücksichtnahme bereits bei Kindstötung (Art. 116) und Abtreibung (Art. 118) eine Rolle, und es w i r d auch ohne gesetzliche Regelung die Praxis i n Straf wähl und Strafmaß sowohl dem hohen A l t e r wie der Eigenart des weiblichen Täters Rechnung tragen, während eine Rücksichtnahme auf den Stand, wie sie nach R a d b r u c h („Elegantiae iuris criminalis", Basel 1938 S. 1 ff.) i m Mittelalter bestanden haben soll, bereits durch B V A r t . 4 (Gleichheit vor dem Gesetz) ausgeschlossen wird. 2. Das willkürliche

Verhalten

eines Menschen

Das Verhalten eines Menschen w i r d nur dann bestraft, wenn es w i l l kürlich war, d. h. wenn der Täter sein Verhalten frei bestimmen konnte und daran weder durch äußere Einwirkung (Zwang, Gewalt) noch durch innere Zustände (Geisteskrankheit, Bewußtseinsstörung) gehindert wurde. Unser StGB steht durchaus auf dem Boden der W i l l e n s f r e i h e i t , w o h l am ehesten i n Form des sogenannten r e l a t i v e n I n d e t e r m i n i s m u s , d. h. es anerkennt, daß der Mensch stark unter dem Einfluß seines Charakters und seiner Umweltsverhältnisse handelt, aber sich letzten Endes auch anders hätte entscheiden können. Diese relative Willensfreiheit ist aber nicht vorhanden bei v i s a b s o l u t a , wenn sie durch unwiderstehlichen Zwang oder Gewalt aufgehoben worden ist, worüber keine weiteren Ausführungen notwendig sind, und sie fehlt auch bei G e i s t e s k r a n k h e i t , weshalb die Frage der Zurechnungsfähigkeit schon hier behandelt werden kann. Die Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t kann als die Fähigkeit bezeichnet werden, schuldhaft eine strafbare Handlung zu begehen. Sie ist Voraussetzung der Schuld, w i r d aber i m Gesetz nur in negativer Form umschrieben, indem nach dessen A r t . 10 U n z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t vorliegt, wenn beim Täter zur Zeit der Tat einer von drei abschließend aufgezählten Zuständen vorliegt: Geisteskrankheit, Blödsinn oder schwere Störung des Bewußtseins, aber auch dies nur dann, wenn dadurch dem Täter entweder die Fähigkeit geraubt wird, das Unrecht seiner Tat einzusehen (die sogenannte rechtliche Unterscheidungsfähigkeit), oder aber die Fähigkeit, dieser Einsicht gemäß zu handeln (die sogenannte geistige Dispositionsfähigkeit). W i r bekennen uns somit zur biologisch-psychologischen oder gemischten Methode (wie heute das deutsche StGB §51), die von unsern Psychiatern (z.B. Maier i n Z. 26,

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Das schweizerische Strafrecht

289) damit begründet wurde, sie zwinge den Experten, nicht nur die Krankheit zu beweisen, sondern aus der Individualität des geistesgestörten Menschen die Tat zu erklären und damit dem Strafrichter den inneren Zusammenhang zwischen der seelischen Störung und der strafbaren Handlung darzutun. Ihre Regelung ist unanfechtbar, wenn die Aufzählung der drei Krankheitszustände tatsächlich erschöpfend ist und nicht noch andere denkbar wären, die ebenfalls Unzurechnungsfähigkeit begründen könnten, was seinerzeit von Eugen Bleuler behauptet wurde (Z. 42, 346 [1229]), der ihren Ersatz durch die Formulierung des damaligen deutschen Strafgesetzentwurfes (§ 11) und heutigen StGB § 51 forderte. Dieser K r i t i k war kein Erfolg beschieden. Sie zeigt aber zusammen mit der Versicherung der Psychiater, daß sie es selten m i t festumrissenen Krankheitsbildern zu t u n haben, daß hier eine möglichst extensive Auslegung am Platze ist und das Hauptgewicht auf die Wirkung, die Aufhebung der Unterscheidungs- oder Dispositionsfähigkeit, gelegt werden muß (so auch H a f t e r A T 2. A. 173 ff.). Da zwischen Geistesgesundheit und Geisteskrankheit Zwischenstufen denkbar sind, die einer besonderen strafrechtlichen Behandlung bedürfen 1 8 , stellt StGB Art. 11 den Begriff der v e r m i n d e r t e n Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t auf, die dann vorliegt, wenn der Täter in seiner geistigen Gesundheit oder i n seinem Bewußtsein derart beeinträchtigt oder geistig mangelhaft entwickelt war, daß entweder die rechtliche Unterscheidungsfähigkeit oder die geistige Dispositionsfähigkeit zwar nicht aufgehoben, aber doch z. Z. der Tat herabgesetzt war, was stets eine Strafmilderung nach freiem Ermessen (Art. 66) zur Folge hat. Es müssen somit die Zustände, aus denen sie hervorgeht, nicht unbedingt krankhafter Natur sein, es kann auch ein Handeln i n blindem Zorn oder i n vorübergehender alkoholischer oder sexueller Erregung darunter fallen. Weder Unzurechnungsfähigkeit noch verminderte Zurechnungsfähigkeit dürfen nach A r t . 12 angenommen werden, wenn der Täter selbst die schwere Störung oder die Beeinträchtigung des Bewußtseins i n der Absicht herbeigeführt hat, i n diesem Zustand die strafbare Handlung zu verüben (die sogenannte actio libera i n causa). Ähnlich liegt der Fall der selbstverschuldeten Volltrunkenheit im Sinne des A r t . 263, die mit Gefängnis bis sechs Monaten oder Buße bestraft wird, wenn der Täter i n diesem Zustand eine strafbare Handlung begangen hat. Noch besser M F G Art. 59, der bestraft, wer in angetrunkenem Zustand ein Motorfahrzeug führt, wodurch bereits die Herbeiführung eines Ge18 A. A. Wilmanns „Die sog. verminderte Zurechnungsfähigkeit" (Berlin 1927), aber gegen ihn mit überzeugenden Argumenten auf Grund des Begutachtungsmaterials der Heilanstalt Burghölzli (Zürich) Manser „Beiträge zur Frage der verminderten Zurechnungsfähigkeit" (Zürich 1932).

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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fährdungszustandes ohne Rücksicht auf eine mögliche Schädigung geahndet wird. Da die Zurechnungsfähigkeit Voraussetzung der Schuld ist, müßte eigentlich i h r Vorhandensein i n jedem Einzelfall durch eine psychiatrische Begutachtung nachgewiesen werden. Das würde aber zu einer kaum tragbaren Belastung der Strafrechtspflege führen. Sie w i r d daher nach StGB A r t . 13 nur für Taubstumme und Epileptiker i n jedem Einzelfall gefordert, sonst aber nur dann, wenn der Untersuchungsbeamte oder der Richter Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Beschuldigten hat. I n diesem Falle muß er eine Begutachtung anordnen, auch wenn der Beschuldigte keine verlangt hat. I m Gutachten selbst prüft der Sachverständige die biologisch-psychologischen Voraussetzungen, und es entscheidet der Richter, ob Art. 10 oder 11 vorliegt (BGE 75 I V [1949] 148 Z. 1). III. D a s

Erfordernis

der

Tatbestandsmäßigkeit

Das willkürliche Verhalten eines Menschen ist nur strafbar, wenn es t a t b e s t a n d s m ä ß i g ist, d. h. einem Verhalten entspricht, das i m besondern Teil des StGB ausdrücklich m i t Strafe bedroht wird. Unter „Tatbestand" verstehen w i r dabei die G e s a m t h e i t d e r tatsächlichen Verbrechensmerkmale, d. h. alle mit Ausnahme von Schuld und Rechtswidrigkeit, und es w i r k t sich die Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens nach vier Richtungen aus: i m S u b j e k t des v e r b r e c h e r i s c h e n V e r h a l t e n s , i m V e r h a l t e n s e l b s t , i m E r f o l g , bzw. i m O b j e k t , a n d e m e r e i n t r i t t , und in den sogenannten M o d a l i t ä t e n d e s V e r haltens. 1. Das Subjekt

des verbrecherischen

Verhaltens

Das schweizerische StGB unterscheidet zwischen gemeinen Verbrechen, bei denen jedermann Täter sein kann, und S o n d e r v e r b r e c h e n (delieta propria), bei denen nur bestimmte i m Gesetze genau umschriebene Personen als Täter i n Betracht kommen (Militärpersonen, Beamte, Rechtsanwälte usw.) und zu denen auch die sogenannten e i g e n h ä n d i g e n D e l i k t e gehören, die wie Blutschande, Ehebruch usw. nur von bestimmten Personen ausgeführt werden können. Umstritten ist die Frage, ob auch andere Personen wenigstens als mittelbare Täter strafbar sind, wenn sie einen Zeugen z. B. zu unbewußt falschen Zeugenaussagen oder einen Beamten zu unbewußt falscher Beurkundung veranlassen. Während das Bundesgericht in E 7 1 I V (1945) 135 ff. freisprach, weil auch mittelbarer Täter nur sein könne, wer „die Eigenschaften hat, die er haben muß, um bei unmittelbarer Täterschaft strafbar zu sein", t r i t t Hafter (AT 221) für Bestrafung wegen mittelbarer Täterschaft ein, weil die Strafwürdigkeit

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Das schweizerische Strafrecht

außer Zweifel stehe und man die Strafbarkeit nicht an formalen Bedenken scheitern lassen dürfe. 2. Das Verhalten

und der Erfolg

(Handlung sobjekt)

Zum Tatbestand gehört weiter ein bestimmtes V e r h a l t e n , das bald gewollte Körperbewegung (Handlung), bald gewollte Regungslosigkeit (Unterlassung) sein muß, so daß alle bloßen Geschehnisse, die nicht gewolltes Verhalten sind, ausscheiden. Dieses Verhalten kann reines Tun oder reines Unterlassen sein (bloße Tätigkeits- oder Formaldelikte) oder aber es kann eine Veränderung i n der Außenwelt, einen Erfolg, herbeiführen (Material- oder Erfolgsdelikte), wobei der Erfolg meist ein physischer (ζ. B. Tötung) sein wird, aber auch ein psychischer (ζ. B. Angst durch schwere Drohung) sein kann, und man nach der Unmittelbarkeit des Erfolges V e r l e t z u n g s - , Gefährd u n g s - und bloße U n g e h o r s a m s d e l i k t e unterscheidet. Das Objekt, gegen welches sich das Verhalten des Rechtsbrechers i n erster Linie richtet, ist einmal das H a n d l u n g s o b j e k t , das meist ausdrücklich i m Tatbestand genannt wird, und i m weiteren das S c h u t z o b j e k t , das i m schweizerischen StGB meist als Oberbegriff verwendet wird, u m eine ganze Gruppe von gegen das gleiche Schutzobjekt gerichteten Straftaten zusammenzufassen. Dabei ist der Erfolg strafrechtlich nur relevant, wenn zwischen ihm und dem kriminellen Verhalten K a u s a l z u s a m m e n h a n g besteht, so daß sich auch für die schweizerische Praxis die Frage stellt, wann ein Erfolg als W i r kung auf ein Verhalten als Ursache zurückzuführen ist, worauf das Gesetz keine A n t w o r t erteilt. Interessanterweise besteht bei uns im Gegensatz ζ. B. zu Deutschland kein Meinungsstreit über diese Frage, indem sich Judikatur (z. B. ZR 27 [1928] No. 195 und BGE 68 I V [1942] No. 3 Erw. 2; 73 I V [1947] No. 60 und 77 I V [1951] No. 42) und Literatur (Hafter A T 82, Thormann-Overbeck Z. 3 zu Art. 9, Logoz, Vorb. zu A r t . 9, Germann, Verbrechen 163 und Schwander No. 175) sozusagen einstimmig für die T h e o r i e d e r a d ä q u a t e n V e r u r s a c h u n g erklären, obwohl die Unsicherheit des Ausgangspunktes und die Gefahr einer Vermengung m i t der Schuldfrage m. E. eher für Äquivalenzoder Relevanz-Theorie sprechen würden 1 9 . 3. Modalitäten

des strafbaren

Verhaltens

Es gibt auch i m schweizerischen Recht einzelne Tatbestände, bei denen zum Verhalten noch weitere Umstände hinzutreten müssen, u m 19 Schweiz. Spezialliteratur zur Frage des Kausalzusammenhanges: Gmür, Der Kausalzusammenhang in der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtes und der Kausalzusammenhang im Strafrecht (Zürch. Diss. 1926), Biirgi, Die Lehre von der adaequaten Verursachung (Bern. Diss. 1927) und Guldimann, Zur Lehre von der strafrechtlich bedeutsamen Kausalität in Z. 59, 108 ff.

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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das Verhalten strafbar zu machen. W i r nennen sie M o d a l i t ä t e n d e r H a n d l u n g . Sie können sich auf Zeit, Ort, M i t t e l oder Grund der Handlung beziehen, die ohne ihr Hinzutreten straflos bliebe. So werden i m Militärstrafrecht bestimmte Handlungen nur bestraft, wenn sie zu Kriegszeiten begangen werden (ζ. B. MStG 74/75), oder sie müssen unter bestimmten Begleitumständen erfolgen, wie ζ. B. die Vornahme unzüchtiger Handlungen vor Kindern (Art. 191) oder öffentlich (203). IV.

DasErfordernisderSchuld

1. Die Schuld im allgemeinen I n seiner Züricher Rektoratsrede „Strafrecht und Schuld" (Jahresbericht 1922/23) hat H a f t e r ausgeführt, es sei noch keiner Philosophie gelungen, das Wesen der menschlichen Schuld so zu fassen, daß die Jurisprudenz damit als einem feststehenden allgemeinen Begriff hätte arbeiten können, und ebensowenig habe sie ihn selbst m i t allgemeiner Anerkennung zu bilden vermocht. Dem dürfte auch heute noch beizustimmen sein, und man muß sich wohl m i t Hafter damit begnügen, das Verschulden oder die S c h u l d i m a l l g e m e i n e n zu umschreiben als „ d i e p e r s ö n l i c h i n n e r e V e r b i n d u n g eines V e r h a l t e n s mit dem v e r u r s a c h t e n rechtsw i d r i g e n E r f o l g". Aber m i t Hafter können w i r trotzdem weiter feststellen, daß sich der Fortschritt des Strafrechts vor allem i n der Verfeinerung der Schuldlehre offenbart und daß sich das schweizerische StGB i n dieser Richtung besondere Verdienste erworben hat. Man kann zwar i n v. C l e r i c s „Leitfaden" (S. 60 ff.) nachlesen, wie sehr hier bereits das Bundesgericht Pionierarbeit leistete, indem es ζ. B. i n der ζ. T. noch recht rückständigen Nebenstrafgesetzgebung des Bundes durchsetzte, daß nur noch schuldhafte Übertretungen strafbar sein sollten. I h m folgte das schweizerische StGB, indem es i n A r t . 102 auch die Übertretungen, soweit es sie selbst regelt, den allgemeinen Regeln über Schuld unterstellt und i n Art. 333 I I I für die Übertretungen der Nebenstrafgesetzgebung lediglich insofern eine Ausnahme von A r t . 18 I macht, als diese auch dann bestraft werden sollen, wenn sie fahrlässig begangen werden — also ohne daß dies ausdrücklich gesagt w i r d —, sofern nicht „nach dem Sinn der Vorschrift nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht ist". I n gleicher Weise versucht das Gesetz, der bisherigen Erfolgshaftung entgegenzutreten und den Täter nur für den Erfolg strafrechtlich haftbar zu erklären, den er irgendwie verschuldet hat, nach der in StGB Art. 124 enthaltenen Regel: „Hat der Täter die schwere Folge, die er verursacht, weder verursachen wollen noch voraussehen können, so gilt für ihn die Strafe der Körperverletzung, die er verursachen wollte". Daß damit nicht restlos die Erfolgshaftung beseitigt wurde, zeigt die Behandlung der

Das schweizerische Strafrecht

durch Tod des Geschädigten qualifizierten Delikte, indem zwar der Tod dem Täter nur zur Last fällt, wenn er ihn voraussehen konnte (ζ. Β A r t . 139 letzter Absatz: Tod bei Raub), das Hinzutreten einer bloß fahrlässigen Tötung aber noch nicht genügen sollte, dem Richter die Möglichkeit zu gewähren, als Strafe bis auf lebenslängliches Zuchthaus zu erkennen. Ebenso verstößt gegen das reine Schuldprinzip StGB A r t . 27 (Haftung des verantwortlichen Redaktors), während dies nicht der Fall ist bei bloßen Schuldpräsumtionen, so lange sie widerlegbar sind (ζ. B. Eidgenöss. Zollgesetz von 1925 A r t . 75 und 77). Bei diesen liegt lediglich eine Umkehrung der Beweislast v o r 2 0 . 2. Die Schuldformen

des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit

Gerade weil sich der allgemeine Schuldbegriff nicht zum sicheren Maßstab eignet, hat das schweizerische StGB gleich anderen Rechten zur Bildung bestimmter Schuldformen seine Zuflucht genommen. Es ging dabei davon aus, daß der rechtbrechende Mensch den Geboten der Rechtsordnung entweder wissentlich zuwiderhandelt (Vorsatz) oder aber diesen gleichgültig gegenübersteht und ihnen nicht die nötige A u f merksamkeit zuteil werden läßt (Fahrlässigkeit). So gelangt es zu den beiden Grundschuldtypen des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit, ohne welche w i r es mit einem strafrechtlich irrelevanten, w e i l schuldfreien Verhalten zu t u n hätten. V o r s a t z liegt nach StGB A r t . 18 I I nur vor, wenn der Täter „ d i e T a t m i t W i s s e n u n d W i l l e n a u s f ü h r t". Damit versucht das Gesetz, im Streit zwischen der Vorstellungstheorie v. Liszts und der Willenstheorie Bindings Stellung zu beziehen, indem es Vorsatz erst annimmt, wenn der Täter sich nicht nur den Erfolg seiner Handlung klar vorstellen konnte, sondern darüber hinaus diesen Erfolg auch gewollt hat. Die Frage, wann dies der Fall ist, führt zu d r e i A r t e n d e s V o r s a t z e s : der A b s i c h t , wenn er den Erfolg erstrebte und dieser Motiv seines Handelns war, was bei allen Vorsatzdelikten denkbar ist, bei den sogenannten A b s i c h t s d e l i k t e n aber sogar Tatbestandsmerkmal wurde (ζ. B. Art. 240), dem d i r e k t e n V o r s a t z oder d o l u s d i r e c t u s , wenn der Täter den Erfolg nicht erstrebt, aber i n Kauf nimmt, da er weiß, daß er mit dem erstrebten notwendig verbunden ist, und schließlich dem E v e n t u a l v o r s a t z oder d o l u s e v e n t u a l i s , der nach der Umschreibung unseres höchsten Gerichtshofes (E 73 I V [1947] 103 und 74 I V [1948] 83) dann gegeben ist, wenn der Täter „ m i t dem, was er als möglich voraussieht, für den Fall, daß es Wirklichkeit sei, einverstanden ist" (so bereits E 69 I V [1943] 80). Da das Gesetz diese Dreiteilung nicht ausdrücklich sanktio20 Vgl. ganz allgemein zur Behandlung der durch den Erfolg qualifizierten Delikte F. v. Salis , Die Bedeutung des Erfolges im Schweiz. Strafrecht, Zürch. Diss. 1949.

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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niert, war speziell die Form des Eventualvorsatzes hart umkämpft, indem ζ. T. die D o k t r i n (Gautier, Zürcher) i n ihr zu Unrecht vielfach eine Form der Fahrlässigkeit erblickte. Als zweite Schuldform kennt StGB A r t . 18 I I I die F a h r l ä s s i g k e i t , die nach gesetzlicher Umschreibung dann vorliegt, w e n n „ d e r T ä t e r d i e F o l g e s e i n e s V e r h a l t e n s aus p f l i c h t w i d riger U n v o r s i c h t i g k e i t nicht bedacht oder darauf n i c h t R ü c k s i c h t g e n o m m e n h a t " . Damit unterscheidet das Gesetz ausdrücklich zwischen „ u n b e w u ß t e r F a h r l ä s s i g k e i t " (negligentia) und „ b e w u ß t e r F a h r l ä s s i g k e i t (luxuria) und erklärt als beiden gemeinsam die „ p f l i c h t w i d r i g e Unvors i c h t i g k e i t " , die nach Gesetz dann vorliegt, „ w e n n der T ä t e r d i e V o r s i c h t n i c h t b e o b a c h t e t , z u d e r er nach den U m s t ä n d e n und seinen p e r s ö n l i c h e n Verh ä l t n i s s e n v e r p f l i c h t e t i s t " (Art. 18 III). Damit werden die beiden Momente berücksichtigt, die schon bisher bei Prüfung der Fahrlässigkeit maßgebend waren: der o b j e k t i v e oder g e n e r e l l e M a ß s t a b , d. h. die nach den Umständen geforderte Sorgfalt, und der s u b j e k t i v e M a ß s t a b , d. h. die unter diesen Umständen diesem Täter zuzumutende Sorgfalt. Aber gerade weil w i r es bei dieser Schuldform nicht m i t einer ausgesprochen verbrecherischen Gesinnung zu t u n haben wie beim Vorsatz, sondern eher m i t Gleichgültigkeit oder Leichtsinn des Täters, sind nach A r t . 18 I grundsätzlich nur die vorsätzlichen Delikte strafbar, die fahrlässigen dagegen nur dann, wenn die fahrlässige Begehung vom Gesetz ausdrücklich unter Strafe gestellt ist (mit der bereits erwähnten Ausnahme i n A r t . 333 I I I für die Übertretungen der Nebenstrafgesetzgebung). Obwohl es auch i n der Schweiz nicht an grundsätzlicher Anfechtung der Fahrlässigkeit fehlt, indem B a u m g a r t e n (Z. 34, 66) sie höchstens als „Quasidelikt" gelten läßt und G e r m a n n sie als Überrest des Erfolgsstrafrechts betrachtet und unbewußte Fahrlässigkeit als nicht strafbar ablehnt (Verbrechen 88/95), finden diese Auffassungen i m Gesetz keine Stütze, und es macht auch die Judikatur zwischen bewußter und unbewußter Fahrlässigkeit nicht einmal einen Gradunterschied (so auch H a f t e r , A T 129), um dann aber, was m i r i m Gesetz auch nicht begründet erscheint, bei Beurteilung von Fahrlässigkeitsdelikten, die den Tod des Verletzten oder einen anderen schweren Erfolg gezeitigt haben und als Überbleibsel der alten Erfolgshaftung, wie bereits bemerkt, unverständlich hohe Strafrahmen besitzen (Raub, Körperverletzung, Abtreibung), nur eine Unvorsichtigkeit des Täters als strafbar zuzulassen, die „nach ihrer normalen Auswirkung das Leben des Verletzten i n eine besondere erhebliche und naheliegende Gefahr bringt" (BGE 74 I V [1948] 84 Erw. 2 und schon vorher BGE 49 I V [1943] 231 Erw. 4). Es ist offenkundig, daß unser höchster Gerichtshof diese

Das schweizerische Strafrecht

qualifizierte Form der Fahrlässigkeit nur verlangt, um das s. E. zu hohe Strafminimum umgehen zu können. Es scheint fast, daß die alte Unterscheidung zwischen culpa levis und culpa lata damit wieder ins Strafrecht eingeführt werden sollte. 2. Die Schuldaus Schließung s gründe Auch wenn Vorsatz oder Fahrlässigkeit gegeben sind, fehlt das Tatbestandsmerkmal der Schuld, wenn ein S c h u l d a u s s c h l i e ß u n g s g r u n d vorliegt. Als solche Gründe sind dem schweizerischen Strafrecht bekannt: a) Der Z w a n g , aber nur i n Form des absoluten Zwanges (vis absoluta), indem der bloß psychologische Zwang (vis compulsiva) i m Gesetz (Art. 64) nur als Strafmilderungsgrund anerkannt wird, wenn der Täter gehandelt hat „ i n schwerer Bedrängnis" oder „unter dem Eindruck einer schweren Drohung". b) Der B e f e h l d e s V o r g e s e t z t e n , wobei aber zwischen m i l i tärischem und bürgerlichem Strafrecht unterschieden werden muß, indem nach MStG A r t . 18 der militärische Untergebene, der auf Befehl eines Vorgesetzten eine strafbare Handlung begeht, nur strafbar ist, „wenn er sich bewußt war, daß ei durch die Befolgung des Befehls an einem Verbrechen oder Vergehen m i t w i r k t " . I n allen anderen Fällen ist somit der Befehl des Vorgesetzten i m Militärstrafrecht Schuldausschließungsgrund, während er i m bürgerlichen Strafrecht gleich dem psychischen Zwang lediglich als Strafmilderungsgrund vorgesehen ist, wenn nämlich der Täter handelte „auf Veranlassung einer Person, der er Gehorsam schuldig oder von der er abhängig i s t " 2 1 . c) D e r I r r t u m , wobei das Gesetz zwischen T a t - und R e c h t s i r r t u m unterscheidet und den ersteren nach A r t . 19 annimmt, wenn der Täter „ i n einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt" handelte, während Rechtsirrtum nach A r t . 20 dann gegeben ist, wenn der Täter „aus zureichenden Gründen" annahm, „er sei zur Tat berechtigt". Während bei T a t i r r t u m der Richter die Tat „zugunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat", zu beurteilen hat, also bei wesentlichem Tatirrtum zu einer Freisprechung gelangt, hat Rechtsirrtum lediglich zur Folge, daß der Richter die Strafe nach freiem Ermessen mildern (Art. 66) oder von einer Bestrafung Umgang nehmen kann, so daß also kein Schuldausschließungs-, sondern ein Strafmilderungs- und i m besten Falle ein Strafaufhebungsgrund vorliegt. Dies gilt aber nur für Vorsatz, während bei Fahrlässigkeit der Richter zu untersuchen hat, ob der I r r t u m nicht bei 21 Aus der großen Literatur über „Handeln auf Befehl" sei auf Comtesse , Kommentar zu Art. 18 und die dort genannte Literatur verwiesen, im speziellen zum MStG: Eberle , K a r l (Zürch. Diss. 1930) und zum StGB Hofmann, E. (Berner Diss. 1937).

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

pflichtgemäßer Sorgfalt" hätte vermieden werden können (Tatirrtum nach A r t . 19 II). Ist dies der Fall, bleibt er wegen Fahrlässigkeit strafbar, sofern die fahrlässige VerÜbung der Tat m i t Strafe bedroht ist. Eine ähnliche Rolle spielt beim Rechtsirrtum, daß der Täter i h m „aus zureichenden Gründen" verfallen sein muß, was z.B. verneint wurde i n einem Fall, i n welchem der Täter geltend machte, er habe geglaubt, Mädchen unter 16 Jahren würden dann nicht mehr gegen Mißbrauch geschützt, wenn sie körperlich und geistig reif seien. Hier w i r d als allgemeiner Leitsatz aufgestellt, man könne einem Täter nur dann aus seinem Rechtsirrtum keinen V o r w u r f machen, „wenn er auf Tatsachen beruht, durch die sich auch ein gewissenhafter Mensch hätte i n die Irre führen lassen" (BGE 75 I V [1949] 150 und ähnlich 43). Der Fehler dieser Regelung liegt offensichtlich darin, daß man sich nicht zu dem Gedanken durchzuringen vermochte, daß Rechtsirrtum den Vorsatz ausschließt, wie dies schließlich i n A r t . 4 des BRB über das kriegswirtschaftliche Strafrecht vom 17. Oktober 1944 geschehen ist, wo Vorsatz n u r als gegeben erachtet wird, wenn der Täter eine kriegswirtschaftliche Widerhandlung „ m i t Wissen und W i l l e n sowie i n Kenntnis der Rechtswidrigkeit ausführt" 2 2 . d) Das P r i n z i p d e r N i c h t z u m u t b a r k e i t , das i n Deutschland i m Anschluß an RGSt 30, 25 dann Schuldschließungsgrund war, wenn dem Täter i m konkreten F a l l ein rechtmäßiges Handeln nicht zuzumuten war. Dies kann es i m schweizerischen Recht n u r dort sein, wo es vom Gesetz ausdrücklich als solches anerkannt wird, wie dies allgemein beim Begriff der Fahrlässigkeit (18 II) oder beim Notstand (Art. 34) oder dem Tatbestand der Begünstigung (305) zutrifft, i n welch letzterem F a l l aber dem Begünstiger, der „ i n so nahen Beziehunger zum Begünstigten" steht, „daß sein Verhalten entschuldbar ist", nur „Umgang von Bestrafung" zugebilligt wird. V. D a s E r f o r d e r n i s

der

Rechtswidrigkeit

Das Verhalten des Menschen muß, u m strafbar zu sein, nicht nur tatbestandsmäßig und schuldhaft, sondern auch r e c h t s w i d r i g sein, d. h. es m u ß e i n e n D e l i k t s t a t b e s t a n d e r f ü l l e n , o h n e d a ß e i n R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d v o r h a n d e n w ä r e . Wir nennen dies die f o r m e l l e Rechtswidrigkeit, weil sie sich inhaltlich durchaus nach dem geltenden Rechte zu richten hat, und stellen ihr die m a t e r i e l l e gegenüber, die alles umfaßt, was gemeinschädlich und nach richtigem Recht ebenfalls bestraft werden sollte. Sie muß für Wissenschaft und Gesetzgebung wegleitend sein, während der Richter 22 Dazu Lerch, Emil: Die Lehre vom Rechtsirrtum im Strafrecht (Bern. Diss. 1928), idem: Tat- und Rechtsirrtum im schweizerischen Straf recht (Z. 66 [1951] 158 ff.), ferner Ehrsam, Bewußtsein der Rechtswidrigkeit und Vorsatz i m Schweiz. StGB (SJZ 41 [1945] 229 ff.).

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Das schweizerische Strafrecht

auch dann an die formelle Rechtswidrigkeit gebunden ist, wenn das Wort „rechtswidrig" oder „widerrechtlich" oder „unrechtmäßig" ausdrücklich i n den gesetzlichen Tatbestand aufgenommen worden ist, denn auch hier handelt es sich nicht um die Anerkennung der materiellen Rechtswidrigkeit, sondern um „ein M i t t e l der gesetzgeberischen Technik" (Hafter A T 95), weil die fragliche Handlung auch rechtmäßig vorgenommen werden könnte. Die in Deutschland viel diskutierte Frage der subjektiven Unrechtselemente w i r d i n der Schweiz von der Doktrin lediglich registriert (vgl. H a f t e r A T 96, S c h w a n d e r , Lehrbuch 61), sie hält dafür, daß zwar ein Verhalten je nach der A b sicht des Täters bald strafbar, bald straflos sein kann, daß dies aber beim Verschulden zu berücksichtigen ist und die Beibehaltung der objektiven Rechtswidrigkeit auch systematischen Wert besitzt. Da somit für das geltende Recht nur die formelle Rechtswidrigkeit i n Betracht kommt und die Frage, wann ein menschliches Verhalten einen Deliktstatbestand erfüllt, durch Auslegung dem besondern Teil des StGB entnommen werden kann, bietet die Frage der Rechtswidrigkeit vor allem dann Schwierigkeiten, wenn die Existenz eines R e c h t f e r t i g u n g s g r u n d e s behauptet wird. Ein solcher liegt ganz allgemein i n Umständen, durch welche ein an sich rechtswidriges Verhalten i n ein rechtmäßiges oder doch wenigstens rechtlich irrelevantes oder neutrales Verhalten verwandelt wird, wobei das Marginale zu A r t . 32, der die gesetzlichen Rechtfertigungsgründe enthält: „rechtmäßige Handlungen" darauf schließen läßt, daß nach Auffassung des Gesetzes ein solcher Rechtfertigungsgrund die an sich rechtswidrige Handlung nicht nur zu einer rechtlich irrelevanten, sondern zu einer rechtmäßigen macht. Es sind dabei f o l g e n d e G r u p p e n zu unterscheiden: 1. D a s V e r h a l t e n d e s T ä t e r s w i r d v o m G e s e t z a l s e r l a u b t o d e r w e n i g s t e n s s t r a f l o s e r k l ä r t : So die e r l a u b t e S e l b s t h i l f e , wie sie von ZGB Art. 701 und 926 sowie OR A r t . 52 und 57 zugelassen wird, das Z ü c h t i g u n g s r e c h t d e r E l t e r n g e g e n ü b e r i h r e n K i n d e r n (ZGB Art. 278), des V o r m u n d e s g e g e n ü b e r d e m M ü n d e l (ZGB A r t . 405) und der V o l k s s c h u l l e h r e r g e g e n ü b e r i h r e n S c h ü l e r n nach der jeweiligen kantonalen Schulgesetzgebung. Dagegen hat es der Bundesrat i n konstanter Praxis abgelehnt, den O r g a n e n der S t r a f a n s t a l t e n ein Züchtigungsrecht gegenüber den Sträflingen zu gewähren, da das Verbot der Körperstrafen in B V A r t . 65 sich auch auf Disziplinarstrafen erstrecke (ζ. Β. E des Bundesrates vom 11.August 1919, mitgeteilt bei Merckling S. 28) 23 . 23 Vgl. Kaufmann, Das Züchtigungsrecht der Eltern und Erzieher, Zürch. Diss. 1909, Merckling, Die körperliche Züchtigung, Zürch. Diss. 1922, Häberli, Die Disziplinarstrafen gegenüber Sträflingen in den schweizerischen Straf-

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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2. D a s V e r h a l t e n d e s T ä t e r s w i r d v o n Gesetz, A m t s - o d e r B e r u f s p f l i c h t g e b o t e n (StGB A r t . 32). So gebietet das G e s e t z Geistlichen, Rechtsanwälten, Ärzten usw. die Verletzung des Berufsgeheimnisses nach StGB A r t . 321, wenn es sie zwingt, als Zeuge Berufsgeheimnisse zu offenbaren, sofern ihnen von Bund oder Kantonen nicht ein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden wird. So gebietet die A m t s p f l i c h t dem Scharfrichter die vorsätzliche Tötung eines Menschen oder es macht die B e r u f s p f l i c h t einen ärztlichen Eingriff zu Heilzwecken, der an sich Körperverletzung wäre, zu einem rechtmäßigen. Dies ist vor allem bei der Schwangerschaftsunterbrechung aus ärztlicher Indikation nach StGB Art. 120 Ζ. 1 der Fall, während f ü r die Euthanasie eine ähnliche Ermächtigung fehlt. I n E 72 I V (1946) 176 hat das Bundesgericht die an sich ehrverletzende Äußerung eines Lehrers über einen Schüler als straflos erklärt, w e i l der Lehrer dabei i n Erfüllung seiner Berufspflicht gehandelt habe. Zum gleichen Rechtfertigungsgrund gehört das Recht zum Waffengebrauch, wie es unter bestimmten Voraussetzungen den Organen des Sicherheitsdienstes oder den militärischen Vorgesetzten gegenüber den Untergebenen zusteht 2 4 . 3. D e r V e r l e t z t e h a t i n d i e V e r l e t z u n g e i n g e w i l l i g t o d e r s i e g a r s e l b s t h e r b e i g e f ü h r t . Die Einwilligung des Verletzten ist natürlich nur Rechtfertigungsgrund, wo es sich um ein strafbares Verhalten gegen Einzelne handelt, aber auch hier nur soweit, als dem Verletzten ein Verfügungsrecht über das angegriffene Rechtsgut zugebilligt werden kann. So gilt der bereits dem römischen Recht bekannte Satz: volenti non fit iniuria vor allem bei Delikten gegen Leib und Leben, Vermögen, Ehre, Freiheit, aber auch hier nicht unbeschränkt. So nicht bei Tötung, weil auch Tötung auf Verlangen strafbar ist (StGB A r t . 114) und nicht bei Selbstverstümmelung i m Militärstrafrecht (MStG A r t . 95), wenn sie i n der Absicht geschah, sich zum Militärdienst untauglich zu machen. Der Satz, der Verletzte sei dominus membrorum suorum, gilt kraft ausdrücklicher Pönalisierung nicht für den Zweikampf (StGB 131), wohl aber bei den leichteren Körperverletzungen, vor allem, soweit sie Antragsdelikte sind (Urteil des Kantonsgerichtes Graubünden vom 17. A p r i l 1943), und dürfte als eine A r t Gewohnheitsrecht der Praxis zu Grunde liegen, auch vorsätzliche und schwere Sportverletzungen nicht in Strafuntersuchung zu ziehen, obwohl gerade hier z. B. bei schweren Regelverstößen die anstalten, Zürch. Diss. 1909, Eberle, Die Bedeutung der Selbsthilfe i m Strafrecht, Bern. Diss. 1951. 24 Dazu Thilo, La responsabilité professionelle du médecin, Laus. Diss. 1936, Scher er, C. W., Begriff und Bedeutung der Beruf spfiicht im Straf recht, Bern. Diss. 1938, Kägi, Der Waffengebrauch des Militärs in der Schweiz, Zürch. Diss. 1913 und Wille, Die Anstaltspolizeigewalt des Schweiz. Heeres, Zürch- Diss. 1935. 15 Auländie

Straf recht II

Das schweizerische Strafrecht

Einwilligung des Verletzten kaum präsumiert werden kann. Weitgehend w i r d sie dagegen bei Vermögensdelikten, Ehrverletzungen und Freiheitsberaubungen als Rechtfertigungsgrund gelten können, aber natürlich auch hier nur soweit, als sie ernsthaft und freiwillig von einem urteilsfähigen Verletzten frei von Willensmängeln abgegeben wird25. 4. D a s V e r h a l t e n d e s T ä t e r s i s t w e i t e r r e c h t m ä ß i g , w e n n es i n N o t w e h r o d e r N o t w e h r h i l f e (StGB A r t . 33) oder N o t s t a n d oder N o t s t a n d s h i l f e {StGB A r t . 34) geschieht. N o t w e h r kann nach der gesetzlichen Definition m i t Hafter (AT 143) umschrieben werden als „ d i e z u r V e r t e i d i g u n g e r f o r d e r liche A b w e h r eines g e g e n w ä r t i g e n oder u n m i t t e l bar drohenden r e c h t s w i d r i g e n A n g r i f f s von sich oder e i n e m a n d e r n d u r c h V e r l e t z u n g v o n an s i c h r e c h t l i c h g e s c h ü t z t e n I n t e r e s s e n des A n g r e i f e r s " . Sie steht also nicht nur dem Angegriffenen selbst zu, sondern auch einem Dritten zum Schutze des Angegriffenen (Notwehrhilfe), ist aber nicht gestattet gegenüber einem bereits abgeschlossenen A n g r i f f (Verbot des sogenannten Nachhieb,5). Sie muß dem rechtswidrigen A n g r i f f proportional sein — Abwehr „ i n einer den Umständen angemessenen Weise"—, ansonst ein Notwehrexzeß vorläge, der nur auf Strafmilderung nach freiem Ermessen i m Sinne des A r t . 66 Anspruch hätte, sofern die Überschreitung der Notwehr nicht etwa auf eine „entschuldbare A u f regung oder Bestürzung über den Angriff" zurückzuführen ist, für welchen F a l l A r t . 33 I I ebenfalls Straflosigkeit zusichert. Dieser Rechtfertigungsgrund der Notwehr ist eigentlich lediglich ein S p e z i a l f a l l d e s N o t s t a n d e s , der i n A r t . 34 allgemein als weiterer Rechtfertigungsgrund genannt w i r d und nach dem Gesetz umschrieben werden kann als Z u s t a n d e i n e r g e g e n w ä r t i g e n unverschuldeten Gefahr für rechtlich geschützte Interessen, die n u r d u r c h V e r l e t z u n g v o n an s i c h e b e n falls geschützten Interessen anderer abgewendet w e r d e n k a n n . Wie bei Notwehr ist auch hier N o t s t a n d s h i l f e , d. h. Notstandshandlung zu fremdem Schutze, zulässig, und wie dort führt die Überschreitung zum N o t s t a n d s e x z e ß , der dann vorliegt, wenn dem Täter oder dem Gefährdeten die Preisgabe des gefährdeten Gutes zuzumuten w a r (Art. 34 Ζ. 1 und 2). I m Gegensatz zur Notwehr haben w i r es aber beim Notstand m i t einer Kollision beidseitig berechtigter Interessen zu tun, und es ist daher Notstand 25 Zur E i n w i l l i g u n g d e s V e r l e t z t e n : Holer, Die Einwilligung des Verletzten, Zürch. Diss. 1906, Jacomella, I l consenso del leso (Ζ. 59 [1945] 358); Brunner, Die Sportverletzung im Schweiz. Strafrecht, Zürch. Diss. 1950; ferner neuestens die Basler Habilitationsschrift von Peter Noll: Übergesetzliche Rechtfertigungsgründe, im besondern die Einwilligung des Verletzten, Basel 1955.

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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n u r zulässig, wenn kein anderer Ausweg mehr übrigbleibt und die Gefahr, die von Menschen, Tieren oder Sachen drohen kann, vom Täter nicht verschuldet ist. Auch für Notstand besteht das Prinzip der Proportionalität, d. h. es ist eine Notstandshandlung auf Kosten eines fremden Rechtsgutes n u r dann erlaubt, wenn dieses einen geringeren Schaden erleiden würde als derjenige wäre, der dem i n Not befindlichen Rechtsgut droht, bei welcher Interessenabwägung der Zeitpunkt der Tat maßgebend ist und auch der Selbsterhaltungstrieb des Täters angemessen berücksichtigt werden darf. Aber gerade w e i l der Notstand sich i m Gegensatz zur Notwehr gegen berechtigte Interessen richtet, ist die z i v i l r e c h t l i c h e R e a k t i o n eine verschiedene: Nicht Befreiung von jeglichem Schadensersatz wie dort (OR 52 I), sondern Schadensersatz nach Ermessen des Richters (OR 52 II). Eine eigenartige Abart des Notstandes bildet endlich der sogenante N o t s t a n d d e r D i s z i p l i n i n M S t G A r t . 26 Z. 3, der i m aktiven Dienst bei m i l i t ä rischer Gefahr, insbesondere bei einer Meuterei oder vor dem Feinde, die Tat eines Vorgesetzten straflos läßt, wenn sie zur Sicherung der Disziplin oder des Gehorsams begangen wurde und allein durch dieses M i t t e l der notwendige Gehorsam erzwungen werden konnte 2 6 . Zusammenfassend kann gesagt werden: Die verschiedenen Rechtfertigungsgründe verdanken ihre W i r k u n g entweder dem G e s e t z , das eine an sich rechtswidrige Handlung für erlaubt erklärt, oder dem P r i n z i p d e s ü b e r w i e g e n d e n I n t e r e s s e s (Amts-, Dienstoder Berufspflicht, Notwehr und Notstand) oder schließlich dem P r i n z i p d e s m a n g e l n d e n I n t e r e s s e s (Einwilligung des Verletzten). VI. S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g e n u n d se tzungen

Prozeßvoraus-

Ist das Verhalten eines strafmündigen Menschen tatbestandsmäßig, schuldhaft u n d rechtswidrig, dürfte es i n der Regel auch strafbar sein. Es gibt n u n aber Fälle, da der Gesetzgeber die Strafbarkeit von U m ständen abhängig macht, die zum Tatbestand hinzutreten müssen, u m i h n strafbar zu machen. Neben einigen Einzelfällen wie dem Ehebruch, dessen Strafbarkeit von der vorherigen Scheidung oder Trennung der gebrochenen Ehe abhängig gemacht w i r d (214) oder der Beteiligung an einem Raufhandel, die n u r strafbar ist, wenn der Raufhandel den Tod oder die Körperverletzung eines Beteiligten zur Folge 26 L i t e r a t u r z u N o t w e h r u n d N o t s t a n d : Berli, Notstand und Notwehr im schweizerischen Militärstrafrecht, Zürch. Diss. 1925, Ebner, Die Notwehr im schweizerischen Straf recht, Bern. Diss. 1926, Glaser, Die Verletzung Dritter in Notwehr, Bern. Diss. 1935, Brägger, Der Notstand im Schweiz. Strafrecht, Bern. Diss. 1937, Sehmid, Der Notstand im Polizeirecht, Zürch. Diss. 1940 und Comtesse , Der sog. Notstand der Disziplin (Z. 57 [1943] 224 ff.).

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Das schweizerische Strafrecht

hatte (133), gehören hierher vor allem die A n t r a g s - und E r m ä c h t i g u n g s d e l i k t e . Die Eigentümlichkeit dieser Fälle liegt darin, daß es sich u m vom Deliktstatbestand unabhängige Umstände handelt, die von der Schuld des Täters nicht erfaßt werden und auf Ort, Zeit, Vollendung oder Verjährung des Deliktes keinen Einfluß haben. M a n pflegt diese Umstände i n S t r a f b a r k e i t s b e d i n g u n g e n und P r o z e ß v o r a u s s e t z u n g e n einzuteilen, je nachdem ihr Fehlen bewirkt, daß überhaupt keine strafbare Tat vorliegt oder daß lediglich das Verfahren nicht durchgeführt werden kann, was zwar i n beiden Fällen die Straflosigkeit des Täters zur Folge hat, aber für alle jene Bestimmungen von Bedeutung ist, für die das Vorliegen einer Straftat die notwendige Voraussetzung bildet: So für den Widerruf der bedingten Entlassung (StGB 38 Z. 4) oder des bedingten Strafvollzuges (StGB 41 Z. 41 Z. 3) oder für das Vorliegen einer Hehlerei, die nach A r t . 144 I nur an Sachen möglich ist, die „durch eine strafbare Handlung" erlangt worden sind. Gerade i n diesem letzteren F a l l hatte das Bundesgericht bereits mehrfach Gelegenheit, zur Frage Stellung zu nehmen, i n welche der beiden Kategorien der Strafantrag gehört, und es hat sich i n E 6 9 I V (1943) 69 und 7 3 I V (1947) 97 für Prozeßvoraussetzung entschieden, was zwar dem Wortlaut von A r t . 28 widerspricht — „Ist eine Tat nur auf Antrag strafbar" —, aber m i t der Fassung der einzelnen Antragsdelikte übereinstimmt, wo es z. B. i n A r t . 137, 140, 148, 159, 165 und 254 überall heißt, die Tat werde „ n u r auf A n t r a g verfolgt", so daß der Antrag nur Bedingung der Strafverfolgung und damit Prozeßvoraussetzung wäre, sein Fehlen somit am Vorliegen der Straftat selbst nichts ändern würde. Diese Qualifikation des Antrages und noch mehr der Ermächtigung stände auch i m Einklang m i t der Kollisionstheorie, die m. E. allein diese Ausnahme vom Offizialprinzip zu rechtfertigen vermag, indem nach i h r der Staat bei bestimmten Delikten, i n denen sein Interesse an der Strafverfolgung m i t dem Interesse des Verletzten an der Nichtverfolgung kollidiert (Delikte unter Familienangehörigen, Ehebruch usw.), auf Geltendmachung seines Strafanspruches solange verzichtet, als der Verletzte nicht selbst durch Stellung eines Strafantrages erklärt, daß dieses vom Staate vorausgesetzte Interesse an der Nichtverfolgung i m konkreten Fall bei i h m nicht vorhanden ist 2 7 . Es ist nun aber offen27 Vgl. dazu Stalder, Der Strafantrag im schweizerischen Recht, Freib. Diss. 1915, Hafter, AT 134 ff., v. Albertini, Die rechtliche Natur der Antragsdelikte und des Strafantrages, Leipz. Diss. 1917, m e i n e Abhandlung: Das Materialprinzip des modernen Strafprozeßrechtes (Z. 31, 97 ff.). Die gegenteilige Auffassung, der Strafantrag sei Strafbarkeitsbedingung, wird vertreten von Hafter, A T 135, Logoz, Kommentar Vorb. 5 zu Art. 28 bis 31, Kom-

mentar Thormann-Overbeck

Nr. 416).

(N. 2 zu Art. 28). A. A. Schwander, (Lehrbuch

Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

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sichtlich, daß das schweizerische StGB auch Antragsdelikte enthält, die n u r durch die sog. Bagatelltheorie gerechtfertigt werden können, wonach das Interesse des Staates an der Strafverfolgung so gering ist, daß die Frage, ob sie bestraft werden sollen, von der Stellung eines Strafantrages des Verletzten abhängig gemacht w i r d (so vor allem bei Ehrverletzungen [173 bis 178] und bei einfachen Körperverletzungen [123]). Dem entsprechen Widersprüche bei der Ausgestaltung i m einzelnen. Richtig ist wohl, daß nur der unmittelbar Verletzte antragsberechtigt ist, sofern er überhaupt als antragsfähig (urteilsfähig nach ZGB A r t . 16 u n d mindestens 18 Jahre alt) erscheint, sonst seine gesetzlichen Vertreter oder (bei Tod) seine Angehörigen (28); daß weiter der Verzicht auf den Antrag dessen Erneuerung ausschließt (28 V) und daß der A n t r a g insofern unteilbar ist, als Stellung oder Rückzug sich gegenüber allen Tätern auswirkt (30). Unrichtig dürfte dagegen sein, daß der Strafantrag zurückgezogen werden kann, „solange das U r t e i l erster Instanz noch nicht verkündet ist" (31 I), was vielfach der Gerichtspraxis noch zu wenig weit geht, indem sie für die Möglichkeit des Rückzuges auch i n zweiter Instanz eintritt, aber bereits i n diesem Umfang dem Verletzten eine unzulässige Verfügungsgewalt über den staatlichen S traf an spruch verleiht. Diese w i r d noch gesteigert, wenn Kantone von ihrem Recht Gebrauch machen, Antragsdelikte wie ζ. B. Ehrverletzungen ins P r i v a t s t r a f k l a g e v e r f a h r e n zu verweisen, dessen Durchführung ausschließlich dem Verletzten obliegt, während sonst die Strafuntersuchung nach Stellung des Strafantrages von Amts wegen weiterzuführen ist 2 8 . Interessant ist schließlich die Bestimmung des A r t . 31IV, daß, wenn ein Beschuldigter gegen den Rückzug des Strafantrages Einsprache erhebt, dieser für ihn nicht gilt, was eigentlich gemäß Unteilbarkeit des Strafantrages auch den Rückzug gegenüber den anderen verunmöglichen sollte, nach 28

Von diesem Rechte machten acht Kantone Gebrauch, darunter Z ü r i c h , das in StPO § 309 ff. zum Schutze gegen eine Überschwemmung mit Injurienklagen einen vorgängigen Sühnversuch vor dem Friedensrichter eingebaut hat, so daß der Verletzte seine Ehrverletzungsklage erst diesem einreichen muß und erst nach mißlungenem Vermittlungsversuch die sog. „Weisung" erhält, die er dem erkennenden Richter einzureichen hat. Zwei Entscheide des BG (E 69 I V [1943] 195 und E 71 I V [1945] 66) haben sich nun befremdw licherweise auf den Standpunkt gestellt, die dreimonatige Antragsfrist des Art. 29 sei nur gewahrt durch eine Willenserklärung, die e n d g ü l t i g und u n b e d i n g t sei und das Verfahren ohne weitere Erklärung des Verletzten seinen Lauf nehmen lasse, was im Gesetz nirgends eine Stütze findet, aber bei einer Regelung wie der zürcherischen zur eigentlichen PrivatstrafklägerFalle geworden ist, indem der Laie die Frist bereits für gewahrt erachtet durch Einreichung seiner Klage beim Friedensrichter, während nach Bundesgericht nur die Einreichung beim erkennenden Richter für die Innehaltung der Antragsfrist genügt. Dazu in ablehnendem Sinn Lutz, Zur Antragsfrist des Art. 29 StGB in Ehrverletzungssachen (SJZ 40, 357) und Pfenninger, Antragsfrist und Sühn vorstand bei Ehrverletzungen (SJZ 41, 281 und 42, 333, sowie 51, 201).

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S t o o s s (Grundzügel 284) aber lediglich diesem Beschuldigten das Recht gewähren w i l l , den durch den Strafantrag auf i h n geworfenen Verdacht durch richterliches U r t e i l beseitigen zu lassen. Diese Bestimmungen über Strafantrag (Art. 28 bis 31) gelten auch für Übertretungen (102) und für die Nebenstrafgesetzgebung des Bundes (333), soweit diese Bundesgesetze nicht selbst Bestimmungen aufstellen, und werden ergänzt durch die Übergangsbestimmungen des StGB 339. Z u ihnen treten die E r m ä c h t i g u n g s d e l i k t e , die das Gesetz selbst n u r i n StGB 296 bis 301 (Störung der Beziehungen zum Ausland) kennt, zu denen aber auch Ehrverletzungen gehören können, wenn sie i n kantonalen Parlamenten begangen wurden u n d zu ihrer Verfolgung die Aufhebung der Immunität erforderlich ist. Ihre Berechtigung basiert auf der Kollisionstheorie, wobei es sich aber u m die Kollision einander entgegenstehender öffentlicher Interessen handelt, weshalb das Recht zur Ermächtigung i n die Hand der zuständigen Behörden gelegt worden ist und ein Rückzug nicht zulässig sein sollte. So steht nach A r t . 302 die Ermächtigung zur Strafverfolgung der i n A r t . 296 bis 301 unter Strafe gestellten Delikte gegen fremde Staaten dem Bundesrat zu, der sie aber nur erteilen darf auf Ersuchen des beleidigten fremden Staates oder der beleidigten zwischenstaatlichen Organisation, während die früher aufgestellte Bedingung des Gegenrechts heute fallen gelassen worden ist. I n Zeiten des aktiven Dienstes kann auch auf das Ersuchen verzichtet werden, was durchaus richtig ist, da die Bestrafung auch bei diesen Delikten i n erster Linie wegen Verletzung eigenstaatlicher Interessen erfolgt und das Recht zur Ermächtigung dem Bundesrat gewährt wurde, u m auch Gründen politischer Opportunität Rechnung zu tragen 2 9 . § 11. Die Straftat und ihre Erscheinungsformen Sind w i r i m vorigen Abschnitt sozusagen vom Normal-Tatbestand ausgegangen, haben w i r nun von der Möglichkeit zu sprechen, daß sow o h l Tat wie Täterschaft verschiedener Erscheinungsformen fähig sind. Es gibt Verwirklichungsformen des gesetzlichen Tatbestandes, die nicht bis zur Vollendung gediehen sind, und es gibt neben dem Täter, der die Tat allein ausführt, andere Erscheinungsformen von Täterschaft und Teilnahme, die wegen ihrer Beteiligung am Tatbestand sich ebenfalls strafbar gemacht haben. W i r behandeln zunächst die E r s c h e i nungsformen d e r T a t u n d lassen ihnen hierauf d i e E r s c h e i n u n g s f o r m e n d e r T ä t e r s c h a f t folgen. 29 Vgl. Behringer, Ermächtigung und Ermächtigungsdelikte, Zürch. Diss. 1933. Zu Ersuchen und Gegenrecht m e i n e Ausführungen in SJZ 46 (1950) 50.

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Grundfragen des schweizerischen Strafrechts

I. D i e

Erscheinungsformen

1. Vollendung,

der

Tat

Versuch und Vorbereitung

Während Stooss i n seinem VE Art. 15 von allen Begriffsumschreibungen absah, weil man m i t denen des franz. Code pénal von 1810 genügend schlechte Erfahrungen gemacht habe, versucht das Gesetz i n A r t . 21 bis 23 wenigstens die verschiedenen Formen des Versuchs zu umschreiben. Es ist dabei offenkundig Stückwerk geblieben und muß durch Wissenschaft und Praxis ergänzt werden. Es geht das Gesetz selbst überall von der Erscheinungsform der V o l l e n d u n g aus, ohne diese gesetzlich zu umschreiben, was durchaus verständlich erscheint, wenn man bedenkt, daß diese Vollendung je nach Delikt bald Verletzung oder bloß Gefährdung des angegriffenen Rechtsgutes ist und i n einigen Fällen einfach Ende der deliktischen Handlung ohne bestimmten Erfolg. Man kann deshalb nur ganz allgemein sagen: V o l l e n d u n g liegt vor, w e n n d e r T ä t e r a l l e s g e t a n h a t , was das Gesetz jeweils zum Tatbestand ford e r t . Wie aus der bundesgerichtlichen Praxis hervorgeht, kann die Frage, wann Vollendung vorliegt, bei einzelnen Delikten Schwierigkeiten bereiten, wie ζ. B. beim Raub (BGE 71 I V [1945] 122) oder bei Widersetzung (BGE 71 I V [1945] 101) oder bei falscher Zeugenaussage (BGE 69 I V [1943] 216) oder schließlich bei Brandstiftung (221), die vollendet ist, sobald sich das Feuer zur Feuersbrunst erweitert, was aber ebenfalls nicht leicht zu bestimmen sein dürfte. Von der Vollendung unterscheidet sich der V e r s u c h dadurch, daß der Täter den Tatbestand nie völlig verwirklicht, indem er entweder die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende führt (unvollendeter Versuch nach A r t . 21) oder aber dies zwar tut, der zur Vollendung gehörende Erfolg aber nicht eintritt (vollendeter Versuch nach A r t . 22). I n beiden Fällen besteht die Möglichkeit, vom deliktischen Vorhaben zurückzutreten, indem der Täter beim unvollendeten Versuch „aus eigenem Antrieb" die strafbare Tätigkeit nicht zu Ende führt (21 II) oder beim vollendeten Versuch zum Nichteintritt des Erfolges beigetragen oder den E i n t r i t t des Erfolges verhindert hat