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German Pages 469 Year 1955
Das ausländische Strafrecht der Gegenwart Herausgegeben von Edmund Mezger Adolf Schönke † Hans-Heinrich Jescheck
Erster Band Argentinien . Dänemark . Japan . Jugoslawien
Duncker & Humblot . Berlin
Mezger - S c h ö n k e f - Jescheck
Das ausländische Strafrecht der Gegenwart Erster
Band
Das ausländische Strafrecht der Gegenwart Herausgegeben von
Edmund
Mezger
Adolf Schönke f Hans-Heinrich
Erster
Jescheck
Band
Argentinien * Dänemark * Japan * Jugoslawien
D U N C K E R
& H U M B L O T
/
B E R L I N
Copyright 1955 by Duncker & Humblot, Berlin Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Ubersetzung, vorbehalten Gedruckt 1955 bei Richard Schröter, Berlin SW 29
Zur Einführung Vor mehr als einem Halbjahrhundert, i n den Jahren 1894 und 1899, ist i n zwei großen Bänden das Werk von Franz v. Liszt und Georg Crusen erschienen: „Die Strafgesetzgebung der Gegenwart in rechts vergleichender Darstellung". Der I. Band (1894) behandelte das Strafrecht der Staaten Europas, der I I . Band (1899) das ßtrafrecht der außereuropäischen Staaten, beidemal i n systematischer Form nach Ländern geordnet und meist aus der Feder von Autoren des jeweils i n Betracht kommenden Landes. Liszt hat sich i n einer auch heute noch lesenswerten und beachtlichen „Einführung" (Bd. I S. I X — X X V I I ) über die Notwendigkeit und über die Grundzüge einer solchen Darstellung sowie über seine Zukunftspläne f ü r eine rechtsvergleichende Arbeit auf dieser Grundlage zum allgemeinen und zum besonderen Teil des Strafrechts ausgesprochen. Zu einer solchen rechtsvergleichenden Bearbeitung i m engeren Sinne ist es damals i m Rahmen des genannten Werkes nicht gekommen. A n ihre Stelle trat, auch sie auf der Grundlage des Werkes von 1894/99, die sechzehnbändige „Vergleichende Darstellung des Deutschen und Ausländischen Strafrechts" (1905/1909), die auch heute, mag i m einzelnen manches überholt sein, ein stolzes Denkmal rechtswissenschaftlicher Forschung und eine Fundgrube für die Kenntnis des ausländischen Strafrechts, auch für die praktische Gesetzgebungsarbeit, bleibt. Bedürfnis und Wunsch nach einer zuverlässigen Kenntnisnahme vom Stand des ausländischen Strafrechts können durch Arbeiten, die über fünfzig Jahre zurückliegen, ausreichend und erschöpfend nicht befriedigt werden. Dafür ist die Entwicklung überall zu lebendig und der Wechsel der Gesetzgebung und Rechtspflege zu mannigfaltig und zu rasch. I m Vergleich etwa m i t den romanischen Ländern ist die Beschäftigung mit dem fremden Recht i n Deutschland zeitweilig bedauerlicherweise allzu sehr in den Hintergrund getreten. Manches ist heute hierin besser geworden und ein erhöhtes Interesse wendet sich diesen Dingen wieder zu. Es fehlt dazu nicht an wichtigen Hilfsmitteln. Liszt (S. X I V ) hatte einst daran gedacht, nach dem Vorbild von K a r l Stooß in der Schweiz (1890), den Wortlaut der fremden Gesetze allgemein zugänglich zu machen, mußte aber, vor allem aus sprachlichen Gründen, den Gedanken wieder fallen lassen. Die Arbeit ist inzwischen in weitem Umfang durch die „Sammlung außerdeutscher
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Zur Einführung
Strafgesetzbücher" (1888 ff.) der Schriftleitung der ZStrW. geleistet worden; sie ist auch neuerdings wieder aufgenommen worden (Verlag Walter de Gruyter, Berlin) und kürzlich ist das 67. Heft (Türkei 1955 von Sensoy und Tolun) erschienen. Zusammenfassende Gesamtübersichten über das ausländische Straf recht bringen die großen Lehrbücher des Straf rechts (v. Hippel, v. Liszt- Schmidt, Mezger, Sauer) und das i n 4. Auflage (1953) erschienene Heft „Ausländisches Strafrecht" von Schönke-Kielwein. Daneben finden sich wertvolle Einzelbearbeitungen verschiedener Länder in der „Auslandsrundschau der ZStrW." (von führenden Autoren des Auslands) und zusammenfassende Berichte i n der „Kritischen Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft" (N. F. X X V I I I ff., 1937—1940). Endlich seien erwähnt die rechtsvergleichenden Monographien der Sammlung „Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft" von M\ezger-Schönke-Schwinge-Jescheck (Verlag L. Röhrscheid, Bonn), zuletzt N. F. Heft 16 von 1955. So steht der, den persönliche Neigung oder berufliche Nötigung auf ausländisches Strafrecht verweisen, nicht gänzlich verlassen da. Und doch bleibt in dem, was einst das Anliegen des Werkes von v. Liszt-Crusen war, eine fühlbare und schmerzliche Lücke i n unserem deutschen Schrifttum bestehen. Es fehlt an einer einheitlichen und zusammenfassenden Darstellung dieses a u s l ä n d i s c h e n S t r a f r e c h t s d e r G e g e n w a r t , bearbeitet von hervorragenden Sachkennern der einzelnen Rechtsgebiete. Deshalb haben die unterzeichneten Professoren Mezger und Schönke, an dessen Stelle nach seinem allzu frühen Tode sein Nachfolger auf dem Lehrstuhl des S traf rechts und i n der Leitung des Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht an der Universität Freiburg i. Br., Professor Jescheck, getreten ist, schon seit geraumer Zeit den Plan erwogen, eine neue und zeitgemäße Darstellung solcher A r t zu schaffen. Sie haben dabei i n dankenswerter Weise die tatkräftige Unterstützung des Verlages Duncker & Humblot i n Berlin durch die verständnisvolle und aufgeschlossene M i t w i r k u n g seines Inhabers Dr. Hans Broermann gefunden. Wenn damit auch ein Fernziel der Arbeit angedeutet und ein Weg zu seiner Verwirklichung angebahnt war, so haben doch die weiteren Erwägungen und Gres tal tungsversuche noch viele und große Schwierigkeiten aufgezeigt und die Notwendigkeit erkennen lassen, jenes Fernziel den heute gegebenen praktischen Möglichkeiten anzupassen. Zunächst glaubten wir, i m Hinblick auf die reiche Auswahl schon anderweit vorhandener Darstellungen, auf diejenige des d e u t s c h e n Strafrechts der Gegenwart verzichten und uns auf die des a u s l ä n d i s c h e n Strafrechts beschränken zu sollen. Sodann entstand die
Zur Einführung
schwierige Frage der persönlichen Auswahl der Mitarbeiter: es war bei der angedeuteten Stoffabgrenzung i n dieser Hinsicht z u g l e i c h auf das Verständnis des deutschen Lesers u n d auf die besondere Kennerschaft des jeweiligen ausländischen Rechts Rücksicht zu nehmen. Ohne Kenntnis des ausländischen Bearbeiters von den Gepflogenheiten des deutschen Rechts droht der Faden des gegenseitigen Verständnisses abzureißen, wie umgekehrt eine bloß literarische Kenntnis des ausländischen Rechts ohne praktische Erfahrung beim deutschen Bearbeiter nicht genügen kann. W i r haben uns aus diesen Gründen bemüht, e n t w e d e r ausländische Mitarbeiter zu gewinnen, die ihrerseits eine engere Verbindung mit dem deutschen Recht aufzuweisen vermögen, o d e r deutsche Mitarbeiter heranzuziehen, die über wirkliche Ausländserfahrung verfügen. Erfreulicherweise waren i n b e i d e n Richtungen unsere Bemühungen von Erfolg begleitet, wofür w i r auch an dieser Stelle den Beteiligten unsern aufrichtigen Dank zum Ausdruck bringen möchten. I m übrigen waren w i r darauf bedacht, der Eigenart des einzelnen Bearbeiters, bis hinein i n die Besonderheit des sprachlichen Ausdrucks, möglichste Freiheit zu lassen. Wir hoffen dafür auf verständnisvolle Zustimmung unserer Leser. Da und dort wäre es wohl möglich gewesen, noch weiter zu glätten und zu uniformieren. Wir hätten damit vielleicht manchmal auf den ersten Blick die Benützung erleichtert. Aber w i r hätten damit auch ein wesentliches Stück Originalität preisgegeben. Alles Recht ist i n seinen feineren Verzweigungen so untrennbar m i t der Eigenart seiner nationalen Umgebung, i n sprachlicher wie i n sachlicher Beziehung, verknüpft und verwachsen, daß ihm eine Lösung solcher Beziehungen Wesentliches von seiner Eigenart nehmen würde. Ein festes Maß für die Abgrenzung der berechtigten Besonderheit und der ausgleichungsbedürftigen Sonderbarkeit gibt es dabei freilich nicht. Das Wort von v. Liszt (S. X V I I ) blieb auch uns maßgebend: „Jedes größere Werk, das der Feder verschiedener Mitarbeiter entstammt, muß i n seinen einzelnen Teilen Unebenheiten und Verschiedenheiten aufweisen. Das mag vielfach störend wirken; i n unserem Falle bietet gerade die Abweichung der einzelnen Mitarbeiter von einander i n der ganzen A r t , wie sie die Aufgabe anpacken und lösen, nicht nur hohen künstlerischen Reiz, sondern auch einen wissenschaftlichen Vorzug des Buches." Das Vorbild des Werkes von v. Liszt-Crusen hätte es nahegelegt, die strafrechtliche Bearbeitung der Länder des Erdballs i n ihrer Gesamtheit zu sammeln und geschlossen in einem oder mehreren Bänden zu veröffentlichen. Dieser Weg wäre aber unter den heutigen Verhältnissen eine Unmöglichkeit gewesen. Er hätte ein Erscheinen auf unbestimmte Zeit vertagt. W i r mußten uns damit begnügen, Bearbeitungen, wie sie sich uns boten, aufzunehmen, um sie nach und nach
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Zur Einführung
in einer Folge von einzelnen Bänden herauszubringen. Darin waren wir auch m i t dem Verlag völlig einig. So legen w i r in diesem I. Band zunächst die Bearbeitung der Länder A r g e n t i n i e n , D ä n e m a r k , J a p a n und J u g o s l a w i e n vor. Die Benutzung des I. Bandes w i r d erleichtert durch die in der Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher erschienenen deutschen Übersetzungen: Das Dänische StGB (Berlin 1953) von Marcus, das abgeänderte Japanische StGB (Berlin 1954) von Saito und Nishihara, das Jugoslawische StGB (Berlin 1952) von Munda. Eine Übersetzung des Argentinischen StGB w i r d i n Kürze folgen. Weitere Bände des Werkes sind, nach Maßgabe des verfügbaren Stoffs, i n Vorbereitung. W i r hoffen, das begonnene Unternehmen erfolgreich fortsetzen zu können. Dem Verständnis und der tätigen M i t hilfe unserer Leser an der weiteren Ausgestaltung des Werkes sei schon an dieser Stelle ein herzlicher Dank gesagt.
München und Freiburg i. Br., Frühjahr 1955. Mezger
Schänke f
Jescheck
Inhalt Prof· Ricardo C. Nunez, Cordoba: Das argentinische Straf recht Senatspräsident
a. D. Dr. Franz
11 Marcus, Charlottenlund:
Das Strafrecht Dänemarks Prof. Kinsaku Saito, Waseda Universität, Das japanische Straf recht Prof. Dr. August Munda, Das Strafrecht
67 Tckio: 209
Ljubljana:
Jugoslawiens
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Das argentinische Strafrecht V o n P r o f . R i c a r d o C. N u n e z ,
Cordoba1
1 Übersetzt von Dr. Helmut Scharff, wiss. Mitarbeiter am Institut für ländisches und internationales Strafrecht in Freiburg i. Br.
Inhalt Erster
Abschnitt:
G e s c h i c h t e des Strafrechts
argentinischen
Z w e i t e r A b s c h n i t t : A l l g e m e i n e r T e i l des S t r a f r e c h t s I. Allgemeine Grundsätze. 1. Quellen des Straf rechts. 2. Anwendung des Strafgesetzes. — I I . Das Verbrechen. 1. Tatbestandsmäßigkeit. 2. Rechtswidrigkeit. 3. Schuld. 4. Strafbarkeit. 5. Versuch. 6. Verbrechensteilnahme. 7. Verbrechenskonkurrenz. — I I I . Deliktsfolgen. 1. Strafen, a) Die einzelnen Strafen, b) Bedingte Strafaussetzung, c) Bedingte Entlassung. 2. Maßregeln der Sicherung und Besserung, a) Internierung von geisteskranken und bewußtlosen Tätern, b) Unterbringung von Jugendlichen. 3. Wiedergutmachung des Schadens. 4. Andere Straffolgen. Dritter Abschnitt: Besonderer T e i l des Strafrechts I. Die Straftaten und ihre Bestrafung. 1. Straftaten gegen Personen. 2. Straftaten gegen den Personenstand. 3. Straftaten gegen die Freiheit. 4. Straftaten gegen das Vermögen. 5. Straftaten gegen die öffentliche Sicherheit. 6. Straftaten gegen die nationale Sicherheit. 7. Straftaten gegen die öffentliche Verwaltung. 8. Straftaten gegen den öffentlichen Glauben. 9. Strafrechtliche Neben- und Ergänzungsgesetze, Militärstrafrecht. — I I . Die Strafen und die Strafvollstreckung.
Abkürzungen B.F.D. Cordoba:
Boletin de la Facultad de Derecho y Ciencias Sociales de Cordoba
C.C.:
Código Civil
C.C.C.:
Câmara en lo Criminal y Correccional de la Capital
C. de J.M.:
Código de Justicia Militar
C.N.:
Constitución de la Nación
C.P.:
Código Penai
C.P.Crim.:
Código de Procedimiento en lo Criminal para la Justicia Nacional
C.S.N.:
Corte Suprema de Justicia de la Nación
D.J.A.:
Suplemento Diario de Jurisprudencia Argentina
G.F.:
Gaceta del Foro (Buenos Aires)
J.A.:
Jurisprudencia Argentina (Buenos Aires)
L.L.:
Revista Juridica la Ley (Buenos Aires)
P.51.:
Proyecto de Código Penai del Poder Ejecutivo de 1951
R.d.p.:
Revista de Derecho Penai (Buenos Aires)
R.p.y.p.:
Revista Penai y Penltenciaria (Buenos Aires).
Erster
Abschnitt
Geschichte des argentinischen Strafrechts L i t e r a t u r : Siehe besonders Jiménez de Asùa, Tratado, I. 1950, S. 785 bis 899. — Rodolfo Rivarola, Origenes y evolución del derecho penal argentino (Revista juridica de ciencias sociales, Bs.As., 1900); Octavio Gonzalez Roura, El derecho penal argentino y su evolución (Archivos de psiquiatrfa y criminologia, Bs.As., 1910); Eusebio Gómez, Criminologia argentina, Bs.As., Libreria e Imprenta Europa, 1912; Juan P. Ramos y Jorge E. Coll, L'état législatif dans la République Argentine (Actes du Premier Congrès International de Droit pénal, Paris 1927); Luis Jiménez de Asùa, El nuevo Código Penal Argentino y los recientes proyectos complementarios ante las modernas direcciones del derecho penal, Madrid, Ed. Reus, 1928; Ricardo C. Nunez , Vinculación entre el Código Penal Argentino de 1922 y el Código Penal Alemân, Cordoba, 1945; Moïses Nilve, La vigencia del proyecto Tejedor corno código penai de las provincias argentinas (R.p.y.p., 1945, p. 35); Francisco P. Laplaza , Antecedentes de nuestro periodismo forense hasta la aparición de „La Revista Criminal" (1873), corno introducción a la historia del derecho penai argentino (R.p.y.p., 1945, p. 49).
Argentinien war bis zum 9. J u l i 1816, dem Tage der Unabhängigkeit, d e j u r e eine spanische Kolonie, obgleich es d e f a c t o seit dem 25. M a i 1810 unabhängig war. Diese Tatsache bedeutete jedoch keinen Wechsel i n der Strafgesetzgebung m i t vollständiger Ersetzung eines Systems durch ein anderes. Bis zur endgültigen verfassungsmäßigen Errichtung der Republik (1853—1860) wurden die spanischen Strafgesetze weiterhin neben den von den seit 1810 i m Lande aufeinanderfolgenden nationalen und lokalen Regierungen erlassenen Gesetzen und Dekreten angewandt. I n der ganzen vorkonstitutionellen Periode findet man außer der „Partida V I I " und der „Nueva Recopilación", die von den Gerichten als grundlegende Gesetzgebungswerke angewendet wurden, keine Kodifikation des Strafrechts. Die Verfassung von 1853 und die Reform von 1860 gaben dem Nationalkongreß die Ermächtigung, ein Strafgesetzbuch für das ganze Land zu schaffen, mit dessen Erlaß den Provinzen eigene Gesetzbücher untersagt sein würden. Die Verfassungsreform von 1949 änderte dieses System nicht. Die noch gültigen Gesetzbücher von 1886 und 1922 behandeln lediglich „delitos" (Verbrechen, Vergehen) und über-
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s argentinische Strafrecht
lassen den lokalen Regierungen die Gesetzgebung über „faltas" und „contravenciones" (Übertretungen). Bedeutsam als Vorläufer einer Strafrechtsvereinheitlichung ist die Ley nacional Nr. 49 über „Verbrechen, für deren Aburteilung die Nationalen Gerichte zuständig sind, und ihre Bestrafung" vom 14. September 1863, ergänzt durch das Gesetz Nr. 48 über die „Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit der Nationalgerichte", das Gesetz Nr. 50 vom 25. August 1863 und das Gesetz vom 14. September gleichen Jahres über das „Verfahren vor den Nationalgerichten i n Z i v i l - und Strafsachen". Die Kodifizierung hatte ihren ersten Vorläufer i n dem von Carlos Tejedor i m Auftrag der Nationalregierung (5. Dezember 1864) verfaßten Entwurf, dessen Erster Teil am 30. Dezember 1865 und dessen Zweiter Teil am 3. Januar 1868 der Regierung vorgelegt wurde. Er folgt grundsätzlich dem bayerischen Strafgesetzbuch von 1813, dessen offiziellen Kommentar Tejedor i n den Anmerkungen zu den A r t i k e l n des Entwurfs wiedergibt, und auch der von Joaquin Francisco Pacheco kommentierten Gesetzgebung (Kodex 1848—1850), den „Partidas" und den Überresten der alten spanischen Strafgesetzgebung. Die Anmerkungen zeigen den Einfluß der „Théorie du Code Pénal" von Adolphe Chauveau. Der Entwurf wurde nicht zum „Código Nacional" erhoben; er wurde jedoch in. neun der 14 Provinzen und am 5. Dezember 1881 von der Hauptstadt der Republik i n K r a f t gesetzt. Als Kodex für die Provinz Buenos Aires behandelt ihn Augusto Elias: E l Código penal estudiado en sus principios, Buenos Aires, Imprenta Coni, 1880. Auch der Entwurf Villegas, Ugarriza y Garcia (3. Januar 1881) wurde nicht als „Código nacional" erlassen. Dieser (amtliche) Entwurf stellt eine, zuweilen tiefgreifende, Revision des Entwurfs Tejedor dar. Er wurde von der Provinz Cordoba angenommen (14. August 1882) und von Adân Quiroga behandelt i n seinem „Derecho penai argentino. Delito y pena. Estudio de la Parte general del Proy. de Cód. penai de los Drs. Villegas, Ugarriza y Garcia", Cordoba, „ L a Minerva", 1886. Der erste „Código nacional" wurde am 7. Dezember 1886 erlassen und am 1. März 1887 i n K r a f t gesetzt. Er entstand aus der Revision durch die Comisión de Códigos de la Câmara de Diputados und aus den vorhergehenden Entwürfen, wenngleich er auch offiziell als eine Modifikation des Entwurfs Tejedor (Ley Nr. 1920 vom 7. Dezember 1886) betrachtet wird. Ebenso wie jene Entwürfe behandelt er lediglich die „delitos", ohne diejenigen Straftaten einzuschließen, deren A b urteilung nach der Ley Nr. 49 den Nationalgerichten zusteht. Über das Interesse an der Vollkommenheit des Werkes dominierte das Interesse, die VerfassungsVorschrift zu erfüllen: „die Einheit der
Geschichte des argentinischen Strafrechts
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Strafgesetzgebung in der Republik herzustellen und das bestehende Strafgesetz zu verbessern". Seine von klassischen Gedanken inspirierte wissenschaftliche Konzeption und seine Technik waren Gegenstand der K r i t i k . Man warf ihm auch vor, daß er Lücken enthalte. Die Anmerkungen des Entwurfs Tejedor, die der Richter J. L. Aguirre (Edition Lajouane) ihm hinzufügte, stellten eine wichtige Auslegungsquelle dar, ebenso wie die Werke Rodolfo Rivarolas: Exposición y critica del código penal de la Repubblica Argentina (drei Bände), Buenos Aires, Lajouane, 1890, und Derecho penai argentino, Buenos Aires, Libreria Rivada via, 1910, das sich auf den Allgemeinen Teil bezieht. Schon i m Jahre 1890 (7. Juni) bestimmte die Regierung eine Kommission, die von Norberto Pinero, Rodolfo Rivarola und José Nicolas Matienzo gebildet wurde, für den E n t w u r f einer Strafrechtsreform. Aus ihrer Arbeit entstand der Entwurf von 1891, der nicht Gesetzeskraft erlangte, jedoch über die Entwürfe von 1906 und 1917 entscheidenden Einfluß auf den geltenden Kodex gewann, da seine Motive die wertvollsten Vorläufer für die Dogmatik darstellten. Der Entwurf führte die juristische Strömung Italiens, die die Fassung des dortigen Kodex von 1889 gestaltete, ein. Er verwirklichte in höchstem Maße die Einheit der Strafgesetzgebung, schließt die Verbrechen und Vergehen der Ley Nr. 49 und die Übertretungen von nationalem Charakter ein und behält die Übertretungen lokaler Natur den Provinzen vor. Der Entwurf von 1891 diente als Grundlage für die Ley Nr. 4189 vom 22. August 1903, die wichtige und weitgehende Reformen des allgemeinen und des besonderen Teils des Kodex einführte. Dieser Kompromiß zwischen den klassischen Ideen des Kodex und den fortschrittlichen des Entwurfs herrschte bis zur Ersetzung des ersten durch den derzeitigen Kodex vom 29. A p r i l 1922, trotz des von einer von der Regierung eingesetzten Kommission verfaßten Entwurfs von 1906 und eines Entwurfs von 1917 (von der Comisión Especial de Legislación Penal y Carcelaria de la Câmara de Diputados ausgearbeitet), die die letzten Entwicklungsstufen einer Reform darstellen, die 1891 begann und i m Jahre 1922 mit dem Inkrafttreten des für uns maßgeblichen Strafgesetzes beendet wurde. Es möge hier der entscheidende und nützliche Einfluß angedeutet werden, den die Reden des Senators Julio Herrera in den Debatten über die Ley Nr. 4189 und sein kritisches Werk über den Entwurf von 1906 (La reforma penal, Buenos Aires, Libreria e Imprenta Mayo, 1911) auf diese Reformentwicklung ausübten. Der Entwurf von 1917, dessen Abfassung eine Enquête unter Professoren und Richtern über den 1916 von dem Abgeordneten 2
Ausländisches Strafrecht
I.
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s argentinische Strafrecht
Rodolfo Moreno ausgearbeiteten Entwurf, der seinerseits das Ergebnis von teilweisen Zusätzen zum Entwurf 1906 war, vorausging, führte die wissenschaftlichen Grundsätze ein, die dem Kodex von 1922 eine „neoklassische" Färbung gaben und die von den Kritikern, die das letzte Wort i m italienischen Entwurf von 1921, dem Gipfelpunkt des Positivismus, geschrieben glaubten, nur als ein schwächliches Vorrücken angesehen wurde. Der Allgemeine Teil des Entwurfs von 1917 ist von José Peco wissenschaftlich behandelt worden (La reforma penal argentina de 1917—1920 ante la ciencia penal contemporànea y los antecedentes nacionales y extranjeros, Buenos Aires, Abeledo, 1921. Siehe auch: Juan P. Ramos, Concordancias del Proyecto de código penal de 1917, Bd. I, Buenos Aires, 1921). Das geltende Strafgesetzbuch wurde am 29. Oktober 1921 verkündet und am 29. A p r i l 1922 in Kraft gesetzt 1 . Es ist das Ergebnis sehr begrenzter Reformen, die der Senat beim Entwurf von 1917 vorgeschlagen hatte. Was die Einheit der Strafgesetzgebung betrifft, so beschränkt das StGB sie, den Grundsätzen dieses Entwurfes, der sich von den Entwürfen 1891 und 1906 abwendet, folgend, auf Verbrechen und Vergehen (delitos) und beläßt die Gesetzgebung über Übertretungen (faltas) der lokalen Zuständigkeit. Es umfaßt die von der Ley Nr. 49 geregelten Verbrechen. Die Materialien des Código sind gesammelt in der Edición Oficial, Buenos Aires, Rosso y Cia, 1924; C. J. Raffo: Código penal argentino (Bd. I: antecedentes, und Bd. I I : Código), Buenos Aires, L. J. Rosso, 1921; Marcelo Finzi: Código penai argentino anotado con las explicaciones oficiales, Cordoba, Assandri, 1948; sie sind erläutert von Rodolfo Moreno: El código penal y sus antecedentes (acht Bände), Buenos Aires, H. A. Tommasi, 1923. Die schönsten inoffiziellen Ausgaben sind von Lajouane, S. R. L., Buenos Aires; die letzte, von 1951, umfaßt die neuen bis 1950 einschl. erlassenen Ergänzungsgesetze. Die positivistische Strömung von Buenos Aires, die die Rechtsideen des Código, der vom Prinzip der moralischen Verantwortlichkeit inspiriert ist, mißbilligte, herrschte bis heute i n größerem oder geringerem Maße bei allen Reform entwürfen vor. I n den Jahren 1924, 1926 und 1928 verfaßten amtliche Kommissionen Entwürfe, die darauf abzielten, i n den Código die Theorie der „Gefährlichkeit" (estado peligroso) einzuführen; sie erlangten jedoch keine Gesetzeskraft. Ebenso wenig erreichte der vom Senat 1933 gebilligte Regierungsentwurf, d.aß Teilreformen des allgemeinen und des besonderen Teils des Código durchgeführt wurden (siehe Peco: La reforma penal en el 1 Eine deutsche Übersetzung des Argentinischen StGB in der Sammlung außer deutscher Strafgesetzbücher (Verlag Walter de Gruyter u. Co., Berlin) ist in Vorbereitung. Die Herausgeber.
Geschichte des argentinischen Strafrechts
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Senado de 1933, Buenos Aires, 1933). Das gleiche Schicksal erlitt der 1936 von Jorge Coli und Eusebio Gomez verfaßte amtliche Entwurf und der Entwurf des Abgeordneten José Peco von 1941. I m gegenwärtigen Zeitpunkt liegt der Câmara de Diputados ein am 1. August 1951 von der Regierung eingebrachter Entwurf vor, der, wie die beiden früheren, eine totale Reform des Código bezweckt (s. unseren i n der R.d.p., 1951, S. 291, erschienenen Aufsatz). Die konstruktive D o k t r i n wurde i n ihren Entwicklungsmöglichkeiten gehemmt durch die Denkrichtung an den Universitäten Buenos Aires und La Plata, die auf einer kritischen Haltung beharrten und die dogmatische Arbeit auf den zweiten Platz verwiesen. Sie erhielt jedoch einen Auftrieb durch die von der Universität Cordoba verfochtenen und grundlegend von der deutschen Vorkriegsdogmatik inspirierten Lehren. Indessen t r i t t sie infolge einer seit 1946 stattgefundenen fast völligen Neubesetzung der offiziellen Lehrstühle für Strafrecht nur noch i n den persönlichen Arbeiten einiger weniger Autoren i n Erscheinung. Die bedeutendsten Lehrbücher sind: Sebastian Soler: Derecho penal argentino (5 Bände), Buenos Aires:, Ed. La Ley, 1945—1946 (1. Aufl. Bd. 1 und 2, Allgemeiner Teil, Ei Ateneo, 1940); Eusebio Gómez: Tratado de Derecho penal (6 Bände) Buenos Aires, Cia. Argentina de Editores, 1939—1942, und Octavio Gonzalez Roura: Derecho penal (4 Bände), Buenos Aires, V. Abeledo, 1922 (2. Aufl. 1925). I n Gang ist die Veröffentlichung des Tratado de derecho penal von Luis Jiménez de Asua (Editorial Lozada, Buenos Aires), der den Allgemeinen Teil des Strafrechts behandelt. Der Código ist kommentiert worden von Tomas Jofré: El código penal de 1922, Buenos Aires, V. Abeledo, 1922; Carlos Malagarriga: Código penal argentino (3 Bände), Buenos Aires, Cervantes, 1927; Mario Oderigo: Código penal anotado. Leyes especiales, Buenos Aires, Editorial, Ideas, 1942 (2. Aufl. 1948) und Mario M. Mallo: Código penal argentino y sus ley es complementarias (3 Bände), Buenos Aires, Editorial Bibliografica Argentina, 1948—1951. Anzuführen sind die Handbücher von Emilio C. Diaz: El Código penal para la Repùblica Argentina (4. Aufl., Buenos Aires, La Facultad, 1942), das zum Gebrauch für die Praxis bestimmt ist, und Carlos Fontân Balestra: Manual de derecho penal, Parte general 1949, Parte especial I 1951, Buenos Aires, Depalma, das sich bemüht, die Bedürfnisse des Unterrichts zu befriedigen. Frucht einer Lehrtätigkeit auf verschiedenen Lehrstühlen sind: der „Curso de derecho penal" von Juan F. Ramos (6 Bände), der seit 1927 mehrere Auflagen erfuhr, ferner „Derecho penal" (1937) und „Derecho penal — Parte especial" (1943) von Alfredo J. Molinario, „Derecho penal — Parte especial" von Augusto Morisot (1941). 2'
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s argentinische Strafrecht
Die Fachzeitschriften, die gegenwärtig publiziert werden, sind die „Revista de Derecho penal", die unter der Leitung von Eusebio Gómez seit 1945 erscheint, und die seit 1936 veröffentlichte „Revista penal y penitenciaria", das Organ der Dirección General de Institutos Penales. Wenn auch nicht auf Strafrecht spezialisiert, so enthält doch wichtige Straf rechtsarbeiten die „Revista juridica de Cordoba", herausgegeben seit 1947 unter der Leitung von Alfredo Orgaz, Sebastian Soler und Mauricio Yadarola. Ferner auch die Zeitschrift „Ley y jurisprudencia Argentina". Die Rechtsprechung in Strafsachen findet sich i n der „Gaceta del Foro" (Buenos Aires), der „Jurisprudencia Argentina" (Buenos Aires), der „Revista Juridica La Ley" (Buenos Aires) und in den „Fallos de la Câmara en lo Criminal y Correccional de la Capital".
Zweiter
Abschnitt
Allgemeiner Teil des Strafrechts I. Allgemeine Grundsätze 1. Q u e l l e n d e s
Strafrechts
L i t e r a t u r : Ricardo C. Nufiez, La ley, unica fuente del derecho penal argentino (Β. F. D. Cordoba, 1941, Ν 1—2); id., El origen de la ley y la garantia de legalidad (L.L., 54, 305); id., La teoria del derecho penal administrativo, la division de las leyes penales y la jurisdicción (Revista de derecho proeesal, Bs.As., 1951, N. 3—4, p. 159); id., La aplicación de las disposiciones generales del C.P. a las leyes penales administrativas (L.L.. 59, 590); Ernesto R. Gavier, Prescriptibilidad de las acciones y de las penas emergentes de leyes provinciales de faltas (Anales del Colegio de Abogados de Cordoba, 1945, p. 53); Enrique Aftalion Laureano Landaburu, El código penal corno legislación supletoria en materia contravencional (L.L., 32, 409).
Das Gesetz ist die alleinige Quelle des Strafrechts (C. Ν. A r t . 29 u. 30). Das Gesetz ist die von der gesetzgebenden Gewalt sanktionierte und von der exekutiven Gewalt bekanntgegebene Form. Entgegen der früheren Rechtsprechung ( F a l l o s , 169, 309; 173, 311; 204, 345) mißt die C. S. N. jetzt dem Decreto-ley der Regierung Gesetzeswert bei. Ob dies wie auch die gleichfalls von der Rechtsprechung zugelassene Bestrafung von Übertretungen durch Dekrete der Regierung mit der Verfassung vereinbart werden kann, bleibt zweifelhaft. Die Gesetzgebung für das gemeine Strafrecht (Código Penal und Ergänzungsgesetze) geht die Nationalregierung an (C. N. Art. 68, inc. 11 und 101), die für Übertretungen die lokalen Regierungen auf Grund
Allgemeiner Teil des Strafrechts
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der ihnen von der Nationalverfassung vorbehaltenen Befugnisse (Art. 97 u. 98). Gleichfalls lokal ist die Strafgesetzgebung gegen die Pressedelikte (C. N. Art. 23). Die allgemeinen Bestimmungen des Código Penal ergänzen die nationalen Sonderstrafgesetze von allgemeinem oder administrativem Charakter (C. P. Art. 4), jedoch neigt die C. S. N. heute dazu, die A n wendung bei den letzteren einzuschränken. Streitig ist, ob der Código Penal auch den Allgemeinen Teil der lokalen Strafgesetze ergänzt. 2. A n w e n d u n g d e s
Strafgesetzes
L i t e r a t u r : Luis C. Caral , El ambito de aplicación especial de la ley penal y los llamados „efectos" del delito (L.L., 46, 891); Gerardo Pena Guzmân, Los „efectos del delito" y el matrimonio ilegal (L.L., 30, 335); Carlos Alcorta, La legislación argentina en la esfera ìnternacional del delito (R.p.y.p., 1938, 127); Carlos Lazcano, Limites en el espacio del derecho penai argentino (J.A., 1943, I V , 410); Ernesto R. Gavier, Aplicación de la ley penal y concurso de leyes (B. F. D. Cordoba, 1941, N. 3—4).
ö r t l i c h e r G e l t u n g s b e r e i c h : Dem Strafgesetz unterliegen die Delikte, die auf nationalem Territorium oder an den der nationalen Gerichtsbarkeit unterliegenden Orten begangen werden oder deren Wirkungen hier eintreten, gleich welche Staatsangehörigkeit der Täter auch hat (C. P. Art. 1 Abs. 1). Es ist eine Anwendung des Erfolgsgrundsatzes und nicht eine Abänderung des A r t . 1, wenn der Art. 16 des Gesetzes über Verbrechen gegen die Staatssicherheit dieses Gesetz auch auf die i m Ausland begangenen Delikte für anwendbar erklärt. Unser Strafrecht gilt auch für Delikte, die ein argentinischer Beamter i n Ausführung seiner Obliegenheit i m Auslande begeht (C. P. Art. 1 Abs. 2). Der Entwurf 1951 kennt außerdem das Nationalitätsprinzip, das sich auf den wohl nicht haltbaren Gedanken der Subordination gründet. I m Landesgebiet findet, sofern keine gegenteilige Abmachung besteht, allein das nationale Strafrecht Anwendung. Die Auslieferung von Verbrechern an unsere Gerichte ist durch Verträge, den Grundsatz der Gegenseitigkeit oder die internationale Rechtsübung geregelt (C. P. Crim. de la Capital A r t . 646). Die Auslieferung an ausländische Gerichte ist durch das Gesetz Nr. 1. 612 geregelt, wonach erforderlich ist: Gegenseitigkeit, ein unpolitisches, mit Leibesstrafe bedrohtes Verbrechen, das außerhalb der Republik begangen und i n ihr nicht abgeurteilt ist, die ausländische Staatsangehörigkeit des Täters, Nichtvorliegen der Verjährung.
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Z e i t l i c h e r G e l t u n g s b e r e i c h : Vorbehaltlich einer gegenteiligen Bestimmung t r i t t das Strafgesetz i n der Hauptstadt an dem der Veröffentlichung nachfolgenden Tage, an den übrigen Orten acht Tage später i n Kraft (C. C. Art. 2). Es findet auf die nach seinem Inkrafttreten begangenen Taten Anwendung (C. N. Art. 29; C. C. Art. 3), wenn es von allen seit dem Zeitpunkt der Tatbegehung bis zum Ende der Strafverbüßung bestehenden Gesetzen das mildeste ist (C. P. Art. 2). Das mildeste Gesetz findet auf den ganzen Straffall, einschließlich der vor dem Inkrafttreten begangenen Taten, Anwendung. Bei der rückwirkenden Anwendung des günstigsten (mildesten) Dauerstrafgesetzes handelt es sich jedoch nur um eine verfassungsmäßige Garantie (C. N. A r t . 29). Ob ein; Gesetz das mildere ist, muß unter Berücksichtigung des ganzen Inhalts der i n Betracht kommenden Gesetze festgestellt werden, m i t Ausnahme der Berechnung der Untersuchungshaft, bei der eine Auswahl der günstigsten Sondervorschrift zulässig ist (C. P. Art. 3; C. C., G. F. 44, 80). P e r s ö n l i c h e r G e l t u n g s b e r e i c h : Das Strafgesetz ist obligatorisch und findet gleichmäßig auf alle Personen Anwendung, die sich i m Landesgebiet oder an Orten, die der Landesgerichtsbarkeit unterliegen, aufhalten, gleichgültig, ob sie Einheimische oder Ausländer, Ansässige oder Durchreisende sind (C. C. Art. 1; C. N. A r t . 28). Das innerstaatliche Strafrecht läßt keine aus der Person hergeleitete Immunität zu. Aus Gründen des internationalen Rechts w i r d Immunität den Botschaftern, bevollmächtigten Gesandten, ausländischen diplomatischen Geschäftsträgern, dem Gesandtschaftspersonal, deren Familien und Dienstpersonal gewährt (C. S. N , Fallos: 125, 98; 194, 415; 195, 461; 209, 365). A u f demselben Grunde beruht auch die Immunität der ausländischen Staatsoberhäupter und der mit Erlaubnis der Regierung auf inländischem Gebiet stationierten ausländischen Truppen. Kraft der ausgeübten Funktion genießen die Mitglieder der nationalen und provinzialen legislativen Organe strafrechtliche Immunität hinsichtlich der i n Ausführung ihrer Aufgabe geäußerten Ansichten und Reden (C. N. A r t . 61, Const, de Cordoba Art. 71). Diese „funktionelle Immunität" ist jedoch bei denjenigen Handlungen ausgeschlossen, für die die Exekutive die Gewährung außerordentlicher Befugnisse bedarf (C. N. A r t . 20; C. P. Art. 227). G e s e t z e s k o n k u r r e n z : Der Código penal enthält keine Bestimmungen über die Gesetzeskonkurrenz. Die Grundsätze der Spezialität, Subsidiarität und Konsumtion werden jedoch i n der Lehre und Rechtsprechung anerkannt. Der Entwurf 1951 behandelt ausdrücklich die Spezialität.
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II. Das Verbrechen 1.
Tatbestandsmäßigkeit
L i t e r a t u r : Carlos Fontân Balestra , Función de la Tipicidad en el derecho penal argentino (Revista de la Facultad de Derecho de Buenos Aires, N. 17); Jorge Fri as Caballero, Tipo y tipicidad en el sistema del derecho penai argentino (R.d.p., 1945, 495); Sebastian Soler, Anâlisis de la figura delictiva (Colegio de Abogados de Bs.As. Ciclos de conferencias, Bs.As., 1943); Ricardo C. Nunez , E l hecho penal en la C.N. y en el Código (Revista de psiquiatria y criminologia (Bs.As., 1939, N. 19).
Das argentinische Strafrecht w i r d vom verfassungsmäßig garantierten Grundsatz „ n u l l u m crimen, nulla poena sine lege poenalz" beherrscht (C. N. Art. 29). Unter „Strafrecht" ist sowohl das K r i m i n a l als auch das Verwaltungsstrafrecht zu verstehen. Gemäß diesem A r t . 29 ist die extensive Auslegung und die Analogie zuungunsten des Beschuldigten verboten. Alle Zweifel bei der Gesetzesauslegung sind zugunsten des Angeklagten zu lösen (C. S. N. F a 11 ο s , 220, 144). 2. R e c h t s v / i d r i g k e i t L i t e r a t u r : Ricardo C. Nunez, Conceptos fundamentales acerca de la antijuridicidad (Revista juridica de Códoba, 1949, 205); id., El juicio sobre la inevitabilidad de la agresión (L.L., 49, 684); Sebastian Soler, Causas supralegales de justificación, Montevideo, 1942; Luis Jiménez de Asùa, La proporcionalidad en la légitima defensa (L.L., 63, 879); Ernesto R. Gavier, Huelga, hurto famèlico y estado de necesidad (Revista juridica de Cordoba, 1947, 443).
Die vom Strafgesetz umschriebene Handlung ist i m konkreten Falle nur strafbar, wenn sie nicht gerechtfertigt ist. Für den Código Penal ist ein reichhaltiges Verzeichnis von Rechtfertigungsgründen charakteristisch, die i n Anzahl und Aufbau die Bedürfnisse der Praxis befriedigt haben. Nicht rechtswidrig handelt, wer „einen Schaden verursacht, um einen unmittelbar drohenden größeren Schaden, zu dem er i n keiner Beziehung steht, zu verhüten" (C. P. A r t . 34 Abs. 3). Dies ist der sogenannte „Notstand", der i m Código Penal den Charakter eines Rechtfertigungsgrundes aufweist, weil er sich auf das objektive Prinzip des Überwiegens des geringeren Übels und nicht auf das subjektive des Zwanges gründet. Für die Rechtfertigung aller zur Verteidigung des vorwiegenden Gemeinschaftsinteresses aufgeführten Handlungen ist somit ein weiter Spielraum gegeben. Der Entwurf 1951 schränkt den Bereich des „Notstandes" ein und verdunkelt seinen Charakter, indem er ihn auf den Schutz von „Rechten" beschränkt und i h m einen subjektiven Sinn gibt, der seine Natur als Rechtfertigungsgrund zweifelhaft erscheinen läßt.
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Nicht rechtswidrig handelt, wer „ i n Erfüllung einer Pflicht oder in rechtmäßiger Ausübung seines Rechts, seiner Amtsgewalt oder seines Auftrags handelt" (C. P. Art. 34 Abs. 4); ferner nicht, wer „ i n geschuldetem Gehorsam" handelt (C. P. Art. 34 Abs. 5), immer vorausgesetzt, daß es sich um einen Befehl handelt, dessen Prüfung ihm untersagt war; wenn der Untergebene zur Prüfung befugt ist und nur aus I r r t u m gehorcht, so kann er lediglich einen Schuldausschließungsgrund geltend machen. Rechtswidrig handelt auch nicht, wer „zu seiner oder seiner Rechte Verteidigung handelt" (Art. 34 Abs. 6 C. P.). Alle Rechte können rechtmäßig verteidigt werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen: a) ein unerlaubter Angriff, b) die vernunftgemäße Erforderlichkeit der angewendeten Mittel, um diesen zu verhindern oder abzuwehren und c) das Nichtvorliegen einer Provokation seitens des Verteidigers. Die Person und die Rechte anderer können rechtmäßig verteidigt werden, wenn die vorstehenden unter a) und b) bezeichneten Umstände und, falls durch den Angegriffenen eine hinreichende Provokation erfolgte, die Nichtbeteiligung an dieser vorliegen (C. P. Art. 34 Abs. 7). Die Notwehr w i r d auch, ganz abgesehen von dem dem Angreifer zugefügten Schaden, vermutet bei der Abwehr des nächtlichen Einsteigens oder Aufbrechens eines bewohnten Raumes oder der dazugehörigen Räumlichkeiten, ferner beim Brechen des Widerstandes eines Fremden, der i m häuslichen Besitztum des Täters betroffen w i r d (C. P. Art. 34 Abs. 6 Unterabs. 2 u. 3). Liegt eine Überschreitung der für einen Rechtfertigungsgrund festgelegten Grenzen vor, dann w i r d dem Täter die der fahrlässigen Begehung dieses Delikts entsprechende Strafe auferlegt, sofern die Tat als fahrlässige strafbar ist (Art. 35 C. P.). 3. S c h u l d L i t e r a t u r : Ricardo C. Nunez , La culpabilidad en el Código penal, Delpalma, Bs.As., 1946; Roberto Goldschmidt , en Estudios de filosofia juridica de James Goldschmidt, T.E.A., Bs.As., 1947, p. 239; Jorge Frias Caballero, Notas sobre la teoria normativa de la culpabilidad (L.L., 15. I I . 952); Isidoro de Benedetti, La teoria normativa de la culpabilidad (Homenaje a Zenón Martinez, Santa Fe, 1945); Luis Jiménez de Asùa, L a „no exigibilidad de otra conducta" (El criminalista, T. I I , Bs.As., La Ley, 1942); id., Reflexiones sobre el error de derecho en materia penal, Bs.As., 1941; Héctor Masnatta, La ignorancia ο el error sobre ley extrapenal corno ignorancia de hecho para la ley penal (J.Α., 1946-IV, 237); Ricardo C. Nunez, Los eiementos subjetivos del tipo penal, Depalma, Bs.As., 1943; Marcelo Finzi, El llamado „dolo especifico" en el derecho penal argentino y comparado, Imprenta de la Universidad, Cordoba, 1943.
Die Zurechnungsfähigkeit ist eine Schuldvoraussetzung. Unzurechnungsfähig sind die Minderjährigen unter 14 Jahren (C. P. A r t . 36)
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und diejenigen, die i m Zeitpunkt der Tatausführung infolge mangelnder oder krankhafter Veränderung ihrer Kräfte oder i m Zustande der Bewußtlosigkeit nicht fähig waren, das Verbrecherische der Handlung zu begreifen oder ihre Handlungen zu lenken (C. P. A r t . 34 Abs. 1). Die Minderjährigen über 14 Jahre können Erziehungs-, die übrigen Personen Sicherungsmaßregeln unterworfen werden. Diese Maßnahmen sind i n geeigneten Anstalten durchzuführen. Die sogen, „verminderte Zurechnungsfähigkeit" schließt die Verantwortlichkeit nicht aus; sie ist jedoch als strafmildernder Umstand zu würdigen, wenn auch die Gerichte nicht immer so urteilen. Schuldformen sind der Vorsatz und die Fahrlässigkeit. Eine ausdrückliche Definition des Vorsatzes besteht nicht. Man kann jedoch gemäß Art. 34 Abs. 1 sagen, daß vorsätzlich handelt, wer i m Zeitpunkt der Tat die Absicht (intención) hat, ein Verbrechen zu begehen, oder dessen Verwirklichung zustimmt. Nur einige bestimmte Verbrechen sind als fahrlässige zu bestrafen. Die Fahrlässigkeit kann in Nachlässigkeit, Unvorsichtigkeit, beruflicher Unerfahrenheit oder Nichtbefolgung von Vorschriften bestehen. Die Schuld w i r d ausgeschlossen durch Zwang (C. P. A r t . 34 Abs. 2), I r r t u m oder Unkenntnis, sofern diese dem Täter nicht zuzurechnen sind (ibidem, A r t . 34 Abs. 1). Unter Zwang steht, wer durch Drohung mit einem schweren und unmittelbar bevorstehenden Übel zum Handeln genötigt w i r d (C. P. A r t . 34 Abs. 2). Streitig ist die entschuldigende W i r k u n g des Rechtsirrtums. Das Problem ist dahingehend zu lösen, daß nicht der I r r t u m über das Bestehen oder die Anwendbarkeit des die Tat bestrafenden Gesetzes entschuldigt, wohl aber der Rechtsirrtum über den Tatsacheninhalt der Schuld (contenido de hecho de la culpabilidad). Entschuldigend w i r k t zum Beispiel der I r r t u m des Täters über die Stellung des Verletzten als Mieter bei der widerrechtlichen Besitzergreifung (usurpación), der I r r t u m des Zeugen über die strafrechtliche Bedeutung der Beantwortung allgemeiner Fragen über Person, Stand usw. (erörtert in: L. L. 54, 533; 63, fallos 29, 943), der I r r t u m des Lotterieagenten darüber, ob eine Lotterie genehmigt ist oder nicht (C. C. C., G. F., 30,26). I m Steuerrecht ist der I r r t u m über die Anwendbarkeit einer Norm als entschuldigend angesehen worden (Ley Nr. 11683 Art. 44). Der Entwurf 1951 ersetzt den Begriff „Zustand der Bewußtlosigkeit" durch „Bewußtseinsstörung" und zählt i n dem ausschließlich der Zurechnungsfähigkeit gewidmeten Kapitel die unwiderstehliche körperliche Gewalt und den Zwang auf. Die Begriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit werden i n ihm, wenn auch in mangelhaften Formu-
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lierungen, aufrechterhalten. Den Schuldausschließungsgründen eingefügt ist das Handeln desjenigen, der hinreichenden Grund zur A n nahme hatte, daß er zu Recht handle („haber tenido razones suficientes para creerse con derecho a obrar"), jedoch soll dies nach dem Entwurf nur strafmildernd wirken oder die Begnadigung zulassen. 4. S t r a f b a r k e i t L i t e r a t u r : Pena Guzman, La instancia privada (L.L., 40, 1009); Eusebio Gomez, El perdón judicial (R.d.p., 1948, 125); Laureano Landaburu , La oblación voluntaria en el derecho penal (D.J.Α., Nr. 435); Julio Ojeda Gómez, La exención de pena establecida por el art. 132 del C.P. no comprende a los participes (L.L., 46, 1027); Sebastian Soler, La prescripción de la acción penal en el concurso de delitos (J.A., 70, sec. doct., 3); Ricardo C. Nunez, La prescripción de la acción penai y el concurso de delitos (L.L., 55, 592); id., La interrupción de la prescripción por la „secuela del juicio" (L.L., 63, 559); id., Extinción de la multa por muerte del condenado (LL., 54, 944).
Die Strafbarkeit der tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Handlung kann ausgesetzt oder endgültig ausgeschlossen werden. Einen Aufschub bewirkt: a) die Nichterhebung der Privatklage (C. P. Art. 73—76; Ley Nr. 13.944 A r t . 4), b) das Fehlen des Antrags bei Antragsdelikten (C. P. A r t . 72) und c) das Bestehen von besonderen Vorrechten (für die Exekutive: C. N. A r t . 52 u. 53; für die Legislative: C. N. Art. 63; für die richterliche Gewalt: C. N. A r t . 52, 53 u. 91 — Ley Nr. 13.644 A r t . 23). Die Strafklage w i r d endgültig ausgeschlossen durch den Tod des Beschuldigten (die C. S. N. beginnt, diese Bestimmung i m Steuerrecht einzuschränken), Amnestie, Verjährung, Verzicht bei den Privatklagedelikten (C. P. A r t . 59), Zahlung des Höchstbetrages der Geldstrafe und des Schadensersatzes bei den nur m i t Geldstrafe bedrohten Delikten (C. P. Art. 132), strafbefreiende Entschuldigungsgründe (z. B. Verbergen des Verwandten C. P. A r t . 278) und Enthüllung der Verschwörung (C. P. A r t . 63). Die Verjährungsfrist beträgt: a) 15 Jahre, wenn die Straftat mit Zuchthaus oder lebenslänglichem Gefängnis zu ahnden ist; b) sie ist gleich der Strafdauer, wenn zeitiges Zuchthaus oder Gefängnis angedroht ist, beträgt mindestens jedoch zwei Jahre und höchstens zwölf Jahre; c) 5 Jahre, wenn die Strafe dauernde und ein Jahr, wenn sie zeitige Unfähigkeit (inhabilitación) ist;
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d) 2 Jahre für die mit einer Geldstrafe von über 200 Pesos bedrohten Taten und 1 Jahr bei geringeren Geldstrafen (C. P. A r t . 62). e) Bei Todesstrafe, i n dem einzigen Fall des Art. 11 der Ley Nr. 13.985 über die Staatssicherheit, beträgt die Frist 20 Jahre, da sie sich nach dem Militärstrafgesetzbuch A r t . 600 (Ley 13.985 A r t . 15) richtet. Die nach dem Código Penal unzulässige Verjährungshemmung ist i n das Gesetz Nr. 13.569 A r t . 1 für den Fall aufgenommen worden, daß zur Aburteilung des Delikts zuvor ein Urteil über eine Vorfrage erforderlich ist. Die Verjährung w i r d unterbrochen durch, Begehung eines neuen Deliktes und durch Fortsetzung des Verfahrens (Ley 13.569 A r t . 1); sie läuft weiter, auch wenn sie für Teilnehmer gehemmt oder unterbrochen ist (s. die zit. Ley u. die zit. Artikel), und zwar für jede realkonkurrierende Straftat gesondert (C. S. N., Fallos, 212, 324; Entwurf 1951); sie ist einheitlich und richtet sich i n den Fällen der Idealkonkurrenz nach der schwereren Strafe. Der Entwurf 1951 läßt eine Unterbrechung der Verjährung nur bei Begehung einer neuen Straftat eintreten. 5. V e r s u c h L i t e r a t u r : Jorge Frias Caballero, El proceso ejecutivo del delito, Abeledo, Bs.As., 1944; José M. Nunez , Delito imposible y defecto en el tipo (Recopilación ordenada, 22. X I I . 1943).
Der Versuch ist bei allen Delikten, in deren gesetzlichem Tatbestand er erwähnt ist, strafbar. Einen Versuch begeht, wer, mit der Absicht, ein bestimmtes Delikt zu verüben, dessen Ausführung beginnt, aber infolge außerhalb seines Willens liegender Umstände nicht vollendet (C. P. Art. 42). Straffrei sind die Ausführungshandlungen, die nicht von einer verbrecherischen Absicht bestimmt sind, und die Vorbereitungshandlungen. Ein „Anfang der Ausführung" liegt vor, wenn der Täter Akte zur Deliktsverwirklichung vorgenommen hat, die die Sicherheit des strafrechtlich geschützten Objekts beeinträchtigen. Die Strafe für den Versuch entspricht der Strafe für das vollendete Delikt, gemindert um Vs bis u m die Hälfte. Wäre für das vollendete Verbrechen lebenslängliches Zuchthaus zu verhängen, so beträgt die Strafe 15—20 Jahre Zuchthaus; ist für die Vollendung lebenslängliches Gefängnis vorgesehen, dann beträgt die Versuchsstrafe 10—15 Jahre Gefängnis (C. P. A r t . 44). Der freiwillige Rücktritt vom Versuch w i r k t straf befreiend (C. P. A r t . 43). Der untaugliche Versuch (el delito imposible) ist strafbar; aber hier gründet das Gesetz die Strafe nicht auf die Gefährlichkeit der Handlungen, sondern auf die Gefährlichkeit des Täters (C. P. A r t . 44). Strafbare Untauglichkeit ist nur diejenige, die auf der Ungeeignetheit
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der Handlung beruht (bestritten). Die Strafe ist die für das vollendete Verbrechen vorgesehene, jedoch um die Hälfte gemindert. Sie kann bis auf das Mindestmaß der betreffenden Straftat herabgesetzt oder je nach dem vom Täter gezeigten Grad der Gefährlichkeit ganz aufgehoben werden (C. P. Art. 44). Der Entwurf 1951 behält den Begriff des Versuchs bei, läßt jedoch den untauglichen Versuch nur insoweit zu, als die aus dem Gebrauch ungeeigneter M i t t e l sich ergebende Untauglichkeit auf „grober Unkenntnis der Naturgesetze" („por grosera ignorancia de las leyes naturales") beruht. 6.
Verbrechensteilnahme
Der Código Penal unterscheidet: 1. Täter, 2. Anstifter, 3. Gehilfen oder zur Begehung der Tat notwendige Teilnehmer (Art. 45 C. P.), 4. nicht notwendige Teilnehmer und 5. sukzessive Gehilfen, die ihren Beistand vor Tatbegehung zugesagt haben (die beiden letzten Gruppen sind sekundäre Teilnehmer) (C. P. Art. 46). Die ersten drei Personengruppen unterliegen der für das Verbrechen vorgesehenen Strafe, während sie bei den übrigen um */ 3 bis um die Hälfte zu mindern ist (C. P. Art. 45 u. 46). Täter sind die in der vom Gesetz für das Verbrechen bezeichneten Weise Handelnden oder diejenigen, welche mit oder ohne Beteiligung sich diese Arbeit teilen. Die übrigen, direkt oder indirekt m i t den Ausführungshandlungen verbundenen Akte stellen strafbare Anstiftung, Beihilfe oder M i t w i r k u n g zum Verbrechen dar, m i t Ausnahme der notwendigen materiellen M i t w i r k u n g bei der Veröffentlichung, der Verbreitung oder dem Verkauf in Pressedelikten (C. P. Art. 49). Die Teilnehmer sind für die Tat nur insoweit verantwortlich, als sie m i t w i r k e n wollten (C. P. Art. 47). Die persönlichen Verhältnisse, Umstände und Eigenschaften, die die Strafe mindern oder ausschließen, wirken nur zugunsten desjenigen Täters oder Teilnehmers, bei dem sie vorliegen. Die strafschärfenden Umstände usw. erstrecken sich auf den Teilnehmer, der Kenntnis von ihnen hat (C. P. Art. 48). Der Entwurf 1951 stellt alle Verbrechensteilnehmer, Anstifter und Ratgeber hinsichtlich ihrer Bestrafung gleich. 7. V e r b r e c h e n s k o n k u r r e n z L i t e r a t u r : Sebastian Soler, Concurso de delitos (J.A., 66, 276); Ricardo C. Nunez , La teoria del concurso ideal del Proyecto Peco (B.F.D. Cordoba, 1943, Ν . 1—2); José M. Nunez , Los arts. 54 y 55 del C. Penal (B.F.D. Cordoba, 1939, Ν. 1—2); Ernesto R. Gavier, Aplicación de la ley penal y concurso de leyes, Imprenta de la Universidad, Cordoba, 1943; Marcelo Finzi, Delito con pluralidad de hipótesis en el derecho penal argentino y comparado, Depalma, Bs.As., 1944; Isidore De Benedetti , El delito continuo
Allgemeiner Teil des Strafrechts (J.A., 1943, I V , 724); Lorenzo Camelli, delito continuado (L.L., 18, 725).
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La penalidad correspondiente al
Mehrere Gesetzesverletzungen konkurrieren nur ideal, wenn sie das Ergebnis „einer Tat" sind. I n einem solchen Falle ist die der schwersten Verletzung entsprechende Strafe anzuwenden (C. P. Art. 54). Eine Tat ist eine einheitliche, wenn sie vom realistischen Gesichtspunkt aus als nur eine Tat erscheint. Der Begriff ist von der Rechtsprechung und Doktrin verkannt worden, die die Tateinheit in der einheitlichen Absicht des Täters sah. Mehrere Gesetzesverletzungen sind realkonkurrierend und unterschiedliche Verbrechen, wenn sie das Ergebnis mehrerer „voneinander unabhängiger Taten" („hechos independienstes entre si") (Art. 55 C. P.) sind. Diese Unabhängigkeit liegt nicht vor, wenn die verschiedenen Taten eine deliktische Fortsetzung bilden; i n diesem Falle stellen sie, was die Straffolgen betrifft, ein einziges Verbrechen dar. Ist die Strafart für die selbständigen Taten gleich, so ist mindestens die niedrigste Höchststrafe und höchstens die Summe der einzelnen Strafen aufzuerlegen; jedoch darf diese Summe die vom Gesetz für diese Strafart vorgesehene Höchstdauer nicht überschreiten (C. P. Art. 55). Bei teilbaren, verschiedenartigen Strafen ist die schwerere anzuwenden; die mit anderen Strafen zu ahndenden Verbrechen sind als straferschwerend zu berücksichtigen (C. P. Art. 56). Ist eine Strafe unteilbar, so ist sie aufzuerlegen; treffen jedoch lebenslängliches Gefängnis und lebenslängliches Zuchthaus zusammen, so ist lebenslängliches Zuchthaus zu verhängen (C. P. Art. 56). Die gleichen Vorschriften sind bei der Bildung einer Geldstrafe anzuwenden (C. P. A r t . 58). III. Deliktsfolgen 1. S t r a f e n L i t e r a t u r : Marcelo Finzi, En torno a la „dosificación de la pena". El art. 41 del C. P. La reiteración (D.J.A. N. 4891, 8 - I I I 1952); Samuel Daten, Régimen juridico y social de la libertad condicional, Editorial Bibliogràfica Argentina, Bs.As., 1947; Alfredo J. Molinario, La condena de ejecución condicional (Revista penai argentina (Bs.As., Bd. V., 38); Hernân Α. Pessagno, El tratamiento de los delincuentes habituales (D.J.A., N. 4181, 2 9 - I I I 1950).
a) Die einzelnen Strafen Die Todesstrafe, die in politischen Strafsachen nicht verhängt werden darf (C. N. Art. 29) ist, neben den vom Militärstrafgesetzbuch geregelten Fällen, zulässig bei Spionage und Sabotage, die in Kriegszeit zu schwerem Schaden des Staates oder seiner Verbündeten begangen werden (Ley 13.985 A r t . 11). Die Freiheitsstrafen sind: lebenslängliches oder zeitliches Gefängnis und Zuchthaus (C. P. Art. 5, 6 und 9). Der „arresto" (Haft), vom
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Código 1886 zur Ahndung von „delitos" zugelassen, ist heute für Übertretungen vorbehalten. Bei den Freiheitsstrafen bestimmt das Gesetz i n den Tatbeständen das Mindest- und Höchstmaß. Die schwerste Strafe ist die „réclusion" (Zuchthaus). Geldstrafe ist die „multa", die bei Nichtzahlung i n Gefängnis umgewandelt und durch freie Arbeit und in Teilzahlungen getilgt werden kann (C. P. A r t . 2). I n der Regel ist bei der Geldstrafe ein Höchstund ein Mindestbetrag bestimmt; i n manchen Fällen w i r d sie i m Verhältnis zum Wert der veruntreuten Gegenstände (C. P. A r t . 262) oder mit einem bestimmten Betrag festgesetzt (Ley Nr. 12.331, profilaxis antivenèrea, A r t . 17). Die Unfähigkeit zur Bekleidung von Ämtern usw. (inhabilitación) kann absolut oder speziell, dauernd oder zeitlich beschränkt, Hauptoder Nebenstrafe sein. Die Nebenstrafen werden neben Hauptstrafen auferlegt, wie es mit nachfolgenden geschieht: Zuchthaus von unbestimmter Dauer gem. Art. 52 C. P. (abgeändert durch Ley 12.997) (streitig, ob es Strafe oder Sicherungsmaßregel ist); die absolute oder spezielle Unfähigkeit zur Bekleidung von Ämtern usw. (C. P. Art. 12; Ley 13.985 Art. 13; Decreto-Ley Nr. 536/45 Art. 42); der Verlust der Staatsangehörigkeitsurkunde und die Landesverweisung (Ley Nr. 12.331 Art. 17; Ley Nr. 13.985 A r t . 13; Decr.-Ley 536 A r t . 42); der Verlust der instrumenta et producta sceleris (C. P. Art. 23). Die Hauptstrafen können für sich allein, wahlweise oder mit anderen verbunden, auferlegt werden. Sie sind innerhalb des betreffenden Strafrahmens und unter der vom Gesetz dem Richter vorgeschriebenen Berücksichtigung der erschwerenden und mildernden Umstände subjektiver und objektiver A r t festzusetzen (C. P. A r t . 40 u. 41). Der Rückfall stellt nicht nur einen innerhalb des Strafrahmens zu berücksichtigenden Strafschärfungsgrund dar, sondern führt unter gewissen Umständen auch zur Verhängung einer Zuchthausstrafe (zweiter Rückfall: C. P. Art. 51) oder zu einer der letzten Verurteilung akzessorischen Zuchthausstrafe von unbestimmter Dauer (mehrfacher Rückfall: C. P. A r t . 52). Rückfällig ist, wer schon zu Freiheitsstrafe verurteilt wurde, auch wenn diese erlassen oder umgewandelt ist, sofern es sich nicht u m militärische, politische oder amnestierte Verbrechen handelt. Die i m Ausland erlittene Verurteilung wegen Verbrechen, bei denen eine Auslieferung erfolgt, ist zu berücksichtigen. Eine frühere Verurteilung begründet den Rückfall nicht, wenn seit ihrer Bekanntgabe an den Täter bis zur Begehung des die letzte Verurteilung begründenden Verbrechens die m i t der ersten und den späteren Verurteilungen verhängten Strafen verjährt sind und zehn
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Jahre nicht übersteigen (C. P. A r t . 52, geänderte Fassung). Einige Nebengesetze sehen ein besonderes System für den Rückfall vor. Die Untersuchungshaft (prisión preventiva), die von der Festnahme bis zur Rechtskraft des Urteils dauert, ist bei der Berechnung als Strafe anzusehen. Es entspricht: 1 Tag Zuchthaus = 2 Tagen Untersuchungshaft; 1 Tag Gefängnis — 1 Tag Untersuchungshaft; 1 Tag Untersuchungshaft = 2 Tagen Unfähigkeit zur Bekleidung von Ämtern; bei Geldstrafen 4—10 Pesos = 1 Tag Untersuchungshaft. b) Bedingte
Strafaussetzung
Sie w i r d gewährt, wenn die Persönlichkeit des Verurteilten und die A r t und Umstände des Delikts sie gestatten und nur i n den Fällen erstmaliger Verurteilung zu einer Geld-, Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren und, wenn nicht zu Zuchthaus verurteilt wurde, auch bei Verbrechenskonkurrenz (C. P. A r t . 26). Die Rechtsprechung neigt dazu, mit einer ausgesetzten Freiheits- oder Geldstrafe auch die ausgesprochene Unfähigkeit zur Bekleidung von Ämtern auszusetzen (C. C. C. [Plenarentscheidung], G. F., 54, 227; 200,5 erklärte mit Mehrheit die Aussetzung für obligatorisch). Die Strafaussetzung berührt die Wiedergutmachung des Schadens und die Zahlung der Prozeßkosten nicht (C. P. Art. 28). Die Strafvollstreckung ist endgültig ausgeschlossen, wenn die Verjährungsfrist abgelaufen ist, ohne daß der Verurteilte erneut eine Straftat begangen hat. Verübt er jedoch von neuem eine Straftat, dann ist die ausgesetzte Strafe mit der neuen nach den für die Realkonkurrenz geltenden Regeln zu kumulieren (C. P. Art. 27). Eine nichtdeliktische Handlung ist hier ohne Einfluß. Bei Verurteilungen wegen gewisser Delikte (z. B. nach der Ley 12.906 betr. Monopole) ist eine bedingte Strafaussetzung nicht zu gewähren. c) Bedingte Entlassung A u f bedingte Entlassung haben diejenigen zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten ein Recht, die einen bestimmten Teil der Strafe verbüßt und ordnungsmäßig die Gefängnisvorschriften beachtet haben (C. P. A r t . 13). Diese Verurteilten müssen sich bestimmten Bedingungen unterwerfen, deren Nichterfüllung (neue Straftat, Verletzung der Verpflichtung zu einem bestimmten Wohnsitz) den Widerruf der Freilassung oder die völlige oder teilweise Nichtanrechnung der i n Freiheit verflossenen Zeit auf die Strafdauer [bei Nichtbeachtung der festgesetzten Aufsichtsanordnungen, Nichtannahme einer Beschäftigung; Unterlassung, sich der Fürsorge eines Patronats zu unterstellen (C. P. Art. 15)] zur Folge hat. Weder den Rückfälligen (C. P.- Art. 14) noch
82
s argentinische Strafrecht
denjenigen Verurteilten, deren bedingte Entlassung widerrufen wurde, w i r d sie gewährt, mit Ausnahme von denjenigen, die gem. A r t . 52 C. P. zu akzessorischer Zuchthausstrafe verurteilt sind. Diese Verurteilten können bedingt entlassen werden, obgleich sie rückfällig sind und die ihnen gewährte Entlassung widerrufen wurde (C. P. Art. 53 n. F.). 2. M a ßi r e g e l n d e r S i c h e r u n g
und
Besserung
L i t e r a t u r : Ricardo C. Nuiiez , La culpabilidad cit., cap. IV, § 7; Emilio C. Diaz , Internamiento de seguridad (Revista penai argentina (Bs.As., Bd. V I , ano 1926); Hernân A. Pesagno, E l egreso de los recluidos por alienación y la practica forense (R.d.p., 1945, 621); Nerio Rojas , La liberación en el internamiento del art. 34 del C.P. (R.d.p., 1948, 199); Julio Herrera, La delincuencia juvenil y los tribunales para nifios en el nuevo C.P. (El nuevo Código Penal, p. 99); Octavio Gonzalez Roura (h), La protección juridica de la infancia, Abeledo, Bs.As., 1939; José L. Araya, La doctrina y la jurisprudencia sobre inaplicabilidad de penas en los delitos cometidos por menores (L.L., 23, sec. doct., 80); José M. Nunez , El régimen juridico de los menores de edad (L.L., 64, 342); Romero Victorica-Santa Coloma , Los menores ante la ley penal (D.J.A., N. 2631, 30-XII-1945).
a) Internierung
von geisteskranken
und bewußtlosen
Tätern
Der Código penal ermächtigt den Richter, denjenigen, welcher i m geisteskranken Zustande ein Delikt begangen hat, solange in eine Irrenanstalt einzuweisen, bis keine Gefahr mehr besteht, daß er sich oder andere Personen schädigt (C. P. A r t . 34 Abs. I 1 1 ) . Wer i m Zustand der Bewußtlosigkeit eine Straftat verübt hat und als gefährlich für sich und andere zu betrachten ist, ist vom Richter in eine geeignete Anstalt einzuweisen. Der Anstaltaufenthalt dauert so lange, wie die gefährlichkeitsbegründenden Umstände vorliegen (C. P. Art. 34 Abs. I 1 1 1 ) . b) Unterbringung
von Jugendlichen
Der Minderjährige unter 14 Jahren, der eine Straftat begeht, kann bis zum 18. Lebensjahr i n einer Erziehungsanstalt untergebracht werden, wenn es gefährlich ist, ihn unter der Gewalt seiner Eltern, Vormünder oder Aufsichtspersonen zu lassen. Je nach dem Verhalten dieser Personen und der Führung des Minderjährigen selbst kann dieser vorzeitig entlassen werden. Bei Verderbtheit und Gefährlichkeit des Minderjährigen kann die Unterbringung bis zum 21. Lebensjahr verlängert werden (C. P. A r t . 36). Wer zwischen dem 14. und dem 18. Lebensjahr ein Delikt verübt, dessen Mindeststrafe eine bedingte Verurteilung zuläßt, kann in einer Erziehungsanstalt untergebracht werden, sofern es unangebracht oder gefährlich ist, ihn
Allgemeiner Teil des Strafrechts
33
unter der Gewalt seiner Eltern, Vormünder, Aufsichts- oder anderer Personen zu lassen. Das Gericht kann eine solche Unterbringung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Minderjährigen anordnen, eine vorzeitige Entlassung verfügen oder die Entlassung bis zur vorgesehenen Höchstdauer hinausschieben, falls die Einweisungsdauer geringer war und eine Verlängerung sich als notwendig erweist (C. P. A r t . 37 a). Dessen ungeachtet w i r d von einigen Gerichten die Möglichkeit der Auferlegung einer Strafe, neben oder wahlweise m i t einer Erziehungsmaßregel, nicht ausgeschlossen. Wenn die Tat eines 14—18jährigen Minderjährigen mit einer Strafe zu ahnden ist, die eine bedingte Verurteilung nicht zuläßt, kommen Erziehungsmaßnahmen nicht zur A n wendung. Das Gericht kann jedoch die Strafe nach den für die Bestrafung des Versuchs geltenden Grundsätzen mindern (C. P. Art. 37 b). Der Minderjährige unter 18 Jahren kann nicht für rückfällig erklärt werden (C. P. Art. 38). Bestritten ist, ob für die Rückfälligkeit der Erwachsenen die vor dem erwähnten Alter begangenen Verbrechen angerechnet werden dürfen. 3. W i e d e r g u t m a c h u n g d e s
Schadens
L i t e r a t u r : Eusebio Gómez, La reparación de los perjuicios en el Código Penal Argentino (R.d.p., 1947, 31); Ricardo C. Nunez, La acción civil para la reparación de los perjuicios en el proceso penal, Ed. Bibliogràfica Argentina, Bs.As., 1948.
Die Teilnehmer am Verbrechen (C.P. Art. 31; C.C. Art. 1081) haften den unmittelbar oder mittelbar Geschädigten solidarisch für die Wiedergutmachung des verursachten materiellen oder immateriellen Schadens (C.P. A r t . 29; C. C. Art. 1078, 1079). Die zivilrechtliche Klage auf Schadensersatz ist von der strafrechtlichen unabhängig (C. C. A r t . 1096). Falls das lokale Prozeßrecht es zuläßt, kann sie i m Strafprozeß erhoben werden. Gegenstand der Klage ist die Rückerstattung der durch das Verbrechen erlangten Sache, der Schadensersatz und die Zahlung der Kosten (C. P. A r t . 29). W i r d die Klage i m Strafprozeß erhoben, so ist bei Verurteilung ein nicht voll beweisbarer Schadensbetrag vom Richter angemessen festzusetzen (C. P. Art. 29). Die Zahlung des Schadensersatzes hat gegenüber der Geldstrafe und den vom Verurteilten nach der Tat eingegangenen Verpflichtungen den Vorrang (C. P. A r t . 30). Bei völliger oder teilweiser Zahlungsunfähigkeit ist bei dem zu Zuchthaus oder Gefängnis Verurteilten ein Teil seines Verdienstes aus Gefängnisarbeiten für die Tilgung des Schadensersatzes abzuführen (C.P. A r t . 11 u. 33 Abs. 1). Bei bedingt Entlassenen ist ein Teil ihres Arbeitseinkommens einzu3
Ausländisches Strafrecht
I.
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s argentinische Strafrecht
behalten, bei den zu anderen Strafen Verurteilten ein Teil ihrer Einkünfte und Nebeneinnahmen (C. P. A r t . 29 Abs. 4; 33 Abs. 2). 4. A n d e r e
Straffolgen
L i t e r a t u r : Alfredo Orgaz, Incapacidad civil de los penados, 2. Aufl., Imprenta de la Universidad, Cordoba, 1939; Juan Agustin Moyano, La incapacidad civil de los penados (R.p.y.p., 1938, 303).
Eine Zuchthaus- und eine Gefängnisstrafe von mehr als drei Jahren haben die absolute Unfähigkeit zur Bekleidung von Ämtern usw. (inhabilitación) für die Strafaauer zur Folge. Das Gericht kann sie je nach der A r t des Verbrechens bis zu drei Jahren verlängern. Solange die Strafe dauert, ist die elterliche Gewalt, Verwaltung und Verfügung inter vivos über das Vermögen entzogen. Der Sträfling w i r d der i m Código Civil für Minderjährige vorgesehenen Kuratel (C. P. Art. 12) unterstellt. I m Falle der bedingten Entlassung ist streitig, ob die erwähnten Rechtsverluste lediglich für die im Gefängnis verbrachte Zeit oder für die ganze Strafzeit eintreten.
Dritter
Abschnitt
Besonderer Teil des Strafrechts I. Die Straftaten und ihre Bestrafung 1. S t r a f t a t e n Straftaten
gegen wider
Personen
das Leben
L i t e r a t u r : José Peco, El homicidio en el Código Penal Argentino, Ed, Revista Juridica y Ciencias Sociales, Bs.As., 1936; id., El uxoricidio, Abeledo, Bs.As., 1929; Juan P. Ramos, Signifìcación del término emoción violenta en el homicidio (Rev. penal argentina, Bd. I, 156); Gerardo Pena Guzmàn; El delito de homicidio emocional, Miguel Violetto, Tucumân; Marcelo Finzi, En torno al homicidio en estado de emoción violenta (D.J.A., N. 3672, 5. I X . 1948); Luis Jiménez de Asùa, El aborto y su impunidad (L.L., 26, 987); Ernesto R. Gavier , Aborto imposible seguido de muerte (D.J.A., N. 2327, 1. I I I . 1945); Marcelo Finzi , El llamado aborto eugenètico (D.J.A., N. 2989, 23. X I I . 1946).
T o t s c h l a g (homicidio) Der vorsätzliche Totschlag ist ein einfacher, wenn das Gesetz keine besondere Strafe bestimmt (C.P. A r t . 79). Der Totschlag ist qualifiziert durch die verwandtschaftliche Beziehung des Täters zu seinem Opfer, das Motiv, das Begehungsmittel oder die Begehungsweise, ferner, wenn er begangen wird, um ein anderes Verbrechen zu verüben, dessen Straflosigkeit zu erlangen
Besonderer Teil des Strafrechts
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oder das Erlangte sich zu sichern oder sich für das Mißlingen einer anderen strafbaren Handlung zu rächen (C. P. Art. 80). Mildere Begehungsformen sind: der emotionale und der präterintentionale Totschlag [C.P. Art. 81 Abs. 1 a) und b)], die beide auch bei dem durch ein Verwandtschaftsverhältnis qualifizierten Totschlag mildernd wirken. Der Strafrahmen ist für ein solches qualifiziertes und zugleich milderes Delikt jedoch weiter als für den einfachen Totschlag (C. P. Art. 82). Eine mildere Form ist auch die Kindestötung, d. h. die Tötung eines Kindes durch die Mutter während oder unter dem Einfluß der Geburt, und die Tötung eines Kindes der Tochter, Schwester, Frau oder Mutter des Täters, die im entschuldbaren heftigen Zustand der Gemütserregung begangen wird, um die Entehrung der Gebärenden zu verheimlichen (C.P. Art. 81 Abs. 2). Die Tötung wird, mit erheblich gemilderter Strafe, als fahrlässige bestraft, wenn sie aus Unvorsichtigkeit, Nachlässigkeit, Unerfahrenheit oder Nichtbeachtung der vom Täter einzuhaltenden Vorschriften herbeigeführt w i r d (C. P. Art. 84). A n s t i f t u n g u n d B e i h i l f e z u m S e l b s t m o r d sind strafbar, wenn der Selbstmord versucht oder vollendet w i r d (C. P. Art. 83). Abtreibung: A m schärfsten bestraft w i r d die ohne Einwilligung der Frau ausgeführte Abtreibung; die Strafe w i r d um ein weiteres erhöht, wenn die Tat den Tod der Frau zur Folge hat (C. P. A r t . 85 Abs. 1). Der tödliche Ausgang w i r k t auch bei einer m i t Einwilligung der Frau ausgeführten Abtreibung straferschwerend (C. P. Art. 85 Abs. 2). Ärzte, Wundärzte, Hebammen oder Apotheker, die ihre Wissenschaft oder Kunst zu einer Abtreibung mißbrauchen oder zu deren Herbeiführung zusammenwirken, unterliegen der für die Fremdabtreibung vorgesehenen Strafe und außerdem der inhabilitación (C. P. Art. 86). Milder bestraft w i r d die Frau, die ihre eigene Leibesfrucht abtreibt oder i n deren Abtreibung einwilligt (C. P. Art. 88), ferner derjenige, welcher mit Gewalttätigkeiten, die nicht auf eine Abtreibung gerichtet waren, diese herbeiführt, obwohl der Zustand der Frau allgemein oder ihm bekannt war (C. P. Art. 87). Es ist nicht strafbar: 1. wenn mit Einwilligung der Schwangeren die Abtreibung von einem Arzt vorgenommen wird, um eine mit anderen Mitteln nicht zu beseitigende Gefahr für Leben oder Gesundheit der Mutter zu verhüten (C. P. Art. 86 Abs. 1); 2. die bei einer Blödsinnigen oder Geisteskranken, welche aus Vergewaltigung oder Schändung empfangen hat, durch einen Arzt mit Einwilligung des gesetzlichen 3*
36
s argentinische Strafrecht
Vertreters vorgenommene Abtreibung (C. P. A r t . 86 Abs. 2); 3. der Abtreibungsversuch der Schwangeren und ihres Mittäters (C. P. Art. 88). Körperverletzungen L i t e r a t u r : Nerîo Rojas, Lesiones, Buenos Aires, 1926.
Körperverletzung ist der einem anderen an dessen Körper oder Gesundheit zugefügte Schaden (C. P. A r t . 89). Gewisse Tatfolgen lassen die Verletzung als schwere erscheinen. Sie erhöhen die Strafe (C. P. A r t . 90), die bei schwersten Verletzungen noch weiter verschärft w i r d (Art. 91 C. P.). Sowohl bei den einfachen wie bei den qualifizierten Körperverletzungen gelten die gleichen strafschärfenden und strafmildernden Gründe wie beim Totschlag (Art. 92 und 93 i n Verbindung m i t A r t . 80 bzw. 81 Abs. 1 a C. P.). Die Körperverletzung ist aus den bei der fahrlässigen Tötung angeführten Gründen eine fahrlässige. Für die Tat findet, ohne Rücksicht auf die Schwere der Verletzung, der gleiche Strafrahmen Anwendung (C. P. Art. 94). Der Entwurf 1951 stellt die Schläge, die ohne Waffe ausgeführt werden, unter Strafe. Totschlag Literatur: (L.L., 35, 1120).
und Körperverletzungen
bei Schlägereien
Ricardo C. Nunez , Homicidio ο lésion en rina ο agresión
Bei Schlägereien oder Angriffen, an denen mehr als zwei Personen teilgenommen haben, sind, wenn Verletzungen oder der Tod die Folge waren und nicht feststeht, wer diese Folge verursacht hat, alle zu bestrafen, die Gewalt gegen das Opfer verübten. Von den drei hier vorgesehenen Strafrahmen ist der eine für leichte, der andere für schwere und schwerste Körperverletzungen und der dritte für Körperverletzungen m i t tödlichem Ausgang vorgesehen (C. P. Art. 95 u. 96). Der Entwurf 1951 bestraft als Schlägerei die Teilnahme an einem plötzlichen Angriff zwischen mehreren Personen (Art. 193), ohne den Erfolg, der nur zur Strafschärfung führt, zu berücksichtigen. Die verworrene Regelung des Código Penal w i r d damit verbessert. Waffenmi ßbrauch Literatur: (L.L., 52, 131).
Ricardo C. Nunez, Sobre el disparo de arma de fuego
Der Angriff mit jeglicher Waffe ist strafbar, auch wenn m i t ihr keine Körperverletzung verursacht wird. Die Strafe w i r d geschärft, wenn es sich um den Gebrauch einer Feuerwaffe handelt. W i r d durch den A n g r i f f eine leichte Körperverletzung (Art. 89 C. P.) verursacht, so ist lediglich die für diese vorgesehene Strafe aufzuerlegen. Hat der
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Teil des Strafrechts
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Angriff ein schwereres Delikt zur Folge, so ist die Anwendung des Art. 104 betr. Waffenmißbrauch ausgeschlossen. Die i n A r t . 80 aufgezählten erschwerenden Gründe beim Totschlag und der Milderungsgrund der heftigen Erregung gelten auch hier (C. P. Art. 105). Verlassen von Personen Bestraft w i r d das Verlassen einer Person unter zehn Jahren oder von Hilflosen, zu deren Unterhaltung oder Fürsorge man verpflichtet ist. Die Strafe w i r d geschärft, wenn das Verlassen eine schwere körperliche oder gesundheitliche Schädigung der verlassenen Person zur Folge hat; eine weitere Straferhöhung t r i t t bei Todesfolge ein (C. P. A r t . 106). Die für die einfachen und qualifizierten Tatbestände festgesetzten Strafen werden erhöht, wenn zwischen dem Täter und dem Opfer ein Verwandtschaftsverhältnis Vater — Sohn oder eine Ehe besteht (Art. 107 C. P.). Strafbar ist ferner, wer einen Minderjährigen unter zehn Jahren oder eine verletzte, invalide oder von irgendeiner Gefahr bedrohte Person i n verlassener und hilfloser Lage antrifft und es unterläßt, ihr die notwendige Hilfe zu gewähren, obwohl dies ohne eigene Gefahr möglich ist, oder wer der Behörde nicht sofort Nachricht gibt (Art. 108 C. P.). Straftaten
gegen die Ehre
L i t e r a t u r : Juan P. Ramos, Los delitos contra el honor, Jesùs Menéndez, Bs.As., 1939; José Peco, Delitos contra el honor (Revista Juridica de Ciencias Sociales, sep-oct., 1936); Emilio C. Diaz , Calumnia y desacato (R.p.y.p., 1937, 427); Enrique Ramos Mejia, La retractación en los delitos contra el honor (Estudios de derecho penal, Ed. Ideas, BsAs, 1947); Alfredo Molinarioy La retractación en los delitos contra el honor (R.d.p., 1946, 437).
Die Deliktstypen sind: 1. Verleumdung (calumnia) oder falsche A n schuldigung (falsa imputación) eines Delikts, das eine Strafklage nach sich zieht (C. P. Art. 109); 2. Beleidigung (injuria, deshonra, descrédito), die milder bestraft w i r d (Art. 110 C. P.); 3. die versteckte (zweideutige) Verleumdung oder Beleidigung, die mit der Mindeststrafe bis zur Hälfte der Strafe des einfachen Delikts zu ahnden ist, wenn der Täter sich weigert, i m Prozeß befriedigende Erklärungen zu geben (Art. 112 C. P.); 4. die Wiedergabe der Verleumdung oder Beleidigung durch einen anderen, die m i t den für diese Tatbestände vorgesehenen Strafen bedroht ist (Art. 113). Die vor Gericht erklärte Verleumdung oder falsche Anzeige stellt ein Delikt gegen die öffentliche Verwaltung dar (Ley Nr. 13.569 Art. 5). Calumnia und injuria sind Privatklagedelikte (C. P. A r t . 73 Abs. 2). Der Wahrheitsbeweis bei Verleumdung und Beleidigung ist nur zulässig, wenn die Tat die Verteidigung eines gegenwärtigen öffentlichen
38
s argentinische Strafrecht
Interesses zum Gegenstande und die dem Verletzten vorgeworfene Handlung einen Strafprozeß zur Folge hatte oder wenn der Verletzte den Wahrheitsbeweis verlangt (Art. 111). Bei erfolgreichem Wahrheitsbeweis bleibt der Beleidiger straffrei (ibidem); bei einer calumnia beseitigt der Wahrheitsbeweis deren Tatbestandsmäßigkeit. Straffrei bleiben die i m Rechtsstreit von den Parteien, Bevollmächtigten oder Verteidigern geäußerten Beleidigungen, sofern sie nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, unbeschadet der entsprechenden Ordnungsmaßregeln (C. P. Art. 115). Straffrei bleiben auch die vor oder bei Klageerhebung öffentlich zurückgenommenen Beleidigungen und Verleumdungen (Art. 117). Das Gericht ist befugt, bei wechselseitigen Beleidigungen einen oder beide Täter für straffrei zu erklären (Art. 116). Straftaten
gegen die Sittlichkeit
L i t e r a t u r : Carlos Fontân Balestra , Delitos sexuales, 2. Aufl., Depalma. Bs.As.; José Peco, Incongruencias del código penal en los delitos contra la honestidad (L.L., 6. sec. doct. 105)).
Ehebruch Ehebruch begeht die Ehefrau, die freiwillig mit einem Mann, der nicht ihr Ehemann ist, den Beischlaf ausübt. Der Begriff w i r d von einigen Autoren auf den widernatürlichen Geschlechtsverkehr dieser Personen ausgedehnt. Ehebruch begeht der Ehemann, der sich eine Beischläferin in der ehelichen Wohnung oder außerhalb derselben hält. Strafbar sind der Mittäter der Frau und die Beischläferin des Mannes (C.P. Art. 118). Die Straftat ist ein Privatklagedelikt (Art. 73 Abs. 1), dessen Verfolgung die Ehescheidung voraussetzt (Art. 74). Notzucht und Schändung L i t e r a t u r : José Peco, El delito de violación (L.L., 5, sec. doct., 42); José M . Nunez, El concurso de dos personas en la violación (L.L., 34, 1073); id., Violación y estupro fraudulento (L.L. 60, 148); Marcelo Finzi, Violación alevosa (Revista juridica de Cordoba, 1947, 363).
Notzucht ist der Geschlechtsverkehr m i t einer Person anderen Geschlechts, die jünger als zwölf Jahre oder ohne Verstand und Urteilskraft ist oder keinen Widerstand leisten kann, sowie der m i t Gewalt oder Einschüchterung erlangte Geschlechtsverkehr (C.P. Art. 119). Der einfache Geschlechtsverkehr mit einer ledigen 12- bis 15jährigen Frau oder mit einer verheirateten Frau, der man sich durch Täuschung als Ehegatte ausgibt, stellt eine Schändung (estupro) dar (Art. 120 u. 121). Notzucht und Schändung werden qualifiziert: durch die verursachte schwere Schädigung der Gesundheit des Opfers, durch ein Verwandtschafts-, Erziehungs- oder Aufsichtsverhältnis zwischen Täter und
e n e r
Teil des Strafrechts
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Opfer und durch das Zusammenwirken von zwei oder mehreren Personen bei der Tatbegehung (C. P. A r t . 122 u. 123). Ein weiterer Erschwerungsgrund dieser Verbrechen ist der Tod der verletzten Person (Art. 124). Prostitution und sittliche Verderbnis L i t e r a t u r : Alfredo Molinario, Homosexualism© y corrupción de menores (R.d.p., 1945, 283); Ernesto Ure, La corrupción de menores en el derecho penal argentino (R.d.p., 1945, 519); Enrique Ramos Mejia, Algunas observaciones en torno al art. 125 del C. Penai (Estudios de derecho penai, Ed.Ideas, Bs.As., 1947); Manuel Lopez Rey, Notas en torno a la corrupción de menores (J. Α., 1946 — I I I , 673); Luis Jiménez de Asùa, j Puede facilitarse la prostitución omisivamente? (L.L. 57, 630).
Strafbar ist, wer aus Gewinnsucht oder zur Befriedigung eigener oder fremder Begierden die Prostitution ( = Geschlechtsverkehr mit jedem, der solchen begehrt) oder die Korruption (Verderbnis des Geschlechtstriebs) einer männlichen oder weiblichen Person unter 22 Jahren fördert oder erleichtert. Die Strafe w i r d verschärft, wenn es sich um einen Minderjährigen unter 18 Jahren gehandelt hat. Eine weitere Strafschärfung t r i t t ein, wenn das Opfer noch keine zwölf Jahre alt war (C. P. Art. 125 Ziff. 1). Ohne Rücksicht auf das Alter des Minderjährigen t r i t t eine noch schwerere Bestrafung als i n den vorstehenden Fällen ein, wenn die Tat durch Täuschung, Gewalt, Drohung, Autoritätsmißbrauch oder irgendein anderes Einschüchterungsoder Zwangsmittel begangen ist, oder wenn der Täter Verwandter aufsteigender Linie, Ehegatte, Bruder, Vormund, Erziehungs- oder Aufsichtsperson war oder mit der verletzten Person in Ehegemeinschaft lebte (Art. 125 Abs. 2). War das Opfer volljährig, so ist ein Delikt gegeben, wenn der Täter durch Täuschung, Gewalt, Drohung, Autoritätsmißbrauch oder irgendein Zwangsmittel die Tat verwirklicht hat (Art. 126). Verletzung des Schamgefühls L i t e r a t u r : José Peco, Abuso deshonesto (L.L., 5, sec. doct., 42); Ernesto Ure, La tutela penal del pudor pùblico (L.L., 11. X I I . 1951).
Die vom Geschlechtsverkehr verschiedene sexuelle Handlung, die an einer weiblichen oder männlichen Person unter den für die Notzucht geforderten Bedingungen (Art. 119 Abs. 1 u. 2) oder mit den dort angeführten M i t t e l n ausgeführt wird, ist eine unzüchtige Handlung (abuso deshonesto) (C. P. Art. 127). Das Delikt ist qualifiziert, wenn der Täter ein Verwandter auf- und absteigender Linie, ein i n gerader Linie Verschwägerter, ein Bruder, Priester, Erzieher oder eine Aufsichtsperson des Opfers ist (C. P. A r t . 127 Abs. 2). Strafbar ist die Veröffentlichung, Herstellung und Reproduktion von unzüchtigen Büchern, Schriften, Abbildungen und Gegenständen,
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s argentinische Strafrecht
ferner deren Ausstellung, Verteilung und Weitergabe (C. P. A r t . 128). Dies bedeutet eine Ausnahme von der Vorschrift des A r t . 49, wonach derjenige straffrei ist, der Hilfe zur Veröffentlichung, Verbreitung oder zum Verkauf der Schrift oder des Stiches leistet. Strafbar sind auch die unzüchtigen Ausstellungen an öffentlichen oder an privaten, dem Publikum zugänglichen Orten (Art. 129). Frauenraub Frauenraub begeht, wer i n unzüchtiger Absicht eine Frau durch Gewalt, Einschüchterung oder Täuschung entführt oder zurückhält. Erschwerend ist es, wenn die Frau verheiratet ist (C. P. A r t . 130). Die Entführung von Minderjährigen von 12 bis 15 Jahren m i t deren W i l len w i r d milder bestraft (C. P. A r t . 131 Abs. 1). Schwerer geahndet w i r d jedoch die m i t oder ohne Einwilligung verübte Entführung einer Minderjährigen unter zwölf Jahren (Art. 131, Abs. 2). Strafverfolgung Die Strafverfolgung der Notzucht, der Schändung, des Frauenraubs und der Verletzung des Schamgefühls w i r d von Amts wegen durchgeführt. Ihre Einleitung ist jedoch von dem Antrag des Verletzten, bei dessen Unfähigkeit vom Antrag seines Vormunds, seines gesetzlichen Vertreters oder seiner Aufsichtsperson abhängig. Die öffentliche Klage kann von Amts wegen erhoben werden, wenn die Tat den Tod oder sehr schwere Verletzungen (Art. 91) der verletzten Person zur Folge hatte, oder wenn sie gegen einen Minderjährigen, der weder Eltern, Vormund noch eine Aufsichtsperson hatte, begangen wurde (C.P. A r t . 72). Teilnahme Verwandten auf- und absteigender Linie, Verschwägerten gerader Linie, Geschwistern und Personen, die unter Mißbrauch ihrer Autorität, ihrer Stellung oder eines Vertrauensverhältnisses zur Begehung der i n diesem Abschnitt enthaltenen Straftaten zusammenwirken, w i r d die für die Täter vorgesehene Strafe auferlegt (C. P. A r t . 133). Strafaufhebungsgrund Lite de los Gómez, sponde
r a t u r : Enrique Diaz de Guijarro, E l matrimonio corno reparación delitos contra la honestidad (J.A., 69, sec. doct., 13); Julio Ojeda La exención de penal establecida por el art. 132 del C.P. no correa los participes (L.L., 1027).
Der Täter einer an einer ledigen Frau verübten Notzucht, Schändung, eines Frauenraubs oder einer unzüchtigen Handlung ist nicht strafbar, wenn er die Verletzte heiratet (C. P. A r t . 132). Der Befreiungsgrund erstreckt sich auch auf die Teilnehmer (bestritten).
e n e r
Teil des Strafrechts
2. S t r a f t a t e n g e g e n d e n Gesetzwidrige
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Personenstand
Eheschließungen
L i t e r a t u r : Lorenzo Camelli, , | Es un delito instantâneo la bigamia? (L.L., 13. V. 1938).
Strafbar machen sich diejenigen, welche eine Ehe schließen, obwohl sie wissen, daß ein Hinderungsgrund vorliegt, der die absolute Nichtigkeit der Ehe herbeiführt (C.P. A r t . 134; Ley Matrimonio Civil A r t . 9 u. 84). Hat einer der Eheschließenden diesen Grund dem anderen verheimlicht, so w i r k t dies für seine Tat erschwerend (C. P. A r t . 35 Abs. 1). Der für diese Tat vorgesehenen Strafe unterliegt ferner, wer durch Betrug gegenüber einer Person eine Eheschließung mit i h r vortäuscht (C. P. Art. 135 Abs. 2). Strafbar ist der Beamte, der wissentlich eine solche Eheschließung vornimmt. Die i h m drohende Strafe entspricht der für das betreffende Delikt vorgesehenen (C. P. Art. 136, Abs. 1). Seine Strafe ist geringer, wenn er die Eheschließung unwissentlich vorgenommen und seine Unkenntnis darauf beruht, daß er die vom Gesetz für die Eheschließung vorgeschriebenen Erfordernisse nicht beachtet hat (C. P. A r t . 136 Abs. 2). Strafbar ist ferner derjenige Beamte, welcher, ohne eines der erwähnten Delikte zu begehen, eine Eheschließung vornimmt, ohne alle vom Gesetz geforderten Förmlichkeiten beachtet zu haben (C. P. Art. 136 Abs. 3). Eine strafbare Handlung begeht der gesetzliche Vertreter einer unmündigen Person, der seine Zustimmung zu deren Eheschließung erteilt (C. P. Art. 137). Unterdrückung und Fälschung des Personenstandes Verbrecherisch ist jede mit Benachteiligungsabsicht vorgenommene Handlung, die den Personenstand eines anderen unterdrückt, verändert oder ungewiß werden läßt (C. P. Art. 138). Eine erschwerte Form dieses Delikts stellt die Tat einer Frau dar, die eine Schwangerschaft oder eine Geburt vortäuscht, um ihrem angeblichen Sohn nichtzustehende Rechte zu verschaffen. Der gleichen Strafe wie die Frau unterliegen der Arzt und die Hebamme, die zur Ausführung dieses Delikts m i t w i r k e n (C. P. A r t . 139 Abs. 1). Ein qualifiziertes Delikt begeht auch derjenige, welcher durch Aussetzung, Verheimlichung oder irgendeine andere Handlung den Personenstand eines Minderjährigen unter zehn Jahren unterdrückt, verändert oder ungewiß werden läßt (C. P. A r t . 139 Abs. 2). 3. S t r a f t a t e n Straftaten
gegen die
gegen die persönliche
Freiheit Freiheit
L i t e r a t u r : Sebastiân Soler, Algunos errores en los delitos contra la libertad (R.d.p., 1945, 271).
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s argentinische Strafrecht
Die schwerste Deliktsform begeht, wer eine andere Person in Knechtschaft oder in einen ähnlichen Zustand führt oder hält (C. P. Art. 140). Sehr viel milder w i r d die Beraubung der persönlichen Freiheit bestraft (C. P. Art. 141). Bei ihr w i r k t erschwerend: die Anwendung von Gewalt oder Drohungen, ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Täter und Opfer, eine schwere Schädigung des Körpers, der Gesundheit oder des Erwerbs des Verletzten, die Vortäuschung von Amtsgewalt oder eines behördlichen Befehls bei der Tatbegehung, die mehr als einmonatige Dauer der Freiheitsberaubung (C. P. A r t . 142). C. P. A r t . 143 stellt eine Reihe von rechtswidrigen Freiheitsentziehungsdelikten unter Strafe, die unter Mißbrauch der Amtsgewalt verübt werden. Erschwerend w i r k t auch hier das Hinzutreten einer der i n Art. 142 aufgeführten Umstände. Zu diesem Kapitel zählt auch: 1. die Entführung einer Person aus dem Staatsgebiet, die zu dem Zwecke erfolgt, sie rechtswidrig der Gewalt anderer zu unterwerfen oder für eine ausländische Wehrmacht anzuwerben (C. P. A r t . 145); 2. die Entziehung eines Minderjährigen unter zehn Jahren aus der Gewalt seiner Eltern oder Aufsichtspersonen sowie seine Nichtrückführung (C.P. Art. 147); 3. die Anstiftung eines Minderjährigen von 10 bis 15 Jahren zur Flucht (C. P. Art. 148) und 4. das Verbergen eines Minderjährigen unter 15 Jahren (C. P. A r t . 149). Hausfriedensbruch L i t e r a t u r : Leonidas Anastasi , Violación de domicilio en concurrencia con otros delitos (J.A., 12, 211); Carlos Fontân Balestra-Alberto Bayala , La voluntad presunta de exclusion en el delito de violación de domicilio (L.L., 48, 159).
Hausfriedensbruch liegt vor, wenn jemand gegen den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Berechtigten in eine fremde Wohnung, ein fremdes Haus, dessen Nebenräume oder bewohnten eingefriedeten Raum eindringt (C. P. A r t . 150). Der Tatbestand w i r d durch eine dabei verwirklichte schwere Straftat ausgeschlossen. Hausfriedensbruch ist auch das rechtswidrige Eindringen von Beamten oder öffentlichen Bediensteten (C.P. A r t . 151). Beide Delikte sind gerechtfertigt, wenn sie zur Verhütung eines schweren Übels, zur Erfüllung einer Pflicht der Menschlichkeit oder zur Hilfe der Justiz begangen werden (C. P. Art. 152). Verletzung
von Geheimnissen
L i t e r a t u r : Alfredo Molinario, El secreto profesional de quienes ejercen el arte de curar y la obligación de denunciar delitos (Rev. de derecho procesai, Bs.As., 1944, 398.
Strafbar ist, wer fremde Briefschaften eröffnet, sich ihrer bemächtigt oder sie abhandenkommen läßt. Strafschärfend w i r k t die Mitteilung
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Teil des Strafrechts
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oder Veröffentlichung ihres Inhalts (C. P. Art. 153). Noch schwerer geahndet w i r d die von einem Post- oder Telegraphenbediensteten unter Mißbrauch seines Dienstes begangene Verletzung oder Unterdrückung von Briefschaften (Art. 154). Strafbar ist auch die ungebührliche Veröffentlichung einer nicht dazu bestimmten Korrespondenz, die geeignet ist, Dritten Nachteile zu verursachen (Art. 155), die Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 156) und die Verbreitung des Inhalts von Verhandlungen und Verfahren, die von Gesetzes wegen geheimzuhalten sind (Art. 157). Die vorgenannten Straftaten sind, mit Ausnahme der i n Art. 154 erwähnten, i m Wege der Privatklage zu verfolgen (C. P. Art. 73 Abs. 3). Straftaten
gegen die Arbeits-
und Koalitionsfreiheit
L i t e r a t u r : Roberto Goldschmidt, La teoria de la competencia desleal y la justicia preventiva (Hacienda comercìal y competencia desleal, I m prenta de la Universidad, Cordoba, 1950); Erwin Rosenbuch, El delito de competencia desleal reprimido por el art. 159 del C.P. (J.A., 1942, I I . 72).
Strafbar ist: der Arbeiter, der andere m i t Gewalt zu einem Streik oder Boykott zwingt; der Arbeitgeber, Unternehmer oder Angestellte, der andere aussperrt oder zum Ein- oder Austritt aus einer Arbeitgeber- oder Arbeitnehmervereinigung zwingt (C. P. Art. 158). Das Decreto-Ley Nr. 576 über Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates bestraft die Herbeiführung oder Fortsetzung eines Streikes. Unlauteren Wettbewerb begeht der Kaufmann oder Industrielle, der mit hinterlistigen Machenschaften, gehässigen Verdächtigungen oder irgendeinem unlauteren Reklamemittel danach strebt, zu seinem Vorteil die Kundschaft eines kaufmännischen oder industriellen Betriebs abzuziehen (C. P. Art. 159). Straftaten
gegen die Versammlungsfreiheit
Strafbar ist nur die Hinderung oder Störung einer erlaubten Versammlung durch Beschimpfungen oder Drohungen gegen den Redner oder den Veranstalter (C. P. Art. 160). Straftaten
gegen die Pressefreiheit
Der einzige Tatbestand ist die Verhinderung oder Störung der freien Verbreitung eines Buches oder einer Zeitung (C. P. Art. 161). 4. S t r a f t a t e n
g e g e n das
Vermögen
L i t e r a t u r : Ricardo C. Nuriez, Delitos contra la propiedad. (Editorial Bibliogràfica Argentina, Buenos Aires, 1951.)
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s argentinische Strafrecht
Diebstahl L i t e r a t u r : Lorenzo Camelli, El delito de hurto y sus afines (L.L., 24, 305); id., El hurto de uso en la doctrina y en la legislación, Bs.As., 1937; Enrique Ramos Mejia, El hurto de uso (Estudios de derecho penal, Ed. Ideas, Bs.As., 1947); Rafael Garcia Zavalia, El apoderamiento en el delito de hurto (L.L., 52, 761); Ricardo C. Nunez, La reforma del art. 162 del C.P., L.L. 50, 1135); José Peco, Imperfecciones técnicas del inc. 2 del art. 163 del C.P. (L.L., 54, 905).
Der einfache Tatbestand besteht i n der rechtswidrigen Inbesitznahme (apoderamiento) einer ganz oder teilweise fremden, beweglichen Sache (C. P. Art. 162). Der Begriff „apoderamiento" erfordert, daß die Entziehung der Sache i n der Absicht geschieht, sich ihrer zu bemächtigen (bestr.). Nach A r t . 162 ist nicht strafbar, wer etwas an sich bringt, was keine Sache darstellt, wie die elektrische Energie (bestr.). Straflos ist ferner der bloße Gebrauch der Sache ohne „apoderamiento", strafbar dagegen „apoderamiento" zum Gebrauch m i t späterer Rückgabe. Straferschwerend beim Diebstahl können wirken (Art. 163 C. P.): das Objekt, der Tatort (Vieh, getrennte Früchte, auf dem Felde stehengelassene Maschinen oder Arbeitsgeräte); die Zweckbestimmung der Sache (Metalldraht und anderes Einfriedungsmaterial) ; die Umstände (Diebstahl bei Unglücksfällen); das M i t t e l (Gebrauch falscher Schlüssel); die Begehungsweise (Einsteigen). Raub (robo) L i t e r a t u r : Enrique Ramos Mejia, Fuerza en las cosas en el delito de robo (Estudios a.a.O.); Marcelo Finzi, La "banda" corno agravante del robo y del dano (J.A., 1944, I V . 423). Über Art. 165 C.P. siehe die Arbeiten von Jiménez de Asùa (Rev. de derecho y ciencias sociales (Cordoba), V I . Jg., Nr. X V I I , S. 3); Ricardo Ν . Nunez (L.L., 50, 1135); Juan; F. Gonzalez (L.L., 32, 1010); Ramos Mejia (Estudios a.a.O.).
Die diebische Besitznahme w i r d zum Raub, wenn körperliche Gewalt gegen Menschen oder Sachen angewandt wird, um die Tat zu verüben, zu erleichtern oder um straflos auszugehen (C. P. A r t . 164). Erscheinungsformen der körperlichen Gewalt sind die Drohung mit Waffen (bestritten), die Anwendung von Hypnose und narkotischen M i t t e l n (C.P. Art. 78). Strafschärfend w i r k t es, wenn der Raub die Tötung des Opfers zur Folge hat (C. P. Art. 165). Weniger straferschwerend beim Raub wirken dabei begangene schwere oder schwerste Körperverletzungen oder die Ausführung der Tat durch eine Bande am unbewohnten Ort (C. P. A r t . 166). Noch weniger erschwerend ist es, wenn die Tat m i t Waffen an unbewohntem Ort, bandenmäßig an
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b e w o h n t e m O r t , d u r c h A u f - oder E i n b r e c h e n e i n e r W o h n u n g oder d e r e n u n m i t t e l b a r e N e b e n r ä u m e begangen w i r d , oder w e n n i r g e n d einer der qualifizierenden Umstände des D i e b s t a h l s hinzutritt ( C . P . A r t . 167). Erpressung
(extorsion)
Sie besteht i n d e r E r l a n g u n g eines f ü r d e n a n d e r e n n a c h t e i l i g e n V e r m ö g e n s v o r t e i l s d u r c h A u s ü b u n g psychischen Z w a n g s . D i e Schädig u n g k a n n Sachen, G e l d , O b l i g a t i o n s p a p i e r e oder P a p i e r e m i t i r g e n d w e l c h e r R e c h t s w i r k u n g z u m Gegenstande haben. Z w a n g s m i t t e l s i n d d i e E i n s c h ü c h t e r u n g , d i e V o r t ä u s c h u n g v o n A m t s g e w a l t oder eines b e h ö r d l i c h e n Befehls ( A r t . 168), D r o h u n g e n m i t e h r e n r ü h r i g e n B e s c h u l d i g u n g e n ( A r t . 169), die Z u r ü c k h a l t u n g v o n G e i ß e l n ( A r t . 170) u n d die E n t w e n d u n g v o n L e i c h n a m e n ( A r t . 171). Betrug
(estafa) und
andere
Defraudationen
L i t e r a t u r : Moyano-DVlpostino, Diferencia entre estafa y defraudaciòn (Rev. del Colegio de Abogados [Bs.As.], 1933); Rafael Gracia Zavalia, El engano en el delito de estafa (J.A., 45, sec. doct., 26) id., La mendeciaded fraudulenta y el delito de estafa (R.p.y.p., 1938, 309); Ricardo C. Nunez , Iniusta petitio, falsedad ideològica y estafa procesai (L.L., 18. I X . 1951); Ernesto Ure, El delito de apropiación indebida, Ed. Ideas, Bs.As., 1943; id., El delito del art. 173, inc. 9. C.P. (L.L., 10, 126); id., La culpabilidad en el delito de apropiación indebida (R.p.y.p. 1942, 253); id., Estafa y apropiación de cosa perdida (J.A., 65, sec. doct., 129); id., El perjuicio en el delito de estafa (J.A., 68, sec. doct., 105); id., El engano en el delito de venta de cosa ajena (L.L., 14, sec. doct., 42); Juan P. Ramos, El delito de estafa (R.p.y.p., 1937, 239); Enrique Ramos Mejia , Defraudaciòn mediante uso de documentos ialsos (Estudios cit.); id., Abuso fraudulento de firma en bianco (Estudios cit.); id., Momento consumativo y competencia territorial en el delito de apropiación indebida (Estudios cit.); id., La conducta punible en el delito de apropiación indebida (Estudios cit.); José Peco, Imperfecciones técnicas del ine. 2 del art. 173 (L.L., 55, 886); Manuel Lopez Rey, Consideraciones sobre la venta a un tercero no encubridor, de la cosa hurtada (J.A., 1946, I V , 623); Eusebio Gómez, La venta de humo (R.d.p., 1949, 215); id., Apropiación de cosa encontrada (R.d.p., 1947, 91); id., Venta de cosa gravada con prenda agraria (R.d.p., 1945, 2 sec., 135); Alfredo Orgaz , La venta ο influenza de humo (L.L., 58, 363); Carlos P. Sagarna , Prenda irregular y defraudaciòn (R.d.p. 1946, 127); Isidoro De Benedetti , El delito de circunvención de incapaces (Mundo forense, I I , sec. doct., 1); id., Abuso de firma en bianco (Re. de Ciencias juridicas y sociales (Universidad del Litoral), 1944, N. 41, p. 156). D i e H a n d l u n g besteht i n der A n w e n d u n g v o n L i s t o d e r T ä u s c h u n g ( C . P . A r t . 172). N e b e n d e m a l l g e m e i n e n T a t b e s t a n d der „ e s t a f a " w e r d e n v o m Gesetz folgende H a n d l u n g e n als F ä l l e d e r D e f r a u d a t i o n angeführt: 1. B e t r u g h i n s i c h t l i c h d e r Substanz, d e r Q u a l i t ä t oder v o n z u l i e f e r n d e n Sachen;
Quantität
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s argentinische Strafrecht
2. die unberechtigte Zurückbehaltung eines empfangenen Gegenstandes, zu dessen Rückgabe der Täter verpflichtet ist; 3. die Täuschung, durch die eine Unterzeichnung von Urkunden bewirkt wird; 4. der Mißbrauch einer Blankounterschrift; 5. die Entziehung einer beweglichen Sache aus der Gewalt des rechtmäßigen Besitzers; 6. die Ausstellung einer falschen Quittung oder der Abschluß eines Scheinvertrages zum Nachteil eines anderen; 7. die betrügerische Abrechnung und Kostenaufstellung seitens des Kommissionärs, Kapitäns oder Beauftragten; 8. die Defraudation mittels Verheimlichung oder Verstümmelung einer Urkunde; 9. der Verkauf oder die Belastung von fremden oder belasteten Vermögensgegenständen als eigene bzw. unbelastete; 10. die Defraudation mittels Vorwandes angeblicher Belohnung von Richtern oder öffentlichen Beamten. Straf erschwerende Formen der Defraudation (C. P. A r t . 174) sind diejenigen Fälle, die begangen werden: 1. durch Brandstiftung oder Zerstörung einer versicherten oder verbodmeten Sache; 2. durch Ausnützung der Unerfahrenheit eines Minderjährigen oder Geschäftsunfähigen; 3. durch falsche Maße oder Gewichte; 4. zum Nachteil der öffentlichen Verwaltung; 5. durch Betrug m i t Baumaterialien. Leichtere Formen als die einfache „estafa" sind die i n Art. 175 C.P. vorgesehenen Taten, nämlich 1. die Fund- oder Schatzunterschlagung; 2. die Unterschlagung einer durch I r r t u m oder Zufall erlangten Sache; 3. der Verkauf, die Aneignung oder die Verfügung über eine als Pfand erhaltene Sache; 4. das Fordern oder Annehmen eines Schecks oder Wechsels zur Sicherstellung einer nicht fälligen Schuld. Siehe weiter unten die Ley Nr. 12.962, durch welche das Decreto Nr. 15.348/46 bestätigt wurde, das eine Reihe von Zuwiderhandlungen gegen die „Ley de Prenda con Registro" (Gesetz über das Registerpfandrecht) i n den Código Penal einfügte. Bankerotteure
und andere strafbare
Schuldner
L i t e r a t u r : Carlos C. Malagarriga, La quiebra en el código de comercio y en el código penal (R.d.p., 1946, 269); Marcelo Finzi, Quiebra
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Teil des Strafrechts
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culpable y relación de causalidad, Imprenta de la Universidad, Cordoba, 1944; Roberto Durrieu , Participación en el delito de quiebra (D.J.A., 5. X. 1945); Alberto y Alfredo Farhi , La calificación de la quiebra y la acción penai, Bs.As., Abeledo, 1941; Antonio Ucha , Las sanciones en la quiebra, Santa Fé, 1941.
Die Tatbestände sind: betrügerischer Bankrott (C.P. Art. 176); verschuldeter Bankrott (C.P. A r t . 177); betrügerischer Bankrott von Gesellschaften und juristischen Personen (C. P. Art. 178) und Kollusion durch Vergleich, Übereinkommen oder Transaktionen (Art. 180). Die Bestimmungen des Código de Comercio (Handelsgesetzbuchs) über betrügerischen und verschuldeten Bankrott gelten lediglich für die wirtschaftliche Seite der Tat. Die Erklärung des Bankrotts oder Konkurses durch den Handels- oder Zivilrichter ist jedoch eine unerläßliche Bedingung für die Existenz dieser Verbrechenstatbestände. Widerrechtliche
Besitzergreifung
(usurpación)
L i t e r a t u r : Hernân Pessagno, El delito de usurpación (D.J.A., Nr. 4197, 14. IV. 1950).
Strafbar ist: die mit Gewalt, durch Fälschung oder Vertrauensbruch begangene Entwendung des Besitzes oder der Innehabung einer unbeweglichen Sache oder eines dinglichen Rechts (C. P. A r t . 181 Abs. 1); die Zerstörung oder Veränderung der Grenze einer unbeweglichen Sache zum Zweck der teilweisen oder gänzlichen Besitzergreifung (Abs. 2); die Störung des Besitzes an einer unbeweglichen Sache durch Gewalt oder Drohung (Abs. 3). Fälle der Usurpation von Wasser sind: die unrechtmäßige Entnahme von Wasser aus Reservoirs, Flüssen, Bächen, Quellen, Kanälen oder Wasserleitungen i n Benachteiligungsabsicht; die Störung eines anderen i n der Ausübung von Rechten, die dieser am Wasser hat (Abs. 2); das rechtswidrige, i n Benachteiligungsabsicht begangene Stauen, Ableiten oder Einbehalten von Fluß-, Bach- oder Quellwasser oder die Anmaßung eines fremden Rechts am Lauf des Wassers (Abs. 3). Straferschwerend w i r k t es, wenn Deiche, Wehre, Schleusen oder ähnliche Werke zerstört oder beeinträchtigt werden. Sachbeschädigungen L i t e r a t u r : Enrique Ramos Mejia n El dolo en el delito de dano (J.Α., 1948-11-695); Julio Ojeda Gómez, Los „bienes de uso pùblico" a que se refiere el art. 184, inc. 5, del C.P. (J.A., 948-III, sec. doct., 64); José Manuel Nunez , El dano ejecutado en signos commemorativos (L.L., 55, 122).
Strafbar ist die absichtlich begangene Sachbeschädigung, die durch Zerstörung, Unbrauchbarmachung, Verschwindenlassen oder auf
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Argentinisches Straf recht
irgendeine andere Weise an ganz oder teilweise fremden, beweglichen oder imbeweglichen Sachen oder Tieren ausgeführt wird, sofern die Tat nicht ein anderweitig schwerer zu bestrafendes Delikt darstellt (C. P. 183). Strafschärfend wirken bei der Sachbeschädigung (C. P. A r t . 184): 1. der vom Täter verfolgte Zweck (Verhinderung der freien Sachgewalt oder Rache); 2. das M i t t e l (Infizierung von Haustieren, Anwendung giftiger oder ätzender Substanzen); 3. der Ort und die Begehungsweise (unbewohnte Gegend, Begehung durch Bande); 4. das Objekt (Gegenstände des öffentlichen Gebrauchs oder Kunstgegenstände, die an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Gebäuden aufgestellt sind). Strafaufhebungsgrund Von strafrechtlicher Verantwortlichkeit, unbeschadet der zivilrechtlichen, sind bei gegenseitig verübtem Diebstahl, Betrug oder Sachbeschädigung befreit: die Ehegatten, Verwandte auf- und absteigender Linie und Verschwägerte gerader Linie, der verwitwete Ehegatte i n bezug auf die dem verstorbenen Ehegatten gehörigen Sachen, sofern sie noch nicht auf einen anderen übergegangen sind, die zusammenlebenden Geschwister und Schwäger (C. P. Art. 185). Die Strafbefreiung w i r k t nicht zugunsten außenstehender Teilnehmer. 5. S t r a f t a t e n
gegen
Brandstiftungen
die
öffentliche
und andere
Sicherheit
Verwüstungen
Strafbar sind: 1. die Brandstiftung, das Sprengstoff verbrechen und die Überschwemmung, die eine Gemeingefahr für Sachen herbeiführen (C.P. Art. 186 Abs. 1); 2. die Brandstiftung und die Zerstörung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen (Abs. 2) und 3. die Verwüstung (estrago) (Art. 187). Strafschärfend w i r k t bei diesen Delikten die Gefahr für gewisse öffentliche Gegenstände oder für das Leben einer Person. A m schwersten ist die Tat, wenn sie die unmittelbare Ursache für den Tod eines Menschen gewesen ist. Strafbar ist auch die Herbeiführung einer Katastrophe und die Verhinderung ihrer Abwehr durch Zerstörung der betreffenden Anlagen und Materialien (C. P. Art. 188).
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Teil des Strafrechts
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Strafbar ist die fahrlässige Verursachung eines Brandes oder einer Verwüstung, die schwerer geahndet wird, wenn die schuldhafte Handlung oder Unterlassung eine Lebensgefahr oder den Tod eines Menschen herbeigeführt hat (C. P. Art. 189). Straftaten
gegen die Sicherheit
von Verkehrs-
und
Transportmitteln
L i t e r a t u r : Atilio Malvagni, Delitos contra la seguridad de los medios de transporte y communicación (L.L. 60, 29); Mariano Tissembaum, El conflicto ferroviario frente al C. Penal (L.L., 29, 688); Eusebio Gómez, Interrupción y entorpecimiento de las communicaciones telefónicas (R.d.p., 1948, 2 sec., 5).
Bestraft werden die Unbrauchbarmachung und Zerstörung von Landoder Wasserverkehrswegen oder -anlagen und die Störung der zu ihrer Sicherheit dienenden Einrichtungen (C. P. Art. 190; Ley 13.893 A r t . 86 b). Erschwerend wirken bei diesen Delikten die Gefährdung und der Tod eines Menschen (Abs. 4). Strafbar ist die Anwendung irgendeines Mittels, um die Fahrt eines Zuges zu verhindern oder zu verzögern oder um den Zug zum Entgleisen zu bringen (C. P. Art. 191 Abs. 1). Die Strafe w i r d progressiv erhöht, wenn eine Entgleisung oder ein anderer Unfall eintritt (Abs. 2) oder wenn infolge des Unfalls ein Mensch verletzt (Abs. 3) oder getötet (Abs. 4) wird. A r t . 193 C. P. bedroht denjenigen mit Strafe, der Gegenstände gegen einen in Fahrt befindlichen Zug wirft, sofern keine schwerer zu bestrafende Tat vorliegt. Die Ley 13.893 Art. 98 c) dehnt die in den Art. 191 und 193 C. P. bestimmten Strafen auf Anschläge gegen irgendein in Fahrt befindliches oder haltendes Fahrzeug aus. Strafbar sind ferner: 1. Handlungen, die auf eine Gefährdung eines Schiffes oder Schiffbauwerks oder auf die Verhinderung oder Verzögerung der Schiffahrt gerichtet sind; eine progressive Strafschärfung t r i t t ein, wenn die Havarie oder Strandung, die Verletzung oder der Tod eines Menschen verursacht w i r d (C.P. Art. 194); 2. das unzeitgemäße Verlassen des Dienstes auf einem Zug oder einem Schiff (C.P. Art. 195); 3. die Betriebsunterbrechung von Eisenbahn-Telegrafen oder -Telefonen (C. P. Art. 192) und die Unterbrechung oder gewaltsame Verhinderung der Wiederherstellung der telegrafischen oder telefonischen Verbindungen (C. P. A r t . 197; Decreto-ley 536 A r t . 38). Dieses Dekret stellt auch die Delikte gegen die Sicherheit des Luftverkehrs unter Strafe. 4
Ausländisches Strafrecht
I.
s argentinische Strafrecht
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Seeräuberei Seeräuberei werden bestraft (C.P. A r t . 198): die unerlaubten Plünderungs- oder Gewaltakte; der Mißbrauch des Kaperbriefs; die Inbesitznahme eines Schiffes oder die Überwältigung der Besatzung durch Betrug oder Gewalt gegen den Schiffskommandanten ; 4. die Auslieferung eines Schiffes, seiner Besatzung oder Ladung an Seeräuber; 5. die Ausstattung eines Schiffes für die Seeräuberei; 6. der gewaltsame Widerstand gegen denjenigen, welcher das Schiff gegen Seeräuberei verteidigt; 7. die Hilfeleistung und der Handel eines i n der Republik A n sässigen m i t Seeräubern; 8. die Fahrt des Kommandanten eines bewaffneten Schiffes mit zwei oder mehreren Kaperbriefen verschiedener Mächte. Die Strafe w i r d verschärft, wenn die feindseligen oder gewalttätigen Handlungen den Tod einer auf dem angegriffenen Schiff befindlichen Person zur Folge hat (C. P. A r t . 199). Als 1. 2. 3.
Straftaten
gegen die öffentliche
Gesundheit
L i t e r a t u r : Isidoro De Benedetti y Francisco Laplaza, El problema de los venenos sociales y su regulación juridica, Bs.As., 1933; E. Gonzâlez Patino , Represión de la toxicomania (Cuadernos forenses, Nos. 11 y 12, Bs.As., 1938); Nerio Rojas y Luis Cattaneo , Ledislación y jurisprudencia argentina sobre toxicomania (Archivos de medicina legal, Bs.As., Nov./Dez. 1938).
Die einzelnen Deliktstatbestände sind: Vergiftung oder Verfälschung von Trinkwasser, Lebensmitteln oder Medikamenten (C. P. A r t . 200), der Verkauf derselben (Art. 201), die Verbreitung einer gefährlichen und ansteckenden Krankheit (Art. 202), der Verkauf und der Besitz von Alkaloiden (Art. 204, geändert durch die Leyes Nr. 11 309 und 11331), die Verletzung gesundheitspolizeilicher Maßnahmen (Art. 205, geändert durch Ley 11331), die Verletzung veterinärpolizeilicher Maßnahmen (Art. 206) und die gesetzwidrige Ausübung der Heilkunst (Art. 208). Die i n A r t . 200 angeführte Tat unterliegt einer Strafschärfung, wenn sie den Tod eines Menschen zur Folge gehabt hat. Dieses Delikt und die i n den A r t . 201 und 202 erwähnten sind auch bei fahrlässiger Begehung strafbar. Straftaten
gegen die öffentliche
Ordnung
L i t e r a t u r : Alfredo Molinario, El bien juridico garantizado con la incriminación de los delitos contra el orden pùblico ο la paz pùblica (Rev.
Besonderer Teil des Strafrechts
61
de derecho, jurisprudencia y admìnistración [Montevideo], 1948, Ν. 12 y 1949, Ν . 1); Leonidas Anastasi, El acuerdo de voluntad entre los asociados corno requisito para que exista asoc'iación ilicita (J.A., 35, 9).
Strafbar ist: die öffentliche Anstiftung zur Begehung eines bestimmten Delikts (C. P. A r t . 209), die unerlaubte Verbindung oder Bande von drei oder mehr Personen zur Begehung von Delikten (Art. 210), die Einschüchterung der Öffentlichkeit, die den Gebrauch von Bomben und Explosivstoffen einschließt (C. P. A r t . 211), der inländische oder internationale Handel mit Explosivstoffen, Waffen und Munition, die Verbreitung von Methoden zur Verursachung von Bränden oder Verwüstungen und die Verbreitung von M i t t e l n zur Beschädigung von Maschinen oder zur Herbeiführung von Fabrikationsschäden (C.P. Art. 212, geändert durch Ley Nr. 13 945 Art. 35) und die Apologie von Verbrechen (C. P. A r t . 213). 6. S t r a f t a t e n
gegen die nationale
Sicherheit
Verrat Verrat liegt vor, wenn jemand die Waffen gegen das Vaterland oder gegen seinen Verbündeten i n einem Krieg gegen einen gemeinsamen Feind ergreift oder sich den Feinden anschließt oder ihnen Hilfe und Unterstützung leistet (C. P. Art. 214 und 218; Ley Nr. 13.985 A r t . 1; C. N. A r t . 33). Strafschärfend wirken Handlungen, die darauf gerichtet sind, die Nation oder ihren Verbündeten fremder Herrschaft zu unterwerfen, ihre Unabhängigkeit zu schmälern (C. P. Art. 215 Abs. 1 und 218) oder eine ausländische Macht zu veranlassen oder zu bestimmen, Krieg gegen die Republik oder ihren Allierten zu führen (C. P. Art. 215 Abs. 2, 218 und Decreto-ley 536 Art. 12 und 13). Strafbar ist ferner die Konspiration zur Begehung eines Verrats (C. P. A r t . 216). Wer die Konspiration enthüllt, bevor ein Verfahren eingeleitet ist (Art. 217), bleibt straffrei. Straftaten,
die den Frieden und das Ansehen der Nation gefährden
Strafbar sind: 1. Die feindseligen, von der Nationalregierung nicht gebilligten Handlungen, die für die Nation die Gefahr einer Kriegserklärung herbeiführen, die Bewohner Bedrückung und Repressalien an Leib und Gut aussetzen oder die freundschaftlichen Beziehungen der argentinischen Regierung zu einer ausländischen Regierung beeinträchtigen. Der Ausbruch eines Krieges w i r k t strafschärfend (C. P. A r t . 219). 2. Die Veröffentlichung oder Verbreitung von Erklärungen, die die Neutralität der Nation gegenüber den i m Krieg befindlichen Mächten 4·
s argentinische Strafrecht
oder die freundschaftlichen Beziehungen zu fremden Ländern gefährden (Ley Nr. 13 569, Art. 3). 3. Die Veröffentlichung oder Verbreitung von Lehren oder Manifesten, die darauf abzielen, die nationale Souveränität durch eine fremdländische zu ersetzen, die Regierung zu stürzen oder an die Stelle der verfassungsmäßigen Freiheit eine Gewaltherrschaft zu setzen (Ley Nr. 13 569, A r t . 3). 4. Die Verletzung der m i t ausländischen Staaten geschlossenen Verträge, eines zwischen der Republik und einer ausländischen Macht und zwischen ihren Land- oder Seestreitkräften vereinbarten Waffenstillstandes und der ordnungsgemäß ausgestellten Geleitbriefe (C. P. A r t . 220). 5. Die Verletzung der diplomatischen Immunität (C. P. A r t . 221). 6. Die Verletzung der den Diplomaten erteilten Anweisungen (C. P. A r t . 225). Die Enthüllung politischer oder militärischer Geheimnisse (C. P. A r t . 222 und 223) und die Spionage (Art. 224) sind außerdem durch die Ley Nr. 13 985 über Spionage und Sabotage, Art. 2, 4 und 10 erfaßt (siehe ferner: Cuarta Sección, leyes seguridad del Estado). Straftaten gegen die öffentliche Gewalt und die verfassungsmäßige Ordnung L i t e r a t u r : Eusebio Gómez, Delincuencia politico-social, Bs.As. 1933; Francisco de Veya, Delito politico (Archivos de psyquiatria y criminologia (Bs.As., 1906, p. 513).
Sie umfassen: 1. den bewaffneten Aufstand gegen die Verfassung oder die Regierung mit dem Ziele, sie zu ändern, zu stürzen, ihr Maßnahmen oder Zugeständnisse abzufordern oder die Ausübung ihrer Befugnisse, deren Entstehung und Erneuerung zu verhindern (C. P. A r t . 226); 2. die vom Kongreß bzw. dem lokalen Gesetzgebungsprogramm zugunsten der nationalen oder provinziellen Exekutive vorgenommene Einräumung von außerordentlichen Befugnissen unbeschränkter staatlicher Gewalt, Unterwerfung, Oberherrschaft, die das Leben, die Ehe oder die Wohlfahrt der Argentinier der Gewalt irgendeiner Regierung oder Person ausliefern (C. N. Art. 20; C. P. Art. 227); 3. die gesetzwidrige Ausführung von Konzilienbeschlüssen oder päpstlichen Bullen, Breven und Reskripten (C. P. Art. 228). Sedición (Aufruhr) Als Sedición ist strafbar: die Bewaffnung einer Provinz gegen eine andere, der Aufstand gegen die Behörden der Provinzen oder Nationalterritorien mit der i n A r t . 226 erwähnten Zielsetzung (C. P. Art. 229);
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die Anmaßung von dem Volke zustehenden Rechten oder die Petition i m Namen des Volkes seitens einer bewaffneten Macht oder einer Versammlung (C. N. Art. 14; C.P. Art. 230 Abs. 1) und der Aufstand zur Verhinderung der Ausführung von Gesetzen oder Verfügungen der Beamten (C. P. Art. 230, Abs. 2). 7. S t r a f t a t e n
gegen die ö f f e n t l i c h e
Verwaltung
L i t e r a t u r : Emilio Diaz , Protección penal de la administración publica (R.p.y.p., 1940, 509).
Beamtennötigung
(atentado)
und Widerstand
gegen die Staatsgewalt
L i t e r a t u r : Lorenzo Camelli , El atentado y resistencia a la autoridad (L.L., 20, 558); Diego de Juicàzar , El delito de resistencia a la autoridad (J.A., 31, 327).
Die Einschüchterung oder Gewalt gegen einen Beamten oder jemanden, der diesem rechtmäßig Beistand leistet, stellt eine Beamtennötigung dar, wenn der Täter damit die Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung bezweckt (C. P. A r t . 237). Straferschwerend ist die Tatbegehung mit Waffen, durch eine Ansammlung von mehr als drei Personen oder durch einen Beamten oder wenn der Täter gewalttätig gegen die Behörde vorgeht (C. P. A r t . 278). L e i c h t e F o r m e n d e r N ö t i g u n g s i n d : die Störung der Ordnung i n den Sitzungen der gesetzgebenden Versammlungen, i n den Gerichtssitzungen oder überall, wo eine Behörde ihre Tätigkeit ausübt (C. P. A r t . 241 Abs. 1), und die Hinderung oder Störung eines Beamten bei der Vornahme einer Amtshandlung, soweit die Tat keine Beamtennötigung gem. Art. 237 darstellt (C. P. Art. 241 Abs. 2). Strafbar ist, wer einem Beamten i n der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes oder einer auf seine Aufforderung Hilfe leistenden oder gesetzlich dazu verpflichteten Person den Gehorsam verweigert oder Widerstand leistet; strafbar sind auch die Zeugen, Dolmetscher oder Sachverständigen, die nicht erscheinen oder ihre Erklärungen oder Ausführungen verweigern (C. P. A r t . 243). Bestraft w i r d ferner der Beamte, der bei der Festnahme oder in einem Verfahren gegen ein Mitglied der nationalen oder provinziellen Behörden, einer verfassunggebenden Versammlung oder eines Wahlkomitees nicht die von den diesbezüglichen Gesetzen und Verfassungen vorgeschriebenen Formen beachtet (C. P. Art. 242). Beamtenbeleidigung
(desacato)
L i t e r a t u r : José Peco, Desacato, Bs.As., 1937; Lorenzo Camelli, El elemento intencional en el delito de desacato (L.L., 8, 982); Sebastian Soler, Injuria y desacato (La Prensa Bs.As., 21. V I I I . 1947); id., Desacato a distancia y desacato por la prensa (ibidem, 26. V I I I . 1947); Enrique Ramos
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Mejia, Calumnia, injuria y desacato (J.A., 77, 949); Emilio Diaz , Calumnia y desacato (R.p.y.p., 1937, 427).
Art. 244 C. P. behandelt die Beleidigung, Herausforderung, Bedrohung und Kränkung eines Beamten wegen oder während seiner Amtsausübung. Diese Vorschrift wurde durch A r t . 4 der Ley 13.569 (vom 24. Oktober 1949) geändert. Strafschärfend w i r k t es, wenn der Verletzte der Präsident, Vizepräsident, ein Gouverneur, Minister, Richter oder Mitglied der Legislative ist. Die e x c e p t i o v e r i t a t i s ist hier unzulässig. Gegen die durch die Presse begangenen Beamtenbeleidigungen, deren Aburteilung (entgegen der Vorschrift des A r t . 23 der Nationalverfassung) den Nationalgerichten zugewiesen ist, hat die Ley 13.569 sehr scharfe Grundsätze über die Verantwortlichkeit des Verlegers und Direktors aufgestellt. Dieses Gesetz (Art. 5), das den A r t . 245 des C. P. abänderte, hat dem Kapitel „Beamtenbeleidigung" (desacato) den Tatbestand der falschen Anzeige (denuncia falsa) eingefügt, obwohl diese mit ersterer nichts gemein hat. Amtsanmaßung
und Anmaßung
von Titeln und Würden
Amtsanmaßung begeht, wer öffentliche Funktionen ohne Rechtsgrund oder Ernennung (C. P. A r t . 246 Abs. 1) oder unbefugt einen erloschenen Auftrag oder Dienst weiter ausübt (C. P. Art. 246 Abs. 2) oder i h m nicht zustehende Amtshandlungen vornimmt (Abs. 3). Art. 247 bedroht unbefugten Gebrauch von Abzeichen und unbefugtes Führen akademischer Grade, Berufstitel und Würden m i t Strafe. Sondergesetze stellen den unbefugten Gebrauch der Titel „mèdico de hospital" (Ley 12.262), „Doktor der Wirtschaftswissenschaften", „öffentlicher Buchführer" (contador publico), „ A k t u a r " (actuario) (Decreto 5103/45, Art. 10, bestätigt durch Ley 12.921) und „mèdico veterinario" (Ley 14.072 A r t . 10) unter Strafe. Amtsmißbrauch
und
Amtspflichtverletzung
Amtsmißbrauch begeht derjenige Beamte, welcher Entscheidungen oder Befehle erläßt oder vollzieht, die gegen Verfassung und Gesetze verstoßen, oder Gesetze, deren Erfüllung ihm obliegt, nicht ausführt (C.P. A r t . 248). Seine Amtspflichten verletzt derjenige Beamte, der gesetzwidrig die Vornahme einer Amtshandlung unterläßt, verweigert oder verzögert (C. P. Art. 249), die von den Zivilbehörden rechtmäßig begehrte Hilfe unterläßt oder verzögert (C. P. A r t . 250), die Streitkräfte gegen die Ausführung von rechtmäßigen Verfügungen und Befehlen der Behörde oder von Urteilen und Gerichtsbeschlüssen anfordert (Art. 251),
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den Amtsposten zum Schaden des öffentlichen Dienstes vor Annahme der Amts versagung verläßt (Art. 252) oder jemanden für ein öffentliches A m t vorschlägt oder ernennt, dem die gesetzlichen Voraussetzungen dazu fehlen. Strafbar ist auch derjenige, welcher unter diesen Umständen das A m t annimmt (Art. 253). Verletzung
von Siegeln und Urkunden
M i t Strafe bedroht ist die vorsätzliche oder fahrlässige Verletzimg von Siegeln, die von der Behörde zur Aufbewahrung oder Kenntlichmachung einer Sache angelegt sind (C. P. A r t . 254). Strafbar ist ferner die Entwendung, Verheimlichung, Zerstörung oder Unbrauchbarmachung von Beweisgegenständen, Registern oder Urkunden, die einem Beamten oder einer dritten Person i m öffentlichen Interesse anvertraut sind. Auch die fahrlässige Begehung dieses Delikts ist unter Strafe gestellt (C. P. A r t . 255). Bestechung Einer Bestechung macht sich derjenige Beamte schuldig, der für eine auf sein A m t bezügliche Handlung oder Unterlassung ein Geschenk oder ein Versprechen annimmt (C. P. Art. 256), ferner der Richter, der für die Erlassung oder Verzögerung einer Entscheidung, die seiner Zuständigkeit unterliegt, ein Versprechen oder ein Geschenk annimmt. I n beiden Fällen ist der Schenker strafbar (C. P. A r t . 258), ebenfalls der Beamte, der für eine i n sein A m t einschlagende Handlung sich Geschenke gewähren läßt (Art. 259). Veruntreuung
und Unterschlagung
öffentlicher
Gelder
L i t e r a t u r : Leonidas Anastasi, Caracteristicas del delito de malversación de caudales pùblïcos, antecedentes del art. 261 del C.P. (L.L., 4, 988).
Strafbar macht sich der Beamte, der die von ihm verwalteten öffentlichen Gelder für andere als die vorgesehenen Zwecke verwendet (C. P. A r t . 260) oder öffentliche Vermögenswerte, die er i n amtlicher Eigenschaft empfangen hat, verwaltet, verwahrt, entwendet (Art. 261) oder durch Fahrlässigkeit die Entwendung durch einen anderen ermöglicht (Art. 262). Den gleichen Vorschriften sind unterworfen die Verwalter und Kustoden von Vermögensgegenständen der öffentlichen Unterrichts- und Wohlfahrtsanstalten, die Verwalter und Verwahrer von Vermögensgegenständen, die durch die zuständige Behörde beschlagnahmt, sequestriert oder i n Verwahrung gegeben sind (Art. 263). Strafbar ist auch der Beamte, der ungerechtfertigt eine Auszahlung verzögert oder trotz behördlichen Ersuchens sich weigert, von i h m verwahrte oder verwaltete Gegenstände herauszugeben (Art. 264).
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Geschäfte, die mit der Ausübung eines öffentlichen unvereinbar sind
Amtes
Eine strafbare Handlung begeht der Beamte, der unmittelbar oder durch eine vorgeschobene Person oder durch ein Scheingeschäft an einem Geschäft oder Vertrag, mit dem er auf Grund seines Amtes in Berührung kommt, teilnimmt (C. P. Art. 265). Diese Strafvorschrift ist auch anzuwenden auf Sachverständige und private Buchführer bezüglich der Vermögensgegenstände, bei deren Schätzung, Teilung oder Zuschlag sie mitgewirkt haben, und auf Vormünder, Pfleger, Testamentsvollstrecker und Konkursverwalter bezüglich des Mündel-, Pflegschafts-, Nachlaß- oder Konkursvermögens. Ungesetzliche
Abgabenerhebung
Eine strafbare Handlung verübt der Beamte, der unter Mißbrauch seines Amtes unberechtigt für sich oder eine vorgeschobene Person ein Geschenk fordert, eine Abgabe zahlen oder ein Recht übertragen läßt (C.P. A r t . 266). Strafschärfend ist bei diesem Delikt die Einschüchterung, das Ersuchen um Autorisation (Art. 267) oder die Verwendung der erhobenen Abgabe zu eigenem oder fremdem Vorteil (Art. 268). Rechtsbeugung und Parteiverrat Ein Richter begeht Rechtsbeugung, wenn er wissentlich eine gesetzwidrige Entscheidung erläßt oder dieselbe auf falsche Tatsachen oder Entscheidungen gründet (C. P. A r t . 269 Abs. 1). Erschwerend für das Delikt ist es, wenn es sich um ein Straf urteil handelt (Abs. 2). Einer Rechtsbeugung macht sich auch der Richter schuldig, der eine für ein Delikt unzulässige Untersuchungshaft anordnet oder sie über die dem Delikt entsprechende Strafe hinaus verlängert (Art. 270). Die Bestimmung des Abs. 1 des A r t . 269 findet auch auf Schiedsrichter Anwendung (Art. 269 Abs. 3). Rechtsanwälte, Prozeßbevollmächtigte, Staatsanwälte, Beisitzer und Beamte, die vor Behörden ihr Gutachten zu geben haben, begehen Prävarikation, wenn sie i m gleichen Verfahren beide Parteien verteidigen oder vertreten oder i n irgendeiner anderen Weise der ihnen anvertrauten Rechtssache schaden (C. P. Art. 271 u. 272). Rechtsverweigerung
und -Verzögerung
Strafbar ist der Richter, der unter dem Vorwande, das Gesetz sei unklar, unzureichend oder schweige, das Recht verweigert oder bösw i l l i g zögert, jemandem Gerechtigkeit angedeihen zu lassen, nachdem er von den Parteien nach Ablauf der gesetzlichen Fristen darum ersucht worden ist (C. P. Art. 273). Strafbar ist auch der Beamte, der
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unter Verletzung seiner Amtspflicht die Verfolgung und Bekämpfung von Verbrechen unterläßt (C. P. Art. 274). Falsche Aussage L i t e r a t u r : Ricardo Levene (h), El delito de falso testimonio, Bs.As., 1943; Lorenzo Camelli , El dolo en el falso testimonio (J. Α., 53, 788); id Configura el delito de falso testimonio la negativa u ocultación de una calidad determinada por parte del testigo al contestar sobre las generales de la ley? (L.L., 10, 43); Julio Ojeda Gomez, El falso testimonio corno delito continuado (D.J.A., N. 3657, 21. X. 1948).
Einer falschen Aussage macht sich der Zeuge, Sachverständige oder Dolmetscher schuldig, der i n seiner Aussage, seinem Gutachten oder seiner Übersetzung vor der zuständigen Behörde eine falsche Tatsache behauptet oder die Wahrheit ganz oder teilweise verschweigt oder verweigert. Straferschwerend w i r k t es, wenn die Tat i n einer Strafsache zum Nachteil der Angeklagten (C. P. A r t . 270) oder infolge Bestechung begangen wird, wobei auch derjenige, der bestochen hat, bestraft w i r d (Art. 276). Hehlerei und Begünstigung (encubrimiento) L i t e r a t u r : Lorenzo Camelli , El delito de encubrimiento (J.A., 58, sec. doct., 65); Rafael Garcia Zavalia, Autonomia del delito de encubrimiento (R.d.p., 1945, 139); Ernesto Gavier, El presupuesto fundamental del delito de encubrimiento (R.d.p., 1947, 333); Marcelo Finzi, El dolo del delito de encubrimiento previsto en el art. 277, inc. 3, del C. Penal (D.J.A., Ν . 2573, 2. X I . 1945); José Peco, Imperfecciones técnicas en materia de encubrimiento (R.d.p., 1948, 181).
Der Código Penai hat, indem er das „encubrimiento" zum selbständigen Tatbestand der Teilnahme erhob, die Regelung des Código 1886 verbessert. Die verschiedenen Formen des „encubrimiento" setzen voraus, daß die Handlung einem Delikt nachfolgt und nicht die Erfüllung eines vor der Vortat gegebenen Versprechens darstellt. Das Delikt begeht, wer 1. den Verbrecher verbirgt oder ihm seine Flucht erleichtert, damit er sich der Bestrafung entziehen kann; 2. das Verschwinden von Spuren oder Beweismitteln des Verbrechens bewirkt; 3. die entwendeten Gegenstände aufbewahrt, verbirgt, einkauft, verkauft, tauscht oder zum Pfände nimmt; 4. sich der zwecks Ergreifung des Verbrechers durchgeführten Haussuchung widersetzt; 5. gewohnheitsmäßig Verbrecher aufnimmt oder gewohnheitsmäßig ihre Waffen oder Wertsachen verbirgt; 6. die Übermittlung von Nachrichten über die Begehung eines
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Verbrechens an die Behörde unterläßt, obwohl er oder dienstlich dazu verpflichtet ist (C. P. Art. 277).
beruflich
Von Strafe befreit sind die Verwandten und Verschwägerten aufund absteigender Linie, die Geschwister, Ehegatten und die bis zum 2. Grad i n der Seitenlinie Verschwägerten, sofern sie das „encubrimiento" ohne Belohnung oder Teilnahme am Verbrechenserlös begangen haben. Bei Delikten gegen die Person sind auch die engsten Freunde und diejenigen, die vom Täter vor der Tatausführung große Gaben erhalten haben, nicht zu bestrafen (C P. A r t . 278 u. 279). Entweichen
von Gefangenen (evasion)
L i t e r a t u r : Enrique Diaz de Guijarro, La tentativa en el delito de evasion (D.J.A., 22. I. 1946); José M . Nunez , El dolor moral corno causa determinante de la evasion (L.L., 49, 553).
„Evasion" begeht der rechtmäßig Verhaftete, der sich durch A n wendung von Gewalt gegen Personen oder Sachen befreit (C. P. Art. 280). Strafbar ist auch, wer das Entweichen eines Verhafteten oder Verurteilten begünstigt. Die fahrlässige Begünstigung ist nur strafbar, wenn der Täter ein öffentlicher Beamter ist (Art. 281).
8. S t r a f t a t e n
gegen den ö f f e n t l i c h e n
Fälschung von Münzen, Banknoten,
Inhaber-
Glauben
und Kreditpapieren
L i t e r a t u r : Rafael Garcia Zavalia, Falsifìcación de cheque equiparada a la moneda (L.L., 50, 343); Luis Garcia H errera, Estampillas de correoFalsificación-Ley aplicable (G.F., 33, 65).
Strafbar ist es, Metallgeld, das gesetzlichen Kurs i n der Republik hat, nachzumachen (C. P. A r t . 282), zu verringern, zu verändern (Art. 283), das nachgemachte, verringerte oder veränderte auszugeben oder i n Verkehr zu bringen (Art. 282 u. 283), auch wenn man es in gutem Glauben empfangen hat, die Handlung jedoch i n Kenntnis der Unechtheit vornimmt (Art. 284). Den Münzen sind hier gleichgestellt: die m i t gesetzlicher Ermächtigung emittierten Banknoten, Schuldpapiere des Staates, der Provinzen und Städte und die dazugehörigen Zinsscheine, die von den Banken oder Gesellschaften m i t gesetzlicher Ermächtigung emittierten Inhaberpapiere und die Schecks (Art. 285). Streitig ist, ob mit den Schecks nur staatliche oder auch private Schecks gemeint sind. Die wohl am meisten zutreffende Ansicht geht dahin, die letzten auszuschließen. Die Gleichstellung, die A r t . 285 vornimmt, bezieht sich m. E. auf die Straftat und nicht nur auf die Strafe, wie die überwiegende Meinung annimmt.
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Milder bestraft wird: die Fälschung, Verringerung und Veränderung von ausländischen Münzen ohne gesetzlichen Kurs i n der Republik und von ausländischen Banknoten, öffentlichen Schuldpapieren, Inhaber- und Kreditpapieren (C. P. A r t . 286). Bestrafung hat auch der Beamte und der Direktor oder Verwalter einer Bank oder Gesellschaft zu gewärtigen, der Metallgeld m i t geringerem als dem gesetzlichen Gewicht oder Banknoten und Inhaberpapiere über die genehmigte Anzahl hinaus anfertigt oder ausgibt oder ihre Herstellung oder Emission genehmigt (C. P. A r t . 287). Fälschung
von Stempelmarken
L i t e r a t u r : Rafael Garcia Zavalia, inutilizados (C.P., 290) (R.d.p., 1948, 99).
und Zeichen
Restauración y uso de valores
A r t . 288 C. P. bedroht m i t Strafe: die Fälschung von amtlichen Stempelmarken, Stempelpapier, Briefoder Telegramm-Marken oder anderen gestempelten Wertzeichen, deren Ausgabe der Behörde vorbehalten ist oder die zur Entrichtung von Steuern, Abgaben und Gebühren bestimmt sind. Nach Art. 289 C. P. Abs. 1, 2 u. 4, und Art. 37 der Ley über den Besitz von Waffen und Sprengstoffen ist strafbar: die Fälschung von Marken, Zeichen oder Firmierungen, die auf öffentlichen Ä m t e r n oder von Beamten verwendet werden, um Maße oder Gewichte zu eichen oder Gegenstände zu identifizieren; die Fälschung von Stempeln, Marken und Zeichen privater Unternehmen, deren Verwendung für gewisse Arbeiten oder A r t i k e l gesetzlich vorgeschrieben ist; die Fälschung, Veränderung oder Unterdrückung der Numerierung, Marken oder Zeichen, die von der Behörde auf den vom Gesetz bezeichneten Waffen und Angriffsmitteln angebracht sind, ferner der öffentliche Gebrauch oder Besitz derselben. Strafbar ist auch die Anbringung der vorerwähnten Stempel, Marken und Zeichen auf Gegenständen, Werken und Artikeln, auf denen sie nicht anzubringen sind (C. P. A r t . 289 Abs. 3), ebenfalls die Wiederherstellung dieser Stempel, Marken und Zeichen (C. P. Art. 290 Abs. 1) sowie deren wissentlich vorgenommener Verkauf oder Gebrauch (Abs. 2). Urkundenfälschung L i t e r a t u r : Lorenzo Camelli , i El per juicio en la falsificación de documento privado es una condicìón objetiva de punibilidad? (R.d.p., 1945, 563).
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Strafbar ist die Fälschung und Verfälschung von öffentlichen oder privaten Urkunden. Betrifft die Tat private Urkunden, so ist die Strafe geringer (C. P. Art. 292). Hinsichtlich der Strafe stehen den öffentlichen Urkunden gleich: eigenhändige oder verschlossene Testamente, Wechsel und indossable oder auf den Inhaber lautende, dem Geld jedoch nicht gleichstehende Papiere (Art. 297; s. A r t . 285). Strafbar ist auch die intellektuelle Fälschung einer öffentlichen Urkunde (Falschbeurkundung) (Art. 293) sowie die Urkundenunterdrückung und -Vernichtung (Art. 294), ferner das unrichtige schriftliche Zeugnis eines Arztes über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Verletzung oder Krankheit (C. P. A r t . 295). Der Gebrauch einer falschen oder verfälschten Urkunde oder Bescheinigung steht der Täterschaft gleich (Art. 296). Bei sämtlichen Deliktstatbeständen w i r d verlangt, daß die Möglichkeit eines Nachteils besteht. Die Herstellung, Einführung oder Aufbewahrung von Gegenständen und Werkzeugen ist strafbar, wenn dem Täter bekannt ist, daß sie zur Ausführung der vorstehend aufgeführten Fälschungsdelikte bestimmt sind. Die Herstellung,
Einführung oder Aufbewahrung gegenständen
ist strafbar, wenn der Täter die verbrecherische dieser Gegenstände kennt. Kommerzieller
und industrieller
von FälschungsZweckbestimmung
Betrug
L i t e r a t u r : Alfredo Molinario , Alcance de las disposiciones del art. 301 del C. Penal (Ciencias juridicas y sociales, ano V I I I , t. V I I , N.6 p. 219); Hernân Pessagno, Los fraudes al comercio y a la industria, Ed. Ideas, Bs.As., 1944; Ignacio Winizky. Responsabilidad penai de las personas juridicas extranjeras, Depalma, Bs.As., 1951.
M i t Strafe bedroht ist: die Agiotage (C. P. Art. 300 Abs. 1); das betrügerische Anbieten von Staatspapieren oder Aktien und Obligationen von Gesellschaften (Abs. 2); die Veröffentlichung und Genehmigung falscher Bilanzen (Abs. 3) und die Verletzung von Satzungen (Art. 301). Zahlung mit ungedeckten Schecks Strafbar ist die Hingabe eines ungedeckten Schecks zu Zahlungsoder anderen Zwecken, wenn die Girierung ohne Deckung nicht genehmigt ist und der Scheck nicht binnen 24 Stunden nach erhobenem Protest eingelöst wird. Stellt die Tat jedoch eine „estafa" (Betrug) dar, so ist sie nur als solche zu ahnden (C. P. A r t . 302).
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9. S t r a f r e c h t l i c h e N e b e n - u n d E r g ä n z u n g s g e s e t z e Militärstrafrecht Urheberrecht L i t e r a t u r : Mouchet-Radaelli, Delitos contra los derechos intelectuales, Abeledo, Bs.As., 1935; id., Las sanciones penales en la ley 11.723 de régimen de la propiedad intelectual (L.L., 34, 430); Instituto Argentino de Derecho Intelectual, Estudios sobre las sanciones penales y la protección de los dibujos y modelos industriales en la ley 11.723, Bs.As., 1943.
Das geistige Eigentum, von der Nationalverfassung garantiert (Art. 26), ist geregelt und strafrechtlich geschützt durch Ley Nr. 111 (vom 11. Oktober 1864) betr. Erfindungspatente, Ley Nr. 3975 (vom 23. November 1900) betr. Warenzeichen von Fabriken, Handel und Landwirtschaft, und Ley Nr. 11.723 (vom 26. September 1933) betr. das wissenschaftliche, literarische und künstlerische Eigentum. Bekämpfung
der Monopole
L i t e r a t u r : Juan P. Ramos, La ley penal Nr. 11.210 (Revista del Centro Argentino de Estudiantes de Derecho, ano IV, N. 5, nov. 1937); Luis Jiménez de Asùa, El valor forense de la tipicidad y la interpretación de la ley 11.210 (El criminalista, Bs.As., Ed. La Ley, T. I I ) ; Arturo Bas, Los monopolios punibles ante la ley 11.210, Bs.As., 1934.
Die Ley Nr. 12.906 vom 12. Dezember 1946, die die Ley Nr. 11.210 vom 28. August 1923 aufhob, bestraft: die Teilnahme an Konsortien, Vereinbarungen, Koalitionen, Zusammenschlüssen oder Verschmelzungen von Kapitalien, die darauf gerichtet sind, ein gewinnbringendes Monopol i n einem oder mehreren Produktionszweigen der Industrie, des Handels oder des Transports im gesamten Staatsgebiet oder in einem Teil desselben zu errichten oder aufrechtzuerhalten (Art. 1). Als Monopolhandlungen oder auf eine Monopolisierung gerichtete Handlungen werden ferner eine Reihe von Taten angesehen, die i n Art. 2 bezeichnet ist. Das Gesetz sieht eine Gefängnisstrafe von einem bis zu sechs Jahren und eine Geldstrafe von 2000 bis 1 M i l l i o n Pesos vor, die bei Rückfälligen nebeneinander auferlegt und in Kriegszeiten verdoppelt werden können. Für die Geldstrafe haften das Gesellschaftsvermögen und die schuldigen Einzelpersonen, die die Gesellschaft vertreten oder bilden, solidarisch. Eine bedingte Verurteilung ist unzulässig. Das Gesetz sieht außerdem eine Reihe ergänzender Sanktionen vor und erklärt die straftilgende W i r k u n g der Zahlung der Höchstgeldstrafe für unanwendbar. Die Frist für die Strafverfolgungsverjährung, die wie für die Strafvollstreckung sechs Jahre beträgt, w i r d durch Einleitung des Strafverfahrens unterbrochen.
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Gesetz betr.
Geschlechtskrankheiten
L i t e r a t u r : A f talion- Landaburu (h), La ley 12.331 de profilaxis antivenèrea (instituto Argentino de Estudios Legislativos), Bs.As., 1945; RojasBonnet , El contagio venèreo ante la medicina forense, El Ateneo, Bs.As., 1938; Luis Jiménez de Astia, El delito de contagio venèreo (El criminilista, t. I, Bs.As.); Enrique A f talion, Prostitución, proxenetismo y delito (L.L., 18, sec. doct., 99).
Das Gesetz Nr. 12.331 vom 17. Dezember 1936, das die Organisation der Prophylaxe von Geschlechtskrankheiten und deren ärztliche Behandlung regelt (Art. 1), verbietet die Eröffnung von Häusern, in denen die Prostitution ausgeübt oder dazu angereizt w i r d und bedroht die Unterhaltung, Verwaltung oder Leitung von Bordellen (Art. 17) und die Ansteckung mit einer Geschlechtskrankeit (Art. 18) mit Strafe. Registerpfandrecht L i t e r a t u r : Ray mundo L. Fernandez: Prenda con registro, 1948 Nr. 404 ff.; Héctor Càmara, Revista juridica de Cordoba, 1947, 67.
Das Decreto-ley Nr. 15.348/46 (bestätigt durch die Ley Nr. 12.692) sieht Strafen zur Gewährleistung der Sicherheit und Wirksamkeit von Verpfändungen vor. Nach A r t . 44 sind die für Betrug (estafa und defraudaciòn) vorgesehenen Strafen demjenigen Schuldner aufzuerlegen, der über verpfändete Sachen so verfügt, als ob sie unbelastet seien, oder der fremde Sachen als eigene oder fremde belastete Sachen als unbelastete verpfändet. A r t . 45 richtet sich gegen Zuwiderhandlungen des Verpfänders, Pfandleihers und Registerführers mit Strafdrohungen von 15 Tagen bis zu einem Jahr Gefängnis. Staatssicherheit L i t e r a t u r : Alfredo Calcagno, Represión de los delitos contra la seguridad del Estado (R.d.p., 1948, 211); R. Nunez, La tècnica del capitulo I I del decreto contra la seguridad del Estado (L.L., 58, 974); Pedro J. Frias, La defensa politica de la Constitución argentina, Depalma, Bs.As., 1951.
Bis zum Erlaß des Decreto-ley 536/45 über die Bekämpfung von Verbrechen gegen die Staatssicherheit, dessen Verfassungsmäßigkeit zuerst von der C. S. N. (Fallos, 204, 345) verneint, später bejaht wurde, war unsere Strafgesetzgebung noch frei von der heute angenommenen Strenge. Das Decreto-ley 536 bekämpft Verbrechen, die gegen die innere und äußere Sicherheit des Staates, die Versorgung der bewaffneten Streitkräfte, die Volkswirtschaft, die industrielle Arbeit und die Sicherheit des L u f t - und Nachrichtenverkehrs gerichtet sind. Zahlreiche Vorschriften des Decreto-ley sind durch die Ley 13.985 vom 11. Oktober 1950 betr. Spionage und Sabotage, die einen noch strengeren Charakter trägt als jenes, aufgehoben worden; sie ver-
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Teil des Strafrechts
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schärft nicht nur beträchtlich die Strafe, sondern führt auch die Todesstrafe ein und stellt hinsichtlich der Strafe die erfolglose Anstiftung, den Rat, die Beihilfe, die Begünstigung und den Versuch der Täterschaft gleich. Die Ley 14.034/51 droht Gefängnisstrafen von fünf bis zu 25 Jahren und absolute und dauernde inhabilitación denjenigen an, welche politische oder wirtschaftliche Sanktionen gegen den argentinischen Staat befürworten. Solange der Täter sich außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit befindet, ist die StrafverfolgungsVerjährung gehemmt. Nichterfüllung
der Unterhaltspflicht
L i t e r a t u r : Ernesto Ure, El delito de incumplimiento de los deberes de asistencia familiar, Ed. Ideas, Bs.As., 1950; Eusebio Gomez, Incumplimiento de los deberes de asistencia familiar (R.d.p., 1951, 51); Enrique Diaz de Guijarro, J.A. 1951, I, sec. doct., 5; D.J.A., nùms. 4754, 4799 y 4811.
Die Ley 13.944 vom 9. Oktober 1950 bestraft diejenigen, welche sich der Leistung des notwendigen Unterhalts entziehen. Die Tat kann begangen werden: von Eltern gegenüber ihren noch nicht achtzehnjährigen oder körperbehinderten Kindern, von Kindern gegenüber ihren invaliden Eltern, vom Adoptierenden gegenüber seinem noch nicht achtzehnzährigen oder älteren, aber invaliden Adoptivkind, vom Vormund, Pfleger oder von einer Aufsichtsperson gegenüber einer noch nicht achtzehnjährigen oder invaliden oder unzurechnungsfähigen Person, die unter ihrer Vormundschaft, Pflegschaft oder Aufsicht steht, ferner vom Ehegatten gegenüber dem anderen schuldlos getrennten Ehegatten. Die Tat ist ein Offizialdelikt; ist der Verletzte jedoch ein Ehegatte, so ist die Tat nur m i t der Privatklage verfolgbar. Militärstraf
recht
L i t e r a t u r : Osvaldo Magnasco, Códigos militares, Bs.As., 1895; José M. Bustillo , El código de justicia militar ante la Câmara de Diputados, Bs.As., 1914; id., Leyes de justicia para el servicio del ejército y la armada, Bs.As., 4.ed., Carlos Risso Mominguez, La justicia militar, Bs As., 1939; Jorge Clariâ Olmedo , Competencia represiva militar (B.F.D.yC. Cordoba, ano Χ, Ns 1-2-3, p. 217 y Ns 4-5, p. 485); Humberto Bernardi , La sustantividad del derecho penai militar (L.L., 39, 1033).
Das erste Militärstrafgesetz, das an die Stelle der spanischen Verordnungen trat, war die Ley de código militar 3190 von 1894, die nur bis 1895 i n Geltung war und durch den Código de Justicia M i l i t a r von 1898 ersetzt wurde. Dieser Código galt, mit Abänderungen, bis zum Inkrafttreten des neuen Código de Justicia M i l i t a r von 1951 (Ley 14.029 vom 4. Juli 1951).
64
Das argentinische Stvafrecht
Der Código von 1951 ist, wie der aufgehobene, ein einheitliches Gesetzbuch, denn seine Bestimmungen sind für alle Wehrmachtsteile gleich, sie gelten i n Friedens- und Kriegszeit und enthalten die Gerichtsverfassung, das Prozeß- und Strafrecht. Er definiert und bedroht sowohl vorwiegend militärische Vergehen und Übertretungen, die Verletzungen der soldatischen Pflichten darstellen, als auch Delikte, die andere Hechtsinteressen verletzen, aber wegen der militärischen oder militärähnlichen Stellung des Täters, des Tatortes oder um des Schutzes eines bestimmten militärischen Interesses w i l l e n auch i n Friedenszeiten der Militärgerichtsbarkeit unterworfen sind, mit Strafe. Der Código behandelt: Treubruchsdelikte gegen den Staat, Straftaten gegen die öffentliche Gewalt und die verfassungsmäßige Ordnung, Disziplinarvergehen, Dienstvergehen und -Übertretungen, Straftaten gegen die soldatische Ehre, Treubruch i m Dienst, besondere Zuwiderhandlungen in der Marine und Luftwaffe, Zuwiderhandlungen des zivilen Handelsschiffs- und Luftfahrtpersonals, Verstümmelung und Dienstentziehung, Vergehen bei der Ausführung von Dienstpflichten, Unterlassungen, Defraudationen und Veruntreuungen in der Militärverwaltung, Fälschungen, Entweichen von Gefangenen und Straftaten, die von Kriegsgefangenen begangen werden. Die allgemeinen Bestimmungen des Código Penal sind auf Militärstraftaten anwendbar, soweit ihr Charakter es erlaubt und sie den Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches nicht widersprechen. M i l i t ä r straftaten sind solche Delikte, die eine Verletzung militärischer Pflichten darstellen und nicht als Disziplinarvergehen anzusehen sind. Die übrigen im Militärstrafgesetzbuch vorgesehenen Delikte sind gemeine und Sonderdelikte, die der Militärgerichtsbarkeit unterworfen sind. Die bedingte Verurteilung ist bei diesen Delikten, welcher A r t auch immer sie sein mögen, nicht zulässig, es sei denn, es handle sich um ein gemeines fahrlässiges Delikt. I n solchem Fall steht die bedingte Verurteilung i m Ermessen des Gerichts. Trunkenheit w i r k t für eine Militärperson weder strafmildernd noch strafbefreiend.
Besonderer Teil des Strafrechts
66
II. Die Strafen und die Strafvollstreckung L i t e r a t u r : Julio Herrera, Trabajo presentado al Congreso Penitenciario Nacional de 1914 (R.p.y.p., 1948, 133); Julio Herrera (h), Redención y prevención, Bs.As., 1949; Eduardo Ortiz , Acción penitenciaria argentina (R.p.y.p., 1945, 1); Dirección General de Institutos Penales, Pian de construcciones (R.p.y.p., 1936, 269); Jorge Frias , La organización de los patronatos de liberados (R.p.y.p., 1939, 567); Juan P. Ramos, La acción del patronato de liberados (R.p.y.p., 1943, 469); Francisco Romay, Antecedentes argentinos del patronato de liberados (R.p.y.p., 1942, 7); José M . Paz Anchorena, Tratamientos penitenc'iarios espiazados. Las colonias penales (R.p.y.p., 1941, 217).
Die Vorschriften über die Strafvollstreckung sind, soweit der Código Penal auf eine Regelung dieser Materie verzichtet (C. N. A r t . 68 Abs. 11), vom Nationalkongreß einheitlich zu erlassen, damit die Strafen i m gesamten Staatsgebiet i n gleicher Weise vollzogen werden (C. S. N., Fallos 209, 342; 212, 403). Den Provinzen ist eine Regelung untersagt (C. N. Art. 101). Obwohl der Grundsatz der Einheitlichkeit von A r t . 58 C. P. anerkannt wird, ist eine einheitliche Gesetzgebung nicht erreicht worden. Die Ley nacional 11.833 „sobre organización carcelaria y régimen de la pena" ist für die Provinzen nicht bindend, denen es freisteht, deren Bestimmungen zu übernehmen. Die Einheit ist zur Zeit auf die grundsätzlichen Vorschriften des Titels 2 des I. Buches des Código Penal beschränkt, die die Strafarten, den Vollzug der „prision" und „réclusion", deren Anwendung gegen Minderjährige, Frauen, Personen über 60 Jahre und Sieche, den Arbeitserlös des Verurteilten, die bedingte Entlassung, den Inhalt des Begriffs der „inhabilitacion" (Unfähigkeit), die Vollstreckung der Geldstrafen und andere Nebenmaterien betreffen. Diese Vorschriften sind auf der Landesebene durch die Ley Nr. 11.833 vom 9. Oktober 1933 und deren Durchfüh rungsVO Nr. 35 578/47 abgeändert und ergänzt worden. Das Gesetz ordnet einen progressiven korrektionellen, i n fünf Stufen unterteilten Vollzug an. Die Vollzugsstufen führen von einer Beobachtungszeit zur „libertad vigilada" (überwachten Freiheit). Stets muß es sich jedoch u m Sträflinge handeln, die zu einer längeren als dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt sind. Die zu einer kürzeren Strafe Verurteilten unterliegen nach einer Beobachtungszeit einem besonderen, vom Instituto de Clasificacion vorgeschlagenen Vollzug, der den Bedingungen und dem Geiste des Progressivvollzugs entspricht. Die Arbeit ist obligatorisch (C. P. Art. 6 u. 9; Decreto 35.758), ihre Unterlassung wird, mit Ausnahmen, disziplinarisch geahndet. Der Staat muß die Sträflinge gegen Arbeitsunfälle versichern (Ley 11.833 und Durchf.VO). 5
Ausländisches Strafrecht
I.
66
Das argentinische Stafrecht
Die Organisation der Strafanstalten, die sittliche Erziehung, praktische Unterweisung, Disziplin und Erlernung eines Handwerks anstrebt, erfolgt auf der Grundlage von Strafkolonien und Strafgütern, gewerblichen Gefängnissen, Strafanstalten für erwachsene Frauen, Infektions- und psychiatrischen Abteilungen und Sonderstrafanstalten für Rückfällige und solche Sträflinge, die sich dem Vollzug i n anderen Anstalten widerstrebend und Gefährlichkeit und Mangel an Anpassungsfähigkeit gezeigt haben.
Das Strafrecht Dänemarks Von Senatspräsident a. D. Dr. jur. Franz M a r c u s , Kopenhagen
Vorwort Der Verfasser hat es sich vor allem zur Aufgabe gemacht, eine möglichst exakte Darstellung des geltenden dänischen Strafrechts zu geben. Daß dies bei dem zur Verfügung stehenden Raum i n manchen Teilen n u r in Form eines Überblicks möglich war, bedarf keiner Ausführung. Doch darf der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, daß das Werk eine ausreichende Grundlage für eingehendere Studien wissenschaftlicher oder praktischer A r t bilden möge. Die Grundsätze des Strafvollzugsrechts — dieser wichtigen Ergänzung des materiellen Strafrechts gerade i n den skandinavischen Ländern — konnten nach dem Plan des Gesamtwerks nur angedeutet werden und mußten namentlich nach der kriminologischen und rechtspolitischen Seite hin einer späteren Darstellung vorbehalten bleiben. Das Manuskript wurde am 1. Juli 1953 abgeschlossen, doch konnten Gesetzesänderungen und einige Literatur noch bis zum 1. Oktober 1954 berücksichtigt werden. Das interessante Kriminalgesetzbuch für Grönland vom 5. März 1954 konnte freilich nicht mehr dargestellt werden. Besonderen Dank schuldet der Verfasser dem Dozenten i n der juristischen Fakultät der Kopenhagener Universität und Mitarbeiter i m dänischen Justizministerium Herrn K n u d Waaben für seine eingehende Beschäftigung m i t dem Manuskript und seine wertvollen Ratschläge. Kopenhagen, i m Oktober 1954. Dr. Franz Marcus
Inhalt Erster Geschichte
Abschnitt:
des S t r a f r e c h t s
in
Dänemark
I. Danske Lov von 1683 und spätere Verordnungen. — I I . StGB von 1866 nebst späteren Gesetzen. — I I I . StGB von 1930. Einführungsgesetz. Spätere Abänderungen. — IV. Gesetzsammlungen. Literatur. Entscheidungen. Zweiter Der
Allgemeine
Teil
Abschnitt: des
Strafgesetzbuchs
1. Kap. Einleitende Bestimmungen: I. Analogie. I I . Geltung des allgemeinen Teils für die Nebengesetze. — 2. Kap. Allgemeine Bedingungen für die Anwendung strafrechtlicher Bestimmungen: I. Zeitliche Geltung. I I . Bäumliche Geltung. — 3. Kap. Bedingungen der Strafbarkeit: I. Notwehr. I I . Notstand. I I I . Strafunmündigkeit. I V . Unzurechnungsfähigkeit. V. Psychische Anomalien. V I . Trunkenheit. V I I . Fahrlässigkeit. V I I I . Erfolgshaftung. — 4. Kap. Versuch und Teilnahme: I. Versuch. I I . Teilnahme. — 5. Kap. Verfolgung: I. Allgemeine Bestimmungen. I I . Verfolgung Jugendlicher. — Vorbemerkung zu den Kap. 6—10. 6. Kap. Strafen: I. Gefängnis. I I . Haft. I I I . Gemeinsame Bestimmungen. I V . Geldstrafe. — 7. Kap. Bedingte Strafurteile. — 8. Kap. Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung: I. Arbeitshaus. I I . Sicherungsverwahrung. — 9. Kap. Andere Rechtsfolgen der strafbaren Handlung: I. Maßregeln gegen Unzurechnungsfähige und psychisch Abnorme. I I . Maßregeln gegen Trinker. I I I . Schutz gegen Drohungen. I V . Ausweisung von Ausländern. V. Einziehung. V I . Verlust von Rechten. V I I . Rechtsfolgen außerhalb des allgemeinen Teils. — 10. Kap. Festsetzung der Strafe: I. Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens. I I . Strafschärfungsgründe. I I I . Strafmilderungsgründe. IV. Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen. V. Strafumwandlung. — 11. Kap. Fortfall der Rechtsfolgen der strafbaren Handlung: I. Tod. I I . Erlaß. I I I . Verjährung. Dritter Der Besondere
Abschnitt:
T e i l des
Strafgesetzbuchs
Vorbemerkung zu den Kap. 12 und 13. 12. Kap. Straftaten gegen die Selbständigkeit und Sicherheit des Staates: I. Unternehmen der Herbeiführung von Fremdherrschaft und Krieg. I I . Anreizung zu feindlichen Maßnahmen usw. I I I . Maßnahmen gegen die „5. Kolonne". I V . Andere landesverräterische Handlungen. V. Nebendelikte. V I . Fremde Staatsoberhäupter. — 13. Kap. Straftaten gegen die Staatsverfassung und die obersten Staatsbehörden usw.: I. Hochverräterische Handlungen. I I . Angriffe gegen die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte. — 14. Kap. Straftaten gegen die öffentliche Gewalt: I. Eigentliche Widerstandshandlungen. I I . Aktive Beamten-
Inhalt
71
bestechung. I I I . Gefangenenbefreiung u. ähnl. IV. Siegelbruch. V. Wehrpflichtverletzungen u. ähnl. V I . Widerrechtliche öffentliche Mitteilungen. V I I . Amtsanmaßung u. ähnl. V I I I . Verbotene Vereine. — 15. Kap. Straftaten gegen die öffentliche Ordnung und den öffentlichen Frieden: I. Auflauf und Schlägerei. I I . Anreizung. Billigung. I I I . Störung der Versammlungsfreiheit, des Grabfriedens, der Religionsausübung usw. I V . Gefährdung durch Trunkenheit. V. Unterlassung von Anzeigen, Hilfeleistung, Aufklärung. V I . Alarmierung von Polizei usw. — 16. Kap. Straftaten in öffentlichem A m t oder Auftrag: I. Allgemein. I I . Sonderbestimmungen für bestimmte Täterkreise. — 17. Kap. Falsche Erklärung und falsche Anschuldigung: I. Falsche Erklärungen. — I I . Falsche Anschuldigung. — 18. Kap. Münzdelikte. — 19. Kap. Beweismitteldelikte: I. Urkundenfälschung. I I . Mittelbare Falschbeurkundung. I I I . Stempel und Zeichen. I V . Wertzeichenfälschung. V. Unterdrückung von Beweismitteln. V I . Grenzverrückung. — 20. Kap. Gemeingefährliche Straftaten: I. Brandstiftung. I I . Andere gemeingefährliche Straftaten. I I I . Vorbeugungspflicht. IV. Lebens- und Gesundheitsgefährdung. V. Handel mit Heilmitteln. VI. Ansteckende Krankheiten. — 21. Kap. Verschiedene gemeinschädliche Handlungen: I. Störung des Betriebes von Verkehrsmitteln usw. I I . Beschädigung von Denkmälern usw. I I I . Feilhalten verfälschter Lebensmittel. — 22. Kap. Bettelei und schädliche Erwerbstätigkeit: I. Bettelei und Arbeitsscheu. I I . Schädliche Erwerbstätigkeit. I I I . Verbotene Rückkehr. — 23. Kap. Familiendelikte: I. Straftaten gegen die Ehe. I I . Blutschande. I I I . Verletzung von Unterhaltspflichten usw. IV. Veränderung des Familienstandes Neugeborener. — 24. Kap. Sittlichkeitsdelikte: I. Sittlichkeitsdelikte im engeren Sinne. I I . Kuppelei, Zuhälterei, Prostitution. I I I . Ärgerniserregende Handlungen usw. I V . Unzüchtige Schriften usw. — 25. Kap. Straftaten gegen Leib und Leben: I. Tötung. I I . Körperverletzung. I I I . Gefährdungsdelikte. — 26. Kap. Straftaten gegen die persönliche Freiheit: I. Nötigung. I I . Freiheitsberaubung. — 27. ;Kap. Friedensstörungen und Ehrenkränkungen: I. Friedensstörungen. I I . Ehrenkränkungen. — 28. Kap. Bereicherungsdelikte: I. Diebstahl. I I . Fundunterschlagung. I I I . Unterschlagung. IV. Betrug. V. Untreue. V I . Erpressung. V I I . Wucher. V I I I . Schuldnerbetrug. I X . Hehlerei. X . Raub. — 29. Kap. Andere strafbare Vermögensschädigungen: I. Sachbeschädigung u. ähnl. I I . Unrechtmäßige Selbsthilfe. I I I . Gebrauchsdiebstahl. I V . Betrugsähnliche Handlungen. V. Untreueähnliche Handlungen. VT. Schuldnerbetrugsähnliche Handlungen. V I I . Grobfahrlässige Hehlerei. Vierter
Abschnitt:
Die wichtigeren
Nebengesetze
1. Übersicht. 2. Militärstrafgesetzbuch. 3. Schwangerschaftsgesetz. 4. Sterilisation und Kastration. 5. Preßgesetz. Fünfter Die
Grundlagen
Abschnitt:
d e s S t r a f ν ο 11 ζ u g s r e c h t s
Abkürzungen Hurwitz:
Das S. 83 genannte Lehrbuch.
IKV:
Internationale Kriminalistische Vereinigung.
Juristen D: Urteilssammlung der Zeitschrift Juristen (S. 84). Krabbe: Olrik:
Der S. 83 genannte Kommentar. Eyvind Olrik, Dänisches Straf recht in der von Franz von Liszt herausgegebenen „Strafgesetzgebung 1894), Bd. I, S. 205 ff., Bd. I I , S. 463 ff.
der
Gegenwart"
(Berlin
NTfK:
Nordisk Tidsskrift for Kriminalvidenskab (S. 83).
UfR:
Ugeskrift for Retsvaesen (vgl. S. 84; Β -- literarische Abt).
v. Eyben:
Die S. 120 Anm. 64 genannte Monographie.
ZStW:
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.
I n den Abschnitten 1 bis 3 werden die Paragraphen des Strafgesetzbuchs ohne Zusatz zitiert, in den Abschnitten 4 und 5 mit dem Zusatz: StGB.
Erster
Abschnitt
Geschichte des Strafrechts in Dänemark I. D a n s k e
Lov
von
1683 u n d
spätere
Verordnungen
Das dänische Gesetzbuch — „Danske L o v " — vom 15. A p r i l 1683, Christians V. großes Gesetzgebungswerk, hat sich auf manchen Gebieten, namentlich i m Vertragsrecht, bis i n unsere Tage als lebenskräftig erwiesen 1 . Dies gilt aber nicht von dem strafrechtlichen Teil — hier ist jede Spur verschwunden, was angesichts der entscheidenden Wandlung der strafrechtlichen Anschauungen seit jener Zeit nicht wunder nehmen kann 2 . Das Strafrecht war i m 6. Buch geregelt, das von „Missetaten" handelte. Es beruhte ζ. T. auf Rechtssätzen weit älteren Datums. I n der Einteilung seiner 22 Kapitel Schloß es sich mehr oder weniger an die zehn Gebote Mosis an, wodurch zum Ausdruck kommen sollte, daß die Strafe der Versöhnung Gottes diene. I n seinem Wesen war es von dem Gedanken der Abschreckung beherrscht. Die Strafen waren meist von grausamer Härte, dem richterlichen Ermessen war, da die Strafe i n aller Regel absolut bestimmt war, kein oder nur geringer Spielraum gelassen, die Tatbestände waren lückenhaft und kasuistisch, und Bestimmungen, wie sie heute der allgemeine Teil eines Strafgesetzbuchs enthält, fehlten fast ganz. Daneben spielte auch der Gedanke der Entschädigung des Verletzten eine nicht unbedeutende Rolle. Wenn dieses Gesetz, das später durch verschiedene Verordnungen der absoluten Herrscher noch i n manchen Punkten verschärft wurde, ein Jahrhundert hindurch die i m wesentlichen einzige Grundlage des Strafrechts bilden konnte, so w i r k t e n hier verschiedene Umstände zusammen. Einmal konnten die schlimmsten Härten durch Begnadigung gemildert werden, und von dem Begnadigungsrecht wurde i n der Tat ein so weitgehender, ja schließlich so systematischer Gebrauch gemacht, 1
Textausgabe mit Quellennachweisen von S tig Juul, Kopenhagen 1949. Vgl. zum folgenden Olrik, Bd. 1, S. 208 f.; Krabbe, S. 15, 19 ff.; Hurwitz, S. 133 f.; Troels G. Jorgensen, De 0rstedske Straff elove (Die 0rstedschen Strafgesetze), Kopenhagen 1948; Stig Juul in dem Sammelwerk „Kampen mod Forbrydelsen" (Der Kampf gegen das Verbrechen), Kopenhagen 1951, Bd. 1, S. 237 ff., Bd. 2, S. 9 ff. 2
74
Das Strafrecht Dänemarks
daß die Strafe eigentlich erst in der Gnadeninstanz bestimmt wurde. Ferner wurde i n Fällen, deren Strafbarkeit mit einer veränderten Rechtsauffassung nicht mehr i m Einklang stand, von der Erhebung einer Anklage überhaupt abgesehen. Andererseits straften aber die Gerichte i m Wege der Rechtsanalogie solche Handlungen, die nach allgemeiner Rechtsauffassung strafwürdig waren oder geworden waren — namentlich auf vermögensrechtlichem Gebiet, wo die gesetzlichen Bestimmungen, wenn sich überhaupt solche fanden, i m Laufe der Zeit ganz unzureichend geworden waren. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann unter dem Einfluß der Ideen der Aufklärungszeit eine Reformbewegung. Als erste Maßnahme i n dieser Richtung kann man die Aufhebung der Todesstrafe für schweren Diebstahl durch eine i n der Struenseezeit ergangene Verordnung: vom 27. A p r i l 1771 bezeichnen. Dies blieb zunächst eine vereinzelte Erscheinung, da nach Struensees Enthauptung ein Rückschlag eintrat. Aber die am 20. Februar 1789 ergangene Verordnung über die Bestrafung des Diebstahls und der Hehlerei bedeutete endgültig den Anfang einer neuen Epoche. Als leitender Grundsatz wurde hier ausgesprochen, daß die Strafgesetze gerecht, aber m i t so viel Milde gehandhabt werden sollten, wie mit der öffentlichen Sicherheit vereinbar sei, und daß die Strafen daher in ein solches Verhältnis zu den verschiedenen Arten der betreffenden Straftaten, namentlich des Diebstahls, gebracht worden seien, daß sie der Besserung dienen könnten, wo solche zu erwarten sei, aber auch vollstreckt werden sollten, ohne daß ein Gnadenerweis i n Frage komme. Für einfachen Diebstahl wurde alsdann eine Zuchthausstrafe von zwei Monaten bis zu zwei Jahren festgesetzt — eine wichtige Konzession an das richterliche Ermessen. Bei der Strafzumessung sollten vornehmlich berücksichtigt werden: das A l t e r des Täters, seine Erziehung, sein Vorleben, sein augenblicklicher Zustand, die Beweggründe der Handlung, der Wert der gestohlenen Sachen, namentlich m i t Rücksicht auf die Verhältnisse des Geschädigten, endlich ob der Täter mehrerer Diebstähle schuldig war und ob er seinen Dienstherrn bestohlen hatte. Für den Wiederholungsfall waren aber harte Strafen angedroht: i m ersten Rückfall Zuchthaus von drei bis fünf Jahren, i m zweiten Rückfall lebenslängliches Zuchthaus. Die bisherigen Körperstrafen (ebenso auch die Geldstrafen) waren für alle diese Fälle beseitigt, wurden aber u. a. für erneuten Rückfall aufrechterhalten: der Täter sollte ausgepeitscht und auf dei Stirn gebrandmarkt werden. Für Kinder zwischen 10 und 15 Jahren war beim ersten Diebstahl Rutenstrafe vorgesehen. — Weitere Einzelheiten können hier unerörtert bleiben. M i t dieser Verordnung, soviel heute Überholtes sie auch enthielt, war doch das Signal zu weiterer Reformarbeit gegeben. Dies äußerte
Geschichte des Strafrechts in Dänemark
75
sich zunächst freilich nur spärlich i n einzelnen Verordnungen, durch die i n gewissen Fällen das richterliche Ermessen erweitert oder auch die Strafarten weiter gemildert wurden — so wurde durch eine Verordnung vom 12. Juni 1816 an die Stelle von Zuchthaus bis zu sechs Monaten Gefängnis bei Wasser und Brot gesetzt, eine Strafe, die noch i m Strafgesetzbuch von 1866 eine erhebliche Rolle spielte. Eine weitreichende Reform enthielten aber die vier sog. 0rstedschen Gesetze, genannt nach dem Rechtsgelehrten und Staatsmann, aus dessen Feder die Entwürfe stammten 3 . Sie betrafen folgende Gebiete: a) Die Anordnung vom 4. Oktober 1833 über Körperverletzungen und Freiheitsberaubung regelte die Strafbarkeit von Delikten, die vom Gesetzbuch von 1683 i m Gegensatz zu seiner sonstigen Tendenz nicht ausreichend geahndet wurden, indem auch i n schweren Fällen oft nur geringe Geldstrafen angedroht waren. Für die schwersten Fälle allerdings erschienen die Strafen wieder unverhältnismäßig hart. Die A n ordnung formuliert die Tatbestände eingehend, m i t reich ausgebildeter Kasuistik. Bemerkenswert ist die objektive Dreiteilung der Körperverletzungen, die i n der späteren Gesetzgebung wiederkehrt. Die Tendenz zu strenger Ahndung ist vorherrschend, die Todesstrafe war nicht auf M o r d beschränkt, aber alle qualifizierten Todesarten waren beseitigt. b) Die Verordnung vom 11. A p r i l 1840 über Diebstahl, Betrug, Fälschung und andere damit verwandte Delikte trat u. a. an die Stelle der oben genannten Verordnung, von 1789. Sie hatte reich nuancierte Tatbestände, die zu einem nicht unerheblichen Teil i n die spätere Gesetzgebung übergegangen sind. Die Strafen waren ζ. T. hart — so konnten schwere Fälle von Raub m i t lebenslänglichem Zuchthaus und Auspeitschung bestraft werden. c) Die Verordnung vom 15. A p r i l 1840 über falsches Zeugnis und anderen Meineid, veranlaßt durch das Bestreben, die noch i n K r a f t befindlichen Verstümmelungsstrafen zu beseitigen, ist m i t ihrer grundsätzlichen Regelung ζ. T. ebenso i n die spätere Gesetzgebung übergegangen wie d) die Verordnung vom 26. März 1841 über Brandstiftung, veranlaßt durch das Bestreben, die Todesstrafe für die Brandstiftung an Häusern f ü r nicht qualifizierte Fälle abzuschaffen. Die große Bedeutung dieser vier systematischen Gesetze bestand darin, daß1 sie die Reform des gesamten Strafrechts vorbereiteten und 3
0rsted, ein Anhänger Feuerbachs, schrieb u. a. im „Neuen Archiv des Criminalrechts", 5. Band, 1822/23, „Über das Nothrecht" und in den „Abhandlungen aus dem Gebiete der Moral- und Gesetzgebungsphilosophie" 1818 „Über die Grundregeln der Strafgesetzgebung" sowie später über das Bayerische Strafgesetzbuch.
76
Das Strafrecht Dänemarks
auch schon vor deren Durchführung richtunggebend für die Hechtsausübung auf denjenigen Gebieten wurden, die außerhalb des von ihnen geordneten Rechtskreises lagen. II. D a s S t r a f g e s e t z b u c h v o n 1866 späteren Gesetzen
nebst
Alsbald nach dem Inkrafttreten der Verfassung von 1849 begannen die Vorarbeiten zu einem Strafgesetzbuch, das das gesamte Strafrecht systematisch regeln sollte. Sie führten zum Erlaß des „Allgemeinen bürgerlichen Strafgesetzbuchs" vom 10. Februar 1866, i n Kraft seit dem 1. J u l i 1866. Dieses Gesetz, das bis zum Ablauf des Jahres 1932 geltendes Recht war, hat eine ausführlichere Würdigung durch Olrik gefunden. Hier seien n u r die wichtigsten Gesichtspunkte hervorgehoben 4 . Das Gesetz regelte erstmalig das gesamte Strafrecht, jedoch mit Ausnahme der militärischen Straftaten, worauf der Ausdruck „bürgerlich" hinweist, und der durch die Nebengesetze geregelten Delikte, was aus dem Ausdruck „allgemein" hervorgeht. Es war ein K i n d seiner Zeit, beruhte auf dem Vergeltungsprinzip und zeigte u. a. eine deutliche Verwandtschaft mit dem preußischen Strafgesetzbuch von 1851. Von den 32 Kapiteln stellten die acht ersten (und ζ. T. die beiden letzten) den allgemeinen Teil dar, doch ohne daß dieser als solcher gekennzeichnet war. Diese allgemeinen Bestimmungen galten nicht für Taten, deren Strafbarkeit auf anderen Gesetzen als dem Strafgesetzbuch beruhte. Die Dreiteilung in Verbrechen, Vergehen und Übertretungen war dem Gesetz fremd, Übertretungen waren überhaupt von seiner Regelung ausgenommen. Es enthielt i m § 1 die Bestimmung, daß eine Strafe nur für ein Verhalten verhängt werden kann, dessen Strafbarkeit gesetzlich bestimmt ist oder das einem solchen ganz gleichzustellen ist. Diese sog. vollständige Gesetzes analogie wurde damit gerechtfertigt, daß man sich nicht sicher glaubte, den gesamten Kreis der strafwürdigen Handlungen, der bis dahin auf einem unübersehbaren Konglomerat der verschiedensten Gesetze und der durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beruhte, wirklich erschöpfend kodifiziert zu haben. Von der Bestimmung wurde in der Praxis nur sparsam Gebrauch gemacht. Sie findet sich auch i m jetzt geltenden Recht — siehe hierüber unten S. 85 ff. — Die Strafen waren gegenüber dem früheren Recht durchweg erheblich gemildert, die Todesstrafe war nur noch für Mord ausschließlich angedroht und wurde äußerst selten vollstreckt. Die Strafmündigkeit trat schon mit der 4 Textausgabe mit Hinweisen von Frantz Dahl, 5. Auflage, Kopenhagen 1926. Deutsche Übersetzung von Bittl (Heft X V I der Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher, Berlin 1901).
Geschichte des Strafrechts in Dänemark
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Vollendung des zehnten Lebensjahres ein. Körperliche Strafen waren i n Form von Rutenstrafen für Knaben bis zu 15 Jahren und für Mädchen bis zu 12 Jahren, i n Form von Stockschlägen für Knaben zwischen 15 und 18 Jahren vorgesehen. Die Freiheitsstrafen zerfielen i n Strafarbeit — diese i n Zuchthaus und Besserungshaus — und Gefängnis, letzteres i n verschiedene Grade differenziert. Strafbar waren grundsätzlich nur vorsätzlich begangene Handlungen; Fahrlässigkeit wurde nur i n den nicht häufigen Fällen bestraft, i n denen dies besonders bestimmt war. Eine Reihe von Tatbeständen, die nach früherem Recht strafbar waren, namentlich gewisse Religions- und Sittlichkeitsdelikte, waren nicht mehr unter Strafe gestellt. Das Strafgesetzbuch ist nahezu 30 Jahre unverändert geblieben, bis sich abermals (vgl. oben S. 75) der Mangel eines ausreichenden Schutzes gegen Körperverletzungen empfindlich geltend machte und zu dem Gesetz vom 11. Mai 1897 über Gewalttätigkeiten gegen „schuldlose" Personen 5 führte. Die Strafen für Rückfall wurden verschärft und das öffentliche Verfahren für die i m Gesetz behandelten Fälle obligatorisch gemacht 6 . Das Gesetz wurde durch das provisorische Gesetz vom 1. A p r i l 1905 über einige Änderungen der Strafgesetzgebung abgelöst. Unter diesem farblosen Titel verbarg sich das Gesetz, das unter dem Namen „Prügelgesetz" bekannt geworden ist und bei seinem Erscheinen weithin Aufsehen erregte 7 . Es führte — für die damalige Zeit schwer begreiflicher Weise — für rückfällige männliche Gewalttätigkeits- und SittlichkeitsVerbrecher zwischen 18 und 55 Jahren die Prügelstrafe wieder ein, die von den Gerichten als Zusatzstrafe obligatorisch i m Urteil zu verhängen war und über die das Gesetz ins Einzelne gehende Vorschriften gab 8 . Es wäre aber irrig, anzunehmen, daß das Gesetz nur aus solchen Maßnahmen bestand, die i h m den Namen gegeben haben. Die weitere Verschärfung der Strafen für Gewalttätigkeiten gegen schuldlose Personen war kriminalpolitisch ebenso wenig zu beanstanden wie die Erweiterung des Notwehrrechts gegen solche Angriffe. Die bis dahin straflos gewesene Zuhälterei wurde unter Strafe gestellt, gewisse Sittlichkeitsdelikte, wenn sie i m Rückfall begangen waren, m i t erhöhter Strafe bedroht. Bei einer 5 Uber diesen aus der Verordnung vom 4. Oktober 1833 stammenden Ausdruck s. unten S. 173. β Deutsche Übersetzung von Bittl, a.a.O. Besprochen von Olrik, a.a.O., Bd. 2, S. 463, und von Göll in den Mitteilungen der I K V , Bd. 13, S. 760 ff. S. auch Krabbe, S. 29, 53. 7 Besprochen von Göll, a.a.O. Deutsche Übersetzung Heft X X I I der Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher, Berlin 1906. 8 Nicht unerwähnt bleibe, daß der damalige Justizminister Alberti, auf dessen persönliche Initiative das Gesetz zustande gekommen war, wenige Jahre später wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu der gesetzlichen Höchststrafe von 8 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.
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Das Strafrecht Dänemarks
Reihe von Straftaten war Gewerbsmäßigkeit straferschwerend, bei anderen, namentlich Bettelei und Arbeitsscheu, wurde die Möglichkeit korrektioneller Nachhaft eingeführt. Verschiedene Maßnahmen richteten sich gegen die kurzfristigen Freiheitsstrafen; vor allem wurde die wegen ihrer verhältnismäßig kürzeren Dauer in der Praxis oft angewandte und bei der „Klientel" beliebte Gefängnisstrafe bei Wasser und Brot eingeschränkt und die gewöhnliche Gefängnisstrafe mit A r beitszwang verbunden. Ferner wurde die bedingte Verurteilung eingeführt — zum ersten Male auf dem Kontinent waren hier Fürsorgemaßnahmen vorgesehen — und das strafmündige Alter von 10 auf 14 Jahre heraufgesetzt. Die Körperstrafen wurden für Jugendliche von 14 bis 18 Jahren eingeschränkt; bei ihnen konnte ferner unter gewissen Voraussetzungen von der Erhebung der Anklage zugunsten von Erziehungsmaßnahmen abgesehen werden. So war den Forderungen der damaligen strafrechtlichen Reformbewegung, getragen durch die I K V , doch auf sehr wichtigen Gebieten Rechnung getragen. Das Gesetz wurde durch das provisorische Gesetz gleichen Titels vom 1. A p r i l 1911 ersetzt, das i m großen und ganzen die gleichen Bestimmungen enthielt, jedoch unter Fortfall der Prügelstrafe. Z u erwähnen sind ferner noch das Gesetz vom 30. März 1906 zur Verhinderung öffentlicher Unsittlichkeit und Ansteckung m i t Geschlechtskrankheiten, durch das eine Reihe von Sittlichkeitsdelikten auf eine neue Grundlage gestellt wurde, und das Gesetz vom 11. A p r i l 1925 über Sicherungsmaßnahmen gegen Personen, die die Rechtssicherheit gefährden — das sog. Internierungsgesetz, verlängert durch Gesetz vom 14. Dezember 1927. Danach konnten gegen minderwertige oder abnorme Personen, die strafbare Handlungen begangen hatten und von denen eine Gefährdung der Rechtssicherheit durch näher bezeichnete strafbare Handlungen zu befürchten war, durch U r t e i l an Stelle von Strafe bestimmte sichernde Maßregeln getroffen werden. Die Bestimmungen sind i n abgeänderter Gestalt i n das Strafgesetzbuch von 1930 übergegangen (§ 70, unten S. 114). III. D a s S t r a f g e s e t z b u c h v o n 1930. Einführungsgesetz. Spätere Abänderungen. Die Vorarbeiten zur Schaffung eines neuen Strafgesetzbuchs begannen etwa gleichzeitig m i t dem Erlaß des Gesetzes von 1905 und standen i m großen und ganzen i m Zeichen der von der I K V geförderten und geleiteten Reformbewegung. I h r Ergebnis ist das jetzt geltende „Bürgerliche Strafgesetzbuch" vom 15. A p r i l 1930, in Kraft seit dem 1. Januar 19339. Das Strafgesetzbuch von 1930 hat sich nicht auf eine bestimmte 9 Deutsche Übersetzung des Verfassers (Heft 62 der Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher, Berlin 1953).
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Theorie oder Richtung festgelegt 10 . Bemerkenswert ist vor allem die Weite der Strafrahmen, deren M i n i m u m in den meisten Fällen nicht über dem der betreffenden Strafart (Haft 7 Tage, Gefängnis 30 Tage) liegt, und die große Zahl der Strafmilderungsgründe, wodurch dem richterlichen Ermessen ein beträchtlicher Spielraum eingeräumt wird. Auch die erweiterte Möglichkeit, zeitlich unbestimmte Sicherungsmaßregeln von einschneidender Bedeutung, namentlich Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung, an Stelle von Strafe zu verhängen, sowie die i n größerem Umfange als bisher zugelassene bedingte Verurteilung stellen hohe Anforderungen an Urteilskraft und Persönlichkeit des Richters. Die Todesstrafe ist abgeschafft (vgl. aber unten S. 81, 132), Zuchthausstrafe, Gefängnisstrafe bei Wasser und Brot und alle körperlichen Züchtigungen sind beseitigt, Jugendgefängnis ist neu eingeführt. Die kurzfristigen Gefängnisstrafen sind durch Erhöhung des Minimums von 2 auf 30 Tage eingeschränkt. Die Strafmündigkeit t r i t t erst m i t der Vollendung des 15. Lebensjahres ein. Der Begriff der verminderten Zurechnungsfähigkeit ist aufgegeben, für die Behandlung psychisch Abnormer sind besondere Bestimmungen getroffen worden, wie überhaupt die Zahl der sichernden, heilenden und bessernden Maßregeln groß ist. Die Vorschriften über Rückfall und Verjährung sind erweitert, die über Teilnahme vereinfacht worden. Die Unterscheidung von Mord und Totschlag ist fortgefallen, absolut bestimmte Strafen gibt es nicht mehr. Gewisse Taten werden nicht mehr gestraft, so Ehebruch, Unzucht mit Tieren, gleichgeschlechtliche Unzucht in nicht qualifizierten Fällen, Duell; für andere — Doppelehe, Blutschande, Kindestötung — sind die Strafen erheblich gemildert. Unterschlagung, Untreue und Schuldnerbetrug, früher Abarten des Betruges, sind selbständige Delikte, Wucher ist i m Gegensatz zum früheren Recht strafbar. Strafschärfungen sind u. a. vorgesehen für gewisse Sittlichkeitsdelikte, Betrug, Nötigung, Drohung, Verleumdung, fahrlässige Tötung. Fahrlässigkeit w i r d überhaupt i n größerem Umfange als früher gestraft. Der Ausdruck „bürgerliches" Strafgesetzbuch bedeutet ebenso wie beim Strafgesetzbuch von 1866, daß die militärischen Straftaten von der Regelung ausgenommen sind. Dagegen kehrt der Ausdruck „allgemeines" Strafgesetzbuch nicht wieder, da viele Materien, die früher i n Nebengesetzen geregelt waren, jetzt i m Strafgesetzbuch enthalten sind. Das Strafgesetzbuch zerfällt in einen Allgemeinen Teil — Kap. 1-11 — und einen Besonderen Teil — Kap. 12-29. Die meisten 10 Vgl. Krabbe, S. 55 ff., Hurwitz, S. 98, 123; s. auch Hurwitz in N T f K 1951, S. 10 ff.: Franz von Liszt og vor tids kriminalpolitîk (F. v. L. und die Kriminalpolitik unserer Zeit).
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Straftaten werden nach dänischem Sprachgebrauch als „Verbrechen" bezeichnet, was nach deutschem Sprachgebrauch sowohl Verbrechen wie Vergehen einschließt und am besten mit „Straftat" oder „Delikt" wiedergegeben wird. Übertretungen, nach dänischem Sprachgebrauch „Versehen", sind i m Strafgesetzbuch grundsätzlich nicht geregelt, doch enthält es eine Reihe von Tatbeständen, in denen nur Geldstrafe angedroht ist. Zwischen schwereren und leichteren strafbaren Handlungen finden sich gewisse Unterschiede formeller und materieller A r t — u. a. ist bei Straftaten, die höchstens m i t Haft bedroht sind, der Versuch i m allgemeinen nicht strafbar (unten S. 97) 11 . Gleichzeitig mit dem Strafgesetzbuch ist das Einführungsgesetz vom 15. A p r i l 1930 i n K r a f t getreten. Es nennt i n seinem 1. Kapitel eine große Zahl von Gesetzen und Verordnungen, die m i t dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs ihre Gültigkeit verlieren (§ 2; § 3 Abs. 1), und enthält darüber hinaus die wichtige Klausel, daß auch alle diejenigen Bestimmungen i n bisher gültigen Gesetzen und Verordnungen aufgehoben sind, die i m Widerspruch zum Inhalt des Strafgesetzbuchs oder des Einführungsgesetzes stehen (§ 3 Abs. 2) 1 2 . Strafen i n bestehenbleibenden Gesetzen werden nach einem bestimmten Maßstab in die neuen Straf arten umgewandelt (§ 7). Das 2. Kapitel enthält Bestimmungen über den Gefängnisausschuß (§ 12), dem die Entscheidung in wichtigen Fragen der Strafvollstreckung zusteht (vgl. unten S. 94, 103, 104, 112, 113). Er besteht aus einem Richter als Vorsitzendem, dem Direktor des Gefängniswesens, einem Psychiater und zurzeit drei Personen aus der Fürsorge- und sozialen Arbeit. Das 3. Kapitel regelt die Anwendung von Disziplinarstrafen und Sicherungsmitteln gegenüber Gefangenen unter Bewachung (Untersuchungsgefangene usw.), das 4. Kapitel enthält Bestimmungen über zivilrechtliche Folgen strafbarer Handlungen (vgl. unten S. 170), das 5. Kapitel regelt die Verbüßung uneintreibbarer Unterhaltsbeiträge und gewisser öffentlichrechtlicher Geldstrafen, das 6. Kapitel ist heute gegenstandslos. Das Strafgesetzbuch ist seit seinem Erlaß mehrfach geändert worden. Zunächst wurde durch Gesetz Nr. 161 vom 18. Mai 1937 der von der Abtreibung handelnde § 242 aufgehoben und durch Gesetz Nr. 162 vom gleichen Tage der § 235 über empfängnisverhütende M i t t e l abgeändert. Uber das gleichzeitig erlassene Schwangerschaftsgesetz s. unten 5. 198. Eine tiefgreifende Reform bedeuteten die Gesetze Nr. 87 und 88 vom 15. März 1939. Das Gesetz Nr. 87 führte durch eine veränderte Fassung des von der Geldstrafe handelnden § 51 das sog. „Tagesbußensystem" ein (unten S. 106) und nahm eine Reihe von Änderungen und Neuerungen, namentlich i m Besonderen Teil, vor. Vor allem 11 12
S. hierüber auch unten S. 105. S. auch unten S. 88.
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wurde der Schutz gegen Friedensstörungen und Ehrenkränkungen (27. Kapitel) verstärkt und eine Reihe neuer Tatbestände geschaffen, die sich gegen Straftaten m i t politischem Hintergrund richteten. Das Gesetz Nr. 88 hob den vom Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte handelnden § 78 auf und ersetzte ihn durch Bestimmungen i n zahlreichen Nebengesetzen. A u f Grund dieser Abänderungen wurde der Text des Strafgesetzbuchs durch eine justizministerielle Bekanntmachung Nr. 215 vom 24. J u n i 1939 neu veröffentlicht. Der offizielle Titel des Strafgesetzbuchs lautet daher: „Bürgerliches Strafgesetzbuch vom 15. A p r i l 1930 i n der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Juni 1939". Eine Reihe provisorischer Ergänzungen des Strafgesetzbuchs i n den Jahren 1940 bis 1942 wurde nach Beendigung der deutschen Besetzung 1945 nahezu vollständig wieder aufgehoben — über das i n Kraft gebliebene Gesetz Nr. 219 vom 1. M a i 1940 s. unten S. 194 13 . Von weittragender Bedeutung waren die nach Beendigung der Besetzung ergangenen Gesetze, nämlich a) das Gesetz Nr. 259 vom 1. Juni 1945 über die Ergänzung des Strafgesetzbuchs betr. Verrat und andere das Land schädigende Handlungen 1 4 , geändert durch Gesetz Nr. 356 vom 29. Juni 1946 und neu veröffentlicht durch die Bekanntmachung Nr. 368 vom 6. J u l i 1946; die Rechtsfolgen wurden durch die Gesetze Nr. 239 vom 1. Juni 1947 und Nr. 224 vom 27. M a i 1950 gemildert; b) das Gesetz Nr. 406 vom 28. August 1945 betr. die Bestrafung derjenigen, die i n ungebührlicher Weise mit der Besatzungsmacht w i r t schaftlich zusammengearbeitet hatten; c) das Gesetz Nr. 395 vom 12. J u l i 1946 über die Bestrafung von Kriegsverbrechen, geändert durch Gesetz Nr. 423 vom 7. Oktober 1947. Diese i m Gefolge des Krieges und der Besetzung m i t rückwirkender K r a f t erlassenen Ausnahmegesetze, die namentlich zahlreiche Bestimmungen des Allgemeinen Teils außer Kraft setzten — so ist auch die Todesstrafe wieder eingeführt und nicht selten vollstreckt worden —, stehen außerhalb der organischen Weiterentwicklung des dänischen Strafrechts und können hier um so mehr außer Betracht bleiben, als sie nur Handlungen betreffen, die während des Krieges und kurz nachher begangen worden sind 1 5 . Die Erfahrungen des Krieges, der Besetzung und dieser Ausnahmegesetze haben dann aber zu dem Gesetz Nr. 225 vom 7. Juni 1952 betr. Änderungen und Ergänzungen des Strafgesetzbuchs — dem sog. „5. Kolonne-Gesetz" — geführt, das die i n den Kap. 12 und 13 enthaltenen Staatsschutzbestimmungen völlig 18
Vgl. Krabbe in ZStW Bd. 62, S. 148. Kurzgefaßter Kommentar von Kjeld Lundgren, Kopenhagen 1946. > Eine Übersicht von Hurwitz findet sich ZStW, Bd. 63, S. 131 ff.
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A u s l ä n d i s c h e s Strafrccht- I .
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umgestaltet hat — s. hierüber unten S. 131 — und durch das Gesetz Nr. 227 vom gleichen Tage betr. Anwendung der Todesstrafe für gewisse während eines Krieges oder einer feindlichen Besetzung begangene Handlungen ergänzt worden ist. Von großer Bedeutung ist auch das Gesetz Nr. 286 vom 18. J u n i 1951 betr. Änderung der Vorschriften über den Verlust von Rechten als Folge von Strafe, das durch Schaffung eines neuen § 78 (vgl. S. 81) und eine Änderung des damit i m Zusammenhang stehenden § 79 sowie zahlreicher Bestimmungen i n Nebengesetzen den Verlust bürgerlicher Rechte als Folge strafbarer Handlungen grundsätzlich beseitigt hat (s. unten S. 118). Z u erwähnen sind ferner die Aufhebung des § 205 durch das Gesetz Nr. 123 vom 13. März 1943, das seinerseits durch das Gesetz Nr. 63 vom 3. März 1948 über Leistung juristischen Beistandes sowie I n kasso« und Detektivtätigkeit ersetzt worden ist, und die Aufhebung des § 196 durch das Tierschutzgesetz Nr. 256 vom 27. M a i 1950. Von der Ermächtigung, den Text des Strafgesetzbuchs unter Berücksichtigung der seit 1940 vorgenommenen Änderungen neu zu veröffentlichen, hat der Justizminister bisher keinen Gebrauch gemacht, da weitere Änderungen, u. a. eine Umgestaltung des 7. Kapitels über bedingte Strafurteile, geplant sind. IV. G e s e t z s a m m l u n g e n . L i t e r a t u r . Entscheidungen Die dänischen Strafgesetze erscheinen i n Abt. A des dänischen Gesetzblatts („Lovtidende"). A l l e i n dieser Abteilung veröffentlichten Gesetze sind m i t fortlaufenden Nummern versehen, deren Reihe m i t jedem Kalenderjahr neu beginnt. Die Gesetze pflegen eine Bestimmung darüber zu enthalten, wann sie i n K r a f t treten. Ist dies nicht der Fall, so treten sie eine Woche nach der Ausgabe des Gesetzblatts i n Kraft (§ 3 des Gesetzes vom 25. Juni 1870). I n den folgenden Gesetzsammlungen sind die Gesetze übersichtlich geordnet: Danmarks Love (Dänemarks Gesetze) 1665 bis 1949, erschienen Kopenhagen 1950. Die Sammlung enthält alle geltenden Gesetze vonBedeutung. Karnov's Lovsamling (Gesetzsammlung), 4. Auflage, Kopenhagen 1948, herausgegeben von Rechtsanwalt M. Karnov (5. Aufl. 1955 i m Erscheinen begriffen). Die Sammlung w i r d durch jährliche Ergänzungen und Register auf dem laufenden gehalten. Die Redaktion und Kommentierung, ursprünglich i n den Händen von Professor Hurwitz, liegt seit 1951 bei Professor v. Eyben. Dansk Lovregister (Dänisches Gesetzregister), 26. Jahrgang 1954, bearbeitet von V. Topsoe-Jensen, unterrichtet über die jeweils i n Kraft befindlichen Gesetze.
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L i t e r a t u r . Die beiden Hauptwerke sind der Kommentar zum Strafgesetzbuch von Professor Dr. jur. Oluf H. Krabbe 1 6 , 4. Auflage, Kopenhagen 1947, und das unter dem Titel „Den danske K r i m i n a l r e t " (das dänische Kriminalrecht) i m Erscheinen begriffene systematische Lehrbuch von Professor Dr. jur. Stephan Hurwitz, von dem bisher der allgemeine Teil, Kopenhagen 1950—1952, erschienen ist. Siehe hierüber auch unten S. 84. Von Hurwitz ist 1948 auch eine Textausgabe des Strafgesetzbuchs m i t Hinweisen i n 2. Auflage erschienen. Von Werken des gleichen Verfassers sind ferner zu nennen das 1951 i n Kopenhagen unter dem Titel „Kriminologi" i n 2. Auflage erschienene Lehrbuch der Kriminologie und das 1949 i n Kopenhagen i n 2. Auflage erschienene Lehrbuch des strafprozessualen Teils des Rechtspflegegesetzes (s. unten S. 99), betitelt „Den danske Strafferetspleje" (die dänische Strafrechtspflege). Von älteren Darstellungen des Strafrechts sind die systematischen Werke von Carl Goos (Einleitung 1875, Über das Verbrechen 1878, Besonderer Teil 1895/96) und Carl Torp (Allgemeiner Teil 1905) zu nennen. I m übrigen s. über die ältere Literatur Olrik Bd. I S. 225, Bd. I I S. 467, ferner Hurwitz S. 142 ff. Über die Vorarbeiten zum Strafgesetzbuch einschließlich der i n Verbindung damit erschienenen Literatur findet sich eine Übersicht auf S. I X — X I I der 3. Auflage des oben genannten Kommentars von Krabbe, Kopenhagen 1941. Literaturangaben für die Zeit von 1942 bis 1948 s. bei Hurwitz i n der oben S. 81, Anm. 15 genannten Darstellung, für die Zeit von 1949 bis 1952 i n der Darstellung des gleichen Verfassers i n ZStW Bd. 65 S. 153 ff. — Eine Übersicht über die gesamte dänische Literatur gibt Torben Lund, „Juridiske Literaturhenvisninger" (juristische Literaturhinweise), Kopenhagen 1950. Zahlreiche Aufsätze strafrechtlichen Inhalts, die ebenso wie die neuere Spezialliteratur an der entsprechenden Stelle der nachfolgenden Darstellung zitiert werden, soweit sie von allgemeinerem Interesse sind, finden sich i n der i n Kopenhagen erscheinenden Nordisk Tidsskrift for Kriminalvidenskab (Nordische Zeitschrift für K r i minalwissenschaft), 1949 aus der Nordisk Tidsskrift for Strafferet (Nordische Zeitschrift für Strafrecht) hervorgegangen und jetzt (1954) i m 42. Jahrgang. Die Redaktion besteht aus Wissenschaftlern und Praktikern der fünf nordischen Länder unter der Hauptredaktion von Hurwitz. Ferner enthält das seit 1936 alljährlich i n Stockholm erscheinende Jahrbuch der nordischen kriminalistischen Vereinigungen („De nordiska kriminalistföreningars ârsbok") die stenographischen Tagungsberichte. 18
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Verstorben 1951.
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Das Strafrecht Dänemarks
E n t s c h e i d u n g e n erscheinen regelmäßig i n der „Ugeskrift for Retsvaesen" (Wochenschrift für Rechtswesen), i n der „Vestre Landsrets Tidende" (Zeitschrift des Landgerichts in Viborg) und in der „H0jesteretstidende" (Zeitschrift des Obersten Gerichtshofs), Entscheidungen der unteren Gerichte auch i n der Zeitschrift „Juristen" (Der Jurist). Eine systematische Übersicht über Urteile i n Strafsachen („Systematisk Oversigt over Domme i kriminelle Sager") von Schlegel und Faurholt ist zuletzt für die Zeit von 1933 bis 1942 erschienen. Fortgesetzt von A. Bach für die Zeit von 1943 bis 1952, Kopenhagen 1954. Über die Rechtsprechung — namentlich des Obersten Gerichtshofs — für die Zeit von 1945 bis 1953 unterrichtet Ο. I. Kaarsberg i n N T f K 1952 S. 263 ff. und 1954 S. 223 ff.
Zweiter
Abschnitt
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs Der Allgemeine Teil, seinem Umfang nach etwa ein D r i t t e l des Gesetzes, bringt nach den einleitenden Bestimmungen des 1. Kapitels i n den Kapiteln 2—4 eine Regelung der i n Betracht kommenden allgemeinstrafrechtlichen Gesichtspunkte. Ebensowenig wie i m Reichsstrafgesetzbuch werden Grundbegriffe wie Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit, Schuld, ursächlicher Zusammenhang usw. definiert. Hier muß auf die dänische Rechtswissenschaft verwiesen werden, die i n dem oben S. 83 genannten Lehrbuch von Hurwitz zum erstenmal seit Inkrafttreten des Strafgesetzbuchs eine großzügig angelegte, zusammenfassende systematische Darstellung gefunden hat, die weitgehend auch die deutsche Rechtswissenschaft berücksichtigt, m i t der die dänische i m großen und ganzen übereinstimmt, ohne doch so durchgebildet zu sein wie jene — dies gilt besonders von der Schuldlehre 1 . I m Gegensatz hierzu sind die Entscheidungen der Gerichte weniger ergiebig, da die Begründung oft von außerordentlicher Knappheit ist. Die Kennzeichnung des Verbrechens als einer rechtswidrigen schuldhaften Handlung, die in einem besonderen gesetzlichen Tatbestand beschrieben und für strafbar erklärt ist, gilt m i t der aus der Zulassung der Analogie folgenden Einschränkung auch für das dänische Recht 2 . — Das 5. Kapitel regelt einige Fälle der Strafverfolgung, die Kapitel 6 bis 10 enthalten die Bestimmungen über Strafen, sichernde Maßregeln u. dgl., das 11. Kapitel regelt die Verjährung. 1 2
Vgl. Hurwitz, Vgl. Hurwitz,
S. 14. S. 5 ff.
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
Erstes
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Kapitel
Einleitende Bestimmungen (§§ 1—2) I. A n a l o g i e A n die Spitze des Allgemeinen Teils stellt das Strafgesetzbuch den Satz, daß eine Strafe nur für eine Handlung 3 verhängt werden kann, deren Strafbarkeit gesetzlich bestimmt ist. Dieser Fundamentalgrundsatz erleidet aber eine bedeutsame Einschränkung durch die weitere Bestimmung, daß eine Handlung auch dann bestraft werden kann, wenn sie einer i m Gesetz für strafbar erklärten Handlung ganz gleichzustellen ist (§ 1 Satz 1). Damit ist ein Grundsatz übernommen worden, der bereits i m Strafgesetzbuch von 1866 Geltung hatte (oben S. 76), wenn auch nicht aus den gleichen gesetzgeberischen Motiven. Denn während damals m i t der Möglichkeit gerechnet werden mußte, daß der Gesetzgeber bei der erstmaligen Kodifikation des Strafrechts die beabsichtigte Vollständigkeit nicht überall erreicht hatte, schied diese Befürchtung bei der Reform des Straf rechts i m Jahre 1930 aus 4 . Zur Rechtfertigung der Vorschrift hat man u. a. hervorgehoben, daß sie dazu beiträgt, die Tatbestände des Besonderen Teils weniger kasuistisch und weitschweifig zu gestalten und daß ihr Anwendungsgebiet nur wenig über den Bereich sachgemäßer Gesetzesauslegung hinausgeht. Die Fälle, i n denen auf Grund eines Analogieschlusses verurteilt wird, sind selten, und bei manchen dieser Entscheidungen hat die Rechtswissenschaft angenommen, daß das Ergebnis auch durch Auslegung zu erreichen war. Auch der Oberste Gerichtshof hat gelegentlich eine auf Grund von Analogie getroffene Entscheidung der unteren Gerichte i n eine solche kraft Auslegung umgewandelt 5 . Eine auf Analogie gestützte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs liegt bisher nicht vor. Obwohl also Praxis und Rechtswissenschaft sich der Tatsache bewußt sind, daß die Vorschrift mit Vorsicht anzuwenden ist, geben einzelne Entscheidungen der unteren Gerichte doch Anlaß zu Bedenken. Hier i n Kürze einige Beispiele. Ein Angeklagter, der mit einer geheimen Anlage T e l e f o n g e s p r ä c h e abgehört hatte, wurde auf Grund der Vorschriften über die Verletzung des B r i e f g e h e i m n i s s e s bestraft (§ 263 Abs. 1 Ziffer 1 — unten S. 177: „wer den Frieden eines anderen dadurch stört, daß er einen Brief erbricht oder sich sonst eine an einen anderen gerichtete geschlossene 3 Das Gesetz sagt: „Für ein Verhalten" (fcrhold) und umfaßt damit auch Unterlassungen. „Forhold" bedeutet in diesem Zusammenhang auch „Tatbestand". 4 Vgl. zum folgenden Krabbe, S. 102 ff.. Hurwitz, S. 137 ff. 5 Ζ. B. UfR 1934, S. 719 ff.
86
Das Strafrecht Dänemarks
Mitteilung verschafft") 6 . Ebenso sind die Vorschriften, die für die öffentliche Verfolgung von Beleidigungen i n anonymen S c h r i f t s t ü c k e n gelten (§ 275, unten S. 182), auf anonyme T e l e f o n a n r u f e angewandt worden 7 . E i n Angeklagter, der gegen Entgelt eine Gefängnisstrafe für einen anderen abgebüßt hatte, wurde wegen Zuwiderhandlung gegen die i m Abschnitt über Straftaten gegen die öffentliche Gewalt enthaltenen Bestimmungen über B e g ü n s t i g u n g verurteilt (§ 125 Abs. 1 Ziffer 1 — unten S. 141: „wer jemanden i n der Absicht, ihn der Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Strafe zu entziehen, verborgen hält, i h m zur Flucht behilflich ist oder i h n für einen anderen ausgibt") 8 . Gleichfalls wegen Zuwiderhandlung gegen eine i m Abschnitt über Straftaten gegen die öffentliche Gew a l t enthaltene Vorschrift wurden Angeklagte i n einem Fall verurteilt, i n dem der von ihnen i n seiner Wohnung m i t Drohungen Angegriffene aus seinem A m t als Vorsitzender eines Gemeindewaisenrats bereits a u s g e s c h i e d e n war, der Angriff aber i m Zusammenhang m i t seiner f r ü h e r e n amtlichen Tätigkeit stand (§ 119 Abs. 1 — unten S. 140: „wer m i t Gewalt oder durch Bedrohung m i t Gewalt jemanden, dem es obliegt, auf Grund öffentlidien Amtes oder Auftrages zu handeln, während der Ausübung des Amtes oder Auftrages oder aus Anlaß derselben angreift") 9 . I n den hier genannten Fällen mag die Bestrafung des Täters k r i m i nalpolitisch wünschenswert gewesen sein — es läßt sich aber nicht leugnen, daß die Grenzziehung doch Anlaß zu erheblichen Zweifeln gibt. Wenn die Rechtswissenschaft mit Recht den Standpunkt vertritt, daß die Gesetzesanalogie nur da zulässig ist, wo unter Berücksichtigung ihres Zweckes die Nichtanwendung reiner Formalismus wäre 1 0 , so würde man gewiß i n keinem der hier genannten Fälle die A b lehnung der Analogie als Formalismus bezeichnen können. Ist die A b hörung von Telefongesprächen i n einem i m Jahre 1930 erlassenen und i m Jahre 1939 gerade auf diesem Gebiet revidierten 1 1 Strafgesetzbuch nicht kriminalisiert worden 1 2 , so sprechen gute Gründe dafür, sie straffrei zu lassen. Bei der Verbüßung einer Gefängnisstrafe für einen anderen gegen Entgelt w i r d die Willensrichtung des Täters i n der Regel nicht so sehr darauf gerichtet sein, den anderen der Strafe zu entziehen und damit eine gegen die öffentliche Gewalt gerichtete Handlung vorzunehmen, als vielmehr darauf, sich durch Verbüßung β
UfR 1940, S. 156. UfR 1935, S. 1147. Juristen D 1942, S. 335. 9 UfR 1938, S. 640. 10 Hurwitz, S. 139. 11 Gesetz Nr. 87 vom 15. März 1939, oben S. 80 f. 12 Anders ζ. B. das italienische Strafgesetzbuch, § 616 Abs. 4.
7
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Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
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der Strafe einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Eine vollständige Gesetzesanalogie kann daher auch hier schwerlich angenommen werden, und noch weniger wäre die Strafbarkeit der Tat auf Auslegung zu stützen 1 3 . Ob eine Verurteilung auf Grund direkter oder analoger Anwendung der Vorschriften über mittelbare Falschbeurkundung (§ 175, unten S. 154) erwogen wurde, läßt sich aus dem Urteil nicht entnehmen. Was endlich die Ausdehnung des den Beamten gewährten besonderen Schutzes auf frühere Beamte betrifft, so mag dieser Gedanke zunächst etwas Bestechendes haben, und auch hier hat man das Ergebnis schon durch Auslegung erreichen wollen 1 4 . A u f der anderen Seite w i r d man aber nicht unberücksichtigt lassen dürfen, daß das Strafgesetzbuch i n einem noch viel selbstverständlicheren Falle, nämlich dem der Verletzung der Amtsverschwiegenheit, die früheren Beamten 'den aktiven ausdrücklich gleichstellt (§ 152 Abs. 2, unten S. 148). Die Frage, nach wie langer Zeit ein früherer Beamter noch gegen A n griffe aus Anlaß seiner früheren Amtsführung durch Spezialbestimmungen zu schützen ist, ist kriminalpolitisch wohl auch nicht einfach zu lösen. Schließlich lag i n dem hier genannten Fall unzweifelhaft qualifizierter Hausfriedensbruch vor, da die Angeklagten gemeinschaftlich i n die Wohnung eingedrungen waren und dort unter Drohungen Fensterscheiben eingeschlagen hatten — (§ 264 Abs. 3, unten S. 178), nach welcher Bestimmung auf eine weit höhere Strafe als die tatsächlich verhängten 30 Tage Haft hätte erkannt werden können. A n der Möglichkeit einer Bestrafung fehlte es daher nicht. Nach alledem w i r d man das Institut der Analogie — jedenfalls so, wie es gelegentlich unter Billigung der Rechtswissenschaft i n der Praxis gehandhabt w i r d — doch m i t einiger Skepsis betrachten müssen. — Der Grundsatz, daß die Analogie niemals über die Grenzen einer vollständigen Gesetzesanalogie hinausgehen darf, bezieht sich nur auf Entscheidungen zuungunsten des Angeklagten, also auf die Strafbarkeit der Handlung, die Strafe und nach ausdrücklicher Gesetzesvorschrift auch auf die i n den Kapiteln 8 und 9 genannten Rechtsfolgen (§ 1 Satz 2). Zugunsten des Angeklagten unterliegt die Analogie dagegen keinen anderen Einschränkungen als denen, die überhaupt i m Recht für Analogieschlüsse gelten. Unter Gesetzen, die die Strafbarkeit einer Handlung bestimmen, sind selbstverständlich auch solche Anordnungen zu verstehen, die auf Grund von Blankettgesetzen durch die dazu ermächtigten Stellen erlassen worden sind 1 5 . 13 14 15
Abw. Hurwitz, S. 141. Hurwitz, S. 141. Hurwitz, S. 130.
Das Srafrecht Dänemarks
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II. G e l t u n g d e s A l l g e m e i n e n T e i l s für die Nebengesetze I m Gegensatz zum Strafgesetzbuch von 1866 gilt der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs — einschließlich der eben besprochenen Vorschriften über Analogie — auch für die Nebengesetzgebung, soweit nicht Ausnahmen im Strafgesetzbuch selbst oder in den Nebengesetzen gemacht sind (§ 2). Die Bestimmung hat also subsidiären Charakter, so daß die oben S. 80 erwähnte Vorschrift des § 3 Abs. 2 des Einführungsgesetzes, wonach Bestimmungen aufgehoben sind, die i m Widerspruch zum Inhalt des Strafgesetzbuchs stehen, hier nicht entgegensteht. Bestimmungen i n älteren Gesetzen, nach denen eine strafbare Handlung vorliegt, selbst wenn den Täter kein Verschulden trifft, sind daher i n Kraft geblieben. Näheres s. unten S. 194.
Zweites
Kapitel
Allgemeine Bedingungen für die Anwendung strafrechtlicher Bestimmungen (§§ 3—12) Unter diesem Titel behandelt das Gesetz die zeitliche und räumliche Geltung der Strafgesetze. I. Z e i t l i c h e G e l t u n g (§§ 3—5) 16 A. Die S t r a f b a r k e i t einer Handlung und die dafür zu verhängende S t r a f e bestimmen sich nach den zur Zeit der A b u r t e i l u n g geltenden Gesetzen; die Entscheidung darf aber nicht strenger als nach den zur Zeit der Tat geltenden Gesetzen sein (§ 3 Abs. 1 Satz 1). Nur wenn ein zur Zeit der Tat geltendes Gesetz aus äußeren Gründen, die mit der Strafschuld nichts zu tun haben, außer Kraft tritt, bleibt es für die Bestrafung der während seiner Gültigkeit begangenen Handlungen maßgebend (Satz 2). Unter diese Vorschrift werden u. a. zeitlich begrenzte sowie solche Gesetze fallen, die aus bestimmtem, später fortgefallenem Anlaß gewisse Handlungen unter Strafe stellen, wie ζ. B. die aus Anlaß eines Krieges erlassenen Gesetze. Die Abgrenzung i m Einzelfall kann zweifelhaft sein. B. Für die s o n s t i g e n R e c h t s f o l g e n der strafbaren Handlung gelten diese Grundsätze nicht uneingeschränkt, da das Gesetz bestimmte Rechtsfolgen auch dann eintreten läßt, wenn sie zur Zeit der Tat noch nicht galten (§ 4 Abs. 1). Es handelt sich hier um das Absehen von der Verfolgung Jugendlicher zwischen 15 und 18 Jahren (§ 30 — unten S. 100), um die Vorschriften des 7. Kapitels über be1
Vgl. Hurwitz,
S. 1
ff.
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dingte Strafurteile und u m die Vorschriften des 9. Kapitels über „andere Rechtsfolgen der strafbaren Handlung". Für die i m 8. Kapitel vorgesehenen schweren Rechtsfolgen — Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung — sowie für weitere, hier nicht ausdrücklich genannte Rechtsfolgen — s. hierüber unten S. 119 —, behält es aber bei den Grundsätzen unter A. sein Bewenden (§ 4 Abs. 2). C. Auch eine erst n a c h r e c h t s k r ä f t i g e r Verurteilung eingetretene Veränderung der Rechtslage kann dem Verurteilten unter Umständen noch zugute kommen, nämlich wenn die Strafbarkeit der Handlung durch ein Gesetz fortgefallen ist und dies nicht auf äußeren Gründen — s. oben unter A. — beruht. Soweit in einem solchen Fall die Strafe noch nicht vollzogen ist, fällt sie fort, worüber die Anklagebehörde auf Verlangen des Verurteilten eine Entscheidung des Gerichts erster Instanz einzuholen hat (§ 3 Abs. 2). Die gleichen Grundsätze gelten für solche anderen Rechtsfolgen, deren Eintritt eine Folge der Strafbarkeiti der Handlung war (§ 4 Abs. 3). D. Ist zu entscheiden, ob eine zur Aburteilung stehende Tat wegen Rückfalls zur Strafschärfung oder zur Verhängung anderer Rechtsfolgen Anlaß gibt — s. hierüber unten S. 121 — so sind die jiach früheren Gesetzen getroffenen Entscheidungen nach ihrem Inhalt mit zu berücksichtigen (§ 5). II. R ä u m 1 i c h e G e 11 u n g (§§ 6—12)1? A. A l l e i m d ä n i s c h e n S t a a t begangenen Handlungen unterliegen ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Täters der dänischen Strafgewalt (§ 6 Abs. 1 Ziffer 1), soweit nicht völkerrechtlich anerkannte Ausnahmen entgegenstehen (§ 12). Es gilt also das Territorialprinzip. Zum dänischen Staat gehören außer dem eigentlichen Königreich die Färöer und Grönland. Für Grönland gilt das moderne Kriminalgesetzbuch vom 5. März 1954. B. A u ß e r h a l b D ä n e m a r k s begangene Handlungen werden nur bestraft, wenn sie entweder von dänischen Staatsangehörigen — oder ihnen gleichstehenden Personen, s. zu 1 — begangen sind oder sich gegen dänische Interessen richten. Der sog. „Weltrechtsgrundsatz" ist daher nicht anerkannt, doch ist Dänemark einer Reihe von internationalen Abkommen beigetreten (vgl. unten S. 152, 168, 169, 193). I m einzelnen gilt folgendes: 1. Die i m Ausland begangenen Handlungen d ä n i s c h e r S t a a t s a n g e h ö r i g e r werden bestraft, wenn sie auch i m Ausland strafbar sind (§ 7 Ziffer 2). Hat die Handlung auf einem Gebiet stattgefunden, 17
Vgl. Hurwitz,
S. 145 ff.
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das zu keinem Staate gehört — ζ. B. auf hoher See an Bord eines ausländischen Schiffes —, so kann sie nur bestraft werden, wenn sie mit höherer Strafe als Haft bedroht ist (Ziffer 1). Den dänischen Staatsangehörigen stehen hier und i m folgenden diejenigen Personen gleich, die ihren Wohnsitz i n Dänemark haben — offenbar eine Reminiszenz aus der Zeit, als die dänische Staatsangehörigkeit noch durch Begründung des Wohnsitzes erworben wurde. 2. O h n e R ü c k s i c h t a u f d i e S t a a t s a n g e h ö r i g k e i t des Täters werden i m Ausland begangene Handlungen bestraft, die sich gegen die Selbständigkeit, die Sicherheit, die Verfassung oder öffentliche Behörden des dänischen Staats richten oder eine i h m gegenüber bestehende Amtspflicht verletzen (§ 8 Abs. 1 Ziffer 1). Es handelt sich hier i m wesentlichen um die nach Kap. 12 und 13, zum Teil auch um die nach Kap. 14 und 16 strafbaren Handlungen. Der weiter i m Gesetz genannte Fall, daß die Handlung sich gegen Interessen richtet, deren Rechtsschutz i m dänischen Staat ein besonderes Zugehörigkeitsverhältnis zu diesem voraussetzt, ist kaum von großer praktischer Bedeutung 1 8 . Strafbar ist ferner eine Handlung, die eine Verpflichtung, deren Beobachtung i m Ausland dem Täter kraft Gesetzes obliegt, oder eine i h m gegenüber einem dänischen Schiff obliegende Amtspflicht verletzt (Ziffer 2). Endlich werden Handlungen gegen dänische Staatsangehörige und ihnen gleichstehende Personen bestraft, wenn sie außerhalb des völkerrechtlich anerkannten Gebiets eines Staates begangen worden sind und Handlungen dieser A r t höhere Strafe als Haft nach sich ziehen können (Ziffer 3); die Verfolgung liegt hier i m Ermessen des Reichsanwalts (§ 8 Abs. 2). C. Besondere Vorschriften gelten für strafbare Handlungen auf S c h i f f e n . Dänische Schiffe gelten, solange sie sich außerhalb des völkerrechtlich anerkannten Gebiets eines Staates befinden, als schwimmende Gebietsteile des Heimatlandes (§ 6 Abs. 1 Ziffer 2). Befinden sie sich auf ausländischem Gebiet, so sind die an Bord begangenen Handlungen nur strafbar, wenn sie von einem Passagier oder einem Mitglied der Besatzung begangen werden (Ziffer 3); über die Verjährung s. unten S. 129. Handlungen, die auf dänischem Gebiet an Bord eines ausländischen Schiffes begangen werden, können bestraft werden, wenn sowohl der Täter wie der Verletzte zu den Passagieren oder zur Besatzung gehört; i n welchem Umfange solche Handlungen zu verfolgen sind, unterliegt der Bestimmung des Justizministers (§ 6 Abs. 2) 19 . 18
Vgl. Hurwitz, S. 153. Zur Zelt gilt die justizministerielle Anordnung Nr. 290 vom 15. November 1932. 19
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Man n i m m t an, daß die für Schiffe geltenden Bestimmungen entsprechend auch auf F l u g z e u g e anwendbar sind. D. Als T a t o r t gilt auch der Ort, an dem ein Erfolg der strafbaren Handlung eingetreten ist oder eintreten sollte, wenn die Strafbarkeit von dem wirklichen oder beabsichtigten E i n t r i t t des Erfolges abhängig ist oder davon beeinflußt wird, d. h. wenn i n einem solchen Fall Strafschärfung vorgesehen ist (§ 9) 2 0 . Bei Unterlassungsdelikten ist nach allgemeinen Gesichtspunkten als Tatort der Ort anzusehen, an dem die Handlung hätte vorgenommen werden sollen. E. Alle strafbaren Handlungen, die hiernach der dänischen Strafgewalt unterliegen, werden nach d ä n i s c h e m R e c h t abgeurteilt (§ 10 Abs. 1). Ist die Strafbarkeit einer Handlung aber davon abhängig, daß sie auch nach ausländischem Recht strafbar ist (oben B. 1), so kann auf keine strengere Strafe erkannt werden, als das ausländische Recht vorsieht (Abs. 2), und die Verfolgung unterbleibt, wenn der Täter i m Ausland rechtskräftig freigesprochen ist oder wenn die dort erkannte Strafe vollzogen oder nach den dortigen Gesetzen fortgefallen ist, ζ. B. durch Verjährung oder durch Fristablauf bei bedingter Verurteilung (Abs. 3). Eine i m Ausland für die i m Inland zur Aburteilung stehende Tat erlittene Strafe ist stets zu berücksichtigen und je nach den Umständen voll oder teilweise anzurechnen (Abs. 4). Kann die i m Ausland abgeurteilte Tat nach dänischem Recht den Verlust von Rechten nach sich ziehen — s. hierüber unten S. 118 —, so kann die Aberkennung i n einem besonderen Verfahren erfolgen (§ H ) · Über die Rückfallswirkung ausländischer Urteile s. unten S. 122, über die Ausschließung des Wahrheitsbeweises bei freisprechenden ausländischen Urteilen unten S. 181. Drittes
Kapitel
Bedingungen der Strafbarkeit (§§ 13—20) Das Kapitel enthält ohne Rücksicht auf die theoretische Einordnung eine Reihe von Gründen, die die Strafbarkeit ausschließen, und ist insoweit m i t dem 4. Abschnitt des Allgemeinen Teils des Reichsstrafgesetzbuchs verwandt. Notwehr (§ 13) und Notstand (§ 14) werden i n der Rechtswissenschaft als objektive Strafausschließungsgründe betrachtet, während Strafunmündigkeit (§ 15), Unzurechnungsfähigkeit (§ 16), psychische Anomalien (§ 17) und sinnlose Trunkenheit (§ 18) 20 Über diese in ihrer Tragweite zweifelhafte bei Hurwitz, S. 155 ff.
Bestimmung s. näheres
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als subjektive Strafausschließungsgründe gelten. Auch die Bestrafung fahrlässiger Handlungen (§ 19) und der Ausschluß der Erfolgshaftung (§ 20) werden geregelt. Besondere Bestimmungen über Taubstumme fehlen. Der I r r t u m gilt als Strafmilderungsgrund — s. hierüber unten S. 123. Über Verjährung s. unten S. 128, über den Strafantrag S. 100, über die Bedeutung der Einwilligung bei Körperverletzungen S. 172, über Handeln auf Befehl S. 196. I. Ν ο t w e h r (§ 13) 21 Die i n Notwehr begangene Handlung ist nicht rechtswidrig und daher straflos. Notwehr liegt vor, wenn die Handlung notwendig ist, um einem begonnenen oder unmittelbar drohenden unrechtmäßigen A n g r i f f Widerstand zu leisten oder ihn abzuwehren, und nicht offenbar über das Maß hinausgeht, das mit Rücksicht auf die Gefährlichkeit des Angriffs, die Person des Angreifers und die Bedeutung des angegriffenen Rechtsguts zu verantworten ist (Abs. 1). Damit w i r d der Begriff der Notwendigkeit der Abwehrhandlung umgrenzt, damit diese in einem vernünftigen Verhältnis zum Angriff stehe. Die Bestimmung ist nicht als erschöpfend anzusehen. Die Frage, ob der Täter in Notwehr gehandelt und sich innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen gehalten hat, w i r d nach der Fassung des Gesetzes grundsätzlich nach objektivem Maßstab zu beurteilen sein 2 2 . Die Überschreitung der Notwehr ist straflos, wenn sie durch Schrecken oder Aufregung, hervorgerufen durch den Angriff, ausreichend gerechtfertigt ist (Abs. 2). Beruht die Überschreitung auf anderen Gründen, so kann die Strafe herabgesetzt werden oder ganz fortfallen — s. hierüber unten S. 123. Die Vorschriften über Notwehr gelten auch für Handlungen, die notwendig sind, um gesetzmäßigen Anordnungen Gehör zu verschaffen, eine Festnahme vorzunehmen oder das Entweichen von Gefangenen usw. zu verhindern (Abs. 3). Diese Handlungen sind daher nicht rechtswidrig, wenn sie sich innerhalb der für die Notwehr gezogenen Grenzen halten; Notwehrhandlungen sind sie aber nicht, da sie keinen Angriff voraussetzen. II. N o t s t a n d (§ 14) 23 Auch die Notstandshandlung straflos. 21 22 23
Vgl. Hurwitz, S. 259 ff. S. aber Hurwitz, S. 269. Vgl. Hurwitz, S. 278 ff.
ist
nicht
rechtswidrig
und
daher
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Notstand, nach dänischem Sprachgebrauch „Notrecht", liegt vor, wenn die — an sich strafbare — Handlung zur Abwehr drohenden Schadens an Personen oder Sachen notwendig ist und die Gesetzesverletzung von verhältnismäßig untergeordneter Bedeutung erscheint. Der Begriff ist daher ein durchaus anderer als nach deutschem Recht. A u f die A r t des drohenden Schadens und auf die Bedeutung des bedrohten Rechtsguts kommt es nicht an, wenn nur die Abwehrhandlung notwendig war, d. h. i m richtigen Verhältnis zu dem durch den A n griff drohenden Schaden stand. Hierauf beruht die Forderung, daß die Gesetzesverletzung von verhältnismäßig untergeordneter Bedeutung sein muß, was gleichzeitig dahin zu verstehen sein wird, daß überhaupt nur solche Gesetzes Verletzungen zulässig sind, die auch objektiv nicht von erheblicher Bedeutung sind. Auch die Notstandsbestimmungen sind nicht erschöpfend — vgl. ζ. B. über die Straflosigkeit des Täters, der sich oder seine nächsten Angehörigen der Verfolgung oder der Strafe entziehen w i l l , unten S. 141, 146. Ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Notrechts vorlagen, w i r d ebenso wie bei der Notwehr grundsätzlich nach objektivem Maßstab zu beurteilen sein. Die Überschreitung des Notrechts ist stets rechtswidrig, doch kann auch hier die Strafe herabgesetzt werden oder ganz fortfallen — s. unten S. 123. I I I . S t r a f u n m ü n d i g k e i t (§ 15) 24 Handlungen von Kindern unter 15 Jahren werden nicht bestraft. Über Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren s. unten S. 100. IV. U n z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t (§ 16) 25 Handlungen von Personen, die wegen Geisteskrankheit unzurechnungsfähig sind, sind straflos. Geisteskrankheit des Täters ist daher für sich allein noch kein Schuldausschließungsgrund 20 , sondern es muß hinzukommen, daß der Täter infolge der Geisteskrankheit unzurechnungsfähig war. Was unter Unzurechnungsfähigkeit zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Der Begriff der Unzurechnungsfähigkeit ist nicht nur generell zu verstehen, sondern auch in Beziehung zu der begangenen Tat zu bringen. Die Gerichte haben gelegentlich trotz ärztlich begutachteter Geisteskrankheit die Zurechnungsfähigkeit bejaht, ζ. B. mit der Begründung, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen der Krankheit und der Tat nicht derart sei, daß die Zurechnungsfähigkeit ausgeschlossen war. W i r d der Täter wegen Unzurech24
Vgl. Hurwitz, S. 395 ff. Vgl. Hurwitz, S. 401 ff., 415 ff., v. Eyben in N T f K 1951, S. 295. S. ferner H. Heiweg, Den retslige psykiatri i kort omr'ids (Kurzer Abriß der gerichtlichen Psychiatrie), 2. Auflage, Kopenhagen 1949. 26 Anders das norwegische Strafgesetzbuch § 44. 25
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nungsfähigkeit freigesprochen, so können sichernde Maßregeln angeordnet werden — s. unten S. 114. Zustände, die einer Geisteskrankheit gleichzustellen sind, wie ζ. B. Fieberdelirien, epileptische Dämmerzustände usw. haben die gleichen Rechtsfolgen wie Geisteskrankheit, ebenso hochgradiger Schwachsinn (Idiotie, Imbezillität). Über die Rechtsfolgen einer erst nach Begehung der Tat, aber vor der Aburteilung eingetretenen Unzurechnungsfähigkeit s. unten S. 115. V. P s y c h i s c h e A n o m a l i e n (§ 17) 27 Die Bestimmung betrifft die Behandlung psychisch Abnormer (vgl. oben S. 78) und hat i n erster Linie die sog. „Psychopathen" i m Auge, nämlich Personen, deren Zustand nach A r t und Grad nicht der Unzurechnungsfähigkeit des § 16 entspricht, sondern auf unzureichender Entwicklung, Schwächung oder Störung ihrer psychischen Fähigkeiten, einschließlich geschlechtlicher Anomalien, beruht; auch Geistesschwache leichteren Grades fallen unter die Bestimmung. Hat der Täter sich bei Begehung der Tat i n einem solchen — nicht nur vorübergehenden — Zustand befunden, so ist seine Bestrafung davon abhängig, ob er der E i n w i r k u n g durch Strafe zugänglich ist. Hierüber entscheidet das Gericht nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens unter Berücksichtigung aller i n Betracht kommenden Umstände nach freiem Ermessen (Abs. 1). Bejaht es die Frage, so hat es zu normaler Strafe zu verurteilen, kann aber anordnen, daß eine Freiheitsstrafe i n einer besonderen Anstalt, dem sog. „Psychopathengefängnis", zu verbüßen ist. Diese Entscheidung kann während des Strafvollzugs vom Gefängnisausschuß (oben S. 80) geändert werden, wenn dies zweckmäßig erscheint, und ferner kann das Prozeßgericht letzter Instanz den Vollzug abbrechen, wenn dieser sich als nutzlos erweist oder die Gefahr einer ernstlichen Verschlechterung des Zustandes des Verurteilten m i t sich bringen würde (Abs. 2). Von der Verurteilung zu Psychopathengefängnis — nicht m i t der sog. „Psychopathenverwahrung" zu verwechseln, die zu den sichernden Maßregeln gehört, auf die das Gericht erkennen kann, wenn eine Strafe nicht i n Frage kommt (vgl. unten S. 114) — w i r d i n der Praxis selten Gebrauch gemacht. Ordnet das Gericht sichernde Maßregeln an, so können andere Straftaten, bei denen eine Einwirkung durch Strafe zwar nicht ausgeschlossen wäre, die aber von geringerer Bedeutung sind, straflos bleiben (Abs. 3). Für den Fall, daß der krankhafte Zustand erst zwischen der Tat und der Aburteilung eingetreten ist, hat das Gericht die gleichen Möglich27 Vgl. Hurwitz, S. 427 ff., 651 f., le Maire in UfR B. 1948, S. 83 ff., und Sachs, das. S. 97 ff., le Maire in N T f K 1951, S. 21 ff.
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keiten wie bei später eingetretener Unzurechnungsfähigkeit — siehe unten S. 115. Über die Bestrafung von Affekthandlungen s. unten S. 124. VI. T r u n k e n h e i t
(§ 18) 28
Trunkenheit ist kein Strafausschließungsgrund, es sei denn, daß der Täter ohne Bewußtsein gehandelt hat. Die Bestimmung hat normale Fälle i m Auge — beruht die Trunkenheit auf krankhafter Grundlage, so ist die Anwendung der Vorschriften über Unzurechnungsfähigkeit oder psychische Anomalien nicht ausgeschlossen. I n der Praxis der Gerichte pflegt ein strenger Maßstab angelegt und Ausschluß des Bewußtseins nur i n Ausnahmefällen angenommen zu werden. Über selbstverschuldete Trunkenheit i m Falle einer Affekthandlung s. unten S. 125, über sichernde Maßregeln gegen Trinker S. 115, über die Versetzung von zu Gefängnis verurteilten Trinkern i n das Arbeitshaus S. 102, über Verurteilung zu Arbeitshaus (§ 62, Z. 4) S. 112, über die Bestrafung der Herbeiführung von Trunkenheit m i t daraus folgender Gefährdung S. 145, über Trunkenheit am Steuer S. 195. V I I . F a h r l ä s s i g k e i t (§ 19) 29 Die fahrlässige Begehung der i m Strafgesetzbuch behandelten Straftaten w i r d nur bestraft, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist, während umgekehrt die i n den Nebengesetzen geregelten Straftaten auch bei fahrlässiger Begehung bestraft werden, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmt ist. Diese schematische Unterscheidung ist mit Recht beanstandet worden 3 0 , weil die Nebengesetzgebung nicht mehr, wie i n früheren Zeiten, i m wesentlichen nur Polizeidelikte, sondern oft Straftaten von gleicher Bedeutung wie die i m Strafgesetzbuch geregelten umfaßt, so daß auch hier eine ausdrückliche Stellungnahme des Gesetzes wünschenswert wäre. — Uber Unterbrechung der Schwangerschaft s. unten S. 200. Die Bestrafung fahrlässiger, i m Strafgesetzbuch geregelter Straftaten ist, wie oben S. 79 erwähnt, gegen das frühere Recht erweitert worden, z. B. auf dem Gebiet der Körperverletzungen. Genannt seien ferner die Strafbarkeit grob fahrlässiger Freiheitsberaubung und grob fahrlässiger Eingehung einer Doppelehe. Über fahrlässige Nichtkenntnis gewisser Umstände bei der Begehung eines Sittlichkeitsdelikts s. unten S. 165, über grob fahrlässige Hehlerei S. 192. Nicht immer gilt für fahrlässige Handlungen ein anderer Strafrahmen als für vorsätzliche. 28 29 30
Vgl. Hurwitz, S. 435 ff. Vgl. Hurwitz, S. 341 ff. Hurwitz, S. 351.
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V I I I . E r f o l g s h a f t u n g (§ 20) 31 Wenn die Strafbarkeit einer vorsätzlichen Handlung von dem Eint r i t t eines vom Vorsatz nicht umfaßten Erfolges abhängt oder wenn der E i n t r i t t des Erfolges zur Strafschärfung führt, so treten diese Rechtsfolgen nur ein, wenn der Täter den Erfolg wenigstens fahrlässig herbeigeführt oder wenn er nicht alles getan hat, ihn abzuwenden, nachdem er auf die Gefahr aufmerksam geworden war. Die Bestimmung hat namentlich Bedeutung für die durch den Erfolg qualifizierte Körperverletzung (unten S. 173).
Viertes
Kapitel
Versuch und Teilnahme (§§ 21—24) I. Versuch (§§ 21— 2 2 p Die Begriffsbestimmung des Versuchs ist außerordentlich weit und unterscheidet sich von den meisten strafrechtlichen Systemen dadurch, daß lediglich subjektive Momente darüber entscheiden, ob Versuch vorliegt. Als Versuch w i r d jede Handlung bestraft, die darauf abzielt, die Ausführung einer Straftat zu fördern oder herbeizuführen, wenn diese nicht vollendet w i r d (§ 21 Abs. 1). Damit sind solche Handlungen ohne Rücksicht darauf strafbar, ob sie einen Anfang der Ausführung der Straftat enthalten, die Strafbarkeit t r i t t vielmehr bereits ein, wenn nur eine Vorbereitungshandlung — und sei es auch eine noch so entfernte — vorliegt 3 3 . Die Bestimmung ist unverändert aus dem Strafgesetzbuch von 1866 (§ 45) übernommen und hat schon früh Bedenken erregt. O l r i k 3 1 weist darauf hin, daß die Versuchslehre einer erneuten Untersuchung unterzogen werden müsse, namentlich m i t Rücksicht darauf, wo der strafbare Versuch beginne. Zu einer Änderung ist es aber nicht gekommen, doch mag hervorgehoben werden, daß die Auffassungen über die Tragweite des Gesetzestextes auch i n der zur Vorbereitung des Strafgesetzbuchs eingesetzten Kommission geteilt waren 3 5 . Namentlich ist die Bedeutung des Begriffs des darauf „Abzielens" umstritten. Die Frage, ob der Ausdruck eine über den Vorsatz hinausgehende A b s i c h t des Täters verlangt, w i r d von H u r w i t z 3 6 bejaht, soweit es sich nur um 31
Vgl. Hurwitz, S. 330 ff. Vgl. Hurwitz, S. 451 ff. 33 Hurwitz, S. 233, weist auf die dadurch bewirkte geringere Bedeutung der Kausalitätsfragen hin. 84 Bd. 1, S. 218. 35 Hurwitz, S. 338. 36 S. 339, 471. Vgl. Krabbe, S. 189. 32
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
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entferntere Vorbereitungshandlungen handelt. I n der Rechtsprechung herrscht aber die Neigung vor, den Versuchsbegriff weit zu fassen und schon beim Vorliegen gewöhnlichen Vorsatzes zu bestrafen. Andererseits w i r d von der Verfolgung leichterer oder entfernterer Versuchshandlungen i n der Praxis nur sparsam Gebrauch gemacht. Das entscheidende Gewicht liegt hiernach auf der Betätigung einer verbrecherischen Gesinnung, und von diesem Standpunkt aus ist die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs ohne weiteres gegeben. Soll er straflos bleiben, so bedarf es einer ausdrücklichen Bestimmung, wie sie ζ. B. i m Schwangerschaftsgesetz vorliegt (s. unten S. 199). Fahrlässiger Versuch ist nicht strafbar. Über versuchte Teilnahme und Teilnahme am Versuch s. unten S. 98. Die Strafe für Versuch ist i m Gesetz nicht fest umrissen. Es kann auf die gleiche Strafe wie für die vollendete Tat erkannt werden, die Strafe kann aber auch gemildert werden, und zwar bis auf das M i n i m u m der betreffenden Strafart 3 7 . Eine Milderung kann namentlich da erfolgen, wo der Versuch von geringer Stärke oder Festigkeit des verbrecherischen Vorsatzes zeugt ( § 2 1 Abs. 2). Der Versuch ist nur bei Handlungen strafbar, für die höhere Strafe als Haft vorgesehen ist, soweit nicht Gegenteiliges bestimmt ist (§ 21 Abs. 3); letzteres ist u. a. i n der Steuergesetzgebung geschehen. Die Rückfallswirkung des Versuchs ist die gleiche wie die der vollendeten Tat — s. unten S. 122. Handlungen, die auf Grund der Bestimmungen des Besonderen Teils bereits beim Vorliegen einer bestimmten Absicht strafbar sind, wie ζ. B. die zahlreichen Tatbestände der Kapitel 12 und 13, bei denen die Strafbarkeit eintritt, wenn die Handlung darauf „abzielt", dem Staat einen bestimmten Schaden zuzufügen, oder etwa der „Versuch", einen Beamten an der Vornahme einer Amtshandlung zu hindern (§ 119, Abs. 1, unten S. 140), können insoweit nicht versucht werden und sind nach den Grundsätzen über das vollendete Verbrechen zu bestrafen 38 ). Die Rechtswissenschaft spricht hier von Straftaten, deren „Vollendungsmoment vorverlegt" ist, was etwa dem „Unternehmen" des § 87 des Reichsstrafgesetzbuchs entsprechen mag. I m Falle des Rücktritts ist der Versuch straflos (§ 22). Rücktritt liegt vor, wenn der Täter bei unbeendetem Versuch die Ausführung der strafbaren Handlung aufgibt, sei es, daß er nur Vorbereitungshandlungen, sei es, daß er schon Ausführungshandlungen vorgenommen hatte, oder wenn er — bei beendetem Versuch — die Vollendung verhindert, sofern dies bei dem Charakter der betreffenden Straftat 37
Über die Praxis s. v. Eyben, S. 77, 230 f. Über Ausnahmen von diesem Grundsatz bei tungshandlungen s. Hurwitz, S. 464. 38
7
Ausländisches Strafrecht
I.
entfernteren
Vorberei-
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Das Strafrecht Dänemarks
noch möglich war. Er muß freiwillig gehandelt haben und nicht unter dem Druck zufälliger Hindernisse, die sich der Ausführung der Tat oder der Erreichung des m i t ihr beabsichtigten Zweckes entgegenstellen. Hat er Handlungen vorgenommen, die die Vollendung verhindert haben würden, wenn sie nicht ohnehin ohne sein Wissen mißglückt oder auf andere Weise abgewendet worden wäre, so kommt i h m dies gleichfalls zugute. Rücktritts- und ähnliche Handlungen nach vollendeter Straftat bewirken keine Straflosigkeit, können aber unter Umständen zur M i l derung oder zum Fortfall der Strafe führen — s. hierüber unten S. 124. I I . T e i l n a h m e (§ § 23—24) 39 ) Auch der Begriff der Teilnahme ist weit gefaßt. Das Gesetz unterscheidet grundsätzlich nicht zwischen Täter, Mittäter, Anstifter und Gehilfe, sondern bestimmt ganz allgemein, daß die für eine Straftat geltende Strafnorm auf jeden Anwendung findet, der durch A n reizung, Rat oder Tat daran teilgenommen, an ihr „ m i t g e w i r k t " hat (§ 23 Abs. 1 Satz 1). Damit ist jede denkbare A r t der Teilnahme getroffen. Der Ausdruck „Anreizung" ist weiter als der Begriff der A n stiftung oder Verleitung und umfaßt psychische Einwirkung schlechthin. Voraussetzung ist bei jeder A r t von Teilnahme, daß der Teilnehmer den gleichen Vorsatz wie der Täter hat, doch ist fahrlässige Teilnahme an vorsätzlichen Straftaten nicht ausgeschlossen (s. unten), soweit die fahrlässige Begehung überhaupt strafbar ist (s. oben S. 95). Auch Teilnahme an fahrlässigen Straftaten dürfte möglich sein 4 0 . Innerhalb des gemeinsamen Strafrahmens kann die Strafe für jeden Teilnehmer individuell bestimmt werden. Für denjenigen, der nur einen weniger wesentlichen Beistand leisten oder einen bereits gefaßten Entschluß bestärken wollte, kann die Strafe bis auf das M i n i m u m der betreffenden Strafart gemildert werden (§ 23 Abs. 1 Satz 2). Unter den gleichen Voraussetzungen kann die Strafe für den Teilnehmer ganz fortfallen, wenn die Straftat nicht m i t höherer Strafe als Haft bedroht ist, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 23 Abs. 3); das gleiche gilt, wenn die Teilnahme auf Fahrlässigkeit beruht. Strafmilderung ist auch möglich, wenn die Straftat nicht vollendet (Teilnahme am Versuch) oder eine beabsichtigte Teilnahme mißglückt ist (versuchte Teilnahme; § 23 Abs. 1 Satz 2). Endlich kann die Strafe auch für denjenigen gemildert werden, der an der Verletzung eines besonderen Pflichtverhältnisses teilnimmt, dem er selbst nicht untersteht (§ 23 Abs. 2), wie ζ. B. der Teilnehmer an einem Beamtendelikt. Straflos bleibt der Teilnehmer, der unter den Voraussetzungen, die 39 40
Vgl. Hurwitz, S. 493 ff. Hurwitz, S. 351, 507. Abw. Krabbe, S. 198.
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für den Rücktritt vom Versuch gelten (§ 22, oben S. 97), die Vollendung der Tat freiwillig verhindert (§ 24). Über Strafschärfung bei gemeinschaftlicher Begehung einer Straftat s. unten S. 121 f. Auch einzelne Tatbestände des Besonderen Teils enthalten Strafschärfungen für den Fall gemeinschaftlicher Begehung, ζ. B. beim Hausfriedensbruch (unten S. 178) und beim Diebstahl (unten S. 185). Eine Teilnahme, die auf Grund der Bestimmungen des Besonderen Teils bereits als solche strafbar ist, wie ζ. B. die Anstiftung zu einem Auflauf (§ 120, unten S. 141) oder die Konnivenz des vorgesetzten Beamten (§ 151, unten S. 148), ist keine Teilnahme i m Sinne der hier besprochenen allgemeinstrafrechtlichen Gesichtspunkte und fällt daher nicht unter die oben genannten Milderungsbestimmungen. Fünftes
Kapitel
Verfolgung (§§ 25—30) Das R e c h t s p f l e g e g e s e t z vom 11. A p r i l 1916 i n der Fassung der Bekanntmachung vom 15. September 1953 mit späteren Änderungen 4 1 , das die Gerichtsverfassung, den Zivilprozeß, den Strafprozeß usw. regelt, enthält i m 4. Buch (§§ 683—1018) die Bestimmungen über den S t r a f p r o z e ß . Der 1. Abschnitt behandelt u. a. die öffentliche Anklagebehörde (Kap. 64, §§ 710—717) und die Strafverfolgung (Kap. 65, §§ 718—728). Das S t r a f g e s e t z b u c h faßt eine Reihe von allgemeinen Bestimmungen zusammen, die sich m i t der öffentlichen Klage, der Privatklage und dem Strafantrag befassen. Diese gelten nicht nur als Prozeßvoraussetzungen, sondern auch als m a t e r i e l l e Voraussetzungen der Strafbarkeit, was u. a. dadurch zum Ausdruck kommt, daß der Angeklagte freizusprechen ist, wenn ihr Fehlen sich i n der Hauptverhandlung herausstellt — §§ 908 Abs. 2, 929, 939 des Rechtspflegegesetzes. Außer diesen mehr formalen Regeln enthält das Kapitel eine Vorschrift von weittragender materieller Bedeutung für die Behandlung j u g e n d l i c h e r R e c h t s b r e c h e r , nämlich die Befugnis der Anklagebehörde, von der Verfolgung zugunsten von Erziehungsmaßnahmen abzusehen. I. A l l g e m e i n e B e s t i m m u n g e n (§§ 25—29) Leitender Grundsatz ist, daß strafbare Handlungen öffentlich verfolgt werden, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 25). Dies ist u. a. für 41 Textausgabe mit Hinweisen von Professor Dr. jur. Erwin MunchPetersen, Kopenhagen 1952. — Über das Lehrbuch von Hurwitz zum strafprozessualen Teil s. oben S. 83.
7·
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einfache Körperverletzungen (unten S. 172), die meisten Beleidigungen (unten S. 182) und gewisse Vermögensdelikte geschehen, die i m Wege der Privatklage zu verfolgen sind. I n anderen Fällen ist die Erhebung der öffentlichen Klage von einem Strafantrag abhängig, so u. a. bei fahrlässiger Körperverletzung (unten S. 174), i n gewissen Fällen der Beleidigung und bei einer Reihe von Vermögensdelikten. Privatklage oder Antrag auf öffentliche Klage stehen dem Verletzten oder, wenn dieser verstorben oder eine gegen einen Verstorbenen gerichtete Handlung strafbar ist (vgl. unten S. 181), dem Ehegatten, den Eltern, den Kindern oder den Geschwistern zu (§ 26), und zwar innerhalb einer Frist von drei Monaten (§ 29 Abs. 1 Satz 1); der Lauf der Frist beginnt m i t dem Zeitpunkt, i n dem der Verletzte Kenntnis von dem Täter erlangt, endet aber spätestens drei Monate nach seinem Tode (Satz 4). I n gewissen Fällen, ζ. B. bei Vermögensdelikten gegen nahe Angehörige (unten S. 184), kann auf Verlangen des Verletzten von der Verfolgung abgesehen werden. Der Fall, daß mehrere Schuldige vorhanden sind, ist i n mehrfacher Hinsicht besonders geregelt (§§ 27, 29 Abs. 1, Satz 2, 3). — Die Zurücknahme eines Strafantrags ist bis zur Urteilsverkündung oder bis zur Abgabe des Spruches der Geschworenen zulässig 42 , die Anklagebehörde kann aber das Verfahren fortsetzen, wenn das öffentliche Interesse die Fortsetzung gebietet (§ 28). Überhaupt kann die Anklagebehörde auch i n Privatklagefällen aus Gründen des öffentlichen Interesses Anklage erheben, während sie andererseits i n milderen Fällen durch elastische Vorschriften stets von einer Verfolgung abzusehen befugt ist (vgl. §§ 723, 725 des Rechtspflegegesetzes). Es herrscht also das Opportunitätsprinzip; die Entscheidung steht allerdings meist nicht dem Staatsanwalt, sondern höheren Instanzen (Reichsanwalt, Justizminister) zu, die i n manchen Fällen auch über die Erhebung einer Anklage zu entscheiden haben — vgl. ζ. B. unten S. 132. II. V e r f o l g u n g
Jugendlicher
(§30)
Bei Jugendlichen, die zur Zeit der Tat das 15., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatten, kann die Anklagebehörde bestimmen, daß die Tat nicht verfolgt werden soll. Das Gericht ist an diesem Verfahren nicht beteiligt, eine Feststellung der Tat i n den Formen eines gerichtlichen Verfahrens findet daher nicht statt, von der Verfolgung w i r d aber nur abgesehen, wenn der Täter geständig ist 4 3 . Das Gesetz zieht keine Grenze für A r t und Schwere der Straftat, bei der das Verfahren zulässig ist. W i r d von der Verfolgung abgesehen, so ist 42
Über den Erlaß durch den Verletzten s. unten S. 128. Rundschreiben des Reichsanwalts vom 7. Dezember 1932 mit späteren Änderungen. 43
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
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der Täter der Jugendfürsorge zu unterstellen; ausnahmsweise kann eine Fürsorge anderer A r t angeordnet werden. Die Maßnahmen können sich bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres erstrecken. Begeht der Täter, solange er der Fürsorge untersteht, eine neue Straftat oder macht er sich einer erheblichen Zuwiderhandlung gegen die i h m auferlegten Bedingungen schuldig, so kann das Verfahren wieder aufgenommen werden. — Uber straffällige jugendliche Anstaltsinsassen s. unten S. 193. Von dem Verfahren w i r d i n der Praxis ausgedehnter Gebrauch gemacht 4 4 . Bemerkt sei, daß die Befugnis der Anklagebehörde, i n m i l deren Fällen von einer Verfolgung ganz abzusehen (oben unter I), durch die i m § 30 gegebenen Vorschriften nicht berührt wird. Kommt es zu einem Strafverfahren gegen einen Jugendlichen vor den ordentlichen Gerichten — Jugendgerichte gibt es i n Dänemark nicht — so gelten für die Strafe besondere Bestimmungen — s. hierüber unten S. 123. Über die Verurteilung zu Jugendgefängnis s. unten S. 103, über die Möglichkeit bedingter Verurteilung von Jugendlichen, die zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr vollendet hatten, S. 110. Vorbemerkung zu den Kapiteln 6 bis 10 Die Begehung einer strafbaren Handlung zieht e n t w e d e r Strafe o d e r sichernde Maßregeln nach sich, die an Stelle von Strafe treten. Es gilt also das e i n s p u r i g e System, d. h. neben einer Strafe können grundsätzlich keine sichernden Maßregeln verhängt werden. Dies gilt uneingeschränkt von den beiden Hauptsicherungsmaßnahmen, dem Arbeitshaus und der Sicherungsverwahrung, während sich bei den anderen Hechtsfolgen vereinzelte Ausnahmen finden. Die scharfe legislative Scheidung zwischen Strafen und sichernden Maßregeln bedeutet natürlich nicht, daß die Strafe als das schwerere, die Sicherungsmaßnahme als das leichtere Übel anzusehen ist. Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung sind schwerwiegende Eingriffe, „Strafsurrogate", die wegen ihrer unbestimmten Dauer i n der Praxis oft nur m i t Zurückhaltung angewandt werden 4 4 a . Umgekehrt lassen sich die mit sichernden Maßregeln verfolgten Zwecke oft auch durch die A r t des Strafvollzugs — Psychopathengefängnis, Jugendgefängnis, bedingte Entlassung, bedingte Verurteilung — erreichen. Alles i n allem verfügt das Strafgesetzbuch über ein reich nuanciertes System strafender, sichernder, bessernder und heilender Maßnahmen 45 . 44
Vgl. Hurwitz, S. 398 f., Kirchheiner in N T f K 1953, S. 193 ff. Näheres über die Rechtsprechung s. bei Kaarsberg, N T f K . 1952, S. 263 ff. und 1954, S. 223 ff. 45 Vgl. Hurwitz, S. 35 ff. (schemat'ische Übersicht S. 56) und S. 518 ff. Carl Aude-Hansen, Fra Faengsel til Frihed (Vom Gefängnis zur Freiheit), Kopenhagen 1952. 44a
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Das Strafrecht Dänemarks
Sechstes
Kapitel
Strafen (§§ 31—55) Das Strafgesetzbuch kennt nur drei Strafarten: Gefängnis, Haft und Geldstrafe (§ 31). — Über die Todesstrafe s. oben S. 81 und unten S. 132. I. G e f ä n g n i s (§§ 33—43) 46 A. Die Gefängnisstrafe ist lebenslänglich oder zeitig. Lebenslängliche Gefängnisstrafe ist nirgends ausschließlich angedroht. Das Gesetz enthält keine Bestimmung darüber, daß die Gefängnisstrafe zeitig ist, wo sie nicht ausdrücklich als lebenslänglich angedroht ist. So schließt ζ. B. die Strafdrohung bei der schweren Brandstiftung: „Gefängnis nicht unter vier Jahren" (unten S. 156) die Möglichkeit der Verhängung lebenslänglicher Gefängnisstrafe ein. I n anderen Fällen w i r d dagegen die Zulässigkeit der Verhängung lebenslänglicher Gefängnisstrafe ausdrücklich erwähnt (so bei manchen Staatsschutzbestimmungen der Kapitel 12 und 13 und auch bei der Tötung — unten S. 171). Der Höchstbetrag der zeitigen Gefängnisstrafe ist 16 Jahre, der Mindestbetrag 30 Tage (§ 33). Über die Möglichkeit, auf Gefängnis bis zu 20 Jahren zu erkennen, s. unten S. 127. Unter den Mindestbetrag kann in bestimmten Ausnahmefällen — namentlich bei der Umwandlung einer Geldstrafe in eine Gefängnisstrafe (unten S. 107) und bei der Verhängung einer Zusatzstrafe (unten S. 126) — heruntergegangen werden. Nicht immer enthält das Gesetz eine fest umgrenzte Strafdrohung. So ist die Strafe für einfache Urkundenfälschung „Gefängnis" schlechthin, das, ohne daß ein Höchstmaß festgesetzt ist, i n qualifizierten Fällen auf acht Jahre „steigen" kann (unten S. 154). Gleiches gilt für die Aussetzung (unten S. 174). Für den Vollzug der Gefängnisstrafe gibt das Gesetz einige grundsätzliche Bestimmungen. So sind kürzere Gefängnisstrafen i n der Regel in Einzelhaft zu verbüßen, längere in Gemeinschaftshaft (§ 34). Es herrscht Arbeitszwang, der Arbeitsverdienst kann u. a. zur Erfüllung der Unterhaltspflichten des Gefangenen verwendet werden (§ 35; § 18 Abs. 4 des Einführungsgesetzes). Die Verpflegung besteht i n Gefangenenkost (§ 36). I m übrigen ergehen die näheren Bestimmungen durch königl. Anordnung. B. Für zwei Kategorien von Gefangenen sieht das Gesetz eine V e r s e t z u n g in andere Anstalten vor (§ 37): für Trinker und für langfristig Verurteilte. T r i n k e r i m Sinne dieser Vorschrift sind GeVgl. Hurwitz,
S.
ff.
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
fangene, die durch Trunksucht geschwächt sind; sie können zeitweilig oder für den Rest ihrer Strafzeit i n das Arbeitshaus (unten S. 111) versetzt werden, wenn auf Grund ihres Zustandes anzunehmen ist, daß die Strafe nicht die beabsichtigte Wirkung auf sie haben wird. L a n g f r i s t i g V e r u r t e i l t e sind solche, deren Strafzeit mindestens acht Jahre beträgt; sie können nach Verbüßung der Hälfte ihrer Strafzeit, frühestens aber nach fünf Jahren, i n die Verwahrungsanstalt (unten S. 112 f.) versetzt werden, lebenslänglich Verurteilte nach Ablauf von 16 Jahren. Die Entscheidung liegt beim Gefängnisausschuß (oben S. 80). Die Versetzung bedeutet keine Umwandlung der Strafe in eine sichernde Maßregel, der Gefangene ist daher nach A b lauf der Strafzeit zu entlassen, ohne den Beschränkungen zu unterliegen, von denen die Entlassung von Insassen der genannten Anstalten abhängig ist. C. Die b e d i n g t e E n t l a s s u n g (§§ 38—40) kann erfolgen, wenn zwei D r i t t e l der Strafzeit, mindestens aber neun Monate verbüßt sind. Die Entscheidung liegt beim Justizminister. Die Entlassung ist davon abhängig, daß die Verhältnisse und die Führung des Gefangenen sie nicht unangebracht erscheinen lassen, daß eine geeignete Arbeit oder eine andere zweckmäßige Unterbringung und Versorgung für i h n gesichert ist und daß er erklärt, sich den m i t der Entlassung verbundenen Bedingungen unterwerfen zu wollen, d. h. ein straffreies und ordentliches Leben zu führen und sich der in der Regel anzuordnenden Schutzaufsicht zu fügen. Die Dauer der Probezeit entspricht dem Rest der Strafzeit, beträgt aber mindestens zwei Jahre. Auch über eine etwaige Wiederaufnahme entscheidet der Justizminister. Findet sie statt und war der Entlassene inzwischen zu einer neuen Gefängnisstrafe verurteilt worden, so w i r d diese mit dem Rest der Strafzeit zusammengerechnet — es w i r d also keine Einheitsstrafe nach den Grundsätzen des § 88 (unten S. 126) gebildet. Ist die neue Strafe eine Haftstrafe, so w i r d sie von der Strafvollzugsbehörde nach den Grundsätzen des § 90 (unten S. 127) i n eine Gefängnisstrafe umgewandelt. — Ist beim Ablauf der Probezeit keine Bestimmung über die Wiederaufnahme ergangen, so gilt die Strafe mit diesem Zeitpunkt als verbüßt. Die bedingte Entlassung ist hiernach nicht obligatorisch, findet in der Praxis aber ausgedehnte Anwendung. D. Besondere Abarten der Gefängnisstrafe sind das oben S. 94 besprochene Psychopathengefängnis und das J u g e n d g e f ä n g n i s (§§ 41—43)47. 47 Vgl. Hurwitz, S. 131 ff.
S. 618 ff. Jesper Simonsen in N T f K 1949, S. 37 ff.; 1952,
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Das Strafrecht Dänemarks
Das Jugendgefängnis ist eine Einrichtung eigener A r t , die der Fürsorgeerziehung nahesteht. Es ist für solche Jugendliche bestimmt, die für eine nach Vollendung des 15., aber vor Vollendung des 21. Lebensjahres begangene Straftat eine Gefängnisstrafe verwirkt haben, wenn die Tat als Ausfluß verbrecherischer Neigungen oder Hanges zum Müßiggang oder zum Aufsuchen schlechter Gesellschaft anzusehen ist und das Gericht dauernde Maßregeln der Erziehung und Ausbildung für zweckdienlich hält. Es handelt sich also u m asoziale Elemente, jedoch u m solche, bei denen von Erziehungsmaßnahmen noch ein Erfolg zu erwarten ist. I n der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle liegt ein Vermögensdelikt — meist Diebstahl — vor. Die Verurteilung zu Jugendgefängnis ist von unbestimmter Dauer, der Verurteilte muß mindestens ein Jahr und kann bis zu drei Jahren darin festgehalten werden. Die Entscheidung über die Entlassung liegt beim Gefängnisausschuß (oben S. 80), der jeweils nach Ablauf eines Jahres seit der Aufnahme zur Frage der Entlassung Stellung zu nehmen hat, aber nach der Praxis auch in der Zwischenzeit die Entlassung verfügen kann. Diese erfolgt bedingt und ist mit der Stellung unter Schutzaufsicht verbunden, die bis zu vier Jahren seit der Aufnahme — i n Ausnahmefällen länger — erstreckt werden kann. Die Entscheidung über eine etwaige Wiederaufnahme liegt gleichfalls beim Gefängnisausschuß. Ein Wiederaufgenommener kann bis zu vier Jahren seit der ersten Aufnahme i n der Anstalt festgehalten werden. Beim Vollzug ist besonderes Gewicht auf die geistige und körperliche Entwicklung des Jugendlichen durch Unterricht, Leibesübungen und Arbeit im Freien sowie auf seine Ausbildung zu einem Beruf zu legen, durch den er sich nach seiner Entlassung ernähren kann. Wer einen schlechten Einfluß auf die anderen Jugendlichen ausübt oder sich sonst als ungeeignet zur gemeinschaftlichen Behandlung m i t ihnen erweist, kann i n eine besondere Gefängnisabteilung überführt werden. I n der Praxis beträgt die durchschnittliche Aufenthaltsdauer i m Jugendgefängnis etwa zwei Jahre. Die Klientel besteht hauptsächlich aus 18- bis 19jährigen — bei jüngeren w i r d i n der Regel keine Anklage erhoben (oben S. 100). Die Gerichte zeigen bei der Verurteilung zu Jugendgefängnis eine gewisse Zurückhaltung, namentlich i n den Fällen, i n denen die Bedeutung der Straftat nicht i m Verhältnis zu den m i t einer unbestimmten Verurteilung verbundenen Nachteilen steht. E. I n der P r a x i s der Gerichte ist Gefängnis die weitaus am häufigsten verhängte Strafe; i n der Mehrzahl aller Fälle w i r d auf kurzfristige Gefängnisstrafen erkannt, d. h. auf Gefängnis bis zu drei Monaten.
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
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II. H a f t (§ 44) 48 Der Höchstbetrag der Haft ist zwei Jahre, der Mindestbetrag sieben Tage. Über die Möglichkeit, auf Haft bis zu drei Jahren zu erkennen, s. unten S. 127; für Haftstrafen unter dem Mindestbetrag gilt das gleiche wie bei der Gefängnisstrafe (oben S. 102). Unter Umständen kann an Stelle von Haft auf Gefängnis erkannt werden — s. unten S. 107, 126 f.; oben S. 103. Die Haftstrafe w i r d grundsätzlich i n Einzelhaft vollzogen. Der Gefangene hat das Recht zur Selbstverpflegung und Selbstbeschäftigung, deren Ertrag ihm voll zufällt. Macht er von dem Recht der Selbstbeschäftigung keinen Gebrauch, so ist er anzuweisen, gegen Entgelt eine unter Berücksichtigung seines Bildungsgrades und seiner Lebensstellung geeignete Arbeit i n dem Umfang auszuführen, der für eine angemessene Beschäftigung erforderlich ist. Eine bedingte Entlassung findet nicht statt. Straftaten, die nur m i t Haft bedroht sind, genießen i n gewissen Beziehungen eine Vorzugsstellung — vgl. oben S. 80, 90, 97, 98, unten S. 124, 129. I n der Praxis liegen die meisten Haftstrafen zwischen 7 und 30 Tagen; Strafen von mehr als 60 Tagen sind äußerst selten, Haft von mehr als sechs Monaten kommt nicht vor. III. G e m e i n s a m e
Bestimmungen für H a f t (§§ 32, 45—49)
Gefängnis
und
Strafen von kürzerer Dauer als drei Monate werden nach Tagen verhängt, höhere nach Monaten und Jahren (§ 32). Die Vollzugsregeln enthalten einige grundsätzliche Bestimmungen: Verbot gesundheitsschädlicher Arbeit und Notwendigkeit der Versicherung gegen Unglücksfälle (§ 45), Regelung der Disziplinarstrafen (§ 47), Verbot von besonderen Sicherungsmitteln wie Zwangsjacken, Fesseln, Unterbringung i n einer Sicherungszelle u. ähnl., wenn diese M i t t e l nicht erforderlich sind, um drohende Gewalt abzuwenden, gewaltsamen Widerstand zu brechen oder einem Entweichen vorzubeugen (§ 48). Krankenhausbehandlung, die der Gefangene nicht selbst verschuldet hat, w i r d in die Strafzeit eingerechnet, nicht aber die Zeit, die er in der Strafzelle zubringt (§ 46); die hierdurch verursachte Verlängerung darf aber nur m i t Genehmigung des Justizministers ein Drittel und in keinem Falle die Hälfte der Strafzeit übersteigen (§ 47 Abs. 4). Vgl. Hurwitz,
S. 5
ff.
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Das Strafrecht Dänemarks
IV. G e 1 d s t r a f e (§§ 50—55) 49 Eine Geldstrafe, nach dänischem Sprachgebrauch „Buße", kann außer den Fällen, i n denen sie i m Besonderen Teil vorgesehen ist, stets auch zusätzlich zu einer Freiheitsstrafe verhängt werden, wenn die Straftat auf Gewinnsucht beruht (§ 50 Abs. 2) 5 0 . Das Gesetz unterscheidet zwischen Geldstrafen, die auf Grund des Strafgesetzbuchs, und solchen, die auf Grund von Nebengesetzen verhängt werden. Nur die ersteren fallen stets an die Staatskasse (§ 50 Abs. 1), und nur bei ihnen ist das i m Jahre 1939 (oben S. 80) eingeführte Tagesbußensystem anzuwenden (§51 Abs. 1). Von der i m Strafgesetzbuch ( § 5 1 Abs. 4) gegebenen Befugnis, Geldstrafen nach dem Tagesbußensystem zu verhängen, hat die Nebengesetzgebung i n keinem Falle Gebrauch gemacht. Dies hängt vermutlich damit zusammen, daß die Meinungen über die Zweckmäßigkeit dieses Systems geteilt sind — es hat daher nur eine begrenzte Bedeutung für das dänische Strafrecht. Beim T a g e s b u ß e n s y s t e m w i r d das Vielfache eines bestimmten Geldbetrages, der sog. „Tagesbuße", als Strafe festgesetzt. Die A n z a h l der Tagesbußen entspricht der Schwere der Tat, sie beträgt mindestens 1 und höchstens 60; die Bemessung richtet sich nach den für die Strafzumessung allgemein geltenden Vorschriften des § 80 (unten S. 120) und hat insofern objektiven Charakter, als hier die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters außer Betracht bleiben. Die H ö h e der Tagesbuße richtet sich dagegen nach den Verhältnissen des Täters, sie soll grundsätzlich seiner durchschnittlichen Tageseinnahme entsprechen, daneben sind aber seine gesamten Lebensbedingungen, namentlich auch sein Vermögen und seine Unterhaltspflichten, zu berücksichtigen. Die Höhe beträgt mindestens zwei Kronen; sie ist nach oben unbegrenzt (§ 51 Abs. 1). Hat der Täter einen erheblichen wirtschaftlichen Gewinn erzielt oder erzielen wollen und würde die Festsetzung der Geldstrafe in Tagesbußen mit Rücksicht hierauf zu einem unangemessen niedrigen Betrage führen, so kann das Gericht die Geldstrafe in einem b e s t i m m t e n B e t r a g festsetzen, ohne hierbei an die eben erwähnten Richtlinien gebunden zu sein (§ 51 Abs. 2). I n Fällen, in denen das Tagesbußensystem keine Anwendung findet, ist innerhalb der Grenzen, die durch die Rücksicht auf die A r t der Gesetzesverletzung und die sonst für die Strafzumessung maßgebenden Umstände gezogen sind, besondere Rücksicht auf die Zahlungsfähigkeit des Täters zu nehmen. Der Mindestbetrag einer solchen Geldstrafe 49 50
Vgl. Hurwitz, S. 547 ff.; v. Eyben, S. 196 ff. Die Vorschrift wird in der Praxis selten angewandt.
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beträgt vier Kronen, der Höchstbetrag ist gleichfalls unbegrenzt ( § 5 1 Abs. 3). I n den Nebengesetzen finden sich auch Geldstrafen, deren Höhe in einem bestimmten Verhältnis zu dem durch die Tat erzielten Gewinn u. ähnl. steht. Das Gericht kann eine Zahlungsfrist bis zu drei Monaten bewilligen, ratenweise Bezahlung kann von der Polizeibehörde bewilligt werden. Eine nicht bezahlte Geldstrafe ist durch Pfändung beizutreiben, wenn dies nicht unzumutbar erscheint. Der Nachlaß des Verurteilten haftet nicht für eine Geldstrafe, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmt ist (§ 52). A n die Stelle einer nicht beizutreibenden Geldstrafe t r i t t eine E r s a t z f r e i h e i t s s t r a f e , i n der Regel Haft, ausnahmsweise Gefängnis (§ 53). Die Regelung ist verschieden, je nachdem die Geldstrafe von einem Gericht (§ 54) oder von einer anderen Behörde (§ 55) festgesetzt worden ist. I m ersteren Fall hat das Gericht i m U r t e i l die A r t und Dauer der Ersatzstrafe zu bestimmen. A n Stelle von Haft kann auf Gefängnis erkannt werden, wenn der Täter i m Laufe der letzten fünf Jahre eine Gefängnisstrafe oder mehr als einmal eine Ersatzstrafe verbüßt hat. Bei der Festsetzung der Geldstrafe i n Tagesbußen entspricht eine Tagesbuße einem Tage Haft oder Gefängnis, die Ersatzstrafe beträgt aber mindestens zwei Tage; der Höchstbetrag — 60 Tage — ergibt sich daraus, daß die Anzahl der Tagesbußen höchstens 60 ist. Dieser Höchstbetrag gilt — ebenso wie der Mindestbetrag — auch bei Geldstrafen, die nicht in Tagesbußen festgesetzt sind, kann hier aber i n besonderen Fällen bis auf neun Monate erhöht werden. Was unter besonderen Fällen zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Ist die Geldstrafe zusätzlich zu einer Freiheitsstrafe verhängt worden, so ist die Ersatzstrafe i n der gleichen Strafart wie diese festzusetzen. — Ist die Geldstrafe nicht von einem Gericht festgesetzt worden, so t r i t t an ihre Stelle Haft nach einer gleitenden Skala, an deren Anfang mit jedem Tage 6 Kronen als getilgt gelten — bis zur Höhe von 60 Kronen — während am Ende, bei Beträgen über 4000 Kronen, jeder Tag 100 Kronen tilgt. Die oben genannten Mindestund Höchstgrenzen sind auch hier zu beachten. Uber die Bildung von Einheitsstrafen, die teilweise aus Geldstrafen bestehen, s. unten S. 126. I n der Praxis spielen die Geldstrafen bei den vom Strafgesetzbuch geregelten Straftaten nur eine geringe Rolle. I h r Hauptanwendungsgebiet sind die Nebengesetze, namentlich soweit sie den öffentlichen Verkehr betreffen — vgl. unten S. 195.
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Das Strafrecht Dänemarks
Siebentes
Kapitel
Bedingte Strafurteile (§§ 56—61) 51 Durch die Überschrift w i r d klargestellt, daß auch die bedingte Verurteilung Strafe ist und daß nur Strafen, nicht sichernde Maßregeln bedingt verhängt werden können. Die bedingte Verurteilung besteht darin, daß der Vollzug der erkannten Strafe a u s g e s e t z t w i r d und die Strafe — einschließlich ihrer Rückf alls Wirkung und sonstiger Rechtsfolgen — ganz f o r t f ä l l t , wenn die Bedingungen, unter denen die Verurteilung erfolgt ist, innegehalten werden (§§ 56 Abs. 1, § 61). I m Gegensatz zum schwedischen Recht kennt das dänische nicht den Aufschub der Urteilsfällung. Die bedingte Verurteilung ist nur von e i n e r Voraussetzung abhängig: die erkannte Strafe darf Geldstrafe, Haft bis zu zwei Jahren oder Gefängnis bis zu einem Jahr nicht übersteigen (§ 56 Abs. 1). Nur bei Handlungen i m Affekt (§ 85, unten S. 124) ist die bedingte Verurteilung auch bei Verhängu.ng einer höheren Strafe möglich. Für eine bedingte Verurteilung kommen daher nur minder schwere Straftaten i n Betracht. — Daß Jugendgefängnis nicht bedingt verhängt werden kann, ergibt sich aus der zeitlichen Unbestimmtheit dieser Strafe. Beim Vorliegen der genannten Voraussetzungen steht die bedingte Verurteilung i m Ermessen des Gerichts. Erfolgt sie, so ist eine Probezeit festzusetzen, deren Dauer mindestens zwei und höchstens fünf Jahre beträgt. I n der Regel ist der Verurteilte während der Dauer der Probezeit oder doch während eines Teils derselben unter Schutzaufsicht zu stellen 5 2 ; daneben können ihm im Urteil besondere Bedingungen auferlegt werden (§ 56 Abs. 1). Sachen, i n denen m i t einer bedingten Verurteilung zu rechnen ist, sind m i t besonderer Sorgfalt vorzubereiten, damit sich das Gericht ein zutreffendes B i l d von der Persönlichkeit des Täters machen kann. Die Ermittlungen liegen i n der Regel in der Hand einer besonderen Institution, der „Dänischen Fürsorgegesellschaft" (Dansk Forsorgsselskab). Diese hat u. a. das Recht, allen gerichtlichen Terminen, auch den nichtöffentlichen, beizuwohnen (§ 56 Abs. 2). I n drei Fällen hat das Gericht erneut zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die Strafe zu verbüßen oder abermals auszusetzen ist. 51 Monographie von Knud Waaben, „Betingede Straffedomme" (Bedingte Strafurteile), Kopenhagen 1948. Vgl. Hurwitz, S. 690 ff. Über die Rechtsprechung s. Kaarsberg, N T f K 1952, S. 268; 1954, S. 227. 52 I n der Praxis wird Schutzaufsicht jedoch nur in etwa einem Drittel aller Fälle angeordnet.
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a) Der Verurteilte verwirkt eine neue Strafe für eine n a c h der Verurteilung begangene Tat (§ 57). Ist i n einem solchen Falle vor Ablauf der Probezeit eine gerichtliche Untersuchung gegen i h n eingeleitet worden, so ist eine gemeinsame Strafe festzusetzen, die ebenso wie bei der bedingten Entlassung (oben S. 103) aus einer Zusammenrechnung beider Strafen besteht und grundsätzlich zu verbüßen ist. Nur wenn die neue Tat fahrlässig begangen ist oder die neu verwirkte Strafe Haft oder Geldstrafe nicht übersteigt, kann die bedingte Verurteilung bestehen bleiben und beim Vorliegen besonderer Umstände auf die gemeinsame Strafe ausgedehnt werden. War die neue Tat dagegen vorsätzlich begangen und hatte sie eine Gefängnisstrafe — gleichviel welcher Dauer — zur Folge, so besteht zur Aufrechterhaltung der bedingten Verurteilung keine Möglichkeit, selbst wenn die Strafe für die erste Tat gering war. Diese wenig befriedigende Lösung ist m i t Recht beanstandet worden 5 3 . — Wurde die gerichtliche Untersuchung erst nach Ablauf der Probezeit eingeleitet, so ist die Tatsache, daß der bedingt Verurteilte während der Probezeit erneut straffällig geworden war, bei der Bemessung der neuen Strafe als erschwerender Umstand zu berücksichtigen; i n diesem Falle hat das bedingte Urteil auch Rückfallswirkung (§§ 60, 61 Abs. 1). b) Es stellt sich heraus, daß der Verurteilte v o r der bedingten Verurteilung eine Straftat begangen hatte, wegen der vor Ablauf der Probezeit eine gerichtliche Untersuchung gegen i h n eingeleitet wurde (§ 59). Kommt i n einem solchen Fall die Verhängung einer Zusatzstrafe — unten S. 126 — i n Frage, so ist eine neue Einheitsstrafe — unten S. 126 — zu bilden, wobei das Gericht zur Frage der bedingten Verurteilung erneut Stellung zu nehmen und evtl. eine neue Probezeit festzusetzen hat. c) Der Verurteilte handelt den m i t der Verurteilung verbundenen Bedingungen zuwider (§ 58). Hier ist die Strafe grundsätzlich zu verbüßen, doch kann der Verurteilte eine neue gerichtliche Entscheidung verlangen, sei es vom Prozeßgericht erster Instanz, sei es vom Amtsgericht seines Wohnsitzes oder Aufenthaltsortes. Lautet die Entscheidung auf Aufrechterhaltung der bedingten Verurteilung, so kann das Gericht neue Bedingungen festsetzen. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß und «kann nur m i t Genehmigung des Justizministers angefochten werden. I n der Praxis w i r d die bedingte Verurteilung meist aufrechterhalten, wenn nicht weitere Gründe, ζ. B. strafbares Verhalten, hinzukommen. 53
Waaben, S. 202; Hurwitz,
S. 702.
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Das Strafrecht Dänemarks
Von der bedingten Verurteilung w i r d i n der Praxis häufig Gebrauch gemacht. Auch Fälle, i n denen wiederholt bedingt verurteilt wird, sind, wenn es sich um sog. Gelegenheitsverbrecher handelt, nicht selten. Von besonderer Bedeutung ist die bedingte Verurteilung für die Behandlung jugendlicher Rechtsbrecher, die das 18. Lebensjahr und damit die Altersgrenze überschritten haben, bis zu der von der Verfolgung abgesehen werden kann (oben S. 100). Wie oben S. 82 bemerkt, ist eine Umgestaltung der Vorschriften über die bedingte Verurteilung geplant.
Achtes
Kapitel
Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung (§§ 62—69) 54 Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung sind bedeutsame und einschneidende Sicherungsmaßregeln (vgl. oben S. 101). Sie treten an Stelle von Gefängnisstrafe, ihre Verhängung ist daher nur zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Verhängung einer solchen Strafe nach jeder Richtung h i n vorliegen; namentlich muß der Täter für seine Tat subjektiv verantwortlich sein. Die Verhängung ist nirgends zwingend vorgeschrieben, sie liegt stets i m Ermessen des Gerichts. Der Grundsatz, daß die hier genannten Sicherungsmaßregeln nicht neben einer Strafe verhängt werden können, w i r d auch für den Fall der Bildung einer Einheitsstrafe durchgeführt, indem die gleichzeitige Verhängung von Freiheitsstrafe und Arbeitshaus oder Sicherungsverwahrung ausdrücklich für unzulässig erklärt ist; anstattdessen können Straftaten, die an sich die Verhängung von Arbeitshaus nicht begründen könnten, m i t Arbeitshaus gesühnt werden, wenn andere, dam i t zusammenhängende Straftaten zur Verhängung von Arbeitshaus geführt haben (§ 88, unten S. 126). Über die bei der Festsetzung einer Zusatzstrafe geltenden Grundsätze s. unten S. 127. W i r d ein Insasse des Arbeitshauses oder der Verwahrungsanstalt zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, so w i r d sein Aufenthalt dort für die Dauer der Strafverbüßung unterbrochen (§ 69). Sowohl Arbeitshaus wie Sicherungsverwahrung werden auf unbestimmte Zeit verhängt und sind — m i t einer Ausnahme (§ 62 Ziffer 4, unten S. 112) — nur für rückfällige Rechtsbrecher bestimmt. Ihre Klientel ist aber durchaus verschieden. Das Arbeitshaus ist zur A u f nahme chronischer Rechtsbrecher kleineren Maßstabes bestimmt, asozialer Personen, Bettler, Landstreicher, Arbeitsscheuer, Trinker, 54 Vgl. Hurwitz, S. 126 ff.
S. 627 ff. Jesper Simonsen in N T f K 1949, S. 42 ff.; 1952,
Der Algemeine Teil des Strafgesetzbuchs
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Diebe, Exhibitionisten — eine bunte Schar verschiedenartigster Typen, bei denen man durch planmäßigen Arbeitszwang eine Abkehr von der bisherigen Lebensführung erwartet. Die Sicherungsverwahrung dagegen dient der Unschädlichmachung der Gewohnheitsverbrecher. Man hat gesagt, daß die Klientel der Verwahrungsanstalt die „Spitzenbelastung der dänischen Gesellschaft m i t inkarnierten Rechtsbrechern" darstellt — eine i n vieler Hinsicht interessante „Sammlung krimineller Lebensläufe" 5 5 . Übrigens handelt es sich fast ausschließlich u m Eigentumsverbrecher 56 . Für den Vollzug von Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung enthält das Strafgesetzbuch einige grundsätzliche Bestimmungen: es herrscht Arbeitszwang, Arbeit i m Freien ist zu bevorzugen (§§ 64, 67); eine Reihe der für Gefangene geltenden Vorschriften (oben S. 105) gelten entsprechend, so die über Arbeitsverdienst, über die Anrechnung der i m Krankenhaus oder i n einer Strafzelle verbrachten Zeit sowie über Disziplinarstrafen usw. I. A r b e i t s h a u s (§§ 62—64, 68—69) Die Verhängung von Arbeitshaus an Stelle einer Gefängnisstrafe ist von einer Reihe kasuistisch bestimmter Voraussetzungen abhängig, die das freie richterliche Ermessen einengen, insofern die Verhängung beim Fehlen dieser Voraussetzungen auch dann nicht erfolgen kann, wenn sie nach der Persönlichkeit des Täters und der A r t der strafbaren Handlung kriminalpolitisch am Platze wäre. Die Voraussetzungen, normiert i m § 62, sind folgende: Z i f f e r 1 : Verbüßung von zwei Gefängnisstrafen wegen eines Bereicherungsdelikts oder wegen Arbeitsscheu und Rückfall innerhalb dreier Jahre, wenn die Straftaten als Ausfluß eines Hanges zum Müßiggang und zu ungeordneter Lebensführung anzusehen sind; Z i f f e r 2 : Verbüßung von drei Strafen (nicht beschränkt auf Gefängnis) wegen Bettelei und Rückfall innerhalb zweier Jahre, wenn es sich u m einen gewerbs- oder gewohnheitsmäßigen Rechtsbrecher handelt; Z i f f e r 3 : Verbüßung einer Gefängnisstrafe wegen eines Sittlichkeitsdelikts und Rückfall innerhalb dreier Jahre, wenn der Täter einen Hang zur Begehung derartiger Straftaten gezeigt hat. I n allen drei Fällen genügt es, wenn der Täter anstatt der genannten Vorstrafen bereits einmal i m Arbeitshaus untergebracht war; ferner ist stets zu prüfen, ob nicht die Rücksicht auf die allgemeine Sicherheit die Anordnung der Sicherungsverwahrung erfordert. Die genannten Fristen rechnen von der letzten endgültigen Entlassung. 55 56
Jesper Simonsen in N T f K 1949, S. 53. N T f K 1951, S. 376.
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Das Strafrecht Dänemarks
Z i f f e r 4 : Begehung einer Straftat irgendwelcher A r t unter der Einwirkung geistiger Getränke, wenn der Täter dem Trunk ergeben ist — hier w i r d Rückfall nicht gefordert; Z i f f e r 5 : Herbeiführung der Gefahr der Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit — § 256, unten S. 175 — i m Rückfall. Die Dauer der Unterbringung i m Arbeitshaus beträgt mindestens ein Jahr, höchstens fünf Jahre. Die Entscheidung über die Entlassung liegt beim Gefängnisausschuß (oben S. 80). Eine Entlassung nach einjähriger Unterbringung ist selten, der Gefängnisausschuß kann darüber auch nur entscheiden, wenn die Anstaltsleitung sie für angezeigt hält. Dagegen hat der Gefängnis ausschuß nach zwei Jahren — bei wiederholter Unterbringung (s. hierzu unten S. 121) nach drei Jahren — eine Entscheidung über die Entlassung zu treffen und, wenn diese abgelehnt wird, jeweils nach Ablauf eines weiteren Jahres erneut zu der Frage Stellung zu nehmen. Entlassungen i n der Zwischenzeit finden nicht statt (§ 63 Abs. 1). Eine Festhaltung i m Arbeitshaus bis zur Dauer von fünf Jahren ist nicht selten. Erfolgt die Entlassung früher, so kann eine Probezeit bestimmt werden, deren Dauer ein Jahr beträgt. A u f die Probezeit finden im großen und ganzen die für die bedingte Entlassung geltenden Regeln Anwendung (oben S. 103), doch entscheidet über die Wiederaufnahme nicht der Justizminister, sondern der Gefängnis ausschuß (Abs. 2). Die Behandlung der Insassen des Arbeitshauses soll nicht härter sein, als die Rücksicht auf die Disziplin und die Erfüllung der Arbeitspflicht erfordert. Demjenigen, der sich gut führt, kann eine begrenzte Ausgangserlaubnis erteilt werden (§ 64). I n der Praxis — namentlich der höheren Gerichte — begegnet die Verurteilung zu Arbeitshaus oft Bedenken. II. S i c h e r u n g s v e r w a h r u n g (§§ 65—69) Die Anordnung von Sicherungsverwahrung an Stelle einer Gefängnisstrafe setzt voraus, daß der Täter entweder einmal wegen eines Sittlichkeitsdelikts oder auf Grund zweier Urteile wegen einer anderen Straftat i m ganzen mindestens zwei Jahre Gefängnis oder Arbeitshaus verbüßt hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, so kann die Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn der Täter wegen einer neuen Straftat — gleichgültig welcher A r t , aber unter Beachtung der für den Rückfall geltenden Fristen (unten S. 121) — eine Gefängnisstrafe verwirkt, sofern er als gewerbs- oder gewohnheitsmäßiger Rechtsbrecher anzusehen ist und seine Internierung m i t Rücksicht auf die allgemeine Sicherheit erforderlich erscheint (§ 65 Abs. 1); wie der Zusammenhang ergibt, muß es sich hiernach u m einen „gefährlichen" Verbrecher handeln. Auch die Vollzugsregeln des Gesetzes betonen,
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
113
daß bei der Behandlung die größere Gefährlichkeit der Insassen der Verwahrungsanstalt — gegenüber denen des Arbeitshauses — zu berücksichtigen ist und daß Ausgangserlaubnis nicht erteilt werden kann (§ 67). — Einer Gefängnisstrafe kann eine i m Ausland verbüßte Freiheitsstrafe entsprechender A r t gleichgestellt werden (§ 65 Abs. 2); über die Berücksichtigung von Straftaten, die vor der Vollendung des 18. Lebensjahres begangen worden sind, s. unten S. 122. Auch die Anordnung von Sicherungsverwahrung ist hiernach von kasuistisch bestimmten Voraussetzungen abhängig, die aber doch i m großen und ganzen den Anforderungen gerecht werden, die an eine so eingreifende Maßnahme zu stellen sind. Die Dauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beträgt mindestens vier Jahre, bei wiederholter Aufnahme mindestens acht Jahre. Nach Ablauf dieser Fristen entscheidet der Gefängnisausschuß (oben S. 80) über die Entlassung. W i r d sie bewilligt, so ist stets eine Probezeit von mindestens zwei Jahren festzusetzen, für die die gleichen Regeln wie bei der Entlassung aus dem Arbeitshaus gelten; w i r d sie abgelehnt, so kann über die Frage frühestens nach Ablauf von zwei Jahren erneut entschieden werden (§ 66 Abs. 1). Eine Höchstdauer ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, ein Insasse ist aber nach 20jähriger Internierung zu entlassen, wenn der Gefängnisausschuß keine Bedenken erhebt. Erhebt er solche, so entscheidet das Landgericht des Bezirks, in dem die Anstalt belegen ist, durch Beschluß über die Entlassung. I m Falle der Ablehnung ist nach Ablauf von jeweils fünf Jahren eine neue Entscheidung des Landgerichts einzuholen. Erfolgt die Entlassung nach 20jähriger oder längerer Dauer, so ist sie bedingungslos (Abs. 2). I n der Praxis w i r d Sicherungsverwahrung erheblich seltener als Arbeitshaus verhängt. Die meisten Entlassungen finden nach sechs Jahren statt, die Probezeit w i r d in der Regel auf drei Jahre bemessen. Die hohen Minimumsfristen — namentlich die achtjährige Frist bei wiederholter Internierung — sind nicht selten der Grund dafür, daß die Gerichte von der Anordnung der Sicherungsverwahrung absehen, wenn es sich um eine verhältnismäßig nicht schwerwiegende Straftat handelt. Neuntes
Kapitel
Andere Rechtsfolgen der strafbaren Handlung (§§ 70—79) Die Maßregeln, die i m Gegensatz zu Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung als „andere" Rechtsfolgen der strafbaren Handlung bezeichnet werden, tragen kein einheitliches Gepräge. Sie dienen bald 8
Ausländisches Strafrecht
I.
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Das Strafrecht Dänemarks
der Sicherung gegen Handlungen eines strafrechtlich unverantwortlichen Täters, bald der Verhütung strafbarer Handlungen, bald anderen Zwecken heilenden oder sichernden Charakters usw. Ein Teil von ihnen kann mit Strafe kombiniert werden. I m einzelnen betreffen sie Maßregeln gegen Unzurechnungsfähige und psychisch Abnorme (§§ 70—71) und gegen Trinker (§§ 72—73), den Schutz gegen Drohungen (§ 75), die Ausweisung von Ausländern (§ 76), die Einziehung (§ 77) und den Verlust von Rechten (§§ 78—79), Über Rechtsfolgen außerhalb des Allgemeinen Teils s. unten S. 119. I. M a ß r e g e l n g e g e n U n z u r e c h n u n g s f ä h i g e p s y c h i s c h A b n o r m e (§§ 70—71) 57
und
Voraussetzung der Anwendung der Bestimmungen ist, daß der Täter wegen Unzurechnungsfähigkeit freigesprochen w i r d (§ 16, oben S. 93) oder wegen psychischer Anomalien der Einwirkung durch Strafe nicht zugänglich ist (§ 17, oben S. 94). Es muß daher objektiv eine strafbare Handlung vorliegen, die Strafschuld aber entweder ausgeschlossen oder nicht m i t Strafe bekämpfbar sein. Das Prozeßgericht kann i n diesen Fällen sichernde Maßregeln anordnen, wenn dies aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich erscheint, d. h. wenn von dem Täter auch in Zukunft Gefahr droht. Die Auswahl steht ganz i m Ermessen des Gerichts. Als Beispiele weniger eingreifender Maßnahmen nennt das Gesetz Sicherheitsleistung (in der Praxis ζ. B. bei Störung des Grabfriedens angewandt, vgl. unten S. 145), Anweisung oder Verbot des Aufenthalts an bestimmten Orten (vgl. auch unten S. 164), Auflagen nach § 72 (unten S. 115), Schutzaufsicht und Entmündigung. Ist von diesen oder ähnlichen Mitteln kein Erfolg zu erwarten, so kann der Täter in einer Anstalt untergebracht werden, und zwar in einer Irrenanstalt, einer Schwachsinnigen- oder anderen Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer besonderen Verwahrungsanstalt — die sog. „Psychopathenverwahrung" (§ 70 Abs. 1). Ist mit der Verhängung derartiger einschneidender Maßregeln zu rechnen, so kann dem Angeklagten schon während des Prozesses ein Pfleger bestellt werden — möglichst aus dem Kreise seiner nächsten Angehörigen —, dessen Aufgabe es ist, ihm während des Verfahrens beizustehen und dafür zu sorgen, daß der Anstaltsaufenthalt nicht länger als notwendig ausgedehnt w i r d (Abs. 2). Alle hiernach angeordneten Maßnahmen sind von unbestimmter Dauer, bleiben aber unter Kontrolle des Gerichts erster Instanz. Dieses kann auf Antrag der Anklagebehörde, der Anstaltsleitung oder des Pflegers (aber nicht des Verurteilten) jederzeit eine von i h m getroffene 7
Vgl. Hurwitz,
S.
ff.
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
115
Anordnung durch Beschluß ändern oder vorläufig oder endgültig aufheben. Das Antragsrecht des Pflegers ist aber beschränkt: er kann einen abgelehnten Antrag erst nach Ablauf eines Jahres, beim Vorliegen besonderer Umstände nach Ablauf von sechs Monaten erneuern (Abs. 3). I n den Fällen, i n denen der Täter erst nach Begehung einer strafbaren Handlung, aber vor deren Aburteilung i n einen nicht nur vorübergehenden Zustand von Unzurechnungsfähigkeit oder psychischer Anomalie gerät, entscheidet das Gericht, ob auf Strafe zu erkennen oder von Strafe abzusehen ist. Es kann auch die oben bezeichneten Sicherungsmaßregeln zur Anwendung bringen, wenn dies aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich erscheint, und zwar treten diese Maßregeln hier entweder an Stelle von Strafe oder werden bis zu dem Zeitpunkt verhängt, in dem der Vollzug der Strafe möglich w i r d (§ 71). II. M a ß r e g e l n
gegen T r i n k e r
(§§ 72—73p
Die hier genannten Maßnahmen — Auflagen oder Anstaltsunterbringung — setzen voraus, daß der Täter wegen einer i m Strafgesetzbuch geregelten Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird. Sie sind daher ζ. B. nicht anwendbar bei Zuwiderhandlungen gegen das Gesetz über Kraftfahrzeuge (unten S. 195). Hat der Täter die Tat unter der Einwirkung geistiger Getränke begangen, so kann i h m i m Urteil auferlegt werden, innerhalb eines bestimmten Zeitraums, der fünf Jahre nicht übersteigen darf, keine geistigen Getränke zu sich zu nehmen oder zu kaufen. Die Zuwiderhandlung bildet einen selbständigen strafrechtlichen Tatbestand (§ 138 Abs. 2, unten S. 145). Die Auflage ist auch zulässig, wenn der Täter wegen Bewußtlosigkeit freigesprochen w i r d (§ 18, oben S. 95), sonst aber eine Freiheitsstrafe v e r w i r k t haben würde. Handelt es sich um einen Täter, der dem Trunk ergeben ist, so ist die Auflage obligatorisch. Gastwirten und Händlern ist nach Möglichkeit durch polizeiliche Auflage die Verabfolgung geistiger Getränke an den Verurteilten zu verbieten — auch hier ist die Zuwiderhandlung strafbar (§ 138 Abs. 3) (§ 72). Ist der Täter dem Trunk ergeben, so kann im Urteil bestimmt werden, daß er nach Verbüßung der Strafe, bei bedingter Verurteilung sofort, i n einer Trinkerheilanstalt unterzubringen ist. Hier ist also die gleichzeitige Verhängung einer Strafe und einer Sicherungsmaßregel möglich. Die Unterbringung dauert so lange, bis der Verurteilte als geheilt anzusehen ist, darf aber 18 Monate, i m Wiederholungsfall drei Jahre nicht übersteigen. Die Entscheidung über eine frühere Ent5?
8
Vgl. Hurwitz,
S. 665 ff.
116
Das Strafrecht Dänemarks
lassung — sei es, weil Heilung anzunehmen ist, sei es, weil die Unterbringung sich als zwecklos erweist — liegt beim Justizminister. — Die Unterbringung ist auch zulässig, wenn der Täter den Vorschriften des § 138 — unten S. 145 — zuwidergehandelt hat (§ 73). I I I . S c h u t z g e g e n D r o h u n g e n (§ 75) δ9 Wenn eine Drohung ernster A r t vorliegt, können zur Verhütung der zu erwartenden Folgen Schutzmaßnahmen i n einem zu diesem Zweck eingeleiteten Strafverfahren angeordnet werden. Es ist gleichgültig, ob sich die Drohung auf ein gemeingefährliches Verbrechen bezieht oder gegen eine bestimmte Person gerichtet ist. Voraussetzung ist, daß Strafe entweder ausgeschlossen ist — ζ. B. aus subjektiven Gründen, oder weil der Tatbestand des von der Bedrohung handelnden § 266 (unten S. 178) nicht erfüllt ist — oder keine ausreichende Sicherheit erwarten läßt, i n welchem Falle die hier i n Betracht kommenden Maßnahmen auch neben einer Strafe angeordnet werden können. Dem Täter kann durch Urteil auferlegt werden, diejenigen Handlungen vorzunehmen, die das Gericht für erforderlich hält, u m Sicherheit dafür zu schaffen, daß die Ausführung der Drohung unterbleibt. Erscheint dies nicht ausreichend, so kann der Täter i n Haft genommen werden, die entweder i n der Form der Untersuchungshaft oder i n einer der Sicherung dienenden Anstalt — Arbeitshaus, Sicherungsverwahrung, Irren- oder Pflegeanstalt, Trinkerheilanstalt — zu vollziehen ist. Die Maßnahmen können, wenn sie nicht mehr erforderlich sind, von der Anklagebehörde aufgehoben werden, falls der Bedrohte zustimmt — anderenfalls entscheidet das Gericht erster Instanz durch Beschluß. Auch der Verurteilte kann erneut auf eine gerichtliche Entscheidung antragen, doch ist dieses Recht dadurch beschränkt, daß er eine Frist von einem Jahre seit dem Urteil oder einem späteren Beschluß einhalten muß, falls die Anklagebehörde die Verhältnisse für völlig unverändert hält. — Über den Verlust des Erbrechts bei Drohungen gegen Verwandte aufsteigender Linie s. unten S. 170. IV. A u s w e i s u n g v o n A u s l ä n d e r n (§ 76) 60 Ausländer, die eine Gefängnisstrafe verwirkt haben, können dazu verurteilt werden, nach Verbüßung der Strafe über die Grenze gebracht zu werden. Handelt es sich um einen Ausländer, der noch nicht fünf Jahre seinen ständigen Wohnsitz in Dänemark hatte und zu einer Gefängnisstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wird, so muß eine solche Anordnung ergehen, wenn nicht besondere Gründe da59
Vgl. Hurwitz, S. 684 ff. Vgl. Hurwitz, S. 612 ff. — Für die administrative Ausweisung gilt das Gesetz Nr. 224 vom 7. Juni 1952. 60
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
117
gegen sprechen. I n allen anderen Fällen — d. h. wenn die Gefängnisstrafe nicht zwei Jahre erreicht oder wenn der Ausländer seit mehr als fünf Jahren in Dänemark ansässig war — kann die Anordnung getroffen werden, wenn seine Verhältnisse Anlaß dazu geben. Vor der Verbringung in das Ausland ist der Verurteilte zu polizeilichem Protokoll auf die m i t verbotener Rückkehr verbundene strafrechtliche Verantwortung — § 201, unten S. 162 — hinzuweisen. V. E i n z i e h u n g (§ 77) 61 Die Einziehung — i n der Regel zugunsten der Staatskasse — erfolgt durch Urteil, das nicht notwendig auf Strafe zu lauten braucht, sondern auch i m objektiven Verfahren ergehen kann. Sie ist in drei Fällen zulässig und steht i m Ermessen des Gerichts. Z i f f e r 1 nennt die durch eine — nicht notwendig vorsätzliche —· strafbare Handlung hervorgebrachten sowie diejenigen Gegenstände, die zur Begehung einer vorsätzlichen Straftat gebraucht oder bestimmt sind. Die Vorschrift umfaßt auch, strafbare Versuchshandlungen. Voraussetzung ist, daß die Gegenstände einem für die Tat Verantwortlichen gehören, mag auch seine Bestrafung aus irgendeinem Grunde unterbleiben. Z i f f e r 2 umfaßt Gegenstände, von denen anzunehmen ist, daß sie zu einem verbrecherischen Zweck bestimmt sind, wenn ihre Einziehung aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich erscheint. Hier ist es gleichgültig, wem sie gehören und ob die Straftat, zu der sie benutzt werden sollten, feststellbar ist. Über die Behandlung dieser Gegenstände entscheidet die Polizeibehörde. Z i f f e r 3 betrifft den durch eine strafbare Handlung erzielten Gewinn, soweit niemand einen Rechtsanspruch darauf hat. I n den Fällen der Ziffern 1 und 3 gehen die Ansprüche eines zum Schadensersatz Berechtigten denen der Staatskasse vor, wenn nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen ist. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung über die Einziehung des Vermögens eines durch Urteil aufgelösten Vereins (Abs. 3, — vgl. § 132 a, unten S. 143). Vorschriften über Einziehung finden sich i n zahlreichen Nebengesetzen (vgl. unten S. 194, 204). Über die Einziehung des Vermögens bei Straftaten gegen die Staatsschutzbestimmungen s. unten S. 131, über die Einziehung bei verbotenem Glücksspiel unten S. 161. 61 Vgl. Hurwitz, S. 568 ff. 1952. S. 269; 1954, S. 229.
Über die Rechtsprechung s. Kaarsberg,
NTfK
118
Das Strafrecht Dänemarks
VI. V e r l u s t
v o n R e c h t e n (§§ 78—79) 62
Während das Strafgesetzbuch in seiner Fassung vom 15. A p r i l 1930 noch den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte kannte (§ 78), hat seitdem der Gedanke der Resozialisierung bestrafter Rechtsbrecher entscheidenden Einfluß auf die Rechtsentwicklung gewonnen. Schon durch das Gesetz Nr. 88 vom 15. März 1939 (oben S. 81) war der § 78 und damit der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte durch Strafurteil beseitigt worden; anstatt dessen wurden in zahlreiche Gesetze Sonderbestimmungen darüber aufgenommen, welche Rechtsfolgen eine Bestrafung auf die Ausübung der in den betr. Gesetzen vorgesehenen Rechte nach sich zog. Durch das Gesetz Nr. 286 vom 18. Juni 1951 (oben S. 82) ist dann die jetzt geltende Regelung getroffen worden. Leitender Grundsatz — und als solcher im Gesetz ausdrücklich ausgesprochen — ist hiernach, daß strafbares Verhalten n i c h t den Verlust von bürgerlichen Rechten, einschließlich des Rechts zu einer Tätigkeit auf Grund eines Gewerbescheins, nach sich zieht (§ 78 Abs. 1). Nur für eine Tätigkeit, für die eine besondere behördliche Ermächtigung oder Genehmigung erforderlich ist, wie ζ. B. für Ärzte, Apotheker, Mitglieder der Fondsbörse, Grundstücksmakler, Revisoren, Dolmetscher usw., gelten besondere Grundsätze, wenn das Verhalten, das der Täter an den Tag gelegt hat, die naheliegende Gefahr eines Mißbrauchs der Stellung oder des Berufs begründet. Dabei ist es nicht erforderlich, daß im Strafurteil auf Strafe erkannt ist — es genügt, wenn etwa wegen Unzurechnungsfähigkeit des Täters keine Strafe verhängt werden konnte 6 3 . Liegen die hier genannten Voraussetzungen vor, so ist die Rechtslage verschieden, je nachdem der Täter die in Frage kommende Tätigkeit bereits ausgeübt hat oder die Ermächtigung oder Genehmigung erst nachsucht. I m letzteren Falle kann die zuständige Verwaltungsbehörde den Antrag a b l e h n e n (Abs. 2). Zu einer Entscheidung des Gerichts kommt es erst, wenn der Antragsteller oder die Verwaltungsbehörde dies beantragen. Alsdann hat die Anklagebehörde die Frage, ob das Verhalten des Täters seinen Ausschluß rechtfertigt, dem Amtsgericht vorzulegen, das in der Hauptsache erkannt hat oder erkannt haben würde, wenn es sich um eine amtsgerichtliche Sache gehandelt hätte. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Lautet sie auf Ausschluß, so kann die Frage dem Gericht nach Ablauf von zwei Jahren erneut unterbreitet werden, unbeschadet des Rechts der Verwaltungsbehörde, die Genehmigung auch schon vorher zu erteilen Vgl. Hurwitz, e2
S. 604 ff.
U b e r a u s l ä n d i s c h e S t r a f u r t e i l e s. o b e n S. 91
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
119
(Abs. 3). — Hat der Täter die betreffende Tätigkeit dagegen bereits ausgeübt, so kann i h m das Recht, sie weiterhin — ganz oder unter einer bestimmten Form — auszuüben, im Strafurteil a b e r k a n n t werden (§ 79 Abs. 1). Unter besonderen Umständen kann sich die Aberkennung auch auf eine Tätigkeit beziehen, zu der keine Ermächtigung oder Genehmigung erforderlich ist. Die Aberkennung, die schon für die Dauer des Verfahrens stattfinden kann (Abs. 2), erfolgt für einen Zeitraum von einem bis zu fünf Jahren oder bis auf weiteres, i n welchem Falle die Frage nach Ablauf von fünf Jahren — i n besonderen Fällen mit Genehmigung des Justizministers auch schon früher (Abs. 3) — dem Gericht unterbreitet werden kann, das i n letzter Instanz auf Aberkennung des Rechts erkannt hat. Die Bestimmungen gelten auch für den, dem vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 18. Juni 1951 (vgl. dessen § 31) Rechte aberkannt waren. I n allen Fällen, i n denen hiernach Rechte aberkannt werden, kann die Strafe herabgesetzt werden und, wenn sie Haft nicht überstiegen haben würde, ganz fortfallen (§ 87). Wer eine Tätigkeit weiter ausübt, nachdem ihm das Recht dazu aberkannt ist, macht sich strafbar (§ 131, unten S. 143). Wie sich die Resozialisierungsmaßnahmen, die nicht ohne Widerspruch, namentlich aus Kreisen des Handels und Gewerbes, erfolgt sind, in der Praxis auswirken werden, läßt sich noch nicht übersehen. Besondere Bestimmungen, die durch das Gesetz vom 18. Juni 1951 unberührt geblieben sind, gelten für Beamte nach dem Beamtengesetz Nr. 301 vom 6. Juni 1946 und für Richter, Schöffen, Geschworene usw. und Rechtsanwälte nach dem Rechtspflegegesetz (oben S. 99). Die Vorschriften über das aktive und passive Wahlrecht zum Parlament (Folketing) finden sich in der Verfassung vom 5. Juni 1953 (§§ 29, 30). VII. R e c h t s f o l g e n
außerhalb
des A l l g e m e i n e n
Teils
Hier seien genannt: die Untersagung des Handels mit Lebensmitteln (§ 195, unten S. 159) und der Ausübung eines schädlichen Gewerbes (§ 207, unten S. 162; die Veröffentlichung der Urteilsgründe bei falscher Anschuldigung (§ 164 Abs. 4, unten S. 152) und Beleidigung (§ 273, unten S. 182), die Anweisung zur polizeilichen Meldung i m Falle der Verurteilung wegen Arbeitsscheu (§ 200, unten S. 161) und wegen eines Bereicherungsdelikts (§ 289, unten S. 183); die Auflagen an Sittlichkeitsverbrecher (§ 236, unten S. 164); die zivilrechtlichen Folgen nach §§ 14, 15 des Einführungsgesetzes (vgl. oben S. 80, unten S. 170); die Entziehung des Führerscheins nach dem „Motorgesetz (unten S. 195). Über Kastration s. unten S. 202.
120
Das Strafrecht Dänemarks
Zehntes
Kapitel
Festsetzung der Strafe (§§ 80—91) 64 Unter diesem Titel werden behandelt: die Strafzumessung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens (§ 80), die Straf schärf ungs(§§ 81—83) und Strafmilderungsgründe (§§ 84—87), das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen (§§ 88—89) und die Strafumwandlung (§§ 90—91). I. D i e S t r a f z u m e s s u n g i n n e r h a l b d e s S t r a f r a h m e n s (§ 80)
gesetzlichen
Bei der Weite der Strafrahmen und der Seltenheit eines Strafminimums, das über dem der betreffenden Strafart liegt, ist der Richter in der Bemessung der Strafe außerordentlich frei gestellt. Die Vorschriften, die das Gesetz ihm dafür an die Hand gibt, können nicht erschöpfend sein und sind nur als Richtlinien zu betrachten. Als solche werden einerseits die Schwere und Gefährlichkeit der T a t , andererseits die Persönlichkeit des T ä t e r s genannt, indem „besonders" sein Vorleben, sein Alter, sein Verhalten vor und nach der Tat, die Stärke der an den Tag gelegten verbrecherischen Gesinnung und die Beweggründe der Handlung zu berücksichtigen sind (Abs. 1). General- und spezialpräventive Gesichtspunkte halten sich daher die Waage. Außer dieser positiven Vorschrift enthält das Gesetz keine Bestimmungen über die Festsetzung einer Strafe in „normalen" Fällen. Einen gewissen Anhaltspunkt mag die Höhe des Strafmaximums des betreffenden Delikts 6 5 oder die Reihenfolge der bei den einzelnen Tatbeständen angegebenen Strafen abgeben — so wenn die fahrlässige Begehung gemeingefährlicher Straftaten bald mit Geldstrafe oder Haft (§ 184 Abs. 2, Störung der Verkehrssicherheit), bald m i t Haft oder Geldstrafe (§ 189 Abs. 2, Feilhalten gesundheitsschädlicher Heilmittel) bedroht ist. Diese Gesichtspunkte spielen aber in der Praxis keine entscheidende Rolle 6 6 . Über die tatsächlich von den Gerichten befolgte Strafzumessungspraxis unterrichtet die eingehende Darstellung von v. Eyben. Die Entscheidungen der Gerichte geben hier keinerlei Richtlinien, da sie sich über die Gründe, die zu der erkannten Strafe geführt haben, in aller Regel nicht aussprechen, und es gibt 84 Monographie von Professor Dr. jur. W. E. v. Eyben: Strafudmaling, Lovens Rammer og Dommerens Udfyldning (Strafzumessung, die Strafrahmen des Gesetzes und ihre Ausfüllung durch den Richter), Kopenhagen 1950. — Hurwitz, S. 708 ff. und die dort Zitierten, namentlich Sachs in N T f K 1950, S. 293 ff. e5 Vgl. Hurwitz, S. 710. ti ä ν . Eyben, S. 193.
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
121
daher keine Rechtsprechung über die bei der Strafzumessung zu beachtenden Gesichtspunkte. I n zahlreichen Tatbeständen des Besonderen Teils werden beim Vorliegen erschwerender oder mildernder Umstände besondere Strafrahmen festgesetzt. Der Begriff findet sich aber auch i m Allgemeinen Teil. So ist es, wie oben S. 109 bemerkt, als erschwerender Umstand anzusehen, wenn ein bedingt Verurteilter nach Ablauf der Probezeit wegen einer Straftat abzuurteilen ist, die er während der Probezeit begangen hat; ferner ist die gemeinschaftliche Begehung einer Tat in der Regel als erschwerender Umstand anzusehen (§ 80 Abs. 2). I n diesen Fällen ist zwar die Strafe zu erhöhen, muß sich aber innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens halten. Mildernde Umstände können beim Vorliegen gewisser Voraussetzungen generell zum Fortfall der Strafe führen (§ 84 Abs. 2, unten S. 123). Verschieden von diesen im Allgemeinen und Besonderen Teil vorgesehenen erschwerenden und mildernden Umständen schlechthin sind die allgemeinen Strafschärfungs- und Strafmildungsgründe, die i m folgenden unter II. und I I I . besprochen werden. Daß es daneben i m Besonderen Teil auch Strafschärfungs- und Strafmildungsgründe besonderer A r t gibt — wie etwa einerseits der Diebstahl mit Waffen, andererseits der Diebstahl von Sachen geringfügigen Werts —, bedarf keiner Ausführung. II. D i e S t r a f s c h ä r f u n g s g r ü n d e A. Rückfall
(§§ 81—83)
(§ 81 )67
M i t Rückfall, nach dänischem Sprachgebrauch „Wiederholungsfall", bezeichnet das Gesetz nicht n u r die wiederholte Begehung einer Straftat; auch an die wiederholte Verhängung gewisser Maßnahmen knüpft es Rechtsfolgen. So führt ζ. B. die wiederholte Unterbringung i m Arbeitshaus, in der Sicherungsverwahrung oder in einer Trinkerheilanstalt, wenn sie auf Grund einer neuen Straftat erfolgt, kraft Gesetzes zu einer Verlängerung der Internierung (vgl. oben S. 111 ff.). Die wiederholte Begehung einer Straftat — sei es der gleichen, sei es einer verwandten, sei es einer Straftat überhaupt — führt zur Strafschärfung, soweit dies in den Tatbeständen des Besonderen Teils ausdrücklich bestimmt ist; hierbei verwendet das Gesetz nicht immer den Ausdruck Rückfall, sondern spricht unter Umständen davon, daß der Täter eine bestimmte Straftat „schon einmal" begangen hat — wie ζ. B. bei der Bettelei, vgl. unten S. 160. Die Strafschärfung ist übrigens niemals obligatorisch und führt stets nur zu einer Erhöhung des Strafmaximums, nicht des Minimums. 7
Vgl. Hurwitz,
S.
ff.
122
Das Strafrecht Dänemarks
Für alle diese Fälle normiert das Gesetz die Voraussetzungen, unter denen die frühere Tat den Rückfall begründet: der Täter muß vor Begehung der neuen Tat i m dänischen Staat einer nach Vollendung des 18. Lebensjahres begangenen strafbaren Handlung für schuldig befunden worden sein, der das Gesetz i m Verhältnis zur später begangenen Rückfallswirkung beilegt; der Begehung einer strafbaren Handlung stehen Versuch und Teilnahme gleich. Die Rückfallswirkung erlischt mit dem Ablauf von fünf Jahren seit der Verbüßung, dem endgültigen Erlaß oder dem Fortfall (ζ. B. bei bedingter Verurteilung, oben S. 108) der Strafe oder seit der endgültigen Entlassung aus dem Arbeitshaus oder der Sicherungsverwahrung, bei Geldstrafen seit dem Datum des endgültigen Urteils. Von dem Alterserfordernis gilt eine Ausnahme für den Fall, daß die Unterbringung des Täters in Sicherungsverwahrung in Frage kommt; hier sind auch Straftaten zu berücksichtigen, die er vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangen hat (vgl. oben S. 112 f.). Das Gericht ist befugt, aber nicht verpflichtet, ausländischen Strafurteilen die gleiche Rückfallswirkung wie inländischen beizulegen. Uber inländische Urteile, die nach früherem Recht ergangen sind, s. oben S. 89. B. Gewerbs- oder gewohnheitsmäßig
begangene Straftaten
(§ 82) 68
Hier kann die Strafe bis um die Hälfte, bei Rückfall bis auf das Doppelte des für die Tat vorgesehenen Höchstmaßes erhöht werden, jedoch unter Beachtung der Maximalbestimmungen des § 90 (unten S. 127). Die Vorschrift ist praktisch nicht von großer Bedeutung, da ihre Anwendung in den zahlreichen Fällen ausgeschlossen ist, in denen Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit Tatbestandsmerkmal ist, und da für gewerbs- und gewohnheitsmäßige Verbrecher Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung in Frage kommen. C. Von Gefangenen oder früheren Gefangenen begangene Straftaten (§ 83) Bei gewissen, von Gefangenen oder Internierten begangenen Straftaten ist die an sich verwirkte Strafe obligatorisch auf das Doppelte zu erhöhen. Die gemeinschaftliche Begehung ist stets als erschwerender Umstand anzusehen, bei gemeinschaftlicher Verabredung sind die Rädelsführer, auch wenn die Tat nicht vollendet wird, wie für eine vollendete Straftat zu bestrafen. Die Vorschriften gelten ζ. T. auch für frühere Gefangene, ζ. B. bei Handlungen gegen das Anstaltspersonal. Wegen der Einzelheiten muß auf den Text des Gesetzes verwiesen werden. In der Praxis haben diese Bestimmungen in der Regel nicht Vgl. Hurwitz,
S.
41.
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
123
zu Strafen geführt, die über dem normalen Höchstmaß des betreffenden Strafrahmens liegen 6 9 . — Über die Verabredung gemeinschaftlichen Entweichens s. unten S. 141. III. D i e S t r a f m i l d e r u n g s g r ü n d e A. Allgemein
(§§ 84—87)
(§ 84)
Das Gesetz faßt in Abs. 1, Ziffer 1—9, eine Reihe von Strafmilderungsgründen zusammen, bei deren Vorliegen die gesetzlich vorgesehene Strafe herabgesetzt werden kann, d. h. es kann i n diesen Fällen nicht nur auf das gesetzliche Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe, sondern stets auch auf Geldstrafe heruntergegangen werden; die Herabsetzung ist jedoch nirgends zwingend vorgeschrieben. Nach Abs. 2 kann die Strafe ganz fortfallen, wenn auch „ i m übrigen" mildernde Umstände vorliegen; diese Bestimmung ist aber auf die Ziffern 1—6 beschränkt. Z i f f e r 1 betrifft die Fälle, in denen der Täter die Grenzen rechtmäßiger N o t w e h r (oben S. 92) oder des nach § 14 zulässigen N o t r e c h t s (oben S. 93) überschritten hat. Z i f f e r 2 behandelt die Bemessung von Strafen gegen J u g e n d l i c h e , die zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten (vgl. oben S. 101). Hier t r i t t Strafmilderung ein, wenn die Anwendung der vollen Strafe des Gesetzes wegen der Jugend des Täters unnötig oder schädlich erscheint. Die Strafe darf höchstens acht Jahre Gefängnis betragen, auch wenn keine Strafmilderungsgründe vorliegen. Z i f f e r 3 behandelt den strafrechtlichen R e c h t s i r r t u m 7 0 . Der Täter muß in entschuldbarer Unkenntnis oder entschuldbarem Mißverständnis rechtlicher Vorschriften gehandelt haben, die die Vornahme der Handlung verbieten oder gebieten. Ist dies der Fall, so ist er nicht, wie beim außerstrafrechtlichen I r r t u m oder beim Tatsachenirrtum, exkulpiert, doch bildet in der Praxis der Fortfall der Strafe gemäß Abs. 2 (s. oben) die Regel. A u f dem Gebiet der durch das Strafgesetzbuch geregelten Straftaten sind freilich die Fälle, i n denen entschuldbarer Rechtsirrtum angenommen wird, nicht häufig. Z i f f e r 4 betrifft den Fall der P r o v o k a t i o n und setzt voraus, daß die Tat i n der Erregung über einen rechtswidrigen Angriff oder eine schwere Beleidigung seitens des Verletztens begangen worden ist. Damit ist Provokation grundsätzlich bei Straftaten jeder A r t als Strafmilderungsgrund anerkannt. Über Sonderbestimmungen bei Körper60 70
v. Eyben, S. 64. Vgl. Hurwitz, S. 362 ff., le Maire in N T f K 1949, S. 227 ff.
124
Das Strafrecht Dänemarks
Verletzung s. § 248 Abs. 2 (unten S. 172), bei Beleidigung § 272 (unten S. 180), bei militärischen Straftaten unten S. 197. Z i f f e r 5 t r i f f t die Fälle, in denen der Täter sich durch seine A b h ä n g i g k e i t von einem anderen oder durch Androhung erheblichen Schadens zu der Tat hat bewegen lassen. Uber Handeln auf Befehl s. unten S. 196. Z i f f e r 6 behandelt ebenso wie die folgenden Ziffern den Fall des R ü c k t r i t t s und ähnlicher Handlungen nach vollendeter Straftat (vgl. oben S. 97 f.). Hat der Täter die sich aus seiner Handlung ergebende Gefahr f r e i w i l l i g a b g e w e n d e t , so ist Strafmilderung oder Fortfall der Strafe möglich. Die Bestimmung ist namentlich für diejenigen Delikte von Bedeutung, die bereits beim Vorliegen einer bestimmten Absicht strafbar sind, ohne daß ein Schaden eingetreten zu sein braucht (vgl. oben S. 97). Z i f f e r 7 läßt Strafmilderung, aber ebensowenig wie die folgenden Ziffern Fortfall der Strafe zu, wenn der Täter den durch die Tat verursachten Schaden vollständig w i e d e r g u t g e m a c h t hat. — Über Straflosigkeit i n einem Sonderfall s. § 299 Ziffer 1, unten S. 191. Z i f f e r 8 läßt Strafmilderung zu, wenn der Täter sich i m übrigen f r e i w i l l i g b e s t r e b t hat, der Vollendung vorzubeugen oder den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen, Z i f f e r 9, wenn er sich f r e i w i l l i g s e l b s t a n g e z e i g t und ein v o l l e s G e s t ä n d n i s abgelegt hat. B. Affekthandlungen u. ähnl. (§ 85) 71 I m Gegensatz zu den Strafmilderungsgründen allgemeiner A r t ist die Herabsetzung der Strafe in den hier zu besprechenden Fällen zwingend vorgeschrieben. Dies bedeutet, daß niemals auf die Höchststrafe erkannt und stets bis auf das gesetzliche Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe oder auf Geldstrafe heruntergegangen werden kann, was aber nicht ausschließt, daß das Gericht nach den Umständen des Einzelfalls eine Strafe verhängt, die nicht unter dem für die Tat vorgesehenen Mindestmaß — oder auch über diesem — liegt. Ist keine höhere Strafe als Haft vorgesehen, so kann diese ganz fortfallen. Bedingte Verurteilung ist bei jeder Strafhöhe möglich (vgl. oben S. 108). Die hier in Frage kommenden Handlungen sind solche, die unter dem Einfluß einer starken Gemütsbewegung, einer anderen vorübergehenden Störung des psychischen Gleichgewichts oder anderer besonderer Umstände begangen worden sind, die die Strafwürdigkeit, von der Handlungen der betreffenden A r t in der Regel zeugen, so erheblich vermindern, daß die Anwendung der vorgesehenen Strafe eine unver71
Vgl. Hurwitz,
S. 411 ff.
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
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hältnismäßige Härte bedeuten würde. Die Vorschrift ist hiernach besonders auf Affekthandlungen berechnet und i n der Praxis oft bei Tötungen und Körperverletzungen aus Eifersucht u. dgl. angewandt worden, aber auch ζ. B. i n Fällen „erweiterten Selbstmords" u. ähnl. Voraussetzung ist natürlich, daß die strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht wegen Unzurechnungsfähigkeit ausgeschlossen ist (oben S. 93). Beim Vorliegen nicht nur vorübergehender psychischer Anomalien (oben S. 94) erscheint die Anwendung des hier besprochenen Strafmilderungsgrunds dagegen nicht grundsätzlich ausgeschlossen72. Beruht die Störung des psychischen Gleichgewichts auf selbstverschuldeter Trunkenheit, die aber das Bewußtsein nicht ausschließt (vgl. oben S. 95), so kann Strafmilderung nur eintreten, wenn der Täter nicht schon einmal — unter Beachtung der für den Rückfall geltenden Bestimmungen, oben S. 121 — einer strafbaren Handlung gleicher A r t oder einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des § 138 (unten S. 145) für schuldig befunden worden ist, und nur bei I m übrigen m i l dernden Umständen. I n der Praxis ist Strafmilderung aus diesem Grunde selten — vgl. oben S. 95. Vorschriften des Besonderen Teils, die bei Affekt- und ähnlichen Zuständen privilegieren, wie ζ. B. die Vorschriften über die Kindestötung (unten S. 171), gehen denen des § 85 vor. C. Anrechnung der Untersuchungshaft (§86) I n den Fällen, i n denen eine erlittene Untersuchungshaft nicht dem Verhalten des Täters während des Verfahrens zuzuschreiben ist, muß i m Urteil angeordnet werden, daß die Strafe ganz oder zum Teil als durch die Untersuchungshaft verbüßt gilt. Die Bemessung der anzurechnenden Zeit liegt beim Gericht, sie beträgt bei einer Gefängnisstrafe in der Regel zwei Drittel der erlittenen Untersuchungshaft. Auch wer zu Jugendgefängnis, Arbeitshaus oder Sicherungsverwahrung verurteilt wird, hat unter den obigen Voraussetzungen Anspruch darauf, daß die Untersuchungshaft ganz oder zum Teil auf den für die Unterbringung i n den genannten Anstalten bestimmten Zeitraum angerechnet wird. D. Uber Strafmilderung bei A b e r k e n n u n g v o n R e c h t e n (§ 87) s. oben S. 119. IV. Z u s a m m e n t r e f f e n m e h r e r e r strafbarer H a n d l u n g e n (§§ 88—89) 73 Das Gesetz unterscheidet zwischen der gleichzeitigen Aburteilung mehrerer Straftaten und der nachträglichen Aburteilung einer Tat, 72 73
Abw. Krabbe, S. 293. Vgl. Hurwitz, S. 723 ff.
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Das Strafrecht Dänemarks
die vor einer früheren Verurteilung begangen wurde. — Wo eine Mehrheit strafbarer Handlungen Tatbestandsmerkmal ist, wie ζ. B. die Brandstiftung i n betrügerischer Absicht (unten S. 157), oder strafschärfend w i r k t , wie ζ. B. Diebstähle i n größerer Zahl (unten S. 185), finden die hier besprochenen Vorschriften keine Anwendung. A. Die gleichzeitige
Aburteilung
(§ 88)
Das Strafgesetzbuch steht auf dem Boden der E i n h e i t s s t r a f e , nach dänischem Sprachgebrauch „gemeinsame Strafe". Eine solche ist stets zu verhängen, wenn der Täter „durch eine oder mehrere Handlungen mehrere Straftaten begangen" hat, also ohne Rücksicht darauf, ob Ideal- oder Realkonkurrenz vorliegt. Für die Strafzumessung gelten keine weiteren Vorschriften, als daß die Strafe sich innerhalb des gemeinsamen Strafrahmens halten muß, bei Verschiedenheit der Strafrahmen innerhalb des strengsten. Die Verhängung der Mindeststrafe des betreffenden Strafrahmens ist daher nicht ausgeschlossen. Hierdurch w i r d die praktische Bedeutung möglicher Kontroversen darüber, ob i m konkreten Fall etwa ein fortgesetztes Verbrechen oder Gesetzeskonkurrenz oder ein sonstiger Fall, i n dem nicht vom Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen i m Sinne des Gesetzes gesprochen werden kann, erheblich eingeschränkt 74 . Die Höchststrafe darf in der Regel nicht überschritten werden, doch kann die Strafe bei „besonders" erschwerenden Umständen die höchste der für eine der Straftaten vorgesehene Strafe bis um die Hälfte übersteigen. Über das absolute Höchstmaß s. unten S. 127. Ziehen die einzelnen Straftaten ungleichartige Strafen nach sich, so ist beim Zusammentreffen von Haft und Gefängnis eine Gefängnisstrafe festzusetzen. Beim Zusammentreffen von Freiheits- und Geldstrafe kann entweder auf eine Freiheitsstrafe oder auf jede der beiden Strafen gesondert erkannt werden. Beim Zusammentreffen von Tagesbuße und anderer Geldstrafe ist i n der Regel auf Tagesbuße zu erkennen, doch kann auch auf jede Strafe gesondert erkannt werden. — Darüber, daß ein zu Arbeitshaus oder Sicherungsverwahrung Verurteilter nicht gleichzeitig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden kann, s. oben S. 110. B. Die nachträgliche
Aburteilung
(§ 89)
Bei nachträglicher Aburteilung einer vor dem früheren Urteil begangenen Tat ist auf eine „Zusatzstrafe" zu erkennen, soweit die gleichzeitige Aburteilung zu einer Erhöhung der Strafe geführt haben würde. Die Höhe der Zusatzstrafe liegt i m Ermessen des Gerichts, so Vgl. Hurwitz,
S.
ff.
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
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daß Haft oder Gefängnis auch für kürzere Zeit als 7 bzw. 30 Tage verhängt werden können. Letzteres ist zwar ausdrücklich nur für den Fall vorgeschrieben, daß die erste Strafe noch nicht voll verbüßt ist, muß aber auch für den Fall der Verbüßung der Strafe gelten, da die Zusatzstrafe nur die Funktion hat, diejenige Strafe zu ermöglichen, die bei gleichzeitiger Aburteilung verhängt worden wäre 7 5 . Zieht die zuletzt abgeurteilte Straftat Gefängnis nach sich, während die früher erkannte Strafe in Haft bestand, so ist diese, wenn sie nicht voll verbüßt ist, von der Strafvollzugsbehörde nach dem i m § 90 bestimmten Maßstab (s. unter V.) i n Gefängnis umzuwandeln. Lautet die Zusatzstrafe auf Freiheitsstrafe, während i m ersten Verfahren auf Arbeitshaus oder Sicherungsverwahrung erkannt war, so hat das Gericht zu prüfen, ob es bei dem früheren U r t e i l sein Bewenden haben soll oder ob der Angeklagte wegen beider Straftaten zu einer Gefängnisstrafe zu verurteilen ist, in welchem Falle ein Teil der erkannten Strafe durch die Anstaltsunterbringung als verbüßt gilt. W i r d umgekehrt durch die Zusatzstrafe auf Arbeitshaus oder Sicherungsverwahrung erkannt und war die erste Strafe eine Freiheitsstrafe, so ist das Strafurteil aufzuheben und der bereits verbüßte Teil der Strafe auf den für die Anstaltsunterbringung bestimmten Zeitraum anzurechnen. V. S t r a f u m w a n d l u n g (§§ 90—91) Bei der Umwandlung einer Haft- i n eine Gefängnisstrafe sind zwei Tage Gefängnis gleich drei Tagen Haft zu rechnen (§ 90 Abs. 1). Außer i n den eben besprochenen Fällen der Verhängung einer Zusatzstrafe ist eine solche Umwandlung auch vorgesehen, wenn ein bedingt Entlassener zu einer Haftstrafe verurteilt und zur Verbüßung dieser und der restlichen Gefängnisstrafe wieder aufgenommen w i r d (oben S. 103). Sie kann ferner erfolgen, wenn eine nach dem Gesetz zulässige Erhöhung der Strafe dazu führen würde, daß das gesetzliche Höchstmaß der Haft überschritten würde. Haft kann aber bis zu drei Jahren und Gefängnis bis zu 20 Jahren verhängt werden, wenn eine Erhöhung der für eine Straftat vorgesehenen gewöhnlichen Strafe zulässig ist (Abs. 2). Endlich kann an Stelle einer Haft- eine Gefängnisstrafe bis zur gleichen Höhe, also ohne Umwandlung nach obigem Maßstab, verhängt werden, wenn die für die Tat vorgesehene Strafe Haft nicht übersteigt, der Täter aber schon einmal — unter Beachtung der für den Rückfall geltenden Bestimmungen, oben S. 121 — eine Gefängnisstrafe verbüßt hat (§ 91). 75
Krabbe, S. 317. Zweifelnd Hurwitz, S. 734.
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Das Strafrecht Dänemarks
Elftes
Kapitel
Fortfall der Rechtsfolgen der strafbaren Handlung (§§ 92—96) 7β Den Hauptinhalt des Kapitels bilden die Vorschriften über die Verjährung. Daneben werden der Tod des Schuldigen und der Erlaß durch den Verletzten behandelt. I. M i t dem T o d e des Schuldigen fällt die strafrechtliche Verantwortung fort (§ 92 Ziffer 1). Das Gesetz verweist hier noch einmal auf § 52, wonach der Nachlaß· eines Verurteilten in der Regel nicht für eine Geldstrafe haftet (oben S. 107). II. Der E r l a ß durch den Verletzten beseitigt die strafrechtliche Verantwortlichkeit in den Fällen, i n denen die Tat entweder i m Wege der Privatklage oder nur auf Antrag verfolgt wird. I m ersteren Fall ist der Erlaß bis zum Schluß der Verhandlung, i m letzteren bis zur Stellung des Strafantrages zulässig (§ 92 Ziffer 2). I m übrigen vgl. oben S. 99 f. I I I . Die V e r j ä h r u n g zerfällt in Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsverjährung. A. D i e
Strafverfolgungsverjährung (§§ 92 Ζ i f f e r 3, 93—95)
Das Gesetz unterscheidet zwischen Straftaten, die auf Grund des Strafgesetzbuchs, und solchen, die nach Nebengesetzen strafbar sind. Nur für die ersteren gelten die Verjährungsvorschriften schlechthin. Bei anderen Straftaten, für die keine besonderen Vorschriften über Verjährung erlassen sind, liegt es i m Ermessen des Gerichts, ob es die Verjährungsvorschriften des Strafgesetzbuchs anwenden will. Steuer- und ähnliche Vergehen verjähren aber nur, soweit dies gesetzlich bestimmt ist. Obwohl die Verjährungsvorschriften gegenüber dem früheren Recht erheblich erweitert sind, gehen sie doch nicht so weit wie i n den meisten anderen Rechtssystemen. Einige Straftaten verjähren überhaupt nicht. Dies sind alle nach dem 16. Kapitel — Straftaten in öffentlichem A m t oder Auftrag — strafbaren Handlungen sowie die nach §§ 296 Abs. 1 Ziffer 2 und 3, Abs. 2, und § 297 strafbaren unrichtigen Mitteilungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse von Aktiengesellschaften usw. — vgl. unten S. 190 (§ 92 Ziffer 3). Auch die Vorschriften über die D a u e r der Verjährungsfristen enthalten weittragende Ausnahmen von dem Grundsatz der Verjährung. Die Dauer ist in der Regel von der Höhe der Strafe abhängig, die 76 Vgl. Hurwitz, S. 198 ff. 1952, S. 273; 1954, S. 231.
Über die Rechtsprechung s. Kaarsberg,
NTfK
Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs
12
der Täter i m konkreten Fall tatsächlich verschuldet haben würde. Hierüber müssen sich daher die Anklagebehörde und evtl. das Gericht ein Urteil bilden. Die Verjährungsfrist beträgt zwei Jahre, wenn die verschuldete Strafe Geldstrafe oder Haft bis zu zwei Jahren betragen würde, fünf Jahre, wenn sie Haft von mehr als zwei Jahren oder Gefängnis bis zu einem Jahre gewesen wäre, und zehn Jahre, wenn sie darüber hinaus gehen würde, jedoch nur, wenn die höchste für die Tat vorgesehene Strafe sechs Jahre Gefängnis nicht übersteigt — hier spielt also ein objektives K r i t e r i u m mit hinein (§ 93 Abs. 1). Straftaten, bei denen das Strafminimum mehr als ein Jahr und das M a x i m u m mehr als sechs Jahre Gefängnis beträgt, wie ζ. B. vorsätzliche Tötung, Körperverletzung mit tötlichem Ausgang usw., verjähren daher nicht, wenn nicht i m Einzelfall Strafmilderungsgründe vorliegen, die eine Strafe von nicht mehr als einem Jahr Gefängnis gerechtfertigt erscheinen lassen. Ob eine Tat verjährt ist, ist daher in vielen Fällen nicht objektiv bestimmbar, sondern eine Frage des Ermessens. Nach Ablauf von zehn Jahren seit Begehung der Tat unterliegt es aber der Entscheidung des Justizministers, ob sie verfolgt werden soll (Abs. 3). Beim Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen ist die Höhe der Einheitsstrafe (oben S. 126) für die Dauer der Verjährungsfrist maßgebend (Abs. 2). Der L a u f der Verjährungsfrist beginnt mit der Beendigung der strafbaren Tätigkeit oder Unterlassung. Ist die Strafbarkeit aber von einem späteren Ereignis abhängig, so beginnt der Lauf erst mit dessen Eintritt. Die Frist w i r d durch jede richterliche Handlung unterbrochen, durch die der Täter als Beschuldigter bezeichnet wird. Wenn die Verfolgung aber für unbestimmte Zeit eingestellt wird, ohne daß dies darauf zurückzuführen ist, daß der Täter sich der Verfolgung entzieht, so läuft die Frist weiter (§ 94 Abs. 1). Die Verjährungsfrist für eine auf einem dänischen Schiff im Ausland begangene strafbare Handlung (vgl. oben S. 90) beginnt erst zu laufen, wenn das Schiff in einem dänischen Hafen oder an einem Ort eintrifft, an dem sich ein dänisches Konsulat befindet; länger als ein Jahr darf die Frist aber hierdurch nicht gehemmt werden (Abs. 2). Die Verjährung hat die W i r k u n g , daß sowohl die Verhängung von Strafe wie die von Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung sowie von Rechtsfolgen anderer A r t ausgeschlossen ist. Letzteres gilt nach positiver Gesetzesbestimmung für die in den §§ 70—75 vorgesehenen Maßregeln (oben S. 114 ff.), für die Aberkennung von Rechten (oben S. 118 f.) und für die Bedingungen, unter denen die Anklagebehörde von der Verfolgung Jugendlicher absehen kann (oben S. 100). Auch die nicht ausdrücklich genannte Ausweisung eines Ausländers (§ 76, oben 9
Ausländisches Strafrecht
I.
1
Das Strafrecht Dänemarks
S. 116) ist nicht mehr zulässig, da sie eine Verurteilung zu Strafe voraussetzt. Dagegen w i r d die Möglichkeit der Einziehung (§ 77, oben S. 117) durch die Verjährung der Strafverfolgung nicht ausgeschlossen (§ 95 Abs. 1). Für Arbeitshaus, Sicherungsverwahrung und die Maßregeln der §§ 70—75 gilt ferner, daß sie nicht mehr angeordnet werden dürfen, wenn seit Begehung der strafbaren Handlung zehn Jahre verstrichen sind. Dies hat für den F a l l Bedeutung, daß die Tat nicht verjährt oder daß die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist (Abs. 2). Von VerjährungsVorschriften außerhalb des Strafgesetzbuchs ist die Bestimmung des § 16 des Einführungsgesetzes zu erwähnen, wonach Schadensersatzansprüche auf Grund einer strafbaren Handlung, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach 20 Jahren verjähren. Über die Verjährung nach dem Schwangerschaftsgesetz s. unten S. 199. B. D i e S t r a f v o l l s t r e c k u n g s v e r j ä h r u n g
(§ 96) 77
Auch diese Vorschriften bedeuten zwar gegenüber dem früheren Recht eine Erweiterung, sind aber auf Strafen beschränkt, die auf Geldstrafe, Haft oder auf Gefängnis bis zu einem Jahre lauten. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Nach Ablauf von zehn Jahren kann aber ein Strafurteil nur noch auf Anordnung des Justizministers vollstreckt werden. Über Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung sagt das Gesetz nichts, es ist aber anzunehmen, daß die Vorschrift diese Maßregeln rnitumfaßt 7 8 . Die Frist ist gehemmt, solange der Vollzug auf Grund bedingter Verurteilung ausgesetzt ist (oben S. 108) oder wegen der Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder der Unterbringung i m Arbeitshaus, i n der Verwahrungsanstalt oder in einer Trinkerheilanstalt nicht begonnen werden konnte.
Dritter
Abschnitt
Der Besondere T e i l des Strafgesetzbuchs Die 18 Kapitel des Besonderen Teils 1 lassen sich etwa i n vier Gruppen einteilen, indem die Kapitel 12—16 die Straftaten gegen den Staat behandeln, Kapitel 17—22 die Straftaten gegen die Allgemeinheit, Kapitel 23—27 die Straftaten gegen die Person, Kapitel 28—29 die Straftaten gegen das Vermögen. 77
78 1
S. auch Bjarne Frandsen
Hurwitz, S. 223.
in N T f K 1949, S. 260.
Kap. 12—29, vgl. das Inhaltsverzeichnis oben S. 70 f.
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
131
Vorbemerkung zu den Kapiteln 12 und 13 Die Bestimmungen dieser beiden Kapitel beruhen auf dem Gesetz Nr. 225 vom 7. Juni 1952 (oben S. 81), das die Materie auf eine völlig neue Grundlage gestellt hat. Die ursprünglichen Vorschriften hatten sich während des zweiten Weltkrieges und der deutschen Besetzung als unzureichend erwiesen und führten daher später zu dem Erlaß von mehr oder weniger problematischen Ausnahmegesetzen m i t rückwirkender K r a f t (vgl. oben S. 81). Die neue Gesetzgebung w i l l diesen Ausweg für die Zukunft vermeiden und hat daher unter Berücksichtigung der Erfahrungen des Krieges, der Besetzung und der i m Gefolge dieser Ereignisse erlassenen Ausnahmegesetze Bestimmungen geschaffen, die der Allgemeinheit klare Richtlinien für die Beurteilung dessen, was strafbar ist und was nicht, geben sollen. Den Begriff der „Besetzung", der bisher i m Strafgesetzbuch nicht vorkam, definiert das Gesetz für alle Fälle der Kapitel 12 und 132 als „fremde Besetzung des dänischen Staatsgebiets, wenn und solange sie dem Lande durch Anwendung von Gewalt oder durch Drohung damit aufgezwungen w i r d " (§ 99 Abs. 2). Es ist ein charakteristischer Zug des Gesetzes vom 7. Juni 1952, daß es trotz der Schwere der von i h m behandelten Verbrechen die Tendenz fortsetzt, von M i n d e s t s t r a f e n abzusehen, die über dem Mindestmaß der betreffenden Strafart liegen. Man hat dies namentlich m i t grundsätzlichen Erwägungen, aber auch damit begründet, daß die Erweiterung des Umkreises strafbarer Handlungen nicht i n allen Fällen eine über das Mindestmaß hinausgehende Strafe zu rechtfertigen braucht. Die einzige Mindeststrafe, die das Gesetz beibehalten hat, ist die sechsjährige Gefängnisstrafe beim Unternehmen der Tötung des Königs (unten S. 138). Andererseits sind die H ö c h s t s t r a f e n des bisherigen Rechts vielfach erhöht worden. So ist es nicht selten, daß das Strafmaß Gefängnis von 30 Tagen bis zu lebenslänglicher Dauer beträgt. Ferner ist bei allen i n den Kapiteln 12 und 13 behandelten Straftaten die E i n z i e h u n g des Vermögens und von Zins- und Einkommenserträgen zugunsten der Staatskasse möglich, wenn die Strafe mindestens zwei Jahre Gefängnis beträgt; das Gesetz enthält hier auch die zivilrechtliche Vorschrift, daß Verfügungen, die i n der dem Vertragsgegner erkennbaren Absicht getroffen worden sind, eine drohende Einziehung zu verhindern, ungültig sind (§ 118 b). Die Umgestaltung der Staatsschutzbestimmungen hat auch einige Änderungen in den Kapiteln 14 und 15 zur Folge gehabt. 2 Die Nennung des Kap. 13 beruht auf einem Redaktionsversehen, da dieses Kapitel — entgegen einem früheren Entwurf — den Fall der Besetzung an keiner Stelle nennt.
9·
12
Das Strafrecht Dänemarks
Die Anwendung der T o d e s s t r a f e ist nicht i m Strafgesetzbuch, sondern i m Gesetz Nr. 227 vom 7. Juni 1952 (oben S. 82) geregelt worden. Ihre Verhängung ist fakultativ und nur bei bestimmt bezeichneten Straftaten zulässig, die während eines Krieges oder einer Besetzung zur Förderung feindlicher Interessen und unter i m übrigen erschwerenden Umständen begangen werden. Diese Straftaten sind: das Unternehmen der Herbeiführung von Fremdherrschaft (§ 98) und von Krieg (§ 99), die qualifizierte Denunziation und Tortur (§ 102 Abs. 3), das Unternehmen der Verfassungsänderung (§ 111) und auch die vorsätzliche Tötung (§ 237). Auch die versuchte vorsätzliche Tötung fällt unter die Bestimmung, da der Versuch nicht milder bestraft zu werden braucht als die vollendete Tat (oben S. 97). Gegen Jugendliche, die bei Begehung der Tat das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, kann die Todesstrafe nicht verhängt werden. Die scharfe Scheidung zwischen Hoch- und Landesverrat ist dem Strafgesetzbuch fremd. Das 12. Kapitel umfaßt die Straftaten gegen die S e l b s t ä n d i g k e i t u n d S i c h e r h e i t d e s S t a a t e s , das 13. Kapitel die Straftaten gegen die S t a a t s v e r f a s s u n g u n d die obersten Staatsbehörden usw. Die Strafbarkeit t r i t t auch ein, wenn der Täter ein Ausländer ist und i m Ausland handelt (§ 8 Abs. 1 Ziffer 1, oben S. 90), soweit nicht völkerrechtlich anerkannte Ausnahmen entgegenstehen (§ 12). Ferner gilt für alle nach Kapitel 12 und die meisten der nach Kapitel 13 strafbaren Handlungen, daß die öffentliche Verfolgung von der Entscheidung des Justizministers abhängig ist (§§ 110 f., 118 a). Über Vorbeugungspflicht, notfalls durch Anzeige, s. § 141 (unten S. 146), über die Strafbarkeit ausdrücklicher öffentlicher Billigung § 136 (unten S. 144). — Viele der nach den Kapiteln 12 und 13 strafbaren Handlungen sind solche, die mit dem Unternehmen vollendet sind (vgl. oben S. 97).
Zwölftes
Kapitel
Straftaten gegen die Selbständigkeit und Sicherheit des Staates (§§ 98—110 f.) I. U n t e r n e h m e n d e r H e r b e i f ü h r u n g herrschaft und Krieg
von
Fremd-
Die beiden schwersten Straftaten sind das Unternehmen der Herbeiführung von F r e m d h e r r s c h a f t und von K r i e g ; sie sind m i t Gefängnis bis zu lebenslänglicher Dauer, i m Falle eines Krieges oder einer Besetzung m i t dem Tode bedroht.
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
A. Das Unternehmen
der Herbeiführung
183
von Fremdherrschaft
(§ 98)
Das als Hochverrat zu bezeichnende Delikt besteht i n der Vornahme einer Handlung, die darauf abzielt, den Staat oder einen Teil desselben unter f r e m d e B o t m ä ß i g k e i t zu bringen oder einen Teil des Staates l o s z u r e i ß e n . Als M i t t e l werden nicht nur, wie i m früheren Recht, Anwendung von Gewalt oder Drohung damit genannt, sondern auch ausländischer Beistand. Anwendung von Gewalt, nach dänischem Sprachgebrauch „Macht", ist im weitesten Umfange zu verstehen, so daß ζ. B. auch Streiks darunter fallen. Dies wurde schon nach früherem Recht angenommen und ist jetzt dadurch klargestellt, daß das Gesetz „auch" die Vornahme umfassenderer Sabotage oder Unterbrechung der Produktion oder des Verkehrs unter Strafe stellt. Auch der Teilnehmer an solchen Handlungen ist strafbar, wenn er ihren Zweck kennt. — Über Unterbrechung des Verkehrs s. auch unten S. 139. B. Das Unternehmen
der Herbeiführung
von Krieg usw. (§ 99)
Das als Landesverrat zu bezeichnende Delikt besteht i n der Vornahme einer Handlung, die darauf abzielt, den Staat in einen K r i e g , eine B e s e t z u n g oder a n d e r e F e i n d s e l i g k e i t e n zu verwickeln. Als Beispiele für andere Feindseligkeiten werden Blockade oder andere Zwangsmaßnahmen genannt. Dem dänischen Staat steht ein m i t ihm für den Kriegsfall verbündeter Staat gleich. Die Strafbarkeit ist nicht davon abhängig, daß bestimmte M i t t e l angewendet werden. — Strafbar ist ferner, wer sonst dafür tätig ist, die H a n d l u n g s f r e i h e i t des dänischen Staates zu beeinträchtigen; hier ist jedoch Voraussetzung, daß dies mit ausländischem Beistand geschehen soll. — Über die Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit dänischer Behörden während einer Besetzung s. unten S. 136. II. A n r e i z u n g z u f e i n d l i c h e n M a ß n a h m e n
usw.
Unverändert, nur mit erhöhter Strafdrohung (Gefängnis bis zu sechs Jahren), ist aus dem bisherigen Recht die Bestimmung übernommen worden, daß strafbar ist, wer durch ö f f e n t l i c h e Ä u ß e r u n g e n zu f e i n d l i c h e n M a ß n a h m e n gegen den dänischen Staat oder — minder strafbar — zur E i n m i s c h u n g einer fremden Macht in staatliche Angelegenheiten a n r e i z t oder wer eine offensichtliche G e f a h r für solche Maßnahmen h e r b e i f ü h r t (§ 100). III. M a ß n a h m e n
g e g e n d i e „5. K o l o n n e "
(§§ 101—105)
Diese Bestimmungen bilden den Kern der durch das Gesetz vom 7. Juni 1952 durchgeführten Reform. Gemeinsam ist ihnen, daß sie eine K r i e g s - o d e r B e s e t z u n g s s i t u a t i o n voraussetzen.
1
Das Strafrecht Dänemarks
A. Vorbereitende
Handlungen
(§ 101)
Strafbar ist jede irgendwie geartete Vorbereitung von Beistand für den Feind, die mit Krieg, Besetzung oder anderen Feindseligkeiten vor Augen geschieht. Die Strafdrohung geht bis zu 16 Jahren Gefängnis. B. Beistandsleistung
(§ 102)
Die gleiche Strafdrohung t r i f f t denjenigen, der während eines Krieges oder einer Besetzung dem Feinde mit Rat oder Tat B e i s t a n d l e i s t e t oder die K a m p f k r a f t des Staates oder seines Bundesgenossen zur Förderung feindlicher Interessen s c h w ä c h t . Die Motive heben hier ausdrücklich hervor, daß diese Handlungen selbstverständlich nur im Falle der Rechtswidrigkeit strafbar sind. Als Beispiele für Beistandsleistung werden folgende Tatbestände genannt, die aber nicht als erschöpfende Aufzählung anzusehen sind, zumal hier das Militärstrafgesetzbuch ergänzend eingreift (vgl. unten S. 197): 1. Die D i e n s t l e i s t u n g i n den bewaffneten Formationen des Feindes, denen gewisse militärische oder polizeiliche Korps oder Organisationen gleichstehen, sowie die W e r b u n g dazu. — Uber Werbung außerhalb einer Kriegssituation s. unten S. 142. 2. Die Ausübung ziviler Funktionen im feindlichen Polizei- oder Gefängniswesen, soweit sie sich auf die Teilnahme an der V e r n e h m u n g o d e r B e w a c h u n g v o n G e f a n g e n e n erstrecken. 3. Die D e n u n z i a t i o n oder ähnliche Handlungen, die zur F e s t n a h m e durch eine feindliche Behörde usw. g e f ü h r t oder die G e f a h r einer Festnahme oder Schädigung herbeigeführt haben. Hier kann in qualifizierten Fällen lebenslängliches Gefängnis, unter Umständen die Todesstrafe (oben S. 132), verhängt werden, nämlich wenn der Täter in der Erkenntnis gehandelt hat, daß er dadurch einen anderen der unmittelbar drohenden Gefahr aussetzte, das Leben zu verlieren, ernstlichen Schaden an Körper oder Gesundheit zu erleiden oder deportiert oder f ü r längere Zeit der Freiheit beraubt zu werden. Diese Strafdrohung gilt auch der Vornahme von T o r t u r und ähnlicher Handlungen, nämlich wenn der Täter zur Erzwingung einer Erklärung oder eines Geständnisses oder sonst i m Verfolg einer Mißhandlung von Gefangenen den Vorschriften über Körperverletzung oder Aussetzung zuwidergehandelt hat (Abs. 3). 4. P r o p a g a n d a für den Feind, einschließlich der Tätigkeit als Herausgeber, Redakteur oder Geschäftsführer einer Tageszeitung, einer Zeitschrift, eines Verlages oder eines Pressebüros, die für die Förderung feindlicher Interessen arbeiten. Strafbar ist hier die Tätigkeit als solche, d. h. ohne Rücksicht auf die Sonderbestimmungen des Preßgesetzes (unten S. 203).
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
13
5. Wesentliche w i r t s c h a f t l i c h e U n t e r s t ü t z u n g solcher P r o p a g a n d a oder von P a r t e i e n oder O r g a n i s a t i o n e n , die i n ungebührlicher Weise mit dem Feinde zusammenarbeiten oder für die Förderung seiner Interessen tätig sind. Dagegen ist die Teilnahme an Organisationen, die mit dem Feinde zusammenarbeiten, nicht unter Strafe gestellt, wenn es sich nicht um staatsgefährliche Vereinigungen i m Sinne des § 114 handelt — vgl. unten S. 139. C. I m Zusammenhang hiermit w i r d mit einer Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren bedroht, wer den Maßnahmen, die der Staat aus Anlaß eines Krieges oder einer Besetzung getroffen hat, e n t g e g e n a r b e i t e t , wobei als Hauptfall die N i c h t e r f ü l l u n g eines V e r t r a g e s genannt wird. Auch die grobfahrlässige Nichterfüllung ist strafbar. Einem Krieg oder einer Besetzung steht hier die d r o h e n d e G e f a h r solcher Ereignisse gleich — ein Begriff, der sich auch bei der Wehrpflichtverletzung (unten S. 142) findet und zu erheblichen Auslegungsschwierigkeiten führen kann (§ 103). D. Wirtschaftliche
Zusammenarbeit
mit dem Feinde (§ 104)
Strafbar ist, wer zu Zwecken des Erwerbes in ungebührlicher Weise mit einer feindlichen Kriegs- oder Besatzungsmacht direkt oder durch Zwischenpersonen zusammenarbeitet. Hier ist Geldstrafe an erster Stelle angedroht; die Höchststrafe beträgt acht Jahre Gefängnis. Die Strafdrohung trifft jeden, der in dem Betrieb eine leitende Stellung eingenommen hat; andere i m Betrieb beschäftigte Personen sind dagegen nur strafbar, wenn sie besonders anstößig aufgetreten sind — ebenfalls ein dehnbarer Begriff. Für die Auslegung des Begriffes „ i n ungebührlicher Weise" gibt das Gesetz gewisse Richtlinien (Abs. 3). Zunächst ist stets die Bedeutung des Betriebes für die feindliche Macht zu prüfen. Ferner ist besonders zu berücksichtigen, ob der Täter 1. für die Anbahnung, Fortsetzung oder Erweiterung der Geschäftsverbindung selbst a k t i v t ä t i g war, 2. i m Interesse des Feindes aus eigener Initiative eine U m l e g u n g des Betriebes vorgenommen oder eine g r ö ß e r e oder s c h n e l l e r e Produktion als erforderlich geleistet oder zu leisten versucht hat, 3. zur Förderung seiner Interessen den B e i s t a n d d e s F e i n d e s g e g e n ü b e r d ä n i s c h e n B e h ö r d e n angerufen hat, 4. dänischen Behörden E i n b l i c k i n d e n B e t r i e b g e r t oder zu verweigern versucht hat,
verwei-
5. einen u n a n g e m e s s e n e n V e r d i e n s t oder andere geschäftlich unangemessene Vorteile erlangt oder zu erlangen versucht hat.
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Das Strafrecht Dänemarks
E. Für den Fall einer Besetzung bringt das Gesetz eine Ausdehnung der i m § 99 getroffenen Bestimmung über die B e e i n t r ä c h t i g u n g d e r H a n d l u n g s f r e i h e i t des dänischen Staats auf a l l e d ä n i s c h e n B e h ö r d e n . Strafbar ist jede Handlung, die darauf abzielt, die Besatzungsmacht oder eine mit ihr zusammenarbeitende Organisation oder Person zur Beeinträchtigung der Handlungsfreiheit dänischer Behörden zu veranlassen. Hier ist ausschließlich Gefängnis angedroht, und zwar bis zu acht Jahren. Die Strafdrohung t r i f f t auch denjenigen, der seine B e z i e h u n g e n z u r B e s a t z u n g s m a c h t usw. i n ungebührlicher Weise a u s n u t z t , um sich oder anderen einen besonderen Vorteil zu verschaffen (§ 105). IV. A n d e r e l a n d e s v e r r ä t e r i s c h e Handlungen (§§ 106—110, 110 b) A. Die landesverräterische U n t r e u e , d. h. das Handeln gegen die Interessen des Staates bei Wahrnehmung eines Auftrages, mit einem fremden Staat zu verhandeln oder ein Abkommen zu treffen, w i r d mit Gefängnis bis zu 16 Jahren bestraft (§ 106). B. Spionage und andere unerlaubte
Nachrichtentätigkeit
(§§ 107—108)
1. M i t S p i o n a g e w i r d diejenige Tätigkeit bezeichnet, die im Dienste einer fremden Macht oder Organisation oder zum Gebrauch für Personen, die in solchem Dienste tätig sind, Umstände ausspäht oder mitteilt, die m i t Rücksicht auf Interessen des dänischen Staats oder der dänischen Allgemeinheit geheimzuhalten sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Mitteilungen richtig oder falsch sind. M i t dieser Bestimmung, die Gefängnisstrafe bis zu 16 Jahren androht, sind die schwersten Fälle unerlaubten Nachrichtenwesens getroffen, nämlich die gegen Dänemark gerichtete Spionage unter Verwertung geheimzuhaltender Tatsachen. Handelt es sich um Staatsgeheimnisse (siehe unter C.) oder w i r d die Tat während eines Krieges oder einer Besetzung begangen, so kann auf lebenslängliches Gefängnis, aber nicht auf Todesstrafe erkannt werden (§ 107). 2. Alle a n d e r e N a c h r i c h t e n t ä t i g k e i t ist strafbar, sofern der Täter eine Handlung begeht, durch die ein fremdes Nachrichtenwesen in den Stand gesetzt oder dabei unterstützt wird, unmittelbar oder mittelbar auf dänischem Staatsgebiet tätig zu werden. Die Strafe ist Gefängnis bis zu sechs Jahren, bei Handlungen während eines Krieges oder einer Besetzung oder bei Nachrichten über militärische Angelegenheiten aber Gefängnis bis zu zwölf Jahren (§ 108). C. Verrat von Staatsgeheimnissen (§ 109) Hierunter fallen geheime Verhandlungen, Beratungen oder Beschlüsse des Staates in Angelegenheiten, auf denen seine Sicherheit
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oder seine Rechte gegenüber fremden Staaten beruhen oder die erhebliche wirtschaftliche Interessen gegenüber dem Ausland berühren. Der Verrat oder die Weitergabe von Mitteilungen hierüber w i r d mit Gefängnis bis zu zwölf Jahren bestraft. Eine Gefährdung braucht nicht eingetreten zu sein. Auch die fahrlässige Begehung ist strafbar. D. Die Verfälschung, Zerstörung oder Beiseiteschaffung von k u n d e n oder anderen Gegenständen, die für die Sicherheit Staates oder für seine Rechte gegenüber fremden Staaten von deutung sind, ist mit Gefängnis bis zu 16 Jahren bedroht. Auch ist die fahrlässige Begehung strafbar (§ 110).
Urdes Behier
E. Endlich w i r d mit Gefängnis bis zu acht Jahren bestraft, wer an N e u t r a l i t ä t s v e r l e t z u n g e n gegen den dänischen Staat teilnimmt (§ 110 b). V. N e b e n d e l i k t e (§§ 110 a, 110 c, 110 e) Als solche, die in erster Linie mit Geldstrafe oder Haft und nur bei erschwerenden Umständen mit Gefängnis (bis zu drei, im Falle C. bis zu zwei Jahren) bedroht werden, sind zu nennen: A. Unerlaubtes B e s c h r e i b e n , P h o t o g r a p h i e r e n usw. von dänischen Verteidigungsanlagen u. dgl., Photographieren von Flugzeugen aus, Veröffentlichung solcher unerlaubt aufgenommener Photographien oder Veröffentlichung von Bestimmungen über Mobilisierung u. dgl. (§ 110 a), B. Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen zum Schutze von V e r t e i d i g u n g s - o d e r N e u t r a l i t ä t s m a ß n a h m e n des Staates oder zur Durchführung seiner V e r p f l i c h t u n g e n a l s M i t g l i e d d e r V e r e i n t e n N a t i o n e n (§ 110c), C. die öffentliche V e r h ö h n u n g einer fremden Nation, eines fremden Staats, seiner Flagge oder seines Nationalitätszeichens oder der Flagge der Vereinten Nationen (§ 110 e). I n den Fällen A. und B. ist auch die fahrlässige Begehung strafbar, ohne daß hier ein Unterschied in der Strafdrohung gemacht wird. VI. F r e m d e
Staatsoberhäupter
Das Kapitel enthält schließlich eine Bestimmung zum Schutze f r e m d e r S t a a t s o b e r h ä u p t e r und Leiter fremder diplomatischer Missionen, indem eine gegen diese Personen begangene Handlung, die nach den Kapiteln 25—27 strafbar ist — namentlich Tötung, Körperverletzung, Nötigung, Freiheitsberaubung, Beleidigung — eine Erhöhung der Strafe bis um die Hälfte nach sich ziehen kann (§ 110 d).
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Das Strafrecht Dänemarks
Dreizehntes
Kapitel
Straftaten gegen die Staatsverfassung und die obersten Staatsbehörden usw. (§§ 111—118 b) L Hochverräterische
Handlungen
(§§ 111—115, 118)
A. Das Unternehmen der Verfassungsänderung (§ 111) Strafbar ist die Vornahme einer Handlung, die darauf abzielt, die Staatsverfassung mit ausländischem Beistand, durch Anwendung von Gewalt oder durch Drohung damit zu verändern oder außer Kraft zu setzen. Die Mittel sind daher die gleichen wie beim Unternehmen der Herbeiführung von Fremdherrschaft (oben S. 133), und auch die Strafe ist die gleiche: Gefängnis bis zu lebenslänglicher Dauer, evtl. Todesstrafe. B. Straftaten
gegen den König
(§§ 112, 113 Abs. 2, 115)
1. Eine Handlung, die darauf abzielt, den König oder den verfassungsmäßigen Regenten zu t ö t e n , w i r d mit Gefängnis von sechs Jahren (über diese Mindeststrafe s. oben S. 131) bis zu lebenslänglicher Dauer bestraft (§ 112). 2. Handlungen gegen den König oder den verfassungsmäßigen Regenten, die den unter C. genannten gegen das Parlament usw. entsprechen, werden ebenso wie diese bestraft (§ 113 Abs. 2). 3. Wenn abgesehen von diesen Fällen eine der auf Seite 137 unter VI. genannten Straftaten gegen den König oder den verfassungsmäßigen Regenten begangen wird, sind die dafür vorgesehenen Strafen bis auf das doppelte zu erhöhen. Auch die Königin, die Königinw i t w e und der Thronfolger genießen einen erhöhten Strafschutz (§ 115). C. Straftaten
gegen das Parlament
(Folketing
2a
) usw. (§ 113)
Als Hochverrat gelten auch Handlungen, welche die i n der Verfassung (§ 34) verankerte Sicherheit oder Freiheit des Folketings antasten oder darauf abzielen, i h m durch Anwendung von Gewalt oder Drohimg damit einen Beschluß abzuzwingen oder es an der freien Ausübung seiner Tätigkeit zu hindern. Die Strafe ist Gefängnis bis zu 16 Jahren, bei erschwerenden Umständen lebenslängliches Gefängnis. I n gleicher Weise sind die Minister, das nach § 60 der Verfassung für die Ministeranklage zuständige Reichsgericht und der Oberste Gerichtshof geschützt. 2a Die Bezeichnung „Reichstag" ist mit der Einführung des Einkammersystems durch die Verfassung vom 5. Juni 1953 aufgegeben worden.
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
D. Vorbereitende
Handlungen
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(§§ 114, 118)
1. T e i l n a h m e a n s t a a t s g e f ä h r l i c h e n Vereinigung e n (§ 14). Die Bestimmungen entstammen dem Gesetz Nr. 123 vom 28. A p r i l 1934 und sind durch das Gesetz Nr. 225 vom 7. Juni 1952 (oben S. 81) i n etwas veränderter Fassung in das Strafgesetzbuch übergegangen. Strafbar ist hiernach die Teilnahme an Korps, Gruppen oder Vereinigungen, deren Zweck es ist, durch Anwendung von Gewalt Einfluß auf öffentliche Angelegenheiten zu üben oder Störungen der allgemeinen Ordnung hervorzurufen, sowie die Gewährung wesentlicher Unterstützung wirtschaftlicher oder anderer A r t ; vgl. hierzu oben S. 135. Die Strafdrohung geht bis zu sechs Jahren Gefängnis. M i t geringerer Strafe ist bedroht, wer an einer verbotenen militärischen Organisation oder Gruppe teilnimmt, ohne daß es hier auf den Zweck dieser Organisationen ankommt. 2. A n w e n d u n g v o n D r u c k m i t t e l n a u f ö f f e n t l i c h e B e h ö r d e n u s w . (§ 118). Tatbestandsmerkmal ist auch hier, daß die Handlung zu dem Zweck begangen wird, Einfluß auf öffentliche Angelegenheiten zu üben oder Störungen der allgemeinen Ordnung hervorzurufen. Die Handlung besteht darin, ö f f e n t l i c h e B e h ö r d e n durch Anwendung von Gewalt oder Drohung damit oder unter Ausnutzung von Furcht vor dem Eingreifen einer fremden Macht an der freien Ausübung ihrer Tätigkeit zu hindern oder dies zu versuchen. Strafbar ist auch eine zu dem gleichen Zweck und mit den gleichen M i t t e l n vorgenommene ernstliche Beeinträchtigung des R e c h t s d e r f r e i e n Meinungsäußer u n g — namentlich der Presse — und des Rechts von V e r e i n e n oder anderen Vereinigungen zur freien Ausübung ihrer Tätigkeit sowie die Störung von B e t r i e b e n u n d V e r k e h r s m i t t e l n (§ 193, unten S. 159) u.dgl. Die Strafe ist Gefängnis bis zu zwölf Jahren. — Über die Störung der Versammlungsfreiheit s. auch unten S. 145. II. A n g r i f f e g e g e n
dieAusübungstaatsbürgerlicher R e c h t e (§§ 116—117) Die Bestimmungen betreffen die W a h l e n zum Folketing, zum färöischen Lagting und zu kommunalen oder anderen öffentlichen Körperschaften oder Behörden sowie die auf Gesetz beruhenden unmittelbaren A b s t i m m u n g e n i n öffentlichen Angelegenheiten. — Über Verletzung der Geheimhaltungspflicht s. unten S. 142. A. Die V e r h i n d e r u n g der Wahlen oder der Feststellung des Ergebnisses sowie die V e r ä n d e r u n g des Ausfalls w i r d m i t Gefängnis bis zu sechs Jahren bestraft. Der Versuch steht der vollendeten Tat gleich (§ 116).
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Das Strafrecht Dänemarks
B. Die Begehung von U n r e g e l m ä ß i g k e i t e n w i r d mit Haft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren, bei mildernden Umständen mit Geldstrafe bestraft (§ 117). Hier werden genannt: 1. die unberechtigte Teilnahme; die Tat kann auch auf die unberechtigte Teilnahme eines anderen gerichtet sein; 2. der Versuch, einen anderen durch Nötigung, Freiheitsberaubung oder Mißbrauch eines Vorgesetztenverhältnisses zu veranlassen, in einem bestimmten Sinne zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten; 3. die durch Täuschung herbeigeführte Stimmenthaltung eines anderen; der Stimmenthaltung steht die Abgabe einer ungültigen Stimme oder die Stimmabgabe mit einem anderen Ergebnis, als beabsichtigt, gleich; 4. die aktive Wahlbestechung, 5. die passive Wahlbestechung.
Vierzehntes
Kapitel
Straftaten gegen die öffentliche Gewalt (§§ 119—132) Außer den eigentlichen Widerstandshandlungen behandelt das Kapitel die aktive Beamtenbestechung, Gefangenenbefreiung u. ähnl., Siegelbruch, Wehrpflichtverletzungen, gewisse widerrechtliche öffentliche Mitteilungen; und Amtsanmaßung. I. D i e e i g e n t l i c h e n W i d e r s t a n d s h a n d l u n g e n (§§ 119—121)
usw.
Geschützt ist jeder, der auf Grund öffentlichen (staatlichen oder gemeindlichen) Amtes oder Auftrages handelt, also nicht nur die öffentlichen Beamten im engeren Sinne. Strafbar ist, wer eine solche Person während der Ausübung des Amtes oder aus Anlaß derselben mit Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt a n g r e i f t (wörtlich: „überfällt") oder sie auf diese Weise an der Vornahme einer rechtsmäßigen Amtshandlung zu h i n d e r n oder zu einer Amtshandlung — gleichgültig ob rechtmäßig oder nicht — zu n ö t i g e n s u c h t (§ 119 Abs. 1; vgl. oben S. 97). Über die analoge Anwendung auf frühere Beamte s. oben S. 86. Einen erweiterten Schutz genießen die mit richterlichen Befugnissen usw. ausgestatteten Personen (u. a. auch Schöffen und Geschworene), bei denen schon die Androhung von Gewalt, Freiheitsberaubung oder Beschuldigung wegen strafbaren oder ehrenrührigen Verhaltens — ζ. B. in der Presse — strafbar ist (Abs. 2). Der Strafrahmen ist, wie üblich, weit: Haft oder Gefängnis bis zu sechs Jahren, bei mildernden Umständen Geldstrafe. Diese Strafen
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
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gelten, wenn die Handlungen durch einen Auflauf (s. hierüber unten S. 144) unterstützt werden, auch für die Anstifter, Leiter und diejenigen Teilnehmer, die der Aufforderung der Obrigkeit an die Menge, auseinanderzugehen, nicht nachkommen (§ 120). Eine geringere Strafdrohung t r i f f t denjenigen, der den genannten Personen bei der Ausübung ihres Amtes sonst Hindernisse in den Weg legt (§ 119 Abs. 3) oder sie dabei verhöhnt, beschimpft oder beleidigt (§ 121; über den erweiterten Schutz gegen Beleidigungen anderer A r t s. unten S. 179). — I n der Praxis pflegen die Strafen nicht mehr als zwei bis drei Monate Gefängnis zu betragen 3 . II. D i e a k t i v e B e a m t e n b e s t e c h u n g (§ 122) Sie liegt vor, wenn jemandem, der in öffentlichem A m t oder Auftrag tätig ist, Geschenke oder andere Vorteile gewährt, versprochen oder angeboten werden, um ihn zu einer Handlung oder Unterlassung zu veranlassen, durch die er sich einer Pflichtwidrigkeit schuldig machen würde. — Über passive Beamtenbestechung s. unten S. 147. III. G e f a n g e n e n b e f r e i u n g
u. ä h n l . (§§ 123—125)
A. G e f a n g e n e , die gemeinschaftliches Entweichen v e r a b r e d e n , sind strafbar, auch wenn das Vorhaben mißlingt und ohne daß eigentliche Meuterei vorzuliegen braucht. Die Mindeststrafe ist — entsprechend dem Grundsatz des Gesetzes, Gefangenendelikte streng zu ahnden (oben S. 122) — sechs Monate Gefängnis (§ 123). B. Strafbar ist, wer einen V e r h a f t e t e n oder sonst Gefangenen, einen vorläufig Festgenommenen oder zwangsweise Untergebrachten b e f r e i t , ihn zum Entweichen anreizt, ihm dabei behilflich ist oder ihn verborgen hält. Eine geringere Strafdrohung trifft denjenigen, der sich m i t einem solchen unerlaubt i n Verbindung setzt (§ 124). C. Strafbar ist ferner, wer jemanden in der Absicht, ihn der Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Strafe zu entziehen, verborgen hält, i h m zur Flucht behilflich ist oder ihn für einen anderen ausgibt (§ 125 Abs. 1 Ziffer 1) — ein Fall der persönlichen B e g ü n s t i g u n g . Über analoge Anwendung dieser Bestimmung s. oben S. 86. Die Strafen sind durch das Gesetz vom 7. Juni 1952 geschärft worden (vgl. oben S. 131) und treffen auch denjenigen, der Gegenstände, die für eine öffentliche Untersuchung von Bedeutung sind, vernichtet, verändert oder beiseiteschafft oder die Spuren einer Straftat verwischt (Ziffer 2). Straflos bleibt aber, wer diese Handlungen begeht, um sich oder einen seiner nächsten Angehörigen der Verfolgung oder Strafe zu entziehen (Abs. 2 — vgl. oben S. 93). Der Begriff der nächsten 3
ν . Eyben, S. 224.
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Das Strafrecht Dänemarks
Angehörigen w i r d weder hier noch an anderer Stelle des Gesetzes näher umschrieben. IV. S i e g e l b r u c h Der Siegelbruch besteht i n der Entfernung oder Zerstörung eines amtlich angebrachten Siegels oder Zeichens. Auch die Entfernung oder Beschädigung einer amtlich angeschlagenen Bekanntmachung w i r d hier behandelt (§ 126). V. W e h r p f l i c h t v e r l e t z u n g e n
u. ä h n l . (§§ 127—128)
Strafbar ist, wer sich dem Kriegsdienst entzieht oder bewirkt oder daran teilnimmt, daß ein Wehrpflichtiger seine Wehrpflicht nicht erfüllt, oder wer einen Wehrpflichtigen oder einen Angehörigen der Kriegsmacht zum Ungehorsam gegen dienstliche Befehle anreizt. Der Ausdruck „Kriegsdienst" umfaßt auch die militärische Dienstpflicht i m Frieden. Die Bestimmung gilt für die noch nicht einberufenen Wehrpflichtigen und findet ζ. B. bei Selbstverstümmelung zu dem Zwecke, sich der Einberufung zu entziehen, Anwendung. Bei „drohender Gefahr" eines Krieges (vgl. oben S. 138) ist die Strafe geschärft (§ 127). — Die bereits einberufenen Wehrpflichtigen sind nach dem M i l i t ä r strafgesetzbuch strafbar (unten S. 196). Strafbar ist auch die W e r b u n g zu fremdem Kriegsdienst i m Inland (§ 128; vgl. oben S. 134), mit durch das Gesetz vom 7. Juni 1952 geschärfter Strafe. VI. W i d e r r e c h t l i c h e ö f f e n t l i c h e (§§ 129—129 a)
Mitteilungen
A. Die unberechtigte Veröffentlichung gewisser Vorgänge, die entweder ihrer Natur nach oder infolge besonderer Bestimmungen v e r t r a u l i c h sind, ist strafbar (§ 129). Hierher gehören die oben S. 139 unter II. genannten Wahlhandlungen und Abstimmungen, ferner Verhandlungen vertraulichen Charakters von öffentlichen Körperschaften und Behörden, endlich Verhandlungen in von der Regierung eingesetzten Kommissionen und Ausschüssen, die öffentlich als geheim bezeichnet worden sind. B. Die Veröffentlichung b e w u ß t u n w a h r e r Berichte oder falscher Zitate von Mitteilungen über tatsächliche Verhältnisse, die i n Gerichtssitzungen oder i n Sitzungen des Folketings, kommunaler oder öffentlicher Körperschaften oder Behörden gemacht worden sind, ist gleichfalls strafbar; ferner w i r d bestraft, wer den Interessen des Landes im Verhältnis zum Ausland dadurch schadet, daß er der Regierung oder einer anderen öffentlichen Behörde bewußt unwahrer Weise öffentlich eine Handlung unterschiebt, die sie nicht vorgenommen hat (§ 129 a). Die Fassung dieser letzteren Bestimmung beruht auf
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
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dem Gesetz vom 7. Juni 1952. Damit ist die sog. „Staatsverleumdung" nur i n engen Grenzen unter Strafe gestellt 4 . — Die Strafe für die hier genannten Handlungen ist durch das Gesetz vom 7. Juni 1952 geschärft worden und beträgt Geldstrafe, Haft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. V I I . A m t s a n m a ß u n g ^ , ä h n l . (§§ 130—132) A. Die eigentliche Amtsanmaßung besteht i n der A u s ü b u n g einer amtlichen Befugnis durch jemanden, dem sie nicht zukommt (§ 130). Der Ausdruck „amtliche Befugnis" ist enger als „öffentliches A m t oder Auftrag" (oben S. 140). B. Wer eine amtliche Befugnis zwar nicht ausübt, aber v o r g i b t , eine solche innezuhaben, ist strafbar, wenn er dies entweder öffentlich oder i n rechtswidriger Absicht tut. Das gleiche gilt, wenn er vorgibt, i m Besitz einer behördlichen Ermächtigung zu einer Tätigkeit zu sein. Strafbar ist auch, wer ohne behördliche Ermächtigung eine Tätigkeit ausübt, zu der eine solche erforderlich ist, oder eine Tätigkeit weiter ausübt, nachdem ihm das Recht dazu aberkannt ist (§ 131; vgl. oben S. 119). C. Verwandt hiermit ist die öffentlich oder i n rechtswidriger Absicht erfolgende Benutzung eines A b z e i c h e n s oder einer T r a c h t — darunter Uniformen —, die in- oder ausländischen Behörden oder Militärpersonen oder dem Personal, Inventar und Material vorbehalten sind, das zur Hilfeleistung für Verwundete und Kranke i m Kriege bestimmt ist, oder, die leicht mit solchen verwechselt werden können. Auch die fahrlässige Begehung ist strafbar. Es kann nur auf Geldstrafe erkannt werden (§ 132). VIII. V e r b o t e n e
Vereine
Endlich ist auch die Teilnahme an der Fortsetzung der Tätigkeit eines V e r e i n s strafbar, der von der Regierung vorläufig verboten oder durch Urteil aufgelöst ist. Auch wer einem solchen Verein b e i t r i 11, ist strafbar (§ 132 a; vgl. oben S. 117).
Fünfzehntes
Kapitel
Straftaten gegen die öffentliche Ordnung und den öffentlichen Frieden (§§ 133—143) Die hier behandelten Ordnungs- und Friedensstörungen — namentlich Auflauf, Schlägerei, Anreizung zu Straftaten, Störung der Ver4 I m Gegensatz zu § 130 des norwegischen Strafgesetzbuchs, vgl. auch § 131 des Reichsstrafgesetzbuchs.
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Das Strafrecht Dänemarks
sammlungsfreiheit usw., Gefährdung durch Trunkenheit, Unterlassung von Anzeigen oder Hilfeleistung usw. — richten sich nicht gegen die öffentliche Gewalt als solche und sind daher durchweg, wenn auch nicht ausnahmslos, mit geringerer Strafe bedroht als die Delikte des vorigen Kapitels. Friedensstörungen, die sich gegen den Einzelnen richten, wie ζ. B. der Hausfriedensbruch, sind i m 27. Kapitel geregelt. I. A u f l a u f
u n d S c h l ä g e r e i (§§ 133—134 a)
Über die Bestrafung der Anstifter, Leiter und Teilnehmer, wenn Widerstandshandlungen durch einen A u f 1 a u f unterstützt werden, s, oben S. 141. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so w i r d derjenige, der einen Auf lauf m i t dem V o r s a t z v e r u r s a c h t , Gewalt gegen Personen oder Sachen zu verüben oder damit zu drohen, mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder Haft bestraft — eine Strafdrohung, deren Höchstmaß zwar erheblich unter dem für Widerstandshandlungen vorgesehenen liegt, die aber andererseits auch beim Vorliegen mildernder Umstände keine Geldstrafe zuläßt (§ 133 Abs. 1). Die Strafe t r i f f t auch diejenigen, die als L e i t e r eines Auflaufs auftreten, bei dem diese Zwecke verfolgt werden, sowie jeden T e i l n e h m e r , der der Aufforderung der Obrigkeit an die Menge, auseinanderzugehen, nicht nachkommt. Geldstrafe ist nur für Teilnehmer möglich (Abs. 2); kommt es nicht zur Verfolgung der genannten Zwecke, so ist für Teilnehmer Geldstrafe an erster Stelle angedroht (§ 134). W i r d dagegen tatsächlich Gewalt gegen Personen oder Sachen verübt, so kann gegen die Anstifter oder Leiter des Auflaufs sowie gegen die Teilnehmer an der Straftat auf Gefängnis bis zu sechs Jahren erkannt werden, soweit die Tat keine höhere Strafe nach sich zieht (§ 133 Abs. 3). Aus dem oben S. 139 genannten Gesetz vom 28. A p r i l 1934 ist durch das Gesetz Nr. 225 vom 7. Juni 1952 die Bestimmung in das Strafgesetzbuch übernommen worden, daß Teilnehmer an einer S c h l ä g e r e i oder einer anderen schweren Störung der öffentlichen Ruhe und Ordnung bestraft werden, wenn sie auf Verabredung oder gemeinschaftlich gehandelt haben (§ 134 a). II. A n r e i z u n g .
Billigung
(§ 136)
Strafbar ist die ö f f e n t l i c h e A n r e i z u n g , ζ. B. i n der Presse, zu Straftaten jeder Art. Das Strafmaximum — nach dem Gesetz vom 7. Juni 1952 vier Jahre Gefängnis — gilt nur für den Fall, daß keine höhere Strafe verwirkt ist — etwa wegen Teilnahme, wenn die Tat begangen wird, da jede Anreizung strafbare Teilnahme ist (oben S. 98). Wegen öffentlicher Äußerungen, die die Vornahme von Gewalttätigkeiten bezwecken, s. auch § 266 a (unten S. 179). — Strafbar ist ferner die ö f f e n t l i c h e a u s d r ü c k l i c h e B i l l i g u n g von Straftaten
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gegen die Staatsschutzbestimmungen der Kapitel 12 und 13. Das — d u r c h das Gesetz vom 7. Juni 1952 geschärfte — Straf maximum beträgt zwei Jahre Gefängnis. III. S t ö r u n g d e r V e r s a m m l u n g s f r e i h e i t , d e s G r a b f r i e d e n s , d e r R e l i g i o n s a u s ü b u n g u s w . (§§ 137, 139, 140) Wer die Abhaltung einer rechtmäßigen öffentlichen V e r s a m m l u n g zu v e r h i n d e r n sucht, ist strafbar, auch wenn die Handlung ohne Erfolg bleibt. Gewalttätiges oder drohendes Auftreten ist strafschärfend (§ 137 Abs. 1). Auch die S t ö r u n g von T a g u n g e n des Folketings oder anderer öffentlicher Körperschaften durch L ä r m oder Unordnung ist strafbar. Die Bestimmung gilt auch für die Störung eines G o t t e s d i e n s t e s oder einer anderen öffentlichen kirchlichen Handlung sowie für die ungehörige Störung einer B e s t a t t u n g (Abs. 2). Ferner w i r d die Störung des G r a b f r i e d e n s sowie die ungehörige Behandlung einer L e i c h e und von Gegenständen, die zu einer K i r c h e gehören und zu kirchlichen Zwecken benutzt werden, unter Strafe gestellt (§ 139). Die Gotteslästerung als solche ist nicht strafbar, wohl aber die öffentliche V e r s p o t t u n g oder V e r h ö h n u n g der G l a u b e n s l e h r e oder der G o t t e s v e r e h r u n g einer i m Inland rechtmäßig bestehenden Religionsgemeinschaft. Die Verfolgung findet aber nur auf Anordnung des Reichsanwalts statt (§ 140). Über die Verfolgung A n dersgläubiger durch Verbreitung falscher Gerüchte usw. s. § 266 b (unten S. 179). IV. G e f ä h r d u n g
durch Trunkenheit
(§ 138)
Neben den vorbeugenden, heilenden und sichernden Maßregeln gegen Trinker (vgl. oben S. 95, 102, 112, 114 ff.) spielt auch das Gefährdungsdelikt des § 138 eine Rolle. Danach ist strafbar, wer sich vorsätzlich oder aus grober Fahrlässigkeit in einen Rausch versetzt, wenn er i n diesem Zustand Personen oder erheblichere Vermögenswerte gefährdet. Die Stärke des Rausches ist nicht von entscheidender Bedeutung — liegen die übrigen Tatbestandsmerkmale vor, genügt leichtere Trunkenheit. Die Strafe ist Geldstrafe oder Haft; bei erschwerenden Umständen, namentlich wenn erheblicher Schaden entstanden ist, sowie bei Rückfall kann auf Gefängnis bis zu sechs Monaten erkannt werden. Wie oben S. 115 erwähnt, ist auch die Zuwiderhandlung gegen Auflagen nach § 72 strafbar. Die Verurteilung aus § 1 3 8 kann zur Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt nach § 73 (oben S. 115) und zur Versagung von Strafmilderung nach §85 (oben S. 125) führen. 10 A u s l ä n d i s c h e s S t r a f r e c h t I .
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Das Strafrecht Dänemarks
V. U n t e r l a s s u n g v o n A n z e i g e n , H i l f e l e i s t u n g A u f k l ä r u n g (§§ 141—143) Wer von dem Vorhaben gewisser Straftaten Kenntnis hat, ist verpflichtet, alles zu tun, was i n seiner Macht steht, u m der Tat oder ihren Folgen v o r z u b e u g e n , notfalls durch A n z e i g e bei der Behörde. Die Straftaten, u m die es sich handelt, sind bestimmt bezeichnete schwere Verstöße gegen die Staatsschutzbestimmungen der Kap. 12 und 13 und solche Handlungen, die das Leben oder die w i r t schaftliche Existenz 5 eines Menschen oder erhebliche Werte der A l l gemeinheit gefährden. Die Strafbarkeit der Unterlassung ist davon abhängig, daß die Tat begangen oder versucht wird. Der Täter bleibt straflos, wenn die von i h m geforderten Handlungen i h n oder seine nächsten Angehörigen (vgl. oben S. 93, 141) einer Gefahr für Leben, Gesundheit oder wirtschaftliche Existenz 5 aussetzen würden (§ 141). — Uber Vorbeugungspflicht bei gemeingefährlichen Straftaten s. unten S. 157, über Anzeigepflicht bei Gefährdung eines Kindes unten S. 193. Strafbar ist ferner, wer es unterläßt, jemandem, dem amtliche Befugnisse zustehen, auf Aufforderung B e i s t a n d zur Abwendung eines Unglücks oder einer Straftat zu leisten, die das Leben, die Gesundheit oder wirtschaftliche Existenz 5 anderer gefährdet, obwohl der Beistand ohne Gefahr oder erheblichere Opfer hätte geleistet werden können (§ 142). — Über unterlassene Hilfeleistung s. auch § 253 (unten S. 175). Endlich ist strafbar, wer es unterläßt, Umstände m i t z u t e i l e n , die bestimmt dafür sprechen, daß ein wegen einer Straftat Beschuldigter oder Verurteilter u n s c h u l d i g ist. Der Täter bleibt straflos, wenn die zu § 141 genannten Umstände vorliegen oder wenn die M i t teilung i h n oder seine nächsten Angehörigen der Verfolgung für die betreffende Tat aussetzen würde (§ 143). VI. A l a r m i e r u n g v o n P o l i z e i u s w . E i n Delikt polizeilicher Natur ist die A l a r m i e r u n g von Polizei, Feuerwehr oder Krankenhilf e durch unbegründetes Herbeirufen von Hilfe, Mißbrauch eines Gefahrsignals u. dgl. (§ 135). Sechzehntes
Kapitel
Straftaten in öffentlichem Amt oder Auftrag (§§ 144—157) Das Kapitel entspricht i m großen und ganzen dem Abschnitt „Verbrechen und Vergehen i m Amte" des Reichsstrafgesetzbuchs. Die Be5 Der Ausdruck des Gesetzes: „velfaerd" = Wohl, Wohlfahrt ist unübersetzbar. Er umfaßt nicht nur vermögensrechtliche, sondern auch ideelle Werte, wie z. B. die bürgerliche Achtung.
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
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griffsbestimmung des Beamten ist die gleiche wie i m § 119 (oben S. 140), d. h. die Strafdrohungen treffen jeden, der auf Grund öffentlichen Amtes oder Auftrages tätig ist. Bei einzelnen Tatbeständen, namentlich bei passiver Bestechimg, nimmt man aber an, daß der Kreis der als Täter i n Frage kommenden Personen enger zu ziehen ist 6 . Einige Tatbestände betreffen nur bestimmte Täterkreise. Die Straftaten des 16. Kapitels verjähren nicht (oben S. 128). Der Verlust des Amtes richtet sich nach dem Beamtengesetz vom 6. Juni 1946 (oben S. 119). Über Teilnahme an Beamtendelikten s. oben S. 98. — Rechtsanwälte sind zwar nicht Beamte, werden aber, wenn sie den Vorschriften des Rechtspflegegesetzes zuwiderhandeln oder sich sonst i n ihrem Beruf vergehen, m i t den Strafen des 16. Kapitels bestraft (§ 136 des Rechtspflegegesetzes, oben S. 99). Das gleiche gilt für gewisse andere Berufskreise. I. D i e S t r a f t a t e n d e r i n ö f f e n t l i c h e m A m t o d e r A u f t r a g S t e h e n d e n a l l g e m e i n (§§ 144—145, 150—152 Abs. 1, 2, 154—157) A. Passive Bestechung u. ähnl. (§§ 144, 145) Wer i n Ausübung öffentlichen Amtes oder Auftrags unberechtigt Geschenke oder andere Vorteile annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, w i r d m i t Haft oder m i t Gefängnis bis zu sechs Jahren, bei mildernden Umständen m i t Geldstrafe bestraft (§ 144). Die Weite des Strafrahmens macht eine Differenzierung der Tatbestände überflüssig. Das Gesetz unterscheidet daher nicht, ob der Täter ein richterliches oder nichtrichterliches A m t bekleidet und ob er sich für eine pflichtmäßige oder pflichtwidrige Handlung bestechen läßt. — Über aktive Bestechung s. oben S. 141. Verwandt hiermit ist die auf persönlicher Gewinnsucht beruhende Erhebung oder Annahme von nichtgeschuldeten Gebühren u. dgl. Hier ist Geld- und Haftstrafe ausgeschlossen. War der Täter bei der Erhebung gutgläubig, behielt er den Betrag aber nach Entdeckung des Irrtums, so ist die Strafe Gefängnis bis zu zwei Jahren (§ 145). B. Nötigung
im Amte (§ 150)
Strafbar ist die Nötigung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung unter Mißbrauch des Amtes, d. h. ohne daß es auf die A n wendung der bei der einfachen Nötigung zum Tatbestand gehörenden M i t t e l ankommt (vgl. unten S. 175). Die Strafe ist Haft oder Gefängnis bis zu drei Jahren. 6
10*
Vgl. Krabbe, S. 396.
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C. Konnivenz (§ 151) Ein Vorgesetzter, der einen Untergebenen zu einer Straftat i m A m t anreizt oder daran teilnimmt, v e r w i r k t die für die Straftat vorgesehene Strafe, die bis u m die Hälfte erhöht werden kann — dies auch dann, wenn der Untergebene aus irgendwelchen Gründen, ζ. B. wegen seines Abhängigkeitsverhältnisses oder wegen Irrtums straflos bleibt (vgl. § 84 Abs. 1 Ziffer 5 und 3, oben S. 124/123). D. Verletzung der Amtsverschwiegenheit (§ 152) Strafbar ist der Verrat solcher Geheimnisse, die der Täter dienstlich erfahren hat oder die durch Gesetz oder andere Vorschriften als solche bezeichnet sind. Strafschärfung t r i t t ein, wenn er i n gewinnsüchtiger Absicht handelt oder wenn er seine Kenntnis i n gewinnsüchtiger A b sicht benutzt, z. B. bei der Spekulation i n Wertpapieren (Abs. 1). Die Vorschriften gelten auch für entlassene Beamte (Abs. 2; vgl. oben S. 87). — Über den Verrat von Staatsgeheimnissen s. oben S. 136, von Privatgeheimnissen unten S. 177. E. Uneigentliche Amtsdelikte (§ 154) Wenn sich jemand i n Ausübung eines öffentlichen Amts oder Auftrags einer falschen Anschuldigung, eines Beweismitteldelikts, einer Körperverletzung, Freiheitsberaubung, Unterschlagung oder Untreue schuldig macht, kann die für die betreffende Tat vorgesehene Strafe ebenso wie bei der Konnivenz bis um die Hälfte erhöht werden. F. Sonstiger Mißbrauch des Amtes (§ 155) Es handelt sich u m eine ergänzende Bestimmung, die zur Anwendung kommt, wenn keiner der vorgenannten oder unter II. erwähnten Tatbestände vorliegt, der Täter aber sonst seine Stellung dazu mißbraucht, private oder öffentliche Rechte zu verletzen. Strafschärfung t r i t t ein, wenn er i n der Absicht gehandelt hat, sich oder anderen einen unberechtigten Vorteil — vermögensrechtlicher oder anderer A r t — zu verschaffen. G. Pflichtversäumnis (§§ 156—157) Sowohl die Nichterfüllung dienstlicher Pflichten wie der Ungehorsam gegen rechtmäßige dienstliche Befehle wie endlich grobe oder öfters wiederholte Versäumnisse oder Nachlässigkeiten sind strafbar. Die Bestimmungen gelten nicht für Aufträge, deren Ausübung auf öffentlichen Wahlen beruht, finden also ζ. B. auf Folketingsabgeordnete keine Anwendung. II. S o n d e r b e s t i m m u n g e n f ü r b e s t i m m t e T ä t e r k r e i s e (§§ 146—149, 152 Abs. 3, 153) A. Rechtsbeugung (§ 146) Täter kann sein, wer im Besitz richterlicher Gewalt oder einer amtlichen Befugnis ist, i n Rechtsverhältnissen, die den einzelnen betreffen,
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Entscheidungen zu treffen, also ζ. B. Schöffen, Geschworene, Handelsrichter, Schiedsrichter, Verwaltungsbeamte. Die Handlung besteht i n der Begehung einer „Ungerechtigkeit" bei der Entscheidung oder Behandlung der Sache, was etwa der Rechtsbeugung des § 336 des Reichsstrafgesetzbuchs entspricht 7 . Die Strafe ist Gefängnis bis zu sechs Jahren. Hat die Handlung aber den Verlust der wirtschaftlichen Existenz (s. hierüber oben S. 146) für jemanden zur Folge gehabt oder war dies beabsichtigt, so ist die Strafe Gefängnis von drei bis zu 16 Jahren. B. Anwendung gesetzwidriger Mittel in der Strafrechtspflege (§ 147) Täter kann jeder sein, der bei der Handhabung der staatlichen Strafgewalt mitzuwirken hat, also Richter, Staatsanwälte, Polizeibeamte usw. Die Handlung besteht i n der Anwendung ungesetzlicher Mittel, um ein Geständnis oder eine Erklärung zu erlangen (vgl. auch oben S. 134), oder i n der Vornahme einer gesetzwidrigen Festnahme, Verhaftung, Durchsuchimg oder Beschlagnahme. Hier ist Geldstrafe, Haft oder bei erschwerenden Umständen Gefängnis bis zu drei Jahren angedroht. C. ^Unvorschriftsmäßiges Verfahren (§ 148) Der Täterkreis deckt sich m i t den zu A. und B. genannten Personen. Strafbar ist die Nichtbeobachtung des gesetzlichen Verfahrens, sowohl i m ganzen wie i m einzelnen, unter besonderer Hervorhebung der i m vorigen Paragraphen genannten Untersuchungshandlungen. Die Strafe ist hier nur Geldstrafe oder Haft. Auch die grob fahrlässige Begehung ist strafbar. D. Begünstigung im Amte (§ 149) Täter kann sein, wem die Bewachung von Gefangenen oder der Vollzug von Strafurteilen obliegt. Strafbar ist das Entweichenlassen eines „Beschuldigten", worunter aber auch ein Verurteilter zu verstehen sein w i r d 8 , die Verhinderung des Vollzuges eines Urteils oder die Vollziehung auf mildere A r t als vorgeschrieben. E. Telegraphen-, Telephon- und Eisenbahnbeamte (§§ 152 Abs. 3, 153) Die Vorschriften über Verletzung der Amtsverschwiegenheit (oben S. 148) gelten auch für Angestellte öffentlich anerkannter Telegraphenund Telephonanlagen (§ 152 Abs. 3). Strafbar ist ferner, wer i m Dienste der Post oder Eisenbahn Sendungen unerlaubt öffnet, vernichtet oder unterdrückt oder einen anderen hierbei unterstützt (wobei offenbar die Straflosigkeit des anderen vorausgesetzt wird, da sonst Teilnahme vorliegen würde 9 ) (§ 153 Abs. 1). Gleiche Bestimmungen gelten für 7 8 0
Vgl. Krabbe, S. 399 f. Krabbe, S. 402. Vgl. Krabbe, S. 406.
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Telegraphenbeamte; hier ist auch die Veränderung eines Telegramms strafbar (Abs. 2). Siebzehntes
Kapitel
Falsche Erklärung und falsche Anschuldigung (§§ 158—165) Das Kapitel behandelt die Materien, die das Reichsstrafgesetzbuch i n den Abschnitten „falsche uneidliche Aussage und Meineid" und „falsche Anschuldigung" regelt. I. F a l s c h e E r k l ä r u n g e n
(§§ 158—163)
A. Die falsche uneidliche Erklärung vor G e r i c h t oder vor einer anderen zur A b n a h m e von Eiden befugten Behörde bildet das Grunddelikt (§ 158 Abs. 1), die Bekräftigung m i t einem Eide ist strafschärfend (Abs. 2). I n Frage kommen nicht nur Aussagen von Zeugen und Sachverständigen (Kap. 18 und 19 des Rechtspflegegesetzes, oben S. 99), sondern u. a. auch Erklärungen, die eine Partei bei ihrer gerichtlichen Vernehmung abgibt (Kap. 29 a.a.O.). Unter Behörden, die zur Abnahme von Eiden befugt sind, können die dänischen Konsulate i m Ausland hinsichtlich der Belegung von Verklarungen genannt werden. Z u der Frage, wann eine Aussage falsch ist, ist i n der Rechtswissenschaft die subjektive Theorie vertreten worden, d. h. auch eine objektiv richtige Erklärung soll strafbar sein, wenn der Erklärende sie für unrichtig hielt 1 0 . I n der Praxis scheint die Frage bisher nicht entschieden, zu sein. Für die Beeidigung — die i n der Praxis selten vorkommt — ist keine besondere Eidesformel vorgeschrieben. Der Beeidigung steht die Berufung auf einen früher geleisteten Eid sowie eine Versicherung anderer A r t gleich, die kraft Gesetzes an die Stelle eines Eides t r i t t — ζ. B. aus religiösen Gründen (vgl. § 187 des Rechtspflegegesetzes). Das Strafmaß ist bei unbeeidigter Erklärung Gefängnis von drei Monaten bis zu vier Jahren, bei beeidigter Erklärung bis zu acht Jahren. Die Mindeststrafe von drei Monaten — eine der wenigen Mindeststrafen des Gesetzes von allgemeinerer Bedeutung — ist vielfach als zu hoch empfunden worden. I n der Praxis hat sich dies dahin ausgewirkt, daß nur selten über die Mindeststrafe hinausgegangen w i r d 1 1 . Straflos bleibt, wer als Beschuldigter i n einer öffentlichen Strafsache eine falsche Erklärung abgibt; das gleiche gilt für denjenigen, von dem eine Erklärung nicht hätte verlangt werden dürfen, ζ. B. weil 10
Krabbe, S. 414. v. Eyben, S. 35, 219. Über die Rechtsprechung, namentlich in Vaterschaftssachen, s. auch Kaarsberg, N T f K 1954, S. 234 f. 11
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i h m eine Geheimhaltungspflicht oblag (§ 159 Abs. 1; vgl. § 169 des Rechtspflegegesetzes). War der Erklärende zur Verweigerung der Aussage berechtigt (vgl. § 170 a.a.O.), so kann die Strafe herabgesetzt werden und bei unbeeidigter Erklärung ganz fortfallen, wenn m i l dernde Umstände vorliegen (§ 159 Abs. 2). Haft oder Geldstrafe ist angedroht, wenn die falsche Aussage ausschließlich Umstände betrifft, die für den aufzuklärenden Sachverhalt ohne Bedeutung sind, wie ζ. B. i n der Regel die Personalien des Erklärenden (§ 158 Abs. 3); das gleiche gilt, wenn die Abgabe der falschen Erklärung auf grober Fahrlässigkeit beruht, doch ist hier Geldstrafe an erster Stelle angedroht (§ 160). Das Gesetz enthält keine Bestimmungen über Strafmilderung oder -fortfall bei tätiger Reue. Diese Fälle sind nach der allgemeinen Vorschrift des § 84 Abs. 1 Ziffer 6, Abs. 2 (oben S. 124) zu beurteilen 1 2 . B. Außer den zu A. genannten Fällen ist strafbar 1. die Abgabe einer falschen — mündlichen oder schriftlichen — Erklärung gegenüber einer ö f f e n t l i c h e n B e h ö r d e a) unter dem Erbieten zum Eide, an Eidesstatt oder i n ähnlicher feierlicher Weise, wenn eine solche Form geboten oder zulässig ist
(§ 161),
b) über einen Sachverhalt, über den der Erklärende verpflichtet ist, eine Erklärung abzugeben (§ 162), 2. die Abgabe einer falschen s c h r i f t l i c h e n Erklärung oder das schriftliche Zeugnis über Dinge, von denen der Erklärende keine Kenntnis hat, zum Gebrauch in ö f f e n t l i c h e n Rechtsverh ä l t n i s s e n (§ 163), wobei i n erster Linie an Erklärungen gedacht ist, die dem Gebrauch bei Verwaltungsbehörden dienen 1 3 . II. F a l s c h e A n s c h u l d i g u n g
(§§ 164—165)
Das Delikt besteht i n der Verdächtigung eines Unschuldigen i n der Absicht, herbeizuführen, daß dieser wegen einer strafbaren Handlung beschuldigt oder verurteilt wird. Subjektiv muß der Täter wissen, daß der Verdächtigte unschuldig ist — er muß also wider besseres Wissen handeln. Die M i t t e l der falschen Anschuldigung sind nicht auf öffentliche Beschuldigung oder Anzeige beim Gericht oder einer anderen Behörde beschränkt; jedes M i t t e l ist tauglich, wenn die Anschuldigung dabei nur an das Gericht oder die Strafverfolgungsbehörde gelangt. Die Tat ist m i t der Anschuldigung vollendet, ohne daß eine Untersuchung eingeleitet oder ein Urteil ergangen zu sein braucht (vgl. oben S. 97). Die Strafe ist nach der A r t der Anschuldigung abgestuft: betraf diese eine Handlung, die mit nicht mehr als drei Monaten Haft 12 13
Vgl. Krabbe, S. 412. Vgl. Krabbe, S. 422.
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Das Strafrecht Dänemarks
geahndet werden konnte, so beträgt sie Haft oder Gefängnis bis zu drei Jahren, anderenfalls Gefängnis bis zu sechs Jahren (§ 164 Abs. 1). Hatte die Tat aber den Verlust der wirtschaftlichen Existenz (oben S. 146) für jemanden zur Folge oder war dies beabsichtigt, so ist die Strafe Gefängnis von zwei bis zu 16 Jahren (Abs. 3). Die Strafbestimmungen gelten auch für den Fall, daß der Täter seine Absicht durch Veränderung oder Beiseiteschaffung von Beweisen oder durch Herbeischaffung falscher Beweise zu erreichen sucht. I n diesem Falle braucht sich die Handlung nicht gegen einen Unschuldigen zu richten — es genügt, daß sie sich gegen einen „anderen" richtet (Abs. 2). A u f Antrag des Verletzten kann i m Urteil bestimmt werden, daß die Urteilsformel und so viel von den Urteilsgründen, wie das Gericht für erforderlich hält, i n einer oder mehreren Zeitungen amtlich bekanntzumachen ist (Abs. 4). Über falsche Anschuldigung i m A m t s. oben S. 148, über die Pflicht zur Mitteilung von Umständen, die für die Unschuld eines anderen sprechen, oben S. 146. Strafbar ist auch, wer bei der Behörde eine strafbare Handlung anzeigt, die nicht begangen worden ist — ζ. B. um sich selbst von dem Verdacht einer strafbaren Handlung zu reinigen — oder wer beim König, Folketing, Gericht oder bei den Behörden falsche Beschwerden einreicht (§ 165). Achtzehntes
Kapitel
Münzdelikte (§§ 166—170) Das Kapitel entspricht etwa dem Abschnitt „Münzverbrechen und Münzvergehen" des Reichsstrafgesetzbuchs. Es w i r d durch die internationale Konvention vom 20. A p r i l 1929 über die Bekämpfung der Falschmünzerei ergänzt, der Dänemark am 17. Oktober 1931 beigetreten ist. Verfälschung von Wertpapieren w i r d i m 19. Kapitel behandelt. Die Einziehung falschen Geldes richtet sich nach § 77 (oben S. 117). Für die eigentlichen Münzdelikte gilt ein außerordentlich weiter Strafrahmen: Gefängnis bis zu zwölf Jahren; ein Mindestmaß ist nicht vorgesehen. Ein Münzdelikt begeht, wer Geld n a c h m a c h t oder v e r f ä l s c h t , um es als echtes i n Verkehr zu bringen, ferner wer in gleicher Absicht sich oder anderen nachgemachtes oder verfälschtes Geld v e r s c h a f f t (§ 166 Abs. 1), endlich wer solches Geld a u s g i b t (§ 167). Strafmilderung t r i t t ein, wenn die Verfälschung durch Verringerung des Wertes gangbarer Münze erfolgt ist (§ 166 Abs. 2) oder wenn der Ausgebende das Geld gutgläubig empfangen hatte (§ 167).
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Strafbar ist auch die Ausgabe von Geld, von dem der Täter v e r m u t e t , daß es nachgemacht oder verfälscht ist (§ 168); Voraussetzung ist offenbar, daß es sich wirklich u m falsches Geld handelt. Die Strafe ist hier Haft oder Gefängnis bis zu drei Jahren; war der Täter beim Empfang gutgläubig, so kann sie auf Geldstrafe ermäßigt werden und bei mildernden Umständen ganz fortfallen. Endlich w i r d die Herstellung, Einführung oder Verbreitung von Gegenständen bestraft, die nach Form und Aufmachung eine erhebliche äußere Ähnlichkeit m i t Geld oder einem zu allgemeinem Umlauf bestimmten Wertpapier auf weisen; hier ist ausschließlich Geldstrafe angedroht (§ 169). Auch die Herstellung, Einführung oder Ausgabe von Notgeld u. ähnl. ist strafbar (§ 170).
Neunzehntes
Kapitel
Beweismitteldelikte (§§ 171—179) Das Kapitel behandelt die Urkundenfälschung und die damit verwandten Delikte. — Über Beweismitteldelikte i m A m t s. oben S. 148. I. D i e U r k u n d e n f ä l s c h u n g
(§§ 171—174)
Urkundenfälschung begeht, wer zur Täuschung i m Rechtsverkehr von einer falschen Urkunde G e b r a u c h m a c h t (§ 171 Abs. 1). Die Herstellung einer unechten Urkunde und die Verfälschung einer echten Urkunde gehören daher nicht zum Tatbestand der Urkundenfälschung, werden aber bei der weiten Begriffsbestimmung des Versuchs (oben S. 96) häufig versuchte Urkundenfälschung darstellen. Die Straftat ist m i t dem Gebrauch der Urkunde zu dem genannten Zweck vollendet, ohne daß die Täuschung Erfolg gehabt zu haben braucht (vgl. oben S. 97). Das Gesetz gibt eine B e g r i f f s b e s t i m m u n g der falschen Urkunde (§ 171 Abs. 2, 3). Danach ist unter U r k u n d e eine schriftliche, mit Bezeichnung des Ausstellers versehene Erklärung zu verstehen, die entweder dazu b e s t i m m t erscheint, als B e w e i s für ein Recht, eine Verpflichtung oder die Befreiung von einer solchen zu d i e n e n , oder die zu einem solchen Beweis b e n u t z t wird; nur die letztere Alternative ist i n der Regel von praktischer Bedeutung, da die Benutzung zur Täuschung i m Rechtsverkehr Tatbestandsmerkmal der Urkundenfälschung ist 1 4 . Eine Urkunde ist f a l s c h , wenn sie nicht von dem angegebenen Aussteller herrührt, d. h. wenn sie gefälscht ist, oder wenn ihr ein Inhalt gegeben ist, der nicht von ihm herrührt, d. h. 14
Vgl. Krabbe, S. 438; die Auslegung der Bestimmung ist zweifelhaft.
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wenn sie verfälscht ist. — Sowohl das Erfordernis der Schriftlichkeit wie das der Bezeichnung des Ausstellers ist weit auszulegen. Unter Schriftlichkeit sind Schriftzeichen schlechthin, also nicht n u r geschriebene, zu verstehen. Die Bezeidinung des Ausstellers braucht nicht ausdrücklich aus der Urkunde hervorzugehen. So sind ζ. B. polizeiliche Nummernschilder an Kraftfahrzeugen als Urkunden anzusehen. Uber Stempel und Zeichen s. unter I I I . Die S t r a f e für Urkundenfälschung ist Gefängnis (§ 172 Abs. 1). Ein Mindestmaß ist nicht vorgesehen, das Gesetz nennt auch — wie oben S. 102 erwähnt — kein Höchstmaß, bestimmt aber, daß die Strafe in qualifizierten Fällen auf acht Jahre steigen kann, woraus folgt, daß sie in nichtqualifizierten Fällen acht Jahre nicht erreichen darf. Qualifizierend ist, wenn sich die Urkunde als Entscheidung einer öffentlichen Behörde bezeichnet oder wenn es sich u m eine öffentliche Schuldverschreibung, einen Scheck, einen Wechsel oder eine andere zu allgemeinem Umlauf bestimmte Urkunde oder um eine testamentarische Bestimmung handelt. Eine erhebliche Strafmilderung (Geldstrafe, Haft oder Gefängnis bis zu einem Jahre) t r i t t ein, wenn die Urkunde nach ihrer A r t von untergeordneter Bedeutung ist oder wenn dies auf die Verfälschung oder den damit verfolgten Zweck zutrifft, oder schließlich, wenn der Täter niemanden schädigen wollte, so, wenn er ausschließlich einen berechtigten Anspruch geltend machen oder einen unberechtigten abwehren wollte (Abs. 2). Diese Strafen gelten auch für denjenigen, der zur Täuschung i m Rechtsverkehr eine m i t einer echten Unterschrift versehene Urkunde benutzt, wenn die Unterschrift unter A u s n u t z u n g e i n e s I r r t u m s auf einer anderen Urkunde, ζ. B. weil diese untergeschoben war, oder auf einer Urkunde anderen Inhalts, als von dem Unterzeichner beabsichtigt, erlangt worden ist (§ 173). Auch die Blankettfälschung w i r d unter diese Bestimmung zu bringen sein. Eine Bestimmung m i t einem erheblich geringeren Strafmaß (Geldstrafe, Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten) betrifft i n erster Linie den Gebrauch falscher L e g i t i m a t i o n s p a p i e r e , indem sie den Gebrauch einer echten Urkunde i n bezug auf einen anderen als denjenigen, den sie wirklich angeht, oder den Gebrauch i n einer mit der Bestimmung der Urkunde i m Widerspruch stehenden Weise unter Strafe stellt (§ 174). II. D i e m i t t e l b a r e
Falschbeurkundung
(§ 175)
Sie liegt vor, wenn der Täter i n der Absicht, i m Rechtsverkehr zu täuschen, i n bestimmten Urkunden oder Büchern eine unrichtige Erklärung über einen Sachverhalt abgibt, für den die Erklärung als Beweis dienen soll. Die Urkunden oder Bücher sind nicht auf öffent-
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liehe beschränkt, auch private kommen in Frage, wenn ihre Ausstellung oder Führung kraft Gesetzes oder auf Grund eines besonderen Pflichtverhältnisses geboten ist, wie ζ. B. die Führung von Handelsbüchern (vgl. auch unten S. 192). Ferner werden auch Atteste genannt, die von Ärzten, Zahnärzten, Hebammen und Tierärzten ausgestellt werden. Der Anwendungsbereich der mittelbaren Falschbeurkundung ist daher erheblich weiter als nach dem Reichsstrafgesetzbuch. M i t der Ausfertigung der Erklärung ist die Straftat vollendet, ohne daß Benutzung gefordert wird. Daneben gilt die Strafandrohung aber für jeden, der i m Rechtsverkehr von einer solchen Urkunde unter dem Vorgeben, sie enthalte die Wahrheit, Gebrauch macht. Die Strafe ist Haft oder Gefängnis bis zu drei Jahren, bei mildernden Umständen Geldstrafe. I I I . S t e m p e l u n d Z e i c h e n (§ 176) E i n m i t Urkundenfälschung verwandtes Delikt liegt vor, wenn jemand i n der Absicht, i m Handel und Verkehr zu täuschen, von Gegenständen Gebrauch macht, die unberechtigt m i t gewissen Stempeln oder Zeichen versehen sind. Das Gesetz unterscheidet — auch i m Strafmaß — zwischen öffentlichen und privaten Stempeln und Zeichen. Bei ersteren ist Voraussetzung, daß sie für die Echtheit, A r t , Güte oder Menge des Gegenstandes Gewähr leisten sollen, wie ζ. B. der amtliche Gold- oder Silberstempel. Private Stempel, Zeichen oder Bezeichnungen sind geschützt, wenn sie dazu dienen, einen den Gegenstand betreffenden Sachverhalt anzugeben, der für Handel und Verkehr von Bedeutung ist. Hier können unter Umständen die Bestimmungen des Warenzeichengesetzes vom 7. A p r i l 1936 ergänzend eingreifen. Die Straftat ist i n allen Fällen mit dem Gebrauchmachen — aber auch erst dann — vollendet. Auch das Gebrauchmachen nach Veränderung oder Entfernung von Stempeln usw. ist strafbar. IV. W e r t z e i c h e n f ä l s c h u n g (§ 177) Eine Gefängnisstrafe bis zu acht Jahren t r i f f t denjenigen, der von nachgemachtem oder verfälschtem Stempelpapier, Stempelmarken, Postfreimarken u. ähnl. Gebrauch macht. M i t einer „verhältnismäßig geringeren" Strafe (eine Höchststrafe ist nicht angegeben) w i r d bestraft, wer von schon einmal benutztem Papier oder Marken Gebrauch macht, auf denen das Zeichen der früheren Benutzung entfernt ist. Für die Herstellung usw. von Wertzeichen, die nach Form und A u f machung echten i n hohem Maße ähnlich sind, gilt § 169 (oben S. 153). V. U n t e r d r ü c k u n g v o n B e w e i s m i t t e l n (§ 178) Die Bestimmung umfaßt nicht nur Urkunden, sondern Beweismittel jeder Art. Sie stellt die Vernichtung, Beiseiteschaffung oder Unbrauch-
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Das Strafrecht Dänemarks
barmachung von Beweismitteln unter Strafe, die geeignet sind, als solche i m Rechtsverkehr benutzt zu werden, wenn der Täter i n der Absicht handelt, einen anderen um sein Recht zu bringen. — Über Sonderbestimmungen s. u. a. oben S. 137, 141, 152. VI. G r e n z v e r r ü c k u n g (§ 179) Die Grenzverrückung ist strafbar, wenn sie in der Absicht geschieht, über Grenzen von Grundstücken, Grundstücksrechten, Wasserläufen u. dgl. zu täuschen. Die Handlung besteht darin, daß der Täter einen falschen Grenzstein oder ein anderes derartiges Merkmal setzt oder ein solches Merkmal verrückt, entfernt, verändert oder zerstört. Strafmildernd ist, wenn der Täter einen berechtigten Anspruch wahren oder einen unberechtigten abwehren wollte.
Zwanzigstes
Kapitel
Gemeingefährliche Straftaten (§§ 180—192) Das Kapitel entspricht etwa dem Abschnitt „Gemeingefährliche Ver T brechen und Vergehen" des Reichsstrafgesetzbuchs. Es enthält teils abstrakte, teils konkrete Gefährdungsdelikte, während wieder andere Delikte die Entstehung eines Schadens voraussetzen. — Über Gefährdung durch Trunkenheit s. oben S. 145. I. D i e B r a n d s t i f t u n g (§§ 180—182) Das Gesetz unterscheidet zwischen schwerer, einfacher und fahrlässiger Brandstiftung. A. S c h w e r e B r a n d s t i f t u n g (§ 180) ist die b e s o n d e r s g e f ä h r l i c h e Brandstiftung ohne Rücksicht darauf, gegen welches Objekt sie sich richtet. Objekt kann daher jeder Gegenstand sein, ein Gebäude sowohl wie eine bewegliche Sache; es ist auch gleichgültig, ob die Tat sich gegen eigenes oder fremdes Eigentum richtet. Die Voraussetzungen der schweren Brandstiftung sind i m Gesetz erschöpfend geregelt. Danach ist die Brandstiftung schwer, wenn der Täter i n der Erkenntnis handelt, das Leben anderer einer unmittelbar drohenden Gefahr auszusetzen (konkretes Gefährdungsdelikt), oder i n der Absicht, umfassende Zerstörungen fremden Eigentums herbeizuführen oder Aufruhr, Plünderungen oder ähnliche Störungen der allgemeinen Ordnung zu fördern (abstrakes Gefährdungsdelikt). Die Mindeststrafe für schwere Brandstiftung ist vier Jahre, die Höchststrafe lebenslängliches Gefängnis (vgl. oben S. 102). Infolge des weiten Strafrahmens sind Qualifikationen — ζ. B. die Verursachung des Todes eines Menschen — nicht vorgesehen.
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B. E i n f a c h e B r a n d s t i f t u n g (§ 181) liegt vor, wenn der Täter, ohne daß die Voraussetzungen der schweren Brandstiftung gegeben sind, f r e m d e s Eigentum i n Brand setzt; die Entstehung einer Gefahr w i r d nicht gefordert. Die Strafe ist Gefängnis von sechs Monaten bis zu zwölf Jahren und t r i f f t auch denjenigen, der e i g e n e s Eigentum — oder das eines anderen m i t dessen Einverständnis — i n Brand setzt, um die Feuerversicherung zu b e t r ü g e n , die Rechte der Pfandgläubiger zu beeinträchtigen u. dgl. Strafmilderung ist für den Fall vorgesehen, daß der i n Brand gesetzte Gegenstand von geringer Bedeutung ist und der Täter nicht m i t der Entstehung erheblichen Schadens gerechnet hat; die Mindeststrafe beträgt hier 30 Tage Gefängnis. C. F a h r l ä s s i g e B r a n d s t i f t u n g (§ 182) ist strafbar, wenn sie an fremdem Eigentum oder unter Schädigung fremder Vermögensinteressen erfolgt. Die Strafe ist Geldstrafe, Haft oder bei erschwerenden Umständen Gefängnis bis zu zwei Jahren. I n der Praxis w i r d meist Geldstrafe verhängt 1 5 . II. A n d e r e g e m e i n g e f ä h r l i c h e
S t r a f t a t e n (§§ 183—184)
Das Gesetz nennt die Vornahme einer S p r e n g u n g , die Verbreitung schädlicher G a s e , die Verursachung einer Übers c h w e m m u n g , eines S c h i f f b r u c h s , eines E i s e n b a h n oder eines anderen V e r k e h r s u n g l ü c k s . Die Strafbarkeit der Tat setzt die Entstehung eines S c h a d e n s für Personen oder Vermögenswerte voraus. Die Strafe ist wie bei der einfachen Brandstiftung Gefängnis von sechs Monaten bis zu zwölf Jahren, die Tat w i r d aber, wenn die Voraussetzungen der schweren Brandstiftung (I A Abs. 2) vorliegen, wie diese bestraft, ohne daß ein Schaden entstanden zu sein braucht (§ 183). M i t Gefängnis bis zu sechs Monaten, bei mildernden Umständen m i t Haft w i r d bestraft, wer, abgesehen von diesen Fällen, die B e t r i e b s s i c h e r h e i t von Eisenbahnen, Schiffen, Flugzeugen, Kraftfahrzeugen u. dgl. oder die V e r k e h r s s i c h e r h e i t auf öffentlichen Straßen stört (§ 184). Die fahrlässige Begehung ist in allen Fällen strafbar. — Über Störung des Verkehrs s. auch oben S. 139 und unten S. 159. III. V o r b e u g u n g s p f l i c h t (§ 185) Strafbar ist die Nichtverhinderung von Straftaten der zu I. und II. genannten A r t , wenn sie das Leben von Menschen gefährden. Voraussetzung ist, daß dies dem Betreffenden ohne besondere Gefahr oder Opfer für sich oder andere möglich war. Als M i t t e l der Vorbeugung nennt das Gesetz rechtzeitige Anzeige oder andere, den Umständen v. Eyben,
S. 1 3 .
18
Das Strafrecht Dänemarks
nach zweckdienliche Maßnahmen. — Über Vorbeugungspflicht s. auch oben S. 146. IV. L e b e n s - u n d G e s u n d h e i t s g e f ä h r d u n g
(§§ 186—190)
Das Gesetz stellt eine Reihe von Tatbeständen auf, die die konkrete Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen unter Strafe stellen. Handelt es sich u m das Leben oder die Gesundheit von Haustieren, so ist auf eine verhältnismäßig mildere Strafe i m Rahmen der vorgesehenen Straf arten zu erkennen (§ 190). Auch die fahrlässige Begehung ist i n allen Fällen strafbar. — Über das allgemeine Gefährdungsdelikt des § 252 s. unten S. 174. Die unter Strafe gestellten Handlungen sind: A. Die Hervorrufung allgemeinen M a n g e l s a n T r i n k w a s s e r oder das Zusetzen gesundheitsschädlicher Stoffe (§ 186). B. Die Beimischung von G i f t oder ähnlichen Stoffen an Dinge, die zum Verkauf oder zu allgemeiner Benutzung bestimmt sind, ferner die B e h a n d l u n g solcher Dinge i n einer Weise, die geeignet ist, den verdorbenen Zustand zu v e r s c h l e i e r n , endlich das F e i l h a l t e n oder der V e r s u c h d e r V e r b r e i t u n g solcher Dinge (§ 187). Handelt es sich u m Nahrungs- oder Genußmittel oder um Gebrauchsgegenstände, so ist das Feilhalten oder der Versuch der Verbreitung auch dann strafbar, wenn der Täter selbst nichts an den Waren verändert hat, aber ihren gesundheitsgefährlichen Zustand kennt (§ 188). — Über das Feilhalten nachgemachter oder verfälschter Lebensmittel s. das folgende Kapitel. C. Das Feilhalten oder der Versuch der Verbreitung von H e i l m i t t e l n oder V o r b e u g u n g s m i t t e l n gegen Krankheiten, die zu diesem Zweck ungeeignet sind (§ 189). V. H a n d e l m i t
Heilmitteln
Der unbefugte H a n d e l m i t H e i l m i t t e l n o d e r G i f t w i r d m i t Geldstrafe bestraft (§ 191). Spezialgesetze haben später die Materie eingehender geregelt 16 . VI. A n s t e c k e n d e
Krankheiten
Strafbar ist auch die vorsätzliche oder fahrlässige, auf Zuwiderhandlung gegen die entsprechenden Vorschriften beruhende Herbeiführung einer G e f a h r f ü r d e n A u s b r u c h o d e r d i e V e r b r e i t u n g a n s t e c k e n d e r K r a n k h e i t e n , m i t Strafschärfung, wenn es sich u m eine Krankheit handelt, die öffentlich zu behandeln ist oder gegen deren Einschleppung besondere Maßnahmen 16
Vgl. Krabbe,
S. 478.
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
1
getroffen sind. Ähnliche Vorschriften gelten für ansteckende Krankheiten bei Haustieren und Nutz- oder Kulturpflanzen (§ 192). — Über Geschlechtskrankheiten s. unten S. 175.
Einundzwanzigstes
Kapitel
Verschiedene gemeinschädliche Handlungen (§§ 193—195) Unter diesem T i t e l werden die folgenden, minder gefährlichen Tatbestände zusammengefaßt, die unter sich keinen näheren Zusammenhang haben. I. S t ö r u n g d e s B e t r i e b e s v o n V e r k e h r s m i t t e l n
usw.
Die rechtswidrige Verursachung umfassender S t ö r u n g e n des Betriebes von allgemeinen V e r k e h r s m i t t e l n , öffentlicher Postbestellung, Telegraphen- oder Telephonanlagen sowie von Anlagen, die der allgemeinen Versorgung m i t Wasser, Gas, elektrischem Strom oder Wärme dienen — ζ. B. durch rechtswidrige Streiks. Eine Gefährdung w i r d nicht gefordert. Auch die fahrlässige Begehung ist strafbar (§ 193). — Vgl. auch oben S. 139, 157. II. B e s c h ä d i g u n g v o n D e n k m ä l e r n
usw.
Die Entfernung, Zerstörung oder Beschädigung von öffentlichen D e n k m ä l e r n oder von Gegenständen, die zu allgemeinem Nutzen oder Schmuck bestimmt sind, zu öffentlichen Sammlungen gehören oder besonders geschützt sind (§ 194). III. F e i l h a l t e n v e r f ä l s c h t e r
Lebensmittel
Das F e i l h a l t e n von nachgemachten oder verfälschten L e b e n s m i t t e l n , wenn ihre besondere Beschaffenheit nicht unzweideutig auf der Ware selbst oder auf der Etikette oder Verpackung oder einer etwa ausgestellten Faktura angegeben ist. Geschieht dies bei der Ausübung eines Gewerbes, so kann dem Täter bei Rückfall das Recht der Ausübung auf Zeit oder für immer aberkannt werden; eine solche Maßnahme kann durch kgl. Resolution wieder aufgehoben werden (§ 195). Zweiundzwanzigstes
Kapitel
Bettelei und schädliche Erwerbstätigkeit (§§ 197—207) Außer Bettelei und Arbeitsscheu werden die Verleitung zu Spekulationsgeschäften, das Glücksspiel und die Verleitung zur Auswanderung behandelt. Auch die verbotene Rückkehr hat ihren Platz hier gefunden, ohne doch unter die Überschrift des Kapitels zu fallen.
1
Das Strafrecht Dänemarks
I. B e t t e l e i u n d A r b e i t s s c h e u (§§ 197—200) Die wegen ihrer Asozialität k r i m i n e l l und kriminologisch wichtigen Erscheinungen der Bettelei und Arbeitsscheu 17 werden vom Gesetz i n erster Linie mit Sicherungsmaßregeln bekämpft. Wie aus der Darstellung der Voraussetzungen für die Verurteilung zu Arbeitshaus und Sicherungsverwahrung hervorgeht, kann ein dreimal wegen Betteins oder zweimal wegen Arbeitsscheu Verurteilter bei erneutem Rückfall zu Arbeitshaus und evtl. zur Sicherungsverwahrung verurteilt werden (oben S. 111). Die eigentlichen Strafen spielen daneben keine erheblichere Rolle: für Bettelei bis zu sechs Monaten, für Arbeitsscheu bis zu einem Jahre Gefängnis. Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit nebst Rückfall können aber zur Schärfung der Strafe nach § 82 führen (oben S. 122). Bei nichtgewohnheitsmäßigem Betteln aus Not ist die Strafe Haft und kann bei mildernden Umständen ganz fortfallen (§ 197 Abs. 2). Über die Aufsichtsbefugnis der Polizeibehörde bei Arbeitsscheuen s. unter B., 3 und unten S. 183, über die rückfallbegründende Wirkung einer Verurteilung wegen Arbeitsscheu bei gewissen Sittlichkeitsdelikten s. unten S. 168. A. Bettelei (§ 197) Das einfache Betteln ist nicht strafbar. Strafbare Bettelei begeht aber, wer t r o t z p o l i z e i l i c h e r V e r w a r n u n g bettelt, oder wer bettelt, nachdem er s c h o n e i n m a l — unter Beachtung der für den Rückfall geltenden Fristen, vgl. oben S. 121 — wegen Bettelei, Arbeitsscheu, wegen eines Sittlichkeitsdelikts, einer Körperverletzung oder eines Bereicherungsdelikts v e r u r t e i l t oder g e r i c h t l i c h v e r w a r n t (gemäß § 937 des Rechtspflegegesetzes, oben S. 99) worden ist oder von der Polizeibehörde eine Verwarnung oder Auflage nach den §§ 198 oder 199 (s. unter B.) erhalten hat, ferner wer a n d e r e zum Betteln b e n u t z t , endlich wer zuläßt, daß ein zu seinem Hausstand gehöriger J u g e n d l i c h e r unter 18 Jahren bettelt. I n den beiden letzteren Fällen ist die Strafbarkeit nicht von vorausgegangener Verwarnung, Verurteilung oder Auflage abhängig. B. Arbeitsscheu (§§ 198—200) Den beiden unter 1. und 2. dargestellten Tatbeständen ist gemeinsam, daß der Täter sich durch M ü ß i g g a n g in gewisse, mit der Rechtsordnung nicht vereinbare Situationen gebracht hat. Strafbar ist die Arbeitsscheu erst, wenn der Täter trotz p o l i z e i l i c h e r V e r w a r n u n g o d e r A u f l a g e nichts' an den Verhältnissen ändert. 17 Die dänische Bezeichnung „losgaengeri", eigentlich Umhertreiben, wurde früher mit Landstreicherei wiedergegeben (vgl. Göll in der S. 77 Anm. 6, genannten Besprechung), der Begriff wird aber nach den modernen Tatbeständen des Strafgesetzbuchs besser mit Arbeitsscheu getroffen.
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
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1. I n a n s p r u c h n a h m e ö f f e n t l i c h e r M i t t e l u s w . (§ 198) Wenn ein Arbeitsfähiger infolge selbstverschuldeten gewohnheitsmäßigen Müßiggangs der öffentlichen Fürsorge zur Last fällt, seine Unterhaltspflichten gegen einen anderen verletzt und i h n dadurch der Not aussetzt oder die i h m obliegenden Beiträge für Frau und Kinder nicht entrichtet, so ist er zunächst polizeilich zu verwarnen und ihm, soweit möglich, Arbeit anzuweisen. T r i t t hierauf innerhalb eines Jahres infolge fortgesetzten selbstverschuldeten Müßiggangs erneut einer der genannten Fälle ein, so liegt strafbare Arbeitsscheu vor. — Bei Verletzung der Unterhaltspflicht für Frau und Kinder ist nicht erforderlich, daß dadurch eine Notlage entsteht; s. i m übrigen unten S. 164. 2. U n r e d l i c h e r E r w e r b (§ 199) Ergibt sich jemand dem Müßiggang unter Umständen, daß Grund zu der Annahme besteht, er suche sich nicht auf redliche Weise zu ernähren — Spiel, Unzucht oder Unterstützung durch Frauen, die sich von Unzucht ernähren, gilt nicht als redlicher Erwerb —, so ist ihm zunächst polizeilich aufzuerlegen, innerhalb einer angemessenen Frist einen redlichen Erwerb zu suchen und ihm, soweit möglich, ein solcher Erwerb nachzuweisen. K o m m t er der Auflage nicht nach, so liegt ebenfalls strafbare Arbeitsscheu vor. Die Bestimmung findet hauptsächlich auf Prostituierte Anwendung. 3. A u f s i c h t s b e f u g n i s d e r P o l i z e i b e h ö r d e (§ 200) Ein nach den §§ 198 oder 199 Verurteilter kann von der Polizeibehörde während eines Zeitraums von fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung a n g e w i e s e n werden, zu bestimmten Zeiten zu erscheinen und nachzuweisen, wo er wohnt oder sich aufhält, sowie darüber Auskunft zu geben, wovon er sich ernährt. Die Zuwiderhandlung ist strafbar. II. S c h ä d l i c h e
Erwerbstätigkeit
(§§ 202—204, 206—207)
A. Die g e w e r b s m ä ß i g e V e r l e i t u n g z u S p e k u l a t i o n s g e s c h ä f t e n ist strafbar, wenn sie unter Ausnutzung der Unkenntnis, des Unverstandes oder der Unerfahrenheit eines anderen erfolgt (§ 202). — Über Wucher s. unten S. 187. B. Verbotenes Glücksspiel (§§ 203—204) Strafbar ist, wer aus Glücksspiel, das nicht ausdrücklich erlaubt ist, oder aus Wetten ähnlicher A r t oder aus der Förderung solcher Spiele ein G e w e r b e macht. Ob der erzielte Gewinn einzuziehen oder zurückzuzahlen ist, unterliegt der Entscheidung des Gerichts (§ 203). Strafbar ist auch, wer öffentlich Räume für unerlaubtes Glücksspiel hergibt oder solches veranstaltet; bei Rückfall t r i t t Strafschärfung 11 A u s l ä n d i s c h e s S t r a f r e c h t
I.
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Das Strafrecht Dänemarks
ein. Auch die öffentliche Teilnahme an unerlaubtem Glücksspiel ist strafbar. Das Gesetz enthält auch Vorschriften darüber, i n welchen Fällen Vereinslokale als öffentlich gelten (§ 204). C. Strafbar ist endlich, wer zu Zwecken des E r w e r b e s falsche Angaben macht oder sonst betrügerisch verfährt, um einen anderen zur A u s w a n d e r u n g zu verleiten (§ 206). D. Aberkennung von Rechten (§ 207) I n den zu A. bis C. genannten Fällen kann dem Täter, wenn er die Handlung i n seinem Gewerbe begangen hat, bei Rückfall das Recht der Ausübung auf Zeit oder für immer aberkannt werden; die Maßnahme kann durch kgl. Resolution wieder aufgehoben werden. III. V e r b o t e n e R ü c k k e h r Die verbotene Rückkehr ist strafbar, wenn der Täter nach § 76 (oben S. 116) über die Grenze gebracht worden war. Es ist nur Gefängnis — bis zu sechs Monaten, bei Rückfall bis zu einem Jahre — angedroht (§ 201). Drei und zwanzigstes
Kapitel
Familiendelikte (§§ 208—215) Das Kapitel entspricht etwa dem Abschnitt „Straftaten gegen den Personenstand, die Ehe und die Familie" des Reichsstrafgesetzbuchs und behandelt außerdem die Blutschande. Der Ehebruch ist nicht strafbar, die Eheerschleichung ist nicht geregelt. Die Versagung der Hilfe gegenüber einer Geschwängerten w i r d i m 25. Kapitel behandelt (unten S. 175). Wer einen Jugendlichen unter 18 Jahren dem Sorgerecht oder der Fürsorge der Eitern oder eines anderen Berechtigten entzieht oder dazu beiträgt, daß der Jugendliche selbst entsprechend handelt, w i r d nach den Vorschriften über Freiheitsberaubung (§ 261, unten S. 176) bestraft (§ 215). — Über die Duldung des Betteins Jugendlicher s. oben S. 160. I. S t r a f t a t e n g e g e n d i e E h e (§§ 208—209) Die D o p p e l e h e , d. h. die zweite Ehe eines V e r h e i r a t e t e n , w i r d m i t Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft; kannte aber der andere Teil das Bestehen der ersten Ehe nicht, so kann auf Gefängnis bis zu sechs Jahren erkannt werden. Auch die grob fahrlässige Begehung ist strafbar. Der u n v e r h e i r a t e t e Partner, an sich als Mittäter strafbar, w i r d mit Haft oder m i t Gefängnis bis zu einem Jahre bedroht. Kann die zweite Ehe nicht für nichtig erklärt werden, so kann die Strafe für den Verheirateten stets auf Haft ermäßigt
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
13
werden und für den Unverheirateten ganz fortfallen. Dieser Fall liegt vor, wenn die erste Ehe vor Erhebung der Nichtigkeitsklage aufgelöst worden ist (§§ 14, 42 Abs. 2 des Ehegesetzes Nr. 276 vom 30. Juni 1922). — Die selten vorkommenden Fälle von Doppelehe sind in der Praxis milde bestraft worden 1 8 (§ 208). Auch die Eingehung einer Ehe, die wegen naher V e r w a n d t s c h a f t für nichtig zu erklären ist, nämlich eine Ehe zwischen Verwandten in gerader Linie oder zwischen Geschwistern (§§ 12, 42 Abs. 1 des Ehegesetzes), ferner die Eingehung einer Ehe, die wegen S c h w ä g e r s c h a f t für nichtig erklärt werden kann, ist strafbar (§ 209). Der letztere Fall liegt vor, wenn der eine Partner mit einem Verwandten des anderen i n gerader Linie verheiratet war oder Geschlechtsverkehr m i t ihm gehabt hat, doch kann i n gewissen Fällen Dispens erteilt werden (§ 13 Eheges. in der Fassung des Gesetzes Nr. 66 vom 15. März 1947). Geschieht dies nicht, so kann doch unter Umständen von der Erhebung der Nichtigkeitsklage abgesehen werden (§ 42 Abs. 4 Eheges.). K o m m t es nicht zur Nichtigkeitserklärung, so kann die Strafe — Haft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren — bei i m übrigen mildernden Umständen ganz fortfallen. II. B l u t s c h a n d e
(§§ 210—212)
Das Gesetz straft sowohl die e c h t e Blutschande, d. h. den Beischlaf zwischen Verwandten i n gerader Linie und zwischen Geschwistern (§ 210) — nur dies auch gesetzestechnisch „Blutschande" genannt — als auch die u n e c h t e Blutschande, d. h. den Beischlaf zwischen Verschwägerten (§ 211). Letzterer ist strafbar, wenn die Eingehung der Ehe zwischen ihnen verboten ist (s. unter I.), und zwar ist auf Haft zu erkennen, wenn kein Dispens möglich ist, anderenfalls auf Geldstrafe. Bei echter Blutschande zwischen Verwandten w i r d der Ältere m i t Gefängnis von sechs Monaten bis zu sechs Jahren bestraft; war der Jüngere aber noch nicht 18 Jahre alt, so ist die Strafe Gefängnis von einem bis zu zehn Jahren — hier liegt kriminalpolitisch ein Sittlichkeitsdelikt vor. Die Strafe für den Jüngeren ist Gefängnis bis zu zwei Jahren. Dieses Strafmaß gilt auch für den Beischlaf zwischen Geschwistern, doch kann hier bei noch nicht 16jährigen von Strafe abgesehen werden. Ein i n absteigender Linie Verwandter oder Verschwägerter unter 18 Jahren bleibt stets straflos. Ähnlich wie bei den Sittlichkeitsdelikten t r i t t i n allen Fällen Strafmilderung ein, wenn anstatt Beischlafs ein geschlechtlicher Umgang anderer A r t stattgefunden hat (§ 212; vgl. unten S. 165). 18
11·
v. Eyben, S. 220.
164
Das Strafrecht Dänemarks
I n der Praxis w i r d die Blutschande streng bestraft, i n der Regel m i t mindestens drei Jahren Gefängnis 19 . — Über die Zulässigkeit der Schwangerschaftsunterbrechung bei echter Blutschande s. unten S. 198. III. V e r l e t z u n g
von U n t e r h a l t s p f l i c h t e n
u s w . (§ 213)
Die Verletzung von Unterhalts- oder Beitragspflichten ist nur strafbar, wenn der Täter b ö s w i l l i g handelt und dadurch seinen Ehegatten, sein Kind, einen seinem Sorgerecht oder seiner Fürsorge unterstellten Jugendlichen unter 18 Jahren oder einen Verwandten oder Verschwägerten aufsteigender Linie der N o t aussetzt. Die Strafe ist Gefängnis bis zu zwei Jahren, bei mildernden Umständen Haft; Geldstrafe ist ausgeschlossen. Die Strafdrohung trifft auch denjenigen, der eine der genannten Personen durch V e r n a c h l ä s s i g u n g oder e n t w ü r d i g e n d e B e h a n d l u n g v e r l e t z t . A u f Antrag des Verletzten kann die Verfolgung in allen Fällen unterbleiben. — S. auch unten S. 175. IV. V e r ä n d e r u n g
des F a m i l i e n s t a n d e s g e b o r e n e n (§ 214)
von
Neu-
Das Delikt besteht i n unrichtiger oder unvollständiger Anmeldung zum Geburtsregister, wenn die Beweisgrundlage für den Familienstand dadurch verändert wird. Die Strafe kann fortfallen, wenn ein von einer verheirateten Frau unehelich geborenes K i n d m i t Einwilligung des Ehemannes als ehelich angemeldet wird. — Andere Personenstandsdelikte kennt das Gesetz nicht, es können aber unter Umständen die Vorschriften der §§ 162 (oben S. 151) und 175 (oben S. 154) eingreifen. Vierundzwanzigstes
Kapitel
Sittlichkeitsdelikte (§§ 216—236) Bei der Bekämpfung der Sittlichkeitsdelikte ist die Anwendung von Sicherungsmaßregeln i n erheblichem Umfang möglich. Schon die einmalige Verbüßung einer Gefängnisstrafe wegen eines Sittlichkeitsdelikts kann bei Rückfall zur Verurteilung zu Arbeitshaus führen (§ 62 Ziffer 3, oben S. 111), und auch für die Verurteilung zu Sicherungsverwahrung genügt unter Umständen eine vorhergegangene einmalige Verurteilung (oben S. 112). I n den meisten Fällen einer Verurteilung wegen eines Sittlichkeitsdelikts i m engeren Sinne können ferner besondere sichernde Maßregeln angeordnet werden, die darin bestehen, daß dem Täter auferlegt wird, sich von öffentlichen Parks 19
v. Eyben, S. 220 f.
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Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
oder Anlagen, Grünplätzen, Schulen und Spielplätzen, gewissen Heimen, Badeanstalten, Wäldern usw. fernzuhalten. Auch kann das Verbot ausgesprochen werden — dies auch i m Falle der Kuppelei — Kinder unter 18 Jahren, denen gegenüber der Täter nicht unterhaltspflichtig ist, bei sich aufzunehmen oder sich irgendwo aufzuhalten, wo solche Kinder wohnen. Derartige Auflagen, deren Übertretimg strafbar ist, sind frühestens nach Ablauf von drei Jahren seit der endgültigen Entlassung auf Verlangen des Verurteilten durch das Gericht 1. Instanz nachzuprüfen; ein abgelehnter Antrag kann erst nach drei Jahren erneuert werden (§ 236). — Über die Strafbarkeit der Bettelei nach Verurteilung oder Verwarnung wegen eines Sittlichkeitsdelikts s. oben S. 160, über Kastration von Sittlichkeitsverbrechern unten S. 202. Das Kapitel umfaßt — m i t Ausnahme der Blutschande (oben S. 163) und der nicht strafbaren Unzucht m i t Tieren — etwa die gleichen Materien wie der Abschnitt „Verbrechen und Vergehen wider diè Sittlichkeit" des Reichsstrafgesetzbuchs. Den Ausdruck „Unzucht" verwendet es nur für die gewerbsmäßige Unzucht und für unzüchtige Bilder und Gegenstände, während es i m Falle der gleichgeschlechtlichen Unzucht und der Kuppelei von „geschlechtlicher Unsittlichkeit", i m Falle der Ärgerniserregung von „Anstößigkeit" spricht. Diese Nuancen sind aber nicht so bedeutsam, daß eine Abweichung vom Sprachgebrauch des Reichsstrafgesetzbuchs geboten erschiene. I. S i t t l i c h k e i t s d e l i k t e i m e n g e r e n (§§ 216—227)
Sinne
Außer Kindern und Jugendlichen w i r d in der Regel nur Frauen Schutz gewährt, mit Ausnahme von Anstaltsinsassen, wo auch Männer geschützt sind (s. unter D.). Notzucht und Nötigung zur Unzucht sind auch gegenüber der Ehefrau möglich. Andererseits kann die Strafe i n allen Fällen fortfallen, i n denen die Beteiligten die Ehe miteinander eingegangen sind (§ 227). Zum Tatbestand gehört bei allen Delikten, die sich gegen eine Frau oder ein K i n d richten, die Vollziehung des B e i s c h l a f s ; hat „anderer geschlechtlicher Umgang" stattgefunden, so ist die Strafe verhältnismäßig zu mildern, beträgt aber stets Gefängnis (§ 224). Die Vollziehung des Beischlafs w i r d je nach dem Charakter des Delikts bald mit „Erzwingen", bald mit „Sichverschaffen", bald mit „Erschleichen", bald ohne besonderen Zusatz gebraucht. N u r die vorsätzliche Begehung ist strafbar. Hängt die Strafbarkeit aber von dem Alter des Verletzten oder von seinem anormalen geistigen oder körperlichen Zustand oder von der A r t seiner Unterbringung ab und hat der Täter diese Umstände nicht gekannt, so ist er strafbar, wenn ihm insoweit Fahrlässigkeit zur Last fällt (§ 226)..
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Das Strafrecht Dänemarks
Über die Zulässigkeit der Schwangerschaftsunterbrechung bei Sittlichkeitsdelikten i m engeren Sinne s. unten S. 198. A. Notzucht (§ 216) Notzucht ist die Erzwingung des Beischlafs mit einer Frau durch Gewalt, Freiheitsberaubung oder Erregung von Furcht für ihr oder ihrer nächsten Angehörigen (vgl. oben S. 141) Leben, Gesundheit oder wirtschaftliche Existenz (vgl. oben S. 146). Die Strafe ist Gefängnis von einem bis zu 16 Jahren, bei besonders erschwerenden Umständen lebenslängliches Gefängnis. Der weite Strafrahmen macht jede Qualifikation überflüssig. Strafermäßigung — Gefängnis bis zu acht Jahren — t r i t t ein, wenn die Frau vorher zum Täter i n einem geschlechtlichen Verhältnis von längerer Dauer gestanden hatte, was u. a. für Notzucht in der Ehe von Bedeutung ist. B. Schändung (§ 217 Abs. l y 2) Schändung liegt vor, wenn der Täter sich den außerehelichen Beischlaf mit einer geisteskranken oder ausgesprochen schwachsinnigen Frau oder mit einer Frau verschafft, die sich i n einem Zustand befindet, i n dem sie außerstande ist, sich der Tat zu widersetzen oder ihre Bedeutung zu verstehen. Die Strafe ist Gefängnis von drei Monaten bis zu acht Jahren — auch hier mit Ermäßigung bei früheren geschlechtlichen Beziehungen von längerer Dauer, wenn diese zu einer Zeit stattfanden, als die Frau noch normal war. Hat der Täter die Frau i n der Absicht, den Beischlaf m i t ihr zu vollziehen, selbst i n den erwähnten Zustand gebracht, so w i r d die Schändung mit der für Notzucht vorgesehenen Strafe bestraft. C. Nötigung zur Unzucht (§ 218) Die Bestimmung t r i f f t die Fälle, in denen der Täter sich durch Drohung mit Gewalt, Freiheitsberaubung oder Beschuldigung wegen strafbaren oder ehrenrührigen Verhaltens den Beischlaf mit einer Frau verschafft, ohne daß die Voraussetzungen der Notzucht oder Schändung vorliegen. Die Strafe ist Gefängnis bis zu sechs Jahren. D. Anstaltsinsassen (§§ 217 Abs. 3, 219) Geschützt sind Frauen in Anstalten für Geisteskranke oder Schwachsinnige gegen außerehelichen Beischlaf seitens eines Obhutpflichtigen sowie — mit höherer Strafdrohung — Anstaltsinsassen aller Art, auch Männer, gegen Beischlaf seitens des Anstaltspersonals oder eines Aufsichtsführenden. E. Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses (§ 220) Der außereheliche Beischlaf mit einer Frau, den der Täter sich durch groben Mißbrauch ihrer dienstlichen oder wirtschaftlichen Abhängig-
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
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keit verschafft hat, w i r d m i t Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft, m i t Strafschärfung — Gefängnis bis zu drei Jahren — wenn die Frau noch nicht 21 Jahre alt war. Uber weitere Fälle der Erstreckung des Schutzes bis zum 21. Lebensjahre s. unter H. und II., A. F. Erschleichung
(§ 221)
Strafbar ist die Erschleichung des Beischlafs m i t einer Frau, die den Beischlaf irrtümlich für ehelich hält oder den Täter m i t einem anderen verwechselt. Die Strafe ist Gefängnis bis zu sechs Jahren. G. Unzucht mit Kindern
(§§ 222—223)
1. Für den absoluten Schutz von Kindern bestehen zwei Altersstufen. Der Unterschied liegt lediglich in der Strafdrohung: der Beischlaf mit Kindern unter 12 Jahren w i r d m i t Gefängnis bis zu zwölf Jahren, der Beischlaf mit Kindern unter 15 Jahren m i t Gefängnis bis zu sechs Jahren bestraft. I m letzteren Falle ist es qualifizierend, wenn der Täter sich den Beischlaf durch Zwang oder Drohungen verschafft hatte — hier ist das Höchstmaß gleichfalls zwölf Jahre Gefängnis. Die Vorschriften über Notzucht bleiben unberührt. 2. I n gewissen Fällen werden Jugendliche bis zu 18 Jahren — mit einer Strafdrohung bis zu vier Jahren — geschützt. Dies t r i f f t zu a) wenn es sich um A d o p t i v - oder P f l e g e k i n d e r des Täters oder u m solche Kinder handelt, die i h m zum U n t e r r i c h t oder zur E r z i e h u n g anvertraut sind, b) wenn der Täter den Jugendlichen durch groben Mißbrauch einer auf A l t e r und Erfahrung beruhenden Überlegenheit zum Beischlaf v e r f ü h r t hat. Über den Schutz Jugendlicher gegen Verleitung zu gewerbsmäßiger Unzucht s. II., A. Unzucht mit Kindern lag in den Jahren 1933 bis 1937 i n etwa 25 % aller Sittlichkeitsdelikte v o r 2 0 . H. Gleichgeschlechtliche
Unzucht (§ 225)
Unzucht zwischen Personen gleichen Geschlechts ist nur strafbar, wenn die Handlung einem der unter A. bis E. genannten Tatbestände entspricht oder wenn es sich um Kinder unter 15 Jahren handelt. Die Bestimmung t r i f f t sowohl Unzucht unter Männern wie unter Frauen. Die Strafe ist Gefängnis bis zu sechs Jahren. Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren sind ebenfalls absolut geschützt, doch ist hier das Höchstmaß vier Jahre Gefängnis, und die Strafe kann fortfallen, wenn die Betreffenden sich ungefähr i m gleichen A l t e r und auf der gleichen Entwicklungsstufe befinden. Endlich sind Jugendliche unter 21 Jahren mit einer Strafdrohung bis zu drei Jahren Gefängnis 80
v. Eyben, S. 130.
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Das Strafrecht Dänemarks
dagegen geschützt, daß der Täter sie durch Mißbrauch einer auf Alter und Erfahrung beruhenden Überlegenheit zur Unzucht m i t sich verführt. Gegenüber der unter G, 2 b) erwähnten Verführung eines Jugendlichen ist hiernach die Altersgrenze höher, und der Mißbrauch der Überlegenheit des Täters braucht nicht „grob" zu sein. — Uber männliche Prostitution s. II, C. II. K u p p e l e i , Z u h ä l t e r e i , P r o s t i t u t i o n (§§ 228—231) Für diese Delikte gilt die gemeinsame Bestimmung, daß die an sich verwirkte Strafe bei Rückfall bis u m die Hälfte erhöht werden kann; auch die Verurteilung wegen Arbeitsscheu und die Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe wegen eines Bereicherungsdelikts w i r k t rückfallbegründend (§ 231). A. Kuppelei
(§ 228)
Kuppelei, m i t Gefängnis bis zu vier Jahren, daneben stets auch mit Geldstrafe bedroht (§ 50 Abs. 2, oben S. 106), liegt vor, wenn der Täter aus Gewinnsucht jemanden — d. h. eine Frau oder einen Mann — zur Unzucht mit anderen verleitet oder jemanden, der aus der Unzucht ein Gewerbe macht, davon abhält, es aufzugeben, oder wenn er ein Bordell unterhält. Ferner ist ohne Rücksicht auf das Moment der Gewinnsucht strafbar, wer einen Jugendlichen unter 18 Jahren dazu anreizt oder i h m dabei behilflich ist, aus der Unzucht ein Gewerbe zu machen, sowie wer an der Verbringung einer Person i n das Ausland teilnimmt, damit diese dort aus der Unzucht ein Gewerbe macht oder dazu mißbraucht wird, wenn sie noch nicht 21 Jahre alt ist oder von dem Zweck keine Kenntnis hat. — Dänemark ist der internationalen Konvention zur Bekämpfung des weißen Sklavenhandels vom 30. September 1921 am 27. November 1931 beigetreten. B. Zuhälterei
u. ähnl. (§ 229)
Die eigentliche Zuhälterei w i r d mit Gefängnis bis zu vier Jahren bestraft; sie liegt vor, wenn ein Mann sich ganz oder zum Teil von einer Frau unterhalten läßt, die gewerbsmäßige Unzucht treibt. Ein Mann, der trotz polizeilicher Warnung die Wohnung m i t einer solchen Frau teilt, kann m i t Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft werden. A u f männliche Jugendliche unter 18 Jahren, denen gegenüber die Frau unterhaltspflichtig ist, finden diese Vorschriften — natürlich unbeschadet eines Eingreifens der Jugendbehörden — keine Anwendung. Uber den Begriff der eigentlichen Zuhälterei hinaus w i r d ferner jede Ausnutzung der gewerbsmäßigen Unzucht bestraft — wie ζ. B. die Zimmervermietung an Prostituierte zu unangemessen hohen
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Preisen. Die Strafe ist Gefängnis bis zu drei Jahren und t r i f f t audi denjenigen, der Unzucht als Vermittler gewerbsmäßig fördert. C. Prostitution
(§ 230)
Die Prostitution ist an sich nicht strafbar, gilt freilich i m Sinne der Bestimmungen über Arbeitsscheu nicht als redliches Gewerbe (oben S. 161). Dagegen w i r d m i t Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, wer Bezahlung entgegennimmt, um m i t einer Person gleichen Geschlechts Unzucht zu treiben — eine Bestimmung, die auf die männliche Prostitution gemünzt ist. — Uber Aufforderung zur Unzucht s. III., B. III. Ä r g e r n i s e r r e g e n d e H a n d l u n g e n (§§ 232, 233)
usw.
A. Unzüchtiges Verhalten ist strafbar, wenn der Täter dadurch das Schamgefühl verletzt oder öffentlich Ärgernis erregt (§ 232). Der Begriff des unzüchtigen Verhaltens ist hier i m weitesten Sinne zu verstehen. Die Verletzung des Schamgefühls braucht nicht öffentlich erfolgt zu sein, es genügt, daß die Handlung in Gegenwart eines anderen vorgenommen wurde. Die Bestimmung spielt i n der Praxis eine große Rolle — i n den Jahren 1933 bis 1939 bestand etwa ein Drittel aller abgeurteilten Sittlichkeitsdelikte aus Zuwiderhandlungen gegen § 232 21 . Die Vorschrift dient nicht nur der Bekämpfung exhibitionistischer Handlungen, sondern ist subsidiärer Tatbestand i m Verhältnis zu einer Reihe der unter I. behandelten eigentlichen Sittlichkeitsdelikte. Man nimmt an, daß das Verhalten des Täters das Schamgefühl nicht w i r k lich verletzt oder öffentliches Ärgernis nicht wirklich erregt zu haben braucht, wenn es nur dazu geeignet war, wozu allerdings eine gewisse „Schwere" der Handlung gefordert w i r d 2 2 . Die Strafe ist Gefängnis bis zu vier Jahren, bei mildernden Umständen Haft oder Geldstrafe. Meist w i r d auf Gefängnis erkannt 2 3 . B. Verletzung des Schamgefühls, Erregung öffentlichen Ärgernisses oder Belästigung von Nachbarn ist ferner strafbar, wenn dies darauf beruht, daß der Täter zur Unzucht auffordert oder anreizt oder einen unsittlichen Lebenswandel „zur Schau stellt" (§ 233), was i n erster Linie die auffällige Prostitution trifft, aber unter Umständen ζ. B. auch auf den Fall des Konkubinats Anwendung finden kann. IV. U n z ü c h t i g e S c h r i f t e n u s w . (§§ 234, 235) Dänemark ist der internationalen Konvention vom 12. September 1923 am 30. Juni 1930 beigetreten. 21 22 23
v. Eyben, S. 130. Vgl. Krabbe, S. 526 ff. v. Eyben, S. 67.
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Das Strafrecht Dänemarks
A. Unzüchtige Schriften, Bilder oder Gegenstände dürfen weder Jugendlichen unter 18 Jahren angeboten oder überlassen noch veröffentlicht oder verbreitet oder zu diesem Zweck hergestellt oder eingeführt werden. Letzteres gilt auch für Schriften oder Bilder, die nicht als „eigentlich" unzüchtig angesehen werden können, von denen aber anzunehmen ist, daß sie ausschließlich geschäftliche Spekulation auf Erregung der Sinnlichkeit bezwecken, wenn der Täter aus Gewinnsucht gehandelt hat. Ferner ist die Veranstaltung öffentlicher Vorträge, Vorstellungen oder Ausstellungen unzüchtigen Inhalts strafbar (§ 234). B. Gegenstände oder Stoffe, die der Verhütung der Empfängnis dienen, dürfen nicht in ärgerniserregender Weise angepriesen oder feilgehalten werden, Anpreisungen dürfen auch nicht ohne ausdrückliches Verlangen an Personen versandt werden, die keinen zugelassenen Handel damit treiben; die Zulassung ist von der Erfüllung besonderer Bedingungen abhängig (§ 235). Fünfundzwanzigstes
Kapitel
Straftaten gegen Leib und Leben (§§ 237—259) Außer der Tötung und der Körperverletzung umfaßt das Kapitel eine Reihe von Gefährdungsdelikten. Tötung und Körperverletzung werden in den §§ 14 und 15 des Einführungsgesetzes auch nach der z i v i l r e c h t l i c h e n Seite geregelt (vgl. oben S. 80). Danach hat eine wegen vollendeter oder versuchter vorsätzlicher Tötung oder wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit tödlichem Ausgang verwirkte Strafe den Verlust des Erbrechts zur Folge 2 4 . Das gleiche gilt bei Körperverletzungen, schweren Beleidigungen und ernsten Drohungen gegen einen Verwandten aufsteigender Linie, wenn dieser einen dahingehenden Antrag stellt. Das Gesetz regelt auch die Folgen zivilrechtlicher Verantwortlichkeit für den Tod eines anderen durch Bestimmungen über Ersatz des durch den Verlust des Ernährers entstandenen Schadens. Endlich können Körperverletzungen, Freiheitsberaubung, strafbare Beleidigungen u. ähnl. eine Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung für Ungemach aller A r t — Schmerzen, Schimpf, Gebrechen, Entstellung usw. — sowie für den Verlust einer Stellung u. dergl. begründen. — Uber Verjährung s. oben S. 130. Die A b t r e i b u n g ist i m Schwangerschaftsgesetz geregelt (unten S. 198). Das Strafgesetzbuch enthält nur eine Bestimmung über Ein24
Vgl. Hurwitz,
S. 598 ff.
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fuhr, Anfertigung oder Feilhalten von Gegenständen, die als zur sexuellen Hygiene bestimmt erscheinen, als deren wesentlichster Zweck aber die Unterbrechung der Schwangerschaft anzunehmen ist (§ 243). — Das D u e l l ist nicht geregelt; über Körperverletzung mit E i n w i l l i gung s. unter II. I. D i e Τ ö t u n g (§§ 237—241) Α. Die Bestimmungen über die v o r s ä t z l i c h e T ö t u n g kennen weder die Unterscheidung zwischen M o r d und Totschlag noch irgendwelche Strafschärfungs- oder Strafmilderungsgründe. Das Gesetz bestraft denjenigen, der „einen anderen tötet", mit Gefängnis von fünf Jahren bis zu lebenslänglicher Dauer (§ 237). Hier ist also alles dem richterlichen Ermessen überlassen. I n der Praxis pflegt die Strafe nicht unter acht Jahren zu liegen 2 5 . Für Tötungen i m Affekt, namentlich aus Eifersucht, aber ζ. B. auch aus Mitleid, ist der allgemeine Strafmilderungsgrund des § 85 zu beachten (oben S. 124), dessen Hauptanwendungsgebiet gerade hier liegt 2 6 . — Über die Möglichkeit der Verhängung der Todesstrafe s. oben S. 132. B. Privilegierte Fälle 1. D i e K i n d e s t ö t u n g (§ 238). Eine Mutter, die ihr — uneheliches oder eheliches — K i n d während oder gleich nach der Geburt tötet, w i r d m i t Gefängnis bis zu vier Jahren bestraft, wenn zu vermuten ist, daß sie in Not, aus Furcht vor Schande oder unter der E i n w i r k u n g einer durch die Geburt hervorgerufenen Schwächung, Verwirrung oder Ratlosigkeit gehandelt hat. Bei Versuch kann die Strafe fortfallen, wenn das K i n d keinen Schaden gelitten hat. Darüber, daß diese Vorschriften denen des § 85 vorgehen, s. oben S. 125 27 . — Über Gefährdung des Kindes bei der Geburt s. unten S. 174. 2. D i e T ö t u n g a u f V e r l a n g e n (§ 239). Wer einen anderen auf dessen „bestimmtes Verlangen" tötet, w i r d m i t Gefängnis bis zu drei Jahren oder mit Haft nicht unter 60 Tagen bestraft. A u f die Motive kommt es nicht an. 3. D i e T e i l n a h m e a m S e l b s t m o r d (§ 240). Wer an dem Selbstmord eines anderen teilnimmt — d. h. dazu anreizt oder Beihilfe leistet (vgl. oben S. 98) — w i r d m i t Geldstrafe oder Haft bestraft. W i r d die Tat aber aus eigennützigen Beweggründen begangen, so ist die Strafe Gefängnis bis zu drei Jahren. C. Die f a h r l ä s s i g e T ö t u n g w i r d m i t Haft oder Geldstrafe, bei erschwerenden Umständen m i t Gefängnis bis zu vier Jahren be25 2β 27
v. Eyben, S. 222. υ. Eyben, S. 73 f. Vgl. Krabbe, S. 542.
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straft (§ 241). — I n der Praxis halten sich Haft- und Geldstrafen ungefähr die Waage 28 . II. D i e K ö r p e r v e r l e t z u n g
(§§ 244—249)
Unter der gemeinsamen Bezeichnung Körperverletzung (nach dänischem Sprachgebrauch „Körperangriff") unterscheidet das Gesetz die einfache Körperverletzung, nach dänischem Sprachgebrauch „Körperkränkung" (§ 244), die Körperbeschädigung (§ 245) und die schwere Körperbeschädigung (§ 246). Das unterscheidende Merkmal ist die Schwere des zugefügten Schadens, soweit er vom Täter gewollt war. Die gefährliche Körperverletzung bildet keinen besonderen Tatbestand, die Gefährlichkeit der Tat ist aber qualifizierend. Bei der Körperbeschädigung und der schweren Körperbeschädigung kann die Strafe bis um die Hälfte erhöht werden, wenn der Täter schon einmal (vgl. oben S. 121) wegen vorsätzlicher Körperverletzung oder wegen einer mit vorsätzlicher Gewalt verbundenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war (§ 247). Einwilligung i n eine Körperverletzung hat zur Folge, daß die Strafe herabgesetzt werden kann und die Tat in den leichtesten Fällen straflos bleibt (§ 248 Abs. 1); die Bestimmung hat u. a. Bedeutung für das Duell. Bei Körperverletzungen während einer Schlägerei oder wenn der Angegriffene gegen den Angreifer Vergeltung geübt hat, kann die Strafe herabgesetzt werden und in den leichtesten Fällen ganz fortfallen (§ 248 Abs. 2). — Über Körperverletzung im A m t s. oben S. 148, über die Strafbarkeit der Bettelei nach Verurteilung oder Verwarnung wegen einer Körperverletzung oben S. 160. A. Die einfache Körperverletzung
(§ 244)
Einfache Körperverletzung, mit Geldstrafe oder Haft bedroht, liegt vor, wenn jemand gegen einen anderen Gewalt anwendet oder seinen Körper auf andere Weise angreift (Abs. 1). Die Bestimmung bezieht sich auf die leichtesten Fälle. Öffentliche Verfolgung findet nur statt, wenn das öffentliche Interesse es gebietet (Abs. 5). I n folgenden Fällen ist die einfache Körperverletzung qualifiziert: 1. Wenn der Angriff sich gegen eine Schwangere richtet oder wenn er wegen der A r t der benutzten Werkzeuge oder M i t t e l oder wegen der Umstände, unter denen er geschah, einen besonders gefährlichen Charakter hatte oder wenn die Gewaltanwendung i m übrigen besonders roh oder brutal war. Hier kann auf Geldstrafe, Haft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren erkannt werden (Abs. 2). 2. Wenn die Körperverletzung einen Schaden an Körper oder Gesundheit zur Folge hatte. Hier handelt es sich — i m Gegensatz zur v. Eyben, S.
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Körperbeschädigung des § 245 — um solche Folgen, die nicht vom Vorsatz des Täters umfaßt waren, die ihm aber als fahrlässig zuzurechnen sind (vgl. oben S. 96). Die Strafe ist Haft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren, bei besonders mildernden Umständen Geldstrafe. I m Falle von Mißhandlung ist die Strafe Haft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren; hier ist Geldstrafe ausgeschlossen. Hatte die Handlung den Tod oder eine schwere Körperbeschädigung zur Folge, so kann auf Gefängnis bis zu sechs Jahren erkannt werden (Abs. 3). 3. Wenn der Angriff sich gegen eine „schuldlose" Person richtet, d. h. gegen jemanden, der zu der Handlung keinen Anlaß gegeben hat (vgl. oben S. 77). Diese A r t der Körperverletzung w i r d m i t „Überfall" bezeichnet und m i t Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Ist die Gewaltanwendung weniger schwer oder liegen Umstände entschuldigenden Charakters vor, so kann die Strafe auf Haft ermäßigt werden; ist die Gewaltanwendung von geringer Bedeutung oder liegen „besonders" mildernde Umstände vor, so kann auf Geldstrafe erkannt werden. Beim Vorliegen der zu 1. und 2. genannten Qualifikationen kann auf Gefängnis bis zu sechs Jahren erkannt werden (Abs. 4). Die Vielgestaltigkeit der Körperverletzungen und die vielfach empfundene Unzulänglichkeit der Strafen mag diese — i m Gegensatz zu den Tötungsdelikten komplizierte und kasuistische — Regelung nicht unangemessen erscheinen lassen. Die Praxis hat aber i m allgemeinen nicht so fein differenziert. Die Strafe für „Überfall" ζ. B., für den allein eine vierfache Abstufung der Strafe gilt, ist i n der Regel Gefängnis; von der Möglichkeit, mehr als ein Jahr zu verhängen, w i r d nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht 29 . — Über das Verhältnis zu den für Vermögensdelikte angedrohten Strafen s. unten S. 183. B. Die Körperbeschädigung (§ 245) Wer einem anderen — vorsätzlich — einen Schaden an Körper oder Gesundheit zufügt, w i r d wegen Körperbeschädigung m i t Haft oder mit Gefängnis bis zu drei Jahren, bei besonders mildernden Umständen mit Geldstrafe bestraft. Liegen die zu A 1. und 3. genannten Qualifikationen vor oder war die Tat m i t Mißhandlung verbunden oder hatte sie den Tod oder eine schwere Körperbeschädigung zur Folge und war dies dem Täter als fahrlässig zuzurechnen (vgl. A, 2.), so ist die Strafe Gefängnis bis zu acht Jahren. C. Die schwere Körperbeschädigung (§ 246) Schwere Körperbeschädigung, m i t Gefängnis von einem bis zu zwölf Jahren bedroht, liegt vor, wenn jemand einem anderen — vorsätzlich — einen solchen Schaden zufügt, daß dieser das Sehvermögen, V. Eyben, S. 134 f., 223.
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Das Strafrecht Dänemarks
das Gehör, die Sprache oder die Zeugungsfähigkeit (einschließlich der Empfängnisfähigkeit) verliert oder erhebliche Einbuße daran erleidet, daß er Krüppel oder in hohem Maße entstellt w i r d oder daß er für immer oder für eine lange, unbestimmte Zeit außerstande ist, seine Berufspflichten oder die Beschäftigungen des täglichen Lebens auszuüben. Dieser Aufzählung w i r d die Generalklausel hinzugefügt, daß auch andere Schäden „gleicher Bedeutung" als schwere Körperbeschädigung gelten. D. Die fahrlässige
Körperverletzung
(§ 249)
Die fahrlässige Körperverletzung ist strafbar, wenn erheblicher Schaden zugefügt worden ist. Die Strafe ist Geldstrafe oder Haft, die Verfolgung findet nur auf Antrag des Verletzten statt, wenn sie nicht durch öffentliche Interessen geboten wird. Hatte die Handlung aber eine schwere Körperbeschädigung zur Folge, so w i r d sie öffentlich verfolgt und kann bei erschwerenden Umständen m i t Gefängnis bis zu vier Jahren bestraft werden, d. h. mit der gleichen Strafe wie fahrlässige Tötung. I I I . G e f ä h r d u n g s d e l i k t e (§§ 250—259) Α. Das Gesetz hat einen a l l g e m e i n e n Gefährdungstatbestand (§ 252), der freilich stark verklausuliert ist. Danach w i r d mit Haft oder Gefängnis bis zu vier Jahren bestraft, wer aus Gewinnsucht, aus grobem M u t w i l l e n oder auf ähnliche rücksichtslose Weise eine naheliegende Gefahr für das Leben oder die Gesundheit eines anderen herbeiführt. Man n i m m t an, daß auch grobe Fahrlässigkeit unter die Bestimmung fallen kann 3 0 . B. Einzeltatbestände 1. A u s s e t z u n g liegt vor, wenn ein anderer i n h i l f l o s e n Zustand v e r s e t z t wird, wärend das V e r l a s s e n i n solchem Zustand nur strafbar ist, wenn der andere i n der O b h u t des Täters stand. Die Tat ist bei Eintritt des Todes oder einer schweren Körperbeschädigung qualifiziert, wenn auch i m übrigen erschwerende Umstände vorliegen. I m letzteren Fall ist die Strafe Gefängnis bis zu acht Jahren, i m ersteren Fall Gefängnis schlechthin, ohne daß hier ein Höchstmaß angegeben w i r d (§ 250; vgl. oben S. 102). 2. Eine F r a u , die ihr — uneheliches oder eheliches — K i n d bei der G e b u r t in unverantwortlicher Weise einer ernsten Gefahr aussetzt, ist mit mindestens 60 Tagen Haft oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bedroht. Die Strafe kann herabgesetzt werden oder ganz fortfallen, wenn das K i n d lebt, ohne Schaden genommen zu haben (§ 251). 30
Vgl. Krabbe,
S.
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Strafbar ist ferner der M a n n , der sich böswillig seiner Pflicht entzieht, einer von ihm außerehelich geschwängerten Frau die zu ihrer N i e d e r k u n f t erforderliche H i 1 f e zu gewähren, wenn sie dadurch i n N o t gerät, sowie j e d e r , der es unterläßt, einer zu seinem Hausstand gehörigen Frau den aus Anlaß ihrer nahe bevorstehenden Niederkunft erforderlichen Beistand zu leisten (§ 255). — Über die Strafbarkeit des Mannes bei Schwangerschaftsunterbrechung s. unten S. 200. 3. U n t e r l a s s e n e H i l f e l e i s t u n g ist strafbar, wenn es sich um einen i n offensichtlicher Lebensgefahr Schwebenden oder u m einen anscheinend Leblosen oder um Schiffbrüchige u. dgl. handelt und der Täter die Hilfe ohne besondere Gefahr oder Opfer für sich oder andere hätte leisten können (§ 253). Anders als nach § 142 (oben S. 146) ist hier die Aufforderung einer Amtsperson nicht erforderlich. 4. Strafbar ist auch die vorsätzliche oder fahrlässige Überlassung von gefährlichen W a f f e n oder S p r e n g s t o f f e n an Kinder unter 15 Jahren, Geisteskranke, Schwachsinnige oder Betrunkene (§ 254). 5. G e f ä h r d u n g durch Geschlechtskrankheiten (§§ 256—259). Die Herbeiführung der Gefahr ::ür einen anderen, durch Beischlaf oder geschlechtlichen Umgang anderer A r t mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt zu werden, w i r d als ernstes Delikt angesehen. Wenn der Täter die Ansteckungsgefahr kannte oder kennen mußte, setzt er sich einer Strafe bis zu vier Jahren Gefängnis aus. Rückfall kann zur Verurteilung zu Arbeitshaus führen (oben S. 112). Die Bestimmung t r i f f t in erster Linie die Prostitution, ist aber nicht auf sie beschränkt. — Ist der Gefährdete der Ehegatte des Täters, so findet die Verfolgung nur auf dessen Antrag statt (§ 256). Strafbar ist ferner die grobfahrlässige Herbeiführung einer naheliegenden Gefahr der Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit (§ 259), die Überlassung eines syphilitischen Kindes an eine Frau zum Stillen oder das Stillen eines Kindes durch eine syphilitische Frau (§ 257) und die Unterbringung eines geschlechtskranken Kindes i n Pflege unter Verschweigung der Krankheit und der Ansteckungsgefahr (§ 258). Sechsundzwanzigstes
Kapitel
Straftaten gegen die persönliche Freiheit (§§ 260—262) Das Kapitel behandelt die Nötigung und die Freiheitsberaubung. Die Bedrohung ist i m 27. Kapitel geregelt. I. D i e N ö t i g u n g (§ 260) Nötigung, nach dänischem Sprachgebrauch „unrechtmäßiger Zwang", liegt vor, wenn der Täter durch G e w a l t oder durch D r o h u n g
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Das Strafrecht Dänemarks
m i t Gewalt, mit erheblichem Schaden an Sachen, mit Freiheitsberaubung oder mit Erhebung u n w a h r e r Beschuldigungen wegen strafbaren oder ehrenrührigen Verhaltens oder mit Bekanntgabe von Umständen des Privatlebens jemanden zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt (Ziffer 1). Auch Drohungen m i t Anzeige oder m i t Bekanntgabe wirklich erfolgten strafbaren Verhaltens oder mit Erhebung w a h r e r ehrenrühriger Beschuldigungen können den Tatbestand der Nötigung bilden, jedoch nur, wenn der von dem Täter ausgeübte Zwang nicht durch die Umstände, auf die sich die Drohung bezieht, ausreichend begründet erscheint (Ziffer 2). Hier muß also die Drohung in einem angemessenen Verhältnis zu der zu erzwingenden Handlung stehen. Als Beispiel ist der F a l l genannt worden 3 1 , daß ein ungetreuer Beamter zur Niederlegung des Amtes gezwungen werden soll — w i r d hier m i t Anzeige seines strafbaren Verhaltens gedroht, so» liegt keine strafbare Handlung vor, wohl aber, wenn die Bekanntgabe ehelicher Untreue angedroht wird. — Die den Tatbestand der Nötigung bildenden Drohungen gehören auch zum Tatbestand der Erpressung (unten S. 186). Die Strafe ist Geldstrafe oder Haft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. — Über Nötigung i m A m t s. oben S. 147, über den Versuch der Nötigung zu einer Amtshandlung S. 140. II. D i e F r e i h e i t s b e r a u b u n g
(§§ 261—262)
Strafbar ist, wer einen anderen „der Freiheit beraubt". Der Tatbestand w i r d nicht näher umschrieben, ist also i m weitesten Sinne zu verstehen. Die Strafe ist Gefängnis bis zu vier Jahren, bei mildernden Umständen Haft (§ 261 Abs. 1). — Über Entziehung eines Jugendlichen unter 18 Jahren s. oben S. 162, über Freiheitsberaubung i m A m t S. 148, über Schadenersatzpflicht S. 170. Mehr ins Einzelne gehen die Qualifikationen, bei deren Vorliegen die Strafe Gefängnis von einem bis zu zwölf Jahren beträgt (Abs. 1), nämlich wenn der Täter aus Gewinnsucht gehandelt hat oder wenn die Freiheitsberaubung von langer Dauer war — eine Frist w i r d nicht genannt — oder darin bestand, daß jemand unberechtigt als geisteskrank oder schwachsinnig in Verwahrung gehalten oder daß er i n fremde Kriegsdienste oder i n Gefangenschaft oder sonstige Abhängigkeit in einem fremden Land gebracht wurde. Fälle dieser A r t werden auch bei grobfahrlässiger Begehung bestraft, doch kann die Verfolgung auf Antrag des Verletzten unterbleiben (§ 262). 31
Krabbe,
S.
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Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
Siebenundzwanzigstes
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Kapitel
Friedensstörungen und Ehrenkränkungen (§§ 263—275 a) Das Kapitel umfaßt die Straftaten, die sich gegen den Frieden des Einzelnen richten — i m Gegensatz zu den i m 15. Kapitel geregelten Straftaten gegen den öffentlichen Frieden — sowie die Beleidigung. Über die Neufassung vieler Bestimmungen durch das Gesetz Nr. 87 vom 15. März 1939 s. oben S. 80, über Schadensersatzpflicht S. 170. I. F r i e d e n s s t ö r u n g e n
(§§ 263—266 c)
A. Die Geheimnisverletzung (§ 263) Die Störung des Friedens eines anderen ist strafbar (Abs. 1), wenn sie darauf beruht, daß der Täter 1. einen B r i e f erbricht oder sich sonst eine an einen anderen gerichtete geschlossene Mitteilung verschafft oder jemandem eine solche vorenthält — über die analoge Anwendung auf das Abhören von Telephongesprächen s. oben S. 85, 2. sich ohne ausreichenden Grund Zugang zu den v e r s c h l o s s e n e n B e h ä l t n i s s e n eines anderen verschafft, 3. öffentlich Mitteilungen über rein p r i v a t e h ä u s l i c h e A n g e l e g e n h e i t e n eines anderen macht, — diese sollen unter allen Umständen der Öffentlichkeit ferngehalten werden, 4. öffentlich Mitteilungen über a n d e r e Angelegenheiten des Privatlebens macht, von denen mit ausreichendem Grund verlangt werden kann, daß sie der Öffentlichkeit ferngehalten werden. Die Strafe ist Geldstrafe oder Haft bis zu sechs Monaten. Die Tat w i r d i m Wege der Privatklage verfolgt (§ 275). Die gleiche Strafdrohung — aber m i t dem Recht des Verletzten, Antrag auf öffentliche Klage zu stellen — t r i f f t den Verrat von Geheimnissen des Privatlebens durch solche Personen, die sie auf Grund a m t l i c h e r oder amtsähnlicher Stellung erfahren haben (Abs. 2). Genannt werden Personen, die i n öffentlichem A m t oder Auftrag tätig sind oder waren (vgl. oben S. 140), ferner solche, die auf Grund öffentlicher Zulassung oder Anerkennung einen Beruf ausüben oder ausgeübt haben (Ärzte, Rechtsanwälte usw.), endlich auch die Angestellten. Die Strafbarkeit ist aber ausgeschlossen, wenn der Täter zur Äußerung verpflichtet war oder i n berechtigter Wahrnehmung offenbaren öffentlichen Interesses oder eigener oder fremder Interessen gehandelt hat (vgl. unten S. 181; über Verletzung der Amtsverschwiegenheit s. oben S. 148). B. Der Hausfriedensbruch (§§ 264, 264 a) Hausfriedensbruch begeht, wer den Hausfrieden dadurch stört, daß er i n ein fremdes Haus, den Raum eines Hauses, ein Schiff oder einen 12 A u s l ä n d i s c h e s S t r a f r e c h t
I.
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Das Strafrecht Dänemarks
anderen nicht frei zugänglichen Ort e i n d r i n g t (§ 264 Abs. 1). Das V e r w e i l e n ist strafbar, wenn es sich um ein fremdes Grundstück handelt und eine Aufforderung zum Verlassen vorliegt (Abs. 2). Für Strafdrohung und private Verfolgung gilt das gleiche wie bei der Geheimnisverletzung. Q u a l i f i z i e r t e r Hausfriedensbruch liegt vor, wenn die Handlung den Frieden der Bewohner erheblich gestört hat oder wenn der Täter bewaffnet war oder die Tat gemeinschaftlich m i t anderen begangen sowie wenn er Gewalt gegen Personen angewandt oder damit gedroht hat, ferner auch, wenn er schon einmal (vgl. oben S. 121) wegen einer m i t vorsätzlicher Gewalt verbundenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Die Strafe kann bis zu einem Jahr Gefängnis betragen (Abs. 3). Nach einem durch politische Ausschreitungen veranlaßten S o n d e r t a t b e s t a n d (§ 264 a) ist strafbar, wer sich Zugang zu einem fremden Haus oder einem Raum desselben, einschließlich öffentlicher oder privater Kontore, Geschäfte, Fabriken u. dgl. zu dem Zwecke verschafft, sich Urkunden, Geschäftsbücher u. dgl. zuzueignen oder von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Hier ist Gefängnis bis zu einem Jahre und nur bei mildernden Umständen Haft angedroht. I n qualifizierten Fällen — Einbruch, Vorbereitung durch eine Organisation, Anwendung von Gewalt — kann auf Gefängnis bis zu vier Jahren erkannt werden. Die Tat w i r d von Amts wegen verfolgt. C. Die Bedrohung
und ähnliche Tatbestände (§§ 265—266 c)
1. Die B e d r o h u n g (§ 266) ist strafbar, wenn der Täter in einer Weise, die g e e i g n e t ist, i n jemandem ernstliche F u r c h t für sein oder anderer Leben, Gesundheit oder wirtschaftliche Existenz (vgl. oben S. 146) zu erregen, m i t der Begehung einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g droht. Die Bedrohung w i r d ebenso wie die Nötigung (oben S. 175) bestraft und von Amts wegen verfolgt. Daß sich eine Drohung i n den Fällen, i n denen sie zum Tatbestand einer strafbaren Handlung, wie ζ. B. der Nötigung, gehört, als Versuch darstellen kann, ist selbstverständlich. — Über ernste Drohungen i m weiteren Sinne und deren Rechtsfolgen s. oben S. 116. 2. B e l ä s t i g u n g , V e r f o l g u n g , d r o h e n d e Äußerung e n sind i n folgenden Fällen strafbar: a) Das trotz polizeilicher Verwarnung erfolgende „Eindringen" auf jemanden, die Verfolgung mit schriftlichen Anträgen oder Belästigungungen ähnlicher A r t . Der Verletzte kann öffentliche Verfolgung beantragen (§ 265). b) Die häufige Wiederholung von Beschuldigungen, die i n einem abgeschlossenen Verfahren zurückgewiesen sind, gegen dieselbe Person
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i n einer Weise, daß dies zur Verfolgung ausartet, wenn die Mitteilungen geeignet sind, dem Betreffenden i n der öffentlichen Meinung zu schaden (§ 266 c). c) Öffentliche Äußerungen, die die Vornahme von Gewalttätigkeiten oder Zerstörungen bezwecken, falls kein Fall der Bedrohung nach § 266 oder der öffentlichen Anreizung zu Straftaten (oben S. 144) vorliegt. Die Tat w i r d von Amts wegen verfolgt (§ 266 a). d) Die Verfolgung einer Gruppe der dänischen Bevölkerung wegen ihres Glaubens, ihrer Abstammung oder ihrer Staatsangehörigkeit oder die Aufreizung zum Haß gegen sie durch Verbreitung falscher Gerüchte oder Beschuldigungen, mit Strafschärfung, wenn die Gerüchte oder Beschuldigungen i n einer Druckschrift oder i n anderer Weise, wodurch sie an einen größeren Kreis gelangt sind, verbreitet worden sind. Die Tat w i r d von Amts wegen verfolgt (§ 266 b). II. E h r e n k r ä n k u n g e n A. Die Beleidigung
im
(§§ 267—275 a) allgemeinen
Strafbare Beleidigung begeht, wer die Ehre eines anderen kränkt, sei es durch beleidigende W o r t e o d e r H a n d l u n g e n , sei es dadurch, daß er B e s c h u l d i g u n g e n wegen eines Verhaltens erhebt oder verbreitet, das geeignet ist, den Beleidigten i n der Achtung seiner Mitbürger herabzusetzen. Die Unterscheidung zwischen einfacher Beleidigung (Injurie, einschließlich der tätlichen Beleidigung) und übler Nachrede (Diffamation) gilt daher auch i m dänischen Recht, die Strafdrohung ist aber die gleiche: Geldstrafe oder Haft bis zu einem Jahre (§ 267 Abs. 1). Als e r s c h w e r e n d e r U m s t a n d (vgl. oben S. 121) ist es anzusehen, wenn sich die Beleidigung gegen eine der i m § 119 Abs. 2 genannten, m i t richterlichen Befugnissen ausgestatteten Personen aus A n laß der Ausübung ihres Amtes oder Auftrages richtet, wenn nicht ein Fall des § 121 vorliegt (vgl. oben S. 141). Hier kann auf Gefängnis bis zu sechs Monaten erkannt werden (Abs. 2). Bei jeder A r t von Beleidigung gilt es ferner als erschwerender Umstand, wenn sie i n einer Druckschrift oder i n anderer Weise, wodurch sie eine größere Verbreitung erlangt, oder an solchen Orten oder zu solchen Zeiten erfolgt ist, daß das Kränkende der Äußerung i n hohem Maße verschärft w i r d (Abs. 3). Für diese letzteren Fälle — für die kein besonderer Strafrahmen festgesetzt ist — gilt eine eigentümliche Beschränkung des Rechts der freien politischen Meinungsäußerung, soweit es sich u m unwahre Beschuldigungen gegen einen anderen wegen eines Verhaltens handelt, das diesen, wenn sie wahr wären, zur Bekleidung öffentlicher Ämter — i m weitesten Sinne — unwürdig machen würde: hier darf weder 12·
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Das Strafrecht Dänemarks
bei der Entscheidung über die Schuldfrage noch bei der Strafzumessung der Antrag berücksichtigt werden, die i n der Öffentlichkeit allgemein geltende Auffassung von der Ungebührlichkeit der Beschuldigung i m konkreten Fall außer Betracht zu lassen (§ 267 a). Anlaß zu dieser Bestimmung war u. a. ein freisprechendes Urteil wegen Beleidigung des Justizministers i n einem offenen Brief 3 2 . S t r a f s c h ä r f e n d ist auch die V e r l e u m d u n g (§ 268). Verleumdung liegt nicht n u r vor, wenn der Täter eine Beschuldigung wider besseres Wissen erhoben oder verbreitet hat, sondern auch, wenn er keinen ausreichenden Grund hatte, sie für wahr zu halten. Hier ist Geldstrafe ausgeschlossen, die Strafe ist Haft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. Nur wenn die Beschuldigung nicht öffentlich erhoben oder verbreitet war, kann bei mildernden Umständen auf Geldstrafe erkannt werden. S t r a f m i l d e r n d ist es, wenn die Beleidigung durch ungebührliches Auftreten des Verletzten verursacht war oder dieser gegen den Beleidiger Vergeltung geübt hat. Hier kann die Strafe ganz fortfallen, wenn es sich nicht u m Verleumdung handelt (§ 272). B. Wahrheitsbeweis
und
Interessenwahrnehmung
1. Das Gesetz steht grundsätzlich auf dem Standpunkt der Z u l ä s s i g k e i t d e s W a h r h e i t s b e w e i s e s , indem eine Beschuldigung, deren Wahrheit bewiesen wird, straflos ist (§ 269 Abs. 1). Es handelt sich hier um einen objektiven Strafausschließungsgrund 33 . Daneben gilt die Bestimmung, daß die Strafe fortfallen kann, wenn Umstände dargetan werden, die Anlaß dazu gaben, die Beschuldigung für wahr zu halten (Abs. 2). Hier liegt die Straffreiheit i m Ermessen des Gerichts. Zulässigkeit und Wirkung des Wahrheitsbeweises sind aber i n mehrfacher Richtung b e s c h r ä n k t . I n zwei Fällen kann auf Strafe erkannt werden, selbst wenn der Wahrheitsbeweis geführt wird, nämlich, wenn die Erhebung der Beschuldigung durch ihre F o r m ungebührlich beleidigend ist oder wenn der Täter keine ausreichende V e r a n l a s s u n g zu der Beleidigung hatte (§ 270 Abs. 1). Der Beleidigte kann hier die Führung des Wahrheitsbeweises ganz abschneiden, wenn er die Bestrafung des Täters allein wegen dieser Umstände verlangt; nur wenn das öffentliche Interesse entscheidend dafür spricht, kann der Täter zur Führung des Wahrheitsbeweises zugelassen werden (Abs. 2). Daß daneben die Möglichkeit besteht, eine Bestrafung des Täters wegen öffentlicher Mitteilungen über Angelegenheiten des 32 83
UfR 1938, S. 576. Vgl. Krabbe, S. 618.
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P r i v a t l e b e n s zu verlangen, selbst wenn keine Beleidigung vorliegt, ergibt sich aus § 263 Abs. 1 Ziffer 3 und 4 (oben S. 177). Besondere Bestimmungen gelten für den Wahrheitsbeweis bei Beschuldigungen wegen einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g . Hier ist die Führung des Wahrheitsbeweises ausgeschlossen, wenn der Beschuldigte durch rechtskräftiges Urteil freigesprochen ist, und zwar stehen hier ausländische Urteile inländischen gleich (§ 271 Abs. 1). Abgesehen hiervon ist die Führung des Wahrheitsbeweises wegen einer strafbaren Handlung nicht beschränkt. Handelt es sich aber um eine a b g e u r t e i l t e Tat, so befreit der Wahrheitsbeweis nicht von Strafe, wenn der Beleidigte m i t Rücksicht auf den Charakter der Tat, den Zeitpunkt ihrer Begehung und sein sonstiges Verhalten und seine Lebensumstände ausreichenden Anspruch darauf hatte, daß> die betreffende) Angelegenheit nicht jetzt hervorgezogen wurde (Abs. 2). Alles i n allem ist daher die Zulässigkeit des Wahrheitsbeweises durch weittragende, auf sozialen Erwägungen beruhende Ausnahmen erheblich eingeschränkt. 2. Auch berechtigte I n t e r e s s e n w a h r n e h m u n g schließt die Strafe aus, nämlich, wenn der Täter bei einer g u t g l ä u b i g erhobenen Beschuldigung zur Äußerung v e r p f l i c h t e t war oder i n b e r e c h t i g t e r W a h r n e h m u n g offenbaren öffentlichen Interesses oder eigener oder fremder Interessen gehandelt hat (§ 269 Abs. 1). Das Gesetz spezialisiert hier nicht weiter, sondern überläßt alles dem richterlichen Ermessen. Die Fassung ist die gleiche wie bei dem Verrat von Privatgeheimnissen durch Beamte u. dgl. (oben S. 177). C. Beleidigende Äußerungen über einen V e r s t o r b e n e n werden mit Geldstrafe, i m Falle der Verleumdung m i t Haft bestraft. Uber die Antragsberechtigung s. oben S. 100. Nach Verlauf von 20 Jahren seit dem Tode des Betreffenden können nur noch verleumderische Beleidigungen verfolgt werden (§ 274). D. Stellen sich beleidigende Beschuldigungen als g r u n d l o s heraus, so ist auf Antrag des Beleidigten eine dahingehende B e m e r k u n g i n d i e U r t e i l s f o r m e l aufzunehmen. Die Beschuldigungen werden damit „mortifiziert". Dies geschieht in der Praxis auch dann, wenn das Verfahren zur Freisprechung führt, ζ. B. weil der Täter i n berechtigter Interessenwahrnehmung gehandelt hatte 33 ®. Ferner kann der 33 a Über die Frage, ob beleidigende Äußerungen mortifiziert werden können, die ein durch seine Immunität gedecktes Parlamentsmitglied gemacht hat, s. N T f K 1954, S. 97 (Andenaes), 108 (Hurwitz), 208 (Stang), 212 (Trolle). Die Frage dürfte zu verneinen sein. Nach § 57 der Verfassung kann kein Abgeordneter für seine Äußerungen i m Parlament ohne dessen Genehmigung zur Verantwortung gezogen werden. Die Mortifikation ist Rechts-
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Täter, der einer beleidigenden Äußerung für „schuldig" befunden w i r d — wohl auch hier unter Einbeziehung der Freisprechung i n gewissen Fällen 3 4 — auf Antrag des Beleidigten verpflichtet werden, i h m einen vom Gericht festzusetzenden Betrag zur Bestreitung der Kosten der B e k a n n t m a c h u n g i n einer oder mehreren Zeitungen, sei es der Urteilsformel allein, sei es daneben auch der Urteilsgründe, zu entrichten (§ 273). E. Beleidigungen werden i m Wege der P r i v a t k l a g e verfolgt. I n zwei Fällen kann der Beleidigte aber Antrag auf öffentliche Klage stellen, nämlich, wenn jemand, der i n öffentlichem A m t oder Auftrag tätig ist oder zu der in Frage kommenden Zeit tätig war, wegen eines Verhaltens beschuldigt wird, das den Verlust der Stellung zur Folge haben kann oder hätte haben können, und wenn eine Beschuldigung in einem a n o n y m e n oder m i t unrichtigem oder erdichtetem Namen versehenen Schriftstück erhoben w i r d (§ 275). Über die analoge Anwendung dieser letzteren Bestimmung auf anonyme Telefonanrufe s. oben S. 86. — Beleidigungssachen sollen nach ausdrücklicher, i m Strafgesetzbuch enthaltener Vorschrift mit größter Beschleunigung gefördert werden (§ 275 a). Achtundzwanzigstes
Kapitel
Bereicherungsdelikte (§§ 276—290) Dieses und das folgende Kapitel behandeln die Vermögensdelikte. Die hier geregelten „Bereicherungsdelikte''' bilden eine A r t numerus clausus. Es sind: Diebstahl, Fundunterschlagung, Unterschlagung, Betrug, Untreue, Erpressung, Wucher, Schuldnerbetrug, Hehlerei und Raub. Ihnen ist gemeinsam, daß der Täter in Bereicherungsabsicht gehandelt haben muß, d. h. in der Absicht, durch die jedesmal als strafbar bezeichnete Handlung „sich oder anderen einen unberechtigten Gewinn zu verschaffen", und zwar auf Kosten des Verletzten. Die Bereicherungsdelikte stellen zahlenmäßig den weitaus größten Anteil an allen auf Grund des Strafgesetzbuchs abgeurteilten Straftaten dar. Entsprechend ihrer großen Bedeutung für die Kriminalität sind an ihre Begehung mehrfach besondere Rechtsfolgen geknüpft. Die folge einer strafbaren Handlung und erfolgt daher in einem Verfahren, das darauf abzielt, den Beleidiger zur Verantwortung zu ziehen, mag es auch im Einzelfall nicht erforderlich sein, daß es zu einem Strafausspruch kommt. Es wäre auch ungereimt, wenn ein Parlamentsmitglied, das ohne Genehmigung des Parlaments weder zivilrechtlich noch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, auf dem Umwege über eine M o d i fikation für seine Äußerungen vor den Gerichten einstehen müßte. 34 Vgl. Krabbe, S. 4 .
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zweimalige Verbüßung einer Gefängnisstrafe wegen eines Bereicherungsdelikts kann bei abermaligem Rückfall zur Verurteilung zu Arbeitshaus und unter Umständen zu Sicherungsverwahrung führen (oben S. 111). Über die Strafbarkeit der Bettelei nach Verurteilung oder Verwarnung wegen eines Bereicherungsdelikts s. oben S. 160, über die rückfallbegründende Wirkung der Verurteilung wegen eines Bereicherungsdelikts bei gewissen Sittlichkeitsdelikten oben S. 168. Endlich kann die Polizeibehörde die oben zu § 200 (S. 161) erwähnten Anweisungen auch demjenigen erteilen, der wegen eines Bereicherungsdelikts mehr als einmal (vgl. oben S. 121) zu einer Gefängnisstrafe oder zu Arbeitshaus oder Sicherungsverwahrung oder nach einer früheren Verurteilung wegen Arbeitsscheu i n der erwähnten Weise wegen eines Bereicherungsdelikts verurteilt worden ist (§ 289). Die Regelung der Bereicherungsdelikte weicht gesetzestechnisch insofern von den anderen Kapiteln des Strafgesetzbuchs ab, als jedes der oben genannten Delikte — m i t Ausnahme des Raubes, der für sich behandelt w i r d (§ 288) — in einem besonderen Paragraphen (§§ 276 bis 284) lediglich nach seinen Tatbestandsmerkmalen dargestellt wird, während alsdann eine i m großen und ganzen g e m e i n s a m e S t r a f d r o h u n g (§ 285) folgt, die durch Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe (§§ 286, 287) ergänzt wird. Die gemeinsame Strafdrohung bezieht sich auf Diebstahl, Unterschlagung, Betrug, Untreue, Erpressung, Schuldnerbetrug sowie auf Hehlerei hinsichtlich dieser Straftaten und Raubes und beträgt Gefängnis bis zu zwei Jahren, bei Rückfall bis zu drei Jahren (§ 285 Abs. 1), was trotz der nicht ganz klaren Fassung des Gesetzes so zu verstehen sein dürfte, daß jedes hier genannte Delikt den Rückfall für alle anderen begründet 3 5 . Die Höchststrafe für Diebstahl i m Rückfall ist damit gegenüber dem früheren Recht erheblich gemildert, wodurch u. a. die früher geltende, grundsätzlich strengere Bestrafung der Vermögensdelikte i m Verhältnis zur Körperverletzung abgeschwächt worden ist 3 6 . Immerhin liegt die Mindeststrafe höher als bei der qualifizierten Körperverletzung des § 244 Abs. 2 (oben S. 172), da die Strafe für die hier genannten Bereicherungsdelikte mindestens 30 Tage Gefängnis beträgt, zu der i n jedem Falle zusätzlich eine Geldstrafe treten kann (§ 50 Abs. 2, oben S. 106), während bei der qualifizierten Körperverletzung auf Geldstrafe erkannt werden kann, auch wenn keine mildernden Umstände vorliegen. Bemerkenswert ist ferner, daß ein nach allgemeinem Rechtsbewußtsein so schweres Delikt wie die Er35
Vgl. Krabbe, S. 711 f. Vgl. Olrik, S. 213, Krabbe,
S. 45.
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pressung keiner höheren Strafdrohung unterliegt als ζ. B. die Unterschlagung oder die Hehlerei. I n der Praxis sind aber die Strafen für Erpressung durchweg höher als für die anderen Bereicherungsdelikte 37 . — Die Strafe für Fundunterschlagung und Hehlerei hinsichtlich dieser ist Geldstrafe, Haft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren (§ 285 Abs. 2), die für Wucher ist die gleiche, jedoch unter Ausschluß der Geldstrafe (Abs. 3). Bei Unterschlagung, Betrug, Untreue und Schuldnerbetrug ist es s t r a f s c h ä r f e n d , wenn die Tat „besonders schwer" war — besondere Merkmale werden nicht angegeben — oder wenn eine größere Zahl von Straftaten begangen wurde (§ 286 Abs. 2). Die Höchststrafe ist hier acht Jahre Gefängnis. Die gleichen Grundsätze gelten bei Erpressung, Wucher und Hehlerei, doch ist hier die Höchststrafe sechs Jahre Gefängnis (Abs. 3), wobei wiederum die Stellung der Erpressung auffällt. Uber Strafschärfungsgründe bei Diebstahl s. unter I. S t r a f m i l d e r n d ist es bei allen hier genannten Delikten, wenn die Tat wegen der Umstände, unter denen sie begangen wurde, der geringen Bedeutung der entwendeten Gegenstände oder des erlittenen Vermögensverlustes oder aus anderen Gründen „von besonders geringer Strafwürdigkeit" ist (§ 287 Abs. 1). Hier kann die Strafe auf Haft oder Geldstrafe ermäßigt werden und bei i m übrigen mildernden Umständen ganz fortfallen. Handelt es sich um Fundunterschlagung oder Hehlerei hinsichtlich dieser, so kann die Strafe ganz allgemein bei mildernden Umständen fortfallen (Abs. 2). I n allen hier genannten Fällen kann ferner auf Antrag des Verletzten von der Verfolgung abgesehen werden; dies gilt auch, wenn zwar keine Strafmilderungsgründe vorliegen, der Täter aber einen Diebstahl, eine Fundunterschlagung, eine Unterschlagung, einen Betrug oder eine Hehlerei gegen einen seiner nächsten Angehörigen (vgl. oben S. 141) begangen hatte (§ 290 Abs. 2). — Uber Verfolgung bei Schuldnerbetrug s. unter V I I I . I. D i e b s t a h l (§ 276) Diebstahl begeht, wer eine fremde bewegliche Sache ohne Zustimmung des Besitzers in Bereicherungsabsicht fortnimmt — ebenso wie i m schweizerischen Recht ist der Diebstahl daher Bereicherungsdelikt. Für die Frage, wann das Delikt vollendet ist, gilt in der Praxis die Apprehensionstheorie 38 . Einer beweglichen Sache steht eine Energiemenge gleich, die zur Erzeugung von Licht, Wärme, Kraft oder Bewegung oder zu anderen wirtschaftlichen Zwecken hergestellt, aufbewahrt oder in Gebrauch genommen ist. Dies gilt auch für alle ande37 38
v. Eyben, S. 43. Krabbe, S. 659.
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ren Tatbestände dieses Kapitels, in denen von einer beweglichen Sache die Rede ist. Strafschärfend ist es, wenn Diebstähle i n größerer Zahl begangen worden sind oder wenn ein Diebstahl „besonders schwer" ist, wofür hier als Beispiele genannt werden: die A r t der Ausführung, der gemeinschaftliche Diebstahl, die Mitnahme von Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen oder Mitteln, erheblicher Wert der gestohlenen Gegenstände oder die Umstände, unter denen sie sich befanden (§ 286 Abs. 1). Danach w i r d u. a. der Einbruchsdiebstahl stets als strafschärfend anzusehen sein. Die Strafe ist Gefängnis bis zu sechs Jahren. Daneben ist der allgemeine Strafschärfungsgrund gewerbs- oder gewohnheitsmäßiger Begehung (oben S. 122) hier von besonderer praktischer Bedeutung. — Für die Strafmilderungsgründe gelten keine Besonderheiten. Der Diebstahl ist das am häufigsten vorkommende Bereicherungsdelikt. Etwa 75 °/o aller strafbaren Handlungen, die angezeigt werden, betreffen Diebstahl. I n den Jahren 1933 bis 1939 wurde i n mehr als der Hälfte aller Fälle eine Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten verhängt 3 9 . Über Gebrauchsdiebstahl s. unten S. 190. II. F u n d u n t e r s c h l a g u n g (§ 277) Das Delikt — nach dänischem Sprachgebrauch „unrechtmäßiger Umgang m i t gefundenem Gut" — begeht, wer sich i n Bereicherungsabsicht eine fremde bewegliche Sache zueignet, die sich i n niemandes Gewahrsam befindet oder durch Vergessen seitens des Eigentümers oder einen ähnlichen Zufall in den Gewahrsam des Täters gelangt ist. Der Tatbestand umfaßt daher mehr als nur die Unterschlagung „gefundenen" Guts. I I I . U n t e r s c h l a g u n g (§ 278) Eignet sich der Täter i n Bereicherungsabsicht eine fremde bewegliche Sache zu, die er i n seinem Gewahrsam hat, ohne daß dieser durch eine der unter II. genannten Tatsachen begründet wurde, so liegt Unterschlagung vor (Ziffer 1). Es gehört daher nicht zum Tatbestand der Unterschlagung, daß die Sache dem Täter anvertraut war. Auch das Ableugnen des Empfanges eines Geld- oder anderen Darlehns oder einer Leistung, für die ein Entgelt zu entrichten ist, gilt als Unterschlagung (Ziffer 2), obwohl es sich hier nicht um die Zueignung einer Sache handelt. Endlich w i r d der unrechtmäßige Verbrauch anvertrauten Geldes als Unterschlagung bestraft, auch wenn der Täter nicht verpflichtet war, es von seinem eigenen Vermögen getrennt zu halten v. Eyben, S.
1.
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und sich daher in diesem Fall keine fremde Sache zugeeignet hat (Ziffer 3). Über Amtsunterschlagung s. oben S. 148, über Verbrauch vorausbezahlten Entgelts unten S. 191. IV. B e t r u g (§ 279) Betrug begeht, wer i n Bereicherungsabsicht einen anderen durch reditswidrige Erregung, Unterhaltung oder Ausnutzung eines Irrtums zu einer Handlung oder Unterlassung bestimmt, durch die diesem oder jemandem, für den die Handlung oder Unterlassung entscheidend ist, ein Vermögensverlust zugefügt wird. Bemerkenswert ist, daß hiernach auch die A u s n u t z u n g eines Irrtums unter den Tatbestand des Betruges fällt und daß die B e s t i m m u n g d e s G e t ä u s c h t e n z u e i n e r V e r f ü g u n g ausdrücklich i n den Tatbestand aufgenommen ist. Für die Entscheidung der oft schwierigen Frage, wann die Erregung usw. eines Irrtums rechtswidrig ist, gibt das Gesetz keine Anhaltspunkte. Über betrugsähnliche Handlungen s. unten S. 190. V. U n t r e u e (§ 280) Untreue ist ein gegenüber den bisher genannten Tatbeständen subsidiäres Delikt, da die Bestimmungen nur Platz greifen, wenn keiner dieser Tatbestände vorliegt. Der Untreue macht sich schuldig, wer i n Bereicherungsabsicht einem anderen dadurch einen Vermögensverlust zufügt, daß er eine i h m offenstehende Möglichkeit, m i t rechtlicher W i r k u n g für diesen zu handeln, mißbraucht (Ziffer 1 — Mißbrauchstatbestand), oder daß er i n einer Vermögensangelegenheit, deren Wahrnehmung für den anderen ihm obliegt, gegen dessen Interessen handelt (Ziffer 2 —Treubruchstatbestand). Welche tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse i m letzteren Fall die Pflicht zur Wahrnehmung der fremden Vermögensangelegenheit begründen können, w i r d im Gesetz nicht präzisiert. Über Untreue i m A m t s. oben S. 148, über untreueähnliche Handlungen unten S. 191. VI. E r p r e s s u n g (§ 281) Erpressung ist D r o h u n g mit den gleichen Mitteln, die den Tatbestand der Nötigung bilden (oben S. 175), i n Bereicherungsabsicht. Erpressung liegt daher vor, wenn der Täter in Βereicherungsabsieht jemandem m i t Gewalt, m i t erheblichem Schaden an Sachen oder mit Freiheitsberaubung, m i t Erhebung unwahrer Beschuldigungen wegen strafbaren oder ehrenrührigen Verhaltens oder m i t Bekanntgabe von Umständen des Privatlebens (Ziffer 1) oder mit Anzeige oder Bekannt-
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gäbe wirklich erfolgten strafbaren Verhaltens oder m i t Erhebung wahrer ehrenrühriger Beschuldigungen droht, u m sich oder anderen dadurch einen Gewinn zu verschaffen, der nicht durch die Umstände, die Anlaß zu der Drohung gegeben haben, ausreichend begründet erscheint (Ziffer 2). I m letzteren Falle gilt demnach das Erfordernis der Bereicherungsabsicht nur m i t Einschränkungen, so daß diejenigen Fälle straflos bleiben, i n denen der erstrebte Gewinn nach Sachlage nicht unberechtigt erscheint (vgl. oben S. 176). — Das Delikt ist m i t der Drohung vollendet, ohne daß diese Erfolg gehabt zu haben braucht. Wendet der Täter Gewalt an oder droht er mit augenblicklicher Gewaltanwendung, so liegt ein Fall des Raubes vor — s. unter X. V I I . W u c h e r (§ 282) Des Wuchers macht sich schuldig, wer die Not, die Einfalt, die Unerfahrenheit oder ein i h m gegenüber bestehendes Abhängigkeitsverhältnis eines anderen ausbeutet, um bei einem Rechtsgeschäft eine Leistung zu erlangen oder sich zu bedingen, die in offenbarem Mißverhältnis zur Gegenleistung steht. Die Bestimmung ist daher nicht auf bestimmte Rechtsgeschäfte beschränkt. Leichtsinn, der nach dem Gesetz über Verträge und andere Rechtsgeschäfte vermögensrechtlicher Natur vom 8. M a i 1917 (§ 31) zivilrechtlich ebenfalls den Tatbestand des Wuchers bilden kann, w i r d hier nicht genannt. Strafbar ist auch der sog. Nachwucher, d. h. die Geltendmachung oder A b tretung einer Forderung, die der Täter i n Kenntnis der A r t des Rechtsgeschäfts erworben hat. VIII. S c h u l d n e r b e t r u g
(§ 283)
Das Delikt, nach dänischem Sprachgebrauch Schuldner,,trug", ist verschieden vom Betrug und umfaßt sowohl Bankerottdelikte wie andere Handlungen eines Schuldners, der seine Gläubiger benachteiligt. Schulderbetrug begeht, wer i n Bereicherungsabsicht 1. über i h m gehörende Sachen verfügt, an denen ein Dritter ein Recht erworben hat, m i t dem die Handlung unvereinbar ist; beispielsweise werden Veräußerung und Verpfändung genannt (Abs. 1 Ziffer 1); 2. nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen (§ 50 der Konkursordnung vom 25. März 1872) oder der Verhandlung über einen Zwangsvergleich außerhalb des Konkurses (§ 5 des Gesetzes vom 14. A p r i l 1905) Handlungen vornimmt, die bezwecken, die Gegenstände und Forderungen der Masse dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen (Ziffer 2) — die Tat ist mit der Vornahme der Handlung vollendet, ohne daß ein Erfolg eingetreten zu sein braucht;
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3. Werte seines Vermögens dem Zugriff seiner Gläubiger durch bestimmt bezeichnete Maßnahmen entzieht, ohne daß hier ein Konkursverfahren usw. eröffnet zu sein oder bevorzustehen braucht. Als solche Maßnahmen werden beispielsweise genannt: falsche Angaben, Verschleierung (eigentlich: „Verstecken"), Scheingeschäfte, große Geschenke, unverhältnismäßiger Verbrauch, Verkauf unter dem Werte, Bezahlung noch nicht fälliger Schulden oder Sicherstellung dafür (Ziffer 3). — Die Strafbarkeit des Gläubigers, der auf diese Weise begünstigt wird, t r i t t n u r ein, wenn er zu einem Zeitpunkt, als er den Konkurs oder die Zahlungseinstellung des Schuldners als unmittelbar bevorstehend voraussah, diesen dazu bestimmt hatte, i h n derart zu begünstigen (Abs. 2). I n einem solchen Falle kann die Strafe (oben S. 183) sowohl für den Schuldner wie für den Gläubiger auf Haft ermäßigt werden (§ 285 Abs. 1 Satz 2). Schuldnerbetrug w i r d nur auf Antrag des Verletzten verfolgt. Verfolgung von Amts wegen t r i t t aber in den häufigen Fällen ein, in denen ein besonders gesichertes Recht verletzt ist, ferner wenn eine nachfolgende Pfändung nicht zur Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder das Konkursverfahren oder die Verhandlung über einen Zwangsvergleich außerhalb des Konkurses eröffnet oder die Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist (§ 290 Abs. 1). Über schuldnerbetrugsähnliche Handlungen s. unten S, 191. I X . H e h 1 e r e i (§ 284) Die Hehlerei hat Bezug auf sämtliche Bereicherungsdelikte einschließlich des Raubes, m i t alleiniger Ausnahme des Wuchers. Sie besteht darin, daß der Täter einen durch ein Bereicherungsdelikt erzielten Gewinn entgegennimmt oder sich oder anderen einen Anteil daran verschafft. Der Begriff ist demnach weiter als der der Sachhehlerei. Auch die sachliche Begünstigung fällt unter den Tatbestand, da derjenige, der durch Verheimlichung, Hilfe beim Absatz oder in ähnlicher Weise dazu beiträgt, einem anderen den Ertrag eines Bereicherungsdelikts zu sichern, gleichfalls wegen Hehlerei bestraft wird. Über persönliche Begünstigung s. oben S. 141. War der Hehler, wenn auch nur mit Rat, bereits an der Tat selbst beteiligt, so kann seine Bestrafung als Mittäter i n Frage kommen (oben S. 98) 40 . — Über grob fahrlässige Hehlerei s. unten S. 192. X. R a u b (§ 288) Z u m Tatbestand des Raubes gehört Anwendung von Gewalt oder Drohung mit augenblicklicher Gewaltanwendung in BereicherungsVgl. Krabbe,
S.
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absieht. Raub liegt vor, wenn der Täter i n dieser Absicht und unter Anwendung dieser M i t t e l 1. jemandem eine fremde bewegliche Sache fortnimmt oder abzwingt (Abs. 1 Ziffer 1), 2. eine gestohlene Sache in Sicherheit bringt (Ziffer 2), 3. jemanden zu einer Handlung oder Unterlassung nötigt, die für den Angegriffenen oder jemanden, für den dieser handelt, einen Vermögensverlust zur Folge hat (Ziffer 3). Dieser vom Diebstahl losgelöste Tatbestand ergänzt die Bestimmungen über Erpressung; zur Vollendung der Tat ist jedoch erforderlich, daß der Täter seinen Zweck erreicht hat (vgl. oben S. 187). Der Raub w i r d m i t Gefängnis von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Hat er einen „besonders gefährlichen" Charakter, so kann auf Gefängnis bis zu 16 Jahren erkannt werden; wann dies zutrifft, unterliegt richterlichem Ermessen.
Neunundzwanzigstes
Kapitel
Andere strafbare Vermögensschädigungen (§§ 291—305) Das Kapitel behandelt die Vermögensschädigungen, die nicht Bereicherungsdelikte sind. Abgesehen von Sachbeschädigung und unrechtmäßiger Selbsthilfe handelt es sich i m wesentlichen u m Ergänzungstatbestände zu den Bereicherungsdelikten. Die Strafdrohungen sind hier durchweg geringer, meist ist an erster Stelle Geldstrafe angedroht, und in einer Reihe von Fällen t r i t t die Verfolgung nur auf Antrag des Verletzten ein (§ 305). I. S a c h b e s c h ä d i g u n g u. ä h n l . (§§ 291, 295) Strafbar ist nicht nur die Zerstörung oder Beschädigung, sondern auch die Beiseiteschaffung von Sachen, die einem anderen gehören. Die Strafe ist Geldstrafe, Haft oder Gefängnis bis zu einem Jahre. Werden Zerstörungen i n erheblichem Umfang verübt oder liegt Rückfall vor, so kann auf Gefängnis bis zu vier Jahren erkannt werden. Auch gewisse gemeingefährliche oder gemeinschädliche Straftaten — namentlich Brandstiftung — begründen den Rückfall, und grob fahrlässige Begehung ist hier ebenfalls strafbar (§ 291). Über Zerstörung oder Beschädigung von Denkmälern s. oben S'. 159, über öffentliche Äußerungen, die die Vornahme von Zerstörungen bezwecken, S. 179, über Auflauf S. 144; s. auch unten V I , A. Eine Sonderbestimmung betrifft die Vornahme von Eindämmungen oder die Anbringung fester Einrichtungen i n Binnen- oder Küstengewässern unter Verletzung privater oder öffentlicher Rechte (§ 295).
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II. U n r e c h t m ä ß i g e S e l b s t h i l f e (§ 294) Wer sich „unrechtmäßig selbst Recht verschafft", w i r d m i t Geldstrafe bestraft; die Tat w i r d i m Wege der Privatklage verfolgt (§ 305). Allgemeine Regeln dafür, wann eine derartige Handlung unrechtmäßig ist, lassen sich nicht aufstellen. I I I . G e b r a u c h s d i e b s t a h l (§ 293) Der Gebrauchsdiebstahl, d. h. der unberechtigte Gebrauch einer Sache, die einem anderen gehört, ist strafbar, wenn dem Eigentümer dadurch ein Verlust oder ein erheblicher Nachteil zugefügt wird. Die Strafe ist Geldstrafe oder Haft; bei erschwerenden Umständen, namentlich wenn die Sache von erheblichem Wert ist, kann aber auf Gefängnis bis zu zwei Jahren erkannt werden. Liegt ein öffentliches Interesse vor, so kann die Tat von Amts wegen verfolgt werden (§ 305). Die Bestimmimg findet i n der Praxis namentlich auf Gebrauchsdiebstahl von Kraftwagen Anwendung. I n diesem Zusammenhang w i r d auch unter Strafe gestellt, einen Berechtigten daran zu hindern, über eine Sache zu verfügen oder sie zurückzuhalten. Die praktische 3edeutung der Bestimmung ist gering. IV. B e t r u g s ä h n l i c h e H a n d l u n g e n (§§ 296—298) Es handelt sich u m Tatbestände, bei denen nicht alle Merkmale des Betruges vorliegen, sei es, daß die Bereicherungsabsicht fehlt, sei es, daß keine Bestimmung zu einer Verfügung vorliegt usw. A. Unrichtige
Mitteilungen
über Vermögensverhältnisse u. dgl. (§§ 296—297) 1. Strafbar ist die Verbreitung unwahrer Mitteilungen, durch die der Preis von Waren, Wertpapieren od. dgl. beeinflußt werden kann (§ 296 Abs. 1 Ziffer 1). 2. Eine Reihe von Bestimmungen betrifft den Schutz gegen unrichtige Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse von Aktiengesellschaften, Genossenschaften usw. Da die Wirkung derartiger Mitteilungen oft erst nach geraumer Zeit i n Erscheinung tritt, sind diese Straftaten von der Verjährung ausgenommen (oben S. 128). I m einzelnen handelt es sich um unrichtige oder irreführende Angaben durch öffentliche Mitteilungen, i n Berichten, Rechnungsabschlüssen oder Erklärungen an die Generalversammlung usw., bei Anmeldungen zum Handelsregister, i n Aufforderungen zur Gründung usw. (Ziffer 2), ferner um Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen über die Ausstellung von Aktien, die Verwendimg des Überschusses, die Auszahlung der Dividende oder die Zurückzahlung von Einschüssen (Ziffer 3). Auch die grob fahrlässige Begehung ist strafbar (Abs. 2). Wer abgesehen von diesen Fällen i n Urkunden, Geschäftsbriefen, Rundschreiben oder
Der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs
Bekanntmachungen wider besseres Wissen unrichtige Angaben über die wirtschaftliche Lage einer von i h m geleiteten oder vertretenen Gesellschaft macht, ist gleichfalls strafbar (§ 297). B. Einer betrugsähnlichen Handlung macht sich ferner schuldig, wer sich oder anderen durch unrichtige Angaben über die Zahlungsfähigkeit ein Darlehn oder einen K r e d i t m i t der Folge verschafft, daß dadurch ein Vermögensverlust entsteht (§ 298 Ziffer 1), wer sich durch Verbrauch vorausbezahlten Entgelts zur Bewirkung der Gegenleistung unfähig macht (Ziffer 2), wer sich entfernt, ohne seine Zeche, sein Fahrgeld usw. bezahlt zu haben (Ziffer 3) oder wer sich den Zugang zu Vorstellungen, Verkehrsmitteln usw. erschleicht (Ziffer 4). V. U n t r e u e ä h n l i c h e
Handlungen
(§§ 299, 304)
Wenn die Bereicherungsabsicht fehlt, w i r d die auf pflichtwidrigem Verhalten beruhende Zufügung eines erheblichen Vermögensverlustes seitens desjenigen, dem es obliegt, eine Vermögensangelegenheit für den Geschädigten wahrzunehmen, selbständig unter Strafe gestellt; die Strafbarkeit t r i t t aber nur ein, wenn der Verlust nicht vor dem Urteil erster Instanz ersetzt w i r d (§ 299 Ziff. 1; vgl. oben S. 124). Liegt keine Vermögensschädigung vor, so w i r d der Fall der sog. Retourkommission unter Strafe gestellt, d. h. wenn der Täter von einem Dritten einen Vermögensvorteil für sich oder andere annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, dessen Annahme demjenigen, dessen Angelegenheit er wahrnimmt, verheimlicht werden soll; auch der andere Teil macht sich strafbar (§ 299 Ziffer 2). Verwandt hiermit ist die Strafbarkeit dessen, der bei Abstimmungen i n einem Konkurs usw. die Stimmabgabe durch unwahre Angaben beeinflußt oder einen Vermögensvorteil gewährt, verspricht oder anbietet, annimmt, fordert oder sich versprechen läßt, u m i n einem bestimmten Sinne zu stimmen oder sich der Stimme zu enthalten (§ 304 Abs. 2). Auch die unberechtigte Teilnahme usw. an Abstimmungen über Vermögensangelegenheiten und die Veränderung des Ergebnisses ist unter Strafe gestellt (Abs. 1). VI. S c h u l d n e r b e t r u g s ä h n l i c h e Handlungen (§§ 292, 300—302) Für die Verfolgung gelten i m großen und ganzen die für den Schuldnerbetrug maßgebenden Bestimmungen (oben S. 188). A. Die Zerstörung, Beschädigung oder Beiseiteschaffung eigener Sachen w i r d wie Sachbeschädigung bestraft, wenn der Täter sie dadurch dem Zugriff seiner Gläubiger entzieht (§ 292). B. Die Erschwerung der Befriedigung der Gläubiger ist als einziges Delikt dieses Kapitels in erster Linie mit Gefängnis bedroht; Geld-
1
Das Strafrecht Dänemarks
strafe kann nur bei mildernden Umständen verhängt werden (§ 300). Die Strafbarkeit t r i t t ein, wenn der Schuldner zu einem Zeitpunkt, i n dem er erkennt oder erkennen muß, daß er zur Befriedigung seiner Gläubiger außerstande ist, seine Vermögenslage durch Eingehung von Schulden erheblich verschlechtert oder erhebliche fällige Schulden bezahlt oder Sicherheit dafür stellt (Ziffer 1), ferner wenn er seinen Gläubigern durch bestimmt bezeichnete Maßnahmen — verschwenderische Lebensweise, Spiel, leichtsinniges Verhalten usw. — einen erheblichen Verlust zufügt (Ziffer 2), endlich wenn er — oder der Vertrauensmann — bei Abgabe der für die Eröffnung der Verhandlung über einen Zwangsvergleich erforderlichen Erklärungen unrichtige Auskünfte gibt oder sich grober Nachlässigkeit schuldig macht (Ziffer 3). Fahrlässige Handlungen werden hier durch den Gesetzestext überall mitgetroffen. C. Strafbar ist auch, wer es vorsätzlich oder fahrlässig unterläßt, einer i h m obliegenden Pflicht nachzukommen, sich oder eine Gesellschaft, für deren Leitung er verantwortlich ist, für zahlungsunfähig zu erklären (§ 301), sowie — unabhängig von dem Erfordernis der Zahlungsunfähigkeit — wer es unterläßt, Geschäftsbücher zu führen, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, oder sich i m Zusammenhang damit grober Unordnung schuldig macht (§ 302). VII. G r o b f a h r l ä s s i g e H e h l e r e i (§ 303) Die Bestimmung w i l l die gewerbsmäßige Hehlerei treffen, wenn sie als solche wegen der oft bestehenden Beweisschwierigkeiten nicht nachgewiesen werden kann 4 1 . Strafbar ist, wer infolge grob fahrlässigen Verhaltens Sachen, die durch ein Bereicherungsdelikt erworben sind, ersteht oder i n ähnlicher Weise entgegennimmt — z. B. als Pfand. Die Strafe ist Geldstrafe oder Haft; bei Rückfall sowie wenn der Täter schon einmal (vgl. oben S. 121) wegen eines Bereicherungsdelikts verurteilt worden ist, kann aber auf Gefängnis bis zu sechs Monaten erkannt werden.
Vierter
Abschnitt
Die wichtigeren Nebengesetze 1. Ubersicht Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs gilt, wie oben S. 88 erwähnt, auch für die Nebengesetzgebung, soweit nicht Ausnahmen i m « Vgl. Krabbe,
S. 738, Hurwitz,
S. 34
Die wichtigeren Nebengesetze
1Θ3
Strafgesetzbuch selbst oder in den Nebengesetzen gemacht sind. Nach den i m Strafgesetzbuch enthaltenen Ausnahmen werden die i n den Nebengesetzen geregelten Straftaten auch bei f a h r l ä s s i g e r Begehung bestraft, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmt ist (oben S. 95); für die V e r j ä h r u n g gelten besondere Vorschriften (oben S. 128); eine G e l d s t r a f e braucht nicht an die Staatskasse zu fallen, und das Tagesbußensystem gilt nicht (oben S. 106); endlich finden die i n den §§ 72 und 73 vorgesehenen Maßregeln gegen T r i n k e r keine Anwendung (oben S. 115). Die Vorschriften des Strafgesetzbuchs über s i c h e r n d e M a ß r e g e l n werden durch solche des G e s e t z e s ü b e r ö f f e n t l i c h e F ü r s o r g e in der Fassung der Bekanntmachung Nr. 475 vom 31. August 1946 m i t späteren Änderungen ergänzt. Gegen die hiernach zulässige sog. „administrative Freiheitsberaubung" 1 ist die Anrufung der Gerichte möglich (§ 71 Abs. 6 der Verfassung vom 5. Juni 1953 und u. a. Gesetz Nr. 173 vom 11. Juni 1954, durch das das Rechtspflegegesetz — oben S. 99 — durch ein neues Kapitel 43 a ergänzt wurde). Die Bestimmungen finden sich namentlich i n den Kapiteln 25—27 (§§ 311—324 in der Fassung des Gesetzes Nr. 176 vom 11. Juni 1954) und beziehen sich auf die zwangsweise Unterbringung von böswilligen Unterhaltsschuldnern, Trinkern, Landstreichern, erwerbs- und subsistenzlosen Personen in Arbeits- oder Entziehungsanstalten durch die Verwaltungsbehörde. Durch das Gesetz Nr. 33 vom 25. Februar 1953 sind die Vorschriften i n Übereinstimmung mit der internationalen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und grundlegender Freiheitsrechte vom 4. November 1950 mit Zusatzprotokoll vom 20. März 1952 gebracht worden, der Dänemark am 31. März 1953 beigetreten ist. Andere wichtige Bestimmungen des Gesetzes beziehen sich auf die J u g e n d f ü r s o r g e (Kap. 5—14, §§ 83—181 in der Fassung des Gesetzes Nr. 177 vom 11. Juni 1954); hervorzuheben ist die Möglichkeit, ein K i n d zwangsweise aus dem Hause zu entfernen (§§ 130, 131). Eine Reihe von Strafbestimmungen (§§ 176—181) betrifft den Schutz von Kindern und Jugendlichen; u. a. besteht eine Anzeigepflicht für jedermann, der von der Gefährdung eines Kindes Kenntnis erhält (§ 178). Bei straffälligen Insassen von Anstalten der Jugendfürsorge kann — in Erweiterung des § 30 StGB (oben S. 100) — von der Erhebung der Anklage abgesehen werden, wenn sie zur Zeit der Tat das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten (§ 150). Nicht selten enthalten die Nebengesetze Bestimmungen, nach denen eine Strafe auch auferlegt werden kann, wenn den Betreffenden 1 Vgl. Tyge Haarlov, Administrativ Frihedsber0velse (Administrative Freiheitsberaubung), Kopenhagen 1948; Hurwitz, S. 526, 637.
13 A u s l ä n d i s c h e s S t r a f r e c h t I .
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Das Strafrecht Dänemarks
k e i n V e r s c h u l d e n t r i f f t (vgl. oben S. 88), namentlich gewisse Gesetze über S t e u e r n u n d A b g a b e n 2 ; s. hierüber auch den folgenden Absatz. Die Vorschriften über die E i n z i e h u n g (oben S. 117) sind vielfach erweitert, auch hier i n erster Linie i n fiskalischen Gesetzen, ζ. B. i m Z o l l g e s e t z (§ 48 der Bekanntmachung Nr. 171 vom 11. M a i 1928), ferner auch i m G e s e t z Ü b e r e r w e r b s w i r t s c h a f t l i c h e M a ß n a h m e n , die V e r s o r g u n g mit Waren usw. (Bekanntmachung Nr. 153 vom 28. März 1951) und i m G e s e t z b e t r . V e r t r ä g e ü b e r P r e i s e (Nr. 378 vom 14. November 1952), die beide zur Zeit i n der Praxis eine große, freilich nur vorübergehende Rolle spielen. Auch das J a g d g e s e t z Nr. 145 vom 28. A p r i l 1931 m i t späteren Änderungen, nach dem eine Geldstrafe unter Umständen an den Privatkläger fällt (§ 38 Abs. 3), enthält Vorschriften über die Einziehung (§ 39), ebenso das Gesetz Nr. 500 vom 19. Dezember 1951 über die F i s c h e r e i i n S e e g e w ä s s e r n (§ 35). I m Gesetz Nr. 149 vom 26. A p r i l 1933 über U r h e b e r - u n d K ü n s t l e r r e c h t finden sich gleichfalls Sonderbestimmungen über die Einziehung (§ 16). Einen großen Teil der K r i m i n a l i t ä t machen Zuwiderhandlungen gegen polizeiliche Vorschriften aus. Rechtsquellen sind die P o l i z e i v e r o r d n u n g f ü r K o p e n h a g e n Nr. 35 vom 1. März 1913 mit späteren Änderungen, vom Justizminister auf Grund des G e s e t z e s v o m i i F e b r u a r 1 8 6 3 3 über die Polizei i n Kopenhagen erlassen, und eine Reihe von Polizeiverordnungen auf Grund des G e s e t z e s N r . 21 v o m 4. F e b r u a r 1871s über die Polizei außerhalb Kopenhagens. Die Bestimmungen betreffen i n erster Linie die ö f f e n t liche Ordung, Verstöße wurden ursprünglich nur mit Geldstrafe geahndet (§ 103 der Polizeiverordnimg für Kopenhagen i. Verbd. m i t § 7 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch). Durch ein nach dem deutschen Einmarsch erlassenes G e s e t z N r . 2 1 9 v o m 1. M a i 1 9 4 0 , das verschärfte Strafen für Straftaten bei Verdunkelung und Luftangriffen einführte, wurden auch die nach den Polizeiverordnungen zulässigen Strafen i n der Weise erhöht, daß auch Haft bis zu drei Monaten, bei erschwerenden Umständen Gefängnis i n gleicher Höhe verhängt werden konnte (§ 2 Abs. 2). Das Gesetz ist auch nach Wiedereintritt normaler Verhältnisse i n K r a f t geblieben. Die polizeilichen Vorschriften bieten keine rechtlichen Besonderheiten, doch sei hervorgehoben, daß ein Grundeigentümer für die ihm als solchem obliegenden Verpflichtungen strafrechtlich verantwortlich ist, auch ?
Vgl. Hurwitz, S. 382 ff. Geändert u. a. durch das Gesetz Nr. 166 vom 18. Mai 1937 über die Polizei und das Arrestwesen in der Fassung des Gesetzes Nr. 86 vom 15. März 1939. 3
Die wichtigeren Nebengesetze
wenn i h n kein Verschulden trifft nung für Kopenhagen).
195
(vgl. § 104 Abs. 1 der Polizeiverord-
Die Vorschriften über den Verkehr auf öffentlichen Straßen und Plätzen sind i m V e r k e h r s g e s e t z N r . 1 2 9 v o m 14. A p r i l 1 9 3 2 m i t späteren Änderungen enthalten; hier kann ausschließlich auf Geldstrafe erkannt werden (§ 38). Dagegen kann nach dem G e s e t z ü b e r K r a f t f a h r z e u g e N r . 1 4 4 v o m 1. J u l i 1 9 2 7 mit späteren Änderungen (dem sog. „Motorgesetz") bei erschwerenden Umständen Gefängnis bis zu sechs Monaten verhängt werden (§ 41 Abs. 1 Satz 1). Für bestimmt bezeichnete Fälle ist aber Gefängnisstrafe an erster Stelle angedroht, und hier kann nur bei besonders mildernden Umständen auf Geldstrafe erkannt werden (Satz 2). Diese Fälle sind: die Führung eines Kraftwagens nach Entziehung oder Versagung des Führerscheins (das.) und Trunkenheit am Steuer (§ 24). Der letztere Tatbestand ist dahin gefaßt, daß, wer infolge Genusses geistiger Getränke nicht i n der Lage ist, einen Kraftwagen sicher zu führen, dies weder tun noch auch versuchen darf; ebenso w i r d die Überlassung der Führung eines Kraftwagens an eine solche Person bestraft. Die Bestimmung spielt i n der Praxis eine große Rolle, doch bildet nicht Gefängnis-, sondern Haftstrafe (und zwar unter einem Monat) die Regel 5 . Das Gericht kann ferner auf Entziehung des Führerscheins erkennen — dies auch dann, wenn der Täter aus anderen Gründen unverantwortlich gefahren ist (§ 42). — Die Geldstrafen, die auf Grund des Verkehrsgesetzes und des Motorgesetzes verhängt werden, machen den überwiegenden Teil aller überhaupt erkannten Geldstrafen aus. — Neben den bisher genannten spielen die i m folgenden näher zu besprechenden Gesetze, nämlich das Militärstrafgesetzbuch, das Schwangerschaftsgesetz, das Gesetz über Sterilisation und Kastration und das Preßgesetz sowohl wegen ihrer nahen Beziehungen zum Strafgesetzbuch als auch wegen ihrer rechtlichen und tatsächlichen Bedeutung eine erhebliche Rolle. Darüber hinaus eine auch nur annähernd vollständige Übersicht über die zahllosen Bestimmungen strafrechtlicher Natur i n Nebengesetzen zu geben, ist i m Rahmen dieser Darstellung nicht möglich. Bemerkt sei, daß die K o n k u r s o r d n u n g (oben S. 187) keine strafrechtlichen Bestimmungen enthält, da die Materie i m Strafgesetzbuch geregelt ist, und daß sich die ursprünglich i m Strafgesetzbuch enthaltenen Bestimmungen über Inkasso- und Detektivtätigkeit sowie über Tierquälerei jetzt i n den oben S. 82 genannten Gesetzen finden. 5 v. Eyben, S. 68, 78, 435. Über die Rechtsprechung s. auch Kaarsberg, NTfK 1952, S. 275; 1954, S, 237 ff.
13·
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Das Strafrecht Dänemarks
2. Das Militärstrafgesetzbuch vom 7. Mai 19376 in der Fassung der Bekanntmachung Nr. 262 vom 21. Juli 1954 Das Gesetz folgt i n seinem Aufbau dem Strafgesetzbuch, das subsidiär neben ersterem gilt, so daß Straftaten, die nicht i m MStGB geregelt sind, unter das StGB fallen. Die Verfahrensvorschriften sind i m militärischen Rechtspflegegesetz vom 4. Oktober 1919 i n der Fassung der Bekanntmachung Nr. 261 vom 21. Juli 1954 enthalten. Der vom MStGB betroffene P e r s o n e n k r e i s besteht i m Frieden ausschließlich aus Angehörigen — unter Umständen auch aus früheren Angehörigen — der bewaffneten Macht, einschließlich internierter fremder Militärpersonen (§ 5). I n Kriegszeiten dagegen sowie nach Bekanntgabe einer Mobilmachung, unter Umständen auch bei tatsächlichem Ausbruch von Feindseligkeiten (§ 2), ist jedermann nach dem MStGB strafbar, der sich bestimmt bezeichneter Straftaten schuldig macht (§ 6 c) —» s. hierüber unter II. I. D e r A l l g e m e i n e
T e i l (Kap. 1—5, §§ 1—33)
Die Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB gelten auch für das MStGB, soweit nichts Gegenteiliges bestimmt ist (§ 1). Folgende Abweichungen sind hervorzuheben: A. Jede Straftat ist stets auch dann strafbar, wenn sie i m Ausland begangen ist (§ 8; vgl. oben S. 89 ff.). B. Die Vorschriften über Notwehr (oben S. 92) finden auf Handlungen — i n der Regel eines Vorgesetzten — Anwendung, die notwendig sind, u m Gehorsam zu erzwingen oder die Ordnung aufrechtzuerhalten (§ 10). C. Fahrlässigkeit w i r d ebenso wie nach dem StGB nur bestraft, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist (§11; vgl. oben S. 95). Derartige Bestimmungen sind selten. D. Handeln auf Befehl befreit nicht von Strafe, wenn dem Untergebenen bekannt war, daß eine rechtswidrige Handlung beabsichtigt war, oder wenn dies ohne weiteres einleuchtend war (§ 12). E. Teilnahme an Handlungen, die nach dem MStGB strafbar sind, w i r d nur bestraft, wenn die Tat m i t mindestens vier Jahren Gefängnis bedroht ist (§ 7), sofern der Teilnehmer nicht selbst unter das MStGB fällt. — Uber Teilnahme an Wehrpflichtverletzungen s. oben S. 142. F. Die Strafen (4. Kap.) sind Arrest und Gefängnis, i n Kriegszeiten auch die Todesstrafe (§ 16), meist fakultativ, nur bei Spionage i m Operationsgebiet der bewaffneten Macht obligatorisch (§ 35). Arrest zer8
Kommentar von Victor Pürschel,
2. Auflage, Kopenhagen 1946.
Die wichtigeren Nebengesetze
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fällt i n Quartier- und Wachtarrest, letzterer i n Einzelhaft zu verbüßen, mit Arbeitszwang, aber ohne Recht auf Beschäftigung (§§ 18, 19). Die Wahl zwischen Quartier- und Wachtarrest ist ein A k t der Strafzumessung, da das Gesetz meist nur „Arrest" androht, wenn auch gelegentlich unter Bestimmung eines Mindestmaßes. I n leichten Fällen kann an Stelle einer kürzeren Arreststrafe auf einen Verweis erkannt werden (§ 17). Gegen Zivilpersonen, die nach dem MStGB bestraft werden, kann nach einem bestimmten Umwandlungsmaßstab an Stelle von Arrest auf Haft oder Geldstrafe erkannt werden, umgekehrt können die über Militärpersonen verhängten Haftstrafen in Arrest umgewandelt werden (§§ 26, 27). G. Für die bedingte Verurteilung gelten besondere Bestimmungen, die diejenigen des StGB einschränken (5. Kap.; vgl. oben S. 108). I n gewissen Fällen kann an Stelle einer bedingten Verurteilung zu Arrest auf Geldstrafe erkannt werden (§ 27 Abs. 1). H. Die VerjährungsVorschriften des StGB (oben S. 128) gelten nach ausdrücklicher Bestimmung (§ 15 a) auch für das MStGB. II. D e r B e s o n d e r e T e i l (Kap. 6—11, §§ 34—70) Von allgemeinerem Interesse ist namentlich das 6. Kapitel über Straftaten gegen die Kampfkraft der bewaffneten Macht, da fast alle Bestimmungen desselben i n Kriegszeiten auf jedermann Anwendung finden. Es handelt sich u m sog. „Kriegsverrat" (§ 34), wodurch u. a. die Bestimmungen des StGB über Beistandsleistung (oben S. 134) ergänzt werden, ferner u m Spionage im Operationsgebiet der bewaffneten Macht (§ 35), Aufforderung zur Übergabe u. ähnl. (§ 36) und Verrat militärischer Geheimnisse (§ 40). Das 7. Kapitel behandelt die unerlaubte Entfernung und ergänzt u. a. die Vorschriften des StGB über Wehrpflichtverletzungen (oben S. 142) durch Vorschriften für Angehörige der bewaffneten Macht. Die Kap. 8 und 9 — Verstöße gegen die Untergebenen- bzw. Vorgesetztenpflichten — enthalten u. a. die Bestimmung, daß von Untergebenen im Dienst begangene Körperverletzungen gegen Vorgesetzte zu einer Verdoppelung der Strafe führen (§ 50), während i m umgekehrten Fall — Begehung durch Vorgesetzte gegen Untergebene — die Strafe um die Hälfte zu erhöhen ist (§ 57). Herausforderndes Verhalten des Untergebenen ist hier Strafmilderungsgrund; umgekehrt ist inkorrektes und namentlich herausforderndes Verhalten des Vorgesetzten nicht nur bei Körperverletzungen, sondern auch bei Gehorsamsverweigerung usw. Strafmilderungsgrund (§ 52). Die Kap. 10 und 11 — Mißbrauch einer militärischen Stellung nach außen und Außerachtlassung anderer militärischer Pflichten — enthalten einige für jedermann geltende Vorschriften, die sich auf Angriffe gegen Verwundete usw. (§ 60), Raub
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unter Ausnutzung von Kriegsfurcht (§ 61) und Nichtverhinderung von Kriegsverrat, gemeinschaftlichem Entweichen, Meuterei u. ähnl. (§ 64) beziehen. 3. Das Schwangerschaftsgesetz vom 18. Mai 19377 Die Bestimmungen über die Abtreibung fanden sich ursprünglich i m Strafgesetzbuch (vgl. oben S. 80, 170): nach § 242 Abs. 1 wurde die Frau, die ihre Leibesfrucht tötete, m i t Haft oder m i t Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft; bei besonders mildernden Umständen konnte die Strafe ganz fortfallen; Versuch mit untauglichen M i t t e l n war straflos, ebenso die fahrlässige Begehung; die Verjährungsfrist betrug zwei Jahre. Wegen der Bestimmungen über die Strafbarkeit der Teilnehmer (§ 242 Abs. 2) s. unter I I I , B. Über die Frage, wann die Abtreibung nicht rechtswidrig war, fehlte jede Vorschrift. Durch das oben genannte Schwangerschaftsgesetz 8 wurde die Materie unter Aufhebung des § 242 StGB auf eine neue Grundlage gestellt. Das Gesetz regelt die materiellen und formellen Voraussetzungen, unter denen die Unterbrechung der Schwangerschaft zulässig ist, und die Strafbarkeit der rechtswidrigen Schwangerschaftsunterbrechung. I. D i e m a t e r i e l l e n V o r a u s s e t z u n g e n (§ 1) Das Gesetz kennt die medizinische, die ethische und die eugenische, aber nicht die soziale Indikation; doch werden bei der medizinischen Indikation auch soziale Gesichtspunkte berücksichtigt. A. Die m e d i z i n i s c h e Indikation liegt vor, wenn die Unterbrechung der Schwangerschaft notwendig ist, um eine ernste Gefahr für Leben oder Gesundheit der Frau abzuwenden. B. Die e t h i s c h e Indikation liegt vor, wenn die Schwangerschaft auf echter Blutschande (oben S. 163) oder auf einem Sittlichkeitsdelikt i m engeren Sinne (oben S. 165 ff.) beruht. I n gewissen Fällen ist aber Voraussetzung, daß die Tat bei der Polizei angezeigt worden ist und diese die Anzeige nicht als unrichtig abgewiesen hat. C. Die e u g e n i s c h e Indikation liegt vor, wenn für das K i n d infolge erblicher Anlagen die naheliegende Gefahr von Geisteskrankheit, Schwachsinn, anderer schwerer geistiger Störungen, Epilepsie oder — ganz allgemein — schwerer oder unheilbarer körperlicher Krankheit besteht. I m Falle der ethischen und eugenischen Indikation soll die Unter7
Vgl. Krabbe, S. 551 ff. und die dort Zitierten. Gesetz Nr. 163 vom 18. 5. 1937 über Maßnahmen aus Anlaß von Schwangerschaft (infolge des Gesetzes über Institutionen für Mutterhilfe — s. unter I I . — redaktionell geändert durch Gesetz Nr. 84 vom 31. März 1938). 8
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breehung der Schwangerschaft i n der Regel vor Ablauf des dritten Schwangerschaftsmonats stattfinden. II. D i e f o r m e l l e n V o r a u s s e t z u n g e n (§§ 2—3) Nur ein approbierter A r z t ist zur Unterbrechung der Schwangerschaft befugt. Er darf den Eingriff nur nach Beratung m i t einem anderen approbierten A r z t — i n der Regel dem Hausarzt der Frau — vornehmen, und nur i n einem öffentlichen Krankenhaus; private Anstalten sind aber zugelassen, wenn sie öffentliche Zuschüsse erhalten oder Patienten für öffentliche Rechnung aufnehmen. Daneben müssen bei der medizinischen Indikation — falls die Gefahr für Leben oder Gesundheit der Frau nicht auf Krankheit beruht — weitere Voraussetzungen erfüllt sein, nämlich eingehende A u f klärung durch eine Institution für Mutterhilfe 9 , Zustimmung des Inhabers des Sorgerechts, bei Frauen zwischen 18 und 21 Jahren unter Umständen Zustimmung eines f ü r diesen Zweck bestellten Pflegers, ferner i n der Regel Befragung des Ehemannes. Bei Frauen, die wegen Geisteskrankheit, Schwachsinns oder aus anderen Gründen außerstande sind, die Bedeutung des Eingriffs zu verstehen, kann der A n trag auf Unterbrechung der Schwangerschaft von dem Leiter der betreffenden Anstalt oder von einem Pfleger gestellt werden. III. S t r a f b e s t i m m u n g e n
(§§ 4—7)
I m Gegensatz zu § 242 StGB ist nicht mehr die Tötung der Leibesfrucht, sondern die Unterbrechung der Schwangerschaft unter Strafe gestellt, doch ist vorausgesetzt, daß die Frucht dadurch getötet wird. A. Oie Strafbarkeit
der Schwangeren (§6 Abs. 1)
Eine Frau, die ihre Schwangerschaft selbst unterbricht oder durch einen Nichtarzt unterbrechen läßt, ist stets strafbar. Die Höhe der Strafe richtet sich danach, ob die materiellen Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Schwangerschaftsunterbrechung vorlagen, oder ob die Frau wußte, daß dies nicht der F a l l war: i m ersteren Fall ist die Strafe Haft bis zu drei Monaten, i m letzteren Fall Gefängnis bis zu gleicher Höhe. I n beiden Fällen k a n n die Strafe aber ebenso wie nach früherem Recht bei besonders mildernden Umständen fortfallen, was i n der Praxis die Regel bildet. Auch die Bestimmungen über die zweijährige Verjährungsfrist und die Straflosigkeit des Versuchs mit untauglichen Mitteln, die gleicherweise auch für den Versuch am untauglichen Objekt anzunehmen ist 1 0 , sind bestehen geblieben. 9 Begründet durch Gesetz Nr. 119 vom 15. März 1939 mît späteren Änderungen. 10 Hurwitz, S. 467.
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Was die fahrlässige Begehung betrifft, so ist ein besonderes Problem dadurch entstanden, daß die Materie jetzt nicht mehr i m Strafgesetzbuch, sondern in einem besonderen Gesetz geregelt ist. Verstöße gegen derartige Gesetze sind, wie oben S. 95, erwähnt, auch bei fahrlässiger Begehung strafbar, wenn nicht ausdrücklich das Gegenteil bestimmt ist, was hier nicht der Fall ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist daher an der Strafbarkeit der fahrlässigen Schwangerschaftsunterbrechung kaum zu zweifeln. Man nimmt aber an, daß dieses unbillige Ergebnis durch einschränkende Auslegung vermieden werden kann 1 1 . I n der Praxis w i r d fahrlässige Schwangerschaftsunterbrechung nicht verfolgt. B. Die Strafbarkeit
der Teilnehmer
(§ 6 Abs. 2—4, § 7)
1. Die Vorschriften des früheren Rechts (§ 242 Abs. 2 StGB) sind i n allen wesentlichen Punkten aufrechterhalten worden: die Unterbrechung der Schwangerschaft oder die Gewährung von Beistand w i r d m i t Gefängnis bis zu vier Jahren bestraft, bei erschwerenden Umständen bis zu acht Jahren. Als solche werden beispielsweise genannt: Handeln aus Gewinnsucht, wodurch namentlich die oft besonders gefährliche Gewerbsmäßigkeit getroffen wird, und Verursachung des Todes oder erheblichen Schadens an Körper oder Gesundheit. Hat der Täter ohne Einwilligung der Frau gehandelt, so ist die Strafe Gefängnis von zwei bis zu zwölf Jahren; das gleiche gilt — und dies ist eine Neuerung des Gesetzes — für den Rückfall (§ 6 Abs. 4). 2. Neu sind auch die Vorschriften über die Strafbarkeit des A r z t e s , der m i t Gefängnis bis zu zwei Jahren bedroht ist, wenn er eine Schwangerschaft unterbricht oder Beistand gewährt, obwohl er weiß, daß die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Bei erschwerenden Umständen — hier werden dieselben Beispiele wie oben genannt — ist die Strafe Gefängnis bis zu vier Jahren. Für den Arzt beträgt das Höchstmaß daher die Hälfte der zu 1. angedrohten Strafen, während, wenn das Einverständnis der Frau fehlt, die Strafe auch für ihn Gefängnis von zwei bis zu zwölf Jahren beträgt. — Die Strafe für Außerachtlassung der formellen Voraussetzungen bei einer materiell zulässigen Schwangerschaftsunterbrechung ist Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten, bei mildernden Umständen Geldstrafe (§ 6 Abs. 3). 3. Einen Tatbestand besonderer A r t bildet die Strafbarkeit des unehelichen Schwängerers, der der Mutter, die sich um Hilfe persönlicher oder wirtschaftlicher A r t an ihn gewandt hat, nicht eine den 11 Vgl. Hurwitz S. 352, Krabbe, S. 557; s. ferner Knud Waaben in N T f K 1952, S. 496, nach dem der Ausdruck „Unterbrechung" in diesem Zusammenhang stets nur vorsätzliche Handlungen decken kann.
Die wichtigeren Nebengesetze
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Verhältnissen entsprechende Hilfe geleistet hat, wenn dies für den Entschluß der Frau, die Schwangerschaft zu unterbrechen, von entscheidender Bedeutung war. Die Strafe ist Gefängnis bis zu einem Jahre, bei mildernden Umständen Haft, während Geldstrafe ausgeschlossen ist (§ 6 Abs. 2; vgl. oben S. 175). 4. Strafbar ist schließlich, wer eine zur Austragung des Kindes bereite Frau durch Nötigung (oben S. 175), Androhung wirtschaftlicher Nachteile oder solcher für Person, Stellung in der Familie oder Gesellschaft oder durch Versprechen einer Belohnung zur Unterbrechung der Schwangerschaft veranlaßt, selbst wenn die für diese gegebenen Vorschriften beachtet werden. Die Strafe ist Gefängnis bis zu zwei Jahren, mildernde Umstände sind nicht vorgesehen. Strafschärfung bis zu vier Jahren t r i t t ein, wenn die Schwangerschaftsunterbrechung nicht durch einen approbierten A r z t vorgenommen wurde (§ 7). C. Strafvorschriften bestehen auch für den Bruch der Verschwiegenheitspflicht durch Ärzte und Krankenhauspersonal (§ 4) sowie für unrichtige Angaben über die Voraussetzungen einer Schwangerschaftsunterbrechung (§ 5). I m Jahre 1951 sind etwa 5000 rechtmäßige Schwangerschaftsunterbrechungen vorgenommen worden, die Zahl der unrechtmäßigen w i r d trotzdem sehr hoch angenommen. Die Bestimmungen des Schwangerschaftsgesetzes sind lebhaft umstritten, Gegner und Anhänger halten sich etwa die Waage, so daß zurzeit nicht zu übersehen ist, ob die von beiden Seiten gewünschten Reformen ihren Niederschlag i n einer Gesetzesänderung finden werden. 4. Das Gesetz über die Sterilisation und Kastration vom 11. Mai 1935 12 Die Vornahme von Sterilisation und Kastration steht nicht i m Belieben des einzelnen, sondern ist ebenso wie die Unterbrechung der Schwangerschaft nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen zulässig. Die Sterilisation, i n der großen Mehrzahl der Fälle bei Frauen angewandt, hat m i t der Schwangerschaftsunterbrechung auch sonst Berührungspunkte, da sie häufig dazu dient, Nachwuchs aus eugenischen, aber auch aus sozialen Gründen zu verhindern. Der schwerere Eingriff der Kastration w i r d fast ausschließlich an Männern vorgenommen. I. D i e S t e r i l i s a t i o n Die — stets freiwillige — Sterilisation ist nur zulässig, wenn öffentliche Interessen dafür sprechen und der Justizminister seine Ge12 Kommentar von Eigil Schibbye, Kopenhagen 1952; vgl. Krabbe, S. 255 f., Hurwitz, S. 674 ff. und die dort Zitierten, namentlich le Maire , Legal kastration i strafferetlig belysning (Legale Kastration im Lichte des Strafrechts), Kopenhagen 1946.
Das Strafrecht Dänemarks
nehmigung erteilt (§ 1 Abs. 1). Psychisch Normale haben i n ihrem Antrag die Gründe, die für die Sterilisation sprechen, darzulegen, namentlich die Gefahr erblicher Belastung der Nachkommenschaft; der Eingriff ist i n der Regel erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres zulässig (Abs. 3). Für psychisch Abnorme, die das Hauptkontingent stellen, gilt diese Altersgrenze nicht; hier ist der Antrag mit Zustimmung eines Pflegers zu stellen und darzulegen, daß es für den Antragsteller erwünscht ist, ohne Nachwuchs zu bleiben. Von dem Erfordernis eigener Antragstellung gilt für den Fall, daß der Betreffende unmündig oder außerstande ist, die Bedeutung des Eingriffs zu verstehen, die bedeutsame Ausnahme, daß alsdann ein Pfleger oder die betr. Anstaltsleitung den Antrag stellen kann (Abs. 4). Für die Sterilisation Schwachsinniger gelten besondere Vorschriften, die i m Gesetz Nr. 171 vom 16. M a i 1934 enthalten sind. Die Entscheidung liegt hier nicht beim Justizminister, sondern bei einem besonderen Ausschuß (§ 6). Zur Stellung des Antrages ist die Anstaltsleitung berechtigt, wenn öffentliche Interessen dafür sprechen, daß der Betreffende ohne Nachwuchs bleibt — so, weil er Kinder n i d i t würde erziehen oder durch eigene Arbeit versorgen können — oder wenn die Sterilisation eine Fürsorge für ihn überflüssig machen würde (§ 5). II. D i e K a s t r a t i o n Die freiwillige Kastration kann vom Justizminister genehmigt werden, wenn der Geschlechtstrieb des Antragstellers i h n der Gefahr aussetzt, Straftaten zu begehen und daher eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, oder wenn er erhebliche psychische Leiden für i h n oder eine Beeinträchtigung seiner sozialen Stellung —gedacht ist hier u. a. an Homosexualität — mit sich bringt (§ 2 Abs. 1). Für die Darlegungspflicht, die Altersgrenze und die Befugnis eines Pflegers oder der A n staltsleitung zur Antragstellung gelten i m großen und ganzen die gleichen Voraussetzungen wie bei der Sterilisation, ohne daß hier ein Unterschied zwischen geistig Gesunden und Schwachsinnigen gemacht wird. Die Vorschriften über Kastration als Rechtsfolge einer strafbaren Handlung (§ 4) haben kaum mehr als theoretisches Interesse, da sie i n der Praxis noch niemals zu einer erzwungenen Kastration geführt haben und Einigkeit darüber besteht, daß sie bei einer Revision des Gesetzes zu beseitigen sind. Sie gehen dahin, daß das Gericht die Kastration i m U r t e i l oder, falls ein Vorbehalt i m Urteil gemacht w i r d (derartige Vorbehalte sind gelegentlich vorgekommen), auch später anordnen kann, wenn der Täter Notzucht oder bestimmt bezeichnete andere schwere Sittlichkeitsdelikte begangen oder versucht hat, die i h n als einen auf diesem Gebiet gefährlichen Rechtsbrecher kennzeich-
Die wichtigeren Nebengesetze
3
nen und zu der Annahme berechtigen, daß eine naheliegende Gefahr besteht, sein Geschlechtstrieb werde ihn zu neuen schweren Sittlichkeitsdelikten treiben, ohne daß die Aussicht auf Bestrafung i h n davon abhalten werde. Handelt es sich um andere Sittlichkeitsdelikte als Notzucht, so ist die Anordnung nur zulässig, wenn das Gericht zugleich eine Anstaltsunterbringung nach § 70 StGB (oben S. 114) oder die Sicherungsverwahrung nach § 65 StGB (oben S. 112) anordnet. III.
Strafbestimmungen
Die unbefugte Vornahme von Sterilisation und Kastration w i r d mit Geldstrafe von mindestens 500,— Kronen bestraft (§ 7). Es handelt sich hierbei u m die Verletzung der formellen Vorschriften — ein materiell unbefugter Eingriff ist nach den Vorschriften über schwere Körperbeschädigung (§ 246 StGB, oben S. 173) zu beurteilen. 5. Das Preßgesetz vom 13. April 1938 13 Während die i m Preßgesetz geregelte Strafbarkeit der f o r m e l 1 e η Preßdelikte (§ 19) keine Besonderheiten auf weist, weichen die Vorschriften über die Bestrafung der durch die Presse begangenen, m a t e r i e l l strafbaren Handlungen — die überwiegend i m StGB, namentlich i m 27. Kapitel, geregelt sind — insofern von der Norm ab, als hier unter Umständen eine Bestrafung ohne Vorliegen einer Schuld, aber auch Straflosigkeit trotz Verschuldens möglich ist. Und zwar ist dies der Fall bei i n D ä n e m a r k g e d r u c k t e n p e r i o d i s c h e n S c h r i f t e n : hier t r i f f t die Strafandrohung bald den Verfasser, bald den Redakteur, bald beide, aber niemals einen anderen (§ 6), es sei denn, daß es sich um Verstöße gegen bestimmt bezeichnete, i n den Kapiteln 12 und 13 StGB enthaltene Staatsschutzbestimmungen handelt, bei denen die strafrechtliche Verantwortung nach den allgemein geltenden Grundsätzen eintritt (§ 7 i n der Fassung des Gesetzes Nr. 92 vom 31. März 1953); letzteres ist ferner der Fall, wenn es sich u m die Veröffentlichung oder Verbreitung von nichtperiodischen (§ 4) oder von i m Ausland gedruckten periodischen Druckschriften (§ 5) handelt, deren Inhalt rechtswidrig ist. I m einzelnen gelten für die strafrechtliche Verantwortung des Verfassers und Redakteurs für den Inhalt dänischer periodischer Druckschriften folgende Bestimmungen (§ 6): Der V e r f a s s e r haftet a l l e i n , wenn er sich g e n a n n t hat, und es gelten alsdann die allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze. Andere Personen haften auch dann nicht, wenn sie eine Mitschuld, 18 Oluf H. Krabbe, Dansk Presseret (Dänisches Preßrecht), Kopenhagen. 1939, Carl Rasting, Presseretten (Das Preßrecht), Kopenhagen 1951. Vgl. ferner Hurwitz, S. 389 f., Krabbe, S. 146, 533 f.
Das Strafrecht Dänemarks
ζ. B. als Teilnehmer, trifft. Nur wenn der Verfasser zur Zeit der Veröffentlichung des Artikels seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt nicht i n Dänemark hat oder unmündig ist oder die strafbare Handlung i h m nicht zugerechnet werden kann, haftet der R e d a k t e u r , sei es allein, sei es neben dem Verfasser, und zwar so, als habe er den A r t i k e l selbst verfaßt — die Strafbarkeit t r i t t daher auch dann ein, wenn ihn nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen kein Verschulden trifft. Der Redakteur ist ferner strafbar, wenn der A r t i k e l auf seine Aufforderung oder unter seiner Teilnahme oder mit seinem Wissen unter Teilnahme eines Mitarbeiters des Blattes geschrieben worden ist, oder wenn der Redakteur wußte, daß der A r t i k e l unrichtig, d. h. wahrheitswidrig war. — Bei bezahlten Anzeigen gilt der Anzeigende als Verfasser. Hat der Verfasser sich n i c h t g e n a n n t , so haftet der R e d a k t e u r a l l e i n , wie wenn er den A r t i k e l selbst verfaßt hätte, während der anonyme oder pseudonyme Verfasser, auch wenn ihn ein Verschulden trifft, straflos ist. Nur wenn der Redakteur bei Ablieferung des Artikels seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt nicht in Dänemark hat und sich auch bei Erhebung der Anklage nicht unter dänischer Strafgewalt befindet, haftet auch der Verfasser. Dieser kann ferner — wenn er nicht ein Untergebener des Redakteurs ist — die Verantwortung übernehmen, wie wenn er sich als Verfasser genannt hätte. I n diesem Fall fällt die Haftung des Redakteurs fort, wenn nicht eine der i m vorigen Absatz bezeichneten Ausnahmen vorliegt. Dieses sog. „künstliche" System strafrechtlicher Verantwortung — i n gewissem Sinne ergänzt durch die Vorschrift, daß der Herausgeber einer periodischen Druckschrift für die Geldstrafen haftet, die gegen den Redakteur erkannt worden sind (§12 Abs. 2) —- w i r d von der Rechtswissenschaft einmütig abgelehnt. Bemerkt sei, daß das Preßgesetz auch detaillierte, den § 77 StGB (oben S. 117) ergänzende Bestimmungen über die E i n z i e h u n g von Druckschriften (§ 13) sowie Vorschriften über die V e r f o l g u n g von Preßdelikten enthält (§ 17).
Fünfter
Abschnitt
Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts I. Die Vorschriften über die p r o z e s s u a l e n Voraussetzungen der Strafvollstreckungen finden sich i m Kapitel 90 (§§ 997—1006) des Rechtspflegegesetzes (oben S. 99). Danach liegt die Strafvollstreckung i n den Händen der Polizei, die hierbei unter der Aufsicht der Staats-
Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts
205
anwaltschaft steht. Eine M i t w i r k u n g des Gerichts erster Instanz ist für den Fall vorgesehen, daß zwischen dem Verurteilten und der Strafvollstreckungsbehörde Streit über die Auslegung des Urteils, über die Berechnung einer Freiheitsstrafe usw. besteht. Das Gesetz enthält ferner Bestimmungen darüber, in welchen Fällen eine Vollstreckung ausgesetzt werden muß und wann der Justizminister die Aussetzung anordnen kann. II. Für die m a t e r i e l l e n Grundlagen des Strafvollzugs enthält das Strafgesetzbuch einige grundsätzliche Bestimmungen, die bereits erwähnt sind (vgl. oben S. 102, 105 betr. Gefängnis- und Haftstrafen). Alle Einzelheiten überläßt das Gesetz der Regelung durch königliche Anordnung. Solche Anordnungen sind für jede einzelne Straf art und Sicherungsmaßregel besonders ergangen. Die Reglementierung i m einzelnen ist vielfach dem Justizministerium übertragen, innerhalb dessen ein besonderes Direktorat für das Gefängniswesen besteht. A. Beim Vollzug der G e f ä n g n i s s t r a f e ist zwischen Strafen von fünfmonatiger oder längerer Dauer 1 und kürzeren Strafen zu unterscheiden; erstere werden i m Staatsgefängnis, letztere i n der Regel in der lokalen Arrestanstalt verbüßt. 1. Für den Vollzug i m S t a a t s g e f ä n g n i s gilt die königliche Anordnung vom 10. Mai 1947. Das Staatsgefängnis ist eine geschlossene Anstalt, verfügt aber über besondere Abteilungen, die teils offen, teils halboffen sind (es gibt zurzeit zwei geschlossene, zwei halboffene und drei offene Anstalten). Bei der Verteilung der Gefangenen auf die verschiedenen Anstalten sind das Alter, die kriminelle Vergangenheit, die A r t der Straftat und die Eignung des Gefangenen für Beschäftigung, Ausbildung und Unterbringung unter freieren Formen zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1). Die offenen und halboffenen Anstalten kommen namentlich für erstmalig Bestrafte in Betracht, haben aber auch für den progressiven Strafvollzug Bedeutung (Abs. 2). Die Gefangenen sind nach der programmatischen Vorschrift des § 10 mit Ernst und Festigkeit zu behandeln, und ihre Möglichkeiten, sich der Gesellschaft anzupassen, sind zu fördern. Die Strafe w i r d i n der Regel bei Tage i n Gemeinschaftshaft verbüßt; die zulässigen Ausnahmen werden näher präzisiert (§§ 11, 12). Die den Gefangenen obliegende Arbeit soll nach Möglichkeit produktiv sein und ihre Kräfte und Aufmerksamkeit voll i n Anspruch nehmen; auf die Fähigkeiten des Gefangenen und seine Möglichkeiten für eine Beschäftigung nach seiner Entlassung ist Rücksicht zu nehmen (§ 18). Der Arbeitsverdienst soll nach Möglichkeit Akkordlohn sein; die Verwendung w i r d genau ge1
Nach Abzug der Untersuchungshaft.
Das Strafrecht Dänemarks
regelt (§§ 19, 20). Es besteht eine Pflicht zur Teilnahme am Unterricht
(§ 26). Das früher geltende progressive System ist nur insoweit aufrechterhalten worden, als der Aufenthalt i m Gefängnis i n der Regel i n drei Stadien eingeteilt w i r d (§§ 34, 35): das Aufnahmestadium, das höchstens zwei Monate dauert, das allgemeine Stadium und das für die letzten Monate vor der endgültigen oder bedingten (oben S. 103) Entlassung geltende Schlußstadium. Abweichungen sind auf Grund der Führung des Gefangenen möglich. Die näheren Bestimmungen über die Behandlung auf den einzelnen Stufen sind i m justizministeriellen Reglement vom 10. Mai 1947 enthalten. Über die Versetzung von Trinkern i n das Arbeitshaus und von langfristig Verurteilten i n die Verwahrungsanstalt s. oben S. 102 f. 2. Für den Vollzug i n den lokalen A r r e s t a n s t a l t e n , die seit dem Gesetz Nr. 166 vom 18. M a i 1937 (oben S. 194 Anm. 3) ebenfalls dem Staat unterstehen, g i l t die königliche Anordnung vom 3. September 1948. Die Strafe w i r d i n der Regel i n Einzelhaft verbüßt (§ 8 Abs. 1). Wegen der Kürze der Strafzeit gibt es keine verschiedenen Stadien; Unterricht ist nur vorgesehen, soweit dies nach den Verhältnissen möglich ist. A n Stelle eines justizministeriellen Reglements regelt die königliche Anordnung die Materie in allen Einzelheiten und folgt dabei i m allgemeinen den unter 1. genannten Grundsätzen, enthält jedoch keine programmatische Vorschrift über die Behandlung der Gefangenen. 3. Die Vorschriften über den Vollzug von Gefängnisstrafen i m J u g e n d g e f ä n g n i s sind für männliche Jugendliche — für weibliche gibt es keine Anstalt — i n der königlichen Anordnung vom 27. November 1951 m i t justizministeriellem Reglement vom gleichen Tage enthalten. Das Hauptjugendgefängnis ist eine teilweise offene Anstalt. Über die grundsätzlichen Ziele der Arbeit i m Jugendgefängnis s. oben S. 104. Das Personal muß für Unterricht und fachliche Ausbildung der Gefangenen besonders ausgebildet sein (§ 3), der Unterricht soll möglichst i m Hinblick auf die Zukunft des Gefangenen gestaltet werden (§18 Abs. 1). Der Aufenthalt i n der Auf nähme ab teilung dauert i n der Regel zwei Monate, kann aber unter Umständen auf vier Monate ausgedehnt werden; i m ersten Monat ist der Gefangene in der Regel zu isolieren (§ 29). Die Behandlung i m allgemeinen Stadium bezweckt die bestmögliche Entwicklung des Jugendlichen zu charakterlicher Festigung und Entwicklung seiner Fähigkeiten sowie die Erweckimg gesunder Interessen; durch so zwanglose Formen, wie m i t der Ordnung in der Anstalt vereinbar, sollen seine Fähigkeiten, m i t anderen umzugehen, geübt und seine Initiative und sein Verant-
Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts
2Ô7
wortungsgefühl geweckt werden (§ 31). Ein besonderes Schlußstadium ist nicht vorgesehen. 4. Für den Vollzug von Gefängnisstrafen i m P s y c h o p a t h e n - » g e f ä n g n i s gilt die königliche Anordnung vom 21. Oktober 1935 nebst justizministeriellem Reglement vom gleichen Tage. Die praktische Bedeutung ist, wie oben S. 94 erwähnt, gering. B. Die Vorschriften über den Vollzug von H a f t s t r a f e n sind in einer besonderen königlichen Anordnung vom 3. September 1948 enthalten. Haft w i r d ebenso wie kurzfristiges Gefängnis in einer lokalen Arrestanstalt verbüßt (§ 1), und zwar in der Regel i n Einzelhaft (§ 8 Abs. 1). Über die dem Häftling zustehenden Erleichterungen gibt die Anordnung nähere Einzelheiten; u. a. kann er eigene Kleidung tragen (§ 15) und eigenes Bettzeug benutzen (§ 14) sowie grundsätzlich unbeschränkt Korrespondenz führen (§ 24). C. Für männliche Insassen des A r b e i t s h a u s e s gilt die königliche Anordnung vom 25. Januar 1946 m i t justizministeriellem Reglement vom 29. Januar 1946, für männliche Insassen der S i e h e r u n g s v e r w a h r u n g s a n s t a l t die königliche Anordnung vom 31. Januar 1933 m i t Änderungen vom 1. A p r i l 1936 sowie das justizministerielle Reglement vom gleichen Tage. Über die i m StGB enthaltenen Vollzugsregeln s. oben S. 112 f. —. F ü r die i n P s y c h o p a t h e n v e r w a h r u n g (oben S. 114) untergebrachten männlichen Insassen gilt die königliche Anordnung vom 18. Dezember 1940 m i t Änderungen vom 9. Januar 1942 sowie das justizministerielle Reglement vom 18. Dezember 1940. D. Erwähnt sei schließlich die königliche Anordnung vom 24. Dezember 1932 über den Vollzug von U n t e r s u c h u n g s h a f t .
Das Japanische Strafrecht Von Prof. Dr. Kinsaku S a i t ο , Waseda Universität, Tokio
14 A u s l ä n d i s c h e s S t r a f r e c h t
I.
Inhalt Erster
Abschnitt:
D i e G e s c h i c h t e des S t r a f r e c h t s in Japan 1. Rezeption des europäischen Straf rechts. 2. Das geltende japanische Strafrecht. 3. Die japanische Strafrechts reform. 4. Das wichtigste Schrifttum und die in Betracht kommenden Entscheidungssammlungen. Z w e i t e r A b s c h n i t t : D e r a l l g e m e i n e T e i l des S t r a f r e c h t s Erster Teil. Das Strafrecht. 1. Der Begriff des Strafrechts. 2. Der Geltungsbereich des Strafgesetzes. 3. Die Auslegung des Strafgesetzes. 4. Der Sprachgebrauch des Strafgesetzes. — Zweiter Teil. Die Lehre vom Verbrechen. A. Der allgemeine Tatbestand des Verbrechens. 1. Der Begriff des Verbrechens. 2. Die Handlung. 3. Die Rechtswidrigkeit. 4. Die Schuld. — B. Die Erscheinungsformen des Verbrechens. 1. Der Begriff der Erscheinungsformen des Verbrechens. 2. Der Versuch. 3. Die Teilnahme. 4. Die Konkurrenz. — Dritter Teil. Die Lehre von der Strafe. 1. Der Begriff der Strafe. 2. Die Zumessung der Strafe. 3. Die Vollstreckung der Strafe. 4. Die Tilgung der Strafe. D r i t t e r A b s c h n i t t : D e r b e s o n d e r e T e i l des S t r a f r e c h t s Erster Teil. Der Begriff des besonderen Teils des Strafrechts. — Zweiter Teil. Die Straftaten gegen den Staat als Rechtsgut. 1. Die Straftaten gegen den Bestand des Staates. 2. Die Straftaten gegen die Tätigkeit des Staates. — Dritter Teil. Die Straftaten gegen die Gemeinschaft als Rechtsgut. 1. Die Straftaten gegen den gemeinschaftlichen Frieden. 2. Die Straftaten gegen die Sozialhygiene. 3. Die Straftaten gegen das Vertrauen auf Geld und Urkunden. 4. Die Straftaten gegen die guten Sitten der Gemeinschaft. — Vierter Teil. Die Straftaten gegen die Rechtsgüter des Einzelnen. 1. Die Straftaten gegen das Leben und den Körper des Einzelnen. 2. Die Straftaten gegen die Freiheit des Einzelnen. 3. Die Straftaten gegen die Ehre des Einzelnen. 4. Die Straftaten gegen das Vermögen des Einzelnen. Vierter
Die wichtigsten strafrechtlichen Nebengesetze 1. Übersicht. 2. Das Gesetz betreffend das Polizeidelikt. 3. Das Gesetz betreffend die Bestrafung der Gewalttätigkeit usw. 4. Das Gesetz betreffend Verhinderung des Diebstahls, Raubes usw. 5. Das Gesetz betreffend die zeitweilige Behandlung von Geldstrafen usw. Fünfter
Abschnitt:
A b s c h n i t t : D i e G r u n d l a g e n des S t r a f v o l l z u g s rechts 1. Die Idee des Strafvollzugs. 2. Das Gesetz über die Gefangenenanstalten. 3. Die Verordnung betreffend die Behandlung nach der stufenweisen Beförderung. 4. Die Vorschrift betreffend die Prüfung der vorläufigen Entlassung. 5. Das Gesetz betreffend Prävention und Rehabilitation der Verbrecher. 6. Das Gesetz über die Jugendanstalten. 14*
Abkürzungen Einl.:
Einleitung
ESamml.;
EntscheidungsSammlungen des japanischen Reichsgerichts (Ta'ishin-in-Hanketsuroku), Bde. I — X X V I I , 1891—1920
Grdr.:
Grundriß
Grdz.:
Grundzüge
JGG:
Jugendgerichtsgesetz
Lehrb.:
Lehrbuch
HGerE:
Entscheidungen des japanischen Reichsgerichts
RSamml. :
Rechtsprechungssaminlungen des japanischen Reichsgerichts (Taishin-in-Hanreishu), Bde. I — X X V I , 1921—1947; Rechtsprechungssammlungen des japanischen Obersten Gerichts (Saiko-Saibansho-Hanreishu), 4. Jahrgang, 5. Bd. Rechtsprechungssammlungen des japanischen Obergerichts (Koto-Saibansho-Hanreishu), 4. Jahrgang, 4. Bd.
Unters.:
Untersuchung
VorE des deutschen StGB:
Vorentwurf des deutschen StGB 1909
VorEStGB:
Vorläufiger Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches 1931 (Allgemeiner Teil) und drei strafrechtliche Nebengesetze. 1939 Vorläufiger Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches, Besonderer Teil, 1940
Erster
Abschnitt
Die Geschichte des Strafrechts in Japan 1. Rezeption des europäischen Straf redits I n früheren Zeiten wurde bei uns i n Japan geschriebenes Recht nach dem Muster der chinesischen Gesetzgebung festgesetzt. Man kodifizierte unser Recht durch Anpassung der chinesischen Gesetze an das damals bestehende Gewohnheitsrecht unseres Landes. So beherrschte das chinesische Recht unsere Gesetzgebung von den Zeiten der sogenannten Taika-Reform (646) bis zum Beginn der Meiji-Zeit (1868 bis 1911). I m J u l i des Jahres 1881 veröffentlichte die Regierung das Straf- und das Strafprozeßrecht. Beide Gesetze waren von einem Franzosen, Boissonade 1 , ausgearbeitet worden und traten vom Jahre 1882 an i n Kraft. Durch diese Gesetzbücher kamen i n unserem Lande zum ersten Male europäische Rechtsbegriffe zur Geltung 2 . Das Eigentümliche dieses Strafgesetzes besteht zuerst darin, daß es i m § 2 bestimmte: „Keine Handlung darf m i t einer Strafe belegt werden, wenn sie nicht gesetzlich bestimmt ist", also das Grundprinzip „ N u l l a poena sine lege" auf diese Weise verwirklichte, zweitens darin, daß es den Unterschied zwischen den gegen die Angehörigen des Kriegerstandes und den gegen die Bürgerlichen angewandten Strafen abschaffte, drittens darin, daß es die Strafen allgemein humanisierte. 2. Das geltende japanische Strafredit Dieses i m Jahre 1881 veröffentlichte japanische Strafgesetzbuch blieb schon hinter der Zeit zurück, w e i l es dem französischen Strafgesetzbuch, das i m Jahre 1810 i n K r a f t getreten war, folgte. Daher wurden schon i m Jahre des Inkrafttretens dieses Strafgesetzbuches i m Justizministerium Reformarbeiten vorgeschlagen. Sodann wurden 1890, 1901, 1 Gustave Boissonade , Projet révisé de code pénal pour l'empire du Japon, 1886, Projet de code de procédure criminelle pour l'empire du Japon accompagné d'un commentaire, 1882. 2 Vgl. Hans Hellmuth Ruete , Der Einfluß des abendländischen Rechts auf die Rechtsgestaltung in Japan und China (Rechtsvergleichende Untersuchungen zur gesamten Strafrechtswissenschaft Heft 12), 1940.
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Das japanische Strafrecht
1902 und 1907 Reformentwürfe hergestellt. Erst der letzte Entwurf ging i m Reichstag durch. Er wurde am 25. A p r i l 1907 veröffentlicht, trat am 1. Oktober 1908 i n K r a f t und ist das geltende japanische Strafgesetzbuch. Die wichtigsten Verschiedenheiten zwischen dem geltenden und dem abgeschafften Strafgesetz bestehen i n folgendem: Die gesetzliche Dreiteilung i n Verbrechen, Vergehen und Übertretungen w i r d i n jenes nicht aufgenommen; ferner ist es bestrebt, die Fassung aller Bestimmungen einfach zu halten und die Grenze des freien Strafermessens zu erweitern; schließlich schafft es die Ehrenstrafen, wie Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte usw., und gewisse kriminalpolitische Bestimmungen, wie Polizeiaufsicht usw., ab. 3. Die japanische Strafrechtsreform I. D i e R e f o r m d e s J a h r e s 1921 Nach Nr. 77 des Gesetzes 1921 wurde die i m § 253 StGB bestimmte Strafe: „Zuchthaus von einem b:.s zu zehn Jahren" i n „Zuchthaus bis zu zehn Jahren" abgeändert. II. D e r V e r s u c h e i n e r g ä n z l i c h e n des S t r a f g e s e t z e s
Reform
Das geltende japanische Strafgesetzbuch 3 ist am 24. A p r i l des Jahres 1907 sanktioniert und am 1. Oktober des Jahres 1908 i n Kraft gesetzt worden. Als nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes etwa 20 Jahre vergangen waren und inzwischen der Einfluß des ersten Weltkrieges die internationalen politischen Verhältnisse und die inländischen politisch-ökonomischen Umstände völlig verändert hatte, legte die Regierung i m Oktober des Jahres 1921 der „Vorläufigen Gesetzesprüfungskommission" folgende Fragen vor: „Die Regierung meint, insbesondere i m Hinblick auf das Folgende, daß das geltende Strafgesetzbuch abänderungsbedürftige Bestimmungen enthält. Ist diese Annahme richtig, ja oder nein? Wenn die Frage bejaht wird, welche Reform Vorschläge können gemacht werden? 1. Für gewisse Bestimmungen des geltenden Strafgesetzbuches erscheint eine Reform mit Rücksicht auf die uns eigentümliche Moral und die guten Sitten als notwendig. 3 Vgl. Dr. Lönholm, Das neue japanische Strafgesetzbuch, Yokohama, 1907; Dr. Oba, Strafgesetz für das Kaiserlich japanische Reich vom 23. April 1907 (Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher, Nr. 23); Lönholm, Code pénal de l'Empire du Japon, Yokohama, 1907: P. Y. Saeki, The new criminal code of Japan, Yokohama, 1907.
Die Geschichte des Strafrechts in Japan
21
2. Für gewisse Bestimmungen des geltenden Strafgesetzbuches erscheint eine Reform als notwendig, um den Schutz des menschlichen Körpers und der Ehre mehr als bisher zu garantieren. 3. Für die A r t der Strafen und die Methode der Strafvollstreckung erscheint eine Reform als notwendig, um in Verfolg der neuen Geistesrichtung wirksam die Verbrecher zu bekämpfen." Die Vorläufige Gesetzesprüfungskommission unterbreitete am 30. November 1926 der Regierung „Vorschläge zur Strafrechtsreform", bestehend aus 40 A r t i k e l n : 1. Zum Zweck der Erhaltung unserer guten Sitten muß die Strafe mit unserer Volksmoral vereinbar sein; sie darf nicht auf die Loyalität und kindliche Pietät ungünstig einwirken. 2. Es müssen Vorschriften aufgestellt werden, die dem Richter A n weisung erteilen, nach welchem Maßstab er die Strafe zumessen soll. Die Regeln müssen von dem Grundsatz unter 1. ausgehen. 3. Der dauernde Verlust bürgerlicher Ehrenrechte sowie deren A b erkennung auf eine gewisse Zeit müssen als Strafe eingeführt werden. 4. Desgleichen ist die Strafe des Verweises einzuführen. 5. Für den Fall der Verurteilung oder Freisprechung müssen die öffentliche Bekanntmachung des Urteils oder ähnliche Maßregeln vorgesehen werden. 6. Der Richter muß ferner auf Aufenthaltsbeschränkung erkennen können. 7. Es muß bestimmt werden, daß die Buße anstatt oder neben der Strafe verhängt werden kann. 8. Für die Freiheitsstrafen sind die Bedingungen für Gewährung oder Widerruf des Vollstreckungsaufschubs zu mildern und der Kreis derjenigen Strafen, bei denen Vollstreckungsaufschub eintreten kann, zu erweitern. 9. Z u einem Aufschub der Strafvollstreckung auch auf dem Gebiete der Geldstrafe, der Geldbuße und des Verlustes oder der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenstrafe muß dem Richter eine gesetzliche Handhabe geboten werden. 10. Die Beschränkungen während des Aufschubs der Strafvollstreckung sind zu mildern. 11. Es ist eine Vorschrift zu schaffen, nach der der Richter bedingten Aufschub der Verurteilung anordnen kann. 12. I n Fällen des Straferlasses, der Verbüßung oder Befreiung von der Strafe ist von Gesetzes wegen oder auf Anordnung des Gerichts die Verurteilung für wirkungslos zu erklären. 13. U m dem Einzelfall gerecht werden zu können, muß bei Verbrechen, die mit Zuchthaus bedroht sind, nach den Umständen des
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Das japanische Strafrecht
Falles auf Gefängnis erkannt werden können und umgekehrt Zuchthaus bei den m i t Gefängnis bedrohten Verbrechen.
auf
14. Es muß bestimmt werden, daß bei einem Delikt, das m i t Freiheitsstrafe bedroht ist, Geldstrafe oder Aufenthaltsbeschränkung anstatt oder neben der Freiheitsstrafe verhängt werden kann. 15. Es muß bestimmt werden, daß bei Verbrechen, die m i t Freiheitsstrafe bedroht sind, nach den Umständen des Falles Geldstrafe neben der Freiheitsstrafe verhängt werden kann. 16. Es muß' bestimmt werden, daß bei Verbrechen, die m i t Geldstrafe bedroht sind, nach den Umständen des Falles Freiheitsstrafe anstatt oder neben der Geldstrafe verhängt werden kann. 17. Bei Gewohnheitsverbrechen ist die Strafe wesentlich zu erhöhen und zu verschärfen. 18. Es ist zu bestimmen, daß der Richter nach freiem Ermessen die Strafe mildern oder von Strafe absehen kann. 19. Es ist zu bestimmen, daß der Richter eine unbestimmte Strafe verhängen kann. 20. Die Voraussetzungen der vorläufigen Entlassung müssen gemildert werden; auch sind für die vorläufige Entlassung Bestimmungen notwendig, die dem Schutz und dem Interesse des Verurteilten dienen. 21. Es müssen Vorschriften erlassen werden, die i m einzelnen sichernde Maßnahmen gegen Arbeitsscheue, Trunksüchtige und Geistesgestörte regeln. 22. Als vorsorgliche Maßnahme w i r d das Versprechen, i n Zukunft keine Straftaten mehr zu begehen, und Sicherheit für die Einhaltung dieses Versprechens empfohlen. 23. A u f dem Gebiete der Notwehr und des Notstandes ist nicht auf die Erforderlichkeit, sondern auf die Angemessenheit der Rechtsausausübung abzustellen. 24. Die Selbsthilfe bedarf eingehender besonderer Regelung. 25. Es soll bestimmt werden, daß für Straftaten, die auf Grund rechtlichen Irrtums begangen worden sind, nach den Umständen des Falles Strafmilderung oder Straffreiheit eintreten kann. 26. Die Anstiftung ist selbständig ohne Anlehnung an die Haupttat zu konstruieren. 27. Die Zahl der Verbrechen, die mit Todesstrafe oder lebenslänglicher Freiheitsstrafe bedroht sind, muß vermindert werden. 28. Es sind Vorschriften zu schaffen, durch welche die Straftaten gegen den Kaiser von den Straftaten wider die kaiserliche Familie gesondert werden.
Die Geschichte des Strafrechts in Japan
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29. Es ist eine Vorschrift i m allgemeinen Strafgesetzbuch zu schaffen, durch welche die Herabsetzung der Würde der kaiserlichen Familie m i t Strafe bedroht wird. 30. Die Lücken i n den Vorschriften über die Straftaten der Unsittlichkeit und der Unzucht sind auszufüllen und die Strafen angemessen gegeneinander abzuwägen. 31. Es ist eine Vorschrift zu schaffen, welche die Beteiligung an solchen Verbindungen unter Strafe stellt, deren Zweck es ist, Handlungen zu begehen, durch die Gesetze oder Verordnungen verletzt werden. 32. Es ist eine Vorschrift zu schaffen, die es unter Strafe stellt, die Verletzung von Gesetzen oder Verordnungen zu verherrlichen oder zu ihrer Begehung aufzufordern oder aufzureizen. 33. Es sind Vorschriften zu schaffen, denen zufolge unter Berücksichtigung besonderer Verhältnisse die Strafe erhöht, gemildert oder erlassen wird, wenn nämlich der Täter, der gegen das Leben, den Körper, die Freiheit, die Ehre oder das Vermögen Strafttaten begeht, m i t dem Verletzten in einem Verwandtschafts-, Lehrer- und Schüleroder ähnlichen Verhältnisse steht. 34. Die Lücken des geltenden Rechts bezüglich solcher Handlungen, die das Familiensystem verletzen, ζ. B. Aussetzung, Verletzung der Fürsorgepflicht usw., sind auszufüllen. 35. Es sind Vorschriften zu schaffen, denen zufolge zwischen schwerer und leichter Beleidigung unterschieden sowie die schwere Beleidigung als Offizialdelikt unter Strafe gestellt wird, jedoch so, daß eine Verfolgung gegen den Willen des Verletzten nicht stattfindet. Die auf Beleidigung angedrohten Strafen sind zu erhöhen und zu den Strafen, die auf Straftaten gegen das Leben und den Körper stehen, i n ein angemessenes Verhältnis zu setzen. 36. Es ist eine Vorschrift zu schaffen, die bei der Beleidigung dem Verletzten das Recht gibt, den Wahrheitsbeweis der behaupteten Tatsache zu verlangen. 37. Es sind Vorschriften zu schaffen, denen zufolge Gewalttätigkeit ohne Verletzung einer Person und Sachbeschädigung als Offizialdelikte m i t Strafe bedroht werden; jedoch soll eine Verfolgung gegen den Willen des Verletzten nicht stattfinden. Die für die i m vorhergehenden Absatz erwähnten Straftaten angedrohten Strafen sind zu erhöhen. 38. Es ist eine Vorschrift zu schaffen, der zufolge über denjenigen, der eine Unterredung zu erzwingen versucht oder i n unverschämter Weise eine Forderung stellt, Strafe verhängt bzw. die verwirkte Strafe erhöht wird. 39. A u f dem Gebiete der Vermögensdelikte muß die Regelung dahin gehen, daß Straferlaß eintreten kann, wenn Schadensersatz geleistet
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Das japanische Strafrecht
worden ist, es sei denn, daß das Verbrechen gewohnheitsmäßig begangen ist. 40. W i r d nach Begehung eines Deliktes die Strafe geändert, so findet das Gesetz, das i m Zeitpunkt der Aburteilung gilt, Anwendung. Doch darf die Strafe nicht das Höchstmaß der Strafe desjenigen Gesetzes übersteigen, das zur Zeit der Begehung der Tat galt. A m 2. Juni des folgenden Jahres 1927 wurde eine „Prüfungskommission zur Reform des Strafgesetzbuches und der Strafvollzugsordnung" i m Justizministerium gebildet; sie ernannte aus ihrer Mitte eine „vorbereitende Kommission", der die Ausarbeitung des Entwurfes aufgetragen wurde. Mitglieder dieser vorbereitenden Kommission waren unter dem Vorsitz des Rechtsanwalts Dr. T. Hanai: Dr. E. Makino, Professor a. d. kaiserlichen Universität zu Tokio; Dr. N. Toshima, Senatspräsident am Reichsgericht; Dr. R. Hayasihi, Rechtsanwalt; Dr. S. Uzawa, Rechtsanwalt; Dr. S. Motoji, Chef der Abteilung für Kriminalsachen i m Justizministerium. Mitarbeiter waren: Reichsgerichtsrat H. Kusano; Reichsanwalt C. Miyagi; S. Ono, Professor a. d. kaiserlichen Universität zu Tokio; und Justizministeriumsräte S. K i mura, M. Miyake, M. Furata, W. Krokawa, K. Ikeda. Diese vorbereitende Kommission ging von den Vorschlägen zur Strafrechtsreform aus. Um ihren eigenen Entwurf fertigzustellen, zog sie die inländische und ausländische Gesetzgebung, Judikatur und Theorie, insbesondere einen vom Justizministerium i m Jahre 1927 ausgearbeiteten Entwurf (d. h. Vorentwurf oder Entwurf des Justizministeriums), zum Vergleich heran. Dieser Vorentwurf von 1927 wurde zwar nicht amtlich bekanntgegeben. Er ist jedoch tatsächlich bekannt geworden und umfaßt 56 Abschnitte mit 359 Paragraphen. Der allgemeine Teil besteht aus 13 Abschnitten und den Paragraphen 1 bis 122, der besondere Teil aus 43 Abschnitten und den Paragraphen 123 bis 359. Nach 151 beratenden Sitzungen bis zum 15. September 1931 brachte die vorbereitende Kommission den allgemeinen Teil des Strafrechts zum Abschluß und veröffentlichte ihn als unvollendetes Manuskript unter Vorbehalt einiger Artikel. Seit dem 22. September desselben Jahres begann sie m i t den Beratungen über den besonderen Teil des Strafrechts 4 , und nach 208 Sitzungen bis zum 19. März 1940 veröffentlichte sie ihn als unvollendetes Manuskript unter Vorbehalt einiger A r t i k e l 4 0 . Aber bald danach während der Beratungen wurde die vorbereitende Kommission auf Befehl der Regierung aufgelöst. 4 Vgl. Bericht von Seiichiro Ono, Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Bd. 60 (1940), S. 255. 4 a Deutsche Übersetzung des Vorläufigen Entwurfs 1931 (Allg. Teil) von
Kusano, Saito und Breuer, Tokio 1939, des Entwurfs 1940, (Bes. Teil) von Kusano und Saito, Tokio 1940.
Die Geschichte des Strafrechts in Japan
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III. D i e R e f o r m d e s J a h r e s 1 9 4 1 Das Bedürfnis nach Reform des Straf rechts wurde jedoch immer stärker mit der Verschlimmerung der internationalen Verhältnisse, um die Aufrechterhaltung des öffentlichen Friedens zu erhalten. A m 6. Februar des Jahres 1941 brachte daher die Regierung den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches ein. M i t einigen Abänderungen ging er in beiden Häusern durch und ist als „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches" am 12. März 1941 sanktioniert worden und am 20. i n K r a f t getreten. Was nach diesem Gesetze reformiert und neu festgesetzt wird, ist das Folgende: 1. I m allgemeinen Teil ist dreierlei neu bestimmt: Das erste bezieht sich auf die Bestrafung derjenigen Beamtenbestechung, die außerhalb des japanischen Landes begangen wird; die Regelung ist aber nicht wesentlich verschieden von den bisherigen Bestimmungen. Das zweite, das aus dem § 47 VorEStGB (1931) stammt, nimmt Bezug auf die Unterbringung i n der Nichtzahlungshaftanstalt. Das dritte, das aus §§ 52 Abs. 1 Ziff. 3, 4, 52 Abs. 2, und 53 VorEStGB (1931) stammt, steht i m Zusammenhang m i t der Einziehung. 2. I m besonderen Teil ist fünferlei neu bestimmt: Als erstes w i r d bei der Störung von Amtsgeschäften die Zwangsvollstreckungsflucht des § 96 a StGB, die Störung von A u k t i o n oder Submission des § 96 b StGB neu unter Strafe gestellt. Als zweites sind bei den Straftaten wider Ruhe und Ordnung die allgemeine Verbreitimg einer unwahren Nachricht des § 105 a StGB, die besondere Verbreitung einer unwahren Nachricht des § 105 b StGB und die Hinderung der Volkswirtschaft des § 105 c StGB neu geregelt. Diese Bestimmungen stammen aus §§ 244 bzw. 246 VorEStGB (1940). Das dritte steht i m Zusammenhang m i t der fahrlässigen Brandstiftung, wie sie i m § 116 Abs. 1 StGB von „Geldstrafe bis zu dreihundert Yen" i n „Geldstrafe bis zu eintausend Yen" verschärft worden ist; so ist die Strafe der allgemeinen fahrlässigen Brandstiftung erhöht und die besondere fahrlässige Brandstiftung i m § 117 a StGB geregelt. Das vierte betrifft die Urkundenfälschung mittels eines Beamten, nämlich i n § 157 Abs. 1 StGB; dort w i r d die Strafe „Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu einhundert Yen" auf „Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen" erhöht, ebenso auch in § 157 Abs. 2 StGB die Strafe „Zuchthaus bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzig Yen" auf „Zuchthaus bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundert Yen". Das letzte bezieht sich auf die Bestechung; es wurden die Bestimmungen der §§ 197, 198 reformiert und die drei §§ 197 a, 197 b, 197 c neu geschaffen. Diese reformierten oder neu eingefügten Vorschriften stammen aus dem vorläufigen Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches.
2
Das apanische Strafrecht
IV. D i e R e f o r m
des J a h r e s
1947
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Reform des Strafrechts 5 m i t der Reform der Verfassung notwendig. I m Juni 1947 wurden daher die „Vorläufige Gesetzesprüfungskommission" i m Kabinett und die „Justizgesetzesuntersuchungskommission" i m Justizministerium gebildet. Nach eingehenden Beratungen wurde der folgende „Grundriß des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches", der die nachstehenden 13 A r t i k e l enthält, als Bericht an die Regierung angefertigt: A. Allgemeiner
Teil
1. a) Bei jemandem, bei dem auf höchstens drei Jahre Zuchthaus oder Gefängnis zu erkennen ist, kann die Strafvollstreckung aufgeschoben werden. b) Wie das summarische Gericht (the Summary Court) die Strafvollstreckung aufschieben kann, so ist auch der Bereich zu erweitern, innerhalb dessen die Strafvollstreckung aufgeschoben werden kann. 2. Wenn eine Handlung mehrere Strafbestimmungen Handlung, die das M i t t e l oder der Erfolg der Straftat Strafbestimmungen verletzt oder mehrere fortgesetzte dieselben Strafbestimmungen verletzen, so müssen sie als hängendes Verbrechen angesehen werden. Doch ist die auf sten Straftat liegende Strafe dabei zu vollstrecken.
oder eine ist, andere Handlungen zusammender schwer-
3. Wenn die Tatsache des Rückfalls nach Rechtskraft der Entscheidung entdeckt wird, so ist gegen den Täter die zu verschärfende Strafe nicht noch einmal festzusetzen. 4. Wenn ein Täter die Strafe verbüßt hat oder i h m Befreiung von der Strafvollstreckung gewährt worden ist und zehn Jahre abgelaufen sind, ohne daß er zu Geldstrafe oder einer schwereren Strafe verurteilt wurde, so verliert die Verurteilung ihre Wirkung. B. Straftaten 5. I n den Bestimmungen über die Straftaten gegen die kaiserliche Familie ist der Sinn der unehrerbietigen Straftat gegen den Kaiser oder ein Mitglied der kaiserlichen Familie klarzustellen. 6. Die Bestimmungen über die Straftaten i n Beziehung auf ausländische Angriffe sind i n die Bestimmungen über die Straftaten i n Beziehung auf die Anwendung von Waffengewalt aus dem Auslande einzureihen. 5 Auch das Strafprozeßrecht wurde reformiert. Vgl. The code of criminal procedure (Law No. 131, promulgated on July 10, 1948) Tokyo, 1948; Rule of criminal procedure (Supreme Court Rule No. 32, 1948) Tokyo, 1949.
Die Geschichte des Strafrechts in · Japan
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7. Die Strafe der Straftaten gegen die internationalen Beziehungen ist zu erhöhen. 8. Die über den Ehebruch aufgestellten Bestimmungen sind zu beseitigen; dieser ist unter sittlichen und zivilrechtlichen Fragen zu behandeln. 9. Die Strafen beim Mißbrauch der Amtsgewalt des allgemeinen Beamten (§ 193 StGB), Mißbrauch der Amtsgewalt des besonderen Beamten (§ 194 StGB) und Gewalttat oder Mißhandlung des Beamten (§ 195 StGB) sind zu erhöhen. 10. Die Bestimmung des § 211 StGB ist abzuändern, u m eine Handlung, die aus grober Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, ebenso zu behandeln wie die bei geschäftlicher Tätigkeit fahrlässige Körperverletzung und Todverursachung. 11. Es ist eine Bestimmung über die Straftaten in Beziehung auf Behandlung und Pflege von Knaben und Mädchen aufzustellen. 12. a) Der Bereich der Drohung (§ 222 StGB) und Nötigung (§ 223 StGB) ist zu erweitern und ihre Strafe ist zu erhöhen. b) Entsprechend ist die Stra::e für Störung der Ausübung der Amtsgeschäfte und Nötigung zu Amtsgeschäften (§ 95 StGB) zu erhöhen. 13. a) Die Strafe der Ehrverletzung (§ 230 StGB) und der Beleidigung (§ 231 StGB) ist i m entsprechenden Maß zu erhöhen. b) Eine dieselbe Strafe verschärfende Bestimmimg ist vorzusehen für den Fall der Begehung von Ehrverletzung mittels öffentlicher Publikation. Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Ehrverletzung m i t tels Druckes, Anschlags oder Rundfunks begangen wird. A u f Grund dieses „Grundrisses des Entwurfes des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches" stellte die Regierung den „Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches" her und brachte ihn i m ersten Parlament des Jahres 1947 ein. Das Abgeordnetenhaus, dem er am 9. Juni von der Regierung vorgelegt wurde, nahm i h n unter einigen Abänderungen an und überwies ihn am 6. Oktober dem Oberhaus. Dann nahm das Oberhaus diesen Vorschlag an. A u f diese Weise entstand das „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches"; es wurde am 26. Oktober 1947 veröffentlicht und trat am 15. November 1947 i n K r a f t 6 . Λ Jedoch nahm dieses reformierte Strafgesetz den Grundriß des Entwurfes des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches nicht völlig in sich auf. Vgl. Blakemore, The criminal code of Japan, Tokyo, 1950. Text des abgeänderten Japanischen StGB in „Sammlung außerdeutscher Strafgesetzbücher in deutscher Ubersetzung", Heft 65, Berlin 1954 (Übersetzung von Saito und
und Nishihara).
Das japanische Strafrecht
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4. Das widitigste Schrifttum und die in Betracht kommenden Entscheidungssammlungen I. D a s w i c h t i g s t e
Schrifttum
1. Allgemeiner Teil Kameji Kimura, Neues Lehrbuch des Strafrechts, neubearbeitete Auflage, 1950; Masaharu Inoue, Strafrechtswissenschaft, Allgemeiner Teil, 1951; Yoshio Koke, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, vierte, neubearbeitete Auflage, 1948; Hyoichiro Kusano, Lehrbuch des Allgemeinen Teils des Strafrechts, Erster Band, 1951, Zweiter Band, 1952; Eiichi Makino, Japanisches Strafrecht, Erster Band, vierte, völlig neubearbeitete Auflage, 1937; Shinkuma Motoji, Japanisches Straf recht, Erster Band, 1936; Seiichiro Ono, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 1948; Kinsaku Saito, Strafrecht, Allgemeiner Teil, neubearbeitete Auflage, 1950; Yukitoki Takikawa, Einleitung in die Lehre vom Verbrechen, 1938; Yukitoki Takikawa, Haruo Takikawa und Yutaka Miyauchi, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 1950, Masakichi Yasuhira, Die Grundzüge des neuen Strafrechts, 1948.
2. Besonderer
Teil
Kameji Kimura, Der besondere Teil des Straf rechts, 1938; Yoshio Koke, Lehrbuch des Straf rechts, Besonderer Teil, neubearbeitete Auflage, 1948; Eiichi Makino, Japanisches Straf recht, Zweiter Band, vierte, völlig neubearbeitete Auflage, 1938; Shinkuma Motoji, Japanisches Straf recht, Zweiter Band, 1936; Seiichiro Ono, Lehrbuch des Strafrechts, Besonderer Teil, dritte, völlig neubearbeitete Auflage, 1949; Kinsaku Saito, Strafrecht, Besonderer Teil, neubearbeitete Auflage 1950; Yukitoki Takikawa, Besonderer Teil des Strafrechts, 1951; Masakichi Yasuhira, Besonderer Teil des Strafrechts, Erster Band, 1949, Zweiter Band, 1950.
3. Wichtige Abhandlungen und Zeitschriften Hyoichiro Kusano, Die Untersuchung der kriminalistischen Rechtsprechungen, Bde. I—V, 1934—1940; Eiichi Makino, Die Erforschung des Straf rechts, Bde. I — X I I , 1942—1949; Strafrechtliche Abhandlungen, herausgegeben von der Japanischen Straf rechts wissenschaftlichen Gesellschaft (Japanese Criminal Law Society, Nihon Keiho Gakkai), Bde. I—VI, in Vorbereitung; Die kritischen Darstellungen der kriminalistischen Rechtsprechungen, 14. Jahrgang, Bde. I — I X ; Zeitschrift für das Straf recht (Journal of Criminal Law), herausgegeben von der Japanischen Strafrechtswissenschaftlichen Gesellschaft. II.
Die
in
Betracht kommenden sammlungen
Entscheidungs-
1. Entscheidungssammlungen des japanischen Reichsgerichts (Taishin-inHanketsuroku), Bde. I — X X V I I , 1891—1920. 2. Rechtsprechungssammlungen des japanischen Reichsgerichts (Taishin-inHanrelshu), Bde. I — X X V I , 1921—1947. 3. Rechtsprechungssammlungen des japanischen Obersten Gerichts (Saiko Saibansho-Hanreishu) (Supreme Court Reports), 4. Jahrgang, 5. Bd. 4. Rechtsprechungssammlungen des japanischen Obergerichts £Koto-Saibansho-Hanreishu) (High Court Reports), 4. Jahrgang, 4. Bd.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
Zweiter
228
Abschnitt
Der allgemeine Teil des Strafrechts Erster
Teil. Das
Strafrecht
1. Der Begriff des S traf rechts I. Ü b e r s i c h t Der Mensch kann nur i n der Gemeinschaft leben und wirken. Wo gemeinschaftliches Leben ist, da entsteht die Norm von selbst, u m die Tätigkeit des Menschen zu regeln: i n Religion, Moral und Recht. Das Strafrecht ist ein Teil des Rechtes. II. D a s
Strafgesetz
Das Strafgesetz ist ein Gesetz, das eine normwidrige Handlung m i t Strafe bedroht. Es fragt sich, ob das Strafrecht Handlungsnorm oder Gerichtsnorm ist, m. a. W., wer der Adressat des Strafrechts ist. Ich denke, daß die Strafrechtsnorm sich als Handlungsnorm an die Menschen i m allgemeinen vor der Begehung einer Straftat, als Gerichtsnorm an die Prozeßbeteiligten nach der Begehung einer Straftat und als Strafvollzugsnorm an den Bestraften richtet. Betrachtung zur Zeit der Begehung der Straftat.
Betrachtung zur Zeit des Strafverfahrens.
Betrachtung zur Zeit des Strafvollzugs.
Die Menschen i m allgemeinen.
Die Prozeßbeteiligten.
Der Bestrafte.
Normative EigenHandlungsnorm,. schaft des Strafrechts.
Gerichtsnorm.
Strafvollzugsnorm.
Betrachtungsweise.
Abstrakte und konkrete Betrachtung.
Konkrete Betrachtung.
Adressat des Strafrechts.
Abstrakte Betrachtung.
III. D a s m a t e r i e l l e u n d f o r m e l l e Strafrecht Unter jenem, ist das Strafgesetzbuch, unter diesem das Strafprozeßgesetzbuch zu verstehen. IV. D a s a l l g e m e i n e u n d b e s o n d e r e Strafrecht Jenes umfaßt die Bestimmungen des Strafgesetzbuches, dieses die Bestimmungen der strafrechtlichen Nebengesetze. Über den Zusam-
24
Das japanische Strafrecht
menhang zwischen ihnen bestimmt § 8 StGB: „Die allgemeinen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auch Anwendung auf die i n anderen Gesetzen oder Verordnungen enthaltenen Strafbestimmungen; das gilt jedoch nicht, wenn diese Gesetze oder Verordnungen abweichende Bestimmungen enthalten." Nach dieser Vorschrift gilt nicht der allgemeine Teil des Straf rechts für das besondere Straf recht: wenn ausdrücklich i m besonderen Strafrecht bestimmt ist, daß die Bestimmungen des allgemeinen Teils des Straf rechts nicht anzuwenden sind; wenn aus der Auslegung des besonderen Straf rechts zu ersehen ist, daß; es die Anwendung von Bestimmungen des allgemeinen Teils des S traf rechts ausschließt; wenn eine Ausnahmebestimmung zum allgemeinen Teil des Strafrechts i m besonderen Strafrecht enthalten ist. 2. Der Geltungsbereich des Strafgesetzes I. D i e z e i t l i c h e
Geltung
des
Strafgesetzes
1. Übersicht Wirksam ist das Strafgesetz grundsätzlich von dem Zeitpunkt des Inkrafttretens bis zum Zeitpunkt der Abschaffung. Ausnahmsweise findet jedoch dieser Grundsatz keine Anwendung i n einigen Fällen, wenn das Gesetz zur Zeit der Begehung der Handlung und das Gesetz zur Zeit ihrer Aburteilung verschieden sind. 2. Das Gesetz zur Zeit der Begehung der Handlung zur Zeit ihrer Aburteilung
und das Gesetz
a) Wenn eine Handlung, die nach dem Gesetz zur Zeit der Begehung der Handlung kein Verbrechen war, nach dem Gesetz zur Zeit ihrer Aburteilung ein Verbrechen ist, dann w i r d diese Handlung nicht bestraft, weil die Strafgesetze keine rückwirkende Kraft haben. b) Wenn eine Handlung, die nach dem Gesetz zur Zeit der Begehung der Handlung ein Verbrechen war, nach dem Gesetz zur Zeit ihrer Aburteilung kein Verbrechen ist, dann findet nach dem § 337 Ziff. 2 StPO bei dieser Handlung keine Strafverfolgung statt. Aber das abgeschaffte Gesetz findet dann Anwendung, wenn dieses Gesetz ein sog. Zeitgesetz war. c) Wenn eine Handlung, die nach dem Gesetze zur Zeit der Begehung der Handlung ein Verbrechen war, nach dem Gesetze zur Zeit ihrer Aburteilung auch noch ein Verbrechen ist, erhebt sich die Frage, ob eine Straftat grundsätzlich nach dem Gesetze zur Zeit ihrer Begehung oder nach dem Gesetze zur Zeit ihrer Aburteilung abgeurteilt wird. Die Rechtsprechung der japanischen Gerichte 1 und die herr1
Ζ. B. RGerE 31. Januar 1934 (RSamml. Bd. 13, S. 28).
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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sehende Lehre 2 vertreten die Ansicht, daß der Täter nach dem Gesetze zur Zeit der Begehung der Handlung bestraft werden soll, aber einige neueren Lehren 3 und der vorläufige Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches vertreten die gegenteilige Ansicht. Als Ausnahmevorschrift bestimmt § 6 StGB: „Ist die Strafe durch ein nach der Begehung der Straftat erlassenes Gesetz geändert worden, so w i r d die mildere Strafe verhängt." II. D i e r ä u m l i c h e
Geltung
des
Strafgesetzes
1. Übersicht U m die räumliche Geltung des Strafgesetzes zu entscheiden, werden vier Prinzipien aufgestellt: Territorialprinzip, Personalprinzip, Schutzprinzip und Universalprinzip. 2. Das vom japanischen Strafgesetze angenommene Prinzip Grundsätzlich gilt für die Anwendung des japanischen Strafgesetzes das sog. Territorialprinzip. § 1 Abs. 1 StGB lautet nämlich: „Dieses Gesetz findet ohne Rücksicht auf die Person Anwendung auf jeden, der innerhalb des japanischen 4 Landes eine Straftat begeht." Ausnahmsweise gelten für die Anwendung des japanischen Strafgesetzes das sog. Schutzprinzip und das sog. Personalprinzip. § 2 StGB bestimmt hierzu: „Dieses Gesetz findet ohne Rücksicht auf die Person Anwendung auf denjenigen, der außerhalb des japanischen Landes nachstehende Straftaten begeht: 1. Straftaten ", und §§ 3, 4 StGB lauten: „Dieses Gesetz findet Anwendung auf diejenigen Japaner, die außerhalb des japanischen Landes folgende Straftaten begehen: 1. Straftaten ." „Dieses Gesetz findet Anwendung auf öffentliche Beamte Japans, die außerhalb des japanischen Landes folgende Straftaten begehen: 1. Straftaten 3. Die Wirksamkeit einer ausländischen Verurteilung § 5 StGB lautet: „Durch die rechtskräftige Aburteilung einer Person i m Auslande w i r d die nochmalige Bestrafung wegen der gleichen Straftat nicht ausgeschlossen; wenn jedoch die i m Auslande verhängte Strafe ganz oder teilweise vollstreckt worden ist, so w i r d von der Vollstreckung der verhängten Strafe ganz oder teilweise abgesehen5." 2
Z. B. Kusano, Lehrb. I. 29. * Z.B. Ono, Lehrb. 66f, Miyamoto , Lehrb. 39. 4 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wurde das bisher in §§ 1 bzw. 4 befindliche Wort: „kaiserlich" durch „ japanisch " ersetzt. Diese Ersetzung entspricht auch der neuen japanischen Verfassung. 5 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wurde die bisherige Bestimmung des § 5: „so kann von der Vollstreckung der verhängten Strafe ganz oder teilweise abgesehen werden" damit abgeändert. 15 Ausländisches S t r a f r e c h t
I.
Das japanische Strafrecht
2
III. D i e p e r s ö n l i c h e W i r k s a m k e i t
des
Strafgesetzes
Grundsätzlich ist das Strafgesetz für die Straftaten aller Menschen wirksam, soweit das Strafgesetz zeitlich und räumlich gilt. Jedoch gibt es folgende Ausnahmefälle: a) Ausnahmefälle auf Grund inländischer Verhältnisse: Der Kaiser (§ 1 der japanischen Verfassung); Abgeordnete (§ 51 der japanischen Verfassung); b) Ausnahmefälle auf Grund ausländischer Verhältnisse: Der Monarch und der Präsident eines fremden Staates, seine Familienmitglieder und sein Gefolge, welche nicht Japaner sind; der akkreditierte Diplomat eines fremden Staates, seine Angehörigen, seine Familienmitglieder, Arbeitnehmer und sein Gefolge, welche keine Japaner sind; die i m japanischen Lande befindliche Armee und die Kriegsschiffe eines fremden Staates, welche die Anerkennung erlangten. 3. Die Auslegung des Strafgesetzes Die Auslegung des Strafgesetzes hat so zu erfolgen, wie die sonstigen Gesetze ausgelegt werden. Nach dem bisher Gesagten könnte angenommen werden, daß die Auslegung des Strafgesetzes beschränkt sein müsse und auch die sog. Analogie von der Strafbegründung ausgeschlossen sei, w e i l für das Straf recht der berühmte Satz gilt: „nulla poena sine lege" 6 . Aber dies ist unrichtig. I n Japan sagte bereits unter der Bestimmung des § 366 StGB von 1880 („Wer ein anderes Eigent u m wegnimmt, w i r d wegen eines Raubes m i t verschärftem Gefängnis von zwei Monaten bis zu vier Jahren bestraft") die Entscheidung des japanischen Reichsgerichts vom 21. M a i 19037: „Der Elektrizitätsstrom ist keine körperliche Sache; doch kann man das Dasein des Elektrizitätsstromes infolge seiner W i r k u n g m i t den fünf Sinnesorganen erkennen und durch Einschließung ins Gefäß ihn selbständig bestehen lassen. Daher w i r d der Täter, der den Elektrizitätsstrom, den eine andere Person i n Gewahrsam hat, unrechtmäßig wegnimmt und i n seinen eigenen Dienst stellt, als ein, Räuber angesehen." Es erhebt sich hier die Frage, ob die rückwirkende Kraft des Strafgesetzes anzunehmen ist. Überwältigend war unter dem ehemaligen japanischen Strafgesetze von 1907 die Meinung vertreten, man müsse die rückwirkende K r a f t des Strafgesetzes annehmen; unter der neuen japanischen Verfassung aber betonen die Gelehrten den Grundsatz der Nichtrückwirkung des Strafgesetzes; denn § 39 der neuen japanischen Verfassung lautet: „Keine Person w i r d wegen ihrer Handlung, die zur Zeit der Begehung der Handlung rechtmäßig war, als kriminell schuldhaft angesehen." β 7
Siehe dazu Motoji, Str. I I . 195. E Samml. Bd. 9, S. 784.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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4. Der Sprachgebrauch des Strafgesetzes Grundsätzlich soll man die Wörter, die im Strafgesetzbuch gebraucht sind, i m gewöhnlichen Sinne verstehen. Also sind sie nicht besonders i m Strafgesetzbuch definiert. Aber einige Wörter sind ausnahmsweise i m Strafgesetzbuch erläutert. a) Nach dem § 7 Abs. 1 StGB umfaßt der Ausdruck „Beamter" Staatsbeamte, öffentliche Beamte, Mitglieder von Körperschaften, Ausschüssen und sonstige Personen, welche nach Gesetz oder Verordnung öffentliche Geschäfte wahrnehmen, b) Nach dem § 7 Abs. 2 StGB umfaßt der Ausdruck „Behörde" eine Amtsstelle, welche Amtsgeschäfte wahrnimmt, c) Der Ausdruck „Öffentlichkeit" ist i m vorläufigen Entwurf des japanischen Strafgesetzes erläutert; § 7 Abs. 3 VorEStGB lautet nämlich: „»Öffentlichkeit 4 liegt vor, wenn die Anwesenheit einer unbestimmten Anzahl oder mehrerer Personen erkennbar ist." d) Auch die Definition des Ausdruckes „Gewalttat" erscheint i m vorläufigen Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches; § 7 Abs. 4 VorEStGB bestimmt nämlich: „,Gewalttat' umfaßt auch solche Handlungen, bei welchen gesundheitsschädliche M i t t e l oder Hypnotismus sowie andere Mittel, die geeignet sind, eine Person gegen ihren Willen bewußtlos oder widerstandsunfähig zu machen, angewendet werden."
Z w e i t e r T e i l . Die Lehre vom Verbrechen A. D e r a l l g e m e i n e
Tatbestand
des
Verbrechens
1. Der Begriff des Verbrechens 1. Übersicht Das Verbrechen ist die i m Strafgesetzbuch bestimmte schuldhaftrechtswidrige Handlung. Wie ich schon i m Ersten Teil berührt hatte, ist der Satz „nulla poena sine lege" noch das Grundprinzip des geltenden Straf rechts; damit ist i m Strafgesetzbuch bestimmt, welche Handlungen als Verbrechen anzusehen sind. Zum Beispiel betrifft § 199 StGB eine Handlung, die „einen Menschen tötet". Aber er enthält andererseits zugleich das Verbot: „ D u sollst einen Menschen nicht töten." Daher verletzt die Tötung auch dieses Verbot und w i r d deshalb für rechtswidrig angesehen. Ausnahmsweise w i r d jedoch die Rechtswidrigkeit der Handlung ausgeschlossen und diese nicht als Verbrechen behandelt, wenn sie i n Notwehr begangen (§ 36 StGB), nämlich eine Abwehrhandlung ist, welche unvermeidlich ist, um eine unmittelbar drohende unberechtigte Schädigung eines Rechts von sich oder einem anderen abzuwehren. Und wenn die Tötung von einem 15*
Das japanische Strafrecht
2
Bewußtlosen (§ 39 Abs. 1 StGB) oder einer Person, welche das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 41 StGB), begangen w i r d oder für sie der Vorsatz oder die Fahrlässigkeit fehlt, w i r d die Schuld dieser Handlung ausgeschlossen und ist der Täter nicht strafbar. Also ist das Verbrechen nach der Strafrechtswissenschaft die in; Strafgesetzbuch bestimmte Handlung, welche rechtswidrig und schuldhaft ist. 2. Der Tatbestand des Verbrechens Der hier genannte Tatbestand des Verbrechens ist das Erfordernis, welches für Verwirklichung des Verbrechens ideal notwendig ist. Er ist von der Strafbarkeitsbedingung, die das für die Strafverhängung notwendige Erfordernis ist, wie Bankrotterklärung i m Bankrottsdelikt und von der Prozeßvoraussetzung wie Antrag im Antragsverbrechen verschieden. I m Tatbestand des Verbrechens ist zu unterscheiden der allgemeine und der besondere Tatbestand. Jener ist der allen Verbrechen gemeinsame Tatbestand, nämlich das ζ. B. der Tötung und dem Diebstahl gemeinsame Merkmal; m. a. W.: er ist die „schuldhaft-rechtswidrige Handlung". Dagegen ist dieser der dem einzelnen Verbrechen eigentümliche Tatbestand. Ζ. B. ist der der Tötung eigentümliche Tatbestand, „einen Menschen zu töten", also das Morden, und der dem Diebstahl eigentümliche Tatbestand, „einem anderen ein Vermögensstück wegzunehmen", m. a. W. die Wegnahme. Von den Gelehrten w i r d dieser besondere Tatbestand bloß „Tatbestand" oder „Deliktstypus" genannt 1 . Hauptsächlich w i r d der allgemeine Tatbestand i m allgemeinen Teil des Strafrechts, der besondere Tatbestand i m besonderen Teil des Strafrechts geregelt. A n dieser Stelle ist vom allgemeinen Tatbestand des Verbrechens die Rede. Die erste Meinung 2 begreift ihn, indem sie ihn in drei Merkmale teilt: Handlung, Rechtswidrigkeit und Schuld. Die zweite 3 definiert ihn, indem sie ihn i n drei Merkmale teilt: Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld. Die dritte 4 unterscheidet vier Merkmale: Handlung, Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld. Die vierte 5 teilt ihn i n fünf Merkmale: Handelnder, Handlung, Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld. Von dem ersten Standpunkt w i l l ich i n dieser Abhandlung ausgehen. 3. Die Arten des Verbrechens a) Verbrechen, Vergehen und Übertretung. Das geltende japanische Strafgesetzbuch nimmt diese Dreiteilung nicht an, die i n mehreren 1 2 3 4 5
Über den „Tatbestand" siehe Ono, Lehrb. 86 ff. Vgl. Koizumi, Grdr. 82 ff. Kusano, Lehrb. 54 ff. Ζ. B. Ono, Lehrb. 86 ff. Ζ. B. Takikawa, Einl. 15 ff. Ζ. B. Yasuhira, St. 275 ff.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
22
Gesetzgebungen und dem ehemaligen japanischen Strafgesetzbuch von 1880 gefunden wurde. b) Politisches Delikt und allgemeines Delikt. Jenes, das sog. délit politique, ist das Delikt, das die Regierungsordnung eines Staates schädigt; dieses ist jedes andere Delikt, délit de droit commun. Beim politischen Delikt besteht das besondere Problem der Auslieferung des Täters. c) Kriminaldelikt und Verwaltungsdelikt (natürliches Delikt und gesetzliches Delikt). Über diesen Unterschied herrscht Streit. Nach der ersten Meinung ist das Kriminaldelikt die Straftat, die dem als fundamentales Sittengefühl bezeichneten Erbarmen oder der Aufrichtigkeit widerspricht; Verwaltungsdelikt sind alle übrigen Straftaten. Die zweite Meinung betont, daß jenes die Straftat ist, deren Wesen i n der Rechtswidrigkeit, und dieses die Straftat ist, deren Wesen i n der Verwaltungswidrigkeit besteht. Nach der dritten Meinung (diese vertrete ich) ist das Kriminaldelikt die Straftat, welche die unter den heutigen Verhältnissen als kulturelle Bedingung allgemein anerkannte sittliche Norm, und das Verwaltungsdelikt die Straftat, welche die vom Staat zur Erreichung seines Verwaltungszweckes gesetzte Norm übertritt. 2. Die Handlung I. D a s S u b j e k t d e r
Handlung
1. Das Subjekt Das Verbrechen ist eine Handlung. Nur der Mensch kann Subjekt der Handlung sein. I n der Gegenwart ist das Tier oder das leblose Wesen nicht — wie i m A l t e r t u m — Gegenstand der Bestrafung. Der gesetzliche Ausdruck „Mensch" bedeutet den natürlichen Menschen und nicht die juristische Person. Selbstverständlich kann der natürliche Mensch das Subjekt der Handlung sein; aber es fragt sich, ob die j u r i stische Person das Subjekt der Handlung sein kann. Dazu erklärt die Rechtsprechung: „Unter dem geltenden Strafrecht ist es der rechtsphilosophische Grundsatz, die Verbrechensfähigkeit der juristischen Person nicht anerkennen zu dürfen; das kommt daher, weil es nach den Bestimmungen der §§ 38 bzw. 41 StGB zweifellos ist, daß das Strafrecht die den Naturwillen besitzenden Zurechnungsfähigen als das mit Strafe zu bedrohende Subjekt der Handlung annimmt 6 ." Dasselbe betont die herrschende Lehre 7 . Wie es manchen jedoch scheint, liegt i n einigen Beauf sichtigungsVorschriften wie „Gesetz betreffend das Steuerdelikt der juristischen Person von 1900" ein Fall vor, in dem die juristische Person bestraft wird; aber sie sehen die juristische « RGerE 22. November 1934 (RSamml. Bd. 13, S. 1541). 7 Ζ. B. Koizumi , Grdr. 75. Kusano, Lehrb. 69.
Das japanische Strafrecht
2
Person nicht als Subjekt der Handlung an, sondern sie rechnen der juristischen Person die Handlung ihres Organes zu. 2. Der Gegenstand der Bestrafung Es ist ein strafgesetzlicher Grundsatz, daß das Subjekt der Handlung gleichzeitig der Gegenstand der Bestrafung ist. Von diesem Grundsatz werden Beaufsichtigungsvorschriften wie Steuergesetze usw. ausgenommen. Es trägt nämlich ein Geschäftsführer oder sein gesetzlich anerkannter Vertreter die strafgesetzliche Schuld, wenn ein Angestellter i n seinem Geschäfte das Gesetz übertritt. Dabei erhebt sich zunächst die Frage, ob der Geschäftsführer oder sein gesetzlich anerkannter Vertreter schuldig ist, auch wenn ihm die Fahrlässigkeit fehlt. Früher nahm die herrschende Lehre die sog. Theorie der Strafbeschuldigung an 8 und verstand damit diese Frage positiv. Aber i n der Gegenwart w i r d sie mehr und mehr negativ beantwortet 9 , w e i l es absurd ist, statt des Schuldigen den Unschuldigen zu bestrafen. Weiter erhebt sich die Frage, ob der Angestellte selbst schuldig ist, wenn der Geschäftsführer oder sein gesetzlich anerkannter Vertreter an der Handlung seines Angestellten die Schuld trägt. Die Rechtsprechung 10 und die Gelehrten 1 1 beantworten diese Frage negativ. Jedoch ist darauf aufmerksam zu machen, daß einige Gesetze vorliegen, welche außer dem Geschäftsführer auch den Täter bestrafen 12 . 3. Das Objekt der Handlung Das hier i n Frage stehende Objekt der Handlung ist der Gegenstand der im besonderen Tatbestand des Strafrechts bestimmten Handlung, nämlich der Mensch und die Sache. Der Mensch ist das Objekt der Handlung ζ. B. in der Tötung des § 199 StGB, die Sache ζ. B. i n dem Diebstahl des § 235 StGB. Doch ist noch darauf aufmerksam zu machen, daß das Objekt der Handlung verschieden von dem Objekt des Verbrechens ist. Dieses ist ζ. B. bei der Tötung die Sicherheit des Lebens und beim Diebstahl die Sicherheit des Vermögensbesitzes. Also erklärt sich das Eigentümliche jedes Verbrechens durch Erforschung des Rechtsgutes. II. D e r B e g r i f f
der
Handlung
1. Die Bedeutung Handlung ist Tun oder Lassen nach der Willensbestimmung. Daß die Handlung nach der Willensbestimmung entsteht, ist das erste Er8
Siehe dazu Motoji, Studium der Kriminologie (1920), 604. Vgl. Kusano, Unters. V. 44. Tatsukichi Minobe, Grundriß des Verwaltungsstrafrechts (1939), S. 53. 10 Ζ. B. RGerE 28. August 1906 (ESamml. Bd. 12, S. 884). 11 Ζ. B. Koizumi , Grdr. 77. Kusano, Lehrb. 51 f. 12 Z. B. § 12 des Gesetzes zur Kontrolle ausländischer Wechsel. 9
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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fordernis der Handlung. Daher ist die Reflexbewegung oder das bei unwiderstehlicher Gewalt vorgenommene Tun oder Lassen keine Handlung. Sodann muß die Handlung ein äußerlich-körperliches T u n oder Lassen sein. Handlung heißt ζ. B. die Tätigkeit der Menschenglieder, das Aussprechen und das Schreiben. Der bloße innere Wille gilt nicht als Handlung, w e i l „Gedanken zollfrei sind", wie das Sprichwort sagt. Hier ist noch zu fragen, ob dieser Handlungsbegriff den Erfolg enthält. Die herrschende Lehre beantwortet diese Frage positiv, und die den Erfolg enthaltende Handlung heißt Handlung i m weiteren Sinne, die sonstigen Handlungen heißen Handlung i m engeren Sinne. Man nennt eine Straftat, welche nach der Eigenschaft des Verbrechens keinen Erfolg erfordert, Formaldelikt, ζ. B. die Ehrverletzung, den Meineid usw., dagegen eine den Erfolg erfordernde Straftat Materialdelikt, ζ. B. die Tötung, die Körperverletzung usw. 2. Die Arten Die Handlung ist, wie schon berührt, ein körperliches Tun oder Lassen nach der Willensbestimmung, und man heißt jenes die Begehung und dieses die Unterlassung. Vorausgesetzt ist, um die Begehung und Unterlassung gemeinsam zu erklären, eine bestimmte positive Bewegung des Körpers als Maßstab; so ist die diesem Maßstab entsprechende Handlung die Begehung, die nicht entsprechende Handlung die Unterlassung. 3. Begehungs- und Unterlassungsdelikt Betrachtet man formell die Vorschriften i m besonderen Teil des Strafrechts, so sind Begehungsdelikte solche, deren Gehalt die Begehung ist, und Unterlassungsdelikte solche, deren Gehalt die Unterlassung ist. Begehungsdelikt ist ζ. B. das, worüber § 199 StGB bestimmt. Er lautet: „Wer einen Menschen tötet, w i r d m i t dem Tode oder m i t lebenslänglichem Zuchthaus oder mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft." U n d vom Unterlassungsdelikt handelt z. B. § 130 letzter Teil StGB. Er lautet: „Wer sich auf Aufforderung eines Berechtigten nicht entfernt, w i r d m i t Zuchthaus bis zu drei Jahren oder m i t Geldstrafe bis zu fünfzig Yen bestraft." Nach der materiellen Betrachtung liegt den Begehungsdelikten das Verbot „ d u sollst nicht" und den Unterlassungsdelikten das Gebot „ d u sollst" zugrunde. Daher enthält die schon erwähnte Vorschrift des § 199 StGB ein Verbot: „du sollst einen Menschen nicht töten", und § 130 letzter Teil StGB ein Gebot: „du sollst dich auf Aufforderung entfernen". Bald w i r d dieses Verbot oder Gebot durch Begehung, bald durch Unterlassung verletzt. M a n kann nämlich das Verbot „du sollst einen Menschen nicht töten" des § 199 StGB einerseits durch Begehung
Das japanische Strafrecht
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übertreten, wenn man ζ. B. m i t dem Schwerte einen Menschen tötet, andererseits aber auch durch Unterlassung, wenn ζ. B. ein Vater sein K i n d vor dem Ertrinken nicht rettet. Man nennt das durch Begehung das Verbot übertretende Delikt das echte Begehungsdelikt und das durch Unterlassung das Verbot übertretende Delikt das unechte Unterlassungsdelikt. Nun ist schon berührt worden, daß § 130 letzter Teil StGB ein Gebot bestimmt; das durch Unterlassung der Befolgung dieses Gebotes verübte Delikt heißt das echte Unterlassungsdelikt. Weiter nenne ich das Delikt, das das Gebot des § 192 StGB („du sollst (erst) nach der Leichenschau den durch einen unnatürlichen Tod ums Leben Gekommenen begraben") durch Begehung wie Begräbnis übertritt, das unechte Begehungsdelikt 13 . Übrigens sieht die herrschende Lehre 1 4 auch dieses Delikt als echtes Unterlassungsdelikt an. Folgendes Schema mag dies veranschaulichen. Materielle Betrachtung Verbotsübertretung
! Gebotsüber! tretung I
Formelle Betrachtung
Echtes Unterlassungsdelikt (z. B. §§ 107, 130, 218 StGB)
Unterlassung
Unechtes Unterlassungsdelikt
Begehimg
Echtes Unechtes Begehungsdelikt Begehungsdelikt (z. B. § 199 StGB) (z. B. § 192 StGB)
III. D e r
Kausalzusammenhang
1. Die Bedeutung Der Kausalzusammenhang ist ein Zusammenhang, der beim Verbrechen zwischen der Handlung und dem Erfolg vorliegen muß. Er ist von Bedeutung bei dem Delikt, das den E i n t r i t t eines bestimmten Erfolgs erfordert, nämlich beim Materialdelikt. Es handelt sich hier nicht um den philosophischen oder physikalischen, sondern u m den strafrechtlichen Kausalzusammenhang. 2. Die Theorien Hier steht i n Frage, wie die Grenze des Kausalzusammenhangs bestimmt wird. Es gibt drei Theorien: die Bedingungstheorie, die U r sachentheorie und die Theorie des adäquaten Kausalzusammenhangs. 13 Der Begriff des unechten Begehungsdelikts wurde von Kusano aufgestellt. Vgl. Lehrb. 18. 15 Z.B. Makino, Lehrb. 124.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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a) Die Bedingungstheorie. Sie, die auch Aequivalenztheorie heißt, nimmt bei allen vorhergehenden Tatsachen die Verursachungswirkung zur nachfolgenden Tatsache an, wo solch ein Zusammenhang überhaupt vorliegt; d. h.: wenn die Α-Tatsache nicht vorgelegen hätte, würde die B-Tatsache nicht vorgelegen haben; also besteht zwischen diesen Tatsachen der Kausalzusammenhang (diese Theorie vertritt die Rechtsprechung i n Japan 15 ). Ich nehme sie beim Vorsatzdelikt auf. b) Die Ursachentheorie. Sie n i m m t i n der vorgehenden Tatsache einen Unterschied zwischen Ursache und Bedingung an und meint, daß die Ursache die VerursachungsWirkung zur nachfolgenden Tatsache besitzt und m i t der nachfolgenden Tatsache kausal zusammenhängt, nicht aber die Bedingung. c) Die Theorie des adäquaten Kausalzusammenhangs. Nach dieser Theorie w i r d dann der Kausalzusammenhang angenommen, wenn es adäquat ist, daß beim Vorhandensein der bestimmten vorhergehenden Tatsache der E i n t r i t t der nachfolgenden Tatsache gewöhnlich erfolgt. Es gibt darüber, wie dieser Ausdruck „adäquat" auszulegen ist, drei Theorien. Die erste ist die Theorie des subjektiv-adäquaten Kausalzusammenhangs 16 ; nach dieser ist die Möglichkeit des Eintrittes einer bestimmten nachfolgenden Tatsache auf Grund einer bestimmten vorhergehenden Tatsache ausschließlich auf Grund solcher Verhältnisse zu beurteilen, die der Täter bei seiner Tat erkennen kann. Die zweite ist die Theorie des objektiv-adäquaten Kausalzusammenhangs 17 , d. h. die Ansicht, daß die Möglichkeit des Eintrittes einer bestimmten nachfolgenden Tatsache auf Grund aller objektiven Verhältnisse vor oder nach der Tat zu beurteilen ist. Die letzte ist die Theorie des eklektisch-adäquaten Kausalzusammenhangs; nach dieser ist die Möglichkeit des Eintrittes der nachfolgenden Tatsache auf Grund solcher Verhältnisse zu beurteilen, die der Täter bei seiner Tat besonders erkennt und die Menschen gewöhnlich erkennen können (die vorherrschende Ansicht) 1 8 . Beim Fahrlässigkeitsdelikt vertrete ich diese Theorie. 3. Die Probleme Beim Kausalitätsbegriff fragt es sich erstens, ob die Idee der Unterbrechung des Kausalzusammenhangs angenommen werden soll, nämlich ob der Kausalverlauf aufgehoben wird, wenn die menschliche vorsätzliche Handlung sich den Kausalverlauf aneignet und diesen Kausalzusammenhang weiterführt. Dies lehnen die Rechtsprechung 19 15
Ζ. B. RGerE 30. November 1918 (ESamml. Bd. 24, S. 1465). Diese Theorie vertritt Miyamoto , Grdz. 64 f. Diese Theorie vertritt Ono, Lehrb. 112. ^ Ζ. B. Sase, Grdz. 94. 19 Siehe dazu RGerE 14. Januar 1923 (RSamml. Bd. 2, S. 660). 16
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Das japanische Strafrecht
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und die herrschende Lehre 2 0 i n Japan ab. Zweitens entsteht die Frage, ob die Idee des Kausalzusammenhangs auch bei der Unterlassung angenommen wird. Richtig ist diejenige Theorie, nach der der strafrechtliche Kausalitätsbegriff nicht ein physikalischer, sondern ein rechtlicher Begriff ist und also ein Kausalzusammenhang zwischen einer bestimmten Unterlassung und einem bestimmten Erfolg bestehen kann. Doch gilt das erst, wenn jemand, der dem E i n t r i t t des Erfolgs vorbeugen könnte, diesem tatsächlich nicht vorbeugt 2 1 . 3. Die Rechtswidrigkeit I. D e r B e g r i f f
der
Rechtswidrigkeit
1. Die Bedeutung Auf ein Doppeltes deutet die „Rechtswidrigkeit". Formell gefaßt ist sie die Gesetzwidrigkeit, materiell das materiell normative Unerlaubte. Fraglich ist hier, woraus sich die Handlungspflicht beim Unterlaslungsverbrechen ergibt: aus dem Gesetze oder der Verordnung, aus dem Rechtsgeschäft, ζ. B. aus dem Vertrag, oder aus der sozialen Norm. 2. Subjektive und objektive Rechtswidrigkeit Es besteht eine Auseinandersetzung darüber, ob die Rechtswidrigkeit (das Unrecht) subjektiv oder objektiv verstanden werden soll. Ersteres vertritt die subjektive Theorie 2 2 ; nach dieser steht eine Handlung, die der Unzurechnungsfähige oder jemand, dem Vorsatz oder Fahrlässigkeit fehlt, herbeiführt, außerhalb des Geltungsgebietes der Rechtsnorm; so kann diese Handlung keine Rechtsnorm übertreten, und daher kann sie nicht rechtswidrig sein. Dagegen ist nach der objektiven Theorie 2 3 (herrschende Lehre) eine Handlung rechtswidrig, die objektiv einem Gebot oder Verbot widerspricht, wenn sie auch die Handlung eines Unzurechnungsfähigen ist, m. a. W. die Rechtswidrigkeit bezieht sich nicht auf das Vorhandensein von Zurechnungsfähigkeit oder Vorsatz und Fahrlässigkeit. Eine dritte Ansicht verbindet die objektive Theorie m i t den subjektiven Unrechtselementen 24 . Die Normwidrigkeit oder die Pflichtwidrigkeit soll nämlich nicht subjektiv, sondern objektiv verstanden werden, sofern sie nach dem Zweck des Gemeinlebens zu verurteilen ist; aber es ist unrichtig, ohne Rücksicht auf das Motiv oder die Veranlassung des Täters die Rechtswidrigkeit einer Handlung zu beurteilen. Vergleiche die Fassung des § 36 StGB: 20 21 22 28 24
Z. B. Kusano, Z. B. Kusano, Diese Theorie Ζ. B. Makino, Ζ. B. Koizumi,
Lehrb. 69 f. Makino, Lehrb. 300. Lehrb. 68. Makino, Lehrb. 291. vertritt Miyamoto, Grdz. 69. Lehrb. 340. Ono, Lehrb. 121. Takikawa, Grdz. 105. Kusano, Lehrb. 74.
Einl. 68.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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„ u m einen Angriff auf ein Recht (eine unmittelbar drohende Schädigung) von sich oder einem anderen abzuwehren"; hier w i r d die Finalität der Handlung verlangt. Daher muß man für die Rechtswidrigkeit das subjektive Element i n Betracht ziehen. Heute nimmt die herrschende Lehre in Japan die letzte Theorie auf. 3. Die Rechtswidrigkeitsausschließungsgründe Hierher gehören: Notwehr, Notstand usw. II. D i e 1. Die
Notwehr Bedeutung
Eine Handlung, welche unvermeidlich ist,
um
eine
unmittelbar
drohende unberechtigte Schädigung eines Rechtes von sich oder einem anderen abzuwehren (§ 36 Abs. 1 StGB), bezeichnet man als Notwehr. 2. Die Erfordernisse a) Zunächst ist eine gegen die unmittelbar drohende unberechtigte Schädigung gerichtete Handlung notwendig. „Unmittelbar drohende" (d. h. gegenwärtige) „unberechtigte Schädigung" heißt eine Schädigung, die der Täter sich pflichtmäßig nicht gefallen lassen muß. „Schädigung" bedeutet die wirkliche Verletzung oder Gefährdung des Rechtes. Zuerst handelt es sich dabei u m die sog. Sachabwehr, ζ. B. wenn jemand einen vom Nachbarn gehaltenen Hund, der nach i h m beißt, abwehren w i l l . U m diese Frage zu lösen, gibt es drei Meinungen: es liegt Notwehr v o r 2 5 ; die Idee der Notwehr ist entsprechend anzuwenden 26 ; es ist Notstand gegeben 27 . Ich vertrete die erste Meinung. Weiter handelt es sich darum, ob Notwehr auch zu bejahen ist, wenn die Herbeiführung der Schädigung durch den Angegriffenen verursacht worden war. Darüber sagt die Rechtsprechimg in Japan: „Wenn jemand auch durch eigene unberechtigte Handlung eine Schädigung verursacht, so darf er das Notwehrrecht doch ausüben 28 ." Bei der Schlägerei erklärt jedoch die Rechtsprechung selbst: „ I n einer Streithandlung der sich miteinander schlagenden Streiter besteht das Eigentümliche, daß gleichzeitig zwei einander angreifen und abwehren, also sind Schädigung und Abwehr gleich unberechtigt. So ist bei der Handlung der beiden Streiter i n der Schlägerei der Gedanke der Notwehr nicht anzuwenden 2 9 ." b) Zweitens muß eine Handlung vorliegen, die den Angriff auf das 25 53 27 M 29
Vgl. Makino, Lehrb. 359. Vgl. Oba, Grdz. 131. Vgl. Takikawa, Lehrb. 117. RGerE 25. September 1914 (ESamml. Bd. 20, S. 1648). RGerE 25. Januar 1932 (RSamml. Bd. 11, S. 1).
Das japanische Strafrecht
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Recht von sich oder einem anderen abwehrt. Der Ausdruck „Recht" bedeutet allgemein das Interesse, das das Recht beschützt. Er umfaßt das Privatinteresse und auch das öffentliche Interesse. Es ist zunächst fraglich, ob die Abwehrhandlung subjektiv mit Abwehrwillen vorgenommen sein muß. Darüber sagt die Rechtsprechung: „Eigentlich erfordert § 36 StGB bei der Abwehrhandlung das Vorliegen des A b wehrwillens; wenn daher auch eine unmittelbar drohende unberechtigte Schädigung wirklich vorliegt, so kann die Abwehrhandlung nicht als Notwehr angesehen werden, sofern sie nicht mit dem Abwehrwillen vorgenommen wurde 3 0 ." Zweitens ist es fraglich, ob Notwehr zu bejahen ist, auch wenn der Handelnde bei Verteidigung des Rechtes eines anderen gegen dessen Willen handelt. Ich meine, daß die Notwehr auch dann vorliegt. c) Es muß eine unvermeidliche Abwehrhandlung gegeben sein. Dabei hat das Wort: „unvermeidlich" die Bedeutimg: „unvermeidbar erforderlich". Die Abwehrhandlung bedeutet den Widerstand und die aktive Abwehr. 3. Die Behandlung Bei der Notwehr w i r d die Rechtswidrigkeit daher liegt kein Verbrechen vor.
ausgeschlossen, und
4. Der Notwehrexzeß a) Bedeutung. Wenn eine Handlung, welche unvermeidlich ist, um eine unmittelbar drohende unberechtigte Schädigung eines Rechtes von sich oder einem anderen abzuwehren, das erforderliche Maß der Abwehr überschreitet (§ 36 Abs. 2 StGB), nennt man diese Handlung den Notwehrexzeß. Ob die Abwehrhandlung das erforderliche Maß überschreitet oder nicht, ist nicht aus der subjektiven, sondern aus der objektiven Betrachtung zu entscheiden (dies vertritt die Rechtsprechung) 31 . b) Behandlung. Wenn der Täter aus grober Fahrlässigkeit 3 2 das Maß der Abwehr unbewußt überschreitet, so ist er zu behandeln, als ob er vorsätzlich handele (§ 38 Abs. 3 StGB). Wenn die Fahrlässigkeit leichter ist, so w i r d die Strafe gemildert (§ 36 Abs. 2 StGB). Wenn die Fahrlässigkeit noch leichter ist, so kann Straffreiheit eintreten (§ 36 Abs. 2 StGB). Wenn es dem Täter an Fahrlässigkeit mangelt, so wird er nicht bestraft (§ 36 Abs. 2 StGB). 5. Die
Putativnotwehr
a) Bedeutung. Putativnotwehr ist eine Abwehrhandlung, welche der Täter herbeiführt, indem er trotz des NichtVorliegens einer unmittel80 31 32
RGerE 7. Dezember 1936 (RSamml. Bd. 15, S. 1561). RGerE 26. Januar 1920 (ESamml. Bd. 26, S. 405). Richtiger wohl: „aus Unkenntnis des Gesetzes".
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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bar drohenden unberechtigten Schädigung meint, diese liege vor. b) Behandlung. Bei der Putativnotwehr halte ich den Vorsatz nicht für ausgeschlossen. III. D e r
Notstand
1. Die Bedeutung Wenn eine Handlung vorliegt, welche unvermeidlich ist, u m eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib, persönliche Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwenden, und wenn der aus der Handlung entstehende Schaden den Grad des abzuwendenden Schadens nicht übersteigt, so spricht man davon, daß Notstand vorliegt (§ 37 Abs. 1 StGB). Es ist fraglich, was das gesetzliche Wesen des Notstandes ist. Nach einer Meinung 3 3 ist der Notstand als ein Schuldausschließungsgrund anzusehen; zwar ist nach ihr die Notstandshandlung selbst rechtswidrig; aber es w i r d ein Schuldausschließungsgrund angenommen, weil ein anderes Verhalten nicht erwartet werden kann, m. a. W.: es fehlt die Zumutbarkeit. Dagegen ist nach der herrschenden Lehre 3 4 der Notstand ein Unrechtsausschließungsgrund, weil die Bestimmung des § 37 des geltenden Strafgesetzes zweifellos aus deren Gesetzgebungsgrund entstanden ist, den Notstand als Unrechtsausschließungsgrund anzusehen. Auch die Fassung: „ w i r d nicht bestraft" des § 19 VorEStGB (1931) erklärt, daß ein Unrechtsausschließungsgrund anzunehmen ist. Die letztere Meinung vertrete auch ich. 2. Die Erfordernisse a) Eine Handlung, u m eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. „Gegenwärtige" Gefahr gehört nicht der Zukunft oder Vergangenheit an, und „Gefahr" bedeutet die wirkliche drohende Verletzung oder Gefährdung eines Rechts. Dabei taucht die Frage der sog. „selbstverursachten Gefahr" auf, nämlich, ob der Notstand besteht, wenn die Gefahr aus einem dem Abwehrenden zurechenbaren Grunde verursacht wird. Die Rechtsprechung antwortet darauf negativ und sagt: „§ 37 StGB kann nicht angewandt werden, wo die gegenwärtige Gefahr aus der dem Täter zurechenbaren Handlung entsteht, und wenn die allgemeine Meinung der Gesellschaft diese Abwendungshandlung nicht als unvermeidbar ansieht 3 5 ." b) Eine Handlung, u m eine Gefahr für Leben, Leib, persönliche Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwenden. Es fragt sich zuerst, ob man es als eine Beschränkung ansehen soll, was das Strafgesetzbuch m i t Leben und Leib usw. anführt. I m Vergleich 83 84 35
Z . B . Takikawa, Einl. S. 159. Z. B. Kusano, Lehrb. S. 87. RGerE 12. Dezember 1938 (RSamml. Bd. 3, S. 868).
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Das japanische Strafrecht
m i t der Fassung der Bestimmung über die Notwehr ist es eine Beschränkung. Zweitens fragt es sich, ob die Notstandshandlung den Abwendungswillen erfordert, nämlich, ob es für den Täter einer Absicht bedarf, die Gefahr abzuwenden. Drittens, ob der Notstand auch vorliegt, wenn bei dem Notstand für einen anderen der Täter dem Willen des anderen entgegen die Gefahr abwendet. Diese beiden Fragen beantworte ich positiv. c) Eine Handlung, welche unvermeidlich ist. Das hier gebrauchte Wort: „unvermeidlich" hat die Bedeutung: „auf andere Weise nicht abwendbar". Man nennt dieses Verhältnis „die Subsidiarität des Notstandes". Die „Notstandshandlung" bedeutet allgemein die zur Abwendung vorgenommene Handlung. d) Der aus der Handlung entstehende Schaden darf den Grad des abzuwendenden Schadens nicht übersteigen. Dieses Verhältnis heißt „die Proportionalität des Notstandes". 3. Die Behandlung Die Rechtswidrigkeit der Handlung w i r d ausgeschlossen, also liegt kein Verbrechen vor. 4. Die besondere Regel Die Vorschrift über den Notstand findet keine Anwendung auf denjenigen, dem auf Grund seines Amtes oder Berufes eine besondere Pflicht obliegt (§ 37 Abs. 2 StGB). 5. Der Notabwendungsexzeß und die Ρutativnotabwendung Der Notabwendungsexzeß ist eine Abwendungshandlung, die das Maß der Abwendung überschreitet (§ 37 Abs. 1 StGB), und die Putativnotabwendung ist eine Handlung, welche der Täter vornimmt, weil er trotz des Nichtvorliegens einer gegenwärtigen Gefahr meint, sie liege vor. Dasselbe wie bei Notwehrexzeß und Putativnotwehr hat auch von Notabwendungsexzeß und Putativnotabwendung zu gelten. IV. D i e H a n d l u n g , d i e a u f G r u n d e i n e s G e s e t z e s o d e r einer V e r o r d n u n g oder in A u s ü b u n g eines berechtigten Berufsgeschäfts vorgenommen wird 1. Übersicht Als Unrechtsausschließungsgründe bestimmt § 35 StGB „die auf Grund eines Gesetzes oder einer Verordnung vorgenommene Handlung" und „die i n Ausübung eines berechtigten Berufsgeschäfts vorgenommene Handlung". Demgegenüber formuliert § 17 VorEStGB „die Handlung, die auf Grund eines Gesetzes oder einer Verordnung oder in Ausübung eines Berufsgeschäfts oder auf gesetzmäßiger Grundlage vorgenommen wird".
Der allgemeine Teil des Strafrechts
2. Die auf Grund eines Gesetzes oder einer Verordnung Handlung
vorgenommene
Sie ist eine Handlung, die nach der Vorschrift des Gesetzes oder der Verordnung als Recht oder Pflicht angenommen wird, nämlich: a) Die Geschäftshandlung von Beamten, und zwar die unmittelbar auf Grund des Gesetzes oder der Verordnung vorgenommene Handlung und die auf den Befehl des Vorgesetzten vorgenommene Handlung. b) Die Disziplinarhandlung. Ζ. B. die Disziplinarhandlung des elterlichen Gewalthabers (§ 822 BGB). c) Die Arrestation des Täters (§ 213 StPO). 3. Die in Ausübung
eines berechtigten Berufsgeschäfts vorgenommene Handlung Sie ist eine Handlung, die sozialnormativ und sittlich als berechtigtes Berufsgeschäft angesehen wird. Hier taucht auch die Frage auf, wie die sog. Euthanasie zu behandeln ist. Nach der ersten Meinung 3 6 ist sie keine strafgesetzliche Tötung, nach der zweiten 3 7 ist sie strafgesetzliche Tötung, aber ihre Rechtswidrigkeit ist ausgeschlossen, also w i r d sie nicht bestraft. Nach der d r i t t e n 3 8 ist sie zwar strafgesetzliche Tötung und daher strafbar, aber ihre Strafe ist zu mildern. V. D i e S e l b s t h i l f e , d i e S e l b s t v e r l e t z u n g E i n w i l l i g u n g des V e r l e t z t e n
und
die
1. Die Selbsthilfe 1. Bedeutung. Die Selbsthilfe ist eine Handlung, welche der Täter vornimmt, u m sein Anspruchsrecht von sich selbst aus zu sichern, wenn er nicht Zeit hat, die Hilfe des Beamten zu erwarten. Die Rechtswidrigkeit dieser Handlung w i r d ausgeschlossen; also liegt kein Verbrechen vor. Eine darauf sich beziehende Vorschrift fehlt jedoch dem geltenden Strafgesetzbuch, und sie ist nur von der herrschenden Lehre 3 9 und der Rechtsprechung 40 angenommen. 2. Probleme. Folgendes sind die Probleme bezüglich der Behandlung der Selbsthilfe: a) Die am Tatort eine gestohlene Sache wiedererlangende Handlung. § 238 StGB bestimmt: „ E i n Dieb, der, u m die Wiedererlangung der gestohlenen Sache zu hindern — — —, Gewalt oder Drohung an86
Ζ. B. Miyamoto, Grdz. 90. Ζ. B. Ono, Lehrb. 132. 38 Ζ. B. Kusano, Lehrb. I. 95. 89 Ζ. B. Makino, Lehrb. 394. Motoji, Grdz. 143 f. Gegenteilig betont aber Kusano, Lehrb. I. 96. 40 Siehe RGerE 26. Februar 1920 (ESamml. Bd. 26, S. 91). 87
Das japanische Strafrecht
wendet, w i r d wie ein Räuber bestraft." Auf Grund dieser Vorschrift vertritt die herrschende L e h r e 4 1 die Meinung, daß bei der Wiedererlangung der gestohlenen Sache Selbsthilfe möglich ist. b) Die die Entfernung erzwingende Handlung. c) Die Betrugs- oder Erpressungshandlung des Berechtigten. 2. Die Selbstverletzung 1. Die Bedeutimg. Die Selbstverletzung ist eine Handlung, mit der der Täter von sich selbst aus sein eigenes Rechtsgut verletzt, wenn er ζ. B. Selbstmord begeht oder seinen eigenen Körper oder sein Vermögen verletzt. Grundsätzlich ist kein Verbrechen gegeben, doch fehlt dem Gesetze eine spezielle Bestimmung. 2. Die besondere Regel. Grundsätzlich ist bei der Selbstverletzung die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen; sie ist also nicht strafbar; aber ausnahmsweise ist sie strafbar, wenn sie unter eine spezielle Bestimmung fällt, wie der Täter ζ. B. nach §§ 108 ff. StGB wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Brandstiftung und nach § 212 StGB wegen Abtreibung bestraft wird. 3. Die Einwilligung
des Verletzten
1. Die Bedeutung. Die Einwilligung des Verletzten heißt, daß der Berechtigte einem anderen die Beschädigung des eigenen Rechts erlaubt. Gewöhnlich ist sie als Unrechtsausschließungsgrund behandelt; aber sie bezieht sich nicht immer nur auf die Unrechtsausschließung, sondern auch auf den besonderen Tatbestand des Verbrechens. Ζ. B. ist beim Zweikampf (§§ 1 bzw. 3 des Gesetzes über den Zweikampf 4 2 ) die Einwilligung selbst das notwendige Erfordernis des Verbrechens. 2. Das Erfordernis. Daß jemand, der verstehen kann, was die Einwilligung bedeutet, i m Rahmen seiner Befugnis nach seinem freien Willen einwilligt, ist Erfordernis der Einwilligung. Daher sind nicht als die hier genannte Einwilligung anzusehen: die Einwilligung des Kindes, des Wahnsinnigen und des unbefugten Dritten oder die Einwilligung infolge von Drohung. 3. Die Wirkung. „Volenti non fit injuria"; aber nicht jede Einwilligung schließt die Rechtswidrigkeit aus, nämlich nicht die auf das Rechtsgut des Staates oder der Gemeinschaft bezügliche Einwilligung. Die Einwilligung i n die Verletzung des Rechtsguts der einzelnen schließt die Rechtswidrigkeit i n folgenden Fällen nicht aus: Trotz der Einwilligung i n die Tötung als Straftat gegen das Leben der einzelnen liegt ein Verbrechen vor (§ 202 StGB). Für die Einwilligung eines Weibes i n die Abtreibung als Straftat gegen den Körper der einzel41
Vgl. Makino, Lehrb. 351, 392. Vgl. Hyoichiro Kusano, Japanische Außerdeutscher Strafgesetzbücher Nr. 4. 42
Strafgesetze
(1927).
Sammlung
Der allgemeine Teil des Strafrechts
241
nen sind ausdrückliche Bestimmungen gegeben (§§ 213, 214 StGB). Sonst ist bei der Einwilligung i n die Verletzung der Rechtsgüter der einzelnen getrennt nach der sozialen Norm und Sittlichkeit zu entscheiden, i n welchen Fällen die Einwilligung die Rechtswidrigkeit ausschließt oder nicht. 4. Die Schuld I. D e r B e g r i f f
der strafrechtlichen
Schuld
1. Übersicht Verbrechen (Strafhandlung) ist schuldhafte Handlung, m i t anderen Worten: Handlung, die auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Schuldfähigen beruht; ζ. B. w i r d die Handlung einer Person, die das vierzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht hat, oder einer Person, die geisteskrank ist, nicht Strafhandlung genannt. Handlungen von Personen, die nicht geisteskrank sind und schon das vierzehnte Jahr erreicht haben, können keine Strafhandlungen sein, wenn sie auf keinem Vorsatz oder auf keiner Fahrlässigkeit beruhen. Daher ist es üblich, daß Sehuldfähigkeit und Schulderfordernisse (Vorsatz und Fahrlässigkeit) i n der Schuldlehre besonders behandelt werden. 2. Die hauptsächlichen Schuldlehren Außer dem Erfordernis, daß eine Strafhandlung, wie schon erwähnt ist, rechtswidrig ist, muß sie auch schuldhaft sein. Über die Schuld gibt es drei Lehren: a) Die sittliche Schuldlehre (die sogenannte klassische Schule) 43 . Diese Schuldlehre betrachtet die Gesamtheit u m des einzelnen willen. Vom einzelnen w i r d erwartet, daß er, wenn er das bestimmte Jahr erreicht hat, Willensfreiheit, insofern er keine Geistesstörung hat, sowie Handlungsfähigkeit und Verstand hat. Daher bedeutet die Schuld nach dieser Schuldlehre, daß dem Täter das von i h m begangene rechtswidrige Handeln zum einzel-ethischen Vorwurf gemacht wird. Der Zweck der Strafe beruht darauf, daß man den Schaden der Strafhandlung m i t dem Schaden der Strafe vergilt. Damit w i r d das Bedürfnis der Gerechtigkeit erfüllt. b) Die soziale Schuldlehre. Die soziale Schuldlehre ist die von der sogenannten modernen Schule vertretene Schuldlehre 44 . Von Seiten des sozialen Hauptlehrsatzes, der den einzelnen als von der Gesamtheit unterhalten ansieht, behauptet diese Schuldlehre, daß der einzelne um des Ganzen willen existiert. Der Wille des Menschen ist nicht frei 43
Siehe dazu Ono, Lehrb. 137 ff. Diese Lehre vertritt z. B. Kimura, 35 ff. 211. Makino, Lehrb. 135 ff. 165. 44
16 A u s l ä n d i s c h e s S t r a f r e c h t
I.
Lehrb. 15 ff., 230 f.
Koke, Lehrb.
Das japanische Strafrecht
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sondern w i r d beeinflußt durch einzelne oder soziale Ursachen usw., und jede Handlung w i r d durch objektive soziale Verhältnisse beschränkt. Da eine Strafhandlung die Gestaltung ist, durch die der verbrecherische Charakter des Täters symbolisiert wird, soll die Schwere der Schuld nach der Gefahr einer zukünftigen Wiederholung des Verbrechens bemessen werden. Nach dieser Lehre richtet sich die Schuld nach dem rechtlichen Zustand, der durch die Strafe als M i t t e l der sozialen Verteidigung durch die Gesellschaft verteidigt wird. Der Zweck der Strafe gründet sich auf soziale Integrität, und i n dieser Beziehimg gibt es keinen Unterschied zwischen Strafe und Sicherungsmaßnahme. c) Die normative Schuldlehre. „Das Einzelne" an sich ist „das Ganze", und „das Ganze" an sich ist „das Einzelne", m i t anderen Worten, der einzelne dient auf Grund seiner Willensfreiheit dem Ganzen und verbindet sich m i t dem Ganzen. Für das Ganze kann nicht nur durch positive Tätigkeit des einzelnen eine schöpferische Entwicklung erwartet werden, sondern auch der Wohlstand des Ganzen kann durch sein Leben befruchtet werden 4 5 . Insofern man diese Ansicht vertritt, w i r d die Willensfreiheit unvermeidlich vorausgesetzt, und ein Mensch ist das Subjekt, das einerseits durch einzelne oder soziale Ursachen i m Zaum gehalten wird, anderseits aus freiem Willen sich beschränkt, seine Umstände überwältigt. Da ein Verbrechen von Menschen m i t solcher Fähigkeit begangen wird, ist der Grad der Schuld nach der Unnormativität, nach dem unethischen Verhalten eines Täters zu, entscheiden. Daher bedeutet die Schuld nicht nur den individualethischen Vorwurf, sondern auch einen gesamt ethischen Vorwurf. Der Zweck der Strafe besteht i n Wiederherstellung des Normbewußtseins, Verstärkung des gesamt ethischen Bewußtseins und Beschleunigung der aktiven Tätigkeit gegenüber der Gesamtheit sowie i n Gestaltung der schöpferischen Entwicklung der „Gesamtheit". Deshalb unterscheidet sich der Charakter der Strafe i n dieser Beziehung von dem der Sicherungsmaßnahmen, deren einziger Zweck die u t i l i taristische Gesamtheitssicherung i s t 4 6 . II. D i e
Schuldfähigkeit 1. Übersicht
Nach der ersten Lehre 4 7 bedeutet Schuldfähigkeit die Fähigkeit, gesundes Bewußtsein zu haben, nach gesunder Einsicht zu handeln. 45
Siehe Zeitschrift 46 Diese 47 Diese
dazu Saito, Strafrechtliche Schuld und Willensfreiheit für die Rechtsphilosophie, Nr. 2, S. 73 ff. Lehre vertritt Saito, Lehrb. S. 40 ff., 130 ff. ist die herrschende Lehre in Japan, z. B. Ono, Lehrb. 140.
(1949),
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Die zweite Lehre 4 8 besagt, daß die Schuldfähigkeit die strafzweckdienliche Fähigkeit ist. Die dritte Lehre 4 9 macht folgendes geltend: Die zwei oben erwähnten Lehren stehen nicht miteinander i m Widerspruch, sondern die Schuldfähigkeit heißt i n formaler Bedeutung die Fähigkeit, durch Strafnehmung dem Strafzweck zu dienen, und bedeutet substantiell die Fähigkeit, gesundes Bewußtsein zu haben und nach gesunder Einsicht zu handeln 5 0 . Ich folge der letzten Lehre. Zur Schuldfähigkeit erheben sich zwei Fragen. Zunächst handelt es sich u m den Zeitpunkt des Schuldfähigkeitsbesitzes. Die Schuldfähigkeit fordert den Schuldfähigkeitsbesitz zur Zeit der Begehung der Tat. Daher ist eine Strafhandlung eines zeitweilig Geistesgestörten nicht strafbar, wenn er während der Geistesstörung die Handlung begeht. Jedoch g i l t dies nicht, wenn der Täter seine Geistesstörung als Werkzeug einer Strafhandlung benützt, m i t anderen Worten i m Fall der sogenannten „Actio libera i n causa". Ob eine beschränkte Schuldfähigkeit anerkannt werden kann, ist die zweite Frage. Die Gelehrten der sog. normativen Schuldlehre weisen darauf hin, daß die Anerkennung einer solchen Idee nicht immer unvernünftig und daß es ein davon verschiedenes Problem sei, ob es notwendig ist, gegen solche Menschen Sicherungsmaßnahmen anzuordnen 51 . 2. Der Schuldunfähige
und beschränkt Schuldfähige
Das Strafgesetz gibt i n positiver Form keine Bestimmung des Schuldfähigen, sondern bestimmt nur in §§ 39 bzw. 41 i n negativer Form Schuldunfähige und beschränkt Schuldfähige. a) Die geistig gestörte u n d die geistesschwache Person. § 39 StGB bestimmt: „Die Handlung einer geistig gestörten Person w i r d nicht bestraft" (§ 39 Abs. 1 StGB). „Bei der Handlung einer geistesschwachen Person w i r d die Strafe gemildert" (§39 Abs. 2 StGB). „Die geistig gestörte Person" heißt eine Person, der wegen Geistesstörung das gesunde Bewußtsein fehlt oder die unfähig ist, nach gesunder Einsicht zu handeln. „Die geistesschwache Person" bedeutet eine Person, der aus krankhafter Störung der Geistestätigkeit das gesunde Bewußtsein noch nicht fehlt, aber deren Fähigkeit bedeutend vermindert ist 5 2 . Der Unterschied zwischen beiden besteht i m Grade der krankhaften Geistesstörung 53 . „ W i r d nicht bestraft" bedeutet die Nichtbestrafung 48
Z. B. Motoji, Grdz. 154. Makino, Lehrb. 155. Z. B. Koizumi, Grdr. 143. Kusano, Lehrb. I. 102 f. 50 Vertreter der sozialen Schuldlehre in Japan ist Dr. Makino; Lehrb. 163. 51 Siehe dazu Kusano, Lehrb. I. 103. 52 Vgl. RGerE 3. Dezember 1931 (RSamml. Bd. 10, S. 682). ss So RGERE 21. November 1932 (RSamml. Bd. 11, S. 166). 49
16
z. B.
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des Täters; die Schuld des Täters ist hier ausgeschlossen. Es handelt sich, wie oben erwähnt ist, darum, daß bei der Handlung einer geistesschwachen Person die Strafe „gemildert wird", und infolgedessen erkennt man beschränkt Schuldfähige an. § 14. VorEStGB (1931) entspricht dem geltenden Strafgesetze; er lautet nämlich: „Die Handlung einer Person, der wegen Geistesstörung das gesunde Bewußtsein fehlt oder die unfähig ist, nach gesunder Einsicht zu handeln, w i r d nicht bestraft; ist diese Fähigkeit vermindert, so t r i t t Strafmilderung ein." b) Die Taubstummen. „Die Handlung einer taubstummen Person w i r d nicht bestraft, oder die Strafe w i r d gemildert" lautet § 40 StGB. Hier bedeutet ein „Taubstummer" eine Person, der die Hör- und Sprechfähigkeit fehlt 5 4 . Die Handlung eines Taubstummen, der geistig ungenügend entwickelt ist und deshalb gerade eben wie eine geistig gestörte Person anzusehen ist, „ w i r d nicht bestraft". Die Strafe eines Taubstummen, der wie eine geistig erwachsene Person anzusehen ist, „ w i r d gemildert". Die Bestimmung des § 15 VorEStGB (1931) ist dem geltenden Strafgesetz gleich. Wie man den Taubstummen m i t der dem allgemeinen Menschen gleichen Fähigkeit behandelt, ist umstritten. Solche taubstummen Personen sollen die dem allgemeinen Menschen gleiche rechtliche Schuld haben. c) Die Person bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres. Die Bestimmung des § 41 StGB lautet wie folgt: „Die Handlung einer Person, die das vierzehnte Lebensjahr nicht erreicht hat, w i r d nicht bestraft." I m § 41 bedeutet „das vierzehnte Lebensjahr" das vollendete Lebensjahr. Zunächst entsteht die Frage, ob es passend ist, daß das Leben, wie i m geltenden Strafgesetze, mit dem 14. Lebensjahre i n zwei Teile geschieden wird. Nach der besonderen Regel des JGG kann die Person bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres unter Schutzmaßnahmen gestellt werden, und selbst wenn strafrechtliche Maßnahmen beim noch nicht 18 Jahre alten Jugendlichen zur Zeit der Begehung der Straftat verhängt werden, werden die Strafen wie folgt gemildert: Falls die Tat mit der Todesstrafe bedroht wird, t r i t t lebenslängliches Zuchthaus an ihre Stelle; falls sie mit der lebenslänglichen Strafe bedroht wird, w i r d der Täter zwischen mindestens zehn Jahren und höchstens fünfzehn Jahren mit Zuchthaus oder Gefängnis bestraft. Die zweite Frage ist, ob erwachsenen Verbrechern die Strafe gemildert oder erlassen werden kann. I m geltenden Strafgesetze gibt es keine Bestimmung i n dieser Beziehung. i4
Vgl. Asataro Okada, Lehre vom Strafrecht (1928) 79.
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III. D i e
2
Schulderfordernisse (I) Der Vorsatz (Dolus) 1. Übersicht
§ 38 Abs. 1 des StGB lautet: „Eine Handlung, bei welcher der Wille, eine Straftat zu begehen, fehlt, w i r d nicht bestraft; jedoch gilt dies nicht, soweit das Gesetz eine besondere Bestimmung enthält." Hier bedeutet „der Wille, eine Straftat zu begehen" Verbrechens willen oder Vorsatz. I n unserem Straf recht w i r d eine Handlung ohne Vorsatz in der Regel nicht bestraft; jedoch w i r d sie ausnahmsweise bestraft, wenn das Gesetz eine Bestimmung bezüglich der Strafe der Fahrlässigkeit oder eine sonstige besondere Bestimmung enthält 5 5 . 2. Die Bedeutung Vorsatz bedeutet, die strafbegründenden Tatsachen zu erkennen und zugleich sich ihrer Rechtswidrigkeit bewußt zu sein 5 6 . Früher galt als Vorsatzdefinition, daß Vorsatz die Kenntnis der Verbrechenstatsachen w a r 5 7 . Vom Standpunkt der normativen Schuldlehre aus ist es aber noch nicht genügend, die strafbegründenden Tatsachen einfach zu erkennen, sondern es ist erforderlich; daß der Täter m i t dem Bewußtsein ihrer Rechtswidrigkeit die Tat begeht. Nur solchenfalls kann man den normativen Vorwurf erheben. a) Zum Vorsatz erforderlich ist die Kenntnis der strafbegründenden Tatsachen. Hier bedeutet strafbegründende Tatsache die dem objektiven, besonderen Tatbestand des Verbrechens (objektiven Tatbestande) gemäße Tatsache. Die genannte Tatsache umfaßt nicht nur Handlungen, sondern auch Erfolge und Kausalität; alle müssen erkannt werden. Daher müssen die zu den obenerwähnten straf begründenden Tatsachen nicht gehörigen Tatsachen, ζ. B. Schuldfähigkeit, Bedingungen der Strafbarkeit, ProzeßVoraussetzungen usw., nicht erkannt werden. Da die Absicht ein Unrechtselement ist, ist es bei den Absichtsdelikten aber erforderlich, daß die Absichtstatsache erkannt wird. Die Frage ist, was „Erkenntnis der straf begründenden Tatsachen" bedeutet. Die erste Meinung 5 8 vertritt das Willensprinzip, welches 55 Bestimmungen betreffend die allgemeine fahrlässige Brandstiftung (§ 116), die besondere fahrlässige Brandstiftung (§ 116 a), die allgemeine Explosion des explodierbaren Gegenstandes (§ 117), die besondere Explosion des explodierbaren Gegenstandes (§ 117 a), die fahrlässige Überschwemmung (§ 122), die fahrlässige Störung des Verkehrs von Wagen und Schiff (§ 129), die fahrlässige Körperverletzung (§ 209), die fahrlässige Todverursachung (Ç 210), die geschäftlich fahrlässige Todverursachung und Körperverletzung (§ 211). i 56 Siehe Kusano, Lehrb. I, S. 109. 57 Vgl. Motoji, Grdz. S. 164. Makino, Lehrb. S. 185. 58 Diese Ansicht vertritt Oha, Lehrb. I I . 700.
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Das japanische Strafrecht
die strafbegründenden Tatsachen zu wollen bedeutet. Die zweite Mein u n g 5 9 ist das Vorstellungsprinzip, nach dem die Vorstellung der Tatsachen genügend ist. Drittens 6 0 kommt das Einverständnisprinzip. Das Prinzip behauptet, daß der Täter i n Kenntnis der strafbegründenden Tatsachen m i t den strafbegründenden Tatsachen einverstanden ist; denn i m Fall des Willensprinzips erscheint es noch als zu eng, daß die Tatsache ein Wollen bedeutet, und i m Fall des Vorstellungsprinzips erscheint einfache Vorstellung der Tatsachen als zu weit. Die zweite Meinung vertritt unsere von früher her herrschende Lehre 6 1 und Rechtsprechung 62 , während die neue Lehre 6 3 und Gesetzgebung 64 der dritten Meinung folgen. Ich vertrete die letzte. b) Bewußtsein der Rechtswidrigkeit ist zum Vorsatz erforderlich. Hier bedeutet die „Rechtswidrigkeit": der sozialen Norm zuwider zu sein. „Bewußtsein der Rechtswidrigkeit" bedeutet, sich der Rechtswidrigkeit innerhalb der Tatsachen bewußt zu sein 6 5 . Früher war nur Kenntnis der Tatsachen nötig, und es war nicht erforderlich, sich der Rechtswidrigkeit bewußt zu sein 6 6 . Vom Standpunkt der normativen Schuldlehre aber ist schuldhaft eine Handlung m i t Bewußtsein der Rechtswidrigkeit, und deshalb ist Kenntnis der Tatsachen nicht genügend zum Bestrafen; es liegt nämlich der Vorsatz nicht i n der Kenntnis der Tatsachen, sondern i m Bewußtsein der Rechtswidrigk e i t 6 7 . Dabei hat man Bewußtsein der Rechtswidrigkeit und Kenntnis der Gesetzwidrigkeit zu unterscheiden. § 38 Abs. 3 StGB lautet: „Die Behauptung, daß der Wille, die Straftat zu begehen, gefehlt habe, kann nicht auf die Unkenntnis des Gesetzes gestützt werden usw.", und sagt besonders, daß Kenntnis oder Unkenntnis des Gesetzes bezüglich der Verwirklichung des Vorsatzes bedeutungslos ist 6 8 . Ob der Vorsatz das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit fordert, ist streitig. Die erste L e h r e 6 9 behauptet, daß weder beim Kriminaldelikt noch Verwaltungsdelikt Bewußtsein der Rechtswidrigkeit erforderlich ist. Beide, Kriminaldelikt und Verwaltungsdelikt, erfordern nach 59 Diese vertritt Motoji, Str. I, S. 457. Makino, Lehrb. 189. RGerE 6. Juni 1922 (RSamml. Bd. 1, S. 255). 60 Ζ. B. Kusano, Lehrb. I. 112. Ono, Lehrb. 152. β1 Ζ. B. Makino, Lehrb. 189. Motoji, Str. I. 457. 62 RGerE 6. Mai 1922 (RSamml. Bd. 1, S. 255). 03 Kusano, Lehrb. I. 143. Auch Koizumi, Grdr. 154. 64 § 17 VorE des deutschen StGB. § 13 des chinesischen StGB. 05 Vgl. Koizumi, Grdr. 155. Kusano, Lehrb. I. 110. ββ Vgl. Motoji, Grdz. 168. Makino, Lehrb. 214. 67 Eingehend in Kusano, Unters. I. 38 ff., 44. I I . 53 ff. I V . 404 ff. V. 68, 76, 223, 231, 239. 68 Siehe dazu Koizumi, Grdr. 155. Kusano, Lehrb. 110. Miyamoto, Grdz. 146. Ono, Lehrb. 149. Takikawa, Einl. 128. 69 Ζ. B. Motoji, Str. I. 469. RGerE 19. Januar 1933 (RSamml. Bd. 10, S. 1).
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der zweiten Lehre 7 0 Bewußtsein der Rechtswidrigkeit. Die dritte L e h r e 7 1 besagt, daß Bewußtsein der Rechtswidrigkeit beim K r i m i n a l delikt nicht erforderlich, aber beim Verwaltungsdelikt erforderlich ist. Das Gegenteil lehrt die vierte Lehre 7 2 , nämlich daß ein Bewußtsein der Rechtswidrigkeit zwar beim Kriminaldelikt, aber nicht beim Verwaltungsdelikt erforderlich ist. Ich folge der letzteren. 3. Die Arten des Vorsatzes a) Der bestimmte und unbestimmte Vorsatz. Der bestimmte Vorsatz liegt vor, wenn die Kenntnis der strafbegründenden Tatsachen festgesetzt ist. Der unbestimmte Vorsatz liegt vor, wenn die Kenntnis der straf begründenden Tatsache nicht festgesetzt ist; er w i r d dreifach geteilt, nämlich: alternativer Vorsatz (dolus alternati vus), genereller Vorsatz (dolus generalis) und bedingter Vorsatz (dolus eventualis). (a) Alternativer Vorsatz. Dieser liegt vor, wenn der Täter der Realisierung des Erfolgs sicher ist, aber das Objekt der Tat alternativ ist. Zum Beispiel Schießen auf A und Β i m Auto. (b) Genereller Vorsatz. Genereller Vorsatz liegt vor, wenn die Realisierung des Erfolgs sicher ist, aber das Objekt generell ist, wie ζ. B. W u r f m i t Bombe auf das Gedränge. (c) Bedingter Vorsatz. Dies ist der Vorsatz, bei dem die Realisierung des Erfolgs selbst nicht determiniert ist 7 3 . Zum Beispiel das Fahren eines Autos m i t voller Geschwindigkeit auf einem gedrängten Wege. Hier handelt es sich u m den Unterschied von bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit 7 4 . Die herrschende Auffassung lehrt, daß beim ersten obenerwähnten Beispiele bewußte Fahrlässigkeit vorliegt, wo der Führer auf seine eigene Geschicklichkeit sich verläßt und fährt, ohne m i t zufälligen Störungen einverstanden zu sein. M i t anderen Worten besteht der Unterschied von beiden i m Dasein oder Nichtdasein des Einverständnisses 75 . Davon gibt es eine wichtige abweichende Auffassimg. Sie hebt wie folgt hervor: „Diese Frage über den Unterschied zwischen bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit ist nicht vom Standpunkt der Tatsachenkenntnis, sondern von demjenigen des Rechtswidrigkeitsbewußtseins zu lösen. Denn das 70 Diese vertritt Koizumi, Grdr. 175. Kusano, Unters. I. 44, I I . 64. Miyamoto, Grdz. 148. Ono, Lehrb. 155. 71 Vgl. Makino, Lehrb. 129. Takikawa, Einl. 129. 72 Siehe Kusano, Unters. I V . 90. 73 RGerE 16. Februar 1923 (RSamml. Bd. 2, S. 100). 74 Eingehend in Inoue, Grenze von Vorsatz und Fahrlässigkeit, Erster Teil (1951). Festgabe Ono, Zweiter Teil (1950). Zeitschrift für das Strafrecht, Bd. 1, Heft 2. 75 Diese Ansicht vertritt ζ. B. Koizumi, Grdr. 161. Kusano, Lehrb. I. 142. Takikawa, Die Probleme des Strafrechts (1951), 115 ff.
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Das japanische Strafrecht
Wesen des Vorsatzes besteht i m Rechtswidrigkeitsbewußtsein, und Rechtswidrigkeitsunbewußtsein ist bezeichnend für Fahrlässigkeit 7 6 ." b) Dolus antecedens und dolus subsequens. Dolus antecedens liegt i n dem Falle vor, daß ein Täter in der irrigen Annahme, er habe eine bestimmte Straftat begangen, eine andere Handlung begeht, durch die erst die zuvor genannte Tatsache verwirklicht wird. Zum Beispiel besteht dolus antecedens i n dem Fall, daß ein Täter mit Tötungsvorsatz einen anderen Menschen tötet und i n der irrigen Annahme, daß der Mensch gestorben sei, den Körper des Menschen i n einen Fluß wirft, wodurch das Opfer ertrinkt und in Wirklichkeit erst stirbt. Dolus subsequens liegt vor, wo man eine bestimmte Handlung ohne Vorsatz tut, später einen Vorsatz hierfür faßt und die Dinge läßt, wie sie gehen, wenn ζ. B. der Wundarzt eingreift, dann einen Vorsatz faßt, die Behandlung nicht weiterzuführen. (II). Die Fahrlässigkeit (Culpa) 1. Bedeutung Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Beschuldigter infolge der Mißachtung und der Unkenntnis der strafbegründendenen Tatsachen ihrer Rechtswidrigkeit sich unbewußt ist, oder wenn er die strafbegründenden Tatsachen zwar erkennt, aber sich ihrer Rechtswidrigkeit unbewußt ist 7 7 . Früher wurde gelehrt, daß Fahrlässigkeit vorliegt, wenn ein Täter infolge der Mißachtung die strafbaren Tatsachen nicht erkannt hat. Die Fahrlässigkeit wurde m i t dem Vorsatz gleich behandelt 7 8 . Die normative Schuldlehre lehrt aber, daß das Wesen des Vorsatzes i m Bewußtsein der Rechtswidrigkeit liegt und dasjenige der Fahrlässigkeit im Fehlen des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit. Deshalb ist das Wesentliche der Fahrlässigkeit Mißachtung und Fehlen des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit. a) Zunächst ist Mißachtung erforderlich. Wenn keine Mißachtung vorliegt, auch wenn ein bestimmter Erfolg geschehen ist, richtet sich kein Schuldvorwurf der Fahrlässigkeit gegen den Täter. Jedoch ist hier die Rede von dem Fall des Vorhandenseins der Mißachtung. Die erste Meinung 7 9 ist die objektive, nach der der Beurteilungsmaßstab derjenige des allgemeinen Menschen ist. Zweitens gibt es die subjektive Meinung, die behauptet, daß die Fähigkeit des Täters entscheidend sei. Die d r i t t e 8 0 kombiniert beide Meinungen. Die letzte ist die herrschende Meinung, und der folge ich. 76 77 78 79 M
Kusano, Lehrb. 111 f. Siehe Kusano, Lehrb. I. 115. Dies vertritt Motoji, Grdz. 175 f. Makino, Lehrb. 202. Z . B . Makino, Lehrb. 205. Ζ. B. Koizumi, Grdr. 160. Ono, Lehrb. 174. Takikawa, Einl. 139 f.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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b) Ferner ist Fehlen des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit erforderlich. Dazu kommt es i n zwei Fällen. Der erste Fall ist der, daß man infolge der Unkenntnis der strafbegründenden Tatsachen der Rechtswidrigkeit sich unbewußt ist (man nennt den Fall die Tatsachenfahrlässigkeit). I m andern Fall erkennt der Täter die straf begründenden Tatsachen, aber die Rechtswidrigkeit ist unbewußt (Rechtswidrigkeitsfahrlässigkeit). Es handelt sich um die Frage, welche Form als schwerer anzusehen ist, Tatsachenfahrlässigkeit oder Rechtswidrigkeitsfahrlässigkeit. Wenn man normativ das Problem untersucht, so ist es die Tatsachenfahrlässigkeit, da Kenntnis der strafbegründenden Tatsachen i m Fall der Tatsachenfahrlässigkeit fehlt, und deshalb auch das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit; demgegenüber ist Rechtswidrigkeitsfahrlässigkeit schwerer als jene insofern, als der Beschuldigte trotz der Kenntnis der strafbegründenden Tatsachen sich ihrer Rechtswidrigkeit unbewußt ist 8 1 . Der zweite Streit ist der, wie, wenn die Rechtswidrigkeitsfahrlässigkeit, wie oben erwähnt, schwerer als Tatsachenfahrlässigkeit ist, jene zu behandeln sei. Die erste Auffassimg 8 2 behandelt Rechtswidrigkeitsfahrlässigkeit ebenso wie Tatsachenfahrlässigkeit. Die zweite Auffassung 8 " 1 lehrt, daß Rechtswidrigkeitsfahrlässigkeit eine Schuldform ist, die weder zum Vorsatz noch zur Fahrlässigkeit gehört. Die dritte Auffassung 8 4 behauptet, daß die Rechtswidrigkeitsfahrlässigkeit den Vorsatz selbst ausschließt. Endlich ist nach der vierten Auffassung 8 5 die Rechts Widrigkeitsfahrlässigkeit gleich dem Vorsatz zu behandeln. Ich denke der letzten Auffassung zu folgen. Aus der Bestimmung des § 38 Abs. 3 StGB: „Die Behauptung, daß der Wille, die Straftat zu begehen, gefehlt habe, kann nicht auf die Unkenntnis des Gesetzes gestützt werden; jedoch kann nach den Umständen des Falls die Strafe gemildert werden", ergibt sich, daß Fahrlässigkeit wegen Unkenntnis der Rechtswidrigkeit als Vorsatz behandelt ist, die Strafe des genannten Vorsatzdelikts aber bei leichter Fahrlässigkeit gemildert werden kann. Und bei noch wesentlich leichterer Fahrlässigkeit kann die Strafe nach den besonderen Bestimmungen des § 36 Abs. 2 StGB und des § 37 Abs. 1 StGB erlassen werden. Dabei w i r d geschlossen, daß eine Schuld, wenn es bei Fehlen des Bewußtseins der Rechtswidrigkeit keine Fahrlässigkeit gibt, nicht vorhanden und die Tat nicht strafbar ist 8 6 . 81
Siehe Koizumi , Grdr. 172. Kusano, Lehrb. I 118. Ζ. B. Ono, Lehrb. 172. 83 Vgl. Kameji Kimura, Die Probleme der Auslegung des Straf rechts (1939). 84 Ζ. B. Koizumi, Grdr. 162. Miyamoto, Grdz. 145, 169. 85 Eingehend in Shigemitsu Dando, Vorsatz und Unrechtsbewußtsein (1939), Zeitschrift für die juristische Assoziation. Bd. 58, Heft 2, S. 279. 86 Siehe Kusano, Lehrb. I, 84. Auch „Die Probleme der Straf rechtsreform" (1950), 165 ff. 82
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Das japanische Strafrecht
2. Die Arten der Fahrlässigkeit a) Die Tatsachen- und Rechtswidrigkeitsfahrlässigkeit. Siehe schon oben zum Unterschied zwischen beiden Arten von Fahrlässigkeit. b) Die unbewußt e und be wußte Fahrlässigkeit. Die unbewußte Fahrlässigkeit bedeutet, daß bei der Fahrlässigkeit die Kenntnis der strafbegründenden Tatsachen fehlt; demgegenüber liegt bei der bewußten Fahrlässigkeit die Kenntnis der s traf begründenden Tatsachen vor. Zu der bewußten Fahrlässigkeit vergleiche die schon gegebene Darstellung zu dem Vergleich m i t dem bedingten Vorsatz. c) Die geschäftliche und allgemeine Fahrlässigkeit. Die Fahrlässigkeit, betreffend die bei bestimmten Tätigkeiten erforderliche Sorgfalt, liegt dann vor, wenn der, der einen bestimmten Beruf hat, i n Ausübung seines Berufes dadurch, daß er die i h m obliegende Sorgfalt vernachlässigt, eine strafbare Tat begeht. Davon handeln §§ 117 a, 129 Abs. 2 und 211 StGB; die Bestrafung ist schwerer als bei allgemeinen Fahrlässigkeitstaten. Hier handelt es sich u m einen Strafschärfungsgrund. Nach der ersten Meinung 8 7 liegt der Grund darin, daß hochgradige Sorgfaltspflicht von dem Täter m i t bestimmtem Berufe verlangt wird. Die zweite Meinung 8 8 findet den Strafschärfungsgrund darin, daß der Täter durch die Drohung zu besonderer Sorgfalt angehalten werden soll. Diese Meinung ist die herrschende, und der folge auch ich. Nach der dritten Meinung 8 9 besteht der Grund darin, daß das verletzte Interesse verhältnismäßig schwer oder der Verstoß häufig ist. 3. Das erfolgsqualifizierte
Delikt
und die Fahrlässigkeit
Das erfolgsqualifizierte Delikt liegt vor, wo eine Straftat durch einen besonders schweren Erfolg, den der Täter nicht vorgesehen hat, verschärft w i r d 9 0 . Es handelt sich u m die Frage, welches Verhältnis zwischen der Grundstraftat und dem schwereren Erfolg besteht. Nach der ersten Auffassung 9 1 ist es genügend, daß die objektiv bedingte Kausalität zwischen der Grundstraftat und dem schwereren Erfolg besteht. Die zweite Auffassung 9 2 lehrt, daß subjektive Voraussehbarkeit oder Fahrlässigkeit des Täters erforderlich ist. Daß man einen Täter ohne Fahrlässigkeit schuldhaft sein läßt, ist s traf rechtsregelwidrig 93 . Daher 87 Diese ist die herrschende Lehre in Japan, z. B. Oba, Lehrb. bes. Teil, 1918, S. 130. 88 Z. B. Takikawa, Lehrb. bes. Teil, S. 50. 89 Z . B . Miyamoto , Grdz. 292. 99 Siehe dazu Kusano, Unters. V. 283. Auch „Die Probleme der Strafrechtsreform", S. 67. 91 Z. B. RGerE 6. April 1928 (RSamml. Bd. 7, S. 298). 92 Diese vertritt Koizumi , Grdr. 152. Kusano, Lehrb. I. 120. Ono, Lehrb. 152, 178. 93 Siehe Kusano, Unters. I V . 348 f.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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ist es erforderlich, daß er den schwereren Erfolg hätte voraussehen können, oder daß er m i t Fahrlässigkeit handelt. Davon handelt § 12 VorEStGB (1931), der lautet: „Bei dem durch den Erfolg qualifizierten Delikt w i r d der Täter nur dann schwerer bestraft, wenn er den Erfolg hätte voraussehen können." (III) Der I r r t u m 1. Bedeutung Wo die vom Täter angenommene Tatsache mit der objektiven W i r k lichkeit oder die von i h m angenommene Rechtswidrigkeit m i t der objektiven Rechtswidrigkeit nicht übereinstimmt, da liegt ein I r r t u m vor. Man nennt jenen den Tatsachenirrtum und diesen den Rechtswidrigkeitsirrtum. Bei beiden I r r t ü m e r n ist zu scheiden der sog. positive I r r t u m und der sog. negative Irrtum. Bei jenem n i m m t der Täter trotz des Nicht-Seins der Tatsache oder der Rechtswidrigkeit an, daß sie besteht; bei diesem nimmt der Täter trotz des Daseins der Tatsache oder der Rechtswidrigkeit an, daß sie nicht besteht. Hier handelt es sich u m den negativen I r r t u m als einen Schuldausschließungsgrund. Weiter w i r d der (negative) Tatsachenirrtum und der (negative) Rechtswidrigkeitsirrtum zur Erörterung gestellt. 2. Der Tatsachenirrtum Wo die vom Täter subjektiv erkannte strafbegründende Tatsache mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt, da liegt Tatsachenirrtum vor. Es können zwei Fälle bestehen, nämlich: der Täter ist sich der Rechtswidrigkeit nicht bewußt, da er sich bezüglich der strafbegründenden Tatsachen irrt, ζ. B. wenn er einen Menschen irrtümlicherweise für ein Tier hält und ihn bei der Jagd erschießt; oder der Täter tötet mit dem Vorsatz der Sachbeschädigung einen Menschen; zwar mangelt dem Täter dann das Rechtswidrigkeitsbewußtsein nicht, aber er hat sich bezüglich der strafbegründenden Tatsachen geirrt. Hier steht der zweite Fall i n Frage, zu dem drei Theorien vertreten werden. (Das geltende Straf recht bestimmt i n § 38 Abs. 4 lediglich: „Wenn der Täter bei Begehung der Straftat von einem erschwerenden Umstand keine Kenntnis hatte, so kann er nicht auf Grund dieses Umstandes schwerer bestraft werden.") a) Die konkrete Übereinstimmungstheorie. Nach dieser Theorie schließt der I r r t u m den Vorsatz aus, wenn die vom Täter angenommene Tatsache m i t der wirklichen Tatsache nicht konkret übereinstimmt. Bei dieser Theorie sind zwei Fälle gesondert darzustellen. Der eine ist gegeben, wo es sich u m den sog. Objektsirrtum handelt, ζ. B. der Täter sich i n seinem Objekt i r r t und darum Β statt A tötet. Dabei w i r d der Vorsatz nicht ausgeschlossen, weil das vom Täter vorausgesehene Ereignis m i t dem wirklich geschehenen Ereignis konkret
Das japanische Strafrecht
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übereinstimmt. Der zweite Fall liegt dort vor, wo es sich um den sog. Mittelsirrtum handelt: eine Kugel, die der Täter i n der Absicht abfeuert, A totzuschießen, t r i f f t unerwartet Β und verursacht dadurch den Tod von B. Dabei w i r d der Täter wegen des Versuches der Tötung in bezug auf A, wegen fahrlässiger Tod Verursachung i n bezug auf Β bestraft. Diese konkrete Übereinstimmungstheorie wurde früher von der Rechtsprechung des japanischen Reichsgerichts vertreten 9 4 . Nach dieser Theorie aber wurde bei einem Falle, i n dem ζ. B. der Täter, der A m i t Β irrtümlicherweise verwechselt und darum Β schädigt, der Täter wegen des Versuches der Sachbeschädigung in bezug auf A und wegen der fahrlässigen Sachbeschädigung i n bezug auf Β bestraft. Jedoch straft das geltende Strafrecht weder den Versuch der Sachbeschädigung noch die fahrlässige Sachbeschädigung. Nach dieser Theorie w i r d der Täter nicht bestraft, wenn er trotz der Absicht der Sachbeschädigung i n Wirklichkeit die Sache eines anderen beschädigt. Das ist der Grund, warum i n der nachfolgenden Darstellung die gesetzliche Übereinstimmungstheorie aufgestellt werden muß. b) Die gesetzliche Übereinstimmungstheorie. Nach dieser Theorie w i r d der Vorsatz ohne Rücksicht darauf, ob der I r r t u m Objektsirrtum oder Mittelsirrtum ist, nie ausgeschlossen, soweit die vom Täter erkannte Tatsache und die wirkliche Tatsache den ihnen gesetzlich gemeinsamen Deliktscharakter haben; der Vorsatz w i r d jedoch ausgeschlossen, wenn jene und diese Tatsache keinen gesetzlich gemeinsamen Deliktscharakter haben. Nach dieser Theorie schließt also der I r r t u m den Vorsatz nicht aus, soweit jene und diese Tatsache den ihnen gesetzlich gemeinsamen Deliktscharakter haben, und zwar sowohl beim Objektsirrtum (ζ. B. wenn der Täter A und Β i r r t ü m licherweise verwechselt und darum Β tötet) als auch beim Mittelsi r r t u m (ζ. B. wenn eine Kugel, die der Täter in der Absicht abfeuert, A totzuschießen, unerwartet Β t r i f f t und dadurch den Tod von Β verursacht). Aber der Vorsatz w i r d ausgeschlossen, und es kann sich nur um fahrlässige Tod Verursachung handeln, soweit jene und diese Tatsache keinen gesetzlich gemeinsamen Deliktscharakter haben, wie ζ. B., wenn der Täter in Absicht der Beschädigung einer Sache den Tod eines Menschen verursacht. Diese gesetzliche Übereinstimmungstheorie w i r d von der heutigen Rechtsprechung der japanischen Gerichte 9 5 und auch in der Theorie 9 6 »4 RGerE 11. August 1916 (ESamml. Bd. 22, S. 1313). Ζ. B. RGerE 14. Dezember 1917 (ESamml. Bd. 23, S. 1362). RGerE 3. Juli 1926 (RSamml. Bd. 5, S. 395). RGerE 12. Oktober 1931 (RSamml. Bd. 10, S. 440). 96 Ζ. B. Motoji, Grdz. 171. 95
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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vertreten. Gegen diese Theorie w i r d der Einwand erhoben, daß es absurd sei, den Täter wegen fahrlässiger Todverursachung nur m i t einer Geldstrafe bis zu eintausend Yen zu bestrafen, wenn er i n Absicht der Sachbeschädigung einen Menschen tötet, während er m i t Zuchthaus bis zu drei Jahren bestraft wird, wenn er m i t demselben Vorsatz bloß eine Sache beschädigt. Deshalb w i r d die sog. abstrakte Übereinstimmungstheorie aufgestellt. c) Die abstrakte Übereinstimmungstheorie. Nach dieser Theorie w i r d der Vorsatz nicht ausgeschlossen, auch wenn die vom Täter erkannte Tatsache und die wirkliche Tatsache keinen gemeinsamen Deliktscharakter haben. So ist nach dieser Theorie ζ. B. Sachbeschädigung gegeben, auch wenn der Täter i n Absicht der Sachbeschädigung den Tod eines Menschen verursacht. Über die abstrakte Übereinstimmungstheorie bestehen drei Ansichten, nämlich: (a) Die erste Ansicht: Wenn der Täter m i t dem Vorsatz einer m i l deren Α-Straftat tatsächlich eine schwerere B-Straftat vornimmt, so ist er i n Idealkonkurrenz wegen Vollendung der milderen A-Straftat m i t dem Versuch der schwereren B-Straftat nach dem schwersten Gesetz zu bestrafen. Wenn daher ζ. B. der Täter mit dem Vorsatz der Sachbeschädigung den Tod eines Menschen verursacht, so entsteht die Idealkonkurrenz der Vollendung der Sachbeschädigung m i t der fahrlässigen Todverursachung. Wenn dagegen der Täter m i t dem Vorsatz einer schwereren Α-Straftat die Tatsachen der milderen B-Straftat verwirklicht, so w i r d der Versuch der schwereren Α-Straftat m i t der Vollendung der milderen B-Straftat vereinigt; sodann ist er nach dem schwersten Gesetz zu bestrafen. Doch ist dieser Fall nicht die Idealkonkurrenz, sondern ein spezieller Fall. Wenn daher ζ. B. der Täter m i t dem Vorsatz der Tötung eines Menschen eine Sache beschädigt, so w i r d der Versuch der Tötung mit der Vollendung der Sachbeschädigung vereinigt; sodann ist er nach dem schwersten Gesetz zu bestrafen. Diese Ansicht vertritt Dr. Makino 9 7 . (b) Nach der zweiten Ansicht: Wenn der Täter mit dem Vorsatz der milderen Α-Straftat die Tatsachen der schwereren B-Straftat verwirklicht, so werden der Versuch der milderen Α-Straftat, die Fahrlässigkeit der schwereren B-Straftat und die Vollendung der schwereren B-Straftat angenommen; sodann ist der Täter innerhalb der Beschränkung des § 38 Abs. 2 StGB alternativ nach dem schwersten Gesetz zu bestrafen. Auch i n diesem Fall ist keine Idealkonkurrenz gegeben. Wenn daher ζ. B. der Täter m i t dem Vorsatz der Sachbeschädigung den Tod eines Menschen verursacht, so werden der Vern7
Siehe dazu Makino, Lehrb. 231 ff. Ders. Erforschung, V I I I . 120 ff.
Das japanische Strafrecht
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such der Sachbeschädigung, die fahrlässige Todverursachung und die Vollendung der Tötung angenommen; sodann ist der Täter innerhalb der Beschränkung des § 38 Abs. 2 StGB alternativ nach dem schwersten Gesetz zu bestrafen. Wenn demgegenüber der Täter m i t dem Vorsatz der schwereren Α-Straf tat die Tatsachen der milderen B-Straftat verwirklicht, so werden der Versuch der schwereren A-Straftat, die Fahrlässigkeit der milderen B-Straftat und die Vollendung der milderen B-Straftat angenommen; sodann ist der Täter alternativ nach dem schwersten Gesetz zu bestrafen. Wenn daher ζ. B. m i t einer Handlung, die der Täter m i t dem Vorsatz der Tötung eines Menschen ausführt, eine Sache beschädigt wird, so werden der Versuch der Tötung, die fahrlässige Sachbeschädigung und die Sachbeschädigung angenommen; sodann ist der Täter alternativ nach dem schwersten Gesetz zu bestrafen. Diese Ansicht vertritt Dr. Miyamoto 9 8 . (c) Nach der dritten Ansicht: Wenn der Täter m i t dem Vorsatz der milderen Α-Straftat die Tatsachen der schwereren B-Straftat verwirklicht, so ist er i n Idealkonkurrenz des Versuches der milderen A-Straftat mit der Fahrlässigkeit der schwereren B-Straftat nach dem schwersten Gesetz oder, wenn es an der Strafbarkeit der Fahrlässigkeit der schwereren B-Straftat mangelt, ausschließlich wegen des Versuches der Α-Straftat zu bestrafen. Wenn z. B. der Täter m i t dem Vorsatz der Sachbeschädigung den Tod eines Menschen verursacht, so ist Idealkonkurrenz des Versuches der Sachbeschädigung m i t der fahrlässigen Tod Verursachung gegeben. Wenn dagegen der Täter m i t dem Vorsatz der schwereren Α-Straftat die Tatsachen der milderen B-Straftat verwirklicht, so ist er i n Idealkonkurrenz des Versuches der schwereren Α-Straftat m i t der Fahrlässigkeit der milderen B-Straftat nach dem schwersten Gesetz oder, wenn es der Strafbarkeit der milderen B-Straftat mangelt, ausschließlich wegen des Versuches der schwereren Α-Straftat zu bestrafen; wenn es aber an einer den Versuch der Α-Straftat bestrafenden Bestimmung mangelt, so ist seine Strafbarkeit auf das Maß für die vorsätzliche B-Straftat zu begrenzen. Wenn daher ζ. B. m i t einer Handlung, die der Täter m i t dem Vorsatz der Tötung eines Menschen ausführt, eine Sache beschädigt wird, so werden der Versuch der Tötung und die fahrlässige Sachbeschädigung angenommen; der Täter ist ausschließlich wegen des Versuches der Tötung zu bestrafen, w e i l das Strafgesetz nicht die fahrlässige Sachbeschädigung bestraft. Oder wenn ζ. B. m i t einer Handlung, die der Täter m i t dem Vorsatz der Körperverletzung eines Menschen ausführt, eine Sache beschädigt wird, so ist seine Strafe auf das Maß der Sachbeschädigung zu begrenzen, weil es an der den Versuch 98
Siehe dazu Miyamoto , Grdz. 161 ff. Oers. Lehrb. 335 ff.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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der Körperverletzung bestrafenden Bestimmung mangelt. Diese Ansicht vertritt Prof. Kusano". 3. Der Rechtswidrigkeitsirrtum Wo die vom Täter i r r i g angenommene Rechtswidrigkeit m i t der objektiven Rechtswidrigkeit nicht übereinstimmt, da liegt Rechtswidrigkeitsirrtum vor. Zur Erklärung w i r d der Rechtswidrigkeitsi r r t u m auch der Rechtsirrtum genannt; aber nach einigen Auffassungen kennzeichnet der „Rechtsirrtum" genannte Rechtswidrigkeitsi r r t u m den I r r t u m am Strafgesetz selbst. A u f Grund der bisher vorherrschenden Meinung w i r d vertreten, daß zum Vorsatz nur die Tatsachenkenntnis erforderlich ist. Darum bedeutet das i m § 38 Abs. 3 StGB bestimmte „Gesetz" nur das Strafgesetz und lautet die Fassung des § 38 Abs. 3 StGB: „Unkenntnis des Gesetzes schließt den Vorsatz nicht aus", so daß die Kenntnis des Strafgesetzes zum Vorsatz nicht erforderlich ist; damit schließt der I r r t u m am Strafgesetz, nämlich der Rechtsirrtum, nicht den Vorsatz aus 1 0 0 . Der Unrechtsirrtum steht aber dort i n Frage, wo die normative Schuldlehre und damit die Ansicht vertreten ist, daß der Vorsatz das Rechtswidrigkeitsbewußtsein erfordere, ja daß das Wesen des Vorsatzes nicht i n der Tatsachenkenntnis, sondern darin besteht, sich der i n den Tatsachen bestehenden Rechtswidrigkeit als Rechtswidrigkeit bewußt zu sein. Gewöhnlich ist sich der Täter der Rechtswidrigkeit bewußt, soweit er die Tatsache erkennt; aber i n einigen Fällen i r r t er sich nur über die Rechtswidrigkeit. Wenn er ζ. B. wegen Putativnotwehr einen Menschen tötet, so liegt nicht nur die objektiv rechtswidrige Tötungstatsache, sondern auch die subjektive Kenntnis von der Tötung eines Menschen vor, und es gibt keine andere Tatsache außer der, daß er wegen putativer, also vermeintlicher imberechtigter Schädigung seiner selbst sowie deren Abwehr sich nicht gehindert glaubte, einen Menschen zu töten 1 0 1 . Wenn der Täter i n dieser Weise fahrlässig die Fahrlässigkeit nicht kennt, so ist er als ein m i t Vorsatz Handelnder anzusehen. Dies bestimmt die Vorschrift des § 38 Abs. 3 StGB: „Unkenntnis des Gesetzes schließt den Vorsatz nicht aus." Daß die Strafe der vorsätzlichen Schuld gemildert werden kann, wenn die Fahrlässigkeit milder bestraft wird, bestimmt § 38 Abs. 3 zw. Halbsatz StGB: „Doch kann nach den Umständen des Falles Strafmilderung eintreten." Soweit Fahrlässigkeit ein mildernder Umstand ist, kann nach der besonderen Regel des § 38 Abs. 1 StGB die 99
Siehe dazu Kusano, Lehrb. 121 ff. Ders., Die wichtigen Probleme auf der Strafrechtsreform (1950), 141 ff. 100 Vgl. Makino, Lehrb. 221. Motoji, Grdz. 174. RGerE 28. September 1934 (RSamml. Bd. 13, S. 1239). 101 Siehe dazu Kusano, Unters. V. 74 ff.
Das japanische Strafrecht
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Straffreiheit eintreten, und wenn der Täter nichtfahrlässig die Rechtswidrigkeit nicht kennt, kann die Schuld ausgeschlossen werden, und somit ist er nicht strafbar 1 0 2 . Dies ist auch i n der Vorsatzlehre berührt. B. D i e E r s c h e i n u n g s f o r m e n
des
Verbrechens
1. Der Begriff der Erscheinungsformen des Verbrechens 1. Übersicht Was oben als allgemeiner Tatbestand gelehrt wird, beruht darauf, daß „ein Täter ein Verbrechen vollendet". Die Formen des Verbrechens sind aber sehr mannigfaltig: bald ist ein Verbrechen unvollendet (Fall des Versuchs), oder es w i r d von mehreren begangen (Fall der Teilnahme), bald werden mehrere Verbrechen zugleich oder aufeinanderfolgend begangen (Konkurrenz). 2. Die Theorien Über die Behandlung von Versuch, Teilnahme und Konkurrenz bestehen nicht immer die gleichen Meinungen. Unter dem T i t e l „Erscheinungsformen des Verbrechens" behandeln einige Gelehrte wie i n dieser Abhandlung Versuch, Teilnahme und Konkurrenz. Andere Gelehrte, die die sogenannte Tatbestandstheorie vertreten, erklären nur den Versuch u n d die Teilnahme unter dem Titel der „reformierten Formen des Tatbestands 1 0 3 " oder „Verbrechensausdehnungsgründe 104 " oder „Strafausdehnungsgründe 1 0 5 ". Ferner behandeln Gelehrte einer dritten Gruppe unter dem Titel „Formen des Verbrechens" 1 0 6 oder „Typen des Verbrechens" 1 0 7 nur den Versuch und die Teilnahme. 2. Der Versuch I. D e r B e g r i f f
des
Versuchs
1. Übersicht Cogitationis poenam nemo patitur. I m Strafrecht konnte seit alten Zeiten jede bestimmte Handlung Gegenstand der Strafe sein. I n der Regel wurde die vollendete Strafhandlung bestraft; dagegen sind Bestrafungen von Versuch, Vorbereitung und Komplott nur ausnahms102
Diese Ansicht vertritt die Rechtsprechung, ζ. B. RGerE 4. August 1932 (RSamml. Bd. 11, S. 1153). 108 Ono, Lehrb. 179. 104 Shimada. Lehrb. 334 f. 105 Takikawa, Lehrb. 142 f., wie M. E. Mayer, Lehrb. 141 f. 106 Senjin Saeki, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1944, S. 274. 107 Miyamoto , Grdz. 175 f.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
25 V
weise vorgekommen. I m japanischen Strafrecht w i r d die vollendete Strafhandlung i n der Regel bestraft, während die Bestrafung des Versuches nur ausnahmsweise i n einzelnen Paragraphen durch das Gesetz vorgeschrieben wird. Die allgemeinen Regeln der Versuchsbestrafung werden i n §§ 43 ff. des 8. Abschnitts i m allgemeinen Teil des StGB aufgeführt. Ferner w i r d die Bestrafung von Vorbereitung und Komplott nur durch einige A r t i k e l ausnahmsweise vorgeschrieben, und es gibt noch keine allgemeinen diesbezüglichen Regeln. 2. Vorbereitung
und
Komplott
a) Vorbereitung. Vorbereitung ist eine der Verwirklichung des Verbrechenswillens dienende, aber noch nicht begonnene Handlung. Von ihrer Bestrafung handeln nur die sechs folgenden A r t i k e l des StGB über: Straftaten des inländischen Aufstandes (§ 78 StGB), Straftaten des ausländischen Angriffes (§ 88 StGB), Straftaten der vorsätzlichen Brandstiftung (§ 113 StGB), Straftaten der Münzfälschung (§ 153 StGB), Straftaten der Tötung (§ 201 StGB) und Straftaten des Raubes (§ 237 StGB). b) Komplott. Komplott bedeutet die Verschwörung zur Ausführung einer bestimmten Straftat. Noch seltener als bei der Vorbereitung schreibt das Gesetz eine Bestrafung des Komplotts vor. Nur zwei diesbezügliche gesetzliche Bestimmungen befinden sich im Strafgesetz: § 78 (Straftaten des inländischen Aufstandes) und § 88 (Straftaten des ausländischen Angriffes). Ob das so zu verstehen sein soll, daß das Komplott zu den Stufen der Vorbereitung gehört, ist bestritten. Zu erwähnen ist zunächst die positive Theorie 1 0 8 . Nach dieser Theorie hängt der Begehungsprozeß einer Straftat von dem Grade des Entschlusses jedes Täters ab, während das Komplott dem Anschein nach insofern eine mehr oder weniger äußerliche Handlung ist, als beim Komplott mehr Täter als zwei ihren Entschluß ausgetauscht haben. Eine zweite Ansicht vertritt die negative Theorie 1 0 9 , die folgendes lehrt: Komplott ist eine A r t Vorbereitung. Beide stimmen darin überein, daß sie Handlungen vor der Begehung einer Straftat sind, und zwar kommt bei der Vorbereitung ein Unterschied von Einheit und Mehrheit des Täters nicht in Betracht, während bei dem Komplott mehr Personen als zwei erforderlich sind. Danach umfaßt Vorbereitung alle Handlungen vor Begehung einer Straftat, aber das Komplott zeigt nur einen Zustand der Übereinstimmung des Willens zu einer bestimmten Straftat unter mehr Tätern als zwei an. Darin liege der Unterschied zwischen Vorbereitung und Komplott, behauptet die negative Theorie. 108 109
Diese vertritt ζ. B. Oba, Lehrb. 774. Ζ. B. Okada, Lehrb. 125.
17 Ausländisches S t r a f r e c h t
I.
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Das japanische Strafrecht
II. D e r V e r s u c h ( i m e n g e r e n
Sinne)
1. Übersicht Die begonnene, aber nicht vollendete Ausführung eines Verbrechens ist ein Versuch (§ 43 StGB). 2. Die Erfordernisse a) Zunächst ist notwendig, daß m i t der Ausführung eines Verbrechens begonnen wird. Über die Bedeutung der „Ausführung eines Verbrechens" stehen einige Meinungen i n Streit miteinander. Zunächst die objektive Theorie, nach der eine bestimmte Handlung, die nach dem Dafürhalten einer dritten Person für die Verwirklichung des Verbrechensentschlusses geeignet ist, die Ausführungshandlung genannt w i r d 1 1 0 . Die zweite Ansicht ist die der subjektiven Theorie, wonach eine bestimmte Handlung, die je nach der Absicht des Täters i n die Verwirklichung des Tatentschlusses hineinpaßt, als Ausführungshandlung angesehen wird. Wenn ζ. B. ein Täter ein Ding für einen Menschen hält und eine Tötungshandlung begeht, so kann die genannte Tat nach der objektiven Theorie nicht eine Verwirklichungstat der Tötung genannt werden, auch wenn die Tat auf dem Vorsatz der Tötung eines Menschen beruht; dagegen w i r d nach der subjektiven Theorie geltend gemacht, daß sie die Verwirklichung der Tötung ist. Während jene den objektiven Charakter ins Auge faßt und sodann nach dem Maßstab der Typen oder der Tatbestandsmäßigkeit entscheidet, ob ein Versuch zustande kommt oder nicht, legt diese den Nachdruck darauf, was der Täter subjektiv erkennt und w i l l , und erblickt darin eine Verwirklichung oder NichtVerwirklichung des Versuchs. I n bezug auf den „Anfang der Ausführung" stehen sich einige Streitmeinungen gegenüber. Die eine Theorie heißt die objektive Theorie, nach der die Ausführung eines Teils des besonderen Tatbestands des Verbrechens oder einer sich diesem nähernden Handlung als Anfang angesehen w i r d 1 1 1 . Demgegenüber gilt nach der subjektiven Theorie, die andere Gelehrte vertreten, als Anfang der aus der Ausführungshandlung sich ergebende Vorsatz oder die fortschreitende Betätigung des verbrecherischen Willens 1 1 2 . Jedoch ist zu beachten, daß die subjektive oder objektive Theorie für das Verständnis der praktischen Fälle keinen so großen Unterschied ihrer Folgen ergeben 1 1 3 . 110
Siehe Ono, Lehrb. 182. Dies vertritt die bisher vorherrschende Lehre; ζ. B. Ono, Lehrb. 183. Takikawa, Lehrb. 146. Auch RGerE; ζ. B. 11. Oktober 1917 (ESamml. Bd. 23, S. 1078). 112 Siehe Makino, Lehrb. I. 254. Miyamoto, Grdz. 179. 113 Siehe Kusano, Lehrb. I I , 136. Koizumi, Grdr. 185. 111
Der allgemeine Teil des Strafreclits
250
b) Für den Versuch ist erforderlich, daß die Ausführung einer Straftat zwar begonnen hat, aber noch nicht vollendet ist! Hier bedeutet „noch nicht vollendet worden ist", daß infolge einer unerwarteten Störung der besondere Tatbestand nicht hat erfüllt werden können. I n bezug auf diese unerwartete Störung unterscheidet man den Versuch (im engeren Sinne) vom Rücktritt vom Versuch. Betreffend den Rückt r i t t vom Versuch vgl. die nachstehende Darstellung. Ferner w i r d der auf Grund der unerwarteten Störung sich ergebende Versuch Störungsversuch (Shoge-misui), der auf Grund des Willens von selbst erfolgte Rücktritt Rücktritt vom Versuch (Chushimisui) (§ 43 Satz 2 StGB) genannt. Für den S tö rungs versuch kommen zwei Fälle i n Frage: der eine Fall, daß eine Ausführungshandlung nicht vollendet wird, und der andere Fall, daß eine Ausführungshandlung zwar vollendet ist, aber keine Folgen gehabt hat. Jene w i r d unbeendigter Versuch und diese beendigter Versuch genannt. Ein solcher Unterschied w i r d aber i m geltenden Strafrecht und vorläufigen Entwurf des japanischen StGB nicht mehr anerkannt, denn es läßt sich kein Interesse dafür finden. 3. Die Strafe Die Strafe des Versuches w i r d nach § 44 StGB durch das Gesetz in einzelnen Paragraphen bestimmt. § 43 StGB bestimmt, daß bei der Versuchsbestrafung „die Strafen gemildert werden können", d. h.: die Versuchsstrafe ist identisch m i t der Vollendungsstrafe, nur kann die Strafe nach den Umständen des Falls gemildert werden. Das bedeutet keineswegs, daß die Strafe immer gemildert werden müßte. 4. Probleme Erstens besteht die Frage, ob es einen Versuch beim Fahrlässigkeitsdelikt geben k a n n 1 1 4 . I m geltenden Strafgesetz ist der Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts straflos, aber es ist eine Streitfrage, ob Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts i n der Theorie anerkannt werden kann oder nicht. Die positive Theorie erklärt es für möglich. Die Wörter „Vorbereitungs- und Ausführungshandlung" bezögen sich i n ihrem eigentlichen Gebrauch auf das vorsätzliche Delikt, könnten aber auch auf das fahrlässige Delikt angewandt werden 1 1 5 . Die negative Theorie behauptet, es sei i n der Theorie unmöglich, den Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts zu erkennen; denn die Natur des Fahrlässigkeitsdelikts könne erst nach dem Eintreten des Erfolgs bestimmt wer114 Die hier erhobene Frage „ob es einen Versuch zu einer Fahrlässigkeit geben kann" findet nicht auf die Rechtswidrigkeitsfahrlässigkeit, sondern auf die Tatsachenfahrlässigkeit Anwendung. Siehe dazu, daß man in der letzteren ihn leicht anerkennen kann, Kusano, Unters. I V . 280 ff. 115 Dies vertritt Makino, Erforschung, V I I I . 248.
17
Das japanische Strafrecht
2
den 1 1 6 . Letztere ist die herrschende Theorie in Japan, und der folge ich auch. Die nächste Frage ist, ob es beim erfolgsqualifizierten Delikt einen Versuch gibt. Da beim sog. erfolgsqualifizierten Delikt die Fahrlässigkeit des Täters für das Eintreten eines schwereren Erfolgs erforderlich ist, ist es ebenso wie i m Fall des Fahrlässigkeitsdelikts unmöglich, vor dem Eintreten des Erfolgs der Straftat einen Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts anzunehmen 1 1 7 . Jedoch w i r d i m geltenden Strafgesetz § 240 i n die Bestrafung des Versuches des § 243 einbezogen. Diese Tatsache hat einen Streit der strafrechtswissenschaftlichen Welt i n Japan verursacht. Aber es scheint, daß die Bestimmung in dieser A n gelegenheit ein Gesetzgebungsfehler i s t 1 1 8 . Drittens fragt sich, ob es beim Unterlassungsdelikt einen Versuch gibt. Das ist zu bejahen, sofern es sich um ein vorsätzliches Delikt handelt. III. D e r R ü c k t r i t t v o m
Versuch
1. Die Bedeutung Wer die Ausführung einer Straftat begonnen hat, aber aus eigenem Willen die Ausführung aufgibt, der nimmt einen Rücktritt vom Versuch vor. § 43 Satz 2 StGB lautet: „Wenn er aus eigenem Entschluß die Ausführung aufgibt, so t r i t t Strafmilderung oder Straffreiheit ein." Der vorläufige Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches (1931) bestimmt i n § 23 wie folgt: „Wenn jemand aus freien Stücken die Ausführung einer Straftat aufgibt oder das Eintreten des Erfolgs abwendet, so kann Strafmilderung oder Straffreiheit eintreten; wenn der Entschluß auf Reue beruht, so kann von einer Bestrafung abgesehen werden (Abs. 1). Wenn das Eintreten des Erfolgs unmöglich oder ein Tatbestand vollendet war, ohne daß der Erfolg eingetreten ist, und der Täter i n Unkenntnis hiervon sich ernstlich um die Abwendung des Erfolgs bemüht hat, so findet der vorhergehende Absatz Anwendung" (Abs. 2) 1 1 9 . 2. Die Erfordernisse a) Es ist erforderlich, daß die Ausführung einer Straftat begonnen hat. Siehe dazu die Erklärung beim Versuch. b) Erforderlich ist ferner, daß aus eigenem Willen die Ausführung aufgegeben wird. 116
Dies behauptet Kusano, Unters. V. 280. Vgl. Kusano, Lehrb. I I . 139. 118 Siehe Kusano, Unters. V. 291. 119 Dieser Artikel ist erklärt in Kusano, Unters. IV. 106 ff. Makino, forschung V I I I . 258 ff. 117
Er-
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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Über das Merkmal „aus eigenem Willen" gehen die Meinungen auseinander. Die erste Ansicht ist die objektive Theorie, nach der die Ausführung „aus eigenem Willen aufgegeben" ist, wenn das Aufgeben auf Ursachen außer materiellen Störungen beruht, weshalb ζ. B. der Fall, daß ein Täter infolge der Kenntnis, daß ein Polizeibeamter kommt, aufgibt, als Rücktritt vom Versuch behandelt wird. Nach dieser Theorie aber w i r d der Rahmen des Rücktritts vom Versuch zu weit. Ferner gibt es die subjektive Theorie. Daß ein Täter aus eigenem Willen aufgibt, heißt nach dieser Theorie, daß er auf seinen Vorsatzwillen verzichtet, d. h. daß sein Rücktritt von der Straftat auf Reue beruht 1 2 0 . Der Rahmen des Rücktritts vom Versuch ist bei der subjektiven Theorie zu eng; denn wenn ζ. B. ein Täter die Ausführung einer Straftat begonnen hat, aber aus Furcht vor leichter Entdeckung wegen der Zeit und des Ortes die Straftat auf eine spätere Gelegenheit verschiebt, dann w i r d dies nach dieser Theorie nicht als Rücktritt vom Versuch behandelt. Schließlich gibt es noch eine Kompromißtheorie. Wenn die Ursache der Nichtvollendung einer Straftat i m Vergleich m i t der Sozialidee überhaupt eine gewöhnlich nicht als Störung gedachte Eigenschaft hat, versteht man nach dieser Theorie, daß der Verzicht auf die Straftat auf eigenem Willen beruht. Letztere ist die herrschende Theorie 1 2 1 , der auch ich folge. „Die Ausführung einer Straftat aufgeben" bedeutet, daß der Täter die Straftat nicht beendigt, m. a. W., daß) die Straftat nicht vollendet worden ist. Dazu kommt es i n zwei Fällen: Wenn der Täter die Ausführung einer Straftat begonnen, aber, ehe die Straftat vollendet worden ist, die Ausiführungshandlung aufgegeben hat, w i r d der Versuch „unbeendigter Versuch" genannt, und es ist subjektiv zu entscheiden, ob die Ausführungshandlung vollendet worden ist oder nicht 1 2 2 . Wenn er ζ. B. nach seinem Plan mit einer Pistole geschossen hat, um einen Menschen zu töten, aber, da die erste Kugel nicht traf, das Abschießen der zweiten Kugel aufgegeben hat, so liegt ein unbeendigter Versuch vor. Wenn dagegen der Täter die Ausführung einer Straftat begonnen und dann vollendet, aber das Eintreten des Erfolgs verhindert hat, so liegt ein „beendigter Versuch" vor, und es ist ebenso wie i m obigen Fall subjektiv zu entscheiden, ob die Ausführungshandlung vollendet worden ist oder nicht. Aber man n i m m t ohne Rücksicht darauf, ob er alles getan hat, was nach seinem Plan für ihn zu tun notwendig war, an, daß die Ausführungshandlung vollendet worden ist, nachdem die 120
Vgl. Miyamoto , Lehrb. 374. Ders. Grdz. Z. B. Kusano, Lehrb. I I . 142. Koizumi, ζ. B. RGerE 6. März 1937 (RSamml. Bd. 16, 122 Dies vertritt ζ. B. Koizumi, Grdr. 194. Lehrb. 310. Miyamoto, Grdz. 185. 121
184. Grdr. 190. Auch Rechtsprechung S. 1272). Kusano, Lehrb. I I . 143. Makino,
2
Das japanische Strafrecht
Gefahr des Erfolgseintritts schon gegeben war. Wenn er ζ. B. die erste Kugel abgeschossen und den Menschen getroffen hat und somit die Gefahr des Erfolgseintritts schon vorliegt, so ist die Ausführungshandlung vollendet, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Täter die vorher geplante zweite Kugel abgeschossen hat oder nicht. Nach der i n Japan herrschenden L e h r e 1 2 3 ist es i n solchem Fall, um den Rücktritt vom Versuch anzunehmen, erforderlich, daß der Täter positiv die Gefahr des Erfolgseintritts verhinderte und er in Wirklichkeit überhaupt die Gefahr verhindern konnte 1 2 4 . Ich schließe mich hier der herrschenden Lehre an. 3. Die Strafe Nach einem i m Gesetz aufgeführten Beispiel ist der Rücktritt vom Versuch straflos. Aber das japanische Strafrecht sieht den Rücktritt vom Versuch als eine A r t von Versuch an und bestimmt i n dem zw. Halbsatz von § 43, daß die Strafe gemildert oder erlassen w i r d 1 2 5 . Daß die Strafe beim Rücktritt vom Versuch immer gemildert oder erlassen werden kann, beruht auf dem positivrechtlichen Grund, daß die A n t i normativität des Täters hier ziemlich leicht ist, sowie auf dem k r i m i nalpolitischen Grund, daß der Rücktritt vom Versuch zu fördern i s t 1 2 6 . 4. Die Probleme Bei der Bestrafung der Vorbereitung oder des Komplotts zu einer Straftat handelt es sich darum, ob der zw. Halbsatz von § 43 auch für die Vorbereitung oder das Komplott gilt. Hierzu vertritt unsere Rechtsprechung die negative Theorie 1 2 7 : „Die i m § 201 StGB bestimmte Vorbereitung ist nicht zu bestrafen, wenn der Täter aus eigenem Willensentschluß die Straftat vor ihrem Beginn aufgab; aber wenn er einmal die i m § 201 bestimmte Vorbereitung begonnen und schon etwas getan hat, kann er sich nicht der Bestrafung nach § 201 entziehen, auch wenn er später freiwillig die Straftat a u f g i b t 1 2 8 " , so behauptet die Rechtsprechung 129 . 123 Z. B. Kusano, Lehrb. I I . 143. Miyamoto , Grdz. 186. Gegenteilig betont aber Makino, Lehrb. 316. Auch schließt sich die Rechtsprechung der herrschenden Lehre an, ζ. B. RGerE 17. September 1929 (RSamml. Bd. 8, S. 446). 124 Die dazu erklärten beachtenswerten Entscheidungen sind RGerE 25. Juni 1937 (RSamml. Bd. 16, S. 1003) und RGerE 19. April 1938 (RSamml. Bd. 17, S. 344). 125 VorEStGB § 23 Abs. 1 lautet: „.. .; wenn der Entschluß auf Reue beruht, so kann von einer Bestrafung abgesehen werden." 126 Siehe dazu Kusano, Lehrb. I I . 145. Koizumi , Grdr. 197. 127 Als die negative Ansicht vertretende Rechtstheorie sind bezeichnet Koizumi , Grdr. 198. Motoji, Str. 554. 128 RGerE 4. Mai 1916 (ESamml. Bd. 22, S. 687). 129 Vgl. demgegenüber als positive Theorie: Kusano, Lehrb. I I . 145 f. Vgl. Makino, Lehrb. 320. Miyamoto , Grdz. 186. Siehe dazu auch Kusano, Unters. V. 269. Makino, Erforschung V I I I . 318.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
IV. D e r u n t a u g l i c h e
2
Versuch
1. Die Bedeutung I n -der Theorie ist der untaugliche Versuch umstritten; das Strafgesetz t r i f f t keine Bestimmung i n bezug auf den untauglichen Versuch. Der vorläufige E n t w u r f des StGB (1931) bestimmt aber: „ I m Fall der Unmöglichkeit eines Eintretens des Erfolgs w i r d eine Handlung nicht bestraft, wenn sie keine Gefahr m i t sich b r i n g t 1 3 0 . " 2. Die Theorien
über den untauglichen
Versuch
Über den untauglichen Versuch bestehen drei wichtige Theorien: die tatsächliche und die juristische Untauglichkeitstheorie sowie die Gefährlichkeitstheorie. a) Die tatsächliche Untauglichkeitstheorie. Die Fälle, i n denen ein Eintreten des Erfolgs unmöglich ist, teilt man nach dieser Theorie in zwei Gruppen, nämlich die der absoluten 1 3 1 und der relativen Untauglichkeit 1 3 2 ; i n jenen Fällen spricht man vom untauglichen Versuch und i n diesen vom Versuch überhaupt, z.B.: wenn der Täter mit Schwefelstaub einen Menschen töten w i l l , w i r d sein Fall (im Sinne dieser Theorie) als untauglicher Versuch behandelt, da solches M i t t e l dazu absolut ungeeignet ist. Aber eine solche Unterscheidung zwischen absoluter u n d relativer Untauglichkeit ist nicht nur unsicher, sondern auch naiv; deshalb entstand die juristische Untauglichkeitstheorie 1 3 3 . b) Die juristische Untauglichkeitstheorie. Diese Theorie hebt folgendes hervor: Wenn das Nichteintreten des Erfolgs dem Mangel an einer i n dem besonderen Tatbestand vorgesehenen Tatsache zuzuschreiben ist, so liegt ein untauglicher Versuch, andernfalls ein Versuch vor. Ζ. B. liegt der untaugliche Versuch vor, wenn eine illegale Operation an einem nicht schwangeren Weib ausgeführt w i r d 1 3 4 . Da der Mangel der oben erwähnten, zum Tatbestand gehörigen Tatsache begrifflich nicht immer klar zu fassen i s t 1 3 5 , w i r d ferner die Gefährlichkeitstheorie aufgestellt. c) Die Gefährlichkeitstheorie. Entweder fühlt der durchschnittliche Mensch die Gefahr des Eintretens des Erfolgs oder er fühlt sie nicht; 130
Vgl. § 26 des chinesischen StGB. I m Fall, in dem es sich um die absolute Untauglichkeit handelt, bestehen auch zwei Fälle: erster Fall ist der, wo der Grund der Untauglichkeit i m Gegenstand liegt, zweiter Fall ist dagegen der, wo er i m Mittel (oder in der Methode) besteht. Siehe dazu Kusano, Lehrb. I I . 147 f. 122 Dies vertrat die bisherige herrschende Lehre. 183 Diese ist aber die von einer Minderzahl vertretene Ansicht, ζ. B. Shimada, Grdr. 145. 134 Siehe RGerE 17. Juni 1917 (RSam,ml. Bd. 6, S. 215). 135 Vgl. Kusano, Die wichtigen Probleme der Strafrechtsreform S. 216, 131
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im ersteren Fall liegt untauglicher Versuch vor, i m letzteren Versuch 1 3 6 . (a) Die konkrete Gefährlichkeitstheorie (die objektive Gefährlichkeitstheorie). Wenn der durchschnittliche Mensch sich konkret keiner Gefahr des Eintretens eines Erfolgs angesichts der objektiven Verhältnisse zur Zeit der Handlung bewußt wird, so liegt untauglicher Versuch vor; i m andern Falle liegt Versuch v o r 1 3 7 . Die oben erwähnten Verhältnisse sind danach zu beurteilen, ob sie der durchschnittliche Mensch zur Zeit der Handlung erkennen konnte und ob sie der Täter i m besonderen erkannt hat. Wenn deshalb ζ. B. der Täter an einem gestorbenen Menschen eine Tötungshandlung ausführt, so liegt der Versuch des Mordes vor, wenn das Objekt zur Zeit der Handlung noch als ein Schwerkranker behandelt wurde; dagegen liegt untauglicher Versuch vor, wenn das Objekt zur Zeit der Handlung schon als Leichnam behandelt wurde. (b) Die abstrakte Gefährlichkeitstheorie (die subjektive Gefährlichkcitstheoric). Diese Theorie hebt hervor, daß der untaugliche Versuch dann vorliegt, wenn der durchschnittliche Mensch angesichts der zur Zeit der Handlung vom Täter erkannten — subjektiven — Verhältnisse eine Gefahr empfindet 1 3 8 . Andernfalls liegt Versuch v o r 1 3 9 . Wenn ζ. B. der Täter an einem gestorbenen Menschen eine Tötungshandlung ausführt, liegt nach dieser Theorie Versuch vor, soweit er den gestorbenen Menschen für einen lebenden hält, auch wenn das Objekt zur Zeit der Handlung schon als Leichnam behandelt wurde 1 4 0 . Ich schließe mich dieser Theorie an. 3. Die
Behandlung
M i t Bezug auf die Behandlung des untauglichen Versuchs gehen die Beispiele i n der vorliegenden Gesetzgebung und i m Entwurf des StGB (1931) auseinander. Soweit bestimmt wird, daß sie zu bestrafen sind, kann die Strafe gemildert oder erlassen werden. Der vorläufige Entwurf des japanischen StGB (1931) bestimmt, wie schon oben erwähnt, „ wird nicht bestraft". 138
Siehe RGerE 24. Juli 1914 (ESamml. Bd. 20, S. 1546). Dies vertritt ζ. B. Ono, Lehrb. 189. Motoji, Str. 541. 138 Natürlich ist, daß die abstrakte Gefährlichkeitstheorie in der Lehre vom untauglichen Versuch zu vertreten ist, insofern die abstrakte Übereinstimmungstheorie in der Tatsachenirrtumslehre behauptet wird. Siehe dazu Kusano, Unters. I I I . 486. 139 Dies vertritt Kusano, Lehrb. I I . 149. Koizumi, Grdr. 206. Makino, Lehrb. 332. 140 Siehe dazu, von welchem Grunde aus kein abergläubisches Delikt bestraft wird, Kusano, Unters. V. 298. Makino, Lehrb. 332. Miyamoto, Grdz. 192. 137
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3. Die Teilnahme I. D e r B e g r i f f
der
Teilnahme
1. Übersicht Eine Straftat kann von einer Person begangen werden, oder es können an ihr mehrere Personen beteiligt sein. Die meisten der in den einzelnen Paragraphen des Strafgesetzes enthaltenen Vorschriften setzen voraus, daß eine Person eine oder mehrere Straftaten begeht. Wenn § 199 des StGB z. B. sagt: „Wer einen Menschen tötet", so setzt diese Bestimmung voraus, daß nur eine einzige Person die Straftat der Tötung beging. Solcher Täter w i r d ein Alleintäter genannt. Manchmal w i r d aber die Straftat von mehreren Personen begangen, ζ. B. mehrere Personen begehen die obige Straftat der Tötung. I n solchem Fall finden die Bestimmungen über die „Teilnahme" (§§ 60 ff. StGB) außer der Bestimmung des § 199 auf die genannte Straftat Anwendung. Das Strafgesetz kennt drei besondere Formen der Beteiligung an der Straftat: die Mittäterschaft, die Anstiftung und die Beihilfe. Hier hat man seine Aufmerksamkeit darauf zu richten, daß. die Bestimmungen über die Teilnahme nicht immer dann Anwendung finden, wenn mehrere Personen eine Straftat begehen; denn gewisse Straftaten wie Doppelehe (§ 184 StGB), das Glücksspiel (§ 185 StGB), der inländische Aufstand (§ 77 StGB), der Aufruhr (§ 106 StGB) usw. setzen mehrere Täter voraus. 2. Die Lehren über die Teilnahme M i t Bezug auf die Teilnahme bestehen die drei folgenden Theorien: a) die Theorie des gemeinsamen Verbrechens, b) die Theorie der gemeinsamen Handlung und c) die Theorie des Subjekts des gemeinsamen Willens. a) Die Theorie des gemeinsamen Verbrechens (die objektive Theorie). Nach dieser Theorie versteht man unter Teilnahme den Fall, daß eine Straftat von mehreren Personen begangen w i r d 1 4 1 . Über diese Theorie bestehen zwei Behauptungen: Die erste Behauptung versteht die Theorie des gemeinsamen Verbrechens vom Standpunkt der Kausalität aus. M i t anderen Worten: Bald nimmt man nach dieser Behauptung die Ursachentheorie in der Kausalitätslehre auf und behauptet, daß Täter ist, wer die Veranlassung zu der Verursachung des Erfolgs gegeben hat, daß dagegen Teilnehmer ist, wer nur einfach eine Bedingung gegeben hat; bald nimmt man die Theorie des adäquaten Kausalzusammenhangs auf und hebt hervor, daß derjenige Täter ist, der eine der Verursachung des Erfolges adäquate Ursache gibt, und daß jeder 141
Siehe dazu. Oba, Lehrb. I I (1920) 999. Auch Motoji, Str. 627.
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Das japanische Strafrecht
sonstige Beteiligte ein Teilnehmer ist. Diese Behauptungen können nicht hervorgehoben werden, ohne daß man die Ursachentheorie oder die Theorie des adäquaten Kausalzusammenhangs bejaht. Sodann folgt eine Theorie, welche die Theorie des gemeinsamen Verbrechens von dem Standpunkt der sog. Tatbestandstheorie aus versteht 1 4 2 . Nach dieser Behauptung ist die Teilnahmelehre nicht vom Standpunkt der Kausalitätslehre, sondern vom Standpunkt der Tatbestandserfüllungstheorie aus zu verstehen, und die Formen der i n §§ 60 ff. StGB geregelten Teilnahme sind die reformierten Formen der besonderen Tatbestände und bilden die allgemeinen Formen für die Bestrafung einer Straftat, die nicht den Tatbestand i n einem gegebenen einzelnen Paragraphen erfüllt. Daß die Teilnahme die reformierte Form des Tatbestandes ist, bedeutet, daß die genannte Form die allgemeine Begriffsform ist, die auf Grund eines besonderen Tatbestands und m i t Bezug auf i h n den Inhalt des besonderen Tatbestandes reformiert 1 4 3 . Aber ein Einwand gegen diese Ansicht w i r d insofern erhoben, als es nach ihr schwer zu erklären ist, daß i m Fall der Straftat des Aufruhrs von dem Rädelsführer, der sich nicht an der Begehungstat mittels Gewalt oder Drohung beteiligt, die schwerste strafrechtliche Schuld getragen w i r d 1 4 4 . b) Die Theorie der gemeinsamen Handlung (die subjektive Theorie): Nach dieser Theorie heißt Teilnahme, daß eine Straftat durch eine gemeinsame Handlung von mehreren Personen begangen wird, m. a. W. ihre Vertreter verstehen die Teilnahme von dem Standpunkt der Bedingungstheorie i n der Kausalitätslehre aus 1 4 5 . Wenn es überhaupt einen Kausalzusammenhang zwischen der Handlung u n d der strafbegründenden Tatsache gibt, so liegt kein Grund vor, zu unterscheiden, ob dieser Zusammenhang unmittelbar oder wichtig, oder ob er nur mittelbar oder unwichtig i s t 1 4 6 . Daher unterscheidet sich die Teilnahme nach dieser Ansicht nicht grundsätzlich von dem Fall des allgemeinen Alleintäters; nur ist an i h r charakteristisch die äußerliche Form, daß die Straftat abhängig von der Handlung eines andern begangen wird. M i t anderen Worten: alle strafbegründenden Tatsachen oder ein Teil der strafbegründenden Tatsachen des andern funktionieren nur als eine Funktion des Kausalzusammenhangs der Teilnahme 1 4 7 . Wenn man 142 Siehe Ono, Tatbestandserfüllungslehre. Matsunami-Festgabe (1928), S. 66. Auch der Versuch und die Teilnahme als reformierte Form des Tatbestands in Kato-Festgabe (1932). 148 Ono, Lehrb. 197 ff. Für Strafausdehnungsgründe hält aber Takikawa, Lehrb. 142 ff., als Verbrechensausdehnungsgründe begreift Shimada, Grdr. 133 ff. die Teilnahmeformen. 144 Kusano, Lehrb. I I . 155 ff. 145 Dies vertritt Makino, Lehrb. 409. 146 Siehe Makino, Lehrb. 411 ff. 147 Siehe dazu, Miyamoto, Grdr. 195 ff.
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diese Theorie bis zu Ende durchdenken würde, so müßte die Teilnahme verneint werden, infolgedessen müßten die Bestimmungen über die Teilnahme) unnötig werden 1 4 8 . c) Die Theorie des Subjekts des gemeinsamen Willens. Nach dieser Theorie bedeutet die Teilnahme: Tätigkeiten des Subjekts m i t gemeinsamem Willen, die besondere sozialpsychologische Phänomene 1 4 9 sind, d. h.: die gemeinsamen Phänomene werden i n der Wirtschaftslehre als Arbeitsteilung oder als Verhältnis der Vereinigung untersucht, i m Privat- oder Handelsrecht als Institution der juristischen Person oder der Genossenschaft geregelt oder i m Straf recht als Teilnahme bestimmt. Der Grund, warum die besonderen Bestimmungen der Teilnahme solchermaßen nötig sind, liegt darin, daß, wenn zwei oder mehr Personen i n bezug auf ein gemeinsames Ziel übereinstimmen, ein spezieller gemeinsamer Geisteszustand erzeugt wird, sodann, daß etwas, was individualwillig nicht getan wird, gewagt und getan werden k a n n 1 5 0 , ζ. B., daß ein Knabe, der allein zur Nacht nicht durch einen Park gehen kann, es m i t anderen zusammen tun kann. Wenn daher zwei oder mehr Personen gemeinschaftlich eine Straftat begehen, so ist die Gefahr größer und furchtbarer, als wenn eine Person sie allein begeht 1 5 1 . Bei der Straftat der Gewalt (§ 208 StGB), die mit Zuchthaus bis zu zwei Jahren zu bestrafen ist, wenn sie allein begangen wird, treten, wenn sich eine Menschenmenge zusammenrottet und diese Straftat (Straftat der Gewalt) begeht, die Straftaten dei* Störung von Ruhe und Ordnung eines Ortes hinzu, und das hat zur Folge, daß der Rädelsführer m i t Zuchthaus oder Gefängnis von einem Jahr bis zu] zehn Jahren bestraft w i r d und daß, wer den Befehl über andere ausführt oder dadurch, daß er anderen vorangeht, die Macht des Aufruhrs stärkt, mit Zuchthaus oder Gefängnis von sechs Monaten bis zu sieben Jahren, dagegen wer sich lediglich den anderen anschließt, m i t Geldstrafe bis zu fünfzig Yen bestraft wird. Solche Tatsache würde ein unlösbares Rätsel bleiben, wenn man nicht die spezielle Gemeinschaftspsychologie verstehen würde. Da solche spezielle Gemeinschaftspsychologie i m Fall der Straftat einer Menschenmenge wie der Straftat des Aufruhrs anerkannt wird, so muß die Gemeinschaftspsychologie auch bei der Teilnahme anerkannt werden. Unter solcher theoretischen Konstruktion versteht man nach dieser Theorie die Teilnahmephänomene als Tätigkeiten des Subjekts des gemein148 Vgl. Kusano, Akzessorietät der Teilnahme (1950), Die wichtigen Probleme der Strafrechtsreform, S. 318. Miyamoto , Lehrb. 393. 149 Dies vertritt Kusano, Lehrb. I I . 156. Auch Koizumi , Grdr. 211 ff. 150 y g i Kusano, Lehrb. I I . 155. — Vgl. Kusano, Selbständigkeit der Teilnahme, a.a.O., S. 261 ff. 151 Vgl. Kusano, Selbständigkeit der Teilnahme, a.a.O., S. 262. Auch RGerE 10. März 1923 (RSamml. Bd. 16, S. 299).
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samen Willens. Ich muß Bedenken hegen, dieser Théorie des Subjekts des gemeinsamen Willens zu folgen, weil jede der beiden obigen Theorien ihre schwache Seite hat. 3. Die Akzessorietät der Teilnahme Die Akzessorietät der Teilnahme bedeutet ein zweifaches 152 . Das eine ist die Akzessorietät bezüglich des Zustandekommens, m. a. W.: Damit strafbare Anstiftung oder Beihilfe Zustandekommen kann, ist es erforderlich, daß ein Täter die Ausführung einer Straftat begonnen hat. Das andere ist Akzzessorietät bezüglich der Bestrafung. Es ist, damit Anstifter und Gehilfe bestraft werden können, erforderlich, daß der Täter bestraft wird, und wenn der Täter bestraft wird, so müssen auch Anstifter und Gehilfe bestraft werden 1 5 3 . Darüber, ob diese zwei Arten von Akzessorietäten anerkannt werden können, läßt sich streiten. Eine erste Ansicht erkennt beide A r t e n von Akzessorietäten a n 1 5 4 . Eine zweite Ansicht bejaht die Akzessorietät bezüglich des Zustandekommens, aber verneint die Akzessorietät bezüglich der Bestrafung 1 5 5 . Eine dritte Ansicht erkennt beide nicht an, sondern hebt die sog. Selbständigkeitslehre der Teilnahme hervor 1 5 6 . Ferner schlägt eine vierte Ansicht vor, daß beide von dem Standpunkt der Verbandslehre über die Teilnahme aus bejaht werden müssen 1 5 7 . Es handelt sich zunächst darum, ob die Akzessorietät der Mittäterschaft anerkannt werden kann. Die Akzessorietät der Teilnahme bedeutete von vornherein die Akzessorietät der Beteiligung (Anstiftung und Beihilfe) 1 5 8 . Insofern man aber die Theorie des Subjekts des gemeinsamen Willens annimmt, muß auch die Akzessorietät der M i t täterschaft anerkannt werden. 4. Die Arten der Teilnahme a) Zufällige Teilnahme und notwendige Teilnahme. Zufällige Teilnahme liegt dann vor, wenn mehrere Personen eine Straftat, die strafgesetzlich auch eine Person allein begehen kann, gemeinsam begehen. Notwendige Teilnahme liegt dagegen vor, wo eine Straftat, deren Begehung gesetzlich die M i t w i r k u n g von mehreren Personen erfordert, begangen w i r d 1 5 9 . Ferner w i r d die notwendige Teilnahme zweifach 152 Takikawa, Einl. 202 ff. lehrt, daß in der Akzessorietät der Teilnahme die vier Stufen bestehen, wie M. E. Mayer, Lehrb. S. 391. 153 Siehe Kusano, Akzessorietät der Teilnahme, a.a.O., S. 301. 154 Dies vertritt die Rechtsprechung, z. B. RGerE 26. November 1936 (RSamml. Bd. 13, S. 1598), und die bisherige herrschende Lehre, z. B. Takikawa, Lehrb. 163. 155 Siehe Koizumi, Grdr. 215. Ono, Lehrb. 191. 156 Dies vertritt Makino, Lehrb. 411. Miyamoto, Grdz. 195. 157 Siehe Kusano, Unters. I I I . 135 ff. Ders., Selbständigkeit der Teilnahme, a.a.O., S. 245 ff. 158 Siehe dazu Makino, Lehrb. 410. Ono, Lehrb. 198. Vgl. RGerE 29. Oktober 1928 (RSamml. Bd. 7, S. 712).
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eingeteilt, und zwar in: Versammlungsdelikt und Konvergenzdelikt. Das Versammlungsdelikt w i r d auch Begegnungsdelikt genannt und erfordert, daß eine M i t w i r k u n g von mehreren Personen zusammenkommt, wie ζ. B. bei den Straftaten der Doppelehe (§ 184 StGB) und des Glückspiels (§ 185 StGB). Das Konvergenzdelikt w i r d auch Gemeindelikt genannt und ist eine Straftat, bei der eine M i t w i r k u n g von mehreren Personen an dem gleichen Zielpunkt zusammenkommt, wie ζ. B. die Straftaten des inländischen Aufstands (§ 77 StGB) und des Aufruhrs (§ 106 StGB). b) Täterschaft und Beteiligungsdelikte. Unter Beteiligungsdelikten versteht man die Anstiftung und die Beihilfe. Die Beteiligungsdelikte sind von vornherein, wie oben bemerkt, von der Täterschaft abhängig zustandegekommen. I n dieser Beziehung w i r d die Täterschaft auch Hauptstraftat (selbständige Straftat) und werden die Beteiligungsdelikte auch abhängige Straftaten (akzessorische Straftaten) genannt. c) Materielle Teilnahme und immaterielle Teilnahme. Materielle Teilnahme liegt vor, wenn man sich an der Ausführung einer Straftat unmittelbar beteiligt, während immaterielle Teilnahme da vorliegt, wo man auf die Ausführung einer Straftat einen geistigen Einfluß ausübt. Materielle Täterschaft (auteur matériel) und immaterielle Täterschaft (auteur intellectuel) werden auch Begehungstäter beziehungsweise Anstifter genannt. I n bezug auf die Hilfe bestehen materielle Beihilfe (complice matériel) und immaterielle Beihilfe (complice intellectuel). d) Vertikale und horizontale Teilnahme. Vertikale Teilnahme liegt vor, wo mehrere Personen i n der Verlängerung des Kausalzusammenhangs gemeinschaftlich eine Straftat begehen, während horizontale Teilnahme gegeben ist, wenn mehrere Personen i n der Breite des Kausalzusammenhangs gemeinschaftlich eine Straftat begehen. Ein Beispiel der ersteren ist die Anstiftung, ein Beispiel der letzteren ist Mittäterschaft 1 6 0 . e) Mittäterschaft, Anstiftung und Beihilfe. Das japanische Strafrecht unterscheidet die Mittäterschaft, die Anstiftung und die Beihilfe. Sie werden i m einzelnen später erörtert. 5. Die Probleme M i t Bezug auf die Teilnahme handelt es sich um die folgenden Probleme: 1. Es ist die Frage zu beantworten, ob einseitige Teilnahme anerkannt werden kann. Man kann wohl sagen, daß einseitige Teilnahme nicht bejaht werden k a n n 1 6 1 , insofern man die Theorie des Subjekts 160 101
Siehe Makino, Lehrb. 439. Vgl. RGerE 25. Februar 1922 (RSamml. Bd. 1, S. 79).
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des gemeinsamen Willens vertritt und das Wesen der Teilnahme darin findet, daß zwei oder mehrere Personen sich völlig einig werden, ihre gemeinsame Absicht einer Straftatsbegehung zu verwirklichen 1 6 2 . 2. Es handelt sich ferner darum, ob Teilnahme beim Fahrlässigkeitsdelikt, oder ob Teilnahme an der fahrlässigen Handlung anzuerkennen ist. Da der Grund, warum das Strafgesetz die Teilnahme regelt, darin besteht, daß sich bei der Teilnahme spezielle sozial-psychologische Phänomene ergeben, so muß die Straftat bei der Teilnahme eine vorsätzliche sein. Weil eine Straftat ohne Einverständnis m i t dem gemeinsamen Plan keine speziellen sozial-psychologischen Phänomene schafft und es infolgedessen unnötig ist, daß solche Straftat speziell behandelt w i r d 1 6 3 , ist es unmöglich, Teilnahme beim Fahrlässigkeitsdelikt oder Teilnahme an der fahrlässigen Handlung anzuerkennen 164 . 3. Ob die mittelbare Täterschaft zur Teilnahme gehört, ist die Frage. Hier bedeutet die mittelbare Täterschaft, eine Straiat durch eine andere unvorsätzliche oder schuldunfähige Person als Werkzeug für sich ausführen zu lassen. Wenn ζ. B. ein Täter die Fahrlässigkeit einer Krankenpflegerin benützt und einem Kranken Gift beibringt, so ist er ein mittelbarer Täter. Nach der herrschenden L e h r e 1 6 5 und der Rechtsprechung 166 i n Japan gehört die mittelbare Täterschaft nicht zur Teilnahme und w i r d als ein Typ der Alleintäterschaft verstanden. Insofern der Charakter der Teilnahme darin besteht, daß zwei oder mehrere Personen einig werden, die gemeinsame Absicht zu einer Straftat zu verwirklichen, gehört die mittelbare Täterschaft nicht zur Teilnahme, sondern sie ist als ein Typ der Alleintäterschaft zu begreifen 1 6 7 . Ferner ist m i t Bezug auf den mittelbaren Täter von der Zeit des Anfangs seiner Tat die Rede. Die erste Ansicht, die unsere Rechtsprechung vertritt, hebt hervor, daß die Tat als Handlung des Benutzten anzusehen i s t 1 6 8 . Dagegen lehren die Vertreter der zweiten A n sicht, daß die Tat als Handlung des Benutzers aufzufassen i s t 1 6 9 . 1β2
Kusano, Akzessorietät der Teilnahme, a.a.O., S. 315. Siehe dazu Kusano, Lehrb. I I . 160. Ders., Unters. I I . 59. 164 Vgl. Kusano, Unters. I I I . 85 ff. 165 Z . B . Kusano, Lehrb. I I . 159. Motoji, Grdr. 207. Ono, Lehrb. 211. 166 Ζ. B. RGerE 15. November 1909 (ESamml. Bd. 15, S. 1580). RGerE 7. M a i 1921 (ESamml. Bd. 27, S. 261). Gegenteilig betont Makino, Lehrb. 461. 167 VorEStGB von 1931 begreift aber die mittelbare Täterschaft als eine der Teilnahmeformen und bestimmt im § 29: „Auf denjenigen, der einen anderen an einer Straftat teilnehmen läßt, finden die Bestimmungen der §§ 25—28 auch dann Anwendung, wenn der andere wegen derselben Handlung nicht bestraft oder nur wegen Fahrlässigkeit bestraft wird." ιβ * Ζ. B. RGerE 26. Juni 1910 (ESamml. Bd. 16, S. 1276). RGerE 20. Juni 1914 (ESamml. Bd. 20, S. 1289). RGerE 28. August 1916 (ESamml. Bd. 22, S. 1334). RGerE 16. November 1918 (ESamml. Bd. 24, S. 1352). 169 Z. B. Kusano, Lehrb. I I . 173. 193
Der allgemeine Teil des Strafrechts
II. D i e
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Mittäterschaft 1. Bedeutung
Mittäterschaft liegt vor, wenn ein Täter gemeinschaftlich m i t andern Tätern eine Straftat begeht. § 60 StGB lautet: „Wenn zwei oder mehr Personen gemeinschaftlich eine Straftat ausführen, so sind sie alle Täter170". Die Mittäterschaft ist von der sog. Nebentäterschaft zu unterscheiden; diese liegt vor, wenn eine strafbegründende Tatsache durch die Handlung von zwei oder mehr Personen verwirklicht wurde; sie unterscheidet sich also von der Mittäterschaft darin, daß bei der Nebentäterschaft ein Gemeinschaftswille fehlt; doch w i r d Neben täterschaft i n gewissen Fällen wie ζ. B. i n § 207 StGB wie Mittäterschaft behandelt. 2. Die Erfordernisse a) Erforderlich ist, daß zwei oder mehr Personen gemeinschaftlich handeln. Das heißt für zwei oder mehr schuldfähige Personen, daß sie über eine Verbindung ihres Willens einig werden 1 7 1 . Dafür ist erforderlich, daß alle Täter m i t der gemeinsamen Straftat einverstanden sind und den Willen zur Verwirklichung der strafbegründenden Tatsache durch gegenseitige Benützung und ein M i t w i r k e n aller Täter haben 1 7 2 . Doch w i r d nicht immer erfordert, daß die Verbindung des Willens unter mehreren Tätern unmittelbar hergestellt w i r d 1 7 3 . Daher kann gesagt werden, daß die Täter auch dann gemeinschaftlich handeln, wenn andere Täter durch nur einige von den Tätern i n Willensverbindung stehen 1 7 4 . Ferner ist erforderlich, daß Verbindung des W i l lens unter zwei oder mehr schuldfähigen Personen besteht; somit ist unmöglich, anzuerkennen, daß es eine Verbindung des Willens zu dem gemeinsamen Zielpunkt unter Schuldunfähigen miteinander oder unter schuldfähigen und schuldunfähigen Personen gibt. b) Weiter ist erforderlich, daß eine Straftat begangen wird. „Eine Straftat begehen" heißt, daß eine unter ein besonderes, i n einzelnen Paragraphen bestimmtes Strafgesetz fallende Tatsache verwirklicht wird. Es ist nicht immer erforderlich, daß sich alle Teilnehmer an der Begehungstat beteiligen. Ohne Zweifel ist, wer sich an der Begehungstat beteiligt, Mittäter; aber wer sich nur an dem Plan der Straftat beteiligt, ist auch als M i t t ä t e r zu begreifen 1 7 5 . Die gleiche Ansicht hat no
VorEStGB (1931) § 25. Auch § 28 des chinesischen StGB von 1935. Siehe Kusano, Lehrb. I I . 162. 172 Vgl. RGerE 25. Februar 1922 (RSamml. Bd. 1, S. 79). 173 Dabei handelt es sich um den Fall der sukzessiven Mittäterschaft. Siehe dazu Kusano, Unters. V. 124. 174 Siehe RGerE 5. Juni 1923 (RSamml. Bd. 2, S. 490). RGerE 11. Oktober 1932 (RSamml. Bd. 11, S. 1452). RGerE 18. Juni 1936 (Samml. Bd. 15, S. 813). RGerE 28. Oktober 1938 (RSamml. Bd. 17, S. 788). 175 Diese Ansicht vertritt ζ. B. Kusano, Lehrb. I I . 163. 171
V g L
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die Rechtsprechung, nämlich: „Mittäter heißen nicht nur die Täter, die sich an der ganzen oder teilweisen Handlung, die den Tatbestand der Straftat bildet, beteiligen, sondern auch mehrere Personen, welche die Ausführung einer Straftat gemeinschaftlich planen und dann einige Personen von ihnen die Tat begehen lassen, um ihren gemeinsamen Willen für die andern auszuführen 1 7 6 ". Es handelt sich z. B. darum, ob das sog. „Wache stehen" als Mittäterschaft zu begreifen ist. Die erste Ansicht ist die positive Theorie, die auch die Rechtsprechung vertritt. „Da die Handlung des Wachestehens eine Handlung ist, welche die Existenz einer die Ausführung der Straftat hindernden Tatsache ausschließt und i m Verein mit der Begehungstat unentbehrlich für das Zustandekommen der Straftat ist, so ist die Handlung des Wachestehens nichts anderes als die Begehungstat selbst 1 7 7 ." Eine weitere Ansicht ist die negative Theorie, die von der herrschenden Lehre vertreten wird. Danach bedeutet: „,Eine Straftat begehen', daß zwei oder mehr Täter gemeinschaftlich eine unter den Tatbestand fallende Tatsache verwirklichen. Auch i n diesem Fall bedeutet die ,Begehung' der Straftat die unter den Tatbestand fallende Handlung selbst. Insofern die Handlung gemeinschaftlich begangen wird, muß in dem obigen Fall jeder gemeinschaftliche Täter an der Begehungstat selbst beteiligt sein. I n dieser Beziehung verursacht uns die Rechtsprechung, welche den einfach Wachestehenden als Mittäter ansieht, Zweifel 1 7 8 ." Man versteht also nach dieser Theorie den Wachestehenden als Anstifter oder Gehilfen 1 7 0 . 3. Die Strafe
Alle, die gemeinschaftlich eine Straftat begehen, sind „Täter", m. a. W., alle Mittäter werden mit den in den einzelnen Paragraphen angedrohten Strafen für alle strafbegründenden Tatsachen bestraft, die alle Täter gemeinschaftlich begehen. Es handelt sich darum, ob die Strafe des Mittäters zu verschärfen ist. I m geltenden Strafgesetz w i r d der Mittäter mit der Strafe des Alleintäters bestraft. Aber von Gelehrten w i r d die Ansicht vertreten, daß, weil das Wesen der Teilnahme darin besteht, daß die Teilnahme ein spezielles sozial-psychologisches Phänomen ist, die Strafe des Täters i m Fall der Mittäterschaft verschärft werden m u ß 1 8 0 . Tatsächlich verschärfen einige Bestimmungen die Strafe unter diesem Gesichtspunkt 181 . 176 RGerE 18. April 1922 (RSamml. Bd. I, S. 233). Siehe auch RGerE 28. M a i 1922. (RSamml. Bd. 15, S. 733). 177 RGerE 22. Juni 1904 (ESamml. Bd. 10, S. 66). Siehe auch RGerE 17. Mai 1934 (RSamml. Bd. 13, S. 634). Siehe darüber Kusano, Unters. I I . 76 ff. · 178 Ono, Lehrb. 204 f. 179 Das Wachestehen begreift aber Oha, Lehrb. I I . (1918), S. 1038, als Beihilfe, während Makino, Lehrb. 449 es für Beihilfe oder Anstiftung hält. 180 Vgl. Kusano, Lehrb. I I . 166. 181 Ζ. B. Straftat des qualifizierten Entweichens des § 98 StGB.
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III.
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DieAnstiftung 1. Bedeutung
Anstiftung liegt vor, wenn ein Täter einen andern anstiftet und dadurch zu einer Straftat veranlaßt. § 61 StGB lautet: „Wer einen andern durch Anstiftung zur Ausführung einer Straftat veranlaßt, w i r d gleich dem Täter behandelt" ( § 6 1 Abs. 1 StGB) 1 8 2 . Man hat den Anstifter von dem mittelbaren Täter zu unterscheiden. M. a. W.: A n der Anstiftung ist charakteristisch, daß der Anstifter und der Angestiftete, die verschiedene Personen sind, darin einig werden, das gemeinsame Ziel einer Straftat zu verwirklichen, während für die m i t telbare Täterschaft wesentlich ist, wie oben bemerkt, daß der mittelbare Täter zu einer Straftat eine schuldunfähige oder unvorsätzliche Person benutzt oder die Straftat durch sie als Werkzeug für sich ausführen läßt. 2. Die Erfordernisse a) Es ist erforderlich, daß ein anderer angestiftet wird. „Anstiftung" bedeutet, daß der Täter durch seinen Anstiftungswillen i n einem andern, einem Schuldfähigen, den Tatentschluß hervorruft 1 8 3 . Daher liegt, wenn der Täter den Vorsatz einer Straftat i n einem andern nicht bestimmt, sondern den i n diesem schon bestehenden Vorsatz verstärkt, nicht Anstiftung, sondern Beihilfe v o r 1 8 4 . Ob die Anstiftung ausdrücklich oder n u r andeutungsweise 185 , durch Beauftragung 1 8 6 oder Droh u n g 1 8 7 erfolgt, ist gleich. Es ist auch nicht notwendig, daß der Begehungstäter zur Zeit der Anstiftung bestimmt w u r d e 1 8 8 . Da aber A n stiftung vorliegt, wo der Tatentschluß zu einer Straftat hervorgerufen wird, liegt keine Anstiftung vor, wo n u r die Begehung einer Straftat ohne Ziel befohlen w i r d 1 8 9 . b) Erforderlich ist, daß ein anderer zur Begehung einer Straftat veranlaßt wird, m. a. W. es ist notwendig, daß der Angestiftete sich zu einer Straftat entschließt und auf Grund seines Entschlusses die Straftat begeht. Es fragt sich, ob ein Zustandekommen der Anstiftung anerkannt werden kann, auch wenn der Angestiftete sich zu einer Straf162 § 26 VorEStGB (1931) lautet: „Wer einen anderen durch Anstiftung zur Begehung einer Straftat veranlaßt, ist Anstifter (Abs. I). Der Anstifter wird wie der Täter bestraft (Abs. 2)." § 26 VorEStGB ist auf Grund der „Vorschläge", Nr. 26 neu gefaßt worden. Nr. 26 lautet: „Die Anstiftung ist selbständig ohne Anlehnung an die Haupttat zu konstruieren." Vgl. auch § 29 des chinesischen StGB von 1935. 183 So sagt RGerE 20. Juni 1919 (ESamml. Bd. 25, S. 786). 184 Vgl. RGerE 25. M a i 1917 (ESamml. Bd. 23, S. 519). 185 Vgl. RGerE 29. September 1934 (RSamml. Bd. 13, S. 1245). 186 Vgl. RGerE 16. Dezember 1909 (ESamml. Bd. 15, S. 1795). 187 Vgl. RGerE 15. Februar 1927 (RSamml. Bd. 6, S. 33). 188 Vgl. RGerE 23. M a i 1917 (ESamml. Bd. 23, S. 501). 189 Siehe RGerE 31. März 1924 (RSamml. Bd. 3, S. 258). 18 Ausländisches Strafrecht I.
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Das japanische Strafrecht
tat nur entschließt, aber die Straftat noch nicht begeht 1 9 0 . Die erstere Ansicht w i r d behauptet von den Vertretern der Theorie der Selbständigkeit der Anstiftung, welche folgendes hervorheben: Die Anstiftung hat infolge der Begehungstat des Täters auf die Vollendung der Straftat Einfluß, und i n dieser Beziehung besteht ein Kausalzusammenhang zwischen ihr und der Vollendung der Straftat. U n d da vom Standpunkt des Anstifters der Vorsatz des Täters durch die Anstiftung zum Ausdruck gebracht wird, so ist die Anstiftung die Begehungstat des Anstifters 1 9 1 . Auch i n den „Vorschlägen zur Strafrechtsreform" w i r d die Behauptung dieser Vertreter anerkannt, nämlich i n Abs. 26 der obigen Vorschläge heißt es: „Eine neue Bestimmung schaffen, die das Anstiftungsdelikt als selbständiges Delikt regelt". U n d auch § 27 des Entwurfs des Justizministeriums (1927) lautet: „Wer einen andern durch Anstiftung zur Ausführung einer Straftat veranlaßt, w i r d bestraft, auch wenn der Angestiftete die Straftat noch nicht begangen hat; doch gilt dies nicht für Straftaten, deren Versuche nicht bestraft werden (Abs. 1)", während i m vorläufigen Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches (1931) sich keine Bestimmung darüber findet 192. Demgegenüber lehrt die zweite Ansicht folgendes: Nach dieser Ansicht ist die Anstiftung eine Handlung des Prozesses auf dem Weg des Zustandekommens eines Subjekts des gemeinsamen Willens, und wenn der Angestiftete i n die Anstiftung einwilligt, dann kommt das Subjekt des gemeinsamen Willens zustande, und erst dann, wenn der Angestiftete die Begehungstat beginnt, liegt eine Tätigkeit des Subjekts des gemeinsamen Willens vor. Daher ist nach dieser Theorie nicht nur dann keine Anstiftung gegeben, wenn der Angestiftete sich durch die Anstiftung nicht zu einer Straftat entschließt, sondern auch wenn er zwar den Tatentschluß faßt, aber die Tat noch nicht begeht 1 9 3 . Da ich, wie oben erwähnt, der zweiten Ansicht folge, so w i r d die Anstiftung nicht nur abhängig von dem Zustandekommen der Täterschaft, sondern auch Zeit, Ort und Verjährung der öffentlichen Anklage wegen Anstiftung usw. sind abhängig von dem Zustandekommen der Täterschaft 1 9 4 . 190 Ferner handelt es sich um den sog. agent provocateur. Nach der ersten Ansicht liegt die Anstiftung dann vor, wenn der Täter einmal die Ausführungstat anfing (Motoji, Lehrb. I I . 691). Eine zweite Ansicht lehrt, daß der Anstifter die Schuld des Rücktritts vom Versuch tragen soll, wenn die genannte Straftat von ihm noch nicht vollendet ist (Koizumi, Grdr. 238). Nach der dritten Ansicht liegt beim sog. agent provocateur auch kein Versuch vor, weil die Handlung, deren Vollendung vom Täter nicht erwartet wird, keine vorsätzliche ist (Miyamoto, Grdz. 203). 191 Siehe dazu Makino, Str. 352. 192 Siehe dazu Kusano, Akzessorietät der Teilnahme, a.a.O., S. 297 ff. Ders., Unters. I 83 ff. Makino, Erforschung V I I . 130 f t 193 Vgl. Kusano, Lehrb. I I . 168. 194 Siehe dazu Kusano, Unters. I. 100.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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3. Die Strafe Wer einen andern durch Anstiftung zur Ausführung einer Straftat veranlaßt, w i r d „gleich dem Täter bestraft", m. a. W.: Der Anstifter w i r d gleich dem Täter behandelt und m i t den i n den einzelnen Paragraphen angedrohten gesetzlichen Strafen bestraft. 4. Besonderheiten a) § 61 Abs. 2 StGB bestimmt: „Das gleiche gilt für denjenigen, der den Anstifter anstiftet", m. a. W.: Wer den Anstifter anstiftet, w i r d gleich dem Täter behandelt. Hierbei handelt es sich darum, was unter mittelbarer Anstiftung zu verstehen ist. Darauf gibt die Rechtsprechung die Antwort, welche besagt (§ 61 Abs. 2 des StGB): „Wer den Anstifter anstiftet" betrifft nicht nur den, der einen andern durch eine dritte Person veranlaßt, eine Straftat zu begehen und damit f ü r sich durch die dritte Person eine Straftat ausführen läßt, sondern umfaßt auch den ersten Anstifter m i t i n dem Fall, daß der erste Anstifter i n einem andern den Straftatentschluß hervorruft, aber der Angestiftete selbst die Tat nicht begeht, sondern einen Dritten durch Anstiftung zur Ausführung der Straftat veranlaßt 1 9 5 . Das heißt, daß § 61 Abs. 2 auch für mehrfache Anstiftungen g i l t 1 9 6 . b) § 64 StGB lautet: „Der Anstifter einer Straftat, die nur m i t Haft oder Geldbuße zu bestrafen ist, w i r d nur bestraft, wenn dies besonders vorgesehen ist." Man kann w o h l sagen, daß die m i t Haft oder Geldbuße zu bestrafende Straftat i m Charakter der Strafe sehr leicht und daher die Anstiftimg zu solcher Straftat i n ihrem Charakter noch leichter ist, so daß allgemein anerkannt wird, daß eine Bestrafung solcher Anstiftung unnötig ist. I m vorläufigen Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches fehlt die entsprechende Bestimmung. IV. D i e
Beihilfe
1. Die Bedeutung Beihilfe bedeutet, einem Täter Beistand zu leisten. § 62 StGB schreibt vor: „Wer einem Täter Beistand leistet, ist Gehilfe (Abs. I ) 1 9 7 . " 2. Die Erfordernisse a) Es ist erforderlich, daß Beistand geleistet wird. „Beistand leisten" heißt, die Ausführung der Straftat dessen, dem geholfen wird, leicht zu machen. A u f welche Weise, ist gleich 1 9 8 . M i t Bezug auf die A r t und Weise gibt es daher keinen Unterschied zwischen T u n und Unterlas195
RGerE 18. Dezember 1931 (RSamml. Bd. 10, S. 797). RGerE 1. März 1922 (RSamml. Bd. 1, S. 99). § 27 Abs. 1 VorEStGB (1931) lautet: „Wer einem anderen bei einer Straftat Hilfe leistet, ist Gehilfe." Vgl. auch § 30 des chinesischen StGB von 1935. 198 Vgl. RGerE 12. Dezember 1930 (RSamml. Bd. 9, S. 862). 196
197
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Das japanische Strafrecht
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sung 1 9 9 oder einem geleisteten materiellen Beistand, der Werkzeuge liefert, und einem geistigen Beistand, der Ratschläge gibt und die Ausführungstat des Täters fördert 2 0 0 . Es fragt sich, ob es erforderlich ist, daß eine gegenseitige Verbindung des Willens zwischen dem Täter und dem Gehilfen besteht. Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, daß es genügend ist, wenn der Gehilfe die Handlung des Täters erkennt und den Willen zum Beistand h a t 2 0 1 . Aber ich denke, daß eine gegenseitige Willensverbindung zwischen beiden notwendig ist, insofern der Charakter der Beihilfe darin gesehen wird, daß der Gehilfe und der, dem geholfen wird, voneinander verschieden sind, und darüber einig werden, daß ein gemeinsames Ziel der Begehung einer Straftat verwirklicht w i r d 2 0 2 . b) Erforderlich ist, daß dem Täter Beistand geleistet wird. „Dem Täter Beistand leisten" bedeutet, einer Straftat des Täters Beistand zu leisten, d. h.: Wenn der Täter keine Straftat begeht, dann liegt keine Beihilfe vor. Daher sind auch Zeit, Ort und Verjährung der öffentlichen Anklage der Beihilfe von denen des Täters abhängig. 3. Die Strafe M i t Bezug auf die Bestrafung des Gehilfen bestimmt § 63 StGB: „Die Strafe des Gehilfen richtet sich nach derjenigen des Täters, ist aber leichter." 4. Besonderheiten a) § 62 Abs. 2 StGB lautet: „Wer einen Gehilfen anstiftet, w i r d gleich dem Gehilfen behandelt." M a n kann wohl sagen, daß es natürlich ist, daß, wer den Gehilfen anstiftet, gleich dem Gehilfen behandelt wird, ebenso wie der, der den Täter anstiftet, gleich dem Täter behandelt wird. Hierbei ist die Frage, wie der Ausdruck „wer dem Gehilfen Beistand leistet" zu verstehen ist. Darauf gibt die Rechtsprechung die folgende A n t w o r t : „§ 62 StGB bestimmt zwar, daß, w e r den Gehilfen anstiftet, gleich dem Gehilfen zu bestrafen ist, bestimmt aber nicht, daß, wer dem Täter Beistand mittelbar leistet, gleich dem Gehilfen zu behandeln ist. Das darf aber nicht so verstanden werden, daß i m Strafgesetze der sog. mittelbare Gehilfe nicht bestraft wird. Dazu paßt, daß die dem Täter mittelbar Beistand leistende Handlung als Beihilfe bestraft w i r d 2 0 3 . " b) § 64 StGB lautet: „Der Geihilfe einer Straftat, die m i t Haft oder Geldbuße zu bestrafen ist, w i r d nur bestraft, wenn dies besonders vor199
Vgl. RGerE 9. März 1928 (RSamml. Bd. 7, S. 172). Vgl. RGerE 20. September 1910 (ESamml. Bd. 16, S. 1522). Vgl. RGerE 22. Januar 1925 (RSamml. Bd. 3, S. 921). RGerE 9. Dezember 1933 (RSamml. Bd. 12, S. 2272). 202 Siehe Kusano, Lehrb. 175. Auch Koizumi, Grdr. 245. - 0 3 RGerE 20. Februar 1925 (RSamml. Bd. 4, S. 79). 200
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Der allgemeine Teil des Strafrechts
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gesehen ist." Siehe die obige Darstellung i n bezug auf die Anstiftung über den Grund für die Aufstellung dieser Bestimmung und dazu, daß es keine entsprechende Bestimmung i m vorläufigen Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches gibt. 5. Die Probleme Zunächst handelt es sich u m den Unterschied zwischen dem Gehilfen und dem Täter. Darüber gibt es vier Auffassungen. Nach der ersten Ansicht, welche die Teilnahme gemäß der Ursachentheorie i n der Kausalitätslehre versteht, ist Täter, wer zum Erfolg die Ursache gegeben hat, und Gehilfe, wer einfach die Bedingung zum Erfolg gegeben h a t 2 0 4 . Die zweite Ansicht, die durch die Anhänger der Tatbestandstheorie vertreten wird, lehrt, daß Täter ist, wer die unter den besonderen Tatbestand der Straftat fallende Handlung begangen hat, während Gehilfe ist, wer für die unter den besonderen Tatbestand fallende Handlung Beistand geleistet und dadurch die Ausführung der Straftat leicht gemacht h a t 2 0 5 . Nach einer dritten Ansicht ist Täter, wer m i t dem animus auctoris die Straftat begeht; dagegen ist, wer sie m i t dem animus socii begeht, Gehilfe 2 0 6 . Endlich hebt eine vierte Ansicht hervor, daß, wer eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung der strafbegründenden Tatsache gespielt hat, der Täter ist, während, wer keine so wichtige Rolle gespielt hat, der Gehilfe i s t 2 0 7 . Die zweite Frage ist, welcher Unterschied zwischen dem Gehilfen und dem Anstifter besteht. Anstifter ist, wer i n einem andern den Straftatentschluß hervorruft, und Gehilfe ist, wer die Ausführung der Straftat eines andern leicht macht. Daher kommt Beihilfe zustande, wenn einer zu einer Straftat schon entschlossen ist, aber keine Anstiftung 208. V. T e i l n a h m e u n d p e r s ö n l i c h e
Stellung
1. Übersicht Hier bedeutet „persönliche Stellung" die spezielle Stellung oder den speziellen Zustand des Täters bezüglich einer Straftat 2 0 9 . Solche persönliche Stellung fällt bei gewissen Straftaten unter den Tatbestand der genannten Straftaten. Z u m Beispiel kann die Straftat betreffend die passive Bestechung (§ 197 StGB) nur durch einen Beamten began204 Vgl. Birkmeyer, Die Lehre von der Teilnahme und die Rechtsprechung des Deutschen Reichsgerichts (1890), S. 111 f. 205 Vgl. Ono, Lehrb. 212. Takikawa, Lehrb. 170. 20f t Vgl. Miyamoto , Grdz. 205. 207 Siehe Kusano, Lehrb. I I . 173. Koizumi, Grdr. 248. 208 Vgl. RGerE 25. M a i 1917 (ESamml. Bd. 23, S. 519). 209 RGerE 16. März 1911 (ESamml. Bd. 17, S. 405).
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Das japanische Strafrecht
gen werden 2 1 0 . Ob der Täter die obige persönliche Stellung hat, übt bei gewissen Straftaten Einfluß auf die Schwere der Strafe aus. Ζ. B. w i r d die Strafe der Straftat des Aszendentenmordes (§ 200 StGB) wegen der persönlichen Stellung als Blutsverwandter des Täters verschärft 2 1 1 . 2. Persönliche Stellung und Zustandekommen
des Verbrechens
Wenn eine bestimmte persönliche Stellung zum Tatbestand einer Straftat gehört, kann eine Person ohne solche persönliche Stellung, wie sie oben erwähnt wurde, die genannte Straftat nicht begehen; aber wenn eine Person m i t und eine Person ohne solche persönliche Stellung gemeinschaftlich eine Straftat begehen, kommt i n Frage, wie ein solcher F a l l zu verstehen ist. I n dieser Beziehung bestimmt § 65 Abs. 1 StGB: „Wenn Teilnahme bei einer Straftat vorliegt, deren Strafbarkeit durch die persönliche Stellung des Täters bedingt ist, so sind auch diejenigen, die diese persönliche Stellung nicht haben, M i t täter." Wenn daher ζ. B. Nichtbeamte und Beamte gemeinschaftlich i m Hinblick auf ihre amtliche Tätigkeit eine Bestechung annehmen, dann w i r d auch der Nichtbeamte als M i t t ä t e r der Straftat betreffend die gewöhnliche passive Bestechung (§ 197 Abs. 1 StGB) bestraft 2 1 2 . 3. Persönliche Stellung
und Schwere der Strafe
M i t Bezug auf den Einfluß einer bestimmten persönlichen Stellung des Täters auf die Schwere der Strafe bestimmt § 65 Abs. 2 StGB: „Wenn die Schwere der Strafe besonders von der persönlichen Stellung abhängig ist, so ist gegen diejenigen, die diese persönliche Stellung nicht haben, auf die gewöhnliche Strafe zu erkennen." Daher wird, wenn ζ. B. ein gewohnheitsmäßiger und ein nicht gewohnheitsmäßiger Glücksspieler zusammen spielen, der gewohnheitsmäßige Spieler m i t der Strafe der Straftat betreffend das gewohnheitsmäßige Glücksspiel (§ 187 Abs. 1 StGB) und der nicht gewohnheitsmäßige Glücksspieler m i t der Strafe der Straftat betreffend das einfache Glücksspiel (§ 185 StGB) bestraft. Zwischen solchen Verhältnissen gibt es 210 Sonst sind zu nennen ζ. B. das Geheimnisverraten des § 134, die falschen ärztlichen Urkunden des § 160, die falschen Zeugnisse des § 169, die Doppelehe des § 184, die Untreue des § 247, und die Unterschlagung der §§ 252, 253. 211 Sonst sind zu nennen ζ. B. die Einführung des Rauchopiums von dem die Zollgeschäfte wahrnehmenden Beamten (§ 138. Vgl. mit §§ 136, 137), das gewohnheitsmäßige Glückspiel (§ 186, Abs. 1. Vgl. mit § 185), die durch die Körperverletzung verursachte Tötung des Verwandten in aufsteigender Linie (§ 205 Abs. 2. Vgl. mit § 205, Abs. 1), die Abtreibung von Ärzten, Hebammen usw. (§ 214. Vgl. mit s 213), die Aussetzung durch den gesetzlich Verpflichteten (§ 218. Vgl. mit § 217) und Festhaltung und Einsperrung von Verwandten in aufsteigender Linie (§ 202, Abs. 2. Vgl. mit § 202, Abs. 1). 212 Siehe dazu RGerE 17. März 1932 (RSamml. Bd. 11, S. 614). Auch RGerE 2. März 1915 (ESamml. Bd. 19, S. 828).
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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keinen Unterschied i m Fall der Mittäter, i m Fall des Anstifters oder i m F a l l des Gehilfen 2 1 3 . Es handelt sich noch darum, ob die Strafe der Person, die keine persönliche Stellung hat, zu verschärfen ist, wenn sie m i t der Person, die eine persönliche Stellung hat, gemeinschaftlich eine Straftat begeht, deren Strafbarkeit durch die persönliche Stellung des Täters bedingt ist und deren Strafe ferner durch seine persönliche Stellung besonders verschärft wird. Die Rechtsprechung hebt hierbei hervor, daß der Täter, der keine persönliche Stellung hat, gewöhnlich m i t der Strafe betreffend das Sonderdelikt (delictum proprium) zu bestrafen sei. M i t Bezug auf den Fall, i n dem eine Person, die das Eigentum eines andern nicht i n Besitz hat, gemeinschaftlich m i t einer andern, die von Berufs wegen dessen Eigentum besitzt, dieses Eigent u m unterschlagen hat, hat die Rechtsprechung entschieden: „Da der Angeklagte sich an der Straftat des § 253 StGB, deren Strafbarkeit durch die persönliche Stellung bedingt ist, beteiligt hat, so fällt seine Handlung als Teilnehmer nach § 65 Abs. 1 StGB unter die Bestimmung des § 253 StGB; aber da die Strafe der Unterschlagung verschieden ist, je nachdem der Täter ein beruflicher Besitzender oder ein einfacher Besitzender ist, m. a. W. die Schwere der Strafe der Unterschlagung je nach der persönlichen Stellung des Täters verschieden ist, so ist der Angeklagte, der nicht die persönliche Stellung eines beruflichen Besitzenden hat, nach § 65 Abs. 2 StGB m i t der Strafe des § 252 Abs. 1 StGB zu bestrafen 2 1 4 ."
4. Die Konkurrenz I. B e g r i f f d e r
Konkurrenz
1. Übersicht Das Strafgesetz macht i n der Regel die Vollendung der Straftat eines Täters zum Gegenstand der Bestrafung und regelt die besonderen Tatbestände verschiedener Straftaten. Aber i n Wirklichkeit sind Straftaten nicht so einfach zu begreifen. Bald w i r d ein Täter mehrere Straftaten zugleich begehen, bald w i r d er an verschiedenen Orten oder zu verschiedenen Zeiten mehrere Straftaten begehen. Es handelt sich also darum, ob Handlungen einer und derselben Person eine Straftat oder mehrere Straftaten darstellen. 2. Die Theorien M i t Bezug auf den Maßstab der Einheit oder Mehrheit von Straftaten bestehen die folgenden vier Theorien: 218 214
Siehe dazu RGerE 18. M a i 1914 (ESamml. Bd. 20, S. 931). RGerE 1. März 1940 (RSamml. Bd. 19, S. 67).
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Das japanische Strafrecht
a) Die Theorie des Handlungsmaßstabes (eine der objektiven Theorien). A u f Grund des Satzes, daß das Verbrechen eine Handlung ist, unterscheidet diese Theorie nach, der Zahl der Handlungen eine Straftat von mehreren Straftaten. Unsere Rechtsprechung t r i t t dieser Theorie i n den Fällen der Idealkonkurrenz und des zusammenhängenden Delikts b e i 2 1 5 . b) Die Theorie des Erfolgsmaßstabes (die Theorie des Rechtsinteresses, auch eine der objektiven Theorien). Je nach der Zahl der Erfolge, die durch jede Straftat bewirkt werden, w i r d zwischen einer oder mehreren Straftaten unterschieden 216 . c) Die Theorie des Vorsatzmaßstabes (die subjektive Theorie). Diese Theorie scheidet je nach der Einzahl oder Mehrzahl von Vorsätzen des Täters zwischen einer Straftat oder mehreren Straftaten 2 1 7 . d) Die Theorie des Tatbestandsmaßstabes. Ausgehend von dem Standpunkt eines besonderen Tatbestands trennt man die Straftat i n eine oder mehrere Straftaten, d. h. wenn derselbe Tatbestand nur einmal erfüllt wird, so liegt nur eine Straftat vor; wenn er dagegen zweim a l erfüllt w i r d , so werden zwei Straftaten angenommen 218 . 3. Die Straftat Es müssen zwei Arten unterschieden werden, eine Straftat i n der Theorie und eine Straftat i m Strafverfahren. a) Die Straftat i n der Theorie. Sie w i r d auch einfache, substantielle oder maßgebende Straftat genannt. Dabei ist auf folgendes zu achten: (a) Konkurrenz der Gesetze. Wenn eine Straftat unter mehrere Gesetze fällt, aber die eine Straftat naturgemäß die andere ausschließt, so liegt Konkurrenz der Gesetze vor. Es ist dann eine Straftat i n der Theorie gegeben, die von der Idealkonkurrenz, die eine Straftat i m Strafverfahren ist, streng zu unterscheiden ist. Konkurrenz der Gesetze kommt i n den folgenden vier Fällen vor: α) Spezialität. L e x specialis derogat legi generali, i. e. das besondere Gesetz schließt das allgemeine Gesetz aus. Wenn z.B. § 200 StGB (Straftat des Aszendentenmordes) angewandt wird, so w i r d § 199 (Straftat des gewöhnlichen Mordes) nicht angewandt. ß) Konsumtion. Das ganze (od. Grund-) Gesetz schließt das teilweise (od. ergänzende) Gesetz aus, wie ζ. B. bei Anwendung des § 199 StGB nicht § 201 StGB (Straftat der Mordvorbereitung) oder § 204 StGB (Straftat der gewöhnlichen Körperverletzung) angewandt wird. 215 Ζ. B. RGerE 23. September 1909 (ESamml. Bd. 15, S. 1151). Siehe dazu Kusano, Unters. I. 393 ff. 21ß Ζ. B. Takikawa, Einl. 257 f. 217 Siehe Makino, Lehrb. 542 ff. 218 Ζ. B. Ono, Lehrb. 264 ff.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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γ) Subsidiarität. Das einzelne Gesetz (das hauptsächliche Gesetz) geht dem ergänzenden Gesetz vor. § 261 StGB (Straftat der Sachbeschädigung) w i r d ζ. B. durch die Anwendung der §§ 258 bzw. 260 (Straftaten der Vernichtung eines zum Gebrauche einer Behörde dienenden Schriftstücks, eines privaten Schriftstücks und der Beschädigung von Gebäuden usw.) ausgeschlossen. δ) Alternativität. Wenn Gesetze sich ihrer Natur gemäß nicht miteinander vertragen, so kommt ein Gesetz i n Ausschließung des anderen zur Anwendung, wie ζ. B. § 247 StGB (Straftat der Untreue) gegen § 252 oder § 253 StGB (Straftat der Unterschlagung). (b) Zusammengesetztes Delikt. Wenn mehrere Straftaten individuell unter mehrere Gesetze fallen, aber in strafrechtlicher Hinsicht ein •neues Delikt bilden, so liegt ein zusammengesetztes Delikt vor. Ζ. B. w i r d die Straftat .der Tötung durch Räuber (§ 240 letzter Teil StGB) aus Raub und Tötimg gebildet. (c) Fortgesetztes Delikt. M a n versteht darunter Delikte, bei denen mehrere Straftaten mehrmals unter einen besonderen Tatbestand fallen, aber i n der gewöhnlichen Betrachtung als nur einmal darunter fallend angesehen werden; ζ. B. wenn der Täter gleichzeitig mehrere Wunden dem Verletzten beibringt. Solche Straftat ist zwar eine Straftat der Körperverletzung i n der Theorie (§ 204 StGB), bildet aber kein Dauerdelikt 2 1 9 . (d) Kollektive Delikte. Das kollektive Delikt liegt vor, wo die Wie^ derholung gleichartiger Handlungen in einem besonderen Tatbestand vorausgesetzt wird. I n Straftaten wie solchen betreffend unzüchtige Dinge (§ 175 StGB), Straftaten betreffend Lotterie (§ 187 StGB) und Kurpfuscherei (§ 11 des Arztgesetzes) werden mehrere Handlungen vorausgesetzt, aber diese werden umfassend als eine einzige Straftat bestraft. Solche Straftaten sind Straftaten i n der Theorie, u n d dieses kollektive Delikt ist vom sog. Dauerdelikt zu unterscheiden. b) Die Straftat i m Strafverfahren. Von ihr bestehen zwei Arten: Idealkonkurrenz und zusammenhängendes Delikt. Beide werden i n § 54 Abs. 1 StGB geregelt. Davon werde ich i m nachstehenden Paragraphen sprechen. 4. Mehrere Straftaten Wenn der Täter zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten durch mehrere Handlungen m i t mehreren Entschlüssen mehrfache Rechtsinteressen verletzt, so liegen nach allen Theorien mehrere Straftaten vor. Solche Straftaten zerfallen in zwei Kategorien: nämlich den 219 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches" von 1947 wurde die schon im § 55 geregelte Bestimmung über das sog. Dauerdelikt ausgestrichen. Sie lautete: „Wenn mehrere fortgesetzte Handlungen dieselbe Strafbestimmung verletzen, so sind sie als eine Straftat zu bestrafen."
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Das japanische Strafrecht
Fall, daß mehrere Straftaten nebeneinander stehen, und den Fall, daß sie nacheinander stehen. Wenn die Straftaten i m ersteren Fall die bestimmten Erfordernisse besitzen, so werden sie i m Strafgesetz „zusammentreffende Straftaten" genannt, und wenn die Straftaten i m letzteren F a l l die bestimmten Erfordernisse haben, so werden sie i m Strafgesetz „Rückfall" genannt. Siehe darüber die nachstehende Darstellung. II. D i e
Idealkonkurrenz 1. Bedeutung
Idealkonkurrenz liegt vor, wenn eine Handlung unter mehrere Strafgesetze fällt (§ 54 Abs. 1 erster Teil StGB). Wenn der Täter z.B. m i t derselben Kugel zwei Menschen verletzt, oder wenn er m i t Steinen nach einem Menschen w i r f t und diesen verletzt, aber zugleich damit eine Sache beschädigt, so liegt Idealkonkurrenz vor. I m ersteren F a l l w i r d die Idealkonkurrenz „gleichartige Idealkonkurrenz" 2 2 0 genannt und i m letzteren „verschiedenartige Idealkonkurrenz". Es handelt sich darum, ob die Idealkonkurrenz eine Straftat oder mehrere Straftaten darstellt 2 2 1 . Ich denke mir, daß die Idealkonkurrenz mehrere Straftaten i n der Theorie darstellt, sie w i r d aber wie eine Straftat i m Strafverfahren behandelt. 2. Die Erfordernisse a) Erforderlich ist, daß eine Handlung vorliegt. Hier bedeutet „eine Handlung" die ganze Tätigkeit, die unter den Tatbestand fällt, und sie umfaßt nicht nur körperliches Verhalten, sondern auch ihren Erfolg 2 2 2 . b) Ferner ist erforderlich, daß dieselbe Handlung unter mehrere Strafgesetze fällt. Es kommt nicht darauf an, ob diese Strafgesetze untereinander verschieden sind oder ob sie alle gleichartig sind. Auch welcher A r t die Straftaten sind, spielt keine Rolle. Es w i r d also nicht berücksichtigt, ob es sich u m ein Vorsatzdelikt, ein Fahrlässigkeitsdelikt, ein allgemeines strafgesetzliches oder strafrechtlichnebengesetzliches Delikt, u m Versuch, Täterschaft, Anstiftung oder Beihilfe handelt 2 2 3 . 3. Die Strafe Gegen den Täter w i r d auf die schwerste Strafe von den i n den Strafgesetzen angedrohten Strafen erkannt (§ 54 Abs. 1 StGB). 220 Daß die gleichartige Idealkonkurrenz eine einzige Straftat ist, vertritt Makino, Lehrb. 507. 221 Daß die Idealkonkurrenz eine Straftat darstellt, vertritt Motoji, Str. 556. Makino, Lehrb. 543. 222 Siehe RGerE 14. Oktober 1909 (ESamml. Bd. 15, S. 1375). 223 Dazu rechnet die Rechtsprechung des Reichsgerichts folgendes: (a)
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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Wenn zwei oder mehrere Einziehungen angedroht sind, so w i r d auf beide nebeneinander erkannt (§54 Abs. 2 StGB). Da die Idealkonkurrenz eigentlich mehrere Straftaten i n der Theorie darstellt, ist i n dem Fall, daß eine Straftat unter i h r ein Antragsverbrechen ist, aber keine Verfolgung auf Antrag eintritt, der Täter für die anderen Straftaten zu bestrafen. Aber sie w i r d als eine einzige Straftat i m Strafverfahren behandelt. Infolgedessen betrifft die Rechtskraft des Urteils alle einzelnen Straftaten. III. D a s z u s a m m e n h ä n g e n d e 1. Die
Delikt
Bedeutung
Es handelt sich hier u m Delikte, bei denen die Handlung, die das M i t t e l oder den Erfolg darstellt, auch unter andere Strafgesetze fällt (§ 54 Abs. 1 letzter Teil StGB). Wenn der Täter ζ. B. i n die Wohnung eines anderen eindringt und Straftaten des Raubes, der Körperverletzung oder der vorsätzlichen Brandstiftung begeht, so liegt ein zusammenhängendes Delikt vor. Dabei handelt es sich darum, ob das zusammenhängende Delikt eine Straftat oder mehrere Straftaten darstellt. Ich denke mir, daß die Handlung, die das M i t t e l oder den Erfolg der Straftat darstellt, nicht nur eine einzige Straftat darstellt, sondern mehrere Straftaten i n der Theorie; sie w i r d aber nur als eine Straftat i m Strafverfahren behandelt 2 2 4 . 2. Die Erfordernisse a) Erforderlich ist, daß. eine Handlung, die das M i t t e l oder den Erfolg der Straftat darstellt, gegeben ist. Es kommt darauf an, wie das Verhältnis zwischen dem „ M i t t e l " und dem „Erfolg" der Straftat zu verstehen ist. Eine erste Ansicht hierüber ist die objektive Theorie, die sowohl von der herrschenden Lehre wie von der Rechtsprechung vertreten wird; nämlich: „Das Verhältnis zwischen dem M i t t e l und dem Erfolg der Straftat, das i m § 54 StGB geregelt wird, muß für die abstrakte Beobachtung des Verhältnisses davon abhängig sein, ob eine A r t Straftat das M i t t e l oder der Erfolg einer anderen A r t StrafHausfriedensbruch mit der Tötungsabsicht stellt sich als Idealkonkurrenz des Hausfriedensbruches mit der Vorbereitung der Tötung dar (RGerE 25. Dezember 1911 — ESamml. X V I I . 2328), (b) Mehrere Straftaten, die aus einer Fahrlässigkeit verursacht werden, stehen in Idealkonkurrenz (RGerE 24. November 1913 — ESamml. X I X . 1326), (c) Ein Fall, in dem ein Arzt, obwohl er selbst nicht untersuchte, ein Inhaltlich falsches ärztliches Zeugnis herstellt und aushändigt, wird gekennzeichnet als Idealkonkurrenz des § 160 A G mit dem § 160 StGB (RGerE 27. Juni 1916 — ESamml. X X I I . 71), (d) Idealkonkurrenz wird für Anstiftung zur Abtreibung mit der Beihilfe zur Abtreibungshandlung des schwangeren Weibes angenommen (RGerE 21. Dezember 1917 — ESamml. X X I I I . 1572). 224 Siehe Kusano, Unters. V. 132 f.
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tat werden k a n n 2 2 5 . " Eine zweite Ansicht ist die subjektive Theorie, nach der es erforderlich und genügend ist, daß der Täter subjektiv i n dem Verhältnis zwischen dem M i t t e l und dem Erfolg der Straftat eine Straftat m i t anderen Straftaten zusammenfaßt 226 . Die Kompromißtheorie, eine dritte Ansicht, hebt folgendes hervor: Das Verhältnis zwischen dem M i t t e l und dem Erfolg muß so beschaffen sein, daß der Charakter dieses Verhältnisses gewöhnlich das M i t t e l oder den Erfolg darstellt, und es ist nicht nur erforderlich, daß ein Kausalzusammenhang zwischen beiden besteht, sondern auch, daß der Täter subjektiv den Willen hat, das M i t t e l oder den Erfolg herbeizuführen 2 2 7 . b) Für die Handlung, die das M i t t e l oder den Erfolg der Straftat darstellt, ist es erforderlich, daß sie unter andere Strafgesetze fällt. Hier bedeutet der Ausdruck „andere Strafgesetze", daß diese untereinander verschieden sind. Daß; der Ausdruck den Fall, wo die Handlung unter gleiche Strafgesetze fällt, nicht umfaßt, unterscheidet i h n von der obigen Idealkonkurrenz. 3. Die Strafe Gegen den Täter w i r d auf die schwerste Strafe unter den Strafen aus mehreren Strafgesetzen erkannt (§ 54 Abs. 1 StGB). Wenn zwei oder mehrere Einziehungen i n Frage kommen, so w i r d auf diese nebeneinander erkannt (§ 54 Abs. 2 StGB). Wenn eine Straftat unter mehreren Straftaten ein Antragsverbrechen ist, aber niemand den A n trag stellt, dann muß der Täter gemäß den anderen Straftaten bestraft werden. Da aber das zusammenhängende Delikt als eine einzige Straftat i m Strafverfahren behandelt wird, ergreift die Rechtskraft des Urteils über das zusammenhängende Delikt alle anderen Straftaten. IV. D i e R e a l k o n k u r r e n z (Zusammentreffende Straftaten) 1. Die Bedeutung Realkonkurrenz bedeutet mehrere Straftaten, die vor Erlangung der Rechtskraft der Entscheidung begangen werden (§ 45 erster T e i l StGB). Wenn bezüglich einer Straftat die Rechtskraft der Entscheidung vorliegt, so werden n u r diese Straftat und die vor der Rechtskraft der Entscheidung begangenen Straftaten zusammentreffende Straftaten genannt (§ 45 letzter Teil StGB). Wenn mehrere Straftaten nebeneinander stehen und wenn über sie gleichzeitig eine Entscheidung zu treffen ist, dann besteht i n hohem Grad ein normativer Vorwurf und vom Standpunkt der Vorbeugung vor Straftaten aus die größte Gefährlichkeit. Deshalb 225 £2 e 227
RGerE 27. März 1930 (RSamiml. Bd. 9, S. 207). Makino, Lehrb. 513. Ζ. B. Koizumi, Grdr. 269. Siehe auch Kusano, Unters. I I I . 175 f.
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ist es ein Grundsatz des Strafrechts, daß Straftaten, welche die bestimmten Voraussetzungen erfüllen, zusammengefaßt werden, und daß ihre Bestrafung i n der Regel verschärft wird. 2. Die Erfordernisse a) Es ist erforderlich, daß es sich u m „Straftaten, die vor Erlangung der Rechtskraft der Entscheidung begangen sind", handelt. Der Ausdruck „Erlangung der Rechtskraft der Entscheidung" umfaßt neben der Erlangung der Rechtskraft des Urteils noch sonstiges, nämlich: Die Entscheidung über die Schuld erfolgt i n der Regel durch das Urteil. Das Urteil w i r d i n der ersten und zweiten Instanz m i t dem Ablauf der Appellationsfrist von vierzehn Tagen nach der Verkündung und i n der dritten Instanz m i t dem Ablauf von zehn Tagen nach der Verkündung oder als Urteil der Urteilskorrigierung oder durch den Beschluß auf Antragsverwerfung rechtskräftig. Auch die summarischen Entscheidungen (§§ 461 ff. StPO) und Mitteilungsmaßnahmen (Gesetz betreffend die Bestrafung von Verstößen gegen mittelbare Steuer) haben die gleichen Wirkungen wie die Rechtskraft des Urteils. b) Erforderlich ist ferner, daß mehrere vor Erlangung der Rechtskraft der Entscheidung begangene Straftaten vorliegen. Wenn über eine Straftat schon eine Entscheidung ergangen ist, so stellen die genannte Straftat und die anderen vor Erlangung der Rechtskraft der Entscheidung begangenen Straftaten zusammentreffende Straftaten dar. Wenn ζ. B. die Straftaten A , B, C und D nacheinander begangen sind und keine von diesen Straftaten abgeurteilt worden ist, so sind sie zusammentreffende Straftaten. Wenn nur die Straftat A entdeckt und abgeurteilt wurde, aber die oben erwähnten vier Straftaten A , B, C und D vor Erlangung der Rechtskraft der Entscheidung begangen worden sind, so sind noch sämtliche Straftaten zusammentreffende Straftaten. Wenn ferner über die Straftat Β eine Entscheidung ergangen ist und die Straftat A vor Erlangung der Rechtskraft der Entscheidung über die Straftat B, die Straftaten C und D aber erst nach Erlangung der Rechtskraft der Entscheidung über die Straftat Β begangen werden, so sind die Straftaten A und Β zusammentreffende Straftaten (sogenannte erstartige zusammentreffende Straftaten), dagegen die Straftaten C und D andersartige zusammentreffende Straftaten (sogenannte zweitartige zusammentreffende Straftaten). Straftaten aber, die i m Verhältnis von erstartigen u n d zweitartigen zusammentreffenden Straftaten zueinander stehen, werden nicht zusammentreffende Straftaten genannt. Wenn daher mehrere i n solchem Verhältnis zueinander stehende Straftaten entdeckt werden, so werden die Bestimmungen über zusammentreffende Straftaten bei den erstartigen und zweitartigen zusammentreffenden Straftaten getrennt angewandt, und
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Das japanische Strafrecht
nachdem die Strafe dafür verschärft worden ist, w i r d auf die Strafen von beiden zusammentreffenden Straftaten nebeneinander erkannt. 3. Die Strafe a) M i t Bezug auf die Bestrafung der zusammentreffenden Straftaten bestehen die folgenden drei Prinzipien: Das Exklusionsprinzip: Nach i h m w i r d auf die Strafen für die einzelnen Straftaten nebeneinander erkannt. Das Absorptionsprinzip: Nach i h m ist auf die für die schwerste von mehreren Straftaten angedrohte Strafe zu erkennen. Das Asperationsprinzip: Nach i h m w i r d die schwerste Strafe für die zusammentreffenden Straftaten nach einem gewissen Maßstab verschärft und auf die genannte Strafe als die Strafe für die zusammentreffenden Straftaten erkannt. b) M i t Bezug auf die Bestrafung der zusammentreffenden Straftaten bestehen i m geltenden Strafgesetze i n Japan die folgenden Bestimmungen: α) Wenn über zusammentreffende Straftaten gleichzeitig eine Entscheidung zu treffen ist, w i r d i n der Regel das Asperationsprinzip angenommen. Wenn bei zusammentreffenden Straftaten zweimal oder mehrmals auf zeitiges Zuchthaus oder Gefängnis zu erkennen ist, so ist das Höchstmaß das u m die Hälfte erhöhte Höchstmaß der für die schwerste Straftat angedrohten Strafe. Doch darf diese Strafe das zusammengerechnete Höchstmaß der für die einzelnen Straftaten angedrohten Strafen nicht überschreiten (§ 47 StGB), auch darf sie zwanzig Jahre nicht überschreiten (§ 14 StGB). Nur ausnahmsweise w i r d das Absorptionsprinzip angewandt; nämlich wenn wegen einer der zusammentreffenden Straftaten auf Todesstrafe zu erkennen ist, so w i r d auf die anderen Strafen nicht zusätzlich erkannt; doch gilt diese Bestimmung nicht für die Einziehung (§ 46 Abs. 1 StGB). Auch wenn wegen einer der zusammentreffenden Straftaten auf lebenslängliches Zuchthaus oder Gefängnis zu erkennen ist, so w i r d ebenfalls auf die anderen Straftaten nicht zusätzlich erkannt, doch gilt diese Bestimmimg nicht für Geldstrafe, Geldbuße und Einziehung (§ 46 Abs. 2 StGB). Ebenfalls nur ausnahmsweise kommt das Exklusionsprinzip zur Anwendung. A u f Geldstrafe, Haft, Geldbuße und Einziehung w i r d nebeneinander erkannt (§§ 48, 49 u. 53 StGB). Jedoch w i r d bei zwei oder mehr Geldstrafen nur bis zu dem zusammengerechneten Betrag der für die einzelnen Straftaten festgesetzten Geldstrafen erkannt (§ 48 Abs. 2 StGB). ß) Wenn bei zusammentreffenden Straftaten schon über einige der Straftaten, jedoch noch nicht über die anderen eine Entscheidung er-
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gangen ist, so sind die noch nicht abgeurteilten Straftaten abzuurteilen (§ 50 StGB). Wenn auf solche Weise bei zusammentreffenden Straftaten zwei oder mehr Entscheidungen vorliegen, so ist auf ihre Strafen nebeneinander zu erkennen; jedoch werden, wenn die Todesstrafe zu vollstrecken ist, andere Strafen außer der Einziehung nicht vollstreckt. Wenn lebenslängliches Zuchthaus oder Gefängnis zu vollstrecken ist, so werden andere Strafen außer Geldstrafe, Geldbuße und Einziehung nicht vollstreckt. Wenn zeitiges Zuchthaus oder Gefängnis zu vollstrecken ist, so darf das u m die Hälfte erhöhte Höchstmaß der für die schwerste Straftat bestimmten Strafe nicht überschritten werden (§ 53 StGB). Auch i n diesem F a l l darf die Strafe zwanzig Jahre nicht überschreiten (§ 14 StGB). γ) Wenn eine wegen zusammentreffender Straftaten son wegen einer der Straftaten begnadigt wird, so ist Begnadigung nicht getroffenen Straftaten die Strafe zusetzen (§ 52 StGB). Das Verfahren w i r d durch § prozeßordnung geregelt.
verurteilte Perfür die von der besonders fest350 der Straf-
V. D e r R ü c k f a l l 1. Die Bedeutung Rückfall liegt vor, wenn jemand, der zu einer Strafe verurteilt worden ist, anderweitig wieder eine Straftat begeht (§ 56 Abs. 1 StGB). Die Bestimmungen über den Rückfall finden auch bei wiederholtem Rückfall Anwendung (§ 59 StGB). Man kann wohl sagen, daß jemand, der unter Strafgesetze fallende Taten begangen hat und anderweitig wieder eine Straftat begeht, vom normativen Standpunkt aus i n hohem Grade Vorwürfe verdient und vom Standpunkt der Vorbeugung gegen Straftaten aus sehr gefährlich ist. Daher w i r d er i m Strafrecht besonders behandelt. Dies ist der Grund, w a r u m die Gelehrten kriminalpolitisch die Erforschung der Gründe des Rückfalls und der Gegenmaßregeln gegen i h n für wichtig halten. 2. Die Erfordernisse
der Straf Verschärfung
beim Rückfall
Die Strafe des Rückfalls w i r d i n der Regel verschärft 2 2 8 . a) Es ist erforderlich, daß für die vorherbegangene Straftat und die nachherbegangene Straftat auf Zuchthausstrafen erkannt wird. b) Es ist ferner erforderlich, daß bei der Strafe für eine vorherbegangene Straftat die Strafvollstreckung vollendet oder Befreiung von der Strafvollstreckung eingetreten ist. Daher findet die Strafver228 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches" von 1947 wurde die schon i m § 58 geregelte Bestimmung über die Verschärfung des Rückfalls gestrichen. Sie lautete: „Wenn die Tatsache des Rückfalls nach Erlangung der Rechtskraft der Entscheidung entdeckt wird, so ist die zu verschärfende Strafe nach dem obigen Paragraphen bestimmt."
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schärfung des Rückfalls keine Anwendung bei Straftaten, bei denen die Vollstreckung noch i n der Durchführung begriffen ist. c) Weiterhin ist erforderlich, daß jemand, der zu einer Strafe verurteilt worden ist, innerhalb von fünf Jahren anderweit eine Straftat begeht. Die Dauer w i r d von dem Tage an berechnet, an dem die Strafvollstreckung vollendet oder Straffreiheit eingetreten ist. (§ 56 StGB). 3. Die Strafe Die Strafe des Rückfalls darf bis zum Doppelten des für die Straftat bestimmten Höchstmaßes der Zuchthausstrafe verschärft werden (§ 57 StGB). Doch darf die Strafe von zwanzig Jahren nicht überschritten werden (§ 14 StGB). I h r Mindestmaß bedeutet das i n den einzelnen Paragraphen bestimmte Mindestmaß, m.a.W. das Gericht hat weite Befugnisse zur Bemessung der Strafe. Grund dafür ist, daß mancher rückfällige Täter je nach den Umständen nicht immer i m Vergleich m i t einem zum ersten Male bestraften Täter schwerere Vorwürfe verdient. 4. Besonderheit M i t Bezug auf den Rückfall sind auch die sog. Gewohnheitsdelikte zu erforschen, nämlich i m geltenden Strafgesetze die Gewohnheitsdelikte des Glücksspiels, i n den strafrechtlichen Nebengesetzen die Täter, die i n §§ 3 bzw. 4 des Gesetzes, betreffend die Verhinderung des Diebstahls, Raubes usw., von 1930 erwähnt werden.
Dritter
T e i l : Die Lehre von der Strafe
1. Der Begriff der Strafe 1. Die Bedeutung
der Strafe
Strafe i m formalen Sinne ist Entziehung von Rechtsgütern, die der Staat den Menschen m i t juristischer Gültigkeit auferlegte, während sie i m wesentlichen Sinne normative Vergeltung ist 1 . M a n kann auch von sittlicher Vergeltung sprechen. Der Zweck der Auferlegung der Strafe besteht i n der Erhaltung der staatlichen Ordnung. Aber eine Sicherungsmaßnahme ohne normativen Tadel ist nicht Strafe, obgleich sie ebenso der Erhaltung der Staatsordnung dient 2 . Sicherungsmaß1
Siehe dazu Koizumi , Grdr. 293. Auch Takamasa Mitani, Grundlage der Rechtsphilosophie 19, S. 216 ff. 2 I m geltenden besonderen Strafgesetze sind als Vorschrift über die sichernden Maßnahmen §§ 24, 25 J G G bezeichnet, in der Schutzmaßnahmen und Schutzaufsicht bestimmt werden. I m § 126 VorEStGB sind Fürsorgemaßnahmen, Besserungsmaßnahmen, Arbeitsmaßnahmen und Präventivmaßnahmen, auch in §§ 144 ff. Schutzaufsicht bestimmt.
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nähme ist normativ farblos und nur hauptsächlich Verwaltungsmittel, das das Entstehen des Verbrechens verhindern soll. I m Wesen sind Strafe und Sicherungsmaßnahme voneinander verschieden 3 . 2. Die Funktionen
der Strafe
Was die Funktionen der Strafe angeht, so ist die Auffassung richtig, die die folgenden drei Seiten hervorhebt. a) Zunächst gegen den Menschen i m allgemeinen: I m Falle, daß ein Verbrechen noch nicht geschehen ist, ist Funktion der Strafe, von vornherein anzuzeigen, daß eine bestimmte Strafe bei einer bestimmten Straftat auferlegt wird, und dadurch zu warnen oder zu drohen. Wenn ein Verbrechen schon geschehen ist, befriedigt sie das Vergeltungsbedürfnis der Allgemeinheit. b) Ferner gegen den Verletzten: Hier leistet sie dem Vergeltungsgefühl zur Entschädigung für die gegen ihn begangene Verletzung Genüge. c) Namentlich gegenüber dem Verbrecher: Sie macht i h n durch Entwicklung und Ausbildung seines Normbewußtseins teils zum tüchtigeren Bestandteil des Staates, teils sondert sie den nicht schnell sich bessernden Verbrecher auf einige Zeit von der Gesellschaft ab, u m eine Wiederholung von Verbrechen auszuschließen und u m Vorbereitungen zur Besserung zu treffen, teils n i m m t die Strafe den Verbrecher, der gegen Gott und Menschen gesündigt hat, schnell von der Ërde weg. 3. Die Arten
der Strafe
Die A r t e n der Strafe erklären w i r von zwei Seiten aus, nämlich die i m geltenden Strafgesetzbuch bestimmten Arten der Strafe und die von dem Standpunkt der Wissenschaft bestimmten Arten. a) I m geltenden Strafgesetzbuch sind die Strafen siebenfach geteilt: die Todesstrafe, die Zuchthausstrafe, die Gefängnisstrafe, die Geldstrafe, die Haft, die Geldbuße und die Einziehung, die man Nebenstrafe nennt, während die vorhergehenden sechs Strafen Hauptstrafen genannt werden (§ 9 StGB). b) Die Rechtswissenschaft unterscheidet fünf Arten gemäß den entzogenen Rechtsgütern: die Lebensstrafe, die Körperstrafe, die Freiheitsstrafe, die Ehrenstrafe und die Vermögensstrafe. Lebensstrafe ist die Todesstrafe. Körperstrafe wie die Peitschenstrafe, die Tätowierungsstrafe und die Ohrenstrafe fügen dem Körper Schaden zu. Freiheitsstrafen sind die Zuchthausstrafe, die Gefängnisstrafe und die 3 Vom Standpunkt der sozialen Schuldlehre aus lehrt Makino, Aufrollung der Idee vom konstitutionellen Staate im Straf recht (1931) 93 ff., gegenteilig über diese Frage.
19 Ausländisches Strafrecht I
Das japanische Strafrecht
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Haft. Die Ehrenstrafe ist i m geltenden Strafgesetze fortgefallen, während es sie i m ehemaligen Strafgesetz von 1881 als Aberkennung und zeitweise Entziehung der Bürgerrechte gab. Dem vorläufigen Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches (1931) gemäß wurde sie als Verlust und Aberkennung bestimmter Fähigkeiten geführt. Vermögensstrafen sind die Geldstrafe, die Geldbuße und die Einziehung.
2. Die Zumessung der Strafe 1. Die Prinzipien
zur Zumessung der Strafe
Es gibt die beiden folgenden Prinzipien zur Zumessung der Strafe. a) Das absolut-gesetzliche Prinzip, nach dem die A r t und der Rahmen der Strafe für ein Verbrechen absolut bestimmt sind und wonach dem Richter kein Spielraum zur freien Bemessung gegeben ist. Shinritsu-Koryo (1870) und Kaitei-Ritsuryo (1873) hatten dies Prinzip aufgenommen. b) Das relativ-gesetzliche Prinzip, das umgekehrt A r t und Rahmen der Strafe für ein Verbrechen nur relativ bestimmt und dem Richter den Spielraum zur freien Bemessung gibt. Das ehemalige Straf recht von 1881 und das geltende Straf recht haben dies Prinzip aufgenommen. Der vorläufige Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches (1931) bekennt sich ebenfalls zu diesem Prinzip. 2. Die gesetzliche Strafe Sie ist die Strafe, die das Strafgesetz für Verbrechen abstrakt bestimmt, damit sie der Maßstab zur Zumessung der Strafe wird, wie ζ. B. i n § 199 StGB „Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter drei Jahren". 3. Die Rangordnung
der Strafen
nach ihrer Schwere
Zur Zumessung der Strafe ist die Rangordnung der Strafen i n gewissen Fällen festzustellen. Das ist nach § 10 StGB bestimmt 4 . a) Die Schwere der Strafen richtet sich nach solcher Reihenfolge wie Todesstrafe, Zuchthaus, Gefängnis, Geldstrafe, Haft und Geldbuße; jedoch ist lebenslängliches Gefängnis schwerer als zeitlich begrenztes Zuchthaus. Falls das Höchstmaß einer zeitlich begrenzten Gefängnisstrafe das Doppelte des Höchstmaßes einer zeitlich begrenzten Zuchthausstrafe überschreitet, so ist die Gefängnisstrafe schwerer (§ 10 Abs. 1 StGB). b) Bei gleichartigen Strafen ist die dem Höchstmaße gemäß längere oder dem Höchstbetrag gemäß höhere Strafe schwerer. Falls das Höchstmaß oder der Höchstbetrag derselbe ist, gilt die Strafe m i t 4
Vgl. § 31 VorEStGB (1931).
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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dem längeren Mindestmaß oder dem höheren Mindestbetrag als schwerer (§ 10 Abs. 2 StGB). c) Bei zwei oder mehreren Todesstrafen oder bei gleichem Höchstmaß oder Höchstbetrag und Mindestmaß oder Mindestbetrag von zwei oder mehreren gleichartigen Strafen w i r d die Schwere nach den Umständen der begangenen Verbrechen bestimmt (§ 10 Abs. 3 StGB) 5 . 4. Verschärfung,
Milderung
und Erlaß der Strafen
a) Verschärfung der Strafe. Die Strafe w i r d nur durch das Gesetz verschärft und nicht durch das Gericht. Es gibt die Strafverschärfung bei Realkonkurrenz und die Strafverschärfung wegen Rückfalls, die beide obligatorisch und nicht fakultativ sind. b) Milderung der Strafe. Bei der Strafmilderung unterscheiden w i r die gesetzliche und die gerichtliche Strafmilderung. (a) Es bestehen zwei A r t e n gesetzlicher Strafmilderungen: die allgemeinen Strafmilderungsgründe, die allen Verbrechen gemein sind, und die besonderen Strafmilderungsgründe, die besonderen Verbrechen eigen sind. Die ersteren studieren w i r i n der allgemeinen Lehre des Strafrechts und die letzteren i n dem besonderen Teil des Strafrechts. Die obenerwähnten allgemeinen Strafmilderungsgründe sind folgende: Bewußtlosigkeit (§ 39 Abs. 2 StGB), Taubstummheit (§ 40 StGB), Rücktritt vom Versuch (§ 43 zw. Halbsatz StGB), Beihilfe (§ 63 StGB), Notwehrexzeß (§ 36 Abs. 2i StGB), Notstandsexzeß (§ 37 Abs. 1 Satz 2 StGB), Rechtsirrtum (§ 38 Abs. 3 StGB), Selbstanzeige und Eingeständnis der Straftat 6 (§ 42 StGB) und Versuch (§ 43 erster Teil StGB). (b) Die gerichtliche Strafmilderung ist eine Strafmilderung auf Grund freien Ermessens beim Vorliegen strafmildernder Umstände (§ 66 StGB). Auch wenn die Strafe kraft Gesetzes zu verschärfen oder zu mildern ist, kann noch die genannte Strafmilderung daneben eintreten (§ 67 StGB). (c) Straffreiheit. Straffreiheit t r i t t kraft Gesetzes ein, nicht kraft Entscheidung 7 . Z u m Begriff der Straffreiheit gehören zwei Arten von Straffreiheit: Einmal die allgemeinen Straffreiheitsgründe, die allen Verbrechen gemein sind, zum anderen die besonderen Straffreiheitsgründe, die besonderen Verbrechen eigen sind. Der allgemeine Teil des Strafrechts behandelt die allgemeinen Straffreiheitsgründe, während i m besonderen Teil des Strafrechts die besonderen Straffreiheits5
Dies sagt die Rechtsprechung: ζ. B. RGerE 10. Okt. 1924 (RSamml. Bd. 3, S. 651). β Das eigentliche japanische Wort ist „Shufuku". Das japanische StGB § 42 sagt: „Der vorhergehende Absatz gilt bei einer nur auf Strafantrag verfolgbaren Straftat, wenn der Täter dem Antragsberechtigten gegenüber die Straftat eingesteht." 1 Nach dem § 70 VorEStGB (1931) tritt die Straffreiheit auch vom Gerichte aus ein. 19
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Das japanische Strafrecht
gründe vorgetragen werden. Die allgemeinen Straffreiheitsgründe sind folgende: Rücktritt vom Versuch (§ 43 Satz 2 StGB), Notwehrexzeß (§ 36 Abs. 2 StGB) und Notstandsexzeß (§ 37 Abs. 1 Satz 2 StGB). 5. Die Regeln der Straf Verschärfung
und Strafmilderung
Die Regeln bezüglich der Weise und Reihenfolge der Verschärfung oder Milderung der Strafe sind die nachstehenden: a) Z u r Strafverschärfung siehe die Darstellungen zum Zusammentreffen von Straftaten und zum Rückfall. b) Zur Strafmilderung. (a) Wenn ein oder mehrere Gründe vorliegen, infolge deren die Strafe gemäß dem Gesetze zu mildern ist, so sind die nachstehenden Regeln zu beachten (§ 68 StGB): Wenn die Todesstrafe zu mildern ist, so w i r d auf lebenslängliches Zuchthaus oder Gefängnis oder auf Zuchthaus oder Gefängnis nicht unter zehn Jahren erkannt. Wenn lebenslängliches Zuchthaus oder Gefängnis zu mildern ist, so w i r d auf Zuchthaus oder Gefängnis nicht unter sieben Jahren erkannt. Wenn zeitlich begrenztes Zuchthaus oder Gefängnis zu mildern ist, so w i r d die Strafdauer u m die Hälfte herabgesetzt. Wenn Geldstrafe zu mildern ist, so w i r d der Betrag um die Hälfte herabgesetzt. Wenn Haft zu mildern ist, so w i r d sie u m die Hälfte ihres Höchstmaßes herabgesetzt. Wenn Geldbuße zu m i l d e m ist, so w i r d sie u m die Hälfte ihres Höchstbetrages herabgesetzt. Wenn eine Strafe nach den genannten Regeln gemildert w i r d und i n der betreffenden Gesetzesbestimmung zwei oder mehrere Strafarten vorgesehen sind, so ist zunächst die anzuwendende Strafe zu bestimmen und sodann zu mildern (§ 69 StGB). Führt die Milderung der Zuchthaus-, Gefängnis- oder Haftstrafe zu einem Bruchteil, der weniger als ein Tag ist, so kommt dieser Bruchteil i n Wegfall (§ 70 Abs. 1 StGB). Das gleiche gilt, wenn durch M i l derung der Geldstrafe oder Geldbuße ein Bruchteil, welcher geringer ist als ein Sen, sich ergibt (§ 70 Abs. 2 StGB). (b) Bei gerichtlicher Strafmilderung, nämlich wenn freies Ermessen angewandt wird, findet die Bestimmung entsprechende Anwendung (§ 71 StGB). (c) Wenn eine Strafe gleichzeitig verschärft und gemildert werden soll, so ist die nachstehende Reihenfolge zu beachten: Verschärfung wegen Rückfalls; gesetzliche Milderung; Verschärfung wegen zusammentreffender Straftaten; gerichtliche Milderung nach freiem Ermessen (§ 72 StGB).
3. Die Vollstreckung der Strafe 1. Übersicht A u f dem Gebiet der Strafvollstreckung regelt das Strafrecht ausschließlich die formelle Seite, die sonstigen Bestimmungen finden sich
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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i n der Strafprozeßordnung und i n den Gesetzen oder Verordnungen zum Strafvollzug. Die Strafe w i r d in der Regel nach Rechtskraft der Entscheidung vollstreckt (§ 471 StPO); doch w i r d ausnahmsweise verlangt, daß bei der Vollstreckung der Todesstrafe ein Befehl des Kronanwalts vorliegt (§ 475 StPO) und daß bei einem Aufschub der Strafvollstreckung die Rechtskraft der Entscheidung über den Widerruf eingetreten ist. Die Vollstreckung der Entscheidung erfolgt auf Anweisung der dem Gericht, das die genannte Entscheidung getroffen hat, entsprechenden Staatsanwaltschaft (§ 472 Abs. 1 StPO) durch den Strafvollzugs- und Vollstreckungsbeamten, je nach der A r t der Strafe. M i t Bezug auf die Strafvollstreckung erhebt sich das Problem der Berechnung des Zeitraumes. Diesbezüglich bestimmt das Strafgesetz folgendes: Bei der Bestimmung eines Zeitraumes werden Monate und Jahre nach dem Kalender berechnet (§ 22 StGB). Die Strafzeit w i r d berechnet vom Tage der Rechtskraft der Entscheidung ab. Nach der Rechtskraft der Entscheidung werden die Tage, an denen der Verurteilte nicht in Haft war, nicht i n die Strafzeit eingerechnet (§ 23 StGB). Der Anfangstag der Strafverbüßung w i r d ohne Rücksicht auf die Stunde als ein ganzer Tag berechnet, und das gleiche gilt auch für den Anfangstag der Verjährungszeit (§ 24 Abs. 1 StGB). Die Entlassung erfolgt an dem dem Ablauf der Strafzeit folgenden Tag (§ 24 Abs. 2 StGB). 2. Die Vollstreckung
der Todesstrafe
Die Todesstrafe w i r d auch Lebensstrafe genannt. Die Fälle der Todesstrafe werden i m geltenden Strafgesetz durch siebzehn Bestimmungen und i m vorläufigen E n t w u r f des japanischen Strafgesetzbuches (1931) durch sechsundzwanzig Bestimmungen geregelt. Es besteht aber Streit um Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe 8 . Da namentlich i m § 36 der neuen Verfassung von 1946 bestimmt wird, daß „die Vornahme von Folterungen durch einen öffentlichen Beamten und grausame Bestrafungen absolut verboten sind", heben einige Gelehrte hervor, daß die Todesstrafe natürlich durch § 36 der neuen Verfassung abgeschafft worden sei. Dem t r i t t aber die Rechtsprechung nicht bei 9 . Die Todesstrafe w i r d auf Anordnung des Kronanwalts (§ 475 StPO), i n Gegenwart eines öffentlichen Staatsanwalts, des Sekretärs einer 8 Die wichtigsten Abhandlungen über die Lehre von der Todesstrafe sind folgende: Akira Masaki, Grundriß der Kriminalpolitik (1938), S. 127 ff. Yukitoki Takikawa, Todesstrafe (1934), Wörterbuch der Rechtswissenschaft, I I . S. 1083 ff. 9 Siehe dazu RGerE 12. März 1948 (RSamml. Bd. 2, S. 191).
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Das japanische Strafrecht
öffentlichen Staatsanwaltschaft und entweder eines Gefängnisdirektors oder seines Vertreters (§ 477 Abs. 1 StPO) i n einer Gefangenenanstalt durch Erhängen ( § 1 1 Abs. 1 StGB) vollstreckt. Wer zum Tode verurteilt ist, w i r d bis zur Vollstreckung der Todesstrafe i n einer Gefangenenanstalt festgehalten ( § 1 1 Abs. 2 StGB). Falls der Kronanwalt die Vollstreckung der Todesstrafe befohlen hat, hat die Vollstreckung binnen fünf Tagen zu erfolgen außer an den staatlichen Festtagen, am 1. und 2. Januar und 31. Dezember. Falls eine zum Tode verurteilte Person nicht bei ihrem richtigen Verstand ist oder eine zum Tode verurteilte Frau schwanger ist, muß die Vollstreckung auf Befehl des Kronanwalts aufgeschoben werden (§§ 476 u. 479 StPO). I n § 51 des „Gesetzes zur Änderung des JGG" von 1948 ist die Bestimmung über die Todesstrafe abgeändert und gemildert worden, m.a.W: Wenn der Täter zur Zeit der Begehung der Tat das achtzehnte Lebensjahr noch nicht erreicht hat, so ist er nicht m i t Todesstrafe, sondern m i t lebenslänglichem Zuchthaus zu bestrafen. 3. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen 1. Einleitung. Die Freiheitsstrafe besteht i n der Entziehung der Freiheit des (verurteilten) Menschen. Das Strafgesetz kennt von ihr drei Arten: Zuchthausstrafe, Gefängnisstrafe und Haft. a) Die Zuchthausstrafe ist lebenslänglich oder zeitlich; die zeitliche Zuchthausstrafe beträgt mindestens einen Monat, höchstens fünfzehn Jahre. Der zu Zuchthausstrafe Verurteilte w i r d verschieden von dem zu einer Gefängnisstrafe Verurteilten i n einer Gefangenenanstalt untergebracht und ist dem Arbeitszwang unterworfen (§ 12 StGB). I m Fall der Verschärfung der zeitlichen Zuchthausstrafe kann bis auf zwanzig Jahre erkannt werden; i m Fall der Milderung kann bis auf weniger als einen Monat heruntergegangen werden (§ 14 StGB). b) Die Gefängnisstrafe ist lebenslänglich oder zeitlich; die zeitliche Gefängnisstrafe beträgt mindestens einen Monat und höchstens fünfzehn Jahre. Der zu Gefängnisstrafe Verurteilte w i r d nur i n einer Gefangenenanstalt untergebracht und ist keinem Arbeitszwang wie bei der Zuchthausstrafe unterworfen (§ 13 StGB). I m Fall der Verschärfung der zeitlichen Gefängnisstrafe kann bis auf zwanzig Jahre erkannt werden; i m Falle der Milderung kann bis auf weniger als einen Monat heruntergegangen werden (§ 14 StGB). c) Die Haft beträgt mindestens einen Tag und weniger als dreißig Tage; der zu Haft Verurteilte w i r d i n einem Hafthaus festgehalten (§ 16 StGB). Die Freiheitsstrafen werden i n der Gefangenenanstalt vollzogen; die Einzelheiten des Vollzugs der Freiheitsstrafen werden durch das Ge-
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setz über die Gefangenenanstalten geregelt 10 . Auch nachdem die Entscheidung über die Freiheitsstrafe Rechtskraft erlangt hat, kann die Vollstreckung gemäß der Anweisung des Staatsanwalts unterbleiben, wenn bestimmte Gründe dafür bestehen (§ 482 StPO). Wenn der Verurteilte geistig gestört ist, w i r d auf Anweisung des Staatsanwalts die Vollstreckung der Strafe bis zur Wiederherstellung seines Geisteszustands suspendiert (§ 480 StPO). Ferner ist i n § 51 des „Gesetzes zur Änderung des Jugendgesetzes" von 1948 festgesetzt, daß der Täter, wenn er zur Zeit der Begehung einer Straftat achtzehn Jahre nicht erreicht hat, m i t keiner lebenslänglichen Strafe bestraft wird, m.a.W.: Wenn er m i t einer lebenslänglichen Strafe zu bestrafen wäre, so w i r d statt dessen gegen i h n auf mindestens zehn Jahre, höchstens fünfzehn Jahre Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe erkannt. Der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ähnlich, aber von dieser zu unterscheiden, ist die Untersuchungshaft. Sie entspricht einem Bedürfnis des Strafverfahrens, ist aber keine Strafe. Gemeinsam ist beiden die Entziehung der Freiheit eines Menschen. Vom Standpunkt der Billigkeit aus ist i m Strafgesetz anerkannt, daß die i n Untersuchungshaft verbrachten Tage ganz oder teilweise auf die Strafe angerechnet werden (§ 21 StGB). Wenn die ursprüngliche Entscheidung i n der Berufungsinstanz annulliert wird, sei es, daß der Staatsanwalt den Antrag stellt oder sei es, daß eine andere Person als der Staatsanwalt es beantragt, dann w i r d die Tageszahl der Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet (§ 495 StPO). 2. Der Aufschub der Strafvollstreckung. a) Einleitung. Es w i r d befürchtet, daß die Vollstreckung der Freiheitsstrafe, namentlich einer kurzfristigen Freiheitsstrafe, den Täter, statt ihn zu bessern, vielmehr zur Verzweiflung bringt und i h n dadurch, daß der Täter von üblen Sitten i n der Gefangenenanstalt angesteckt wird, weiter auf dem Weg der Straftat fortschreiten läßt. Daher wurde ein System erdacht, dessen Absicht darin besteht, daß dieselbe W i r k u n g wie m i t der Vollstreckung der Strafe hervorgebracht wird, ohne daß gegen einen Täter, bei dessen vorläufiger Entlassung eine Wiederholung der Straftat nicht zu befürchten ist, die Strafe vollstreckt wird. Dieses System kommt hauptsächlich i n den folgenden zwei Formen vor: the system of conditional release, die i m angloamerikanischen Recht angenommen worden ist, und der bedingte Straferlaß, den w i r das kontinentaleuropäische Prinzip i n diesem System nennen können. Der bedingte Straferlaß kommt i n zwei Arten von Prinzipien vor: dem Prinzip der bedingten Verurteilung und der 10
Siehe dazu Fünften Abschnitt dieser Abhandlung. Auch Akira Masaki, a.a.O., S. 160 ff.
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Das japanische Strafrecht
bedingten Begnadigung. I m japanischen Strafrecht ist das Prinzip der bedingten Verurteilung angenommen worden (siehe b). b) Die Bedeutung. Der Aufschub der Strafvollstreckung bedeutet, daß bei der Verkündung einer Strafe nach den Umständen des Falls die Strafvollstreckung für eine bestimmte Frist aufgeschoben wird. Wenn diese Frist ohne einen bestimmten Zwischenfall abgelaufen ist, so geht die W i r k u n g der Strafverkündung verloren. Dadurch t r i t t dieselbe W i r k u n g ein, als ob keine Strafe verhängt worden wäre. c) Die Erfordernisse. Wenn die nachfolgenden Erfordernisse gegeben sind, kann das Gericht durch das Urteil auf Aufschub der Strafvollstreckung gleichzeitig m i t der Verkündung der Strafe erkennen (§ 25 StGB §§ 54 u. 55 EStGB) 1 1 : falls auf höchstens drei Jahre Zuchthaus oder Gefängnis oder auf höchstens fünfhundert Yen Geldstrafe erkannt ist; falls der Täter früher noch nicht zu Gefängnis oder einer schwereren Strafe verurteilt worden ist oder zwar früher zu Gefängnis oder einer schwereren Strafe verurteilt worden ist, aber während sieben Jahren seit der Beendigung der Strafvollstreckung oder der Befreiung von der Strafvollstreckung nicht zu Gefängnis oder einer schwereren Strafe verurteilt worden ist; falls die Strafe nach den Umständen des Falls aufzuschieben ist. d) Der Widerruf: Wenn bei dem Verurteilten während des Straf V o l l streckungsaufschubs einer der nachfolgenden Umstände eintritt, so muß das Gericht durch einen Beschluß den Vollstreckungsaufschub widerrufen (§§ 26 StGB und 56 EStGB): Wenn der Täter während des Aufschubs aufs neue eine Straftat begeht und deswegen zu Gefängnis oder einer schwereren Strafe verurteilt wird; wenn der Täter wegen einer anderen vor dem Aufschub begangenen Straftat zu Gefängnis oder einer schwereren Strafe verurteilt wird; wenn entdeckt wird, daß der Täter, m i t Ausnahme der i m § 25 unter Ziff. 2 bezeichneten Personen, vor der Erkenntnis des Strafaufschubs wegen einer anderen Straftat zu Gefängnis oder einer schwereren Strafe verurteilt worden ist. Wenn ferner der Täter während des Aufschubs anderweitig eine Straftat begeht und m i t Geldstrafe bestraft wird, so kann das Erkenntnis auf Strafvollstreckungsaufschub widerrufen werden (§ 26 Abs. 2 StGB) 1 2 . 3. Die vorläufige Entlassung. 11 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wird die Bestrafungsbestimmung des § 25: „Zuchthaus oder Gefängnis bis zu zwei Jahren" mit „Zuchthaus oder Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu fünftausend Yen" geändert. 12 Dieser Absatz war nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches" von 1947 neu gesetzt.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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a) Bedeutung. Vorläufige Entlassung bedeutet Entlassung aus dem Gefängnis vor Ablauf der Strafzeit, u m dadurch eine Besserung des zur Freiheitsstrafe verurteilten Täters zu fördern 1 3 . I n Japan wurde dies von vornherein i m Ninsoku-Yoseba-Okite (Vorschrift) von 1790 angenommen sowie durch die Regel über die Gefangenenanstalten von 1872 und das ehemalige Strafgesetzbuch von 1881 vorgesehen und vom geltenden Strafrecht übernommen. b) Die Erfordernisse. Die Verwaltungsbehörde kann, wenn die nachstehenden Erfordernisse vorliegen, durch ihre Maßnahme die Entlassung aus dem Gefängnis vorläufig verfügen (§ 28 StGB) 1 4 : Wenn der Täter zu Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe verurteilt ist; wenn der zu Zuchthaus oder Gefängnis Verurteilte aufrichtige Reue zeigt; bei zeitlicher Strafe nach Ablauf eines Drittels der Straffrist, bei lebenslänglicher Strafe nach Ablauf von zehn Jahren. c) Die Wirkung. Wenn auf vorläufige Entlassung erkannt ist, so hat dies die Wirkung, daß, wenn die Frist abgelaufen ist, ohne daß Widerr u f erfolgt, Befreiung von der Vollstreckung der Strafe eintritt. d) Der Widerruf. Wenn bei dem vorläufig Entlassenen einer der nachfolgenden Umstände vorliegt, so kann die vorläufige Entlassung durch die Verwaltungsbehörde widerrufen werden m i t der Folge, daß die Entlassungszeit i n die Strafzeit nicht eingerechnet w i r d (§ 29 StGB): Wenn der Entlassene während der vorläufigen Entlassung aufs neue eine Straftat begeht und zu Geldstrafe oder einer schwereren Strafe verurteilt w i r d ; wenn er wegen einer anderen vor der vorläufigen Entlassung begangenen Straftat zu Geldstrafe oder einer schwereren Strafe verurteilt w i r d ; wenn er vor der vorläufigen Entlassung schon wegen einer anderen Straftat zu Geldstrafe oder einer schwereren Strafe verurteilt worden ist und diese Strafe noch zu verbüßen hat; wenn er den Vorschriften über die vorläufige Entlassung zuwiderhandelt. e) Wer zu Haft verurteilt ist, k a n n nach den Umständen des Falles jederzeit durch die Verfügung der Verwaltungsbehörde vorläufig aus der Haft entlassen werden (§ 30 Abs. 1 StGB). 4. Die Vollstreckung der Vermögensstrafe Die Vermögensstrafe ist eine Strafe, durch welche geldliche Rechtsinteressen entzogen werden. Das japanische Strafgesetz kennt davon die Geldstrafe, Geldbuße u n d Einziehung. 13 Vgl. Fünften Abschnitt dieser Abhandlung. Auch Akira Masaki, a.a.O., S. 432 ff. 14 Siehe dazu Kunihiko Azuma, Erläuterung der Vorschrift betreffend die Prüfung der vorläufigen Entlassung, 1934.
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Das japanische Strfrecht
a) Die Geldstrafe beträgt zwanzig Yen oder mehr, doch kann i m Falle der Milderung unter zwanzig Yen heruntergegangen werden (§ 15 StGB). Die Geldbuße beträgt mindestens zehn Yen und weniger als zwanzig Yen (§ 17 StGB). b) Wer eine Geldstrafe nicht v o l l bezahlen kann, w i r d für die Zeit von einem Tage bis zu einem Jahre i n einer Nichtzahlungshaft festgehalten (§ 18 Abs. 1 StGB). Wer die Geldbuße nicht v o l l bezahlen kann, w i r d für die Zeit von einem Tage bis zu dreißig Tagen in einer Nichtzahlungshaft festgehalten (§18 Abs. 2 StGB). Wenn auf mehrere Geldstrafen zusammen erkannt ist, oder wenn auf eine Geldstrafe und eine Geldbuße zusammen erkannt ist, so darf doch die Zeitdauer der Festhaltung drei Jahre nicht übersteigen. Wenn ferner auf mehrere Geldbußen zusammen erkannt ist, so darf die Zeitdauer der Festhaltung sechzig Tage nicht überschreiten (§ 18 Abs. 3 StGB). c) Wenn eine Geldstrafe oder eine Geldbuße verhängt wird, so ist zugleich die Zeitdauer der Festhaltung für den Fall zu bestimmen, daß die Geldstrafe oder Geldbuße nicht voll bezahlt werden sollte (§ 18 Abs. 4 StGB). Ohne Einwilligung des Betreffenden darf bei einer Geldstrafe innerhalb dreißig Tagen oder bei einer Geldbuße innerhalb zehn Tagen nach der Rechtskraft der Entscheidung die Festhaltung nicht vollstreckt werden (§ 18 Abs. 5 StGB). Wenn der zu einer Geldstrafe oder Geldbuße Verurteilte einen Teil der Strafe bezahlt, so w i r d nach dem Verhältnis des Betrags der Geldstrafe oder Geldbuße und der Zahl der Tage der Festhaltung eine diesem Geldbetrage entsprechende Tageszahl i n Abzug gebracht und die Festhaltung demgemäß vollstreckt (§ 18 Abs. 6 StGB). Wenn während der Festhaltung die Geldstrafe oder Geldbuße bezahlt wird, so w i r d sie auf die übrigbleibenden Tage nach dem i m vorigen Absatz gegebenen Verhältnis angerechnet (§ 18 Abs. 7 StGB). Ein Betrag, der nicht dem Verhältnis eines Tages Festhaltung gleichkommt, braucht nicht bezahlt zu werden (§18 Abs. 8 StGB). Ferner kann, wer in Nichtzahlungshaft festgehalten ist, nach den Umständen des Falls jederzeit durch Verfügung der Verwaltungsbehörde vorläufig aus der Haft entlassen werden (§ 30 Abs. 2 StGB). d) Einziehung ist Nebenstrafe (§ 9 StGB). Daher ist sie nur neben einer Hauptstrafe möglich. M i t anderen Worten: Es können die folgenden Gegenstände durch das Gericht eingezogen werden, wenn sie keiner anderen Person als dem Täter gehören (§ 19 Abs. 1 StGB), oder wenn eine andere Person als der Täter i n Kenntnis der Umstände die genannten Gegenstände erwirbt (§ 19 Abs. 2 StGB): (a) Gegenstände, welche die Straftat darstellen, wie gefälschte Urkunden i n den Straftaten des Gebrauchs gefälschter Urkunden; (b) Gegenstände, die zur
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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Straftat verwendet worden sind oder verwendet werden sollen, wie Waffen i n den Straftaten der Körperverletzung; (c) Gegenstände, die aus der Straftat hervorgegangen oder durch die Straftat erlangt oder als Belohnung für die Straftat erlangt worden sind, wie gefälschte Münzen oder unrechtmäßig erlangte Sachen oder der Geldpreis für die Straftat; (d) Gegenstände, die als Gegenwert für unrechtmäßig erworbene Gegenstände erlangt worden sind, z. B. Geld für den Verkauf einer unrechtmäßig erworbenen Sache. Wenn ferner die unter (c) und (d) aufgeführten Gegenstände nicht ganz oder teilweise eingezogen werden können, so w i r d das entsprechende Geld als Ersatz erhoben (§ 19 a StGB). e) Bei einer nur mit Haft oder Geldbuße bedrohten Straftat kann nicht auf Einziehung erkannt werden, soweit nicht besondere Bestimmungen bestehen; jedoch gilt dies nicht für die Einziehung der Gegenstände, welche die Straftat darstellen (§ 20 StGB). 4. Die Tilgung der Strafe 1. Übersicht Die Tilgung der Strafe bedeutet Tilgung des Strafvollzugsrechtes. Man hat die Tilgung der Strafe und des Strafklagerechts, action publique, zu unterscheiden. Die Tilgung des Strafklagerechts bewirkt, daß der Staatsanwalt keine öffentliche Klage erheben kann; wenn er die öffentliche Klage erheben würde, so müßte das Gericht auf Einstellung bezüglich der genannten Klage erkennten (§ 337 StPO). Tilgung der Strafe liegt vor, wenn, nachdem die öffentliche Klage rechtlich erhoben ist und das Urteil Rechtskraft erlangt hat, das Strafvollzugsrecht getilgt wird. Sie kommt i n vier Fällen vor: beim Tode des Verbrechers, bei Begnadigung, bei Verjährung und beim Ablauf der Aufschubperiode der Strafe und der vorläufigen Entlassungsperiode. 2. Der Tod des Verbrechers Die strafrechtliche Schuld ist ausschließlich eine persönliche des Verbrechers selbst. Daher bewirkt der Tod des Verbrechers die Tilgung des Strafvollzugsrechts. 3. Die
Begnadigung
Es kommen von ihr fünf A r t e n vor, nämlich: gewöhnliche und spezielle Amnestie, Strafmilderung, Befreiung von der Strafvollstreckung und Rehabilitation. Sie werden durch außerordentliche Beglaubigung (Attestation) desTenno (Kaisers) (§ 7 Ziff. 6 Verfassung) vom Kabinett verfügt (§ 73 Ziff. 7 Verfassung). a) Die gewöhnliche Amnestie. A u f Grund eines Regierungserlassea
Das japanische Strafrecht
ergeht die gewöhnliche Amnestie (§ 2 Gnadengesetz). I m Fall der Begnadigung von Strafen ergeben sich die folgenden Wirkungen außer in besonders geregelten Fällen (§ 3 GG): Bei einer schon zu einer Strafe verurteilten Person verliert die Verkündung ihre Wirkung. Bei einer noch nicht zu einer Strafe verurteilten Person verfällt das Recht der öffentlichen Anklage. b) Die spezielle Amnestie. Die spezielle Amnestie w i r d gegenüber der zu einer Strafe verurteilten bestimmten Person erlassen (§ 4 GG). Bei der speziellen Amnestie verliert die Verkündung der Strafe ihre W i r k u n g gegenüber der zu einer Strafe verurteilten, bestimmten Person (§ 5 GG). c) Die Strafmilderung. Bei der Strafmilderung durch Regierungserlaß w i r d die Strafe außer i n besonders bestimmten Fällen gemildert (§ 7 Abs. 1 GG). Bei der' Milderung der Strafe einer bestimmten Person (§ 6 GG) w i r d die betreffende Strafe gemildert oder w i r d die Strafvollstreckung gemildert (§ 7 Abs. 2 GG). Gegenüber demjenigen, gegen den auf Aufschub der Strafvollstreckung erkannt wurde, aber die Frist des Aufschubs noch läuft, w i r d nur die Strafe gemildert, ungeachtet der obigen Bestimmungen; zugleich kann die Frist des A u f schubs verkürzt werden (§ 7 Abs. 3 GG). d) Die Befreiung von der Strafvollstreckung. Die zu einer Strafe verurteilten, bestimmten Personen können von der Strafvollstreckung befreit werden. Jedoch gilt dies nicht für die Personen, gegenüber denen auf Aufschub der Strafvollstreckung erkannt worden ist, wenn die Frist des Aufschubs noch nicht abgelaufen ist (§ 8 GG). e) Die Rehabilitation. Wer wegen einer Strafe gesetzlich eine Qualifikation verliert oder zeitweilig verliert, kann durch Regierungserlaß rehabilitiert werden. Die Rehabilitation gilt aber nicht für den, gegen den die Strafvollstreckung noch nicht beendigt ist, oder der nicht von der Strafvollstreckung befreit werden kann (§ 9 GG). Durch die Rehabilitation w i r d die Qualifikation wiederhergestellt (§ 10 Abs. 1 GG). Die Rehabilitation kann nur für eine bestimmte Qualifikation gelten (§ 10 Abs. 2 GG). 4. Die Verjährung Sie w i r d zweifach geteilt. Die erste ist die Verjährung des Strafklagerechts. Diese Verjährung w i r d i n der StPO (§§ 250 ff.) bestimmt. Verjährt das öffentliche Strafklagerecht, d. h. der Entscheidungsspruch, dann läßt sich der Strafanspruch nicht realisieren. Die zweite ist die Verjährung der Strafe. Hier verjährt das Strafvollzugsrecht und damit die Strafvollstreckung ( § 3 1 StGB). Es fragt sich, aus welchem Grund die Verjährung der Strafe anerkannt wird. Man kann annehmen, daß das normative Gefühl i m Verlauf der Zeit gegen Verbrecher groß-
Der allgemeine Teil des Strafrechts
mütig zu sein erlaubt 1 5 . Die Fristen der Verjährung der Strafvollstreckung sind: bei Todesstrafe dreißig Jahre; bei lebenslänglichem Zuchthaus oder Gefängnis zwanzig Jahre; bei zeitlich begrenztem Zuchthaus oder Gefängnis beziehungsweise bei mindestens zehn Jahren Zuchthaus oder Gefängnis fünfzehn Jahre, bei mindestens drei Jahren zehn und bei weniger als drei Jahren fünf Jahre; bei Geldstrafe drei Jahre; bei Haft, Geldbuße und Einziehung ein Jahr (§ 32 StGB). Die Verjährung w i r d vom Tage der Rechtskraft des Urteiles berechnet (§ 32 StGB). Jedoch läuft sie nicht während der Zeitdauer, i n der die Strafvollstreckung auf Grund eines Gesetzes oder einer Verordnung aufgeschoben oder gehemmt ist (§ 33 StGB). Die Verjährung der Todesstrafe und der Freiheitsstrafe w i r d unterbrochen durch erfolgte Festnahme des Täters. Bei Geldstrafe, Geldbuße und Einziehung w i r d die Verjährung unterbrochen durch eine Vollstreckungshandlung (§ 34 StGB). 5. Der Ablauf
der Zeitdauer des Aufschubes der Strafvollstreckung und der vorläufigen Entlassung Dazu siehe die obige Darstellung.
6. Die Wirkungstilgung des Strafurteils (die Tilgung der Strafe) „Das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" bestimmt § 34 a neu und beseitigt die Bestimmung bezüglich der Vorstrafe. Es ist zweifelhaft 1 6 , w o r i n das Wesen der Beseitigung der Vorstrafe besteht. Nach dem ersten Abschnitt des § 34 a, der die Beseitigung der Strafverurteilung bestimmt, verliert die Strafverurteilung ihre Wirkung, wenn der Täter eine schwerere Strafe als Gefängnis verbüßt hat oder i h m Befreiung von der Strafvollstreckung gewährt worden ist und zehn Jahre abgelaufen sind, ohne daß er zu einer Geldstrafe oder einer schwereren Strafe verurteilt wurde, oder wenn er eine mindere Strafe als Geldstrafe verbüßt hat oder i h m Befreiung von der Strafvollstreckung gewährt worden ist und fünf Jahre vergangen sind, ohne daß er zu Geldstrafe oder einer schwereren Strafe verurteilt wurde. Ferner bestimmt § 34 a Abs. 2: daß, wenn ein bedingt verurteilter Täter zwei Jahre, nachdem das Urteil Rechtskraft erlangt hat, zugebracht hat, ohne daß er zu Geldstrafe oder einer schwereren Strafe verurteilt wurde, die Verurteilung ihre Wirkung verliert 1 7 . 15
Dasselbe betont Koizumi , Grdr. 340. Miyamoto , Lehrb. 526. Siehe dazu Yasuhira, Grundriß des reformierten Strafgesetzes (1947) 46. Tsugio Nakano, Die artikelweise Untersuchung des Strafgesetzes (1948) 59 ff. 1β
17
Das japanische Strafrecht
2
Dritter
Abschnitt
Der besondere Teil des Strafrechts Erster Teil: I. D i e R o l l e
Der Begriff des besonderen Teils des Strafrechts
des b e s o n d e r e n
Teils
des
Strafrechts
I m besonderen Teil des Strafrechts kommt es darauf an, jeden besonderen Tatbestand des Verbrechens und die ihm gegenüberstehende Strafe zu untersuchen, während man i m allgemeinen Teil des Strafrechts allgemein und abstrakt das Verbrechen und die Strafe behandelt. a) Der Gegenstand der Untersuchung i m besonderen Teil des Strafrecht s ist jedes Verbrechen. Die Untersuchung ist nicht nur auf die i m zweiten Teil des Strafgesetzbuches bestimmten Verbrechen beschränkt. Ζ. B. enthält auch das Wirtschaftsstrafgesetz bestimmte Verbrechen. Auch ein solches Verbrechen kann i n das System des besonderen Teils des Strafrechts eingereiht werden und Gegenstand der Untersuchung sein. Der Bereich des besonderen Teils des Strafrechts verändert sich also immer mehr durch Vermehrung oder Verminderung, Reform oder Aufhebung der Gesetze. Daher kennzeichnen die Gelehrten i h n als das „offene System" 1 . Ich werde jedoch nur die i m zweiten Teil des Strafgesetzbuches bestimmten Verbrechen darlegen und für die Auslegung auch das Verwaltungsstrafgesetz wie § 192 StGB erwähnen, das eigentlich aus dem System des besonderen Teils des Strafgesetzbuches ausgeschlossen werden sollte 2 . b) Aufgabe der besonderen Lehren des Strafrechts ist es, den für jedes Verbrechen eigentümlichen Tatbestand (den besonderen Tatbestand oder den Typus) zu erklären. Demgegenüber liegt die Rolle der allgemeinen Lehren des Strafrechts darin, i n der Lehre vom Verbrechen den für das Verbrechen allgemeinen Tatbestand zu erklären, d. h. „die schuldhaft-rechtswidrige Handlung"; dagegen ist ζ. B. der besondere Tatbestand der Tötung, „einen Menschen zu töten", der besondere Tatbestand des Diebstahls, „ein fremdes Vermögensstück wegzunehmen". So w i r d i m besonderen Teil des Straf rechts regelmäßig die Handlung bestimmt, auf welche die Strafe angewandt werden soll, 1 Vgl. Ono, Lehrb. 7: „Ideal des allgemeinen Teils des Straf rechts ist die Geschlossenheit, weil der allgemeine Teil des Strafrechts durch die Methode der logischen Entwicklung erklärt wird. Demgegenüber ist das System des besonderen Teils des Strafrechts stets offen, weil der besondere Teil des Strafrechts durch die Methode der konkreten Klassifikation der Gesetze erläutert wird." 2 I m vorläufigen Entwurf des Strafgesetzbuches (1940), kann man keine dem § 192 StGB entsprechende Bestimmung finden.
Der besondere Teil des Strafrechts
303
m. a. W.: die meisten Strafgesetze bestehen aus „Tatbestandsbestimmung" und „Bestrafungsbestimmung" — wie ζ. B. die Fassung des § 199 StGB zeigt: „wer einen Menschen tötet", „ w i r d m i t dem Tode oder m i t lebenslänglichem Zuchthaus oder m i t Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft" —. Einige Strafgesetze bestehen aber aus „Tatbestandsbestimmung" und „Verweisungsnorm" — wie z. B. § 195 Abs. 2 StGB: „Der vorhergehende Absatz gilt auch für denjenigen", „der gegen eine gemäß dem Gesetze oder der Verordnung inhaftierte Person, die er bewacht oder begleitet, Gewalt gebraucht oder Beschimpfung oder Mißhandlung begeht" —. c) I m besonderen Teil des Strafrechts w i r d auch die Strafe untersucht, die für den besonderen Tatbestand jedes Verbrechens bestimmt ist. Dagegen liegt die Rolle des allgemeinen Teils des Strafrechts darin, i n der Lehre von der Strafe die Strafe selbst zu erklären. Man erforscht nämlich dort die allgemeine Strafentheorie, die als Begriff der Strafe, Anwendung der Strafe, Vollzug der Strafe und Tilgung der Strafe usw. erscheint; aber in jenem legt man konkret diejenige Strafe aus, die für den besonderen Tatbestand bestimmt ist, wie ζ. B. die Strafe der Tötung des § 199 StGB „Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter drei Jahren", die Strafe des Diebstahls des § 235 StGB „Zuchthaus bis zu zehn Jahren". I n der Regel ist die den besonderen Tatbestand bestimmende „Tatbestandsbestimmung" und die die Strafe bestimmende „Bestrafungsbestimmung" oder „Verweisungsnorm" i n einem einzigen „Paragraphen" oder „Abschnitt 44 beschrieben; aber i n einigen Ausnahmefällen sind zwei „Tatbestandsbestimmungen" und „Bestrafungsbestimmungen" oder „Verweisungsnormen" zusammen i n einem einzigen „Paragraphen" oder „Abschnitt" beschrieben 3 , d) Hauptsächlich ist das die Rolle der besonderen Lehre des Strafrechts, was ich oben erwähnt habe; aber sie beschränkt sich nicht darauf. Das, was der zweite Teil des Strafgesetzbuches außer „Tatbestandsbestimmungen", „Bestrafungsbestimmungen" und „Verweisungsbestimmungen" regelt, sind: Bestimmungen betreffend Versuch, Bestimmungen i n bezug auf Vorbereitung und Verschwörung, Bestimmungen betreffend Teilnahme, Bestimmungen bezüglich Handlungen der Verwandten i n aufsteigender Linie und der Familienmitglieder, Bestimmungen betreffend Selbstanzeige und Geständnis, Bestimmungen betreffend Anklage und Anspruch, Bestimmungen be3 Z. B. § 241 StGB lautet: „Ein Räuber, der eine weibliche Person notzüchtigt, wird mit lebenslänglichem Zuchthaus oder mit Zuchthaus nicht unter sieben Jahren bestraft; wenn dadurch der Tod einer weiblichen Person herbeigeführt wird, so wird der Räuber mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft."
Das japanische Strafrecht
treffend Verweis und Eintreibung, Bestimmungen i n bezug auf einen Fall, wo das Verbrechen an der dem Täter gehörigen Sache begangen wird, Strafverschärfungsbestimmungen infolge von Gewohnheit, Bestimmungen bezüglich gleichzeitiger Erkennimg auf Geldstrafe, A n wendungsb estimmun gen und Hinweise. II. D a s S y s t e m d e s b e s o n d e r e n T e i l s d e s S t r a f r e c h t s Es gibt zwei Ansichten darüber, wie man das System des besonderen Teil des S traf rechts konstruiert: nach der Reihenfolge des Gesetzes oder nach dem theoretischen System. Wer die erste Ansicht vertritt, betont, daß es für einen Gelehrten nicht nötig ist, ohne Berücksichtigung der Reihenfolge des Gesetzes nach eigenem Ermessen zu systematisieren, w e i l eine nach eigenem Ermessen gebildete Systematisierung nicht für die praktische Bequemlichkeit der Gesetzeserforschung passend ist 4 . Demgegenüber sagen einige Gelehrte, welche die zweite Ansicht vertreten, daß man i n der Darlegung des besonderen Teils des Strafrechts das M i t t e l der theoretischen Bearbeitung ergreifen soll, weil die Absicht, die nach dem Rechtsgut normierte Systematisierung aufzunehmen, schon i m Gesetze festzustellen ist und es m i t der A n wendung der Theorie des allgemeinen Teils des Strafrechts zusammenhängt, zu entscheiden, welches Rechtsgut das einzelne Verbrechen verletze 5 . Bei den Gelehrten, die die zweite Ansicht vertreten, sind zu unterscheiden einerseits diejenigen, die die Zweiteilungstheorie vertreten und die i m besonderen Teil des Strafrechts bestimmten Straftaten einteilen i n Straftaten gegen die Rechtsgüter der einzelnen und Straftaten gegen die Masse der einzelnen (die Gemeinschaft) 6 ; andererseits diejenigen, die die Dreiteilungstheorie vertreten und die Straftaten einteilen in: Straftaten gegen die Rechtsgüter der einzelnen, Straftaten gegen die Gemeinschaft u n d Straftaten gegen den Staat als Rechtsgut 7 . Nach der zweiten Ansicht soll man der folgenden Reihe nach vorgehen: entweder: Straftaten gegen die Rechtsgüter der einzelnen, Straftaten gegen die Gemeinschaft und Straftaten gegen den Staat als Rechtsgut 8 ; oder: Straftaten gegen die Rechtsgüter der einzelnen, Straftaten gegen den Staat und Straftaten gegen die Gemein4
Ζ. B. Motoji, Grdz. 362. Auch Makino, Lehrb. I. 3. Dies vertritt Miyamoto , Grdz. 273. Ono, Lehrb. 5. Takikawa, Lehrb. 12. β I n Japan vertritt kein Gelehrter diese Theorie; vgl. aber dazu Liszt , Lehrbuch des Deutschen Straf rechts 1922, 306 ff. Liszt- Schmidt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, 25. Aufl. 1927, 454 ff. 7 Ζ. B. Ono, Lehrb. 6. Takikawa, Lehrb. 10. 8 Ζ. B. Oba, Grdz. 419. Takikawa, Lehrb. 11. 8
Der besondere Teil des Strafrechts
305
schaft 9 ; oder: Straftaten gegen den Staat, Straftaten gegen die Gemeinschaft und Straftaten gegen die Rechtsgüter der einzelnen 10 . I n der folgenden Darlegung w i l l ich nach dem theoretischen System verfahren, w e i l der vorläufige E n t w u r f des japanischen Strafgesetzbuches (1940) dieses System annimmt. Dadurch kann man f ü r die Erleichterung des Verständnisses des zukünftigen reformierten Gesetzes Vorsorgen. Ich teile nach der Dreiteilungstheorie die i m besonderen Teil des Strafrechts bestimmten Straftaten ein in: Straftaten gegen den Staat als Rechtsgut, Straftaten gegen die Gemeinschaft als Rechtsgut und Straftaten gegen die Rechtsgüter der einzelnen.
Z w e i t e r T e i l : Die Straftaten gegen den Staat als Rechtsgut 1. Die Straftaten gegen den Bestand des Staates11 I. D i e S t r a f t a t e n g e g e n d i e i n n e r e S i c h e r h e i t d e s S t a a t e s (Die i m 2. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Der inländische
Aufstand
Das Erfordernis des inländischen Aufstandes ist: i n der Absicht, die Regierung zu stürzen oder japanisches Gebiet loszureißen oder sonst i n die japanische Verfassung einzugreifen, eine aufständische Bewegung hervorzurufen. Bei diesen Straftaten w i r d bestraft: der Rädelsführer m i t dem Tode oder m i t lebenslänglichem Gefängnis; wer an den Beratungen über eine aufständische Bewegung teilgenommen oder eine Menschenmenge geführt hat, m i t lebenslänglichem Gefängnis oder m i t Gefängnis nicht unter drei Jahren; wer sonst irgendeine leitende Stellung übernommen hat, m i t Gefängnis von einem bis zu zehn Jahren; wer sich nur den anderen angeschlossen oder sich sonst einfach an der aufständischen Bewegung beteiligt hat, m i t Gefängnis bis zu drei Jahren (§ 77 Abs. 1 StGB). Der Versuch der obigen Straftaten ist strafbar, ausgenommen der Fall, daß jemand nicht i n leitender Stellung teilgenommen hat (§ 77 Abs. 3 StGB). Wer die Ausführung einer aufständischen Bewegung vorbereitet oder sich m i t anderen zu einer solchen Bewegung verschworen hat, w i r d m i t Gefängnis von einem bis zu zehn Jahren bestraft (§ 78 StGB); jedoch w i r d er von der Strafe befreit, wenn er Selbstanzeige erstattet, ehe es zu einer aufständischen Bewegung gekomen ist (§ 80 StGB). • Dazu Hippel, Lehrbuch des Strafrechts, 1932, 187. 10 Ζ. B. Ono, Lehrb. 5. Saito, Lehrb. 4. Das reformierte Strafgesetz strich die bisherigen Bestimmungen betreffend die Straftaten gegen die kaiserliche Familie (§§ 73 bzw. 76). 11
20 Ausländisches Straf recht I
Das japanische Strafrecht
2. Die Beihilfe
zum inländischen
Aufstande
Das Erfordernis dieser Straftat ist: durch die Lieferung von Waffen, Geld oder Getreide oder durch sonstige Handlungen zu den i n den §§ 77, 78 erwähnten Straftaten Beihilfe zu leisten. Die Strafe ist Gefängnis bis zu sieben Jahren (§ 79 StGB). Dabei kommt die A n wendung der schon berührten Bestimmung des § 80 StGB i n Frage. II. D i e S t r a f t a t e n i n B e z i e h u n g a u f a u s l ä n d i s c h e A n g r i f f e (Die i m 3. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. I m Zusammenhang mit der Verfassung Japans d e s J a h r e s 1 9 4 7 , die i m 2. Abschnitt „den Verzicht auf den Krieg" bestimmt 1 2 , w u r den die Vorschriften über die Straftaten i n Beziehung auf ausländische Angriffe reformiert oder aufgehoben; nämlich es wurden die bisherigen Bestimmungen der §§ 83 bzw. 86 und 89 aufgehoben und die §§ 81, 82 ganz und gar reformiert. M i t dieser Reform oder Aufhebung der Bestimmungen wurden auch § 87 (der Versuch) und § 88 (Vorbereitung und Verschwörung) reformiert. 2. Die Herbeiführung
des ausländischen Angriffes
Das Erfordernis ist: i m Einverständnis m i t einem fremden Staate diesen zur Ergreifung der Waffen gegen Japan zu veranlassen; dabei w i r d der Täter mit dem Tode bestraft (§ 81 StGB). Strafbar ist der Versuch dieser Straftaten (§ 87 StGB). Wer Vorbereitungen t r i f f t oder sich verschwört i n der Absicht, die oben erwähnten Straftaten zu begehen, w i r d m i t Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren bestraft (§ 88 StGB). 3. Die Beihilfe zum ausländischen Angriffe Das Erfordernis ist: wenn die Waffen gegen Japan ergriffen werden, einem feindlichen Staate bei diesem m i l i t . Unternehmen zu dienen oder sonst i h m militärische Vorteile zu vermitteln; der Täter w i r d mit dem Tode oder m i t lebenslänglichem Zuchthaus oder m i t Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft (§ 82 StGB). Der Versuch dieser Straftaten ist strafbar (§ 87 StGB). Wer Vorbereitungen t r i f f t oder 12 § 9 der japanischen Verfassung lautet in englischer Ubersetzung: „Aspiring sincerely to an international peace based on justice and order, the Japanese people forever renounce war as a sovereign right of the nation and the threat or use of force as means of settling international disputes. I n order to accomplish the aim of the preceding paragraph, land, sea, and air forces, as well as other war potential, w i l l never be maintained. The right of belligerency of the state w i l l not be recognized."
Der besondere Teil des Strafrechts
307
sich verschwört i n der Absicht, die oben erwähnten Straftaten zu begehen, w i r d m i t Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren bestraft (§ 88 StGB). III. D i e S t r a f t a t e n
betreffend die Beziehungen
internationalen
(Die i m 4. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten 1 3 .) 1. Die Straftaten
gegen das Hoheitszeichen
eines fremden Staates
Das Erfordernis ist: i n der Absicht, einen fremden Staat zu beleidigen, das Hoheitszeichen dieses Staates zu beschädigen, zu entfernen oder zu beschmutzen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu zweihundert Y e n 1 4 ; doch findet die Verfolgung nur auf Antrag der ausländischen Regierung statt (§ 92 StGB). 2. Vorbereitung
oder Verschwörung des ohne obrigkeitliche beabsichtigten Krieges
Erlaubnis
Das Erfordernis ist: i n der Absicht, gegen einen fremden Staat ohne obrigkeitliche Erlaubnis Krieg zu führen, Vorbereitungen hierzu zu treffen oder sich m i t anderen hierzu zu verschwören (§ 93 StGB). Nach meiner Meinung setzt diese Straftat den selbständigen, besonderen Tatbestand der „Vorbereitung oder Verschwörung des ohne obrigkeitliche Erlaubnis verursachten Krieges" voraus. Aber für die Bequemlichkeit der Erklärung w i l l ich sie als selbständige Straftat ansehen, weil i m geltenden Strafgesetzbuch die Bestimmung über diese Straftat fehlt. § 189 des vorläufigen Entwurfes des japanischen Strafgesetzbuches (1940) lautete: „Wer gegen einen fremden Staat ohne obrigkeitliche Erlaubnis Krieg führt, w i r d m i t zeitlich begrenztem Gefängnis nicht unter einem Jahre bestraft"; dadurch w i r d der Mangel des geltenden Strafgesetzbuches ausgeglichen. Die Strafe dieser Straftat ist Gefängnis von drei Monaten bis zu fünf Jahren; doch t r i t t Straffreiheit ein, wenn der Täter Selbstanzeige erstattet (§ 93 StGB). 3. Die Übertretung
der Vorschriften
über die Neutralität
Das Erfordernis ist: i m Falle eines Krieges zwischen fremden Staaten den Vorschriften über die Neutralität zuwiderzuhandeln; die Strafe ist Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen (§ 94 StGB). 13
§§ 90, 91 StGB sind gestrichen. Der Betrag der Geldstrafe oder der Geldbuße wurde verfünfzigfacht mit dem Wechsel der wirtschaftlichen Verhältnisse. Vgl. das Gesetz betreffend die zeitweilige Behandlung von Geldstrafe usw., das im 4. Abschnitt erläutert wird. 14
20·
8
Das japanische Strafrecht
2. Die Straftaten gegen die Tätigkeit des Staates I. D i e S t r a f t a t e n i m
Amte
(Die i m 25. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) Ia) Ü b e r s i c h t Nächst dem 24. Abschnitt, i n dem „die Straftaten gegen Stätten religiöser Verehrung und Begräbnisstätten" beschrieben werden, bestimmt das geltende japanische Strafgesetz die Straftaten i m Amte i m 25. Abschnitt. Das kommt daher, w e i l das geltende Strafgesetz diese Straftaten als die Straftaten gegen die Rechtsgüter der einzelnen umfaßt. Jedoch besteht das Wesen dieser Straftaten nach meiner Ansicht hauptsächlich darin, daß sie die Heiligkeit des Amtsgeschäftes beflecken, infolgedessen die Würde oder die Autorität des Staates erniedrigen; d. h.: sie sind als Straftaten gegen die Tätigkeit des Staates anzusehen. Der vorläufige E n t w u r f des japanischen Strafgesetzbuches (1940) teilt meine Ansicht. Ib) D e r M i ß b r a u c h
der
Amtsgewalt
1. Der Mißbrauch der Amtsgewalt des allgemeinen Beamten Das Erfordernis dieser Straftat ist: daß ein Beamter, der unter Mißbrauch seiner Amtsgewalt eine Person veranlaßt, etwas zu tun, wozu sie nicht verpflichtet ist, oder sie an der Ausübung ihrer Rechte hindert. Die Strafe ist Zuchthaus oder Gefängnis bis zu zwei Jahren (§ 193 StGB). Ehemals war sie Zuchthaus oder Gefängnis bis zu „sechs Monaten" gewesen; aber nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" ist sie, wie dargelegt, bestimmt. 2. Der Mißbrauch der Amtsgewalt des besonderen Beamten Das Erfordernis ist: daß jemand, der richterliche, staatsanwaltschaftliche oder polizeiliche Befugnisse ausübt oder dabei als Gehilfe tätig ist, unter Mißbrauch seiner Amtsgewalt eine Person festnimmt oder i n Haft hält (§ 194 StGB) oder daß jemand, der richterliche, staatsanwaltschaftliche oder polizeiliche Befugnisse ausübt oder dabei als Gehilfe tätig ist, i n der Ausübung seines Amtes gegen einen Kriminalangeklagten oder eine sonstige Person Gewalt gebraucht oder Beschimpfimg oder Mißhandlung begeht (§ 195 Abs. 1 StGB), oder daß jemand, der die gemäß dem Gesetze oder der Verordnung inhaftierte Person bewacht oder begleitet, gegen die inhaftierte Person Gewalt gebraucht oder Beschimpfung oder Mißhandlung begeht (§ 195 Abs. 2 StGB). Wenn er sie festnimmt oder i n Haft hält, w i r d er m i t Zuchthaus oder Gefängnis von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft (§ 194 StGB); wenn er Gewalt gebraucht oder Beschimpfung oder Mißhandlung begeht, w i r d er m i t Zuchthaus oder Gefängnis bis zu sieben
Der besondere Teil des Strafrechts
30
Jahren bestraft (§ 195 StGB); wenn durch Begehung dieser Straftaten der Tod oder die Körperverletzung eines anderen verursacht wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern diese schwerer ist (§ 196 StGB). Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" w i r d auch die i m § 194 erwähnte Bestrafungsbestimmung „bis zu sieben Jahren" in: „bis zu zehn Jahren", die i m § 195 Abs. 1 erwähnte Bestrafungsbestimmung „bis zu drei Jahren" in: „bis zu sieben Jahren" reformiert. Ic) D i e
Bestechung 1. Übersicht
Nach dem Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1941 wurden die Bestimmungen bezüglich Bestechung reformiert. Es w u r den nämlich die bisherigen zwei Paragraphen (§§ 197, 198) geändert und drei Paragraphen (§§ 197 a, b u. c) neu eingeführt. Diese reformierten oder neu eingeführten Bestimmungen, die aus dem vorläufigen Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches stammen, beziehen sich nur auf die Bestechung des Beamten oder Vermittlers; die Bestimmungen bezüglich Bestechung übriger Personen sind i n besonderen Vorschriften wie z. B. § 493 des „Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches von 1941" bestimmt 1 5 . 2. Die allgemeine passive Bestechung Diese Straftaten werden nach dem Subjekt i n zwei Arten geteilt. Die eine ist, daß. ein Beamter oder ein Schiedsrichter i m Hinblick auf seine amtliche Tätigkeit eine Bestechung annimmt, verlangt oder sich versprechen läßt (§ 197 Abs. 1 StGB); die andere ist, daß ein werdender Beamter oder Schiedsrichter, an den i m Hinblick auf das Amt, m i t dem er betraut werden soll, ein unrechtmäßiges Verlangen gestellt wird, dies annimmt und eine Bestechung annimmt, verlangt oder sich versprechen läßt, und daß er dann Beamter oder Schiedsrichter w i r d (§ 197 Abs. 2 StGB). Die Strafe der ersten Straftaten ist Zuchthaus bis zu drei Jahren (§ 197 Abs. 1 StGB). Jedoch ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren, wenn ein unrechtmäßiges Verlangen gestellt und angenommen w i r d (§ 197 Abs. 1 StGB). Die Strafe der zweiten Straftaten ist Zuchthaus bis zu drei Jahren (§ 197 Abs. 2 StGB). Dazu w i r d der vom Täter oder 15 Vgl. § 444 VorEStGB (1940): „Wenn jemand, der die Geschäfte eines anderen besorgt und an den i m Hinblick auf seine Pflichten ein unrechtmäßiges Verlangen gestellt wird, dies annimmt und einen Vermögensvorteil annimmt, so wird er mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu fünftausend Yen bestraft; das gleiche gilt auch für denjenigen, der einen Vermögensvorteil gewährt"
Da
japanische Strafrecht
einem die tatsächlichen Verhältnisse kennenden Dritten angenommene Bestechungsgegenstand eingezogen; wenn er nicht oder nur teilweise eingezogen werden kann, so ist ein Gegenwert einzuziehen (§ 197 c StGB). 3. Die besondere passive Bestechung Das Erfordernis ist: daß ein Beamter oder ein Schiedsrichter, an den i m Hinblick auf seine amtliche Tätigkeit ein unrechtmäßiges Verlangen gestellt wird, dies annimmt und einem Dritten eine Bestechung überreichen läßt oder eine solche Überreichung verlangt oder sich versprechen läßt; die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren (§ 197 a StGB). Der vom Täter oder einem die tatsächlichen Verhältnisse kennenden Dritten angenommene Bestechungsgegenstand w i r d eingezogen; wenn er nicht oder nur teilweise eingezogen werden kann, so ist sein Gegenwert einzuziehen (§ 197 c StGB). 4. Die schwere Bestechung Das Erfordernis dieser Straftaten hängt von dem Subjekt der Straftat ab. Es werden zwei Formen unterschieden. Die eine ist, daß ein Beamter oder ein Schiedsrichter infolge der Begehung der allgemeinen passiven Bestechung oder der besonderen passiven Bestechung eine unrechtmäßige Handlung oder eine entsprechende Handlung begeht; oder daß ein Beamter oder ein Schiedsrichter i m Hinblick auf eine unrechtmäßige Handlung oder eine entsprechende Handlung, welche er früher amtlich begangen oder nicht begangen hat, eine Bestechung ann i m m t oder sich versprechen läßt, oder einem Dritten eine Bestechung überreichen läßt oder solche Überreichung verlangt oder sich versprechen läßt. Die zweite ist, daß ein gewesener Beamter oder Schiedsrichter, an den i m Hinblick auf die Begehung einer amtlichen unrechtmäßigen Handlung oder die Unterlassung einer amtlichen entsprechenden Handlung während seiner Amtszeit ein unrechtmäßiges Verlangen 1 gestellt wird, dies annimmt und eine Bestechung annimmt, verlangt oder sich versprechen läßt. Die Strafe der ersten Straftaten ist zeitlich begrenztes Zuchthaus nicht unter einem Jahre (§ 197 b Abs. 1, 2 StGB), und die Strafe der zweiten Straftaten ist Zuchthaus bis zu drei Jahren (§ 197 b Abs. 3 StGB). Dabei findet die schon berührte Bestimmung des § 197 c A n wendung. 5. Die aktive Bestechung Das Erfordernis ist, daß eine der i n den §§ 197 bzw. 197 b erwähnten Bestechungen überreicht, angeboten oder versprochen wird; die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen (§ 198 StGB).
Der besondere Teil des Strafrechts
II. D i e S t r a f t a t e n b e z ü g l i c h S t ö r u n g d e r A u s ü b u n g der A m t s g e s c h ä f t e (Die i m 5. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Störung der Amtsgeschäfte Das Erfordernis ist: gegen einen Beamten bei der Ausübung der Geschäfte Gewalt zu gebrauchen oder Drohung anzuwenden; die Strafe ist Zuchthaus oder Gefängnis bis zu drei Jahren (§ 95 Abs. 1 StGB). 2. Die Nötigung zu Amtsgeschäften Das Erfordernis ist: gegen einen Beamten Gewalt zu gebrauchen oder Drohung anzuwenden, um i h n zur Durchführung oder Unterlassung einer amtlichen Handlung oder zur Aufgabe seines Amtes zu veranlassen; die Strafe ist Zuchthaus oder Gefängnis bis zu drei Jahren (§ 95 Abs. 2 StGB). 3. Der Siegelbruch Das Erfordernis ist: durch die Beschädigung des von einem Beamten angelegten Siegels oder Zeichens der Beschlagnahme oder durch sonstige M i t t e l die W i r k u n g des Siegels oder Zeichens zu verhindern; die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu dreihundert Yen {§ 96 StGB). 4. Die Zwangsvollstreckungsflucht Das Erfordernis der Zwangsvollstreckungsflucht, welche aus dem § 462 VorEStGB (1940) stammt, ist: i n der Absicht, der Zwangsvollstreckung zu entgehen, sein Vermögen zu verheimlichen, zu beschädigen oder eine Abtretung vorzuspiegeln oder sein Vermögen sonst m i t einer vorgespiegelten Schuld zu belasten; die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen (§ 96 a StGB). 5. Die Störung von Auktion oder Submission Diese Straftaten, deren Bestimmung aus § 416 VorEStGB (1940) stammt, werden i n zwei Formen geteilt; die erste ist: mittels List oder Macht eine Handlung, welche die Gerechtigkeit der A u k t i o n oder Submission stört, zu begehen (§ 96 b Abs. 1 StGB); die zweite ist: i n der Absicht, den gerechten Preis herabzusetzen oder einen ungerechten Vorteil zu gewinnen, sich zu verabreden (§ 96 b Abs. 2 StGB); die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu fünftausend Yen. III. D i e S t r a f t a t e n b e z ü g l i c h E n t w e i c h e n s (Die i m 6. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) I I I a) D a s ( a k t i v e ) E n t w e i c h e n I . Das einfache Entweichen Das Erfordernis ist: daß ein schon verurteilter oder noch nicht abgeurteilter Gefangener entweicht; die Strafe ist Zuchthaus bis zu einem Jahre (§ 97 StGB). Der Versuch ist strafbar {§ 102 StGB).
Das
apanische Strafrecht
2. Das schwere Entweichen Das Erfordernis ist: daß. ein schon verurteilter oder noch nicht abgeurteilter Gpfangener oder ein gemäß dem Vorführungsbefehl Vorgeführter unter Beschädigung von Gefängnisgebäuden oder Verwahrungsgegenständen oder unter Anwendung von Gewalt oder Drohung oder i m Einverständnis m i t einer oder mehreren Personen entweicht; die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 98 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 102 StGB). Illb) Das E n t w e i c h e n l a s s e n 1. Die Entführung des Inhaftierten Das Erfordernis ist: einen gemäß dem Gesetze oder der Verordnung Inhaftierten zu entführen; die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 99 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 102 StGB). 2. Die Erleichterung des Entweichens Das Erfordernis ist: i n der Absicht, einen gemäß dem Gesetze oder der Verordnung Inhaftierten entweichen zu lassen, eine dieses Entweichen erleichternde Handlung zu begehen oder Gewalt oder Drohung anzuwenden; die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren, wenn der Täter eine das Entweichen erleichternde Handlung begeht, und Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren, wenn er Gewalt oder Drohung anwendet (§ 100 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 102 StGB). 3. Das Entweichenlassen durch den Gefängniswärter Das Erfordernis ist: einen gemäß dem Gesetze oder der Verordnung Festgenommenen, den er beaufsichtigt oder begleitet, absichtlich entweichen zu lassen; die Strafe ist Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren (§ 101 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 102 StGB). IV. D i e S t r a f t a t e n b e z ü g l i c h d e s V e r b e r g e n s u n d der B e s e i t i g u n g von Beweisgegenständen (Die i m 7. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Das Verbergen Das Erfordernis ist: einen Täter, der eine m i t einer Geld- oder schwereren Strafe bedrohten Straftat begangen hat, oder eine Person, die während der Zeit des Festgenommenseins entwichen ist, zu verbergen oder fortzuschaffen; die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu zweihundert Yen (§ 103 StGB). Bei dieser Straftat kann jedoch Straffreiheit eintreten 1 6 , wenn sie von einem 16 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wurde die frühere Fassung: „nicht bestraft" mit „kann die Straffreiheit eintreten" umgeschrieben.
Der besondere Teil des Strafrechts
Verwandten 1 7 des Verbrechers oder des Entwichenen zu dessen Gunsten begangen w i r d (§ 105 StGB). 2. Die Beseitigung von Beweisgegenständen Das Erfordernis ist: einen Beweis, der sich auf die Strafsadie eines anderen bezieht, zu beseitigen, zu fälschen oder zu verfälschen oder einen gefälschten oder verfälschten Beweis zu benutzen; die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu zweihundert Yen (§ 104 StGB). Die oben erwähnte Bestimmung des § 105 findet auch auf diese Straftat Anwendung (§ 105 StGB). Aber es war umstritten, wie der Täter behandelt werden soll, wenn er den Verwandten des Kriminalangeklagten anregt oder anstiftet und dadurch die Beweisgegenstände beseitigen läßt, weil die Fassung des § 105 StGB, ehe sie nach dem „Gesetz zur Änderung der Strafgesetzbuches" reformiert war, „straflos bleiben" lautete. Die erste Ansicht vertritt die Straffreiheitstheorie 18 , zu welcher sich die Rechtsprechung des japanischen Gerichts bekannte 1 9 , nach welcher der Täter nicht bestraft werden soll; die letzte ist die Anstiftungstheorie 2 0 , nach welcher auch ein solcher Täter bestraft werden soll. V. D i e S t r a f t a t e n
bezüglich falschen
Zeugnisses
(Die i m 20. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die falschen Zeugnisse im engeren Sinne Das Erfordernis ist, daß der Täter, gemäß dem Gesetze vereidigt, als Zeuge eine falsche Aussage macht; die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu zehn Jahren (§ 169 StGB). Wenn derjenige, der die oben erwähnte Straftat begangen hat, ein Geständnis ablegt, ehe i n der Sache, i n welcher er das Zeugnis abgegeben hat, eine Entscheidung rechtskräftig geworden oder eine Disziplinarverfügung ergangen ist, so kann Strafmilderung oder Straffreiheit eintreten (§ 170 StGB). 2. Das falsche Gutachten und die falsche Übersetzung Das Erfordernis ist, daß der Täter, gemäß dem Gesetze vereidigt, als Sachverständiger oder Dolmetscher ein falsches Gutachten oder eine falsche Übersetzung anfertigt; die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu zehn Jahren. Auch auf diese Straftaten findet die schon erwähnte Bestimmung des § 170 StGB Anwendung (§ 171 StGB). 17 Das eigentliche japanische Wort ist „Shinzoku". Das japanische BGB § 725 sagt: „Verwandte sind 1. Blutsverwandte bis zum sechsten Grad; 2. Ehegatten; 3. Verschwägerte bis zum dritten Grad." 18 Diese vertritt die Minderzahl: ζ. B. Hikosaburo Hirai, Zeitschrift für die Juristen, Bd. 13, Heft 1, 1935, S. 25. 19 RGerE 26. Nov. 1934 (RSamml. Bd. 13, S. 1598). 20 Diese vertritt die Mehrzahl: ζ. B. Kusano, Unters. I I . 102.
Das japanische Strafrecht
31
VI. D i e f a l s c h e A n s c h u l d i g u n g (Die i m 21. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Übersicht Über das Wesen der falschen Anschuldigung besteht Streit. Die herrschende Lehre und die Rechtsprechung 21 in Japan sind der Ansicht, daß diese Straftaten nicht gegen die einzelnen Angeschuldigten, sondern gegen die Gerichtstätigkeit des Staates gerichtet sind. 2. Die Anschuldigung Das Erfordernis ist: i n der Absicht, gegen einen anderen eine strafrechtliche oder disziplinarische Verfolgung zu erwirken, bei der Behörde oder dem Beamten eine falsche Anzeige zu erstatten; die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu zehn Jahren (§ 172 StGB). Wenn derjenige, der die i m § 172 erwähnte Straftat begangen hat, ein Geständnis ablegt, ehe i n der Sache, in welcher er die falsche Anzeige gemacht hat, eine Entscheidimg rechtskräftig geworden oder eine Disziplinarverfolgung ergangen ist, so kann Strafmilderung oder Straffreiheit eintreten (§ 173 StGB).
D r i t t e r T e i l : Die Straftaten gegen die Gemeinschaft als Reditsgut 1. Die Straftaten gegen den gemeinschaftlichen Frieden 22 I. D i e S t r a f t a t e n d e s A u f r u h r s (Die i m 8. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Der Aufruhr im engeren Sinne Das Erfordernis ist, daß eine Menschenmenge sich zusammenrottet und dann Gewalt gebraucht oder Drohungen anwendet. Die Rädelsführer werden m i t Zuchthaus oder Gefängnis von einem bis zu zehn Jahren bestraft. Wer den Befehl über die anderen führt oder dadurch, daß er den anderen vorangeht, die Stärke des Aufruhrs erhöht, w i r d m i t Zuchthaus oder Gefängnis von sechs Monaten bis zu sieben Jahren bestraft. Wer sich lediglich an der Ansammlung beteiligt, w i r d m i t Geldstrafe bis zu fünfzig Yen bestraft (§ 106 StGB). 2. Das Sich-nicht-Z er streuen Das Erfordernis ist, daß eine Menschenmenge sich zusammenrottet, um Gewalt zu gebrauchen oder Drohung anzuwenden, und trotz dreimaliger Aufforderung des zuständigen Beamten sich nicht zerstreut. RGerE 20. Dez. 1912 (RSamml. Bd. 18, S. 1556). Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wurden die Straftaten wider Ruhe und Ordnung, die früher im 7 a-Abschnitt (§§ 105 a—105 d) des Strafgesetzbuches geregelt waren, gestrichen. 22
Der besondere Teil des Strafrechts
Die Rädelsführer werden m i t Zuchthaus oder Gefängnis bis zu drei Jahren, die sonstigen Personen werden mit Geldstrafe bis zu fünfzig Yen bestraft (§ 107 StGB). II. D i e S t r a f t a t e n d e r v o r s ä t z l i c h e n o d e r f a h r lässigen Brandstiftung (Die i m 9. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) IIa) D i e v o r s ä t z l i c h e
Brandstiftung
1. Übersicht Das den hier erwähnten Straftaten gemeinsame Erfordernis ist, an den Gegenstand Feuer anzulegen und i h n zu verbrennen. Der Gegenstand der vorsätzlichen Brandstiftung w i r d wie folgt dreiartig geteilt: ein Gebäude, ein Dampfwagen, ein elektrischer Wagen, ein Kriegsoder ein sonstiges Schiff oder ein Bergwerk, welche zur Zeit der Tat als Wohnung von Menschen dienen oder in welchen sich zur Zeit der Tat Menschen aufhalten (§ 108 StGB); ein Gebäude, ein Kriegs- oder sonstiges Schiff oder ein Bergwerk, welche nicht zur Zeit der Tat als Wohnung von Menschen dienen, oder i n welchen sich nicht zur Zeit der Tat Menschen aufhalten (§ 109 StGB); eine i m Vorstehenden nicht erwähnte Sache (§ 110 StGB). „Feuer anzulegen" bedeutet: dem Gegenstand ein Schadenfeuer zu verursachen. U m die Bedeutung des Wortes: „verbrennen" erhebt sich der Streit. Die erste Theorie ist die des W i r kungsverlustes, welche die herrschende Lehre vertritt. Nach dieser Theorie bedeutet das Wort „verbrennen", daß ein Haus oder ein sonstiges Gebäude durch Feuer den wichtigen Teil seiner Originalform verliert und damit untauglich wird. Die zweite Theorie ist die des selbständigen Brandes, welche die Rechtsprechung der japanischen Gerichte vertritt. Nach dieser Theorie bedeutet das Verbrennen die Tatsache, daß das angelegte Feuer sich von dem Brennstoff scheidet, welcher als M i t t e l zur Brandstiftung gedient hat, dann sich an dem Gegenstand ausbreitet und selbständig seine Brennkraft halten kann 2 3 . 2. Das Verbrennen
der Wohnung
usw.
Das Erfordernis ist: Feuer anzulegen und ein Gebäude, einen Dampfwagen, einen elektrischen Wagen, ein Kriegs- oder sonstiges Schiff oder ein Bergwerk, welche zur Zeit der Tat als Wohnung von Menschen dienen, oder i n welchen sich zur Zeit der Tat Menschen aufhalten, zu verbrennen. Die Strafe ist Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter fünf Jahren (§ 108 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 112 StGB). Wer Vorbereitungen trifft, w i r d m i t 23
RGerE 4. März 1910 (ESamml. Bd. 16, S. 384).
316
Das, japanische Strafrecht
Zuchthaus bis zu zwei Jahren bestraft; jedoch kann nach den Umständen des Falles Straffreiheit eintreten (§ 113 StGB). 3. Das Verbrennen
von nicht bewohnten
Gebäuden usw.
Das Erfordernis ist: Feuer anzulegen und ein Gebäude, ein Kriegsoder sonstiges Schiff oder ein Bergwerk, welche das Eigentum eines anderen sind und nicht zur Zeit der Tat als Wohnung von Menschen dienen, oder i n welchen sich nicht zur Zeit der Tat Menschen aufhalten, zu verbrennen (§ 109 Abs. 1 StGB); oder: Feuer anzulegen und ein Gebäude, ein Kriegs- oder sonstiges Schiff oder ein Bergwerk, welche das Eigentum des Täters sind u n d nicht zur Zeit der Tat als Wohnung von Menschen dienen, oder i n welchen zur Zeit der Tat sich keine Menschen aufhalten, zu verbrennen und eine Gemeingefahr zu verursachen (§ 109 Abs. 2 StGB). Die Strafe, wenn der Täter die Gegenstände eines anderen verbrennt, ist zeitlich begrenztes Zuchthaus nicht unter zwei Jahren (§ 109 Abs. 1 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 112 StGB). Wer i n der Absicht, die oben erwähnten Straftaten zu begehen, Vorbereitungen trifft, w i r d mit Zuchthaus bis zu zwei Jahren bestraft; jedoch kann nach den Umständen des Falls Straffreiheit eintreten (§ 113 StGB). Die Strafe, wenn der Täter einen i h m gehörigen Gegenstand verbrennt und eine Gemeingefahr verursacht, ist Zuchthaus von sechs Monaten bis zu sieben Jahren (§ 109 Abs. 2 StGB); jedoch w i r d der Täter ebenso bestraft, als wenn der Gegenstand das Eigentum eines anderen wäre, wenn ein ihm gehöriger Gegenstand mit Beschlag belegt, mit einem dinglichen Recht belastet, vermietet oder versichert ist (§ 115 StGB). 4. Das Verbrennen
der übrigen
Gegenstände
Das Erfordernis ist: Feuer anzulegen und einen der nicht i n den §§ 108, 109 erwähnten Gegenstände zu verbrennen und dadurch eine Gemeingefahr zu verursachen. Die Strafe ist Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren, wenn diese Gegenstände das Eigentum eines anderen sind (§ 110 Abs. 1 StGB), und Zuchthaus nicht unter einem Jahr oder Geldstrafe nicht unter einhundert Yen, wenn diese Gegenstände das Eigentum des Täters sind (§ 110 Abs. 2 StGB); jedoch w i r d der Täter ebenso bestraft, als wenn der Gegenstand ein fremder wäre, wenn ein i h m gehöriger Gegenstand m i t Beschlag belegt, m i t einem dinglichen Recht belastet, vermietet oder versichert ist (§ 115 StGB). 5. Die
Ausbreitung
Das Erfordernis ist: durch Begehung einer der i n den §§ Abs. 2 oder 110 Abs. 2 erwähnten Straftaten einen der i n den §§ Abs. 1, 109 Abs. 1 erwähnten Gegenstände Feuer fangen zu lassen. Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu zehn Jahren, wenn
109 108 Die der
Der besondere Teil des Strafrechts
7
Täter eine der i n dem § 111 Abs. 1 erwähnten Straftaten begeht (§111 Abs. 1 StGB), und Zuchthaus bis zu drei Jahren, wenn er eine der i n dem § 111 Abs. 2 erwähnten Straftaten begeht (§ 111 Abs. 2 StGB). IIb) D i e f a h r l ä s s i g e 1. Die allgemeine
Brandstiftung
fahrlässige
Brandstiftung
Das Erfordernis ist: Feuer fahrlässig entstehen zu lassen und einen der i m § 108 erwähnten Gegenstände oder einen der i m § 109 erwähnten Gegenstände, welche das Eigentum eines anderen sind, zu verbrennen (§ 116 Abs. 1 StGB), oder Feuer fahrlässig entstehen zu lassen und einen der i m § 109 erwähnten Gegenstände, welcher dem Täter gehört, oder einen der i m § 110 erwähnten Gegenstände zu verbrennen und dadurch eine Gemeingefahr zu verursachen (§ 116 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist Geldstrafe bis zu eintausend Yen. 2. Die besondere fahrlässige
Brandstiftung
Das Erfordernis ist, daß dadurch, daß der Täter es an der bei seiner Tätigkeit erforderlichen Sorgfalt fehlen läßt, oder daß aus grober Fahrlässigkeit eine der i m § 116 erwähnten Straftaten begangen wird. Die Strafe ist Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu dreitausend Yen (§ 117 a StGB). Ile) D i e H i n d e r u n g d e r
Feuerlöschung
Das Erfordernis ist: bei einem Brande Löschgerätschaften zu verstecken, zu beschädigen oder auf sonstige Weise die Löschung des Feuers zu hindern. Die Strafe ist Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren (§ 114 StGB). I I d) D i e E x p l o s i o n •1.
Die allgemeine
des e x p l o d i e r b a r e n G e g e n standes Explosion des explodierbaren Gegenstandes
Je nachdem, ob der Täter vorsätzlich handelt oder nicht, sind zwei Formen zu scheiden. Die eine ist: (vorsätzlich) einen der i m § 108 erwähnten Gegenstände oder einen der i m § 109 erwähnten Gegenstände, welche das Eigentum eines anderen sind, dadurch zu beschädigen, daß der Täter Pulver, Dampfkessel oder sonst einen explodierbaren Gegenstand zur Explosion bringt (§ 117 Abs. 1 erster Teil StGB), oder einen der i m § 109 erwähnten Gegenstände, welcher Eigentum des Täters ist, oder einen der i m § 110 erwähnten Gegenstände zu beschädigen und dadurch eine Gemeingefahr zu verursachen (§117 Abs. 1 zweiter Teil StGB). Die andere ist: fahrlässig die oben erwähnten Straftaten zu begehen (§ 117 Abs. 2 StGB). Bei der ersten Form w i r d der Täter gemäß den Bestimmungen für vorsätzliche Brandstiftung
31
Das japanische Strafrecht
(§ 117 Abs. 1 StGB), bei der zweiten gemäß den Bestimmungen für fahrlässige Brandstiftung bestraft (§ 117 Abs. 2 StGB). 2. Die besondere Explosion
des explodierbaren
Gegenstandes
Das Erfordernis ist: eine der i m § 117 Abs. 1 erwähnten Straftaten dadurch, daß der Täter es an der bei seiner Tätigkeit erforderlichen Sorgfalt fehlen läßt oder aus grober Fahrlässigkeit zu begehen. Die Strafe ist Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu dreitausend Yen (§ 117 b StGB). Ile) U n t e r b r e c h u n g o d e r E n t w e i c h e n l a s s e n Gas, E l e k t r i z i t ä t oder D a m p f
von
Das Erfordernis ist: Gas, Elektrizität oder Dampf entweichen oder entfließen zu lassen oder zu unterbrechen und dadurch eine Gefahr für das Leben, den Körper oder das Eigentum eines anderen zu verursachen (§ 118 Abs. 1 StGB). Die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu einhundert Yen, wenn der Täter eine Gefahr für das Leben, den Körper oder das Eigentum eines anderen verursacht (§ 118 Abs. 1 StGB). Es ist aber auf die Strafe der Körperverletzung, sofern diese schwerer ist, zu erkennen, wenn durch Begehung der oben erwähnten Straftaten der Tod oder die Körperverletzung eines anderen verursacht w i r d {§ 118 Abs. 2 StGB). III. D i e S t r a f t a t e n b e z ü g l i c h Ü b e r s c h w e m m u n g und Wasserlauf (Die i m 10. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Überschwemmung a) Die Beschädigung der Wohnung usw. Das Erfordernis ist: eine Überschwemmung herbeizuführen und ein Gebäude, einen Dampfwagen, einen elektrischen Wagen oder ein Bergwerk, welche zur Zeit der Tat als Wohnung von Menschen dienen, oder i n welchen sich zur Zeit der Tat Menschen aufhalten, zu beschädigen. Die Strafe ist Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter drei Jahren (§ 119 StGB). b) Die Beschädigung der sonstigen Sachen. Das Erfordernis ist: eine Überschwemmung herbeizuführen und eine der nicht i m § 119 erwähnten Sachen zu beschädigen und dadurch eine Gemeingefahr zu verursachen. Die Strafe ist Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren (§ 120 Abs. 1 StGB); jedoch w i r d der Täter auch bestraft m i t derjenigen Strafe, die i m § 120 Abs. 1 bestimmt ist, wenn die von der Überschwemmimg beschädigte Sache das Eigentum des Täters ist, sofern diese Sache mit Beschlag belegt, m i t einem dinglichen Recht belastet, vermietet oder versichert ist (§ 120 Abs. 2 StGB).
Der besondere Teil des Strafrechts
2. Die Gefährdung durch Überschwemmung Das Erfordernis ist: einen Damm zu durchbrechen, eine Schleuse zu zerstören oder sonst eine die Überschwemmung herbeiführende Handlung zu begehen. Die Strafe ist Zuchthaus oder Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu zweihundert Yen (§ 123 StGB). 3. Die fahrlässige Überschwemmung Das Erfordernis ist: eine Überschwemmung fahrlässig herbeizuführen und eine der i m § 119 erwähnten Sachen zu beschädigen, oder eine der i m § 120 erwähnten Sachen zu beschädigen und dadurch eine Gemeingefahr zu verursachen. Die Strafe ist Geldstrafe bis zu dreihundert Yen (§ 122 StGB). 4. Die Hinderung der Abwehr des Wassers Das Erfordernis ist: bei Gelegenheit einer Überschwemmungsgefahr dadurch, daß der Täter ein Gerät, das zur Abwehr des Wassers dient, versteckt oder beschädigt oder durch eine sonstige Handlung die A b wehr des Wassers zu hindern. Die Strafe ist Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren (§ 121 StGB). 5. Die Straftaten bezüglich Wasserlauf Das Erfordernis ist: einen Damm zu durchbrechen, eine Schleuse zu zerstören oder sonst eine den Wasserlauf hindernde Handlung zu begehen. Die Strafe ist Zuchthaus oder Gefängnis bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu zweihundert Yen (§ 123 StGB). IV. D i e S t r a f t a t e n d e r S t ö r u n g d e s V e r k e h r s (Die i m 11. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Störung eines Weges Das Erfordernis ist: eine Störung des Verkehrs dadurch herbeizuführen, daß der Täter einen Landweg, einen Wasserweg oder eine Brücke beschädigt oder versperrt. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu zweihundert Yen (§ 124 Abs. 1 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 128 StGB). Wenn durch Begehung dieser Straftaten der Tod oder die Körperverletzung eines anderen verursacht wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern diese schwerer ist (§ 124 Abs. 2 StGB). 2. Die Störung des Verkehrs von Wagen und Schiffen Das Erfordernis ist: eine Gefahr des Verkehrs von Dampfwagen oder elektrischen Wagen dadurch zu verursachen, daß der Täter eine Eisenbahn oder deren Signalzeichen beschädigt oder eine sonstige Handlung begeht (§ 125 Abs. 1 StGB); oder eine Gefahr des Verkehrs
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Das japanische Strafrecht
von Kriegs- oder sonstigen Schiffen dadurch zu verursachen, daß der Täter einen Leuchtturm oder eine Boje beschädigt oder eine sonstige Handlung begeht (§ 125 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist zeitlich begrenztes Zuchthaus nicht unter zwei Jahren (§ 125 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 128 StGB). Wenn durch Begehung dieser Straftaten Dampfwagen oder elektrische Wagen zum Umstürzen gebracht oder zerstört werden, oder Kriegs- oder sonstige Schiffe zum Kentern gebracht oder zerstört werden, so w i r d der Täter m i t derjenigen Strafe bestraft, die i m § 126 bestimmt ist (§ 127 StGB). 3. Die Zerstörung von Wagen oder Schiffen Das Erfordernis ist: Dampfwagen oder elektrische Wagen, i n welchen sich zur Zeit der Tat Menschen aufhalten, zum Umstürzen zu bringen oder zu zerstören (§ 126 Abs. 1 StGB), oder ein Schiff, i n welchem sich zur Zeit der Tat Menschen aufhalten, zum Kentern zu bringen oder zu zerstören (§ 126 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht "unter drei Jahren (§ 126 Abs. 1 u. 2 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 128 StGB). Wenn durch Begehung dieser Straftaten der Tod oder die Körperverletzung verursacht wird, so ist die Strafe Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus (§ 126 Abs. 3 StGB). 4. Die fahrlässige Störung des Verkehrs von Wagen oder Schiffen Das Erfordernis ist: aus Fahrlässigkeit eine Gefahr des Verkehrs von Dampfwagen, elektrischen Wagen, Kriegs- oder sonstigen Schiffen zu verursachen oder Dampfwagen oder elektrische Wagen zum Umstürzen zu bringen oder zu zerstören oder ein Kriegs- oder ein sonstiges Schiff zum Kentern zu bringen oder zu zerstören. Die Strafe ist Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen (§ 129 Abs. 1 StGB). Wenn ein i n dem betreffenden Betriebe Beschäftigter diese Straftaten begeht, so ist auf Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen zu erkennen (§ 129 Abs. 2 StGB). 2. Die Straftaten gegen die Sozialhygiene I. D i e S t r a f t a t e n b e t r e f f e n d T r i n k w a s s e r (Die i m 15. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Verunreinigung des reinen Wassers Das Erfordernis ist: reines Wasser, das Menschen zum Trinken dient, zu verunreinigen und ungenießbar zu machen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzig Yen (§ 142 StGB). Wenn durch Begehung dieser Straftaten der Tod oder die K ö r verletzung eines anderen verursacht wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern diese schwerer ist (§ 145 StGB).
Der besondere Teil des Strafrechts
2. Die Verunreinigung des durch eine Wasserleitung für den öffentlichen Gebrauch gelieferten reinen Trinkwassers Das Erfordernis ist: das durch eine Wasserleitung f ü r den öffentlichen Gebrauch gelieferte reine Trinkwasser oder die Quelle dieses Wassers zu verunreinigen und ungenießbar zu machen. Die Strafe ist Zuchthaus von sechs iMonaten bis zu sieben Jahren (§ 143 StGB). Wenn durch Begehung dieser Straftaten der Tod oder die Körperverletzung eines anderen verursacht wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern diese schwerer ist (§ 145 StGB). 3. Der Zusatz von Gift zum reinen Trinkwasser Das Erfordernis ist: reinem Wasser, das Menschen zum Trinken dient, Gift oder einen sonstigen Stoff, der die menschliche Gesundheit ziu schädigen geeignet ist, zuzusetzen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren (§ 144 StGB). Wenn durch Begehung dieser Straftaten der Tod oder die Körperverletzung eines anderen verursacht wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern diese schwerer ist (§ 145 StGB). 4. Der Zusatz von Gift zu dem durch eine Wasserleitung für den öffentlichen Gebrauch gelieferten reinen Trinkwasser Das Erfordernis ist: dem durch eine Wasserleitung für den öffentlichen Gebrauch gelieferten reinen Trinkwasser oder der Quelle dieses Wassers Gift oder einen sonstigen Stoff, der die menschliche Gesundheit zu schädigen geeignet ist, zuzusetzen. Die Strafe ist zeitlich begrenztes Zuchthaus nicht unter zwei Jahren, aber Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter fünf Jahren, wenn durch Begehung dieser Straftaten der Tod eines anderen verursacht w i r d (§ 146 StGB). 5. Beschädigung oder Versperrung
der Wasserleitung
Das Erfordernis ist: eine Wasserleitung, durch die für den öffentlichen Gebrauch reines Trinkwasser geliefert wird, zu beschädigen oder zu versperren. Die Strafe ist Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren (§ 147 StGB). II. D i e S t r a f t a t e n b e t r e f f e n d O p i u m (Die i m 14. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1Θ Die Einführung
usw. des Rauchopiums
Das Erfordernis ist: Rauchopium einzuführen, herzustellen, zu verkaufen oder zu besitzen i n der Absicht, es zu verkaufen. Die Strafe ist Zuchthaus von sechs Monaten bis zu sieben Jahren (§ 136 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 141 StGB). 21 Ausländisches Straf recht I
Das japanische Strafrecht
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2. Die Einführung usw. eines dem Rauchopiumgenuß dienenden Geräts Das Erfordernis ist: ein Gerät, aus dem Rauchopium geraucht wird, einzuführen, herzustellen, zu verkaufen oder zu besitzen i n der A b sicht, es zu verkaufen. Die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 137 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 141 StGB). 3. Die Einführung
des Rauchopiums durch den die Zollgeschäfte wahrnehmenden Beamten Das Erfordernis ist: daß ein Beamter, der Zollgeschäfte wahrnimmt, Rauchopium oder ein dem Rauchopiumgenuß dienendes Gerät einführt oder dessen Einführung gestattet; die Strafe ist Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren (§ 138 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 141 StGB). 4. Der Rauchopiumgenuß Das Erfordernis ist: Rauchopium zu rauchen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren {§ 139 Abs. 1 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 141 StGB). 5. Das Verschaffen eines Raumes zum Rauchopiumgenuß Das Erfordernis ist: einen Raum zum Rauchopiumgenuß zur Verfügung zu stellen und einen Vorteil daraus zu erlangen. Die Strafe ist Zuchthaus von sechs Monaten bis zu sieben Jahren (§ 139 Abs. 2 StGB). Der Versuch ist strafbar {§ 141 StGB). 6. Der einfache Besitz des Rauchopiums Das Erfordernis ist: Rauchopium oder ein dem Rauchopiumgenuß dienendes Gerät zu besitzen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu einem Jahre (§ 140 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 141 StGB). 3. Die Straftaten gegen das Vertrauen auf Geld und Urkunden I. D i e S t r a f t a t e n d e r M ü n z f ä l s c h u n g (Die i m 16. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Fälschung und Benutzung inländischer Münzen Das Erfordernis ist:- zum Zweck der Benutzung i m Verkehr befindliche Geldmünzen, Papiergeld oder Banknoten zu fälschen oder zu verfälschen (§ 148 Abs. 1 StGB) oder gefälschte oder verfälschte Geldmünzen, Papiergeld oder Banknoten zu benutzen oder zum Zweck der Benutzung einem anderen weiterzugeben oder einzuführen (§ 148 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter drei Jahren (§ 148 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 151 StGB). 2. Fälschung und Benutzung ausländischer Münzen Das Erfordernis ist: zum Zweck der Benutzung i m Inland umlaufende ausländische Geldmünzen, Papiergeld oder Banknoten zu fäl-
Der besondere Teil des Strafrechts
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sehen oder zu verfälschen (§ 149 Abs. 1 StGB) oder gefälschte oder verfälschte ausländische Geldmünzen, Papiergeld oder Banknoten zu benutzen oder zum Zweck der Benutzimg einem anderen weiterzugeben oder einzuführen (§ 149 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist zeitlich begrenztes Zuchthaus nicht unter zwei Jahren (§ 149 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 151 StGB). 3. Die Einnahme des gefälschten Kurantgeldes Das Erfordernis ist: zum Zweck der Benutzung gefälschte oder verfälschte Geldmünizen, Papiergeld oder Banknoten an sich zu bringen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren (§ 150 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 151 StGB). 4. Benutzung
oder Weitergabe
nach der Einnahme
Das Erfordernis ist: nach der Einnahme gefälschter oder verfälschter Geldmünzen, Papiergeld oder Banknoten solches Geld, wissend, daß es gefälscht oder verfälscht ist, zu benutzen oder zum Zweck der Benutzung einem anderen weiterzugeben. Die Strafe ist Geldstrafe oder Geldbuße bis zum dreifachen Betrage des Nennwertes. Jedoch darf die Strafe nicht unter einem Yen, sein (§ 152 StGB). 5. Die Vorbereitung
der Münzfälschung
Das Erfordernis ist: Werkzeuge oder Materialien i n der Absicht, sie zur Nachahmung oder Verfälschung von Geldmünzen, Papiergeld oder Banknoten zu verwenden, bereitzustellen. Die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 153 StGB). II. D i e S t r a f t a t e n d e r F ä l s c h u n g v o n W e r t p a p i e r e n (Die i m 18. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Fälschung, Verfälschung
oder betrügerische
Eintragung
Das Erfordernis ist: zum Zweck der Benutzung ein Wertpapier zu fälschen oder zu verfälschen (§ 162 Abs. 1 StGB) oder zum Zweck der Benutzung i n einem Wertpapier eine betrügerische Eintragung zu machen (§ 162 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu zehn Jahren (§ 162 StGB). 2. Benutzung,
Weitergabe
oder Einführung Wertpapiers
des gefälschten
usw.
Das Erfordernis ist: ein gefälschtes, verfälschtes oder m i t einer betrügerischen Eintragung versehenes Wertpapier zu benutzen oder zum Zweck der Benutzung einem anderen weiterzugeben oder einzuführen. Die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu zehn Jahren (§ 163 Abs. 1 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 163 Abs. 2 StGB). 21·
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Das japanische Strafrecht
III. D i e S t r a f t a t e n d e r U r k u n d e n f ä l s c h u n g (Die i m 17. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) lila)
Übersicht
a) Die Eigenschaft der Urkunde. Es besteht Streit, ob das, was das Strafrecht schützen w i l l , die Form der Urkunde oder i h r Inhalt sei. Die herrschende Lehre und die Rechtsprechimg 24 i n Japan vertreten den sog. Formalismus und sehen ohne Rücksicht auf die Wahrheit des Inhaltes der Urkunde alle diejenigen als gefälschte Urkunden an, deren Form unwahr ist. b) Die Bedeutung der Urkunde. I n strafrechtlicher Bedeutung enthält das Wort „Urkunde" einen weiteren und einen engeren Sinn. Die Urkunde i m weiteren Sinne besteht aus der Urkunde i m engeren Sinne und der Zeichnung. „Urkunde" (im engeren Sinne) ist eine Willensäußerung, die m i t Wörtern oder auf andere Weise eine Rechtsbeziehung oder eine geschäftlich wichtige Tatsachenbeziehung unter Beweis stellen kann. „Zeichnung" ist eine „Willensäußerung", die m i t einem B i l d auf irgendeine Sache geschrieben ist und eine bestimmte Rechtsbeziehung oder eine geschäftlich wichtige Tatsachenbeziehirng unter Beweis stellen kann. Die Verschiedenheit zwischen jener und dieser besteht n u r darin, daß das M i t t e l der Willensäußerung verschieden ist. c) Die Fälschung, die Verfälschung oder der Gebrauch der U r kunde. (a) Die „Fälschung" bedeutet: zum Zweck des Gebrauches eine unwahre Urkunde herzustellen. Sie erscheint i n zwei verschiedenen Fällen: i n einem Falle stellt der Täter durch Fälschung der Form eine unwahre Urkunde her (eigentliche Urkundenfälschung, faux matériel); i m anderen Falle stellt er durch Fälschung des Inhaltes eine unwahre Urkunde her (Falschbeurkundung, faux intellectuel). I m geltenden japanischen Strafgesetz ist die Straftat der Urkundenfäschung grundsätzlich die eigentliche Fälschung; ausnahmsweise ist sie die Falschbeurkundung. Die hier genannte „eigentliche Fälschung" bedeutet: zum Zweck des Gebrauches ohne rechtmäßige Befugnis durch Mißbrauch des Herstellungsnamens eines anderen eine U r kunde herzustellen. Die hier genannte „Falschbeurkundung" bedeutet, daß jemand, der zur Herstellung einer bestimmten Urkunde berechtigt wird, i m Inhalt der Urkunde eine falsche Eintragung macht. Dabei sind zwei Fälle zu scheiden: der eine ist der Fall, daß der Täter 21 Diese Ansicht vertritt z. B. Motoji, Str. I I . 264. Takikawa, Lehrb. 245. Auch RGerE 21. Sep. 1915 (ESamml. Bd. 21, S. 1397). Die entgegengesetzte Ansicht vertritt Makino, Lehrb. I I .
Der besondere Teil des Strafrechts
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auf seinen Namen eine Urkunde ausstellt (§§ 156, 160 StGB), der andere,, daß. er für einen anderen auf dessen Namen eine Urkunde ausstellen läßt (§ 157 StGB). (b) „Verfälschung" bedeutet: zum Zweck des Gebrauches ohne rechtmäßige Befugnis den Inhalt einer wahr hergestellten Urkunde zu ändern. (c) „Gebrauch" bedeutet: einem anderen gegenüber eine gefälschte oder verfälschte Urkunde zu gebrauchen, als ob diese Urkunde die wahre ist. (d) Die Erscheinungsformen der Urkundenfälschung. Man muß zwei Erscheinungsformen der Urkundenfälschung unterscheiden: die eine ist Fälschung der amtlichen Urkunde, und die andere ist Fälschung der privaten Urkunde. Die Fälschung der amtlichen Urkunde besteht aus fünf Arten: die Fälschung der kaiserlichen Urkunde, die Fälschung der Urkunde i m engeren Sinne, die Falschbeurkundung von einem Beamten, die Falschbeurkundung mittels eines Beamten und der Gebrauch der gefälschten Urkunde. Die Fälschung der privaten Urkunde besteht aus drei Arten: die Fälschung der privaten Urkunde i m engeren Sinne, die Falschbeurkundung der ärztlichen Urkunde und der Gebrauch der gefälschten privaten Urkunde. Illb)
Die
Straftaten
der Fälschung Urkund e
1. Die Fälschung der kaiserlichen
der
amtlichen
Urkunde
Das Erfordernis ist: zum Zweck des Gebrauches ein kaiserliches Reskript oder sonstiges kaiserliches Schriftstück unter Benutzung des kaiserlichen Stempels, des Staatsstempels oder der Unterschrift des Kaisers zu fälschen oder unter Benutzung eines gefälschten kaiserlichen Stempels, Staatsstempels oder einer gefälschten Unterschrift des Kaisers dessen Reskript oder ein sonstiges kaiserliches Schriftstück zu fälschen (§ 154 Abs. 1 StGB), oder ein m i t dem kaiserlichen Stempel, dem Staatsstempel oder der Unterschrift des Kaisers versehenes, kaiserliches Reskript oder sonstiges kaiserliches Schriftstück zu verfälschen (§ 154 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter drei Jahren {§ 154 StGB). 2. Die Fälschung der Urkunden
im engeren Sinne
Das Erfordernis ist von dem Vorhandensein des Stempels oder der Unterschrift abhängig. Folgende Formen sind zu scheiden: einmal zum Zweck des Gebrauches unter Benutzung des Stempels oder der Unterschrift einer Behörde oder eines Beamten eine von der Behörde
36
Das japanische Strafrecht
oder dem Beamten anzufertigende Urkunde oder Zeichnung zu fälschen oder unter Benutzung eines gefälschten Stempels oder der Unterschrift einer Behörde oder eines Beamten eine von der Behörde oder dem Beamten anzufertigende Urkunde oder Zeichnung zu fälschen (§ 155 Abs. 1 StGB) oder eine m i t dem Stempel oder der Unterschrift einer Behörde oder eines Beamten versehene Urkunde oder Zeichnung zu verfälschen (§ 155 Abs. 2 StGB); zum anderen außer i n den vorstehend bezeichneten Fällen eine von einer Behörde oder von einem Beamten anzufertigende Urkunde oder Zeichnung zu fälschen oder eine von einer Behörde oder von einem Beamten anzufertigende Urkunde oder Zeichnung zu verfälschen (§ 155 Abs. 3 StGB). I m ersten Falle ist die Strafe Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren (§ 155 Abs. 1, 2 StGB), i m zweiten Falle Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu dreihundert Yen (§ 155 Abs. 3 StGB). 3. Die Falschbeurkundung des Beamten Das Erfordernis ist, daß ein Beamter eine falsche, amtliche Urkunde oder Zeichnung herstellt oder eine amtliche Urkunde oder Zeichnung verfälscht, um sie i m Hinblick auf seinen Beruf zu gebrauchen. Er w i r d gemäß den Bestimmungen der §§ 154 und 155 und je nach dem, ob ein Stempel oder eine Unterschrift i n Frage kommt oder nicht, bestraft (§ 156 StGB). 4. Die Falschbeurkundung mittels eines Beamten Das Erfordernis ist: durch eine falsche Angabe gegenüber einem Beamten eine unwahre Eintragung i n der Urschrift einer auf ein Recht oder eine Verpflichtung bezüglichen öffentlichen Urkunde zu veranlassen (§ 157 Abs. 1 StGB) oder durch eine falsche Angabe gegenüber einem Beamten eine unwahre Eintragung i n einem Erlaubnisscheine, einem Beglaubigungsscheine oder i n einem Paß zu veranlassen (§ 157 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist i m ersten Falle Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen (§ 157 Abs. 1 StGB), i m zweiten Falle Zuchthaus bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu dreihundert Yen (§ 157 Abs. 2 StGB). Der Versuch der unter Abs. 2 genannten Straftat ist strafbar (§ 157 Abs. 3 StGB). 5. Der Gebrauch der gefälschten amtlichen Urkunde Das Erfordernis ist: von den i n §§ 154 bzw. 157 erwähnten amtlichen Urkunden oder Zeichnungen Gebrauch zu machen. Bei dieser Straftat w i r d der Täter ebenso bestraft wie derjenige, der eine solche Urkunde oder Zeichnung fälscht oder verfälscht, eine falsche Urkunde oder Zeichnung herstellt oder eine unwahre Eintragung veranlaßt (§ 158 Abs. 1 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 158 Abs. 2 StGB).
Der besondere Teil des Straf rechts
IIIc) D i e S t r a f t a t e n d e r F ä l s c h u n g d e r Urkunden
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privaten
1. Die Fälschung der privaten Urkunden im engeren Sinne Das Erfordernis hängt von der Anwesenheit des Stempels oder der Unterschrift ab. Folgende Formen sind zu scheiden: einmal zum Zweck des Gebrauches unter Benutzung des Stempels oder der Unterschrift eines anderen eine auf ein Recht, eine Verpflichtung oder den Beweis einer Tatsache bezügliche private Urkunde oder Zeichnung zu fälschen oder unter Benutzung eines gefälschten Stempels oder einer gefälschten Unterschrift eines anderen eine auf ein Recht, eine Verpflichtung oder den Beweis einer Tatsache bezügliche private Urkunde oder Zeichnung zu fälschen (§ 159 Abs. 1 StGB) oder eine von einem anderen gesiegelte oder unterschriebene, auf ein Recht, eine Verpflichtung oder den Beweis einer Tatsache bezügliche, private Urkunde oder Zeichnung zu verfälschen (§ 159 Abs. 2 StGB). Z u m anderen: außer i n den vorstehend bezeichneten Fällen eine auf ein Recht, eine Verpflichtung oder den Beweis einer Tatsache bezügliche private U r kunde oder Zeichnung zu fälschen oder zu verfälschen (§ 159 Abs. 3 StGB). Bei der ersten Straftat ist die Strafe Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren, bei der zweiten Zuchthaus bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu einhundert Yen (§ 159 StGB). 2. Die Falschbeurkundung der ärztlichen Urkunden Das Erfordernis ist, daß ein Arzt i n einer ärztlichen Berichtigungsoder Untersuchungserklärung oder Todesbescheinigung, die einer Behörde vorzulegen ist, eine falsche Angabe macht. Die Strafe ist Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen (§ 160 StGB). 3. Der Gebrauch der gefälschten privaten Urkunden Das Erfordernis ist: von den i n den §§ 159, 160 erwähnten privaten Urkunden oder Zeichnungen Gebrauch zu machen. Bei dieser Straftat w i r d der Täter ebenso bestraft wie derjenige, der diese private U r kunde oder Zeichnung fälscht oder verfälscht oder eine unwahre Eintragung macht (§ 161 Abs. 1 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 161 Abs. 2 StGB). IV. D i e S t r a f t a t e n d e r S t e m p e l f ä l s c h u n g (Die i m 19. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Fälschung oder widerrechtliche Benutzung des kaiserlichen Stempels, Staatsstempels oder der Unterschrift des Kaisers Das Erfordernis ist: zum Zweck des Gebrauches den kaiserlichen Stempel, den Staatsstempel oder die Unterschrift des Kaisers zu fälschen (§ 164 Abs. 1 StGB) oder den kaiserlichen Stempel, den Staats-
Das japanische Strafrecht
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Stempel oder die Unterschrift des Kaisers widerrechtlich zu benutzen oder den gefälschten kaiserlichen Stempel, Staatsstempel oder die gefälschte Unterschrift des Kaisers zu benutzen (§ 164 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist zeitlich begrenztes Zuchthaus nicht unter zwei Jahren (§ 164 StGB). Der Versuch der i n § 167 Abs. 2 erwähnten Straftat ist strafbar (§ 168 StGB). 2. Fälschung
oder widerrechtliche Benutzung des Stempels oder der Unterschrift einer Behörde oder eines Beamten Das Erfordernis ist: zum Zweck des Gebrauches den Stempel oder die Unterschrift einer Behörde oder eines Beamten zu fälschen (§ 165 Abs. 1 StGB) oder den Stempel oder die Unterschrift einer Behörde oder eines Beamten widerechtlich zu benutzen oder den gefälschten Stempel oder die gefälschte Unterschrift einer Behörde oder eines Beamten zu benutzen (§ 165 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 165 StGB). Der Versuch der i m § 165 Abs. 2 erwähnten Straftat ist strafbar (§ 168 StGB). 3. Fälschung
oder widerrechtliche Benutzung des Zeichens einer Behörde Das Erfordernis ist: zum Zweck des Gebrauches ein Zeichen einer Behörde zu fälschen (§ 166 Abs. 2 StGB) oder ein Zeichen einer Behörde widerrechtlich zu benutzen oder ein gefälschtes Zeichen einer Behörde zu benutzen (§ 166 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren (§ 166 StGB). Der Versuch der i m § 166 Abs. 2 erwähnten Straftat ist strafbar (§ 168 StGB). 4. Fälschung
oder widerrechtliche Benutzung des privaten Stempels oder der privaten Unterschrift Das Erfordernis ist: zum Zweck des Gebrauches den Stempel oder die Unterschrift eines anderen zu fälschen (§ 167 Abs. 1 StGB) oder den Stempel oder die Unterschrift eines anderen widerrechtlich zu benutzen oder den gefälschten Stempel oder die gefälschte Unterschrift eines anderen zu benutzen (§ 167 Abs. 2 StGB). Die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren (§ 167 StGB). Der Versuch der i m § 167 Abs. 2 erwähnten Straftat ist strafbar (§ 168 StGB).
4. Die Straftaten gegen die guten Sitten der Gemeinschaft I. D i e S t r a f t a t e n
der U n s i t t l i c h k e i t , der U n z u c h t und Doppelehe (Die i m 22. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) I a) Ü b e r s i c h t
I m 22. Abschnitt des Strafgesetzbuches erscheinen die Unsittlichkeit, die Unzucht, die Verlockung zum unerlaubten geschlechtlichen
Der besondere Teil des Strafrechts
329
Verkehr und die Doppelehe. Es ist richtig, diese Straftaten, ausgenommen die Unzucht, als Straftaten gegen die guten Sitten der Gemeinschaft, aber die Unzucht als Straftat gegen die Freiheit der Einzelnen aufzufassen. Es handelt sich hier darum, ob die Straftat des Ehebruchs i m Strafgesetz zu regeln ist. Über diese Frage bestehen vier Theorien: Nach der ersten ist der Ehebruch kein Verbrechen; nach der zweiten w i r d jeder Ehegatte gleich bestraft; nach der dritten w i r d jeder Ehegatte bestraft, aber der Ehebruch des Ehemannes leichter als der der Ehefrau; nach der vierten Theorie, welche das noch nicht reformierte japanische Strafgesetz aufgenommen hatte, w i r d nur die Ehefrau bestraft. Das japanische Strafgesetz hatte nämlich i m § 183 bestimmt: „Eine Ehefrau, welche einen Ehebruch begeht, w i r d m i t Zuchthaus bis zu zwei Jahren bestraft (Abs. 1). Die Verfolgung der i m obigen Absatz erwähnten Straftaten t r i t t nur auf Antrag des Ehemannes ein; jedoch ist der Antrag wirkungslos, wenn der Ehemann m i t dem Ehebruch einverstanden war (Abs. 2)." Der vorläufige Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches nimmt grundsätzlich diejenige Theorie auf, nach der beide Ehegatten gleich bestraft werden, und bestimmt i m § 324: „Eine Ehefrau, die Ehebruch begeht, w i r d m i t Zuchthaus bis zu zwei Jahren bestraft; das gleiche gilt auch für denjenigen, der m i t ihr die Ehe bricht (Abs. 1)"; und i m § 324: „Wenn ein Ehemann m i t einer weiblichen Person i m unerlaubten geschlechtlichen Verkehr steht und während dieses Verhältnisses seine Frau böswillig i m Stich läßt oder seine Frau so schlecht behandelt, daß sie nicht m i t ihrem Mann zusammenwohnen kann, oder seine Frau schwer beleidigt, so w i r d er m i t Zuchthaus bis zu zwei Jahren bestraft; das gleiche gilt auch für diejenige Person, die mit i h m i n Kenntnis der Umstände ein Verhältnis angeknüpft hat (Abs. 1)". Hierzu ist streitig geworden, ob das Erfordernis des Zustandekommens des Ehebruchs des Ehemannes und der Ehefrau verschieden i s t Die Bestimmung über den Ehebruch ist nach dem Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947 völlig aus dem Strafgesetz gestrichen. I b) D i e
Unsittlichkeit
1. Die öffentliche
unzüchtige
Handlung
Das Erfordernis ist: öffentlich eine unzüchtige Handlung zu begehen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen oder Haft oder Geldbuße (§ 174 StGB) 2 5 . 2. Die Straftaten
betreffend
unzüchtige
Sachen
Das Erfordernis ist: eine unzüchtige Urkunde, Abbildung oder ähn25
Der frühere Grad der Bestrafung dieser Straftat war bloß „Geldbuße"
3
Das japanische Strafrecht
liehe Sache zu verbreiten, zu verkaufen oder öffentlich auszustellen (§ 175 erster Teil StGB), oder sie zu besitzen i n der Absicht, sie zu verkaufen (§ 175 letzter Teil StGB). Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu fünftausend Yen oder Geldbuße (§ 175 StGB) 2 6 . Ic) D i e
Verlockung zum unerlaubten lichen Verkehr
geschlecht-
Das Erfordernis ist: aus Gewinnsucht eine weibliche Person, die nicht gewohnheitsmäßig unsittlich lebt, zu verlocken und zum unerlaubten geschlechtlichen Verkehr m i t anderen zu veranlassen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu 'drei Jahren oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen (§ 182 StGB). Id)
DieDoppelehe
Das Erfordernis ist: als Ehegatte eine neue Ehe zu schließen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren. Das gleiche gilt für denjenigen, der m i t dem Täter eine Ehe schließt (§ 184 StGB). Ie) D i e
Unzucht
1. Die Notzucht Das Erfordernis ist: unter Anwendung von Gewalt oder Drohung m i t einer weiblichen Person, welche das dreizehnte Lebensjahr vollendet hat, den Beischlaf auszuüben (§ 177 Satz 1 StGB) oder m i t einer weiblichen Person unter dreizehn Jahren den Beischlaf auszuüben (§ 177 Satz 2 StGB). Die Strafe ist zeitlich begrenztes Zuchthaus nicht unter zwei Jahren (§ 177 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 179 StGB); jedoch t r i t t die Verfolgung dieser Straftaten nur auf Antrag ein (§ 180 StGB). 2. Die Nötigung
zur unzüchtigen
Handlung
Das Erfordernis ist: unter Anwendung von Gewalt oder Drohung an einer männlichen oder weiblichen Person, welche das dreizehnte Lebensjahr vollendet hat, eine unzüchtige Handlung vorzunehmen (§ 176 Satz 1 StGB) oder an einer männlichen oder weiblichen Person unter dreizehn Jahren eine unzüchtige Handlung vorzunehmen (§ 176 Satz 2 StGB). Die Strafe ist Zuchthaus von sechs Monaten bis zu sieben Jahren (§ 176 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 179 StGB); jedoch t r i t t die Verfolgimg dieser Straftaten nur auf Antrag ein (§ 180 StGB). 28 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von wurde die Strafe auf „Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen" erhöht.
1947"
Der besondere Teil des Strafrecht
3. Quasinotzucht
oder Quasinötigung
3
zur unzüchtigen
Handlung
Das Erfordernis ist: an einer Person, die sich, i m Zustand der Bewußtlosigkeit befindet oder außerstande ist, Widerstand zu leisten, eine unzüchtige Handlung vorzunehmen oder m i t einer solchen Person den Beischlaf auszuüben oder eine solche Straftat zu begehen, nachdem der Täter sie i n den Zustand der Bewußtlosigkeit oder der Unmöglichkeit, Widerstand zu leisten, versetzt hat. Die Strafe ist Zuchthaus von sechs Monaten bis zu sieben Jahren, wenn der Täter eine unzüchtige Handlung begeht, und zeitlich begrenztes Zuchthaus nicht unter zwei Jahren, wenn er den Beischlaf ausübt (§ 178 StGB). If) D i e V e r u r s a c h u n g des Todes o d e r d e r v e r l e t z u n g d u r c h die U n z u c h t
Körper-
Das Erfordernis ist: durch Begehung einer der i n §§ 176 bzw. 179 StGB erwähnten Straftaten den Tod durch die Körperverletzimg eines anderen zu verursachen. Die Strafe ist lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter drei Jahren (§§ 181, 183 StGB). II. D i e S t r a f t a t e n b e t r e f f e n d G l ü c k s s p i e l und Lotterie (Die i m 23. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) IIa) D i e S t r a f t a t e n b e z ü g l i c h
Glücksspiel
1. Das Glücksspiel Das Erfordernis ist: u m Vermögensstücke ein Spiel oder eine Wette einzugehen, wobei der Zufall allein den Ausschlag gibt. Die Strafe ist Geldstrafe bis zu eintausend Yen oder Geldbuße. Das gilt jedoch nicht, wenn der Täter nur u m solche Sachen spielt oder wettet, welche dem sofortigen Genüsse dienen (§ 185 StGB). Wer gewohnheitsmäßig spielt oder wettet, w i r d m i t Zuchthaus bis zu drei Jahren bestraft (§ 186 Abs. 1 StGB). 2. Die Eröffnung
des Spielraumes
Das Erfordernis ist: aus Gewinnsucht einen Spielraum zu eröffnen. Die Strafe ist Zuchthaus von sechs Monaten bis zu fünf Jahren (§ 186 Abs. 2 StGB). 3. Die Werbung der Mitspieler Das Erfordernis ist: aus Gewinnsucht Mitspieler zu werben. Die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 186 Abs. 2 StGB). IIb) D i e S t r a f t a t e n b e t r e f f e n d
Lotterie
Das Erfordernis ist: Lotterielose zu vertreiben oder den Vertrieb
Das japanische Strafrecht
3
von Lotterielosen ziu vermitteln oder sonst ein Lotterielos weiterzugeben oder anzunehmen. Wenn der Täter ein Lotterielos vertreibt, w i r d er m i t Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu dreitausend Yen bestraft (§ 187 Abs. 1 StGB); wenn er den Vertrieb von Lotterielosen vermittelt, w i r d er m i t Zuchthaus bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu zweitausend Yen bestraft (§ 187 Abs. 2 StGB); wenn er sonst ein Lotterielos weitergibt oder annimmt, w i r d er m i t Geldstrafe bis zu dreihundert Yen oder mit Geldbuße bestraft (§ 187 Abs. 3 StGB). III. D i e S t r a f t a t e n i n B e z i e h u n g a u f S t ä t t e n r e l i g i ö s e r V e r e h r u n g u n d auf B e g r ä b n i s s t ä t t e n Die i m 24. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Straftaten
bezüglich der Stätten religiöser
Verehrung
Das Erfordernis ist: an einem Tempel, einer Begräbnisstätte oder sonst einer Stätte religiöser Verehrung öffentlich eine beschimpfende Handlung zu begehen. Die Strafe ist Zuchthaus oder Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzig Yen (§ 188 Abs. 1 StGB). 2. Die Straftaten
betreffend
Predigt,
Andacht oder Begräbnisfeier
Das Erfordernis ist: eine Predigt, Andacht oder Begräbnisfeier zu hindern oder zu stören. Die Strafe ist Zuchthaus oder Gefängnis bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu einhundert Yen (§ 188 Abs. 2 StGB). 3. Die Öffnung eines Grabes Das Erfordernis ist: ein Grab zu öffnen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren (§ 189 StGB). 4. Beschädigen, Wegwerfen
oder Verstecken des Leichnames usw.
Das Erfordernis ist: einen Leichnam, die Gebeine oder Haarreste eines Verstorbenen oder Sachen, die m i t i n den Sarg gelegt worden sind, zu beschädigen, wegzuwerfen oder an sich zu nehmen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren (§ 190 StGB). Wer ein Grab öffnet und eine der i n § 190 erwähnten Straftaten begeht, w i r d jedoch m i t Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft (§191 StGB). 5. Das heimliche
Begräbnis des durch einen unnatürlichen Leben Gekommenen
Tod ums
Das Erfordernis ist: ohne die vorgeschriebene Leichenschau eine Person, die eines unnatürlichen Todes gestorben ist, zu begraben. Die Strafe ist Geldstrafe bis zu fünfzig Yen oder Geldbuße (§ 192 StGB).
Der besondere Teil des Strafrechts Vierter
Teil:
3
Die Straftaten gegen die Rechtsgüter des einzelnen
1. Die Straftaten gegen das Leben und den Körper des einzelnen I. D i e S t r a f t a t e n d e r M e n s c h e n t ö t u n g (Die i m 26. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Übersicht Als solche werden die allgemeine Tötung, der Aszendentenmord und die Beteiligung a m Selbstmord i m folgenden erläutert. Voranzuschicken sind zwei Besonderheiten: Der vorläufige E n t w u r f des japanischen Strafgesetzbuches (1940) hatte i m § 337 f ü r den Feindesmord die folgende Vorschrift vorgesehen: „Der Aszendent gerader L i n i e des Säuglings, der, /um die Schande seiner ganzen Familie zu verbergen oder aus Angst, das K i n d nicht aufziehen zu können, oder aus einem sonstigen besonders entschuldbaren Motiv bei der Entbindung oder sofort nach der Entbindung einen Säugling tötet, w i r d mit Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren bestraft." Ferner hat der vorläufige E n t w u r f des japanischen Strafgesetzbuches über die unterlassene Hilfeleistung i m § 342 bestimmt: „Wer bei unmittelbar drohender Lebensgefahr eines anderen erkennt, daß der Betreffende stürbe, wenn er i h m nicht hülfe, und, obwohl er leicht helfen könnte, keine Maßregeln der Hilfe ergreift und somit den Tod dieses anderen herbeiführt, w i r d m i t Zuchthaus oder Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen bestraft." 2. Die allgemeine Tötung Das Erfordernis der allgemeinen Tötung ist: einen Menschen zu töten. Bei dieser Straftat w i r d der Täter m i t dem Tode oder m i t lebenslänglichem Zuchthaus oder m i t Zuchthaus nicht unter drei Jahren bestraft {§ 199 StGB). Wer eine Vorbereitungshandlung vornimmt, u m die i n § 199 erwähnte Straftat zu begehen, w i r d m i t Zuchthaus bis zu zwei Jahren bestraft; jedoch kann nach den Umständen des Falles die Strafe erlassen werden (§ 201 StGB). Der Versuch der Tötung ist strafbar (§ 203 StGB). 3. Der Aszendentenmord Das Erfordernis des Aszendentenmordes ist: einen Menschen, der mit dem Täter selbst oder seinem Ehegatten i n aufsteigender Linie verwandt ist, zu töten 2 7 . Die Strafe ist Todesstrafe oder lebenslängliches Zuchthaus (§ 200 StGB). Wer eine Vorbereitungshandlung vornimmt, u m die i n § 200 erwähnte Straftat zu begehen, w i r d m i t Zuchthaus bis zu zwei Jahren bestraft; jedoch kann nach den Umständen 27
Der Begriff des „Verwandten in aufsteigender gerader Linie" und des „Ehegatten" wird i m bürgerlichen Recht bestimmt.
Das japanische Strafrecht
3
des Falles die Strafe erlassen werden (§ 201 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 203 StGB). 4. Die Beteiligung am Selbstmord Das Erfordernis dieser Straftat ist: einen Menschen zum Selbstmord anzustiften oder i h m beim Selbstmord Hilfe zu leisten, oder einen Menschen auf sein Verlangen oder m i t seiner Zustimmung zu töten. Die Strafe ist Zuchthaus oder Gefängnis von sechs Monaten bis zu sieben Jahren (§ 202 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 203 StGB). II. D i e S t r a f t a t e n d e r K ö r p e r v e r l e t z u n g (Die i m 27. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) IIa) D i e K ö r p e r v e r l e t z u n g i m e n g e r e n S i n n e 1. Die allgemeine Körperverletzung Das Erfordernis der allgemeinen Körperverletzung ist: den Körper eines anderen zu verletzen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen oder Geldbuße (§ 204 StGB). 2. Die allgemeine,
durch die Körperverletzung
verursachte Tötung
Das Erfordernis dieser Straftat ist: durch Körperverletzung den Tod eines Menschen zu verursachen. Die Strafe ist zeitlich begrenztes Zuchthaus nicht unter zwei Jahren (§ 205 Abs. 1 StGB). 3. Die durch die Körperverletzung verursachte Tötung des Verwandten in aufsteigender Linie Das Erfordernis dieser Straftat ist: durch die Körperverletzung den Tod einer Person zu verursachen, die m i t dem Täter oder seinem Ehegatten i n aufsteigender gerader L i n i e verwandt ist. Die Strafe ist lebenslängliches Zuchthaus oder Zuchthaus nicht unter drei Jahren (§ 205 Abs. 2 StGB). 4. Die Aufmunterung zur Tat an Ort und Stelle Das Erfordernis ist: bei Begehung der i n §§ 204, 205 erwähnten Straftaten an Ort und Stelle den Täter zur Tat aufzumuntern. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu fünfzig Yen oder Geldbuße (§ 206 StGB). 5. Raufhandel § 207 StGB lautet: „Wenn zwei oder mehrere Personen eine Gewalttat begehen und dadurch ein Mensch verletzt wird, ohne daß sich der Anteil an der Verletzimg oder der Urheber der Verletzung ermitteln läßt, so finden, selbst wenn sie nicht gemeinschaftlich gehandelt haben, die Bestimmungen über die Teilnahme Anwendung."
Der besondere Teil des Strafrechts
3
Diese Bestimmung kommt zur Anwendung bei Begehung derjenigen gleichzeitigen Straftaten, die als Teilnahme nicht behandelt werden kann. IIb) D i e G e w a l t t a t Das Erfordernis ist: gegen den Körper eines anderen eine Gewalttat zu begehen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen oder Haft oder Geldbuße (§ 208 StGB) 2 8 . III. D i e S t r a f t a t e n d e r f a h r l ä s s i g e n K ö r p e r verletzung (Die i m 28. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Übersicht Früher wurden i n Japan die fahrlässige Körperverletzung, die fahrlässige Todverursachung und die bei geschäftlicher Tätigkeit fahrlässige Todverursachung und Körperverletzung als Straftaten der fahrlässigen Körperverletzung aufgefaßt. I n dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wurde die aus grober Fahrlässigkeit verursachte Tötung oder Körperverletzung besonders geregelt. Die Regelung stammte aus dem § 354 des vorläufigen Entwurfes des japanischen Strafgesetzbuches (1940). 2. Die fahrlässige
Körperverletzung
Das Erfordernis ist: fahrlässig den Körper eines anderen zu verletzen. Die Strafe ist Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen oder Geldbuße (§ 209 Abs. 1 StGB). N u r auf A n t r a g t r i t t die Verfolgung dieser Straftat ein (§ 209 Abs. 2 StGB). 3. Die fahrlässige
Todverursachung
Das Erfordernis ist: fahrlässig den Tod eines anderen zu verursachen. Die Strafe ist Geldstrafe bis zu eintausend Yen (§ 210 StGB). 4. Die bei geschäftlicher Tätigkeit fahrlässige oder Körperverletzung
Tötung
Das Erfordernis) ist: dadurch, daß der Täter es an der bei seiner Geschäftstätigkeit erforderlichen Sorgfalt fehlen läßt, den Tod oder die Körperverletzung eines anderen zu verursachen. Die Strafe ist Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen (§ 211 erster Teil StGB). 28 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wurde die bisherige Strafe der Gewaltat: „Zuchthaus bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu fünfzig Yen" i m Grad dieser Bestimmung erhöht. Die bisher in § 208 Abs. 2 bestimmte Vorschrift: „Verfolgung der in § 208 Abs. 1 erwähnten Straftaten tritt nur auf Antrag ein", wurde auch gestrichen.
Das japanische Strafrecht
36
5. Die aus grober Fahrlässigkeit verursachte Verletzung
Tötung oder Körper-
Das Erfordernis ist: aus grober Fahrlässigkeit den Tod oder die Körperverletzung eines anderen zu verursachen. Die Strafe ist Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen (§ 211 letzter Teil StGB). IV. D i e S t r a f t a t e n d e r
Abtreibung
(Die i m 29. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Abtreibung
durch die Schwangeren selbst
Das Erfordernis ist: daß eine Schwangere durch Anwendung von Arzneimitteln oder durch sonstige M i t t e l ihre Leibesfrucht abtreibt. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu einem Jahre (§ 212 StGB). 2. Die Abtreibung
auf Verlangen oder mit der Schwangeren
Zustimmung
Das Erfordernis ist: auf Verlangen oder mit Zustimmung der weiblichen Person die Abtreibung zu bewirken. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zwei Jahren (§ 213 Satz 1 StGB). Wenn der Täter eine der oben erwähnten Straftaten begeht und dadurch den Tod oder die Körperverletzung einer weiblichen Person verursacht, w i r d er m i t Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft (§ 213 Satz 2 StGB). 3. Die Abtreibung durch Ärzte, Hebammen usw. Das Erfordernis ist: daß Ärzte, Hebammen, Apotheker oder Drogisten auf Verlangen oder m i t Zustimmung einer weiblichen Person die Abtreibung bewirken. Die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 214 Satz 1 StGB). Wenn der Täter eine der oben erwähnten Straftaten begeht und dadurch den Tod oder die Körperverletzung einer weiblichen Person verursacht, w i r d er m i t Zuchthaus von sechs Monaten bis zu sieben Jahren bestraft (§ 214 Satz 2 StGB). 4. Die Abtreibung
ohne Verlangen
oder Zustimmung
der Schwangeren
Das Erfordernis ist: ohne Verlangen oder Zustimmung einer weiblichen Person deren Leibesfrucht abzutreiben. Die Strafe ist Zuchthaus von sechs Monaten bis zu sieben Jahren (§ 215 Abs. 1 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 215 Abs. 2 StGB). Wenn durch Begehung der oben erwähnten Straftaten der Tod oder die Körperverletzung eines anderen verursacht wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern dies schwerer ist (§ 216 StGB).
Der besondere Teil des Strafrechts
V. D i e S t r a f t a t e n d e r
837
Aussetzung
(Die i m 30. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die allgemeine
Aussetzung
Das Erfordernis ist: eine Person, die wegen Alters, Jugendlichkeit, körperlichen Gebrechens oder Krankheit schutzbedürftig ist, i m Stich zu lassen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu einem Jahr (§ 217 StGB). Wenn durch Begehung der oben erwähnten Straftaten der Tod oder die Körperverletzung eines anderen verursacht wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern diese schwerer ist (§ 219 StGB). 2. Die Aussetzung durch den gesetzlich Verpflichteten Das Erfordernis ist: daß der Täter, der gesetzlich verpflichtet ist, eine Person, die wegen Alters, Jugendlichkeit, körperlicher Gebrechen oder Krankheit schutzbedürftig ist, i m Stich läßt oder den für ihr Leben notwendigen Schutz zu leisten verabsäumt. Die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 218 Abs. 1 StGB). Wenn durch Begehung der oben erwähnten Straftaten der Tod oder die Körperverletzung eines anderen verursacht wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern diese schwerer ist (§ 219 StGB). 3. Die Aussetzung
des Verwandten
in aufsteigender
Linie
Das Erfordernis ist: daß der Täter eine Person, die m i t dem Täter selbst oder seinem Ehegatten i n aufsteigender gerader Linie verwandt ist, i m Stich läßt oder den für i h r Leben notwendigen Schutz zu leisten verabsäumt. Die Strafe ist Zuchthaus von sechs Monaten bis zu sieben Jahren (§ 218 Abs. 2 StGB). Wenn durch Begehung der oben erwähnten Straftaten der Tod oder die Körperverletzung eines anderen verursacht wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern diese schwerer ist (§ 219 StGB). 2. Die Straftaten gegen die Freiheit des einzelnen I. I n diesem Abschnitt werden die Straftaten betreffend Festhaltung und Einsperrung, die Straftaten des Menschenraubes und der Entführung, die Straftaten der Drohung und die Straftaten des Hausfriedensbruches erläutert. Das japanische Strafgesetzbuch versteht die Straftaten des Hausfriedensbruches als öffentliches Gefährdungsdelikt und regelt sie im 12. Abschnitt des StGB nächst dem 11. Abschnitt des StGB, in dem die Straftaten der Störung des Verkehrs bestimmt werden. Nach meiner Ansicht sind diese Straftaten als Straftaten 22 A u s l ä n d i s c h e s S t r a f r e c h t 1.
Das japanische Strafrecht
3
gegen das Rechtsgut des einzelnen, bes. gegen Freiheit und Frieden des einzelnen, zu verstehen. Der vorläufige Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches (1940) nahm meine Ansicht auf. II. D i e
Straftaten betreffend Festhaltung und Einsperrung (Die i m 31. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Straftaten
betreffend
allgemeine
Festhaltung
und Einsperrung
Das Erfordernis ist: rechtswidrig einen anderen festzuhalten oder i n Haft zu halten. Die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 220 Abs. 1 StGB). Wenn durch Begehung dieser Straftaten der Tod oder die Körperverletzung eines anderen verursacht wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern diese schwerer ist (§ 221 StGB). 2. Die Straftaten betreffend Festhaltung und Einsperrung Verwandten in aufsteigender Linie
der
§ 220 Abs. 2 StGB lautet: „Wer gegen eine Person, die mit ihm selbst oder seinem Ehegatten i n aufsteigender gerader Linie verwandt ist, eine der i m Abs. 1 erwähnten Straftaten begeht, w i r d m i t Zuchthaus von sechs Monaten bis zu sieben Jahren bestraft." Dabei ist auch der schon berührte § 221 StGB anzuwenden. III. D i e S t r a f t a t e n
des M e n s c h e n r a u b e s Entführung
und
der
(Die i m 33. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Straftaten des allgemeinen Menschenraubes und der Entführung Das Erfordernis ist: einen Minderjährigen zu rauben oder zu entführen. Die Strafe dafür ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren (§ 224 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 228 StGB). Die Verfolgung dieser Straftaten t r i t t nur auf Antrag ein. Falls der Täter mit dem Entführten oder dem Geraubten die Ehe eingegangen hat, ist jedoch der Antrag erst zulässig, wenn das die Ehe für nichtig erklärende oder aufhebende Urteil rechtskräftig geworden ist (§ 229 StGB). 2. Die Straftaten
des strafschärfenden Entführung
Menschenraubes und der
Das Erfordernis dieser Straftaten ist: aus Gewinnsucht oder zum Zwecke der Unzucht oder der Eheschließung einen anderen zu rauben oder zu entführen. Die Strafe ist Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren (§ 225 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 228 StGB). Die Verfolgung dieser Straftaten t r i t t nur auf Antrag ein, sofern sie nicht
Der besondere Teil des Strafrechts
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aus Gewinnsucht begangen sind. Falls der Täter mit dem Entführten oder dem Verkauften die Ehe eingegangen hat, ist der Antrag erst zulässig, wenn das die Ehe für nichtig erklärende oder aufhebende U r t e i l rechtskräftig geworden ist (§ 229 StGB). 3. Die Straftat
der Fortschaffung
aus dem Lande
Sie w i r d in § 226 StGB bestimmt: „Wer einen anderen, um ihn in das Ausland zu bringen, raubt oder entführt, w i r d m i t zeitlich begrenztem Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft (§ 226 Abs. 1 StGB). Das gleiche gilt für denjenigen, der einen anderen, um ihn i n das Ausland zu bringen, verkauft oder kauft oder den Entführten oder Geraubten oder Gekauften i n das Ausland bringt (§ 226 Abs. 2 StGB)." Der Versuch dieser Straftaten ist strafbar (§ 228 StGB). 4. Die Straftaten
der nachträglichen
Beteiligung
Es handelt sich u m Straftaten, die i n § 227 StGB bestimmt werden: „Wer zum Zweck der Beihilfe zu einem der in den §§ 224 bzw. 226 bezeichneten Verbrechen eine Entführte oder Geraubte oder Verkaufte bei sich aufnimmt, verbirgt oder fortschafft, w i r d mit Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft (§ 227 Abs. 1 StGB). Wer aus Gewinnsucht oder zum Zweck der Unzucht eine Entführte oder Geraubte oder Verkaufte bei sich aufnimmt, w i r d m i t Zuchthaus von sechs Monaten bis zu sieben Jahren bestraft (§ 227 Abs. 2 StGB." Der Versuch dieser Straftaten ist strafbar (§ 228 StGB). Dabei findet der schon erwähnte § 229 StGB Anwendung. IV. D i e S t r a f t a t e n d e r D r o h u n g (Die i m 32. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Drohung Das Erfordernis der Drohung ist: gegen eine wandte mit der Verletzung von Leben, Leib, Ehre oder Vermögen zu drohen. Die Strafe ist Jahren oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen
Person oder ihre Verpersönlicher Freiheit, Zuchthaus bis zu zwei (§ 222 StGB) 2 9 .
2. Die Nötigung Das Erfordernis der Nötigung ist: unter Anwendung von Gewalt (§ 223 Abs. 1 StGB) oder durch Drohung m i t der Verletzung von Leben, Leib, persönlicher Freiheit, Ehre oder Vermögen einer Person oder ihrer Verwandten (§ 223 Abs. 1 u. 2 StGB) jene zur Vornahme einer Handlung, zu welcher sie nicht verpflichtet ist, zu nötigen oder 2a Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wurde die bisherige Strafe der Drohung: „Zuchthaus bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu einhundert Yen" i m Sinne dieser Bestimmung erhöht.
22*
Das japanische Strafrecht
3
sie i n einem ihr zustehenden Rechte zu beeinträchtigen (§ 223 Abs. 1 u. 2 StGB). Die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren. Der Versuch der Nötigung ist strafbar (§ 223 Abs. 3 StGB). V. D i e
Straftaten
des
Hausfriedensbruches
(Die i m 12. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) Das Erfordernis dieser Straftaten ist: rechtswidrig i n die Wohnung eines anderen oder i n einen Hof, ein Gebäude oder ein Kriegs- oder sonstiges Schiff, welche unter der Obhut eines anderen stehen, einzudringen oder sich nach Aufforderung des Berechtigten daraus nicht zu entfernen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu fünfzig Yen (§ 130 StGB). Der Versuch des Hausfriedensbruches ist strafbar (§ 132 StGB) 3 0 . 3. Die Straftaten gegen die Ehre des einzelnen I. Hier i n dem dritten Abschnitt werden die Straftaten betreffend Kredit und Geschäfte (die i m 35. Abschnitt des StGB erwähnten Straftaten) und die Straftaten der Verletzung von Geheimnissen (die i m 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten) und außerdem die Straftaten gegen die Ehre (die i m 34. Abschnitt des StGB erwähnten Straftaten) gemeinsam erklärt. Die Straftaten der Verletzung von Geheimnissen, die das japanische Straf recht als öffentliche Gefährdungsdelikte auf faßt und daher i m 13. Abschnitt regelt, sind ebenso als Straftaten gegen die Rechtsgüter des einzelnen zu verstehen wie die Straftaten gegen die Ehre. Auch regelt der vorläufige Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches sie i m 40. Abschnitt nach dem 39. A b schnitt, i n dem die Straftaten betreffend Kredit, Geschäfte und A u k t i o n bestimmt sind. II. D i e S t r a f t a t e n g e g e n d i e
Ehre
(Die i m 34. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) I m 34. Abschnitt des japanischen Strafgesetzbuches sind die zwei Straftaten geregelt: Ehrverletzung (§ 230 StGB) und Beleidigung (§ 231 StGB). Umstritten ist der Unterschied der beiden Straftaten. Nach 30 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wurde die Bestimmung des § 131: „Wer rechtswidrig in den Palast, Palastrayon, Nebenpalast oder in den zeitweiligen Aufenthaltsplatz des Kaisers eindringt, wird mit Zuchthaus von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft" gestrichen und die Bestimmung des § 132, die sich auf den Versuch dieser Straftat bezieht, reformiert, ferner die Fassung dieser Vorschrift: „in diesem Abschnitt" geändert in „in § 130".
Der besondere Teil des Strafrechts
3
Meinung einiger ist die Ehrverletzung die Verletzung der äußeren Ehre, die Beleidigung die Verletzung der inneren Ehre 3 1 . Demgegenüber nehmen die herrschende L e h r e 3 2 und die Rechtsprechung 33 i n Japan an, daß die Ehrverletzung bei einem Täter vorliegt, der eine Tatsache veröffentlicht; dagegen erfordert die Beleidigung nicht die Veröffentlichung einer Tatsache. 1. Die Ehrverletzung a) Das Erfordernis ist: Die Ehre eines anderen dadurch zu verletzen, daß ein Täter eine Tatsache veröffentlicht. „Öffentlichkeit" liegt vor, wenn die Anwesenheit einer unbestimmten Anzahl oder mehrerer Personen erkennbar ist (§ 7 Abs. 3 VorEStGB). Das Wort: „eine Tatsache zu veröffentlichen" bedeutet: eine Tatsache konkret darzustellen. Es entsteht die Frage, ob dieses Verbrechen vorliegt, wenn die Tatsache wahr ist. Früher hat die herrschende Lehre i n Japan diese Frage positiv beantwortet und damit gemeint, daß dieses Verbrechen vorliegt, auch wenn die dargestellte Tatsache wahr ist, und daß durch die Fassung des § 230 StGB: „ohne Rücksicht auf Wahrheit oder Unwahrheit dieser Tatsache" diese Bedeutung klar gemacht ist 3 4 . Neu dagegen stellte „Das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" die Vorschrift des § 230 a StGB auf und nahm daher auch die Handlung, die durch die Veröffentlichung einer Tatsache die Ehre eines anderen verletzt, i n einigen Fällen als unstrafbar an, nämlich: „Wenn das Gericht zu der Einsicht gelangt, daß die i m obigen Paragraph Abs. 1 erwähnte Straftat sich auf das öffentliche Interesse bezieht und nur wegen des öffentlichen Interesses begangen ist, soll Wahrheit oder Unwahrheit der Tatsache entscheiden, und wenn sie wahr ist, so w i r d der Täter nicht bestraft" (§ 230 a Abs. 1 StGB). Gleichzeitig aber bestimmt § 230 a Abs. 2 StGB: „Hinsichtlich der Geltung der Bestimmung des vorhergehenden Absatzes ist eine Tatsache, die sich auf die Straftaten eines Menschen bezieht, gegen den noch nicht die Anklage erhoben ist, als eine sich auf das öffentliche Interesse beziehende Tatsache anzusehen", und stellt andererseits eine besondere Regel für den Beamten und den Kandidaten des durch öffentliche Wahl zu wählenden Beamten auf. Sie nimmt damit eine Straftat, die durch die Veröffentlichung einer Tatsache die Ehre eines anderen verletzt, i n einigen Fällen als nicht strafbar an, nämlich: „Wenn das Gericht zu der Einsicht gelangt, daß die i m obigen Para31 32 33 34
Ζ. B. Koizumi , Lehrb. 227. Ono, Lehrb. 213. Takikawa, Lehrb. 93. Ζ. B. Makino, Lehrb. I I . 488. Oba, Grdz. 468. RGerE 5. Jun. 1926 (RSamml. Bd. 5, S. 303). Ζ, B. Motoji, Grdz. 593. Oba, Grdz. 469. Ono, Lehrb. 217 f.
Das japanische Strafrecht
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graphen Abs. 1 erwähnte Straftat sich auf eine Tatsache bezieht, die den Beamten oder den Kandidaten eines durch öffentliche Wahl zu besetzenden Amtes betrifft, soll es die Wahrheit oder Unwahrheit der Tatsache feststellen und wenn sie wahr ist, so w i r d er nicht bestraft" (§ 230 a Abs. 3). Der Grund dieser Regelung ist, dafür zu sorgen, daß man die Prüfung der Persönlichkeit frei ausführen kann. Die „Ehre" eines Menschen bedeutet nicht die subjektive Ehre wie Ehrbegierde, sondern die objektive Ehre. Daher sind unter dem Begriff „Menschen", die in der Vorschrift des § 230 als „eines anderen" bezeichnet werden, sowohl natürliche Personen wie Kinder, Geisteskranke, vorbestrafte Menschen und Schufte, als auch die juristischen Personen zu verstehen. Erstens fragt es sich hier, ob Ehrverletzungen auch gegen die Vereinigungen anderer A r t als die juristischen Personen begangen werden können. Diese Frage w i r d positiv beantwortet durch die Rechtsprechung 35 . Zweitens fragt es sich, ob eine Ehrverletzung gegen einen Verstorbenen möglich ist. Darüber enthält das Strafrecht im § 230 Abs. 2 StGB die besondere Regel: „ wird nur bestraft, wenn die Äußerung verleumderisch ist". Es ist bei der Ehr„verletzung" nicht erforderlich, die Ehre eines anderen wirklich zu erniedrigen. Diese Verletzung liegt nur vor, wenn die Gefahr eines praktischen Schadens entsteht. b) Die Strafe. Der Täter w i r d mit Zuchthaus oder Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen (§ 230 Abs. 1 StGB) bestraft. Wer die Ehre eines Verstorbenen verletzt, w i r d nur bestraft 3 6 , wenn die Äußerung verleumderisch ist (§ 230 Abs. 2 StGB). Verfolgung dieses Verbrechens t r i t t n u r auf Antrag ein (§ 232 Abs. 1 StGB). Wenn derjenige, der den Antrag stellen kann, der Kaiser, die Kaiserin, die Kaiserin-Großmutter, die Kaiserin-Mutter oder der Kronprinz oder der zur Thronfolge bestimmte Enkel des Kaisers ist, so soll der Ministerpräsident an deren Stelle den Antrag stellen. Wenn derjenige, der den Antrag stellen kann, ausländischer Kaiser oder Präsident ist, so soll der Vertreter des entsprechenden Auslandes an seiner Stelle den Antrag stellen (§ 232 Abs. 2 StGB) 3 7 . 2. Die Beleidigung a) Das Erfordernis ist: ohne Äußerung einer Tatsache einen anderen öffentlich zu beleidigen (§ 231 StGB). 35
Ζ. B. RGerE 24. März 1927 (RSamml. Bd. 5, S. 123). Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wurde die Bestrafungsbestimmung des § 230· Abs. 1: „Zuchthaus bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen" in „Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen" erhöht. Seit dem Jahre 1926 war diese Erhöhung der Strafe beabsichtigt worden. 37 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" wurde die Bestimmung des § 232 Abs. 2 neu gesetzt. 30
Der besondere Teil des Strafrechts
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b) Die Strafe. Bei der Beleidigung w i r d der Täter m i t Haft oder Geldbuße bestraft (§ 231 StGB); ferner kommen die i m § 232 StGB erwähnten Bestimmungen hier zur Anwendung (§ 232 StGB). III. D i e S t r a f t a t e n b e t r e f f e n d K r e d i t u n d G e s c h ä f t e (Die i m 35. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Kreditschädigung Das Erfordernis dieser Straftat ist: durch Verbreitung eines unwahren Gerüchts oder unter Anwendung von List den Kredit eines anderen zu schädigen (§ 233 StGB). Bei der Kreditschädigüng w i r d der Täter mit Zuchthaus bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Yen bestraft. 2. Die Geschäftshinderung Das Erfordernis dieser Straftat ist: durch Verbreitung eines unwahren Gerüchts oder unter Anwendung von List oder Macht jemanden an seinem Geschäfte zu hindern (§§ 233, 234 StGB). Die Strafe der Geschäftshinderung ist Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen. IV. D i e S t r a f t a t e n d e r V e r l e t z u n g Geheimnissen
von
(Die i m 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Der Geheimnisverrat Das Erfordernis des Geheimnisverrates ist: daß Ärzte, Apotheker, Drogisten, Hebammen, Rechtsanwälte, Verteidiger, Patentanwälte oder Personen, die eine solche Tätigkeit ausüben oder ausgeübt haben, oder Personen, die einen religiösen oder sonstigen kultischen Beruf ausüben oder ausgeübt haben, ein fremdes Geheimnis, das ihnen i n Ausübung ihres Berufes bekannt geworden ist, rechtswidrig verraten (§ 134 StGB). Bei dem Geheimnisverrat w i r d der Täter m i t Zuchthaus bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu eintausend Yen (§ 134 StGB) bestraft; jedoch t r i t t die Verfolgung dieser Straftaten nur auf Antrag ein (§ 135 StGB). 2. Die Brieföffnung Das Erfordernis ist: rechtswidrig einen verschlossenen Brief zu öffnen (§ 133 StGB). Die Strafe ist Zuchthaus bis zu einem Jahre oder Geldstrafe bis zu zweitausend Yen (§ 133 StGB). Jedoch t r i t t sie nur auf Antrag ein (§ 135 StGB). Es ist umstritten, wer das Recht zu diesem Antrag hat. Nach der herrschenden Lehre in Japan hat der Absender nur das Klagerecht, ehe der Brief ankommt; der Adressat
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Das japanische Strafrecht
hat das Klagerecht nur, nachdem der Brief angekommen ist 3 8 . Aber ich meine, daß der Absender bzw. der Adressat das Klagerecht haben, unabhängig davon, ob der Brief schon angekommen ist oder noch nicht 3 9 . 4. Die Straftaten gegen das Vermögen des einzelnen I. D i e S y s t e m a t i k
der
Vermögensverbrechen
1. Übersicht Das geltende japanische Straf recht bestimmt als Vermögens verbrechen die Straftaten des Diebstahls und Raubes (im 36. Abschnitt StGB), die Straftaten des Betruges und der Erpressung (im 37. A b schnitt StGB), die Straftaten der Unterschlagung (im 38. Abschnitt StGB), die Sachhehlerei (im 39. Abschnitt StGB) und die Straftaten der Sachbeschädigung und der Unterdrückung von Briefen (im 40. Abschnitt StGB). Daß das Recht des einzelnen bezüglich seines Vermögens geschützt wird, spielt eine wichtige Rolle, um die Ordnung der Gemeinschaft zu sichern sowie der Entwicklung und dem Gedeihen des Staates zu dienen. 2. Das Objekt der Vermögensverbrechen Es besteht aus zwei Arten: „Eigentum" ist das eine, „Vermögensvorteil" ist das andere Objekt. a) Das Eigentum (oder die Sache). Erstens handelt es sich darum, ob das Eigentum die körperliche Sache bedeutet. Darüber vertritt die Körperlichkeitstheorie die Auffassung 4 0 , daß nach § 85 des japanischen bürgerlichen Gesetzbuches das Eigentum auf die körperlichen Sachen beschränkt ist und auch das Strafrecht grundsätzlich der Betrachtungsweise des bürgerlichen Rechtes zu folgen hat (frühere vorherrschende Meinung). Dagegen betont die Beherrschbarkeitstheorie 41 , daß eine Sache, der die Beherrschbarkeit eigen ist, auch wenn ihr die Körperlichkeit fehlt, als eigentumsfähige Sache anzusehen ist; denn der Grund dafür, auf die körperliche Sache eine rechtliche Idee der „Sache" aufzubauen, besteht nicht in ihrer Körperlichkeit, sondern in ihrer Beherrschbarkeit wegen ihrer Körperlichkeit (heutige herrschende Lehre). Zweitens handelt es sich darum, ob für das Eigentum der wirtschaftliche Tauschwert erforderlich ist. Das Eigentum bedeutet nur die Sache, die das Objekt des Vermögensrechtes, insbesondere des 38 Dies vertritt z. B. Kureta, Grdz. 468. Miyamoto, Grdz. 448. Motoji, Grdz. 417. 39 Auch Ono, Lehrb. 212. Kusano, Unters. I I I . 211. 40 Siehe dazu Motoji, Grdz. 600. 41 Diese Theorie vertritt Koizumi, Lehrb. 236 f. Makino, Lehrb. I I . 545. Ono, Lehrb. 228. Takikawa, Lehrb. 107.
Der besondere Teil des Strafrechts
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Eigentumsrechtes, sein kann. Es kann nicht die Rede davon sein, daß das Eigentum wirtschaftlichen Wert hat (dies vertritt die herrschende Lehre 4 2 und die Rechtsprechung 43 ). Letztens handelt es sich darum, ob das Eigentum auf bewegliche Sachen beschränkt ist. Bei dem Betrug und der Unterschlagung gehört zum Eigentum auch die unbewegliche Sache (dieses vertreten alle Gelehrten und alle Entscheidungen). Ob der Raub und der Diebstahl gegen die unbewegliche Sache, besonders das unbewegliche Gut möglich ist, darüber gibt es zwei verschiedene A n sichten. Die früher herrschende Lehre 4 4 und die Rechtsprechung 45 beantworteten diese Frage negativ; aber die neueste überwältigende Meinung antwortet positiv 4 6 . b) Der Vermögensvorteil. Es gibt Fälle, in denen das Strafrecht außer Eigentum oder Sache den Vormagens vorteil als Objekt des Vermögensverbrechens bezeichnet: der Raub des § 236 Abs. 2 StGB, der Betrug der §§ 246 Abs. 2, 248 StGB und die Erpressung des § 249 Abs. 2 StGB. 3. Die Arten des Vermögensverbrechens a) Die Arten und die Reihenfolge, die das japanische Strafgesetzbuch annimmt, sind folgende: der Diebstahl, der Raub, der Betrug, die Erpressung, die Unterschlagung, die Untreue, die Sachhehlerei, die Sachbeschädigung und die Unterdrückung von Briefen. b) Eigentums- und Vorteils verbrechen. Jenes, das als Objekt der Straftat das Eigentum erfordert, umfaßt den Diebstahl, den Raub, den Betrug, die Erpressung, die Unterschlagung, die Sachhehlerei, die Sachbeschädigung und die Unterdrückung von Briefen. Dieses, das als Objekt der Straftat nur den Vermögensvorteil erfordert, ist die Untreue. Jedoch sind der Raub, der Betrug und die Erpressung sowohl als Vorteilsverbrechen als auch als Eigentumsverbrechen gekennzeichnet, weil ihr Objekt jeweils ein Vermögensvorteil ist. c) Zueignungs- und Schädigungsverbrechen. Jenes erfordert die Zueignungsabsicht, nämlich den Willen zur Wegnahme. Was der Wille zur „Wegnahme" ist, darum erhebt sich der Streit. Nach der ersten Ansicht 4 7 , welche „den Willen zur Wegnahme" gesetzlich versteht, bedeutet er einen Willen, vorläufig oder ewig die Verwaltung des Berechtigten zu beseitigen und sich selbst den Inhalt des Eigentums42
Ζ. B. Makino, Lehrb. I I . 552. Miyamoto, Grdz. 323. Ono, Lehrb. 228. Vgl. RGerE 23. März 1914 (ESamml. Bd. 20, S. 326). 44 Ζ. B. Motoji, Grdz. 602. Oha, Grdz. 480. 45 Z. B. RGerE 28. Feb. 1923 (RSamml. Bd. 2, 5. 150). 46 Siehe dazu Koizumi, Lehrb. 250. Makino, Lehrb. I I . 611. Miyamoto , Grdz. 339 f. Takikawa, Lehrb. 116. 47 Diese Ansicht vertritt Koizumi, Lehrb. 244 ff. Ono, Lehrb. 236 ff. 43
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Das japanische Strafrecht
rechtes anzueignen; nach der zweiten Ansicht 4 8 , welche die Rechtsprechung vertritt, bedeutet er einen Willen, den Berechtigten zu beseitigen und über die Sache eines anderen als einem selbst gehörig nach der wirtschaftlichen Gebrauchsweise zu verfügen; nach der dritten Meinung 4 9 , die den „Willen zur Wegnahme" wirtschaftlich versteht, bedeutet er einen Willen, über eine Sache nach der wirtschaftlichen Gebrauchsweise zu verfügen. Ich vertrete die letzte Ansicht. d) Wegnahme- und Unterschlagungsverbrechen. Jenes ist eine Straftat, die den Bruch des Sachgewahrsames erfordert. „Gewahrsam", der sich von dem i m bürgerlichen Rechte gebrauchten Begriff des „Besitzes" unterscheidet, bedeutet das tatsächliche Herrschaftsverhältnis über die Sache. Auch ist der „Gewahrsam" von der „Detention" verschieden, und u m diese Verschiedenheit zu erklären, denke ich, daß „Gewahrsam" ein vom Herrschaftswillen getragenes Machtverhältnis voraussetzt, aber nicht den Willen, für sich selbst zu besitzen, erfordert. „Wegnahme" bedeutet den Bruch des fremden Gewahrsams und Verlegung in den eigenen Gewahrsam oder den eines anderen. Nach der Verschiedenheit des Mittels unterscheidet sich die „Wegnahme" in Stehlen, Rauben, Betrügen und Erpressen. „Stehlen" bedeutet die Wegnahme ohne Gewalttat; „Rauben" bedeutet die Wegnahme durch Anwendung von Gewalt oder Drohung; „Betrügen" ist die Wegnahme durch Täuschung; „Erpressen" ist Wegnahme durch Bedrohung. Zuerst handelt es sich darum, wann der Zeitpunkt der Vollendung der Wegnahme gegeben ist. Es gibt hierüber vier Theorien: die sog. Kontrektationstheorie, die sog. Ablationstheorie, die sog. Illationstheorie und die sog. Apprehensionstheorie. Die letzte Theorie vertreten Rechtsprechung 50 und herrschende L e h r e 5 1 in Japan. Zweitens handelt es sich um die Frage, ob das Zueignungsverbrechen auch gegen die gesetzlich verbotene Ware möglich ist. Die Rechtsprechung 52 in Japan beantwortet diese Frage negativ, aber ich beantworte sie positiv. II. D e r D i e b s t a h 1 (Eine der im 36. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Übersicht Das geltende japanische Straf recht nimmt den strafschärfenden (§§ 367 bzw. 370 ehem. StGB) oder strafmildernden Diebstahl (§§ 372, 48
Wichtigste Entscheidungen sind folgende: RGerE 21. Mai 1915 (ESamml. Bd. 21, S. 664). RGerE 17. Jan. 1916 (ESamml. Bd. 22, S. 1). RGerE 4. Feb. 1920 (ESamml. Bd. 26, S. 28). 49 Z. B. Takikawa, Lehrb. 122 ff. 50 Z. B. RGerE 3. Okt. 1924 (Kritische Abhandlungen des japanischen Reichsgerichts,. Bd. 13, S. 337). 51 Vgl. Makino, Lehrb. I I . 580. Miyamoto , Grdz. 327. Ono, Lehrb. 231 f. Takikawa, Lehrb. 116 f. 52 Z. B. RGerE 20. Dez. 1912 (ESamml. Bd. 18, S. 1563).
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373 ehem. StGB) nicht an, der i n dem ehemaligen Strafgesetzbuch von 1881 bestimmt wurde. Das geltende Strafgesetzbuch kennt nur den § 235; aber es ist darauf aufmerksam zu machen, daß es i m Forstrecht (§§ 83, 84) eine besondere Bestimmung des Diebstahls gibt. 2. Der
Diebstahl
Das Erfordernis ist: das Vermögensstück eines anderen wegzunehmen (§ 235 StGB). Aber unter den Umständen des § 242 StGB ist auch die eigene Sache das Objekt des Diebstahls. I m 36. Abschnitt des StGB w i r d der Elektrizitätsstrom für das Vermögensstück angesehen (§ 245 StGB). Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zehn Jahren (§ 235 StGB). Der Versuch des Diebstahls ist strafbar (§ 243 StGB). Straflos ist diese Tat oder ihr Versuch, wenn sie von einem Blutsverwandten gerader Linie, Ehegatten oder zusammenlebenden Verwandten begangen wird. Die Verfolgung des Diebstahls t r i t t nur auf Antrag ein, wenn er von einem anderen Verwandten begangen w i r d (§ 244 Abs. 1 StGB) 5 3 . Die Bestimmung des Abs. 1 findet keine Anwendung auf denjenigen Teilnehmer, der kein Verwandter des Täters ist (§ 244 Abs. 2 StGB). III. D e r R a u b (Eine der im 36. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Der Raub im
allgemeinen
Das Erfordernis ist: unter Anwendung von Gewalt oder Drohung einem anderen ein Vermögensstück zu rauben oder sonst sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögens vorteil zu verschaffen. Die Strafe ist zeitlich begrenztes Zuchthaus nicht unter fünf Jahren (§ 236 StGB). Der Versuch des Raubes ist nach § 243 StGB strafbar. Wer zum Zweck des Raubes Vorbereitungshandlungen trifft, w i r d mit Zuchthaus bis zu zwei Jahren bestraft (§ 237 StGB). 2. Der Quasiraub a) Der nachträgliche Raub. Ein Dieb, der nach der Wegnahme eines Vermögensstückes, um dessen Wiedererlangung durch den Bestohlenen zu verhindern oder der Festnahme zu entgehen oder die Spuren der begangenen Straftat zu verwischen, Gewalt gebraucht oder Drohung anwendet, w i r d nach § 238 StGB wie ein Räuber bestraft. b) Der Raub während eines bewußtlosen Zustandes. Wer einem anderen ein Vermögensstück stiehlt, nachdem er ihn i n einen bewußtlosen Zustand versetzt hat, w i r d nach § 239 StGB wie ein Räuber bestraft. Der Versuch ist nach § 243 StGB strafbar. 53 Nach dem „Gesetze zur Änderung des Strafgesetzbuches von 1947" ist das Wort: „oder von den Familienmitgliedern" gestrichen, das früher im § 244 gestanden hatte.
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Das japanische Strafrecht
3. Der strafv er schär fende Raub a) Tötung oder Körperverletzung durch den Räuber. Ein Räuber, der eine Person verletzt, w i r d m i t lebenslänglichem Zuchthaus oder m i t Zuchthaus nicht unter sieben Jahren bestraft; ein Räuber, der den Tod eines anderen herbeiführt, w i r d nach § 240 StGB m i t dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft (§ 240 StGB). Der Versuch ist nach § 243 strafbar. b) Die Notzucht durch den Räuber. Ein Räuber, der eine weibliche Person notzüchtigt, w i r d nach § 241 erster Teil StGB m i t lebenslänglichem Zuchthaus oder mit Zuchthaus nicht unter sieben Jahren bestraft. Der Versuch ist nach § 243 StGB strafbar. c) Die Todverursachung durch die Notzucht durch den Räuber. Ein Räuber, der eine weibliche Person notzüchtigt und dadurch den Tod dieser Person herbeiführt, w i r d nach § 243 letzter Teil StGB m i t dem Tode oder m i t lebenslänglichem Zuchthaus bestraft. Der Versuch ist nach § 243 StGB strafbar. d) Beachte: Die oben berührten Bestimmungen der §§ 242, 244 und 245 finden auch auf den Raub Anwendung. IV. D e r B e t r u g (Eine der i m 37. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Der Betrug im allgemeinen Das Erfordernis ist: durch Täuschung einen anderen zu veranlassen., ein Vermögensstück dem Täter oder einem Dritten zu übergeben oder sonst dem Täter oder einem D r i t t e n einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zehn Jahren (§ 246 StGB). Der Versuch des Betrugs ist strafbar (§ 242 StGB). Ferner gelten die schon erläuterten Bestimmungen der §§ 242, 244 und 245 auch für den Betrug (§ 251 StGB). 2. Der Quasibetrug Das Erfordernis ist: unter Ausnutzung der Unerfahrenheit einer minderjährigen Person oder der Geistesschwäche einer Person einen anderen zu veranlassen, Vermögensstücke dem Täter oder einem Dritten zu übergeben, oder sonst dem Täter oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Strafe ist nach § 248 StGB Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Der Versuch ist strafbar (§ 250 StGB). Die schon berührten Bestimmungen der §§ 242, 244 und 245 gelten auch für den Quasibetrug (§ 251 StGB). V. D i e E r p r e s s u n g (Eine der im 37. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.)
Der besondere Teil des Strafrechts
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Das Erfordernis der Erpressung ist: durch Bedrohung einen anderen zu veranlassen, Vermögensstücke dem Täter oder einem Dritten zu übergeben, oder sonst dem Täter oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Die Strafe ist nach § 249 StGB Zuchthaus bis zu zehn Jahren. Der Versuch ist strafbar (§ 250 StGB). Die Bestimmungen der §§ 242, 244 u. 245 StGB finden auch auf die Erpressung Anwendung (§ 251 StGB). VI. D i e U n t e r s c h l a g u n g (Die i m 38. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Übersicht Die Unterschlagung ist die Straftat, die durch Untreue, die weiter unten behandelt wird, einem anderen unter Ausnutzung seines Zutrauens die Verletzung seines Vermögens verursacht. Über den Unterschied der beiden Straftaten sagt die Rechtsprechung des japanischen Reichsgerichts, daß die Untreue dann besteht, wenn jemand, der die Angelegenheiten eines anderen besorgt, nicht durch Unterschlagung des i n seinem Besitz befindlichen Vermögensstückes des andern, sondern durch sonstige M i t t e l die Verletzung an einem Vermögen verursacht. Diese beiden Straftaten sind durch den Unterschied des Handlungsobjekts getrennt. 2. Die Unterschlagung im allgemeinen (Die einfache Unterschlagung) Das Erfordernis ist: ein Vermögensstück eines anderen, das der Täter selber aufbewahrt, oder ein eigenes Vermögensstück, das er auf Befehl der Behörde bewahrt, zu unterschlagen. Die Strafe der Unterschlagung ist Zuchthaus bis zu fünf Jahren (§ 252 StGB). Auch auf die Unterschlagung findet die schon erwähnte Bestimmung des § 244 StGB Anwendung (§ 255 StGB). 3. Die geschäftliche
Unterschlagung
Das Erfordernis ist: ein Vermögensstück eines anderen, das man selber geschäftlich für einen anderen aufbewahrt, zu unterschlagen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu zehn Jahren (§ 253 StGB). Auch auf diese Straftat findet die Bestimmung des § 244 StGB Anwendung (§ 255 StGB). 4. Die Unterschlagung der aus dem Besitz gekommenen Sache § 254 StGB lautet: „Wer ein einem anderen gehöriges verlorenes, herumschwimmendes oder sonst aus dem Besitz gekommenes Vermögensstück unterschlägt, w i r d m i t Zuchthaus bis zu einem Jahr oder m i t Geldstrafe bis zu einhundert Yen oder m i t Geldbuße bestraft." Auch auf diese Straftat findet die Bestimmung des § 244 StGB A n wendung.
Das japanische Strafrecht
VII. D i e
Untreue
(Eine der i m 37. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) Das Erfordernis ist: daß jemand, der die Geschäfte eines anderen besorgt, i n der Absicht, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen, oder den anderen zu schädigen, eine seinen Pflichten zuwiderlaufende Handlung vornimmt und dadurch diesem anderen einen Vermögensschaden zufügt. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Yen (§ 247 StGB). Der Versuch ist strafbar (§ 250 StGB). Auch auf die Untreue finden die Bestimmungen der §§ 242, 244 u. 245 StGB Anwendung (§ 251 StGB). VIII. D i e S a c h h e h l e r e i (Die i m 39. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) 1. Die Annahme
der mittels
eines Vermögensdelikts
erlangten
Sache
Die Bestimmung des 1. Abs. § 256 StGB lautet: „Wer eine mittels eines Vermögensdelikts erlangte Sache bei sich aufnimmt, w i r d mit Zuchthaus bis zu drei Jahren bestraft." 2. Der Transport
usw. der mittels eines Vermögensdelikts Sache
erlangten
Die Bestimmung des 2. Abs. § 256 StGB lautet: „Wer eine mittels eines Vermögensdelikts erlangte Sache transportiert, aufbewahrt, kauft oder vermittelt, w i r d mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und m i t Geldstrafe bis zu eintausend Yen bestraft." 3. Straflosigkeit Straflos ist diese i m § 256 erwähnte Straftat, wenn sie von einem Blutsverwandten gerader Linie, Ehegatten, zusammenlebenden Verwandten oder deren Ehegatten begangen w i r d (§ 257 Abs. 1 StGB). Die Bestimmung des Abs. 1 findet keine Anwendung auf denjenigen Teilnehmer, der kein Verwandter des Täters ist (§ 257 Abs. 2 StGB). IX. D i e
Beschädigung
(Eine der i m 40. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) I X a) D i e U r k u n d e n b e s c h ä d i g u n g 1. Die Beschädigung
der amtlichen
Urkunden
Das Erfordernis ist: eine den Amtsgeschäften dienende Urkunde zu beschädigen. Die Strafe ist Zuchthaus von drei Monaten bis zu sieben Jahren (§ 258 StGB).
Die wichtigsten strafrechtlichen Nebengesetze
2. Die Beschädigung
der privaten
851
Urkunden
Das Erfordernis ist: eine auf ein Recht oder eine Verpflichtung sich beziehende Urkunde eines anderen zu beschädigen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu fünf Jahren (§ 259 StGB). Die Verfolgung dieser Straftat t r i t t nur auf Antrag ein (§ 264 StGB). IXb) D i e
Sachbeschädigung
1. Die Beschädigung
eines Gebäudes usw.
Das Erfordernis ist: ein Gebäude oder ein Fahrzeug eines anderen zu beschädigen. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Wenn durch die Tat ein Mensch getötet oder verletzt wird, so ist auf die Strafe der Körperverletzung zu erkennen, sofern diese schwerer ist (§ 260 StGB). 2. Die Beschädigung
einer Sache im engeren Sinne
Das Erfordernis ist: eine andere als die in den §§ 258 bzw. 260 erwähnten Sachen zu beschädigen oder zu zerstören. Die Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen oder Geldbuße (§ 261 StGB). Die Verfolgung dieser Straftat t r i t t nur auf Antrag ein (§ 264 StGB). § 262 StGB lautet: „Wer einen dem Täter gehörigen Gegenstand, der m i t Beschlag belegt ist, m i t einem dinglichen Recht belastet oder vermietet, beschädigt oder zerstört, wird nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 259 bzw. 261 StGB bestraft. X. D i e U n t e r d r ü c k u n g
von
Briefen
(Eine der i m 40. Abschnitt des Strafgesetzbuches erwähnten Straftaten.) Das Erfordernis ist: einen Brief eines anderen zu unterdrücken. Die Strafe ist Zuchthaus oder Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzig Yen oder Geldbuße (§ 263 StGB). Die Verfolgung dieser Straftat t r i t t nur auf Antrag ein (§ 264 StGB).
Vierter
Abschnitt
Die wichtigsten strafrechtlichen
Nebengesetze
1. Ubersicht Die wichtigsten geltenden strafrechtlichen Nebengesetze sind: die Strafverordnung über die Überwachung des Verkehrs m i t Sprengstoffen vom 27. Dezember 1884; das Gesetz über den Zweikampf vom
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Das japanische Strafrecht
30. Dezember 18891; das Beaufsichtigungsgesetz betreffend die Fälschung von Münzen und Papieren vom 5. A p r i l 1895; das Rauchverbot für Minderjährige vom 7. März 19002; das Gesetz betreffend die Fälschung, Verfälschung und das Nachmachen von i m Ausland umlaufenden Münzen, Geldscheinen, Banknoten und Papieren vom 20. März 1905; das Beaufsichtigungsgesetz betreffend die den Geldscheinen gleich funktionierenden Papiere vom 8. Mai 1906; das Gesetz über die Bestrafung des Stempeldelikts vom 28. A p r i l 1909; das Gesetz betreffend die Bestrafung der Aufsichtsführenden von juristischen Personen vom 21. Juni 1915; das Trinkverbot für Minderjährige vom 30. März 19223; das Gesetz betreffend die Bestrafung der Gewalttätigkeit vom 10. A p r i l 1926; das Gesetz betreffend Verhinderung des Diebstahls, Raubes usw. vom 22. M a i 1930; das Gesetz betreffend die vollständige Einrichtung der Strafbestimmungen für ökonomische Verhältnisse vom 10. Februar 19444; das Gesetz betreffend das Polizeidelikt vom 1. M a i 1948; das Gesetz betreffend die zeitweilige Behandlung von Geldstrafen usw. vom 18. Dezember 1948. Die Annahme der neuen Verfassung vom 3. November 1946 brachte unvermeidlich die Abschaffung einiger wichtiger strafrechtlicher Nebengesetze einschließlich der militärischen Strafgesetze mit sich, nämlich des Armeestrafgesetzes 4 vom 10. A p r i l 1908 und des Marinestrafgesetzes vom 10. A p r i l 1908; beide sind am 17. Mai 1947 aufgehoben worden. Ferner sind auch das Gesetz betreffend den Schutz militärischer Geheimnisse vom 14. August 19375 und das Gesetz betreffend die Aufrechterhaltung der Landesverteidigung vom 7. März 1941 am 13. Oktober 1945 aufgehoben worden. Außer den militärischen Strafgesetzen sind auch die folgenden wichtigen strafrechtlichen Nebengesetze beseitigt worden: das Gesetz über die Presse von 1893; das Gesetz betreffend die Sicherheitspolizei vom 10. März 1900; das Gesetz über die Zeitungen vom 6. Mai 1908; die Polizeiverordnung vom 22. Dezember 1908; die Kaiserliche Verordnung betreffend die Verbreitung unwahrer Gerüchte vom 7. September 19236; das Gesetz betreffend die Aufrechterhaltung der öffentlichen 1 Vgl. Japanische Strafgesetze (Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher Nr. 44) S. 21. 2 Vgl. a.a.O., S. 20 f. 3 Vgl. a.a.O., S. 19. 4 Vgl. Fujisawa, Japanisches Militär-Strafgesetzbuch vom 9. April 1908 (Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher Nr. 31). 5 Vgl. Kusano-Saito, Drei strafrechtliche Nebengesetze: in „Vorläufiger Entwurf des japanischen Strafgesetzbuches" (in deutscher Übersetzung) 1939, S. 1. 6 Vgl. Japanische Strafgesetze (Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher Nr. 44) S. 22.
Die wichtigsten strafrechtlichen Nebengesetze
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Sicherheit vom 22. A p r i l 19257; das Gesetz betreffend die Schutzaufsicht wegen politischer Delikte vom 29. Mai 19368; das vorläufige Gesetz zur Kontrolle aufrührerischer Schriften vom 15. Juni 19369; das Gesetz über die Aufrechterhaltung des öffentlichen Friedens vom 10. März 1941. Eine Übersicht über die vier wichtigsten strafrechtlichen Nebengesetze (Gesetz betreffend das Polizeidelikt, Gesetz betreffend die Bestrafung der Gewalttätigkeit usw., Gesetz betreffend Verhinderung des Diebstahls, Raubes usw. und Gesetz betreffend die zeitweilige Behandlung von Geldstrafe usw.) w i r d i m folgenden gegeben. 2. Das Gesetz betreffend das Polizeidelikt (vom 1. Mai 1948) I. D i e g e s c h i c h t l i c h e
Entwicklung
Das Gesetz ist eine Umgestaltung der früheren Polizeideliktsbestrafungs Verordnung. I m sog ehemaligen Straf recht von 1881, das mit Bezugnahme auf das französische Strafrecht Gesetzeskraft erhielt, waren die betr. Bestimmungen m i t enthalten. Nachher wurden die Bestimmungen aus dem geltenden Strafgesetze von 1908 ausgenommen. Den genannten Bestimmungen wurde als Polizeideliktsbestrafungsverordnung (Nr. 16 der Innenministeriumsverordnung vom 29. September 1908) Gesetzeskraft gegeben. Die Verordnung war bis zur Zeit des Inkrafttretens der neuen Verfassung von 1946 ununterbrochen gültig. Da die neue japanische Verfassung § 31 bestimmt, daß niemand ohne das vom Gesetze bestimmte Verfahren seines Lebens oder seiner Freiheit beraubt oder mit einer gesetzlichen Strafe belegt wird, können keinerlei Straftaten auf Grund der Polizeideliktsbestrafungsverordnung, die eine Innenministeriumsverordnung ist, bestraft werden. Für leichte Taten wurde einerseits die zeitweilige Behandlung durch „das Gesetz bezüglich der W i r k u n g der zur Zeit der öffentlichen Bekanntmachung der japanischen Verfassung geltenden Verordnungsbestimmungen usw." (Nr. 72 des Gesetzes 1947) möglich gemacht; anderseits wurde zugleich das Gesetzgebungswerk über die Polizeidelikte begonnen. Das Justizministerium prüfte mit Hilfe des Ausschlusses des Innenministeriums schriftliche Meinungsäußerungen oder Antworten auf diesbezügliche Anfragen der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Rechtsanwaltsvereine sowie Gesetzgebungsbeispiele der strafrechtlichen 7 Vgl. a.a.O., S. 21 f. Dieses Gesetz ist durch kaiserliche Verordnung vom 29. Juli 1928 abgeändert worden. 8 Vgl. Kusano-Saito, a.a.O., S. 1 f. 9 Vgl. Kusano-Saito, a.a.O., S. 6 f.
23 Ausländisches S t r a f r e c h t
I.
3
Das japanische Strafrecht
Gesetze i n kontinentaleuropäischen Ländern, in England und i n den Vereinigten Staaten von Amerika nach und verfaßte einen Entwurf. Sodann beantragte die zweite Parlamentssitzung die Verabschiedung dieses Entwurfs als Gesetz. I n der Parlamentssitzung, besonders i n der Abgeordnetenhaussitzung, stritten die Meinungen um die Notwendigkeit dieses Gesetzes. Einige Abgeordnete verfochten die Ansicht, daß das schwebende Polizeideliktsgesetz die Ausdehnung der Polizeideliktsbestrafungsverordnung bedeute, die den Niedergang der Menschenrechte verursacht habe, und daß das genannte Gesetz m i t der bösen Absicht zur Unterdrückung der Arbeiterbewegung usw. schlecht gebraucht würde. Indem man m i t dem Inhalt, daß man auf Menschenrechte Wert lege und dieses Gesetz nicht mißbrauche, einen § 4 i n den Entwurf einfügte, wurde dieses Gesetz angenommen; es erlangte am 1. Mai 1948 als Gesetz Nr. 39 Gesetzeskraft. II. D e r I n h a l t
des
Gesetzes
Das Gesetz besteht aus nur vier Artikeln. Der erste A r t i k e l bestimmt die Bestrafung eines Rechtsbrechers, der eine leichte quasistrafrechtsdeliktliche Tat, die naheliegende Sittengesetze i m alltäglichen Leben übertritt, begeht. Zum Beispiel w i r d eine Person, die sich i n der Wohnung oder auf dem Hofe, i m Gebäude oder Schiffe, sofern dort niemand wohnt oder kein anderer die Obhut hat, rechtsw i d r i g verbirgt, mit Haft oder Geldbuße (nach Ziff. 1) bestraft. Die Bestimmungen der Ziff. 2 ff. geben die Rechtsbrecher, die gleichgradig leichte Straftaten begehen, einzeln an und nennen entsprechende Bestrafungen. Sodann bestimmt der zweite Artikel, daß der Person, die eine der i m ersten A r t i k e l einzeln angegebenen Straftaten begeht, nach den Umständen des Falls die Bestrafung erlassen werden kann oder daß auch Haft und Geldbuße gleichzeitig angewandt werden können. Der dritte A r t i k e l bestimmt ausdrücklich, daß eine Person, die zu einer der i m ersten A r t i k e l entfallenen Straftaten anstiftet oder Mithilfe leistet, gleich dem Täter zu bestrafen ist. Ferner lautet der vierte Artikel, der i n der obenerwähnten Beziehung eingefügt wurde: „Bei der Anwendung dieses Gesetzes sei man aufmerksam auf die unrechtliche Schädigung der nationalen Rechte und mißbrauche dieses Gesetz nicht um anderer böser, uneigentlicher Absichten willen." 3. Das Gesetz betreffend die Bestrafung der Gewalttätigkeit usw. (vom 10. April 1926) Das Gesetz besteht aus drei A r t i k e l n und bestimmt die nachstehenden drei Arten von Straftaten.
Die wichtigsten strafrechtlichen Nebengesetze
I. S t r a f t a t e n u n t e r k o l l e k t i v e r , mäßiger Gewalt, Drohung und
355
gewohnheitsBeschädigung
Zu den Straftaten ist es erforderlich, daß jemand unter Hinweis auf die Macht eines Bundes oder einer Menschenmenge oder m i t Vorspiegelung des Hinweises auf die Macht eines Bundes oder einer Menschenmenge oder unter Vorzeigen einer Waffe m i t einer oder mehreren Personen gemeinschaftlich eine der Straftaten des § 208 Abs. 1, § 222 oder § 261 des StGB (§ 1 Abs. 1) oder die Straftaten des § 208 Abs. 1, § 222 oder § 261 des StGB gewohnheitsmäßig begeht (§ 1 Abs. 2). Als Strafe ist Zuchthaus bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu fünfhundert Yen (§ 1) angedroht. II. S t r a f t a t e n u n t e r k o l l e k t i v e m , g e w o h n h e i t s mäßigem U n t e r r e d u n g s z w a n g oder d r i n g l i c h e r F o r d e r u n g oder D r o h u n g Hierzu ist erforderlich, daß jemand i n der Absicht, Vermögensstücke sich oder einem anderen zu verschaffen oder sonst sich oder einem anderen einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, auf die i m § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes erwähnte Weise eine Unterredung zu erzwingen versucht oder eine dringliche Forderung erhebt oder Drohung begeht (§ 2 Abs. 1) und daß jemand eine Unterredung rechtswidrig zu erzwingen versucht oder eine dringliche Forderung erhebt oder Drohung rechtswidrig begeht. Wer diese Straftaten begeht, w i r d m i t Zuchthaus bis zu einem Jahre oder m i t Geldstrafe bis zu einhundert Yen bestraft (§ 2 Abs. 2). III. S t r a f t a t e n
betreffend kollektive usw.
Verbrechen
Es gibt zwei Arten solcher Straftaten. Zur ersten A r t ist es erforderlich, daß jemand auf die i m § 1 Abs. 1 erwähnte Weise i n der Absicht, durch den andern die Straftaten des § 199, § 204, § 208 Abs. 1, § 222, § 223, § 234, § 260 oder § 261 des StGB zu begehen, Geld oder einen sonstigen Vermögensvorteil oder eine amtliche Tätigkeit leistet oder derartiges anbieten oder sich versprechen läßt und daß er mit Kenntnisnahme von den tatsächlichen Verhältnissen eine Leistung vollzieht oder eine solche Leistung verlangt oder sich versprechen läßt (§ 3 Abs. 1). Das Erfordernis zur zweiten A r t ist, auf die i m § 1 Abs. 1 erwähnte Weise i n der Absicht, die Straftat des § 95 des StGB begehen zu lassen, die i m § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmte Handlung zu begehen (§ 3 Abs. 2). Bei der ersten Straftat ist die Bestrafung Zuchthaus bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzig Yen 23·
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Das japanische Strafrecht
(§ 3 Abs. 1), und bei der zweiten Zuchthaus oder Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu fünfzig Yen (§ 3 Abs. 2). 4. Das Gesetz betreffend Verhinderung des Diebstahls, Raubes usw. (vom 22. Mai 1930) Das Gesetz besteht aus vier A r t i k e l n und umfaßt eine allgemeine Bestimmung (§ 1) und besondere Bestimmungen (§§ 2 bzw. 4). Jene ist die besondere Regel bezüglich Notwehr, und diese sind die besonderen Regeln bezüglich Straftaten des Diebstahls und Raubes. I. Die besondere Regel bezüglich Notwehr w i r d i m § 1 dieses Gesetzes wie folgt bestimmt. Wenn man bei den nachstehenden Fällen den Tod oder eine Körperverletzung eines Verbrechers verursacht, um eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib oder Keuschheit von sich oder einem anderen abzuwenden, dann gilt § 36 Abs. 1 des StGB: a) bei dem Fall der Verhinderung der Straftaten des Diebstahls oder des Raubes oder der Wiedererlangung eines gestohlenen Dinges; b) beim Fall der Verhinderung einer Person, die unter Mitbringung einer Waffe oder mittels Einsteigens oder Aufbrechens eines Tors, einer Tür oder eines Zauns oder mittels eines Schlüssels i n die Wohnung eines anderen oder i n einen Hof, ein Gebäude oder ein Schiff, die unter der Obhut eines anderen stehen, eindringt; c) beim Fall der Ausschließung einer Person, die in die Wohnung eines anderen oder in einen Hof, ein Gebäude oder ein Schiff, die unter der Abhut eines anderen stehen, rechtswidrig eindringt, oder der Person, die sich auf Aufforderung der dazu Berechtigten nicht entfernt. Wer i n vorstehenden Fällen wegen Furcht, Schreckens, Erregung oder Bestürzung am Ort der Straftat den Tod oder eine Körperverletzung eines Verbrechers verursacht, w i r d nicht bestraft, auch wenn eine gegenwärtige Gefahr für Leben, Leib oder Keuschheit seiner selbst oder eines anderen nicht vorgelegen hat. II. Von den besonderen Bestimmungen bezüglich der Straftaten des Diebstahls und des Raubes handeln §§ 2 bzw. 4. Es gibt die folgenden drei Arten von Straftaten: a) Straftaten des gewohnheitsmäßigen besonderen Diebstahls und Raubes. I n dieser Hinsicht w i r d i n § 2 folgendes bestimmt: Wenn der Täter auf eine der nachstehenden Arten die i n §§ 235, 236, 238 oder 239 des StGB erwähnte Straftat oder ihren Versuch gewohnheits-
Die wichtigsten strafrechtlichen Nebengesetze
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mäßig begeht, und wenn er wie ein Dieb bestraft wird, so w i r d er mit Zuchthaus nicht unter drei Jahren oder, wenn er wie ein Räuber bestraft wird, mit Zuchthaus nicht unter sieben Jahren bestraft: wenn eine Person unter Mitbringung einer Waffe eine Straftat begeht; wenn zwei oder mehrere am Ort der Straftat gemeinschaftlich eine Straftat begehen; wenn eine Person mittels Einsteigens oder Aufbrechens eines Tors, einer Tür oder eines Zauns oder mittels eines Schlüssels i n die Wohnung eines anderen oder i n einen Hof, ein Gebäude oder ein Schiff, die unter der Obhut eines anderen stehen, eindringt und eine Straftat begeht; wenn eine Person zur Nachtzeit i n die Wohnung eines anderen oder in einen Hof, ein Gebäude oder ein Schiff, die unter der Obhut eines anderen stehen, eindringt und eine Straftat begeht. b) Straftaten des gewohnheitsmäßigen rückfälligen Diebstahls und Raubes. § 3 bestimmt hierzu: Derjenige, der die i m vorstehenden A r tikel (§ 2) des Strafgesetzes erwähnten Straftaten oder ihren Versuch gewohnheitsmäßig begeht, ist, wenn er innerhalb von zehn Jahren vor der Strafhandlung wegen dieser Strafen oder zusammentreffender Verbrechen von diesen Straftaten und anderen Straftaten mit Zuchthaus nicht unter sechs Monaten mehr als dreimal bestraft worden ist und die Strafe verbüßt hat oder von der Strafvollstreckung befreit worden ist, gemäß § 2 zu bestrafen. c) Straftaten der gewohnheitsmäßigen Körperverletzung durch Räuber und der Notzucht i n Verbindung m i t Raub. Davon handelt § 4. Wer die in § 240 erster oder zweiter Teil des StGB erwähnte Straftat oder ihren Versuch gewohnheitsmäßig begeht, w i r d mit lebenslänglichem Zuchthaus oder m i t Zuchthaus nicht unter zehn Jahren bestraft. 5. Das Gesetz betreffend die zeitweilige Behandlung von Geldstrafen usw. I. Ü b e r s i c h t Das System des japanischen Strafrechts hatte vollständig unter dem Einfluß des kontinentaleuropäischen Rechtes etwa am Ende des 19. Jahrhunderts und am Anfang des folgenden (in der Meiji- und Taishozeit) gestanden. Auch der Betrag der Geldstrafe oder der Geldbuße war natürlich unter Berücksichtigung der damaligen wirtschaftlichen Zustände bestimmt worden. Aber die Zustände hatten sich später völlig geändert. Stürmisch tobte die Inflation i n Japan nach dem zweiten Weltkrieg. Daher war eine besondere Regel über den Be-
3
Das japanische Strafrecht
trag der Geldstrafen usw. festzusetzen. Dies ist der Grund dafür, daß dieses Gesetz gegeben wurde. § 1 erläutert den Zweck dieser Gesetzgebung: „Die besondere Regel betreffend den Betrag usw. der Geldstrafen und Geldbußen entsprechend der Änderung der wirtschaftlichen Zustände w i r d einstweilen durch dieses Gesetz bestimmt." II.
Inhalt
a) Der Mindestbetrag der Geldstrafen und Geldbußen „beträgt ungeachtet der Bestimmung des § 15 StGB von 1907 und des § 20 nebst Ausführungsgesetz von 1908 mehr als eintausend Yen; wenn sie jedoch gemildert wird, kann sie auf weniger als eintausend Yen erniedrigt werden" (§ 2 Abs. 1). Die Geldbuße beträgt ungeachtet der Bestimmung des § 17 StGB und des § 20 nebst Ausführungsgesetz nicht unter fünf Yen; aber sie darf nie die Höhe von eintausend Yen erreichen" (§ 2 Abs. 2). b) Der Höchstbetrag der Geldstrafe. Der Höchstbetrag einer Geldstrafe, auf die wegen nachfolgender Verbrechen erkannt wird, ist fünfzigfach so hoch wie der Höchstbetrag jeder Geldstrafe: wegen eines unter das Strafgesetzbuch fallenden Verbrechens, das nach dem § 152 StGB zu bestrafen ist; wegen eines nach dem Gesetz betreffend die Bestrafung der Gewalttätigkeit usw. von 1926 zu bestrafenden Verbrechens; wegen eines nach dem Gesetze betreffend die vollständige Einrichtung der Strafbestimmungen für ökonomische Verhältnisse zu bestrafenden Verbrechens (§ 3 Abg. 1). Die i m § 152 StGB erwähnte Strafe „bis zu ein Yen" ist auf „bis zu fünfzig Yen" erhöht (§ 3 Abs. 2). Der Höchstbetrag einer Geldstrafe, auf die wegen der übrigen Verbrechen erkannt wird, ist, wenn diese nicht zweitausend Yen erreicht zweitausend Yen. Hat der Mindestbetrag einer Geldstrafe nicht eintausend Yen erreicht, so beträgt er eintausend Yen. Dies gilt aber nicht i n dem Falle, wo der Betrag der Geldstrafe dadurch bestimmt wird, daß ein bestimmter Betrag m i t einem Vielfachen zu multiplizieren ist (§ 4 Abs. 1). Wenn i n diesen Ausnahmefällen der Betrag der Geldstrafe eintausend Yen nicht erreicht hat, so beträgt er eintausend Yen (§ 4 Abs. 2). c) Der Betrag der Geldbuße. Der Betrag der Geldbuße, m i t der das i m § 4 Abs. 1 erwähnte Verbrechen bestraft wird, ist dadurch zu be· stimmen, daß die besondere Bestimmung betreffend den Betrag der Geldbuße außer Acht gelassen werden darf. Dies gilt jedoch nicht i n dem Falle, wo der Betrag der Geldbuße dadurch bestimmt wird, daß ein bestimmter Betrag m i t einem Vielfachen zu multiplizieren ist (§ 4 Abs. 3).
Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts
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d) I m übrigen sind der Höchstbetrag der Geldstrafe der Verordnung i m § 5, die Grenze des Strafvollstreckungsaufschubs einer Geldstrafe i m § 6 und der Betrag der Geldstrafe, die in der Strafprozeßordnung bestimmt sind, i m § 7 vorgeschrieben.
Fünfter
Abschnitt
Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts 1. Die Idee des Strafvollzugs Wie ich schon bemerkt habe, richtet sich die Strafrechtsnorm als Handlungsnorm an die Menschen allgemein vor der Begehung einer Straftat, als Gerichtsnorm an die Prozeßbeteiligten nach der Begehung einer Straftat, als Strafvollzugsnorm an einen Bestraften. Daher ist es theoretisch nicht genug, die Strafe einseitig als Vergeltung beziehungsweise als Erziehung anzusehen. Begreift man das Strafrecht als Handlungsnorm, so spielt die Strafe die Rolle der Vergeltung; betrachtet man es dagegen als Strafvollzugsnorm, so t r i t t die Strafe als Erziehung oder Besserung i n den Vordergrund. Ist diese Antinomie aber absolut kontradiktorisch? Nach meinen wirklichen Erlebnissen scheint mir, daß das Gefühl der Menschen von der Vergeltung mit der Zeit zurückgeht, dagegen das Gefühl der Menschen, auch den Gegner freizusprechen, sich geltend machen wird. Daher denke ich, daß die Strafe, wenn sie sich als Handlungsnorm an die Menschen allgemein richtet, am stärksten als Vergeltung w i r k t , wobei die Idee der Vergeltung noch bestehen bleibt; daß dieStrafe dann, wenn sie sich als Gerichtsnorm an die Prozeßbeteiligten, die Richter, Staatsanwälte, Angeklagten, Advokaten usw. wendet, den Charakter der Vergeltung verliert, wogegen die erzieherische Tönung der Strafe vertieft wird, so daß damit die Idee der Erziehung sich entwickelt; daß die Strafe schließlich, wenn sie sich als Strafvollzugsnorm an die Strafvollzugsbeteiligten, vor allem den Bestraften, wendet, ihre erziehliche Färbung vertieft und damit die Idee der Besserung gänzlich i n den Vordergrund, dagegen i n der vergeltenden Rolle der Strafe in den Hintergrund tritt. W i r d dies veranschaulicht durch eine abfallende Kurve (descending curve), die das Zurückgehen des menschlichen Gefühls von der Vergeltung zeigt, und durch eine aufsteigende Kurve (ascending curve), die den Prozeß des Bewußtwerdens der Idee der Besserung bezeichnet, so w i r d i n dem Falle, wo die Strafe gesetzlich bekanntgemacht wird, jene höher und diese tiefer gezeichnet; i n dem anderen Falle, wo sie
Das japanische Strafrecht
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erkannt wird, werden jene und diese sich kreuzen; i n dem letzten Falle, wo sie vollstreckt wird, w i r d jene tiefer und diese höher gezeichnet. Somit muß man den Begriff der Strafe nicht i n der Ruhe, sondern i n der Bewegung und entwicklungsweise begreifen. Folgendes Schema mag dies veranschaulichen. Betrachtung zur Betrachtung zur Betrachtung in der Zeit der Begehung Zeit der gerichtli- Zeit des Strafder Straftat chen Entscheidung vollzugs Die Menschen all- Die Prozeßgemein beteiligten
Adressat des Strafrechts
Der Bestrafte
Normative Eigenschaft des Straf- Handlungsnorm rechts
Gerichtsnorm
Betrachtungsweise Abstrakte Betrachtung
Abstrakte und Konkrete Betrachkonkrete Betrachtung tung
o ^ «S §£< 15 W ^
Todesstrafe Leibesstrafe Freiheitsstrafe Ehrenstrafe Vermögensstrafe
r
(§11 Abs. 2 StGB)
....
j !
^
Strafvollzugsnorm
1
V Λ
r
^
(§ 18 StGB)
Deshalb hat man die Strafe nach meiner Meinung i m materiellen Straf recht als Vergeltung zu verstehen; bei der Strafvollstreckung aber muß man die erziehliche Seite der Strafe hervortreten lassen. I n Japan w i r d die Lehre von der Erziehungsstrafe betont. Aber sie war nicht immer sofort von japanischen Gelehrten verstanden worden. Sie war lange Zeit von Dr. E. Makino vertreten worden; nach und nach, w i r d sie allgemein gebilligt. Als Idee des Strafvollzugs, meine ich auch, ist die Lehre von der Erziehungsstrafe gutzuheißen. 2. Das Gesetz über die Gefangenenanstalten I. Ü b e r s i c h t Das Gesetz über die Gefangenenanstalten, das dem geltenden japanischen Strafvollzugswesen zugrunde liegt, wurde am 28. März 1908 als Nr. 28 des Gesetzes veröffentlicht und trat am 1. Oktober 1903 in K r a f t 1 . Daß dieses Gesetz seitdem etwa i n 40 Jahren nur i n einigen 1
Vgl. Tokiwa, Strafvollzugsgesetz vom 28. März 1908 und nebst Ausfüh-
Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts
3
A r t i k e l n reformiert wurde, liegt nicht nur daran, daß der Verlauf der Zeit das Strafvollzugswesen nicht so sehr beeinflußt, sondern stammt auch daher, daß diese Gesetzgebung ausgezeichnet war. Jedoch erforderten die Fortschritte des Straf Vollzugs wesens schließlich die Reform des Gesetzes. Daher wurde schon i m Jahre 1923 eine Reform beantragt und auch die Reformarbeit vorbereitet. Der „Entwurf der Reform des Strafvollzugsgesetzes" und der „Vorläufige Entwurf der Reform des Strafvollzugsgesetzes" waren im Jahre 1927 fertig gestellt. Dann vereinigte diese Reformarbeit sich m i t der „Strafgesetzreformarbeit" und wurde i n der „Kommission zur Reform des Strafgesetzes und des Gesetzes über die Gefangenenanstalten" fortgeführt. Aber nur die Strafgesetzreformarbeit schritt gut fort; dagegen machte die Strafvollzugsgesetzreformarbeit nur langsame Fortschritte. I m Jahre 1940 wurden alle Kommissionen und damit auch diese Kommission auf Befehl der Regierung aufgelöst; damit wurde die Strafvollzugsgesetzreformarbeit unterbrochen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Reform des Strafvollzugsgesetzes mit der Reform der Verfassung notwendig. I m Jahre 1948 wurde daher die „Prüfungskommission zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes" i m Justizministerium gebildet. Seitdem beriet sie über den „Grundriß betreffend Reform des Gesetzes über die Gefangenenanstalten". I n der letzten Generalversammlung am 26. August 1949 wurde der „Grundriß der Reform des Gesetzes über die Gefangenenanstalten", der 68 A r t i k e l enthält, angenommen und dem Justizminister überantwortet. Während einerseits diese Arbeit zur gänzlichen Reform fortdauerte, wurden andererseits die dringend abänderungsbedürftigen Teile des Gesetzes über die Gefangenenanstalten i m Jahre 1948 als Nr. 61 und 223 des Gesetzes, i m Jahre 1949 als Nr. 143 des Gesetzes reformiert. II. I n h a l t Als Idee der Strafvollstreckung ist schon oben die Lehre von der Erziehungsstrafe hervorgehoben worden. Doch spielt die Strafe am stärksten da eine erziehliche Rolle, wo eine Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Deshalb ist das Gesetz über die Gefangenenanstalten, das die fundamentale Norm für die Vollstreckung der Freiheitsstrafen ist, mit Rücksicht darauf ausgestaltet, die Gefangenen zu erziehen oder zu bessern. rungsverordnung vom 16. Juni 1908 (in deutscher Übersetzung), Sammlung Außerdeutscher Strafgesetzbücher Nr. 44, 1927, S. 23 ff.
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Das japanische Strafrecht
Es gibt vier Arten von Gefangenenanstalten: Das Zuchthaus ist die erste, das als Anstalt für die zu Zuchthausstrafen verurteilten Gefangenen dient. Das Gefängnis ist die zweite, als die Anstalt für die zu Gefängnisstrafen Verurteilten. Die dritte ist das Hafthaus, die Anstalt für die zu Haft Verurteilten. Die letzte ist das Untersuchungsgefängnis, die Anstalt für Untersuchungsgefangene und für die zum Tode Verurteilten (§ 1). I m 3. Abschnitt des Gesetzes über die Gefangenenanstalten ist die Grundlage des Unterbringungswesens i n Japan erklärt. Grundsätzlich können die Gefangenen nämlich i n Einzelhaft untergebracht werden, soweit es ihrem körperlichen oder geistigen Zustande nicht unzuträglich ist (§ 15). Bei der Verteilung der i n Gemeinschaft unterzubringenden Gefangenen auf die Hafträume sollen die Tat, die Persönlichkeit, die Vorstrafen, das Lebensalter usw. berücksichtigt werden (§ 16 Abs. 1). Die Arbeit der Gefangenen muß gesundheitlich einwandfrei und wirtschaftlich nützlich sein. Bei der Heranziehung der Gefangenen zur Arbeit ist Rücksicht zu nehmen auf die Strafdauer, ihren Gesundheitszustand, ihre Leistungsfähigkeit, ihren Beruf und ihr späteres Fortkommen (§ 24). Ferner sind die Arbeitsmenge, die Arbeitstage, die Arbeitsbelohnung und die Zuschüsse i m 5. Abschnitt des Gesetzes über die Gefangenenanstalten nebst Ausführungsverordnung (diese trat am 16. Juni 1908 i n Kraft) geregelt. Die Strafgefangenen können, wenn sie eine innere Wandlung erkennen lassen, Vergünstigungen erhalten (§ 58 Abs. 1). Dagegen werden Gefangene, wenn sie gegen die Ordnung i n der Anstalt verstoßen, m i t Hausstrafen belegt (§ 59). Die Arten der Vergünstigungen und der Hausstrafen sind i m 11. Abschnitt eingehend bestimmt. I n welchem Falle die Anstaltsbeamten Hieb- und Schußwaffen gegen die Gefangenen anwenden dürfen, ist i m 4. Abschnitt geregelt; insbesondere w i r d i n §§ 21, 22 die besondere Regel für gemeine Gefahr bestimmt. Den Strafgefangenen muß Seelsorge zuteil werden (§ 29). Bei Strafgefangenen unter achtzehn Jahren muß auch für ihre Erziehung gesorgt werden (§ 30). Bekleidung, Lagerung und Beköstigung der Gefangenen sind i m 7. Abschnitt, Verwahrung der eingebrachten Sachen und Erlaubnis von Geschenken für Gefangene sind i m 9. Abschnitt eingehend geregelt. I n dieser Weise erscheint die kontradiktorische Rolle der Strafe als „Erziehimg und Vergeltung" i m Gesetz über die Gefangenenanstalten gemischt.
Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts
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3. Die Verordnung betreffend die Behandlung nach der stufenweisen Beförderung I. D i e
Bedeutung
Die Behandlung nach der stufenweisen Beförderung ist eines der Freiheitsstrafvollzugsmittel, welches die Dauer der vom Gericht erkannten Freiheitsstrafe i n einige Stufen scheidet und nach der stufenweisen Beförderung des Gefangenen dessen Behandlung mildert, ausschließlich u m sein Verantwortlichkeitsgefühl zu bilden und ihn allmählich dem allgemeinen, gesellschaftlichen und freien Leben zu nähern. Die Behandlung nach der stufenweisen Beförderung ist auch in Japan aufgenommen worden, u m das Verantwortlichkeitsgefühl des Gefangenen zu heben, gleichzeitig den freien Willen des Gefangenen zu achten und i n ihm die Hoffnung auf Rückkehr i n die Gesellschaft zu erwecken, i h n wirksam zu bilden und zu verbessern. Durch diese Verordnung wurde der Grundsatz der Bildung und Verbesserung des Verbrechers als die Idee des Strafvollzugs weitgehend verwirklicht. II. D i e
Geschichte
Die Behandlung nach der stufenweisen Beförderung fand schon früher ihren Ausdruck in der „Gefangenenanstaltsregel" und i m „Diagramm der Gefangenenanstaltsregel", die i m Jahre 1872 veröffentlicht wurden, aber nicht i n K r a f t traten und darum nicht verwirklicht wurden. I m Jahre 1930 wurde die systematische Verwirklichung der Behandlung nach der stufenweisen Beförderung i m Innenministerium geplant und die Abfassung der „Regel der Behandlung nach der stufenweisen Beförderung des Gefangenen" begonnen. Nach 60 beratenden Sitzungen wurde der sechste Entwurf fertig gestellt. Dann wurde er als Nr. 35 der Justizministeriumsverordnung vom 25. Oktober 1933 veröffentlicht und trat am 1. Januar 1934 i n Kraft. Die Regelung ist die geltende Verordnung betreffend die Behandlung nach der stufenweisen Beförderung. III. D e r
Inhalt
Der Zweck dieser Verordnung liegt darin, „die Reue des Gefangenen zu fördern, seine Behandlung nach dem Grad seines begeisterten Sichzusammennehmens und Strebens zu mildern und ihn an das gesellschaftliche Leben zu gewöhnen" (§ 1). Daher hat die Behandlung nach der stufenweisen Beförderung zur Anwendung zu kommen nur auf jemanden, gegen den die Anwendung dieser Behandlung wirksam ist. So lautet § 2: „Diese Verordnung kommt auf Zuchthausbestrafte zur Anwendung, ausgenommen jemanden, der der nachfolgenden Ziffer
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Das japanische Strafrecht
entspricht: a) wer sechs Monate der Strafdauer noch nicht vollendet hat; b) wer nicht unter 65 Jahre alt ist und zur Standarbeit nicht taugen kann; c) Schwangere und Wöchnerinnen; d) gesundheitlich Gebrochene und Krüppel oder sonst jemand, der durch die Störung von Geist oder Körper zur Arbeit nicht geeignet ist; e) wer radikale oder gefährliche Gedanken hegt und diese Gedanken nicht aufgibt." Die Behandlung nach dieser Verordnung teilt die Gefangenen i n vier Klassen (§ 16) u n d läßt sie grundsätzlich aus der vierten Klasse nach und nach aufsteigen (§ 17). Die stufenweise Beförderung ist nach folgender Prüfung zu bestimmen: Haltung und Leistung des Gefangenen bei der Arbeit; gute oder schlechte Führung; Stärke des Verantwortlichkeitsgefühls und des Willens ( § 2 1 Abs. 1). Die Prüfung des Zustandes der Persönlichkeit, des Geistes oder des Körpers richtet sich i n Japan nach dem sog. Grundprinzip der „wissenschaftlichen einzelnen Behandlung"; ihr ist das medizinische, psychologische, pädagogische oder soziologische Wissen zugrunde zu legen (§ 9). Die Verordnung bestimmt i m 4. Abschnitt die Unterbringung und die sichernden Maßnahmen, i m 5. Abschnitt die Arbeit, i m 6. Abschnitt die Bildung, i m 7. Abschnitt die Besuche und den Schriftverkehr, i m 8. Abschnitt die Versorgung der zu jeder Klasse gehörigen Gefangenen. 4. Die Vorschrift betreffend die Prüfung der vorläufigen Entlassung I. D i e
Geschichte
I n Japan gab es das vorläufige Entlassungswesen schon i m Jahre 1789. Seitdem wurde dieses fortdauernd in unser Strafvollzugswesen aufgenommen. Jedoch gab jede Verordnung betreffend vorläufiger Entlassung der Gefangenen den Anstaltsbeamten nur das Recht, sie zu erlauben. Damit wurde die wesentliche Rolle des vorläufigen Entlassungswesens nicht richtig verstanden. Man dachte daher daran, daß es rationell wäre, durch die Gesetzgebung die formelle Verpflichtung zur vorläufigen Entlassung einzuführen. Dies ist der Grund, warum die Vorschrift betreffend die Prüfung der vorläufigen Entlassung am 25. Mai 1931 veröffentlicht wurde. II. D e r
Inhalt
Der Zweck der Vorschrift betreffend die Prüfung der vorläufigen Entlassung liegt darin, daß sie ein Maßstab ist, wann die Prüfung der persönlichen Verhältnisse, Verbrechensverhältnisse und Schutzverhältnisse des Gefangenen erforderlich ist (§ 1). a) Die Gegenstände der Prüfung über die persönlichen Verhältnisse
Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts
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des Gefangenen sind erbliche Anlage, Gesundheitsverhältnisse, Geisteszustand, Verantwortlichkeitsgefühl oder Mitwirkungsfähigkeit usw.
(§ 2). b) Die Gegenstände der Prüfung über die Verbrechensverhältnisse des Gefangenen sind Alter zur Zeit der Begehung der Straftat, Strafdauer, Eigenschaft des Verbrechens und Umstände des Falles usw. (§ 3). c) Die Gegenstände der Prüfung über die Schutzverhältnisse sind die Familienumstände, das Gefühl des Gefangenen gegen die sonstigen Familienmitglieder, die Möglichkeit des Einkommens nach der Entlassung usw. (§ 4). Sonst sind die Gemütsgründe und die Umstände zu berücksichtigen (§§ 9 u. 10); gleichzeitig ist das Gesellschaftsgefühl gegenüber dem entsprechenden Verbrechen in Betracht zu ziehen (§ 11). Die Bestimmungen der §§ 18 ff. regeln Zeit und Verfahren der vorläufigen Entlassung. 5. Das Gesetz betreffend Prävention und Rehabilitation der Verbrecher I. D i e
Geschichte
Dem Gesetz betreffend Prävention und Rehabilitation der Verbrecher liegt das bisherige „Gesetz über die Unternehmung des Justizschutzes" (1939) zugrunde. Jenes ist aber ein ganz verändertes neues Gesetz. Nach dem zweiten Weltkrieg erforderte die Änderung der Verhältnisse notwendigerweise die Anpassung des Gesetzes; man kann den Grund der Regelung dieses Gesetzes erst dann verstehen, wenn man die jüngsten Verhältnisse i n Japan erkennt. Die Verbrechen nahmen in Japan allmählich i m Verhältnis zur Vorkriegszeit zu und verschlimmerten sich. Dagegen war die Zahl der Gefangenenanstalten, die die Verbrecher aufzunehmen hatten, aus wirtschaftlichen Gründen übermäßig gering. Auch waren Schutz oder Beaufsichtigung nötig für die, denen Aufschub der Strafvollstreckung oder vorläufige Entlassung gewährt worden war, weil die Mehrzahl der Personen während des Aufschubes der Strafvollstreckung oder der vorläufigen Entlassung wieder rückfällig wurden. Weiter nahmen die Verbrechen von Jugendlichen zu. Deshalb hatte man die Maßregel für jugendliche Verbrecher zu schaffen. A u f Grund dieser Verhältnisse wurde vom Jahre 1947 an die Neuregelung i m Justizbureau entworfen. Dann wurde nach einigen beratenden Sitzungen der Entwurf des Gesetzes i m 5. Parlament beantragt. M i t einigen Zusätzen wurde dieses Gesetz als Nr. 142 des Gesetzes am 31. Mai 1949 veröffentlicht und trat vom 1. J u l i 1949 an i n Kraft. Es ist das Gesetz betreffend Prävention und Rehabilitation der Verbrecher.
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Das japanische Strafrecht
II. D e r
Inhalt
Das Gesetz betreffend Prävention und Rehabilitation der Verbrecher besteht aus drei Abschnitten: allgemeine Bestimmungen, Kommission für Prävention und Schutz, Maßregeln der Rehabilitation. Der Zweck dieses Gesetzes ist an den Anfang des 1. Abschnittes gesetzt: „Dieses Gesetz beabsichtigt, zur Verbesserung und Rehabilitation einer Person, die eine Straftat begangen hat, zu helfen, für die treffende A n wendung und Begnadigung zu sorgen, eine gerechte und angemessene Verwaltung der vorläufigen Entlassung oder der sonstigen damit zusammenhängenden Vorgänge zu bestimmen, die Tätigkeit über die Prävention der Verbrecher zu fördern und dadurch die Gesellschaft zu beschützen und das Wohl des Einzelnen oder der Öffentlichkeit zu vermehren" (§ 1 Abs. 1). I m § 2 ist der Begriff der „Jugendlichen" und der „Erwachsenen" erklärt: jene sind die Personen zwischen dem 14. und 22. Lebensjahr, diese sind die Personen, die über dreiundzwanzig Jahre alt sind. I m 2. Abschnitt sind die Bestimmungen betreffend die Einrichtung und das System der Kommissionen für Rehabilitation und Schutz (§§ 3 bzw. 15), Befugnisse dieser Kommissionen (§§ 16 bzw. 19), Geschäftseinteilung und Personal der Kommissionen niedergelegt. Die Zentralkommission für Rehabilitation und Schutz, die die hauptsächliche Organisation ist, ist eines der äußeren Ämter des Justizbureaus. Die provinziale Kommission zum Schutz der Jugendlichen und die provinziale Kommission zum Schutz der Erwachsenen ist eine der Zweigabteilungen der Zentralkommission (§ 3 Abs. 1). Der 3. Abschnitt, der die Rehabilitation regelt, enthält die Bestimmungen betreffend vorläufige Entlassung (§§ 28 bzw. 32), Schutzaufsicht (§§ 33 bzw. 42), Ablauf usw. der Schutzaufsicht (§§ 43 bzw. 48), Prüfung über Maßnahmen der provinzialen Kommission (§§ 49 bzw. 51) und verschiedenartige Bestimmungen (§§ 52 bzw. 60). Das ist der Kern dieses Gesetzes. Von diesem Gesetze w i r d als Gegenstand der Schutzaufsicht angesehen: gegen wen nach § 24 Abs. 1 Ziff. 1 JGG eine neue Schutzmaßnahme angeordnet worden war; wer aus einer Jugendanstalt vorläufig entlassen war; wer aus einer Gefangenenanstalt vorläufig entlassen war; wem, falls er noch nicht achtzehn Jahre alt war, bei Zuchthaus oder Gefängnis Aufschub der Strafvollstreckung gewährt worden war, so daß er unter Strafvollstreckungsaufschub steht. Derjenige, gegen den Schutzmaßnahmen angeordnet waren, muß die allgemeinen Befolgungsartikel beobachten, die i n diesem Gesetze bestimmt sind (§ 34); aber er muß, wenn er aus der Gefangenenanstalt oder aus der Jugendanstalt vorläufig entlassen wird, auch die besonderen Befolgungsartikel, die von der provinzialen Kommission be-
Die Grundlagen des Strafvollzugsrechts
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stimmt sind ( § 3 1 Abs. 3), und wenn gegen i h n nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 JGG Schutzmaßnahmen angeordnet werden, auch dieselben beobachten, die von der provinzialen Kommission zum Schutz der Jugendlichen bestimmt sind (§ 38 Abs. 1). Der Inhalt der allgemeinen Befolgungsartikel ist folgender: A n einem bestimmten Wohnsitz zu wohnen; sich gut zu führen; mit jemandem, der verbrecherische Tendenzen hat oder sich selbst schlecht aufführt, nicht zu verkehren; bei Änderungen des Wohnsitzes oder weiten Reisen die Erlaubnis des die Schutzaufsicht Führenden einzuholen (§ 34 Abs. 2). Es ist der Zweck der Schutzaufsicht, jemanden, der unter Schutzaufsicht steht, dadurch zu verbessern, daß der entsprechende Beamte i h n die allgemeinen und besonderen Befolgungsartikel beobachten läßt, ihn leitet und die Aufsicht führt, dirigiert und unterstützt (§ 34 Abs. 1). Wer unter Schutzaufsicht steht oder aus einer Gefangenenanstalt oder einer Jugendanstalt vorläufig entlassen ist und die Befolgungsartikel nicht beobachtet, w i r d nach den Bestimmungen der §§ 43 bzw. 46 gemaßregelt. Wer mit dieser Maßregel nicht einverstanden ist, kann nach der Bestimmung des § 49 ihre Überprüfung durch die Zentralkommission beantragen. Dann muß die Zentralkommission die Überprüfung vornehmen (§ 50) und die endgültige Entscheidung treffen (§ 49 Abs. 1). I n verschiedenartigen Bestimmungen sind eingehende technische Regelungen getroffen. 6. Das Gesetz über die Jugendanstalten I. D i e G e s c h i c h t e I m Gesetz betreffend die Jugendanstalten handelt es sich darum, daß der Staat jemanden, der von dem Familiengericht übersandt wird, unter Schutzmaßnahme nimmt und i h m die Verbesserungsbildung gewährt. Ein Gesetz von dieser A r t war bereits vom Jahre 1922 an als Gesetz über die Verbesserungsanstalten i n Kraft getreten; abër dieses Gesetz mußte mit dem Wechsel der Verhältnisse nach dem zweiten Weltkrieg, vor allem mit der Reform der Verfassung, reformiert werden. Daher wurde die Reform des „Gesetzes über die Verbesserungsanstalten" mit der Reform des „Jugendlichengesetzes" begonnen. Dann wurde am 15. J u l i 1948 das „Gesetz über die Jugendanstalten", das vom Gesetz über die Verbesserungsanstalten verschieden ist, veröffentlicht; es trat vom 1. Januar 1949 an i n Kraft. II. D e r I n h a l t Dieses Gesetz besteht nur aus 17 A r t i k e l n und bestimmt Arten und Verwaltung der Jugendanstalten, M i t t e l und Grad der Verbesserungs-
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Das japanische Strafrecht
bildung, Seelsorge, Behandlung nach der stufenweisen Beförderung, Belohnung, Disziplin, Weitergabe an sonstige Anstalten, Entlassung oder vorläufige Entlassung usw. Die Jugendanstalten sind i n vier A r ten geteilt: Die elementaren Jugendanstalten nehmen diejenigen auf, deren Geist oder Körper nicht sehr merklich gestört ist und die über vierzehn, aber noch nicht sechzehn Jahre alt sind. Die mittleren Jugendanstalten nehmen diejenigen auf, deren Geist oder Körper nicht sehr merklich gestört ist, und die über sechzehn, aber noch nicht zwanzig Jahre alt sind. Die speziellen Jugendanstalten nehmen diejenigen auf, deren Geist oder Körper nicht sehr merklich gestört ist, aber die verbrecherische Tendenzen haben, und die über sechzehn, aber noch nicht dreiundzwanzig Jahre alt sind. Die ärztlichen Jugendanstalten nehmen diejenigen auf, deren Geist oder Körper sehr merklich gestört ist, und die über vierzehn, aber noch nicht sechsundzwanzig Jahre alt sind. I n allen Jugendanstalten sollen Männer und Frauen für sich in besonderen Anstalten untergebracht werden (§ 2). Wer in eine Jugendanstalt aufgenommen wird, dem w i r d Seelsorge, Führung zum Beruf, entsprechende Ausbildung und ärztliche Behandlung zuteil, wie sie für seine Klasse gemäß sind. Wenn der Aufgenommene das zwanzigste Lebensjahr erreicht hat oder wenn an i h m zu bemerken ist, daß der Zweck der Verbesserung schon erreicht ist, so ist er zu entlassen (§§ 11 u. 12). Wer bis zum höchsten Grad der stufenweisen Beförderung gestiegen ist, oder bei wem es sonst sinnvoll erscheint, ist vorläufig zu entlassen (§ 12 Abs. 2).
Das Strafrecht Jugoslawiens Von Prof. Dr. August M u n d a , Ljubljana
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u l n d s
Stra
.
Inhalt E r s t e r A b s c h n i t t : G e s c h i c h t e des in J u g o s l a w i e n
Strafrechts
I. Die Strafgesetzgebung in den einzelnen Ländern vor der Entstehung Jugoslawiens. — I I . I n der Zeit von 1918—1941. — I I I . In der FVRJ. — I V . Quellen des geltenden mat. StR in der FVRJ. — V. Schrifttum. Z w e i t e r A b s c h n i t t : D e r a l l g e m e i n e T e i l des S t r a f r e c h t s I. Gliederung des allgemeinen Teiles des StGB. — I I . Grundlagen des StGB. 1. Strafpolitik. 2. Die strafbare Handlung. 3. Das Legalitätsprinzip. 4. Der Strafzweck. — I I I . Die strafrechtliche Verantwortlichkeit. 1. Die soziale Gefährlichkeit. 2. Die Zurechnungsfähigkeit. 3. Minderjährige. 4. Vorsatz, Fahrlässigkeit, Irrtum. 5. Notwehr, Notstand. — IV. Die Begehung der strafbaren Handlung. 1. Art, Zeit, Ort der strafbaren Handlung. 2. Vorbereitungshandlung und Versuch. 3. Teilnahme. — V. Strafen. 1. Hauptstrafen. 2 Nebenstrafen. 3. Geldstrafe. — V I . Strafzumessung. 1. Allgemeine Regel. Rückfall. Besonders schwere Fälle. 2. Strafmilderung. Absehen von Bestrafung. Anrechnung der Haft. 3. Zusammentreffen strafbarer Handlungen. 4. Bedingte Verurteilung. — V I I . Strafvollzug. Bedingte Entlassung. — V I I I . Sichernde Maßnahmen. — I X . Erziehungs-Besserungsmaßnahmen gegen Minderjährige. — X. Erlöschungsarten der Strafe. 1. Verjährung. 2. Amnestie und Begnadigung. 3. Rehabilitation. •— X I . Strafantrag und Prïvatanklage. — X I I . Geltung des StrG. 1. Zeitliche Geltung. 2. Räumliche Geltung. 3. Persönliche Geltung. 4. Verhältnis zwischen Bundesstrafrecht und dem StR der VR. — X I I I . Legaldefinitionen. Dritter
Abschnitt: Der besondere
T e i l des
Strafrechts
Allgemeines. Die einzelnen strafbaren Handlungen. — I. Volk und Staat. — I I . Menschlichkeit und internationales Recht. — I I I . Leib und Leben. — IV. Freiheit und Bürgerrechte. — V. Arbeitsverhältnisse. — V I . Ehre und guter Ruf. — V I I . Würde der Person und Moral. — V I I I . Ehe und Familie. — I X . Gesundheit von Menschen. — X. Volkswirtschaft. — X I . Gesellschafts- und Privatvermögen. — X I I . Allgemeine Sicherheit für Menschen und Vermögen. — X I I I . Rechtspflege. — X I V . Öffentliche Ordnung und Rechtsverkehr. — X V . Amtspflicht. — X V I . Bewaffnete Macht. Vierter
Abschnitt: Wichtigere Nebengesetze
strafrechtliche
F ü n f t e r A b s c h n i t t : G r u n d l a g e n des S t r a f v o l l z u g e s I. Vollzugsorgane. — I I . Strafvollzug. — I I I . Vollzug von Sicherungsmaßnahmen. — IV. Vollzug von Strafen, Erziehungs-Besserungsmaßnahmen und Sicherungsmaßnahmen gegen Minderjährige. 24·
Abkürzungen ALV:
Autonomes Land Vojvodina,
Arhiv:
Arhiv za pravne i drustvene nauke (Archiv für Rechtswissenschaft und Gesellschaftslehre)', Beograd,
BAB:
Bundesamtsblatt (Sluzbeni list FNRJ) — erscheint in serbischer, kroatischer, slowenischer und mazedonischer Sprache,
BV:
Bundesverfassung,
Din:
Dinar (Valuta in der FVRJ),
Einf.G:
Einführungsgesetz zum StGB,
Exp.:
Exposé des Justizministers zum StG-Entwurf,
FVRJ:
Föderative Volksrepublik Jugoslawien,
Mot:
Motivenbericht zum StG-Entwurf,
Off.Kom:
Offizieller Kommentar zum StGB, Allg. Teil 1947,
StG:
Strafgesetz,
StGB :
Strafgesetzbuch,
StPGB :
Straf prozeßgesetzbuch,
StR:
Straf recht,
St V G :
Strafvollzugsgesetz,
Vdg:
Verordnung,
VG:
Verfassungsgesetz,
V.Konf:
Vermögenskonfiskation,
VR :
Volksrepublik.
Erster
Abschnitt
Geschichte des Strafrechtes in Jugoslawien Jugoslawien entstand als selbständiger Staat mit Beendigung des ersten Weltkrieges i m Jahre 1918 durch freiwilligen Zusammenschluß Serbiens, Montenegros (Crna gora) und der von Serben, Kroaten und Slowenen bewohnten Gebiete der österreichisch-ungarischen Monarchie. Das Strafrecht der südslawischen Völker ging i n seiner geschichtlichen Entwicklung, wie das Strafrecht anderer Völker, durch die Perioden privater und öffentlicher Reaktion gegen das Verbrechen. I. Die Strafgesetzgebung in den einzelnen Ländern vor der Entstehung Jugoslawiens 1. S e r b i e n 1 M i t der Rezeption des römisch-byzantinischen Rechtes verliert die Strafe ihren privatrechtlichen Charakter. Rezipiert wurden kirchlichweltliche Gesetze und rein weltliche Gesetzessammlungen. Von besonderer Bedeutung ist der Nomokanon des hl. Sava aus der Zeit von 1200—1208. Eine teilweise Kodifikation erhielt das serbische Strafrecht erst i m Gesetzbuche des Zaren Dusan i m Jahre 1349 (ergänzt im Jahre 1354). Das Gesetz (201 Artikel) umfaßt alle Rechtszweige, hat aber vorwiegend strafrechtlichen Charakter, es behandelt jedoch nicht alle strafbaren Handlungen. Die Strafen sind grausam (byzantinischer Einfluß) und verschieden je nach der Standeszugehörigkeit des Täters. Eine kollektive strafrechtliche Verantwortlichkeit der Familie oder Dorfgemeinde bestand vor allem hinsichtlich der Bezahlung der Geldstrafe (Art. 52). Nach dem Zusammenbruch des serbischen mittelalterlichen Staates (1454—1459) zur Zeit der Türkenherrschaft erhielt die Reaktion gegen das Verbrechen wieder privatrechtliches Gepräge (Blutrache und Komposition). Nach dem ersten Auf stände der Serben zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Strafgesetzgebung erneuert. I m Jahre 1804 verfaßte Prota Nenadovic ein „Strafgesetz". Es enthält nur vierzehn Punkte, sieben davon sind erhalten. I m Jahre 1807 aber veröffentlichte Fürst Alexander Karadjordje sein Kriminalgesetzbuch 1
Zivanovic,
Grundlagen des StR Allg. T. I, Beograd 1935, S. 64—90.
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Das Strafrecht Jugoslawiens
(38 Paragraphen, die ersten 13 sind nicht erhalten) 2 . Die strafbaren Handlungen dieses Gesetzes sind größtenteils militärischer Natur, die Strafen grausam, ζ. B. Tötung auf dem Rade nach vorhergegangenem Auspeitschen. Für leichtere strafbare Handlungen galt das System der Komposition (Entschädigung), ζ. B. beim einfachen Diebstahl. Außer diesen beiden erwähnten Gesetzen wurden insbesondere i n den vierziger Jahren einige strafrechtliche Verordnungen m i t Gesetzeskraft erlassen. Von diesen wären zu erwähnen: die Vdg vom 22. Oktober 1843 über die Bestrafung von Aufruhr und Empörung; vom 26. Mai 1847 betr. Diebstahl und Raub; vom 27. Mai 1850 gegen das Heidukenunwesen 3 ; und vom 6. M a i 1859 über die Umwandlung der Strafe des Spießrutenlaufens. Eine neue Strafrechtsepoche bedeutet das „Strafgesetz für Polizeiübertretungen vom Jahre 1850"; die Reaktion auf die strafbare Handlung w i r d ausschließlich öffentlichrechtlich. A m 27. März 1860 wurde ein neues Strafgesetzbuch erlassen. Dieses rezipierte größtenteils die Bestimmungen des preußischen Strafgesetzbuches vom Jahre 1851 und erhielt zahlreiche Abänderungen und Ergänzungen. Die Prügelstrafe wurde im Jahre 1873 aufgehoben. I m Jahre 1910 wurde ein Strafgesetzentwurf m i t umfangreichem Motivenbericht ausgearbeitet. Deutsche Übersetzung von Topalovic und Landsberg, Berlin, 1911 (Guttentag). S c h r i f t t u m : 1. Taranovski, T., Istori ja srpskog prava u Neman jickoj drzavi. I I . d. Istorija Krivicnog prava. Beograd. 1931 (Geschichte des serbischen Rechtes i m Staate der Nemanjice. I I . T. Die Geschichte des Strafrechts). — 2. Djoritsch, Sv., Verbrechen und Strafe im Gesetzbuche St. Duschans, Zeitschrift f. vergi. Rechtsw. 30. 1912. S. 337—437. — 3. Derselbe, Die strafrechtliche Gesamthaftung i m slawischen Recht, ib. 23. 1. S. 261—275. — 4. Urosevic, Lazar. Pravosudje i pisano pravo u srednejevekovnoj Srbiji. Beograd 1939 (Rechtspflege u. geschriebenes Recht im mittelalterl. Serbien). — 5. Jovanovic, Aleksa. Prinosci za istoriju starog srpskog prava. Beograd. I. I I . 1900 (Beiträge zur Geschichte des alten serb. Rechtes). Umfangreiche Literaturangabe bei Zivanovic, Osnovi krivicnog prava (Grundlagen des StR) Allg. T. I. Buch, Beograd, 1935, S. 64—65.
2. C r n a g o r a ( M o n t e n e g r o ) Vladika und Fürst Peter I. erließ ein Gesetzbuch (im J. 1796 — 16 Art., i m J. 1803 — 17 Art.), welches außer verfassungsrechtlichen auch einige strafrechtliche Bestimmungen enthielt. Trotzdem blieben unter 2
§§ 14—33 zit. bei Zivanovic, S. 79—81. Heiduken waren Freiheitskämpfer, die mit Waffen in die Berge flüchteten, um dem Greuel der Tür kenherrsch aft zu entgehen. Nach Beendigung der Türkenherrschaft verlor das Heidukenwesen seine Existenzberechtigung. Der Nimbus des Helden verschwand, es blieb nur noch der Charakter des Räubers und Wegelagerers. A m 29. Juli 1895 wurde ein neues Gesetz gegen das Heidukenunwesen erlassen, wodurch die diesbez. Bestimmungen des StGB (§ 243) ergänzt wurden. 3
Geschichte des Strafrechts in Jugoslawien
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den Volksstämmen die ursprünglichen Rechtsgebräuche i n Geltung. I m Jahre 1855 veröffentlichte Fürst Danilo ein Gesetzbuch (95 Art.) mit strafrechtlichen Bestimmungen (deutsche Übersetzung bei Manz, Wien, 1859, Inhaltsangabe in Liszt's Strafrecht der Staaten Europas, Berlin, 1894, S. 340—342). Das StGB vom Jahre 1906 ist eine fast wörtliche Nachbildung des serbischen StGB aus dem Jahre 1860. S c h r i f t t u m : 1. Jelic, Iii ja. Krvna osveta in umir u Crnoj gori i Severnoj Albaniji, Biblioteka Arhiva za arbanasku starinu. I I I . Beograd. 1926. (Blutrache und Sühnegeld in Crna gora und Nordalbanien.) — 2. Petranovic , Β. Ο osveti, mirenju i vrazdi. Rad jugosl. akademije. Zagreb. 6. I I . Srbija i Crna gora. (Rache, Sühnegeld und Entschädigung.) — 3. Petrovic, Radmila. Zakonik Petra I. vladike crnogorskog, Godisnjica Nikole Cupica, Beograd X X X I X , 1930, 43—71. (Das Gesetzbuch Peters I.) — Weitere Literaturangabe bei Zicanovic, wie sub 1.
3. B o s n i e n - H e r z e g o v i n a Die beiden Länder standen unter der Herrschaft des moslemitischen Rechtes. Anfangs des 19. Jahrhunderts suchte die Pforte auch i n Bosnien-Herzegovina gesetzgeberische Reformen einzuführen, doch scheiterten diese Versuche am Widerstaride des bosnischen Adels. I m Jahre 1857 erließ die Pforte ein neues StGB, nach erfolgter Okkupation durch Österreich-Ungarn (1878) wurde die Strafjustiz anfangs durch die Okkupationsbehörden ausgeübt, i m Jahre 1879 aber erschien ein neues StGB, das dem österreichischen StGB aus dem Jahre 1852 nachgebildet ist. 4. K r o a t i e n - S l a w o n i e n I n diesen beiden ehemaligen habsburgiüchen Ländern galt bis zur C. C. Theresiana (1768) das Partikularrecht der einzelnen Länder, bezüglich geringerer Verbrechen aber das Gewohnheitsrecht. Die StGB aus den Jahren 1787 und 1803 hatten i n Kroatien-Slawonien keine Geltung, wohl aber das StGB aus dem Jahre 1852. Dieses erhielt zahlreiche Ergänzungen durch die kroatische autonome Strafgesetzgebung (seit 1868). Von diesen wären zu erwähnen die Gesetze: von 1872 (Abschaffung der körperlichen Züchtigung), 1875 (bedingte Entlassung), 1902 (Zwangserziehung Minderjähriger), 1910 (Schutz des Rechtes auf elektrische Energie), 1916 (bedingte Verurteilung), 1918 (Bestrafung und Schutz Minderjähriger). I m Jahre 1879 verfaßte Sektionschef Dr. Marijan Derencin einen StGEntw. mit Motivenbericht. S c h r i f t t u m : 1. Jantolek, Stevan. Istori ja drzave i prava naroda FNRJ. I I . Beograd 1948. (Staats- und Rechtsgeschichte der Völker der FVRJ.) — 2. Kostrencic, Marko. Vinodolski zakon, Rad jugosl. akademije, 227. 1922, S. 110—230. (Das Statut von Vinodol.) — 3. Inchiostri , Ugo. Die alcuni aspetti del diritto penale nei documenti e statuti dalmati del medio evo, Rivista dalmatica, Zara. 1928. — 4. Auer, Georg. Die Strafbestimmungen i m Ver-
Das Strafrecht Jugoslawiens böczischen Corpus juris Tripartitum Hungariae. 1514. Z. f. vergi. Rechtsw. 27, 245—260.
5. S l o w e n i e n u n d D a l m a t i e n Bis zur Gründung Jugoslawiens teilen die slowenischen Länder Österreich-Ungarns das Schicksal der übrigen österreichischen bzw. ungarischen Länder. Dalmatien teilt das Schicksal Sloweniens seit dem Frieden von Campoformio (1797), Dubrovnik (Ragusa) aber erst seit dem Jahre 1814.
II. Die Strafgesetzgebung Jugoslawiens vom 28. Oktober 1918 (Gründung des Staates) bis zum 6. April 1941 (Kriegsbeginn) Zur Zeit der Gründung Jugoslawiens (1918) bestanden daselbst sechs verschiedene Rechtsgebiete, i n diesen sechs verschiedene Strafgesetzbücher. U m diesem Übelstand wenigstens teilweise abzuhelfen, wurde mit den Notverordnungen vom 25. Februar 1919, 19. August 1919 und 16. März 1921 das I X . und X. Hauptstück und der allgemeine Teil des serbischen StGB, dieser jedoch nur i n bezug auf diese beiden Hauptstücke (Verbrechen und Vergehen gegen das Vaterland, gegen den Herrscher und die Verfassung, gegen das Gesetz, Obrigkeit und öffentliche Ordnung) auf das gesamte Staatsgebiet ausgedehnt; desgleichen das serbische Mil.StGB vom Jahre 1901. Einige grundsätzliche strafrechtliche Bestimmungen enthielt auch die Verfassung vom 21. Juni 1921, so z. B. das Verbot der Verhängung der Todesstrafe wegen rein politischer Verbrechen. Von den zahlreichen strafrechtlichen Nebengesetzen dieser Zeit wären zu erwähnen: Das Gesetz über die Bekämpfung der Teuerung von Lebensmitteln und gewissenloser Spekulation (1921), das Gesetz zum Schutze der öffentlichen Sicherheit und Ordnung i m Staate (1921), die Ausführungsverordnung über die Errichtung von Zwangsarbeits- und Besserungsanstalten (1923), das Pressegesetz (1925), das Gesetz über die Bekämpfung von Mißbräuchen der Amtspflicht (1929). I m Jahre 1921 wurde eine Kommission zur Verfassimg eines StG.Entw. eingesetzt. Als Grundlage ihrer Arbeit diente der serbische StG.Entw aus dem Jahre 1910. Der Entwurf wurde 1922 umgearbeitet, 1926 neu redigiert, 1929 endgültig umgearbeitet und am 27. Januar 1929 zum Gesetz erhoben.
III. Die Strafgesetzgebung in der FVRJ Die Grundlagen der Strafgesetzgebung i n der FVRJ wurden schon während des Befreiungskampfes i n den Jahren 1941—1945 geschaffen. Bahnbrechend i n dieser Beziehung waren die Anleitungen verschiedener militärischer Abteilungskommandanten und schließlich die Verordnung der Militärgerichte vom 24. M a i 1944.
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Durch den Erlaß des antifaschistischen Rates der nationalen Befreiung (oberstes revolutionäres Staatsorgan) vom 3. Februar 1945, B A B vom 13. Februar 1945, Z. 4, bzw. mit dem Gesetze vom 23. Oktober 1946, B A B vom 25. Oktober 1946, Z. 86, wurden alle Vorschriften des alten Jugoslawiens, die am 6. A p r i l 1941 (Kriegsausbruch) in Geltung waren, außer K r a f t gesetzt und durften nur als Rechtsregeln auf Grund des zit. Erlasses auf Rechtsverhältnisse angewendet werden, die durch neue Vorschriften noch nicht geregelt waren, und sofern sie mit den neuen Vorschriften nicht in Widerspruch standen. Grundsätzliche Bestimmungen über die Strafgesetzgebung enthielt schon die Bundesverfassung vom 31. Januar 1946, B A B vom 1. Februar 1946, Z. 10. Gemäß A r t . 44, Z, 22 der Verfassung ist die Gesetzgebung über Gerichtsorganisation, den öffentlichen Ankläger, Advokatur, materielles und formelles Strafrecht Bundesangelegenheit. Die Verfassung enthielt ein besonderes Hauptstück von den Volksgerichten (Art. 115—123), über den öffentlichen Ankläger (Art. 124—128) und Vorschriften über die wichtigsten Grundsätze der materiellen und formellen Strafgesetzgebung. Auch nach dem neuen Verfassungsgesetze vom 13. Januar 1953 fällt die dort erwähnte Gesetzgebung i n den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Bundesvolksversammlung (Art. 15, Ζ 5 a). Die A r t . 115—128 der Bundesverfassung sind durch das Gerichtsgesetz und durch das Gesetz vom öffentlichen Ankläger außer K r a f t gesetzt. Schon i m Jahre 1945 wurden grundlegende Gesetze zum Schutz der politischen und wirtschaftlichen Ordnung erlassen. Dies waren temporäre Gesetze; ihre Geltungsdauer war auf die Zeit bis zum Erlaß eines besonderen Teiles des StGB eingeschränkt. Hierher gehören: die Gesetze von den strafbaren Handlungen gegen Volk und Staat, das Gesetz vom Verbot der Entfachung nationalen, rassischen und konfessionellen Hasses und Zwiespaltes, das Gesetz von der Bekämpfung unerlaubten Handels, unerlaubter Spekulation und wirtschaftlicher Sabotage; das neue Strafensystem wurde aber i m Gesetze über die Strafarten festgelegt. I n diese Periode gehören auch verschiedene strafrechtliche Nebengesetze. Das wichtigste Glied i m Ausbau der damaligen Strafgesetzgebung bildet das Gesetz vom allgemeinen Teil des StGB vom 4. Dezember 1947, B A B vom 13. Dezember 1947, Z. 106. Die wichtigsten Bestimmungen dieses Gesetzes waren: die materielle Konzeption der strafbaren Handlung (soziale Gefährlichkeit) und der Strafzweck. Die Bestimmung über Analogie (Gesetzesanalogie) erschien zu jener Zeit notwendig, weil das System der strafrechtlichen Vorschrif-
Das Strafrecht Jugoslawiens
ten noch nicht ausgebaut war 4 . Nach Erlaß dieses Gesetzes wurde der Ausbau des Stoffes des besonderen Teiles des StGB fortgesetzt. I m Jahre 1948 wurde das Gesetz von den strafbaren Handlungen gegen das allgemeine Volksvermögen, gegen das Vermögen genossenschaftlicher und anderer gesellschaftlicher Organisationen und das Gesetz von den strafbaren Handlungen gegen die Amtspflicht erlassen. Außer zahlreichen strafrechtlichen Nebengesetzen war das weitere Ergebnis der gesetzgeberischen Tätigkeit der Entwurf über die Abänderung des allgemeinen Teiles des StGB, der Entwurf eines besonderen Teiles und schließlich der einheitliche Entwurf eines StGB. Die Voraussetzungen für die Ausarbeitung eines neuen StGB waren gegeben: zahlreiche Vorschriften in verschiedenen Nebengesetzen und eine reichhaltige gerichtliche Judikatur.
IV. Die wichtigsten Quellen des geltenden materiellen Strafrechts in der FVRJ 1. Das StGB vom 2. März 1951, B A B vom 9. März 1951, Z. 13. 2. Das Einführungsgesetz zum StGB vom 28. Februar 1951, B A B vom 1. März 1951, Z. 11. 3. Das Strafprozeßgesetzbuch vom 10. September 1953, B A B vom 30. Sept. 1953, Z. 40 m i t dem Einführungsgesetze. 4. Das Gesetz über Strafvollzug, Sicherungsmaßnahmen und Erziehungs-Besserungsmaßnahmen vom 8. Oktober 1951, B A B vom 24. Oktober 1951, Z. 47. 5. Das Gesetz vom öffentlichen Ankläger vom 26. November 1954, B A B vom 8. Dezember 1954, Z. 51. 6. Das Gerichtsgesetz vom 3. J u l i 1954, B A B vom 21. J u l i 1954, Z. 30. 7. Die Bundesverfassung vom 31. Januar 1946, B A B vom I.Februar, Z. 10, abgeändert durch das Verfassungsgesetz über die Grundlagen der gesellschaftlichen und politischen Organisation der FVRJ und über die Bundesorgane der Volksgewalt vom 13. Januar 1953, B A B vom 14. Januar 1953, Z. 3. 8. Der Erlaß des antifaschistischen Rates der nationalen Befreiung vom 3. Februar 1945, bestätigt und ergänzt durch das Gesetz vom 23. Oktober 1946, B A B vom 25. Oktober 1946, Z. 86. 4 Diese Bestimmung lautet, wie folgt. „Es besteht eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für eine solche sozialgefährliche Tat, die zwar im Gesetz nicht ausdrücklich bestimmt ist, aber infolge Ähnlichkeit ihrer Merkmale mit einer strafb. Handlung übereinstimmt, die im Gesetze ausdrücklich bestimmt ist. I n einem solchen Falle werden die Grundlagen für die Verantwortlichkeit und die Grenzen der Strafbarkeit nach den Vorschriften für die strafbare Handlung bestimmt, nach deren Merkmalen die strafrechtliche Verantwortlichkeit festgestellt worden ist."
Geschichte des Strafrechts in Jugoslawien
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9. Das M i l i t ä r g e r i c h t s g e s e t z v o m 26. N o v e m b e r 1954, B A B v o m 15. D e z e m b e r 1954, Z . 52. 10. Das Gesetz v o m M i l i t ä r a n k l ä g e r v o m 12. D e z e m b e r 1946, B A B v o m 17. D e z e m b e r 1946, Z. 101. 11. Das Gesetz v o n der V o l k s m i l i z v o m 2. D e z e m b e r 1946, B A B v o m 17. D e z e m b e r 1946, Z. 101. 12. D i e H a u s o r d n u n g e n f ü r Strafbesserungsanstalten, Besserungsheime f ü r v e r u r t e i l t e M i n d e r j ä h r i g e u n d f ü r das S c h u t z h e i m f ü r Schwangere v o m 15. N o v e m b e r 1952, B A B v o m 26. N o v e m b e r 1952, Z . 57. 13. Das Gesetz ü b e r die E r t e i l u n g v o n A m n e s t i e u n d B e g n a d i g u n g v o m 5. J u n i 1945, e r g ä n z t d u r c h das Gesetz v o m 2. N o v e m b e r 1946, B A B v o m 5. N o v e m b e r 1946, Z . 89. 14. Das Pressegesetz v o m 21. J u n i 1946, B A B v o m 25. J u n i 1946, Z. 51. Siehe auch 4. A b s c h n i t t : S t r a f r e c h t l . Nebengesetze. V . Schrifttum a) Jugoslawien v o m 28. Oktober 1918 bis zum 6. A p r i l 1941 1. S y s t e m e Dr. Toma Zivanovic, a) Osnovni problemi krivicnog prava (Die Grundprobleme des Strafrechts), Beograd, 1930, S. 219. b) Les problèmes fondamentaux du droit criminel, Paris, 1929, S. 227. c) Osnovi krivicnog prava (Die Grundlagen des Strafrechts), Beograd. Allgemeiner Teil. I. Buch. 1935, S. 388. I I . Buch 1936/37, S. 472, 1941, S. 48. Besonderer Teil. I. Buch. 1. Heft, 1937/38, S. 164. 2. Heft, 1938/39, S. 200. I I . Buch. 1. Heft. 1933, S. 232. 2.Heft, 1936, S. 208, 3. Heft, 1939, S. 100. d) Osnovi vojnog krivicnog prava (Die Grundlagen des Militärstrafrechtes), Allgemeiner Teil, Beograd, 1924, S. 194. e) Ο uvredi i kleveti (Von der Beleidigung und üblen Nachrede), Beograd, 1927, S. 125. f) Istupi iz krivicnog zakonika (Die Übertretungen aus dem StGB), Beograd. 1926, S. 163. — Dr. Miodrag Acimovic, Krivicno pravo (Strafrecht), I. Buch. Allgemeiner Teil. Subotica 1937, S. 190. I I . Buch. Besonderer Teil. 1. Heft. 1940. S. 46. — Dr. Josip Silovic-Dr. Stanko Frank, ,Kazneno pravo, Zagreb. (Strafrecht), Allgemeiner Teil 1929, S. 215. Besonderer Teil, 1934, S. 112, 1936, S. 168. — Dr. Metod Dolenc-Alexander Maklecov, Sistem celokupnega kazenskega prava kraljevine Jugoslavi je. (System des gesamten Straf rechts des Königreiches Jugoslawien.) Ljubljana, 1934, S. 415. 2. K o m m e n t a r e Dr. Mihajlo Cubinski, Naucni i prakticni komentar (Wissenschaftlicher und praktischer Kommentar zum Strafgesetzbuch), Beograd, 1930. S. 743. — Dr. Metod Dolenc, Tolmac h kazenskemu zakoniku kraljevine Jugoslavie (Kommentar zum Strafgesetzbuch). Ljubljana, 1929, S. 608 und Zagreb, 1930. 3. J u r i s t i s c h e Z e i t s c h r i f t e n a) Arhiv za pravne in drustvene nauke (Archiv für Rechtswissenschaft und Gesellschaftslehre. Organ der Rechtsfakultät Beograd (serb.). — b) Pravosudje (Justiz), Beograd (serb.). — c) Policija (Polizei), Beograd (serb.). d) Branic (Verteidiger). Organ der Advokatenkammer Beograd (serb.). e) Mjesecnik
Das Strafrecht Jugoslawiens (Monatsschrift). Organ des Juristenvereins Zagreb (kroat.). — f) Odvjetnik (Advokat). Organ der Advokatenkammer Zagreb (kroat.). — g) Pravnicki Vjestnik (Juristischer Bote). Zagreb (kroat.). — h) Slovenski pravnik (Der slowenische Jurist). Organ des Juristenvereins „Pravnik" in Ljubljana (slow.). — i) Zbornik znanstvenih razprav (Sammelwerk wissenschaftlicher Abhandlungen). Jahrbuch der Rechtsfakultät Ljubljana (slow.). — j) Pravni Zbornik (Juristisches Sammelwerk). Podgorica (serb.).
b) FVRJ seit dem Beginn des zweiten Weltkrieges 1941 1. S y s t e m e , M o n o g r a p h i e n , E n t w u r f d e s S t G B a) Dr. Stanko Frank, Kazneno pravo. Biljeske ο Opcem delu krivicnog zakonika od 4. X I I . 1947 (Strafrecht. Bemerkungen zum allg. Teil des StGB vom 4. X I I . 1946). Zagreb 1950, S. 213. — Derselbe , Ο osnovnim nacelima novog kaznenog prava (Grundsätze des neuen StG). Arhiv 1945, Nr. 6—8. Znacenje nacela zakonitosti u kriviénom zakoniku (Die Bedeutung des Prinzipes der Gesetzlichkeit im StG). Zbornik pravnog fakultete u Zagrebu (Jahrb. d. Rechtsfakul. Zagreb) 1948. — b) Dr. Alexander Stajic, Krivicno pravo (Strafrecht). Allgemeiner Teil. I. Heft. Sarajevo, 1950, S. 246. — c) Dr. Janko Tahovic, Krivicno pravo (Strafrecht). Besonderer Teil. Beograd, 1947, S. 304 (serb.). Zagreb 1947, S. 288. — d) Predlog krivicnog zakonika (Die Strafgesetzvorlage). Beograd, 1951, S. 85. Objasnjenja uz nacrt krivicnog zakonika F N R J (Erläuterungen zum Strafgesetzentwurf). Beograd, 1951, S. 411. — e) Dr. Jovan Djordjevic- Nikola Srzentic, Ο sistemu posebnog delà krivicnog zakonika F N R J (Das System des besonderen Teiles des StGB der FVRJ). Arhiv, 1949, S. 571—626. — f) Arhiv, 1951, No. 1, Obrazlozenje predloga krivicnog zakonika (Begründung der Gesetzvorlage der StGB). — Justizminister Frane Frol, Povodom krivicnog zakonika (Vom StGB). — Dr. Vladimir Bakaric , Ο krivicnom zakoniku (Vom StGB). — Dr. Josip Hrncevicy Präsident des Gesetzg. Aussch. des BR, Ο zastiti prava gradjana u krivicnom pakoniku (Schutz der Bürgerrechte). — Abg. Dr. Makso Snuderl, Prilog pitanju pojma krivicnog delà (Der Begriff der strafb. Hdlg.). — Nikola Srzentic, Problem krivnje (Das Schuldproblem). — Prof. Dr. Stanko Frank, Krivicno pravni polozaj maloletnika u krivicnom zakoniku (Die Stellung der Minderjährigen im StGB). — Dr. Vladimir Kalember, Napomene ο saucesnistvu u novom krivicnom zakoniku (Teilnahme). — Dr. Bogdan Zlataric, S. 1—135, Sitzungsbericht (Auszug) S. 138—173. — g) Dimitrijevic Dragoljub, Die Grundlagen des Strafrechtes der FVRJ. Allgemeiner Teil. Einleitung I. Teil, Sarajevo 1953 (serb.), S. 98. — h) Srzentic Nikola , Aleksander Stajic, Das Strafrecht der FVRJ. Allgemeiner Teil, Beograd 1953, S. 556 (serb.). — i) Jevtic Dusan, Über die Zurechnungsfähigkeit vom gerichtspsychiatrischen Standpunkt, Beograd 1953, S. 104 (serb.). — j) D. Tahovic Janko, Strafrecht. Besonderer Teil. Beograd 1953, S. 528 (serb.).
2. K o m m e n t a r z u m A l l g e m e i n e n T e i l d e s S t G B . Beograd 1948, amtliche Ausgabe, S. 304 i n serb., kroat., slow, und mazed. Sprache. 3. T e x t a u s g a b e n d e s S t G B 1951. Beograd, 1951. Das StGB mit dem Einf.G. und Erläuterungen. Beograd. Amtl. Ausgabe i n den Sprachen, wie sub 2., S. 218; II. Ausgabe, 1954, S. 214. Das StGB, Ljubljana, 1951 mit dem Einf.G., S. 161 (slow).
Der allgemeine Teil des Strafrechts
381
Das Jugoslawische StGB von 1951, deutsche Übersetzung von Dr. August Munda, Sammlung außer deutscher Strafgesetzbücher Nr. 56, Berlin 1952. 4. R e c h t s p r e c h u n g Sammlung der Entscheidungen der obersten Gerichtshöfe, 1945 bis 1953, Beograd, 1952, S. 400, und 1954, S. 256. 5. J u r i s t i s c h e
Zeitschriften
und
Sammelwerke
a) Arhiv za pravne i drustvene nauke (Archiv für Rechtswissenschaft und Gesellschaftslehre), Beograd (serb.). Organ des Juristenvereins der FVRJ. — b) Nasa zakonitost (Unsere Gesetzlichkeit), Zagreb (kroat.). — c) Pravnik (Jurist) Ljubljana (slow.). — d) Anali pravnog fakulteta u Beogradu (Annalen der Rechtsfakultät (Beograd) (serb.). — e) Pravni zivot (Rechtsleben), Zeitschrift für Rechtsfragen und Rechtspraxis, Beograd (serb.) — f) Odojetink (Der Advokat), Organ der Advokatenkammer Zagreb. — g) Pregled (Übersicht), Skoplje. — h) Jahrbücher (Sammelwerke) der Rechtsfakultäten.
Zweiter
Abschnitt
Der allgemeine T e i l des Strafrechts I. Die Gliederung des allgemeinen Teiles des StGB Der allgemeine Teil zerfällt i n 9 Hauptstücke (I. bis IX.). I. Einleitende Bestimmungen: Das Strafgesetzbuch (Art. 1), das Legalitätsprinzip (Art. 2), der Strafzweck (Art. 3). II. Die strafbare Handlung und die strafrechtliche Verantwortlichkeit: Die strafbare Handlung (Art. 4), das Alter, die Zurechnungsfähigkeit (Art. 5 und 6), Vorsatz, Fahrlässigkeit, Haftung für den schwereren Erfolg, Tatirrtum, Rechtsirrtum (Art. 7—10), Notwehr, Notstand (Art. 11—12). I I I . Die Ausführung der strafbaren Handlung: 1. Art, Ort, Zeit der Ausführung (Art. 13—15). 2. Versuch (Art. 16—18). 3. Teilnahme (Art. 19—23). IV. Die Strafen: 1. Die Strafarten und Bedingungen ihrer Verhängung (Art. 24—37). 2. Strafbemessung (Art. 38—47). 3. Bedingte Verurteilung (Art. 48—50). 4. Allgemeine Bestimmungen über den Strafvollzug (Art. 51—60). V. Sichernde Maßnahmen (Art. 61—63). VI. Die Anwendung von Strafen, Erziehungs-Besserungsmaßnahmen und sichernden Maßnahmen gegen Minderjährige (Art. 64—79). V I I . Erlöschung der Strafen und Rehabilitation: 1. Verjährung (Art. 80—83). 2. Amnestie und Begnadigung (Art. 84—86). 3. Rehabilitation (Art. 87—89). V I I I . Die Geltung des Strafgesetzes: zeitliche (Art. 90), räumliche (Art. 91—97), Verhältnis des StGB zu anderen Strafgesetzen (Art. 98). I X . Die Bedeutung gesetzlicher Ausdrücke (Art. 99).
Das Strafrecht Jugoslawiens
II. Die Grundlagen des StGB 1. S t r a f p o l i t i k Die leitenden Ideen des StGB der FVRJ sind: sein Klassencharakter (Art. 1), die materielle Konzeption der strafbaren Handlung (Art. 4), das Legalitätsprinzip (nullum crimen, nulla poena sine lege) und der Strafzweck (Art. 9). Der Klassencharakter des StGB findet sichtbaren Ausdruck i n der Deklaration des Art. J, der die Überschrift „Strafgesetzbuch" 1 führt: „Dieses StGB verleiht Schutz vor Gewalttätigkeit, W i l l k ü r , wirtschaftlicher Ausbeutung und vor anderen sozialgefährlichen Handlungen/' Als Schutzobjekte werden i m A r t . 1 angeführt: „die Person des Bürgers, seine durch die Verfassung und Gesetze gewährleisteten Rechte und Freiheiten, die politischen, nationalen, ökonomischen und sozialen Grundlagen der FVRJ, ihre Unabhängigkeit und Sicherheit, ihre sozialistische gesellschaftliche Organisation und die durch Verfassung und Gesetze festgesetzte staatliche Ordnung". Diese Aufzählung der Schutzobjekte hat auch systematische Bedeutung für die Rechtsgüter, die i m besonderen Teil Strafrechtsschutz erhalten. Der Klassencharakter des StGB und aller strafrechtlichen Nebengesetze äußert sich einerseits i n der strengen Repression kontrarevolutionärer Handlungen, anderseits aber in der Erleichterung der Reklassierung solcher Verbrecher, die ihre feindselige Einstellung gegen die staatliche und gesellschaftliche Ordnung aufgegeben haben. Solchen Verbrechern ist es durch verschiedene gesetzliche Bestimmungen erleichtert, i n die Gemeinschaft als gleichberechtigte Mitglieder zurückzukehren (Mot. 8). Die Rechtsordnung, die i m StGB geschützt wird, ist die Rechtsordnung, die der derzeitigen Etappe des sozialistischen Aufbaues entspricht (Exp. 27). Der Schutz der Person des Bürgers w i l l besonders betont werden, daher ist er an erster Stelle erwähnt. Art. 1 gibt den Begriff der sozialgefährlichen Handlung. 2. D i e s t r a f b a r e H a n d l u n g 2 Jede strafbare Handlung ist eine Erscheinung, die durch die konkreten sozialpolitischen Verhältnisse i m Staate bedingt ist (Off. Kom. 22). Sozialgefährlich sind soziale Erscheinungen, die in der Dynamik des sozialen Lebens entstehen. Aber nicht jede sozialgefähr1 Josip Hrncevic , Ο Krivicnom zakoniku (Vom StGB). Arhiv. 1951, S. 36 bis 51. Dr. Vladimir Bakaric, Povodom krivicnog zakonika (Zum StGB) ibidom, S. 24—36. — Josip Bruciò, Biljeske uz clan 1 novog, kriviënog zakonika (Anmerkungen zum Art. 1 des neuen StGB), Nasa zakonitost, 1951, S. 13—22. 2 Nikola Srzentié , Prìlog pitanju pojma krivicnog delà (Zur Frage des Begriffes der strafbaren Handlung) Arhiv 1951, S. 59—84.
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Der allgemeine Teil des Strafrechts
liehe Handlung ist zugleich eine strafbare Handlung, sondern nur eine solche, die i m Gesetze ausdrücklich als strafbare Handlung erklärt ist. Das Prinzip der sozialen Gefährlichkeit ist i m Art. 4 m i t dem Prinzip der Gesetzlichkeit verbunden: „Die strafbare Handlung ist eine sozialgefährliche Handlung, deren Merkmale durch das Gesetz bestimmt sind." Die soziale Gefährlichkeit der Tat hat der Gesetzgeber durch ihre Einreihung i n das StGB schon i n voraus gewürdigt. Die strafbare Handlung ist jedoch nicht nur eine formelle Verletzung des Gesetzes, sondern eine k o n k r e t e sozialgefährliche Tat. Die konkrete Tat kann zwar alle Tatbestandsmerkmale einer strafbaren Handlung umfassen, aber trotzdem „keine strafbare Handlung begründen, weil sie infolge ihrer geringen Bedeutung und Geringfügigkeit oder Nichteintritts schädlicher Folgen für die Gesellschaft eine unerhebliche soziale Gefahr bedeutet" (Art. 4, Abs. 2). I n dieser gesetzlichen Bestimmung w i r d der Gegensatz zwischen der materiellen Konzeption der strafbaren Handlung und dem Legalitätsprinzip geregelt. Dieser Gegensatz führt logischerweise zur Gesetzesanalogie. Trotzdem lehnt der Gesetzgeber mit Rücksicht auf den bereits vollzogenen Ausbau der Gesetzgebung eine solche entschieden ab, „ w e i l es für die Gesellschaft einen geringeren Nachteil bedeutet, wenn eine im Gesetz nicht vorgesehene sozialgefährliche Handlung ohne Bestrafung bleibt, als wenn der Grundsatz strenger Gesetzlichkeit außer acht gelassen w i r d " (Mot. 28, 35, Exp. 10). Die praktische Bedeutung der sozialen Gefährlichkeit äußert sich ζ. B. auch in der Abgrenzung krimineller Handlungen von Disziplinar- und Verwaltungsdelikten. Das Gesetz kennt nur eine Kategorie strafbarer Handlungen. Die Einteilung der strafbaren Handlungen i n mehrere Kategorien wurde abgelehnt, weil die Strafart kein geeignetes K r i t e r i u m für die Abgrenzung bedeutet. „Die Strafe ist ein a l l g e m e i n e s Maß für die soziale Gefährlichkeit, die k o n k r e t e strafbare Handlung kann jedoch von größerer oder geringerer sozialer Gefährlichkeit sein . . . , die Differenzierung kann sich aber nur auf die konkrete soziale Gefährlichkeit . . . . gründen. Daher ist jede Einteilung nach einem formellen K r i t e r i u m mit der materiellen Konzeption der strafbaren Handlung unvereinbar" (Mot. 23). 3. D a s
Legalitätsprinzip
3
Das Gesetz ist die einzige Quelle des materiellen StR. Gewohnheitsrecht, Gerichtspraxis, Judikatur und Theorie sind keine Rechtsquellen 3 Dr. Jerko Radmilovic, Nacelo zakonitosti u novom krivienom zakoniku (Das Legalitätsprinzip im neuen StGB), Nasa Zakonitost, 1951, S. 22—32 (Parlamentsrede).
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Der allgemeine Teil des Strafrechts
4. D e r
Strafzweck
I n der Bestimmung des Strafzwecks (Art. 3) äußert sich zugleich die Kriminalpolitik i m sozialistischen Staate. Das Gericht ist ein „Werkzeug der Erziehung und Disziplin". Hierin liegt die zweifache A u f gabe der sozialistischen Strafe: Kampf gegen die sozialgefährliche kriminelle Tätigkeit und Erziehung. Die Strafe vereinigt das Ziel der Repression, General- und Spezialprävention, Besserung und Erziehung. A r t . 3. besagt: „Zweck des Strafens ist die Verhinderung der sozialgefährlichen Tätigkeit; die Hinderung des Täters, damit er keine (neuen) strafbaren Handlungen begeht, und seine Erziehung; der erzieherische Einfluß auf andere, damit sie keine strafbaren Handlungen begehen; der Einfluß auf die Entwicklung der Gesellschaftsmoral und Gesellschaftsdisziplin der Bürger." Hiermit i n Verbindung steht Art. 51 (Zweck des Strafvollzuges): „Beim Straf Vollzüge darf dem Verurteilten weder physisches Leid zugefügt noch dessen Menschenwürde gekränkt werden." Zweck des Strafens ist demnach „die Vernichtung der sozialen Gefährlichkeit des Täters durch Zwang und Erziehung", nicht aber Vergeltung (Mot. 30). Beide Elemente, Zwang und Erziehung, äußern sich sowohl bei der Verhängung als auch beim Vollzuge der Strafe. Dieser Strafzweck ist demnach unvereinbar m i t der Grausamkeit der Vergeltungsstrafen des früheren Strafsystems und mit der unaufrichtigen Sentimentalität verschiedener Strafrechtsschulen (Off. Kom. 13). Die Bestimmung des Strafzweckes ist zugleich eine A n leitung für die Strafvollzugsorgane. Ist der Strafzweck vorzeitig erreicht, so ist kein Grund für die weitere Zurückhaltung des Verurteilten in der Anstalt vorhanden. Daher die Bestimmung von der v o r z e i t i g e n bedingten Entlassimg (vor Ablauf der Hälfte der Strafzeit — Art. 56, Abs. 2). Diese Bestimmung und die Bestimmung vom Strafzweck stellt an die Vollzugsorgane hohe Anforderungen. Das Resultat ihrer Bestrebungen findet sichtbaren Ausdruck i n der hohen Anzahl individueller und kollektiver Begnadigungen i n den letzten Jahren. III. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit I m zweiten Hauptstücke behandelt das Gesetz „die strafbare Handlung und die strafrechtliche Verantwortlichkeit" und zwar: die soziale Gefährlichkeit, das jugendliche Alter, die Zurechnungsfähigkeit, Vorsatz und Fahrlässigkeit, die Verantwortlichkeit für den schwereren Erfolg, Tatirrtum, Rechtsirrtum, Notwehr und Notstand. Eine besondere Bestimmung über Widerrechtlichkeit wurde in das Gesetz nicht aufgenommen. 1. D i e s o z i a l e G e f ä h r l i c h k e i t wurde oben sub II, 2 behandelt.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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2. D e r B e g r i f f d e r Z u r e c h n u n g s f ä h i g k e i t ist auf Grund der biologisch-psychologischen Methode aufgebaut. Die biologischen Momente sind breit gefaßt: „dauernde oder vorübergehende geistige Krankheit, vorübergehende Geistesstörung, zurückgebliebene geistige Entwicklung" (Art. 6). Die verminderte Zurechnungsfähigkeit bildet einen fakultativen Strafmilderungsgrund (Art. 6, Abs. 2). Die Bestimmung über die actio libera i n causa (Art. 6, Abs. 3) ist insoweit erweitert, als eine strafrechtliche Verantwortlichkeit auch dann besteht, wenn sich der Täter i n den Zustand vorübergehender Geistesstörung versetzt hat, obwohl „er sich bewußt war oder bewußt sein mußte u n d konnte, daß er i n einem solchen Zustande eine strafbare Handlung begehen könnte". Diese Regelung bedeutet eine Erweiterung der Bestimmung des § 166 des StGB aus dem Jahre 1929 über die Bestrafung der Volltrunkenheit, wenn i n derselben eine von Amts wegen zu verfolgende strafbare Handlung begangen worden ist. Bedeutsam ist sie für Fälle, i n denen der Täter weiß, daß er eine bestimmte Pflicht zu erfüllen hat und daß er dieselbe infolge Trunkenheit nicht werde erfüllen können, sich aber trotzdem betrinkt; dies gilt z. B. für Chauffeure, Maschinenführer, Soldaten, die zum Wachdienst bestimmt sind und dergleichen 3 a . 3. D i e s t r a f r e c h t l i c h e V e r a n t w o r t l i c h k e i t d e r j ä h r i g e r 4 (Art. 5, 64—79).
Min-
Bezüglich ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit unterscheidet das Gesetz drei Altersstufen: Kinder bis zum 14. Lebensjahr, jüngere M i n derjährige vom 14. bis zum 16. Lebensjahr und ältere Minderjährige vom 16. bis zum 18. Lebensjahr (Volljährigkeit). Diese Altersstufen teilt das Gesetz i n drei Gruppen: a) Kinder stehen außerhalb gerichtlicher Jurisdiktion; b) strafrechtlich nicht verantwortliche Minderjährige zwischen 14 und 18 Jahren; gegen diese können nur Erziehungsmaßnahmen verhängt werden; c) strafrechtlich verantwortliche Minderjährige. Bei diesen unterscheidet das Gesetz (bezüglich strafrechtlicher Sanktionen) zwischen älteren und jüngeren Minderjährigen. Jüngere Minderjährige werden n u r wegen der schwersten strafbaren Handlungen bestraft, aber auch wegen dieser n u r fakultativ; wegen aller übrigen strafbaren Handlungen können gegen sie nur ErziehungsBesserungsmaßnahmen angewendet werden. Ältere Minderjährige werden grundsätzlich bestraft; wegen leichterer strafbarer Handlungen kann jedoch eine Abgabe i n ein Erziehungs-Besserungsheim erfolgen. 3a
Dr. Acimovic M., Actiones liberae in causa, Anali 1953, S. 361—370. Dr. Vladimir Kalember, Krivicnopravni polozaj maloletnika u krivicnom zakoniku (Die strafrechtliche Stellung der Minderjährigen im StGB). Arhiv, 1951, S. 100—114. 4
25 A u s l ä n d i s c h e s S t r a f r e c h t I
Das Strafrecht Jugoslawiens
Kinder werden strafrechtlich weder verfolgt noch bestraft; gegen sie können auch Erziehungs-Besserungsmaßnahmen nicht angewendet werden; sie werden dem Vormundschaftsorgan übergeben. Dieses entscheidet, ob das K i n d bei den Eltern oder beim Vormunde belassen w i r d ; es kann aber gegen dasselbe auch andere Maßnahmen behufs Pflege und Erziehung anwenden (Art. 64). Maßnahmen gegen s t r a f r e c h t l i c h nicht verantwortliche Minderjährige Strafrechtlich nicht verantwortlich ist ein Minderjähriger, der zur Zeit der Tat das 14. Lebensjahr zurückgelegt hat, aber infolge mangelnder geistiger Entwicklung die Bedeutung seiner Tat nicht einsehen oder sein Verhalten nicht beherrschen konnte. Gegen einen solchen Minderjährigen sind n u r zwei Erziehungs-Besserungsmaßnahmen zulässig: a) die Übergabe an seine Eltern oder den Vormund, damit sie über i h n eine erhöhte Aufsicht pflegen und i h m eine Schulung ermöglichen, b) die Einweisung i n eine Erziehungsanstalt. Die Maßnahme sub a) ordnet das Gericht an, wenn es feststellt, daß die Eltern bzw. der Vormund die Möglichkeit zur besseren Pflege besitzen, und wenn diese Maßnahme zur Besserung des Minderjährigen m i t Rücksicht auf sein Alter, Vorleben, m i t Rücksicht auf die leichtere Beschaffenheit der Tat und die Umstände, unter denen sie begangen worden ist, zureichend erscheint. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, so findet die Maßnahme sub b) Anwendung. Ist der Minderjährige taubstumm oder blind und erachtet das Gericht, daß seine Ubergabe an eine Erziehungsanstalt erforderlich ist, so ordnet es seine Unterbringung i n einer Anstalt für Taubstumme oder Blinde an. Strafrechtlich verantwortliche Minderjährige Gegen diese können Erziehungs-Besserungsmaßnahmen angewendet oder Strafen verhängt werden. a) Jüngere Minderjährige B e s t r a f u n g . I n einzelnen Gegenden i n der FVRJ kommt es zu einer schnelleren und vorzeitigen geistigen und körperlichen Entwicklung der Jugend; deshalb erscheint i n diesen Fällen eine Bestrafung zweckmäßig. Infolge der üblen Folgen kurzer Freiheitsstrafen ordnet das Gesetz die Bestrafung jüngerer Minderjähriger nur wegen solcher strafbaren Handlungen an, die m i t strengem Gefängnis über zehn Jahre bedroht sind (Art. 67). Jedoch ist die B e s t r a f u n g fakultativ. Wegen aller übrigen strafbaren Handlungen können nur ErziehungsBesserungsmaßnahmen angewendet werden. Als solche kommen i n Betracht a) der Verweis und b) die Abgabe i n ein Erziehungs-Besserungsheim (Schwere der Tat, Verwahrlosung oder Verdorbenheit des
Der allgemeine Teil des Straf rechts
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Täters). Ausnahmsweise kann das Gericht die sub b) erwähnte Maßnahme auch gegen einen Minderjährigen anwenden, der eine strafbare Handlung begangen hat, die m i t strengem Gefängnis über zehn Jahre bedroht ist, wenn es erachtet, daß das Erziehungs- oder Besserungsziel m i t Rücksicht auf die Umstände, unter denen sie begangen worden ist, auch ohne Bestrafung erreicht werden kann (Art. 68, Abs. 2). b) Ältere Minderjährige E i n älterer Minderjähriger w i r d bestraft, wenn er eine strafbare Handlung begeht, die m i t strengem Gefängnis über fünf Jahre bedroht ist. Begeht er eine strafbare Handlung, die m i t einer milderen Strafe bedroht ist, so kann das Gericht gegen i h n auch die ErziehungsBesserungsmaßnahme der Übergabe i n ein Erziehungs-Besserungsheim anordnen. Strafverhängung, Strafbemessung, Strafvollzug, Sicherungsmaßnahmen gegen M i n d e r j ä h r i g e Gegen Minderjährige dürfen nicht verhängt werden: die Todesstrafe, die Schmälerung bürgerlicher Rechte und das dauernde Verbot der Ausübung eines bestimmten Berufes (Art. 66). Bei der Strafbemessung berücksichtigt das Gericht insbesondere die geistige Entwicklung des Minderjährigen. Wegen einer vom Gesetz m i t Todesstrafe bedrohten strafbaren Handlung darf ein älterer M i n derjähriger m i t strengem Gefängnis nicht über 15 Jahre, ein jüngerer Minderjähriger nicht über 10 Jahre bestraft werden. Wegen einer m i t strengem Gefängnis von mehr als 10 Jahren bedrohten strafbaren Handlung darf ein älterer Minderjähriger mit strengem Gefängnis nicht über 10 Jahre, ein jüngerer Minderjähriger nicht über 8 Jahre bestraft werden. Für die Strafmilderung gelten die allgemeinen Vorschriften (Art. 42, 43). Minderjährige verbüßen die Freiheitsstrafen bis zur Volljährigkeit grundsätzlich i m Straf-Besserungsheim für Minderjährige. Die Auswahl der Beschäftigung richtet sich nach ihren physischen Fähigkeiten und Neigungen für eine bestimmte Beschäftigung, so daß sie i n ihrem Fache so gut als möglich für ihre Arbeit nach verbüßter Strafe befähigt werden. Die Arbeitszeit während der Strafverbüßung w i r d so eingerichtet, daß ihnen der Schulbesuch zur allgemeinen Ausbildung und fachlichen Befähigung ermöglicht w i r d (Art. 77). Bei der Anwendung der Rehabilitation hinsichtlich Minderjähriger werden die Bewährungsfristen u m die Hälfte abgekürzt (Art. 78). Sicherungsmaßnahmen können auch gegen Minderjährige angewendet werden (Art. 79). 25
Das Strafrecht Jugoslawiens
Die Dauer
der Er ziehuηgs-Bess maßnahmen
eruηgs-
Ordnet das Gericht die Übergabe eines Minderjährigen i n eine Erziehungsanstalt oder i n ein Erziehungs-Besserungsheim an, so bestimmt es die Dauer, die der Minderjährige daselbst zu verbleiben hat. Diese beträgt i n der Erziehungsanstalt mindestens ein Jahr und höchstens drei Jahre, i m Erziehungs-Besserungsheim mindestens ein Jahr und höchstens fünf Jahre. Das Gericht kann die Dauer dieses A u f enthaltes abkürzen; es kann auch die Entlassung anordnen, wenn sich der Minderjährige erweislich gebessert hat. Die Entscheidung über die Entlassung w i r d widerrufen, wenn der Minderjährige bei seiner Arbeit oder bei seinem Verhalten zeigt, daß seine Rückversetzung i n die Erziehungsanstalt oder i n das Erziehungs-Besserungsheim erforderlich ist. Dieser Widerruf ist nur solange zulässig, als der Minderjährige das 18. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat. W i r d der Minderjährige i m Laufe der Anwendung der Erziehungs-Besserungsmaßnahmen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, so endet die Erziehungs-Besserungsmaßnahme, sobald die Strafabbüßung beginnt. Ein Minderjähriger, gegen den Erziehungs-Besserungsmaßnahmen angewendet wurden, gilt als nicht verurteilt (Art. 74—76). Strafverfahren
gegen M i n d e r j ä h r i g e
(Mj)
Das Strafverfahren gegen Minderjährige ist nun i m 26. Hauptstück des StPGB (Art. 414—435) geregelt. I m Verfahren gegen M j urteilt immer der Jugendsenat. Dieser besteht aus einem vom obersten Gerichtshof der VR oder des A L V ernannten ständigen Jugendrichter als Senatspräsidenten und zwei i n Jugenderziehung erfahrenen Geschworenenrichtern. I n der Regel ist das forum domicilii zum Verfahren berufen. Der Verletzte kann nie als Subsidiarankläger einschreiten. Haben Volljährige an der strafbaren Handlung teilgenommen, so w i r d das Verfahren gegen M j unter 16 Jahren immer ausgeschieden (Art. 418). U m den Erziehungszweck des Verfahrens zu wahren, bringt das Gesetz Bestimmungen über die A r t der Einvernehmung, über die Feststellung der Individualität des Mj, über einstweilige Verfügungen behufs Umweltsänderung und Sicherung seiner Person (Art. 421). Die H V ist nicht öffentlich; die formelle Verteidigung obligatorisch (Art. 69); die Aburteilung i n Abwesenheit des M j ausgeschlossen. Erziehungs-Besserungsmaßnahmen t r i f f t das Gericht durch Beschluß ohne Schuldspruch. Wann gegen M j Strafen verhängt werden können, bestimmt das StrGB (Art. 67, 71). E i n M j kann weder auf das Rechtsmittel verzichten noch das angemeldete Rechtsmittel zurücknehmen (Art. 429). Zugunsten des M j können Beschwerden auch gegen seinen Willen angemeldet werden. Das Gericht I I . Inst, darf
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Der allgemeine Teil des Strafrechts
n u r auf Grund abgehaltener Verhandlung Sanktionen gegen M j zu ihrem Nachteile abändern (Art. 430). Der Aufenthalt i n einer Erziehungsanstalt oder i m Erziehungs-Hesserungsheim kann dem M j i m Falle seiner Besserung abgekürzt bzw. seine Entlassung angeordnet werden, nachdem er bereits ein Jahr i n der Anstalt verbracht hat (Art. 431). Ohne Bewilligung der Prozeßorgane darf weder der Verlauf des Verfahrens noch das U r t e i l gegen M j i n der Presse veröffentlicht werden (Art. 285 StrGB). Der Name des M j darf i n der Presse weder erwähnt noch angedeutet werden (Art. 434). 4. V o r s a t z u n d F a h r l ä s s i g k e i t ,
Irrtum
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Das Gesetz gebraucht für das intellektuelle Moment den Ausdruck „Bewußtsein", nicht „Wissen", w e i l dieser Ausdruck i n seiner Bedeutung enger ist als der Ausdruck „Bewußtsein" (Mot. 52). Das intellektuelle Moment ist beim direkten Vorsatz etwas breiter gefaßt. Direkter Vorsatz besteht gemäß A r t . 7 nicht nur dann, wenn der Täter die Tat gewiß vorausgesehen, sondern auch, wenn er sie als möglich vorausgesehen hat; beim eventuellen Vorsatz hingegen besteht das intellektuelle) Moment nur i m Bewußtsein der Möglichkeit des Erfolgseintrittes. Den Ausdruck „Wissen" gebraucht das Gesetz bei einigen Delikten des besonderen Teiles als Tatbestandsmerkmal (dolus directus). Hiermit sollte vermieden werden, daß i m Gesetze ein Ausdruck i n verschiedener Bedeutung gebraucht w i r d (Mot. 52). Das emotionale Moment besteht beim direkten Vorsatz i m „Wollen", beim eventuellen i m Eingehen auf den verbotenen Erfolg („pristao") 6 . Bewußte Fahrlässigkeit ist vorhanden, „wenn der Täter sich der Möglichkeit des Erfolgseintrittes bewußt war, aber leichtfertig annimmt, er werde nicht eintreten oder er werde i h n abwenden können". Die Fahrlässigkeit ist unbewußt, „wenn der Täter sich der Möglichkeit des Erfolgseintrittes nicht bewußt war, obwohl er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Eigenschaften sich dieser Möglichkeit bewußt sein mußte u n d konnte". Das Gesetz verlangt demnach bei der unbewußten Fahrlässigkeit k u m u l a t i v zwei Bedingungen, eine objektive und eine subjektive. F ü r eine aus Fahrlässigkeit begangene Tat ist der Täter n u r dann strafrechtlich verantwortlich, wenn das Gesetz „dies" bestimmt. Das Gesetz meidet den Ausdruck „ausdrück5 Dr. Stanko Frank, Problem krivnje (Das Schuldproblem), Arhiv, 1951, S. 84r—100. β Art. 7, Abs. 2: „Die strafbare Handlung ist vorsätzlich begangen, wenn sich der Täter seiner Tat bewußt gewesen ist und deren Ausführung gewollt hat; oder wenn er sich bewußt gewesen ist, daß infolge ihrer Begehung oder Unterlassung der verbotene Erfolg eintreten könnte, er aber dessen Eintritt gebilligt hat,"
Das Strafrecht Jugoslawiens
lieh bestimmt", w e i l aus der Stilisierung einzelner Tatbestände diese Schuldform nur aus dem Inhalte ersichtlich ist. V e r a n t w o r t l i c h k e i t für schwerere Folgen oder w e g e n b e s o n d e r e r U m s t ä n d e ( A r t . 8) Ist aus der strafbaren Handlung ein schwererer Erfolg entstanden, wegen dessen das Gesetz eine schwerere Strafe androht, so w i r d die schwerere Strafe verhängt, wenn dieser Erfolg der Fahrlässigkeit des Täters zugeschrieben werden kann. Ist wegen einer bestimmten strafbaren Handlung wegen besonderer Umstände eine schwerere Strafe angedroht, so w i r d diese nur dann verhängt, „wenn der Täter diese Umstände kannte oder sie kennen mußte und konnte." Die Verantwortlichkeit f ü r „praeterintentionelle" Folgen ist durch obige Bestimmung erweitert. Es ist gleichgültig, ob das Grunddelikt vorsätzlich oder fahrlässig ist. Der besondere Teil des StGB enthält einige Tatbestände, bei welchen der schwerere Erfolg aus fahrlässigen Grunddelikten entstanden ist (Art. 212, 273). I r r t u m ( A r t . 9) Die Bestimmungen über den T a t i r r t u m umfassen das Nichtkennen eines Tatbestandsmerkmales und die irrige Vorstellung über den Sachverhalt. Auch hier bedient sich das Gesetz des Wortes „bewußt", weil es nicht auf sicheres Wissen ankommt (Mot. 60). War der Täter aus Fahrlässigkeit i m I r r t u m , so ist er für die aus Fahrlässigkeit begangene strafbare Handlung strafrechtlich verantwortlich, wenn das Gesetz auch für eine solche Tat strafrechtliche Verantwortlichkeit bestimmt. Durch A r t . 10 (Rechtsirrtum) w i r d die Streitfrage, ob das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit zum Vorsatze gehört, negativ entschieden, zugleich aber dem Gerichte die Möglichkeit gegeben, den Täter, „der aus entschuldbaren Gründen nicht gewußt hat, daß die Tat verboten ist", milder zu bestrafen oder von Bestrafung abzusehen. Einen Fall von Rechtsirrtum erwähnt das Gesetz i m A r t . 362 (Bewaffnete Macht). 5. N o t w e h r , N o t s t a n d Eine i n Notwehr oder Notstand begangene Tat ist keine strafbare Handlung (keine soziale Gefährlichkeit). Notwehr ist gem. Art. 11 eine solche Verteidigung, die unumgänglich ist, u m von sich oder von einem anderen einen gegenwärtigen (vorhandenen oder drohenden) rechtswidrigen Angriff abzuweisen. Bei Notwehrüberschreitung: fakultative Strafmilderung, i m Falle starker Aufregung oder Bestürzung fakultatives Absehen von Bestrafung. M i t dem Ausdruck „unumgänglich" w i r d die individualistische Konzeption des absoluten Schutzes von Einzelinteressen abgelehnt, jedoch w i r d das Prinzip der Proportionalität milder eingeschätzt, als beim Notstand:
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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Eine Tat ist i n Notstand verübt, wenn sie begangen ist, u m eine gegenwärtige, unverschuldete, anders nicht abwendbare Gefahr von sich oder von einem anderen abzuwenden, und wenn das hiermit verübte Übel geringer ist, als jenes, das gedroht hat (Art. 12). Eine bloße Verursachung der Gefahr schließt demnach das Bestehen des Notstandes nicht aus, wohl aber eine bewußt verursachte. Ist die Gefahr verschuldet, so kann der Täter milder bestraft werden, wenn sich die Notstandshandlung als ein unumgänglicher Ausweg aus der gefährlichen Situation darstellt. Die Kollision gleichwertiger Interessen gibt kein Recht zur Notstandshandlung (Mot. 71). E i n Notstand ist nicht vorhanden, wenn der Täter verpflichtet ist, sich der Gefahr auszusetzen (Art. 12, Abs. 4). Diese Bestimmung hat auch allgemeinen Charakter (Verteidigung des Vaterlandes und seiner fundamentalen Interessen) (Mot. 72). IV. Die Begehung der strafbaren Handlung 1. A r t , Z e i t u n d O r t d e r s t r a f b a r e n H a n d l u n g Die Begehungsart w i r d i m A r t . 13 erwähnt: „Eine strafbare Handlung w i r d durch Handeln oder Unterlassen begangen." Das Unterlassen besteht darin, daß der Täter es unterlassen hat „eine Handlung auszuführen, zu deren Ausführung er (rechtlich) verpflichtet ist" (Art. 13, Abs. 2). Der Zweck dieser Bestimmung ist, die Konstruktion der einzelnen Tatbestände i m besonderen Teil zu erleichtern, weil die Begehung i n den meisten Fällen auch eine Unterlassung umfaßt (Mot. 76). Das Gesetz spricht i m A r t . 13 von einer „allgemeinen" Begehungsart, da die „besondere Begehungsart oft als Tatbestandsmerkmal i n Betracht kommt." Die Bestimmung über die Begehungszeit wurde i n das Gesetz aufgenommen, w e i l zwischen dem Handeln und dem Erfolg ein größerer Zeitraum verlaufen kann. Als Begehungszeit gilt n u r die Zeit des Handelns bzw. Unterlassens, nicht der Erfolgseintritt (Art. 14). Für den Begehungsort gilt die Ubiquitätstheorie. Der Versuch gilt als dort begangen, wo der Täter handelte, aber auch dort, wo nach seinem Vorsatz der Erfolg eintreten müßte oder eintreten konnte (Art. 15). 2. V o r b e r e i t u n g s h a n d l u n g u n d V e r s u c h Eine allgemeine Bestimmung über Vorbereitungshandlungen wurde i n das Gesetz nicht aufgenommen. Eine Definition derselben ist aber i m besonderen Teil (Art. 121)7 enthalten. Eine allgemeine Bestrafung 7
„Sammeln und Bereitstellen von Mitteln, Schaffung von Bedingungen
zur Begehung der Tat oder Verabredung mit jemanden, damit er die Tat begeht."
Das Strafrecht Jugoslawiens
von Vorbereitungshandlungen wurde insbesondere aus Rücksicht auf die Schwierigkeit der Feststellung des subjektiven Tatbestandes, der sich erst i m Stadium der Formierung befindet, und m i t Rücksicht auf die Möglichkeit der Abänderung des verbrecherischen Entschlusses abgelehnt. Besondere Fälle strafbarer Vorbereitungshandlungen sind i m besonderen Teil kriminalisiert. Der Versuchsbegriff ist nach der objektiven Theorie („Beginn der Ausführung") formuliert (Art. 16). Strafrechtliche Verantwortlichkeit für Versuchshandlungen besteht nur bei vorsätzlichen Delikten, die mindestens m i t strengem Gefängnis von fünf Jahren bedroht sind. Bei leichteren strafbaren Handlungen ist der Versuch nur i n den i m Gesetz ausdrücklich angeführten Fällen strafbar. Die mildere Bestrafung der Versuchshandlungen ist fakultativ. Bezüglich des absolut untauglichen Versuches berücksichtigt das Gesetz die konkrete soziale Gefährlichkeit, also auch das objektive Moment und ermöglicht dem Gericht, die Strafe zu mildern, ohne an die Strafart und das Strafmaß gebunden zu sein, das für die strafbare Handlung angedroht ist, oder von Bestrafung abzusehen. Ist aber die soziale Gefährlichkeit geringfügig oder nicht vorhanden, so besteht keine strafrechtliche Verantwortlichkeit (Art. 4, Abs. 2), ζ. B. beim Versuch m i t abergläubischen Mitteln. Beim freiwilligen Rücktritt macht das Gesetz keinen Unterschied zwischen beendigtem und unbeendigtem Versuch (Art. 18). Der Umstand, das beim unbeendigten Versuch eine neue Tätigkeit des Täters nicht notwendig ist, darf i h m nicht zum Nachteil gereichen; i m Gegenteil, ein solcher Täter ist sozial weniger gefährlich. Deshalb kann das Gericht i n beiden Fällen von Bestrafung absehen. Hiermit ist auch ein kriminalpolitischer Gesichtspunkt verbunden (Mot. 93). I m Falle freiwilligen Rücktrittes besteht jedoch eine volle strafrechtliche Verantwortlichkeit für Versuchshandlungen, die den Tatbestand einer selbständigen strafbaren Handlung begründen (Art. 18, Abs. 2). Strafbar ist auch der Anstiftungsversuch (Art. 19, Abs. 2). 3. T e i l n a h m e
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Als Grundform der Teilnahme behandelt das Gesetz die Anstiftung und Beihilfe. Beide setzen eine vorsätzlich strafbare Haupttat voraus. Eine Vorschrift über Mittäterschaft wurde i n das Gesetz nicht aufgenommen. M i t Rücksicht auf die Konzeption von der „Einheit der objektiven und subjektiven Momente der strafbaren Handlung" gehört zum Begriffe der Mittäterschaft neben dem animus auctoris auch die gemeinsame Ausführung der Tat (Mot. 101). M i t t e l der A n 8
Dr. Bogdan Zlataric, Napomene ο saucesnistvu u novom krivicnom zakoniku (Bemerkung zur Teilnahme i m neuen StGB). Arhiv, 1951,
S. 114—136,
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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Stiftung sind i m Gesetz nicht angeführt. Die vergebliche oder mißlungene Anstiftung ist nur bei Delikten strafbar, deretwegen nach dem Gesetz mindestens auf strenges Gefängnis von fünf Jahren erkannt werden kann (Art. 19, Abs. 2). Beihilfe begeht, wer bei der Ausführung der Tat vorsätzlich Hilfe leistet (Art. 20). Ihre Bestrafung setzt voraus, daß die Haupttat mindestens zum strafbaren Versuch gediehen ist (Art. 20, Abs. 1). Die M i t t e l der Beihilfe sind i m Gesetz angeführt: „Geben von Ratschlägen und Anleitungen über die A r t der Begehung der Tat, Zurverfügungstellen von M i t t e l n zur Begehung der Tat, i m voraus gegebenes Versprechen zur Verheimlichung der Tat, des Täters, der Mittel, womit die strafbare Handlung begangen worden ist, der Spuren der Tat und der Gegenstände, die m i t der strafbaren Handlung beschafft worden sind." B e s t r a f u n g . Der Anstifter w i r d gleich dem Täter bestraft, der Gehilfe kann milder bestraft werden, weil die objektive Gefährlichkeit der Beihilfe geringer ist (Mot. 285). Ist die Haupttat beim Versuch geblieben, so werden die Teilnehmer nur wegen Versuches bestraft (Art. 21). Grenzen der s t r a f r e c h t l i c h e n Verantwortlichkeit der Teilnehme r Teilnehmer sind innerhalb der Grenzen ihres Vorsatzes strafrechtlich verantwortlich. Verhindern sie f r e i w i l l i g die Ausführung der Tat, so kann das Gericht von Bestrafung absehen (Art. 22). Persönliche Verhältnisse, Eigenschaften und Umstände, deretwegen das Gesetz die strafrechtliche Verantwortlichkeit ausschließt oder Absehen von Bestrafung, Verminderung oder Erhöhung der Strafe gestattet oder vorschreibt, können nur bei dem Täter, Anstifter oder Gehilfen berücksichtigt werden, bei dem sie vorliegen (Art. 22, Abs. 3). Bezüglich dieser Momente gilt keine Akzessorietät, wohl aber für jene, die die Strafbarkeit begründen. B e s o n d e r e F ä l l e . Besondere Fälle von Anstiftung sind ζ. B. i m A r t . 327, 339, 342 erwähnt (Verleitung einer Militärperson zur Nichtbefolgung eines Dienstbefehles, Verleitung zur Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehles oder zur Fahnenflucht), A r t . 118 (feindliche Propaganda), Art. 305 (Verlockung zum Glücksspiel). Besondere Bestimmungen gelten für die Bestrafung der Organisierung verbrecherischer Banden (Art. 104, Abs. 1; 105, Abs. 2; 110, Abs. 2; 111, Abs. 2; 117; 128; 299, Abs. 1; 328, Abs. 2). Trotz dieser Bestimmungen enthält auch der allgemeine Teil eine diesbezügliche Bestimmung (Art. 23) folgenden Inhaltes: „Wer behufs Begehung strafbarer Handlungen eine Organisation, Bande, Verschwörung, Gruppe oder Vereinigung gründet oder mißbraucht, w i r d wegen aller strafbaren
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Das Strafrecht Jugoslawiens
Handlungen bestraft, die aus dem verbrecherischen Plan dieser Vereinigimg entstanden sind, so als ob er sie selbst begangen hätte." Hier liegt eine Anstiftung zu einer k o n k r e t e n Tat nicht vor. Deshalb diese Bestimmung. Sie bedeutet eine „Modifizierung der fundamentalen Grundsätze der strafrechtlichen Verantwortlichkeit m i t Rücksicht auf die besondere Natur der Tätigkeit verbrecherischer Organisatoren als der gefährlichsten Form der Teilnahme" (Mot. 110). „ H i e r i n ist der i m Nürnberger Prozeß angenommene Standpunkt zum Ausdruck gekommen." V. Strafen Strafarten:
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Hauptstrafen
a) D i e T o d e s s t r a f e ( A r t . 27). Die Todesstrafe ist i n keinem Falle absolut angedroht. Sie w i r d durch Erschießen oder durch den Strang vollstreckt. Die A r t der Vollstreckung w i r d i m Urteil bestimmt. Gegen Minderjährige und Schwangere darf sie nicht verhängt werden (Art. 27, 66). I m Falle der Verurteilung zur Todesstrafe legte das Gericht den Strafakt, auch wenn eine Beschwerde nicht eingebracht ist, dem Obersten Gericht zur Überprüfimg des Urteils vor (Art. 268 StPG). 9 Die Todesstrafe hat den Charakter einer Ausnahmestrafe; anstatt derselben kann das Gericht auch i n schweren Fällen auf lebenslängliches strenges Gefängnis erkennen (Art. 29). b) S t r e n g e s G e f ä n g n i s . Dauer: Sechs Monate bis zu zwanzig Jahren. Bemessung auf Jahre und Monate (Art. 28). Das lebenslängliche strenge Gefängnis ist keine besondere Strafart, sondern eine Ausnahmestrafe. Erachtet das Gericht m i t Bücksicht auf die Schwere der Tat, daß auf Todesstrafe zu erkennen wäre, daß aber gerechtfertigte Gründe bestehen, sie nicht zu verhängen, eine zeitliche Strafe aber der Schwere der Tat nicht entsprechen würde, so kann es an Stelle der Todesstrafe auf lebenslängliches 10 strenges Gefängnis erkennen. F ü r Minderjährige gelten hinsichtlich der Dauer strengen Gefängnisses besondere Bestimmungen (Siehe oben I I I , 3). c) G e f ä n g n i s . Dauer: Drei Tage bis zu fünf Jahren. Bemessung auf volle Jahre und Monate, bis zu drei Monaten auch auf volle Tage (Art. 30). Strenges Gefängnis w i r d i n Straf-Besserungsheimen und i n Gefängnissen, die Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten i n Gefängnissen vollzogen. Die Verurteilten (das Gesetz meidet den Ausdruck 9 I m neuen StPGB 1953 ist dies nicht mehr vorgesehen; wohl ist im Falle ihrer Verhängung eine Beschwerde an das Gericht dritter Instanz gestattet (Art. 368 StPGB). 10 Beschwerden an die dritte Instanz wie bei der Todesstrafe (Art. 368 StPGB).
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„Sträfling") verbüßen diese Freiheitsstrafen getrennt nach Strafart und Geschlecht i n Gemeinschaftshaft, ausnahmsweise abgesondert. 2.
Nebenstrafen
a) S c h m ä l e r u n g b ü r g e r l i c h e r R e c h t e . Sie umfaßt kumulativ den Verlust des Wahlrechtes, des Rechtes auf Erlangung und Ausübung von Wahlfunktionen i n gesellschaftlichen Organisationen bzw. Vereinen und des Rechtes auf öffentliches Auftreten; sie ist dauernd oder zeitlich (ein bis fünf Jahre) (Art. 31). Dauernd bei Verurteilung zur Todesstrafe bzw. zur lebenslänglichen Freiheitsstrafe, zeitlich nur bei Verurteilung zu strengem Gefängnis von mindestens fünf Jahren, ausnahmsweise auch bei Verurteilung zu strengem Gefängnis von zwei bis zu fünf Jahren. I n letzterwähntem Falle kann auf zeitliche Schmälerung bürgerlicher Rechte bis zu zwei Jahren erkannt werden. I n jedem Falle aber darf auf diese Nebenstrafe i n zeitlicher Dauer nur dann erkannt werden, falls sich der Täter als unwürdig erwiesen hat, am öffentlichen Leben teilzunehmen. Der zu zeitlicher Schmälerimg bürgerlicher Rechte Verurteilte darf diese Rechte vom Tage der Rechtskraft des Urteils nicht ausüben; die Dauer dieser Strafe aber w i r d vom Tage berechnet, an dem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. Außerdem können dem Verurteilten Ehrenämter und Auszeichnungen abgenommen werden. Der Verlust des Rechtes auf ein staatliches bzw. öffentliches A m t oder auf Pension ist i n dieser Nebenstrafe nicht Inbegriffen, wohl aber als Rechtsfolge der Verurteilung i m Staatsbeamten- oder Sozialversicherungsgesetz vorgesehen. Gegen Minderjährige kann diese Nebenstrafe nicht verhängt werden (Art. 66). b) V e r b o t d e r A u s ü b u n g e i n e s b e s t i m m t e n B e r u f e s ( A r t . 35). Diese Nebenstrafe ist dauernd bei Verurteilung zu strengem Gefängnis von mindestens drei Jahre. Das zeitliche Verbot dauert drei Monate bis zu fünf Jahren. Das Verbot w i r d verhängt, wenn der Täter seinen Beruf zur Begehung einer strafbaren Handlung mißbraucht oder wenn seine weitere Ausübung des Berufes m i t Gefahr verbunden wäre. Bezüglich des Beginnes dieser Strafe gilt das sub a) Gesagte. Durch Rehabilitation w i r d auch diese Nebenstrafe erfaßt (Art. 87, Abs. 2). Gegen Minderjährige kann das dauernde Verbot nicht verhängt werden (Art. 66). Das zeitliche Verbot kann auch auf Grund einer bedingten Verurteilung vollstreckt werden (Art. 48, Abs. 5). c) D i e V e r m ö g e n s k o n f i s k a t i o n ( A r t . 36) besteht i n der Abnahme des ganzen Vermögens des Verurteilten ohne Ersatz und kann nur i n den Fällen verhängt werden, i n denen sie i m Gesetz ausdrücklich angedroht ist. Sie ist grundsätzlich fakultativ und nur bei den schwersten Delikten vorgesehen. Beim Vollzuge der Vermögens-
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konfiskation bestimmt das Gericht i n den Grenzen des Gesetzes, welcher Teil des Vermögens dem Verurteilten abgenommen wird, und welcher Teil i h m und seiner engeren Familie zum Unterhalte frei bleibt (Art. 58). Das Verfahren über die Vermögenskonfiskation ist i m StVG vom 8. Oktober 1951 (Art. 83—104) geregelt. D i e G e l d s t r a f e w i r d als Haupt- oder Nebenstrafe verhängt. Mindestbetrag 100 Din, Höchstbetrag 50 000 Din, wenn das Gesetz nichts anderes vorschreibt; bei strafbaren Handlungen aus Gewinnsucht 300 000 Din. I m Urteil w i r d die Zahlungsfrist bestimmt (15 Tage bis drei Monate). Das Gericht kann auch Teilzahlungen gestatten, jedoch darf die Zahlungsfrist zwei Jahre nicht überschreiten. W i r d die Geldstrafe i n der festgesetzten Frist nicht bezahlt, so ordnet das Gericht die Beitreibung an. K a n n sie nicht bezahlt werden, so w i r d sie i n Gefängnisstrafe umgewandelt. Hierbei werden 200 D i n einem Tage Gefängnis gleichgesetzt, doch darf die Umwandlungsstrafe sechs Monate nicht übersteigen. W i r d nur ein T e i l der Geldstrafe bezahlt, so w i r d der Rest verhältnismäßig i n Gefängnis umgewandelt. Diese „verhältnismäßige" Umwandlung kommt i n Betracht, wenn die Geldstrafe den Betrag von 36 000 D i n übersteigt (36 000 D i n = sechs Monate). I n diesem Falle kann nämlich die Geldstrafe nicht i n Gefängnis über sechs Monate umgewandelt werden, sondern w i r d verhältnismäßig (im Verhältnis zur Höhe der bezahlten Geldstrafe) i n Gefängnis umgewandelt. Wurde z. B. von der Geldstrafe 60 000 D i n die Hälfte bezahlt, so w i r d der Rest nicht nach dem Schlüssel ein Tag = 200 D i n i n fünf Monate, sondern „verhältnismäßig", also; i n drei Monate Gefängnis umgewandelt. W i r d auch der Rest bezahlt, so w i r d die Gefängnisstrafe abgebrochen. Stirbt der Verurteilte, so w i r d die Geldstrafe nicht beigetrieben (Art. 59). Grundsätze
der
Strafverhängung
Die Strafpolitik der F V R J gründet sich auf das Prinzip der Gesetzlichkeit und Individualisierung (Exp. 15). Dem Prinzip der Gesetzlichkeit ist A r t . 26 gewidmet. „Die Todesstrafe, die Strafe strengen Gefängnisses und Gefängnisses und die Vermögenskonfiskation dürfen nur verhängt werden, wenn sie f ü r eine bestimmte strafbare Handlung i m Gesetz angedroht sind. Die Schmälerung bürgerlicher Rechte und das Verbot der Ausübung eines bestimmten Berufes können verhängt werden, auch wenn sie i m Gesetz für eine bestimmte strafbare Handlung nicht angedroht sind, jedoch nur unter den Bedingungen, die i m Gesetz (im allgemeinen Teile) vorgeschrieben sind. Die Geldstrafe kann nur verhängt werden, wenn sie für eine bestimmte strafbare Handlung i m Gesetz angedroht ist; doch kann sie wegen strafbarer Handlungen, die aus Gewinnsucht begangen sind, als Neben-
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strafe verhängt werden, auch wenn sie i m Gesetz nicht angedroht ist." Das Prinzip der Individualisierung äußert sich i n breiten Strafrahmen, i n der alternativen Strafandrohung, i n einer weitgehenden Möglichkeit bedingter Verurteilung und i n der Bestimmung des A r t . 4, Abs. 2 (keine strafbare Handlung bei geringer sozialer Gefährlichkeit). Ein weiterer Grundsatz besteht darin, daß die Höchstgrenze des Strafrahmens nach oben nie überschritten werden darf, auch nicht beim Rückfall. Deshalb wurden Sicherungsmaßnahmen m i t Freiheitsbeschränkung ins Gesetz nicht aufgenommen. VI. Die Strafzumessung 1. A l l g e m e i n e R e g e l ( A r t . 38) Bei der Strafbemessung berücksichtigt das Gericht alle Umstände, die die Höhe oder A r t der Strafe beeinflussen können. Die i m Gesetz beispielsweise angeführten Umstände können als Erschwerungs- oder Milderungsumstände i n Betracht kommen. Als subjektive Umstände werden erwähnt: der Grad der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, die Beweggründe, das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse und das Verhalten des Täters nach der Tat; als objektive: die Schwere der Bedrohung oder Verletzung des Rechtsgutes, bei der Bemessung der Geldstrafe auch die Vermögensverhältnisse des Täters. Schließlich erwähnt das Gesetz noch die Umstände, unter denen die Tat begangen worden ist; diese können subjektiver oder objektiver A r t sein. R ü c k f a l l . Der Rückfall ist gemäß A r t . 40 lediglich ein obligatorischer Erschwerungsumstand, kein besonderes Rechtsinstitut. Voraussetzungen: 1. Bestrafung wegen einer vorsätzlichen strafbaren Handlung zu strengem Gefängnis oder Gefängnis, 2. Begehung einer neuen vorsätzlichen strafbaren Handlung, die mindestens m i t Gefängnis bedroht ist, innerhalb von fünf Jahren vom Tage, an dem die frühere Strafe ganz oder teilweise verbüßt war. Das Gericht darf demnach trotz Rückfalles den Strafrahmen nach oben nicht überschreiten. Gleichartigkeit der strafbaren Handlungen w i r d nicht gefordert, wohl aber Vorsätzlichkeit. B e s o n d e r s s c h w e r e F ä l l e ( A r t . 41). Droht das Gesetz wegen besonders schwerer Fälle eine schwerere Strafe an, so verhängt das Gericht diese Strafe, wenn die Tat einen besonders gefährlichen Charakter dadurch bekommen hat, daß der Täter bei ihrer Ausführung eine besondere Entschlossenheit, Hartnäckigkeit oder Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt und die Tat entweder besonders schwere Folge verursacht hat oder unter besonders erschwerenden Umständen begangen worden ist. Auch i n diesem Falle ist die Strafe innerhalb des betreffenden Strafrahmens auszumessen.
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A l t e r n a t i v e S t r a f e n . Eine Bestimmung über die Strafbemessung bei alternativen Strafen wurde i n das Gesetz nicht aufgenommen, u m das Gericht bei der Auswahl der Strafart nicht einzuengen. 2. S t r a f m i l d e r u n g Das Gesetz kennt nur eine A r t von Strafmilderung. Diese ist i n zwei Fällen angeordnet: 1. Wenn das Gesetz selbst ausdrücklich eine fakultative Strafmilderung vorsieht und 2. wenn derartige Milderungsumstände vorliegen, die darauf hinweisen, daß der Strafzweck auch mit einer gemilderten Strafe erreicht werden kann. Die Strafmilderung besteht i n der Bemessung der Strafe unter der Grenze, die für die strafbare Handlung angedroht ist, oder i n der Verhängung einer milderen Strafart. Das Gericht mildert die Strafe auf folgende A r t : 1. Ist auf die strafbare Handlung strenges Gefängnis, Gefängnis oder Geldstrafe unter Angabe eines Mindesmaßes angedroht, so kann dieses Mindestmaß bis auf das gesetzliche Mindestmaß gemildert werden; 2. ist auf die strafbare Handlung strenges Gefängnis oder Gefängnis ohne Angabe eines Mindestmaßes angedroht, so kann an Stelle von strengem Gefängnis auf Gefängnis nicht unter drei Monaten, an Stelle von Gefängnis aber auf Geldstrafe erkannt werden (Art. 43). Das Gesetz macht keine Erwähnung von der Milderung der Todesstrafe, weil diese i n keinem Falle absolut angedroht ist. Eine Strafmilderung nach freiem Ermessen besteht nur i m Falle des untauglichen Versuches (Art. 17); i n diesem Falle ist das Gericht an das allgemeine gesetzliche Mindestmaß nicht gebunden. Für Minderjährige gelten hinsichtlich der Strafmilderung dieselben Bestimmungen; hinsichtlich des Strafrahmens strengen Gefängnisses gilt aber A r t . 72 (siehe oben I I I . 3). Die Möglichkeit einer Strafmilderung nach Rechtskraft des Urteils ist i m StPGB vorgesehen (Art. 386—389). über den Antrag entscheidet das Oberste Gericht der VR, des A L V bzw. der FVRJ. A b s e h e n v o n B e s t r a f u n g . Ein solches ist i n Fällen vorgesehen, die i m Gesetz angeordnet sind. Eine Begriffsbestimmung „besonders leichter Fälle" ist i m Gesetz nicht gegeben, da i m Falle geringfügiger sozialer Gefährlichkeit (Art 4, Abs. 2) eine strafrechtliche Verantwortlichkeit überhaupt nicht besteht (Mot. 132). Siehe oben 11,2. Obligatorische Anrechnung der H a f t , Unters u c h u n g s h a f t o d e r f r ü h e r e n S t r a f e auf die Freiheits- und Geldstrafe (Art. 45). Bei dieser Anrechnung werden ein Tag Haft, Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe und 200 D i n Geldstrafe gleichgesetzt. Ebenso w i r d i n die Freiheitsstrafe die Zeit eingerechnet, die
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ein vermindert Zurechnungsfähiger i n der Heilanstalt zugebracht hat (Art. 61, Abs. 3). Die Anrechnung geschieht i m Urteil (Art. 330, Ζ 6 StPGtB) und ohne Rücksicht 'darauf, ob der Täter die Haft verschuldet oder verlängert hat. 3. Z u s a m m e n t r e f f e n s t r a f b a r e r H a n d l u n g e n ( A r t . 46) Das Gesetz steht auf dem Standpunkt, daß es sowohl bei der Idealais auch bei der Realkonkurrenz nur auf ein Zusammentreffen von strafbaren Handlungen (nicht von Strafgesetzen) ankommt (Mot. 134) und daß deshalb auch bei der Strafbemessung zwischen beiden Konkurrenzarten kein Unterschied gemacht werden soll (Mot. 135). Daher gilt als Grundprinzip das Asperationsprinzip. Das Absorptionsprinzip hat Geltung für die Todesstrafe und Vermögenskonfiskation, das K u mulationsprinzip f ü r die Geldstrafe und Nebenstrafen. Das Gericht bestimmt vorläufig f ü r jede strafbare Handlung eine Detailstrafe, die Gesamtstrafe aber verhängt es folgendermaßen: 1. Die Todesstrafe absorbiert alle übrigen Strafen. 2. Bei Konkurrenz von Freiheitsstrafe^ verurteilt das Gericht nur zu einer Strafe, indem es die schwerste erhöht; die erhöhte Strafe darf jedoch weder die Summe der Einzelstrafen erreichen noch das Höchstmaß der verhängten Strafart überschreiten. Hat der Täter für eine strafbare Handlung Geldstrafe verwirkt, so w i r d er neben der Freiheitsstrafe auch zur Geldstrafe verurteilt. 3. Für Geld- oder Nebenstrafen gilt das Kumulationsprinzip; doch darf die Gesamtstrafe die Summe der Einzelstrafen und das gesetzliche Höchstmaß der betreffenden Strafart nicht überschreiten. 4. Neben der Vermögenskonfiskation darf auf Geldstrafe nicht erkannt werden. Auch die Detailstrafen werden i m Urteilstenor angeführt (Art. 335, Abs. 5 StPGB). Hierdurch w i r d die Möglichkeit der Anfechtung derselben gegeben, w e i l Urteilsgründe nicht anfechtbar sind. Diese Bestimmungen finden auch Anwendung, wenn jemand vor Verbüßimg der Strafe wegen einer strafbaren Handlung verurteilt wird, die er vor Fällung des früheren Urteils oder vor Verbüßung der Strafe begangen hat. Strafbare
H a n d l u n g e n , die von „Sträflingen" begangen werden Diesbezüglich gelten folgende Regeln: 1. Begeht ein „Sträfling" während der Strafverbüßung eine strafbare Handlung, die m i t Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten bedroht ist, so w i r d er i m Disziplinarwege bestraft. 2. Begeht ein Sträfling während der Strafverbüßung oder bedingten Entlassung eine strafbare Handlung, die mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu acht Jahren bedroht ist,
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Das Strafrecht Jugoslawiens
so w i r d er unter Anwendung der Grundsätze über das Zusammentreffen strafbarer Handlungen bestraft. 3. Begeht ein Sträfling i n der sub 2. erwähnten Zeit eine strafbare Handlung, deretwegen auf strenges Gefängnis über acht Jahre erkannt werden kann, so hat das Gericht die Wahl, die Strafe nach den Konkurrenzvorschriften zu bemessen oder auf eine selbständige Strafe zu erkennen. A u f eine selbständige Strafe w i r d erkannt, wenn m i t Rücksicht auf die kurze Dauer des Restes der früheren Strafe der Strafzweck unter Anwendung der Konkurrenzvorschriften nicht erreicht werden könnte (Art. 47). 4 Bedingte
Verurteilung
Die bedingte Verurteilung besteht i m Aufschub des Strafvollzuges und ist nur bei einer Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren oder zu einer Geldstrafe zulässig. Voraussetzungen: a) daß m i t Grund erwartet werden kann, der Verurteilte werde auch ohne Strafvollzug i n Zukunft keine strafbaren Handlungen begehen, b) daß der Verurteilte i n den letzten fünf Jahren nicht zu strengem Gefängnis oder unbedingt zu Gefängnis von mehr als einem Jahr verurteilt worden ist, c) daß er i n der Bewährungsfrist, die nicht kürzer als ein Jahr und nicht länger als fünf Jahre sein darf, keine neue, vorsätzliche, ebenso schwere oder schwerere strafbare Handlung begeht. Fakultativ ist die Bedingung, daß der Verurteilte i n einer vom Gericht bestimmten Frist, die ein Jahr nicht überschreiten darf, den mit U r t e i l festgestellten Schaden ersetzt. I m Urteil kann auch angeordnet werden, daß das zeitliche Verbot der Ausübung eines bestimmten Berufes ohne Rücksicht darauf, daß der Vollzug der Hauptstrafe bedingt ist, vollzogen wird. W i d e r r u f . Das Gericht widerruft die bedingte Verurteilung: a) wenn der Verurteilte i n der Bewährungsfrist eine vorsätzliche, ebenso schwere oder schwerere strafbare Handlung begeht, b) wenn er nach bedingter Verurteilung wegen einer vor Erlaß dieses Urteiles begangenen strafbaren Handlung verurteilt wird, das Gericht aber findet, daß zur bedingten Verurteilung kein Grund vorhanden gewesen wäre, wenn es von der früher begangenen strafbaren Handlung Kenntnis gehabt hätte, c) wenn er i n der i h m vom Gericht bestimmten Frist den Schaden nicht ersetzt. Das Gericht kann jedoch i n diesem Falle eine neue Frist bestimmen oder diese Bedingung erlassen, wenn es findet, daß der Verurteilte außerstande ist, den Schaden zu ersetzen. I m Falle des Widerrufes erkennt das Gericht wegen aller strafbaren Handlungen auf eine einzige Konkurrenzstrafe (Art. 46). Der Widerruf ist zulässig während der Bewährungsfrist oder spätestens i n einem Jahre nach Ablauf derselben (Art. 49). W i r d die bedingte Verurteilung nicht widerrufen, so erläßt das Gericht, welches i n erster Instanz ge-
Der allgemeine Teil des Strafrechts
urteilt hat, den Beschluß auf Löschung der Verurteilung (Art. 448 StPGB). VII. Strafvollzug Das StGB enthält allgemeine Vorschriften über den Vollzug der wichtigsten Strafen, Einzelvorschriften sind i m Strafvollzugsgesetz enthalten. Die allgemeine Vorschrift (Art. 51) lautet: „ M i t dem Vollzug der Strafe w i r d der i m StGB bestimmte Strafzweck verwirklicht. M i t dem Strafvollzug darf dem Verurteilten weder physisches Leid angetan noch dessen Menschenwürde gekränkt werden." B e d i n g t e E n t l a s s u n g ( A r t . 56). Voraussetzungen: a) Ablauf der Hälfte der Freiheitsstrafe, b) Besserung des Verurteilten, diese muß durch sein Benehmen und seine Arbeit i n der Anstalt erwiesen sein; c) die Erwartung, daß der Verurteilte keine neuen strafbaren Handlungen begehen werde. Die Entlassung ist fakultativ. Tut sich der Verurteilte i n der Anstalt durch seine Arbeit und sein Benehmen besonders hervor, so kann er schon vor Verbüßung der Hälfte der Strafzeit bedingt entlassen werden. Der zu lebenslänglichem strengen Gefängnis Verurteilte kann bedingt entlassen werden, wenn er fünfzehn Jahre seiner Strafzeit verbüßt hat. Die Bewährungsfrist beträgt bei lebenslänglichem strengen Gefängnis zehn Jahre, sonst kommt sie dem Reste der Strafzeit gleich; sie w i r d vom Tage der Entlassung berechnet. Begeht der bedingt Entlassene während der Bewährungsfrist eine neue strafbare Handlung, die nach ihrer Natur und Schwere darauf hinweist, daß Gründe zur bedingten Entlassung nicht mehr bestehen, so w i r d die bedingte Entlassung widerrufen. Die Zeit der bedingten Entlassung w i r d in die Strafzeit nicht eingerechnet (Art. 57). Bewährt sich der bedingt Entlassene bis zum Ablauf der Bewährungsfrist, so gilt die Strafe als verbüßt. Einzelvorschriften über die bedingte Entlassung sind i m Strafvollzugsgesetz enthalten. S t r a f v o l l z u g s k o s t e n trägt der Staat mit Ausnahme der Kosten, die mit der Eintreibung der Geldstrafe verbunden sind (Art. 60). VIII. Sichernde Maßnahmen Das Gesetz enthält nur „selbständige" sichernde Maßnahmen. Solche, die die Strafzeit verlängern, wurden i n das Gesetz nicht aufgenommen, weil sie nach Ansicht des Gesetzgebers m i t dem Legalitätsprinzip unvereinbar sind (Exp. 20). I m StGB sind drei sichernde Maßnahmen vorgesehen: 1. Die Abgabe eines für seine Umgebung gefährlichen unzurechnungsfähigen oder vermindert zurechnungsfähigen Täters i n eine A n 26 Ausländisches S t r a f r e c h t
I.
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Das Strafrecht Jugoslawiens
stalt für Geisteskranke oder i n eine andere Anstalt zur Pflege und Heilung (Art. 61). Das Verfahren über die Abgabe ist i m StPGB (Art. 436—441) geregelt. Zur Abgabe ist das Gericht berufen, welches zur Urteilsfällung i n erster Instanz zuständig ist. Wurde i m Verfahren festgestellt, daßi der Täter zur Zeit der Tat unzurechnungsfähig war, so ordnet das Gericht auf Antrag des öffentlichen Anklägers nach nichtöffentlicher Verhandlung die Abgabe des Beschuldigten i n eine Heilanstalt m i t Beschluß an. Die Entlassung aus der Anstalt ordnet das Gericht an, wenn es feststellt, daß eine weitere Festhaltung i n der Anstalt nicht erforderlich ist. Die Zeit, die ein vermindert Zurechnungsfähiger i n der Anstalt zugebracht hat, w i r d auf die Freiheitsstrafe angerechnet. Ist zur Zeit der Entlassung aus der Heilanstalt die Strafzeit noch nicht abgelaufen, so w i r d der Rest der Strafzeit i n einer Straf-Besserungsanstalt verbüßt. Wurde der Täter zu einer Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht bei seiner Entlassung aus der Heilanstalt die Entscheidung treffen, ob er die Strafe abzubüßen hat. Hierbei berücksichtigt es die Schwere der Tat, das Vorleben des Täters und den Umstand, i n welchem Maße der Aufenthalt i n der Anstalt die Heilung des Täters beeinflußt hat. 2. Einziehung von Gegenständen (Art. 62). Gegenstände, die zur Begehung der strafbaren Handlung verwendet wurden oder dazu bestimmt waren, Gegenstände, die durch die strafbare Handlung entstanden sind oder als Zuwendung f ü r ihre Begehung gegeben wurden, können eingezogen werden, wenn sie i m Eigentum des Täters stehen. Diese Gegenstände können auch eingezogen werden, wenn sie nicht i m Eigentum des Täters stehen, wenn die öffentliche Sicherheit oder Gründe der Moral dies erfordern; doch dürfen dadurch Rechte dritter Personen, Schadenersatz vom Täter zu erlangen, nicht beeinträchtigt werden. Die Einziehung wurde m i t Rücksicht auf ihren überwiegend sichernden Charakter in die Sicherungsmaßnahmen eingereiht (Mot. 146). Sie ist fakultativ. I m besonderen Teile des StGB sind einzelne Fälle obligatorischer Einziehung vorgesehen. Vollzugsvorschriften sind i m Art. 125 und 442 StPGiB enthalten. Gegenstände, die nach den Bestimmungen des StGB eingezogen werden müssen oder können, werden auch i m Falle eingezogen, wenn das Strafverfahren nicht mit Verurteilung geendet hat, insofern dies i m Interesse der öffentlichen Sicherheit oder Moral erforderlich ist (Art. 442 StPGB). 3. Die Landesverweisung (Art. 63) ist nur gegen Ausländer fakultativ vorgesehen, wenn das Gericht aus den Motiven, aus der A r t der Ausführung der Tat oder aus anderen Umständen erachtet, daß der Aufenthalt des Ausländers i m Staate m i t Schaden verbunden wäre.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
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Die Landesverweisung ist dauernd oder zeitlich von einem bis zu zehn Jahren. Die Dauer der zeitlichen Ausweisung w i r d vom Tage berechnet, an dem die Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. Detailvorschriften i m StVG. IX. Erziehungs-Besserungsmaßnahmen gegen Minderjährige Diese wurden oben unter I I I , 3, behandelt. Verfahrensvorschriften sind i m StPGB (Art. 414—435) und StVG (Art. 119—138) geregelt. X. Erlöschungsarlen der Strafen 1. D i e V e r j ä h r u n g
( A r t . 80—83)
Die Verfolgungs ver jährung beginnt mit dem Tage der Begehung der Tat (Art. 81). Der Erfolgseintritt bleibt hierbei außer Betracht (Art. 14). Die Verjährungsfrist beträgt: 25 Jahre bei strafbaren Handlungen, deretwegen auf Todesstrafe erkannt werden kann; desgleichen bei einigen strafbaren Handlungen gegen Volk und Staat (Art. 104, Abs. 3; 107—109; 110, Abs. 2; 112; 116, Abs. 2; 117; 118; 121); 15 Jahre bei strafbaren Handlungen, deretwegen auf strenges Gefängnis über zehn Jahren erkannt werden kann, zehn Jahre bei strafbaren Handlungen, deretwegen auf strenges Gefängnis von fünf bis zu zehn Jahren erkannt werden kann, fünf Jahre bei strafbaren Handlungen, deretwegen auf strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren oder auf Gefängnis über zwei Jahre erkannt werden kann, zwei Jahre bei strafbaren Handlungen, deretwegen auf Gefängnis bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe erkannt werden kann. Ist die strafbare Handlung mit mehreren Strafen bedroht, so w i r d die Verjährungsfrist nach der schwersten angedrohten Strafe berechnet. Die Verjährung ruht während der Zeit, i n der die Verfolgung nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann. Die Verjährung w i r d unterbrochen: a) durch jede Maßnahme des zuständigen Staatsorganes, die behufs Verfolgung des Täters wegen der begangenen strafbaren Handlung unternommen wird, b) durch eine ebenso schwere oder schwerere strafbare Handlung, die der Täter i n der Verjährungsfrist begeht. M i t jeder Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen. Die absolute Verjährungsfrist beträgt das Doppelte der ordentlichen. Die Vollstreckungsverjährung beginnt mit der Rechtskraft des Urteiles; bei bedingter Verurteilung mit dem Tage der rechtskräftigen Anordnung der Vollstreckung. Die Strafen verjähren: die Todesstrafe und lebenslängliches strenges Gefängnis in 25 Jahren, strenges Gefängnis über zehn Jahren i n 15 Jahren, strenges Gefängnis 26*
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Das Strafrecht Jugoslawiens
von fünf bis zu zehn Jahren i n zehn Jahren, strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren und Gefängnis über zwei Jahre i n fünf Jahren, Gefängnis bis zu zwei Jahren und Geldstrafe i n zwei Jahren. Die Verjährung ruht i n der Zeit, i n der die Vollstreckung nach dem Gesetz nicht stattfinden kann, und w i r d unterbrochen durch jede Maßnahme, die vom zuständigen Staatsorgan behufs Vollstreckung der Strafe unternommen wird. M i t jeder Unterbrechung beginnt die Verjährung neu zu laufen. Die absolute Verjährung beträgt das Doppelte der einfachen. 2. A m n e s t i e
und
Begnadigung.
Die Bestimmungen über Amnestie und Begnadigung sind i m Verfassungsgesetz, i m Gesetz über die Erteilung von Amnestie und Begnadigung vom 2. November 1946, B A B vom 5. November 1946, Z. 89, und i m StGB (Art. 84—86) enthalten. Eine Besonderheit besteht darin, daß die Einzelabolition auch durch einen Begnadigungsakt erteilt werden kann (Art. 85). Zum Erlaß von Amnestien wegen strafbarer Handlungen, die i n Bundesgesetzen vorgesehen sind, ist die Bundesvolksversammlung (Art. 15, Z. 11 VG), zur Erteilung von Begnadigungen der Bundesvollzugsrat (Art. 79, Z. 11 VG) zuständig. Der Unterschied zwischen Amnestie und Begnadigung ist ein rein formeller. Er besteht darin, daß sich die Amnestie auf Personen bezieht, die der Amnestieakt umfaßt, die Begnadigung aber auf Personen, die i m Begnadigungsakte namentlich angeführt sind. Inhaltlich umfaßt die Amnestie bezw. Begnadigung die Abolition, den vollkommenen oder teilweisen Straferlaß, die Umwandlung der verhängten Strafe i n eine mildere und den Erlaß der Rechtsfolgen der Verurteilung (Art. 84, 85). Ist durch die Amnestie bzw. Begnadigung die Haupt- und Nebenstrafe vollkommen erlassen, so gilt der A m nestierte bzw. Begnadigte als nicht verurteilt (rehabilitiert). Durch die Amnestie bzw. Begnadigung bleiben die Rechte dritter Personen, die auf der Verurteilung beruhen, unberührt (Art. 86). 3.
Rehabilitation
Durch die Rehabilitation w i r d die Verurteilung getilgt, ihre Rechtsfolgen beseitigt, der Verurteilte gilt als nicht verurteilt. Durch sie nehmen auch die noch nicht verbüßten Nebenstrafen ihr Ende; die Rechte dritter Personen aber bleiben unberührt (Art. 87). Die Rehabilitation ist einheitlich; sie bezieht sich immer auf alle Verurteilungen. Sie ist i n reichem Ausmaß zugelassen, u m dem Verurteilten u m so früher die Rückkehr i n den Kreis rechtschaffener Bürger zu ermöglichen (Exp. 20). Das Gesetz unterscheidet eine gesetzliche und eine richterliche Rehabilitation.
Der allgemeine Teil des Strafrechts
Der gesetzlichen Rehabilitation (Art. 88) kann nur teilhaftig werden, wer noch nicht verurteilt ist oder nach dem Gesetz als nicht verurteilt gilt. Ihre Voraussetzungen sind: Zeitablauf und Wohlverhalten des Täters. Die Bewährungsfrist dauert: a) ein Jahr bei deklaratorischer Verurteilung (Absehen von Bestrafung); b) drei Jahre bei Verurteilung zu Gefängnis bis zu sechs Monaten oder zu Geldstrafe; c) fünf Jahre bei Verurteilung zu Gefängnis von sechs Monaten bis zu zwei Jahren. Die Frist ad a) w i r d vom Tage der Rechtskraft des Urteils, ad b) und c) vom Tage, seit dem die Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, berechnet. Bezüglich Minderjähriger sind diese Fristen auf die Hälfte abgekürzt (Art. 78). Die gerichtliche Rehabilitation (Art. 89) kann auf Gesuch denjenigen bewilligt werden, die zu Gefängnis von mehr als zwei Jahren oder zu strengem Gefängnis verurteilt worden sind, bis dahin aber noch nicht verurteilt waren, oder nach dem Gesetz als nicht verurteilt gelten, und denjenigen, die schon öfters verurteilt wurden. Die Bewährungsfrist dauert acht Jahre, sie w i r d wie oben ad b) und c) berechnet. Das Gericht bewilligt die Rehabilitation, wenn es findet, daß der Verurteilte dieselbe m i t seinem Verhalten verdient und den durch die strafbare Handlung verursachten Schaden nach Möglichkeit ersetzt hat. Wurde jemand öfters verurteilt (d. h. begeht jemand während der Bewährungsfrist eine neue strafbare Handlung), so kann i h m die Rehabilitation bewilligt werden, nachdem alle Fristen, die bezüglich der einzelnen Verurteilungen i m Gesetz vorgesehen sind, abgelaufen sind. Hierbei berücksichtigt das Gericht: das Verhalten des Verurteilten, sein Bestreben, den durch die strafbare Handlung verursachten Schaden nach besten Kräften zu ersetzen, die Schwere und Beschaffenheit der strafbaren Handlungen. Vorschriften über das Rehabilitationsverfahren sind i m StPGB enthalten (Art. 444—449). Z u r Bewilligung einer gerichtlichen Rehabilitation ist stets das Kreisgericht zuständig, in dessen Bereiche der Verurteilte seinen ordentlichen Wohnsitz hat. über die gesetzliche Rehabilitation entscheidet von Amts wegen der Bezirks(Stadts)-Volksausschuß des ständigen Wohnsitzes des Verurteilten. Erläßt dieser keinen Beschluß über die Rehabilitation, so kann der Verurteilte den Erlaß eines Beschlusses begehren. Wird dem Begehren nicht stattgegeben, so kann der Verurteilte sein Begehren beim Gerichte stellen, welches i n erster Instanz geurteilt hat (Art. 447 StPGB). I n der Bestätigung, welche auf Grund der Strafevidenz erteilt wird, darf die gelöschte Verurteilung nicht erwähnt werden. Die reha-
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Das Strafrecht Jugoslawiens
bilitierte Person ist auf Befragung vor Gericht oder vor einem anderen Organ nicht verpflichtet, anzugeben, daß sie vorbestraft gewesen ist (Art. 449 StPGB). XI. Strafantrag r Privatklage und Bewilligung (Ermächtigung) zur Strafverfolgung Strafantrag und Privatklage sind i m StPGB vorgesehen (Art. 52 bis 65). Ist die Verfolgung wegen einer strafbaren Handlung vom Strafantrag des Verletzten abhängig, so kann der öffentliche Ankläger das Strafverfahren nicht einleiten, bevor der Verletzte den Antrag gestellt hat. Ist i m StGB vorgesehen, daß zur Verfolgung wegen einiger strafbarer Handlungen eine vorhergehende Bewilligung (Ermächtigung) eines zuständigen Staatsorganes notwendig ist, so kann der öffentliche Ankläger die Einleitung der Voruntersuchung nicht beantragen bzw. die Anklageschrift (beim Kreisgerichte) bzw. den Anklageantrag (beim Bezirksgerichte) nicht einbringen, bevor er nicht Beweise vorlegt, daß die Bewilligung erteilt worden ist (Art. 130 StPGB). Die Privatklage- bzw. Antragsfrist beträgt drei Monate, gerechnet vom Tage, an dem der Berechtigte von der strafbaren Handlung und vom Täter Kenntnis erhalten hat. Der Beschuldigte kann die Widerklage wegen Beleidigung (Art. 170 StGB) bis zum Schlüsse der Hauptverhandlung (HV) auch nach Ablauf der Klagefrist erheben. Der Strafantrag ist beim öffentlichen Ankläger oder beim Untersuchungsorgan einzubringen. Zur Verfolgung von Privatklagedelikten ist nur der Privatkläger befugt; ein Eingriffsrecht des öffentlichen Anklägers besteht nicht. Für Minderjährige und Personen, denen die Handlungsfähigkeit vollkommen genommen ist, steht das Antragsbzw. Klagerecht dem gesetzlichen Vertreter zu. Hat der M j das sechzehnte Jahr vollendet, so ist auch er selbst antrags- bzw. klageberechtigt (Art. 54). Ist der Verletzte oder Privatkläger während der A n trags- bzw. Klagefrist gestorben oder stirbt er während des Verfahrens, so können sein Ehegatte, seine Kinder, Eltern und Geschwister i n drei Monaten nach seinem Tode den Antrag bzw. die Klage einbringen bzw. erklären, daß sie das Verfahren fortsetzen (Art. 55). Sind durch die strafbaren Handlungen mehrere Personen verletzt, so w i r d die Verfolgung auf Antrag bzw. Klage eines jeden von ihnen eingeleitet bzw. fortgesetzt (Art. 56). Der Verletzte bzw. Privatkläger kann den Antrag bzw. die Privatklage bis zum Schluß der H V zurücknehmen. Diese Erklärung ist beim Organe abzugeben, vor welchem das Verfahren i m Laufe ist. Die Zurücknahme ist unwiderruflich (Art. 57). Das Prinzip der Unteilbarkeit des Antrags bzw. der Privatklage und der Zurücknahme derselben wurde i n das Gesetz absieht-
Der allgemeine Teil des Strafrechts
lieh nicht aufgenommen (Mot.). Nichterscheinen des Privatklägers bei der H V gilt als Zurücknahme der Klage; i m Verfahren vor dem Bezirksgericht ist die Anwesenheit des Privatklägers bei der H V nicht notwendig, wenn er seinen Wohnsitz außerhalb des Bezirksgerichtssprengeis hat (Art. 411). Der Senatsvorsitzende bewilligt dem Privatkläger, der aus gerechtfertigten Gründen zur H V nicht erschienen ist, die Wiedereinsetzung i n den vorigen Stand, wenn er binnen acht Tagen nach Wegfall des Hindernisses darum ansucht. Nach Ablauf von drei Monaten, gerechnet vom Tage der Versäumnis, kann ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht mehr eingebracht werden. Gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung ist eine Beschwerde nicht g e s t a t t e t (Art. 58). Der Verletzte bzw. Privatkläger hat das Recht, i m vorbereitenden Verfahren und bei der H V Beweisanträge zu stellen, bei Untersuchungshandlungen außer bei der Einvernahme des Beschuldigten anwesend zu sein (Art. 150), i n die Strafakten Einsicht zu nehmen, bei der H V an den Angeklagten, Zeugen und Sachverständige Fragen zu stellen und Anträge einzubringen (Art. 59). I m Verfahren vor dem Kreisgericht kann der Privatankläger beim Untersuchungsrichter (UR) die Vornahme von Vorerhebungen beantragen. Gibt der UR einem solchen Antrage nicht statt, so entscheidet darüber der Senat (drei Berufsrichter). Der UR setzt den Privatkläger vom Schlüsse der Vorerhebungen m i t der Aufforderung i n Kenntnis, binnen acht Tagen die Privatklage 1 einzureichen bzw. neue Beweisanträge zu stellen. K o m m t der Privatkläger dieser Aufforderung nicht nach, so stellt der UR das Verfahren ein. Findet der UR, dem Beweisantrage des Privatklägers nicht stattzugeben, so entscheidet der Senat. Gibt der Senat dem Beweisantrage nicht statt, so fordert der UR den Privatkläger neuerlich auf, binnen acht Tagen die Privatklage einzubringen. K o m m t der Privatkläger dieser Aufforderung nicht nach, so w i r d das Verfahren eingestellt (Art. 148). Der Privatkläger kann als Zeuge vernommen werden (Art. 219). A n t r a g s d e l i k t e s i n d : die leichte Körperverletzung (Art. 142, Abs. 1 und 3), die Nötigung (Art. 149), die Gefährdung der Sicherheit (Art. 153), der Hausfriedensbruch (Art. 154, Abs. 1), die Verletzung des Briefgeheimnisses (Art. 156, Abs. 1 und 2), die unbefugte Offenbarung eines Berufsgeheimnisses (Art. 157), die Verletzung des U r heberrechtes (Art. 163), die üble Nachrede und Beleidigung staatlicher oder gesellschaftlicher Anstalten, Unternehmen oder gesellschaftlicher Organisationen oder einer Amtsperson (Art. 177, Abs. 3), die Übertragung einer Geschlechtskrankheit (Art. 201), die Unterschlagung (Art. 254, Abs. 1 und 3), die Entziehung fremder Sachen (Art. 256), die 1
Die
Privatklage
vertritt
die
formelle
Anklageschrift
(Art.
248).
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Das Strafrecht Jugoslawiens
Sachbeschädigung (Art. 257), Abs. 1), kleine Diebstähle, Unterschlagungen und Betrügereien (Art. 259), die Schädigung fremder Rechte (Art. 264), leichtere Vermögensdelikte gegen Personen i m gemeinsamen Haushalte (Art. 266, Abs. 2). P r i v a t k l a g e d e l i k t e : Ehrverletzungen gegen Privatpersonen (Art. 177, Abs. 2), die Verführung (Art. 185) und leichtere Vermögensdelikte gegen Verwandte (Art. 266, 1. Abs.). Ermächtigungsdelikte: Die Verletzung des Ansehens eines fremden Staates, einer internationalen Organisation, eines fremden Staatsoberhauptes, eines diplomatischen Vertreters oder Repräsentanten einer internationalen Organisation (Art. 175 und 176). XII. Die Geltung des Strafgesetzes 1. Z e i t l i c h e
Geltung
Die Verantwortlichkeit für strafbare Handlungen w i r d nach dem Gesetze beurteilt, das zur Zeit der Begehung der strafbaren Handlung (Art. 14) i n Geltung war. Das neue Gesetz findet auch auf strafbare Handlungen Anwendung, die vor dessen Inkrafttreten begangen wurden, wenn es für den Täter das mildere ist (Art.90). 2. R ä u m l i c h e
Geltung
a) Territorialprinzip. Dem inländischen StG ist unterworfen, wer i n der FVRJ eine strafbare Handlung begeht. Als Inland gilt auch ein inländisches Handelsschiff und Reiseluftfahrzeug auf offenem Meere oder ein inländisches Kriegsschiff oder Militärluftfahrzeug ohne Rücksicht, wo es sich zur Zeit der Tat befunden hat (Art. 91). b) Staatsschutzprinzip (Art. 92). Das inländische StG w i r d auf jedermann angewendet, der außerhalb des Staatsgebietes schwere strafbare Handlungen gegen Volk und Staat (Art. 110—112, 114—118, 120, 121) oder Fälschung inländischen Geldes (Art. 221) begeht. Dieses Prinzip w i r k t bezüglich der Verfolgung absolut ohne Rücksicht darauf, ob gegen den Täter i m Auslande bereits ein Urteil ergangen ist oder ob die Strafe erlassen oder verjährt ist. Die i m Ausland verwirkte Strafe w i r d jedoch eingerechnet. c) Das aktive Personalitätsprinzip (Art. 93) gilt für alle strafbaren Handlungen außer den sub b) erwähnten, das passive (Art. 94, Abs. 1) aber nur für solche, die mindestens mit Gefängnis bedroht sind, jedoch mit obiger Ausnahme. d) Das Universalprinzip (Art. 94, Abs. 2) gilt nur für strafbare Handlungen, deretwegen der Täter nach inländischen StG mit strengem
Der allgemeine Teil des Strafrechts
Gefängnis von fünf Jahren oder mit einer schwereren Strafe bestraft werden kann. I n diesem Falle darf keine schwerere Strafe verhängt werden, als eine solche, die nach dem Gesetze des Staates, wo die strafbare Handlung begangen wurde, vorgesehen ist. Die
Strafverfolgung wegen begangenen strafbaren
der im A u s l a n d e Handlungen
I m Falle des Personalitäts- und Universalprinzipes findet eine Strafverfolgung nicht statt: a) wenn der Täter die Strafe, zu der er im Auslande verurteilt worden ist, vollkommen verbüßt hat, b) wenn er i m Auslande rechtskräftig freigesprochen wurde oder wenn die Strafe verjährt oder erlassen ist, c) wenn die strafbare Handlung nach inländischem Gesetze nur auf Antrag bzw. Privatanklage verfolgt werden kann, diese aber nicht eingebracht worden sind, d) wenn die Tat auch nach dem Gesetze des Staates, wo sie begangen wurde, strafbar ist. Ist dies nicht der Fall, so w i r d die Verfolgung n u r auf Verlangen des Bundesvollzugsrates der FVRJ eingeleitet (Art. 95). Die i m Auslande verbüßte Strafe w i r d eingerechnet. Sind die Strafen nicht gleicher A r t , so findet die A r t der Einrechnung nach richterlichem Ermessen statt (Art. 96). A u s l i e f e r u n g u n d A s y l r e c h t (Art. 97). Ein Staatsbürger der FVRJ w i r d nicht ausgeliefert; ein Ausländer aber nur dann, wenn die Tat auch nach inländischem Rechte strafbar ist. Maßgebend für die Auslieferung sind Staats Verträge, subsidiär die Gesetze der FVRJ. Nicht ausgeliefert werden ferner Ausländer, die wegen Betätigung für demokratische Grundsätze, nationale Befreiung, für die Rechte des arbeitenden Volkes und für die Freiheit wissenschaftlicher und k u l t u reller Tätigkeit verfolgt werden. Nähere Bestimmungen über die Auslieferung von Beschuldigten und Verurteilten sind i m StPGB (Art. 455—471) enthalten. Über das Auslieferungsbegehren entscheidet das Kreisgericht des Wohn- bzw. Ergreifungsortes des Ausländers. Die negative endgültige Entscheidung obliegt dem obersten Gerichtshofe der VR bzw. des A L V , die endgültige positive Entscheidung dem öffentlichen Ankläger der FVRJ. 3. P e r s ö n l i c h e
Geltung
Das StGB hat auch für die bewaffnete Macht Geltung. deres Militärstrafgesetzbuch besteht nicht. Mitglieder vertretungskörper genießen I m m u n i t ä t 1 (Art. 57 VG). abgeordneter darf wegen der i n der Volksversammlung
Ein besonder VolksEin Volksgeäußerten
1 Dr. Janko Tahovic, Parlamentarische Immunität, Annalen, Beograd 1953, S. 157—182 (serb.). Dr. Jerko Radmilovic, Die Immunität der Volksausschußmitglieder. Nasa Zakonitost, Zagreb 1952, S. 106—109 (kroat.).
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Das Strafrecht Jugoslawiens
Meinung oder abgegebenen Stimme nicht zur Verantwortung gezogen werden; weder darf ihm deswegen die Freiheit genommen noch darf er deswegen bestraft werden. Einem Abgeordneten darf ohne Genehmigung der Kammer, deren Mitglied er ist (Bundesrat und Produzentenrat), weder die Freiheit genommen noch gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet werden, außer i m Falle der Ergreifung bei Begehung einer strafbaren Handlung, für die eine Strafe strengen Gefängnisses von mehr als fünf Jahren vorgeschrieben ist. Auch Volksausschußmitglieder genießen Immunität. Die Exterritorialität ist Prozeßhindernis. Entsteht ein Zweifel darüber, ob jemand Exterritorialität genießt, so gibt diesbezügliche A n leitungen das Staatssekretariat für äußere Angelegenheiten i m Wege des Staatssekretariats für Justizverwaltung der VR (Art. 133 StPGB). 4. D a s V e r h ä l t n i s z w i s c h e n B u n d e s s t r a f r e c h t S t r a f r e c h t d e r V o l k s r e p u b l i k e n (Art. 98)
und
Nach A r t . 15, Z. 5 a) V G fällt die Erlassung eines StGB i n den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Bundesvolksversammlung. Hiermit ist aber nicht ausgeschlossen, daß auch die VR strafrechtliche Bestimmungen erlassen können. Durch diese dürfen jedoch weder die strafbaren Handlungen noch die Strafen des StGB und anderer Bundesgesetze abgeändert werden. Die Bestimmungen des allgemeinen Teiles des StGB haben für alle strafrechtlichen Bestimmungen Geltung, sei es, daß sie vom Bunde oder von den VR erlassen sind. XIII. Legaldefinitionen (Art. 99) 1. „Amtspersonen" sind: a) Staatsbedienstete 9 , b) Bedienstete in einem Unternehmen bzw. i n einer Anstalt einer gesellschaftlichen Organisation, c) gewählte Funktionäre m i t dauernder Funktion i n Vertretungskörpern oder bei ihren Vollzugsorganen, d) Personen, die bestimmte Amtspflichten auf Grund gesetzlicher Ermächtigung ausüben, e) Militärpersonen bezüglich strafbarer Handlungen gegen die Dienstpflicht, die nicht zu den strafbaren Handlungen gegen die bewaffnete Macht gehören. 2. „Militärpersonen" sind: Soldaten, Unteroffiziere, Offiziere und ständige Militärbeamte, Personen auf Waffenübungen oder solche, die andere Militärpflichten ausüben, Militärzöglinge, Militärstipendiaten und Mitglieder der Volksmiliz. 3. „Personen i m Dienste der bewaffneten Macht" sind Staatsbedienstete, Arbeiter und Lehrlinge in der Volkswirtschaft, die i n Anstalten 9
Art. 1 und 10 des Staatsbedienstetengesetzes, BAB 44/1948.
Der besondere Teil des Strafrechts
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und Unternehmen beschäftigt sind, die unter dauernder oder zeitlicher Verwaltung der Militärorgane stehen. 4. Als „Gebiet der FVRJ" gilt auch das Küstenmeer und der L u f t raum über dem Festland und über der Wasserfläche (Gesetz vom Küstenmeer der FVRJ, B A B 106/1948). 5. „Gesellschaftsvermögen" ist das allgemeine Volksvermögen, das Genossenschaftsvermögen und das Vermögen gesellschaftlicher Organisationen. 6. „Urkunde" ist jeder Gegenstand, der geeignet oder dazu bestimmt ist, als Beweis einer Tatsache zu dienen, die für Rechtsverhältnisse bedeutsam ist. 7. „Geld" ist Metall- und Papiergeld, das i n der FVRJ oder i m Ausland auf Grund eines Gesetzes i m Umlauf ist. 8. „Wertzeichen" sind auch ausländische Wertzeichen und inländische oder ausländische Briefmarken, die nicht mehr i m Verkehr sind. 9. Eine „bewegliche Sache" ist auch die zur Gewinnung von Licht, Wärme und Bewegung erzeugte oder gesammelte Energie. 10. „Gewalt" ist auch die Anwendung von Hypnose oder betäubender Mittel, womit jemand gegen seinen Willen i n bewußtlosen Zustand versetzt oder zur Gegenwehr unfähig gemacht werden soll. Die „Gewalt" i m Sinne des Gesetzes ist immer gegen eine Person, nicht gegen eine Sache gerichtet.
Dritter
Abschnitt
Der besondere T e i l des Strafrechtes Allgemeines I n das StGB wurden alle Nebengesetze dauernden Charakters eingearbeitet mit Ausnahme derjenigen, die nur i m Zusammenhange mit den Bestimmungen des betreffenden Gesetzes verstanden werden können. Die Systematik des besonderen Teiles weist zwei Besonderheiten auf: es besteht keine Scheidung von strafbaren Handlungen gegen die Gesamtheit (öffentliche Interessen) und gegen das Individuum (Privatinteressen). Dem sozialistischen Staat ist eine solche Scheidung fremd. Einige Hauptstücke sind neu, andere den neuen Wirtschaftsverhältnissen angepaßt. Neu sind die Hauptstücke: Arbeitsverhältnisse (XIV), Volkswirtschaft (XIX) und bewaffnete Macht (XXV). Das Heer i m Volksstaate ist ein Volksheer, keine isolierte Organisation; daher besteht kein besonderes MilitärStGB (Mot. 358).
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Schutzobjekte sind „der Mensch und die Gemeinschaft". Die verschiedenen Schutzobjekte sind wechselseitig miteinander verbunden und voneinander bedingt. Dies ist bei der Einreihung der einzelnen strafbaren Handlungen i n Rechnung zu ziehen. I n das Gesetz wurden nicht aufgenommen: die Konkursdelikte (größtenteils nicht mehr aktuell), die Abtreibung, begangen durch die schwangere Frau, und der Ehebruch. Die Urkundendelikte sind ins Hauptstück „Öffentliche Ordnung" eingereiht. Jüngere Minderjährige werden bestraft, wenn sie strafbare Handlungen begehen, die mit strengem Gefängnis über zehn Jahre bedroht sind. Darauf wurde bei der Auswahl der Strafbestimmungen i m besonderen Teil Rücksicht genommen, ζ. B. bei den Vermögensdelikten (Strafrahmen bis zu zwölf Jahren). Einige Änderungen i m Eigentumsverhältnisse finden auch i m StGB Ausdruck. So ist ζ. B. der Verkehr mit Liegenschaften, Gold, Devisen, Wertsachen eingeschränkt (Hauptstück Volkswirtschaft). Die
Gliederung
des
besonderen
Teiles
Der besondere Teil umfaßt 16 Hauptstücke und 263 A r t i k e l mit folgenden Schutzobjekten: X. Volk und Staat (Art. 100—123), X I . Menschlichkeit und internationales Recht (Art. 124—134), X I I . Leib und Leben (Art. 135—147), X I I I . Freiheit und Bürgerrechte (Art. 148—164), X I V . Arbeitsverhältnisse (Art. 165—168), X V . Ehre (Art. 169—178), X V I . Würde der Person und Moral (Art. 179—189), X V I I . Ehe und Familie (Art. 190—198), X V I I I . Volksgesundheit (Art. 199—212), X I X . Volkswirtschaft (Art. 213—248), X X . Gesellschafts- und Privatvermögen (Art. 249—267), X X I . Allgemeine Sicherheit von Menschen und Vermögen (Art. 268—278), X X I I . Rechtspflege (Art. 279—288), X X I I I . Öffentliche Ordnung und Rechtsverkehr (Art. 289—313), X X I V . Amtspflicht (Art. 314—326), X X V . Bewaffnete Macht (Art. 327—362). I. Volk und Staat (IX. Hauptstück) Die Bezeichnung „Volk und Staat" soll zum Ausdruck bringen, daß der Staatsapparat i n den Händen des Volkes ist (Mot. 172). Der erste A r t i k e l (100) bezeichnet die Schutzobjekte dieses Hauptstückes: die Gewalt des arbeitenden Volkes (Vertretungskörper, Vollzugsorgane), die ökonomische Grundlage des sozialistischen Aufbaues, die Einheit und Gleichberechtigung der Nationen der FVRJ, und die föderative Organisation des Staates. Das Hauptstück ist nicht i n Abteilungen eingeteilt. Eine begriffliche Scheidung zwischen Hochverrat und Landesverrat wurde abgelehnt. Der Begriff eines sogenannten kontrarevolutionären Dolus (SFSR) ist dem Gesetze fremd. Gemeinsam allen Verbrechen dieses Hauptstückes ist ein Angriff gegen die G r u n d l a g e n des Staates. Die Konstruktion der Vorbereitungshandlung ist
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eng gefaßt. Sie umfaßt nur Handlungen, die der Ausführungshandlung unmittelbar vorausgehen: „Wer eine Handlung begeht, die darauf abzielt . . . " Der Ausdruck „Unternehmen" wurde vermieden. Die Verletzung des Ansehens des Staates und seiner Würdenträger wurde ausgeschieden und i n das Hauptstück „Ehre" eingereiht, da es sich hierbei nicht um „Grundlagen des Staates" handelt (Mot. 173). Die Nichtanzeige hochverräterischer Handlungen wurde nicht besonders kriminalisiert. Das allgemeine Delikt „Nichtanzeige von strafbaren Handlungen" — A r t . 279 — (Rechtspflege) hat auch hier Geltung. Die einzelnen strafbaren Handlungen: 1. Der kontrarevolutionäre Angriff auf die Staats- und Wirtschaftsordnung (Art. 100): Vorbereitungshandlung, begangen durch Gewalt oder auf andere verfassungswidrige A r t gegen die oben genannten Grundlagen des Staates. 2. Gefährdung der territorialen Einheit (Abtrennung) und Unabhängigkeit des Staates (Art. 101) — Vorbereitungshandlung. 3. Untergraben der Wehrkraft des Staates (Art. 102). Zerstörung von Verteidigungsobjekten, Stellungen, Waffen, Ermöglichen, daß sie dem Feinde i n die Hände fallen, Übergabe von Truppen an den Feind, Störung oder Gefährdung militärischer Maßnahmen. 4. Tötung einer Amtsperson oder eines öffentlichen Arbeiters (ζ. B. Politikers) i n der Absicht, die Volksherrschaft oder den sozialistischen Aufbau zu untergraben (Art. 103). 5. Bewaffneter Aufstand. Vorbereitungshandlung (Art. 104). 6. Spionage: Mitteilung bzw. Übergabe vertraulicher militärischer, ökonomischer oder amtlicher Daten bzw. Dokumente an einen fremden Staat; Anschaffung solcher Daten bzw. Dokumente i n obiger Absicht (Art. 105). 7. Heeresdienst i m feindlichen Heer zur Kriegszeit, Anwerben von Bürgern der FVRJ hierzu (Art. 106). 8. Hilfeleistung dem Feinde i n Kriegszeiten bei der Vornahme von Requisitionen oder anderen Zwangsmaßnahmen gegen die Bevölkerung der FVRJ (Art. 107). 9. Politische oder wirtschaftliche Kollaboration mit dem Feinde in Kriegszeiten (Art. 108). 10. I n Verbindung treten m i t einem fremden Staate oder einer fremden Organisation, i n der Absicht, die staatliche und gesellschaftliche Ordnung zu stürzen oder in anderer feindlicher Absicht (Art. 109). 11. Flucht ins Ausland behufs feindlicher Tätigkeit gegen das Vaterland. Gründung einer Vereinigung zur Begehung dieser Tat (Art. 110).
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Das Straf recht Jugoslawiens
12. a) Organisieren und Ubersetzen von bewaffneten Banden, Terroristen, Waffen und Propagandamaterial auf das Staatsgebiet der FVRJ. b) Organisieren von Vereinigungen zur Begehung dieser Handlungen, Beitritt zu solchen Vereinigungen (Art. 111). 13. Abschluß (Art. 112).
eines
Staatsvertrages
zum
Nachteile
der
FVRJ
14. Verletzung der territorialen Souveränität durch Eindringen i n das Staatsgebiet der FVRJ (Art. 113). 15. Zerstörung wichtiger volkswirtschaftlicher Objekte (industrielle und Verkehrsvorrichtungen, Brücken, Fabriken, Wasserleitung, Schutzwehr, Fernleitung, Verkehrsmittel u. dgl.) i n der Absicht, die Volksherrschaft oder Volkswirtschaft zu untergraben (Art. 114). 16. Sabotage. Täter: jemand, der i m Dienst- oder Arbeitsverhältnisse steht. Obj. Tatbestand: a) Nichtausübung oder nachlässige Ausübung der Dienst- oder Arbeitspflicht; b) Beschädigung von Produktionsmitteln in Ausübung dieser Pflicht und die dadurch [ad a) und b)] verursachte Zerstörung oder Beschädigung von Vorrichtungen, größeren Mengen von Erzeugnissen, Waren oder Material u. dgl. Absicht wie sub 15 (Art. 115). 17. a) Gewaltanwendung gegen ein Mitglied eines Vertretungskörpers, dessen Vollzugsorgan, gegen einen Vertreter einer gesellschaftlichen Organisation, militärischen Vorgesetzten oder öffentlichen Arbeiter i n Verbindung m i t seiner amtlichen oder politischen Tätigkeit oder in der Absicht, i h n i n dieser Tätigkeit zu hindern, b) Brandstiftung, Zerstörung oder schwere Beschädigung eines Gebäudes oder Vermögens von größerem Werte der sub a) erwähnten Personen in obiger Absicht (Art. 116). 18. a) Gründung von Verschwörungen, Banden oder anderen Vereinigungen zur Begehung der sub 1—4, 9, 10, 15—17 angeführten strafbaren Handlungen, b) Beitritt zu derartigen Vereinigungen, c) Sich dem Machtbereiche der Staatsgewalt entziehen (z. B. Verbergen i m Gebirge), um die sub a) und b) angeführten Handlungen zu begehen (Art. 117). 19. Feindselige Propaganda gegen die Staats- und Wirtschaftsordnung oder gegen bedeutsame Maßnahmen der Volksgewalt i n der Absicht, die Herrschaft des arbeitenden Volkes, die Wehrkraft des Staates, die wirtschaftliche Grundlage des sozialistischen Aufbaues oder die Brüderlichkeit und Einheit der Nationen der FVRJ zu untergraben bzw. zu zerstören (Art. 118). 20. Entfachung nationaler, rassischer oder religiöser Unduldsamkeit, Hasses oder Zwiespalts zwischen den Nationen der FVRJ (Art. 119).
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21. Hilfeleistung dem Täter strafbarer Handlungen unter 1 bis 18 durch Verbergen, Unterkunftgeben, Verabfolgen von Nahrung und dgl. 22. Vorbereitungshandlungen zu den Verbrechen sub 3, 4, und 15. S t r a f e n : Die strafbaren Handlungen sub 1—7, 12, 15—18, 22 werden alternativ m i t strengem Gefängnis mit oder ohne Angabe einer unteren Grenze oder m i t dem Tode, die sub 11, 14, 20 m i t strengem Gefängnis bis zu zwölf, bzw. fünfzehn Jahren, die übrigen m i t strengem Gefängnis bestraft. I m Bereitschafts-, Mobil- oder Kriegszustand (Art. 5 des Militärpflichtgesetzes, B A B 28—1946) und i n anderen besonders schweren Fällen können einige der zuletzt genannten Handlungen m i t dem Tode bestraft werden. Bei Verurteilung zu strengem Gefängnis über fünf Jahre fakultative Vermögenskonfiskation. Verrät ein Mitglied einer verbrecherischen Vereinigung die Vereinigung sub 11, 12 oder 18, so kann das Gericht von Bestrafung absehen. II. Menschlichkeit und internationales Recht (XI. Hauptstück) A u f Grund internationaler Vereinbarungen wurden die sogenannten „internationalen Verbrechen" i n das StGB aufgenommen. Hierher gehören: 1. Das Genocid (Art. 124). Subj. Tatbestand: die Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe vollkommen oder teilweise zu vernichten. Deliktshandlung: Tötungen, schwere Körperverletzungen, schwere Störungen der physischen oder geistigen Gesundheit von Mitgliedern der Gruppe, Zwangsaussiedlung der Bewohnerschaft, Versetzung einer Gruppe in derartige Lebensbedingungen, die zu ihrer vollkommenen oder teilweisen Ausrottung führen, Maßnahmen zur Verhinderung von Geburten innerhalb der Angehörigen der Gruppe, Zwangsübersiedlung von Kindern i n eine andere Gruppe. 2. Kriegsverbrechen (Art. 125—127) sind Verletzungen der Regeln internationalen Rechtes zur Zeit eines Krieges, bewaffneten Konfliktes oder einer Okkupation: a) gegen die Zivilbevölkerung (Art. 125). Deliktshandlungen: Tötungen, Peinigungen, unmenschliche Behandlung, Inbegriffen biologische Experimente, Zufügung großer Leiden, Verletzung der körperlichen Unversehrtheit oder Gesundheit, gesetzwidrige Aussiedlung, Übersiedlung, zwangsweise Entnationalisierung, zwangsweise Änderung des Glaubensbekenntnisses der Bevölkerung, Nötigung zur Prostitution, Notzucht, Maßnahmen zur Einschüchterung und Terror, Nehmen von Geiseln, Kollektivbestrafungen, gesetzwidrige Überführung i n Konzentrationslager, andere gesetzwidrige Einsperrungen, Entziehung des Rechtes auf rechtmäßige und unparteiische Rechtsprechung, Zwang zur
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Dienstleistung i n der feindlichen bewaffneten Macht oder im feindlichen Kundschafterdienste oder i n der feindlichen Administration, Nötigung zur Zwangsarbeit, Aushungern der Bevölkerung, Vermögenskonfiskation, Plünderung, gesetzwidriges, eigenmächtiges, durch die Kriegsbedürfnisse nicht gerechtfertigtes Vernichten oder Aneignen von Vermögen i n großem Umfange, Abnahme gesetzwidriger und unverhältnismäßig großer Kontributionen und Requisitionen, Verminderung des Wertes einheimischen Geldes oder gesetzwidrige Ausgabe von Geld; b) gegen Verwundete, Kranke, Schiffbrüchige und Sanitätspersonal (Art. 126). Deliktshandlungen: Tötungen, Peinigungen, unmenschliche Behandlung, Inbegriffen biologische Experimente, Zufügung großer Leiden, Verletzung der körperlichen Unversehrtheit oder Gesundheit, gesetzwidriges, eigenmächtiges, durch die Kriegsbedürfnisse nicht gerechtfertigtes Aneignen von Material und Vorräten von Sanitätsanstalten oder Truppenkörpern in großem Umfange; c) gegen Kriegsgefangene (Art. 127). Deliktshandlungen: Tötungen, Peinigungen, unmenschliche Behandlung, Inbegriffen biologische Experimente, Zufügung großer Leiden, Verletzung der körperlichen Unversehrtheit oder Gesundheit, Zwang zur Dienstleistung i n der feindlichen bewaffneten Macht, Entziehung des Rechtes auf rechtmäßige und unparteiische Rechtsprechung. 3. Organisieren einer verbrecherischen Vereinigung zur Begehung der unter 1. und 2. angeführten strafbaren Handlungen, Aufforderung zu ihrer Gründung und Vorbereitung ihrer Organisierung (Art. 128). 4. Verletzungen der Regeln internationalen Rechtes während eines Krieges oder bewaffneten Konfliktes: a) rechtswidrige Tötung oder Verwundung eines wehrlosen Feindes (Art. 129). Art. 23 der Haager Konvention 1907. b) Ehrverletzung, Mißhandlung, Verwehren der Rückkehr eines Parlamentärs oder Verletzung seiner Unantastbarkeit (Art. 130). Art. 32 obiger Konvention. c) Rohe Behandlung Verwundeter, Kranker und Kriegsgefangener (Art. 131). Genfer Konvention 1949. d) Vernichtung von K u l t u r - und historischen Denkmälern, Bauten oder der Wissenschaft, Kunst, Erziehung oder humanitären Zielen gewidmeten Anstalten (Art. 132). A r t . 56 der Genfer Konvention 1907. 5. Mißbrauch der Zeichen oder Flagge des Roten Kreuzes (Art. 133). Genfer Konvention 1949. S t r a f e n : 1.—3. Strenges Gefängnis nicht unter Todesstrafe. 4. a) Strenges Gefängnis, b) Gefängnis Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren, strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren, d) Gefängnis
fünf Jahren oder nicht unter sechs c) Gefängnis oder oder strenges Ge-
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fängnis. 5. Gefängnis bis zu zwei Jahren, während Kriegsoperationen: Gefängnis. Bei Verurteilung ad 1.—3. zu strengem Gefängnis über fünf Jahre fakultative Vermögenskonfiskation. III. Leib und Leben (XII. Hauptstück)1 Eine terminologische Scheidung zwischen Mord und Totschlag wurde fallen gelassen, weil eine solche m i t prinzipiellen Gründen nicht gerechtfertigt werden kann (Mot. 293). Für das Wort „töten" gebraucht das Gesetz die Redewendung „das Leben nehmen". Die „Tötung auf Verlangen" wurde i n das Gesetz nicht aufgenommen, weil sich eine mildere Bestrafung derselben als offenbarer Ausdruck einer individualistischen Auffassung des Lebens erweist (Mot. 292). Die Überanstrengung von Kindern und Untergebenen wurde nicht poenalisiert, weil die Bedingungen für ein derartiges Delikt i m Staate nicht mehr bestehen (Mot. 292). Die Abtreibung, begangen durch die schwangere Frau, ist straflos. „Fälle, i n denen eine Frau wegen dieses Deliktes auf die Anklagebank kommt, sind selten", auch „Mitschuldige kommen aus dem Grunde nicht auf die Anklagebank, weil die Schwangere darüber keine Anzeige erstattet aus Besorgnis, selbst bestraft zu werden" (Mot. 296). Α. T ö t u n g s d e l i k t e I. D i e v o r s ä t z l i c h e T ö t u n g ( A r t . 135, A b s . 1) 1. Q u a l i f i z i e r t e F ä l l e , A r t . 135, Abs. 2: Tötung auf grausame, hinterlistige A r t ; auf eine A r t , durch die das Leben mehrerer Personen gefährdet wird; aus Eigennutz; behufs Begehens oder Verbergens einer anderen strafbaren Handlung, oder aus anderen niedrigen Motiven; die Tötung mehrerer Personen; schon erfolgte Verurteilung wegen vorsätzlicher Tötung m i t Ausschluß des Totschlages infolge Gemütsaufregung (Art. 136) oder der Kindestötung (Art. 138). 2. P r i v i l e g i e r t e F ä l l e : a) Der Totschlag aus Gemütsaufregung, i n die der Täter ohne sein Verschulden durch einen Angriff oder durch eine schwere Ehrverletzung von seiten des Getöteten versetzt worden ist (Art. 136). b) Die Kindestötung begangen durch die Mutter, solange die durch die Geburt hervorgerufene Störung dauert (Art. 138). Versuch strafbar. c) Die Verleitung oder Hilfeleistung beim Selbstmord ist strafbar, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde (Art. 139). Qualifizierte Fälle: Begehung der Tat gegenüber einem Minderjährigen, der das vierzehnte Lebensjahr zurückgelegt hat, oder gegenüber einem 1 Dr. Avgust Munda, Sistematika kanznivih dejanj zoper zivljenje in telo (Die Systematik der strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben). Ljubljana, 1951.
27 A u s l ä n d i s c h e s S t r a f r e c h t
I.
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vermindert Zurechnungsfähigen. Ist die Tat gegenüber einem Minderjährigen, der das vierzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat, oder gegenüber einem Unzurechnungsfähigen begangen, so w i r d der Täter wegen vorsätzlicher Tötung bestraft (Art. 135). Ein besonderer Fall der „Teilnahme" am Selbstmord ist die rohe oder unmenschliche Behandlung einer zum Täter i m Verhältnis der Unterordnung oder Abhängigkeit stehenden Person, wenn diese infolge dieser Behandlung Selbstmord begeht (Art. 139, Abs. 4). II. D i e f a h r l ä s s i g e der Strafe (Art. 137).
T ö t u n g . Keine Differenzierung bezüglich
I I I . D i e A b t r e i b u n g (Art. 140)1. 1. Die Abtreibung, begangen durch die schwangere Frau, ist nicht strafbar. Eine diesbezügliche Strafbestimmung wurde aus der Gesetzesvorlage nach langer Debatte gestrichen (Arhiv 1951, S. 171—173). 2. Strafbar ist, „wer der Schwangeren mit ihrer Einwilligung die Frucht abtreibt, abzutreiben beginnt oder ihr hierbei Hilfe leistet". Der „Beginn" der Abtreibung führt naturgemäß zur vollendeten Abtreibung. Qualifiziert ist a) die Abtreibung ohne Einwilligung der Schwangeren und b) die Abtreibung, die den Tod der Schwangeren zur Folge hat, nicht aber die Abtreibung durch eine professionelle Person, weil eine solche für die Schwangere m i t geringerer Gefahr verbunden ist (Mot. 296). Die Unterbrechung der Schwangerschaft ist straflos, wenn sie behufs Abwendung einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren oder aus anderen gerechtfertigten Gründen ausgeführt ist. Die Fälle einer erlaubten Unterbrechung der Schwangerschaft werden durch besondere Vorschriften geregelt (Art. 140, Abs. 4). Diese besonderen Vorschriften sind in der Vdg. der Bundesregierung der FVRJ vom 11. Januar 1952, BGB vom 19. Januar 1952, Z. 4 über das Verfahren bei der Vornahme einer zulässigen Schwangerschaftsunterbrechung enthalten: Eine Schwangerschaftsunterbrechung ist gestattet: 1. wenn festgestellt wird, daß das Leben der Schwangeren auf andere A r t nicht gerettet oder eine schwere Gesundheitsstörung derselben nicht abgewendet werden könne; 2. wenn auf Grund der medizinischen Wissenschaft mit Grund erwartet werden kann, das K i n d werde infolge der Krankheit der Eltern mit schweren körperlichen oder geistigen Mängeln behaftet sein; 3. wenn die Schwangerschaft die Folge einer strafbaren Handlung ist, und zwar: der Notzucht (Art. 179 StGB), des Geschlechtsverkehrs mit 1 Dr. Dusan Jeotié, Ο pobacaju (Die Fruchtabtreibung), Anali 1953, S. 341 bis 356.
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einer Schwachsinnigen (Art. 180 StGB), des Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen (Art. 181 StGB), des Geschlechtsverkehrs unter Mißbrauch der Stellung (Art. 182 StGB), der Verführung (Art. 185 StGB) oder der Blutschande (Art. 198 StGB). Ausnahmsweise kann eine Schwangerschaftsunterbrechung auch i m Falle gestattet werden, wenn mit Grund erwartet werden kann, daß die Schwangere durch die Geburt des Kindes wegen ihrer besonders schweren wirtschaftlichen, persönlichen oder Familienverhältnisse an der Gesundheit geschädigt werden könnte. Die Schwangerschaftsunterbrechung darf nur mit Einwilligung der Schwangeren und nur dann vorgenommen werden, wenn nach der Empfängnis nicht mehr als drei Monate verstrichen sind. Eine Ausnahme gilt für den Fall der medizinischen Indikation (Z. 1). Zur A n tragsstellung ist die Schwangere, i m Falle 1. und 2. auch der Arzt berechtigt. Über den Antrag entscheidet eine Kommission (ein Gynäkologe und zwei Ärzte) einer allgemeinen Krankenanstalt oder g y n ä k o l o g i s c h e n K l i n i k . Die Entscheidung ist schriftlich zu begründen. Gegen einen abweisenden Bescheid der Kommission hat die Schwangere das Beschwerderecht ειη die Kommission zweiter Instanz (drei Ärzte) beim Rate für Volksgesundheit und Sozialpolitik der VR (früher Ministerium). Die Schwangerschaftsunterbrechung w i r d i n einer allgemeinen Krankenanstalt bzw. K l i n i k vorgenommen. I n besonders dringenden Fällen, wenn eine derartige Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren droht, daß eine Entscheidung der Kommission nicht abgewartet werden kann, darf die Schwangerschaftsunterbrechung jeder Arzt auch ohne Kommissionsbeschluß und auch außerhalb der Krankenanstalt vornehmen. I n diesem Falle hat er in drei Tagen der zuständigen Kommission zu berichten. Eine begonnene Abtreibung darf nur ein Arzt i n einer Krankenanstalt zu Ende führen. I n Orten, wo eine Krankenanstalt nicht besteht, hat der Arzt die Beendigung der Abtreibung binnen drei Tagen dem Rate für Volksgesundheit und Sozialpolitik des zuständigen Bezirks-(Stadt-)Volksausschusses anzuzeigen. Die Nichterfüllung der Anzeigepflicht i n den oben erwähnten Fällen ist eine Übertretung. Geldstrafe bis zu 10 000 Dinar. Zuständigkeit der Administrativbehörden. B. K ö r p e r v e r l e t z u n g I. Leichte: 1. vorsätzliche: a) einfache (Art. 142, Abs. 1): Antragsdelikt; b) gefährliche: mit einer Waffe, einem gefährlichen Werkzeug oder mit einem anderen Mittel, das geeignet ist, den Körper schwer zu verletzen (Art. 142, Abs. 2). 27*
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2. fahrlässige (Art. 142, Abs. 3): Antragsdelikt. II. Schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung: 1. vorsätzliche: a) einfache (Art. 141, Abs. 1); b) qualifizierte (Art. 141, Abs. 2): „Wer einen Menschen an Körper oder Gesundheit so schwer beschädigt, daß infolgedessen das Leben des Verletzten gefährdet, ein wichtiges Glied seines Körpers oder ein wichtiges Organ vernichtet oder dauernd und erheblich geschwächt, eine dauernde Arbeitsunfähigkeit oder dauernde und schwere Gesundheitsschädigung oder Entstellung verursacht worden ist" (Art. 141, Abs. 2); c) m i t tödlichem Ausgang (Art. 141, Abs. 3): praeterintentioneller Erfolg. 2. fahrlässige (Art. 141, Abs. 4). C. G e f ä h r d u n g
des L e b e n s u n d d e r
Gesundheit
1. Imstichelassen eines Menschen i n Lebensgefahr, die der Täter selbst verursacht hat (Art. 145). Qualifizierter Fall: Tod oder schwere Beschädigung des Gefährdeten. 2. Imstichelassen eines i n Lebensgefahr befindlichen hilflosen Menschen, der dem Täter anvertraut oder für den er zu sorgen verpflichtet ist (Art. 146). Qualifikation wie sub 1. 3. Unterlassen der Hilfeleistung einem i n unmittelbarer Lebensgefahr befindlichen Menschen, wenn die Hilfeleistung für den Täter oder jemand anderen m i t keiner Gefahr verbunden ist (Art. 147). 4. Beteiligung an einem Raufhandel, bei dem jemand getötet oder schwer verletzt wurde (Art. 143). 5. Gefährdung m i t einem gefährlichen Werkzeuge bei einem Raufhandel oder Streite (Art. 144). S t r a f e n : Α. I. Strenges Gefängnis nicht unter fünf Jahren. 1. Strenges Gefängnis nicht unter zehn Jahren oder Todesstrafe. — 2. a) Strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; b) Gefängnis nicht unter sechs Monaten; c) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. Qual, strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. II. Wie sub I. 2. c). I I I . 2. a) Gefängnis nicht unter drei Monaten. Qual, strenges Gefängnis bis zu acht Jahren, b) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren bzw. strenges Gefängnis nicht unter zwei Jahren. B. I. 1 a) Gefängnis bis zu einem Jahr, b) Gefängnis bis zu zwei Jahren. 2. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. — II. 1. a) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren, b) strenges Gefängnis bis zu acht Jahren, c) strenges Gefängnis bis zu zwölf Jahren. 2. Gefängnis bis zu drei Jahren. — C. 1. Ge-
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fängnis bis zu drei Jahren, Qual, strenges Gefängnis bis zu acht Jahren. 2. Gefängnis nicht unter einem Monat, Qual, strenges Gefängnis von einem bis zu acht Jahren. 3. Gefängnis bis zu einem Jahr. 4. Gefängnis. 5. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. IV. Freiheit und Bürgerrechte (XIII. Hauptstück) Schutzobjekte dieses Hauptstückes sind: die persönliche Freiheit und die durch die Verfassung gewährleisteten allgemeinen Bürgerrechte, ζ. B. das Brief- und Berufsgeheimnis und andere Bürgerrechte. Einige dieser strafbaren Handlungen bedeuten eine Verletzung der Amtspflicht. Sie wurden aber i n dieses Hauptstück eingereiht, u m zu betonen, daß auch i n diesen Fällen i n erster Linie die persönliche Freiheit geschützt w i r d (Exp. 25). I. V e r l e t z u n g d e r
Bürgerrechte
1. Verletzung der bürgerlichen Gleichberechtigung (Art. 148). Dieses Delikt begeht, wer auf Grund einer Unterscheidung zwischen Nationalitäten, Rassen oder Glaubensbekenntnissen Bürgern ihre gesetzlich gewährleisteten Rechte aberkennt oder einengt bzw. ihnen Vorrechte oder Begünstigungen erteilt. 2. a) Verletzung des Briefgeheimnisses (Art. 156). Art. 30. BV. b) Mitteilung des Geheimnisses i n der Absicht, sich einen Vorteil zu verschaffen oder jemandem zu schaden. c) Täter eine Amtsperson. 3. Verletzung des Berufsgeheimnisses (Art. 157). Täter: ein Advokat, Verteidiger, Arzt, Hebamme oder irgend jemand. Straflosigkeit bei Wahrung eines öffentlichen oder überwiegenden privaten Interesses. 4. a) Verletzung des Versammlungsrechtes (Art. 158) durch Verhinderung oder Störung einer Versammlung. b) Täter eine Amtsperson. 5. Verletzung des Wahlrechtes (Art. 159) durch Nichtaufnahme i n die Wählerliste. Täter eine Amtsperson. 6. Wahlnötigung (Art. 160) a) Täter eine Privatperson. b) Täter eine Amtsperson. 7. Verletzung des Beschwerderechtes. Täter eine (Art. 161).
Amtsperson
8. Hinderung des Druckens oder Verbreitens von Druckschriften (Art. 162). 9. Verletzung des Autorrechtes durch Veröffentlichung, Bearbeitung, Reproduzierung, Aufführung, Vorführung oder Ubersetzung fremder literarischer, künstlerischer oder wissenschaftlicher Werke (Art. 163).
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10. Verletzung des Erfinderrechtes (Art. 164), a) durch Aneignung eines fremden Erfinderrechtes oder Rechtes auf technische Vervollkommnung oder durch rechtswidrige Ausnützung eines Patentes, einer Lizenz oder Erfindung, b) durch unbefugte Veröffentlichung des Wesens einer fremden Erfindung. 11. Hausfriedensbruch (Art. 154), begangen a) durch eine Privatperson, b) durch eine Amtsperson. Versuch strafbar. 12. Gesetzwidrige Haus- oder Personendurchsuchung Amtsperson (Art. 155). Art. 29 BV. II. A n g r i f f e
gegen die persönliche
durch
eine
Freiheit
1. Nötigung: durch Gewalt oder ernstliche Drohung zu einer Handlung, Unterlassung oder Duldung (Art. 149). 2. Ernstliche Bedrohung der Sicherheit eines Menschen (Art. 153). 3. Freiheitsberaubung durch Entziehung der Bewegungsfreiheit (Art. 150): a) Täter eine Privatperson, b) eine Amtsperson, c) Dauer über einen Monat, Grausamkeit, schwere Folgen, d) Tod. Versuch strafbar. Art. 28 BV. 4. Abnötigung einer Aussage durch Gewalt oder Drohung. Täter eine Amtsperson (Art. 151). 5. Mißhandlung, Ehrverletzung oder menschenunwürdige Behandlung durch eine Amtsperson (Art. 152). S t r a f e n : I. 1. Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 2. a) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten, b) Gefängnis bis zu einem Jahr, c) Gefängnis bis zu zwei Jahren, Antragsdelikt ad a) und b). — 3. Gefängnis bis zu einem Jahr, Antragsdelikt. — 4. a) Gefängnis bis zu zwei Jahren, b) Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren. — 5. Gefängnis bis zu einem Jahr. — 6. a) Gefängnis bis zu zwei Jahren, b) Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren. — 7. Gefängnis bis zu einem Jahr. — 8. wie sub 7. — 9. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr, Antragsdelikt. — 10. a) Gefängnis bis zu drei Jahren, b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 11. a) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren, b) Gefängnis bis zu zwei Jahren, Antragsdelikt ad a). — 12. Gefängnis bis zu zwei Jahren. II. 1. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren, Antragsdelikt. — 2. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. — 3. a) Gefängnis bis zu zwei Jahren, b) Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren, strenges Gefängnis bis zu drei Jahren, c) strenges Gefängnis bis zu acht Jahren, d) strenges Gefängnis nicht unter zwei Jahren. 4. Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren. — 5. Gefängnis bis zu einem Jahr.
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V. Arbeitsverhältnisse (XIV. Hauptstück) I m sozialistischen Staat gehört die Arbeit zu den höchsten Gesellschaftswerten, daher w i r d den aus den Arbeitsverhältnissen entspringenden Grundrechten der Arbeiter auf Arbeitslohn, Arbeitszeit, ärztliche Hilfe, Jahresurlaub, Sozialversicherung, hygienischen und technischen Schutz bei der Arbeit, auf Wohnung und Verpflegung strafrechtlicher Schutz verliehen (Exp. 26). Dieser Schutz ist für das sozialistische Strafrecht typisch; daher wurde dieses Hauptstück unmittelbar nach dem Hauptstück, das die allgemeinen Rechte der Staatsbürger schützt, eingereiht (Mot. 311). Diese strafbaren Handlungen haben Berührungspunkte m i t den strafbaren Handlungen gegen die Amtspflicht. Täter ist grundsätzlich eine Amtsperson, die die Vorschriften über das Arbeitsverhältnis verletzt, ausnahmsweise ein A r beiter, der das Recht auf Sozialversicherung zu erschwindeln sucht. 1. Bewußte Verletzung von Vorschriften über die Rechte der im Arbeitsverhältnis stehenden Personen auf Arbeitslohn, Arbeitszeit, Jahresurlaub, Verbot überstündlicher oder nächtlicher Arbeit und das hiermit verbundene Abkargen oder Einengen dieser Rechte (Art. 165). 2. a) Bewußte Verletzung der Vorschriften über Sozialversicherung und das hiermit verbundene Abkargen oder Einengen des diesbezüglichen Rechtes (das Gesetz von der Sozialversicherung der Arbeiter, Bediensteter und ihrer Familien, B A B 51/1954). b) Das Erwirken des Rechtes auf Sozialversicherung durch Vorschützen oder Verursachen einer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit, durch Erschwerung oder Verhinderung der Gesundung oder Arbeitsfähigkeit (Art. 166). 3. Wissentliches Nichteinhalten der Vorschriften über hygienische und technische Schutzmaßnahmen i n Bergwerken, Fabriken, Arbeitsräumen oder auf Arbeitsplätzen (Art. 167). 4. Pflichtwidrige, wissentliche Nichtbesorgung von Unterkunft und Verpflegung für Personen, die i m Arbeitsverhältnisse stehen (Art. 168). S t r a f e n : 1. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. 2.—4, Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. VI. Ehre und guter Ruf (XV. Hauptstück) M i t dem Worte „Ehre" bezeichnet das Gesetz die subjektive, mit dem Worte „guter Ruf" (ugled) die objektive Ehre. „Beide Werte können voneinander nicht getrennt werden; sie sind einheitlich und bilden das einheitliche Schutzobjekt dieser Gruppe" (Mot. 314). Beim Indiskretionsdelikt bezeichnet das Gesetz als Schutzobjekt nur den guten Ruf (Art. 171). Für öffentliche Ehrverletzungen sind keine strengeren Strafen vorgesehen. Eine Ausnahme bilden Ehrverletzungen, die durch die Presse, Radio oder auf öffentlichen Versammlungen be-
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gangen werden. Von den zwei Typen der Ehrverletzung ist die Beleidigung die generelle Form. Die üble Nachrede (Art. 169) umfaßt auch die Verleumdung. Eine Begriffsbestimmung der Beleidigung w i r d nicht gegeben. Unter die Schutzobjekte dieses Hauptstückes fallen auch der Staat, seine höchsten Repräsentanten und Hoheitszeichen, die bewaffnete Macht, fremde Staaten, Souveräne, diplomatische Vertreter, internationale Organisationen und ihre Vertreter. Das Institut der Retorsion und Kompensation hat nur für die Beleidigung, der Wahrheitsbeweis und Wahrscheinlichkeitsbeweis (Beweis eines entschuldbaren Irrtums) nur für die üble Nachrede Geltung. Ausgenommen sind die Fälle der A r t . 174—176. Trotz Gelingens des Wahrheitsbeweises kann der Täter wegen Beleidigung oder wegen Vorwurfes einer strafbaren Handlung bestraft werden (Art. 169, Abs. 3). Ist eine von Amts wegen zu verfolgende strafbare Handlung Gegenstand der üblen Nachrede, so kann die Wahrheit dieser Tatsache nur durch rechtskräftiges Urteil bewiesen werden, außer wenn die Verfolgung oder Urteilsfällung nicht möglich oder nicht zulässig ist (Art. 169, Abs. 4). Die K r i t i k wissenschaftlicher, künstlerischer, amtlicher und anderer gesellschaftlicher Tätigkeiten ohne Beieidigungsabsicht ist straflos (Art. 173). Die Verfolgung wegen der i n den Art. 169—172 angeführten Ehrverletzungen w i r d auf Privatanklage, sind sie gegen eine staatliche Anstalt, Unternehmen, gesellschaftliche Organisation oder Amtsperson gerichtet, aber auf Antrag eingeleitet. Antragsberechtigt ist der Vertreter der Organisation bzw. die Amtsperson. Stellt diese den Antrag nicht, so ist ihr Vorgesetzter zur Antragstellung berechtigt. Ehrverletzungen gegen den Staat und die höchsten Organe der Staatsgewalt werden von Amts wegen verfolgt (Art. 174—176); sind sie gegen fremde Staaten, Organisationen und ihre Repräsentanten gerichtet (Art. 175 bis 176), so ist überdies die vorläufige Zustimmung des Bundesvollzugsrates erforderlich (Art. 177). Sind die Ehrverletzungen gegen einen Verstorbenen gerichtet, so w i r d die Verfolgung auf Privatanklage seines Ehegatten, seiner Kinder, Eltern oder Geschwister eingeleitet. Näheres darüber siehe i m 2. Abschnitt unter X I . Bei Verurteilung wegen übler Nachrede, begangen durch die Presse oder Radio, kann das Gericht auf Antrag des Anklägers das Urteil auf Kosten des Verurteilten auf dieselbe A r t i n Gänze oder i m Auszuge veröffentlichen (Art. 178). Ist die Ehrverletzung durch eine Druckschrift begangen, so hat der Ankläger ein Recht auf Entschädigung (Art. 11 Pressegesetz). 1 a) Die Beleidigung (Art. 170). b) Begehung durch die Presse, Radio aber auch einer öffentlichen Versammlung. I m Falle von Retorsion oder Kompensation fakultatives Absehen von Bestrafung. 2 a) Die üble Nachrede; b) Qualifikation wie sub 1 b).
Eine üble
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Nachrede begeht, „wer von jemandem etwas Unwahres, was seiner Ehre oder seinem gutem Rufe schaden könnte, behauptet oder verbreitet" (Art. 169). 3 a) Das Indiskretionsdelikt (Art. 171) betrifft die Behauptung oder Verbreitung von Tatsachen des persönlichen oder Familienlebens, wodurch der gute Ruf (!) dieser Person geschädigt werden könnte, b) Qualifikation wie sub 1 b). Hat der Täter die Äußerung i m öffentlichen Interesse getan, so ist er straffrei. 4. Vorwurf oder Mitteilung von einer strafbaren Handlung oder Verurteilung i n Schmähungsabsicht (Art. 172). 5. Verletzung des Ansehens der FVRJ, der VR, ihrer Wappen und Flaggen, der höchsten Organe der Staatsgewalt und ihrer Repräsentanten, der bewaffneten Macht und des obersten Befehlshabers (Art. 174). 6. Verletzung des Ansehens fremder Staaten, ihrer Flaggen und Wappen, der Organisation der Vereinigten Nationen, des Internationalen Roten Kreuzes oder einer anderen von der FVRJ anerkannten internationalen Organisation (Art. 175). 7. Die Ehrverletzung, a) gegen einen fremden Repräsentanten der unter 6 angeführten Organisationen (Art. 176). 8. Die Ehrverletzung, begangen durch eine Amtsperson, ist nach Art. 152 strafbar ( X I I I . Hauptstück). S t r a f e n : l a ) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Monaten, b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. — 2 a) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten, b) Gefängnis von einem Monat bis zu einem Jahr. — 3 a) Wie sub 2. — 4. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Monaten. — 5. Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren. — 6. Wie sub 5. — 7 a) Wie sub 5, b) Gefängnis bis zu zwei Jahren. VII. Die Würde der Person und Moral (XVI. Hauptstück) Einige strafbare Handlungen dieses Hauptstückes bedeuten einen Angriff auf die geschlechtliche Freiheit, andere sind nur gegen die Moral gerichtet; daher die Benennung des Hauptstückes. Die Entführung einer Frau wurde i n das Gesetz nicht aufgenommen (laut statistischen Daten eine seltene Erscheinung). (Mot. 322, 323). 1. Notzucht (Art. 179). Der Begriff ist weit gefaßt. Notzucht begeht, wer* eine Frau, mit der er nicht i n ehelicher Gemeinschaft lebt, durch Gewalt oder Drohung m i t einem unmittelbaren Angriff auf Leib oder Leben zum Beischlaf nötigt. Notzucht ist demnach auch m i t der Ehegattin möglich, m i t der der Täter nicht i n Ehegemeinschaft lebt. Qualifizierter Fall: Tod oder schwere Körperverletzung.
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2. Außerehelicher (Art. 179) Beischlaf mit einer geisteskranken, zeitweilig geistesgestörten, hilflosen oder zum Widerstand unfähigen Frau (Art. 180). Qualifikation wie sub 1. 3. Beischlaf oder widernatürliche Unzucht (protivprirodni blud) mit einem Minderjährigen (männlich oder weiblich), der das vierzehnte Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hat (Art. 181). a) Schwerer Fall: Hilflosigkeit des Minderjährigen oder Anwendung von Gewalt oder Drohungen mit einem unmittelbaren Angriff auf Leib und Leben. b) Qualifikation wie sub 1. 4 a) Verführung einer Frau zum Beischlaf. b) Beischlaf oder widernatürliche Unzucht m i t einem mehr als vierzehn Jahre alten Minderjährigen, der dem Täter zur Schulung, Erziehung, Schutz oder Pflege anvertraut ist. Täter: ein Lehrer, Erzieher, Vormund, Pfleger, Adoptivvater, Stiefvater. I n beiden Fällen: Begehung unter Mißbrauch des Abhängigkeitsverhältnisses (Art. 182). 5. Unzüchtige Handlungen unter 1 bis 4 (Art. 182). 6. Öffentliche Begehung einer unzüchtigen oder schamverletzenden Handlung (Art. 184). 7. Verführung einer Minderjährigen, die das 14. Lebensjahr zurückgelegt hat, durch falsches Eheversprechen zum Beischlaf (Art. 185). Privatanklage. 8. Widernatürliche Unzucht zwischen Personen männlichen Geschlechtes (Art. 186). Andere Arten widernatürlicher Unzucht wurden nicht kriminalisiert (Statistische Daten). (Mot. 329). 9. Kuppelei a) mit Minderjährigen, b) mit Frauen gegen Entgelt oder behufs gewerbsmäßiger Unzucht (Art. 187). 10. Frauen- und Kinderhandel (Art. 188). Gemeint ist die Entführung ins Ausland behufs Begehung unzüchtiger Handlungen (Art. 188). 11. Anfertigung, Verkauf, Verbreitung, öffentliche Ausstellung von Schriften, Bildern oder anderen Gegenständen, durch die die Moral schwer verletzt w i r d (Art. 189). S t r a f e n : 1. Strenges Gefängnis bis zu acht Jahren, Qualifikation strenges Gefängnis nicht unter zwei Jahren. — 2. Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren, Qualifikation strenges Gefängnis. — 3. Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren, a) str. Gefängnis bis zu 15 Jahren, b) strenges Gefängnis nicht unter fünf Jahren. — 4 a) Gefängnis bis zu drei Jahren, b) Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 5. Gefängnis. — 6. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. — 7. Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren. — 8. Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 9 a) Gefängnis nicht unter drei Monaten
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oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren, b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 10. Strenges Gefängnis von einem bis zu fünfzehn Jahren. — 11. Gefängnis bis zu einem Jahr. Einziehung (obligatorisch). VIII. Ehe und Familie (XVII. Hauptstück) „Die Ehe und Familie steht unter besonderem Schutze des Staates" (Art. 26 BV). Eine Kriminalisierung des Ehebruches aber wurde abgelehnt. „Durch rücksichtslosen Schutz der ehelichen Treue w i r d das Gegenteil erreicht. Das Strafverfahren ist i n diesem Falle (Privatanklage) gewöhnlich ein Racheakt; die Ehe w i r d hierdurch nicht befestigt, sondern endgültig zerstört" (Mot. 334). 1. Doppelehe (Art. 190). 2. Eingehung einer ungültigen Ehe durch Verheimlichung einer Tatsache, deretwegen die Ehe ungültig ist, oder durch Irreführung bezüglich einer solchen Tatsache (Art. 191). Art. 42, 45, 46 des Grundgesetzes vom Eheband, B A B 29/1946. 3. Zulassen der Eingehung einer ungültigen Ehe. Täter der Vorsitzende, das bevollmächtigte Mitglied des Volksausschusses oder der Matrikelführer (Art. 192). Art. 15, 24, 24 a, 30—46, 46 des zitierten Gesetzes. 4 a) Außereheliche Lebensgemeinschaft m i t einem Minderjährigen, der das vierzehnte Lebensjahr zurückgelegt hat; b) Gestatten oder Verleiten zu einer derartigen Lebensgemeinschaft. Täter ad b) die Eltern und der Vormund. Einstellung des Verfahrens bei Eingehung der Ehe (Art. 193). 5. Entziehung eines Minderjährigen aus der elterlichen, vormundschaftlichen oder ähnlichen Gewalt. Qualifikation: Eigennutz oder andere niedrige Beweggründe (Art. 194). A r t . 15 des Grundgesetzes vom Verhältnisse zwischen Eltern und Kindern, B A B 104/1947 und Art. 68 des oben zitierten Gesetzes. 6. Änderung des Familienstandes eines Kindes durch Unterschiebung, Umtausch oder auf andere A r t . Versuch strafbar (Art. 195). 7. Mißhandlung oder Vernachlässigung eines Kindes durch grobe Nichterfüllung der Pflege- und Erziehungspflichten (Art. 196). 8. Nichtzahlung der Alimente für eine Person, die der Täter zu erhalten verpflichtet ist (Art. 197). 9. Blutschande zwischen Blutsverwandten i n gerader Linie und Geschwistern (Art. 198). S t r a f e n : 1. Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren. — 2. Gefängnis bis zu zwei Jahren, Verfolgung nur i m Falle der Ungültigkeitserklärung der Ehe. — 3. Gefängnis bis zu drei Jahren. —
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4. Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 5. Gefängnis bis zu zwei Jahren, Qualifikation strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 6. Gefängnis nicht unter drei Monaten. — 7. Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 8. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. — 9. Gefängnis. IX. Gesundheit von Mensdien (XVIII. Hauptstück) Dieses Hauptstück stellt eine besondere Gruppe von gemeingefährlichen strafbaren Handlungen dar: Angriffe gegen die Gesundheit von Menschen (Volksgesundheit). Angriffe gegen die Gesundheit von Tieren und Pflanzen sind i n das Hauptstück von den strafbaren Handlungen gegen die Volkswirtschaft eingereiht. Angriffe gegen die Gesundheit des Einzelmenschen aber i n das Hauptstück „Leib und Leben". Nach der inneren Systematik zerfällt das Hauptstück i n zwei Gruppen: Blankettvorschriften und genau umgrenzte Tatbestände. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit besteht grundsätzlich nur beim E i n t r i t t bestimmter Folgen. Die Übertragung einer Geschlechtskrankheit bedeutet auch eine Gefährdung der Gesundheit mehrerer Menschen; daher die Einreihung i n dieses Hauptstück (Mot. 346). Schwerere Strafen wegen schwererer Folgen sind auch bei kulposen Grunddelikten angedroht (Art. 212). 1 a) Nichtbefolgung von Vorschriften über Verhaltungsmaßnahmen zur Bekämpfung oder Verhütung ansteckender Krankheiten und die dadurch verursachte Übertragung derselben; b) Begehung aus Fahrlässigkeit (Art. 199). 2. Nichtbefolgung von Gesundheitsvorschriften zur Zeit einer Epidemie (Art. 200). 3. Ansteckung m i t einer Geschlechtskrankheit (Art. 201). Antragsdelikt. 4 a) Vorschriftswidrig erfolgte Anstellung von Personen, die an ansteckenden Krankheiten leiden, i n Sanitätsanstalten oder Sanitätsbetrieben und die dadurch verursachte Übertragung der ansteckenden Krankheit, b) Begehung aus Fahrlässigkeit. 5 a) Ungewissenhafte Heilbehandlung und die dadurch verursachte Verschlimmerung der Krankheit. Täter: ein Arzt, eine Hebamme oder andere Sanitätspersonen; b) Begehung aus Fahrlässigkeit (Art. 203). 6. Verweigerung ärztlicher Hilfe jemandem, der sich in unmittelbarer Lebensgefahr befindet (Art. 204). 7. Unbefugte gewerbsmäßige oder entgeltliche Heilbehandlung ohne vorgeschriebene Fachausbildung (Kurpfuscherei) (Art. 205). 8 a) Zubereiten zum Verkauf, oder Verkauf gesundheitsgefährlicher Arzneimittel; b) Begehung aus Fahrlässigkeit (Art. 206).
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9 a) Ungewissenhaftes Zubereiten oder Verabfolgen von Arzneimitteln und die dadurch verursachte Verschlimmerung der Krankheit. Täter: ein Apotheker; b); Begehung aus Fahrlässigkeit (Art. 207). 10 a) Unbefugte Erzeugung, Verarbeitung, Verkauf, Inverkehrbringen, Ankauf behufs Verkaufes betäubender Drogen oder Gifte; b) gewerbsmäßiger Betrieb oder Begehung von mehreren, die sich dazu vereinigt haben (Art. 208). 11 a) Erzeugung, Verkauf oder Inverkehrsetzen gesundheitsschädlicher Lebensmittel oder anderer schädlicher Erzeugnisse; b) Begehung aus Fahrlässigkeit (Art. 209). 12 a) Ungewissenhafte Fleischbeschau oder Nichtvornahme derselben und die dadurch verursachte Möglichkeit, daß gesundheitsschädliches Fleisch i n Verkehr gebracht w i r d ; b) Begehung aus Fahrlässigkeit. Täter: ein Tierarzt oder sein Gehilfe (Art. 210). 13 a) Verunreinigen von Trinkwasser; b) Begehung aus Fahrlässigkeit (Art. 211). S t r a f e n : l a ) Gefängnis bis zu einem Jahr, b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. — 2. Wie sub 1, b). — 3. Gefängnis bis zu einem Jahr. — 4 a) Gefängnis bis zu zwei Jahren, b) wie sub l b ) . — 5 a) Gefängnis bis zu drei Jahren, b) Gefängnis bis zu sechs Monaten. — 6. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 7. Gefängnis bis zu einem Jahr und Geldstrafe. — 8 a) Gefängnis bis zu zwei Jahren und Geldstrafe, b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. — 9 a) Gefängnis bis zu drei Jahren, b) Gefängnis bis zu sechs Monaten. — 10 a) Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren, b) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 11 a) Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren, b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. — 12 a) Gefängnis bis zu zwei Jahren, b) Gefängnis bis zu sechs Monaten. — 13 a) Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren, b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Monaten. Obligatorische Einziehung ad 8, 10 und 11. Schwerere
Strafen
(Art. 212):
1. i n den Fällen: A r t . 199, Abs. 1; 202, Abs. 1; 203, Abs. 1 und 2; 205; 206, Abs. 1; 207, Abs. 1; 209, Abs. 1; 210, Abs. 1; 211, Abs. 1 strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren (schwere Körperverletzung oder Tod); 2. i n den Fällen: A r t . 199, Abs. 1; 202, Abs. 1; 205; 206, Abs. 1; 207, Abs. 1; 209, Abs. 1; 210, Abs. 1; 211, Abs. 1 strenges Gefängnis nicht unter zwei Jahren (Tod mehrerer Menschen); 3. i n den Fällen: A r t . 199, Abs. 2; 202, Abs. 2; 203, Abs. 3; 206, Abs. 2; 207, Abs. 2; 209, Abs. 2; 210, Abs. 2; 211, Abs. 2: Gefängnis nicht unter
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sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren (schwere Körperverletzung oder Tod); 4. i n den Fällen: A r t . 199, Abs. 2; 202, Abs. 2; 206, Abs. 2; 207, Abs. 2; 209, Abs. 2; 210, Abs. 2; 211, Abs. 2: strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren (Tod mehrerer Menschen). X. Volkswirtschaft (XIX. Hauptstück) Die Eigenart der sozialistischen Volkswirtschaft (ζ. B. Planwirtschaft, A r t der Verwaltung) äußert sich auch in verschiedenen neuen Typen diesbezüglicher strafbarer Handlungen. Einzelne dieser Angriffe sind auch i n anderen Hauptstücken enthalten, ζ. B. Delikte gegen das Gesellschaftsvermögen. I n obiges Hauptstück wurden nur Verbrechen eingereiht, die einen u n m i t t e l b a r e n Angriff gegen das Volks Wirtschaftssystem, gegen die „ökonomische Basis des Staates", bedeuten. Einzelne davon sind für das sozialistische System typisch, andere allgemeinwirtschaftlicher Natur, ζ. B. die Geldfälschung, Übertragung von Tierseuchen, Forstdelikte u. dgl. (Mot. 265). Als K r i t e r i u m für die Einteilung (innere Systematik) wurde der betreffende Volkswirtschaftszweig gewählt. Das Hauptstück zerfällt in zwei Hauptgruppen: allgemeine und besondere Volks Wirtschaftsdelikte, also Delikte, die i n allen oder nur i n einzelnen Wirtschaftszweigen begangen werden können. Die weitere Systematik ist aus der folgenden Zusammenstellung ersichtlich. A. A l l g e m e i n e
Wirtschaftsdelikte
I. T ä t e r „ e i n e v e r a n t w o r t l i c h e P e r s o n i n einem staatlichen, genossenschaftlichen oder anderen gesellschaftlichen Unternehmen oder in einer Genossenschaft", die i m konkreten Falle für die Ausführung des Geschäftes verantwortlich (zuständig) ist: 1. Ungewissenhafte Geschäftsführung (Art. 213). Ein typisches Volkswirtschaftsdelikt, dessen Wesen darin besteht, daß eine „verantwortliche" Person die Geschäftsführung offenbar nachlässig ausübt oder ihre Pflicht bewußt vernachlässigt, obwohl sie weiß, daß daraus ein Vermögensschaden für das Unternehmen oder die Genossenschaft entstehen kann, a) Qualifikation: erheblicher Vermögensschaden. 2. Erzeugen unbrauchbarer Erzeugnisse in größerer Menge von größerem Werte (Art. 214). a) Fahrlässige Begehung.
oder
3. Erzeugen und Inverkehrbringen von Erzeugnissen schlechter Qualität i n größerer Menge oder von größerem Werte (Art. 215). a) Fahrlässige Begehung. (Die Vdg. von den Standarden und Qualitäten der Erzeugnisse, B A B 17/1951.)
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4. Vorschriftswidriges oder Handelsgrundsätzen nicht entsprechendes Anschaffen unbrauchbarer Waren, Anschaffen und Inverkehrsetzen von Waren schlechter Qualität, a) Nicht-Inverkehrsetzen verfügbarer Waren und das hiermit verbundene Verderben von Waren oder Stillstand i n der Warenverteilung (Art. 216). b) Fahrlässige Begehung. 5. Wissentlicher Abschluß eines schädlichen (Art. 217). a) Gewinnsüchtige Absicht. II. T ä t e r
eine andere
Wirtschaftsvertrages
Person:
1. Verrat eines Fabrik-, Produktions- oder anderen ökonomischen Geheimnisses (Art. 218). a) Besonderer wirtschaftlicher Schaden, b) Besonders schwere Fälle, c) Begehung aus Fahrlässigkeit; ad a) Strafbarkeit wegen doloser Begehung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. 2. Übergabe oder Übernahme einer Liegenschaft ohne vorhergegangene Übertragungsbewilligung oder gewerbsmäßige Vermittlung unerlaubten Liegenschaftsverkehrs. a) Zerstören oder Niederreißen von Gebäuden oder Bauten, um die Vorschriften über die Kontrolle des Liegenschaftsverkehrs zu umgehen (Art. 219). (Verordnung über die Kontrolle des Liegenschaftsverkehrs, B A B 24/1948, 43/1953). 3. Beschädigung von Wohn- oder Geschäftsgebäuden durch Beseitigen der äußeren oder inneren Einrichtung, Installationen u. dgl. Täter: ein Mieter, Verwalter, Eigentümer oder Hausmeister (Art. 220). III. U n t e r g r u p p e , Delikte gegen die Geldwirtschaft: 1. Geldfälschung, Geldverfälschung, Anschaffen gefälschten Geldes, um es als echt i n Umlauf zu setzen, Inumlaufsetzen falschen Geldes; a) Qualifizierter Fall; b) Inumlaufsetzen falschen Geldes, das der Täter als echt eingenommen hat; c) Nichtanzeige des Deliktes. Siehe: leg. Def. A r t . 99, Abs. 7 (Art. 221). 2. Fälschung, Verfälschung amtlicher Wertzeichen, Verwendung und Anschaffen gefälschter Wertzeichen, um sie als echt zu verwenden; a) Entfernen des Stempelaufdruckes entwerteter Wertzeichen oder Verwenden derselben; b) gewerbsmäßige Begehung oder Begehung in großem Umfange (Art. 222). Siehe: legale Definition Art. 99, Abs. 8. 3. Anfertigen, Anschaffen oder Inverkehrsetzen von Geräten zur Fälschung von Geld oder Wertzeichen (Art. 223). 4. Fälschung, Verfälschung von Zeichen zur Bezeichnung inländischer oder ausländischer Waren, um sie als echt zu verwenden, Verwendung derselben als echt. Unbefugtes Anfertigen, Anschaffen und zum Ge-
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Das Strafrecht Jugoslawiens
brauch Übergeben (Art. 224).
von
Geräten
B. B e s o n d e r e I. H a n d e l u n d
zum Anfertigen
obiger
Zeichen
Wirtschaftsdelikte
Industrie.
1. Inverkehrsetzen von Waren m i t falscher Warenbezeichnung, um Käufer zu täuschen. Betrugsart (Art. 225). 2. Unbefugtes berufsmäßiges Betreiben von Handel; unbefugter Handel mit Waren, deren Verkehr verboten oder eingeschränkt ist; Feilhalten solcher Waren; Erzeugen bzw. Verarbeiten von Waren, deren Erzeugen bzw. Verarbeiten verboten ist (Art. 226). Allg. Gesetz vom priv. Handel, B A B 39/1948. 3. Preisüberschreitung hinsichtlich von Waren oder Leistungen (Art. 227). 4. Begünstigung von Käufern i n einem sub A I erwähnten Unternehmen. Deliktshandlungen: a) Nicht-Inverkehrsetzen, Verbergen, Vorenthalten von Waren, um sie z. B. Freunden zu verkaufen; b) Verkauf unter dem vorgeschriebenen Preise; Verkauf einer un verhältnismäßigen Warenmenge an einen einzelnen Käufer; c) Verkauf einer solchen Warenmenge i n Kenntnis, daß dieselbe zu Spekulationszwecken angekauft wird. Andere besonders schwere Fälle; d) Ankauf einer großen Warenmenge zu Spekulationszwecken (Art. 228). 5. Vorschriftswidriger Tausch oder Verkauf gegen Verkauf einer anderen Ware; a) Begehung der Tat i n gewinnsüchtiger oder Spekulationsabsicht; b) besonders schwere Fälle (Art. 229). 6. Rechtswidriges Vorenthalten oder Abkargen der garantierten Verpflegung (Verpflegung auf Grund von Lebensmittelkarten) (Art. 230). 7. Falsches Messen bzw. Wägen beim Kauf oder Verkauf mit gefälschtem Maß bzw. Gewicht oder auf andere A r t (Art. 231). Betrugsart. 8. Fälschung oder Verfälschung von einem Maß bzw. Gewicht, u m es als echt zu verwenden (Art. 232); Versuch strafbar. 9. Unerlaubte Spekulation (Art. 233) begeht, wer durch Verbergen, Anhäufen, durch Entziehen von Waren aus dem Verkehr oder auf andere A r t auf dem Markte Warenmangel verursacht, um durch Heben der Preise einen unverhältnismäßigen Vermögensvorteil zu erreichen, oder wer i n derselben Absicht einen bestehenden Warenmangel ausnützt. a) Qualifikation: gewerbsmäßige Ausübung und besonders schwere Fälle. 10. Vorschriftswidriger Handel m i t Goldgeld, fremden Valuten, Devisen, Edelmetallen oder anderen Wertsachen (Art. 234). a) Ge-
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werbsmäßigkeit, besonders schwere Fälle. Eine A r t unerlaubten Handels, siehe oben Β I 2. Qualifikation wie sub 9. Devisengesetz, B A B 86/1946. II. F a l s c h e S t e u e r b e k e n n t n i s s e . der Abgabepflicht.
Nichterfüllung
1. Falsche Steuerbekenntnisse, u m sich oder einen anderen von der Steuerzahlung zu befreien (Art. 235). Grundgesetz von Gesellschaftsbeitrag und Steuern, B A B 1/1952. 2. Nichtabgabe landwirtschaftlicher Produkte, die auf Grund gesetzlicher Verpflichtung abzugeben sind, a) Strengerer Fall: Vorhergegangene Verurteilung wegen einer derartigen Tat oder Begehung der Tat i n Verabredung m i t anderen (Art. 236). 3. Falsche Angaben bezüglich der Abgabe, um dieselbe zu verringern. Täuschung bezüglich des Gewichtes (ζ. B. durch Beigabe von Steinen), Abgabe verdorbener Erzeugnisse (Art. 237). 4. Vorschriftswidrige Nichtbearbeitung, Vernachlässigung der Bearbeitung, u m die Ernte zu verringern; Verminderung des Viehbestandes (Art. 233). a) Qualifikation wie sub I I I 2. III. S c h ä d l i n g s h a n d l u n g e n
in
der
Landwirtschaft.
1. Vernichtung oder Beschädigung landwirtschaftlicher Maschinen, Geräte, Werkzeuge, Saaten, der Ernte, von Großvieh oder einer größeren Anzahl von Kleinvieh, u m sich der Abgabepflicht oder einer anderen Pflicht dem Staate gegenüber zu entziehen (Art. 239). 2. G e n o s s e n s c h a f t s w e s e n . a) Untergraben der Tätigkeit, Ordnung oder Arbeitsorganisation einer Landwirtschaftsgenossenschaft. Strengere Bestrafung bei Vernichtung der Genossenschaft (Art. 240). Landwirtschaftsgenossenschaftsgesetz, B A B 49/1949, Vdg. B A B 14/1953. b) Hinderung des Beitrittes; Nötigung zum Austritt aus der Genossenschaft (Art. 241, Abs. 1). c) Nötigung zum Beitritt (Art. 241, Abs. 1). 3. V e t e r i n ä r w e s e n . a) Herstellen zum Verkauf oder Inverkehrsetzen gesundheitsschädlicher Arzneimittel für Haustiere und Geflügel. Qualifizierte Fälle. Begehen aus Fahrlässigkeit (Art. 242). b) Ungewissenhafte Heilbehandlung von Haustieren durch einen Tierarzt. Mildere Bestrafung bei Begehen aus Fahrlässigkeit (Art. 243). c) Zuwiderhandeln gegen behördliche Vorschriften zur Verhinderung von Tierseuchen und Erkrankungen von Pflanzen und Bäumen. Qualifizierte Fälle. Begehung aus Fahrlässigkeit (Art. 244). 28 A u s l ä n d i s c h e s S t r a f r e c h t I .
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d) Verunreinigung von Futter, Viehtränken oder Fischwasser. Qualifizierte Fälle (Art. 245). 4. F o r s t w e s e n . a) Verwüstung von Wäldern durch vorschriftswidriges Holzschlagen, Roden oder Abringein. b) Walddiebstahl. c) Begehung i m Schutzwald. d) Besonders schwere Fälle (Art. 246). Allgem. Forstgesetz, B A B 106/1947. 5. G e s e t z w i d r i g e s oder unberechtigtes (Art. 247). Allg. Jagdgesetz, B A B 105/1947.
Jagen
6. G e s e t z w i d r i g e s F i s c h e n (mit Explosivstoffen oder Gift) (Art. 248). Gesetz über die Seefischerei, B A B 12/1950. S t r a f e n : Α. I. 1. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten; Qualifikation: Gefängnis bis zu vier Jahren. — 2. Gefängnis; bei Fahrlässigkeit wie sub 1. — 3. Gefängnis bis zu drei Jahren; a) wie sub 1. — 4. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr; a) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren; b) wie sub 1. — 5. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu acht Jahren. — I I . I. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; b) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; c) Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 2. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten und Geldstrafe; a) Gefängnis bis zu sechs Monaten und Geldstrafe. Fak. Einziehung. — 3. Wie sub 2. — I I I . 1. Strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; a) strenges Gefängnis nicht unter fünf Jahren; V. Konf. b) c) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. Obligatorische Einziehung. — 2. Strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; a) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr; b) strenges Gefängnis nicht unter fünf Jahren, fak. Verm. Konf. — 3. Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; Einziehung (obligatorisch). — 4. Gefängnis bis zu zwei Jahren; Einziehung. — B. I. 1. Geldstrafe, Gefängnis bis zu sechs Monaten. — 2. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 3. Wie sub 1. — 4 a) Gefängnis bis zu einem Jahr; b) Gefängnis bis zu drei Jahren; c) strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 5. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr; a) Gefängnis bis zu drei Jahren; b) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 6. Wie sub 5 b). — 7. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. — 8. Gefängnis bis zu drei Jahren. — 9. Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; a) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; fak. Verm.Konf., obligatorische Wareneinziehung. — 10. Gefängnis oder strenges Gefängnis bis
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zu fünf Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; fak. Verm. Konf., obligatorische Einziehung. — II. 1. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Jahren. — 2. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr oder Gefängnis bis zu einem Jahr und Geldstrafe; a) Gefängnis nicht unter sechs Monaten und Geldstrafe oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren und Geldstrafe oder Verm.Konf. — 3. Wie sub I I . 2. — 4. Wie sub I I 2; a) wie sub I I 2 a. — I I I . 1. Strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren und Geldstrafe oder Verm.Konf. — 2. Strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren und Geldstrafe oder Verm.Konf.. — 2 a) Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren und Geldstrafe, oder Verm. Konf., Qualifikation: strenges Gefängnis bis zu 15 Jahren und obligatorische Verm.Konf.; b) Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; c) Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 3 a) Gefängnis bis zu zwei Jahren, Qualifikation: Gefängnis nicht unter sechs Monaten; Fahrlässigkeit: Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr; b) Gefängnis nicht unter sechs Monaten; Fahrlässigkeit: Gefängnis von drei Monaten bis zu einem Jahr; c) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren, Qualifikation: Gefängnis nicht unter sechs Monaten; Fahrlässigkeit: Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Monaten; Qualifikation: Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren; d) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr; Qualifikation: Gefängnis nicht unter drei Monaten. — 4 a) Gefängnis bis zu drei Jahren; b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr; c) Gefängnis nicht unter drei Monaten [ad a)], Gefängnis nicht unter einem Monat [ad b)] ; d) strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 5. u. 6. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren, fak. Einziehung. XI. Gesellsdiafts- und Privatvermögen (XX. Hauptstück) Als „Gesellschaftsvermögen" gilt auch das Vermögen, das dem Staate, einer Genossenschaft oder gesellschaftlichen Organisation anvertraut ist (Art. 267), z. B. Pakete, die der Post oder Eisenbahn übergeben sind. Siehe auch die Legaldef. A r t . 99, Abs. 5. Trotz der Überschrift dieses Hauptstückes ist i n den Strafbestimmungen zwischen beiden A r t e n von Vermögen grundsätzlich kein Unterschied gemacht; nur einige Eingriffe ins Gesellschaftsvermögen sind hervorgehoben, z. B. A r t . 250, Abs. 1, 255, 265, Abs. 3, andere aber sind auch i n anderen Hauptstücken enthalten (Volk und Staat, Volkswirtschaft, Amtspflicht). Konkursdelikte wurden i n das Gesetz nicht aufgenommen (Einengung der Privatwirtschaft). Die einfache Veruntreuung und Unterschlagung sind Antragsdelikte. Z u m subj. Tatbestand des Diebstahles, Raubes, Betruges, der Unterschlagung, Veruntreuung, Erpressung gehört die Absicht, sich oder einem anderen einen unrechtmäßigen Vermögens28
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vorteil zu verschaffen. Der einfache Diebstahl (Art. 249), die Unterschlagung (Art. 254, Abs. 1 und 3), die widerrechtliche Aneignung (Art. 256), Sachbeschädigung (Art. 257), Betrug (Art. 258, Abs. 1 und 2), Schädigung fremder Rechte (Art. 264), Hehlerei (Art. 265) zwischen Ehegatten, Blutsverwandten i n gerader Linie, Geschwistern, Adoptiveltern und Adoptivkindern werden auf Privatklage, zwischen Hausgenossen i m gemeinsamen Haushalt auf Antrag verfolgt (Art. 266). 1. Diebstahl (Art. 249): Wegnahme einer fremden beweglichen Sache, um sich oder einem anderen durch deren Zueignung einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Ein besonderer Fall des Diebstahles ist die gesetzwidrige Wegnahme von Sachen Gefallener oder Verwundeter auf dem Gefechtsplatze (Art. 361). 2. Schwerer Diebstahl: a) Gesellschaftsvermögen: Diebstahl einer Maschine, eines Teiles einer Maschine oder technischen Vorrichtimg, eines wichtigen Arbeitswerkzeuges aus Fabriken, Bergwerken, A r beitsräumen oder Arbeitsplätzen; militärischer Ausrüstungsgegenstände größeren Wertes; eines Stückes Großvieh oder mehrerer Stücke Kleinvieh; landwirtschaftlichen Arbeitsgerätes von größerem Werte; einer größeren Menge von Lebensmitteln, die zur Verteilung an die Bevölkerung bestimmt sind; b) durch Erbrechen oder Einbrechen in verschlossene Räume; c) begangen von mehreren Personen, die sich zur Begehung von Diebstählen vereinigt haben; d) auf besonders gefährliche und dreiste A r t ; e) begangen von jemandem, der eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug zum Angriff oder zur Verteidigung bei sich führt; f) anläßlich einer Feuersbrunst, Überschwemmung oder eines ähnlichen Unfalles; g) vorhergegangene mehrmalige Verurteilung wegen Diebstahles oder Raubes (Art. 250). E i n besonderer Fall schweren Diebstahles ist i m A r t . 321 erwähnt. (Diebstahl begangen von einer Amtsperson bei einer Hausdurchsuchung oder ähnlichen Amtshandlung.) 3. Räuberischer Diebstahl (Art. 251): Einen solchen begeht, wer beim Diebstahl betroffen, gegen eine Person Gewalt anwendet oder i h r mit einem unmittelbarem Angriff auf Leib und Leben droht, u m sich i m Besitze der gestohlenen Sache zu erhalten. 4. Raub (Art. 252): Wegnahme einer fremden beweglichen Sache durch Anwendung von Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit einem unmittelbaren Angriff auf Leib und Leben, um sich oder einem anderen durch die Zueignung einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil zu verschaffen. 5. Schwere Fälle räuberischen Diebstahles und Raubes: grausame Begehungsart; Zufügung einer schweren Körperverletzung bei Be-
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gehung der Tat; Tötung (praeterintentionale) bei Begehung der Tat (Art. 253). 6. Unterschlagung (Art. 254). Diese umfaßt a) die Veruntreuung: Zueignung einer anvertrauten fremden beweglichen Sache, um sich oder einem anderen einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil zu verschaffen; b) die Veruntreuung, begangen durch einen Vormund oder Pfleger; c) die Fund Verheimlichung oder Aneignung einer zufällig zugekommenen fremden beweglichen Sache i n obiger Absicht. Die Amtsveruntreuung (Art. 322) ist i n das Hauptstück „Amtspflicht" eingereiht. Die Delikte sub a) und b) sind Antragsdelikte. 7. Plünderung (Art. 255), ein typisches Delikt gegen das Gesellschaftsvermögen. Deliktshandlung: Diebstahl (Art. 249—251) oder Amtsveruntreuung (Art. 322, Abs. 2) von Lebensmitteln, Industrieerzeugnissen, Anweisungen zum günstigeren Ankauf von Nahrungsmitteln (Lebensmittelkarten) und Industrieerzeugnissen oder anderen Gegenständen gesellschaftlichen Vermögens, das für die Volkswirtschaft und für die Versorgung der Bevölkerung von besonderer Bedeutung ist. Die beschriebene Deliktshandlung geht i n Plünderung über, „wenn die Menge der gestohlenen oder veruntreuten Sachen von derartig großem Werte ist, daß sie offenbar auf eine Rücksichtslosigkeit des Täters gegen die Allgemeinheit hinweist", a) Schwere Fälle: besonders schwere Folgen für die Volkswirtschaft oder für die Versorgung der Bevölkerung; Begehung der Tat unter besonders schweren Umständen, insbesondere Begehung i m Verbände einer Bande oder Vereinigung; b) Hehlerei: Ankaufen, Absetzen, Verheimlichen geplünderter Sachen trotz Wissens, daß dieselben auf die oben erwähnte A r t erworben sind. 8. Widerrechtliche Wegnahme oder Aneignung fremder beweglicher Sachen ohne Absicht, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. A n tragsdelikt (Art. 256). Inbegriffen ist auch der Fall der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache i n Schädigungsabsicht (§ 323 des jugosl. StGB aus dem Jahre 1929). 9. Sachbeschädigung (Art. 257): Beschädigen, Zerstören oder Unbrauchbarmachen einer fremden Sache. Antragsdelikt bei Angriffen auf das Privateigentum, a) Offizialdelikt (großer Wert). Besondere Fälle: A r t . 114, 220, 239, 264. 10. Betrug (Art. 258) begeht, wer a) i n der Absicht, sich oder einem anderen einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil zu verschaffen, jemanden durch falsche Vorspiegelungen oder Unterdrückung von Tatsachen i n I r r t u m versetzt oder i m I r r t u m erhält und i h n dadurch zu einer Handlung oder Unterlassung zum Nachteile seines oder eines fremden Vermögens verleitet; b) dieselbe Tat i n Schädigungsabsicht;
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c) gewerbsmäßige Begehung. Der Versicherungsbetrug ist nicht als besonderer Betrugsfall kriminalisiert. Besondere Betrugsfälle (Art. 225): falsche Warenbezeichnung, A r t . 305, Abs. 3 (Falschspiel). 11. Diebstahl, Unterschlagung von Sachen geringen Wertes; kleinere Betrügereien, a) Fortgesetzter „kleiner" Diebstahl, Veruntreuung und Betrug. Antragsdelikt bei Eingriffen ins Privateigentum. 12. Vertrauensmißbrauch (Art. 260). Täter: ein Vertreter von Vermögensinteressen oder ein Verwalter eines Vermögens, der seine Pflicht nicht erfüllt oder die i h m erteilten Befugnisse mißbraucht, um sich oder einem anderen einen unrechtmäßigen Vermögensvorteil zu verschaffen oder u m die Person, deren Vermögensinteressen er vert r i t t oder deren Vermögen er besorgt, zu schädigen, a) Qualifizierter Fall: Täter: ein Vormund, Pfleger oder Advokat. 13. Erpressung (Art. 260): Nötigung einer Person zu einer Handlung oder Unterlassimg zum Nachteil ihres oder eines fremden Vermögens. Begehungsart: Gewalt oder ernstliche Drohung. Absicht wie sub 12. a) Schwerer Fall: Gewerbsmäßigkeit, b) Besonderer Fall: Chantage (Art. 261). Begehungsart: Drohung m i t der Veröffentlichung einer Tatsache, die die Ehre des Bedrohten oder einer i h m nahestehenden Person schädigen könnte. Versuch strafbar. Schwerer Fall: Gewerbsmäßigkeit. 14. Wucher (Art. 263) begeht, wer für eine Leistung, die er für jemanden verrichtet, unter Ausbeutung seiner schweren Vermögenslage, Notlage, mangelhaften Erfahrung oder seines Leichtsinnes, einen unverhältnismäßigen Vermögensvorteil für sich oder einen anderen empfängt oder sich ausbedingt, a) Schwerer Fall: Gewerbsmäßigkeit. 15. Schädigung fremder Rechte (Rechtsvereitlung — A r t . 264): a) Veräußern, Zerstören, Beschädigen oder Wegnahme einer Sache, an der jemand ein Pfandrecht oder einen Fruchtgenuß hat i n der Absicht, die Geltendmachung des Rechtes zu vereiteln, b) Zerstören, Beschädigen oder Verheimlichen von Teilen des eigenen Vermögens in der Absicht, die Befriedigung der Gläubiger i m Zwangsvollstreckungsverfahren zu vereiteln. Die erfolgte Schädigung ist i n beiden Fällen Tatbestandsmerkmal. Antragsdelikt. 16. Hehlerei (Art. 265): a) Vorsätzlicher Ankauf, Zum-Pfand-Nehmen, auf andere A r t Ansichbringen, Verheimlichen oder Absetzen einer Sache, von welcher der Täter weiß, daß sie durch eine strafbare Handlung erworben worden ist, oder des durch Verkauf oder Tausch erhaltenen Erlöses, b) Die fahrlässige Handlung betrifft eine Sache, von welcher der Täter wissen konnte, daß sie durch eine strafbare Handlung erworben worden ist. c) Schwerer Fall. Hehlerei der Gegenstände ad 2 a (Gesellschaftsvermögen).
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S t r a f e n : 1. Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 2. Strenges Gefängnis bis zu zwölf Jahren. — 3. Strenges Gefängnis von zwei bis zu zwölf Jahren. — 4. Strenges Gefängnis von drei bis zu fünfzehn Jahren. — 5. Strenges Gefängnis nicht unter fünf Jahren oder Todesstrafe. 6. a) Gefängnis, b) Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren, c) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 7. Strenges Gefängnis nicht unter zwei Jahren, a) strenges Gefängnis nicht unter zehn Jahren oder Todesstrafe, b) strenges Gefängnis bis zu fünfzehn Jahren. — 8. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 9. Wie sub 8. a) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 10. a) Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren, b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren, c) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu acht; Jahren. — 11. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten, a) Gefängnis bis zu drei Jahren. — 12. Gefängnis nicht unter einem Monat, a) Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 13. Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren, a) strenges Gefängnis bis zu zwölf Jahren), b) Gefängnis nicht unter drei Monaten; Qual, strenges Gefängnis bis zu acht Jahren. — 14. Gefängnis bis zu drei Jahren und Geldstrafe, a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren und Geldstrafe. — 15. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. — 16. a) Gefängnis bis zu drei Jahren, b) Gefängnis bis zu einem Jahr, c) strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. XII. Allgemeine Sicherheit für Mensdien und Vermögen (XXI. Hauptstück) I n dieses Hauptstück sind auch die strafbaren Handlungen gegen die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs eingereiht. Einige aus Fahrlässigkeit begangene strafbare Handlungen sind durch den schwereren Erfolg qualifiziert (Art. 8). A. K o n k r e t e G e m e i n g e f a h r : Die strafbaren Handlungen dieser Untergruppe bestehen i n der Herbeiführung einer Gemeingefahr für das Leben von Menschen bzw. Vermögen i n größerem Umfange (Werte): I. allgemein gefährliche Handlungen begangen: 1. durch eine Feuersbrunst, Überschwemmung, Explosion, Gift, giftige Gase, Motorkraft, elektrische oder andere Energie (Art. 268, Abs. 1); 2. durch eine gemeingefährliche Handlung oder ein gemeingefährliches Werkzeug (Art. 268, Abs. 2);
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3. durch Zerstörung, Beschädigung oder Beseitigung von Schutzvorrichtungen i n Bergwerken, Fabriken, Arbeitsräumen oder auf Arbeitsplätzen (Art. 269); 4. durch Zuwiderhandeln gegen Vorschriften oder allgemein anerkannte technische Regeln bei der Leitung oder Ausführung eines Baues oder Bauwerkes; Täter: eine verantwortliche Person (Art. 270), (Bau-Vdgen., B A B 14/1952). II. Gefährdung des öffentlichen Verkehrs: 1. auf Brücken und Straßen durch vorschriftswidriges oder regelwidriges Fahren, durch Gebrauch eines untauglichen Fahrzeuges, durch Beschädigung von Brücken oder Straßen, Stellung von Hindernissen oder auf andere A r t (Art. 271, Abs. 1); (Verkehrs-Vdg. B A B 51/1950, Hafenordnung B A B 7/1950); 2. auf Eisenbahnen, Schiffen und Luftfahrzeugen (Art. 271, Abs. 2), (Eisenbahn-Vdg. B A B 30/1950 und 67/1950); 3. durch ungewissenhafte Pflichterfüllung (Art. 272). Täter: eine verantwortliche Person, der die Aufsicht über die Erhaltung von Straßen, Brücken, Verkehrsmitteln, die Aufsicht des öffentlichen Verkehrs (ζ. B. Weichensteller), oder die Leitung einer Fahrt anvertraut ist (ζ. B. Schiffskapitän). Schwere Fälle und fahrlässige Begehung der strafbaren Handlungen sub I. und II. B. A b s t r a k t e G e f a h r : 1. Vorschriftswidrige Übergabe von Explosiv- oder leicht entzündbaren Stoffen an öffentliche Transportmittel zur Beförderung (Art. 274) (Vdg. B A B 100/1946 und 58/1948 und 5/1952). 2. Beschädigung von Vorrichtungen oder natürlichen Dämmen, die vor Elementarunfällen Schutz gewähren (Art. 275). 3. Zerstörung, Beschädigung oder Beseitigung von Warnungszeichen oder Zeichen, die der Verkehrssicherheit dienen (Art. 276) (Vdg. B A B 33/1952). 4. Mißbrauch international vereinbarter Telekommunikationszeichen (Art. 277). 5. Nichtabwendung einer Gemeingefahr durch rechtzeitige Anzeige oder auf andere A r t trotz vorhandener Möglichkeit; a) Hinderung eines anderen daran. (Art. 278). S t r a f e n : A. I. 1. Strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 2. Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 3. Strenges Gefängnis bis zu acht Jahren. — 4. Wie sub 2; II. 1. Gefängnis nicht unter einem Monat. — 2. Wie sub I. 2. — 3. Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. Schwere Fälle doloser Begehung sub I. und II. a) Schwere Körperverletzung, Tod, großer Schaden: strenges Gefängnis; b) Tod
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mehrerer Menschen: strenges Gefängnis nicht unter fünf Jahren oder Todesstrafe. Fahrlässigkeit: Gefängnis bis zu drei Jahren; schwere Fälle: a) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; b) strenges Gefängnis bis zu fünfzehn Jahren (Art. 273). — B. 1. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. — 2. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 3. Wie sub 2. — 4. Gefängnis. — 5. Gefängnis bis zu einem Jahr, a) Gefängnis bis zu zwei Jahren. XIII. Rechtspflege (XXII. Hauptstüdc) Die neue Staatsordnung kennt keine Dreiteilung der Staatsgewalt, sondern nur eine einheitliche Staatsgewalt. Trotzdem wurde das Hauptstück von den strafbaren Handlungen gegen die Rechtspflege beibehalten, weil dieselbe eine besondere Funktion der Staatsgewalt und somit ein besonderes Schutzobjekt darstellt (Mot. 237). I n dieses Hauptstück wurde auch die Urkundenunterdrückung und Grenzverrückung eingereiht (Mot. 246). I. Strafbare Handlungen, die die Einleitung des Strafverfahrens unmöglich machen: 1. Nichtanzeige der Vorbereitung einer strafbaren Handlung, die m i t strengem Gefängnis von fünf Jahren oder m i t einer schwereren Strafe bedroht ist (Art. 279). Strafbarkeit, wenn die Tat begangen oder versucht wurde. Straflos bleiben der Ehegatte, die Blutsverwandten i n gerader Linie, Geschwister, der Adoptivvater und das Adoptivkind, a) Schwerer Fall. 2. Nichtanzeige des Täters oder der Tat, die m i t Todesstrafe bedroht ist. Straflos bleiben die sub 1. erwähnten Personen, der Verteidiger u n d Beichtvater des Täters (Art. 280). 3. Verbergen des Täters einer strafbaren Handlung, Hilfeleistung durch Verbergen von Werkzeugen, Spuren; Verbergen eines Verurteilten oder andere Handlungen, um die Vollstreckung von Sanktionen zu verhindern, (Art. 281). Die Strafe darf nicht schwerer sein, als die Strafe, die auf die Handlung angedroht ist, hinsichtlich derer Hilfe geleistet wird. Straflosigkeit der Personen sub 1. I I . Strafbare Handlungen, die das eingeleitete Verfahren erschweren oder verhindern: 1. Wissentlich falsche Anzeige gegen einen Unschuldigen, a) Falsche Selbstanzeige, b) wissentlich falsche Anzeige einer offiziell verfolgbaren strafbaren Handlung (Art. 282). 2. a) Falsche Aussage eines Zeugen, Sachverständigen, Übersetzers oder Dolmetschers im Gerichts- oder Verwaltungsverfahren; b) i m Strafverfahren; c) beeidete Aussage; d) schwere Folgen für den Beschuldigten; e) Widerruf (Art. 283). Die falsche Beweisaussage einer Partei im Zivilprozeß ist nicht strafbar (Mot. 245).
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3. Vernichtung, Beschädigung oder Unbrauchbarmachung einer Urkunde; Beseitigung, Zerstörung, Beschädigung, Verrückung, Versetzung, Falschsetzung eines Grenzsteines, Vermessungszeichens, Grenzzeichens oder eines Zeichens zum Wassergebrauch, u m die Beweisführung zu vereiteln oder zu erschweren (Art. 284). 4. Unbefugte Veröffentlichung von geheimen Tatsachen aus einem Untersuchungsverfahren oder einer geheimen Verhandlung vor Gericht oder i m Arbitrageverfahren (Art. 285). I I I . Strafbare Handlungen, die den Vollzug gerichtlicher Entscheidungen verhindern: 1. Meuterei von Gefangenen, die sich zusammenrotten, um sich gewaltsam zu befreien, oder um ihre Aufsichtsorgane zu überfallen oder sie zur Pflichtverletzung zu nötigen. a) Schwererer Fall (Art. 286). 2. Flucht Gefangener durch Anwendung von Gewalt oder Drohung (Art 287). 3. Befreiung von Gefangenen (Art. 288). a) Begehung durch mehrere Personen. S t r a f e n : I. I. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 2. Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 3. Gefängnis. — I I . 1. Gefängnis nicht unter drei Monaten, a) und b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Monaten. — 2. a) Gefängnis bis zu drei Jahren; b) Gefängnis; c) Gefängnis [ad a)], strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren [ad b)]; d) strenges Gefängnis; e) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Monaten, fak. Absehen von Bestrafung. — 3. Gefängnis bis zu einem Jahr. — 4. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. — I I I . 1. Gefängnis bis zu drei Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu acht Jahren. — 2. Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 3. Wie sub 2.; a) strenges Gefängnis bis zu acht Jahren. X I V . öffentliche Ordnung und Rechtsverkehr (XXIII. Hauptstück) Dieses Hauptstück enthält Angriffe auf verschiedene gesellschaftliche Verhältnisse; es schützt die öffentliche Ordnung i m weitesten Sinne und den Rechtsverkehr (Urkundendelikte). Die innere Systematik ist aus folgender Zusammenstellung ersichtlich: A. T ä t i g k e i t d e r
Staatsorgane.
I. Hinderung ihrer Tätigkeit: 1. Hinderung einer Amtsperson an einer Amtshandlung oder Nötigung zu einer Amtshandlung durch Gewalt oder Drohung mit unmittelbarer Gewaltanwendung.
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a) Schwerer Fall: Beleidigung, Körperverletzung, Drohung mit Waffen. Versuch strafbar, b) Leichter Fall: Gesetzwidriges Verhalten der Amtsperson (Art. 289). 2. Beteiligung an einer Menschenmenge, die m i t vereinten Kräften eine Amtsperson i n ihrer Amtstätigkeit hindert oder zur Amtstätigkeit nötigt (Art. 290). a) Rädelsführer. 3. Aufforderung zum Widerstand oder Ungehorsam gegen gesetzliche Entscheidungen oder Maßnahmen von Staatsorganen oder Amtshandlungen (Art. 291). a) strengerer Fall. Tatsächliche Verhinderung. II. Ungehorsam gegen Anordnungen von Staatsorganen: 1. Ungehorsam gegen die Anordnung, sich aus einer Menschenmenge oder von einem Orte, wo der Aufenthalt verboten ist, zu entfernen (Art. 292). 2. Ungerechtfertigte Weigerung der Teilnahme zur Abwendung einer Gemeingefahr (Art. 293). 3. Entfernung oder Beschädigung eines amtlichen Siegels oder Zeichens oder Betreten eines derartig gesicherten Raumes (Art. 294). Versuch strafbar. 4. Wegnahme, Verbergen, Vernichten, Beschädigen oder Unbrauchbarmachen eines Amtssiegels, eines Buches, Schriftstückes oder einer Urkunde einer staatlichen Anstalt oder eines staatlichen Unternehmens (Art. 295). I I I . Anmaßung staatlicher Funktionen: 1. a) Amtsanmaßung oder unbefugtes Tragen eines Zeichens einer Amts- oder Militärperson; b) unbefugte Vornahme einer Amtshandlung (Art. 296). 2. Eigenmacht: Eigenmächtiges Verschaffen eines zustehenden oder vermeintlich zustehenden Rechtes (Art. 297). B. I n n e r e O r d n u n g . I. Vorbereitungshandlungen: 1. Verabredung der Begehung einer bestimmten strafbaren Handlung, die mindestens m i t fünf Jahren strengen Gefängnisses bedroht ist (Art. 298). Strengere Fälle: A r t . 121, 328, Abs. 2. 2. a) Organisieren einer Gruppe oder Bande zur Begehung strafbarer Handlungen wie sub 1.; b) Mitgliedschaft. Bei Verrat der Vereinigung oblig. Absehen von Bestrafung (Art. 299). Strengere Fälle: Art. 110, 111, 117, 128. 3. a) Anfertigen, Anschaffen von Waffen, Explosivstoffen, Mitteln zu ihrer Anfertigung, Giftstoffen; b) Anfertigen oder Überlassen eines falschen Schlüssels, Nachschlüssels oder eines anderen Einbruchswerkzeuges trotz Wissens, daß diese Gegenstände zur Begehung einer strafbaren Handlung bestimmt sind (Art. 300).
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II. Verschiedene strafbare Handlungen gegen die innere Ordnung: 1. Unbefugtes Anschaffen, unbefugter Verkauf oder Besitz von Waffen oder Explosivstoffen, deren Anschaffen oder Verkauf verboten ist (Art. 301). 2. Beteiligung an einer Menschenmenge, die mit vereinten Kräften einen Menschen tötet oder schwer verletzt, Brandstiftung begeht, Vermögen i n größerem Umfange beschädigt, andere Gewalttätigkeiten begeht oder derartige Handlungen zu begehen versucht, a) Strengere Bestrafung des Rädelsführers (Art. 302). 3. Unerlaubte Überschreitung der Staatsgrenze. Versuch strafbar, a) Systematische Hilfeleistung hierzu (Art. 303). Strengerer Fall: Art. 110. 4. Mißbrauch eines Notsignals oder Gefahrzeichens i n der Absicht, das Ausrücken von Staatsorganen oder der Feuermiliz oder eine Einstellung des Verkehrs zu verursachen (Art. 304). 5. Gewerbsmäßiges Glücksspiel, Anlockung zum Glücksspiel, entgeltliches Überlassen von Räumen hierzu oder entgeltliches Ermöglichen desselben, a) Schwerer Fall. Falschspiel oder Glücksspiel m i t jemandem, der durch eine strafbare Handlung zu Geld gekommen ist (Art. 305). 6. Gewerbsmäßige oder entgeltliche Winkelschreiberei (Art. 310). C. U r k u n d e n d e l i k t e . 1. Fälschung, Verfälschung einer Urkunde, um sie als echt zu verwenden, oder Verwenden einer falschen oder gefälschten Urkunde als echt, a) Dieselbe Tat hinsichtlich einer öffentlichen Urkunde, eines Testamentes, Wechsels, Schecks, eines öffentlichen Buches oder Dienstbuches (Art. 306). Besondere Fälle: a) unbefugte Ausfüllung eines Bogens, eines Blankettes oder eines anderen Gegenstandes, worauf jemand seine Unterschrift gesetzt hat, mit einer rechtserheblichen Erklärung; b) Täuschung einer Person über den Inhalt einer Urkunde, worauf diese die Urkunde unterschreibt i n der Meinung, sie unterschreibe eine andere Urkunde oder einen anderen Inhalt; c) Ausstellung einer Urkunde i m Namen einer anderen Person ohne ihre Einwilligung oder i m Namen einer nicht bestehenden Person; b) Beifügen einer Stellung oder eines Ranges, den der Aussteller nicht hat, dieser Zusatz aber für den Beweiswert der Urkunde wesentlich ist; e) unbefugte Benutzung eines Siegels oder Zeichens bei der Ausstellung einer Urkunde (Art. 307). 2. Erschleichung der Beurkundung einer unwahren Tatsache, die i m Rechtsverkehr als Beweis zu dienen hat, i n einer öffentlichen Urkunde durch Irreführung des zuständigen Organs; oder Verwenden einer solchen Urkunde (Art. 308).
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3. Ausstellen eines unwahren ärztlichen oder tierärztlichen Zeugnisses. a) Verwenden eines solchen (Art. 309). D. T r e n n u n g v o n K i r c h e u n d S t a a t . 1. Mißbrauch kirchlicher Verrichtungen oder Zeremonien zu verfassungswidrigen Zwecken (Art. 311). 2. Verrichtung der Trauung nach kirchlichen Vorschriften, bevor die Ehe vor dem zuständigen Staatsorgan geschlossen ist (Art. 312). 3. Störung oder Verhinderung religiöser Zeremonien (Art. 313). S t r a f e n : Α. I. 1. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) Gefängnis bis zu drei Jahren; b) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten oder Absehen von Bestrafung. — 2. Gefängnis bis zu einem Jahr; a) Gefängnis bis zu drei Jahren. — 3. Gefängnis; a) strenges Gefängnis von zwei bis zu fünf Jahren. — II. 1. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu drei Monaten. — 2. Wie sub. 1. — 3. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. — 4. Gefängnis bis zu drei Jahren. — I I I . 1. a) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren; b) Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 2. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. — B. I. 1. Gefängnis bis zu einem Jahr. — 2. a) Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; b) Gefängnis bis zu einem Jahr. — 3. a) Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; b) Gefängnis bis zu zwei Jahren. — II. 1. Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 2. Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 3. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 4. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. — 5. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr und Geldstrafe; a) strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren und Geldstrafe. — 6. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. — C. 1. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 2. Wie sub 1. a). — 3. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. — D. 1. Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 2. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. — 3. Wie sub 2. X V . Amtspflicht (XXIV. Hauptstück) Der Gesellschaftsapparat i n der F V R J umfaßt auch erhebliche Teile der Volkswirtschaft; daher ist der strafrechtliche Schutz seines ordnungsmäßigen Funktionierens umfangreicher und nachdrücklicher. Der Begriff der „Amtsperson" ist erweitert (legale Definition A r t . 99, Abs. 1). Einige strafbare Handlungen gegen die Amtspflicht sind i n das Hauptstück „Freiheit" und „Volkswirtschaft" eingereiht, i n letzteres, wenn der Täter an der Volkswirtschaft unmittelbar beteiligt ist. Die aktive
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Bestechung ist nur aus Gründen inneren Zusammenhanges und systematischer Übersichtlichkeit hier eingereiht, sonst erscheint i n allen Fällen als Täter eine Amtsperson. I. F ä l l e d e s M i ß b r a u c h e s
der
Amtsgewalt.
1. Amtsmißbrauch, Überschreiten der Grenzen der Amtsgewalt oder Nichterfüllung der Amtspflicht, um sich oder einem anderen einen Vorteil zu verschaffen oder einem anderen einen Nachteil zuzufügen, a) Schwerer Fall: erheblicher Schaden; b) besonders schwere Fälle (Art. 314). 2. Rechtsbeugung oder Erlassen einer gesetzwidrigen Entscheidung durch einen Richter, u m jemandem einen Vorteil zu verschaffen oder einen Nachteil zuzufügen, a) Besonders schwere Fälle (Art. 315). 3. Gesetzwidrige Befreiung von Gefangenen, Hilfeleistung zur Flucht oder Ermöglichen einer unerlaubten Verbindimg oder eines Schriftwechsels zur Vorbereitung der Entweichung (Art. 316). 4. Offenbar nachlässige Erfüllung der Amtspflicht oder bewußte Nichtbeobachtung des Gesetzes bzw. dienstlicher Vorschriften trotz Wissens, daß daraus ein Schaden entstehen könnte, a) Schwerer Fall: erheblicher Schaden (Art. 317). 5. Gesetzwidriges Erheben nicht geschuldeter Beträge, Überforderung von Beträgen oder Abkargen von Auszahlungen bzw. Ausfolgungen von Gegenständen (Art. 318). 6. Eintragen unwahrer Tatsachen i n eine Amtsurkunde, Nichteintragen wichtiger Tatsachen; Beglaubigung, Ermöglichen der Anfertigung einer Urkunde unwahren Inhaltes, amtliche Verwendung einer solchen Urkunde; Vernichten, Unterdrücken, Beschädigen oder Unbrauchbarmachen einer derartigen Urkunde (Art. 319). II. V e r l e t z u n g e i n e s
Amtsgeheimnisses.
Übergeben bzw. Mitteilen vertraulicher Dokumente bzw. Daten an einen Unberufenen. Wegen vorsätzlicher Geheimnisverletzung ist der Täter auch nach Beendigung des Amtsverhältnisses strafrechtlich verantwortlich. a) Schwerer Fall: besonders gewahrte Dokumente; b) besonders schwerer Fall; c) fahrlässige Begehung (Art. 320). Besondere Fälle: A r t . 105, 218, 348. III. G e w i n n s ü c h t i g e
Handlungen.
1. Aneignung beweglicher Sachen bei einer Hausdurchsuchung, Personendurchsuchung oder i m Konfiskations-, Sequestrations- oder Zwangsvollstreckungsverfahren, u m sich oder einem anderen einen unrechtmäßigen Vermögens vorteil zu verschaffen (Art. 321) (Qualifizierter Diebstahl).
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2. Amtsveruntreuung, (Art. 322).
a)
Schwerer
Fall:
erheblicher
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Schaden
3. Unbefugter Gebrauch beweglicher, i m Dienste anvertrauter Sachen oder Übergabe derartiger Sachen an andere zum Gebrauch. a) Schwerer Fall: Spekulationsabsicht (Art. 323). 4. Gesetzwidrige Vermittlung (Art. 324). Dieses Delikt begeht eine Amtsperson, die außerhalb ihrer Dienstbefugnis unter Ausnutzung ihrer dienstlichen Stellung gegen Entgelt oder gegen einen anderen Vorteil vermittelt, daß eine pflichtmäßige Amtshandlung vorgenommen oder eine pflichtwidrige unterlassen werde; a) vermittelt, daß eine pflichtwidrige Amtshandlung vorgenommen oder eine pflichtmäßige nicht vorgenommen werde; b) schwerer Fall: Empfangen eines Entgeltes oder Vorteils. 5. Passive Bestechung (Art. 325): Fordern, Annehmen oder Sichverspredienlassen eines Geschenkes oder Vorteils, damit eine pflichtwidrige Amtshandlung vorgenommen bzw. eine pflichtmäßige unterlassen werde; a) damit eine pflichtmäßige Amtshandlung vorgenommen bzw. eine pflichtwidrige unterlassen werde; b) dieselbe Tat nach vorgenommener Amtshandlung. 6. A k t i v e Bestechung (Art. 326): Geben oder Versprechen eines Geschenkes bzw. Vorteils i n der Absicht sub 5 und 5 a). Fakultatives Absehen von Bestrafung, fakultative Zurückgabe des Geschenkes oder Vermögensvorteils, wenn der Geschenkgeber Anzeige erstattet. S t r a f e n : I. 1. Gefängnis bis zu drei Jahren; a) Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; b) strenges Gefängnis bis zu acht Jahren. — 2. Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 3. Wie sub 2. — 4. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten; a) Gefängnis bis zu vier Jahren. — 5. Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 6. Wie sub 2. — II. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; b) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren, c) Gefängnis bis zu zwei Jahren. — I I I . 1. Strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 2. Wie sub I. 2.; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 3. Gefängnis von drei Monaten bis zu drei Jahren a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 4. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) Gefängnis nicht unter drei Monaten; b) strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 5. Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu acht Jahren; a) Gefängnis bis zu drei Jahren; b) Gefängnis bis zu einem Jahr. Obligatorische Einziehung. — 6. Gefängnis nicht unter zwei Monaten; a) Gefängnis bis zu zwei Jahren.
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X V I . Bewaffnete Macht (XXV. Hauptstück) Die Bestimmungen dieses Hauptstückes bilden einen Ersatz für ein besonderes Mil.StGB. Siehe die Einleitung zum besonderen Teil. Schutzobjekt ist die innere Organisation des Militärdienstes. Für alle übrigen strafbaren Handlungen gelten auch für Militärpersonen (Legaldef. A r t . 99. Abs. 2) die Bestimmungen des allgemeinen und besonderen Teiles des StGB. Gemäß Art. 362 unterliegt keiner Bestrafung ein militärisch Untergebener, der auf Grund eines Dienstbefehles eine strafbare Handlung begeht, es sei denn, daß dieser Befehl auf Begehung eines Kriegsverbrechens oder einer schweren strafbaren Handlung gerichtet ist, oder daß der Untergebene gewußt hat, er begehe mit Befolgung dieses Befehles eine strafbare Handlung. Die Bestimmungen dieses Hauptstückes finden ihre Ergänzung i m Gesetze von den Militärdisziplinargerichten von 4. Mai 1948, B A B 38/1948. Das StPGB gilt auch für das Verfahren vor den Militärgerichten. Als solche fungieren das Oberste Militärgericht und die Militärgerichte I. Instanz. Die Militärgerichte urteilen i n Senaten, bestehend aus Beruf srichtern und Geschworenen. A l l e Senatsmitglieder sind M i l i t ä r personen. Einzelne Prozeßvorschriften sind i m Militärgerichtsgesetze enthalten. A. E i g e n t l i c h e M i l i t ä r v e r b r e c h e n . Täter eine Militärperson. I. Verletzung der militärischen Unterordnung bzw. Überordnung: 1. a) Nichtbefolgung oder b) Weigerung der Befolgung eines Dienstbefehles eines Vorgesetzten; c) schwere Folgen; d) Gewaltanwendung; e) besonders schwere Fälle; f) Verleitung hierzu (Art. 327). 2. Vereinte Widersetzung mehrerer gegen den Befehl eines Vorgesetzten oder vereinte Weigerung der Pflichterfüllung; b) Vorbereitungshandlung; c) Bestrafung des Vorgesetzten wegen Teilnahme; d) wenn er die Ordnung nicht herstellt (Art. 328). 3. Widersetzimg gegenüber einem Wachtposten, einer Wache, Patrouille, einem Taghabenden oder einer anderen Militärperson i n ähnlichem Dienste oder Nichtbefolgung ihrer Weisung oder ihres Befehles (Art. 329). 4. Mißhandlung oder menschenunwürdige Behandlung eines Untergebenen oder Niederen durch einen Vorgesetzten (Art. 333). I I . Pflichtverletzung: 1. i m Wach-, Patrouillen-, Eskorte- oder ähnlichem Dienste; a) bei wichtigen Objekten; b) schwere Folgen (Art. 334). 2. I m Grenzdienste; a) schwere Folgen (Art. 335). I I I . Falsche Rapporte oder Meldungen; a) schwere Folgen (Art. 336).
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IV. Verletzung der Dienstpflicht bezüglich der Verpflegung, Erhaltung von Objekten, Herstellung, Übernahme und Verwahrung von Waffen: 1. Unterlassen von Vorkehrungen zur Erhaltung des Lebens und der Gesundheit von Menschen und Tieren, zur Sicherung und Erhaltung von Objekten, zur ordnungsmäßigen Verpflegung, Ausrüstung, Ausführung von Sicherungsarbeiten, a) Schwere Folgen; b) fahrlässige Begehung (Art. 337). 2. Unterlassen von Sicherheitsmaßnahmen bei Übungen oder Versuchen. Strafbarkeit beim E i n t r i t t schädlicher Folgen, a) Schwerere Folgen: schwere Körperverletzung, Tod oder Vermögensschaden i n großem Umfange (Art. 338). 3. a) Nichtrechtzeitiges Herstellen von Waffen, Munition, Explosivstoffen oder anderem Kriegsgerät; Herstellen desselben i n nicht entsprechender Qualität; b) Übernahme bzw. Übergabe von nicht entsprechenden Verpflegungs-, Ausstattungs- oder Ausrüstungsgegenständen; c) schwere Folgen; d) Begehung aus Fahrlässigkeit (Art. 345). 4. Vorschriftswidriges bzw. unvorsichtiges Verwahren oder Gebaren mit Waffen, Munition oder Explosivstoffen, wodurch dieselben in größerem Ausmaße beschädigt oder vernichtet werden, a) Bestrafung des Magazinverwalters; b) Begehen aus Fahrlässigkeit; c) Vermögensschaden größeren Umfanges (Art. 346). 5. Aneignen, Veräußern, Verpfänden, Übergeben zum Gebrauch, Beschädigen oder Vernichten anvertrauter Waffen, Munition oder anderer Ausrüstungsgegenstände (Art. 347). V. a) Eigenmächtige Entfernung; b) Fahnenflucht; c) Verleitung hierzu; d) schwere Fälle. Fakultative mildere Bestrafung bei freiwilliger Stellung (Art. 342). VI. Militärverbrechen i n Kriegszeiten oder während eines Gefechtes: 1. Überlaufen zum Feinde; sich dem Feinde ergeben (Art. 350). 2. Verweigerung der Entgegennahme bzw. Verwendung von Waffen gegen den Feind (Art. 351). 3. Nichterfüllen der Pflicht während eines Gefechtes oder unmittelbar vor dem Gefecht. Strafbarkeit bei Eintritt schädlicher Folgen, a) Schwere Folgen (Art. 352). 4. Eigenmächtiges Sichentziehen der Pflichterfüllung während eines Gefechtes oder unmittelbar vor dem Gefecht (Art. 353). 5. Vorzeitiges, befehlswidriges Verlassen einer Stellung m i t der anvertrauten Truppe (Art. 354). 6. Vorzeitiges Verlassen eines beschädigten a) Schiffes oder b) L u f t fahrzeuges (Art. 355). 29 Ausländisches S t r a f r e c h t I .
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7. Überlassen unbeschädigter Militärobjekte, militärischer Geräte oder Vorrichtungen dem Feinde; a) Begehung aus Fahrlässigkeit (Art. 356). 8. Schwächung der Gefechtsmoral oder Schädigung der Gefechtssituation durch Flucht, Abwerfen von Waffen bzw. Munition, Verbreiten von Furcht u. dgl.; a) Bestrafung des Vorgesetzten, der dagegen keine erforderlichen Maßnahmen trifft, b) Schwere Folgen (Art. 357). 9. Unterlassen der Sicherung einer Truppe aus Fahrlässigkeit. Strafbarkeit bei E i n t r i t t schädlicher Folgen, a) Grobe Fahrlässigkeit und besonders schwere Folgen (Art. 358). 10. Unterlassen der Pflichterfüllung bei der Durchführung einer Mobilisierung hinsichtlich der Übernahme, Zuteilung, Unterkunft, Verpflegung mobilisierter Menschen und Tiere, hinsichtlich der Übernahme von Transportmitteln. Strafbarkeit bei Eintritt schädlicher Folgen, a) Schwere Folgen (Art. 360). B. S t r a f b a r e H a n d l u n g e n , d i e a u c h v o n Z i v i l p e r s o nen oder nur von Z i v i l p e r s o n e n begangen werden können. I. Strafbare Handlungen gegen Militärpersonen: 1. Nötigung einer Militärperson (Art. 330). Ein besonderer Fall der strafbaren Handlung nach A r t . 289. a) Schwerer Fall. 2. Sichvergreifen an einer diensttuenden Militärperson, a) Leichte Körperverletzung; b) schwere Körperverletzung oder Tod (Art. 331). 11. Handlungen, um sich der Militärdienstpflicht zu entziehen: 1. a) Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehles; b) Flucht ins Ausland oder Sichverbergen; c) Verleitung hierzu; d) schwerere Fälle. Mildere Bestrafung bei freiwilliger Stellung (Art. 339). 2. a) Selbstbeschädigung, b) Verwendung einer falschen Urkunde, Vorschützen von Krankheit oder dgl.; c) schwere Fälle (Art. 340). 3. Gesetzwidrige Befreiung vom Militärdienste oder Zuteilung zu einem leichteren Dienste durch Mißbrauch der Stellung oder Befugnis, a) Schwerere Fälle (Art. 341). 4. Sichentziehen der Beschreibung oder Musterung der Bevölkerung, der Beschreibung oder Beschau von Vieh, Beförderungsmitteln, Traggeräten, Bauten oder anderen Objekten; ungenaue Angaben oder Erklärungen bei der Beschreibung oder Musterung, a) Schwerere Fälle (Art. 343). 5. Gesetzwidrige Nichtbeistellung von Vieh, Fuhrwerken oder anderen Beförderungsmitteln oder Traggeräten für Übungen, Manöver oder andere militärische Dienste, a) Schwerere Fälle (Art. 344). Das Gesetz von der Ergänzung der bewaffneten Macht m i t Reit-, Zugtieren und Traggeräten B A B 45/1946.
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6. Verrat eines Militärgeheimnisses, a) Schwerer Fall: besonders gewahrte Dokumente, b) Besonders schwere Fälle, c) Begehung aus Fahrlässigkeit (Art. 348). 7. a) Unbefugtes Betreten militärischer Objekte; b) unbefugtes Anfertigen von Skizzen, Zeichnungen bzw. Photographien derselben (Art. 349). 8. Unterlassen der Benachrichtigung militärischer Organe von einem Ereignis, das unaufschiebbare militärische Maßnahmen erfordert, a) Schwere Folgen (Art. 359). 9. Gesetzwidrige Wegnahme von Sachen Gefallener oder Verwundeter am Kampfplatze, a) Grausame Begehungsart (Art. 361). S t r a f e n : Α. I. 1. a) Gefängnis bis zu zwei Jahren; b) Gefängnis; c) strenges Gefängnis bis zu acht Jahren; d) strenges Gefängnis; e) strenges Gefängnis oder Todesstrafe; f) Gefängnis bis zu zwei Jahren. — 2. Strenges Gefängnis; a) strenges Gefängnis nicht unter fünf Jahren; Organisatoren strenges Gefängnis nicht unter acht Jahren oder Todesstrafe; b) Organisatoren strenges Gefängnis nicht unter fünf Jahren, Teilnehmer strenges Gefängnis von drei bis zehn Jahren; c) strenges Gefängnis nicht unter zehn Jahren oder Todesstrafe; d) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 3. Gefängnis bis zu einem Jahr. — 4. Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis z u fünf Jahren. — II. 1. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) Gefängnis nicht unter drei Monaten; b) strenges Gefängnis nicht unter zwei Jahren. — 2. Strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; a) strenges Gefängnis. — I I I . Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — IV. 1. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; b) Gefängnis bis zu sechs Monaten, ad a) Gefängnis nicht, unter sechs Monaten. — 2. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 3. a) b) Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; c) strenges Gefängnis; d) Gefängnis bis zu drei Jahren ad a) und b); Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren ad c). — 4. Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; b) Gefängnis bis zu zwei Jahren; c) strenges Gefängnis ad a), Gefängnis nicht unter drei Monaten oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren ad b). 5. Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — V. a) Gefängnis bis zu einem Jahr; b) str. Gefängnis bis zu zwölf Jahren; c) strenges Gefängnis; d) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren ad a), strenges Gefängnis nicht unter drei Jahren oder Todesstrafe ad b) und c). — VI. 1. Strenges Gefängnis nicht unter fünf Jahren oder Todesstrafe. — 2. Strenges Gefängnis nicht unter drei Jahren oder Todesstrafe. — 3. Strenges Gefängnis; a) strenges Gefäng-
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nis nicht unter zwei Jahren oder Todesstrafe. — 4. Wie sub 2. — 5. Strenges Gefängnis. — 6. a) Wie sub 2.; b) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 7. Strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; a) Gefängnis nicht unter einem Monat oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 8. Wie sub 2.; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; b) wie sub 2. — 9. Strenges Gefängnis bis zu zwölf Jahren; a) wie sub 2. — 10. Strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; a) strenges Gefängnis nicht unter einem Jahr oder Todesstrafe. — B. I. 1. Gefängnis bis zu drei Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 2. Gefängnis bis zu einem Jahr; a) Gefängnis; b) strenges Gefängnis nicht unter einem Jahr oder Todesstrafe. — II. 1. a) Gefängnis bis zu einem Jahr; b) strenges Gefängnis bis zu acht Jahren; c) strenges Gefängnis von drei bis zehn Jahren; d) strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren, ad a); strenges Gefängnis nicht unter drei Jahren oder Todesstrafe, ad b) und c). — 2. a) Strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; b) Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren; c) strenges Gefängnis nicht unter zwei Jahren oder Todesstrafe. — 3. Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; a) strenges Gefängnis. — 4. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren; a) strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. — 5. Wie sub 4. — 6. a) Gefängnis nicht unter sechs Monaten; b) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren; c) strenges Gefängnis nicht unter drei Jahren oder Todesstrafe; d) Gefängnis bis zu einem Jahr ad a), Gefängnis ad b), strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren ad c). — 7. a) Gefängnis bis zu sechs Monaten; b) Gefängnis bis zu drei Jahren. — 8. Gefängnis nicht unter sechs Monaten; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. — 9. Gefängnis; a) strenges Gefängnis bis zu zehn Jahren. Mildere Bestrafung oder Absehen von Strafe ad Α. I. a) bis f), 2., 3., B. 1. und 2., wenn der Täter zur Tat durch gesetzwidriges oder rohes Verhalten der Militärperson veranlaßt worden ist (Art. 332).
Vierter
Abschnitt
Wichtigere strafrechtliche Nebengesetze 1. Das M i l i t ä r s t r a f r e c h t ist i m 3. Abschnitt unter X V I . (Bewaffnete Macht) behandelt. Das Verhältnis zwischen Bundesstrafrecht und dem Strafrecht der Volksrepubliken wurde i m 2. Abschnitt unter X I I . 4. (Geltung des Strafgesetzes) besprochen. Die nachstehenden Gesetze von 2. bis 4. und 7. sind abgeändert durch das Einführungsgesetz (Art. 22).
Wichtigere strafrechtliche Nebengesetze
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Das Einführungsgesetz 1 zum StGB vom 28. Februar 1951, B A B vom 1. März 1951, Ζ 11, enthält Bestimmungen über den Beginn der Geltung des StGB, Übergangsbestimmungen, Bestimmungen über die Außerkraftsetzung und Änderung strafrechtlicher Nebengesetze, des Strafprozeßgesetzes und anderer Gesetze. Das Einführungsgesetz zum StGB wurde als besonderes Gesetz erlassen, doch bildet es mit dem StGB eine Einheit. Das StGB ist am 1. J u l i 1951 i n K r a f t getreten. Zum Einf.G. ist eine Vollzugsverordnung des Justizministers der FVRJ erschienen (BAB 15/1951). Einzelne Bestimmungen des StGB sind schon mit dem Einf.G. i n K r a f t getreten (am 9. März 1951), so die Vorschriften über die Anwendung von Strafen, Erziehungs-Besserungsmaßnahmen und sichernden Maßnahmen gegen Minderjährige (Art. 64—79). Strafen, die das StGB nicht mehr vorsieht, durften schon vom obigen Zeitpunkte an nicht mehr verhängt werden (Art. 5. Einf.G.). M i t dem Zeitpunkte des Inkrafttretens des StGB wurden alle Gesetze strafrechtlichen Inhaltes aufgehoben, die i n das Strafgesetzbuch eingereiht worden sind oder die mit demselben i m Widerspruch stehen. Dies gilt von allen früher erwähnten Gesetzen temporären Charakters, deren Geltungsdauer bis zum Inkrafttreten eines allgemeinen StGB eingeschränkt war. I n den wenigen strafrechtlichen Bestimmungen, die i n das StGB nicht übernommen wurden, mußten Abänderungen vorgenommen werden. Diese Abänderungen betreffen das Strafensystem und andere Bestimmungen, die mit den Grundsätzen des StGB nicht mehr i m Einklänge stehen. Alle Bundesgesetze, die aufgehoben worden sind, sind i m Einf.G. namentlich angeführt (Art. 18 und 19). Auch alle anderen strafrechtlichen Bestimmungen aus Nebengesetzen des Bundes sind in das Einf.G. aufgenommen. M i t dem Inkrafttreten des StGB waren demnach alle Bundesstrafgesetze entweder i m StGB oder i m Einf.G. kodifiziert. Den Volksrepubliken aber oblag die Aufgabe, die gesamte republikanische Strafgesetzgebung mit dem StGB und Einf.G. in Einklang zu bringen. Von den früher erwähnten temporären Gesetzen bleibt nur noch die Bestimmung des Art. 3 a) des Gesetzes über die strafbaren Handlungen gegen Volk und Staat in Geltung. Diese Bestimmung ist unten unter 3. angeführt. Sie wurde i n das StGB nicht aufgenommen, weil sie temporärer Natur ist. Weiter enthält das Einf.G. die Bestimmung, wonach alle Polizeiübertretungen, die ins StGB als strafbare (kriminelle) Handlungen aufgenommen wurden, aufhören zu bestehen (Art. 20). Desgleichen wurden alle republikanischen strafrechtlichen Bestimmungen aufgehoben, die mit den Vorschriften des StGB i m Widerspruche stehen. Die wenigen strafrecht1 Dr. Bozidar Kraus. Ο uvodnom zakonu za krivicni zakonik (Vom Einf.G. zum StGB), Nasa zakonitost, 1951, S. 33—52.
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liehen Bestimmungen i n Nebengesetzen, die durch das Einf.G. abgeändert wurden, sind unten unter 2. bis 4. und 6. angeführt, 2. Das P r e s s e g e s e t z vom 8. J u l i 1946, B A B vom 12. J u l i 1946, Z. 56, enthält Presseordnungsdelikte. Beleidigungen durch Druckschriften sind i m StGB pönalisiert (Art. 169—172). Der Beleidigte hat ein Recht auf materielle Entschädigung (Art. 22). Strafrechtliche Verantwortlichkeit par cascades (Art. 24). Sachliche Zuständigkeit des Kreisgerichtes (Art. 25). Zuständig für die vorläufige Beschlagnahme von Druckschriften ist der öffentliche Ankläger, die Endentscheidung obliegt dem Kreisgerichte (Art. 13). 3. Das Gesetz über die strafbaren Handlungen gegen Volk und Staat vom 16. J u l i 1946, ergänzt durch das Gesetz vom 4. Dezember 1947, B A B vom 13. Dezember 1947, Z. 106. I n Geltung ist nur noch A r t . 3 a). Als Täter nach dieser Bestimmung kommt i n Betracht, „wer bis zum Tage der Kapitulation der jugoslawischen Regierung i m Jahre 1941 durch Mißbrauch seiner früheren Stellung i m Staatsapparate oder i n seiner sonstigen einflußreichen Stellung behufs Aufrechterhaltung der volksfeindlichen und gegendemokratischen Ordnung oder behufs Verbreitung faschistischer Ideen eine Handlung begangen hat, die die Abwehrkraft des Staates geschwächt hat, weswegen die Unabhängigkeit und nationale Freiheit der Völker Jugoslawiens gefährdet war; sowie derjenige, der i n derselben Absicht i m Dienste des Staatsapparates als Staatsbediensteter oder i n einer anderen Eigenschaft Tötungen, Peinigungen, Mißhandlungen oder andere Gewalttätigkeiten und Verfolgungen von Bürgern angeordnet, durchgeführt oder selbst vorgenommen hat" (Art. 22, Z. 5 des Einf.G.). S t r a f e : Strenges Gefängnis nicht unter drei Jahren oder Todesstrafe. 4. Das P a t e n t g e s e t z vom 1. Dezember 1948, B A B vom 15. Dezember 1948, Z. 108. a) Bestrafung des Erfinders, Novators oder Rationalisators wegen Geheimnisverletzung der Erfindung oder technischen Vervollkommung, wenn diese als vertraulich erklärt worden sind, b) Bestrafung des Bürgers, der i m Auslande eine Erfindung ohne inländische Bewilligung patentiert oder anwendet (Art. 36). Strafe ad a) Gefängnis bis zu drei Monaten, ad b) Gefängnis nicht unter sechs Monaten. 5. W a h l r e c h t . D a s G e s e t z ü b e r d i e R e c h t e und Pflichten, Wahlen und Abberufung von Bundesabgeordneten vom 9. S e p t e m b e r 1953, B A B vom 10. S e p t e m b e r 1953 Z. 35/1953. a) Beeinflussung eines Wählers durch Bestechung, daß er bei den Wahlen oder bei der Abberufung von Bundesabgeordneten für einen
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bestimmten Kandidaten oder gegen ihn bzw. für die Abberufung oder gegen die Abberufung eines Volksabgeordneten stimme oder daß er sich der Abstimmung enthalte oder einen Kandidierungsantrag oder Abberufungsantrag unterschreibe oder die Unterschrift auf einen solchen Antrag verweigere; b) mehrfache Stimmenabgabe oder Versuch einer solchen bei den Wahlen für dieselbe Kammer der Bundesvolksversammlung oder bei den Abberufungsabstimmungen; c) Stimmenabgabe oder Versuch einer solchen bei den Wahlen oder bei der Abberufungsabstimmung an Stelle eines anderen Wählers unter dessen Namen; d) Erscheinen am Wahlorte unter Waffen oder mit einem gefährlichen Werkzeug; ohne Genehmigung des Vorsitzenden des Wahlausschusses erlassene Aufforderung an die bewaffnete Macht, daß sie am Wahlorte erscheine; Beistellen derselben ohne Auftrag des Vorsitzenden; e) Vernichten, Vorenthalten, Beschädigen oder Wegnahme einer Wahlurkunde oder einer Urkunde über die Abberufungsabstimmung bzw. eines den Wahlen oder der Abberufungsabstimmung dienenden Gegenstandes. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr (Art. 217). f) Unanständiges Benehmen bei der Abstimmung; Sichnichtentfernen aus dem Wahllokal nach erfolgter Abstimmung; Behinderung der Wahlkommission; Verletzung des Wahlgeheimnisses. Geldstrafe bis zu 20 000 Dinar oder Gefängnis bis zu zwei Monaten (Art. 218). 6. M a t r i k e l f ü h r u n g , Staatsarchiv, Kulturdenkmäler, a) Das Gesetz über die Staatsmatrikeln vom 1. A p r i l 1946, B A B vom 9. A p r i l 1946, Z. 29 (Art. 50): Ordnungswidrige Verwahrung der Matrikeln; Abschriftenverweigerung; nicht zur Verfügungstellen derselben dem Staatsmatrikelführer. S t r a f e : Geldstrafe bis zu 10 000 Dinar oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. b) Das Gesetz über die Staatsarchive vom 23. Januar 1950, B A B vom 18. Februar 1946, Z. 12 (Art. 10): Vernichten, Verheimlichen, Unbrauchbarmachen, unbefugtes Abschaffen historischen Archiv materials ins Ausland. S t r a f e : Gefängnis oder strenges Gefängnis bis zu fünf Jahren. c) Das allgemeine Gesetz über den Schutz von K u l t u r - und Naturdenkmälern vom 4. Oktober 1946, B A B vom 8. Oktober 1946, Z. 81: Zuwiderhandeln gegen die Bestimmungen der A r t . 5—7, 12 und 14 dieses Gesetzes (Art. 18)2. 2
Art. 5: Verbot des Umgrabens, Überstellens, Umarbeitens, Restaurierens,
Umbauens
oder
Niederreißens
kulturgeschichtlicher,
ethnographischer
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S t r a f e : Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. 7. P r o z e s s u a l e B e s t i m m u n g e n d e s E i n f. G e s . z u m S t G B . Diese Bestimmungen sind durch das neue StPGB 1953 außer K r a f t gesetzt. Als K r i t e r i u m für die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit gilt die Schwere der Tat. Strafbare Handlungen, die m i t Geldstrafe oder m i t Gefängnis bis zu zwei Jahren bedroht sind, sind den Bezirksgerichten, strafbare Handlungen, die m i t strengen Strafen bedroht sind, den Kreisgerichten zur Aburteilung zugewiesen. Den Bezirksgerichten sind auch einige strafbare Handlungen zur Aburteilung zugewiesen, die m i t Strafen bis zu fünf Jahren Gefängnis bzw. strengem Gefängnis bedroht sind, ζ. B. einfacher Diebstahl und andere Vermögensdelikte. 8. D a s Ü b e r t r e t u n g s g e s e t z v o m 8. O k t o b e r 1951, B A B v o m 17. O k t o b e r 1951, Z. 46. Das Übertretungsgesetz besteht aus drei Teilen (164 Artikeln), 1. aus materiell-rechtlichen Bestimmungen, 2. aus Verfahrensvorschriften und 3. aus Vorschriften über den Vollzug von Strafen und Sicherungsmaßnahmen. Ein besonderer Teil fehlt. A d 1. Übertretungen sind den Verwaltungsorganen zur Aburteilung zugewiesen. Trotzdem wäre das Übertretungsgesetz hier zu erwähnen, weil es eine Abgrenzung gegenüber dem kriminellen Unrecht gibt. Nach A r t . 1, Abs. 1, sind Übertretungen solche Verletzungen von Rechtsvorschriften, für die durch das Gesetz oder durch andere Vorschriften administrative Strafen und Sicherungsmaßnahmen vorgesehen sind. Der Begriff der Übertretung ist nur auf die Verletzung von Rechtsvorschriften geringerer Bedeutung eingeengt, d. h. hauptsächlich auf Verletzung von Regeln gesellschaftlicher Disziplin von Seiten der Bürger (Mot. zum ÜG, S. 44). Schwerere Verletzungen der Rechtsordnung, die früher Übertretungen waren, wurden in das StGB als „strafbare Handlungen" eingereiht. Diesem Charakter der Übertretungen gemäß wurde auch das Strafensystem für Übertretungen neu geregelt. Das Gesetz sieht nur zwei Strafarten vor: Gefängnis (6 Stunden bis zu 30 Tagen) und Geldstrafe (von 20 bis 10 000 Dinar). Kunstdenkmäler; das Verbot des Ausgrabens, Beschädigens oder Vernichtens zoologischer, botanischer, grographischer, paläontologischer, mineralogischer oder geologischer Naturdenkmäler. Art. 6: Verbot der Änderung des geschützten Terrains durch Bauten oder auf andere Art. Art. 7: Verbot der Veräußerung, Verpfändung oder Überstellung beweglicher Kultur- oder Naturdenkmäler auf einen anderen Ort. Art. 12: Verpflichtung des Verkäufers, bewegliche oder unbewegliche Kultur- oder Naturdenkmäler vor dem Verkaufe der zuständigen Anstalt zum Verkaufe anzubieten. Art. 14: Verbot des Photographierens, Filmens oder Zeichnens beweglicher oder unbeweglicher Kunst- oder Naturdenkmäler ohne vorhergegangene Bewilligung.
Wichtigere strafrechtliche Nebengesetze
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Gefängnisstrafen dürfen nur durch Gesetz oder Gesetzesverordnung vorgeschrieben werden. Höhere Geldstrafen (über 10 000 Dinar) dürfen nur für Devisen-, Zoll-, Steuer- und ähnliche Übertretungen bzw. für Übertretungen, die von juristischen Personen begangen werden, vorgesehen werden (Art. 7). Als Strafe kommt auch der Verweis i n Betracht, jedoch nicht als ordentliche Strafe, sondern als Ausnahmestrafe (bei mildernden Umständen an Stelle von Gefängnis oder Geldstrafe). Als Sicherungsmaßnahme sieht das Gesetz nur die Einziehung von Gegenständen vor (Art. 11). Andere Sicherungsmaßnahmen können durch Gesetz oder Gesetzesverordnung bestimmt werden, weil die A r t der Sicherungsmaßnahme vom Charakter der Übertretung abhängt, ζ. B. Entziehung der Jagdbewilligung, Einziehung von Gerätschaften bei unberechtigter Ausübung eines Gewerbes, Ausweisungen aus einem bestimmten Orte bei Grenzüberschreitung. Die allgemeinen Bestimmungen des StGB haben mit einigen Ausnahmen auch für Übertretungen Geltung: Trunkenheit schließt die Verantwortlichkeit nicht aus. Minderjährige dürfen mit Gefängnis nur ausnahmsweise bestraft werden, ihre Bestrafung kann erforderlichenfalls durch Ermahnung ersetzt werden (Art. 18). Als Schuldform genügt Fahrlässigkeit, außer wenn ausdrücklich bestimmt ist, daß nur vorsätzliche Begehung bestraft wird. Bestrafung i m Strafgerichtsverfahren schließt eine Bestrafung i m Administrativstrafverfahren aus. A d 2. Die Verfahrensgrundsätze und übrigen Vorschriften des Strafgerichtsverfahrens finden auch im Übertretungsverfahren sinngemäße Anwendung. Besonderheiten: Die Haft darf 24 Stunden nicht überschreiten und nur gegen Personen verhängt werden, deren Identität nicht festgestellt werden kann oder die keinen ständigen Aufenthalt haben und überdies fluchtverdächtig sind (Art. 96), eine Haus- bzw. Personendurchsuchung ist nur bei schweren Übertretungen zulässig (Art. 111), über Entschädigungsansprüche w i r d i m Adhäsionsverfahren entschieden (Art. 132). Die Aburteilung von Übertretungen ist in I. Instanz besonderen Ubertretungsrichtern (diplomierte Juristen) zugewiesen (Art. 51). Über die Beschwerde gegen die Entscheidung des Ubertretungsrichters entscheidet der Übertretungssenat beim Staatssekretariat für innere A n gelegenheiten der VR. Durch besondere Gesetze kann vorgeschrieben werden, daß in I. Instanz ein Übertretungssenat beim Staatssekretariat für innere Angelegenheiten der VR entscheidet, i n zweiter I n stanz aber ein Senat (drei Richter) beim Staatssekretariat für innere Angelegenheiten der FVRJ. Bei Volksausschüssen, wo kein Übertretungsrichter besteht, obliegt die Aburteilung von Übertretungen, die von den Gemeindevolksausschüssen vorgesehen worden sind, einer
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Kommission, bestehend aus dem Sekretär des Volksausschusses und zwei Mitgliedern desselben. Über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Kommission entscheidet der Übertretungsrichter des Bezirksbzw. städtischen Volksausschusses. Der Übertretungsrichter w i r d vom Plenum des Volksausschusses gewählt bzw. enthoben. Die Wahl bedarf der Bestätigung durch den Staatssekretär für innere Angelegenheiten der VR (Art. 52). Die Enthebung ist nur i n Fällen gestattet, die i m Gesetz ausdrücklich bestimmt sind (Art. 54). Den Vorsitzenden und die beiden Richter des Übertretungssenats beim Staatssekretariat für innere Angelegenheiten ernennt und enthebt der Staatssekretär für innere Angelegenheiten der VR bzw. der FVRJ. A d 3. Die zu Gefängnis Verurteilten können zu Arbeiten (acht Stunden täglich) nur mit ihrer Zustimmung verwendet werden (Art. 146). 9. D a s G e s e t z ü b e r d e n l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n B o d e n f o n d des a l l g e m e i n e n V o l k s v e r m ö g e n s u n d ü b e r die Z u t e i l u n g von G r u n d u n d B o d e n an die l a n d w i r t s c h a f t l i c h e n O r g a n i s a t i o n e n v o m 27. M a i 1953, B A B v o m 2 7 . M a i 1953, Z. 22. Veräußerung oder Teilung von Grund und Boden; unwahre oder unvollkommene Angaben über das Ausmaß oder die K u l t u r des Bodens, über die Anzahl der Mitglieder der W i r t schaft oder ihren Beruf; Schein Verträge über die Veräußerung oder Teilung von Grund und Boden, — alles in der Absicht begangen, die Einreihung des Grund und Bodens i n den landwirtschaftlichen Fond zu vereiteln oder zu erschweren. — Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahr. Nichtigerklärung der Scheinverträge. 10. D a s G e s e t z ü b e r d i e r e c h t l i c h e S t e l l u n g d e r R e l i g i o n s g e m e i n s c h a f t e n v o m 27. M a i 1953, B A B v o m 27. M a i 1953, Z. 22. Wurde durch Mißbrauch des Religionsunterrichtes eine strafbare Handlung begangen, so kann das Gericht neben der Strafe auch auf Sperrung der konfessionellen Schule auf die Dauer von einem bis zu zehn Jahren erkennen (Art. 22). 11. D a s G e s e t z ü b e r d e n V e r k e h r m i t L i e g e n s c h a f t e n u n d G e b ä u d e n v o m 15. J u n i 1954, B A B v o m 23. J u n i 1954, Z. 26. 1. A r t . 57: Gewerbsmäßiger Handel m i t Liegenschaften und Gebäuden oder Vermittlung beim Verkehr dieser Liegenschaften. Täter: eine Amtsperson. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu zwei Jahren. 2. Art. 58: Nichtanzeige der Besitzerwerbung von landwirtschaftlichen Grundstücken, welche das gesetzlich bestimmte Maximum überschreiten. Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten und Geldstrafe.
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12. D a s G r u n d g e s e t z ü b e r d e n S c h u t z v o n V i e h v o r T i e r s e u c h e n v o m l 5 . J u n i 1954, B A B v o m 2 3 . J u n i 1954, Z. 26. A r t . 69. 1. In-Verkehr-Setzen von Vieh, von welcher der Täter wußte oder wissen konnte, daß es verseucht ist. 2. In-Verkehr-Setzen von Tierprodukten, Rohtierprodukten oder Tierabfällen, deren Verkehr nach diesem Gesetz verboten ist. Geldstrafe bis zu 200 000 D i n oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. 13. D a s G r u n d g e s e t z ü b e r d e n S c h u t z v o n G e w ä c h sen (Pflanzen) v o r K r a n k h e i t e n u n d S c h ä d l i n g e n v o m 15. J u n i 1954, B A B v o m 23. J u n i 1954, Z. 26. 1. In-Verkehr-Setzen von Pflanzen, die m i t einer gefährlichen Pflanzenkrankheit oder m i t Schädlingen verseucht sind. 2. Einfuhr verseuchter Pflanzen außerhalb der bestimmten Grenzstationen (Art. 57). Geldstrafe bis zu 200 000 D i n oder Gefängnis bis zu sechs Monaten. 14. D a s G e s e t z ü b e r d i e W i r t s c h a f t s g e r i c h t e vom 5. J u η i 1954, Β A B v o m 28. J u l i 1954, Z. 31. Zu seiner Kompetenz gehört auch die Aburteilung einiger W i r t schaftsübertretungen (Art. 9, Z. 3). Fünfter
Abschnitt
Grundlagen des Strafvollzuges Allgemeine Bestimmungen über den Strafvollzug und über den Vollzug anderer Sanktionen sind i m StGB (Art. 51—79) enthalten. Das Gesetz über den Vollzug von Strafen, Sicherungsmaßnahmen und Erziehungs-Besserungsmaßnahmen vom 8. Oktober 1951, B A B vom 24. Oktober 1951, Z. 47, enthält Detailvorschriften über den Vollzug aller Sanktionen. Besondere Vorschriften über den Vollzug von Freiheitsstrafen, Erziehungs-Besserungsmaßnahmen und Erziehungsmaßnahmen enthalten die Hausordnungen für Strafbesserungsheime und Gefängnisse, für Strafbesserungsheime für Minderjährige, für Erziehungsbesserungsheime für Minderjährige und für das Schutzheim für Wöchnerinnen vom 15. November 1952, B A B vom 26. November 1952, Z. 57. A n Stelle des früheren Ministeriums für innere Angelegenheiten fungiert nach dem V G (Art. 92, 110) das Bundes- bzw. Republiksstaatssekretariat für innere Angelegenheiten. Das Vollzugsgesetz enthält vier Abteilungen: 1. Allgemeine Bestimmungen (Art. 1—21), 2. Bestimmungen über den Strafvollzug (Art. 22—119), 3. Bestimmungen über den Vollzug von Sicherungsmaßnahmen (Art. 119—139) und 4. Bestimmungen über den Vollzug
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von Sanktionen gegen Minderjährige (Art. 140—145). Das Zentralproblem des Gesetzes bilden die Bestimmungen über den Vollzug von Freiheitsstrafen. I. Vollzugsorgane (Art. 3—6) Die Todesstrafe und Freiheitsstrafen (Gefängnis und strenges Gefängnis) werden von Organen für innere Angelegenheiten vollzogen. Freiheitsstrafen, die gegen Soldaten und Unteroffiziere, die den Präsenzdienst abdienen, oder gegen Militärzöglinge, Unteroffiziere, M i l i tärbedienstete und Offiziere, die aus dem Aktivdienste nicht entlassen sind, verhängt werden, können auch von Militärorganen i n besonderen Militärgefängnissen vollstreckt werden, wenn die Strafe ein Jahr nicht übersteigt. Die Schmälerung bürgerlicher Rechte und das Verbot der Ausübung eines bestimmten Berufes w i r d vom Bezirks- (Stadt-) ausschuß bzw. vom Gemeindevolksausschuß vollstreckt, die Vermögenskonfiskation und Geldstrafe vom Bezirksgerichte, Sicherungsmaßnahmen von Anstalten für Volksgesundheit (Abgabe i n eine Heilanstalt), Einziehung von Gerichten und Landesverweisung von Organen für innere Angelegenheiten, Erziehungs-Besserungsmaßnahmen aber von Anstalten für Sozialpolitik, Volksbildung und für innere A n gelegenheiten. S t r a f v o l l z u g s k o s t e n . Alle Strafen mit Ausnahme der Geldstrafe werden auf Staatskosten vollstreckt (Art. 7). V o l l s t r e c k u n g s f r i s t . A l l e Sanktionen müssen in drei Tagen nach Empfang der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung vollstreckt werden, wenn i m Gesetz oder in der Entscheidung nicht eine andere Frist bestimmt ist. S t r a f - B e s s e r u n g s a n s t a l t e n (Art. 8—11). Freiheitsstrafen (Gefängnis und strenges Gefängnis) werden in StrafBesserungsanstalten vollstreckt. Zu diesen gehören: Straf-Besserungsheime für Volljährige, Straf-Besserungsheime für Minderjährige, das Schutzheim für Wöchnerinnen und Gefängnisse. I n jedem Bezirk besteht ein Gefängnis. Freiheitsstrafen über sechs Monate werden in Straf-Besserungsheimen, Gefängnis unter sechs Monaten i n Gefängnissen abgebüßt. I n Gefängnissen w i r d auch die Strafe strengen Gefängnisses vollstreckt, wenn dieselbe nach Einrechnung der Untersuchungshaft oder Haft sechs Monate nicht übersteigt. Minderjährige verbüßen Freiheitsstrafen i m Straf-Besserungsheim für Minderjährige, Chronisch-Kranke die Strafe strengen Gefängnisses i m Sanitäts-Straf-Besserungsheim. Beratungsausschuß. Jedes Straf-Besserungsheim hat einen Beratungsausschuß, bestehend aus dem Verwalter, dem Erziehungsausschuß, dem Arzte und Aufseherkommandanten (Art. 16).
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Leitung und Aufsicht über die Straf-Besser u n g s a n s t a l t e n . Die Strafbesserungsanstalten sind i n der Regel Anstalten der VR, ausnahmsweise des Bundes. Die Straf-Besserungsheime stehen unter der Leitung eines Verwalters, der dem Staatssekretariat für innere Angelegenheiten der VR bzw. der FVRJ untergeordnet ist. Gefängnisse werden vom Abteilungschef des Bezirks- bzw. städtischen Volksausschusses geleitet, größere durch einen besonderen Verwalter. Die Oberaufsicht über alle Straf-Besserungsanstalten führt das Staatssekretariat für innere Angelegenheiten der VR bzw. der FVRJ. Die Inspektion der Straf-Besserungsanstalten obliegt den Inspektoren des Staatssekretariates für innere Angelegenheiten der VR bzw. der FVRJ. Eine allgemeine Inspektion findet jährlich mindestens dreimal statt. Auch der Bundesvollzugsrat bzw. Republiksvollzugsrat hat das Recht, Inspektionen vorzunehmen. II. Strafvollzug Die
Todesstrafe
Der Vollzug der Todesstrafe fällt i n den Wirkungskreis des Abteilungschefs für innere Angelegenkeiten des Bezirks- bzw. städtischen Volksausschusses. Sie w i r d i n Anwesenheit einer amtlichen Kommission i n der Regel unter Ausschluß der Öffentlichkeit vollzogen. Dem Verurteilten w i r d erst unmittelbar vor dem Vollzuge bekanntgegeben, daß die Todesstrafe weder durch Urteil noch i m Gnadenwege abgeändert worden ist (Art. 22—27). 2. F r e i h e i t s s t r a f e n a) S t r a f a u f s c h u b : Ein solcher kann höchstens für die Dauer von zwei Monaten bewilligt werden. Gründe: schwere Krankheit des Verurteilten 1 , Todesfall i n seiner Familie, unaufschiebbare landwirtschaftliche oder andere Arbeiten. Bei Schwangerschaft dauert der Strafaufschub drei Monate vor der Geburt und acht Monate nach der Geburt. Müttern m i t Kindern an der Brust kann der Strafantritt bis zur Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes aufgeschoben werden. Über den Strafaufschub entscheidet der Abteilungschef für innere Angelegenheiten. Die Beschwerde gegen seine Entscheidung (Frist acht Tage) hat aufschiebende Wirkung. Gefängnisstrafen bis zu sechs Monaten werden aufgeschoben, wenn der Verurteilte vor dem Strafantritte zu Militärdiensten einberufen wird. Der Aufschub dauert bis zur Beendigung des Militärdienstes. b) D i e A r t d e s S t r a f v o l l z u g e s . Der Zweck des Strafvollzuges ist identisch m i t dem Strafzweck. Männer und Frauen verbüßen die Strafe i n getrennten Anstalten. Untersuchungshäftlinge bzw. Häft1
Das Gesetz meidet den Ausdruck „Sträfling".
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linge sind getrennt von Verurteilten. Freiheitsstrafen werden grundsäzlich i n Gemeinschaftshaft i n voneinander getrennten Gruppen abgebüßt. Als K r i t e r i u m für die Gruppeneinteilung der Verurteilten kommen i n Betracht: ihre persönlichen Verhältnisse, ihre Lebensführung, das Verhalten vor der Verurteilung, das Verhalten während der Strafabbüßung und schließlich Maßnahmen der Erziehung, die für die ganze Gruppe gemeinsam in Anwendung gebracht werden können. Alkoholiker werden i n besondere Abteilungen zwecks Heilung eingereiht. Die Erfahrung mit der Einzelhaft zeitigte negative Resultate: seelische Störungen, Verursachung von Willensschwäche, Erschwerung der Reklassation. Daher w i r d die Einzelhaft nur ausnahmsweise in Anwendung gebracht, wenn das Benehmen des Verurteilten oder seine persönlichen Eigenschaften darauf hinweisen, daß seine Mitgefangenen und ihre Erziehung („Umschulung") 2 für die übrigen Verurteilten oder ihre Erziehung mit Gefahr verbunden wäre. I n Einzelhaft darf der Verurteilte ein Viertel der Strafe, jedoch höchstens drei Jahre verbüßen. Von Einzelhaft muß abgesehen werden, wenn der körperliche oder seelische Zustand des Verurteilten eine Trennung von anderen Verurteilten nach ärztlichem Gutachten nicht zuläßt. Über die Abgabe i n Einzelhaft entscheidet der zuständige Staatssekretär für innere Angelegenheiten (Art. 35). c) R e c h t e d e r V e r u r t e i l t e n . A r b e i t s l o h n . Ein Arbeitslohn gebührt bei erreichter Arbeitsnorm. Ein Drittel davon steht dem Verurteilten zur freien Verfügung, ein Drittel w i r d ihm bei seiner Entlassung ausgefolgt 3 , den Rest und alles, was er nicht für sich verwendet, darf er seiner Familie oder seinem Unterhaltsberechtigten übermitteln. Vom Arbeitslohn w i r d ein Teil (höchstens 10 °/o) i n den Fonds für kulturelle Ausbildung i n der Anstalt und zur Unterstützung entlassener Verurteilter abgeführt. Für überstündliche Arbeit und höhere Arbeitsleistung (Normüberschreitung) gebührt der Arbeitslohn nach allgemeinen Vorschriften. Besondere Remunerationen werden denjenigen gegeben, die sich als Rationalisatoren, Novatoren oder Erfinder hervortun. Allen diesen werden i n den Hausordnungen besondere Vergünstigungen zugebilligt. S o z i a l v e r s i c h e r u n g für den Fall eines Unfalles bei der Beschäftigung. B r i e f v e r k e h r , Empfang von Paketen und Besuchen monatlich einmal (strenges Gefängnis) bzw. zweimal (Gefängnis). Unbeschränkter 2
„prevaspitanje". Es ist vorgekommen, daß sich Verurteilte bei der Entlassung bis zu 100 000 Dinar erspart haben. 3
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Schriftverkehr mit Staatsorganen behufs Wahrung ihrer Rechte und Interessen. d) A r b e i t s p f l i c h t (Art. 46—49). Für alle Verurteilten besteht Arbeitspflicht. Arbeitszeit acht Stunden täglich. Ein Tag i n der Woche ist arbeitsfrei. Die zu strengem Gefängnis Verurteilten verrichten grundsätzlich physische Arbeiten, den zu Gefängnis Verurteilten werden Arbeiten zugewiesen, die ihrer Fachausbildung und ihren Fähigkeiten entsprechen. Werden ihnen physische Arbeiten zugeteilt, die ihrem früheren Berufe nicht entsprechen, so müssen dieselben leichterer A r t sein. Die Arbeitspflicht w i r d grundsätzlich i n Arbeitsgruppen unter Aufsicht verrichtet. e) A n d e r e E r z i e h u n g s m i t t e l (Art. 53—56). Das Haupterziehungsmittel ist die Arbeit. Ziel der Erziehung ist Besserung. I n jeder Straf-Besserungsanstalt werden industrielle Unternehmungen, gewerbliche Werkstätten, Ökonomien, Fachgewerbe- und landwirtschaftliche Schulen und Kurse, allgemeine Bildungs- und Analphabetenkurse errichtet und für Bildungs-. Erziehungs- und gymnastischen Unterricht gesorgt. Zum Zwecke dieses Unterrichtes besteht i n jeder Straf-Besserungsanstalt ein Erziehungsausschuß; an dessen Spitze ein Erziehungsleiter. Die Verurteilten verrichten ihre Arbeit grundsätzlich bei den Unternehmungen, Werkstätten und auf der Ökonomie der Anstalt. Außerhalb der Anstalt dürfen sie nur i n staatlichen Unternehmungen und bei öffentlichen Arbeiten verwendet werden, und zwar erst dann, nachdem sie sechs Monate strengen Gefängnisses bzw. drei Monate Gefängnisses abgebüßt haben. Zur Arbeit bei Privatpersonen dürfen Verurteilte nicht verwendet werden. Die Konkurrenzfrage m i t Privatbetrieben außerhalb der Anstalt kommt i m sozialistischen Staate nicht i n Betracht. I n jeder Straf-Besserungsanstalt besteht eine Bibliothek für Verurteilte. Die Verurteilten können sich jedoch mit Bewilligung der Anstalt auch selbst Bücher beschaffen. f) D i s z i p l i n a r s t r a f e n sind (Art. 58, 59): 1. Verweis, 2. zweistündige Verlängerung der Arbeitszeit für die Dauer von drei bis 30 Tagen, 3. Zuteilung einer schwereren Arbeit für die Dauer von höchstens 14 Tagen, 4. Verbot des Brief Verkehrs und Empfangens von Besuchen für die Dauer von höchstens drei Monaten, 5. Verbot des Empfangens von Paketen für die Dauer von höchstens zwei Monaten, 6. Einschränkung des Verfügungsrechtes über Geld für persönliche Bedürfnisse für die Dauer von höchstens 14 Tagen, 7. Einzelhaft von höchstens 14 Tagen. Es dürfen auch mehrere Strafen nebeneinander verhängt werden. Die sub 2, 3, 5 und 6 angeführten Strafen dürfen gegen Schwangere oder stillende Mütter grundsätzlich nicht verhängt werden.
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Vor Verhängung der Disziplinarstrafe ist der Beschuldigte einzuvernehmen. g) D a s S c h u t z h e i m f ü r W ö c h n e r i n n e n (Art. 60—66). Schwangere Frauen bzw. Mütter verbüßen Freiheitsstrafen drei Monate vor der Geburt und bis zum vollendeten ersten Lebensjahre des K i n des i m Schutzheime für Wöchnerinnen. Schwangere, Mütter und K i n der stehen unter ärztlicher Aufsicht. Schwangere sind von Müttern getrennt; sechs Wochen vor der Geburt und sechs Wochen nach der Geburt sind die Verurteilten von allen schwereren Arbeiten befreit. Stirbt das Kind, so darf die Mutter vor Ablauf von sechs Wochen nach der Geburt ins Straf-Besserungsheim nicht überstellt werden. Sobald das K i n d das erste Lebensjahr vollendet hat, w i r d die Mutter i n die Straf-Besserungsanstalt überstellt, das K i n d aber i m Einvernehmen mit der Mutter ihrer Familie oder einem Kinderheim übergeben. h) B e d i n g t e E n t l a s s u n g (Art. 67—70). Der Verurteilte hat das Recht, nach Ablauf der Hälfte der Strafzeit das Gesuch um bedingte Entlassung einzureichen. Der Verwalter des Straf-Besserungsheimes bzw. der Abteilungschef für innere Angelegenheiten beim Bezirks- bzw. städtischen Volksausschuß überprüft Ende jedes dritten Monates alle Gesuche um bedingte Entlassung und alle übrigen Fälle von Verurteilten, die die Bedingungen für bedingte Entlassung erfüllt haben, und stellt dem zuständigen Staatssekretariat für innere Angelegenheiten den Antrag auf Entlassung. Die Entscheidung über die bedingte Entlassung t r i f f t das zuständige Staatssekretariat für innere Angelegenheiten auf Grund des Gutachtens einer Kommission. Mitglieder derselben sind: der Vertreter des Staatssekretärs für innere Angelegenheiten, der Sektionschef für Strafvollzug, der öffentliche Ankläger der VR bzw. der FVRJ und ein Mitglied des Obersten Gerichtshofes der VR bzw. der FVRJ. Die Entscheidung über den Widerruf der bedingten Entlassung (Art. 57 StGB) t r i f f t das Gericht, welches für die Urteilsfällung über die neue strafbare Handlung zuständig ist. i) E n t l a s s u n g aus d e r Straf-Besserungsanstalt (Art. 71—76). Bei jedem Bezirks- bzw. städtischen Volksausschusse besteht ein Ausschuß zur Unterstützung entlassener Verurteilter nach abgebüßter Strafe oder nach bedingter Entlassung. Mitglieder des Ausschusses sind: je ein Vertreter des Rates für Volksgesundheit und Sozialpolitik des Volksausschusses, der Volksfront, der antifaschistischen Frauenvereinigung, des Roten Kreuzes und einzelner Syndikate. Den Vorsitz führt der Abteilungschef für innere Angelegenheiten des Volksausschusses. Entscheidet der Ausschuß über Minderjährige, so t r i t t i n denselben auch ein Vertreter der Volksjugendorganisation und
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ein Vertreter des Syndikates der Kulturarbeiter. Der Hauptzweck dieses Ausschusses besteht darin, dem Entlassenen Arbeitsgelegenheit zu verschaffen, bis dahin i h m aber i m Falle einer Erkrankung Geldunterstützungen zu geben. 3. V o l l z u g d e r G e l d s t r a f e
und der
Nebenstrafen
a) G e l d s t r a f e (Art. 105—110). Das Gericht kann dem Verurteilten m i t Rücksicht auf seine Vermögensverhältnisse einen Aufschub zur Bezahlung der Geldstrafe von einem Jahre, gerechnet von der Rechtskraft des Urteils, gewähren. Geldstrafen bis zu 10 000 Dinar dürfen nur aus dem beweglichen Vermögen des Verurteilten vollstreckt werden. Hiermit soll verhindert werden, daß die Geldstrafe nicht i n die Strafe der Vermögenskonfiskation übergeht (Mot. S. 42). b) S c h m ä l e r u n g b ü r g e r l i c h e r R e c h t e . Diese Nebenstrafe w i r d durch Löschung aus der Wählerliste, durch Enthebung von Wahlfunktionen i n gesellschaftlichen Organisationen und Vereinen und durch das Verbot öffentlichen Auftretens i n Druckschriften, i m Radio, auf öffentlichen Versammlungen und Vereinszusammenkünften vollstreckt. c) D a s V e r b o t d e r A u s ü b u n g e i n e s B e r u f e s der Bezirks- bzw. städtische Volks ausschuß.
vollstreckt
d ) D i e V e r m ö g e n s k o n f i s k a t i o n (Art. 83—104). Die Vermögenskonfiskation betrifft das Vermögen, welches zur Zeit der Rechtskraft des Urteils i m Eigentum, des Verurteilten stand. Das Gesetz enthält Detailbestimmungen darüber, welcher Teil des Vermögens abgenommen wird. Als Grundprinzip gilt, daß die Vermögenskonfiskation grundsätzlich nur auf das unbewegliche Vermögen greift. Einem Landmann darf weder sein Wohnhaus m i t Hof und Wirtschaftsgebäuden noch das Grundstück, soweit es zu seinem Lebensunterhalte und zum Lebensunterhalte seiner Familie notwendig ist, abgenommen werden. Sachen, die der Verurteilte zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufes bedarf, dürfen n u r abgenommen werden, wenn auf dauerndes Verbot der Berufsausübung erkannt worden ist. Von beweglichen Sachen dürfen nur abgenommen werden: Bargeld und Forderungen über 50 000 Dinar, Preziosen, wertvolle Kunstwerke und Sammlungen, große Bibliotheken, Motorfahrzeuge, Motorboote, Schiffe und landwirtschaftliche Maschinen. Das Gesetz bestimmt auch das Mindestmaß des Viehbestandes, das einem Landmann nicht abgenommen werden darf. Das beschlagnahmte Vermögen geht mit dem Tage der Rechtskraft des Urteils ins allgemeine Volksvermögen über. Das buchmäßig eingetragene Fruchtgenuß- und Wohnungsrecht bleibt
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trotz Vermögenskonfiskation bestehen, alle anderen Lasten außer den Haus- und Felddienstbarkeiten werden gelöscht. Der Staat haftet nur für solche Verpflichtungen des Verurteilten, die am konfiszierten Vermögen bis zur Zeit der Einleitung des Strafverfahrens pfandrechtlich sichergestellt waren, und zwar nur bis zur Höhe des Wertes der verpfändeten Sache (Art. 87—89). Die Beschreibung und Schätzung des konfiszierten beweglichen und unbeweglichen Vermögens vollzieht das Bezirksgericht. Das Gericht prüft alle Einsprüche bezüglich der Schätzung und des Eigentumes der beschriebenen Gegenstände und entscheidet mit Beschluß darüber, welches Vermögen dem Verurteilten abgenommen wird; gegen diesen Beschluß haben der Verurteilte, der öffentliche Ankläger und die Beteiligten das Beschwerderecht (Frist acht Tage). Der Verurteilte und andere Personen, die am konfiszierten Vermögen Rechte besitzen, können dieselben überdies in Jahresfrist i m ordentlichen Verfahren mittels Klage geltend machen. Das Gericht kann auch schon bei Einleitung des Strafverfahrens auf Antrag des öffentlichen Anklägers die Beschreibung der beweglichen Sachen anordnen und das Veräußerungsoder Belastungsverbot bezüglich des beweglichen und unbeweglichen Vermögens erlassen, wenn eine strafbare Handlung i n Frage steht, deretwegen auf Vermögenskonfiskation erkannt werden kann. III. Vollzug von Sicherungsmaßnahmen (Art. 111—118) Die Unterbringung in einer Anstalt für Geisteskranke oder i n einer anderen Aufsichts- und Heilanstalt (Art. 61 StGB) vollzieht der Abteilungschef für innere Angelegenheiten, die Einziehung von Gegenständen, die zur Begehung einer strafbaren Handlung verwendet w u r den oder dazu bestimmt waren, die durch Begehung einer strafbaren Handlung entstanden sind oder als Zuwendung für die Begehung der strafbaren Handlung erhalten wurden, bewirkt das Gericht, welches das Urteil i n I. Instanz gefällt hat, die Landesverweisung (Art. 63 StGB) vollzieht der Abteilungschef für innere Angelegenheiten des Bezirksbzw. städtischen Volksausschusses. IV. Vollzug von Strafen, Erziehungs-Besserungsmaßnahmen und Sicherungsmaßnahmen gegen Minderjährige (Art. 119—139) 1. F r e i h e i t s s t r a f e n ( G e f ä n g n i s u n d s t r e n g e s Gefängnis) Minderjährige, die zu strengem Gefängnis oder zu Gefängnis über drei Monate verurteilt worden sind, verbüßen diese Strafen i n StrafBesserungsheimen für Minderjährige. Ist die Strafe zur Zeit der Volljährigkeit (18. Lebensjahr) noch nicht verbüßt, so können sie auch nach
Grundlagen des Strafvollzuges
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vollendetem 18. Lebensjahr i m Straf-Besserungsheime behalten werden, bis sie ihr Gewerbe erlernt oder ihre Fachschulung beendet haben. Voraussetzung natürlich ist, daß die Strafzeit noch nicht abgelaufen ist. I m Straf-Besserungsheime werden die Minderjährigen i n Gruppen eingeteilt, je nach ihrer Entwicklung, ihren persönlichen Eigenschaften und nach der A r t der begangenen strafbaren Handlungen. I n der A n stalt werden industrielle, gewerbliche Werkstätten, landwirtschaftliche Ökonomien organisiert und für fachlichen, kulturellen, Bildungs-, Erziehungs- und gymnastischen Unterricht gesorgt (Art. 121), gewerbliche und landwirtschaftliche Schulen errichtet, nach Bedarf auch für ergänzenden allgemeinen Bildungsunterricht Sorge getragen. Die Arbeit für Minderjährige w i r d nach ihren körperlichen Fähigkeiten, persönlichen Eigenschaften und nach ihrer Neigung für eine bestimmte A r t von Arbeit ausgewählt. Die Arbeitszeit beträgt höchstens sechs Stunden täglich. Der Schulunterricht w i r d i n die Arbeitszeit eingerechnet. Das Leben und die Arbeit der Minderjährigen w i r d durch Erzieher beaufsichtigt. I n jedem Straf-Besserungsheim besteht ein Erziehungsausschuß. Zum Besuch ihrer Eltern bzw. nächsten Verwandten können den Minderjährigen Urlaube in der Höchstdauer von 14 Tagen bew i l l i g t werden. Der Urlaub w i r d i n die Strafzeit eingerechnet. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß die Minderjährigen vom Urlaub stets ordnungsgemäß i n die Anstalt zurückkehren. Gefängnisstrafen bis zu drei Monaten und Reste von Freiheitsstrafen, die nach Einrechnung der Haft bzw. Untersuchungshaft diese Zeitdauer nicht übersteigen, werden in Gefängnissen verbüßt. Hierbei sind Minderjährige von Volljährigen getrennt. Ansonsten finden die Vorschriften, die für erwachsene Verurteilte Geltung haben, auch auf Minderjährige Anwendung. Jedoch dürfen die Disziplinarstrafen der Verlängerung der Arbeitszeit und Zuweisung einer schweren Arbeit gegen Minderjährige nicht verhängt werden, die Einzelhaft aber darf die Dauer von sieben Tagen nicht überschreiten (Art. 126). 2.
Erziehungs-Besserungsmaßnahmen
a) E r z i e h u n g s - B e s s e r u n g s h e i m e. Die Erziehungs-Besserungsheime sind nach dem Muster von Schulinternaten eingerichtet. Die Überweisung in ein Erziehungs-Besserungsheim bewirkt der Abteilungschef für innere Angelegenheiten des zuständigen Bezirks- bzw. städtischen Volksausschusses. I n jedem Erziehungs-Besserungsheim besteht ein Beratungsausschuß. Mitglieder desselben sind: der Verwalter des Heimes, der Leiter des Erziehungsausschusses und der Hausarzt. Die Aufsicht über alle Heime führt das Staatssekretariat für innere An-
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Das Strafrecht Jugoslawiens
gelegenheiten der VR. Die Minderjährigen werden i n Gruppen eingeteilt; an der Spitze einer jeden Gruppe steht ein Erzieher. I m Heime w i r d ihnen Gelegenheit zur Erlernung eines Gewerbes und zur fachlichen und allgemeinen Ausbildung gegeben. Zu diesem Zwecke werden i m Heime industrielle und gewerbliche Werkstätten, Fachgewerke und allgemeine Schulen errichtet. Bestehen i n der Anstalt keine derartigen Schulen, so können sie dieselben außerhalb der Anstalt unter A u f sicht ihrer Lehrer besuchen (Art. 131). Erziehung. Erziehungsmittel sind Arbeit und Lernen. Die Arbeitszeit beträgt sechs Stunden täglich. Der Schulunterricht w i r d i n die Arbeitszeit eingerechnet. R e c h t e : 1. Die Minderjährigen dürfen das Heim nur i n Begleitung ihrer Erzieher verlassen. 2. Besuche ihrer Eltern dürfen sie viermal 5 jährlich empfangen, Besuche anderer Personen aber nur mit Bewilligung des Verwalters. 3. Briefwechsel mit nächsten Verwandten (Eltern und Geschwistern); mit anderen Personen nur mit Bewilligung des Verwalters. 4. Der Verwalter kann den Minderjährigen einen U r laub von höchstens 14 Tagen zum Besuch ihrer nächsten Verwandten bewilligen. Der Urlaub w i r d i n die Zeit der Erziehungs-Besserungsmaßnahme eingerechnet. D i s z i p l i n a r s t r a f e n : 1. Ermahnung, 2. Verweis, 3. Verbot des Briefwechsels für die Dauer von drei Monaten, 4. Verbot des Ausganges für die Dauer von vier Tagen, 5. Einzelhaft von höchstens zwei Stunden täglich und höchstens an drei aufeinanderfolgenden Tagen (Art. 134). E n t l a s s u n g (Art. 135). Gibt der Minderjährige durch seine A r beit und sein Verhalten Beweise seiner Besserung, so stellt der Verwalter des Heimes dem Gerichte den Antrag auf Abkürzung der Festhaltung i m Erziehungs-Besserungsheime oder auf Entlassung aus demselben (Art. 74 StGB). b) E r z i e h u n g s a n s t a l t e n f ü r M i n d e r j ä h r i g e (Art. 136—138). Ordnet das Gericht die Abgabe eines Minderjährigen i n -nne Erziehungsanstalt (Art. 65, Abs. 3 StGB) an, so setzt es davon das Vormundschaftsorgan i n Kenntnis. Dieses weist den Minderjährigen in eine entsprechende Erziehungsanstalt ein. Die oben erwähnte Bestimmung über die Entlassung (Art. 135) aus dem Erziehungs-Besserungsheim hat sinngemäße Geltung auch für die Entlassung aus der Erziehungsanstalt. 4
Motive zum StVG. • Erfahrungen haben gezeigt, daß Besuche der Eltern auf die Internierten ungünstig wirken.