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German Pages 240 [242] Year 2020
Kai Brodersen DACIA FELIX
Trajanssäule: Danubius (Donau) und die Schiffsbrücke; s. S. 118 und S. 159
Kai Brodersen
DACIA FELIX Das antike Rumänien im Brennpunkt der Kulturen
Für Edna
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. wbg Philipp von Zabern ist ein Imprint der wbg © 2020 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Lektorat: Nathalie Möller-Titel, Hamburg Satz: TypoGraphik Anette Bernbeck, Gelnhausen Umschlagabbildung: Die Daker-Stätte Sarmizegetusa Regia nahe der rumänischen Stadt Orăștie (Broos, Siebenbürgen). Foto: wikimedia commons / Cosmin Stefanescu Umschlaggestaltung: Jutta Schneider, Frankfurt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-8053-5059-4 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-8053-5129-4 eBook (epub): 978-3-8053-5130-0
Inhalt 1. Einführung 1.1 Ein europäisches Land 1.2 Raum und Zeit
2. Quellen 2.1 Archäologie 2.2 Epigraphik 2.3 Numismatik 2.4 Literarische Zeugnisse 2.5 Traditionen
3. Modelle 3.1 Römische Geschichte 3.2 Rumänische Geschichte
4. Im Brennpunkt der Kulturen 4.1 Daker? 4.2 Griechen 4.3 Perser 4.4 Philipp II. 4.5 Alexander der Große 4.6 Lysimachos
5. Der Karpatenbogen vor den Römern 5.1 Jordanes’ fiktive Königsliste 5.2 Könige im Karpatenbogen 5.3 Byrebistas 5.4 Caesars letzte Pläne 5.5 Augustus und »Könige gewisser Geten«
Inhalt
7 7 9 12 12 14 20 24 27 31 31 32 39 39 42 45 51 53 56 60 60 64 70 81 82
5
5.6 »Verdrängt und vertagt« 5.7 »Das Reich in den Grenzen halten« 5.8 Domitian 5.9 »Für Reich und Macht oder für Freiheit und Vaterland«
86 90 96 107
6. Decebal und Trajan
112 112 125 151 156
6.1 Expeditio Dacica 6.2 Bellum Dacicum 6.3 Dacia Capta 6.4 Die Trajanssäule
7. Provincia Dacia 7.1 Die Einrichtung der Provinz unter Trajan 7.2 Die Reorganisation Dakiens unter Hadrian 7.3 Gold, Salz – und Liebe
8. Dacia Felix 8.1 8.2 8.3 8.4
Die Drei Dakien »Seid einig, bereichert die Soldaten und verachtet den Rest« Restitutor Daciarum Dacia Felix
162 162 166 174 180 180 188 192 196
9. Ausblick
201
10. Anhang
205 205 211 217 219 220 221
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Zehn wichtige antike Stätten in Rumänien Quellen Weiterführende Literatur Dank Abbildungsnachweise Register
Inhalt
1. Einführung 1.1 Ein europäisches Land Das antike Dakien war im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. ein Teil des römischen Reiches. Sein Gebiet entspricht heute großen Teilen Rumäniens. Der antiken Geschichte dieser Region widmet sich der vorliegende Band. Das Römische Reich endete um die Zeitenwende unter Kaiser Augustus im Norden an Rhein und Donau. Von 101 n. Chr. an wurde dann das nördlich der Donau gelegene Dakien innerhalb kurzer Zeit für das Imperium Romanum erobert und rasch mit Straßenbau und Städtegründungen zu einer Provinz ausgebaut. Mit seinen Bodenschätzen – allen voran Gold und Salz – und mit seinen für die antike Landwirtschaft günstigen Bodenund Klimaverhältnissen war Dakien von beachtlicher Bedeutung für das Römische Reich. Im späteren 3. Jahrhundert sah sich das Imperium Romanum zunehmend Angriffen von Stämmen ausgesetzt, die in jenseits von Dakien gelegenen Gebieten aufbrachen. Schließlich wurde die Provinz nach nicht einmal zwei Jahrhunderten römischer Verwaltung aufgegeben. Heute zeugen bauliche Reste und archäologische Fundstücke, Inschriften, Münzen und literarische Zeugnisse von der römischen Vergangenheit der Region. Auch blieben die Kultur und die Sprache der Römer, das Lateinische, lange in Gebrauch, ja, das Rumänische ist in Wortschatz und Grammatik eine romanische Sprache mit einem besonders hohen lateinischen Anteil. Nicht zuletzt ist Rumänien, Romȃnia, der einzige moderne Staat, der in seinem Namen einen direkten Bezug zu den Römern der Antike herstellt. Rumänien ist ein europäisches Land mit knapp 20 Millionen Einwohnern. 18 Minderheiten – darunter eine deutschsprachige – werden im Land anerkannt und gefördert (zum Vergleich: in Deutschland sind es vier). Rumänien ist Mitglied von EU und NATO und ein immer beliebter werden-
1.1 Ein europäisches Land
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des Reiseland. Fast eine Dreiviertelmillion Menschen aus Rumänien lebt in Deutschland: Rumänien und seine Menschen sind uns also in vielerlei Hinsicht nahe. Dieser Band möchte alle, die sich für die Antike, und auch alle, die sich für die Vergangenheit Rumäniens interessieren, in die antike Geschichte Dakiens einführen. Die historischen Quellen sollen dabei ausführlich zu Wort kommen und Grundlage der Darstellung sein, denn unser ganzes Wissen über diese Vergangenheit beruht auf historischen Zeugnissen und deren Interpretation – kurz (wie wir unten in → Kap. 2 und 3 ausführlich sehen werden) auf Quellen und Modellen. In demselben Verlag wie der vorliegende Band sind drei Bücher zum antiken Dakien lieferbar, die hier nicht verdoppelt werden sollen: 2006 kam das reich bebilderte, die Romanisierung Dakiens veranschaulichende Buch Dacia von Nicolae Gudea und Thomas Lobüscher heraus, 2007 der Parallelband über Thraker, Griechen und Römer an der Westküste des Schwarzen Meeres von Manfred Oppermann, und gleichzeitig mit diesem Band erscheint 2020 die monumentale Publikation Die Trajanssäule von Alexandre Simon Stefan. Auf diese Bücher (s. → Anhang) sei nachdrücklich verwiesen. DACIA FELIX – das antike Rumänien im Brennpunkt der Kulturen: Der Titel dieses Bandes könnte so missverstanden werden, als habe es ein »antikes Rumänien« gegeben, das mit »Dacia Felix« gleichzusetzen sei, und als habe dieses keine eigene »Kultur« gehabt, sondern sei nur von »Kulturen« umgeben gewesen, die es zu ihrem »Brennpunkt« gemacht hätten. Tatsächlich ist der heutige Staat Rumänien erst vor gut einem Jahrhundert entstanden; ein »antikes Rumänien« gibt es also nicht. Tatsächlich ist es nicht angemessen, die Sichtweise der griechisch-römischen Quellen zu übernehmen und die antiken Bewohner Dakiens als durchweg kulturlos zu beschreiben; vielmehr ist gerade aus der Mischung innerer und äußerer kultureller Einflüsse etwas Eigenes entstanden. Und tatsächlich bezog sich »Dacia Felix« in der Antike auf ein Gebiet, das … nein, mehr wird jetzt noch nicht verraten: Lesen Sie selbst!
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1. Einführung
1.2 Raum und Zeit Worum also geht es in diesem Band? Es geht um die antike Geschichte einer europäischen Region nördlich des Unterlaufs der Donau, deren – wie man sagen könnte – Rückgrat der Karpatenbogen ist (→ Karte S. 129). Das fruchtbare Becken westlich und nördlich dieser Hochgebirgskette liegt mitten im heutigen Rumänien. Es hat im Lauf der späteren Geschichte immer wieder unter verschiedenen Herrschaften gestanden und ist heute als Teil des Staats Rumänien auch unter Namen wie Siebenbürgen, Transsilvanien, Ardeal oder Erdély bekannt; in der Geographie spricht man daher vom »Siebenbürgischen Becken« (Podișul Transilvaniei). Umgeben ist dieses Becken im Norden und Osten von den Ostkarpaten, jenseits derer im Nordosten die Bucovina und im Südosten Moldova (Moldau) liegen (noch weiter im Osten, jenseits des Flusses Pruth, folgt dann die heutige Republik Moldavien). Im Süden liegt jenseits der Südkarpaten die Walachei; als Große Walachei oder Muntenien bezeichnet man dabei das Gebiet östlich des Flusses Olt (Alt) – an diese Region schließt sich bis zum Schwarzen Meer die Region Dobrudscha an –, als Kleine Walachei oder Oltenien das westlich davon gelegene Gebiet südlich des Karpatenbogens. Im Süden grenzt die Walachei an die Donau; an deren anderem (südlichen) Ufer liegen heute Serbien und Bulgarien, zu dessen Gebiet die römische Provinz Moesien gehörte. Über die Ost- und Südkarpaten waren in der Antike Übergänge schwierig. Einzig der Fluss Olt bricht sich aus dem Gebiet innerhalb des Karpatenbogens in spektakulären Schluchten einen Lauf durch das Gebirge und mündet schließlich in die Donau. Die so geschaffene natürliche Verbindung heißt nach einem frühneuzeitlichen Bauwerk auch »Roter-TurmPass« (→ Bild S. 130). Heute führen die Europastraße 81 als rumänische Nationalstraße DN7 (Drum naţional 7) und die Bahnstrecke 201 durch die Schluchten. Ein spätantiker Autor, Jordanes, den wir unten (s. → Kap. 5.1) kennenlernen werden, blickt vom Gebiet südlich der Donau aus nach Norden und bezeichnet diesen Pass wahrscheinlich als »Boutae«:
1.2 Raum und Zeit
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Ich spreche vom alten Dakien. … Dieses Land, das von Moesien aus gesehen jenseits der Donau liegt, wird von einem Kranz von Bergen (corona montium) eingeschlossen und hat nur zwei Zugänge, einen durch Boutae, den anderen durch Tapae. (Jordanes, Getica 74)
Den »Kranz von Bergen« bilden nach Norden, Osten und Süden also die Karpaten; nach Westen ergänzen ihn an Bodenschätzen reiche Gebirge (heute Munții Apuseni). Jenseits von diesen liegt südwestlich – im Anschluss an die Kleine Walachei – das Banat, nördlich davon das KreischGebiet und ganz im Norden Maramureș. Einen Zugang zum Siebenbürgischen Becken aus Südwesten bot und bietet vor allem das Bistra-Tal zwischen Caransebeș (Kreis Caraș-Severin, Rumänien) und Haţeg (Hatzeg, Kreis Hunedoara, Rumänien); heute verläuft hier die rumänische Nationalstraße DN68 (die Bahnstrecke 911 wurde 1995 stillgelegt). Diesen Durchgang bezeichnet der eben genannte Autor als »Tapae«. Bereits in vorgeschichtlicher Zeit war das in diesem »Kranz von Bergen« gelegene Siebenbürgische Becken als günstiges Siedlungsland gegenüber weiter vom Karpatenbogen entfernten Regionen ausgezeichnet, aber auch in mancher Hinsicht etwas isoliert. Die Donau war vor allem an ihrem Durchbruch am sogenannten Eisernen Tor zwischen den Serbischen Karpaten und dem Banater Gebirge für die durchgehende Schifffahrt ungeeignet. Die im Westen des Kreisch-Gebiets vom Fluss Theiß durchflossene ungarische Tiefebene blieb bis ins 19. Jahrhundert, in dem sie durch Flussregulierung und Trockenlegungen erschlossen wurde, so sumpfig, dass sie landwirtschaftlich kaum nutzbar und durch von Mücken übertragene Krankheiten auch kaum bewohnbar war. Nicht zuletzt galten die Wälder in den Gebirgen, die östlich dieser Tiefebene und nördlich der Donau liegen, als fast undurchdringbar. Dies erlebte schon im 1. Jahrhundert v. Chr. ein römischer Befehlshaber (mehr zu ihm erfahren wir unten in → Kap. 5.2), der von Moesien, also vom Gebiet südlich der Donau aus aufbrach:
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Inhalt
Curio kam bis nach Dakien, schreckte aber vor der Dunkelheit der Wälder zurück. (Florus, Epitome 1,39)
Im späteren westeuropäischen Begriff »Transsilvanien« (Land jenseits der Wälder) schlägt sich diese Schwierigkeit des Zugangs nieder. Die guten Böden mit ebenso guter natürlicher Bewässerung, ein mildes Klima, für Holzernte und Jagd nutzbare Wälder in den Mittel- und Hochgebirgen und reiche Bodenschätze machen das Gebiet innerhalb des Karpatenbogens und seine Nachbarregionen gleichsam vom Glück begünstigt, eben »glücklich«, lateinisch FELIX. Was lässt sich anhand der historischen Quellen, wie sie uns für die Zeit ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. erhalten sind, über jene Welt aussagen? Welche »Kulturen« gab es, die auf die Menschen in jenem Gebiet Einfluss nahmen? Wie machten Griechen, Perser und Makedonen es zu einen »Brennpunkt«? Und was können wir über seine Struktur und Kultur vor der römischen Eroberung aussagen? Wann und warum geriet die Region des Karpatenbogens dann in den Fokus der Römer? Wie wurde es zur römischen Provinz? Und wann und warum wurde diese Provinz wieder aufgegeben? Der vorliegende Band nimmt vor allem die zwei Jahrhunderte vor der römischen Eroberung Dakiens und dann die römische Beherrschung des Gebiets in den Blick. Nicht nur die in der populären rumänischen Geschichtsauffassung gefeierten dakischen Könige Burebista im 1. Jahrhundert v. Chr. und Decebal im 1. und frühen 2. Jahrhundert n. Chr. wollen wir kennenlernen, sondern anhand der Quellen Fragen wie die eben genannten zu beantworten versuchen. Dakien war vom frühen 2. bis ins späte 3. Jahrhundert n. Chr., von Trajan (53–117 n. Chr., Kaiser seit 98) bis Aurelian (214–275 n. Chr., Kaiser seit 271), Teil des Römischen Reichs und bereicherte dessen kulturelle Vielfalt. Die antike Geschichte der Welt innerhalb und außerhalb des Karpatenbogens wollen wir nun anhand der antiken Quellen behandeln.
1.2 Raum und Zeit
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2. Quellen 2.1 Archäologie Wenn man versucht, eine fast zwei Jahrtausende zurückliegende Vergangenheit zu rekonstruieren, ist man auf historische Quellen und auf Modelle für ihre Deutung angewiesen. Im Spannungsfeld von Evidenz und deren Interpretation arbeiten Historikerinnen und Historiker, wenn sie sich mit antiker Geschichte befassen. In diesem Kapitel sollen zunächst archäologische Zeugnisse, Inschriften und Münzen behandelt werden, da uns diese Quellen – wenn auch oft nur in Fragmenten – unmittelbar so erhalten sind, wie sie in der Antike angefertigt wurden. Danach widmen wir uns den literarischen Quellen. In der Wissenschaftssystematik unterscheidet man traditionell zwischen der »Vorgeschichte« (Prähistorie, Ur- und Frühgeschichte) und der »Geschichte« anhand der von den Disziplinen behandelten Quellen und der zu ihrer Deutung eingesetzten Methoden. Die »Vorgeschichte« befasst sich mit materiellen Zeugnissen aus der Vergangenheit, die mit den Methoden der Archäologie erschlossen und anhand ihrer Erscheinung und ihres Fundkontextes gedeutet werden. Beim Fach »Geschichte« hingegen stehen die überlieferten schriftlichen Zeugnisse und ihre methodisch fundierte Deutung im Mittelpunkt, auch wenn die nichtschriftliche (und im Vergleich zu den Texten oft als »stumm« charakterisierte) Evidenz ihre Bedeutung nicht verliert. Wie dieser Band zeigt, stellen bei einer Darstellung der Geschichte der Antike die überlieferten Texte die am klarsten »sprechende« Quellengattung dar. Doch kann auch in der Zeit, für die uns schriftliche Zeugnisse vorliegen, die archäologische Evidenz – also die durch Fernerkundung (etwa Luftbilder oder Radaraufnahmen), Ausgrabungen vor Ort oder Erfassung von Streufunden erschließbare materielle Kultur – mit Recht den
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2. Quellen
Anspruch erheben, einen besonders unmittelbaren Bezug zur Antike zu vermitteln: So, wie ein Fundstück – vom Ziegelstein bis zur Mauer, vom Alltagsgegenstand bis zum Schmuckstück – in der Antike vorhanden war, so ist es nach seiner Auffindung auch uns heute zugänglich. Zudem erlaubt oft der ebenso »stumme« Fundkontext eine weitergehende Deutung, etwa wenn andere Funde oder Befunde eine zeitliche Einordnung des Fundstücks ermöglichen. Man darf freilich nicht übersehen, dass die archäologische Erkundung einer Region (wie auch die historische Deutung) keine »ewigen Wahrheiten« festlegen kann, da ihre Erforschung verständlicherweise stets durch zeitgenössische Interessen und Fragestellungen geleitet ist. Schon die Auswahl der für Fernerkundung, Ausgrabung oder Erfassung von Streufunden vorgesehenen Gegenden ist oft durch aktuelle politische Vorgaben oder aber »Sachzwänge« bedingt: Die bereits im 18. Jahrhundert begonnenen Ausgrabungen der als Sarmizegetusa Regia bekannten Anlage in den Bergen bei Grădiștea de Munte (Gemeinde Orăștioara de Sus, Kreis Hunedoara, Rumänien; s. u. → Anhang) deuten die Stätte mit phantasievollen, aber nicht immer ausreichend gesicherten »Rekonstruktionen«, die von der Annahme einer kultischen und politischen Funktion der einzelnen Befunde ausgehen (→ Bild S. 131). Luftbilder oder moderne Formen der Fernerkundung waren in der Region im Karpatenbogen in der Zeit des Kalten Kriegs bis 1989 kaum zugänglich, da ihre Publikation, wie man meinte, den »Feinden« militärisch von Nutzen sein könnte; so blieben Teile der antiken Gegebenheiten in jener Region lange unentdeckt. Großflächige Notgrabungen im Vorfeld des seither laufenden Ausbaus der modernen Infrastruktur des Landes durch Autobahnen und verbesserte Bahntrassen kennzeichnen nun manche neuere archäologische Maßnahme und erschließen so – anders als punktuelle Grabungen an bereits bekannten Orten – bisher unentdeckte Zeugnisse für die Nutzung und Besiedlung des Landes. Zu den von der Archäologie erschlossenen Zeugnissen gehören aber auch antike Kunstwerke, die auch aus anderen Teilen der antiken Welt stammen, vor allem bewusste Schöpfungen von flächigen Bildwerken. Allerdings waren Zeichnungen und Gemälde in der Antike ebenso wie in späteren Epochen meist auf organischem Material wie Holz oder Leinwand
2.1 Archäologie
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geschaffen und sind so im Lauf der Zeit untergegangen. Reliefs und Plastiken aus Bronze und insbesondere aus Stein hingegen hatten bessere Chancen, erhalten zu bleiben. Das wohl wichtigste erhaltene bildliche Zeugnis für die im vorliegenden Band erzählte Geschichte ist das Marmor-Reliefband auf der Trajanssäule, die noch heute auf dem Forum des Kaisers Trajan in der Hauptstadt des Imperium Romanum steht: in Rom. In einer langen, im Original erhaltenen Reihe von Szenen stellt es die Siege der Römer und des Kaisers Trajan im Krieg gegen die Daker zur Schau (s. u. → Kap. 6.4). Die Reliefbilder sollten dabei ohne jeden Text verständlich sein (und sind insofern ebenfalls »stumm«), erklärten sich vielfach gleichsam von selbst und blieben auch für die spätere Wahrnehmung der römischen Eroberung prägend.
2.2 Epigraphik Neben »stummen« sind auch »sprechende«, weil schriftliche Zeugnisse erhalten, die unmittelbar aus ihrer Entstehungszeit stammen. Dies gilt insbesondere für Inschriften, wie sie die Wissenschaftsdisziplin der Epigraphik (Inschriftenkunde) erschließt. Seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. hatte sich in der Mittelmeerwelt und den an sie angrenzenden Regionen für die griechische Sprache eine Alphabetschrift durchgesetzt, die aus der Welt am Ostrand des Mittelmeeres übernommen worden war. Sie ermöglichte nun allen, die schreiben und lesen konnten, die Aufzeichnung und Aufbewahrung von Listen und Texten. Auch das lateinische Alphabet, das wir noch heute verwenden, geht auf diese griechische Alphabetschrift zurück. Vor allem für das Römische Reich hat man geradezu von einer »epigraphischen Kultur« gesprochen, da eine Vielzahl von Inschriften angefertigt und öffentlich zur Schau gestellt wurde. Auch aus der Region innerhalb und außerhalb des Karpatenbogens sind mehrere Tausend antiker griechischer und vor allem lateinischer Inschriften erhalten und ermöglichen so einen direkten Einblick in die antike Welt. Beschreibstoffe waren dabei oft organischen Ursprungs, so wurden etwa Papyrus (eine aus den Stängeln der vor allem in Ägypten beheimateten Papyrusstaude hergestellte Vorform des erst später in Europa einge-
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2. Quellen
führten Papiers), aber auch Holz- und Rindenstücke sowie Tierhaut (Pergament) beschriftet. Geschrieben wurde darauf mit aus Rohrstängeln oder Federkielen fließender Tinte. Ebenfalls einen organischen und daher vergänglichen Beschreibstoff nutzen zwei am Rand miteinander verbundene und auf der Innenfläche mit Wachs überzogene, jeweils etwa handtellergroße Holztäfelchen; die Wachsschicht konnte man mit einem harten Griffel einritzen und den so geschriebenen Text durch Zusammenklappen und ggf. Verschnüren oder gar Versiegeln der beiden nun aufeinanderliegenden Täfelchen sichern. Aus der Antike erhalten geblieben sind solche beschrifteten Papyri, Holz- und Rindenstücke und Pergament sowie Holz-Wachs-Täfelchen allerdings nur unter sehr speziellen Bedingungen: Die meisten der antiken Papyri stammen aus dem heißen und trockenen und damit der Verwesung des organischen Stoffes widerstrebenden Wüstensand Ägyptens und sind daher für die Geschichte Dakiens nur selten von Bedeutung; immerhin zwei werden wir unten (in → Kap. 6.2 und 8.1) als historische Quellen kennenlernen. Beschriftete Holz- und Rindenstücke sind in Mooren und Morasten bewahrt geblieben, die ebenfalls eine Verwesung verhinderten; auch diese Erhaltungsbedingungen sind in Dakien rar. Holz-Wachs-Täfelchen schließlich sind sonst fast nur in Pompeji erhalten geblieben, wo der Vesuvausbruch 79 n. Chr. an manchen Stellen eine luftdichte Schicht bildete und so eine Verrottung des Holzes verhinderte. Es gibt aber auch Zeugnisse solcher Täfelchen aus einem römischen Goldbergwerk in Alburnus Maior (Roșia Montană / Goldbach, Kreis Alba, Rumänien), die damit zu einer in der Antike weit verbreiteten, sonst aber fast vollständig verlorenen Quellengruppe von Inschriften auf organischem Material gehören (→ Bild S. 132 oben). Wir werden diese Täfelchen und ihren Wert als historische Quelle unten (in → Kap. 7.3) kennenlernen. Ähnlich wie die Klapptafeln aus Holz ist eine besondere Gruppe von Texten auf Metalltafeln gestaltet, die man als »Militärdiplom« bezeichnet (→ Bild S. 132 unten). Das römische Heer war in Legionen gegliedert; jede Legion bestand aus zehn Kohorten (cohors) von Fußsoldaten und vier Reiterabteilungen (ala) sowie einigen weiteren Soldaten mit besonderen Aufgaben und hatte insgesamt eine Sollstärke von 5500 Soldaten.
2.2 Epigraphik
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Die Legionssoldaten waren römische Bürger, auf Feldzügen kam oft etwa die gleiche Anzahl an sogenannten Hilfstruppen (auxilia) hinzu, deren Mitglieder aus verbündeten oder als Provinz beherrschten Gebieten kamen, aber nicht römische Bürger waren. Der Oberbefehl über eine Legion lag bei einem Mann aus dem Senatorenstand, der als Legat (legatus) bezeichnet wurde. Er war entweder Statthalter der Provinz mit dem Titel propraetorischer Legat des Augustus (also des jeweiligen Kaisers, auf Latein legatus Augusti pro praetore) oder – so in Provinzen mit mehreren Legionen – Legat einer Legion (legatus legionis). Sein Stellvertreter war der Praefekt (praefectus castrorum), dem fünf Tribune (tribuni) unterstanden. Wir werden diese Ämter im Folgenden in den durch Inschriften belegten Lebensläufen antiker Militärs immer wieder genannt finden. Die Soldaten in den Hilfstruppen erhielten am Ende der 25-jährigen Dienstzeit bei ehrenhafter Entlassung das römische Bürgerrecht für sich und ihre Angehörigen. Dies wurde in einer Urkunde dokumentiert, deren Original in Rom hinterlegt wurde. Der Soldat selbst erhielt eine Abschrift, eben ein Diplom, das aus zwei Metalltäfelchen bestand; der Text der Urkunde ist darauf doppelt niedergelegt, einmal auf der Innenseite der beiden zusammengeklappten Tafeln, die verschnürt und versiegelt wurden, und ein zweites Mal auf der Außenseite. Solange das Siegel nicht erbrochen war, konnte man im Zweifelsfall durch Öffnen der Tafeln beweisen, dass der frei lesbare Außen- dem durch Versiegeln gesicherten Innentext entsprach. Der Nachweis über die Verleihung des Bürgerrechts war wegen des sicheren Rechtsstatus, den es mit sich brachte, für den Empfänger und seine Familie von hohem Wert. Das dem Soldaten übergebene Militärdiplom auf haltbarem Metall wurde deshalb sicher in den Familien als Erbstück weitergereicht und in Notsituationen wie ein Schatzhort (s. u. → Kap. 2.3) vergraben. Insbesondere durch Zufallsfunde von Metallsondengängern kommen immer wieder Militärdiplome ans Licht – allerdings oft ohne Dokumentation des Fundkontextes und damit unter Verlust wichtiger Informationen zu ihrer Deutung (s. o. → Kap. 2.1). Ein Beispiel für den Text auf einem Militärdiplom soll dessen Aussage veranschaulichen; da sein Fundkontext unbekannt ist, können wir ihm allerdings nicht mehr entnehmen als eben diese Aussage:
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2. Quellen
Imperator Cae[sar, Sohn des vergöttlichten] Traianus Parthicus, [Enkel] des vergöttlichten Nerva, Traianus Hadrianus Augustus, Oberpriester, zum 3. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, dreimal Kon[sul], hat den Reitern und Fußsoldaten, die Dienst getan haben in ein[er] Ala (Reitereinheit) [und sechs Kohorten (von Fußsoldaten), die da heißen] Hispanorum, [?] Alpinorum, I. Br[itannica milliaria römischer Bürger und II. Brittonum römischer Bürger] Pia Fidelis und V. Gall[orum und VIII. Raetorum, die in] Dacia su[perior unter Marcius Tur[bo sind und die nach] 25 [oder mehr Dienstjahren außer Dienst treten, wenn sie] ehren[voll entlassen sind, und deren Namen] unten aufgeschrieb[en si]nd, ihnen selbst, ihren Kindern und ihren N[ach]kommen das Bürgerrecht gegeben und das Recht zur (rechtsgültigen römischen) Ehe mit den Gattinnen, [die sie zu dem Zeitpunk]t schon hatten, als ihnen das B[ürgerrech]t verliehen wurde, oder, wenn sie unverheiratet sind, mit denen, die sie später noch ehelichen, und zwar jeweils nur ein Mann eine Frau, am Vortag der Iden des November, als Gaius Herennius Capella und Lucius Coelius Rufus Konsuln waren, von der VIII. Kohorte Raetorum, denen Lucius Avianius […]ratus vorsteht, von den Fußsoldaten dem Demuncius, Sohn des Avesso, Eraviscus und seinem Sohn Primus und seinem Sohn Saturninus und seinem Sohn Potens und seiner Tochter Vibia und seiner Tochter Comatumra; abgeschrieben und geprüft anhand der Bronzetafel, die angebracht ist in Rom hinter dem Tempel des vergöttlichten [Augustus] bei der Minerva. (Lateinische Inschrift auf einem Militärdiplom unbekannter Herkunft, EDCS-69000074)
Die in der Kaisertitulatur genannte Tribunicia Potestas, die auf ein altes republikanisches Jahresamt zurückgeht, wurde den römischen Kaisern in der Regel alljährlich neu verliehen und eignet sich deshalb zur Umrechnung der in einer Inschrift genannten Datierung. Der in dem Militärdiplom genannte Kaiser Trajan hatte die Tribunicia Potestas zum dritten Mal vom 10.12.98 bis zum 9.12.99 n. Chr. inne; die im Militärdiplom dokumentierte Bürgerrechtsverleihung fällt also in das Jahr 98/99 n. Chr. Die Soldaten hatten in aus Nichtbürgern zusammengesetzten Einheiten des römischen Heeres gedient, in einer Ala als Reiter oder in einer Kohorte
2.2 Epigraphik
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als Fußsoldaten. Nun erhielten sie das römische Bürgerrecht für sich, für (jeweils nur) eine bereits vorhandene bzw. künftige Ehefrau und für die Nachkommen aus dieser Ehe. Viele Soldaten waren also längst verheiratet, aber noch nicht in einer nach dem römischen Recht gültigen (und somit u. a. die Erbfolge sichernden) Ehe. Auf haltbarem Material bewahrt sind sonst vor allem Inschriften auf Stein. Sie widmen sich oft Göttern und Menschen: So gibt es Texte, die in Tempeln und Heiligtümern aufgestellt wurden, aber auch Inschriften, die an große Ereignisse erinnern, wie zum Beispiel an die Gründung einer Stadt oder an wichtige Bauvorhaben wie die Errichtung eines Forumsgebäudes, oder aber an zu Ehrende, denen die Stadt ein Denkmal geweiht hat, und nicht zuletzt an Verstorbene, denen Angehörige einen Grabstein setzen. Eine besondere Inschriftengattung sind die Angaben auf den Meilensteinen, die bei römischen Straßen in regelmäßigen Abständen aufgestellt waren und nicht nur die für den Straßenbau Verantwortlichen – allen voran den jeweiligen Kaiser – verzeichnen, sondern auch die Entfernung zur nächsten größeren Station. Ebenfalls auf haltbarem Material finden sich aber auch alltäglichere Inschriften, etwa Abdrücke von Stempeln, die auf Ziegel oder Keramikgefäße vor dem Brennen aufgebracht wurden und so ihren Hersteller und / oder den Besteller und damit künftigen Besitzer verzeichnen. Ferner gibt es nach dem Brennen eingetragene Ritzungen auf Ton und auch in Putz, die als Graffiti angebracht wurden und so erhalten blieben. Meilensteine und Inschriften auf Keramikgefäßen werden wir in diesem Band (in → Kap. 7.1 und 8.4 bzw. → Kap. 5.3 und 5.5) als Quellen kennenlernen. Voraussetzung dafür, dass es überhaupt epigraphische Zeugnisse gibt, ist natürlich, dass in der jeweiligen Kultur die Kenntnis und der Einsatz von Schrift hinreichend weit verbreitet sind. Für die antike Geschichte der Region des Karpatenbogens ergibt sich hieraus eine besondere Problematik: Während eine Vielzahl von Inschriften in der griechischen und vor allem in der von den Römern gesprochenen lateinischen Sprache erhalten sind, kennen wir kein einziges Schriftzeugnis in der Sprache der dort bereits vor den Römern ansässigen Menschen – wahrscheinlich, weil es keine solchen In-
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2. Quellen
schriften gab. Nach einem römischen Bericht nutzten die Daker einmal für einen lateinischen Text, den sie dem römischen Kaiser als Aufschrift auf einem großen Pilz (wohl einen Baumschwamm) überreichten, lateinische Buchstaben (man hat übrigens überlegt, ob genau diese Szene auch auf der Trajanssäule – s. o. → Kap. 2.1 – dargestellt ist): Als Trajan in seinem Feldzug gegen die Daker sich Tapae annäherte, wo das Lager der Barbaren war, wurde ihm ein großer Pilz gebracht, auf dem in lateinischen Buchstaben eine Botschaft geschrieben war, dass die Burer und andere Verbündete Trajan rieten, umzukehren und den Frieden zu wahren. (Cassius Dio, Historien 68,8,1)
Ganz offenbar verstanden sich also nach Auffassung des römischen Historikers Cassius Dio – wir werden die Szene unten (in → Kap. 6.1) in ihren historischen Kontext einordnen – bereits vor der römischen Eroberung manche Daker darauf, lateinische Buchstaben zu schreiben und lateinische Texte zu formulieren (oder durch Dolmetscher formulieren zu lassen), um dem römischen Kaiser eine Botschaft zu übermitteln. Ein Beleg für eine »dakische Schriftkultur« ist diese Nachricht freilich nicht. Eine Zeitlang hielt man es übrigens für möglich, dass im Karpatenbogen sogar eine uralte Schrift genutzt wurde: 1961 waren in der Ortschaft Tărtăria (Gemeinde Săliștea, Kreis Alba, Rumänien) ungebrannte Tontäfelchen ans Licht gekommen, die man rasch in das 6. Jahrtausend v. Chr. datierte und damit zum ältesten Schriftsystem der Welt erklärte, freilich nicht entziffern konnte. Allerdings wurde seinerzeit der Fundkontext nicht dokumentiert, außerdem wurden die Täfelchen selbst zur Haltbarmachung gebrannt, womit der Einsatz von naturwissenschaftlichen Methoden für eine Altersbestimmung unmöglich gemacht wurde. Freilich ist es mehr als wahrscheinlich, dass es sich um eine schlichte und nicht einmal besonders geschickte Fälschung aus der Zeit handelt, in der die Täfelchen angeblich gefunden worden waren. Dasselbe gilt für Bleitafeln, die 1875 dem Museum in Bukarest übergeben wurden. Sie stellten moderne Kopien angeblich original »dakischer«, in griechischen Buchstaben auf Goldplatten aufgeschrie-
2.2 Epigraphik
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bener und ebenfalls nicht deutbarer Texte und Bilder dar. Als Fundort wurde seinerzeit Sinaia genannt, ein Ort nahe der Sommerresidenz des rumänischen Fürsten und späteren Königs Carol I. (s. u. → Kap. 3.2), ohne dass die Fundumstände dokumentiert worden wären; die Goldplatten selbst seien zudem – so hieß es – seit der Herstellung der Kopien verschollen. Es überrascht nicht, dass man auch diese Tafeln nicht als Belege für antike Originale ansehen kann; die angeblichen Kopien gelten heute vielmehr als durch den Wunsch beseelte Fälschung, der seinerzeit jungen rumänischen Nation (s. u. → Kap. 3.2) »dakische« Texte präsentieren zu können. Es bleibt also bei der Asymmetrie unserer Quellenlage: Für die Geschichte des Karpatenbogens stehen griechisch-römische, nicht aber einheimische »dakische« Schriftzeugnisse zur Verfügung. Es sind folglich fast nur griechische und lateinische Texte, die in diesem Band zu Wort kommen. Bei der Präsentation von Inschriften ist es dabei üblich, dass verlorene, aber anhand von ähnlichen Texten rekonstruierbare Textteile in eckigen Klammern geboten und nicht mehr rekonstruierbare Teile durch drei Punkte markiert werden. Beides ahmen wir in diesem Band in den deutschen Übersetzungen nach (in denen außerdem ein paar Erläuterungen in nur dafür genutzten runden Klammen erscheinen), um so auch in der deutschen Version anzuzeigen, welche Textteile tatsächlich erhalten sind.
2.3 Numismatik Wie Inschriften sind auch Münzen so erhalten, wie sie in der antiken Welt seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. im Umlauf waren. Sie ermöglichen uns gleichsam, »die antike Geschichte in die Hand zu nehmen«. Der Deutung von Münzen widmet sich die Wissenschaftsdisziplin der Numismatik. Da Münzen in recht hoher Stückzahl aus haltbarem Metall geprägt wurden und fast durchweg in mindestens einem Exemplar erhalten blieben, sind heute die allermeisten Münztypen aus der Antike bekannt und in der Regel auch in den großen Münzsammlungen belegt. Während heutige Münzen in aller Regel ihren Nennwert durch die Prägung anführen (»1 Euro«), nennen antike Münzen keinen Wert. Vielmehr proklamiert eine von ihren Nutzergruppen als echt anerkannte Prä-
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2. Quellen
gung, dass für eine Gold- oder Silbermünze der jeweils vorliegenden Gewichtsklasse sowohl das genaue Gewicht als auch der Feingehalt (also der Anteil an Edelmetall) dem entsprechen, was die Nutzergruppen jeweils erwarten. Dies war möglich, solange der Materialwert einer Münze weitgehend dem Nennwert entsprach und solange Vertrauen in die Institution bestand, die durch die Prägung der Münzen Gewicht und Feingehalt garantierte. Ein römischer Denar etwa (in den Bibelübersetzungen oft als »Silbergroschen« wiedergegeben) bestand aus knapp 4½ g Silber (später weniger) und hatte den Wert seiner Silbermenge; diesen Wert in heutige Kaufkraft zu übersetzen ist allerdings nicht sinnvoll möglich, da das Gefüge von Löhnen und Preisen im Altertum ganz verschieden von den heutigen Verhältnissen war. Sowohl als Tauschmittler als auch zur handlichen Anlage von Werten (wie etwa heute die faktisch nie als Zahlungsmittel eingesetzten »Maple Leaf«-Goldmünzen aus Kanada) wurden Münzen aus Edelmetall in der ganzen Antike genutzt. Ebenso oft wie missverständlich hat man übrigens formuliert, in der römischen Kaiserzeit hätten »die Kaiser« selbst Münzen mit wechselnden Motiven als aktuelles »Propaganda-Mittel« geprägt. Dafür aber fehlen Belege, und zwar sowohl auf der Seite der Kaiser als auch auf der Seite derer, bei denen diese »Propaganda« wirken sollte. Tatsächlich lag die Auswahl der Motive für die Prägungen wohl bei nicht besonders hochrangigen Münzmeistern; eine Mitgliedschaft im zuständigen »Drei-Männer-Kollegium für das Gießen und Prägen von Kupfer, Silber und Gold« stand oft ganz am Anfang einer Karriere in der römischen Verwaltung (einen solchen Münzmeister werden wir in → Kap. 5.6 kennenlernen). Freilich werden diese aufstrebenden jungen Männer ein Gespür dafür gehabt haben, was die Obrigkeit jeweils gerade als Themen bevorzugte, also einen Reflex auf deren Prioritäten bieten. Die Nutzer von Münzen scheinen ihrerseits in der Tat nur sehr selten wahrgenommen zu haben, welche Motive eine Münze genau bot. Sogar einer der wenigen Belege für eine solche Wahrnehmung, die im Neuen Testament in den Evangelien überlieferte Geschichte vom sogenannten »Zinsgroschen« (Markus 12, Lukas 20 und Matthäus 22), zeigt nur, dass die von Jesus Befragten auf dem ihnen präsentierten römischen Denar irgendeinen Kaiser erkennen, nicht aber dessen Namen und
2.3 Numismatik
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schon gar nicht das Prägemotiv auf der anderen Seite der Münze, das aktuelle »Propaganda« vermitteln könnte. Und sie kamen und sprachen zu ihm: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist und fragst nach niemand; denn du siehst nicht auf das Ansehen der Menschen, sondern du lehrst den Weg Gottes recht. Ist’s recht, dass man dem Kaiser Steuern zahlt, oder nicht? Sollen wir sie zahlen oder nicht zahlen? Er aber merkte ihre Heuchelei und sprach zu ihnen: Was versucht ihr mich? Bringt mir einen Silbergroschen (Denar), dass ich ihn sehe! Und sie brachten einen. Da sprach er zu ihnen: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach Jesus zu ihnen: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! (Neues Testament, Markusevangelium 12,14–17)
Überdies waren Münzen aufgrund ihres hohen Materialwerts sehr lange im Umlauf, so dass sie als jeweils aktuelles »Propaganda-Mittel« nicht gut geeignet gewesen wären. Anschaulich machen dies die sogenannten Hortfunde: Wurden gleichzeitig im Umlauf befindliche Münzen miteinander versteckt, etwa weil man in unruhigen Zeiten seine Wertsachen in Sicherheit bringen wollte, und geriet das Versteck dann in Vergessenheit, stellt es bei einer heutigen Wiederentdeckung einen sogenannten Hortfund dar, dessen Vergrabung man anhand der jüngsten Münze auf die Zeit bald nach der Prägung dieser Münze datiert. Zugleich macht ein Hort anschaulich, wie lange die älteren im ihm erhaltenen Münzen im Umlauf gewesen waren, bevor sie als Wertsache vergraben wurden. So werden wir unten (in → Kap. 8.1) einen solchen Fund kennenlernen, der Münzen umfasste, deren älteste schon vor 30 v. Chr. und deren jüngste 167 n. Chr. geprägt worden waren. Betrachtet man dann gar mehrere Hortfunde im Zusammenhang, erlaubt ihre je einzelne Datierung insgesamt einen Einblick, welche Zeiten man im Fundgebiet offenbar als besonders unruhig wahrgenommen hat (s. u. → Kap. 8.1 und 8.3). Nicht nur das Einzelstück, sondern auch der Fundkontext ist deshalb von hoher historischer Bedeutung; ihn zu dokumentieren ist daher unbedingt erforderlich.
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2. Quellen
In der Tat gibt es aus dem Karpatenbogen eine beachtliche Anzahl sehr schön gestalteter großer Goldmünzen aus der Zeit vor der römischen Eroberung, dazu kommen einige neuerdings entdeckte Silbermünzen mit gleicher Gestalt. Die Goldmünzen wiegen im Durchschnitt knapp 8½ g, also etwa so viel wie eine griechische Doppeldrachme (2 Silberdrachmen, auch als »Statér« bezeichnet), nutzen aber Bilder, die sie in der römischen Welt geprägten Denaren entnehmen: Auf der Vorderseite zeigen sie einen römischen Amtsträger, der zwischen zwei Begleitern schreitet, welche als sogenannte Liktoren seine Amtsgewalt markieren; davor steht in griechischen Buchstaben die Aufschrift KOSON, die einen Eigennamen oder den Namen einer politischen Einheit im Genitiv Plural (etwa »von den Kosoi«) bezeichnen kann, außerdem ein unklares Monogramm, das man meist als BR oder BA liest und dessen Deutung (Brutus? Basileus, also König?) daher umstritten ist. Die Rückseite bietet einen Adler mit Kranz und Zepter (→ Bild S. 133 oben). Die Motive entsprechen auf der Vorderseite einem römischen Silberdenar, den der Gegner (und spätere Mörder) des Gaius Iulius Caesar, Marcus Iunius Brutus, 54 v. Chr. zur Erinnerung an die Vertreibung des letzten römischen Königs durch seinen Vorfahren Lucius Iunius Brutus prägen ließ, während die Rückseite einen älteren, nämlich schon 73 v. Chr. geprägten Silberdenar des Quintus Pomponius Rufus zum Vorbild hat. Offenkundig garantierte also die Person oder die politische Einheit KOSON, die in der griechischen Aufschrift genannt ist (s. u. → Kap. 5.6), für Gewicht und Feingehalt nach einem griechischen Standard, nutzte aber Motive von seit Jahren im Umlauf befindlichen römischen Münzen, um das vertraute Erscheinungsbild einer Münze zu erreichen. Die Fundverteilung der erhaltenen Stücke deutet auf einen Ursprung der Prägungen im Karpatenbogen hin – und macht anschaulich, ja greifbar, wie diese Region gleichsam im Brennpunkt sowohl der griechischen als auch der römischen Kultur stand und sich deren Traditionen kreativ aneignete. Archäologische Evidenz, Inschriften und andere Aufschriften auf organischem und auf haltbarem Material sowie Münzen haben gemeinsam, dass sie – wenn auch oft nur in Fragmenten – so erhalten sind, wie sie in der Antike angefertigt wurden. Der besondere Wert dieser Quellengattungen liegt also darin, uns unmittelbar mit antiken Objekten zu konfrontieren.
2.3 Numismatik
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2.4 Literarische Zeugnisse Sowohl die »stummen« materiellen Zeugnisse als auch die – zwar Texte bewahrenden, aber ebenfalls selten ihren historischen Kontext direkt offenbarenden – epigraphischen und numismatischen Zeugnisse bedürfen einer Deutung, die erst dann möglich wird, wenn wir die erhaltenen literarischen Belege in die Rekonstruktion einbeziehen. Überliefert sind beachtlich viele antike Texte nicht unmittelbar, sondern durch Abschriften von Abschriften von Abschriften usw. Die uns so bewahrten Texte wurden also durch wiederholte Kopien in einer ununterbrochenen Kette so lange abgeschrieben, bis eine Textfassung erhalten geblieben ist. Die meisten Abschriften wurden auf Pergamentblättern – also auf einem aus Tierhaut hergestellten Beschreibstoff – angefertigt, die dann zu einem Codex (Plural Codices) genannten Buch zusammengebunden wurden. Die meisten uns erhaltenen Codices stammen aus dem Hochmittelalter und sind damit weit über ein Jahrtausend von der Entstehungszeit eines Textes entfernt! Es versteht sich, dass dieses Verfahren Folgen für die Qualität und für die Quantität erhaltener antiker literarischen Zeugnisse hat. Was die Qualität der dank der mittelalterlichen Kopien überlieferten Texte betrifft, führt das Verfahren wiederholter Abschriften zu einer unvermeidlichen Verschlechterung, da in einer Abschrift eingeführte Fehler – einfache Schreibfehler, aber auch das Fehlen oder die Doppelschreibung von Buchstaben, Wörtern, Zeilen und ganzen Passagen – bei der nächsten Abschrift einfach übernommen wurden; man kann dies mit der Weitergabe von Fehlern beim Kinderspiel »Stille Post« vergleichen. Die Rekonstruktion des vom Autor gewollten Originaltextes aus späteren Abschriften ist das Ziel der Editionsphilologie, auf deren Ergebnissen jede historische Rekonstruktion notwendig beruht. Im vorliegenden Band sind für antike Texte die heute jeweils maßgeblichen Editionen verwendet und eigens ins Deutsche übersetzt worden. Was die Quantität der Texte betrifft, sind die allermeisten Werke, die in der Antike umliefen, verloren; nur ein kleiner Bruchteil ist überhaupt erhalten. Man kann versuchen, den Umfang dieses Verlusts zu beziffern, indem man in erhaltenen Texten zitierte antike Buchtitel in ein Verhältnis
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2. Quellen
zu den tatsächlich mit diesen Titeln erhaltenen Büchern setzt, und kommt damit bestenfalls auf eine sehr kleine einstellige Prozentzahl von uns aus der Antike durch Abschriften erhaltenen Werken. Anschaulich macht dies die Tatsache, dass wir von fünf antiken Werken zu der in diesem Band behandelten Geschichte wissen, dass aber keines davon erhalten ist und allenfalls Fragmente bewahrt sind, die heute in den Sammlungen Die Fragmente der griechischen Historiker (FGrHist) und The Fragments of the Roman Historians (FRH) zusammengestellt sind: Dion von Prusa (um 40–um 115 n. Chr.), der schon in der Antike angesichts seiner rhetorischen Kunst den Beinamen Chrysostomos (»Goldmund«) erhielt, schuf ein griechisches Werk mit dem Titel Getika (FGrHist 707), das völlig verloren ist (s. u. → Kap. 5.9). Kaiser Trajan schrieb ein mehr als ein Buch umfassendes lateinisches Werk Dacica (FRH 96), aus dem nur fünf Wörter erhalten sind (s. u. → Kap. 6.1). Von Trajans Leibarzt Titus Statilius Kriton kannte man in der Antike Getika (FGrHist 200), die heute bis auf winzige Fragmente verloren sind. Der römische Autor Gaius Plinius Secundus d. J. (61/62–113/115 n. Chr.) spricht in einem Brief (8,4) davon, dass sein (uns nur aus Plinius’ Briefen bekannter) Altersgenosse und Freund Caninius Rufus ein griechisches Gedicht über die Dakerkriege Trajans schrieb (s. u. → Kap. 6.1–2); von diesem Werk, wenn es je fertiggestellt wurde, ist nichts erhalten. Und das vorletzte Buch der – wie Homers Ilias 24 Bücher umfassenden – Römischen Geschichte des griechischen Historikers Appianos von Alexandreia (Appian, 90/95–um 160 n. Chr.) schließlich trug nach Ausweis der Inhaltsverzeichnisse jenes Geschichtswerks den Titel Dakike, ist aber ebenfalls völlig verloren. Für das Thema des vorliegenden Bandes zeigt sich an diesen fünf vom Titel her bekannten, uns aber verlorenen antiken Werken zur getischen und dakischen Geschichte der Umfang des Verlusts antiker Literatur besonders deutlich. Die Menge der tatsächlich erhaltenen Literatur ist heute fast völlig stabil; es geschieht nur äußerst selten, dass ein bisher nicht bekannter Text identifiziert wird. Dies gelingt entweder durch einen Zufallsfund – wie zuletzt bei der Wiederentdeckung einer Schrift über Gelassenheit des römischen Mediziners Galen – oder durch die Identifizierung einer älteren Abschrift, die für eine neue Nutzung desselben Beschreibstoffs ausradiert
2.4 Literarische Zeugnisse
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wurde, im Falle von Pergament durch Abschaben der Pergamentoberfläche. Ein solches Artefakt nennt man »Palimpsest« (von griechisch palin, »wieder«, und psestos, »abgeschabt«); mit chemischen oder neuerdings optischen Methoden kann man aber versuchen, die erste Beschriftung wieder lesbar zu machen. Wir werden ein für die Geschichte Dakiens im 3. Jahrhundert n. Chr. wichtiges Palimpsest unten (in → Kap. 8.3) kennenlernen. Manche antike Werke sind nur teilweise in späteren Auszügen erhalten, für die einzelne Passagen ausgewählt worden sind, während das vollständige Werk im Lauf der Zeit verloren ging. Drei Beispiele können dies verdeutlichen: Die Historische Bibliothek des griechischen Historikers Diodoros (Diodor) von Agyrion aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. umfasste einst 40 Bücher, das um die Zeitenwende entstandene lateinische Geschichtswerk Historia Philippica des Pompeius Trogus zählte 44 Bücher und die griechischen Historien des Lucius Cassius Dio (2./3. Jahrhundert n. Chr.), der die römische Geschichte von den Anfängen bis in das Jahr seines eigenen Konsulats 229 n. Chr. behandelte, bestanden sogar aus 80 Büchern. Keines dieser drei Werke ist vollständig erhalten geblieben: Die Bücher des Pompeius Trogus wurden ein paar Jahrhunderte später von einem sonst unbekannten Marcus Iunianus Iustinus (Justin) exzerpiert; das vollständige Werk ging bis auf die Inhaltsübersichten der einzelnen Bücher verloren, nur Justins Auszüge sind erhalten geblieben. Von den Werken des Diodor und des Cassius Dio sind nur jeweils einige Bücher bewahrt, andere müssen wir späteren Auszügen entnehmen. Eine besondere Bedeutung haben dafür Exzerpte, die im 10. Jahrhundert n. Chr. auf Anweisung des byzantinischen Kaisers Konstantinos VII. Porphyrogennetos (900–959 n. Chr., Kaiser seit 945) angefertigt wurden und deshalb als »Konstantinische Exzerpte« bezeichnet werden. Mindestens 26 griechische Geschichtswerke wurden für den Kaiser nach 53 thematischen Kategorien durchgesehen und dann jeweils einschlägige Passagen ohne ihren weiteren Kontext exzerpiert. Erhalten geblieben sind die Exzerpte über Gesandtschaften von Römern an Fremde und von Fremden an Römer, dann – übrigens in jeweils nur einem einzigen Codex – über Belagerungen und über Tugenden und Laster sowie – in einem Palimpsest (s. o.) – über Sinnsprüche. Für Cassius Dio können wir außerdem Ex-
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2. Quellen
zerpte nutzen, die auf Anordnung des byzantinischen Kaisers Michael VII. Dukas (um 1050–um 1090 n. Chr., Kaiser 1067–1078) ein Mönch namens Johannes Xiphilinos d. J. für ein Werk über »25 römische Monarchen von Pompeius Magnus bis zu Alexander Mamaeas« aus den Büchern 36–80 der Historien anfertigte, nämlich über Persönlichkeiten von Gnaeus Pompeius Magnus (106–48 v. Chr.), dem Gegenspieler Caesars, bis zu Alexander Severus (208–235 n. Chr., Sohn der Iulia Mamaea, Kaiser seit 222). Wie man denjenigen Passagen, für die auch der vollständige Text erhalten ist, entnehmen kann, verkürzen die Exzerpte am Anfang und Ende den Originaltext, geben ihn aber im Hauptteil meist vollständig und wörtlich wieder, so dass die Exzerpte uns einen Blick in das Original ermöglichen.
2.5 Traditionen Gelegentlich nutzen heutige Historikerinnen und Historiker auch Traditionen, die in diesen Schriftquellen bezeugt sind und in eine vorgeschichtliche, weil »vorschriftliche« (s. o. → Kap. 2.1) Zeit zu verweisen scheinen. Es sind vor allem Namen, insbesondere Fluss-, Berg- und Ortsnamen (Toponymika), für die man eine sehr langfristige Kontinuität annimmt, dann auch Wörter, die aus einer alten Sprache stammen und in den späteren und eben erhaltenen Schriftquellen angeführt werden, und nicht zuletzt Traditionen, die auf eine vorgeschichtliche Zeit zurückweisen, die aber auch noch in der durch Schriftquellen bezeugten Zeit Bestand hatten. Von den Städten in Dakien sind folgende die bedeutendsten: Rhukkonion 46° 30‘ (47° 30‘) / 48° 10‘; Dokirava 47° 20‘ / 48°; Porolisson 49° / 48°; Arkobarada 50° 40‘ / 48°; Triphulon 52° 15‘ / 48° 15‘; Patridava 53° / 48° 10‘; Karsidava 53° 20‘ / 48° 15‘; Petrodava 53° 45‘ / 47° 40‘; Ulpianon 47° 30‘ / 47° 30‘; Napuka 49° / 47° 40‘; Patruissa 49° / 47° 20‘; Salinai 49° 15‘ / 47° 10‘; Praetoria Augusta 50° 30‘ / 47° (30‘); Sandava (Sangidava) 51° 30‘ / 47° 30‘; Angustia 52° 15‘ / 47° 15‘; Utidava 53° 10‘ (20‘) / 47° 40‘; Markodava 49° 30‘ / 47°; Ziridava 49° 30‘ / 46° 20‘; Singidava 48° / 46° 20‘; Apulon 49° 15‘ / 46° 40‘; Zermizirga 49° 30‘ / 46° (15‘); Komidava 51° 30‘ / 46° 40‘; Rhamidava 51° 50‘ / 46° 30‘; Pirum 51° 15‘ / 46°; Zusidava
2.5 Traditionen
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52° 40‘ / 46° 15‘; Paloda (Polonda) 53° / 47°; Zurobara 45° 40‘ (46° 40‘) / 45° 40‘; Lizisis (Aizisis) 46° 15‘ / 45° 20‘; Argidava 49° 30‘ / 45° 15‘; Tiriskon 48° 30‘ / 45° 15‘; Sarmizegetusa Regia 47° 50‘ / 45° 15‘; Hydata 49° 30‘ / 45° 40‘; Netindava 52° 45‘ / 45° 30‘; Tias(s)on 52° / 45° 30‘; Zeugma 47° 40‘ / 44° 40‘; Tibiskon 46° 40‘ / 44° 50‘; Dierna 47° 15‘ / 44° 30‘ (50‘); Akmonia (Ekmonia) 48° / 45°; Druphegis (Drubetis) 47° 45‘ / 44° 30‘; Frateria (Fraterna) 49° 30‘ / 44° 30‘; Arkin(n)a 49° / 44° 45‘ (50‘); Pinon 50° / 44° 40‘; Amutrion 50° / 44° 45‘; So(u)rnon 51° 30‘ / 45°. (Ptolemaios, Geographie 3,8,6–10)
Diese Toponymika verzeichnet im 2. Jahrhundert n. Chr. der griechisch schreibende Gelehrte Claudius Ptolemaios in seiner Geographie (in Klammern stehen in verschiedenen Abschriften überlieferte abweichende Schreibungen) und lokalisiert sie durch Angaben zu dem von ihm verwendeten antiken Längen- und Breitengrad. Die Liste umfasst ein paar römische Namen wie Praetoria Augusta oder Ulpianon, die erst nach der Bildung der Provinz Dacia (s. u. → Kap. 6.3) vergeben wurden. Andere Namen, insbesondere die auf -deva oder -dava endenden Toponymika, werden meist als »vorrömisch« angesehen, also als Beleg für eine dakische Namenskontinuität, die in einer für uns schriftlosen Zeit ihren Anfang nahm und noch im 2. Jahrhundert n. Chr. dem Claudius Ptolemaios bekannt war. So zeigt sich, dass Toponymika aus vorrömischer Zeit auch später in Gebrauch waren, wenngleich wir die von ihnen bezeichneten Orte nicht alle identifizieren und ihre Wortbedeutung nicht verstehen können. Direkt als »dakische« Wörter sind in der griechischen und lateinischen Literatur über Heilpflanzen mehrere Dutzend Kräuternamen erhalten. Anlass für ihre Aufzeichnung war das Bemühen der Autoren von Büchern über Heilmittel, möglichst viele der in verschiedenen Teilen der antiken Welt gebräuchlichen Bezeichnungen für Pflanzen zu nennen, damit man im Zweifelsfall vor Ort nach einem für eine Behandlung einschlägigen Kraut fragen konnte. Die so in die Tradition eingetragenen Namen wurden weitergegeben, auch wenn sie tatsächlich nicht mehr genutzt wurden. Ein Beispiel: Im Heilkräuterbuch (Herbarius), das unter dem Namen des Apuleius,
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2. Quellen
eines gelehrten Philosophen des 2. Jahrhunderts n. Chr., erhalten ist, werden Pflanzennamen ganz unterschiedlicher Kulturen tradiert. Breitwegerich: Von den Griechen genannt arnoglossa, arnion, probation, cinoglossa oder eptapleuron. Die Gallier nennen es tarbidolotius, die Spanier tetharica, die Sikuler polineuron tirsion, die Magier ura egneumonos, die Ägypter asaer oder thetarion, die Daker sipoax, die Italer plantago lata, die Römer plantago maior oder septenervia. Wächst vor allem in Sümpfen und Wiesen. (Pseudo-Apuleius, Herbarius 1)
Die Daker erscheinen hier neben einer Reihe anderer Völkerschaften, deren lokale Bezeichnungen für Breitwegerich aufgeführt werden. Zu anderen Heilkräutern genannt werden Namen in den alten Hochkulturen im Zweistromland – der Heimat der »Magier« (lateinisch profetae) und namentlich des Ostanes sowie des Zarathustra (lateinisch Zoroaster) –, in Ägypten (Aegyptii), dann in Syrien (Syri) und Kilikien in der heutigen Osttürkei (Cilices). Genannt werden Namen, die bei den Griechen (lateinisch Graeci) und speziell auf der Insel Euboia (heute Evvia) bei den Euboei üblich seien. Auffallend ist sodann die Nennung mehrerer Stämme in Ostmitteleuropa, nämlich der Besser, Dardaner (zu diesen s. jeweils u. → Kap. 4.1) und eben Daker, ebenso aber von Völkern in Nordafrika (Punici), Frankreich (Galli) und Spanien (Spani); auch erscheinen in diesen Synonymenlisten einzelne vorrömische Stämme in Italien (Campani, Itali, Lucani, Tusci) und auf Sizilien (Siculi) und natürlich die Römer. Bemerkenswert ist also, dass in dem Heilkräuterbuch neben alten Traditionen von Ägypten bis Italien auch die Daker vorkommen, doch es ist nicht möglich, in all diesen Fällen zu prüfen, ob die Namenstraditionen überhaupt korrekt oder auch nur plausibel sind. Ein dritter Weg, den man beschreitet, um die »dakische« Sprache wiederzugewinnen, führt über die Etymologie von Wörtern im modernen Rumänischen. Während der Großteil der heutigen Sprache lateinische Ursprünge aufweist (s. o. → Kap. 1.1), gibt es Einflüsse aus slavischen, ungarischen, deutschen, griechischen, türkischen und anderen Sprachen,
2.5 Traditionen
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die von den später in den Gebieten des heutigen Staats Wohnenden oder Herrschenden benutzt wurden. Nun versucht man, Wörter aus einer Sprachstufe zu identifizieren, die noch vor die römische Eroberung und damit auch vor die Besiedlung durch slavisch-, ungarisch- und deutschsprachige und andere Gruppen oder vor die Beherrschung durch das Osmanische Reich und seine griechischsprachigen Verwalter gehört, und bezeichnet diese Sprachstufe dann als »dakisch«. So werden von manchen Gelehrten Begriffe wie balaur (Drache) oder brânză (Käse) auf die vorrömische Zeit zurückgeführt und als »dakisch« aufgefasst. Allerdings lässt sich aus den Wörtern selbst nicht belegen, ob diese kontinuierlich im Gebrauch waren oder ob sie zu einer späteren Zeit von einwandernden Gruppen mitgebracht wurden. Ähnliches gilt für Traditionen, die eine Verbindung in die »vorrömische« Zeit beanspruchen und die gerade heute gerne wiederbelebt werden, etwa durch »dakische« Kleidung. Deren Gestalt ist freilich meist den Darstellungen auf der Trajanssäule, also einem römischen (und damit gerade nicht »dakischen«) Zeugnis entnommen (s. o. → Kap. 2.1) und wird für die »Re-Enactment-Szene« hergestellt – wie in anderen Regionen, die sich auf eine »vorrömische« Zeit zurückbeziehen wollen, auch. Man denke nur an die »Fellgermanen« in Teilen Deutschlands oder die »Pikten« in Großbritannien, also entsprechend verkleidete Menschen, die auf Festivals oder »Mittelaltermärkten« zu sehen sind und die bei anderen Gruppen, die sich um eine möglichst genaue, aber von modernen nationalen Emotionen unabhängige Rekonstruktion tatsächlich bezeugter Bekleidungstraditionen bemühen, für Stirnrunzeln sorgen. Mit den Versuchen, indirekte Wege in die Antike zu finden, sind wir erneut damit konfrontiert, dass unsere historischen Quellen nicht »neutral« sind, sondern überhaupt erst durch unsere moderne Fragestellung und die für die Antwort benutzten Deutungsmodelle zu »Quellen« werden. Nach diesen Modellen müssen wir nun fragen.
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2. Quellen
3. Modelle 3.1 Römische Geschichte Ein Band, der den lateinischen Titel DACIA FELIX trägt, verortet die Mitte der antiken Geschichte des Karpatenbogens und seiner Nachbargebiete in der Zeit, in der das Gebiet Teil des Römischen Reichs war. Er versucht damit ein Deutungsmodell, das – mit den erhaltenen griechischen und lateinischen Schriftquellen – die Entwicklungen vor Ort in den historischen Kontext der klassischen Antike stellt, namentlich in den des Imperium Romanum. Dies ist selbstverständlich nicht das einzig mögliche Modell zur Deutung des in den Quellen Belegten. So kann man die weniger als zwei Jahrhunderte direkter römischer Herrschaft in der Region als eine Episode in einem Zeitablauf sehen, in dem andere Episoden zwar nicht gleich gut bezeugt sind, aber deshalb nicht notwendig weniger einflussreich waren. Gelänge es etwa anhand nichtschriftlicher Zeugnisse, historische Ereignisse und Vorgänge in dem Jahrhundert vor und dem nach der Zeitenwende besser zu deuten, könnte eine solche Darstellung sich auf die Frage nach dem »Brennpunkt der Kulturen« noch vor der römischen Eroberung konzentrieren. Sie könnte dann zu verstehen versuchen, in welchen Organisationsformen die Menschen jener Zeit lebten, also Antworten auf Fragen wie folgende zu finden: War das Gebiet kontinuierlich von bereits lange ansässigen Gruppen mit je eigenen »Kulturen« besiedelt oder gab es umfangreiche Migrationen? Bestanden bereits oder entwickelten sich einzelne Stammesterritorien, eine Föderation oder eine übergreifende staatliche Organisation, etwa ein Königtum? Der Mangel an aussagekräftigen Quellen verhindert hier allerdings eine klare Antwort. Das Risiko einer Konzentration auf die erhaltenen antiken griechischen und römischen Schriftquellen ist freilich nicht gering, da diese, wie wir (in → Kap. 2.4) gesehen haben, notwendig einseitig sind: Sie blicken stets
3.1 Römische Geschichte
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»von außen« auf den Karpatenbogen und seine Nachbargebiete und nehmen die Region und ihre Bevölkerung kulturell als »barbarisch«, also als unzivilisiert, und politisch jedenfalls als »fremd« oder gar »feindlich« wahr. Zudem ordnen sie die historischen Vorgänge meist in ihre eigene Gesamtdeutung des Geschichtsverlaufs ein. So wird die römische Eroberung als Erfolg verstanden, der Abzug des römischen Heeres dagegen, wenn er überhaupt thematisiert wird, als Misserfolg. Doch ist es – wie wir sehen werden – möglich, andere Fragen als die nach dem militärischen »Erfolg« an die Quellen zu stellen.
3.2 Rumänische Geschichte Eine markant andere Form der Einordnung ist eine Geschichtsauffassung, in der die antike Geschichte der Region als integraler Teil der Vergangenheit des zunächst angestrebten, später dann schrittweise etablierten rumänischen Nationalstaats verstanden wird. Das Gebiet des heutigen Rumänien war bis in das 19. Jahrhundert vor allem durch die (lange unter Osmanischer Oberhoheit stehenden) Fürstentümer Walachei und Moldau sowie durch das unter österreich-ungarischer Herrschaft stehende Siebenbürgen (s. o. → Kap. 1.2) geprägt. Wie in vielen anderen Völkern in Europa entwickelte sich in der Romantik auch unter den Rumänen ein nationales Bewusstsein. Im europäischen Revolutionsjahr 1848 kam es auch in der Walachei und der Moldau sowie in Siebenbürgen zu Aufständen. Erst die Wahl von Alexandru Ioan Cuza (1820– 1873) zum Fürsten sowohl der Moldau als auch – unter der nominalen Oberhoheit des Osmanischen Reichs – in der Walachei verband 1859 einen Teil der Rumänen unter einem gemeinsamen Herrscher; 1862 wurden die beiden Fürstentümer auch formal vereinigt und bildeten Rumänien mit Bukarest als Hauptstadt. Vier Jahre später wurde Cuza von Militärbefehlshabern zur Abdankung gezwungen; er ging ins Exil nach Paris und starb 1873 in Heidelberg. Offenbar in der Hoffnung auf die Unterstützung Preußens für die künftige Unabhängigkeit wurde Cuza durch Karl Eitel Friedrich Zephyrinus Ludwig von Hohenzollern-Sigmaringen (1839–1914) ersetzt, der 1866 als Carol I. Fürst von Rumänien wurde. Beim Berliner Kongress
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3. Modelle
1878 wurden die Grenzen des heute sogenannten »Altreichs« noch einmal verändert; seit 1881 war Carol I. dann König des so bestimmten Rumäniens. In Folge des Ersten Weltkriegs wurde das Altreich mit Siebenbürgen, dem Banat und weiteren Gebieten zu »Großrumänien« vereinigt. Das heutige Rumänien sieht daher 1918 als sein Gründungsjahr an. Zwei Jahre später wurde im Vertrag von Trianon – einem der sogenannten Pariser Vorortverträge, die den Ersten Weltkrieg formal beendeten – auch das (bis heute anerkannte) Territorium des rumänischen Staats bestimmt, der aufgrund seiner komplizierten neueren Geschichte eine beachtliche Zahl von Minderheiten umfasst (s. o. → Kap. 1.1). Wie in anderen europäischen Staaten spielte bei der Bildung des Nationalstaats auch in Rumänien der Bezug auf die Antike eine bedeutende Rolle. Ja, Rumänien betont seine dakisch-römische Vergangenheit noch immer, wenn es sich in seiner Nationalhymne auf den römischen Kaiser Trajan (s. bereits o. → Kap. 1.2) zurückführt: Jetzt oder nie senden wir Beweise in die Welt, dass in diesen Adern noch Römerblut fließt, dass wir in unseren Herzen stets mit Stolz einen Namen tragen: den Sieger seiner Kämpfe, den Namen von Trajan! (Rumänische Nationalhymne, 2. Strophe)
Im europäischen Revolutionsjahr 1848 schuf Andrei Mureșanu (1816– 1863) ein patriotisches Gedicht mit dem Titel Un răsunet (Ein Widerhall), dem diese Zeilen entnommen sind; vertont wurde es auf der Grundlage einer Melodie von Anton Pann (1794/98–1854) von dessen Schüler Gheorghe Ucenescu (1830–1896). Bereits 1848 wurde das Werk als revolutionäre Hymne aufgefasst und in Deșteaptă-te, române! (Erwache, Rumäne!) umbenannt. Es blieb auch weiterhin beliebt, insbesondere vor der Errichtung der Königsherrschaft im Altreich und in der Zeit der Weltkriege im 20. Jahrhundert, wurde aber – wie andere »patriotische« Hymnen – verboten. Es begleitete dann wieder die Revolution von 1989. Die zwei Jahre später verabschiedete neue Verfassung Rumäniens hat es zur Nationalhymne des heutigen Staats Rumänien bestimmt. Hört man diese bei offiziellen
3.2 Rumänische Geschichte
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Abb. 7 Rumänische Nationalhymne
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3. Modelle
Anlässen, so hört man in der zweiten Strophe auch, dass in den Adern der Rumänen eben »Römerblut« fließt! Es überrascht daher nicht, dass die in dem Gedicht postulierte Kontinuität von der römischen Zeit bis zur Herausbildung des rumänischen Staats ein nach wie vor beliebtes Modell für das Verständnis der Geschichte auch der Region des Karpatenbogens ist, selbst wenn speziell dieses Gedicht einige Jahrzehnte lang verboten war. Erlaubt und als Lied der jungen Pioniere vertraut war übrigens ein anderes Gedicht: Helden waren, Helden sind immer noch in der rumänischen Nation! Da sie wie aus hartem Fels gebrochen sind, wachsen Rumänen überall heran … Es ist unser Leben, gemacht von zwei Männern mit starken Armen und stählernem Willen, mit klugen Köpfen, großen Herzen: Einer ist Decebal, der Eifrige, der andere Trajan, der Gerechte … Es waren Helden und werden Helden sein, was die bösen Feinde brechen wird, von der Küste Dakiens und von Rom aus werden immer Löwen geboren werden. (Ioan S. Neniţescu, Pui de Lei (1891), Auszüge)
Dieses patriotische Gedicht Pui de Lei (Löwenjunge), das Ioan S. Neniţescu (1854–1901) in seinem Buch »heroischer und nationaler Gedichte« mit dem gleichen Obertitel 1891 publizierte und das der Komponist Ionel G. Brătianu (1885–1921) vertonte, entstand in einer Zeit, in der das junge, erst zehn Jahre zuvor begründete Königreich Rumänien intensiv um die Festigung eines Nationalstaats bemüht war. Die rumänische Nation führt der Dichter nun auf zwei Väter zurück, auf den eifrigen Decebal und den ge-
3.2 Rumänische Geschichte
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rechten Trajan. Das Lied, das auch heute bei »patriotischen« Anlässen erklingt, vertritt also ein Modell, demzufolge die rumänische Nation einen doppelten Ursprung hat, eben den Dakerkönig Decebal und den römischen Kaiser Trajan (was manche Mitglieder der jungen Pioniere zu dem noch heute verbreiteten Witz über diese Verse veranlasste, die rumänische Nation führe sich also auf ein gleichgeschlechtliches Elternpaar zurück). Dakien und Rom werden als Einheit gesehen, die zusammen in der rumänischen Nation immer wieder heldenhafte »Löwenjunge« hervorbringen werde. Nachgerade einen Höhepunkt erreichte die gelegentlich als »Protochronismus« bezeichnete These einer solchen Kontinuität mit der 1980 seitens der kommunistischen Führung propagierten Auffassung, in Rumänien sei bereits vor seinerzeit 2050 Jahren, beginnend mit König Burebista (s. u. → Kap. 5.3), ein unabhängiger dakischer Zentralstaat begründet worden. Die damit suggerierte Kontinuität von den dakischen Königen zur aktuellen Führung wurde nicht nur in wissenschaftlichen Zeitschriften dargelegt, sondern auch weithin popularisiert, auf Briefmarken (→ Bild S. 133 unten) und Sondermünzen ebenso wie in Filmen (»Burebista«, Regie Gheorghe Vitanidis, 1980; sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR unter dem Titel Das Gold der Daker verbreitet) und Brettspielen für die Familie; man erfand auch ein Porträt des Burebista als »Kappenträger« (s. u. → Kap. 5.3). Dass man nicht einmal darlegen konnte, welches Ereignis 2050 Jahre vor 1980 n. Chr., also (da es kein Jahr 0 gibt) 71 v. Chr., zur Begründung eines dakischen Zentralstaats geführt haben könnte, übersah man geflissentlich. Vielleicht spielte auch die Konkurrenz zum südlichen Nachbarn Bulgarien eine Rolle, wo man im Jahr darauf die 1300-Jahr-Feier der Staatsgründung begehen wollte und sich damit auf das 681 n. Chr. begründete erste Bulgarische Reich bezog, das auch Regionen nördlich der Donau umfasste. Offenbar galt es, den »älteren« Anspruch Rumäniens auf diese Gebiete zu proklamieren und dafür die seit dem 19. Jahrhundert verbreitete Auffassung einer Abstammung der Rumänen von Decebal und Trajan noch weiter in die Vergangenheit, bis zu einer (wie wir in → Kap. 5.3 sehen werden: tatsächlich erst später bezeugten) Herrschaft des Burebista (Byrebistas) zu verlängern. Zugleich wollte man diese Auffassung mit der Vor-
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3. Modelle
stellung eines ebenso alten Zentralstaats unter einer einzigen Führungspersönlichkeit verbinden und politisch nutzen. Ähnliche Modelle im Umgang mit der antiken Geschichte sind seit dem 19. Jahrhundert auch in anderen jungen Nationalstaaten verwendet worden, nicht zuletzt in Deutschland, wo mit »Hermann dem Cherusker« (Arminius) ein – trotz seines späteren Scheiterns – als »Befreier der Deutschen« gefeierter Held in ähnlicher Weise in die Geschichtsdeutung einbezogen wurde: Vom schon vor 1848 geplanten, aber erst nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 fertiggestellten Hermannsdenkmal in Detmold, das heute alljährlich eine halbe Million Besucher zählt, bis zum Namen des Fußballvereins Arminia Bielefeld ist die Bezugnahme auf die im Englischen als »Herman the German« bekannte Figur gegenwärtig. Auch die allerjüngste Vergangenheit zeigt solche Bezugnahmen auf die Antike: Bei dem erst 2019 gelösten Streit um den Namen der heutigen Republik Nordmazedonien spielten die intensiven Bezugnahmen auf die antiken makedonischen Könige Philipp II. und Alexander d. Gr. (zu diesen s. u. → Kap. 4.4 und 4.5) eine bedeutende Rolle, deren Machtzentrum freilich in der Region Makedonien im heutigen Griechenland lag. So weit verbreitet ein solches auf den jeweils erträumten oder gegenwärtigen Nationalstaat bezogenes Deutungsmodell der antiken Geschichte auch war und in Rumänien teilweise noch ist, so wenig kann es heute Leitlinie einer kurzen Gesamtdarstellung sein. Zu wenig plausibel ist die Annahme einer direkten Kontinuität von »Burebista« oder auch nur von »Decebal und Trajan« zur heutigen Welt, zu ahistorisch die Annahme eines irgendwie seither fortwirkenden Zentralstaats und zu problematisch die Betonung des so begründeten aggressiven Potentials. Die Deutung der antiken Geschichte des Karpatenbogens als integraler Teil der Geschichte einer Nation ist also nicht mehr zeitgemäß. Eher wird man zu zeigen versuchen, wie die Vernetzungen der Kulturen zu einem Verständnis der Regionalgeschichte beitragen können, auch wenn dies angesichts der erhaltenen historischen Quellen kein vollständiges Bild ergeben kann. Zwar birgt die im vorliegenden Band versuchte Einordnung der Regionalgeschichte in die der »großen« antiken Geschichte das Risiko, dass man aus dieser Sicht die im Vergleich zu anderen Provinzen des
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Imperium Romanum recht kurze Zeit direkter römischer Beherrschung der Region als »Misserfolg« versteht. Dies kann dazu führen, dass man sich die in vielen Schriftquellen zugrundeliegende römische Sichtweise zu eigen macht, der zufolge Expansion und Provinzialisierung »Erfolge« sind, Rückzug und Aufgabe »Misserfolge«. Doch wenn man Erfolg und Misserfolg anders bestimmt, also – gleichsam gegen den Strich der Schriftquellen, aber auf deren Grundlage – etwa nach dem Maß der Integration der Menschen in einer Region fragt, wird man zu einer anderen Bewertung kommen.
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3. Modelle
4. Im Brennpunkt der Kulturen 4.1 Daker? Wie wir (in → Kap. 2) gesehen haben, beruht unsere Kenntnis der antiken Geschichte auf einer beschränkten Gruppe von letztlich oft zufällig erhaltenen Zeugnissen, die vor allem eine Außensicht auf die Welt innerhalb und außerhalb des Karpatenbogens erlauben. Dies hat nun Folgen für die Bestimmung des Gegenstands unserer Darstellung, da im Verlauf der antiken Geschichte eine Vielzahl von Bezeichnungen für die Menschen in jener Region genutzt wurde und wir deren Selbstbezeichnung mangels eigener Schriftzeugnisse nicht kennen. Die Bezeichnung »Daker« ist in den erhaltenen antiken Zeugnissen erstmals bei Gaius Iulius Caesar (100–44 v. Chr.) bezeugt. In seinem Werk über den Gallischen Krieg ist ein Exkurs über Germanien mit seinem »Herkynischen Wald« enthalten. Er wird von manchen Gelehrten zwar als spätere, aber auch von diesen als jedenfalls antike Einfügung angesehen. Die Breite des Herkynischen Waldes ist für einen guten Fußgänger so weit wie eine neuntägige Reise, denn auf keine andere Weise kann sie bestimmt werden; man hat dort keine Mittel, Strecken zu messen. Er beginnt in den Gebieten der Helvetier, der Nemeter und der Rauraker und erstreckt sich entlang der geraden Linie des Danubius (der Donau) bis an die Grenzen der Daker und der Anarter, dann wendet er sich nach links durch vom Fluss getrennte Regionen und berührt aufgrund seiner Größe die Grenzen vieler Völkerschaften. Es gibt niemanden in Germanien, den wir kennen und der sagen kann, dass er den Rand dieses Waldes erreicht hat, obwohl er vielleicht eine Reise von 60 Tagen unternommen hat, oder der erfahren hat, an (genau) welchem Ort er beginnt.
4.1 Daker?
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Es ist bekannt, dass es dort viele Arten von Wildtieren gibt, die an keinem anderen Ort zu finden sind und von denen sich die folgenden am meisten vom Rest der Tierwelt unterscheiden. Sie sind es wert, dokumentiert zu werden: Es gibt einen Ochsen in Form eines Hirsches, aus der Mitte von dessen Stirn zwischen den Ohren ein einziges Horn hervorragt, das größer und gerader ist als die uns bekannten Hörner. Von seinen oberen Ästen breiten sich die Zweige wie offene Hände aus. Die Hauptmerkmale von weiblichen und männlichen Tieren sind die gleichen, gleich sind Form und Größe der Hörner. Es gibt auch die sogenannten Elche. Ihre Form und schuppige Haut sind wie die von Ziegen, aber sie sind etwas größer und haben Hörnerstumpfe. Sie haben Beine ohne Knöchel und Gelenke und legen sich nicht zum Schlafen hin. Auch können sie, wenn ein Schlag sie zum Fallen gebracht hat, sich nicht selbst erheben oder aufstehen. Bäume dienen ihnen als Liegen; sie stützen sich auf sie, und so lehnen sie sich ein wenig an und ruhen sich aus. Wenn Jäger anhand von Spuren den Ort entdeckt haben, zu dem sich die Elche begeben wollen, untergraben sie entweder alle Bäume an diesem Ort an den Wurzeln oder sägen sie so weit an, dass sie nur dem äußeren Anschein nach stehen. Wenn die Elche sich dann nach ihrer Art an sie anlehnen, wirft ihr Gewicht die geschwächten Bäume nieder und sie selbst fallen mit ihnen um. (Caesar, Gallischer Krieg 6,25–27)
Der Autor stellt seiner Leserschaft also einen riesigen, schier unendlichen Wald vor. Dieser erstreckt sich entlang der Donau, die als gerade Linie von der Region der Helvetier (in der heutigen Nordschweiz), Nemeter (zwischen Pfalz und Bodensee) und Rauraker (im südlichen Oberrheingebiet) weit nach Osten verläuft, bis in die Region der »Daker« und »Anarter«. Deren Siedlungsgebiete liegen demnach am Lauf der Donau noch vor deren Einmündung in das Schwarze Meer, sind aber nicht näher bestimmt. Der Geograph Strabon von Amaseia, der um die Zeitenwende in der Zeit des Kaisers Augustus, also ein bis zwei Generationen nach dem Gallischen Krieg, ein umfassendes Werk zur Geographie schrieb, nennt die »Daker« als »gleichsprachig« (homoglottoi) mit den Geten, die ihrerseits
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4. Im Brennpunkt der Kulturen
wiederum »gleichsprachig« mit den Thrakern sind (Strabon, Geographie 7,3,10 und 13); die beiden letztgenannten Gruppen siedeln an der Schwarzmeerküste. Strabons Zeitgenosse, der Historiker Pompeius Trogus, gibt in seinem (nur teilweise durch die Exzerpte des Justin erhaltenen; s. o. → Kap. 2.4) Geschichtswerk dann auch an, dass die Daker »Abkömmlinge« (suboles) der Geten sind (Justin aus Pompeius Trogus, Historien 32,3,16). Beide Autoren gehen also um die Zeitenwende – und damit lange vor der römischen Eroberung, die erst etwa ein Jahrhundert später erfolgen sollte (s. u.. → Kap. 6.1) – davon aus, dass Geten und Daker gleichsprachig und miteinander eng verwandt seien. Im 1. Jahrhundert n. Chr. kann Gaius Plinius Secundus d. Ä. (23/24–79 n. Chr.) in Angaben zur Geographie in seinem enzyklopädischen Werk zur Naturkunde dann schreiben: Die Geten werden von den Römern Daker genannt. (Plinius d. Ä., Naturkunde 4,80)
Thrakien war als Küstenregion im Norden der Ägäis, am Marmarameer und im Südwesten des Schwarzen Meeres in den antiken Quellen wohlvertraut und entspricht etwa den heutigen Regionen Thrakia in Nordostgriechenland, dem europäischen Teil der Türkei (die dort siedelnde Gruppe wird in manchen Quellen auch als die der »Besser« bezeichnet) und dem äußersten Südosten Bulgariens. Die Geten ihrerseits erscheinen als Teil der Thraker bereits im 5. Jahrhundert bei dem großen griechischen Historiker Herodotos von Halikarnassos (Herodot, um 484–um 425 v. Chr.), wie wir gleich (s. u. → Kap. 4.3) sehen werden. Als Kernland der Geten stellen sich antike Autoren das nördlich an Thrakien anschließende Gebiet bis zum Donaudelta vor. Wiederum nördlich davon siedeln dann die oft als unzivilisierte Halbnomaden beschriebenen Bastarner, Kostoboken, Roxolanen und Sarmaten. Nördlich des Karpatenbogens verortete man die Burer, ganz am Nordostrand der seinerzeit bekannten Welt die Skythen und die mythischen Amazonen, einen Stamm kriegerischer Frauen am Ende der Welt. Westlich des Karpatenbogens siedelten die Jazygen, jenseits der Ungarischen Tiefebene war dann seit 9 n. Chr. die römische Provinz Pannonia eingerichtet. Südwestlich des Karpatenbogens kennen antike Autoren eine
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Gruppe, die sie als Skordisker bezeichnen. Als deren wichtigster Ort galt Singidunum an der Mündung des Flusses Save in die Donau, das heutige Belgrad in Serbien. Das Gebiet der Triballer nahm man wohl etwa in der Region des heutigen Kosovo an. Weiter im Süden, zwischen dem südlich der Donau gelegenen Moesien und dem an die Ägäis grenzenden Makedonien, verortete man die Dardaner. Nicht alle Gruppen, die sich griechische und römische Autoren am Unterlauf der Donau vorstellen, werden von ihnen als Träger von »Kulturen« wahrgenommen, und nicht bei allen ist das Hauptsiedlungsgebiet hinreichend klar beschrieben. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Gebiete jenseits des griechisch-römischen Kerngebiets im Mittelmeerraum in der Antike kaum erkundet waren. Wenn wir heute einen Geschichtsatlas nutzen und in diesem die Gebiete der eben genannten Gruppen eingetragen sehen, entspricht das nicht der antiken Sichtweise. Ein Vergleich verschiedener modernen Geschichtskarten macht vielmehr anschaulich, wie schwierig es ist, die tatsächlichen Gebiete jener Gruppen klar zu umreißen und legt durchaus unterschiedlich plausible Lokalisierungen offen. Antike Autoren sahen dieses Problem nicht, nicht zuletzt, weil sie keine Landkarten der uns vertrauten Art vor Augen hatten. Für sie waren all diese »Randgebiete« jenseits des für sie interessanten Kulturlands, auch Dakien, in jeder Hinsicht marginal. Die exakte Lage war dabei schlicht uninteressant – solange man eben von einem Wald erzählen konnte, in dem es Einhörner und mit einem angesägten Baum zusammen umfallende knielose Elche gibt!
4.2 Griechen Die ersten ausführlicheren Nachrichten über die antike Geschichte der Geten (und die mit ihnen verwandten und gleichsprachigen Daker) beziehen sich auf Siedlungsgebiete östlich des Karpatenbogens, namentlich auf das Donaudelta in der rumänischen Dobrudscha und die südlich davon gelegenen Küstenregionen.
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In der Nähe der Mündung des Pontos (des Schwarzen Meeres in das Marmara-Meer) liegt das Land der Byzantier (heute İstanbul, Türkei), Philia genannt, dann ein bestimmtes Ufer namens Salmydessos (heute Kıyıköy an der Schwarzmeerküste der europäischen Türkei); 700 Stadien (gut 12 km) lang erstreckt es sich, voller Untiefen, als Ankerplatz schwierig, ganz ohne Häfen: für Schiffe ein sehr feindseliger Ort. Dann schließt sich das Vorgebirge Thynias (İğneada Burnu) mit guten Häfen an, als letztes vor der Thrakia Astike (dem »städtischen Thrakien«). Bei ihm liegt die Stadt Apollonia (s. u., auch für die weiteren Namen) auf der gemeinsamen Grenze. Diese Stadt haben etwa 50 Jahre vor der Herrschaft des Kyros Leute aus Milet gegründet, die in diese Gegend kamen; sie schickten ja viele Aussiedlungen (apoikiai) von Ionien aus an den Pontos, der zuvor wegen der Angriffe der Barbaren als »gastfeindlich« (axenos) bezeichnet wurde, nun aber den Beinamen »gastfreundlich« (euxeinos) erlangte. An den Ausläufern des so genannten Haimos (des Balkangebirges) ist die Stadt namens Mesembria, deren Gebiet an die Thrakia Getike (das »getische Thrakien«) grenzt; Leute aus Chalkedon und Megara gründeten sie, als Dareios Krieg gegen die Skythen führte. Dionysopolis (»Dionysos-Stadt«) hieß zunächst Krounoi (»Quellen«) nach den nahe gelegenen Wasserquellen, … später aber nach einer Statue des Dionysos, die aus dem Meer dort angeschwemmt wurde, Dionysopolis, wie man sagt. Die Stadt Tomoi haben Aussiedler (apoikoi) der Leute aus Milet besiedelt, die Skythen wohnten rings um sie herum. Die Stadt Istros, die ihren Namen vom Fluss (Istros, Donau) hat, haben Leute aus Milet gegründet, nachdem eine Armee von barbarischen Skythen nach Asien eingedrungen war. (Pseudo-Skymnos, Küstenbeschreibung 722–742, Frg. 2b, 5 und 6)
All diese Informationen bietet ein in Teilen erhaltenes Lehrgedicht (es ist oben in einer Prosa-Übersetzung angeführt), das einem Nikomedes gewidmet ist; nach Auffassung der heutigen Forschung ist damit wohl Nikomedes III. gemeint, der von 127 bis 94 v. Chr. König von Bithynien in Kleinasien war. Der Name »Skymnos«, unter dem der Autor sein Gedicht schreibt, ist eigentlich der eines griechischen Geographen, dessen Prosawerk aber nicht erhalten ist; der Autor des Lehrgedichts wird heute deshalb 4.2 Griechen
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als »Pseudo-Skymnos« bezeichnet. Sein Werk ist nicht vollständig erhalten; nach 747 Versen bricht die einzige erhaltene Abschrift ab, die weiteren Fragmente sind u. a. aus einer erhaltenen spätantiken Kompilation zu rekonstruieren, die aus mehreren Vorlagen eine Küstenbeschreibung des Schwarzen Meeres bietet. Pseudo-Skymnos nennt in den hier zitierten Versen seiner Beschreibung der antiken Welt einige Orte an der Westküste des Schwarzen Meeres. Er gibt wiederholt an, wie dort durch griechische Auswanderer, die vor allem von der griechischen Stadt Milet in Ionien (bei Balat, Provinz Aydın, Türkei) ausgingen, so viele Aussiedlungen (apoikiai, von griechisch apo, »von – weg«, und oikos, »Haus«) angelegt wurden, dass die vorher an der Küste bestehende Bedrohung durch unzivilisierte »Barbaren« endete und das Schwarze Meer »gastfreundlich« wurde. Der Autor nennt dabei u. a. Apollonia, Mesembria und Dionysopolis; das sind die heutigen Städtchen Sosopol, Nessebar und Balchik an der Schwarzmeerküste Bulgariens. Deren Gebiet werde als »Thrakia Getike«, als »getisches Thrakien« bezeichnet. Sodann nennt der Autor, der Pontos-Küste nach Norden folgend, Tomoi, das heutige Constanţa in Rumänien, und eine Küstenstadt am südlichen Rand des Donaudeltas, die wie der Fluss selbst Istros geheißen habe; andere Autoren nennen diese Siedlung auch Istria, Histria oder auch Istropolis (heute Cetatea Histria, Kreis Constanţa, Rumänien). Schon Herodot (Historien 2,33,4) bezeichnet ihre Bewohner als apoikoi (Aussiedler), die aus Milet stammten. Daten nennt Pseudo-Skymnos ebenfalls: Apollonia sei »50 Jahre vor der Herrschaft des Kyros« gegründet. Kyros der Große war von etwa 559 bis 530 v. Chr. König des Perserreichs, die Gründung der Siedlung wird also ins späte 7. oder frühe 6. Jahrhundert v. Chr. datiert. Istros hingegen sei – ebenfalls von Milesiern – nach einem Einfall »barbarischer Skythen« errichtet worden, der freilich nicht datierbar ist; der Kirchenvater Eusebios (Euseb, 260/264–339/340 n. Chr.) datiert in seiner Chronik (zum 4. Jahr der 30. Olympiade) die Gründung dieser Stadt bereits in die die Mitte des 7. Jahrhunderts v. Chr. Wohl bereits im Zusammenhang mit dem von Pseudo-Skymnos genannten und gleich (s. u. → Kap. 4.3) zu besprechenden Feldzug des Per-
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serkönigs Dareios I. wurden diese Städte von den Persern erobert. Sie wurden offenbar bald wieder unabhängig, erholten sich und blieben auch im weiteren Verlauf der Antike als günstig gelegene Handelsplätze besiedelt, ja, nach Ausweis insbesondere der archäologischen Funde erblühten sie. Während in Apollonia, Mesembria, Dionysopolis und Tomoi bauliche Reste wegen der über ihnen errichteten späteren Stadtanlagen kaum erhalten sind, wurde Istros wohl 238 n. Chr. angegriffen (s. u. → Kap. 8.3), in der Spätantike aufgegeben und nicht wieder überbaut, so dass in den Ausgrabungen der letzten gut 100 Jahre beachtliche Ruinen freigelegt werden konnten (→ Bild S. 134). Ganz am Rand des Bereichs, den der Karpatenbogen und seine Umgebung bestimmen, gab es also seit dem 7. Jahrhundert v. Chr. griechische Niederlassungen – die erste der »Kulturen«, die wir nun kennengelernt haben.
4.3 Perser In den erhaltenen antiken Schriftzeugnissen beginnen die ausführlicheren Nachrichten über die Region des Karpatenbogens und seiner Nachbargebiete dann gleichsam mit einem Paukenschlag. Kein geringerer als Dareios der Große, Sohn des Hystaspes, der von 521 bis 486 v. Chr. als Dareios I. König des Perserreichs war, ist dafür laut Herodot (s. o. → Kap. 4.2) maßgeblich. Er ist heute vor allem wegen seines Vormarschs gegen Griechenland berühmt, bei dem er erst 490 v. Chr. in der Schlacht von Marathon eine Niederlage erlitt. Dareios hatte eine Expansion seines Reichs nach Westen lange zuvor, bereits seit 513 v. Chr., geplant und zog dafür zunächst in das Gebiet an der Westküste des Schwarzen Meeres, um die im Norden siedelnden »Skythen« (s. o. → Kap. 4.1) zu unterwerfen. Um ein Landheer in jene Region führen zu können, musste es ihm zunächst gelingen, die »Bosporos« genannte Meerenge bei Byzantion (heute İstanbul, Türkei) zu überqueren; dazu ließ der König durch einen griechischen Baumeister eine Schiffsbrücke errichten. Der Historiker Herodot erzählt dann weiter:
4.3 Perser
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Als Dareios nun den Pontos angesehen hatte, fuhr er zurück zu der Brücke, deren Baumeister Mandrokles aus Samos war. Und als er sich auch den Bosporos angesehen hatte, ließ er an ihm zwei Stelen aus weißem Stein errichten, wobei er auf der einen in assyrischer Schrift, auf der anderen in griechischer alle Stämme einmeißeln ließ, die er mitführte; er führte aber alle mit, über die er herrschte. Von diesen wurden ohne die Flotte 700 000 einschließlich der Reiter gezählt, Schiffe waren 600 versammelt. (Herodot, Historien 4,88,1)
Während das Riesenheer auf dem Landweg in Richtung des Mündungsdeltas der Donau marschierte, sollten aus dem griechisch besiedelten, nun weitgehend zum Perserreich gehörenden Westkleinasien – konkret aus Ionien, dem nördlich davon gelegenen Aiolien und aus der HellespontRegion (den Dardanellen) und den vorgelagerten Inseln wie Samos und Lesbos – Verbände zu Schiff in dieselbe Region fahren. Dareios aber belohnte Mandrokles und schritt dann nach Europa hinüber; dabei befahl er den Ioniern, in den Pontos zu fahren bis zum Fluss Istros (Donau), und wenn sie in den Istros hineingekommen seien, sollten sie dort auf ihn warten, wobei sie den Fluss überbrücken sollten. Die Flotte stellten nämlich die Ionier, Aioler und Hellespontier. Das Schiffsheer also … segelte geradewegs auf den Istros zu, fuhr dann zwei Tage Fahrt den Fluss aufwärts vom Meer und überbrückte den Hals des Flusses, wo der Istros sich in seine Mündungen aufteilt. Dareios aber zog, als er den Bosporos auf der Schiffsbrücke überschritten hatte, durch Thrakien. (Herodot, Historien 4,89,1–3)
Ein zeitgenössisches Zeugnis für diesen Feldzug dürfte eine in Gherla (Armenierstadt, Kreis Cluj, Rumänien) gefundene und 1954 publizierte persische Bauinschrift auf einer Tontafel sein. Sie besagt:
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[…] König [Dareios] Sohn des Hystaspes […] […] tat […] (Persische Tontafel »DGh« aus Gherla; ed. Mayrhofer 1978, 16 und Lecoq 1997, 218)
Dass das Fragment der Tontafel echt ist und den Sohn des Hystaspes, also Dareios I., nennt, ist unbestritten. Wie es aber nach Gherla innerhalb des Karpatenbogens geraten ist, muss offenbleiben. Dass Dareios seinen Zug nach Westen über die Karpaten ausdehnte, ist nämlich unwahrscheinlich. Möglicherweise wurde das Objekt zu einem späteren Zeitpunkt – als Beutegut? – aus dem östlich des Karpatenbogens gelegenen Gebiet des persischen Aufmarsches verschleppt und kam so im 20. Jahrhundert in Gherla wieder ans Licht. Auf dem Marsch von Thrakien zur Donau unterwarf Dareios – Herodot zufolge – die »Geten, die tapfersten und gerechtesten Leute der Thraker«, dann ließ er sein Heer die Donau auf der von den Ioniern inzwischen errichteten Schiffsbrücke überqueren (Herodot, Historien 4,93 und 4,97,1) und befahl gleich anschließend deren Abbau. Dem Vorhaben widersprach aber ein griechischer Feldherr aus Mytilene auf Lesbos. Er sagte: »O König, gegen ein Land willst du ziehen, wo weder bestellter Ackerboden noch eine bewohnte Stadt zu sehen sein werden; du also lasse diese Brücke an ihrem Ort stehen, wobei du die als Wächter zurücklässt, die sie gebaut haben.« (Herodot, Historien 4,97,3–4)
In der Tat sollte Dareios die Brücke bald für seinen Rückzug benötigen. Die am Donaudelta und nördlich von ihm siedelnden Skythen werden hier als kulturlose Menschen charakterisiert, die ganz anders als Griechen und Perser keine Landwirtschaft betreiben und keine Städte bewohnen. Südlich ihres Siedlungsgebiets hingegen seien die Geten ansässig, ein für Herodot nicht weniger merkwürdiges und »einfältiges« (Herodot, Historien 4,93) Volk:
4.3 Perser
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An Unsterblichkeit aber glauben die Geten auf folgende Weise: Sie meinen, dass sie selbst nicht sterben und dass der Verstorbene zum Dämon Salmoxis geht; manche von ihnen nennen eben diesen auch Gebeleïzis. Alle vier Jahre schicken sie den von ihnen, der jeweils das Los zieht, als Boten zu Salmoxis, wobei sie ihm auftragen, was sie gerade brauchen. Sie entsenden ihn so: Die einen von ihnen werden aufgestellt und halten drei Speere (empor), die anderen (hinter diesen) ergreifen von demjenigen, der zu Salmoxis geschickt wird, Arme und Beine, schleudern ihn hoch und werfen ihn auf die Spieße. Wenn er nun aufgespießt stirbt, meinen sie, dass der Gott ihnen gnädig sei; wenn er aber nicht stirbt, beschuldigen sie den Boten, wobei sie sagen, dass er ein schlechter Mann sei; das werfen sie ihm vor und entsenden einen anderen. Den Auftrag aber geben sie ihm allerdings noch zu Lebzeiten. Eben dieselben Thraker (die Geten) schießen auch gegen Donner und Blitz mit Pfeil und Bogen hoch in den Himmel und bedrohen den Gott, wobei sie glauben, dass es keinen anderen Gott außer dem ihren (Salmoxis) gibt. Wie ich aber von den Griechen erfahre, die am Hellespont (den Dardanellen) und am Pontos (dem Schwarzen Meer) wohnen, soll dieser Salmoxis ein Mensch und auf Samos Sklave gewesen sein; er sei Sklave bei Pythagoras, dem Sohn des Mnesarchos, gewesen. Er sei dort freigelassen worden und habe sich ein großes Vermögen erworben, und mit diesem sei er in seine Heimat zurückgekehrt. Da aber die Thraker ein ärmliches Leben führten und etwas einfältig waren, dieser Salmoxis hingegen ionische Lebensart verstand und höhere Werte als die bei den Thrakern vertrat, da er ja mit Griechen Umgang gehabt hatte und unter den Griechen mit dem nicht gerade schwächsten Sophisten, mit Pythagoras, habe er einen Saal errichtet, in den er die Ersten der Bürger eingeladen und bewirtet habe; dabei habe er sie gelehrt, dass weder er selbst noch sie, seine Trinkgenossen, noch auch ihre jeweiligen Nachkommen sterben würden, sondern an einen Ort kämen, wo sie für immer leben und alles Gute haben würden. In der Zeit, in der er das eben Gesagte machte und dies vortrug, ließ er sich eine unterirdische Wohnung bauen. Und als ihm die Wohnung fertiggestellt war, verschwand er aus
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dem Kreis der Thraker: Er stieg in die unterirdische Wohnung hinab und blieb dort drei Jahre lang. Die (Thraker) vermissten und betrauerten ihn wie einen Toten. Im vierten Jahr aber erschien er den Thrakern wieder, und so wurde ihnen glaubhaft, was Salmoxis sagte. Dass er dies gemacht habe, sagen sie. Ich freilich misstraue dem über diesen und seine unterirdische Wohnung Gesagten nicht, bin aber auch nicht allzu vertrauensselig; mir scheint, dass Salmoxis viele Jahre früher als Pythagoras gelebt hat. Gleich, ob es einen Menschen Salmoxis gegeben hat oder ob das irgendein einheimischer Dämon für die Geten ist, er lebe wohl. (Herodot, Historien 4,94,1–96,2)
Östlich des Karpatenbogens, am Donaudelta, siedeln also den Gewährsleuten des Herodot zufolge merkwürdige Menschen: Wie die Skythen kennen auch sie keine Landwirtschaft und keine Städte, und sie glauben anders als die Griechen einfältigerweise an nur einen einzigen Gott, Salmoxis, und an die Geschichte seiner Auferstehung. Diesem »Gott« bringen sie sogar Menschenopfer, obwohl es eine rationale Erklärung für seine Erscheinung gab und obwohl doch jener Mann »mit Griechen Umgang gehabt« hatte, ja sogar mit dem großen griechischen Denker Pythagoras. Die Geten, deren Gebiet Herodot am Donaudelta verortet, erscheinen hier als etwas »einfältige«, den Griechen intellektuell unterlegene Thraker. Das griechische Publikum Herodots wird solche Geschichten gerne gehört oder gelesen haben, und der große Einfluss, den Herodots Geschichtswerk schon in der Antike hatte, wird zur Verbreitung der darin offenkundigen geringen Meinung über die Geten beigetragen haben. Fast ein halbes Jahrtausend nach Herodot berichtet der griechische Gelehrte Strabon von Amaseia in seiner Geographie (s. o. → Kap. 4.1) Folgendes über einen Zamolxis, der sicher mit dem bei Herodot genannten Salmoxis gleichzusetzen ist: Tatsächlich heißt es, dass ein gewisser Mann der Geten namens Zamolxis ein Sklave des Pythagoras gewesen sei und von ihm einige Dinge über die Himmelskörper gelernt habe, außerdem einige andere Dinge von den Ägyptern, denn bei seinen Wanderungen war er bis nach Ägypten gegangen. Als er in sein Heimatland zurückkehrte, wurde er von den
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Herrschern und dem Volk eifrig umworben, weil er Vorhersagen aus den Himmelszeichen machen konnte. Schließlich überredete er den König, ihn als Teilhaber seiner Herrschaft zu nehmen, weil er befugt sei, den Willen der Götter zu melden. Obwohl er anfangs nur zum Priester des in ihrem Land am meisten geehrten Gottes ernannt wurde, sprach man ihn später aber sogar als Gott an, und nachdem er einen bestimmten höhlenartigen Ort in Besitz genommen hatte, der für alle anderen unzugänglich war, verbrachte er sein Leben dort. Nur selten traf er sich mit jemandem aus dem Volk außer mit dem König und seinen eigenen Begleitern. Der König arbeitete mit ihm zusammen, weil er sah, dass das Volk viel mehr auf ihn achtete als zuvor, weil es glaubte, dass die von ihm verkündeten Dekrete dem Rat der Götter entsprachen. Dieser Brauch blieb bis in unsere Zeit hinein bestehen, denn immer wieder war ein Mann dieser Art zu finden, der zwar nur ein Berater des Königs war, aber unter den Geten als Gott angesehen wurde. Das Volk nahm die Vorstellung auf, dass der Berg (in dessen Höhlen dieser »Gott« lebe) heilig sei, und sie bezeichnen ihn auch so; sein Name ist Kogaionon wie der des Flusses, der an ihm vorbeifließt. So war auch zu der Zeit, als Byrebistas, gegen den sich der vergöttlichte Caesar bereits auf einen Feldzug vorbereitet hatte, über die Geten herrschte, und diese Position von Dekaineos besetzt war, die pythagoräische Lehre der Enthaltung vom Verzehr von Lebewesen noch erhalten, wie sie Zamolxis gelehrt hatte. (Strabon, Geographie 7,3,5)
Mit den Anhängern des Pythagoras verband man in der Antike sowohl strenge Speisegebote – insbesondere das Verbot, Tierfleisch zu essen – als auch eine mathematische Durchdringung des Universums. Zamolxis habe von Pythagoras gelernt und sich dann eine besondere Funktion beim »König« verschafft, der wiederum von der Gottesnähe oder gar Göttlichkeit seines Beraters Nutzen hatte. Auch wenn es viele moderne Versuche gibt, die genaue Lage des nur hier belegten Kogaionon für einen Berg und einen Fluss zu bestimmen, ist dies anhand dieser isolierten Angabe bei Strabon
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nicht möglich; sonst könnte man wissen, wo jedenfalls Strabon das Zentrum der frühen »Geten« verortet. Und auch wenn Strabon nichts Näheres über einen frühen »König« der Geten weiß, sieht er jedenfalls in der Position des Dekaineos einen parareligiösen Einfluss im Reich der Geten; wir werden darauf (in → Kap. 5.3) zurückkommen. Die in der Auseinandersetzung mit den Persern bekannt gewordenen Geten erscheinen, wie wir gesehen haben, bei den antiken Autoren als rückständig. Nach Auffassung der zitierten Quellen sei vielmehr die aufgeklärte griechische Kultur der getischen Einfalt weit überlegen gewesen.
4.4 Philipp II. Dareios d. Gr. sollte nicht der einzige Machthaber bleiben, der in einer Auseinandersetzung mit den »Skythen« das Gebiet der »Geten« an der Donaumündung zu unterwerfen suchte. Der bereits oben (in → Kap. 2.4) vorgestellte römische Geschichtsschreiber Pompeius Trogus berichtet dem von Justin erstellen Exzerpt zufolge von einem Hilfsgesuch des skythischen Königs Atheas über die Leute der (ebenfalls schon oben in → Kap. 4.2 genannten) Grenzstadt Apollonia (Sosopol, Bulgarien) an Philipp II. (um 382–336 v. Chr.), der seit 359 König von Makedonien war und gerade Byzantion (heute İstanbul, Türkei) belagerte: Es war zu jener Zeit Atheas König der Skythen, der durch einen Krieg mit den Leuten von Istros bedrängt war und über die Leute von Apollonia Philipp um Hilfe bat, wobei er angab, er wolle ihn als seinen Nachfolger im Königreich Skythien adoptieren. In der Zwischenzeit aber starb der König der Istrier und befreite die Skythen sowohl von der Angst vor dem Krieg als auch vom Mangel an Hilfe. Atheas schickte deshalb die Makedonen wieder fort und befahl, dass man dem Philipp melde, er habe weder um Hilfe gebeten noch seine Adoption vorgeschlagen; die Skythen brauchten nämlich keinen Schutz von den Makedonen, da sie ihnen überlegen seien; auch brauche er keinen Erben, da er einen unversehrten Sohn habe. Als Philipp dies hörte, schickte er Botschafter an Atheas, um ihn zu bitten, zumindest einen Teil der Kosten der Belagerung (von
4.4 Philipp II.
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Byzantion) zu übernehmen, damit er nicht gezwungen werde, sie aus Geldmangel zu beenden; diese Bitte könne Atheas umso leichter erfüllen, da er, als Philipp ihm ja Soldaten zu seiner Unterstützung geschickt hatte, nicht einmal ihre Ausgaben auf dem Marsch bezahlt habe, ganz zu schweigen von dem Lohn für ihren Dienst. Atheas aber gab dagegen die Strenge ihres Klimas und die Kargheit ihres Bodens, der den Skythen keinen Reichtum biete, ja kaum Nahrungsmittel, als Gründe an und antwortete, er habe keine Schatzkammer, um einen so großen König zu befriedigen, und halte es für weniger ehrenhaft, wenig zu tun, als sich ganz zu weigern; die Skythen aber solle man nach ihrer Tapferkeit und Widerstandsfähigkeit des Körpers beurteilen, nicht nach ihrem Besitz. Philipp sah sich von dieser Botschaft verspottet, brach die Belagerung von Byzantion ab und trat nun in einen Krieg gegen die Skythen ein. Zunächst schickte er Botschafter, um sie in Sicherheit zu wiegen, indem er dem Atheas sagen ließ, er habe, als er Byzantion belagerte, dem Herakles eine (Bronze-)Statue gelobt, die er vor der Mündung des Istros (Donau) aufstellen wolle; nun bitte er um einen ungehinderten Durchgang, um sein Gelübde an den Gott erfüllen zu können, da er als Freund der Skythen komme. Atheas antwortete, er solle, wenn es ihm nur darum gehe, sein Gelübde zu erfüllen, die Statue zu ihm schicken, und versprach, dass sie nicht nur aufgestellt werden, sondern auch unversehrt bleiben sollte; einer Armee zu gestatten, in sein Gebiet einzudringen, erlaube er hingegen nicht. Wenn Philipp die Statue den Skythen zum Trotz selbst aufstellen sollte, werde er sie nach seinem Tod niederreißen und die Bronze in Pfeilspitzen umschmelzen. Auf beiden Seiten waren die Gemüter erhitzt, und so wurde ein Kampf ausgetragen. Obwohl die Skythen an Mut und Zahl überlegen waren, wurden sie durch eine schlaue Finte (astus) Philipps besiegt. 20 000 Knaben und Frauen wurden verschleppt, dazu eine große Anzahl von Rindern, aber kein Gold oder Silber. Dies war der erste Beweis für die Armut in Skythien. Auch wurden 20 000 edle Stuten nach Makedonien geschickt, um dort eine Pferdezucht zu betreiben.
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4. Im Brennpunkt der Kulturen
Aber als Philipp aus Skythien zurückkehrte, trafen ihn die Triballer und weigerten sich, ihm den Durchzug zu gestatten, es sei denn, sie erhielten einen Teil der Beute. So entstanden erst ein Streit und dann eine Schlacht, in der Philipp so schwer (durch einen Pfeilschuss) am Oberschenkel verletzt wurde, dass sein Pferd durch seinen Körper hindurch getötet wurde. Allgemein wurde angenommen, er sei tot, und so war die Beute verloren. Auf diese Weise hatte sich die skythische Beute – wie mit einem Fluch beladen – für die Makedonen fast als tödlich erwiesen. (Justin aus Pompeius Trogus, Historien 9,2,1–3,2)
Die Verletzung Philipps II. im Kampf mit den Triballern (zu deren Kernland s. o. → Kap. 4.1) hatte einen hinkenden Gang des Königs zur Folge; sie wurde übrigens zuletzt vor wenigen Jahren beim Versuch der Identifizierung eines in einem Königsgrab in Vergina (Makedonien, Griechenland) Bestatteten, der eine Pfeilschussverletzung am Oberschenkel aufwies, als Argument dafür herangezogen, dass hier tatsächlich Philipp II. bestattet sei (was im Zusammenhang mit dem oben in → Kap. 2.5 erwähnten Streit zwischen Griechenland und Nordmazedonien von aktueller Bedeutung war). In unserem Zusammenhang von Interesse ist aber vor allem das Motiv, dass die besitzlosen Skythen in ihrer rauen, weder vom Boden noch vom Klima begünstigten Heimat als krasser Gegensatz zu den Mittelmeerkulturen und namentlich Makedonien dargestellt werden. Philipp II. blieb, so lesen wir also, gegenüber einer Übermacht allein aufgrund seiner Schlauheit siegreich: Kluge Kultur besiegte unzivilisierte Übermacht.
4.5 Alexander der Große Militärisch weit erfolgreicher als Philipp II. war sein Sohn Alexander III. (365–323 v. Chr.), der 336 v. Chr. die makedonische Königsherrschaft übernahm und die Expansion des Reichs fortsetzte, zunächst in derselben Region wie sein Vater, später dann in so großen Teilen der Welt, dass er als Alexander der Große bis heute berühmt ist. Bald nach seinem Herrschaftsantritt also unternahm Alexander einen Feldzug in das Mündungsgebiet der
4.5 Alexander der Große
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Donau an der Spitze eines Heeres, das aus einer großen Anzahl bewaffneter Reiter und sehr vielen Fußsoldaten bestand und auf dem Schwarzen Meer von einer Flotte begleitet wurde. Letztere waren nach makedonischer Art mit einer Sarisse (einem Langspeer) ausgerüstet und bildeten, als Phalanx aufgestellt, eine fast unschlagbare Formation. Den Verlauf der Auseinandersetzungen schildert anhand älterer, uns verlorener, Quellen in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. der griechisch schreibende römische Autor Lucius Flavius Arrianus (Arrian, um 85/90–nach 145/146 n. Chr.): Alexander beschloss, den Istros (die Donau) zu überqueren und gegen die Geten zu ziehen, die auf der anderen Seite dieses Flusses wohnten; er beobachtete nämlich, dass viele von ihnen sich am Ufer des Flusses versammelt hatten, um ihm den Weg zu versperren, falls er eine Überquerung versuchen sollte; es gab von ihnen etwa 4000 Reiter und mehr als 10 000 Fußsoldaten. Zugleich ergriff den Alexander eine Sehnsucht (pothos), über den Istros hinauszugehen. So ging er selbst an Bord seiner Schiffe, füllte aber auch die Tierhäute, die ihnen als Zeltabdeckung dienten, mit Heu und zog aus dem Gebiet alle Boote zusammen, die aus einzelnen Baumstämmen hergestellt waren. Davon gab es eine große Fülle, denn die Menschen, die in der Nähe des Istros wohnen, nutzen sie zum Fischfang im Fluss Istros, manchmal auch dazu, sich gegenseitig Dinge auf dem Fluss zu schicken, oft aber, um jene anderen zu berauben. Nachdem er so viele von ihnen zusammengezogen hatte, wie er konnte, setzte er auf ihnen so viele seiner Soldaten wie möglich über den Fluss. Es waren diejenigen, die mit Alexander kreuzten, 1500 Reiter und 4000 Fußsoldaten. Die Überquerung erfolgte nachts, wo ein Feld mit hoch stehendem Getreide stand; dieses verbarg sie, als sie das andere Ufer erreichten. Bei Tagesanbruch führte Alexander die Truppen durch das Feld und befahl den Fußsoldaten, mit flach gehaltenen abgesenkten Sarissen das Getreide niederzudrücken und so in das nicht angebaute Gelände vorzudringen. Solange die Phalanx durch das Getreidefeld vorrückte, folgten ihr die Reiter nach, aber als sie aus dem angebauten Land heraus-
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4. Im Brennpunkt der Kulturen
kamen, führte Alexander selbst das Pferd am rechten Flügel und befahl dem Nikanor, die Phalanx in Position zu bringen. Die Geten hielten nicht einmal dem ersten Angriff der Reiter stand; unglaublich erschien ihnen ja Alexanders Kühnheit, der den Istros, den größten Fluss, in einer einzigen Nacht ganz einfach ohne den Bau einer Brücke über den Fluss überquert hatte. Schrecklich waren für sie die dicht geschlossene Ordnung der Phalanx und der gewaltige Angriff der Reiter. Zuerst flohen sie in ihre Stadt, die 1 Parasange (gut 6 km) vom Istros entfernt lag. Dann sahen sie, dass Alexander seine Phalanx vorsichtig am Flussufer entlangführte, um zu verhindern, dass seine Fußsoldaten irgendwo von den im Hinterhalt liegenden Geten umzingelt würden, aber dass er seine Reiter direkt weiterschickte. So verließen sie ihre Stadt wieder, weil sie schlecht befestigt war; sie nahmen so viele ihrer Frauen und Kinder mit, wie ihre Pferde tragen konnten; ihr Zug führte so weit wie möglich vom Fluss weg in die Wüste (ta erema, Gebiete, die wüst und leer sind). Alexander nahm die Stadt und die ganze von den Geten zurückgelassene Beute an sich und übergab sie an Meleagros und Philipp, um sie wegzubringen. Nachdem er die Stadt verwüstet hatte, brachte er am Flussufer Opfer für Zeus Soter (»den Bewahrer«), Herakles und Istros selbst dar, weil dieser ihm die Überquerung erlaubt hatte. Während es noch Tag war, brachte er alle seine Männer sicher zurück ins Lager. (Arrian, Anabasis 1,3,5–4,5)
Die Motivation, die der antike Autor dem makedonischen Eroberer unterstellt, ist neben militärischen Überlegungen vor allem der pothos, die unbestimmte Sehnsucht Alexanders nach mehr, hier danach, »über den Istros hinauszugehen«. In der Tat sind die enormen Eroberungen Alexanders d. Gr. schon dem Altertum letztlich oft nur durch Rekurs auf diese in der Persönlichkeit des Königs liegende Haltung erklärbar geworden: Es sei diese »Sehnsucht« nach mehr, insbesondere nach dem Überschreiten jedenfalls anscheinend von der Natur gesetzter Grenzen – wie hier der Donau und später dann dem Indus –, die Alexander angetrieben und zu vorher undenkbaren Erfolgen geführt habe.
4.5 Alexander der Große
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Bereits bald nach seiner Herrschaftsübernahme zeigte sich dies, so Arrian: Anders als sein Vater Philipp konnte Alexander einen nachhaltigen militärischen Erfolg über die Geten erringen, dabei sogar deren primitive Einbäume einsetzen und schließlich die »schlecht befestigte« Stadt der Geten einnehmen, während jene mit Frau und Kind auf ihren Pferden in die Wüstengebiete flohen, wo immer diese gelegen haben mögen. Alexanders pothos bezog sich freilich nicht auf ein Gebiet, das wüst und leer war, sondern auf weitere Eroberungen, die ihn in den nächsten Jahren zum Beherrscher des größten Teils der antiken Welt machen sollten. Den zuvor als völlig kulturlos geschmähten Geten wird hier nun immerhin eine Stadt zugeschrieben, die allerdings doch so schlecht gesichert gewesen sei, dass eine Flucht der Bevölkerung die einzige Rettung vor Alexander blieb. Erneut hatte sich die von ihm repräsentierte Kultur als überlegen erwiesen.
4.6 Lysimachos Auch nach dem unerwartet frühen Tod Alexanders d. Gr. 323 v. Chr. war das Gebiet der Geten erneut Ziel militärischer Vorhaben, nun eines seiner ehemaligen Feldherren: Lysimachos (361/360–281 v. Chr.) hatte sich nach den Auseinandersetzungen unter den »Diadochen«, den Nachfolgern Alexanders d. Gr., seit 306/305 v. Chr. als König von Thrakien durchgesetzt. Er unternahm 292 v. Chr. Vorstöße in das Gebiet der Geten, von denen im 1. Jahrhundert v. Chr. der Historiker Diodor (s. o. → Kap. 2.4) berichtet. Dessen Bibliothek genannte historische Darstellung ist hier allerdings nicht im Zusammenhang überliefert, sondern nur durch die Konstantinischen Exzerpte aus dem 10. Jahrhundert n. Chr., die wir oben (in → Kap. 2.4) bereits kennengelernt haben. Aus Diodors Werk erhalten ist so die folgende Passage über eine Auseinandersetzung zwischen Lysimachos und den Thrakern unter Führung des Königs Dromichaites, zunächst durch die Exzerpte über Tugenden und Laster, dann nach einem Verweis durch die Exzerpte über Sinnsprüche. Es geht um eine Szene, die den König Lysimachos nach einer Niederlage seines Heeres als Gefangenen des Thrakerkönigs präsentiert:
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4. Im Brennpunkt der Kulturen
Dromichaites, der König der Thraker, der König Lysimachos jedes Mal willkommen geheißen, ihn geküsst und sogar »Vater« genannt hatte, ließ ihn und seine Kinder in eine Stadt namens Helis bringen. Nach der Gefangennahme der Armee des Lysimachos forderten die eilig versammelten Thraker, dass der gefangene König zur Bestrafung in ihre Mitte gebracht werden sollte. Es sei nur richtig, schrien sie, dass die Menge, welche die Gefahr des Kampfes geteilt hatte, erörtern und entscheiden solle, was mit den Gefangenen geschehen sollte. Dromichaites aber sprach sich gegen die Bestrafung des Königs aus und wies die Soldaten auf die Vorteile der Erhaltung seines Lebens hin. Sollte er hingerichtet werden, sagte er, würden andere Könige, die möglicherweise mehr zu fürchten seien als ihr Vorgänger, die Macht von Lysimachos übernehmen. Wenn hingegen sein Leben verschont bliebe, würde er den Thrakern dankbar sein, und ohne Gefahr für sich selbst würden sie auf diese Weise die Festungen wiedererlangen, die früher thrakisch waren. Als die Menge dem zugestimmt hatte, suchte Dromichaites unter den Gefangenen nach den Freunden von Lysimachos und denjenigen, die gewohnt waren, ständig bei ihm zu sein, und führte sie zum gefangenen König. Dann lud er nach dem Opfer den Lysimachos mit seinen Freunden und die bedeutendsten Thraker zum (wie üblich im Liegen einzunehmenden) Essen ein. Er bereitete zwei Arten von Liegen vor und benutzte für die Gesellscha ft des Lysimachos die erbeuteten königlichen Decken, für die anderen aber einfach Strohlager. In gleicher Weise ließ er zwei verschiedene Mahlzeiten zubereiten und stellte vor seine Gäste eine verschwenderische Reihe von Speisen aller Art auf einen silbernen Tisch, vor die Thraker aber Gemüse und einfach zubereitetes Fleisch auf einem billigen Brett. Schließlich schenkte er Wein für die Gäste in Gold- und Silbergefäßen aus, für seine Landsleute aber, wie es bei den Geten üblich war, in Bechern aus Horn oder Holz. Nachdem sie einige Zeit getrunken hatten, füllte er das größte der Trinkhörner, sprach Lysimachos als »Vater« an und fragte ihn, welche Mahlzeit königlicher sei, die für die Makedonen oder die für die Thraker. Lysi-
4.6 Lysimachos
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machos antwortete: »die makedonische«. Siehe weiter im Exzerpt über Sinnsprüche. (Konstantinische Exzerpte über Tugenden und Laster aus Diodor, Bibliothek 21,12,4–5)
Tatsächlich setzen die Exzerpte über Sinnsprüche den Auszug fort: Als Dromichaites den Lysimachos zum Essen eingeladen hatte und man zum Trinken übergegangen war, füllte er das größte der Trinkhörner, sprach Lysimachos als »Vater« an und fragte ihn, welche Mahlzeit königlicher sei, die für die Makedonen oder die für die Thraker. Als Lysimachos »das makedonische« sagte, fragte er: »Warum hast du dann solche Gebräuche und eine glänzende Lebensweise, ja sogar ein noch herrlicheres Königreich aufgegeben in dem Willen, unter Menschen zu kommen, die barbarisch sind und eine tierische Existenz führen, und in ein winterliches Land, das nicht über genügend Getreide und Früchte verfügt? Warum hast du einen Weg gegen die Natur geebnet, um ein Heer an einen Ort wie diesen zu bringen, an dem keine fremde Streitkraft im Freien überleben kann?« In seiner Antwort sagte Lysimachos, dass er in Bezug auf diesen Feldzug blind gehandelt habe; aber für die Zukunft werde er versuchen, ihm als Freund zu helfen und es nicht daran fehlen lassen, Freundlichkeit mit Freundlichkeit zu vergelten. Dromichaites nahm diese Worte großmütig auf, erreichte die Rückgabe der von den Leuten des Lysimachos übernommenen Gebiete, setzte ihm ein Diadem auf und schickte ihn auf den Weg. (Konstantinische Exzerpte über Sinnsprüche aus Diodor, Bibliothek 21,12,6)
Auch Lysimachos muss also – wie zuvor schon Dareios d. Gr., Philipp II. und Alexander d. Gr. – einsehen, dass die »barbarischen«, also unzivilisierten Randvölker eine »tierische Existenz« führen, da ihr Gebiet in Boden und Klima kein gutes Leben ermögliche. Das Motiv der unzivilisierten Geten, die am Rand von Kulturen wie denen der Griechen in den Kolonien, der Perser in ihrem Großreich und der Makedonen leben, aber trotz ihrer Rohheit menschliche Größe zeigen, passt zu der in Diodors Zeit verbreite-
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4. Im Brennpunkt der Kulturen
ten Auffassung vom »guten Wilden«, ändert aber nichts daran, dass antike Autoren die Thraker und Geten – und somit, wie wir oben (in → Kap. 4.1) gesehen haben, auch die mit ihnen verwandten und sprachgleichen Daker – anders als Griechen, Perser und Makedonen eben keineswegs zu den Kulturvölkern zählen. In diesem Kapitel haben wir aufgrund der Quellenlage vor allem die Geschichte der Kulturen und Siedlungsgebiete außerhalb des Karpatenbogens kennengelernt, namentlich die der rumänischen Dobrudscha und der südlich davon gelegenen Küstenregionen des Schwarzen Meeres, die 29 v. Chr. ein Teil der neuen Provinz Moesien des Imperium Romanum wurden (s. u. → Kap. 5.5). Nun erlauben uns die Quellen auch eine Befassung mit der Geschichte des Siebenbürgischen Beckens innerhalb des Karpatenbogens und der benachbarten Gebiete.
4.6 Lysimachos
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5. Der Karpatenbogen vor den Römern 5.1 Jordanes’ fiktive Königsliste Die frühesten Zeugnisse, die wir im vorigen Kapitel (→ Kap. 4) kennengelernt haben, bezogen sich auf die Welt im Osten des Karpatenbogens, in der einerseits die hohe Kultur der griechischen Siedlungen an der Küste des Schwarzen Meeres, andererseits die Gruppen der weitgehend kulturlosen Geten / Daker und Skythen bedeutend waren. Letztere hatten sich auch gegenüber Persern und Makedonen als unterlegen erwiesen. Den jüngeren zitierten Quellen aus der griechisch-römischen Welt zufolge handelte es sich um unzivilisierte, wenn auch großherzige Menschen. Die Welt innerhalb des Karpatenbogens hingegen erscheint in den erhaltenen antiken Schriftquellen zu jener Zeit noch nicht. Allerdings gibt es spätere Traditionen, die angeben, dass seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. »Könige« über die Daker herrschten. Die ausführlichste und bis heute wirkungsmächtigste Quelle für ein frühes Königtum ist die Darstellung bei einem spätantiken Autor: Jordanes. Über das Leben dieses Geschichtsschreibers wissen wir nur, was wir seinem erhaltenen Werk entnehmen können. Demnach war er im 6. Jahrhundert n. Chr. Sekretär (notarius) eines hochrangigen römischen Militärbefehlshabers (Jordanes, Getica 265), bevor er sein Geschichtswerk schuf. Der im frühen 6. Jahrhundert n. Chr. über Italien herrschende Ostgotenkönig Theoderich d. Gr. (451/456–526 n. Chr.) hatte um 520 den römischen Senator Cassiodorus (Cassiodor, um 485–um 550 n. Chr.) mit einer Niederschrift der Geschichte der Goten beauftragt; das Werk, das schließlich zwölf Bücher umfasste, war aber erst nach Theoderichs Tod abgeschlossen. Um die Mitte des Jahrhunderts konnte Jordanes, wie er selbst (Getica 2)
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5. Der Karpatenbogen vor den Römern
angibt, dieses Werk drei Tage lang einsehen; er verfasste dann eine eigene Version, die er aus anderen Quellen ergänzte und um aktuelle Ereignisse erweiterte, insbesondere um die beiden Gotenkriege des oströmischen Kaisers Justinian (um 482–565 n. Chr., König seit 527). Das Werk des Cassiodor ging verloren, das Werk Getica des Jordanes blieb erhalten. Es handelt Vom Ursprung und den Taten der Geten, die mit den Goten gleichgesetzt werden, und versucht, deren Geschichte mit der römischen Geschichte zu verbinden. Man könnte meinen, dass eine so späte Darstellung mit einem eigenen, durchaus politischen Programm für die Darstellung der Geschichte der letzten beiden Jahrhunderte vor der Zeitenwende kaum von Bedeutung sein sollte. In der modernen Geschichtsschreibung und auch in der popularisierten Geschichtsdarstellung (s. o. → Kap. 4.2) wird den Angaben des Jordanes allerdings oft eine große Bedeutung zugemessen. Das zeigen etwa die Ausstellungsprogramme von Museen (wie ein Besuch der Dauerausstellung im rumänischen Nationalmuseum der Vereinigung am Gründungsort des heutigen Staats Rumänien in Alba Iulia / Karlsburg verdeutlichen kann; s. u.. → Anhang) ebenso wie die didaktische Reduktion in rumänischen Schulbüchern. Der einfache Grund dafür ist, dass Jordanes die einzige erhaltene Gesamtdarstellung der »dakischen Königszeit« bietet und eine auf den ersten Blick plausible Abfolge von Königen innerhalb einer Dynastie präsentiert, wie sie sonst aus Königreichen in Mittelalter und Neuzeit vertraut ist. Nach einem Überblick über die Beziehungen der Geten zu Alexander d. Gr. und seinen Nachfolgern gibt Jordanes Folgendes an: Als danach König über die Goten Buruista (andere Abschriften bieten die Formen Burusista, Borusista, Byrruisia) war, kam Deceneus (Dicineus) ins Gotenland, zu der Zeit, zu der sich Sulla des Prinzipats der Römer bemächtigte. Diesen Deceneus nahm Buruista auf und gab ihm fast die königliche Macht; auf dessen Rat verwüsteten die Goten dann die Länder der Germanen, die jetzt die Franken innehaben. Caesar aber, der als erster aller Römer das Imperium für sich in Anspruch nahm, fast die ganze Welt seiner Befehlsgewalt unterwarf und alle Königreiche überwand, so dass er sogar die außerhalb unserer Welt gelegenen Inseln
5.1 Jordanes’ fiktive Königsliste
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in der Bucht des Ozeans besetzte und Leute, die den Namen der Römer nicht einmal vom Hörensagen kannten, für die Römer zu Tributpflichtigen machte, konnte die Goten trotz wiederholter Versuche nicht unterwerfen. Gaius Tiberius war dann schon der dritte, der über die Römer als König herrschte – die Goten jedoch blieben in seiner Herrschaft unbehelligt aktiv. Für sie war heilsam, angenehm und wünschenswert, dass sie alles, was ihnen ihr Berater Deceneus auftrug, auf jede Weise für erstrebenswert hielten, als nützlich beurteilten und sich für den Erfolg einsetzten. … Als aber Deceneus starb, hielten sie in fast gleicher Verehrung den Comosicus, weil er nicht ungleich im Kenntnisreichtum war. Er galt ihnen nämlich als König und Priester zugleich wegen seiner Erfahrung und richtete mit großer Gerechtigkeit die Völker. … Als auch dieser aus den menschlichen Dingen verschied, stieg Coryllus (Chorilus, Corillius) als König der Goten in die Königsherrschaft auf und herrschte 40 Jahre lang in Dakien über seine Stämme. Ich spreche vom alten Dakien, das jetzt bekanntlich die Völkerschaften der Gepiden besitzen. Dieses Land, das von Moesien aus gesehen jenseits der Donau liegt, wird von einem Kranz von Bergen eingeschlossen und hat nur zwei Zugänge, einen durch Boutae, den anderen durch Tapae (s. o. → Kap. 1.2). … Nach einer langen Zwischenzeit, als der Imperator Domitian König war und die Goten seine Habsucht fürchteten, lösten sie das Bündnis, das sie einst mit den anderen Principes geschlossen hatten, und verwüsteten das Ufer des Danubius (Donau), das schon lange vom römischen Imperium innegehabt worden war, nach Vernichtung von Soldaten zusammen mit deren Anführern. Dieser Provinz stand nach Agrippa damals Oppius Sabinus vor, bei den Goten aber hatte den Prinzipat Dorpaneus inne, als die Goten im begonnenen Krieg die Römer besiegten. (Jordanes, Getica 67–76)
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5. Der Karpatenbogen vor den Römern
Jordanes stellt also kurz die Geschichte der Goten / Geten im Karpatenbogen in der Zeit des Römischen Reichs dar. Er nennt nacheinander vier Inhaber der römischen Alleinherrschaft – Sulla, Caesar, Tiberius und Domitian – und stellt damit für die Herrscher Roms, die er (den zeitgenössischen Titeln widersprechend) als Inhaber des Prinzipats (principatus) oder als Könige (reges) bezeichnet, eine Abfolge fest, in der das Imperium Romanum von einem Herrscher auf den nächsten überging. Dieser Gedanke eines solchen Übergangs der Herrschaft – im Mittelalter wird man dann von translatio imperii sprechen – wird dabei sogar zu einer Zählung genutzt, wenn nämlich Tiberius als derjenige bezeichnet wird, der – was in Jordanes’ Darstellung ja zutrifft – »der dritte« ist, »der über die Römer als König herrscht«. Ohne weitere Datierungen bietet Jordanes also seiner Leserschaft für die römischen Herrscher eine Vierzahl von Sulla bis Domitian an. Tatsächlich entspricht eine solche Darstellung nicht den historischen Gegebenheiten: Lucius Cornelius Sulla war von 82 bis 79 v. Chr. als Diktator Herrscher über das Römische Reich, Gaius Iulius Caesar als Diktator von 46 bis 44 v. Chr.; Tiberius war von 14 bis 37 n. Chr. römischer Kaiser, Domitian von 81 bis 96 n. Chr. Jordanes setzt also zwei kurzlebige Diktaturen in der römischen Republik des 1. Jahrhunderts v. Chr. mit zwei langjährigen Kaiserherrschaften im 1. Jahrhundert n. Chr. gleich, unterlässt dabei aber jeden Hinweis auf unterschiedliche Verfassungsformen und Herrschertitel und suggeriert so eine translatio imperii. Freilich machen diese tatsächlichen Fehler Jordanes’ Darstellungsinteresse offenkundig: Er will eine kontinuierliche Reihe von Herrschern über das Römische Reich aufzeigen, der eine ebenso kontinuierliche Herrscherreihe der »Goten« entspricht. Auch für den Karpatenbogen nennt Jordanes nämlich vier Herrscher, die er – wie die genannten Römer – als Inhaber des Prinzipats (principatus) oder als Könige (reges) vorstellt: Der erste ist Buruista mit seinem Berater Deceneus; letzterer ist schon zu Sullas Zeit und noch immer tätig, als die Römer bereits den dritten »König«, Tiberius, haben. Nach Deceneus’ Tod wird Comosicus als König und Priester genannt, nach diesem dann Coryllus »als König der Goten« und schließlich Dorpaneus als Inhaber des Prin-
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zipats bei den Goten, der als vierter in dieser Reihe dem vierten genannten Römer gegenübersteht. Tatsächlich ist zumindest die Angabe des Jordanes, dass in der Zeit, in der in Rom gleich drei Herrscher aufeinanderfolgten, bei den Geten stets ein und derselbe Deceneus tätig gewesen sei, sicher unzutreffend, denn ein schon zu Sullas Zeit (bis 79 v. Chr.) tätiger Königsberater konnte bestimmt nicht mehr zu Tiberius’ Zeit (ab 14 n. Chr.), also mehr als 90 Jahre später, aktiv sein. Jordanes’ eben aufgezeigtes Darstellungsinteresse an einer als kontinuierlich erscheinenden Herrscherliste, nicht an einer historisch plausiblen Darstellung, führt zu einer Verzerrung der Chronologie. Die Geschichte der Geten / Goten soll aber offenkundig als mit der Geschichte der Römer verwoben erscheinen. Buruista, Comosicus, Coryllus, Dorpaneus – so also lautet die fiktive Liste dakischer Herrscher bei Jordanes. In der neueren Geschichtsschreibung wirkungsmächtig geworden ist sie in der Form Burebista, Cotiso, Scoryllus und Decebal, da man bei Jordanes nur verderbte Formen mancher anderweitig überlieferten Namen sah und sonst belegte Herrscher schlicht ignorierte. Andere – freilich verstreute – Quellen bezeugen demgegenüber für die Jahrhunderte vor und nach der Zeitenwende eine zwar nicht lückenlos belegte, aber ereignisreiche Zeit der dakischen Geschichte. Der nächste Abschnitt (→ Kap. 5.2) versucht daher, sich von der später einflussreichen, aber historisch sicher falschen Darstellung des Jordanes unabhängig zu machen und die in den antiken Quellen bezeugten Könige im Karpatenbogen einzeln vorzustellen.
5.2 Könige im Karpatenbogen Für die Zeit des frühen 2. Jahrhunderts v. Chr. erscheinen in dem römischen Geschichtswerk des Pompeius Trogus (s. o. → Kap. 2.4) aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. zwei dakische Königsnamen: Rubobustes und Oroles. Rubobustes wird im Prolog zum sonst verlorenen 32. Buch des Pompeius Trogus genannt, das – soweit erkennbar – Ereignisse in der Zeit zwischen 183 und 175 v. Chr. beschrieben hat. Dort heißt es, das Buch behandle »die
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5. Der Karpatenbogen vor den Römern
Ausweitung der Daker durch König Rubobustes« (Pompeius Trogus, Historien 32 Prolog). Zwar hat man gemeint, im überlieferten Text liege ein Schreibfehler für Burobustes vor, den man dann mit Burebista identifiziert; jedoch sollte dieser Eingriff nur der Harmonisierung mit der Darstellung bei Jordanes dienen. Tatsächlich ist Burebista mehr als ein Jahrhundert später zu datieren, wie wir gleich (in → Kap. 5.3) sehen werden. Dass es sich bei Rubobustes tatsächlich um einen dakischen Namen handeln mag, legt eine Inschrift – freilich aus späterer Zeit – aus Nicopolis ad Istrum (bei Weliko Tarnavo, Bulgarien) in der Dakien benachbarten Provinz Untermoesien nahe, die einen Namensteil »[…]busta« bezeugt (Lateinische Inschrift EDCS-27800927). In Passagen aus diesem 32. Buch des Pompeius Trogus, für die das Exzerpt des Justin erhalten ist, wird als weiterer dakischer Königsname »Oroles« angegeben. Dort heißt es über eine Auseinandersetzung zwischen Dakern und Bastarnern, einer östlich des Karpatenbogens siedelnden Gruppe (s. o. → Kap. 4.1): Die Daker sind Abkömmlinge der Geten. Nachdem sie unter König Oroles erfolglos gegen die Bastarner gekämpft hatten, wurden sie zur Strafe für ihre Feigheit gezwungen, wenn sie schlafen gehen wollten, ihre Köpfe an die Stelle der Füße zu legen und die Dienste für ihre Frauen zu leisten, die zuvor üblicherweise von jenen für sie getan wurden. Dies wurde auch nicht geändert, bis sie die Schmach, die sie im Krieg erlitten hatten, durch Tapferkeit wett machten. (Justin aus Pompeius Trogus, Historien 32,3,16)
Dass es sich auch bei Oroles um einen dakischen Namen handelt, ist wahrscheinlich: Für einen dakischen Soldaten ist später der Name Rolas bezeugt (lateinische Inschrift auf einem Militärdiplom unbekannter Herkunft, EDCS-12100049). Mehr als das hier in einem die Zeit zwischen 183 und 175 v. Chr. behandelnden, sonst verlorenen Buch zum Dakerkönig Oroles Gesagte ist allerdings nicht bekannt, doch ist eine militärische Auseinandersetzung von Gruppen auf den beiden Seiten der Ostkarpaten – den Dakern im Westen, den Bastarnern im Osten des Gebirges – nicht unplausibel.
5.2 Könige im Karpatenbogen
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Beide Aussagen des Pompeius Trogus legen also nahe, dass am Ende des ersten Viertels des 2. Jahrhunderts v. Chr. »Daker« von Königen beherrscht wurden, die eine Expansion ihres Reichs versuchten. Weitere Belege freilich fehlen. Von einer ersten Auseinandersetzung zwischen Dakern und Römern erfahren wir zufällig durch eine Anekdote bei einem Autor, der aus der Geschichte Belege für Finten und Tricks in der Kriegführung zusammengestellt hat. Der römische Senator, Soldat und Schriftsteller Sextus Iulius Frontinus (Frontin, um 35–103 n. Chr.) bietet in seinem Strategemata genannten Werk eine Szene mit Marcus Minucius Rufus, der 110 v. Chr. einer der beiden Konsuln in Rom und im Anschluss daran von 109 bis 106 v. Chr. als Prokonsul Statthalter der Provinz Macedonia war: Der Befehlshaber (imperator) Minucius Rufus, der von den Skordiskern und Dakern hart unter Druck gesetzt wurde, denen er an Zahl unterlegen war, schickte seinen Bruder und einige wenige Reiter zusammen mit Trompetern voraus und wies ihn an, sich, sobald er den Beginn der Schlacht sehen sollte, plötzlich von der anderen Seite her zu zeigen und Trompetern zu befehlen, die Signale ertönen zu lassen. Als dann die Hügelketten ertönten, wurde der Eindruck einer riesigen Menge auf die Feinde übertragen, die sich voller Angst zur Flucht wandten. (Frontin, Strategemata 2,4,3)
Die Skordisker siedelten, wie wir oben (in → Kap. 4.1) gesehen haben, südwestlich der Daker, etwa im heutigen Serbien. Wenn die von Frontin erzählte Geschichte der Finte des Marcus Minucius Rufus den historischen Tatsachen entspricht, zeigt sie, dass sie sich gegen Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. mit ihren nordöstlichen Nachbarn, den Dakern, verbündet hatten, um gegen die in ihrem Süden liegende römische Provinz Macedonia vorzugehen. Im Geschichtswerk des Titus Livius (um 59 v. Chr.–um 17 n. Chr.) ist in einem verlorenen Buch, von dem aber eine Inhaltsübersicht (Periocha) erhalten ist, von einem erfolgreichen Kampf des Prokonsuls Marcus Minucius Rufus »gegen die Thraker« die Rede (Livius, Periocha 65 für das Jahr 108/107 v. Chr.), im etwas jüngeren Geschichtswerk des Velleius Patercu-
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5. Der Karpatenbogen vor den Römern
lus, eines römischen Autors aus dem 1. Jahrhundert n. Chr., wird hingegen der »berühmte Triumph des Minucius über die Skordisker« erwähnt (Velleius Paterculus, Historien 2,8,3) – wir sehen erneut, wie schwer sich antike Autoren mit den Namen der Völker im Norden des Reichs taten. Dies ging offenbar schon den Zeitgenossen so. Eine in Fragmenten erhaltene lateinische Weihinschrift auf dem (erhaltenen) Podest einer (verlorenen) Statue im griechischen Heiligtum Delphi hält fest: Den Marcus Minucius Rufus, Sohn des Quintus Rufus, Imperator, hat (in Form einer Statue), als die Scordister, Besser, [… ge]weiht das delphische Volk. (Lateinische Inschrift aus Delphi, EDCS-24900080)
Die Scordister werden die Skordisker sein, die wir schon kennen, die Besser, die in den literarischen Zeugnissen zu diesem Krieg nicht erwähnt werden, sind später in Ostthrakien (im Gebiet um das heutige Edirne in der europäischen Türkei) bezeugt (s. o. → Kap. 4.1). Etwas später wurde in Europos in Makedonien (Evropos, Griechenland) eine Ehreninschrift für Marcus Minucius Rufus aufgestellt. Die Inschrift für den »Wohltäter« der Stadt nennt auch noch Galater als seine Gegner, also Kelten, wo immer die Verfasser der Ehrung deren Heimat angenommen haben mögen: [Den Marcus Minucius], Sohn des Quintus, Rufus, [Ober]befehlshaber der Römer, der im Krieg gegen die Galater, Skordi[sker] und Besser und die übrigen Thraker gesiegt hat, [ihren] Wohltäter, (ehrt) wegen Tugend und Wohlwollen die Stadt der Europaier. (Griechische Inschrift aus Europos, SEG XLI 570)
Bezeugt ist jedenfalls so für die Jahre ab 109 v. Chr. eine erste Auseinandersetzung der Römer mit jenseits des Imperium Romanum nördlich der Provinz Macedonia siedelnden Gruppen, zu denen zumindest ein (freilich erst zwei Jahrhunderte danach schreibender) Autor, nämlich Frontin, mit einem in seiner Zeit vertrauten Begriff auch die Daker rechnet.
5.2 Könige im Karpatenbogen
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Etwa eine Generation später war einer der beiden Konsuln des Jahres 76 v. Chr., Gaius Scribonius Curio, im Folgejahr ebenfalls als Prokonsul Statthalter der Provinz Macedonia. Wie Marcus Minucius Rufus hatte auch er gegen Angreifer aus dem Norden zu kämpfen. Offenbar begann sein Unternehmen aber mit einem Fehlstart, denn in der Epitome Rerum Romanorum (»Auszug aus der römischen Geschichte«) des im ersten Drittel des 2. Jahrhunderts n. Chr. wirkenden Historiker Lucius Annaeus Florus heißt es in einer Passage, die wir bereits oben (in → Kap. 1.2) angeführt haben: Curio kam bis nach Dakien, schreckte aber vor der Dunkelheit der Wälder zurück. (Florus, Epitome 1,39)
Für das Jahr 74/73 v. Chr. aber ist dann bei Livius (erneut nur in der Inhaltsübersicht über ein sonst verlorenes Buch) notiert: »Der Prokonsul Gaius Curio bezwang die Dardaner in Thrakien« (Livius, Periocha 95); etwas mehr steht in zwei anderen im 4. Jahrhundert n. Chr. entstandenen Breviaria, also kurzgefassten Darstellungen der römischen Geschichte. Im Breviarium des Rufius Festus heißt es: Die Dardaner und Moesier unterwarf Curio, Prokonsul und der erste der römischen Feldherren, der bis zum Danubius (Donau) gelangte. (Festus, Breviarium 7,5)
Eutrop gibt in seinem eigenen Breviarium etwas ausführlicher Folgendes an: Gaius Scribonius Curio wurde nach seinem Konsulat geschickt, besiegte die Dardaner, drang bis zur Donau vor, verdiente sich einen Triumph und machte so binnen drei Jahren dem Krieg ein Ende. (Eutrop, Breviarium 6,2,2)
Erneut wird deutlich, dass die Bezeichnungen der Gruppen, mit denen die Römer sich militärisch auseinandersetzen, in den antiken Quellen unein-
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heitlich sind: Die Dardaner siedelten wohl nördlich von Makedonien und südlich der Moeser, deren Gebiet dann bis zur Donau reichte (s. o. → Kap. 1.2). Die Daker wiederum, die Florus wie zuvor Frontin (s. o.) in einer Zeit nennt, in der Dacia bereits römische Provinz war, also wohl für seine zeitgenössische Leserschaft mit einem aktuellen (und nicht notwendig seinen Vorlagen entnommenen) Namen bezeichnet, stellte man sich offenbar in finsteren Wäldern hausend vor. Florus gibt dabei nicht einmal an, auf welcher Seite der Donau ihr Gebiet liegt, ja er erwähnt die Donau gar nicht, sondern überhaupt nur die Wälder: So unklar ist in den antiken Quellen die Lage der jeweiligen Gebiete! Eine gewisse geographische Ordnung herzustellen hat freilich bereits Strabon in seiner um die Zeitenwende entstandenen Geographie (s. o. → Kap. 4.1) versucht. Er schreibt: Es gibt eine Einteilung des Landes, die seit frühester Zeit andauert, denn einige der Menschen werden Daker genannt, andere Geten: Geten heißen diejenigen, die sich in Richtung Pontos und nach Osten neigen, Daker diejenigen, die sich in die entgegengesetzte Richtung nach Germanien zu den Quellen des Istros neigen. Die Daker wurden, wie ich meine, in frühen Zeiten Daër genannt; daher stammen die bei den Attikern verbreiteten Sklavennamen »Getai« und »Daoi«. Dies ist jedenfalls wahrscheinlicher, als dass »Daos« von den Skythen stammt und diese »Daër« genannt werden, denn sie leben weit weg in der Nachbarschaft von Hyrkanien, und es ist nicht vernünftig anzunehmen, dass Sklaven von dort nach Attika gebracht wurden; dort nämlich nannte man Sklaven entweder mit den gleichen Namen wie dem des Stamms, aus dem sie gebracht worden waren, etwa Lydos (aus Lydien in Kleinasien) oder Syros (aus Syrien), oder sprach sie mit Namen an, die in ihren Ländern weit verbreitet waren, etwa Manes oder Midas für Phryger oder Tibios für Paphlagoner. (Strabon, Geographie 7,3,12)
Strabon, der Geten und Daker für gleichsprachig (homoglottoi) hielt (s. o. → Kap. 4.1), verwendet also nicht etymologische Überlegungen, sondern
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Namenstraditionen (zu dieser Methode s. o. → Kap. 2.5) als Argument dafür, dass Dakien nicht weit von Attika entfernt liegen könne, wo die Daker als Daër bekannt gewesen seien (diesen Namen verwendet noch fast zwei Jahrhunderte später der griechisch schreibende römische Historiker Appian in seinem Geschichtswerk im Buch Syriake 167). Er sieht die Daker im Westen, die Geten im Osten des gemeinsamen Siedlungsgebietes beheimatet, das sich im Westen in Richtung Germanien erstrecke, im Osten in Richtung Pontos (Schwarzes Meer). Wir halten fest: Die »Daker«, die bei Strabon als Sklaven vorgestellt werden, erscheinen in den griechisch-römischen Quellen lange als recht primitiv. Wie schon im 4. Jahrhundert v. Chr. die Makedonen unter Philipp II. durch eine Finte die Skythen besiegen konnten (s. o. → Kap. 4.4), so war dies am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. den Römern unter Marcus Minucius Rufus in Dakien gelungen. Die »einfältige« Unterlegenheit der Skythen, Geten und Daker sollte sich nach Auffassung der uns erhaltenen griechisch-römischen Autoren erst ändern, als sie selbst ein Kulturvolk wurden.
5.3 Byrebistas Es ist Strabon, der von einem großen König und Kulturbringer der Geten berichtet, den er Byrebistas nennt (in anderen Abschriften seines Werkes finden sich auch die Formen Byrebista, Byrabeistas oder Boirebista). Er schreibt: Was die Geten betrifft, so bleibe ihre frühe Geschichte hier beiseite. Doch ihre bereits bis in unsere Zeit reichenden Schicksalsfälle waren folgende: Byrebistas, ein Gete, der die Führung seines Volkes erlangt hatte, richtete die Leute, die von zahlreichen Kriegen schwer mitgenommen waren, wieder auf und brachte sie durch Übung, Enthaltung vom Wein und Befolgung seiner Befehle so weit empor, dass er in wenigen Jahren ein großes Reich geschaffen und die meisten Nachbarvölker unter die Herrschaft der Geten gebracht hatte. Schon wurde er sogar für die Römer zum Gegenstand der Angst, da er ohne Furcht den Istros (die Donau) überquerte und Thrakien bis nach Makedonien und IIlyrien
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plünderte; auch verheerte er die unter den Thrakern und den Illyriern ansässigen Kelten. … Byrebistas wurde, noch bevor die Römer ein Heer gegen ihn rüsteten, von einigen, die sich gegen ihn erhoben, zu Fall gebracht, und unter seinen Nachfolgern zerfiel das Reich in mehrere Teile. So waren sie jetzt, als Kaiser Augustus ein Heer gegen sie schickte, in fünf, ein andermal in vier Teile zerfallen. Solche Einteilungen sind zeitgebunden und immer wieder anders. (Strabon, Geographie 7,3,11)
Byrebistas erscheint hier als Gete, der die Führung seines Volkes erreicht und durch Einführung von Disziplin (dazu gleich mehr) ein großes, auch die Nachbarn umfassendes getisches Reich errichtet habe. Durch einen Feldzug in das Gebiet südlich der Donau sei er bis zu den (von Rom beherrschten) Provinzen Makedonien und Illyrien gekommen und so zu einer Bedrohung für die Römer geworden. Allerdings sollte das Reich des Byrebistas nach seinem Tod aufgrund innerer Konflikte wieder zerfallen, wie Strabon an anderer Stelle wiederholt: Zu solcher Größe wurde von Byrebistas das Volk erhoben, aber schließlich von inneren Unruhen und von den Römern geschwächt; dennoch sind sie auch jetzt noch in der Lage, 40 000 Mann zu entsenden. (Strabon, Geographie 7,3,12)
Tatsächlich zeugen auch zeitgenössische Inschriften vom Wirken des Byrebistas. Sie erlauben zugleich eine zeitliche Einordnung seiner Herrschaft in die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. Welche Gefahr nämlich von diesen »Barbaren« für die griechischen Siedlungen ausging, legt eine griechischsprachige Inschrift dar, die in der Umgebung der griechischen Siedlung Istros (Cetatea Histria, s. o. → Kap. 4.2) am Schwarzen Meer gefunden wurde. Der erhaltene obere Teil dieser Ehreninschrift bietet unter fünf Kränzen den Text eines Volksbeschlusses zu Ehren eines Bürgers namens Aristagoras. Der Beschluss fängt dabei – wie üblich – mit der Anrufung der
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Glücksgöttin an und zitiert dann gleichsam das Protokoll der Versammlung, beginnt also mit der Datierung (das Jahr wird in Istros dabei nach dem Jahrespriester des Apollon benannt) und der Nennung des Antragstellers: Zu gutem Glück. Als Aristagoras, Sohn des Apaturios, zum vierten Mal Priester (des Apollon) war, am 10. Tag des Monats Artemision, als Athenades, Sohn des Apollodoros, den monatlichen Vorsitz in der Volksversammlung innehatte, beantragte Xenochares, Sohn des Hekataios: Aristagoras, der Sohn des Apaturios, der von einem guten Vater und von Ahnen abstammt, die sich verdient gemacht hatten und Priester sämtlicher Gottheiten gewesen waren, und der selbst den Wunsch hatte, sich jenen anzureihen und in ihre Fußstapfen zu treten, leitete nach seiner Rückkehr ins Vaterland, als die Stadt in Bedrängnis war, da keine Mauern sie schützten und die Bürger mit Frauen und Kindern wiederum in Gefahr schwebten, von den Bürgern mit dem Mauerbau betraut, die Ausführung der Befestigungswerke mit größter Tapferkeit und angeborener Sorgfalt und scheute dabei weder körperliche Anstrengungen noch ließ er es in Bezug auf das, was der Bau erforderte, am Geringsten fehlen. Als nun die Vaterstadt befestigt war und die Bürger zum Teil aus dem von den Barbaren besetzten Gebiet in die Stadt zurückkehrten, verstand er es, manch einem der das Land beherrschenden Barbaren geschickt zu begegnen, manch einem der Bürger aber gewährte er die Mittel, sich loszukaufen, und erwies sich bei jeder Zusammenkunft mit den Geretteten als sehr zugänglich, schloss für Bürger und Fremde zugleich sehr viele Verträge ab und trat allen gegenüber nicht gewinnsüchtig auf. Als er älter geworden war und sich dazu veranlasst sah, der Gottheit so, wie es sich für ihn gehörte, zu dienen, erwies er das erste Mal den Göttern Ehre, indem er sich den Kranz des Zeus Polieus (Zeus als Stadtgott) aufsetzte; und da er sein Priesteramt in einer Weise versah, die wohl gefiel, wurde ihm von allen Bürgern Lob gespendet. Sodann nahm er, als
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an ihn persönlich die Aufforderung erging, auch den Kranz des Apollon an, nach dessen Träger die Stadt das Jahr benannte, und ehrte durch öffentliche Festversammlungen, feierliche, dem Heiligen entsprechende Aufzüge und freiwillige Spenden der Phylen die Götter und die Stadt, von dem Wunsch beseelt, das zur Anschauung zu bringen, dass diejenigen, die in frömmster und schönster Weise für die Polis wirken, bei der Gottheit wie bei denen, die Wohltaten empfingen, mit Dank rechnen können. Als die Bürger nach drei Jahren infolge der Zusammenrottungen der Barbaren, die das Land beherrschten, wiederum nach einem Priester des Apollon Iëtros (Apollon als Heiler) suchten, weil die Vorräte der Privatpersonen auf die Neige gegangen waren, gab er sich dazu her, trat in der Volksversammlung auf, setzte sich denselben Kranz des Gottes auf und erntete sowohl bei den Göttern als auch bei denjenigen, die seiner Wohltaten teilhaftig wurden, doppelten Dank. Auch ein drittes Mal, als die gleichen schlimmen Zeiten in Stadt und Land herrschten, bekleidete derselbe Mann die Priesterwürde, gewillt, den Göttern die volle Dankbarkeit der frommen Gesinnung zu erzeigen und zugleich den Bürgern von den Aufwendungen für die eigenen Vorräte ganz in derselben Weise reichlich zukommen zu lassen. Als nach Ablauf des Jahres sich niemand fand, setzte er sich denselben Kranz erneut auf und versah das Priesteramt, ohne sich seinen Verpflichtungen gegen die Götter wie gegen die Bürger zu entziehen. So kam es, dass die Stadt wohlbehalten blieb und die Bürger gerettet wurden. Zum Marktmeister auf ein Jahr bestellt, führte er die Aufsicht über den Markt, wie es sich für einen guten und rechten Mann gehört, ließ Getreide und Wein zu gleicher Zeit verkaufen und setzte bei den übrigen Marktwaren sehr zum Vorteil der Bürger die Preise herab. Und als er dafür Lob erntete, baute er auf eigene Kosten ein Marktmeisterhaus. Unter diesen Umständen bestimmte ihn das Volk, das seine Hochherzigkeit beifällig aufnahm, für zwei weitere Jahre zum Marktmeister, während deren er mit seinen Vorschriften in gleicher Weise Beifall fand.
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Vielfach übernahm er Gesandtschaften für die Stadt und setzte zum Wohl der Bürger bei den das Land und den Fluss [beherrschenden] Barbaren durch, dass […]
(Griechische Inschrift aus Cetatea Histria; IScM I 54)
Aristagoras, Spross einer wohlhabenden und einflussreichen Familie, wird als ein um seine Stadt hochverdienter Bürger geehrt. Fünfmal hatte er freiwillig Priesterämter übernommen (Symbole dafür waren die ihm aufgesetzten Kränze, die alle fünf vor dem Text der Inschrift abgebildet sind), zunächst für den Stadtgott Zeus und dann für den Heilgott Apollon (nach dessen jeweiligem Priester, wie gesagt, das Jahr benannt wurde). Mit der Übernahme dieser Ehrenämter waren hohe private Ausgaben verbunden, mit denen öffentliche Festversammlungen, Prozessionen und Kultfeiern finanziert wurden; da niemand sonst dafür gewonnen werden konnte, hatte Aristagoras insgesamt viermal das Apollon-Priesteramt übernommen, danach das des Marktmeisters (griechisch agoranomos, »Aufseher über die Agora«, also über den zentralen Markt- und Versammlungsplatz der Stadt), der für die Preisgestaltung auf dem Markt zuständig war und die Preise durch Einsatz seiner eigenen Mittel senken konnte. Städte verfügten in der Antike im Vergleich zu späteren Epochen nur über geringe Einnahmen und waren für Gemeinschaftsaufgaben auf das persönliche und insbesondere das finanzielle Engagement Einzelner angewiesen. Diese erhielten dafür Ehrenbezeugungen und mehrten so ihr Prestige und das ihrer Familie. Aristagoras’ Wirken in Istros fiel in unruhige Zeiten. Die Stadt war nicht befestigt, Bürger lebten auch im Umland. Offenbar hatten nun »Barbaren« dieses Umland besetzt und kontrollierten es. Sie hatten sogar bereits dort siedelnde Bürger gefangengenommen und nur gegen Lösegeld wieder freigelassen, stellten also eine zunehmende Bedrohung für die Stadt dar. Aristagoras begegnete nun den »Barbaren« mit diplomatischem Geschick, erreichte und finanzierte persönlich so manchen Freikauf und konnte offenbar »Verträge« schließen, die ein Ende der akuten Bedrohung bedeuteten. Allerdings kam es drei Jahre später wieder zu »Zusammenrottungen der Barbaren« und in der Folge zu Versorgungsengpässen in der Stadt, die Aristagoras durch Übernahme des Priesteramts für Apollon, also wieder mit seinen privaten Mitteln linderte. Die »gleichen schlimmen Zeiten in
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Stadt und Land« wiederholten sich dann noch einmal, ebenso die Hilfe durch Aristagoras, so dass schließlich »die Stadt wohlbehalten blieb und die Bürger gerettet wurden«. Auch weiterhin übernahm Aristagoras »vielfach Gesandtschaften für die Stadt« und erreichte bei den »das Land und den Fluss« beherrschenden »Barbaren« offenbar auch jetzt – was genau, erfahren wir nicht mehr, da der Inschriftenträger hier abbricht. Worin bestand die Bedrohung? Eine nur in Fragmenten erhaltene Inschrift aus der benachbarten griechischen Stadt Mesembria (Nessebar; s. o. → Kap. 4.2) spricht von Krieg: Moschos, Sohn des Philemon, Xenokles, Sohn des Lachetes, Dames, Sohn des Dionysios […] als sie Heerführer waren [in dem gegen den von …] Byrebistas geführten Krieg. (Griechische Inschrift aus Nessebar, IGBulg I2 323)
Der Name Byrebistas ist erhalten, ebenso die Begriffe »Heerführer« und »Krieg«, der nähere Kontext aber ist nicht rekonstruierbar. Wer die »Barbaren« waren und in welche Zeit diese Inschriften gehören, können wir einer anderen Ehreninschrift entnehmen, die in einer dritten, uns ebenfalls oben (in → Kap. 4.2) bereits bekannt gewordenen griechischen Stadt an der Schwarzmeerküste gefunden wurde, in Dionysopolis (Balchik). Bei diesem Zeugnis fehlt der Anfang, doch ist erhalten, was die Aktivitäten des Geehrten namens Akornion besonders verdienstvoll machte: […] Theodoros und Epi[…] auf eigene Kosten […] gemeinsam reisend [… nach] Argedauon zu dem Vater [… eintreff]end und begegnend zugleich […] die er von ihm erhalten hatte und [… erlö]ste das Volk, indem er Priester wurde [… für den Theos Meg]alos und die Umzüge und Opfer [bereitstellte in glänzender] Weise und den Bürgern Teilhabe gewährte a[m Opferfleisch, für den Sar]apis zum Priester erlost zugleich mit den Auf[wendungen brachte er dies zuwege (?)] schön und wohlgefällig; als der namensgeb[ende Stadtgott Dion]ysos keinen Priester hatte seit mehreren Jahren, [wurde er aufgefordert v]on den Bürgern und stellte sich zur Verfügung u[nd unter Gaius] Antonius die Wintersaison über-
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nehmend [stellte er den Kran]z des Gottes und die Umzüge und die Opfer [bereit] in schöner und großzügiger Weise und gab den Bürgern [Anteil am Opferfleisch] ohne Einschränkung, und als er den [Kranz] der Götter in Samothrake übernahm auf Lebenszeit, stellte er die Prozessionen und [Opfer] bereit für die Mysten und die [Polis …] [Da er Gesandter (?)] des Königs Byrebistas wurde, der zum ersten und g[rößten] der Könige in Thrakien geworden war und das ganze Gebiet [jenseits] des Flusses wie auch diesseits inne[hatte], und da er zu ihm in der ersten und gr[ößten] Freundschaft das Beste bewirkte für die Heimat, indem er das Stärkste sa[gte und] riet und das Wohlwollen des [König]s gegenüber dem Wohlergehen der Stadt zu erreichen schaffte, und da er in allen übrigen Angelegenheiten sich schonungslos selbst einsetzte und die Gesandtschaften der Stadt und die Risiken übernahm, ohne Zögern dafür bereit, etwas für die Heimat Nützliches ganz und gar durchzusetzen, und da er zu Gnaeus Pompeius, Sohn des Gnaeus, dem autokrator (Alleinherrscher) der Römer geschickt von König Byrabe[is] tas als Gesandter, und mit ihm in Makedonien zusammentreffend (dann) in dem Gebiet bei Herakleia am Lykos (am Schwarzen Meer, heute Kardeniz Ereğli, Türkei) nicht nur Orakelsprüche für den König und so das Wohlwollen der Römer gegenüber dem König erwirkte, sondern auch bezüglich der Heimat die schönsten Orakelsprüche erreichte … (Griechische Inschrift aus Balchik, IGBulg I2 13, Z. 22–38)
Wie Aristagoras in Istros hatte also auch Akornion in Dionysopolis freiwillig Priesterämter übernommen, hier die für den Theos Megalos (»Großen Gott«), Sarapis und den Stadtgott Dionysos, für dessen besonders aufwändiges Priesteramt sich »seit mehreren Jahren« niemand mehr gefunden hatte. Er hatte für Kultfeste und Opfer (und dabei auch für die Weitergabe des Fleisches der Opfertiere an die Gemeinde) gesorgt und auch als Gesandter gewirkt. Anders als Aristagoras verhandelte er aber nicht als Gegenüber mit den »Barbaren«, sondern stand in deren Diensten (es versteht sich, dass diese Inschrift den Begriff »Barbar« nicht nutzt), konkret als Gesandter »des Königs Byrebistas«; auch in dieser Rolle konnte er freilich nicht
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nur für seinen Auftraggeber viel erreichen – insbesondere in Hinsicht auf den römischen Machthaber Gnaeus Pompeius –, sondern auch für seine Heimatstadt, die ihn nun dafür ehrt. Mit der Nennung des Pompeius bietet die Inschrift aus Dionysopolis auch die Möglichkeit, die Zeit von Akornions Handeln einzugrenzen: Gnaeus Pompeius (106–48 v. Chr.) hatte 60 v. Chr. zusammen mit Marcus Licinius Crassus und Gaius Iulius Caesar (s. o. → Kap. 2.4) eine informelle Absprache über die Teilung der Macht im sogenannten Ersten Triumvirat (»Dreimännerbund«) getroffen, sich dann aber gegen Caesar gestellt. Am 9. August 48 v. Chr. verlor er gegen Caesar die Schlacht von Pharsalos, floh nach Ägypten und wurde dort ermordet. Die Begegnungen zwischen ihm und Akornion müssen also zwischen diesen beiden Daten liegen. Man hat auch versucht, den Text der Inschrift im Zusammenhang mit der politisch gewollten Überhöhung der Bedeutung des »Burebista« (s. o. → Kap. 3.2 und 5.1) für weitere Aussagen zu nutzen. So hat man die Bezugnahme auf den »ersten und größten der Könige in Thrakien« als Zeugnis dafür angesehen, dass es vor Byrebistas keine Könige in Thrakien und damit – so die Implikation – Dakien gab (und somit Rubobustes und Oroles, die wir oben in → Kap. 5.2 kennengelernt haben, geflissentlich übersehen). Doch ist diese Angabe nur dem Stil der Ehreninschrift geschuldet, die ja auch von der »ersten und größten Freundschaft« Akornions zu ihm spricht (und Gnaeus Pompeius übertrieben als autokrator, Alleinherrscher, bezeichnet). Sie kann also nicht als Beleg dafür genutzt werden, dass vor Byrebistas keine anderen Könige in Thrakien oder gar Dakien herrschten. Auch das in den ersten Zeilen bewahrte Textbruchstück »Argedauon zu dem Vater« hat zu weitreichenden historischen Spekulationen angeregt. So hat man die Auffassung vertreten, dass hier der Vater des Byrebistas gemeint sei, der in einem Ort namens Argedauos – sei es zufällig, sei es in seiner Residenz – gewesen sei. Dieses Argedauos hat man dann mit dem »dakischen« (s. o. → Kap. 2.5) Ortsnamen »Argidava« oder »Sargedava« identifiziert (der freilich für eine ganze Reihe von Siedlungen Verwendung fand; eine davon steht in der Liste des Ptolemaios, s. o. → Kap. 2.5) und damit das Zentrum des Byrebistas-Reichs zu bestimmen versucht. Der im Jahr 2004 publizierte Fund eines Keramikfragments in Cȃrlomăneşti (Kreis
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Buzău, Rumänien) am Südrand der Karpaten mit der griechischen Zeichenfolge »[…]EOSB[…]«, was man zu »[basil]eos B[yrebista]«, »des Königs Byrebistas« ergänzen könnte (griechische Inschrift ILD 173), hat dann die Überlegung hervorgerufen, ob der König über eine Art »Pfalzensystem« mit wechselnden Residenzen verfügte. Tatsächlich ist dies alles wenig plausibel, da die Ehreninschrift aus Dionysopolis ja – wie die aus Istros auch – verschiedene Wirkungsphasen des in ihr geehrten Akornion unterscheidet und die Tätigkeit für Byrebistas erst später erwähnt. Übrigens ist durch eine Inschrift ein Ort namens »Arcidava« als Dorf (vicus) bei Istros bezeugt (lateinische Inschrift aus Istros, EDCS-11800353); vielleicht ist im Ehrendekret für Akornion schlicht nur die von Dionysopolis nicht weit entfernte Heimatgemeinde von dessen eigenem Vater gemeint. Wir halten fest: Zeitgenössische Inschriften aus den am Schwarzen Meer gelegenen antiken griechischen Städten Istros, Mesembria und Dionysopolis (Cetatea Histria, Nessebar und Balchik) sprechen von unruhigen Zeiten, da »Barbaren« eine Bedrohung für Stadt und Land darstellten; als deren »König« erscheint in den 50er- oder frühen 40er-Jahren v. Chr. – nicht aber bereits 71 v. Chr. (s. o. → Kap. 3.2) – ein Byrebistas. Mehr zur Grundlage der Macht des Byrebistas können wir der literarischen Überlieferung entnehmen, also den nur durch wiederholte Abschriften erhaltenen Aussagen antiker Autoren (s. o. → Kap. 2.4). Dass Strabon einen Byrebistas als den auf Expansion seines Reichs bedachten König der Geten nennt, haben wir bereits am Anfang dieses Abschnitts (→ Kap. 5.3) gesehen. Bei Strabon erfahren wir auch mehr darüber, wie es diesem König gelungen war, eine so große Macht zu erlangen: Um die Leute folgsam zu machen, bediente er sich der Hilfe des Dekaineos, eines Zauberers, der in Ägypten umhergeschweift war und irgendwelche Vorzeichen gelernt hatte, durch die er den Willen der Götter deutete und bald zum Gott ausgerufen wurde, wie wir das in der Erzählung über Zamolxis beschrieben haben. Ein Zeichen ihrer Folgsamkeit ist, dass sie sich überreden ließen, die Weinstöcke umzuhacken und ohne Wein zu leben. (Strabon, Geographie 7,3,11)
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Strabons Angaben zu Zamolxis (Geographie 7,3,5) haben wir bereits (in → Kap. 4.3) kennengelernt; auch Dekaineos sieht er nun als Zauberer, durch dessen Einfluss es dem König Byrebistas gelingt, »die Leute folgsam zu machen«. Er unterbindet zwar nicht – wie die Pythagoräer – den Fleischverzehr, doch den Weingenuss, und zwar nachhaltig durch Umhacken der Weinstöcke. Die von Strabon geschilderten Folgen dieser »Kulturmaßnahmen« für den Aufstieg des getischen Reichs haben wir bereits oben in diesem Kapitel (→ Kap. 5.3) kennengelernt. Bemerkenswert ist freilich, wie von ihm der militärische Erfolg der Geten, die zur Bedrohung von Rom wurden, abgewertet wird: Er verdanke seinen Einfluss letztlich einem Zauberer, den das naive Volk göttlich verehrte und der es sogar zur Abstinenz von Wein verführte – für ein griechisches und römisches Lesepublikum ganz offenkundig eine unvorstellbare Dummheit! Anders bewertet Jordanes das Wirken des Deceneus, das er freilich bis in die Zeit des römischen Kaisers Tiberius, also ins 1. Jahrhundert n. Chr. reichen lässt; wir haben ja aber bereits oben (in → Kap. 5.1) gesehen, wie dieser Autor die Chronologie umstellt, um die »gotische«, also getische / dakische, und die römische Geschichte zu parallelisieren: Ihre Sicherheit, ihr Vorteil, ihre einzige Hoffnung lag darin, dass alles, was ihr Berater Deceneus anriet, auf jeden Fall getan werden sollte; sie hielten es für zweckmäßig, dass sie sich für die Umsetzung einsetzen sollten. Und als er sah, dass ihr Verstand ihm in allen Dingen gehorsam war und dass sie natürliche Fähigkeiten hatten, lehrte er sie fast die ganze Philosophie, denn er war ein geschickter Meister dieses Fachs. Indem er ihnen Ethik beibrachte, hielt er ihre barbarischen Bräuche zurück; indem er ihnen ein Wissen über die Naturkunde vermittelte, ließ er sie auf natürliche Weise nach ihren eigenen Gesetzen leben, die sie bis heute in schriftlicher Form besitzen und als belagines bezeichnen. Er lehrte sie Logik und machte sie fähig, weiter als alle anderen Stämme zu denken. Er zeigte ihnen praktisches Wissen und überzeugte sie so, an guten Werken reich zu sein, und indem er theoretisches Wissen demonstrierte, forderte er sie auf, die zwölf Zeichen (des Sternkreises) und die Bahn der Planeten, die durch sie hindurchgehen, sowie die gesamte Astronomie zu betrach-
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ten. Er erzählte ihnen, wie die Scheibe des Mondes zu- oder abnimmt, und zeigte ihnen, wie viel die feurige Kugel der Sonne unseren irdischen Planeten überragt. Er erklärte die Namen der 346 Sterne und erzählte, durch welche Zeichen im Gewölbe des Himmels sie schnell von ihrem Aufstieg in ihre Umgebung gleiten. Denkt einmal, bitte ich euch, was für ein Vergnügen es für diese tapferen Männer war, wenn sie für eine kleine Weile vom Krieg frei waren, um in den Lehren der Philosophie unterrichtet zu werden! Vielleicht könnt ihr so in eurer Vorstellung sehen, wie einer die Position des Himmels erkundete und ein anderer die Natur von Pflanzen und Sträuchern untersuchte; hier stand einer, der das Wachsen und Schwinden des Mondes studierte, während noch ein anderer die Arbeit der Sonne betrachtete und beobachtete, wie die Körper, die sich nach Osten zu gehen beeilen, umhergewirbelt und durch die Drehung des Himmels nach Westen zurückgebracht wurden. Erst als sie den Grund dafür herausgefunden hatten, ruhten sie sich aus. Diese und viele andere Dinge lehrte Deceneus die Goten in seiner Weisheit und gewann einen wunderbaren Ruf unter ihnen, so dass er nicht nur die einfachen Menschen, sondern auch ihre Könige beherrschte. Er wählte unter ihnen diejenigen aus, die zu dieser Zeit durch die edelste Geburt und die überlegenste Weisheit ausgezeichnet waren, lehrte sie die Theologie und befahl ihnen, bestimmte Gottheiten und heilige Stätten anzubeten und machte sie zu Priestern; ihnen gab er den Namen pilleati (Kappenträger), wohl weil beim Opfer ihre Köpfe mit Filzkappen bedeckt waren, die wir pillei nennen. Den Rest ihres Stamms sollten sie capillati (Langhaarige) nennen. Diesen Namen nahmen die Goten an und schätzten ihn sehr, ja, sie behalten ihn bis heute in ihren Liedern. (Jordanes, Getica 68–72)
Vieles von dem, was Jordanes hier angibt, mag keine historische Grundlage haben; dafür etwa, dass die Geten schriftliche Gesetzesaufzeichnungen (wie die Römer) hatten, fehlt sonst jeder Beleg. Die Einteilung der Status-
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gruppen in vornehme »Kappenträger« und niedrigrangige »Langhaarige« ist jedoch auch sonst bezeugt (s. u. → Kap. 6.1). Die zitierten Passagen machen jedenfalls anschaulich, wie sich antike Autoren darum bemühen, den Wandel des »barbarischen« Stamms der Geten zu einem zivilisierten, ja kultivierten Volk zu erklären und zu veranschaulichen. Um mit dem Titel des vorliegenden Bands zu sprechen: Nach Auffassung der antiken Autoren wird dank Dekaineos / Deceneus nun Dakien selbst zu einem Brennpunkt der Kultur. In Erinnerung blieb aber auch der militärische Erfolg. Wir haben schon (in → Kap. 5.1) gesehen, dass im 6. Jahrhundert n. Chr. Jordanes schrieb: »Als danach König über die Goten Buruista war, kam Deceneus ins Gotenland, zu der Zeit, zu der sich Sulla des Prinzipats der Römer bemächtigte. Diesen Deceneus nahm Buruista auf und gab ihm fast die königliche Macht; auf dessen Rat verwüsteten die Goten dann die Länder der Germanen, die jetzt die Franken innehaben.« (Jordanes, Getica 67). Die Datierung dieses Königs der Geten (mit denen Jordanes ja die Goten gleichsetzt) in die Zeit der Diktatur Sullas (82–79 v. Chr.) wird durch die älteren Zeugnisse aus der Antike zwar nicht bestätigt, auch nicht ein Vorgehen gegen die »Germanen«. Doch dass ein König der Geten etwa eine Generation später, in der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr., gemeinsam mit einem Mitregenten erst eine Zivilisierung seiner Untertanen durchsetzte und dann eine erfolgreiche Expansion seines Reichs betrieb, bezeugen auch, wie wir in diesem Abschnitt (→ Kap. 5.3) gesehen haben, die inschriftlichen und literarischen Quellen zu Byrebistas.
5.4 Caesars letzte Pläne Mit Gnaeus Pompeius, der in der Ehreninschrift aus Dionysopolis für Akornion (s. o. → Kap. 5.3) erscheint, ist bereits einer der Machthaber in der durch Bürgerkriege charakterisierten Spätzeit der römischen Republik vorgestellt worden. Auch sein Freund und dann Kontrahent, Gaius Iulius Caesar (100–44 v. Chr.), konnte oder wollte den Aufstieg des Byrebistas nicht ignorieren. Dass Caesar sich gegen ihn »bereits auf einen Feldzug vorbereitet hatte«, haben wir schon oben (in → Kap. 4.3) von Strabon
5.4 Caesars letzte Pläne
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(Geographie 7,3,5) gehört; beiläufig erfahren wir auch aus anderen Quellen, dass Caesar ein bellum Geticum plante (Velleius Paterculus, Historien 2,59,4), einen Krieg gegen die Geten, »ein hartes und kriegliebendes Nachbarvolk« (Appian, Bürgerkriege 2,459). Der römische Autor Gaius Suetonius Tranquillus (Sueton, um 70–nach 122 n. Chr.) nennt in seiner Biographie Caesars unter dessen letzten Plänen, »die Daker, die sich nach Pontus (in das Schwarzmeergebiet) und Thrakien ergossen hatten, einzuschränken« (Sueton, Caesar 44,3) – eine Angabe, die Sueton auch in seiner Biographie des Augustus (8,2) wiederholt. Gerne wüssten wir mehr über die Motive Caesars – ging es ihm darum, sich einer äußeren Bedrohung des Imperium Romanum entgegenzustellen? Dies legt die Nachricht von den Dakern nahe, die sich nach Pontus und Thrakien »ergossen« hätten. Oder waren vor allem »innenpolitische« Motive entscheidend? Immerhin stand Byrebistas, wie wir oben (in → Kap. 5.3) gesehen haben, im Kontakt mit Pompeius, also mit dem seinerzeitigen Gegner Caesars. Ob aber für Caesar eine oder beide oder auch ganz andere Überlegungen von Bedeutung waren, können wir nicht mehr ermitteln. Zur Ausführung von Caesars Dakien-Plänen kam es ohnehin nicht mehr, da Caesar an den Iden des März, am 15.3.44 v. Chr., ermordet wurde. Wenig später starb auch Byrebistas, wie Strabon berichtet; auch diese Passage haben wir (oben in → Kap. 5.3) schon kennengelernt: »Byrebistas wurde, noch bevor die Römer ein Heer gegen ihn rüsteten, von einigen, die sich gegen ihn erhoben, zu Fall gebracht, und unter seinen Nachfolgern zerfiel das Reich in mehrere Teile.« (Strabon, Geographie 7,3,11). Die schon geplante und erwartete Auseinandersetzung der Römer mit Geten und Dakern – fiel somit vorerst einfach aus.
5.5 Augustus und »Könige gewisser Geten« Nach Caesars Tod kam es im Römischen Reich zur harten Auseinandersetzung zwischen seinen Anhängern und Gegnern. Marcus Antonius (Mark Anton, 86/82–30 v. Chr.) hatte zunächst als Anhänger Caesars Karriere gemacht und wurde nun nach dessen Ermordung einer der mächtigsten Männer Roms. Mit Gaius Octavi(an)us (Octavian), dem späteren Kai-
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ser Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.), und mit Marcus Aemilius Lepidus (89–13 v. Chr.) schloss er 43 v. Chr. das sogenannte zweite Triumvirat und übernahm die Zuständigkeit für den Osten des Römischen Reichs. Als Geliebter der ägyptischen Königin Kleopatra VII. geriet er dann in immer schärferen Gegensatz zu Octavian. Dies führte schließlich 32 v. Chr. zum offenen Krieg. Das griechische Geschichtswerk des Cassius Dio ist, wie wir schon (in → Kap. 2.4) gesehen haben, nicht vollständig erhalten, doch ist für die hier in Frage stehenden Jahre sein Text bewahrt. In einem Rückblick auf die Beziehungen zwischen Dakern und Römern schreibt der Autor: Nun hatten diese Daker vor dieser Zeit Gesandte zu Caesar geschickt; aber als sie nichts von ihrem Wunsch erhielten, gingen sie auf die Seite des (Marcus) Antonius über. Sie erwiesen sich jedoch als keine große Hilfe für ihn, da sie sich untereinander stritten. (Cassius Dio, Historien 51,22,8)
Wie eine beiläufige Notiz in der Biographie des Marcus Antonius bei dem griechischen Autor Plutarchos von Chaironeia (Plutarch; um 45–um 125 n. Chr.) bestätigt, hatte auch ein »König der Geten« für die Seite des Marcus Antonius Partei ergriffen: Es hatte auch Dikomes, der König der Geten, mit einem großen Heer zu Hilfe zu kommen versprochen. (Plutarch, Marcus Antonius 63,3)
Doch auch Marcus Antonius unterstellte seinem Gegner, dem Octavian, ein Bemühen um getische Verbündete: Marcus Antonius schreibt, dass Augustus zuerst seine Tochter mit seinem Sohn Antonius und dann mit Cotiso, dem König der Geten, verlobt und gleichzeitig für sich selbst um die Ehe mit der Tochter des Königs gebeten hatte. (Sueton, Augustus 63,2)
5.5 Augustus und »Könige gewisser Geten«
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Wir werden auf Cotiso gleich zurückkommen. 31 v. Chr. jedenfalls erwies sich der versprochene Einsatz der Daker / Geten ohnehin als vergeblich: Mit Hilfe seines Vertrauten Marcus Vipsanius Agrippa siegte Octavian über Marcus Antonius und die ägyptische Königin Kleopatra VII. in der Seeschlacht bei Aktion / Actium in Westgriechenland und sicherte sich so die faktische Alleinherrschaft im Römischen Reich. Nach der Festigung von Octavians Position unternahm dann in dessen Auftrag Marcus Licinius Crassus, der Enkel des oben (in → Kap. 5.3) genannten gleichnamigen Mitglieds des sogenannten Ersten Triumvirats, nach seinem Konsulat, das er 30 v. Chr. innehatte, einen Krieg »gegen Daker und Bastarner«. Im Jahr 29 v. Chr. eroberte er so auch das südlich der Donau gelegene Gebiet von Moesien für die Römer (Cassius Dio, Historien 51,23,2 und 24,1), das später eine römische Provinz werden sollte (den ersten Namen eines Statthalters dieser Provinz kennen wir für das Jahr 6 n. Chr. aus Cassius Dio, Historien 55,29,3). Die Bastarner, eine östlich des Karpatenbogens siedelnde Gruppe (s. o. → Kap. 4.1), erwiesen sich allerdings als kräftige Gegner: Einige Tage belagerte Crassus sie vergeblich, dann besiegte er sie, wobei ihm Roles, der König gewisser Geten, half. Als dieser Roles zum Kaiser kam, wurde er deshalb als Freund und Bundesgenosse angesehen und die Kriegsgefangenen wurden unter den Soldaten verteilt. … Einstweilen schickte Roles, der mit Dapyx – dieser war auch selbst ein König gewisser Geten – Krieg führte, nach ihm. … Dapyx kam ums Leben, ebenso viele andere; dessen Bruder aber nahm Crassus lebend gefangen, tat ihm aber nichts zuleide, sondern schickte ihn fort. … (Nach seinem Erfolg) wandte sich Crassus nicht von den anderen Geten ab, auch wenn sie nicht dem Dapyx zukamen, sondern zog nach Genoukla, der wehrhaftesten Festung im Reich des Zyraxes. (Cassius Dio, Historien 51,24,6–7; 51,26,1–2 und 4–5)
Roles wurde also von Roms Gnaden als König anerkannt und war nun ein »Freund und Bundesgenosse«. Dieses Verfahren, in dem von den Römern
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in einem Gebiet am Rand des Römischen Reichs ein romfreundlicher König eingesetzt oder anerkannt wurde, kennen wir auch aus anderen Regionen. Ein solcher in der modernen Forschung als »Klientelkönig« bezeichneter Herrscher war auch Herodes d. Gr., der (übrigens ein Jahr vor Roles) als König von Judäa anerkannt worden war; er hatte diese Funktion bis 4 v. Chr. inne (und erscheint im Neuen Testament im Matthäusevangelium 2 in der Geschichte von den Heiligen Drei Königen). Rom beherrschte das Gebiet also nicht direkt als Provinz des Reichs, sondern sicherte dessen Vorfeld durch einen König, der mit dem Schutz seiner eigenen Herrschaft zugleich das benachbarte Imperium Romanum vor äußeren Angriffen bewahrte. Über Roles, Dapyx und Zyraxes ist mehr nicht überliefert. Crassus setzte sich also mit diesen und weiteren »Königen gewisser Geten« auseinander und konnte schließlich, wie das in Rom selbst inschriftlich erhaltene Verzeichnis der Triumphfeiern für das Jahr 28 v. Chr. aufführt, einen Triumph feiern: Marcus Licinius, Sohn des Marcus, Enkel des Marcus, Crassus, Prokonsul, über Thrakien und die Geten (ex Traecia et Geteis) am 4. Tag vor den Nonen des Juli 726 (nach Gründung der Stadt, also am 4. Juli 28 v. Chr.) (Lateinische Inschrift aus Rom: Fasti Triumphales zum Jahr 28 v. Chr., EDCS-20200010)
Ein möglicher weiterer König Thiamarkos im Karpatenbogen wird immer wieder in der Forschungsliteratur behandelt: Auf zwei Scherben eines großen und groben Keramikgefäßes, das gemeinsam mit Münzen aus augusteischer Zeit 1973 in Ocniţa (Kreis Vâlcea, Rumänien) gefunden wurde, nennt eine Inschrift in griechischen Buchstaben »basile[…]« und »thiamark[…]«, also – wie man meinte – vielleicht als Auftraggeber oder Besitzer (s. o. → Kap. 2.2) einen »basileus« (König) »Thiamarkos« (griechische Inschrift SEG XXVII 417), der in der erhaltenen antiken Überlieferung sonst nicht genannt ist. Allerdings ist seither eine weitere Scherbe ans Licht gekommen, die direkt an die zweite passt und zeigt, dass hier »Thiamarkos hat es gemacht« stand, also ein Töpfer genannt ist (griechische Inschrift
5.5 Augustus und »Könige gewisser Geten«
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SEG XXX 862). Dass die erhaltene literarische Überlieferung keinen König Thiamarkos kennt, ist dann nicht mehr überraschend. Als »König gewisser Geten« scheidet er jedenfalls aus. Vor allem die Nachrichten bei Cassius Dio machen den von Strabon genannten Zerfall von Byrebistas’ Reich nach dessen Tod (Geographie 7,3,11; s. o. → Kap. 5.3) und die damit für die Römer unvermeidliche Unübersichtlichkeit der Herrschaftsverhältnisse bei den Geten / Dakern anschaulich. In Byrebistas hatten sie noch einen gefährlichen Gegner erkannt, den sie militärisch bekämpften und dessen Tod dann eine weitere Auseinandersetzung als nicht mehr nötig erscheinen ließ. Könige »gewisser Geten« hingegen konnten die Römer einfach als Klientelkönige etablieren, ohne sich ihrer Meinung nach dann noch vor ihnen fürchten zu müssen.
5.6 »Verdrängt und vertagt« Einen Getenkönig namens Cotiso haben wir eben bereits bei der von Marcus Antonius lancierten Unterstellung kennengelernt, Octavian habe eine gegenseitige Eheverbindung mit ihm angestrebt (s. o. → Kap. 5.5). Er spielte offenbar als Gegner einer militärischen Unternehmung des Octavian eine Rolle, der »ein Heer gegen die Daker schickte«, wie Strabon (Geographie 7,3,11) angibt, wenn auch zunächst mit wenig Wirkung. In einer im Jahr 30 v. Chr. entstandenen Satire über das Land- und das Stadtleben nennt der römische Dichter Quintus Horatius Flaccus (Horaz, 65–8 v. Chr.) unter sonstigem städtischen »Smalltalk« auch: »Hast Du etwas von den Dakern gehört?« »Nein, ich gar nichts!«
(Horaz, Satiren 2,6,53)
Ein paar Jahre später gibt Horaz in einem Gedicht, in dem er seinem Freund Maecenas Erholung anrät, an: Lass die Sorgen um Bürger und Stadt fahren: Gefallen ist des Dakers Cotiso Streitmacht. (Horaz, Oden 3,8,17–18)
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Cotisos Streitmacht war unterlegen, Cotiso selbst aber nicht gefallen. Im Jahr 27 v. Chr. übernahm Octavian dann als Kaiser Augustus die faktische Alleinherrschaft über das Römische Reich (s. o. → Kap. 5.5). In Dakien freilich war der römische Erfolg offenbar nicht von Dauer. Einer lateinischen Inschrift aus Tusculum (bei Frascati, Italien) zufolge war Marcus Vinicius, der im Jahr 19 v. Chr. als einer der Konsuln nachgerückt war, in der Zeit nach diesem Amtsjahr – also ein Jahrzehnt nach dem Fall von »des Dakers Cotiso Streitmacht« – maßgeblich an solchen Auseinandersetzungen beteiligt: [Marcus Vini]ciu[s, Sohn des Publius, Konsul, Mitglied des 15-MännerKollegi]ums für die Opferbereitung, [Praetor, Quaestor, propraetorischer Legat] des Augustus Caesar in [Illyricum, ist als erster ü]ber den Danuvius-Fluss (Donau) [vorangeschritten, hat das Daker-] und Basterner-He[er in einer Schlacht besiegt,] Kotiner, Os[…] und Anart[er ver]trieben [und unter die Herrschaft des Imperators Caesar A]ugustus [und des römischen Volkes gebracht]. (Lateinische Inschrift aus Tusculum, EDCS-16000516)
Aufgeführt ist die Karriere des Marcus Vinicius, und zwar zeitlich zurückschreitend. Auch wenn die von ihm bekleideten Ämter unter Augustus nicht mehr die administrative, juristische und politische Bedeutung besaßen, die sie in der republikanischen Vergangenheit Roms gehabt hatten, bedeuteten sie eine Auszeichnung. Das höchste Amt, das Marcus Vinicius innehatte, war das des Konsuls, also eines der beiden höchsten Amtsträger eines Jahres im antiken Rom; als solcher war er 19 v. Chr. dem ersten Konsul des Jahres nachgerückt. Er war seinerzeit bereits (wie Augustus) Mitglied des prestigereichen 15-Männer-Kollegiums für die Opferbereitung, davor Praetor (ursprünglich ein Amt von hoher richterlicher Bedeutung), Quaestor (mit einer gewissen Zuständigkeit für Recht und Finanzen) und zuerst propraetorischer Legat, also Kommandant einer Legion (s. o. → Kap. 2.2). Wir werden diesen Ämtern auch in anderen römischen Lebensläufen wieder begegnen.
5.6 »Verdrängt und vertagt«
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Wenige Jahre später wurde Gnaeus Cornelius Lentulus, einer der Konsuln des Jahres 14 v. Chr., nach seiner Amtszeit an der unteren Donau eingesetzt; auf dakischer Seite erscheint dabei erneut König Cotiso, den der uns schon bekannte (s. o. → Kap. 5.2) Historiker Florus nennt: Die Daker hängen in den Bergen; von dort pflegten sie unter dem Befehl des Königs Cotiso, sooft der Danuvius (Donau) durch Frost seine Ufer verbunden hatte, herabzukommen und die Nachbarschaft zu verwüsten. Es schien daher Caesar Augustus richtig, den sehr schwer erreichbaren Stamm zu verdrängen. Er schickte deshalb Lentulus und drängte sie nach jenseits des Ufers ab; auf dem diesseitigen wurden Garnisonen errichtet. So war Dakien damals zwar nicht besiegt, doch verdrängt und vertagt worden. (Florus, Epitome 2,28)
Wer war dieser Cotiso, der uns jetzt immer wieder – von der angeblichen Verbindung mit Octavian im Jahr 32 v. Chr. bis zur Verdrängung im Jahr 13 v. Chr. – beschäftigt hat? Ist er identisch mit dem – dann als Person gedeuteten – Koson, dessen Namen zu jener Zeit umlaufende Goldmünzen nennen (s. → Kap. 2.3)? Oder ist er identisch mit Comosicus, dem dritten König, den Jordanes in seiner Königsliste (s. → Kap. 5.1) anführt, freilich erst für die Zeit des Kaisers Tiberius nach 14 n. Chr.? Für diese Gleichsetzungen spricht schlichtweg nichts. Vielmehr trifft Strabon wohl das Richtige, wenn er für die augusteische Zeit angibt, die Geten / Daker seien »jetzt, da Caesar Augustus ein Heer gegen sie schickte, in fünf, ein andermal in vier Teile zerfallen«, und hinzufügt, dass »solche Einteilungen … zeitgebunden und immer wieder anders« seien (Geographie 7,3,11; s. o. → Kap. 5.3). Auch Cotiso wird nicht mehr als ein – wenn auch recht lange aktiver – »König gewisser Geten« gewesen sein. Offenbar gingen die Römer auch am Unterlauf der Donau gegen die Geten vor und nutzten ein Herrschaftsinstrument, das bereits 38 v. Chr. an der Rheingrenze eingesetzt worden war, als Agrippa eine große Anzahl des Stamms der Ubier aus dem rechts- in das römische linksrheinische Gebiet umsiedelte (Tacitus, Annalen 12,27,1 und 13,57,4) und das Oppidum Ubio-
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rum (das spätere Köln) zur Hauptstadt der Umgesiedelten machte. An der Donau setzte eine solche Massenumsiedlung nun Sextus Aelius Catus durch, der 4 v. Chr. Konsul war und wohl im Folgejahr als Prokonsul agierte: Er siedelte aus dem Land jenseits des Istros (Donau) nach Thrakien 50 000 Menschen von den Geten um, einen Stamm, der mit dem der Thraker gleichsprachig (homoglottoi; s. o. → Kap. 4.1) ist. Diese leben jetzt in Thrakien und heißen Moeser. (Strabon, Geographie 7,3,10)
Die Massenumsiedlung einer großen Bevölkerungsgruppe aus dem Gebiet jenseits der Donau in das von Crassus eroberte Moesien hatte für Rom mehrere Vorteile: Potentiell feindliche Gruppen wurden aus ihrem für Rom unüberschaubaren Gebiet gelöst, dieses Gebiet wurde entvölkert und stellte keine Bedrohung für die Donaugrenze des Imperium Romanum mehr dar – und die neu Angesiedelten konnten nun direkt kontrolliert und nicht zuletzt auch mit Abgaben belastet werden. Letztlich galten alle Maßnahmen – die Einsetzung von Klientelkönigen, die Behandlung der Daker, die »verdrängt und vertagt« wurden, und die Massenumsiedlung großer Bevölkerungsgruppen – als Erfolge nicht der sie umsetzenden römischen Befehlshaber, sondern des Kaisers Augustus selbst. Sueton (s. o. → Kap. 5.4) gibt in seiner Biographie des Augustus in einem Rückblick auf dessen militärische Leistungen ohne Nennung von Details an: Er beendete auch die Einfälle der Daker und erschlug eine große Zahl von ihnen zusammen mit ihren Anführern. (Sueton, Augustus 21,1)
Wir kennen sogar die eigene Darstellung des Augustus. Sie steht in seinem Tatenbericht, der nach seinem Tod 14 n. Chr. als Res Gestae Divi Augusti (Taten des vergöttlichten Augustus) durch monumentale griechische und lateinische Inschriften im ganzen Reich bekanntgemacht wurde; da eine dieser Abschriften in Ancyra (Ankara, Türkei) erhalten geblieben ist,
5.6 »Verdrängt und vertagt«
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spricht man auch vom Monumentum Ancyranum. Bei Augustus liest sich der römische Erfolg dann so: Als ein dakisches Heer über die Donau herüberkam, wurde es unter mir als oberstem Kriegsherrn vernichtend geschlagen, und später zwang mein über die Donau geführtes Heer die dakischen Volksstämme, die Herrschaft des römischen Volkes zu ertragen. (Res Gestae Divi Augusti 30, EDCS-20200013)
5.7 »Das Reich in den Grenzen halten« Der große Historiker Theodor Mommsen (1817–1903), der 1902 den Nobelpreis für Literatur erhalten sollte, hat in seiner einflussreichen Römischen Geschichte lapidar festgehalten: »Wie die Rheingrenze Caesars so ist die Donaugrenze das Werk des Augustus« (Mommsen 1885, 178). Beim Tod des Augustus 14 n. Chr. war dieser Zustand konsolidiert. Als der Senat seinen Stiefsohn Tiberius Claudius Nero (Tiberius; 42 v. Chr. – 37 n. Chr.) bat, die Herrschaft zu übernehmen, kam es laut dem römischen Historiker Publius Cornelius Tacitus (um 58–um 120 n. Chr.) zu folgender Szene: Dann wurden Bitten an Tiberius gerichtet. Und dieser brachte verschiedene Ansichten über die Größe des Reichs (und) seine eigene Unzulänglichkeit vor. Allein der Verstand des vergöttlichten Augustus sei einer so gewaltigen Aufgabe gewachsen: Von diesem zur Teilnahme an den Staatsgeschäften berufen, habe er durch Erfahrung gelernt, wie schwer und wie sehr dem Glück die Last ausgesetzt sei, alles zu regieren. Daher sollte man in einer Bürgerschaft, die sich auf so viele bedeutende Männer stütze, nicht alles auf einen Einzigen übertragen: Mehrere würden leichter die Aufgaben der res publica (des Staats) im vereinten Bemühen erfüllen. In einer solchen Art von Rede lag mehr Würde als Aufrichtigkeit. Und Tiberius gebrauchte sogar in Angelegenheiten, die er nicht verheimlichen konnte, – sei es aus Veranlagung, sei es aus Ge-
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wohnheit – immer unbestimmt gehaltene und unklare Worte. Als er sich dann freilich bemühte, seine Gedanken ganz und gar zu verbergen, gerieten (seine Worte immer) mehr in ungewisse Zweideutigkeit. Die Senatoren aber, die die einzige Angst hatten, man könne ihnen anmerken, dass sie ihn durchschauten, brachen in Klagen, Tränen und Bitten aus. Zu den Göttern, zum Bild des Augustus, ja zu seinen Knien strecken sie die Hände aus – da befahl er, ein Schriftstück herbeizuholen und vorzulesen. Es waren die öffentlichen Machtmittel enthalten, wie viel es an in Waffen stehenden Bürgern und Bundesgenossen gab, wie viele Flotten, Königreiche und Provinzen, Tribute und Abgaben, notwendige Ausgaben und Schenkungen. Alles dies hatte Augustus eigenhändig genau niedergeschrieben und den Rat hinzugefügt, das Reich innerhalb seiner Grenzmarken zu beschränken, ungewiss, ob aus Angst oder aus Missgunst. (Tacitus, Annalen 1,11)
Man mag von Tacitus’ Bewertung absehen, der Augustus Angst oder Missgunst und Tiberius einen Mangel an Aufrichtigkeit unterstellt, und man mag sich fragen, ob der Ratschlag, das Reich in den bestehenden Grenzen zu halten, überhaupt so konkret gegeben wurde: Die in ihm empfohlene Politik prägte jedenfalls weitgehend die folgenden Jahrzehnte. Südlich der Donau hatte, wie wir (in → Kap. 5.6) gesehen haben, der jüngere Crassus schon 29 v. Chr. Moesien erobert, wohl im Jahr 3 v. Chr. hatte Aelius Catus in einer Massenumsiedlung viele Menschen von nördlich der Donau nach Moesien gebracht, und spätestens 6 n. Chr. war Moesien als römische Provinz eingerichtet worden. Offenbar kam es aber einige Jahrzehnte später erneut zu Bedrohungen, auf die Rom erneut mit einer Massenumsiedlung reagierte. Wir erfahren dies aus einer Inschrift, die in Tibur (Tivoli, Italien) am Mausoleum der Familie der Plautier erhalten ist und ein bedeutendes Mitglied dieser Sippe feiert. Sie beginnt wie folgt: Für Tiberius Plautius, Sohn des Marcus, aus der Tribus Aniensis, Silvanus Aelianus, den Oberpriester und Kaiserpriester, Mitglied des DreiMänner-Kollegiums für das Gießen und Prägen von Kupfer, Silber und
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Gold, Quaestor des Kaisers Tiberius, Legat der V. Legion in Germanien, Stadtpraetor, Legat und Begleiter des Kaisers Claudius in Britannien, Konsul, Prokonsul (Statthalter) der (Provinz) Asia, propraetorischer Legat in Moesien. Dorthin führte er mehr als 100 000 aus der Zahl der Transdanuvianer (jenseits der Donau Siedelnden) zwecks Verpflichtung zur Tributzahlung mit ihren Frauen und Kindern, Fürsten und Königen herüber. Er warf einen aufkommenden Aufstand der Sarmaten nieder, obwohl er einen großen Teil des Heeres zum Feldzug nach Armenien geschickt hatte. Dem römischen Volk unbekannte oder feindliche Könige führte er zur Anbetung römischer Zeichen an das Ufer, das er beschützte, schickte den Königen der Bastarner und Roxolanen ihre Söhne, denen der Daker ihre Brüder zurück, die gefangengenommen oder den Feinden entrissen worden waren, und nahm von anderen von ihnen Geiseln an, durch die er den Frieden der Provinz sicherte und ausdehnte … (Lateinische Inschrift aus Tivoli, EDCS-05801598, Zeilen 1–22)
Die Inschrift geht so weiter und berichtet von einer dritten Statthalterschaft in Spanien, einer Position als Stadtpraefekt und einem erneuten Konsulat. In unserem Zusammenhang aber ist die zitierte Passage von besonderem Interesse, in der die Karriere des Tiberius Plautius Silvanus Aelianus im Detail präsentiert wird. Setzt man sie in heutige Zeitrechnung um, ergibt sich folgender Lebenslauf: 12 n. Chr. Geburt, 30 n. Chr. (also mit 18 Jahren) Münzmeister (»Mitglied des Drei-Männer-Kollegiums für das Gießen und Prägen von Kupfer, Silber und Gold«, s. o. → Kap. 2.3), 37 n. Chr. (also mit 25 Jahren, dem von Augustus eingeführten Mindestalter für dieses Amt) Quaestor (s. o. → Kap. 5.6), 39 bis 40 n. Chr. Legat, also Kommandant einer Legion (s. o. → Kap. 2.2), 42 n. Chr. Stadtpraetor (für die Gerichtsbarkeit in der Stadt zuständiger Amtsträger), dann gemeinsam mit Kaiser Claudius bei dessen Britannien-Feldzug 43 bis 44 n. Chr. eingesetzt, anschließend 45 n. Chr. Konsul (also einer der beiden höchsten Amtsträger im Reich; s. o. → Kap. 5.6), daraufhin als Prokonsul Statthalter in der Provinz Asia (Kleinasien), später als vom Kaiser beauftragter propraetorischer Legat ebenfalls Legionskommandant und Statthalter der Provinz Moesien.
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Wann genau Tiberius Plautius Silvanus Aelianus in der letztgenannten Funktion agierte, kann man der Inschrift nicht entnehmen. In der Forschung hält man etwa die Jahre zwischen 60 bis 67 n. Chr. für wahrscheinlich: Sein Vorgänger als Statthalter von Moesien, Flavius Sabinus, war nämlich nach dem zweiten Konsulat von Kaiser Nero (37–68 n. Chr., Kaiser seit 54) 57 n. Chr. eingesetzt worden und muss dieses Amt einige Jahre innegehabt haben, bevor er im Jahr 62 n. Chr. Stadtpraefekt von Rom wurde. Er selbst wiederum wurde von Kaiser Vespasian (9–79 n. Chr., Kaiser seit 69) für eine spätere Maßnahme geehrt, die also wohl vor 69 n. Chr. zu datieren ist. Als Statthalter der Provinz Moesien unter Kaiser Nero setzte demnach Tiberius Plautius Silvanus Aelianus eine Massenumsiedlung von 100 000 Menschen über die Donau nach Süden durch. Zugleich sicherte er das Wohlverhalten einiger Könige, die »dem römischen Volk unbekannt oder feindlich« waren, und insbesondere der Könige der Bastarner, Roxolanen und Daker durch Rückgabe von Gefangenen und Einforderung von Geiseln. Aus römischer Sicht hatte es »jenseits« der Donau demnach zuletzt wieder nicht nur einen, sondern mehrere »feindliche« Könige gegeben, die nun erneut »befriedet« wurden. Die von Augustus propagierte Sicherung der Außengrenze des Römischen Reichs an der Donau (s. o. → Kap. 5.6) bei Moesien war damit – so meinte man offenbar – erneut erreicht. Neros zunehmend erratische Herrschaft fand 68 n. Chr. durch den erzwungenen Selbstmord des Kaisers ein Ende. Dies führte in Rom zu einem bürgerkriegsähnlichen »Vierkaiserjahr« (68/69 n. Chr.). Offenbar erkannten nun auch manche »Transdanuvier« die Schwäche des Imperium Romanum. Der schon eben erwähnte Historiker Tacitus gibt jedenfalls in seinen Historien beiläufig über jenes Jahr an: Unruhig wurde auch der Stamm der Daker, nie vertrauenswürdig, nun ohne Angst, da das Heer aus Moesien abgezogen war. Sie beobachteten die ersten Ereignisse, ohne sich zu rühren; aber als sie hörten, dass Italien durch den Krieg brenne und dass das ganze Reich in feindliche Lager aufgeteilt war, stürmten sie die Winterquartiere unserer Kohorten und Alae und brachten sich in den Besitz beider Ufer des Danuvius
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(Donau). Sie bereiteten sich bereits darauf vor, die Lager der Legionen zu zerstören. (Tacitus, Historien 3,46,2)
Dies wurde schließlich aber vereitelt. Offenbar bestand ohnehin keine Einigkeit der Daker über die Erfolgsaussichten einer Offensive gegen Rom. Frontin, dessen Werk über Finten und Tricks in der Kriegführung wir bereits (in → Kap. 5.2) kennengelernt haben, erzählt dazu folgende Anekdote: Scorylo, ein Feldherr (dux) der Daker, wusste zwar, dass die Römer von den Auseinandersetzungen der Bürgerkriege zerrissen waren, dachte aber nicht, dass er sich an irgendein Unternehmen gegen sie wagen sollte, da ein auswärtiger Krieg das Mittel sein könnte, die (römischen) Bürger in Harmonie zu vereinen. Dementsprechend stellte er vor der Bevölkerung zwei Hunde im Kampf zur Schau, und als sie sich in eine verzweifelte Begegnung stürzten, stellte er ihnen einen Wolf dazu. Die Hunde ließen sofort von ihrem Wüten gegeneinander ab und griffen den Wolf an. Durch dieses Exempel hielt Scorylo die Barbaren von einem Angriff ab, der nur den Römern hätte zugutekommen können. (Frontin, Strategemata 1,10,4)
Während Frontin ausdrücklich nicht von einem König, sondern von einem Feldherrn (dux) spricht, begegnet uns in der Königsliste des Jordanes (s. o. → Kap. 5.1) als dritter König (rex) der Goten / Geten ein Coryllus (in den Abschriften auch als Chorilus und Corillius geschrieben), der »40 Jahre lang in Dacia über seine Stämme« geherrscht habe (Jordanes, Getica 73). Die fragliche Historizität dieser Liste haben wir bereits oben (in → Kap. 5.1) diskutiert; dennoch hat man immer wieder versucht, den von Frontin genannten dux Scorylus und den von Jordanes erwähnten rex Coryllus zu identifizieren, freilich ohne gute Gründe. Wichtiger ist Folgendes: Es ist nun ein Heerführer der Daker, dem es nun durch eine kluge Demonstration gelingt, Einfluss zu nehmen. Bisher waren Finten und kluge Tricks gegen die »einfältigen« Daker dem Make-
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donen Philipp II. (s. o. → Kap. 4.2) und dem Römer Marcus Minucius Rufus (s. o. → Kap. 5.2) zugeschrieben worden, nun agierte der Daker Scorylo selbst schlau: Die Daker waren zu ernstzunehmenden Gegnern geworden. Der Name »Scorilo« begegnet uns übrigens auch – allerdings weder als dux noch als rex – auf einer Inschrift, die ein großes und grobes, in Sarmizegetusa Regia (s. o. → Kap. 2.1) gefundenes Keramikgefäß auf zwei mit einer Schablone hergestellten Kartuschen trägt, deren eine den Namen »Decebalus«, die andere »per Scorilo« in linksläufiger lateinischer Schrift verzeichnet (lateinische Inschrift EDCS-11300331). Inschriften auf Gefäßen weisen meist auf den Hersteller und den Auftraggeber und damit künftigen Besitzer hin (s. → Kap. 2.2), und so dürfte diese Aufschrift also als »Decebal, (hergestellt) von Scorilo« oder aber »Decebal, (hergestellt) für Scorilo« zu deuten sein. Nichts spricht aber dafür, dass einer der beiden Namen oder gar beide einen König bezeichnen. Auch Versuche, »per« als »dakisch« für »Sohn des« zu verstehen, sind nicht überzeugend, da es keine anderen Belege dafür gibt (s. o. → Kap. 2.5). Wir erinnern uns: Der vermeintliche König Thiamarkos erwies sich nach einem neuen Fund schließlich auch nur als Töpfer (s. o. → Kap. 5.6); auch der »Scorilo«Name auf dem Keramikgefäß ist kein Beleg für dessen Königswürde. Wir sehen also, dass in den Jahrzehnten nach dem Tod des Augustus 14 n. Chr. die römische Seite tatsächlich nicht an einer Expansion über die Donau interessiert war, sondern das Reich an den Grenzen bewahren wollte. Um dies sicherzustellen, setzte man erneut Massenumsiedlungen von jenseits der Donau in das Imperium Romanum durch, damit die Umgesiedelten besser kontrolliert werden könnten und von ihnen keine unmittelbare Gefährdung für das Reich mehr ausgehe. Trotz der Schwäche Roms im Vierkaiserjahr nach dem Tod Neros gelang aber auch der dakischen Seite kein Vordringen in das von Rom beherrschte Gebiet. Die ScoryloGeschichte legt als Grund dafür nahe, dass die Daker dafür nicht stark genug waren. Wenn es also den angeblich im 1. Jahrhundert v. Chr. entstandenen und 1980 so laut gefeierten starken »dakischen Zentralstaat« (s. o. → Kap. 3.2) jemals gegeben hat – nun jedenfalls gab es ihn nicht.
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5.8 Domitian Als Sieger aus dem Vierkaiserjahr nach Neros Tod (s. o. → Kap. 5.7) ging Titus Flavius Vespasianus (Vespasian, 9–79 n. Chr.) hervor. Er wurde 69 n. Chr. Kaiser und begründete die flavische Dynastie. Nach seinem Tod 79 n. Chr. wurde sein Sohn Titus (39–81 n. Chr.) Kaiser; auf diesen folgte sein jüngerer Bruder Domitian (51–96 n. Chr.). Aus der Zeit Domitians stammen nun die nächsten Nachrichten über Dakien, die wir den antiken Quellen entnehmen können. Allerdings ist die wahrscheinlich ausführlichste antike Darstellung jener Zeit nicht erhalten. Der spätantike Historiker und Theologe Paulus Orosius (um 385–um 418 n. Chr.) gibt in seinem – dem (später Heiligen) Augustinus als seinem Lehrer gewidmeten – Geschichtswerk dazu an: Den Krieg gegen Germanen und Daker führte Domitian durch Legaten mit gleichem Verderben für die res publica (den römischen Staat); während er selbst in der Stadt den Senat und das Volk quälte, rieben draußen die Feinde das schlecht geführte Heer in fortgesetzten Niederlagen auf. Wie viele Schlachten zwischen dem Dakerkönig Diurpaneus und dem Feldherrn Fuscus stattfanden und wie viele römische Niederlagen es gab, würde ich in einer längeren Darstellung schildern, hätte nicht Cornelius Tacitus, der diese Geschichte sehr gewissenhaft schilderte, gesagt, dass Sallustius Crispus und sehr viele andere Autoren für das Verschweigen von Verlustzahlen Normen festgesetzt hätten und er selbst in erster Linie vornehmlich gleich verfahren sei. Trotzdem feierte Domitian, von ganz verworfener Prahlsucht aufgeblasen, mit der Behauptung, die Feinde überwunden zu haben, einen Triumph, der ausgelöschten Legionen galt. (Orosius, Historien 7,10,3–4)
Die ausführliche und »sehr gewissenhafte« Darstellung von Domitians Zeitgenossen Tacitus (s. o. → Kap. 5.6), die Orosius offenbar noch kannte, ist – wie so viele antike Werke (s. o. → Kap. 2.4) – seither verloren gegangen. In den von Tacitus erhaltenen Werken erwähnt dieser einmal »den
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Verlust von so vielen Heeren in Moesien, Dakien, Germanien und Pannonien durch den Wagemut oder die Feigheit der Heerführer« (Tacitus, Agricola 41,4); was Tacitus aber über Schlachten zwischen einem Dakerkönig namens Diurpaneus und dem Praetorianerpraefekten (also dem Kommandanten der mit dem Schutz des römischen Kaisers beauftragten Einheit) Fuscus angegeben hat, ist nicht mehr erhalten. Sueton, dessen Kaiserbiographien wir bereits oben (in → Kap. 5.4) kennengelernt haben, fasst Domitians Leistungen als Kriegsherr wie folgt zusammen: Von seinen Feldzügen unternahm er einige freiwillig, die anderen gezwungen: freiwillig den gegen die Chatten, gezwungen einen gegen die Sarmaten, die eine Legion samt deren Legaten niedergehauen hatten, und zwei gegen die Daker – den ersten, um die Niederlage des Prokonsuls Oppius Sabinus, den zweiten, um die des Cornelius Fuscus, des Praefekten der Praetorianerkohorten, zu rächen, dem er den Oberbefehl im Krieg übertragen hatte. Über die Chatten und Daker hielt er nach mehreren Gefechten von unterschiedlichem Erfolg doppelte Triumphe, über die Sarmaten brachte er dem Iupiter Capitolinus nur einen Lorbeerkranz dar. (Sueton, Domitian 6,1)
Etwas ausführlicher berichtet im 4. Jahrhundert n. Chr. Eutrop (s. o. → Kap. 5.2) in seiner kurzgefassten Römischen Geschichte: Bald darauf übernahm Domitian, sein (des Titus) jüngerer Bruder, die Herrschaft. Mit Nero, Caligula oder Tiberius hatte er mehr Ähnlichkeit als mit seinem Vater (Vespasian) oder Bruder (Titus). In den ersten Jahren benahm er sich zwar in seiner Herrschaft mit Mäßigung, verfiel aber bald in die schlimmsten Laster der Wollust, Rachsucht, Grausamkeit und Habgier; er belud sich mit einem solchen Hass, dass darüber die Verdienste seines Vaters und Bruders vergessen wurden. Die vornehmsten Mitglieder des Senats ließ er hinrichten. Er war der erste, der sich als
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Herrn und Gott anreden ließ. Er ließ Statuen, die ihm auf dem Kapitol gesetzt wurden, nur dann zu, wenn sie aus Gold und Silber waren. Seine Vettern ermordete er. Auch war er vom abscheulichsten Hochmut besessen. Es führte vier Feldzüge durch: einen gegen die Sarmaten, einen anderen gegen die Chatten und zwei gegen die Daker. Über die Daker und Chatten hielt er einen doppelten Triumph, bei den Sarmaten begnügte er sich mit einem bloßen Lorbeerkranz. Freilich hatten ihn in diesen Kriegen viele Niederlagen betroffen. In Sarmatien nämlich wurde eine seiner Legionen mit ihrem Anführer niedergemacht, von den Dakern wurde ein Prokonsul, Oppius Sabinus, und auch der Praetorianerpraefekt Cornelius Fuscus mitsamt großen Heeren getötet. In Rom führte er viele Bauten aus: unter anderem baute er das Kapitol, das Forum mit den Durchgängen (Forum Transitorium), das Odeion, die Säulenhallen der vergöttlichten (Kaiser), das Heiligtum der Isis und das des Serapis und das Stadion. Seine Verbrechen machten ihn aber am Ende so allgemein verhasst, dass seine eigenen Leute sich gegen ihn verschworen und ihn im Palast ermordeten. (Eutrop, Breviarium 7,23,1–6)
Nochmals zwei Jahrhunderte später heißt es bei Jordanes (den Anfang dieser Passage haben wir bereits in → Kap. 5.1 kennengelernt): Nach einer langen Zwischenzeit, als der Imperator Domitian König war und die Goten seine Habsucht fürchteten, lösten sie das Bündnis, das sie einst mit den anderen Principes geschlossen hatten, und verwüsteten das Ufer des Danubius (Donau), das schon lange vom Imperium Romanum innegehabt worden war, nach Vernichtung von Soldaten zusammen mit deren Anführern. Dieser Provinz stand nach Agrippa damals Oppius Sabinus vor, bei den Goten aber hatte den Prinzipat Dorpaneus inne, als die Goten im begonnenen Krieg die Römer besiegten. Daraufhin führten die Goten Krieg und eroberten die Römer, enthaupteten den Op-
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pius Sabinus, drangen ein und plünderten kühn viele Lager und Städte des Kaisers. In dieser Notlage seiner Landsleute eilte Domitian mit aller Kraft nach Illyricum und brachte die Truppen fast des gesamten Reichs mit. Er schickte Fuscus als seinen Befehlshaber mit ausgesuchten Soldaten voran. Dann fügte er die Schiffe wie eine Brücke zusammen und ließ seine Soldaten über die Donau oberhalb der Armee des Dorpaneus laufen. Die Goten aber waren vorbereitet, griffen zu den Waffen und überwältigten die Römer bei der ersten Begegnung. Sie töteten Fuscus, den Anführer, und plünderten das Lager der Soldaten wegen seines Schatzes. Und wegen des großen Sieges, den sie in dieser Gegend errungen hatten, nannten sie danach ihre Oberen, durch deren Glück ihnen die Eroberung gelungen war, nicht mehr nur Menschen, sondern Halbgötter, nämlich anses. (Jordanes, Getica 76–78)
Auf römischer Seite also war der Oberbefehlshaber Kaiser Domitian, dessen Feldherren Gaius Oppius Sabinus 85 n. Chr. und Cornelius Fuscus 86 n. Chr. den Dakern unterlegen waren – wer aber leitete die Daker? Bei Orosius findet sich, wie wir gesehen haben, der Name Diurpaneus, bei Jordanes Dorpaneus. Ein weiterer Name, Duras, steht in den Konstantinischen Exzerpten über Tugenden und Laster (s. o. → Kap. 2.4) die hier aus einem sonst verlorenen Buch des Historikers Cassius Dio zitieren; im Exzerpt derselben Passage durch Xiphilinos – und damit auch in der verbreiteten deutschen Übersetzung von Otto Veh (s. u. → Anhang), die hier nur das Exzerpt des Xiphilinos wiedergibt – fehlt diese Angabe: Duras, dem die Vorherrschaft zugekommen war, überließ sie freiwillig dem Decebal, dem König der Daker. Der war gewaltig im Verständnis des Kriegswesens und gewaltig in der Durchführung, scharfsinnig beim Angriff und auch gut darin, den richtigen Moment für den Rückzug zu finden, ein Experte für Hinterhalte und ein Meister in der Schlacht. Er wusste nicht nur, wie man einen Sieg gut ausnützt, sondern auch, wie
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man eine Niederlage gut bewältigt. Daher war er lange Zeit ein würdiger Gegner der Römer. (Konstantinische Exzerpte über Tugenden und Laster aus Cassius Dio, Historien 67,6,1)
Ausführlicher, aber ohne Nennung des Duras, setzt Xiphilinos das im Konstantinischen Exzerpt Gesagte fort: Einen sehr großen Krieg gab es damals für die Römer mit den Dakern, deren König damals Decebal war. Der war gewaltig im Verständnis des Kriegswesens und gewaltig in der Durchführung, scharfsinnig beim Angriff und auch gut darin, den richtigen Moment für den Rückzug zu finden, ein Experte für Hinterhalte und ein Meister in der Schlacht. Er wusste nicht nur, wie man einen Sieg gut ausnützt, sondern auch, wie man eine Niederlage gut bewältigt. Daher war er lange Zeit ein würdiger Gegner der Römer. Ich spreche von Dakern, wie sie sich selbst und wie die Römer sie nennen. Freilich weiß ich wohl, dass einige Griechen sie als Geten bezeichnen, gleich, ob sie damit den richtigen Begriff nennen oder nicht. Ich selbst weiß, dass die Geten jenseits des Haimos (Balkangebirge, im weiteren Sinn Balkan) entlang des Istros (Donau) siedeln. Domitian unternahm also einen Feldzug gegen dieses Volk, beteiligte sich aber nicht selbst am Krieg, sondern blieb in einer Stadt in Moesien und genoss ein ausschweifendes Leben, wie er es gewohnt war. Er war ja nicht nur träge im Körper und feige im Geist, sondern auch sehr verschwenderisch und unzüchtig gegenüber Frauen und Knaben gleichermaßen. Er schickte andere als Feldherren in den Krieg und bekam doch zum größten Teil das Schlimmste davon. (Xiphilinos und teilweise Konstantinische Exzerpte über Tugenden und Laster aus Cassius Dio, Historien 67,6,1–3)
Dem klugen und tapferen Daker Decebal steht in dieser Darstellung der verweichlichte und feige römische Kaiser Domitian gegenüber, der es sich selbst gut gehen lässt und andere in den Kampf schickt. Wie aber war Decebal »König« geworden? Dem zunächst zitierten Konstantinischen Exzerpt zufolge nannte Cassius Dio ja einen Vorgänger namens Duras, andere
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schon zitierte Zeugnisse sprechen von Diurpaneus oder Dorpaneus. Sind diese drei alle dieselbe Person? Eine Antwort scheint eigentlich nebensächlich, spielt allerdings in der Neuzeit eine große Rolle, da manche Gelehrte dazu neigen, das Wirken des Decebal – also eines der beiden »Väter« der rumänischen »Nation« (s. o. → Kap. 3.2) – möglichst früh beginnen zu lassen. Dafür plädieren sie für eine Gleichsetzung von Decebal mit Diurpaneus / Dorpaneus und manchmal gar mit Duras oder sehen in Decebal den Träger eines ihm verliehenen »dakischen Ehrennamens« Decebal (für den sie dann eine »dakische« Wortbedeutung erfinden). Nichts spricht dagegen, dass Decebal einen Vorgänger hatte. Verfolgen wir die weiteren Ereignisse anhand der Quellen: Die erste römische Offensive 85 n. Chr. war erfolglos verlaufen und hatte zum Tod des römischen Befehlshabers Oppius Sabinus geführt, die zweite fand im Jahr 86 n. Chr. unter Cornelius Fuscus statt und endete, wie wir schon gesehen haben, ebenfalls mit einer römischen Niederlage: Auch Fuscus kam ums Leben. Der römische Dichter Decimus Iunius Iuvenalis (Juvenal, spätes 1. bis frühes 2. Jahrhundert n. Chr.) spricht davon in einer (wohl erst nach Domitians Tod 96 n. Chr. entstandenen) Satire, in der er eine Sitzung des kaiserlichen Beratergremiums (consilium principis) unter Domitian parodiert. Unter den Ratgebern des Kaisers erscheint auch er, der für die dakischen Geier sein Gedärm wohl bewahrte: Fuscus, in marmorner Villa an Schlachten denkend. (Juvenal, Satiren 4,111–112)
Den bevorstehenden Tod des Fuscus nimmt Juvenal hier vorweg. Umgekehrt setzt der als Grabinschrift formulierte Nachruf, den der Dichter Marcus Valerius Martialis (Martial, 40–103/104 n. Chr.) in seinen Epigrammen bietet, voraus, dass man vom schließlichen Erfolg der Römer weiß: Der Leibwächter des erhabenen Kaisers, des Mars in der Toga, dem die Garnison des höchsten Fürsten anvertraut war, Fuscus, liegt hier. Das darf man Fortuna bekennen:
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Nicht mehr braucht dieser Stein die Drohungen des Feindes zu fürchten. Der Daker hat seinen Nacken gebeugt und sich unter unser machtvolles Joch gefügt, und der siegreiche Schatten des Helden besitzt den ihm dienenden Hain. (Martial, Epigramme 6,76, übers. v. Paul Barié und Winfried Schindler; s. u. → Anhang)
Die dritte römische Offensive wurde nun besser vorbereitet. Der Nachfolger des Oppius Sabinus als Statthalter von Moesien, Marcus Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus (um 40–nach 97 n. Chr.), zeichnete sich in einem bellum Dacicum (einem »dakischen Krieg«) vielfach aus, wie eine in seiner Heimat Liria (Llíria, Spanien) erhaltene Ehreninschrift belegt (EDCS-09100149). Im Jahr 87 v. Chr. wurde die südlich der Donau gelegene Provinz Moesia (s. o. → Kap. 5.5) zur effizienteren Verwaltung geteilt: Moesia Superior (Obermoesien) umfasste den westlichen Teil (heute Serbien und Westbulgarien), Moesia Inferior (Untermoesien) den östlichen (heute Ostbulgarien und die rumänische Dobrudscha). Ein flexiblerer Einsatz der in diesen Provinzen stationierten Soldaten war damit gesichert. Den tatsächlichen Kriegsverlauf schildert Cassius Dio nach Ausweis eines Exzerpts, das wir Xiphilinos verdanken, wie folgt: Im dakischen Krieg ereigneten sich auch folgende bemerkenswerte Geschehnisse: Iulianus, der vom Kaiser ernannt wurde, um den Krieg zu führen, erließ viele gute Vorschriften, darunter den Befehl, dass die Soldaten ihre eigenen Namen und die ihrer Zenturionen (Befehlshaber einer Hundertschaft) auf ihre Schilde schreiben sollten, damit diejenigen von ihnen leichter erkannt werden könnten, die eine besonders gute oder schlechte Tat vollbrächten. Er traf bei Tapae auf die Feinde und tötete die meisten von ihnen. Einer von ihnen, Vezinas, der die zweite Position hinter Decebal innehatte und erkannte, dass er nicht lebend würde fliehen können, fiel absichtlich nieder, als wäre er tot; auf diese Weise entging er der Aufmerksamkeit und floh in der Nacht. Decebal fürchtete nun, dass die Römer jetzt, da
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sie überlegen waren, gegen seinen Königssitz vorgehen würden. Er ließ Bäume fällen, die sich dort befanden, und Rüstungen an den Stämmen anbringen, damit die Römer sie für Soldaten halten würden, sich also erschrecken und zurückziehen – und das geschah tatsächlich! (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 67,10,1–3)
Im Auftrag Domitians war also nun, 88 n. Chr., Lucius Tettius Iulianus, der Befehlshaber einer in (Ober-)Moesien stationierten Legion, eingesetzt, der von Südwesten kommend die Daker bei »Tapae« antrifft, also im BistraTal, das einen Zugang zum Siebenbürgischen Becken von Westen ermöglicht (s. o. → Kap. 1.2). Dies führte nach Cassius Dio zum Rückzug des Decebal, dem es aber mithilfe einer Finte gelang, die Römer zum Umkehren zu bringen, nachdem auch ein römisches Vorgehen gegen die Markomannen gescheitert war. Waren einst Geten und Daker wiederholt einfältig auf Tricks ihrer Gegner hereingefallen – so beim Makedonenkönig Philipp II. (s. o. → Kap. 4.2) und beim Römern Marcus Minucius Rufus (s. o. → Kap. 5.2) – und deshalb unterlegen, so hatte nun der Daker Decebal selbst erfolgreich einen solche Finte eingesetzt: Die Schlauheit des Dakers führte zum Abzug der Römer! Ja, selbst wenn hinter der Geschichte von den Attrappen bloß eine hämische Kritik an der Feigheit des Domitian und seiner Leute stecken könnte: Die Römer kehrten um. Nachdem Domitian von den Markomannen besiegt worden war, floh er und schickte in aller Eile Botschaften an Decebal, den König der Daker. Er veranlasste ihn, einen Waffenstillstand zu schließen, den er zuvor oft, wenn Decebal darum gebeten hatte, nicht gewährt hatte. Und so nahm Decebal seinen Vorschlag an – er ja hatte schwere Verluste erlitten –, wollte aber nicht selbst eine Besprechung mit Domitian haben, sondern schickte Diëgis mit den Männern, um ihm die Waffen und einige Gefangene zu geben, die – wie er vorgab – die einzigen waren, die er hatte. Als dies geschehen war, setzte Domitian dem Diëgis ein Diadem (als Zeichen der Königswürde) auf, als ob dieser wirklich überwunden worden wäre und als ob er (Domitian) den Dakern jeden beliebigen als König geben
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könnte. Den Soldaten gewährte er Ehrungen und Geld. Als hätte er einen Sieg errungen, schickte er neben Anderem Gesandte von Decebal nach Rom, dazu einen Brief (von diesem), wie er behauptete, obwohl Gerüchte besagen, dass er ihn gefälscht habe. Er schmückte das darauf folgende Fest mit vielen Exponaten eines Triumphs aus, obwohl diese nicht aus Beute stammten, die er gewonnen hatte – der Waffenstillstand hatte ihn vielmehr neben seinen Verlusten etwas gekostet, denn er hatte dem Decebal große Summen sowie Handwerker aller Gewerke, die Frieden und Krieg betrafen, übergeben und versprochen, auch in Zukunft große Summen zu zahlen –, sondern aus den kaiserlichen Magazinen; diese behandelte er nämlich immer wie Beute, da er ja sogar das Reich selbst versklavt hatte. (Konstantinische Exzerpte über Gesandtschaften von Römern aus Cassius Dio, Historien 67,7,2–4)
Die Verkürzung des verlorenen Originaltextes wird in diesem Exzerpt zwar gelegentlich deutlich, etwa wenn Diëgis »mit den Männern« geschickt wird, ohne dass wir erführen, wer diese »Männer« sind. Klar aber ist, dass Domitian den vom Dakerkönig entsandten Diëgis als neuen König der Daker einsetzte – ein Verfahren, das wir bereits (in → Kap. 5.5) bei Roles kennengelernt haben: Dieser »Klientelkönig« herrschte nun von des römischen Kaisers Gnaden. Nebenbei sollte die Einsetzung nicht des Decebal, sondern des Diëgis als König wohl auch dazu beitragen, dass es in der dakischen Führung zu Konflikten komme. Dass Domitian dieses Vorgehen aber in Rom als militärischen Sieg präsentierte und sogar »Beutegut« zeigte, wird vom Historiker heftig kritisiert. Tatsächlich nämlich zahlte, wie das Exzerpt zeigt, Rom an Decebal nicht nur einmalig große Summen, sondern ab sofort ein jährliches Schutzgeld – auch eine Möglichkeit, potentielle Angreifer fernzuhalten! Cassius Dio fasst laut den Konstantinischen Exzerpten über Tugenden und Laster das Vorgehen Domitians kritisch zusammen:
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Derselbe Kaiser, der geschlagen worden war, gab seinen Heerführern die Schuld. Alle Erfolge – auch wenn ihm davon keiner zusteht – nahm er für sich in Anspruch, für Misserfolge hingegen, auch wenn sie durch die von ihm erteilten Befehle entstanden waren, beschuldigte er andere. Er hasste diejenigen, die Erfolg hatten, und beschuldigte diejenigen, die geschlagen wurden. (Konstantinische Exzerpte über Tugenden und Laster aus Cassius Dio, Historien 67,6,4)
Ganz anders, nämlich im Sinne des hier als »Germanicus« angerufenen Kaisers Domitian, bewertet der uns schon bekannte Epigrammatiker Martial die Einsetzung des Klientelkönigs D(i)ëgis als Erfolg: Degis, Anwohner des nunmehr uns gehörenden Ufers, der von den dienstbaren Wassern des Istros zu Dir, Germanicus, kam, soll froh und begeistert, sobald er den Herrscher der Welt erblickte, an seine Begleiter die Worte gerichtet haben: »Mein Los ist besser als das meines Bruders: Ich darf aus so großer Nähe den Gott schauen, den jener aus so weiter Ferne verehrt.« (Martial, Epigramme 5,3, übers. v. Paul Barié und Winfried Schindler; s. u. → Anhang)
Mit dem Bruder des D(i)ëgis, von dem hier die Rede ist, ist offenbar Decebal gemeint. Dakien spielt auch eine Rolle in spöttischen Versen, in denen Martial seinem Ärger über sich selbst Luft macht, dass er Domitian nicht erfolgreich – und nicht um einen höheren Betrag – angebettelt hat: Als ich Jupiter kürzlich um nur wenige Tausender bat, sagte er: »Der da gibt sie bestimmt, der mir die Tempel gegeben hat.« Tempel gab jener dem Jupiter zwar, doch Tausender gab er mir keine. Wie schäme ich mich, ach, dass ich so wenig nur von Jupiter erbat! Aber wie las er mein Bittgesuch, mit welch freundlicher Miene!
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Keineswegs finster oder von Zorn verdüstert war er dabei! So war seine Haltung, als er den flehenden Dakern das Diadem verlieh, so geht er die Straßen zum Kapitol hinauf und wieder zurück. Sag’, ich bitte dich, Jungfrau, die du die Gedanken unseres Donnerers kennst: Wenn er mit dieser Miene sich weigert, mit welcher pflegt er dann zu geben? So ich, und so erwiderte Pallas mir knapp und legte dabei die Gorgo zu Seite: »Was man dir noch nicht geschenkt hat, meinst du, das sei dir verweigert, du Tor?« (Martial, Epigramme 6,10, übers. v. Paul Barié und Winfried Schindler; s. u. → Anhang)
Martial spricht auch hier gut über den Kaiser, der schon Tempel für den »Donnerer« Jupiter gestiftet habe; der Kaiser habe so freundlich geschaut wie beim Triumph auf den »Straßen zum Kapitol hinauf« oder eben bei der Einsetzung des dakischen Klientelkönigs durch Aufsetzen eines Diadems. Domitian werde ihm, was die Göttin Pallas (Minerva) ihm bestätigt, ja vielleicht doch noch Geld geben. Das Klientelkönigtum, vor allem aber die Zahlung von Schutzgeld sicherte künftig das Römische Reich. An recht unerwarteter Stelle, nämlich in Heliopolis (Baalbek) im Libanon, und zwar im großen Hof vor dem Tempel des Iupiter Optimus Maximus Heliopolitanus, des »größten und besten Iupiter von Heliopolis«, erfahren wir, dass es tatsächlich gelungen war, ein nicht mehr romfeindliches Verhalten Decebals zu erkaufen. Ein monumentales Grabdenkmal für einen römisches Militärbefehlshaber verzeichnet dort dessen Karriere in einer lateinischen Inschrift: Für Gaius Velius Rufus, den Sohn von Salvius, höchstrangiger Zenturio (primus pilus) der XII. Legion Fulminata, Praefekt einer Vexillation (Sondereinheit) aus den acht Legionen I. Adiutrix, II. Adiutrix, II. Augusta, VIII. Augusta, VIIII. Hispana, XIIII. Gemina, XX. Victrix, XXI. Rapax, Tribun der XIII. Stadtkohorte, Anführer einer Armee, die in Afrika und Maure-
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tanien gegründet wurde, um die in Mauretanien lebenden Nationen zu unterdrücken, der von Imperator Vespasian und Imperator Titus während des Jüdischen Kriegs mit einer Mauerkrone, zwei Lanzen, Phalerae und Armillae (mehreren Ehrenzeichen) ausgezeichnet wurde und während des Kriegs gegen die Markomannen, Quaden und Sarmaten, gegen die er einen Ausfall (expeditio) durch das Reich des Decebal, des Königs der Daker, durchführte, eine Mauerkrone, zwei Lanzen und zwei Standarten (weitere Ehrenzeichen) erlangte, der als Procurator (Verwalter) des Kaisers Caesar Augustus Domitianus in den Provinzen Pannonien und Dalmatien tätig war und als Procurator in Raetien mit dem Recht des Schwertes versehen war (also Richter in Kapitalprozessen war), der nach Parthien geschickt wurde und zu Kaiser Vespasian den Epiphanes und den Kallinikos brachte, die Söhne des Königs Antiochos, und eine große Gruppe von Männern, die tributpflichtig wurden, (für diesen also) hat Marcus Alfius Fabia Olympiacus, Sohn des Marcus, Adlerträger und Veteran der XV. Legion Apollinaris, dieses Denkmal errichtet. (Lateinische Inschrift aus Heliopolis, EDCS-16300627)
Ein kleiner Teil der eindrucksvoll großen Karriere des Gaius Velius Rufus war also eine expeditio gegen Markomannen, Quaden und Sarmaten »durch das Reich des Decebal, des Königs der Daker«. Offenbar gewährte der dakische König nun den römischen Soldaten den Zug durch sein Reich: Die römischen Schutzgeldzahlungen hatten sich also bewährt, und Decebal erwies sich als verlässlicher Klientelkönig.
5.9 »Für Reich und Macht oder für Freiheit und Vaterland« 96 n. Chr. wurde Domitian ermordet. Seine immer brutaler werdende Herrschaft war von vielen Mitgliedern der römischen Oberschicht kaum ertragen worden. Wie ein Intellektueller in jener Zeit trotz aller Widrigkeiten Ruhe zu bewahren versuchte, bezeugt das kürzlich gefundene Werk des berühmten Arztes Galen über Gelassenheit (s. o. → Kap. 2.4). In der er-
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haltenen Geschichtsschreibung, die überwiegend von Mitgliedern jener Schicht und insbesondere von Mitgliedern des Senats für ihresgleichen geschrieben wurde, wird der Tod des Kaisers dementsprechend überaus positiv bewertet: Der feige, ausschweifende und schließlich immer mörderischer agierende Despot war beseitigt. Nicht alle Gruppen der römischen Bevölkerung teilten diese Auffassung, wie Sueton (s. o. → Kap. 5.4) am Ende seiner Biographie dieses Kaisers angibt: Das Volk empfing die Nachricht von seinem Tod mit Gleichgültigkeit, aber die Soldaten waren sehr betrübt und versuchten sofort, ihn »vergöttlichten Domitian« (divus Domitianus) zu nennen; ja, sie waren bereit, ihn zu rächen, doch fehlte es ihnen an Anführern. Dies gelang ihnen jedoch etwas später, indem sie nachdrücklich die Hinrichtung seiner Mörder forderten. Die Senatoren hingegen waren so überglücklich, dass sie sich beeilten, den Palast zu füllen, wo sie es nicht unterließen, den toten Kaiser mit den beleidigendsten und stechendsten Schreien zu überfallen. Sie ließen sogar Leitern bringen und seine Schilde und Bilder vor ihren Augen niederreißen und auf den Boden stürzen; schließlich verabschiedeten sie einen Beschluss, wonach seine Inschriften überall gelöscht werden sollten; so wurden alle Aufzeichnungen über ihn getilgt. (Sueton, Domitian 23)
Auch für Dakien sind Reaktionen belegt, die durchaus nicht nur negativ waren. Wir erfahren das durch Nachrichten über den gelehrten Redner Dion von Prusa, genannt Chrysostomos (»Goldmund«; s. o. → Kap. 2.4). Über ihn schreibt im späten 2. Jahrhundert n. Chr. der griechische Autor Philostratos in seinem Werk Leben der Sophisten, er habe unter Domitian – offenbar zum Selbstschutz – Rom verlassen und sei als Tagelöhner und Bettler unterwegs gewesen. Dass er auch zur Geschichtsschreibung fähig war, beweisen seine Getika, denn auch zu den Geten kam er, als er umherzog. … Seine Wanderung zu den getischen Stämmen halte ich nicht für wert, als Verbannung
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bezeichnet zu werden, weil ihm nicht befohlen worden war, seine Heimat zu verlassen, aber auch nicht als bloße Reise: Er ging heimlich fort, entzog sich den Augen und Ohren der Menschen und trieb in dem einen Land dies, in dem anderen das, und zwar aus Furcht vor den Tyrannen in der Stadt (Rom), von denen jede Philosophie geächtet wurde. Während er nun Feldarbeiten verrichtete, für Bäder und Gärten Wasser schöpfte und andere solche Aufgaben erfüllte, um seinen Unterhalt zu verdienen, vergaß er doch das Studieren nicht, sondern unterhielt sich mit zwei Büchern: dem Phaidon des Platon und der Rede gegen die Gesandtschaft des Demosthenes. Da er oft in Lager kam, wo er zu arbeiten pflegte, und sah, dass die Soldaten wegen der Ermordung des (Kaisers) Domitian sich zu einer Meuterei aufmachten, hielt er sich nicht mehr zurück, als er bemerkte, dass der Aufruhr schon auszubrechen begann, sondern sprang nackt auf einen hohen Altar und fing folgendermaßen zu sprechen an: »Jetzt von den Lumpen entblößte sich rasch der weise Odysseus.« (Homer, Odyssee 22,1). Nachdem er ihnen dies gesagt und erklärt hatte, dass er kein Bettler sei und auch nicht der, für den sie ihn hielten, sondern der weise Dion, hielt er eine sehr feurige Anklage gegen den Tyrannen und stellte den Soldaten vor, dass sie klüger handeln, wenn sie tun, was die Römer für gut finden. Seine Beredsamkeit vermochte auch diejenigen zu bezaubern, die das Griechische nicht gut verstanden. (Philostrat, Leben der Sophisten 1,7)
Während die Getika des Dion von Prusa verloren sind (s. o. → Kap. 2.4), hören wir über die Situation vor Ort in einem erhaltenen Werk von ihm selbst: Im Jahr 97 n. Chr. hält Dion in Olympia (Griechenland) eine Rede (sie zählt heute als die zwölfte der erhaltenen Reden dieses Autors), in der er die Situation an der Donau nach Domitians Tod sehr anschaulich schildert; er bezeichnet dabei die Daker mit dem alten Namen »Geten« (s. o. → Kap. 4.1) und nennt auch »Myser«, womit er den von Homer so bezeichneten Stamm mit den Bewohnern von Moesien gleichsetzt, das er gerade besucht hat.
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Tatsächlich habe ich gerade eine lange, lange Reise hinter mir, den ganzen Weg vom Istros (Donau) und dem Land der Geten oder Myser, wie Homer sie mit der heutigen Bezeichnung des Stammes nennt. Und ich bin dorthin nicht als Kaufmann mit seinen Waren gegangen und auch nicht als einer von denen, die zur Versorgung des Heeres Gepäck oder Tiere bringen; ebenso wenig war ich Botschafter bei unseren Verbündeten oder Teil einer Gesandtschaftergruppe mit Glückwünschen, deren Mitglieder nur mit den Lippen mitbeten. Ich ging »unbewaffnet, ohne Helm, Schild und Lanze« (Homer, Ilias 21,50) und auch nicht mit irgendeiner anderen Waffe, so dass ich mich wunderte, dass sie mich überhaupt anschauten. Ich kann nicht reiten und bin kein gelernter Bogenschütze oder Schwerbewaffneter, nicht einmal ein Leicht- oder Unbewaffneter, kein Speerwerfer oder Schleuderer, und bin auch nicht in der Lage, Holz zu fällen oder einen Graben auszuheben, auch nicht, Futter von einer feindlichen Wiese »mit vielen Blicken zurück« zu mähen (Xenophon, Anabasis 6,1,8) oder ein Zelt oder eine Verschanzung aufzustellen, so wie dies einige Nichtkämpfer können, die den Heeren als Helfer folgen. Ich, der ich für all diese Dinge nutzlos war, kam also unter Menschen, die zwar keine Dummköpfe waren, aber keine Zeit hatten, Reden zu hören. Vielmehr waren sie nervös und angespannt wie Rennpferde an den Startschranken, ungehalten über jede Verspätung und in ihrer Aufregung und Begeisterung mit ihren Hufen am Boden scharrend. Dort konnte man überall Schwerter sehen, überall Brustharnische, überall Speere. Der ganze Ort war voll von Pferden, von Waffen und von bewaffneten Männern. Ganz allein erschien ich inmitten dieses mächtigen Heeres, völlig ungestört und ein friedlichster Beobachter des Kriegs, schwach am Körper und in Jahren fortgeschritten, ohne (wie der um die Freigabe seiner Tochter bittende Priester Chryses in Homer, Ilias 1,13–15) »ein goldenes Zepter« oder heilige Kränze eines Gottes zu tragen, und kam auf einer erzwungenen Reise im Lager an, nicht um die Freilassung einer Tochter zu erlangen: Vielmehr wollte ich mutige Männer sehen, die so für Reich und Macht kämpfen wie ihre Gegner für Freiheit und Vaterland. (Dion von Prusa, Rede 12,16–20)
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Dion wurde also bei seiner Reise zu »Geten und Mysern« Zeuge der auf Domitians Ermordung folgenden Unruhe im römischen Heer, die er in seiner mit literarischen Zitaten gespickten Rede in Olympia hält: Er habe dort nach Domitians Tod auf beiden Seiten »mutige Männer« gesehen, »die um Reich und Macht kämpfen, und ihre Gegner um Freiheit und Vaterland«.
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6. Decebal und Trajan 6.1 Expeditio Dacica Mit Domitians Tod endete die Herrschaft der von Vespasian – Titus Flavius Vespasianus – begründeten und nach ihm als »flavisch« bezeichneten Dynastie (s. o. → Kap. 5.8). Die folgende Epoche bezeichnet man oft als die der »Adoptivkaiser«, da die Nachfolger der Kaiser nicht – wie in einer Dynastie – aus deren eigener Familie stammten, sondern adoptiert waren. Nachfolger Domitians wurde der kinderlose Marcus Cocceius Nerva (30– 98 n. Chr.), der im Jahr 97 Marcus Ulpius Traianus (Trajan, 53–117 n. Chr.) adoptierte. Trajan stammte aus Italica in Spanien und hatte bereits eine eindrucksvolle militärische Karriere absolviert. Als Nerva 98 n. Chr. nach einem Schlaganfall starb, wurde Trajan römischer Kaiser. Während Domitian, wie wir eben (in → Kap. 5.9) gesehen haben, in der senatorischen Geschichtsschreibung umfassend abgewertet wurde, galt Trajan bald als »guter Kaiser«, ja später als der beste Kaiser überhaupt (optimus princeps). In der ersten Zeit nach seinem Herrschaftsantritt aber unternahm der neue Kaiser an der Donau – anscheinend erst einmal gar nichts: Obwohl du im kriegerischen Rom aufgewachsen bist, liebst du den Frieden, und dass dein Vater einen Triumph gefeiert hat oder am Tag deiner Adoption dem kapitolinischen Jupiter Lorbeer dargebracht wurde, war für dich noch lange kein Grund, bei jeder Gelegenheit nach einem Triumph zu schielen. Kriege fürchtest du nicht, aber du suchst sie auch nicht. Es ist eine großartige Sache, Imperator Augustus, wenn einer am Ufer der Donau in der sicheren Gewissheit steht, dass ein Übergang über den Strom Sieg bedeuten würde, und doch keinen Entscheidungsschlag führen möchte gegen einen Feind, der den Kampf verweigert. Das eine
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ist Wirkung deiner Tapferkeit, das andere ist Ergebnis deiner maßvollen Haltung. Diese garantiert nämlich, dass du selbst nicht zu kämpfen wünschst, deine Tapferkeit aber, dass auch die Feinde nicht kämpfen wollen. Also werden eines Tages auf dem Kapitol nicht ein Mummenschanz unechter Triumphwagen und vorgetäuschte Siegeszeichen einziehen, sondern ein Feldherr, der wahren und dauerhaften Ruhm in die Heimat bringt und eine so deutlich erklärte Unterwerfung der Feinde, dass zu einem Sieg gar kein Anlass vorhanden war. Das ist herrlicher als alle Triumphe! Bisher hat ja immer nur die Beachtung der Feinde für unser Reich uns Anlass zu einem Sieg geboten. Doch sollte ein Barbarenkönig seinen dreisten Wahnsinn so weit treiben, dass er deinen Zorn und deine Empörung verdient, dann mag er auch nicht mehr geschützt sein durch ein Trennendes, durch gewaltige Flüsse oder schroffe Gebirge: Er wird spüren müssen, dass alle diese Hindernisse sich glätten und deiner Tapferkeit weichen, und wird schließlich glauben, die Berge seien eingesunken, die Flüsse ausgetrocknet, das Meer verschwunden, und es seien gegen ihn angerückt nicht unsere Flotten, sondern die Naturgewalten selbst. (Plinius d. J., Panegyricus auf Trajan 16)
Im Jahr 100 n. Chr. sagte dies Plinius d. J. (s. o. → Kap. 2.4) in einer berühmt gewordenen Lobrede auf den neuen Kaiser. Auch Cassius Dio (s. o. → Kap. 2.4) stimmt ein: Trajan zeichnete sich durch seine Gerechtigkeit, seine Tapferkeit und durch die Einfachheit seiner Gewohnheiten aus. Er war körperlich stark – er befand sich in seinem 42. (die Zahl ist falsch) Lebensjahr, als er zu regieren begann – und arbeitete gewissermaßen bei jeder Unternehmung so viel wie die anderen. Auch seine geistigen Kräfte waren auf ihrem Höhepunkt, so dass er weder den Leichtsinn der Jugend noch die Trägheit des Alters aufwies. Er beneidete und tötete niemanden, sondern ehrte und erhob ausnahmslos alle guten Menschen; deshalb fürchtete und hasste er keinen von ihnen. Verleumdungen ihm gegenüber
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achtete er gering, auch war er kein Sklave des Zorns. Er verzichtete gleichermaßen auf das Geld anderer wie auf ungerechte Morde. Er gab riesige Summen für Kriege und riesige Summen für Friedenswerke aus; er führte sehr viele dringend notwendige Reparaturen an Straßen und Häfen sowie an öffentlichen Gebäuden durch und vergoss niemandes Blut für eines dieser Vorhaben. Er war so hochgesinnt und großzügig, dass er nach der Vergrößerung und Verschönerung des Circus, der stellenweise zerfallen war, lediglich eine Angabe darauf schrieb, dass er ihn dem römischen Volk angemessen gemacht habe. Für diese Taten hatte er mehr Freude daran, geliebt zu werden als geehrt zu werden. Seine Verbundenheit mit dem Volk war von Freundlichkeit und sein Umgang mit dem Senat von Würde geprägt, so dass er von allen geliebt und von niemandem außer dem Feind gefürchtet wurde. Er schloss sich anderen bei der Jagd und bei Banketten sowie bei deren Arbeit, Plänen und Witzen an. Oft nahm er drei andere in seiner Kutsche mit, und er betrat die Häuser der Bürger, auch ohne Wache, und tafelte dort. Bildung im engeren Sinne fehlte ihm, wenn es um Redenhalten ging, aber ihre Substanz kannte und wendete er an. Es gab nichts, was er nicht in bester Art besaß. Ich weiß freilich, dass er den Knaben und dem Wein ergeben war, aber wenn er dadurch jemals eine niedrige oder böse Tat begangen oder ertragen hätte, dann hätte er Misstrauen erlitten. Er blieb aber, so viel Wein er auch trank, nüchtern; in seiner Beziehung zu Knaben schadete er niemandem. Und selbst wenn er gerne Krieg führte, war er dennoch mit dem Erfolg zufrieden, wenn ein bitterster Gegner gestürzt war und seine eigenen Leute erhaben waren. Auch die Wirkung, die unter solchen Umständen üblicherweise eintritt – die Bereicherung und Arroganz der Soldaten –, entstand während seiner Herrschaft nicht: Mit so fester Hand herrschte er über sie. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,6,2–7,5)
Dies ist nicht die einzige Ansicht, die über Trajans erste Herrschaftsjahre überliefert wird. Der römische Historiker Ammianus Marcellinus (um
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6. Decebal und Trajan
330–um 395 n. Chr.) etwa gibt zu dem von ihm hochgeschätzten römischen Kaiser Julian (331/332–363 n. Chr., Kaiser seit 360) an, er habe sein Heer für einen Krieg gegen die Perser wie einst Trajan seine Soldaten ermutigt. Er tat dies in Anlehnung an Trajan, der es gewohnt war, alles, was er in Eiden gesagt hatte, dann auch zu bestätigen: »So will ich zusehen, dass Dakien in den Status einer Provinz gebracht wird; so will ich eine Brücke über Istros (Donau) und Euphrat schlagen« und Ähnliches. (Ammianus Marcellinus, Historien 24,3,9)
Und auch bei Cassius Dio steht das eben Zitierte im Zusammenhang mit einer Nachricht über Kriegsvorbereitungen gegen die Daker: Nachdem Trajan einige Zeit in Rom verbracht hatte, unternahm er einen Feldzug gegen die Daker. Er berücksichtigte nämlich ihre früheren Taten und war ungehalten wegen des Betrags, den sie jährlich erhielten. Auch beobachtete er, dass ihre Macht und ihr Stolz zunahmen. Als Decebal von seinem Aufbruch erfuhr, bekam er Angst, denn er wusste sehr wohl, dass er zuvor nicht die Römer, sondern Domitian besiegt hatte, während er jetzt gegen die Römer und Trajan, den Kaiser, kämpfen würde. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,6,1–2)
Sehen wir von der – für die »senatorische« römische Geschichtsschreibung typischen – Abwertung des römischen Kaisers Domitian ab (s. o. → Kap. 5.9), der hier kurzerhand nicht einmal als Römer angesehen wird, bleiben furchterregende römische Rüstungen erkennbar. Wie gründlich diese Kriegsvorbereitungen waren, erfahren wir dabei nicht aus literarischen Quellen, sondern aus einem Papyrus (s. o. → Kap. 2.2) und vor allem aus Inschriften. Durch einen Zufall erhalten geblieben ist ein in Ägypten gefundener und heute im British Museum in London aufbewahrter Papyrus, der die Präsenzen in einer militärischen Einheit in der Provinz Untermoesien am Vortag des 16.9.99 n. Chr. verzeichnet. Dieses sogenannte »Pridianum« (Vortagsverzeichnis) gibt dabei für eine bestimmte Abteilung u. a. an:
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… von diesen abwesend in Gallien zur Kleidungsbeschaffung … (Papyrus Hunt: British Museum Papyrus 2851 = Corpus Papyrorum Latinarum 112, Zeile 53–54)
Gallien war zu jener Zeit für die Versorgung des römischen Heeres mit Bekleidung ein wichtiges Zentrum; auch wenn militärische Uniformen noch nicht gebräuchlich waren, bestand die Bekleidung des römischen Soldaten aus besonders funktionalen und recht hochwertigen Stücken. Die Entsendung von Soldaten nach Gallien zur Kleidungsbeschaffung darf also durchaus im Zusammenhang mit der Vorbereitung einer militärischen Auseinandersetzung gesehen werden. Handfester sind die Belege, dass im Jahr 100 n. Chr. die Straße verstärkt wurde, die entlang des Donaudurchbruchs am »Eisernen Tor« (s. o. → Kap. 1.2) verlief. Sie war nach Ausweis einer Inschrift bereits unter Kaiser Claudius 46 n. Chr. angelegt worden, wobei die notwendige Breite der Bahn nur durch eine Kombination von Aushauen der Bergseite und Errichten einer über den Fluss ragenden Balkenkonstruktion erreicht werden konnte: Unter Tiberius Claudius, Sohn des Drusus, Caesar Augustus Germanicus, Oberpriester, zum 6. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, zum 4. Mal als Konsul designiert, (haben dies gebaut) die IV. Legion Scythica und die V. Legion Macedonica nach Abtragen der Berge und Errichtung von Balkenkonstruktionen unter der Fürsorge des Martius Macrus, des propraetorischen Legaten des Augustus. (Lateinische Inschrift vom Eisernen Tor, EDCS-11301222)
Kaiser Claudius hatte die Tribunicia Potestas (s. o. → Kap. 2.2) zum 6. Mal im Jahr 46 n. Chr. innegehabt, womit diese Baumaßname datiert ist. Unter Trajan wurde die Straße nun ertüchtigt. Davon zeugt eine Weihinschrift der mit dem Bau Beauftragten in einem kleinen von ihnen errichteten Heiligtum für den römischen Gott Hercules:
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6. Decebal und Trajan
Dem Hercules als Heiligtum (haben dies geweiht) die Steinmetzen der IV. Legion Flavia und der VII. Legion Claudia, die zur Herstellung von Balkenkonstruktionen ausgezogen waren, in Erfüllung eines Gelübdes. (Lateinische Inschrift vom Eisernen Tor, EDCS-09401558)
An der Straße selbst verkündete eine riesige (1,75 m hohe und 4,10 m breite) Bauinschrift, die sogenannte »Tabula Traiana« (→ Bild S. 135), aus dem Jahr, in dem Trajan das 4. Mal die Tribunicia Potestas innehatte – 99/100 n. Chr. – das Folgende: Imperator Caesar, Sohn des vergöttlichten Nerva, Nerva Traianus Augustus Germanicus, Oberpriester, zum 4. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, Vater des Vaterlandes, dreimal Konsul, hat nach Abtragen der Berge und Errichtung von Balkenkonstruktionen die Straße wiederhergestellt. (Lateinische Inschrift vom Eisernen Tor, EDCS-26600700)
Diese Inschrift ist noch heute – nach einer Aufstauung des Stroms verlegt – auf dem südlichen (römischen) Ufer der Donau sichtbar; den gegenüberliegenden Felsen hat zwischen 1994 und 2004 ein rumänischer Geschäftsmann als 55 m hohes fiktives Porträt des Decebal gestalten lassen. Ein Jahr nach dem Straßenausbau war dann auch die Nutzbarmachung der Donau durch einen Kanal abgeschlossen, der die gefährlichen Wasserschnellen am »Eisernen Tor« vermied (s. o. → Kap. 1.2), wie eine Inschrift angibt: Imperator Caesar, Sohn des vergöttlichten Nerva, Nerva Traianus Augustus Germanicus, Oberpriester, zum 5. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, Vater des Vaterlandes, viermal Konsul, hat, nachdem er wegen der Gefahr der Wasserschnellen den Fluss (in einen Kanal) abgeleitet hat, die Schifffahrt auf der Donau hergestellt. (Lateinische Inschrift vom Eisernen Tor, EDCS-10000490)
Die Inschriften machen über das in den literarischen Quellen Besagte hinaus deutlich, mit welcher Gründlichkeit Trajan bereits bald nach seiner
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Herrschaftsübernahme die logistischen Vorbereitungen für eine militärische Unternehmung jenseits der Donau treffen ließ. Die Straße und der Kanal entlang der Donau waren für den Transport von Soldaten und Material notwendig und wurden nun hergerichtet. Gut vorbereitet unternahm im Jahr 101 n. Chr. der aus Rom angereiste Kaiser einen Angriff, der mit einem Übergang über die Donau begann. Dass man dafür Schiffe benutzte (→ Bild S. 2), ist in einem gelehrten byzantinischen Gedicht durch eine Notiz bezeugt, die Johannes Tzetzes (um 1110–1180 n. Chr.) in (uns verlorenen) älteren Quellen fand: Nachdem Trajan zum Istros (Donau) geeilt war, setzte er die Römer sogleich in Lastschiffen zu den Dakern über. (Tzetzes, Chiliaden 2,34,65–66)
Von Trajan selbst sind nur genau fünf Wörter erhalten, die um 500 n. Chr. der lateinische Grammatiker Priscianus (Priscian) anführt; es geht ihm dabei darum, dass es im Lateinischen »barbarische« Wörter gibt, die auf -i enden. Priscian zitiert: Traianus in I Dacicorum: »inde Berzobim, deinte Aizi processimus.« Trajan im 1. Buch Dacica: »Von dort zogen wir nach Berzobis, dann nach Aizis.« (Priscian, Institutionen 6,13, ed. Hertz 1835, 205 aus Trajan FRH 96)
Demnach hatte der Kaiser ein jedenfalls mehr als ein Buch umfassendes Werk Dacica geschrieben; dieses ist jedoch bis auf diese fünf Wörter verloren (s. o. → Kap. 2.4). Berzobis ist das heutige Berzovia, Aizis das nordwestlich davon gelegene Fârliug (beide im Kreis Caraș-Severin, Rumänien). Dass der Weg des römischen Heeres in Richtung Tapae (s. o. → Kap. 1.2) führte, ist dann bei Cassius Dio belegt. Im Anschluss an das Lob des Trajan heißt es bei ihm: So hatte Decebal nun guten Grund, ihn zu fürchten. Als Trajan in seinem Feldzug gegen die Daker sich Tapae annäherte, wo das Lager der Bar-
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6. Decebal und Trajan
baren war, wurde ihm ein großer Pilz gebracht, auf dem in lateinischen Buchstaben eine Botschaft geschrieben war, dass die Burer und andere Verbündete Trajan rieten, umzukehren und den Frieden zu wahren. Dennoch traf Trajan auf den Feind; er sah viele Verwundete auf seiner eigenen Seite und tötete viele von den Feinden. Und als das Verbandsmaterial ausging, soll er nicht einmal seine eigene Kleidung verschont haben, sondern sie in Streifen geschnitten haben. Für die in der Schlacht gefallenen Soldaten aber ließ er einen Altar errichten und ordnete an, darauf alljährlich Totenopfer darzubringen. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,8,1–2)
Von der Szene mit dem beschrifteten Pilz war bereits bei der Frage nach dakischen Schriftzeugnissen die Rede (s. o. → Kap. 2.2). Ob das militärische Aufeinandertreffen der Gegner dann in Tapae oder noch weiter westlich stattfand, bezeugt die Quelle nicht, sie spricht auch nicht von einem Angriff auf ein Machtzentrum des Decebal. Jedenfalls war der Kampf der Römer mit den Dakern auf beiden Seiten blutig. Dass ein römischer Autor auf Seiten des Kaisers zunächst nur von »Verwundeten« spricht, auf Seiten der »Feinde« gleich von Toten, und erst mit Bezug auf den später errichteten Altar auch römische Gefallene erwähnt, darf uns dabei nicht verwundern. Fragmente einer Inschrift mit den Namen römischer Gefallener hat man in der Tat beim Dorf Adamclisi (Kreis Constanța, Rumänien) gefunden. Als »Kriegerehrenmal« in der römischen Welt eine Rarität, nennt das Monument eine Vielzahl von Eigennamen, doch ist der Anfang der Inschrift, an dem man die Nennung des Kaisers erwartet, nicht erhalten, weshalb in der Forschung auch eine Datierung in die Zeit der Dakerkriege Domitians (s. o. → Kap. 5.8) erwogen wurde (Lateinische Inschrift aus Adamclisi, EDCS67400497). Da jedenfalls in den erhaltenen Quellen nichts über einen militärischen Erfolg der Römer berichtet wird, endete das Jahr 101 n. Chr. offenbar so, wie einst 89 n. Chr. Domitian seinen Feldzug abgeschlossen hatte (s. o. → Kap. 5.8): Die Römer zogen sich zurück und zahlten weiterhin hohe Schutzgelder. Die sogenannte Historia Augusta, eine Sammlung von 30
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Lebensbeschreibungen römischer Kaiser und Usurpatoren für die Zeit von Hadrian bis Numerian und Carinus, also von 117 bis 284/285 n. Chr., gibt über Trajans Nachfolger Hadrian (s. u. → Kap. 7.2) an: Als der König der Roxolanen sich über die Kürzung der Zahlungen beschwerte, untersuchte er seinen Fall und schloss mit ihm Frieden. (Historia Augusta, Hadrian 6,8)
Die Roxolanen, die nördlich des Donaudeltas siedelten (s. o. → Kap. 4.1), hatten also Erfolg darin, sich die früher vereinbarten und nach wie vor gültigen römischen Schutzgeldzahlungen zu sichern. Demnach hatte wohl schon Trajan den Dakern eine Fortzahlung der unter Domitian vereinbarten römischen Gelder (→ Kap. 5.8) zugesagt. Im darauffolgenden Jahr aber, 102 n. Chr., rüstete Trajan zu einem erneuten römischen Angriff. Dies veranlasste Decebal zu weiteren Verhandlungen, an denen nunmehr anders als zuvor nicht mehr niedrigrangige »Langhaarige«, sondern vornehme »Kappenträger« die Daker repräsentierten. Die Unterscheidung dieser Ränge haben wir bereits (in → Kap. 5.3) kennengelernt. Der spätantike Diplomat Petros Patrikios (um 500–um 565 n. Chr.) entnahm wohl der Darstellung im (hier verlorenen) Werk des Cassius Dio eine einschlägige Passage; Petros’ Angabe wiederum ist ebenfalls nur durch einen Auszug in den Konstantinischen Exzerpten erhalten: Decebal schickte Kappenträger als Gesandte an Trajan; diese sind bei ihnen die angeseheneren Männer. Zuvor hatte er nämlich nur Langhaarige geschickt, die bei ihnen weniger gelten. Jene nun kamen zu Trajan, warfen ihre Waffen von sich, fesselten ihre Hände nach Gefangenenart auf dem Rücken und baten Trajan, mit Decebal in eine Aussprache zu treten. (Konstantinische Exzerpte über Gesandtschaften von Fremden aus Petros Patrikios Frg. 114)
Anderes und etwas mehr entnahm Johannes Xiphilinos wohl demselben Kapitel bei Cassius Dio:
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Als der Kaiser selbst die Höhen zu ersteigen unternahm, eroberte er unter Gefahren einen Hügel (lophos) nach dem anderen und näherte sich dem dakischen Königsitz. Lusius ging in einem anderen Landesteil zum Angriff über, tötete viele Gegner und machte eine noch größere Zahl zu Gefangenen. Daraufhin schickte Decebal die vornehmsten unter den Kappenträgern als Gesandte und ließ durch sie Bitten an den Kaiser richten; er war bereit, in jede Forderung einzuwilligen. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,8,3)
Decebal hatte sogar schon vor seiner Niederlage Gesandte geschickt, nicht mehr Langhaarige, sondern die vornehmsten der Kappenträger. Diese warfen ihre Waffen von sich, fielen auf die Erde nieder und baten Trajan, er solle doch, wenn irgend möglich, mit Decebal selbst zusammenkommen und sprechen. Jener werde allen künftigen Befehlen Folge leisten. Sonst möge er wenigstens jemand schicken, der mit Decebal Vereinbarungen treffen könne. Und tatsächlich schickte man Sura und den Praefekten Claudius Livianus los. Es kam allerdings nichts zustande: Decebal wagte nicht einmal mit diesen zusammenzutreffen, sondern begnügte sich auch bei dieser Gelegenheit mit einer Gesandtschaft. (Konstantinische Exzerpte über Gesandtschaften von Fremden aus Cassius Dio, Historien 68,9,1–3
Trajan kam der Bitte der dakischen Gesandten um ein »Spitzentreffen« mit Decebal also nicht nach, sondern schickte den Praetorianerpraefekten (den Befehlshaber der mit dem Schutz des Kaisers betrauten Soldaten; s. o. → Kap. 5.8) Tiberius Claudius Livianus und den Senator und Befehlshaber Lucius Licinius Sura. Auch Decebal erschien dann nicht selbst – sicher nicht aus Furcht, sondern im Blick auf eine möglichst gleichrangige Begegnung auf Augenhöhe. Die seinerzeit vielleicht noch mögliche diplomatische Lösung scheiterte so. Trajan eroberte nun einige befestigte Berge (ore) und fand dort die Waffen, die erbeuteten Kriegsmaschinen sowie das Feldzeichen, das unter Fuscus (s. o. → Kap. 5.8) eingenommen worden war. Decebal war
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deshalb – und da Maximus zu jener Zeit auch seine Schwester gefangennahm und einen befestigten Punkt eroberte – bereit, in jede Forderung einzuwilligen – nicht, dass er die Vereinbarungen einhalten wollte, sondern nur um sich nach den gegenwärtigen Rückschlägen etwas zu erholen. So verpflichtete er sich – wenn auch nur widerstrebend –, die Waffen, Kriegsmaschinen sowie Maschinenbauer auszuliefern, die Überläufer zurückzugeben, die Befestigungen niederzulegen, das eingenommene Land zu räumen und künftig die gleichen Personen als Feinde und Freunde zu betrachten wie die Römer. Er werde auch keinem Überläufer mehr Unterschlupf gewähren oder einen Soldaten aus dem Imperium Romanum einsetzen dürfen – er hatte nämlich die meisten und besten durch erfolgreiche Werbung von dort auf seine Seite geholt. Er kam zu Trajan, warf sich zu Boden, kniete sich hin und warf seine Waffen weg. Auch schickte er in diesen Dingen Gesandte an den Senat, um durch diesen ebenfalls den Frieden bestätigen zu lassen. Nachdem nun der Kaiser dies vereinbart hatte, ließ er ein (laut anderen Abschriften: das) Heerlager bei Zermizegethusa zurück, fasste das andere Land noch mit Besatzungen ein und kehrte hierauf nach Italien zurück. (Konstantinische Exzerpte über Gesandtschaften von Fremden und Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,9,3–7; vgl. Petros Patrikios Frg. 115)
Der Krieg wurde also 102 n. Chr. beendet, ohne dass Dakien eingenommen worden wäre. Der römische Historiker Cassius Dio gibt den römischen Erfolg dennoch als besonders umfassend wieder. Allerdings spricht auch er gerade nicht von einer Eroberung des von Decebal beherrschten Gebiets oder gar seines Herrschaftssitzes (Zermizegethusa erscheint nur als Name des römischen Heerlagers, nicht als der von Decebals Königsort), sondern nur davon, dass eine römische Abteilung unter ihrem Kommandanten Lusius Quietus »in einem anderen Landesteil« einen militärischen Erfolg errungen hatte, dass der römische Befehlshaber Maximus (wohl Tiberius Claudius Maximus, den wir in → Kap. 6.3 noch genauer kennenlernen werden) eine Schwester des Decebal gefangennahm und dass Trajan selbst »einen Hügel«, »einige befestigte Berge« und »einen befestigten Punkt« eroberte und ein paar »Besatzungen« im Land ließ. Ein durch Fernerkun-
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6. Decebal und Trajan
dung kürzlich entdecktes römisches Marschlager bei Sarmizegetusa Regia könnte einer solchen Besatzung gedient haben. Entsprechend musste Decebal auch nur das von ihm neuerdings »besetzte Land« räumen, nicht aber sein Reich aufgeben. Decebal war und blieb »Klientelkönig«: Nicht einmal die unter Domitian durch Einsetzung des Diëgis versuchte Schaffung von Unruhe in der dakischen Führung war der römischen Seite also gelungen. Vor allem aber behielt Decebal sein Reich. Der Krieg gegen die Daker wurde dennoch als großer Erfolg Trajans verherrlicht, wie Cassius Dio weiter berichtet: Die Gesandten des Decebal wurden in den Senat geführt; dort legten sie ihre Waffen ab, brachten ihre Hände nach Gefangenenart zusammen und sprachen einige flehentliche Worte, worauf sie den Friedensvertrag erhielten und ihre Waffen wieder anlegten. Trajan aber feierte einen Triumph und erhielt den Beinamen Dacicus. Im Theater ließ er Gladiatorenkämpfe abhalten – an denen hatte er besonderes Gefallen – und brachte auch wieder Pantomimentänzer ins Theater – einer von ihnen, Pylades, war sein Liebling. Allerdings wandte er nicht, wie ein Kriegsmann sonst, den anderen Aufgaben geringere Aufmerksamkeit zu oder beschäftigte sich weniger mit Rechtsprechung, vielmehr war er bald auf dem Augustusforum, bald in der nach Livia genannten Säulenhalle, oftmals aber auch an anderen Orten auf einem Tribunal als Richter tätig. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,10,1–2)
Decebals Gesandte verließen Rom unbehelligt und in Waffen, Trajan aber feierte in der Stadt einen Triumph, wie auch eine in Ostia an der Tibermündung bei Rom aufgestellte und in Fragmenten erhaltene Inschrift angibt. Dieses als »Fasti Ostienses« bekannte Dokument verzeichnet nicht nur wichtige Feiertage des Jahres und Listen diverser Amtsträger, sondern auch Vermerke über bedeutende Geschehnisse der entsprechenden Jahre. Für das Jahr 102 n. Chr. nennt es wenige Tage vor dem Jahreswechsel das Folgende:
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[Kaiser Nerva Traianus Augustus Germanicus hat eine Volksversammlung (contio) ein]berufen, [auf der er den Bei]na[men Dacicus erhalten hat und hat zu den Göttern auf dem] Tribunal [gebetet] 5 [+x Tage vor den Kalenden (dem ersten Tag) des Januar.] Er hat über die Daker triumphiert. (Lateinische Inschrift aus Ostia, EDCS-20200012, zum Jahr 102 n. Chr.)
Der Beiname »Dacicus«, »Dakiensieger«, wurde von den Münzmeistern (s. o. → Kap. 2.3) nun dem Kaisertitel hinzugefügt, im Folgejahr gab es dann auch eine Prägung, die einen siegreich einen Gegner niederreitenden Kaiser zeigt. 103 n. Chr. wurden außerdem Münzen mit der Aufschrift »DACIA« geprägt, die eine trauernde Personifikation der Dacia darstellen, verbunden mit der Aufschrift »SPQR OPTIMO PRINCIPI«, »Senat und Volk von Rom für den besten Kaiser« (Denare RIC II Trajan 216–219, andere Denominationen RIC II Trajan 561–566). All dies ändert freilich nichts an der Tatsache, dass der mit Decebal geschlossene Frieden allenfalls ein Kompromiss war, der sich von dem unter Domitian geschlossenen Frieden von 89 n. Chr. (s. o. → Kap. 5.7) nicht grundsätzlich unterschied. Über die Gründe dafür, dass Trajan den Krieg 102 n. Chr. aufgab, nach Rom zurückkehrte und sich dort »mit Rechtsprechung« befasste, wie Cassius Dio angibt, können wir nur spekulieren. Vielleicht hatte man erkannt, dass Decebal über mehr Rückhalt verfügte als vermutet, vielleicht befürchtete man Angriffe einzelner mit den Dakern Verbündeter, vielleicht waren die zuvor (s. o. → Kap. 5.9) so kampfwilligen römischen Soldaten aber auch schlichtweg erschöpft. Ein in Fragmenten erhaltenes und erst vor ein paar Jahren publiziertes Militärdiplom (zu dieser Art von Dokumenten s. o. → Kap. 2.2) besagt: [Imperator Caesar, Sohn des vergöttlichten Nerva, Nerva Traianus Augustus Germanicus, Oberpriester, zum x. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, zum x. Mal Imperator, viermal Konsul, Vater des Vaterlandes], hat den Dekur[iones und Optiones, die die]nen in der Ala [Praetoria (Reitereinheit), die] in Moesia [Superior] ist [unter He]rennius Satu-
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6. Decebal und Trajan
[rninus dem Praefekten und Clau]dius Ilus und der[en Namen unten verzeichn]et sind, nachdem sie fromm [und treu an dem Aus]fall [nach Dakien (expeditio Dacica) mitgewirkt haben, bereits vor Ablauf der Dienstzeit das römische Bürgerrecht gegeben]. (Lateinische Inschrift auf einem Militärdiplom unbekannter Herkunft, EDCS-51600794)
Reitersoldaten einer Reitereinheit aus der Provinz Obermoesien, die sich bei der expeditio Dacica verdient gemacht hatten, wurden vorzeitig ehrenvoll entlassen und erhielten das Bürgerrecht. Anschaulicher kann man sich den bewussten Abbruch des so sorgfältig vorbereiteten Kriegs gegen die Daker kaum vor Augen führen: Eine Fortsetzung des Kriegs mochte man diesen Soldaten nicht zumuten, sie hatten so gut wie irgend möglich ihre Schuldigkeit getan – Dakien aber war nicht eingenommen worden.
6.2 Bellum Dacicum Der durch den Vertrag von 102 n. Chr. erreichte Zustand bedeutete, wie wir (in → Kap. 6.1) gesehen haben, einen Kompromiss: Das Imperium Romanum endete nach wie vor an der Donau; jenseits des Stromes, in Dakien, herrschte nach wie vor Decebal, mit römischem Schutzgeld ruhig gehalten, als »Klientelkönig«. Die Situation entsprach insofern weitgehend der nach 89 n. Chr. (s. o. → Kap. 5.7) – und erwies sich erneut als nicht tragfähig. Die Ansichten des Decebal kennen wir nicht, da es für sie keine Quellen gibt. Für die römischen Auffassungen hingegen steht uns mit Cassius Dio eine Aussage zur Verfügung: Decebal, so wurde gemeldet, tat viel Vertragswidriges: Er beschaffte sich Waffen, nahm die Überläufer auf, setzte die Befestigungen instand, schickte Gesandte zu den Nachbarm und fügte seinen früheren Gegnern Schaden zu. Auch nahm er den Jazygen ein Stück Land ab – als sie es später zurückverlangten, gab es Trajan ihnen nicht mehr –, und so erklärte ihn der Senat erneut zum Feind, und Trajan führte erneut selbst, nicht durch andere Feldherren, den Krieg gegen ihn. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,10,3–4)
6.2 Bellum Dacicum
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Auf römischer Seite wird also – ohne dass wir dies überprüfen könnten – von »Vertragswidrigkeiten« des Decebal berichtet, die dem Decebal nach ein paar Jahren Frieden angelastet wurden und den Römern somit genug Anlass für einen zweiten Angriff boten. Die römische Kriegserklärung im Frühjahr 105 n. Chr. brachte immerhin einige der Verbündeten des Decebal dazu, die Seiten zu wechseln: Die Daker traten in großer Zahl auf Trajans Seite über. Aus diesem und auch aus anderen Gründen bat Decebal erneut um Frieden. Er ließ sich allerdings nicht darauf ein, seine Waffen und sich selbst auszuliefern, sondern begann offen damit, seine Streitkräfte zu sammeln und die Nachbarn ringsum zur Hilfeleistung aufzufordern. Dabei ließ er ihnen sagen, sie würden sich, wenn sie ihn preisgäben, selbst in Gefahr bringen; es sei sicherer und leichter für sie, bevor sie noch schlimme Erfahrungen machten, mit ihm zusammen kämpfend ihre Freiheit zu bewahren als zuzusehen, wie sie (die Daker) untergingen und dann auch selbst, ihrer Bundesgenossen beraubt, zu unterliegen. (Konstantinische Exzerpte über Gesandtschaften von Fremden aus Cassius Dio, Historien 68,11,1–2)
Aus römischer Sicht – eine andere kennen wir, wie gesagt, nicht – versuchte Decebal, die antirömischen Kräfte zusammenzuhalten. Doch unterstellt die römische Tradition, die wir bei Cassius Dio fassen können, dem dakischen König auch einen versuchten Anschlag auf den römischen Kaiser selbst: Während es Decebal im offenen Kampf übel erging, hätte er gleichwohl mit List und Trug Trajan fast umgebracht. Er schickte nämlich einige Überläufer nach Moesien, die versuchen sollten, ob sie jenen, der auch sonst zugänglich war und damals gerade wegen der kriegerischen Erfordernisse jeden, der darum nachsuchte, zu einer Aussprache zuließ, beseitigen könnten. Allerdings vermochten sie es nicht, ihre Absicht auszuführen, da einer von ihnen als verdächtig festgenommen wurde und unter Folter den ganzen Anschlag gegen ihn gestand. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,11,3)
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6. Decebal und Trajan
Weitere Zeugnisse oder gar Zeugen für diesen versuchten Anschlag auf das Leben des Kaisers gibt es nicht. Ob der laut Cassius Dio nur »unter Folter« gestandene Plan der Wirklichkeit entsprach, ist unbekannt. Er passte jedenfalls gut – vielleicht zu gut? – zu der römischen Auffassung, dass Decebal kein Vertrauen mehr verdiene. Hinzu kam ein Zweites: Damals lud er (Decebal) den Longinus ein, den Befehlshaber eines römischen Heeres und gewaltigen Gegner im Krieg mit ihm. Diesen also konnte er schließlich durch die Erklärung, alle Forderungen erfüllen zu wollen, zu einer Begegnung veranlassen, nahm ihn dabei gefangen und befragte ihn öffentlich über Trajans Absichten. Als der aber jede Aussage verweigerte, führte ihn Decebal nicht in Fesseln, aber unter Bewachung mit sich herum. Er schickte auch einen Gesandten an Trajan und verlangte, dass er das Gebiet bis zum Istros (Donau) hin zurückerhalte und für sämtliche Kriegskosten entschädigt werde; dafür wolle er ihm den Longinus zurückgeben. Der (Kaiser) aber antwortete ausweichend und ließ den Decebal nicht erkennen, ob er dem Leben des Longinus großen oder geringen Wert beimesse. Er wollte so erreichen, dass jener nicht umkomme, aber auch nicht nur für einen übermäßigen Preis bewahrt bleibe. Während nun Decebal noch sein weiteres Vorgehen überdachte und einige Zeit verstreichen ließ, besorgte sich Longinus über einen Freigelassenen reichlich Gift und versprach ihm (Decebal) darauf, eine Aussöhnung mit Trajan herbeizuführen. Dies tat er, damit jener keinen Verdacht wegen seines weiteren Vorgehens schöpfe und deshalb auch die Bewachung nicht verschärfe. Auch schrieb er einen Bittbrief und gab ihn dem Freigelassen zur Zustellung an Trajan, damit dieser (Bote) so in Sicherheit komme. Nachdem der Mann abgereist war, trank Longinus in der Nacht das Gift und starb. Daraufhin verlangte Decebal den Freigelassenen von Trajan zurück und versprach ihm dafür, die Leiche des Longinus und zehn Gefangene herauszugeben. Zugleich schickte er auch den Zenturio, der mit jenem zu-
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sammen festgenommen worden war, mit dem Auftrag ab, dies auszuführen. Von diesem erfuhr man dann die ganze Sache mit Longinus. Trajan aber sandte weder jenen (Zenturio) zurück noch lieferte er den Freigelassenen aus, indem er auf dessen Sicherheit mehr Wert für das Ansehen des (Römischen) Reichs legte als auf die Bestattung des Longinus. (Xiphilinos und Konstantinische Exzerpte über Gesandtschaften von Fremden aus Cassius Dio, Historien 68,12,1–5)
Decebal hatte also einen römischen Militärkommandanten namens Longinus als Geisel genommen. Dieser aber nahm sich – ein wahres Opfer für Rom! – selbst das Leben und war damit als Faustpfand für Verhandlungen nicht mehr wertvoll. Decebals Plan war somit vereitelt. Allerdings endete das Jahr 105 v. Chr. auch für Trajan ohne einen militärischen Erfolg. Das Folgejahr begann mit einer spektakulären Aktion: Trajan baute über den Istros (Donau) eine steinerne Brücke, eine Leistung, für die ich ihn nicht genug bewundern kann. Auch seine anderen Werke sind ja glänzend, aber diese Großtat übertrifft sie: Die Brücke hat 20 Pfeiler aus Quadersteinen, 150 Fuß (à ca. 30 cm) hoch – die Fundamente dabei nicht gerechnet – und 60 Fuß breit. Die Pfeiler aber, 170 Fuß voneinander entfernt, sind durch Bögen miteinander verbunden. Wie kann man da nicht über den Aufwand staunen, der dafür nötig war? Wie nicht über die Art und Weise, auf die alle Teile davon ihren Platz in einem so tiefen Fluss, so wirbelreichem Wasser und auf so schlammigem Untergrund fanden? Man konnte ja in der Tat den Strom nicht anderswohin ableiten! Ich habe die Breite des Flusses genannt, allerdings ist dieser nicht überall so schmal – er bedeckt vielmehr an manchen Stellen eine zwei- oder dreimal so große Fläche –, doch die engste und in diesem Abschnitt für einen Brückenbau am besten geeignete Stelle hat diese Breite. Allerdings macht gerade die Tatsache, dass der Strom, aus einem mächtigen Wasserbecken herabfließend und dann sich dann wieder in ein noch größeres Wasserbecken ausweitend, an diesem Punkt eingeengt wird, ihn hier besonders reißend und tief, wodurch
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6. Decebal und Trajan
Der Karpatenbogen und seine Landschaften
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Der Rote-Turm-Pass (1817). Gemälde von Franz Neuhauser d. J. (1763-1836); vgl. Bielz 1960, 95 und siehe S. 9
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»Rekonstruktion« der Anlagen in Sarmizegetusa Regia bei Grădiștea de Munte; S. 13
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Holz-Wachs-Täfelchen aus Roșia Montană (Muzeul Naţional de Istorie a Transilvaniei in Cluj-Napoca); siehe Seite 15
Ein römisches Militärdiplom (Louvre, Paris); siehe S. 15–17 132
Koson-Goldmünzen; siehe S. 23
Briefmarke der rumänischen Post 1980; siehe Seite 36
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Ruinen von Istros (Histria); siehe S. 44–45
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Tabula Traiana am Eisernen Tor; siehe S. 117 135
Trajanssäule: Opfer des Kaisers an der Donaubrücke; siehe S. 128
Trajan, Denar, Rückseite mit Darstellung der Victoria und Aufschrift »DACICA« (RIC II Trajan 130)
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Trajan, Denar, Rückseite mit Darstellung der Trajanssäule (RIC II Trajan 239); siehe S. 156
Trajanssäule: Decebals Selbsttötung; siehe S. 149 und S. 159
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Tropaeum Traiani in Adamclisi; siehe S. 160–161
138
Tabula Peutingeriana: Ausschnitt (Segment 7); siehe S. 164–165
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Ulpia Traiana Sarmizegetusa, Amphitheater; siehe S. 165
Porolissum: Die (phantasievolle) Rekonstruktion des Lagertors; siehe S. 171
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Roșia Montană, Goldbergwerk, römischer Stollen; siehe S. 177–178
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Papyris Gissensis 40: Die Constitutio Antoniniana; siehe S. 190–191
142
Alba Iulia, Principia-Museum; siehe S. 205
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Nikolaus-Kirche in Densuș, errichtet mit Steinen aus Ulpia Traiana; siehe S. 208
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eben der Brückenbau besonders schwierig wird. Trajans hochstrebender Sinn zeigt sich auch darin. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,13,1–5)
Die Angabe zur Breite des Flusses ist im Exzerpt des Xiphilinos nicht enthalten, nur die Anzahl der Pfeiler und ihre Abstände. Die in der Tat mehr als 1 km lange Brücke war eine auf steinernen Pfeilern ruhende hölzerne Konstruktion mit flachen Segmentbögen (→ Bild S. 208), vergleichbar mit der Moselbrücke in Trier. Als Architekten nennt ein spätantiker Autor (Prokop, Bauten 4,6,13) den Apollodoros von Damaskos, der später auch das Trajansforum (s. u. → Kap. 6.4) planen sollte. Die Brücke verband den römischen Ort Zanes (beim heutigen Kladovo, Serbien) mit dem römischen Militärlager Drobeta (heute Drobeta-Turnu Severin, Kreis Mehedinţi, Rumänien) und ist auch auf der Trajanssäule dargestellt (s. u. → Kap. 6.4 und → Bild S. 136 oben). Reste der gemauerten Pfeiler sind an beiden Ufern erhalten und durch Betonmauern und Dämme vor dem (aufgrund der zur Stromgewinnung erfolgten Aufstauung am Eisernen Tor gestiegenen) Wasserpegel der Donau geschützt; weitere, doch mit der Zeit schwindende Überreste der Pfeiler sind unter Wasser erhalten. Wir werden auf die Brücke noch einmal zurückkommen (s. u. → Kap. 7.2). Im Jahr 105 jedenfalls war sie von großer Bedeutung: Trajan überschritt den Istros (die Donau) auf dieser Brücke und war bei der weiteren Kriegführung mehr auf Sicherheit als auf Schnelligkeit bedacht. Mit der Zeit und mit Mühe bezwang er die Daker. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,14,1)
Es überrascht nicht, dass der römische Historiker bei aller – der Kürze von Trajans Vorgehen entsprechenden – Kürze der Nachricht dann doch noch eine Heldengeschichte nachschiebt: Viele Taten der Feldherrenkunst und der Tapferkeit vollbrachte Trajan selbst, viele auch seine Soldaten, die sich für ihn in Gefahren stürzten und sich auszeichneten. So wurde damals ein Reiter schwer verwundet
6.2 Bellum Dacicum
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aus der Schlacht getragen, da man mit seiner Heilung noch rechnen konnte. Als er aber bemerkte, dass er nicht mehr geheilt werden könne, eilte er aus dem Zelt – das Übel hatte ihn nämlich noch nicht ganz ergriffen –, stellte sich wieder in die Schlachtreihe und fand hier nach großartigen Leistungen den Tod. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,14,1–2)
Über den Feldzug selbst erfahren wir an ganz unerwarteter Stelle, nämlich in der Schrift des Landvermessers Balbus. In der Einleitung begründet der Autor seinem Freund Celsus gegenüber, warum sich die Niederschrift verzögert hat: Es kam die berühmte Unternehmung (expeditio) unseres heiligsten Kaisers dazwischen, die mich von der zügigen Fertigstellung abgehalten hat. Während ich mich nämlich eher um das Militärwesen zu kümmern hatte, unterbrach ich diese ganze Arbeit, als hätte ich sie vergessen, und dachte an nichts anderes mehr als an Kriegsruhm. Aber gleich, nachdem wir in das Land des Feindes eingetreten waren, begannen, mein Celsus, die Vorhaben unseres Kaisers damit, unsere Vermessungskenntnisse zu verlangen. Es kam vor, dass wir entlang eines bestimmten Abschnitts der Straße zwei gerade regelmäßige Linien ziehen mussten, mit deren Hilfe wir riesige Verteidigungsanlagen bauten, die für die Verteidigung der Straßen notwendig waren. … So konnten wir auch, was die Konstruktion der Brücken betrifft, selbst wenn der Feind uns angreifen wollte, von unserem Ufer aus sagen, wie breit der jeweilige Fluss ist. All diese bei den Göttern ehrwürdige Wissenschaft hat mir auch gezeigt, wie ich die Höhen der Berge ermitteln kann, die eingenommen werden mussten. Nach der Erfahrung mit diesen großen Dingen, an denen wir teilgenommen haben, begann ich, diese (Wissenschaft) noch mehr zu verehren, als müsse man sie in allen Tempeln verehren, und beeilte mich, dieses Buch fertigzustellen, als ob ich bestimmte Versprechen an die Götter erfüllen sollte. Nachdem der große Kaiser uns bald mit seinem Sieg Dakien eröffnete, erlaubte er mir nach einem Jahr, diese nördliche Region
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6. Decebal und Trajan
Verfahren zur Bestimmung der Breite eines Flusses (nach Minow 2013, 17)
zu verlassen. So kehrte ich zu meinem Buch wie zu einer Freizeitbeschäftigung zurück. (Balbus, ed. Blume, Lachmann und Rudorff 1848, 92–93)
Das verwendete Verfahren kennen wir aus der Schrift Fluminis Varatio eines anderen Vermessers, Marcus Iunius Nypsus (ed. Blume, Lachmann und Rudorff 1848, 285–286). Er sucht sich einen Punkt C am gegenüberliegenden Ufer, etwa einen hochragenden Baum. Auf dem diesseitigen Gelände markiert er einen Punkt B am Ufer und einen weiteren Punkt A in Verlängerung der Linie CB. Im Punkt A errichtet er die Senkrechte AE (ungefähr parallel zum Flussufer), auf der er zwei gleichlange Strecken AG und GD absteckt. In Punkt D errichtet er die Senkrechte DF in vom Fluss abgewandter Richtung, die dann parallel zu AC verläuft. Dann legt
6.2 Bellum Dacicum
147
er durch Anvisieren den Punkt H auf der Linie DF so fest, dass C, G und H auf einer Geraden liegen. Das entstandene Dreieck HDG ist damit kongruent zum Dreieck CAG. Schließlich misst er die Länge AB, trägt sie von D aus auf der Strecke DH ab und bestimmt so einen neuen Punkt I. Die Breite des Flusses BC ist damit gleich der Strecke HI. Nicht nur Vermesser waren mit dem Kaiser unterwegs. Trajan wurde auch von seinem Leibarzt Titus Statilius Kriton begleitet, der sogar – allerdings bis auf winzige Fragmente verlorene – Getika schrieb (s. o. → Kap. 2.4), außerdem von erfahrenen Militärs wie dem ein paar Jahre später, 112/113 n. Chr., in Athen in der folgenden Inschrift geehrten Mann: Für Publius Aelius, Sohn des Publius, aus der Tribus Sergia, Hadrianus, Konsul, Septemvir Epulonum, Sodales Augustalis, propraetorischer Legat des Imperator Nerva Traianus Caesar Augustus Germanicus Dacicus, Praetor von Pannonia Inferior und zu derselben Zeit Legat der I. Legion Minervia Pia Fidelis im dakischen Krieg, ebenso Volkstribun, Quaestor des Imperator Traianus und Begleiter im dakischen Feldzugs (expeditio), mit militärischen Dona (Sonderzahlungen) von ihm beschenkt, zweimal Tribun der II. Legion Adiutrix Pia Fidelis, ebenso der V. Legion Macedonica, ebenso der XXII. Legion Primigenia Pia Fidelis, Sevir (Mitglied des Sechs-Männer-Kollegiums) der Schar römischer Reiter, Praefekt der Feriae Latinae, Decemvir (Mitglied des Zehn-Männer-Kollegiums) in Zivilprozessen. (Auf Griechisch: Es ehren) der Rat auf dem Areopag und der Rat der 600 und das Volk der Athener ihren Archon Hadrianos. (Lateinisch-griechische Inschrift aus Athen, EDCS-27000425 = IG II2 3286)
Dem entspricht auch die literarische Tradition über diesen Begleiter Trajans: Die Quaestur hatte er im vierten Konsulatsjahr des Trajan und im ersten des (Quintus) Articuleius (Paetus, 101 n. Chr.) inne. Während er dieses Amt innehatte, las er eine Rede des Kaisers im Senat vor und provozierte durch seinen recht provinziellen Akzent ein Lachen. Daraufhin widmete er sich dem Latein, bis er die größte Kompetenz und Gewandtheit erlangte. Nach seiner Quaestorschaft diente er als Kurator der
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6. Decebal und Trajan
Senatsakten und begleitete dann Trajan im dakischen Krieg als Vertrauter, wobei er – wie er selbst sagt – sah, dass jener recht frei vom Wein trank … Beim zweiten dakischen Feldzug stellte Trajan ihn an die Spitze der I. Legion Minervia und nahm ihn mit sich in den Krieg; damals waren seine vielen herausragenden Taten hochberühmt. (Historia Augusta, Hadrian 3,1–6)
Wir werden diesen Vertrauten Trajans auf dem dakischen Feldzug noch näher kennenlernen (s. u. → Kap. 7.2). Der Feldzug jedenfalls führte zur Einnahme von Decebals Herrschaftssitz – und zu seiner Selbsttötung (→ Bild S. 137): Decebal aber brachte sich um, als er seinen Königssitz und sein ganzes Land besetzt sah und als er selbst befürchten musste, in Gefangenschaft zu geraten, und sein Haupt wurde nach Rom gebracht. So wurde denn Dakien den Römern untertan, worauf Trajan dort mit der Anlage von Städten begann. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,14,3)
Durch die Grabinschrift des römischen Militärbefehlshabers Tiberius Claudius Maximus, erfahren wir ein wenig mehr: Tiberius Claudius Maximus, der Veteran, hat zu seinen Lebzeiten (die Inschrift) anfertigen lassen. Er diente als Reiter in der VII. Legion Claudia Pia Fidelis, wurde zum Quaestor der Reiter befördert, Singularis (Gardereiter) des Legaten eben dieser Legion, Vexillarius (Standartenträger) der Reiter; zudem im Dakerkrieg wegen seiner Tapferkeit von Kaiser Domitianus mit Dona (Sonderzahlungen) ausgezeichnet. Vom vergöttlichten Traianus wurde er zum Duplicarius (Soldaten mit doppelter Besoldung) in der zweiten Ala (Reitereinheit) Pannoniorum gemacht; von diesem wurde er ebenfalls im Dakerkrieg als Kundschafter eingesetzt und wegen seiner Tapferkeit zweimal mit Dona ausgezeichnet – im Dakerkrieg und im Partherkrieg. Und von demselben (Kaiser) wurde er zum Decurio (Befehlshaber) in derselben Ala befördert, weil er den Decebal gefan-
6.2 Bellum Dacicum
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Grabstein für Tiberius Claudius Maximus (Archäologisches Museum, Drama, Griechenland)
gengenommen und dessen Kopf diesem (d. h. dem Kaiser) in Ranisstorum überbracht hatte. Als Freiwilliger wurde er ehrenhaft entlassen von Terent[ius Scau]rianus, dem konsularischen Befehlshaber [des Heer]es der neu[en] Provinz [ … ] (Lateinische Inschrift aus Philippi in Griechenland, EDCS-09701197)
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6. Decebal und Trajan
Demnach hatte Decebal eine Gefangennahme nicht nur befürchtet, sondern erlebt und war – vielleicht nach einer Selbsttötung? – enthauptet worden. Die oben (in → Kap. 6.1) schon genannten »Fasti Ostienses« verzeichnen für das Jahr 106 n. Chr. [… das Haupt] des Decebal auf der Gemonischen Treppe … (Lateinische Inschrift aus Ostia, EDCS-20200012, zum Jahr 106 n. Chr.)
Die Gemonische Treppe in Rom führte vom Kapitol über das Forum Romanum zum Tiber hinab und verlief dabei am Staatsgefängnis, dem Carcer Tullianus, entlang. Sie wurde seit der Zeit des Kaisers Tiberius (s. o. → Kap. 5.7) als Ort für Hinrichtungen und für die öffentliche Ausstellung von Hingerichteten verwendet. Das Haupt des Decebal wurde also nach Rom gebracht und hier ausgestellt.
6.3 Dacia Capta Trajans Sieg war 106 n. Chr. – fünf Jahre nach der ersten expeditio Dacica – gelungen. Sogar Decebals Königsschatz fiel den Römern zu: Man fand auch die Schätze des Dakerkönigs, obwohl sie unter dem Fluss Sargetia (Strei) verborgen lagen, der nahe an seinem Königssitz vorbeiströmt. Mit Hilfe einiger Gefangener hatte Decebal das Flussbett verlegen, eine Grube ausheben und viel Silber, Gold und andere sehr kostbare Gegenstände hineinbringen lassen, die einen gewissen Grad von Feuchtigkeit aushalten konnten. Sodann wurden Steine darübergelegt, Erde aufgeschüttet und dem Fluss sein alter Lauf wiedergegeben. Die gleichen Gefangenen hatten in Höhlen auch seine Gewänder und andere Dinge ähnlicher Art verstecken müssen, woraufhin Decebal sie töten ließ, um so jedes Ausplaudern unmöglich zu machen. Doch Bicilis, einer seiner Gefährten, der um die Sache wusste, wurde gefangengenommen und gab darüber Auskunft. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,14,4)
6.3 Dacia Capta
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Der oben (→ Kap. 6.2) schon genannte Leibarzt des Kaisers, Titus Statilius Kriton, macht Angaben zur Höhe der Beute, wie eine zufällig bei einem spätantiken Autor erhaltene Notiz angibt: Der berühmte Trajan, der zuerst Skythien mitsamt Decebal, der die Geten geführt hatte, erobert hatte, brachte den Römern 500 000 Pfund Gold und Silber, Kelche und Gegenstände von unbegrenztem Wert nicht mitgerechnet, Herden und Waffen und die kriegerischsten Menschen mit ihren Waffen, mehr als 50 000, wie Kriton bekräftigt, der beim Krieg zugegen war. (Johannes Lydos, Über die Ämter des römischen Staats 2,28, aus Kriton FGrHist 200 F 1)
Die Zahlenangaben sind im griechischen Text sogar zehnmal so groß wie in der obigen Übersetzung notiert, was aber wohl durch eine Verwechslung des Abschreibers entstand, der das römische Zeichen für 1000 (M) mit dem griechischen für 10 000 (ebenfalls M) verwechselt haben dürfte. Doch auch so ist der Wert der Beute enorm. Kriton berichtete nach den Angaben in Scholien (spätantiken Erläuterungen) zu einem Werk des Lukian von Samosata (um 120 – vor 180 n. Chr.) zudem davon, dass das Land der »Geten« entvölkert wurde; auch hier ist die überlieferte Zahlenangabe von nur 400 Verbleibenden aber wohl verkehrt: Die Geten sind ein barbarischer und gewalttätiger Stamm, der sich gegen die Römer erhoben hat und, nachdem er zunächst die Römer bis zur Zahlung des Tributs gedemütigt hatte, später unter Trajan, als er Decebal als König hatte, völlig vernichtet wurde, so dass von dem gesamten Stamm nur 400 Mann übrig waren, wie Kriton in seinen Getika erzählt. (Scholien zu Lukian 24 (Der doppelt Angeklagte),16, ed. Rabe 1906, 104, aus Kriton FGrHist 200 F 2)
Ein Zeitgenosse, Caninius Rufus, plante über Trajans Erfolg ein griechisches Gedicht (es ist nicht erhalten; s. o. → Kap. 2.4), wozu ihn sein Freund Gaius Plinius Secundus d. J. (s. o. → Kap. 2.4) ermunterte:
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6. Decebal und Trajan
Sehr gut tust du daran, dass du über den dakischen Krieg zu schreiben vorhast. Welches Thema ist denn so aktuell, so materialreich und so erhaben, ja so poetisch und fast schon legendär ist, obwohl seine Fakten wahr sind? Du wirst neue Flüsse beschreiben, die durch das Land fließen, neue Brücken, die über Flüsse gebaut werden, und Lager, die sich an steile Abhänge klammern, auch einen König, der aus seinem Königssitz und dann auch aus seinem Leben getrieben wurde, ohne zu verzweifeln. Du wirst einen doppelten Triumph darüber festhalten, von denen der erste über eine bisher unbesiegte Völkerschaft war, der zweite der neueste. Eine sehr große Schwierigkeit aber gibt es: Einen Ausdrucksstil zu finden, der des Themas würdig ist, ist ein immenses Unterfangen, das selbst für ein Genie wie dich schwierig ist, obwohl du fähig bist, höchste Höhen zu erreichen und dich mit deinen großartigen Werken immer weiter übertriffst. Nicht gering ist darin auch die Mühe, dass die barbarischen und wilden Namen, insbesondere der des Königs selbst, in griechische Verse nicht passen. Es gibt aber nicht, das nicht durch Kunst und Sorgfalt abgemildert, wenn auch nicht ganz gelöst werden kann. Außerdem: Wenn es Homer erlaubt ist, die weichen Silben der griechischen Sprache zu kontrahieren, zu verlängern und zu modifizieren, um sie dem gleichmäßigen Fluss seiner Verse anzupassen, warum sollte man dir eine ähnliche Freiheit verweigern, besonders wenn es eine Notwendigkeit und keine Affektiertheit ist? Rufe also mit dem Recht der Seher die Götter zu Hilfe, ohne unter den Göttern den göttlichen Helden zu vergessen, dessen Heldentaten, Leistungen und Weisheit du feiern wirst! (Plinius d. J., Briefe 8,4,1–5)
Die römischen Münzmeister (s. o. → Kap. 2.3 und Bild S. 136 unten links) wählten nun die Aufschriften »DACIA CAPTA«, »Dakien eingenommen« (Denar RIC II Trajan 96–99, As RIC II Trajan 585) und »VICTORIA DACICA«, »Dakiensieg« (RIC II Trajan 527–531). Und auch das Breviarium
6.3 Dacia Capta
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des Eutrop, das wir oben (in → Kap. 5.2) schon kennengelernt haben, verzeichnet den Sieg über Decebal als einen der größten Erfolge Trajans: Ulpius Crinitus Traianus, geboren zu Italica in Spanien und aus einer eher alten als berühmten Familie; in ihr war nämlich sein Vater der erste, der Konsul war. Zum Imperator wurde er aber bei Agrippina (Köln) in Gallien erhoben. Die res publica (den Staat) verwaltete er so, dass man ihm mit Recht vor allen anderen Kaisern den Vorzug gibt. Ihm waren ungewöhnlicher Bürgersinn (civilitas) und Tapferkeit zu eigen. Die Grenzen des Römischen Reichs, das seit Augustus mehr verteidigt als auf eine rühmliche Weise vergrößert worden war, dehnte er weit und breit aus: Er gewann Städte jenseits des Rheins in Germanien wieder. Dakien unterwarf er nach seinem Sieg über Decebal und gewann jenseits der Donau eine Provinz. … Diese Provinz hatte einen Umfang von 10 000 Meilen. (Eutrop, Breviarium 8,2,1–2)
Einem an dem zweiten Dakienkrieg Beteiligten setzte später in Korinth (Korinthos, Griechenland) ein Freund einen Grabstein, wobei er den beim zweiten dakischen Feldzug über ganz Dakien errungenen Sieg feiert: Dem Gaius Caelius, Sohn des Gaius, aus der Tribus Oufentina, Martialis, dem Praefekten der I. Kohorte Raetorum, die in Raetien wirkte, dem Tribunen der XIII. Legion Gemina, die in Dakien wirkte und dem in diesem Tribunat Dona Militaria (Auszeichnungen) gewährt wurden von Imperator Caesar Nerva Traian Ausutus Germanicus Dacicus und der die Fürsorge für die Truppen hatte bei dem zweiten Feldzug (expeditio), bei dem ganz Dakien besiegt wurde (universa Dacia devicta est), dem Prokurator der Provinz Achaea, dem Prokurator der Metallberg[werke, (hat dies geweiht) Lucius Gel]lius Menander, sein Freund. (Lateinische Inschrift aus Korinth, EDCS-16000478)
Decebal hatte alles verloren – selbst sein Name wurde in Dakien nicht mehr vergeben: Er ist seit der Niederlage und dem Tod des Königs mit einer einzigen Ausnahme, der Weihung eines »Decebalus, Sohn des
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6. Decebal und Trajan
Lucius« für die Nymphen in Germisara (Cigmău, Gemeinde Geoagiu / Gergesdorf, Kreis Hunedoara, Rumänien: lateinische Inschrift EDCS04900915), nur noch außerhalb von Dakien als Personenname belegt. Wie weit der Fall des Decebal bekannt wurde, zeigt eine Inschrift aus Kyrene (beim heutigen Shahhat in Nordost-Libyen): Dem Apollon und der Ar[temis … für das] Heil und die Best[ändigkeit] des Kaisers Nerva Tr[aianus Augustus Germanicus Daci]cus [und sein ganzes Haus] … und der Säulenhalle außerhalb des … haben (dies) die Priester aus den [Einnahmen] des Ap[ollon-Heiligtums … errichtet durch Gaius Postu[mius Optatus, den Jahrespriester des Apollon] in dem Jahr, in dem unser Herr Nerva T[raianus Augustus …den dakischen Monar] chen Dekiballos gefangennahm … (Griechische Inschrift aus Kyrene, SEG IX 101)
Und auf Schüsseln aus Terra Sigillata, dem in der römischen Kaiserzeit beliebten mit Reliefs geschmückten und glänzend rot überzogenen Tafelgeschirr, hat ein Töpfer namens Lucius Cossius in Condatomagus (La Graufesenque, Gemeinde Millau, Département Aveyron, Frankreich) u. a. einen Krieger dargestellt, der sich das Schwert in die Brust stößt und durch die Beischrift als »Decibalus« identifiziert ist (EDCS-33500467 und EDCS-33500468). Wie schon im oben zitierten Brief von Plinius d. J. wird hier offenbar ein König gezeigt, der ohne Verzweiflung in den Tod ging: Decebal gilt nun offenbar nicht mehr als der Schwerverbrecher, dessen Kopf an der Gemonischen Treppe ausgestellt wird, sondern als der tapfere Gegner Roms. Zum »Vater« der Nation hat ihn aber erst die Neuzeit stilisiert, wie wir oben (in → Kap. 3.2) gesehen haben. Der Film »Dacii« (Regie Sergiu Nicolaescu, 1966; deutsche Fassung in der Bundesrepublik unter dem Titel Kampf der Titanen gegen Rom 1967, in der DDR als Der letzte große Sieg der Daker 1968) etwa bringt einen Sohn Decebals namens Cotyso ins Spiel. Er soll dem Zamolxis geopfert werden, seine Schwester ist in den (von dem gefeierten Winnetou-Darsteller Pierre Brice verkörperten) römischen Befehlshaber verliebt. Decebal erscheint schließlich als weitsichtiger
6.3 Dacia Capta
155
Anführer seines geeinten Volkes. Und der 1949 geborene rumänische Politiker D. T. Remeş, der u. a. als Finanz- und als Landwirtschaftsminister seines Landes wirkte, heißt mit Vornamen – Decebal Traian.
6.4 Die Trajanssäule Neben die schriftlichen Zeugnisse, die in den vorigen Kapiteln (→ Kap. 6.1–3) Grundlage der Rekonstruktion waren, tritt eine ganz ungewöhnliche Quelle: die Trajanssäule. Diese für Kaiser Trajan errichtete Ehrensäule steht noch heute an ihrer ursprünglichen Stelle und ist der markanteste Rest des von Apollodoros von Damaskos (s. o. → Kap. 6.1) geplanten Trajansforums, einer Platzanlage am Rand des Forum Romanum im Zentrum des antiken Rom. Auf einer Plinthe (Grundplatte) und einem Piedestal (Sockelbau), die zusammen 6,16 m hoch sind, steht auf einer 1,7 m hohen Basis ein 26,92 m hoher Säulenschaft, den ein 1,16 m hohes Kapitell bekrönt. Im Inneren der gesamten Säule verläuft eine durch 43 schmale Schlitze belichtete Wendeltreppe mit 185 Stufen, die 29,78 m, also just 100 römische Fuß, Höhe erschließt. Der Säulenschaft hat 3,695 m Durchmesser und ist aus Säulentrommeln von gut 1,5 m Höhe zusammengesetzt. Auf der oberen Plattform befand sich ursprünglich eine vergoldete Kolossalstatue des Kaisers Trajan (die auf einer Münzdarstellung aus der Entstehungszeit besonders hervorgehoben ist; → Bild S. 136 unten rechts); sie wurde im Mittelalter eingeschmolzen und unter Papst Sixtus V. 1587 durch eine bis heute erhaltene Statue des Apostels Petrus ersetzt. Die Säule selbst zeigt an ihren Außenseiten in 23 Windungen einen spiralförmig aufsteigenden, ursprünglich farbig gefassten (und heute marmorweißen) Relief-Fries, der insgesamt etwa 200 m lang ist und etwa 2500 menschliche Figuren bei einem Feldzug abbildet. Diese vielen Zahlenangaben machen vor allem eines deutlich: Es handelt sich um ein in seinen Dimensionen äußerst eindrucksvolles Monument! Zu seiner Entstehungszeit konnte man es sowohl (wie heute) von unten als auch von mehrstöckigen Bibliotheksbauten aus betrachten, die es umgaben. Diese sind nicht erhalten, und durch die Umweltverschmutzung
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6. Decebal und Trajan
im Zentrum Roms sind die Reliefs unterschiedlich stark beschädigt. Gipsabgüsse aus Zeiten, in denen sie noch besser bewahrt waren, kann man aber u. a. im Museo della Civiltà Romana in Rom, im Victoria & Albert Museum in London, im Historischen Nationalmuseum in Bukarest und in der Archäologischen Sammlung der Universität Zürich besichtigen. Die Säule wurde bereits etwa 80 Jahre später zum Vorbild der Säule des Kaisers Mark Aurel (121–180 n. Chr., Kaiser seit 166) auf dem heute Piazza Colonna genannten Platz in Rom. Später war sie u. a. Vorbild der beiden Säulen vor der auf Geheiß Kaiser Karls VI. (1685–1740, Kaiser des Heiligen Römischen Reichs seit 1711) in Wien 1713-1739 erbauten Kirche des Heiligen Karl Borromäus (»Karlskirche«) und der von Napoleon I. (1769– 1821) in Paris 1806 bis 1810 errichtete Colonne Vendôme; selbst in den USA gibt es mit der 1926 errichteten Astoria Column in Astoria, Oregon, eine Reminiszenz. Die Reliefs auf der Säule des Mark Aurel verherrlichen seine Markomannen-Kriege (s. u. → Kap. 8.1), die an der Karlskirche das Leben des Heiligen Karl Borromäus (1538–1584), die auf der Colonne Vendôme Napoleons Feldzüge und die auf der Astoria Column Szenen aus der Geschichte von Oregon. Das Original der Trajanssäule steht noch immer in Rom; eine 1780 für Kurfürst Karl Theodor von Pfalz und Bayern (1725–1799) hergestellte verkleinerte Nachbildung der Trajanssäule aus Lapislazuli, Silber, Marmor und Granit wird in der Schatzkammer der Residenz in München gezeigt. Sie hat schon Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) auf seiner »Italienischen Reise« (6.9.1786) als »ein schön Stück Arbeit« beeindruckt. Welche Funktion hatte die Trajanssäule? Es liegt nahe, die auf dem (an allen vier Seiten mit Trophäen-Reliefs geschmückten) Piedestal angebrachte Inschrift als Zeugnis für eine Antwort heranzuziehen. Sie ist in einer klassisch gewordenen Monumentalschrift, die übrigens der heute viel verwendeten Schriftart (Font) »Trajan« zugrunde liegt, aufgezeichnet und besagt: Senat und Volk von Rom für Imperator Caesar, Sohn des vergöttlichten Nerva, Nerva Traianus Augustus Germanicus Dacicus, Oberpriester, zum 17. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, zum 6. Mal Imperator, sechsmal Konsul, Vater des Vaterlandes, um zu zeigen, wie hoch der Hügel und das
6.4 Die Trajanssäule
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Gelände waren, das für diese umfangreichen Baumaßnahmen entfernt wurde. (Lateinische Inschrift aus Rom, EDCS-17301077)
Mit der Angabe zur 17. Tribunicia Potestas (s. o. → Kap. 2.2) ist die Inschrift in das Jahr 112/113 n. Chr. datiert; dass in jenem Jahr die Baumaßnahmen abgeschlossen wurden, belegen auch die Fasti Ostienses (s. o. → Kap. 6.1), die den Tag vor den (auf den 15. fallenden) Iden des Mai, also den 14.5.113 n. Chr., als Datum nennen: Kaiser Trajan weihte [den Tempel der Ve]nus im Forum Caesars und die [Säul]e in seinem Forum am Tag vor den Iden des Mai. (Lateinische Inschrift aus Ostia, EDCS-20200012, zum Jahr 113 n. Chr.)
Als Funktion der Säule nennt die zitierte Piedestal-Inschrift nur deren monumentale Höhe: Es wurden gleichsam Berge versetzt! Sie lässt aber den politischen Kontext gänzlich unerwähnt. Dieser freilich erschließt sich durch die »stummen« Bilder des Reliefbands. Dieses beginnt unten; es wird einmal durch eine Darstellung der Siegesgöttin Victoria unterbrochen und so in zwei Teile geteilt. Der erste von diesen zeigt offenbar die Ereignisse des ersten Feldzugs in den Jahren 101 bis 102 n. Chr. (s. o. → Kap. 6.1), der zweite die des zweiten Feldzugs 105 bis 106 n. Chr. (s. o. → Kap. 6.2). Wer die Reliefs auf der Trajanssäule betrachtete, konnte auf einmal jeweils nur etwa ein Sechstel der Darstellung sehen und dabei in übereinander zu liegen gekommenen Reliefs immer wieder Schlüsselszenen wie die Eröffnung eines Feldzugs oder die Überschreitung der Donau erkennen. Die Bewegungsrichtungen der an ihrer Ausrüstung identifizierbaren Kriegsgegner nach rechts oder links deuteten auf Angriff oder Rückzug. Die Bildsprache ermöglichte es, einzelne Figuren oder Figurengruppen zu identifizieren, etwa den Kaiser mit seinem goldfarbenen Brustpanzer oder römische Feldherren anhand ihrer Rüstung und ihrer standardisierten Gesten. Einheitlich ist auch die Darstellung bestimmter Szenen, etwa die Errichtung von Straßen und Gebäuden oder auch das Reinigungsopfer für das
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6. Decebal und Trajan
Heer am Beginn eines Feldzugs, die Ansprache des Kaisers an seine Truppen vor und nach dem Einsatz, die Schlacht und nicht zuletzt die Unterwerfung der Besiegten. Ja, wer die Bilder genauer zu »lesen« verstand, konnte auch die einzelnen Truppengattungen (s. o. → Kap. 2.2) an ihrer Ausrüstung erkennen: die Legionäre und Praetorianer am beweglichen Schienenpanzer, die Hilfstruppen am Kettenpanzer und weitere Zuordnungen etwa an der Form der Helme. Die für die »Lesbarkeit« des Reliefbandes wichtige Standardisierung der Darstellungen verbietet daher den in der älteren Forschung gelegentlich unternommenen Versuch, konkrete landschaftliche oder bauliche Gegebenheiten im Karpatenbogen als Bildvorlagen zu identifizieren. Jedenfalls konnte man offenbar seinerzeit den »stummen« Bildbericht auch ohne Text – je nach Bildungsgrad vielleicht auch mit vor Ort gegebenen Erläuterungen – gut deuten. Dargestellt sind fast ausschließlich Szenen, an denen der Kaiser selbst beteiligt ist, und zwar als Imperator, Oberfehlshaber, nicht – wie auf Münzdarstellungen (s. o. → Kap. 6.1) – als selbst Kämpfender. Eine der wenigen Ausnahmen davon ist die der Verfolgung Decebals und dessen Selbsttötung (siehe → Bild S. 137). Viele Darstellungen widmen sich dem Straßenund Lagerbau, recht wenige dem eigentlichen Kampfgeschehen. Römische Gefallene gibt es auf den Reliefbändern nicht, ebensowenig (und anders als in den Siegesreliefs am Monument von Adamclisi – dazu gleich – und auch anders als bei der o. g. Mark-Aurel-Säule) Szenen, bei denen die römische Seite die Zivilbevölkerung, insbesondere auch Frauen und Kinder, angreift. Untaten gegnerischer Frauen an römischen Soldaten oder deren Verbündeten werden hingegen durchaus wiedergegeben: Trajan führt eben, so das Reliefband, einen sauberen und gerechten Krieg. Götter erscheinen nur in besonderen Fällen, etwa als Personifikationen von Nacht und Gewitter oder als Flussgott, der die Donau repräsentiert (siehe → Bild S. 2), außerdem, wie schon gesagt, die Siegesgöttin Victoria in der Mitte des Reliefbands. Insgesamt zeigt das Reliefband auf der Trajanssäule einen systematisch geplanten und durchgeführten Krieg mit der öfter wiederholten Abfolge Kriegsrat, Reinigungsopfer und Ansprache an die Truppen, Vormarsch mit dem Bau von Straßen und Militärlagern, Kampf, Sieg und Schlussanspra-
6.4 Die Trajanssäule
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che mit Belohnung verdienter Soldaten. Trajan selbst erscheint als Inbegriff des römischen Imperators, dem der römische Erfolg letztlich zu verdanken ist. Konventioneller in der Siegesdarstellung sind Bildzeugnisse, die außerhalb von Rom erhalten sind, so ein Relief am sogenannten Trajansbogen von Benevent (Benevento in der Region Campania, Italien). Der eintorige römische Ehrenbogen kennzeichnet den Beginn der antiken Via Traiana (Trajansstraße), die sich von dort bis zur Hafenstadt Brundisium (Brindisi, Region Apulia, Italien) erstreckte. Die figürlichen Darstellungen des Trajansbogens bilden heute die einzige vollständig erhaltene Darstellung eines römischen Triumphfrieses. Er misst 41 m und zeigt 160 Figuren, 6 Opfertiere, 5 Karren, 6 Reitpferde und die Quadriga, also das Viergespann des Triumphators. Errichtet ist er laut der auf ihm erhaltenen Inschrift im Jahr der 18. Tribunicia Potestas des Kaisers, also (s. o. → Kap. 2.2) 113/114 n. Chr., ein Jahr später als die Trajanssäule: Dem Imperator Caesar, Sohn des vergöttlichten Nerva, Nerva Traianus, dem besten Augustus, Germanicus Dacicus, Oberpriester, zum 18. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, zum 7. Mal Imperator, sechsmal Konsul, Vater des Vaterlandes, dem stärksten Princeps, (weihen dies) Senat und Volk von Rom. (Lateinische Inschrift aus Benevento, EDCS-12401064)
Dargestellt ist u. a. die Personfikation der Dacia, die vor Trajan kniet; an den beiden unteren Ecken dieses Reliefs liegen die durch Inschriften bezeichneten Flussgötter Tisia (Theiß) und Alutus (Olt; zu beiden s. o. → Kap. 1.2). Besonders eindrücklich sind nicht zuletzt die Darstellungen auf dem als »Tropaeum Traiani« bekannten Siegesmonument in Adamclisi (Kreis Constanţa, Rumänien) in der Nähe des bereits oben (in → Kap. 6.1) genannten Gefallenenmonuments. Seine Inschrift datiert das Bauwerk in das Jahr der 20. Tribunicia Potestas des Kaisers, also 115/116 n. Chr., zwei Jahre nach den Trajansbogen von Benevent:
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6. Decebal und Trajan
[Dem Imperator Caesar, Sohn des vergöttlichten Nerva,] Ner[va Traianus, dem bes]ten Augustus, Germanicus Dacicus, [Oberpriester, zum] 20. Mal [Inhaber der Tribunicia P]otestas, zum 12. Mal Imperator, sechsmal Konsul, Vater des Vaterlandes, (weihen dies) die [Tra]ianense Tropaeenses [unter Quintus R]oscius Murena Coelius Pom[pe]ius Falco, dem pro[praetorischen] Legaten des Augustus. (Lateinische Inschrift aus Adamclisi, EDCS-29900007)
Das Bauwerk war seit jeher bekannt und diente etwa auch als Vorlage eines Gefallenenmonuments für die Toten des I. Weltkriegs in Mărășești (Kreis Vrancea, Rumänien), wurde als Ganzes aber erst 1977 im Zusammenhang mit der gesuchten Verbindung des rumänischen Regimes zur Antike (s. o. → Kap. 1.5) rekonstruiert (siehe → Bild S. 138). Der antike Bau trug einen reichen Skulpturenschmuck, zu dem zwei (je fast 100 m lange) umlaufende dekorative Friese und ein Metopen-Band gehörten. Dieses bietet 54 Platten von etwa 1,58 m Höhe und 1,16 m Breite, die durch ebenso viele Halbpfeiler voneinander getrennt waren. Erhalten sind 49 Metopen mit Szenen aus den Dakerkriegen, darunter gepanzerte römische Reiter mit Lanzen, Kampfszenen, dakische Flüchtlinge und Gefangene in Ketten in Begleitung von siegreichen römischen Soldaten: Anders als auf der Trajanssäule wird der Krieg hier durchaus in seiner Brutalität dargestellt. Über dem oberen Fries folgte ein Gesims, auf dem ein sogenannter Zinnen-Attikus lag, der abwechselnd aus Zinnen- und Brüstungsquadern bestand. Die 25 Zinnen zeigen jeweils einen Gefangenen, der an einen Baum gefesselt ist. Die Bekleidung und weitere Merkmale deuten darauf hin, dass hier drei verschiedene Gruppen von »barbarischen« Fremden dargestellt sind, deren Zuordnung jedoch mangels Inschriften oder Parallelen nicht möglich ist. Abgüsse von Bildwerken des Tropaeum Traiani sind u.a. im Archäologischen Seminar der Universität Heidelberg zu sehen Die beiden außerhalb von Rom erhaltenen bildlichen Darstellungen der Dakerkriege sind im Vergleich zur Trajanssäule also konventioneller und zeigen die »Bildsprache« römischer Siegesmonumente, wie sie schon länger vertraut waren: Kriegsszenen, Gefangene und Personfikationen, vor allem die den Römern unterlegene Dacia.
6.4 Die Trajanssäule
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7. Provincia Dacia 7.1 Die Einrichtung der Provinz unter Trajan Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zu der Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. (Neues Testament, Lukasevangelium 2,1–2)
Die vertrauten Worte der Weihnachtsgeschichte beziehen sich auf die Einrichtung einer neuen Provinz: Nach dem Tod des römischen Klientelkönigs Herodes d. Gr. 4 v. Chr. (s. o. → Kap. 5.6) war die Herrschaft in Judäa zunächst an einen seiner Söhne, Herodes Archelaos, übergegangen; dieser aber war 6 n. Chr. von Kaiser Augustus entlassen worden, um eine direkte Beherrschung des Gebiets als römische Provinz zu ermöglichen. Am Anfang der Einrichtung dieser neuen Provinz steht eine »Schätzung«, die vom Statthalter der benachbarten Provinz Syrien organisiert wird, um die potentielle Leistungsfähigkeit der neuen Provinz durch die Erhebung von Steuern zu ermitteln. Eine solche Maßnahme hat offenbar Trajan auch nach der Eroberung Dakiens durchführen lassen. Wir erfahren dies durch eine Notiz bei dem Kirchenvater Lucius Caecilius Firmianus Lactantius (Laktanz, um 250– 320 n. Chr.), der eine spätere reichsweite »Schätzung« durch Kaiser Galerius (um 250–311 n. Chr.; Mitkaiser seit 293, Kaiser seit 305) in Verbindung mit einer von Trajan eingeführten Kopfsteuer in Dakien, der Heimat von Galerius’ Mutter, bringt: Seine Vorfahren waren so einst der Schätzung (census) unterworfen worden, die Trajan als Sieger den Dakern, die hartnäckig rebellierten, als
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7. Provincia Dacia
Strafe nach seinem Sieg auferlegt hatte. Von da an musste man Geld für den Kopf entrichten und gab Waren her, um am Leben zu bleiben. (Laktanz, Todesarten der Christenverfolger 23,5–6)
Wenn Laktanz das Richtige wiedergibt, war wie zuvor Judäa nun auch Dakien im Zusammenhang mit der Einrichtung einer direkt beherrschten römischen Provinz einer »Schätzung« unterworfen worden, die ergeben sollte, welche Einnahmen aus einer Besteuerung zu erwarten seien. Im 4. Jahrhunderts n. Chr. gibt Eutrop (s. o. → Kap. 5.2) zur Zusammensetzung der Bevölkerung in Dakien zu jener Zeit das Folgende an: Trajan hatte nach dem Sieg über Dakien aus dem ganzen römischen Erdkreis (ex toto orbe Romano) unbegrenzte Menschenmengen (infinitas copias hominum) dahin versetzt, um Felder und Städte anzubauen; Dakien war ja durch den langwierigen Krieg mit Decebal an Männern erschöpft (viris exhausta). (Eutrop, Breviarium 8,6,2)
Der archäologische Befund, der durch die großflächigen Ausgrabungen bei der Herstellung der neuen Infrastruktur nach 1989 durch Autobahnbau und Ausbau der Bahn (s. o. → Kap. 2.1) erweitert wurde, bestätigt eine Entvölkerung des Karpatenbogens freilich nicht, macht aber einen Zuzug neuer Bewohnergruppen wahrscheinlich. Genauer können wir die Einrichtung der Provinz anhand epigraphischer Zeugnisse verfolgen (s. u.). Ganz ohne Widerstand verlief die Einrichtung der Provinz nicht. Insbesondere der Sarmatenstamm der Jazygen, deren Gebiet im Westen der neuen Provinz lag (s. o. → Kap. 4.1) und denen ein von Decebal abgenommenes Territorium von Trajan nach seinem Sieg über die Daker nicht zurückgegeben worden war (s. o. → Kap. 6.2), sahen sich offenbar als Verlierer der Provinzbildung: Sie waren nun nicht nur in ihrem Westen und Süden durch die römischen Provinzen Pannonien und Obermoesien, sondern auch in ihrem Osten durch die neue römische Provinz Dakien eingeschränkt. Trajan setzte gegen diesen Stamm einen erfahrenen Soldaten und
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Befehlshaber ein, Publius Aelius Hadrianus, den wir schon oben (in → Kap. 6.3) kennengelernt haben: Danach wurde er als praetorischer Legat nach Unterpannonien geschickt, wo er die Sarmaten »zusammendrückte« (compressit), die Disziplin unter den Soldaten aufrechterhielt und die (mit der Eintreibung von Abgaben betrauten) Prokuratoren zurückhielt, die zu frei die Grenzen ihrer Macht überschritten. Als Gegenleistung für diese Dienste wurde er zum Konsul ernannt. (Historia Augusta, Hadrian 3,9–10)
Im frühen 2. Jahrhundert n. Chr. hatten die Römer schon eine lange Erfahrung mit der Einrichtung von Provinzen. In Dakien gingen sie nun offenbar ganz systematisch vor: Zunächst wurde die Infrastruktur des Gebiets durch die Anlage von Straßen errichtet, dann erst wurden Städte gegründet. Der älteste erhaltene römische Meilenstein (s. o. → Kap. 2.2) ist in Aiton (Eiten, Kreis Cluj, Rumänien) gefunden worden und markiert die Stelle, an der die Entfernung auf der neu angelegten Straße von Potaissa (Turda / Thorenburg, Kreis Cluj) nach Napoca (Cluj-Napoca / Klausenburg) 10 Meilen beträgt. Für die Datierung entscheidend ist die Angabe am Anfang der Inschrift: Imperator Caesar Nerva Traianus Augustus Germanicus Dacicus, Oberpriester, zum 12. Mal Inhaber der (Tribunicia) Potestas, fünfmal Konsul, zum 6. Mal Imperator, Vater des Vaterlandes, hat hergestellt durch die I. Kohorte Flavia Ulpia Hispana Milliaria römischer Bürger zu Pferd von Potaissa nach Napoca 10 Meilen. (Lateinische Inschrift auf einem Meilenstein aus Aiton, EDCS-27300120)
Zum 12. Mal hatte Trajan die Tribunicia Potestas (s. o. → Kap. 2.2) vom 10.12.107 bis zum 9.12.108 n. Chr. inne, der Straßenbau ist also in das Jahr 107/108 n. Chr. datiert. Mithin waren nach der Eroberung Dakiens 106 n. Chr. bis zur Anlage einer Straße im Norden des Landes allenfalls zwei Jahre vergangen. Die Straße ist übrigens noch auf der »Tabula Peu-
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7. Provincia Dacia
tingeriana« verzeichnet, einer graphischen Darstellung des spätantiken Straßennetzes (siehe → Bild S. 139). Dass Trajan nach der Eroberung Dakiens auch »mit der Anlage von Städten begann«, haben wir bereits von Cassius Dio (Historien 68,14,3, s. o. → Kap. 6.2) gehört. Vielleicht ein Jahr nach dem eben genannten Straßenbau ist auch die Gründung der Stadt »Colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica Sarmizegetusa« (bei Haţeg / Hatzeg, Kreis Hunedoara, Rumänien) belegt: Unter den Auspizien [des Imperator] Caesar, Sohn des vergöttlichten Nerva, [Nerva] Traianus Augustus [Germanics Dacicus] gegründet ist die Colonia [Ulpia Traiana Augusta] Dacica [Sarmizegetusa] durch [Decimus Terenti]us Scaurianus, seinen propraetorischen [Legaten]. (Lateinische Inschrift aus Ulpia Traiana Sarmizegetusa, EDCS-26600880)
Decimus Terentius Scaurianus war nach Ausweis von zwei Militärdiplomen, die in das Jahr der 13. bzw. 14. Tribunicia Potestas Trajans datiert sind (EDCS-12100013 aus Ranovac in Serbien, EDCS-36500014 unbekannter Herkunft), 109/110 n. Chr. Statthalter der Provinz Dacia; die Gründung der Stadt Colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica Sarmizegetusa fand also wohl erst nach dem Ausbau der Infrastruktur durch die Anlage von Straßen statt – was zeigt, wie systematisch die Errichtung der Provinz geplant war: Erst brauchte man Straßen, dann konnte man Städte errichten (→ Bild S. 140 oben). Der Ausbau der neuen römischen Hauptstadt erfolgte dann zügig: Eine über sechs Steinblöcke des äußeren Bogens am Eingang des Forums der eben genannten Stadt laufende, in zehn Fragmenten erhaltene Inschrift besagt: [Im]perator Ca[esar, Sohn des] vergöttlichten Ne[r]v[a], Nerva Trai[anus Optimus Augustus Ger]m[anicus Dacicus Parthicus, O]berpriester, [zum x. Mal] Inhaber der Tribunicia Pot[estas, zum 13. Mal Imperator, sechsmal Konsul, Vater des Vaterlandes, hat der Colonia Ulpia T]ra[i]ana Augusta Dacica [Sar]miz[egetusa das Forum gegeben]. (Lateinische Inschrift aus Ulpia Traiana Sarmizegetusa, EDCS-12000873)
7.1 Die Einrichtung der Provinz unter Trajan
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Die genaue Datierung ist den Fragmenten nicht zu entnehmen und in der Forschung umstritten; die mit einiger Wahrscheinlichkeit rekonstruierte Angabe über das 6. Konsulat Trajans verweist auf den Anfang des Jahres 112 n. Chr., zu dessen Beginn der Kaiser dieses Amt innehatte. In dieses Jahr oder etwas später ist demnach der Ausbau des Forums zu datieren. Auch der Sohn des Decimus Terentius Scaurianus, nämlich Decimus Terentius Gentianus, der 116 n. Chr. als Nachrücker römischer Konsul und dann anschließend als Prokonsul Statthalter der Provinz Macedonia war, wurde in der Stadt gefeiert: Dem Decimus Terentius Gentianus, den Militärtribun, Quaestor, Volkstribun, praetorischen Legaten des Augustus, Konsul, Ponti[fex], Censor der Provinz Mace[donia], (weiht dies) die Colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica Sarmizegetusa, ihrem Patron. (Lateinische Inschrift aus Ulpia Traiana Sarmizegetusa, EDCS-26600899)
Und auch die Münzprägung spiegelt die Einrichtung der Provinz: Waren nach dem zweiten Dakerkrieg Münzen mit der Aufschrift »DACIA CAPTA« und »VICTORIA DACICA« geprägt worden (s. o. → Kap. 6.2), wählten die Münzmeister (s. o. → Kap. 2.3) 112 n. Chr. die Aufschrift »DACIA AUGUST(I) PROVINCIA« (RIC II Trajan 621–623). Dargestellt war nicht mehr eine Personifikation der trauernden Dacia, sondern eine sitzende, einen Adler haltende Dacia, neben der zwei Kinder Trauben bzw. Getreide in der Hand halten – ein Sinnbild für die glückliche Entwicklung der Provinz.
7.2 Die Reorganisation Dakiens unter Hadrian Am 8. August 117 n. Chr. starb Trajan nach längerer Krankheit auf der Rückreise nach Rom in Selinus (bei Gazipaşa, Provinz Antalya, Türkei) im südkleinasitischen Kilikien. Ob er noch auf dem Totenbett seinen Großneffen Publius Aelius Hadrianus (Hadrian, 76–138 n. Chr.), der ihn – wie wir oben (→ Kap. 6.2 und 7.1) gesehen haben – u. a. in Dakien begleitet hatte, adoptierte, war schon unter Zeitgenossen umstritten.
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7. Provincia Dacia
Nach Trajans Tod wurde Aelius Hadrianus zum Kaiser bestimmt, ohne dass Trajan dies irgendwie gewollt hätte, doch hatte sich Trajans Gemahlin, Plotina, für ihn verwendet. Obwohl er (Hadrian) nämlich der Sohn einer Cousine von ihm war, hatte ihn Trajan, als er noch lebte, nicht adoptieren wollen. Auch er war in Italica in Spanien geboren. (Eutrop, Breviarium 8,6,1)
Jedenfalls erhielt Hadrian die Todesnachricht am nächsten Tag; zwei Tage später, am 11. August 117 n. Chr., akklamierten ihn seine Soldaten als Kaiser. Trajans Leichnam wurde noch in Kleinasien verbrannt; die Asche wurde nach Rom gebracht und dort im Sockel der Trajanssäule (s. o. → Kap. 6.4) beigesetzt. Etwa zu derselben Zeit starb auch der Statthalter von Dakien, Gaius Iulius Quadratus Bassus, der unter Trajan 105 n. Chr. ein nachgerückter Konsul gewesen war und Statthalter zunächst von Kappadokien und Galatien, dann von Syrien und schließlich seit 117 n. Chr. von Dakien war. Über seine beeindruckende Karriere informiert in griechischer Sprache sehr ausführlich sein Grabstein, der in Pergamon (heute Bergama, Provinz İzmir, Türkei) in Westkleinasien gefunden worden ist. Die Inschrift beginnt wie folgt und bietet auf der rechten Nebenseite dann einen Zusatz: Gaius Iulius Quadratus Bassus, Konsul, Priester, der Heerführer des dakischen Kriegs war und den Krieg dort mit Kaiser Trajan führte … (Zusatz) Dieser starb, als er noch Feldherr in Dakien war und die Provinz verwaltete und sein Leichnam wurde nach (Klein-)Asien gebracht, getragen von Soldaten unter dem Feldzeichen des höchstrangingen Zenturio Quintilius Capito, wobei ihm Geleit gewährt wurde in jeder Stadt, und die Bestattung so, wie vom Kaiser und Gott Hadrian befohlen war, und das Ehrenmal für ihn aus dem Fiscus (öffentlichen Mitteln) bereitgestellt. (Inschriften von Pergamon III 21, Zeilen 1–4 und 26–37)
Dass Machtwechsel in Rom zu Versuchen der Gegner Roms führen, Oberhand zu gewinnen, haben wir bereits beim Vierkaiserjahr gesehen (s. o.
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→ Kap. 5.7), als einige »Transdanuvier« in das von Rom kontrollierte Gebiet eindrangen. Den Tod sowohl des Kaisers als auch des römischen Statthalters nahmen nun 117 oder 118 n. Chr. die Jazygen im Westen Dakiens und die Roxolanen im Osten der Provinz zum Anlass für eine Erhebung. Dann hörte man von einem Aufruhr der Sarmaten und Roxolanen, schickte Truppen voraus und machte sich nach Moesien auf. Den (Quintus) Marcius Turbo (Fronto Publicius Severus), dem er nach der Verwaltung Mauretaniens die Rangabzeichen eines Praefekten verliehen hatte, stellte er zeitweilig an die Spitze von Pannonien und Dakien. Als der König der Roxolanen sich über die Kürzung der Zahlungen beschwerte, untersuchte er seinen Fall und schloss mit ihm Frieden. (Historia Augusta, Hadrian 6,6–8)
Hadrian beendete die Erhebung offenbar damit, dass er die schon unter Domitian eingeführten (s. o. → Kap. 5.8) und auch unter Trajan fortbestehenden (s. o. → Kap. 6.1) Schutzgeldzahlungen der Römer an die östlichen Nachbarn der römischen Provinz weiterhin zusagte. Gegen die Jazygen im Westen der neuen Provinz ging er dadurch vor, dass er ein und dieselbe Person, Marcius Turbo, in Personalunion mit der Leitung der Provinzen auf beiden Seiten der Jazygen, Pannonien und Dakien, betraute und die Jazygen somit gleichsam in die Zange nahm. Ansonsten kann man aber kein großes Interesse Hadrians an Dakien erkennen. Aus Neid auf den Ruhm des Trajan gab er sofort drei Provinzen auf, die Trajan (dem Reich) hinzugefügt hatte, rief die Heere aus Assyrien, Mesopotamien und Armenien zurück und ordnete an, künftig solle der Euphrat die Grenze des Reichs sein. Als er dasselbe mit Dakien versuchte, brachten seine Freunde ihn davon ab, damit nicht viele römische Bürger den Barbaren preisgegeben würden. (Eutrop, Breviarium 8,6,2)
Auch wenn Hadrian die Provinz Dacia also nicht ganz verwarf, so gab er zumindest die für Trajan errichtete spektakuläre Brücke über die Donau
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(s. o. → Kap. 6.2) auf, indem er deren Holzaufbau (siehe → Bild S. 208) entfernte und sie damit unbrauchbar machte: Trajan hatte befürchtet, dass es, wenn der Istros (Donau) einmal zugefroren wäre, für die Römer zu einem Krieg mit den Leuten jenseits kommen könnte, und hatte deshalb die Brücke errichtet, um die Zuwege zu ihnen zu erleichtern. Hadrian hingegen hatte Angst davor, dass die Barbaren einmal die Brückenwachen überwältigen würden; dann sei auch für sie das Hinüberkommen nach Moesien mit nur geringer Mühe verbunden. Deshalb ließ er die Aufbauten entfernen. (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 68,13,6)
Geradezu symbolhaft wird in dieser Deutung bei Cassius Dio die unterschiedliche Politik der beiden Kaiser: Trajan dachte an eine Expansion des Imperium Romanum und ließ dafür eine Brücke errichten, damit die Römer leichteren Zugang in das zu erobernde Gebiet hinein hätten. Hadrian hingegen fürchtete eine Invasion aus jenem Gebiet heraus und ließ die Brücke daher abbauen: Für ihn ging es nicht um Dakien nördlich der Donau, sondern um den Schutz der römischen Provinzen südlich des Stroms. Diesem Zweck diente auch die Verlegung der IV. Legion Flavia, die uns schon oben (in → Kap. 6.1) beim Ausbau der Straße am Eisernen Tor begegnet ist und zuletzt in Berzobis (s. o. → Kap. 6.1) stationiert gewesen war. Sie wurde nun aus Dacia nach Singidunum (Belgrad; s. o. → Kap. 4.1) auf die Südseite der Donau verlegt. Dakien wurde also nicht aufgegeben, doch scheint die römische Politik unter Hadrian durch eine Verwaltungsreform kleinere Einheiten angestrebt haben. Wie wir oben (in → Kap. 5.8) gesehen haben, war bereits 87 n. Chr. Moesien in zwei Provinzen – Moesia Superior und Inferior, also Ober- und Untermoesien – aufgeteilt worden, wohl um durch kürzere Wege für die Übermittlung von Nachrichten und Befehlen und die raschere Möglichkeit des Einsatzes von in der Provinz befindlichen Truppen flexibler agieren und reagieren zu können. Nun wurde auch Dakien in Dacia Superior und Dacia Inferior geteilt. Zu Oberdakien gehörte offenbar das Gebiet der bisherigen Provinz nördlich des Karpatenbogens, zu Unterdakien das südlich
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davon und westlich des Olt gelegene Gebiet bis zur Donau. In der Forschung umstritten ist dabei, ob seinerzeit der Olt oder eine weiter östlich verlaufende, durch eine Kette von Militäranlagen gesicherte Linie, die man als »Limes Trans-Alutanus« (»Limes jenseits des Olt«) bezeichnet, die Ostgrenze von Unterdakien bildete. Die Hauptstadt Oberdakiens blieb Ulpia Traiana Sarmizegetusa, die militärische Zentrale wurde aber nach Apulum (Alba Iulia / Karlsburg) verlegt, wo die einzige in Dakien verbleibende Legion, die XIII. Legion Gemina, stationiert wurde (s. u.. → Anhang). Die Einrichtung der neuen Provinzen können wir anhand des Militärdiploms für Demuncius datieren; wir haben den Text dieses Diploms oben (in → Kap. 2.2) schon in Gänze kennengelernt, weshalb nun nur noch die hier einschlägigen Auszüge zitiert werden sollen: Imperator Cae[sar, Sohn des vergöttlichten] Traianus Parthicus, [Enkel] des vergöttlichten Nerva, Traianus Hadrianus Augustus, Oberpriester, zum 3. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, dreimal Kon[sul], hat den Reitern und Fußsoldaten …., [die in] Dacia Su[perior unter Marcius Tur [bo sind], … ihnen selbst, ihren Kindern und ihren N[ach]kommen das Bürgerrecht gegeben … am Vortrag der Iden des November, als Gaius Herennius Capella und Lucius Coelius Rufus Konsuln waren … (Lateinische Inschrift auf einem Militärdiplom unbekannter Herkunft, EDCS-69000074)
Zum dritten Mal hatte Hadrian die Tribunicia Potestas ab dem 10.12.118 n. Chr. inne, Gaius Herennius Capella und Lucius Coelius Rufus waren Ende 119 n. Chr. als Nachrücker Konsuln von Rom und die Iden des Novembers fallen alljährlich auf den 13.11. Das auf den »Vortag der Iden des Novembers« datierte Diplom bezieht sich also auf den 12.11.119 n. Chr.; zu diesem Zeitpunkt, nicht einmal zweieinhalb Jahre nach Hadrians Herrschaftsantritt, war demnach die neue Provinz »Dacia Superior« bereits eingerichtet. Den in diesem Militärdiplom genannten Befehlshaber Quintus Marcius Turbo haben wir bereits oben als Statthalter von Pannonien und Dakien kennengelernt. Er begegnet uns auch in anderen Quellen. In Ulpia Traiana Sarmizegetusa wurde ihm eine Ehreninschrift aufgestellt:
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Dem Quintus Marcius Turbo Fronto Publicius Severus, dem Praetorianerpraefekt des Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus, Vaters des Vaterlandes, (weiht dies) die Colonia Ulpia Trajana Augusta [Da-] cica Sarmizegetusa. (Lateinische Inschrift aus Ulpia Traiana Sarmizegetusa, EDCS-26600898)
Später wurde Quintus Marcius Turbo vor allem wegen seiner enormen Leistungsbereitschaft bewundert: Turbo war ein Feldherr von höchstem Rang und war Praefekt und Befehlshaber der Praetorianer geworden. Er zeigte weder Verweichlichung noch Hochmut in allem, was er tat, sondern lebte wie einer der Menge. Unter anderem verbrachte er den ganzen Tag in der Nähe des Palastes; oft ging er sogar vor Mitternacht dorthin, wenn einige der anderen gerade zu schlafen anfingen. Gewiss, Cornelius Fronto war der führende Römer der damaligen Zeit, wenn es darum ging, Plädoyers vor Gericht zu halten. Eines Abends kam er sehr spät von einem Abendessen nach Hause und hörte von einem Mann, den er als Anwalt zu vertreten versprochen hatte, dass Turbo bereits vor Gericht war. Darauf lief er so, wie er war, in seinem Abendgewand in Turbos Gerichtssaal und begrüßte ihn nicht mit dem Morgengruß Chaire, sondern mit dem für den Abend angemessenen Hygiaine. Turbo wurde tagsüber nie zu Hause gesehen, auch nicht, wenn er krank war; und Hadrian, der ihm riet, sich Ruhe zu gönnen, antwortete er: »Ein Praefekt muss im Stehen sterben.« (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 69,18,1–4)
Noch eine weitere dakische Provinz wurde zugleich oder wenige Jahre später eingerichtet: Dacia Porolissensis. Ihr Name verweist auf ihren Hauptort Porolissum (bei Moigrad, Gemeinde Mirșid, Kreis Sălaj, Rumänien) nordwestlich von Cluj-Napoca / Klausenburg (→ Bild S. 140 unten). Ihr Gebiet umfasst wohl den Nordteil von Dacia Superior, der dem nichtrömischen Gebiet am nächsten lag. Das früheste Zeugnis für das Bestehen dieser Provinz bietet ebenfalls ein Militärdiplom:
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Imperator Caesar, Sohn des vergöttlichten Traianus Parthicus, Enkel des vergöttlichten Nerva, Traianus Hadrianus Augustus, Oberpriester, zum 7. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, dreimal Konsul, Prokonsul, hat den Reitern und Fußsoldaten, die Dienst getan haben in der II. Kohorte Flavia Commagenorum und den Pedites Britanniciani, die in Dacia Superior unter Iulius Severus sind, ebenso der I. Ala Brittonum (Reitereinheit) römischer Bürger und der II. Kohorte Gallorum Macedonica, die nach Dacia Porolissensis verlegt wurden unter Livius Gratus, die nach 25 oder mehr Dienstjahren außer Dienst treten, wenn sie ehrenvoll entlassen sind, und deren Namen unten aufgeschrieben sind, ihnen selbst, ihren Kindern und ihren Nachkommen das Bürgerrecht gegeben und das Recht zur (rechtsgültigen römischen) Ehe mit den Gattinnen, die sie zu dem Zeitpunkt schon hatten, als ihnen das Bürgerrecht verliehen wurde, oder, wenn sie unverheiratet sind, mit denen, die sie später noch ehelichen, und zwar jeweils nur ein Mann eine Frau, am 18. Tag vor den Kalenden des Mai, als Quintus Articuleius Paetinus und Lucius Venuleius Apronianus Konsuln waren, von der II. Kohorte Flavia Commagenorum, der Ulpius Victor vorsteht, von den Reitern dem Zaccas, Sohn des Palleus, Syrus, und Iulia, Tochter des Bithus, Florentina, seiner Gattin, Bessa und Arsama, seiner Tochter und Abisalma, seiner Tochter, und Sabinus, seinem Sohn, und Zabaeus, seinem Sohn, und Achilleus, seinem Sohn, und Sabina, seiner Tochter; abgeschrieben und geprüft anhand der Bronzetafel, die angebracht ist in Rom hinter dem Tempel des vergöttlichten [Augustus] bei der Minerva. (Lateinische Inschrift auf einem Militärdiplom aus Edessa / Şanlıurfa in der Osttürkei; EDCS-35100002)
Zum 7. Mal hatte Hadrian die Tribunicia Potestas ab dem 10.12.122 n. Chr. inne, Quintus Articuleius Paetinus und Lucius Venuleius Apronianus Octavius Priscus waren die ersten Konsuln des Jahres 123, und der 18. Tag vor den Kalenden (dem ersten Tag) des Mai ist der 14. April. Das Militärdiplom, das der Syrer Zaccas wohl als Veteran mit in seine Heimat genommen hatte, bezieht sich also auf den 14.4.123 n. Chr., womit die Einrichtung der
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neuen Provinz Dacia Porolissensis spätestens vier Jahre nach der Einrichtung der beiden Provinzen Dacia Superior und Inferior belegt ist. Welche Ziele hatte die Verwaltungsreform unter Hadrian? Direkte Angaben dazu sind nicht erhalten. Wie einst bei der Aufteilung Moesiens 89 n. Chr. (s. o. → Kap. 5.8) dürfte es aber auch in Dakien darum gegangen sein, kürzere Wege für die Übermittlung von Nachrichten und Befehlen und die Möglichkeit zu gewinnen, in der Provinz befindliche Truppen rascher einzusetzen, die sonst – gerade beim Weg über die Südkarpaten zwischen Ober- und Unterdakien – allzu lange unterwegs sein würden. Die Verlegung des Hauptlagers der Truppen von Ulpia Traiana Sarmizegetusa nach Apulum (Alba Iulia / Karlsburg) – also in die Nähe der Goldvorkommen im Gebirge der Munții Apuseni (s. o. → Kap. 1.2) – kann auch darin begründet gewesen zu sein, einen besseren Schutz für die römischen Bergwerke dort (wir werden sie gleich in → Kap. 7.3 kennenlernen) zu gewährleisten. Die wenig später erfolgte Einrichtung eines Teils von Oberdakien als Provincia Porolissensis nahe der Außengrenzen der Provinz wird der Sicherung des Imperium Romanum insgesamt gedient haben. Auch wenn wir mangels erhaltener Quellen nur Vermutungen über die Ziele der Verwaltungsreform anstellen können, zeigte sie jedenfalls Wirkung: Im Bereich der nunmehr drei dakischen Provinzen gab es in den beiden folgenden Jahrzehnten keine größere militärische Auseinandersetzung mehr. Unter Hadrians Adoptivsohn und Nachfolger Antoninus Pius (86–161 n. Chr., Kaiser seit 138) ist zwar belegt, dass er »die Germanen und Daker und viele Völker und die aufständischen Juden durch Praesidenten und Legaten in Schranken hielt« (Historia Augusta, Antoninus Pius 5,4) und dass er – wohl nach der Niederschlagung einer Erhebung – 157 n. Chr. den Ehrentitel »Dacicus« annahm, aber vor allem wird betont, dass er durch kluge Administration wirkte. Oberdakien wurde in oder nach seiner Herrschaftszeit in »Dacia Apulensis« umbenannt, Unterdakien in »Dacia Malvensis«, womit – wie ja schon bei »Dacia Porolissensis« – der jeweilige Hauptort auch den Namen der Provinz bestimmte (auch wenn wir heute nicht genau wissen, wo Malva lag). Verwaltungsreformen gelingen am ehesten, wenn außen und innen hinreichend ruhige Zeiten herrschen. Das war in Dakien nun offenbar der Fall.
7.2 Die Reorganisation Dakiens unter Hadrian
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7.3 Gold, Salz – und Liebe Hadrian hatte Dakien – anders als andere Provinzen – nicht aufgegeben. Was waren die Gründe dafür? Ging es nur um den später von Eutrop (Breviarium 8,6,2; s. o. → Kap. 7.2) als Grund dafür angenommenen Schutz der erst unter Trajan nach Dakien geholten neuen römischen Bevölkerung? Zweifellos ist dies denkbar, doch wird man weiter fragen wollen, warum denn diese neue Bevölkerung »aus dem ganzen römischen Erdkreis« geholt worden war? Das Gebiet im Karpatenbogen war und ist, wie wir oben (in → Kap. 1.2) gesehen haben, durch Klima, Bodenverhältnisse und Bewässerung für eine landwirtschaftliche Nutzung bestens geeignet, und gerade die jüngeren Flächengrabungen (s. o. → Kap. 2.1) im Vorfeld von Autobahn- und Bahnbau haben gezeigt, wie Einzelgehöfte und Weiler diese guten Verhältnisse nutzten. Allerdings diente antike Landwirtschaft weitgehend der Selbstversorgung, da ein Transport über lange und nur langsam zu bewältigende Strecken wegen der geringen Haltbarkeit landwirtschaftlicher Produkte oft nicht sinnvoll möglich war. Dass in dem Gebirge, das den Karpatenbogen nach Westen abschließt (heute Munții Apuseni; s. o. → Kap. 1.2), Gold und andere Edelmetalle zu finden seien, war lange bekannt; die Koson-Prägungen (s. o. → Kap. 2.3) aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. führen den Goldreichtum der Region ja deutlich vor Augen. Nach der römischen Eroberung wurden die Goldvorkommen systematisch ausgebeutet. Als exemplarisch kann dafür das Bergwerksgebiet von Alburnus Maior (Roșia Montană / Goldbach, Kreis Alba, Rumänien) gelten, in dem bis heute begehbare römische Bergwerksstollen erhalten sind (siehe → Bild S. 141). Von besonderem Interesse für die Geschichtswissenschaft sind dabei neben zahlreichen Grab- und anderen Inschriften die Holz-Wachs-Täfelchen (s. o. → Kap. 2.2), die vom Handel und Wandel in diesem Bergwerksgebiet zeugen. Die so erhaltenen Verträge und Abrechnungen stammen aus der Zeit zwischen 131 und 167 n. Chr. und belegen eine rege wirtschaftliche Aktivität in dem als kaiserliches Eigentum geführten Bergwerksgebiet (territorium metalli). Geleitet wurden die Minen durch einen procurator aurarium, verwaltet durch vili-
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7. Provincia Dacia
ci, tabularii und dispensatores. Die Inhaber dieser Posten waren meist kaiserliche Freigelassene, standen also in einem direkten Treueverhältnis zum Kaiserhaus. Der Sekretär (librarius) des Prokurators wurde teils auch aus den erfahrenen Soldaten der im nahen Apulum (Alba Iulia / Karlsburg) stationierten XIII. Legion Gemina (s. o. → Kap. 7.2) rekrutiert. Übrigens hieß Apulum später auch Chrysopolis, »Goldstadt« (lateinische Inschrift aus Alba Iulia, EDCS-06100498)! Die Holz-Wachs-Täfelchen, aber auch die Grabsteine vor Ort zeigen, dass die in den Goldminen arbeitenden Bergleute oft aus Illyrien und Dalmatien (heute Südkroatien und Montenegro) stammten und von dort ihre Erfahrung im Bergbau mitbrachten: Fast zwei Drittel der zu jener Zeit in der Bergbauregion bezeugten Namen sind illyrischen Ursprungs. Hinzu kamen – wie bei jedem späteren »Goldrausch« auch – Privatleute aus anderen Reichsteilen, die sich als Bergarbeiter verdingten. Veranschaulichen kann dies ein Beispiel, das durch die Angaben zum Konsulatsjahr des Marcus Pompeius Macrinus und des Publius Iuventius Celsus und die Tagesangabe auf den 19. Mai 164 n. Chr. datiert ist und das mit dem sonst nicht bekannten Immenosum Maius offenbar eine Siedlung im Bergbaugebiet nennt: Als Macrinus und Celsus Konsuln waren, am 13. Tag vor den Kalenden des Juni, habe ich, Flavius Secundinus, auf Bitten von Memmius, Sohn des Asclepius, weil er sagte, er beherrsche die Schrift nicht, das (aufgeschrieben), was er gesagt hat, nämlich dass er sich verdingt habe und seine Arbeit verdingt habe dem Aurelius Adiutor, von diesem Tag bis zu den nächsten Iden des November (13. November), und dass er an Lohn regelmäßig 70 und für seine Kinder 10 Denare erhalten muss. Er wird diese Arbeiten gesund und kräftig für den oben aufgeschriebenen Unternehmer leisten müssen. Wenn er gegen den Willen des Unternehmers weggehen oder sich ausruhen will, wird er dem Unternehmer für jenen Tag 5 Sesterzen und 8 As in Bronzemünzen schulden, und dem Unternehmer, wenn ein Wassereinbruch die Arbeit verhindert, anteilig (Geld) schuldig sein. Wenn der Unternehmer nach dem Ablauf der Zeit eine Verzögerung bei der Lohnzahlung macht, wird er derselben Strafe unter-
7.3 Gold, Salz – und Liebe
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liegen, mit Ausnahme des Ablaufs der ersten drei Tage. Verhandelt in Immenosum Maius: Titus, Sohn des Beusas, der auch Bradua heißt, Socratio Sohn des Socratio, Memmius Sohn des Asclepius. (Lateinische Inschrift auf einem Holz-Wachs-Täfelchen aus Roșia Montană, EDCS-11201154)
Der Arbeiter Memmius, Sohn des Asclepius, der hier sich und seine Kinder bei dem Bergwerksunternehmer Aurelius Adiutor als Arbeiter verdingt (Kinderarbeit im Bergwerk war bekanntlich noch im 19. Jahrhundert n. Chr. üblich), lässt sich bei freilich guter Bezahlung auf harte Bedingungen ein. Will er den Betrieb wechseln oder braucht er Urlaub, muss er dem Unternehmer für jeden Tag Geld zurückzahlen, ebenso, wenn ein Wassereinbruch im Bergwerk seine Arbeit verhindert. Als Zeugen für die Urkunde stehen ein Beusas, dessen Name auf eine Herkunft aus Illyrien hindeutet, und ein Socratio, der wohl – wie der Vater des Arbeiters, Asclepius – aus dem griechischsprachigen Osten des Reichs kam. Der Arbeiter selbst kann gar nicht schreiben, die Urkunde ist aber in lateinischer Sprache abgefasst. Die Bedeutung der lateinischen Sprache (wir erinnern uns: selbst der spätere Kaiser Hadrian musste erst noch ordentlich Latein lernen; s. o. → Kap. 6.2) und des römischen Rechts für die Organisation des Zusammenlebens der Menschen im Bergwerksgebiet zeigt auch ein weiteres Holz-Wachs-Täfelchen; es handelt vom Verkauf eines Findelkindes, benennt als Ort ein anderes (heute nicht mehr identifizierbares) Bergwerksdorf, Kartum, und ist durch Angabe des zweiten Konsulats von Kaiser Hadrian und des zweiten Konsulats von Gaius Bruttius Praesens sowie die Datumsangabe auf den 16.3.139 n. Chr. datiert: Maximus, Sohn des Bato, hat ein Mädchen namens Passia, oder wie sie auch immer heißen mag, ungefähr sechs Jahre alt, vom Veräußerer erworben, ein ausgesetztes Findelkind, gekauft und manzipiert (rechtsgültig erworben) erhalten von Dasio, Sohn des Verzo, Piruste aus Kavieretium für 205 Denare. Dass dafür eingestanden wird, dass die Sklavin gesund, nicht mit einer Diebstahls- oder (sonstigen) Schadenshaftung belastet, keine Wegläuferin oder Streunerin ist, dass, wenn jemand die
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Sklavin oder einen (Miteigentums-)Anteil an ihr evinziert (rechtsgültig beansprucht), wodurch es Maximus, Sohn des Bato, oder wen die Sache angeht, nicht mehr möglich ist, sie ordnungsgemäß zu haben und zu besitzen, dann der Preis, um den die Sklavin gekauft wurde, und noch einmal so viel gegeben werden soll, hat Maximus, Sohn des Bato, auf Treue gefragt, auf Treue hat es versprochen Dasius, Sohn des Verzo, Pirusta aus Kavieretium. Und für die oben genannte Sklavin 205 Denare von Maximus, Sohn des Bato, erhalten zu haben und sie zu besitzen hat Dasius, Sohn des Verzo, bestätigt. Geschehen zu Kartum, am 16. Tag vor den Kalenden des April unter dem Konsulat von Titus Aelius Caesar Antoninus Pius, zum zweiten Mal Konsul, und Bruttius Praesens, zum zweiten Mal Konsul. (Siegel des) Maximus Venetus, Princeps, des Masurius, Sohn des Messius, Decurio, des Annesis, Sohn des Andunocnes, des Planius, Sohn des Verzo, des Sclaietes, Sohn des Liccaius, des Epicadus, Sohn des Marciniesus, des Epicades, Sohn des Plarens, der auch Mico heißt, des Dasius, Sohn des Verzo, des Verkäufers. (Lateinische Inschrift auf einem Holz-Wachs-Täfelchen aus Roșia Montană, EDCS-11201149)
Der Vatersname des Käufers, Bato, weist nach Illyrien, ebenso der des Verkäufers, und die Zeugen kommen aus dem Veneto und – wie die für lateinische Ohren sicher fremd klingenden Namen zeigen – aus anderen Regionen des Imperium Romanum. Der Handel mit dem Mädchen, das vielleicht einen griechischen Namen trägt, findet aber in der römischen Provinz Dakien statt, wo alle Beteiligten nunmehr ansässig sind, wird auf Lateinisch dokumentiert und folgt dem römischen Rechtssystem: Nicht nur die Sprache, sondern auch das Recht der Römer hatten sich unter den neuen Bewohnern des territorium metallorum durchgesetzt. Die veranschaulicht, welchen Beitrag zur erfolgreichen Integration der auf Zuwanderung beruhenden Gemeinschaft im römischen Bergbaugebiet die lateinische Sprache und die römische Rechtskultur hatten. Die römischen Goldminen in jener Region sind zu einem beachtlichen Teil noch erhalten (→ Bild S. 141). Moderne, aber oft umweltkritische Ge-
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winnungsmethoden könnten auch aus Gestein, das in römischer Zeit und später nicht rentabel ausgebeutet werden konnte, noch Edelmetall gewinnen. Das Unternehmen Gabriel Resources erwartete 1997 in Roșia Montană noch 17,1 Millionen Feinunzen Gold und 81,1 Millionen Feinunzen Silber (die aus 513 Millionen Tonnen Gestein gewonnen werden sollten), dazu Reserven von 10,1 Million Feinunzen Gold und 47,6 Millionen Feinunzen Silber (aus weiteren 215 Millionen Tonnen Gestein). Ein Weltmarktpreis von etwa 1400 Euro pro Feinunze Gold und 16 Euro pro Feinunze Silber ließ einen Abbau wirtschaftlich vertretbar erscheinen, solange die ökologischen Kosten des Tagebaus nicht einbezogen wurden. Nach Kritik von Umwelt- und Geschichtsverbänden und von politischen Akteuren wurde der neue Abbau jedoch nicht weiter forciert; die römischen Goldminen sind weiterhin erhalten. Gold und Silber waren sicher die spektakulärsten Bodenschätze, die in der römischen Provinz Dakien gewonnen wurden. Nicht unterschätzen darf man aber auch die Bedeutung, die der Gewinnung von Steinsalz zukommt. Riesige Salzvorkommen etwa bei Turda (Thorenburg, Kreis Cluj, Rumänien), wo bis heute ein Salzbergwerk besteht, wurden bereits in der Antike ausgebeutet. Auch Claudius Ptolemaios verzeichnet in seiner Städteliste Dakiens (s. o. → Kap. 2.5) einen Ort namens »Salinai« (Salinen). Die hohe Bedeutung von Salz in der Antike ist wohlbekannt; ja, Rom selbst steht an einer Salzhandelsstraße, der »Via Salaria« (Salzstraße), die es mit der Adriaküste verband. Einen denkbaren weiteren Grund für die römische Präsenz erzählt eine anrührende Legende aus dem Umland von Sibiu / Hermannstadt: In Tilișca (Tilischka / Telischen, Kreis Sibiu, Rumänien) finden sich auf dem Berg Cățânaș Reste einer »dakischen« Festung Es wird (freilich ohne Anhalt in den historischen Quellen) erzählt, dass hier seit Burebista der Goldschatz der dakischen Könige bewahrt worden und von den Verteidigern vor der römischen Eroberung im Keller der Burg absichtlich verschüttet worden sei, so dass die römischen Angreifer, deren Anführer der Tribun Marcus Tiliscus gewesen sei, den Schatz nicht hätten finden können.
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Nach der Eroberung Dakiens und seiner Umwandlung in eine römische Provinz blieb Tiliscus mit einer Handvoll Soldaten auf der Suche nach dem Schatz. Er konnte dem Kaiser Trajan nicht unter die Augen treten, ohne seinen Befehl, den Schatz nach Rom zu bringen, zu erfüllen. Er suchte immer weiter, aber vergeblich. Die Legende erzählt auch, dass aus den in der Stadt später heldenhaft gefallenen Soldaten des Tiliscus und den Witwen der Daker das Geschlecht der Tiliskaner hervorgehen sollte. Das Dorf Tilișca würde seinen Namen von diesem Tiliscus ableiten, einem römischen Tribun, der zusammen mit sechs seiner Gefährten für den Rest seines Lebens in dem südlich des Hügels Căţânaș gelegenen Dorf blieb. Diese ersten sieben Familien wurden zur Quelle des stolzen Stammes der Leute des heutigen Tilișca. Tilișca war, wie die Legende sagt, die erste Tochter des römischen Stammvaters Tiliscus mit einer der dakischen Prinzessinnen, Tochter des tapferen Königs Decebal, die dieser dort zusammen mit dem Schatz des dakischen Königreichs in der mächtigen Festung untergebracht habe. Während der große Schatz der Daker von den Römern nach der Eroberung der Festung nicht gefunden werden konnte, wurde die Königstochter gefangengenommen. Sie war schön; der Tribun Tiliscus verliebte sich in sie und nahm sie zur Frau. (Ioan Părean: Legende din Mărginimea Sibiului. Sibiu 2004, 105)
Die volkstümliche Legende verbindet ohne Grundlage in den historischen Quellen den dakischen Goldreichtum und die Eroberung der Festung von Tilișca mit einem fiktiven Tribun namens Marcus Tiliscus, der mit einer dakischen Prinzessin – natürlich einer Tochter des Decebal – zum Vater einer Tochter namens Tilișca und so zum Stammvater des Dorfes Tilișca wurde. Nicht Gold und nicht Salz, sondern Liebe hielt demnach die römischen Eroberer im Land!
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8. Dacia Felix 8.1 Die Drei Dakien Nachdem Antoninus Pius beim Abendessen etwas zu gierig Alpenkäse gegessen hatte, erbrach er sich in der Nacht und wurde am nächsten Tag von Fieber ergriffen. Als er am dritten Tag sah, dass sich sein Zustand verschlechterte, übergab er dem Marcus Antonius die res publica (den Staat) und seine Tochter in Anwesenheit seiner Praefekten und ordnete an, dass auch die goldene (Statue der Glückgöttin) Fortuna die im Schlafgemach des Kaisers zu stehen pflegte, an diesen übergeben werde. (Historia Augusta, Antoninus Pius 12,4–5)
So starb an einer Lebensmittelvergiftung – wahrscheinlich an einer Listeriose – Kaiser Antoninus Pius (s. o. → Kap. 7.2) am 7. März 161 n. Chr., nachdem er seinen Adoptivsohn Marcus Aurelius Antoninus (Mark Aurel; 121–180 n. Chr.) als Nachfolger bestimmt hatte; dabei machte er es zur Bedingung, dass der neue Kaiser seinerseits den Lucius Aelius Commodus (130–169 n. Chr.) adoptierte, den Sohn des einst von Hadrian adoptierten, aber früh verstorbenen Lucius Aelius Caesar (103–138 n. Chr.); als Lucius Verus teilte sich dieser Sohn dann bis zu seinem Tod 169 n. Chr. die Herrschaft mit Mark Aurel. Wie bei früheren Wirren nach einem überraschenden Wechsel der römischen Kaiser etwa im Vierkaiserjahr nach dem Tod Neros 68/69 n. Chr. (s. o. → Kap. 5.7) oder nach dem Tod Trajans (s. o. → Kap. 7.2) nahmen auch nun manche Gegner der Römer eine Schwäche des Römischen Reichs an, zumal das ungewöhnliche Doppelkaisertum nicht erprobt war. In Armenien herrschte seinerzeit ein Klientelkönig (zu dieser Position s. o. → Kap. 5.6), den einer Vereinbarung zufolge die Parther auswählten, Rom aber
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8. Dacia Felix
einsetzte. Der Partherkönig erzwang nun ohne Rücksprache mit Rom selbst die Einsetzung eines neuen Klientelkönigs, der aus dem parthischen Königshaus stammte, was einer Annexion des Gebiets nahekam. Rom reagierte hart: Aus anderen Reichsteilen wurden Truppen abgezogen und in den Osten des Reichs verlegt, Lucius Verus selbst leitete den Partherfeldzug und führte ihn bis 166 n. Chr. erfolgreich zu Ende. Allerdings brachten die heimkehrenden Soldaten eine Seuche mit, die als »Antoninische Pest« bekannt ist, tatsächlich aber wohl eine Pocken- oder Masern-Epidemie war und fast im ganzen Römischen Reich wütete. Der Abzug von Soldaten auch aus Dakien und die Schwächung des Imperium Romanum insgesamt durch die Seuche führten im mittleren Donauraum bald zu Angriffen, die man wegen der Beteiligung der Markomannen auch als »Markomannenkriege« bezeichnet (vgl. o. → Kap. 6.3). Sie drohten oder begannen wohl 167 n. Chr. Aus diesem Jahr stammt die jüngste Münze in einem bedeutenden Hortfund (s. o. → Kap. 2.3), der 763 Münzen aus der Zeit von Marcus Antonius (also vor 30 v. Chr.; s. o. → Kap. 5.5) bis 167 n. Chr. umfasste (übrigens ein Zeichen für die lange Umlaufzeit von Münzen!), am Westrand der Ostkarpaten in Tibod (Gemeinde Dealu, Kreis Harghita, Rumänien) vergraben wurde und 1853 wieder ans Licht kam. Auch weitere Hortfunde (so am Ostrand der Ostkarpaten aus Muncelu de Sus, Gemeinde Mogoșești-Siret, Kreis Iași, mit 669 Münzen, aus Gostavățu, Kreis Olt, mit 324 Münzen, aus Scorțeni, Kreis Bacău, und aus Brehuiești, Gemeinde Vlădeni, Kreis Botoșani) datieren in jenes Jahr, wenig später eine ganze Reihe weiterer Hortfunde, so der 1987 in Cislău (Kreis Buzău, Rumänien) entdeckte mit 244 Münzen, deren älteste aus der Zeit des Kaisers Nero und deren jüngste (den Hortfund datierende) aus der Zeit des Doppelkaisertums stammen. Und auch das jüngste Holz-Wachs-Täfelchen aus einem Goldbergwerk von Alburnus Maior (Roșia Montană / Goldbach; s. o. → Kap. 7.3) ist ebenfalls in das Jahr 167 n. Chr. datiert: Münzschätze und Tafeln waren offenbar von ihren jeweiligen Besitzern versteckt und dann nicht wieder geborgen worden. Ebenfalls noch 167 n. Chr. wurde die vom Partherfeldzug zurückkehrende V. Legion Macedonica nach Dakien verlegt, vielleicht in das große Lager in Potaissa (Turda / Thorenburg, Kreis Cluj, Rumänien), das zur Provinz Dacia Apulensis gehörte. Auch
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wurden die drei dakischen Provinzen, also Dacia Apulensis, Porolissensis und Malvensis (s. o. → Kap. 7.2), nun einem einzigen Statthalter unterstellt, der den Titel »propraetorischer Legat der Drei Dakien« (legatus pro praetore Daciarum trium) trug. Allerdings waren die »Drei Dakien« aus Westen, Osten und Norden gleichermaßen bedroht. Im Westen waren es die Jazygen (s. o. → Kap. 4.1), gegen die man einen Statthalter einsetzte, der außer den Drei Dakien auch Obermoesien leitete: Marcus Claudius Fronto. Er sollte also in Personalunion die römische Herrschaft in den Provinzen nördlich und südlich der Donau sichern. Über diesen einflussreichen Mann, der seinen Einsatz schließlich mit dem Leben bezahlte, erfahren wir viel durch die Inschrift auf einem (einst von einer Statue des bewaffneten Geehrten bekrönten) Monumentsockel, der für ihn auf dem Trajansforum (s. o. → Kap. 6.4) in Rom aufgestellt wurde. Der Text gibt seinen Lebenslauf rückwärts – also mit der jüngsten Position beginnend – wieder: Dem Marcus Claudius, Sohn des Tiberius, aus der Tribus Quirina, Fronto, Konsul, propraetorischer Legat des Augustus der dakischen Provinzen und von Moesia Superior zugleich, propraetorischer Legat des Augustus der Drei Dakien, propraetorischer Legat der (beiden) Augusti der Provinz Moesia Superior [und] Dacia Apulensis zugleich, propraetorischer Legat der (beiden) Augusti der Provinz Moesia Superior, Begleiter des vergöttlichten Verus Augustus, dem Dona Militaria (Sonderzahlungen) im armenischen und parthischen Krieg von Imperator Antoninus Augustus und vom vergöttlichten Verus Augustus verliehen worden waren, mit einer Mauer-, einer Graben-, einer Flotten- und einer Gold-Krone, vier Hastae Purae und Standarten (also mit vielen militärischen Ehrenzeichen) ausgezeichnet, Kurator der Werke und öffentlichen Stätten, Entsandter zur Auswahl der Jungmannschaft in Italien, propraetorischer Legat der (beiden) Augusti des Legionärsheeres und der Hilfstruppen, die durch den Orient in Armenien, Oshroene und Anthemusia geführt wurden, Legat der (beiden) Augusti der I. Legion Minervia, die für den parthischen Ausfall (expeditio Parthica) zu führen war, Legat des vergöttlichten Antoninus der XI. Legion Claudia, Praetor, kurulischer Aedil »ab actis
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8. Dacia Felix
senatus«, städtischer Quaestor, Decemvir (Mitglied des Zehn-MännerKollegiums der Richter) in Zivilprozessen, diesem also hat der Senat auf Veranlassung durch Imperator Marcus Aurelius Antoninus Augustus Armeniacus Medicus Parthicus Maximus, weil er nach einigen erfolgreichen Schlachten gegen die Germanen und Jazygen schließlich für die res publica (den Staat) tapfer gekämpft hat und gefallen ist, eine Waffenstatue aufzustellen beschlossen auf dem Forum des vergöttlichten Trajan aus öffentlichen Mitteln. (Lateinische Inschrift aus Rom, EDCS-01000261)
Dieser Marcus Claudius Fronto war zuvor auch in Dakien selbst geehrt worden; dabei ist freilich nur eine Auswahl seiner Positionen verzeichnet: Dem Marcus Claudius, Sohn des Tiberius, aus der Tribus Quirina, Fronto, Konsul, propraetorischer Legat des Augustus der Drei Dakien und von Moesia Superior, Begleiter des vergöttlichten Verus Augustus, dem Dona Militaria (Sonderzahlungen) im armenischen und parthischen Krieg von Imperator Antoninus Augustus und vom vergöttlichten Verus Augustus verliehen worden waren, mit einer Mauer-, einer Graben-, einer Flottenund einer Gold-Krone, vier Hastae Purae und Standarten ausgezeichnet, Kurator der Werke und öffentlichen Stätten, Legat der I. Legion Minervia, Legat der XI. Legion Claudia, Praetor, kurulischer Aedil »ab actis senatus«, städtischer Quaestor, Decemvir (Mitglied des Zehn-Männer-Kollegiums der Richter) in Zivilprozessen, (weiht dies) die Colonia Ulpia Traiana Augusta Dacica Sarmizegetusa als ihrem Patron, tapfersten Anführer und großzügigsten Praeses (Vorsitzenden). (Lateinische Inschrift aus Ulpia Traiana Sarmizegetusa, EDCS-26600893)
Von einer bis nach Ulpia Traiana Sarmizegetusa reichenden Gefahr zu jener Zeit spricht eine Inschrift, die von einem durch die Feinde verursachten Feuer berichtet: Dem Liber Pater Augustus (also dem Gott Bacchus) heilig. Lucius Apuleius Marcus, Decurio, Quaestor der Colonia, hat die Säulengänge mit
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den (dahinterliegenden) Zimmern, die durch die Gewalt der Feinde verbrannt waren, mit seinem Geld, wie vereinbart (?), wiederhergestellt mit Erlaubnis der Obrigkeit. (Lateinische Inschrift aus Ulpia Traiana Sarmizegetusa, EDCS-11200049)
Eine andere Inschrift dankt an demselben Ort für Hilfe in doppelter Gefahr, also offenbar bei zwei Angriffen. Es ist hier übrigens fast rührend zu sehen, wie die Adoptivkaiser (s. o. → Kap. 6.1) wie eine Dynastie bis zum Urgroßvater zurückverfolgt werden: Dem Im[perator Caesar Marcus Aurelius Anto]nin[us Augustus, Oberpriester, zum 26. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, zum 5.] Mal Imperator, Vater des Vaterlands, [dreimal Konsul, Prok]onsul, Armeniacus Medicus Parthicus Maximus, Sohn des [vergöttlichten] Antoninus, [Brud]er des vergöttlichten [Verus Parthicus Maximus], Enkel des vergöttlichten Hadrianus, [Urenkel] des vergöttlichten Nerva, (weiht dies) [die Co]lonia Ulpia Traiana Augusta Dacica [Sarmizegetusa], die nach doppelter Gefahr durch Tapferkeit wiederhergestellt wurde. (Lateinische Inschrift aus Ulpia Traiana Sarmizegetusa, EDCS-30100891)
Im Westen der Drei Dakien kam es also zu militärischen Auseinandersetzungen; den Osten scheinen die angreifenden Kostoboken und Sarmaten (s. o. → Kap. 4.1) umgangen zu haben. Sie drangen vielmehr direkt nach Untermoesien vor, gelangten bis nach Griechenland und plünderten u. a. das Heiligtum von Eleusis (Elefsina, Griechenland) bei Athen, bevor es dem dortigen römischen Statthalter 171 oder 172 n. Chr. gelang, sie zurückzuschlagen. Dies glückte freilich nur mit Hilfe von anderen wandernden Gruppen, darunter den Asdingen, einem Vandalenstamm: Die Asdingen, deren Anführer Rhaos und Rhaptos waren, kamen nach Dakien, um es zu besiedeln, in der Hoffnung, Geld und Land für ein Bündnis zu erhalten. Als sie dies nicht erlangten, ließen sie ihre Frauen und Kinder unter dem Schutz des (römischen Statthalters Sextus Cornelius) Clemens zurück, bis sie das Land der Kostoboken durch ihre
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Waffen einnehmen würden; als sie jene jedoch besiegt hatten, fuhren sie fort, Dakien nicht weniger zu verletzen als zuvor. (Konstantinische Exzerpte über Gesandtschaften von Fremden aus Cassius Dio, Historien 72 (71),12,1)
Das Interesse der Asdingen bestand offenbar darin, sich innerhalb des Imperium Romanum anzusiedeln. Die Inanspruchnahme der Hilfe solcher Gruppen, die ebenso wie die Angreifer von außerhalb des Imperium Romanum kamen, war für die Römer aber durchaus riskant. Im weiteren Geschichtsverlauf sollte bald deutlich werden, wie diesen Gruppen dann die »aus erster Hand« gewonnenen Erfahrungen mit dem römischen Militärwesen eigene Angriffe gegen das Römische Reich erleichterten. Im Jahr 175 n. Chr. aber einigte man sich schließlich auf einen Waffenstillstand: Als die Markomannen Gesandte (zu Mark Aurel) schickten, gab er ihnen, da sie alle ihnen auferlegten Bedingungen erfüllt hatten, wenn auch widerwillig und zögernd, die Hälfte des (neutralen) Zwischenraums entlang ihrer Grenze zurück, so dass sie sich nun in einem Umkreis von 38 Stadien (knapp 5 römische Meilen, etwa 7 km) vom Istros (Donau) niederlassen konnten; auch legte er die Orte und die Tage für ihren Handel miteinander fest, denn diese waren vorher nicht definiert worden, und tauschte mit ihnen Geiseln aus. Die Jazygen wurden besiegt und … machten die gleiche Übereinkunft wie die Quaden und die Markomannen, nur dass sie doppelt so weit vom Istros entfernt wohnen mussten wie jene. Eigentlich wollte der Kaiser sie ganz und gar ausrotten. Dass sie damals noch stark waren und den Römern großen Schaden zufügten, zeigte sich daran, dass sie 100 000 Gefangene zurückbrachten, die sich auch trotz der vielen, die verkauft, gestorben oder geflohen waren, noch in ihren Händen befanden, und dass sie als ihren Beitrag zum Bündnis sofort 8000 Reiter zur Verfügung stellten. (Konstantinische Exzerpte über Gesandtschaften von Fremden aus Cassius Dio, Historien 72 (71),15,1–16,2)
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Lange hielt die Vereinbarung einer neutralen Pufferzone nicht: Schon wenige Jahre später kam es zu erneuten Auseinandersetzungen. Zu einem als »Zweiten Markomannenkrieg« gezählten Vorstoß brachen Mark Aurel und sein Sohn Lucius Aurelius Commodus (161–192 n. Chr.) als Mitkaiser im Sommer 178 n. Chr. auf. Erneut trat neben das militärische auch das diplomatische Vorgehen. Offenbar in der Absicht, den »Keil«, den Dakien zwischen den Jazygen in seinem Westen und den Roxolanen in seinem Osten bildete, für diese Stämme erträglicher zu machen, bot Mark Aurel wohl ein Jahr später eine diplomatische Lösung für dieses Problem an: Da die Jazygen ihm am nützlichsten waren, erließ er ihnen viele der ihnen auferlegten Beschränkungen, nämlich von allen außer denen, die ihre Versammlung und ihren Handel miteinander betrafen, und denen, dass sie keine eigenen Boote benutzen und sich von den Inseln im Istros (Donau) fern halten sollten. Und er erlaubte ihnen, mit den Roxolanen durch Dakien hindurch Verbindung zu halten, so oft dessen Statthalter ihnen die Erlaubnis dazu geben würde. (Konstantinische Exzerpte über Gesandtschaften von Fremden aus Cassius Dio, Historien 72 (71),19,2)
Im Westen und Osten der Drei Dakien war damit die Außengrenze soweit möglich gesichert; im Norden waren es vor allem die Burer, die eine Bedrohung darstellten. Dass die Römer militärisch gegen sie vorgingen, belegt ein Altar, den ein gegen die Burer eingesetzter Soldat aufgrund eines Gelübdes an den obersten römischen Gott für den Fall der Heimkehr in Untersaal bei Kehlheim an der Donau (Oberpfalz, Bayern) aufgestellt hat: Für Iupiter Optimus Maximus Stator hat Flavius Vetulenus, der Zenturio der III. Legion Italia nach der Rückkehr vom Feldzug gegen die Burer (expeditio Burica) gemäß dem Gelübde (diesen Altar) aufgestellt. (Lateinische Inschrift aus Untersaal bei Kehlheim, EDCS-27700213)
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Die Burer waren allerdings noch nicht besiegt, als Mark Aurel 180 n. Chr. in einem Militärlager an der Donau starb. Sein Sohn Commodus übernahm die Herrschaft und suchte nun eine rasche diplomatische Lösung: Den Burern gewährte Commodus einen Friedensvertrag. … Er sicherte sich Bürgen und nahm 15000 Kriegsgefangene mit sich. Den übrigen zwang er den Eid ab, dass sie sich in einem Streifen von 40 Stadien (5 römische Meilen, 7½ km) außerhalb der Grenze Dakiens nicht niederlassen und ihre Tiere nicht weiden lassen würden. (Der römische Statthalter der Drei Dakien, Gaius Vettius) Sabinianus bot 12000 von den außerhalb der Grenzen lebenden Dakern an, dass sie in unserem Dakien Land erhalten können. (Konstantinische Exzerpte über Gesandtschaften von Fremden aus Cassius Dio, Historien 73 (72), 3,1–3)
Nicht mehr durch eine aufwändige Bekämpfung der potentiell bedrohlichen Stämme jenseits der Grenzen (zu denen nun auch »Daker« gerechnet werden, die außerhalb der Drei Dakien ansässig waren), sondern durch die erneute Einrichtung einer Pufferzone und durch das schon öfter (s. o. → Kap. 5.6 und 5.7) verwendete Instrument einer Massenumsiedlung sollte nun eine Sicherung der Drei Dakien gegen äußere Bedrohungen gelingen. Unter Commodus kam es freilich dann zu Unruhen innerhalb der Provinz: In Britannien, Germanien und Dakien wiesen die Provinzialen seine Herrschaft zurück. Doch wurden all diese Erhebungen durch die Feldherren niedergedrückt. (Historia Augusta, Commodus 13,5–6)
In Dakien selbst wurde am Legionsstandort Apulum (Alba Iulia / Karlsburg) für Kaiser Commodus eine Ehrensäule errichtet (der Name des Kaisers wurde erst nach seinem Tod getilgt, was in der nachstehenden Übersetzung die doppelten eckigen Klammern andeuten):
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[Für das Heil] des Imperator [[Commodus]] Augustus Pius Felix, als die Veteranen der XIII. Legion Gemina, die im Konsulatsjahr von (Quintus Servilius) Pudens und (Lucius Fufidius) Pollio (166 n. Chr.) Soldaten geworden waren, ehrenvoll ent[lassen worden waren durch M]anilius Fuscus, den L[e]gatus Augusti, im Konsulatsjahr von (Popilius Pedo) Apronianus und (Marcus Valerius) Bradua (Mauricus; 191 n. Chr.), hat [A] cutius Quintinus, ihr [Kam]erad, für [sei]ne Mit[ver]teranen die(se) Säule als Geschenk geweiht. (Lateinische Inschrift aus Alba Iulia, EDCS-15800201)
So beliebt Commodus auch bei diesen Soldaten war, so verhasst machte er sich durch sein zunehmend erratisches Verhalten in Rom. Am letzten Tag des Jahres 192 n. Chr. wurde er bei einer Verschwörung an seinem Hof umgebracht, ohne dass die Nachfolge geklärt gewesen wäre. Mit ihm endete die von Antoninus Pius (s. o. → Kap. 7.2) begründete Dynastie und im weiteren Sinne auch das mit Trajan begonnene Zeitalter der Adoptivkaiser (s. o. → Kap. 6.1).
8.2 »Seid einig, bereichert die Soldaten und verachtet den Rest« Ähnlich wie das Vierkaiserjahr 68/69 n. Chr. nach dem Tod Neros (s. o. → Kap. 5.7) erlebte das Römische Reich nun das Jahr 193 n. Chr. als ein weiteres Vierkaiserjahr. Vier Männer wurden als Kaiser ausgerufen: Pertinax (Januar bis März), Didius Iulianus (März bis Juni), Septimius Severus und als »Gegenkaiser« Pescennius Niger (seit Juni). Erst 197 n. Chr. konnte Septimius Severus nach einem Sieg über einen weiteren Thronprätendenten, den 195 n. Chr. zum Kaiser erhobenen Clodius Albinus, seine Alleinherrschaft durchsetzen. (Septimius Severus) machte zu Ehren all seiner Siege dem Volk großzügige Geschenke; er verteilte hohe Geldsummen an die Soldaten und
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gewährte ihnen viele Privilegien, die sie vorher nicht genossen hatten. Er war der erste Kaiser, der die Lebensmittelrationen erhöhte, ihnen gestattete, goldene Fingerringe zu tragen, und ihnen erlaubte, mit ihren Frauen zu leben; all dies war bis dahin als schädlich für die militärische Disziplin und die richtige Kriegführung angesehen worden. (Septimius) Severus war so auch der erste Kaiser, der die harte und gesunde Ernährung der Soldaten änderte und ihre Entschlossenheit angesichts der schweren Nöte untergrub; außerdem schwächte er ihre strenge Disziplin und den Respekt vor ihren Vorgesetzten, indem er sie lehrte, Geld zu begehren, und sie in ein luxuriöses Leben einführte. (Herodian, Historien 3,8,4–5)
Der griechisch schreibende römische Historiker Herodianos (Herodian, um 175–um 250 n. Chr.), der ein acht Bücher umfassendes Geschichtswerk für die Zeit vom Tod Mark Aurels und der Herrschaftsübernahme durch Commodus 180 n. Chr. bis zur Herrschaft Gordians III. 238 n. Chr. schrieb, betont Veränderungen im Reglement für die römischen Soldaten unter Septimius Severus. Das Detail, dass Soldaten nicht mehr kaserniert waren, sondern mit ihren Frauen und Familien außerhalb der Militärlager wohnen durften, führte in Dakien wie in anderen Reichsteilen zu einem Anwachsen von Siedlungen außerhalb der Lagertore, die dann zum Kern von wachsenden Städten wurden. Diese Form der Urbanisierung wurde im Karpatenbogen auch dadurch möglich, dass für die Zeit der Herrschaft des Septimius Severus keine gefährlichen äußeren Bedrohungen der Drei Dakien belegt sind. Septimius Severus starb 211 n. Chr. in Eburacum (York, Großbritannien). Seine letzten Worte an seine beiden Söhne Caracalla (188–217 n. Chr.) und Geta (189–211 n. Chr.) sind überliefert. Er soll seinen Söhnen das Folgende gesagt haben – ich will wiedergeben, was gesagt wurde, ohne jede Ausschmückung: »Seid einig, bereichert die Soldaten und verachtet den Rest.« (Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 77 (76),15,2)
8.2 »Seid einig, bereichert die Soldaten und verachtet den Rest«
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Beide Söhne folgten als Kaiser nach, doch ermordete Caracalla seinen Bruder schon um das Jahresende 211 n. Chr. und übernahm als Marcus Aurelius Severus Antoninus die Alleinherrschaft im Römischen Reich, die er bis zu seiner Ermordung 217 n. Chr. innehatte. Vor allem eine seiner politischen Maßnahmen, die er wohl 212 n. Chr. einführte, hatte reichsweit – wahrscheinlich zunächst gar nicht beabsichtigte – Folgen, wie der als Zeitgenosse selbst betroffene Cassius Dio angibt: Dann gab es die Vorräte, die wir bei allen Gelegenheiten in großen Mengen liefern mussten, und zwar ohne jeglichen Lohn und manchmal sogar zu zusätzlichen Kosten für uns selbst – all diese Vorräte schenkte er entweder den Soldaten oder aber verhökerte er. Es gab die Geschenke, die er von den Reichen und den verschiedenen Gemeinden verlangte, und es gab die Steuern, sowohl die neuen, die er verkündete, als auch die 10%-Steuer, die er anstelle der 5% für die Freilassung von Sklaven, für Erbschaften und für alle Vermächtnisse einführte. Das Erbrecht schaffte er ab, ebenso die Steuerbefreiung, die in solchen Fällen denjenigen gewährt worden waren, die mit dem Verstorbenen eng verwandt waren. Das war auch der Grund, warum er alle in seinem Reich zu römischen Bürgern machte, nominell, um sie zu ehren, tatsächlich aber, um seine Einnahmen auf diese Weise zu erhöhen, da Fremde (also Nichtbürger) die meisten dieser Steuern nicht bezahlen mussten. (Konstantinische Exzerpte über Tugenden und Laster sowie Xiphilinos aus Cassius Dio, Historien 78 (77),9,3–5)
Die fast beiläufig erwähnte allgemeine Zusage des zuvor als Privileg (etwa nach 25 Jahren Dienst im römischen Heer; s. o. → Kap. 2.2) verliehenen römischen Bürgerrechts an alle Reichsbewohner wird hier als Trick zur Erhöhung der Einnahmen vorgestellt. Sie hatte aber sicher weitere Ziele: So sollte sie wohl auch dem durch den Brudermord und eine tyrannische Herrschaft wenig beliebten Kaiser neue loyale Untertanen sichern. Der Text des Beschlusses ist durch einen Papyrus (s. o. → Kap. 2.2) bekannt, der heute in der der Papyrussammlung der Universitätsbibliothek Gießen bewahrt wird und der 2017 in das Weltdokumentenerbe (»Memory of the World«)
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der UNESCO aufgenommen wurde (→ Bild S. 142). Der Papyrus ist vielfach beschädigt, man kann aber den Text des so erhaltenen kaiserlichen Edikts – der sogenannten Constitutio Antoniniana – etwa wie folgt rekonstruieren: Imperator Caesar Marcus Aurelius Severus Antoninus Pius sagt: Nachdem ich Gesuche und Bittschriften erhalten habe, in denen vor allem gefragt wird, wie ich den unsterblichen Göttern dafür danken kann, dass sie mich durch einen derartigen Sieg gerettet haben, ist es vernünftig zu sagen, dass ich der Ansicht bin, eine Handlung auf eine so großartige und fromme Weise ausführen zu können, wie sie ihrer Majestät zukommt, indem die Fremden zusammengeführt werden in den Zeremonien ihres Glaubens, wie Römer – und zwar alle, die kommen – und sie vereinigt mit meinen Männern. Ich gebe daher allen Fremden, die im Reich sind, das Recht des römischen Bürgers; eingeschlossen sind diejenigen, die sich in Städten jeglicher Art aufhalten, ausgenommen diejenigen, die dediticii (die genaue Bedeutung dieses Begriffs ist ungeklärt) sind. Wirklich soll es sein, dass die Menge von jetzt an auch an dem Sieg teilhat. Dieses Edikt wird die Würde des römischen Volkes vergrößern. (Griechischer Text der Constitutio Antoniniana: Papyrus Gissensis 40)
Tatsächlich wurden so »diejenigen, die im Römischen Erdkreis sind, durch die Constitutio des Kaisers Antoninus zu römischen Bürgern gemacht«, wie es in der spätantiken römischen Rechtssammlung Digesten (1,5,17) heißt. Ein langjähriger Dienst im römischen Heer war dafür nun nicht mehr nötig. Caracalla wurde 217 n. Chr. ermordet, schließlich wurde der Praetorianerpraefekt Marcus Opellius Macrinus (164–218 n. Chr.) Kaiser. Die Wirren vor dessen Herrschaftsübernahme ließ Gruppen von »Dakern«, die von außerhalb des Imperium Romanum gekommen waren, zu Recht eine besondere Schwäche des Reichs annehmen. Ihnen gelang so ein Rückgängigmachen der unter Commodus gefundenen und durch Bürgen – sprich: Gei-
8.2 »Seid einig, bereichert die Soldaten und verachtet den Rest«
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seln – gesicherten Vertragsverhältnisse; davon berichtet Cassius Dio, dessen Geschichtswerk in diesen Passagen wieder direkt überliefert ist: Nachdem die Daker Teile von Dakien verwüstet und den Wunsch nach weiterem Kriegführen gezeigt hatten, ließen sie erst nach, als sie die Geiseln zurückbekamen, die ihnen Caracalla unter Verweis auf das Bündnis genommen hatte. (Cassius Dio, Historien 79 (78),27,5)
8.3 Restitutor Daciarum Auch die nächsten Jahrzehnte waren durch Unsicherheiten geprägt; so nahm Kaiser Maximinus Thrax (um 172/182–238 n. Chr., Kaiser seit 235) Ende 236 den Titel »Dacicus Maximus« an, was eine – zumindest dem Anschein nach – erfolgreiche militärische Aktion gegen Daker voraussetzt. Im besonders chaotischen Jahr 238 n. Chr. erlebte das Römische Reich ein Sechskaiserjahr, aus dem schließlich der dreizehnjährige Marcus Antonius Gordianus (Gordian III., 225–244 n. Chr.) als Kaiser hervorging, gelenkt von einem Beraterstab des römischen Senats. Auch in Dakien gab es daraufhin offenbar eine gewisse Erleichterung über die etwas größere Stabilität an der Spitze des Reichs: Für Imperator Caesar Marcus Antonius Gordianus Pius Felix Augustus, Oberpriester, zum 4. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, zweimal Konsul, Vater des Vaterlandes, Prokonsul, (weiht dies) der Rat (concilium) der Drei Dakischen Provinzen, die seiner Göttlichkeit und seiner Majestät Ergebenen. (Lateinische Inschrift aus Ulpia Traiana Sarmizegetusa, EDCS-26600890)
Auffallend ist übrigens, wie streng hier das alte Formular beachtet ist, das den vollen Kaisernamen, die Titulaturen, die Tribunicia Postestas (hier die 4., die Gordian III. 240/241 n. Chr. innehatte) und die Konsulate nennt: Der
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8. Dacia Felix
Versuch, an Altbewährtem festzuhalten, ist überdeutlich. Zugleich zeigt die Inschrift, wie der Kaiserkult den Zusammenhalt im Imperium Romanum zu fördern versuchte. Ein anderes Bild ergibt sich, wenn man die Zahl der datierten Hortfunde (s. o. → Kap. 2.3) betrachtet: Gleich mehrere Dutzend solcher Schatzverstecke, die zu jener Zeit in und am Karpatenbogen angelegt und später wiederentdeckt wurden, machen deutlich, wie bedroht sich die Menschen gefühlt haben müssen. Die Stadt Istros (s. o. → Kap. 4.2) wurde wohl in jener Zeit geplündert. Insbesondere der Südteil der Drei Dakien sah sich Angriffen ausgesetzt. Wohl 248 n. Chr. drangen die Karpen ein, die aus dem Nordosten der (nach ihnen benannten) Karpaten kamen, und zogen östlich des Gebirges in Richtung Donau. Über die Mutter des späteren Kaisers Galerius, den wir schon oben (→ Kap. 7.1) erwähnt haben, heißt es bei Laktanz (s. ebenfalls o. → Kap. 7.1): (Galerius) war schlechter als alle, die es je gegeben hat. Es gab in dieser Bestie eine ihm angeborene Barbarei (barbaries), eine Wildheit, die dem römischen Blut fremd ist – kein Wunder, da seine Mutter, die eine Transdanuviana (Frau vom jenseitigen Donauufer) war, sich, als die Karpen einfielen, über den Strom in das neue Dakien geflüchtet hatte. (Laktanz, Todesarten der Christenverfolger 9,1–2)
Mit dem »neuen Dakien« bezieht sich Laktanz auf eine zu seiner Zeit bekannte Bezeichnung, die wir gleich (in → Kap. 8.4) kennenlernen werden. Der Limes Trans-Alutanus, der bisher wohl das römische Dakien südlich der Karpaten in Richtung Osten am Olt-Fluss definiert hatte (s. o. → Kap. 7.2), wurde von den Karpen überrannt, die westlich des Alt gelegene, bisher vom Limes geschützte Stadt Romula (»Klein-Rom«, bei Reșca, Gemeinde Dobroslovani, Kreis Olt, Rumänien) musste neu befestigt werden: Imperator Marcus Iulius [Philip]pus Pius Felix Invictus Augustus, zum 5. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, fünfmal Konsul, viermal Prokonsul, Vater des Vaterlands, und Marcus Iulius P[h]ilippus [I]unior, Impera-
8.3 Restitutor Daciarum
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tor, Konsul, P[ro]konsul, [Pr]inceps Iuventutis, Sohn des P[h]i[lippus] Augustus und der Marcia Otacilia Severa, unserer heiligsten Augusta, [W]iederhersteller des ganzen Erdkreises, haben für den Schutz der Bürgerschaft ihrer Colonia Romula den Mauerring mit Militärkräften von Grund aus aufgeführt. (Lateinische Inschrift aus Reșca, EDCS-28400694)
Kaiser Philippus Arabs (um 204–249 n. Chr., Kaiser seit 244), dessen 4. Tribunicia Potestas das ganze Jahr 247 umfasst, und sein damals zehnjähriger Sohn (237–249 n. Chr.), der aber bereits Konsul war, werden hier vollmundig als »Wiederhersteller des ganzen Erdkreises« (restitutores orbis totius) gefeiert:. So gut war der Erdkreis allerdings doch noch nicht wiederhergestellt. Ein mittelalterlicher Codex (s. o. → Kap. 2.4), der heute als Codex Hist. gr. 73 in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien bewahrt ist, hat sich als Palimpsest (s. o. → Kap. 2.4) erwiesen und bietet in der für eine zweite Nutzung ausradierten, nun aber mit modernen Methoden wieder weitgehend lesbar gemachten Schrift Fragmente einer historischen Darstellung. Diese von den Herausgebern als »Scythica Vindobonensia« bezeichneten Fragmente sprechen von Einfällen von »Skythen« (Goten) in die römischen Balkanprovinzen in der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. Wahrscheinlich handelt es sich um Reste der sonst verlorenen Scythica des in jener Zeit wirkenden griechischen Historikers Publius Herennius Dexippos von Athen. Die Fragmente betreffen vor allem das Vorgehen einer gotischen Gruppe unter ihrem Anführer Kniva, von dem auch bei Jordanes (s. o. → Kap. 5.1) in den Getica (101–103) die Rede ist. Die weitere Entzifferung und Deutung dieses neu gewonnenen Textes werden hier künftig noch weitere Erkenntnisse bringen. Erkennbar ist jedenfalls, dass die Goten den Krieg bis in das Gebiet südlich der Donau führten, wo sie u. a. Philippopolis (Plowdiw, Bulgarien) einnahmen; sie wurden erst später zurückgeschlagen. Als »Wiederhersteller der Dakien« (im Plural, restitutor Daciarum) erscheint wenig später der Nachfolger des Philippus Arabs, Kaiser Decius (um 190/200–251 n. Chr., Kaiser seit 249), in einer Inschrift aus Apulum
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8. Dacia Felix
(Alba Iulia / Karlsburg), die seine 2. Tribunicia Potestas nennt; da er diese in dem einen Jahr 250 gleich dreimal innehatte, kann man die Inschrift in den Sommer 250 n. Chr. datieren: Für Imperator Caesar Gaius Messius Quintus Traianus Decius [Pius Felix Augustus], Oberpriester, zum 2. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, zweimal Konsul, zweimal Vater des Vaterlandes, Wiederhersteller der Dakien, (weiht dies) die Colonia Nova Apul[en]sis. (Lateinische Inschrift aus Alba Iulia, EDCS-15800204)
Auch mit der Annahme des Titels »Dacicus Maximus« in demselben Jahr 250 n. Chr. proklamierte Decius sein Wirken für Dakien. Die Münzmeister (s. o. → Kap. 2.3) wählten entsprechende Motive für die Prägungen, die eine Personifikation mit der Umschrift »PROVINCIA DACIA« zeigten und erstmals auch die Umschrift »DACIA FELIX«, »glückliches Dakien« (RIC IV Trajan Decius 14, 37 und 114). Decius kam schon im Jahr darauf, 251 n. Chr., im Kampf mit den Karpen ums Leben, wie Laktanz, der Decius als verhassten Christenverfolger behandelt, mit Genugtuung berichtet: Auf einem Heereszug gegen die Karpen, die damals Dakien und Moesien besetzt hatten, wurde er sogleich von den Barbaren umzingelt und mit einem großen Teil seines Heeres niedergemacht. Nicht einmal die Ehre des Begräbnisses konnte er erlangen, sondern blieb beraubt und entblößt, wie es sich für einen Feind Gottes gehört, als Fraß für Raubtiere und Vögel liegen. (Laktanz, Todesarten der Christenverfolger 4,3)
Der Nachfolger des Decius, Trebonianus Gallus (206–253 n. Chr., Kaiser seit 251), erkaufte sich einen Frieden mit den Goten dadurch, dass er ihnen den freien Abzug mitsamt der Beute und hohe Schutzgeldzahlungen zusagte. Als der mit dem Kommando über die Truppen in der Region betraute Marcus Aemilius Aemilianus (207/213–253 n. Chr., Kaiser im Jahr 253 n. Chr.) diese Zahlungen einstellte, führte dies zu erneuten Kämpfen, in denen er zwar siegte – dann aber zog er, zum Kaiser ausgerufen, mitsamt
8.3 Restitutor Daciarum
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der Truppen nach Italien, was zu einer erneuten Destabilisierung der Situation am Unterlauf der Donau führte. Wenige Jahre später, 257 n. Chr., nahm Kaiser Gallienus (um 218–268 n. Chr., Mitregent mit seinem Vater Valerian seit 253, Kaiser seit 260) den Titel »Dacicus Maximus« an; er wird also – wie sieben Jahre zuvor Decius – einen neuen sichtbaren Erfolg über die »Daker« errungen haben. Allerdings ließ er die beiden in den dakischen Provinzen stationierten Legionen, die V. Legion Macedonica (s. o. → Kap. 7.2) und die XIII. Legion Gemina (s. o. → Kap. 8.1), nach Pannonia Superior und damit auf die seit Jahrhunderten »römische« Seite der Donau abziehen; beide sind von jener Zeit an in Poetovia (Ptuj, Slowenien) bezeugt, wo Soldaten aus jenen Legionen als Verehrer des im Heer beliebten Gottes Mithras erscheinen: Dem Unbesiegten Sonnengott Mithras für das Heil der Parole-Offiziere (tesserarii) und der Waffenbewacher der Legionen V. Macedonica und XIII. Gemina Gallienarum. (Lateinische Inschrift aus Ptuj, EDCS-11301014)
Die nördlich der Donau gelegenen dakischen Provinzen des Imperium Romanum waren nach wie vor im Westen, Norden und Osten von Gegnern des Imperium Romanum umgeben und deren Angriffen immer wieder ausgesetzt. Mit dem Abzug der beiden Legionen hatten die Römer diese Provinzen faktisch aufgegeben.
8.4 Dacia Felix Die größte Gruppe derer, die in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. eine Gefährdung für das Römische Reich darstellten, haben wir bereits kennengelernt, als wir uns oben (in → Kap. 5.1) mit Jordanes befasst haben. Dieser Geschichtsschreiber setzt ja die Geschichte der Geten (und Daker) mit der Geschichte der Goten gleich und verbindet sie mit der römischen Geschichte. Tatsächlich waren die »Goten« zu jener Zeit für den ganzen Balkanraum zur Bedrohung geworden.
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8. Dacia Felix
268 n. Chr. wurde Marcus Aurelius Valerius Claudius (214–270 n. Chr.), der an der Ermordung seines Vorgängers Gallienus (s. o. → Kap. 8.3) beteiligt gewesen war, selbst Kaiser. Gemeinsam mit Lucius Domitius Aurelianus (Aurelian; 214–275 n. Chr.) gelang es ihm, in einer Schlacht am Lacus Benacus (Gardasee, Italien) im November jenes Jahres die germanischen Alamannen und ein Jahr später in einer Schlacht bei Naissus (heute Niš, Serbien) die Goten zu besiegen und in das Gebiet jenseits der Donau zurückzudrängen. Der Ehrentitel Gothicus blieb ihm: Er wird in den Kaiserlisten als Claudius II. Gothicus geführt. Auch die Münzmeister wählten nun übrigens als eine Aufschrift »DACIA FELIX« (RIC V Claudius Gothicus 143). Auf einem dritten Feldzug gegen die Vandalen erkrankte er aber 270 n. Chr. an einer Seuche und starb. Bald folgte ihm Aurelian als Kaiser: In Thrakien und Illyricum besiegte er die Barbaren, die gegen ihn angetreten waren, und er tötete sogar den Führer der Goten Cannabas oder Cannabaudes, und mit ihm 5000 Mann auf der anderen Seite des Danuvius (Donau). (Historia Augusta, Aurelian 22,2)
Der Sieg datiert ins Jahr 271 n. Chr., im Folgejahr nahm der Kaiser den Titel »Gothicus Maximus« an. Ein in Valentia (Valence, Frankreich) gefundener Meilenstein aus dem Jahr 274 n. Chr. (in dem der Kaiser zum 6. Mal die Tribunicia Potestas innehatte, s. o. → Kap. 2.2) verzeichnet die Kaisertitulatur mit ihren überaus vielen Ehrentiteln: Imperator Caesar Lucius Domit[ius] Aurelianu[s] Pius Felix Invict[us Au] gustus, Oberpriester, Ger[manicus Maximus Go]thicus Ma[ximus Carpicus Maximus Par]thicus Maximus, zum 6. Mal Inhaber der Tribunicia Potestas, sechsmal Konsul, [dreimal] Vater des Vaterlands, Prokon[sul, Befrieder und Wiederh]ersteller des Erdkreises, hat (diesen Meilenstein) wiederhergestellt und wiederaufgestellt: 3 Meilen. (Lateinische Inschrift auf einem Meilenstein aus Valence, Frankreich, EDCS-09500327)
8.4 Dacia Felix
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In einem Triumphzug überhöhte Aurelian seine Leistung noch weiter: Es wurden auch zehn Frauen mitgeführt, die, in männlicher Kleidung kämpfend, unter den Goten gefangengenommen worden waren, nachdem viele andere gefallen waren. Dass diese aus dem Stamm der Amazonen stammten, erklärte ein Schild – es wurden ja vor allem Schilder hergetragen, auf denen die Namen der Völkerschaften standen. (Historia Augusta, Aurelian 34,1–2)
Aurelian präsentierte sich also als Sieger über die mythischen Amazonen, die man seit jeher am äußersten Rand der Welt lokalisierte (s. o. → Kap. 4.1). Das freilich hinderte ihn jedoch nicht daran, Dakien nördlich der Donau ganz aufzugeben: Die Provinz Dakien, die Trajan jenseits des Danubius (Donau) eingerichtet hatte, gab er auf, da ja ganz Illyricum und Moesien verwüstet waren, denn er hatte nicht die Hoffnung, sie noch behaupten zu können. Er führte also die Römer (Romani) aus den Städten und dem Landgebieten (ex urbibus et agris) Dakiens weg, versetzte sie mitten nach Moesien und nannte das Dakien, das heute die beiden Moesien teilt, und zwar auf der rechten Seite des Danubius, der zum Meer hinfließt, während es vorher auf der linken Seite war. (Eutrop, Breviarium 9,15,1)
Ähnlich – und wohl derselben Vorlage folgend – formuliert die Historia Augusta: Als er sah, dass Illyricum verwüstet und Moesien verloren waren, hob er die Provinz Transdanubien, die von Trajan eingerichtet worden war, auf und führte Heer und Provinziale (exercitus et provinciales) weg, da er die Hoffnung darauf aufgab, sie zu behalten. Die abgezogenen Gruppen (populi) siedelte er in Moesien an und nannte das Dakien, was jetzt die beiden Moesien teilt. (Historia Augusta, Aurelian 39,7)
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8. Dacia Felix
Aurelian, Münze RIC V Aurelian 108; siehe Seite 200
Das Breviarium des Festus (s. o. → Kap. 5.2) fasst die Geschichte Dakiens wie folgt zusammen: Trajan besiegte die Daker unter König Decibalus und machte Dakien jenseits des Danuvius (Donau) auf dem Boden des Barbarengebiets (barbaria) zu einer Provinz, die im Umfang 1000 Meilen hatte. Doch unter Imperator Gallienus ging sie verloren, und durch Aurelian wurden, nachdem die Römer von dort transferiert worden waren (translatis exinde Romanis), zwei Dakien in den Gebieten von Moesien und Dardanien geschaffen. (Festus, Breviarium 8,2)
Massenumsiedlungen hatten bisher nichtrömische Völkerschaften betroffen (s. o. → Kap. 5.6, 5.7 und 8.2). Nun aber wurden Römer, Romani, aus einer Provinz in eine andere versetzt. Dakien gab es künftig nurmehr als neue Provinzen südlich der Donau: Dacia Ripensis, das einen Teil der Provinz Obermoesien mit dem Zentrum Ratiaria (Artschar bei Kaleto, Kreis Widin, Nordwestbulgarien) umfasste, und Dacia Aureliana (oder Mediterranea) mit dem Hauptort Serdica (Sofia, Bulgarien). Neben diplomatisches und militärisches Vorgehen, neben die Einsetzung von Klientelkönigen, Schutzgeldzahlungen und Massenumsiedlungen trat so eine neue Form der Verkündung eines römischen Sieges: Gebiete wurden nicht mehr erobert und annektiert, sondern aufgegeben;
8.4 Dacia Felix
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nicht ihre Bewohner, sondern nur ihr Name wurde mit einem Federstrich in eine andere Region verlegt. Finten und Tricks haben wir in diesem Band wiederholt kennengelernt, so bei dem Makedonen Philipp II. (s. o. → Kap. 4.2), bei dem Römer Marcus Minucius Rufus gegen die Daker (s. o. → Kap. 5.2) und bei dem Daker Decebal gegen die Römer (s. o. → Kap. 5.8). Nun also wurde eine solche Finte von Römern gegen Römer angewendet. In einer Welt, in der nur wenige über hinreichend gute geographische Kenntnisse verfügten und in der man keine Landkarten der der uns vertrauten Art vor Augen hatte (s. o. → Kap. 4.1), konnte ein solche »Buchungstrick« offenbar gelingen. Dieses neue, südlich der Donau gelegene Dakien, also nicht mehr das Gebiet innerhalb und außerhalb des Karpatenbogens, sondern ein zuvor zu Moesien gerechnetes Gelände südlich der Donau erscheint nun auf Münzen aus der Zeit des Aurelian (RIC V Aurelian 108) als DACIA FELIX.
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8. Dacia Felix
9. Ausblick Die Benennung des neuen Dakiens erfolgte unter Aurelian translatis exinde Romanis, wie es bei Festus im Breviarium (9,15,1; s. o. → Kap. 8.4) heißt: »nachdem die Römer von dort transferiert worden waren«. Von welchen »Römern« Festus spricht und welche Art von Transfer er meint, bleibt dabei offen. Meint translatis wirklich eine Massenumsiedlung, wie wir sie als Maßnahme gegen nichtrömische Gruppen in diesem Band wiederholt kennengelernt haben (s. o. → Kap. 5.6, 5.7 und 8.2), die aber nicht nur – wie bei den bisherigen Umsiedlugen – eine bestimmte große Anzahl, sondern gleich alle Römer betraf, also – nach der Constitutio Antoniniana von 212 n. Chr. (s. o. → Kap. 8.2) – die gesamte Bevölkerung? Was meint dann aber die Historia Augusta (34,1; s. o. → Kap. 8.4) mit dem Abzug von »Heer und Provinzialen«: alle Menschen oder nur die römischen Soldaten und Amtsträger? Sichere Antworten auf solche Fragen sind eigentlich nicht möglich, haben aber in der seit dem 19. Jahrhundert politisch aufgeladenen Frage nach den »ältesten« Rechten am Grund und Boden (s. o. → Kap. 3.2) eine nachgerade entscheidende Bedeutung erhalten. Wenn zwar politisch und militärisch wichtige Römer, nicht aber alle Bewohner das Land geräumt haben, bleibt der Anspruch darauf, dass das Gebiet den »Nachfahren von Decebal und Trajan«, den »Löwenjungen«, gehört (s. o. → Kap. 3.2). Wenn hingegen die ganze Bevölkerung Dakien aufgegeben und verlassen hatte, können spätere Besiedler des Landes den Anspruch erheben, nunmehr die einzigen rechtmäßigen »Besitzer« des leer vorgefundenen Gebiets zu sein. So wird aus der akademischen Frage der Deutung weniger und zumal sehr kurzer spätantiker Angaben eine eminent politische, die auch zu markant unterschiedlichen Deutungen der Angaben geführt hat – man vergleiche nur einmal die Darstellungen der Geschichte des Siebenbürgischen Beckens in den von der rumänischen Akademie herausgegebenen Werken (etwa Protase 2010) mit denen der ungarischen Akademie (etwa Köpeczi
9. Ausblick
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1989; bibliographische Details s. u. → Anhang). Die wenigen Wörter in den Quellen aber ermöglichen keine Entscheidung. Deutlich ist jedenfalls, dass sich innerhalb und außerhalb des Karpatenbogens auch nach dem Abzug der »Römer« Entwicklungen nachweisen lassen, die im verbleibenden Imperium Romanum ebenso zu beobachten sind. Zum einen blieb offenbar das Lateinische in Gebrauch. Es hatte sich, wie wir oben (in → Kap. 7.3) gesehen haben, als die Sprache bewährt, die von zugewanderten Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft in Dakien verwendet wurde und einen Weg zur Rechtssicherheit, ja schließlich zum Bürgerrecht eröffnet hatte. Latein war aber auch die Sprache, die jenseits des direkt von Rom beherrschten Gebietes verwendet wurde: Nicht wenige »Fremde« hatten das römische Heer unterstützt (s. o. → Kap. 8.1), in dem Latein die gemeinsame und namentlich auch die Kommandosprache war, und insbesondere bei den als »Goten« bezeichneten Völkern, die auch Dakien überrannten, war Latein eine viel verwendete, einzelne Gruppen übergreifende Sprache. Die Tatsache, dass das heutige Rumänische einen so hohen Anteil des Lateinischen aufweist (s. o. → Kap. 1.1), ist also nicht notwendig ein Beleg für eine ununterbrochene Kontinuität seit den Zeiten von Decebal und Trajan, wohl aber für die Attraktivität der Sprache und Kultur der Römer auch über deren direkte Beherrschung von Provinzen hinaus. Die Goten sind es wohl auch, die nach der römischen Zeit das Christentum nach Dakien gebracht haben. Die Christianisierung des Römischen Reichs, die man gerne mit dem Wirken des (übrigens aus Moesien stammenden) Konstantin d. Gr. (270/288–337 n. Chr. Kaiser seit 306, Alleinherrscher seit 324) verbindet, fällt in die Zeit, in der Dakien schon nicht mehr römische Provinz ist. Sie wird in Dakien eine Folge der Christianisierung der Goten sein, die oft auf den ersten »Gotenbischof« Wulfila (Ulfilas, um 311–383 n. Chr.) zurückgeführt wird. Auch diese parallelen Entwicklungen innerhalb und außerhalb des verbleibenden Imperium Romanum erlauben eine abschließende Klärung der politischen Frage nach der römischen Kontinuität in Dakien also nicht. Welche historische Bedeutung kommt also der Zeit zu, in der das Gebiet innerhalb und außerhalb des Karpatenbogens »im Brennpunkt der Kul-
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9. Ausblick
turen« stand (s. o. → Kap. 4), und welche der römischen Herrschaft über Dakien im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. (s. o. → Kap. 5–8)? Wie wir gesehen haben, beruht jede Deutung antiker Geschichte auf Quellen und Modellen, also auf der antiken Evidenz (s. o. → Kap. 2) und ihrer Deutung (s. o. → Kap. 3). Die Sichtweise der erhaltenen römischen Schriftquellen – dakische liegen uns nicht vor – betont dabei fast durchweg das militärisch oft erfolgreiche Vorgehen der Römer. Folgt man dieser Sichtweise, muss man allerdings feststellen, dass die Eroberung und direkte Beherrschung Dakiens viel später als in anderen Reichsteilen begann und nur fünf oder sechs Generationen lang währte; insofern kann man auch von einem schließlichen »Misserfolg« sprechen: Die Ausdehnung des Reichs in das Gebiet jenseits der Donau kam nach dieser Auffassung »zu spät« und war »nicht nachhaltig genug«. Wenn man hingegen die Quellengrundlage erweitert und auch direkt erhaltene Zeugnisse, etwa »stumme« archäologische Evidenz und vor allem »sprechende« Inschriften und Münzen mit heranzieht, wie es im vorliegenden Band versucht wird, kann man andere Modelle zur Deutung der antiken Geschichte Dakiens erproben. »Erfolg« kann dann etwa als kreative Übernahme anderer »Kulturen«, ja Schaffung einer neuen »Kultur« verstanden werden. Und »Erfolg« wird auch und gerade in der Integration der Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft in der neuen römischen Provinz Dacia sichtbar: Hier gelang es offenbar, infinitas copias hominum, »unbegrenzte Menschenmengen«, die ex toto orbe Romano, »aus dem ganzen römischen Erdkreis«, zugewandert waren (Eutrop, Breviarium 8,6,2; s. o. → Kap. 7.1), zu integrieren – und das nachhaltig, auch über die direkte römische Beherrschung hinaus. Wir wir gesehen haben, kam dabei eine besondere Bedeutung der lateinischen Sprache und der römischen Rechtskultur zu. Und so wurde – und blieb – Dakien auch nach der Zeit, in der es eine Provinz des Imperium Romanum war, das glückliche Dakien, DACIA FELIX.
9. Ausblick
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10. Anhang Zehn wichtige antike Stätten in Rumänien Es gibt eine Vielzahl antiker Stätten in Rumänien; es folgt hier eine persönliche Auswahl von zehn besonders sehenswerten Orten.
SLOWAKEI
Dn
jes
UKRAINE
tr
MOLDAWIEN
k
Chisinau
a
UNGARN
st
th
Porolissum
Pru
O
Budapest
Alba Iulia Herrmannstadt/Sibiu
en
h
at
Theiß
Rosia , Montana Mieresc
rp
Klausenburg
Olt-Durchbruch/Roter Turm Densus, Sarmizegetusa Ulpia Traiana en Regia Sarmizegetusa rpat
Adamclisi
Don
Zehn wichtige antike Stätten in Rumänien
Sc
au
BULGARIEN
Mee
Bukarest
es
Olt
SERBIEN
Istros
RUMÄNIEN
arz
DrobetaTurnu Severin
hw
Belgrad
r
Südka
0
50
100
150 km
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Adamclisi (Adamklissi, Kreis Constanţa) an der Nationalstraße DN3 (Drum naţional 3) ist wegen des Tropaeum Traiani berühmt, das als Siegeszeichen Trajans nach dem Ende des zweiten Dakerkriegs 109 n. Chr. errichtet wurde (s. o. → Kap. 6.4). Die erhaltenen Befunde wurden im Vorfeld der Feiern zur 2050-jährigen Tradition des »dakischen« Zentralstaats (s. o. → Kap. 3.2) 1977 für eine monumentale »Rekonstruktion« eingesetzt (→ Bild S. 138). Alba Iulia (Karlsburg) ist die Hauptstadt des Kreises Alba. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde die Stadt durch die Türken zerstört und anschließend von den Truppen Kaiser Karls VI. besetzt. 1714 begann der Bau einer siebeneckigen Festung im Vauban-Stil, die weitestgehend erhalten ist und auf der sogenannten Tentativ-Liste für das UNESCO-Weltkulturerbe steht (siehe → Bild S. 206). 1918 wurde hier die Vereinigung des »Altreichs« mit Siebenbürgen, dem Banat und weiteren Gebieten zu
Alba Iulia (Karlsburg): Festung des 18. Jahrhunderts über dem römischen Lager
206
Anhang
»Großrumänien« vereinbart (s. o. → Kap. 3.2). Unter der neuzeitlichen Festung liegt das römische Lager der XIII. Legion Gemina, deren Principia (Stabsgebäude) ein 2015 eröffnetes Museum präsentiert (siehe → Bild S. 143). Das Nationalmuseum der Vereinigung (Muzeul Naţional al Unirii, www.mnuai.ro) umfasst auch die Sammlungen des Historischen Museums mit zahlreichen römischen Exponaten. Cluj-Napoca (Klausenburg) ist die zweitgrößte Stadt Rumäniens und Hauptstadt des Kreises Cluj. Nach der römischen Eroberung Dakiens unter Kaiser Trajan als Militärlager und Verkehrsknotenpunkt von großer Bedeutung, war Napoca später in Dacia Porolissensis der wichtigste Ort neben der Provinzhauptstadt Porolissum. Nach der Aufgabe Dakiens durch die Römer bedeutungslos geworden, wurde die Stadt im 13. Jahrhundert vor allem von deutschsprachigen Siedlern neu gegründet und war später die zweitgrößte Stadt des Königreichs Ungarn. Die Bedeutung der Stadt hat zur Überbauung römischer Reste geführt. Das Nationalmuseum zur Geschichte Siebenbürgens (Muzeul Naţional de Istorie a Transilvaniei www. mnit.ro) wird nach seiner geplanten Wiedereröffnung eine Vielzahl wichtiger Fundstücke aus dem römischen Dakien präsentieren (→ Bild S. 143). Drobeta-Turnu Severin (Turn-Severin, Kreis Mehedinţi) an der Donau und an der Nationalstraße DN6 ist über der römischen Stadt Drobeta errichtet. Erhalten sind Reste der für den zweiten Dakienfeldzug (s. o. → Kap. 6.2) errichteten Donaubrücke und des dazugehörigen Militärlagers. Istros (Istria, Histria, Istropolis) ist eine im 7. Jahrhundert v. Chr. von Milet aus angelegte griechische Siedlung (s. → Kap. 4.1) im Mündungsgebiet der Donau ins Schwarze Meer (heute Cetatea Histria, Kreis Constanţa), ist erreichbar über die Kreisstraße DJ226A (Drum judeţean 226A). Trotz wechselnden Geschicks blieb die Siedlung die ganze Antike hindurch genutzt und wurde erst in der Spätantike aufgegeben. Da sie nicht wieder überbaut wurde, konnten Ausgrabungen der letzten gut 100 Jahre beachtliche Ruinen freilegen (→ Bild S. 208).
Zehn wichtige Stätten in Rumänien
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Drobeta-Turnu Severin: Rekonstruktion eines Segments der Donaubrücke Trajans, siehe S. 145
Olt-Durchbruch: Der Rote-Turm-Pass (in der 4. Auflage von Meyers Konversationslexikon 1885–1892 auch als »Trajanspforte« bezeichnet), benannt nach einem frühneuzeitlichen, den Eingang zum Pass überwachenden roten Turm bei Turnu Roșu (Schweinsdorf, Kreis Sibiu), begleitet südlich von Sibiu (Hermannstadt) den Durchbruch des Flusses Olt (Alt) durch die Südkarpaten zur Donau. Neben »Tapae«, dem Bistra-Tal bei Ulpia Traiana Sarmizegetusa (s. u.), bot dieser Pass einen zweiten Zugang zum Siebenbürgischen Becken (s. o. → Kap. 1.2 zu »Boutae«). Ihn sichernde römische Militäranlagen sind sowohl im Siebenbürgischen Becken östlich der Gemeinde Boiţa (Ochsendorf, Kreis Sibiu) belegt, wo das Lager Caput Stenarum (Haupt der Engen) vermutet wird, als auch nach dem Durchbruch bei Sânbotin (Gemeinde Dăești, Kreis Vâlcea), wo das Lager Castra Traiana (»Trajanslager«) angenommen wird. Von beiden Lagern ist nichts mehr zu besichtigen, der spektakuläre Durchbruch des Flusses ist aber sehenswert (→ Bild S. 130).
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Porolissum ist eine Stätte bei Moigrad (Gemeinde Mirșid, Kreis Sălaj), von dort erreichbar über die örtliche Gemeindestraße DC21 (Drum comunal 21). Das etwa 6,7 Hektar große römische Lager mit vier Toren und die Zivilsiedlung vor dem Lager (mit einem kleinen Amphitheater) zeugen vom Hauptort der Provinz Dacia Porolissensis (s. o. → Kap. 7.2), der auch nach dem Abzug der Römer unter Aurelian bewohnt blieb, wohl im 10. Jahrhundert aufgegeben und nicht wieder überbaut wurde. Die römischen Befunde sind daher vergleichsweise umfangreich und gut erhalten (→ Bild S. 140 unten). Roșia Montană (Goldbach, Kreis Alba), das antike Alburnus Maior, liegt im römischen Bergbaugebiet (s. o. → Kap. 7.3), in dem seit der Antike Gold und Silber abgebaut wird. Erhaltene römische Bergwerksstollen erlauben einen Einblick in den Abbau von Edelmetall in der Region; in einem von ihnen wurden auch die oben (in → Kap. 2.2 und 7.3) behandelten Holz-Wachs-Täfelchen gefunden. Der Ort ist erreichbar über die Kreisstraße DJ742 und steht auf der sogenannten Tentativliste für das UNESCOWeltkulturerbe (→ Bild S. 141). Sarmizegetusa Regia war eine wichtige Anlage in der vorrömischen Zeit. Die archäologische Stätte liegt in den Brooser Bergen bei Grădiștea de Munte (Gemeinde Orăștioara de Sus, Kreis Hunedoara). Die befestigte Anlage wird seit dem 18. Jahrhundert ausgegraben; größere Gebäude werden als Tempel gedeutet. Der Name wird noch in der Städteliste des Ptolemaios (s. o. → Kap. 2.5) genannt. Die heute entlegene Stätte (45° 37‘ 22‘‘ N, 23° 18‘ 37‘‘ O) ist von Orăștie (Broos) auf der Kreisstraße DJ705A über Orăștioara de Sus (Oberbrooserbach) erreichbar. Zusammen mit benachbarten Anlagen steht Sarmizegetusa Regia seit 1999 auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes (→ Bild S. 131). Ulpia Traiana Sarmizegetusa (früher Grădiștea / Burgort) bei Haţeg (Hatzeg, Kreis Hunedoara) am Ostende des Bistra-Tals »Tapae« war die erste Hauptstadt der römischen Provinz Dacia. Unter Trajan als Colonia Ulpia Traiana gegründet (s. o. → Kap. 6.3) umfasste die rechteckige Anlage eine
Zehn wichtige Stätten in Rumänien
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Fläche von etwa 32 Hektar. Die sehr dicken und sehr hohen Mauern weisen in jede Richtung eine Toranlage auf. Erhalten sind Bauten und Plätze innerhalb der Anlage sowie ein außerhalb des ummauerten Geländes gelegenes Amphitheater (→ Bild S. 140 oben). Die gut erschlossene Stätte liegt direkt an der Nationalstraße DN68. Nicht wenige Steine aus der römischen Anlage sind in der mittelalterlichen Nikolaus-Kirche von Densuș (Demsdorf, Kreis Hunedoara) verbaut, darunter einige römische Inschriftensteine (→ Bild S. 144). Der Ort ist über die Kreisstraße DJ87G erreichbar und steht auf der sogenannten Tentativliste für das UNESCO-Weltkulturerbe.
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Quellen Karte Die beste – auch archäologische Stätten sorgfältig verzeichnende – Landkarte Rumäniens ist die von Bogdan Condurateanu jährlich aktualisierte elektronische Karte »RO.A.D.« (www.romaniadigitala.ro).
Archäologie Nicolae Gudea und Thomas Lobüscher: Dacia. Eine römische Provinz zwischen Karpaten und Schwarzem Meer. Mainz 2006 Manfred Oppermann: Thraker, Griechen und Römer an der Westküste des Schwarzen Meeres. Mainz 2007 (die beiden in demselben Verlag wie der vorliegende Band lieferbaren Bücher behandeln auch die städtische Kultur und Religion, die im vorliegenden Band deshalb nicht Gegenstand sind) Ioana A. Oltean und William S. Hanson: New Evidence for the Conquest of Dacia from LiDAR analysis at Sarmizegetusa Regia, in: Journal of Roman Archaeology 30, 2017, 429–446
Trajanssäule Frank Lepper und Sheppard Frere: Trajan’s Column. Gloucester 1988 Fritz Mitthof und Günther Schörner (Hgg.): Columna Traiani. Traianssäule. Siegesmonument und Kriegsbericht in Bildern. Wien 2017 Ritchie Pogorzelski: Die Traianssäule in Rom. Dokumentation eines Kriegs in Farbe. Oppenheim 2014 (Veranschaulichung einer möglichen Farbfassung) Alexandre Simon Stefan: Die Trajanssäule. Darmstadt 2020 (die in demselben Verlag wie der vorliegende Band lieferbare ausführliche Darstellung sei nachdrücklich empfohlen)
Griechische Inschriften Der Originaltext vieler griechischer Inschriften ist in der frei zugänglichen Datenbank https://epigraphy.packhum.org zu finden. Dort wie auch im vorliegenden Band angegeben ist jeweils die Edition in einem der folgenden Werke,
Quellen
211
die auch Verweise auf andere Editionen enthalten (angegeben ist die Nummer der Inschrift): IG II² – Inscriptiones Graecae II et III: Inscriptiones Atticae Euclidis anno posteriores, Bd. III 1, hg. v. Johannes Kirchner. 2. Aufl. Berlin 1935 IGBulg I² – Inscriptiones Graecae in Bulgaria repertae, Bd. I (Inscriptiones orae Ponti Euxini), hg. v. Georgi Mihailov. 2. Aufl. Sofia 1970 ILD – Inscripții latine din Dacia / Inscriptiones Latinae Daciae, hg. v. Constantin C. Petolescu. Bukarest 2005 IScM I – Inscriptiones Daciae et Scythiae Minoris antiquae. Series altera: Inscriptiones Scythiae Minoris Graecae et Latinae, Bd. I (Inscriptiones Histriae et vicinia), hg. v. Dionisie M. Pippidi. Bukarest 1983 IvP III – Inschriften von Pergamon, Bd. III (Die Inschriften des Asklepieions), hg. v. Christian Habicht. Berlin 1969 SEG – Supplementum Epigraphicum Graecum. Leiden, seit 1923. Angegeben sind jeweils der Band des Werks und die Nummer der Inschrift. Die Datenbank https://referenceworks.brillonline.com/browse/supplementumepigraphicum-graecum ist nicht frei zugänglich.
Lateinische Inschriften Viele lateinische Inschriften sind wiederholt ediert worden. Mit der Angabe der EDCS-Nummer wird in diesem Band auf die von Manfred Clauss und Wolfgang A. Slaby begründete »Epigraphik-Datenbank Clauss / Slaby« verwiesen, die mehr als eine halbe Million lateinischer Inschriften umfasst. Sie ist auf http://db.edcs.eu/epigr/epi.php frei zugänglich und verzeichnet zu jeder Inschrift alle wichtigen Editionen.
Andere Inschriften Erika Qasim: Die Tărtăria-Täfelchen. Eine Neubewertung, in: Altertum 58 (2013) 307–318 Manfred Mayrhofer: Supplement zur Sammlung der altpersischen Inschriften. Wien 1978, 16 Nr. 3.10 (DGh) Pierre Lecoq: Les inscriptions de la Perse achéménide, Paris 1997, 218 (Übersetzung von DGh), dazu 128 (Kommentar)
212
Anhang
Papyri Papyrus Gissensis 40 – Peter Kuhlmann: Die Gießener literarischen Papyri und die Caracalla-Erlasse. Edition, Übersetzung und Kommentar. Gießen 1994 Papyrus Hunt – Robert Cavenaile: Corpus Papyrorum Latinarum. Wiesbaden 1958, Nr. 112
Münzen Jean Hourmouziadies: Koson Gold Staters and Silver Drachmae. A Die Study, in: Revue numismatique 6. Ser. 166, 2010, 287–296 Kaiserzeitliche römische Münzen werden nach dem Standardwerk RIC zitiert: Harold Mattingly, Edward A. Sydenham u. a.: Roman Imperial Coinage. 10 Bde. London 1923–1994. Es ist auch Grundlage der auf http://numismatics.org/ocre/ frei zugänglichen Datenbank »Online Coins of the Roman Empire«. Münz-Hortfunde verzeichnet die von Chris Howgego und Andrew Wilson begründete, frei zugängliche Datenbank https://chre.ashmus.ox.ac.uk.
Literarische Quellen Ammianus Marcellinus – Wolfgang Seyfahrt: Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte. 4 Bde. Lat.-dt. Berlin 1968–1971 Appian – Otto Veh, Kai Brodersen und Wolfgang Will: Appian, Römische Geschichte. 2 Bde. Stuttgart 1987–1989 (Studienausgabe 2019) Arrian – Gerhard Wirth und Oskar von Hinüber: Arrian, Der Alexanderzug / Indische Geschichte. Griech.-dt. München und Zürich 1985 Augustus – Marion Giebel: Augustus, Tatenbericht. Griech.-lat.-dt. Stuttgart 1975 Balbus – Friedrich Blume, Karl Lachmann, Adolf August Friedrich Rudorff: Die Schriften der römischen Feldmesser, Bd. I. Berlin 1848; Brian Campbell: The Writings of the Roman Land Surveyors. London 2000 Caesar – Marieluise Deißmann: Caesar, Der Gallische Krieg. Lat.-dt. Stuttgart 2004 Cassius Dio – Ursul Philipp Boissevain: Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanarum quae supersunt. 5 Bde. Leipzig 1895–1931; Otto Veh: Cassius Dio, Römische Geschichte. 5 Bde. München und Zürich 1985
Quellen
213
Dexippos – Scythica Vindobonensia. Wien, in Vorbereitung; Verzeichnis aktueller Teilpublikationen auf https://www.oeaw.ac.at/byzanz/sprache-text-undschrift/buchkultur-palaeographie-und-palimpseste/scythica-vindobonensia Digesten I – Okko Behrends u. a.: Corpus Iuris Civilis, Text und Übersetzung, Bd. II (Digesten 1–10). Lat.-dt. Heidelberg 1995 Diodor – Gerhard Wirth u. a.: Diodoros, Griechische Weltgeschichte. 10 Bde. Stuttgart 1992-2008 Dion von Prusa – Winfried Elliger: Dion Chrysostomos, Sämtliche Reden. Zürich und Stuttgart 1967 Euseb – Rudolf Helm: Euseb, Werke, Bd. VII (Die Chronik des Hieronymus). 2. Aufl. Berlin 1956 Eutrop – Bruno Bleckmann und Johannes Groß: Eutropius, Breviarium ab urbe condita. Lat.-dt. Paderborn 2018 Festus – Marie-Pierre Arnaud-Lindet: Festus, Abrégé des hauts faits du peuple Romain. Lat.-frz. Paris 1994 FGrHist – Felix Jacoby u. a.: Die Fragmente der Griechischen Historiker. Leiden seit 1923 Florus – Günter Laser: Florus, Römische Geschichte. Lat.-dt. Darmstadt 2005 FRH – Tim Cornell u. a.: The Fragments of the Roman Historians. Lat.-engl. 3 Bde. Oxford 2013 Frontin – Gerhard Bendz: Frontinus, Kriegslisten. Lat.-dt. Berlin 1963 Galen – Kai Brodersen: Galen, Gelassenheit. Stuttgart 2016 Herodian – Friedhelm L. Müller: Herodian. Geschichte des Kaisertums nach Marc Aurel. Griech.-dt. Stuttgart 1996 Herodot – Kai Brodersen und Christine Ley-Hutton: Herodot, Historien. Stuttgart 2019 Historia Augusta – Ernst Hohl u. a.: Historia Augusta, Römische Herrschergestalten. 2 Bde. Zürich und München 1976–1985 Homer – Dietrich Ebener: Homer, Werke. 2 Bde. Berlin und Weimar 1971 Horaz – Niklas Holzberg: Horaz, Sämtliche Werke. Lat.-dt. Berlin 2018 Johannes Lydos – Michel Dubuisson und Jacques Schamp: Jean le Lydien, Des magistratures de l’état romain. Lat.-frz. 3 Bde. Paris 2006 Jordanes – Antonio Grillone: Iordanes, Getica. Lat.-italien. Paris 2017 Junius Nypsus - Friedrich Blume, Karl Lachmann, Adolf August Friedrich Rudorff: Die Schriften der römischen Feldmesser, Bd. I. Berlin 1848; Jelle Bouma: Marcus Iunius Nypsus, Fluminis varatio, limitis repositio. Frankfurt/M. 1993
214
Anhang
Justin s. Pompeius Trogus Juvenal – Sven Lorenz: Juvenal, Satiren. Lat.-dt. Berlin 2017 Konstantinische Exzerpte – Ursul Philip Boissevain, Carl de Boor und Theodor Büttner-Wobst: Excerpta Historica Iussu Imperatoris Constantini Porphyrogeniti Confecta. 4 Bde. Berlin 1903–1910; s. auch Cassius Dio, Diodor, Petros Patrikios Kriton FGrHist 200 Laktanz – Alfons Städele: Laktanz, Die Todesarten der Christenverfolger. Lat.dt. Turnhout 2003 Livius, Periochae – Hans-Jürgen Hillen: Titus Livius, Römische Geschichte, Bd. XI (Buch XLV, antike Inhaltsangaben und Fragmente der Bücher XLVI-CXLII). Lat.-dt. Düsseldorf und Zürich 2000 Lukian-Scholien – Hugo Rabe: Scholia in Lucianum. Leipzig 1906 Martial – Paul Barié und Winfried Schindler: Martial, Epigramme. Lat.-dt. 3. Aufl. Berlin 2013 Neues Testament – Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung. Stuttgart 2017 Orosius – Adolf Lippold: Orosius, Die antike Weltgeschichte in christlicher Sicht. 2 Bde. Zürich und München 1985–1986 Petros Patrikios – Thomas M. Banchich: The Lost History of Peter the Patrician. Abingdon 2015 Philostrat – Kai Brodersen: Philostratos, Leben der Sophisten. Griech.-dt. Wiesbaden 2014 Plinius d. Ä. – Roderich König, Gerhard Winkler u. a.: C. Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde. 32 Bde. Lat.-dt. München u. a. 1973–2004 Plinius d. J. – Heribert Philips und Marion Giebel: Plinius, Sämtliche Briefe. Lat.-dt. Stuttgart 2010; Werner Kühne: Plinius d. J., Panegyricus. Lat.-dt. Darmstadt 1985 Plutarch – Konrat Ziegler und Walter Wuhrmann: Plutarch, Große Griechen und Römer. 6 Bde. Zürich 1954–1965 Pompeius Trogus – Otto Seel: Pompeius Trogus, Weltgeschichte von den Anfängen bis Augustus im Auszug des Justin. Zürich und München 1972 Priscian – Martin Hertz: Prisciani Grammatici Caesariensis Institutionum Grammaticarum Libri XVIII. 2 Bde. Leipzig 1855–1859 Prokop – Otto Veh: Prokop, Werke, Bd. V (Bauten). Griech.-dt. München 1977 Pseudo-Apuleius – Kai Brodersen: Apuleius, Heilkräuterbuch. Lat.-dt. Wiesbaden 2015
Quellen
215
Pseudo-Skymnos – Martin Korenjak: Die Welt-Rundreise eines anonymen griechischen Autors. Griech.-dt. Hildesheim 2003 Ptolemaios – Alfred Stückelberger u. a.: Klaudios Ptolemaios, Handbuch der Geographie. 2 Bde. Griech.-dt. Basel 2017 Scythica Vindobonensia s. Dexippos Strabon – Stefan Radt: Strabon, Geographie. 10 Bde. Griech.-dt. Göttingen 2002–2011 Sueton – Ursula Blank-Sangmeister u. a.: Sueton, Kaiserbiographien. Lat.-dt. Stuttgart 2018 Tabula Peutingeriana – Michael Rathmann: Tabula Peutingeriana. Darmstadt 2016 Tacitus – Alfons Städele: Tacitus, Annalen. 2 Bde. Lat.-dt. Darmstadt 2011; Historien. 3 Bde. Lat.-dt. Darmstadt 2011 Tzetzes – Aloisius M. Leone, Ioannis Tzetzae Historiae. Neapel 1968 Velleius Paterculus – Marion Giebel: Velleius Paterculus, Römische Geschichte. Lat.-dt. Stuttgart 1989 Xiphilinos – Ursul Philipp Boissevain: Cassii Dionis Cocceiani Historiarum Romanarum quae supersunt, Bd. III. Leipzig 1901, 479–730
Neuzeitliche »Quellen« Emil Condurachi, Dumitru Berciu, Constantin Preda (Hgg.): 2050 de ani de la faurirea de catre Burebista a primului stat independent și centralizat al getodacilor. Bukarest 1980 Ion Horaţiu Crișan: 2050 de ani de la creare primului stat dac centralizat și independent. Statul dac condus de Burebista, in: Revista de Istorie 32 (1979) 1215–1233 (mit frz. Résumé) Andrei Mureșanu: Un răsunet, in: Foaie pentru minte, inimă și literatură 25 (21.6.1848) Ioan S. Neniţescu: Pui de Lei. Poesii eroice și naţionale. Bukarest 1891 Ioan Părean: Legende din Mărginimea Sibiului. Sibiu 2004
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Weiterführende Literatur Die Literatur zum Gegenstand dieses Bandes ist schier unüberschaubar, zumal die Geschichte Dakiens als Teil der Geschichte Rumäniens dort häufig Gegenstand von Forschung und populärer Darstellung ist. Im Folgenden werden nur wenige ausgewählte Titel genannt, die eine weiterführende Lektüre erleichtern können. Radu Ardevan und Livio Zerbini: La Dacia romana. Soveria Mannelli 2007 Julius Bielz: Die Wiener Malerfamilie Neuhauser in Siebenbürgen. In: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 18 (1960) 87–102 Lucian Boia: Geschichte und Mythos. Über die Gegenwart des Vergangenen in der rumänischen Gesellschaft. Köln 2003 Robert Born: Funktionalisierung des römischen Erbes. Die Rekonstruktion des Siegesmonuments Tropaeum Traiani in Adamclisi, in: Arnold Bartetzky und Madlen Benthin (Hgg.): Geschichte bauen: Architektonische Rekonstruktion und Nationenbildung vom 19. Jahrhundert bis heute. Köln, Weimar und Wien 2017, 132–155 Kai Brodersen: Könige im Karpatenbogen: Zur historischen Bedeutung von Jordanes’ Herrscherlisten. In: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 36 (2013) 129–146 Carmen Chelaru: Romanian National Anthems. Historical, Stylistic and Aesthetic Considerations. In: Artes. Journal of Musicology 17–18 (2018) 207– 229 Keith Hitchins: A Concise History of Romania. Cambridge 2014 Béla Köpeczi (Hg.): Erdély rövid története (Kurze Geschichte Siebenbürgens). Budapest 1989 Lucreţiu Mihailescu-Bîrliba: Ex toto orbe Romano. Immigration into Roman Dacia. Leuven 2011 Helmut Minow: Vermessungsprobleme in den Schriften des römischer römischen Agrimensoren. In: Geomatik Schweiz 101.1 (2013) 14–19 Fritz Mitthof u. a. (Hgg.): Empire in Crisis. Gothic Invasions and Roman Historiography. Wien 2020 Theodor Mommsen: Römische Geschichte, Bd. V (Die Provinzen von Caesar bis Diocletian). Berlin 1885
Weiterführende Literatur
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Hans-Christoph Noeske: Studien zur Verwaltung und Bevölkerung der dakischen Goldbergwerke in römischer Zeit, in: Bonner Jahrbücher 177 (1977) 271–416 (auch zu den Holz-Wachs-Täfelchen aus Alburnus Maior) Constantin C. Petolescu: Dacia. Un mileniu de istorie. 2. Aufl. Bukarest 2014 Ioan Piso: Fasti Provinciae Daciae. 2 Bde. Bonn 1993–2013 Dumitru Protase (Hg.): Istoria Românilor, Bd. II (Daco-Romani, Romanici, Alogeni). 2. Aufl. Bukarest 2010 Oliver Jens Schmitt, Peter Schreiner und Fritz Mitthof (Hgg.): Handbuch zur Geschichte Südosteuropas, Bd. I (Herrschaft und Politik in Südosteuropa bis 1800). Berlin 2020 Karl Strobel: Die Donaukriege Domitians. Bonn 1989; Untersuchungen zu den Dakerkriegen Trajans. Bonn 1984; Kaiser Traian. Eine Epoche der Weltgeschichte. 2. Aufl. Regensburg 2019
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Dank Ich danke den Inhabern der Abbildungsrechte für die freundlich erteilte Abbildungsgenehmigung. Dank sage ich auch meinen Kolleginnen und Kollegen und meinen Studierenden in Hermannstadt und unseren Freunden in Siebenbürgen. Für die idealen Arbeitsbedingungen für die Fertigstellung des Buches am Wissenschaftskolleg Greifswald danke ich der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, für die kompetente verlegerische Betreuung Daniel Zimmermann, für das Mitlesen der Korrekturen an meiner Heimatuniversität Erfurt Johanna Leithoff und Ansgar Teichgräber sowie meiner lieben Frau Christiane. Gewidmet ist das Buch unser rumänienbegeisterten Tochter Edna.
Dank
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Abbildungsnachweise S. 2 akg images; S. 7 wikimedia; S. 129 Peter Palm, Berlin; S. 130 wikimedia; S. 131 akg images; S. 132 oben Muzeul Naţional de Istorie a Transilvaniei, Cluj-Napoca, mit freundlicher Genehmigung von Dr. Irina Nemeti, Șef Secţia Patrimoniu; S. 132 unten akg images; S. 133 akg images; S. 133 wbg Archiv; S. 134 akg images; S. 135 akg images; S. 136 oben akg images; S. 136 unten links Antikensammlung der Universität Erlangen-Nürnberg, www.numid. phil.fau.de/object?lang=de&id=ID362&view=rs: S. 136 unten rechts akg images; S. 137 akg images; S. 138 wikimedia; S. 139 wbg Archiv; S. 140 oben akg images: S. 140 unten wikimedia; S. 141 wikimedia; S. 142 Papyrussammlung der Universität Gießen, www.uni-giessen.de/ub/bilder/constitutio-antoniniana.jpg; S. 143 Administraţia Fondului Cultural Naţional, Bukarest, http:// albaiuliaqr.ro/muzeul-principia; S. 144 akg images; S. 147 Minow 2013, 17 Abb. 8, www.e-periodica.ch/digbib/view?pid=geo-007:2003:101#30; S. 150 Archäologisches Museum Drama (Griechenland), www.macedonian-heritage.gr/Museums/Museum_Pictures/Arx_Dramas/DSC00089.jpg; S. 199 www.wildwinds.com/coins/ric/aurelian/RIC_0108.jpg; S. 205 Peter Palm, Berlin; S. 206 wikimedia; S. 208 wikimedia
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Register 1. Quellenregister 1.1 Inschriften Inschriften – Inschriftenkunde (Epigraphik): 14–20, 211–212 – Fasti Ostienses: 123, 151, 158 – Fasti Triumphales: 85 – Holz-Wachs-Täfelchen: 15, 132 (Bild), 174–177, 181, 208 – Militärdiplom: 15–17, 132 (Bild), 165, 170–172 – Monumentum Ancyranum: siehe Res Gestae Divi Augusti – Persische Tontafel »DGh«: 47, 212 – Res Gestae Divi Augusti: 89, 213 – Sinaia-Tafeln: 20 – Tabula Traiana: 117, 135 (Bild) – Tărtăria-Täfelchen: 19, 212 Griechische Inschriften – IG II² 3286: 148 – ILD 173: 78 – Inschriften von Pergamon III 21: 167 – IScM I 54: 74 – SEG IX 101: 155 – SEG XXVII 417: 85 – SEG XXX 862: 85 – SEG XLI 570: 67 Lateinische Inschriften – EDCS-01000261: 183 – EDCS-04900915: 155 – EDCS-05801598: 92 – EDCS-06100498: 175 – EDCS-09100149: 102 – EDCS-09401558: 117 – EDCS-09500327: 197 – EDCS-09701197: 150 – EDCS-10000490: 117
Register
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– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
EDCS-11200049: 184 EDCS-11201149: 177 EDCS-11201154: 176 EDCS-11300331: 95 EDCS-11301014: 196 EDCS-11301222: 116 EDCS-11800353: 78 EDCS-12000873: 165 EDCS-12100013: 165 EDCS-12100049: 65 EDCS-12401064: 160 EDCS-15800201: 188 EDCS-15800204: 195 EDCS-16000478: 154 EDCS-16000516: 87 EDCS-16300627: 107 EDCS-17301077: 158 EDCS-20200010: siehe Fasti Triumphales EDCS-20200012: siehe Fasti Ostienses EDCS-20200013: siehe Res Gestae Divi Augusti EDCS-24900080: 67 EDCS-26600700: siehe Tabula Traiana EDCS-26600880: 165 EDCS-26600890: 192 EDCS-26600893: 183 EDCS-26600898: 171 EDCS-26600899: 166 EDCS-27000425: 148 EDCS-27300120: 164 EDCS-27700213: 186 EDCS-27800927: 65 EDCS-28400694: 194 EDCS-29900007: 161 EDCS-30100891: 184 EDCS-33500467: 155 EDCS-33500468: 155 EDCS-35100002: 172 EDCS-36500014: 165 EDCS-51600794: 125 EDCS-67400497: 119 EDCS-69000074: 17, 170
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Anhang
1.2 Münzen – – – – –
Münzen, Münzkunde (Numismatik): 20–23, 213 Denar (»Silbergroschen«): 21–22 Hortfund: 16, 22, 181, 193, 213 Münzmeister: 21, 91–92, 124, 153, 166, 195 Münzumlauf: 20, 22–23, 181
Einzelne Münzen – RIC II Trajan 96–99: 153 – RIC II Trajan 216–219: 124 – RIC II Trajan 130: 136 (Bild) – RIC II Trajan 239: 136 (Bild), 156 – RIC II Trajan 527–531: 153 – RIC II Trajan 561–566: 124 – RIC II Trajan 621–623: 166 – RIC IV Trajan Decius 14: 195 – RIC IV Trajan Decius 137: 195 – RIC IV Trajan Decius 114: 195 – RIC V Aurelian 108: 199–200 – RIC V Claudius Gothicus 143: 197 Münzlegenden – DACIA: 124 – DACIA AUGUSTI PROVINCIA: 166 – DACIA CAPTA: 153 – DACIA FELIX: 195, 197, 200 – KOSON: 23, 88, 133 (Bild), 174, 211 – PROVINCIA DACIA: 195 – VICTORIA DACICA oder DACICA: 136 (Bild), 153, 166
1.3 Papyri Papyri, Papyrologie: 14–15, 115, 213 – Papyrus Gissensis 40: 142 (Bild), 190–191, 213 – Papyrus Hunt: British Museum Papyrus 2851 (= Corpus Papyrorum Latinarum 112): 116, 213
Register
223
1.4 Literatur Ammianus Marcellinus: 213 – Historien 24,3,9: 115 Appian: 213 – Bürgerkriege 2,459: 82 – Dakike: 25 – Syriake 167: 70 Apuleius: siehe Pseudo-Apuleius Arrian: 213 – Anabasis 1,3,5–4,5: 55 Balbus: 146, 211 – ed. Blume, Lachmann und Rudorff 1848, 92–93: 147 Caesar: 213; siehe auch Namen- und Sachregister Caesar – Gallischer Krieg 6,25–27: 40 Cassius Dio: 26–27, 213 – Historien 51,22,8: 83 – Historien 51,23,2: 84 – Historien 51,24,1: 84 – Historien 51,24,6–7: 84 – Historien 51,26,1–2: 84 – Historien 51,26,4–5: 84 – Historien 55,29,3: 84 – Historien 67,6,1: 100 – Historien 67,6,1–3: 100 – Historien 67,6,4: 105 – Historien 67,7,2–4: 104 – Historien 67,10,1–3: 103 – Historien 68,6,1-12: 115 – Historien 68,6,2–7,5: 114 – Historien 68,8,1: 19 – Historien 68,8,1–2: 119 – Historien 68,8,3: 121 – Historien 68,9,1–3: 121 – Historien 68,9,3–7: 122 – Historien 68,10,1–2: 123 – Historien 68,10,3–4: 125 – Historien 68,11,1–2: 126 – Historien 68,11,3: 126 – Historien 68,12,1–5: 128 – Historien 68,13,1–5: 145 – Historien 68,13,6: 169 – Historien 68,14,1: 145
224
Anhang
– Historien 68,14,1–2: 146 – Historien 68,14,3: 149, 165 – Historien 68,14,4: 151 – Historien 69,18,1–4: 171 – Historien 72 (71),12,1: 185 – Historien 72 (71),15,1–16,2: 185 – Historien 72 (71),19,2: 186 – Historien 73 (72),3,1–3: 187 – Historien 77 (76),15,2: 189 – Historien 78 (77),9,3–5: 190 – Historien 79 (78),27,5: 192 Demosthenes: 109 Dexippos: 194, 214 Digesten: 214 – Digesten 1,5,17: 191 Diodor: 26, 214 – Bibliothek 21,12,4–5: 58 – Bibliothek 21,12,6: 58 Dion von Prusa »Chrysostomos«: 25, 108, 214 – Getika FGrHist 707: 25, 108–109 – Rede 12,16–20: 110 Euseb: 214 – Chronik zu Olympiade 30.4: 44 Eutrop: 214 – Breviarium 6,2,2: 68 – Breviarium 7,23,1–6: 98 – Breviarium 8,2,1–2: 154 – Breviarium 8,6,1: 167 – Breviarium 8,6,2: 163, 168, 174, 203 – Breviarium 9,15,1: 198 Festus: 214 – Breviarium 7,5: 68 – Breviarium 8,2: 199 – Breviarium 9,15,1: 201 Florus: 214 – Epitome 1,39: 11, 68 – Epitome 2,28: 88 Frontin: 66, 214 – Strategemata 1,10,4: 94 – Strategemata 2,4,3: 66 Galen: 214 – Gelassenheit: 25, 107 Herennius Dexippos, Publius: siehe Dexippos
Register
225
Herodian: 214 – Historien 3,8,4–5: 189 Herodot: 41, 214 – Historien 2,33,4: 44 – Historien 4,88,1: 46 – Historien 4,89,1–3: 46 – Historien 4,93: 47 – Historien 4,97,1: 47 – Historien 4,94,1–96,2: 49 – Historien 4,97,3–4: 47 Historia Augusta: 214 – Antoninus Pius 5,4: 173 – Antoninus Pius 12,4–5: 180 – Aurelian 22,2: 197 – Aurelian 34,1–2: 198, 201 – Aurelian 39,7: 198 – Commodus 13,5–6: 187 – Hadrian 3,1–6: 149 – Hadrian 3,9–10: 164 – Hadrian 6,6–8: 168 – Hadrian 6,8: 120 Homer: 25, 109, 110, 153, 214 Horaz (Horatius Flaccus, Quintus): 214 – Oden 3,8,17–18: 86 – Satiren 2,6,53: 86 Iunius Iuvenalis, Decius: siehe Juvenal Iunius Nypsus: siehe Junius Johannes Lydos: 214 – Über die Ämter des römischen Staats 2,28: 152 Jordanes: 10, 60–61, 63–65, 80, 88, 99, 196, 214 – Getica 2: 60 – Getica 67: 81 – Getica 67–76: 62 – Getica 68–72: 80 – Getica 73: 94 – Getica 74: 10 – Getica 76–78: 99 – Getica 101–103: 194 – Getica 265: 60 Junius Nypsus: 147, 214 – ed. Blume, Lachmann und Rudorff 1848, 285–286: 147 Justin: siehe Pompeius Trogus Juvenal: 101, 215 – Satiren 4,111–112: 101
226
Anhang
Konstantinische Exzerpte: 26, 56, 213; siehe auch Diodor, Petros Patrikios Kriton: 25, 148, 152, 215 – FGrHist 200 F 1: 152 – FGrHist 200 F 2: 152 Laktanz: 215 – Todesarten der Christenverfolger 4,3: 195 – Todesarten der Christenverfolger 9,1–2: 193 – Todesarten der Christenverfolger 23,5–6: 163 Livius: 66, 215 – Periocha 65: 66 – Periocha 95: 68 Lukian-Scholien: 215 – Scholien zu Lukian 24 (Der doppelt Angeklagte),16, ed. Rabe 1906, 104: 152 Martial: 215 – Epigramme 5,3: 105 – Epigramme 6,10: 106 – Epigramme 6,76: 102 Neues Testament: 215 – Lukasevangelium 20: 22 – Markusevangelium 12: 22 – Matthäusevangelium 2: 85 – Matthäusevangelium 22: 22 Orosius: 215 – Historien 7,10,3–4: 96 Petros Patrikios: 215 – Frg. 114: 120 – Frg. 115: 121 Philostrat: 215 – Leben der Sophisten 1,7: 109 Platon: 109 Plinius d. Ä.: 215 – Naturkunde 4,80: 41 Plinius d. J.: 215 – Briefe 8,4: 25 – Briefe 8,24,1–5: 153 – Panegyricus auf Trajan 16: 113 Plutarch: 215 – Marcus Antonius 63,3: 83 Pompeius Trogus: 26, 215 – Historien 32 Prolog: 65 – Historien 32,3,16: 41, 65 – Historien 9,2,1–3,2: 53 Priscian: 215 – Institutionen 6,13, ed. Hertz 1835, 205: 118
Register
227
Prokop: 215 – Bauten 4,6,13: 145 Pseudo-Apuleius: 215 – Herbarius 1: 28–29 Pseudo-Skymnos: 43–44, 216 – Küstenbeschreibung 722–742: 43 – Frg. 2b: 43 Frg. 5–6: 43 Ptolemaios: 216 – Geographie 3,8,6–10: 28 Scholien zu Lukian: siehe Lukian Scythica Vindobonensia: siehe Dexippos Skymnos: siehe Pseudo-Skymnos Statilius Kriton, Titus: siehe Kriton Strabon: 40, 216 – Geographie 7,3,5: 50, 82 – Geographie 7,3,10: 41, 89 – Geographie 7,3,11: 71, 78, 82, 86, 88 – Geographie 7,3,12: 69 – Geographie 7,3,13: 41 Sueton: 216 – Augustus 8,2: 82 – Augustus 21,1: 89 – Augustus 63,2: 83 – Caesar 44,3: 82 – Domitian 6,1: 97 – Domitian 23: 108 Tabula Peutingeriana: 139 (Bild), 164–165, 216 Tacitus: 96, 216 – Agricola 41,4: 97 – Annalen 1,11: 91 – Annalen 12,27,1: 88 – Annalen 13,57,4: 88 – Historien 3,46,2: 94 Trajan: siehe auch Namen- und Sachregister Trajan – Dacica: 25, 118 Tzetzes: 216 – Chiliaden 2,34,65–66: 118 Velleius Paterculus: 66, 216 – Historien 2,8,3: 67 – Historien 2,59,4: 82 Xenophon: 110 Xiphilinos d. J., Johannes: 27, 216; siehe Cassius Dio
228
Anhang
2. Namen- und Sachregister Adamclisi: 119, 138 (Bild), 160, 204 (Karte), 205 Adoptivkaiser: 112, 188 Aelius Catus, Sextus: 89–91 Aelius Hadrianus, Publius: siehe Hadrian Aemilius Lepidus, Marcus: siehe Lepidus Agrippa: 84, 88 Aiton: 164 Aizis: 118 Akornion: 75–78, 81 Ala: 15 Alba Iulia: 61, 143 (Bild), 170, 173, 175, 187–188, 195, 204 (Karte), 205 Alburnus Maior: siehe Roșia Montană Alexander d. Gr.: 37, 53, 61 Alexander Severus: 27 Alpenkäse: 180 Alt: siehe Olt Altreich, rumänisches: 33, 205 Amazonen: 41, 198 Amphitheater: 207–208 Annaeus Florus, Lucius: siehe Quellenregister Literatur Florus Antoninus Pius: 173, 177, 180, 188 Apollodoros von Damaskos: 145, 156 Apollon: 72–74, 155 Apollonia: siehe Sosopol Apuleius: siehe Quellenregister Literatur Pseudo-Apuleius Apulum: siehe Alba Iulia Ardeal: siehe Siebenbürgen Argedauon: 75, 77 Aristagoras: 71, 72, 74, 76 Armenien: 180 Arminia Bielefeld: 37 Arminius: siehe Hermann Arrian: siehe Quellenregister Arrian Astoria Column, Oregon: 157 Atheas (Skythenkönig): 51, 52 Athen: 148, 184, 194 Augustus: 7, 71, 83, 87, 91, 162; siehe auch Quellenregister Inschriften Res Gestae Divi Augusti Aurelian: 11, 197–201, 207 Balchik (Dionysopolis): 43–44, 75–78 Balkan, Balkangebirge: siehe Haimos
Register
229
Banat: 10, 33, 118, 205 Bastarner: 41, 65, 84, 92–93 Belgrad: 42, 169 Benevent, Trajansbogen: siehe Trajansbogen Berzobis: 118, 169 Berzovia: siehe Berzobis Besser: 29, 41, 67 Bistra-Tal: siehe Tapae Boutae: siehe Olt-Durchbruch Brătianu, Ionel G.: 35 Breitwegerich: 29 Brice, Pierre: 155 Briefmarke: 36, 133 (Bild) Brücke – über den Bosporos (Dareios): 45–46 – über die Donau (Dareios): 47 – über die Donau (Trajan): Schiffsbrücke 2 (Bild), 118; Steinbrücke 128, 136 (Bild), 145, 168, 206 Brutus: 23 Bürgerrecht: 16–18, 125, 170, 172, 190, 202 Bukarest, Historisches Nationalmuseum: 157 Bulgarien: 9, 36, 51, 65, 194, 199 Burebista: siehe Byrebistas Burer: 19, 41, 119, 186–187 Buruista: siehe Byrebistas Byrebistas: 36–37, 50, 63–65, 70–71, 75–82, 86, 178 Byzantion: 43, 45, 51–52 Caesar: 23, 27, 39–40, 50, 61, 63, 77, 81–82, 90, 158; siehe auch Quellenregister Literatur Caesar Caninius Rufus: 25, 152 Caput Stenarum: 207 Caracalla: 189–190, 192, 211 Carol I.: 20, 33 Cassiodor: 60 Castra Traiana: 207 Cetatea Histria: siehe Istros Christentum: 202 Chrysopolis: 175 Chrysostomos: siehe Quellenregister Literatur Dion von Prusa Cislău: 181 Claudius: 92, 116 Claudius Fronto, Marcus: 182 Claudius II. Gothicus: 197
230
Anhang
Claudius Livianus, Tiberius: 121 Claudius Maximus, Tiberius: 122, 149–150 (Bild) Claudius Ptolemaios: siehe Quellenregister Literatur Ptolemaios Cluj-Napoca: 164, 171, 204 (Karte), 206 Cniva: siehe Kniva Codex: 24, 194 Commodus: 180, 186–191 Comosicus: 62–64, 88 Condatomagus: siehe La Graufesenque Constanţa: 43–44 Constitutio Antoniniana: 142 (Bild), 191, 201 Cornelius Clemens, Sextus: 184 Cornelius Fuscus: siehe Fuscus Cornelius Lentulus, Gnaeus: 88 Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus, Marcus: 102 Cornelius Tacitus, Publius: siehe Quellenregister Literatur Tacitus corona montium: 10 Coryllus: 62–64, 94 Cotiso: 64, 83–88 Crassus d. Ä.: 77, 84 Crassus d. J.: 84–85, 89, 91 Cuza, Alexandru Ioan: 32 Dacia Apulensis: 173, 181 Dacia Aureliana: 199 Dacia Inferior: 169, 173 Dacia Malvensis: 173 Dacia Mediterranea: 199 Dacia Porolissensis: 171, 173, 206–207 Dacia Ripensis: 199 Dacia Superior: 169–170, 173 Dacicus: 123–124, 148, 157, 160–161, 164–165, 173, 192, 195–196 Daër: 69 Daker, Bezeichnung: 39 Daker, Sprache und Schrift: 19, 95, 101 Dapyx: 84–85 Dardaner: 29, 42, 68–69, 199 Dareios I. d. Gr.: 45 Decebal: 11, 35–37, 64, 95, 100, 102–105, 107, 112, 115, 117–128, 137 (Bild), 149–155, 163, 179, 200–202 Decius: 194–196 Dekaineos: 50, 51, 78–79, 81 Delphi: 67 Demsdorf: siehe Densuș
Register
231
Denar: siehe Quellenregister Münzen Densuș: 144 (Bild), 204 (Karte), 208 Dexippos: siehe Quellenregister Literatur Dexippos Dicineus: 61–64, 79–81 Diëgis: 103–105 Dikomes: 83 Diodoros von Agyrion: siehe Quellenregister Literatur Diodor Dion Chrysostomos: siehe Quellenregister Literatur Dion von Prusa Dionysopolis: siehe Balchik Diurpaneus: 96–97, 99, 101 Dobrudscha: 9, 102 Domitian: 62–63, 96–101, 103–109, 112, 115, 119–120, 123–124, 168 Donau: passim; Donaubrücke s. Brücke Dorpaneus: 62, 64, 98–99, 101 Drei Dakien: 180, 182–183, 186–187, 189, 192–193 Drei-Männer-Kollegiums für das Gießen und Prägen von Kupfer, Silber und Gold: siehe Quellenregister Münzen Münzmeister Drobeta-Turnu Severin: 145, 204 (Karte), 206 Dromichaites: 56–57 Duras: 99–101 Edessa: 172 Einhorn: 40, 42 Eisernes Tor: 10, 116–117, 145, 169 Elch: 40, 42 Eleusis: 184 Epigraphik (Inschriftenkunde): s. Quellenregister Inschriften Erdély: siehe Siebenbürgen Etymologie: 29, 69 Europos: 67 Fernerkundung: 12–13, 123, 211 Festus: siehe Quellenregister Literatur Festus Film: 36, 155 Findelkind: siehe Kind Finte: 52, 66, 70, 94, 103, 126, 200 Flavier, flavische Dynastie: 96, 112 Flavius Arrianus, Lucius: siehe Quellenregister Literatur Arrian Forum: 98, 151, 156, 158, 165 Frauen: 17, 41, 52, 55–56, 65, 72, 92, 100, 159, 172, 179, 184, 189, 193, 198 Fundkontext: 12–13, 16–17, 22, 65, 125, 165, 170 Fuscus: 96–99, 101, 122, 188
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Anhang
Galerius: 162, 193 Gallienus: 196–197, 199 Gemonische Treppe: 151, 155 Germisara: 155 Geta: 189 Geten: 40, 41, 47–51, 54–58, 60–61, 63–65, 69–70, 78–86, 88–89, 94, 100, 103, 108–111, 152, 196 Gherla: 47 Gold: 7, 20–21, 36, 52, 57, 91, 98, 151–152, 174, 178–179, 182–183, 211; siehe auch Quellenregister Münzen Gordian III.: 189, 192 Goten: 60–64, 80–81, 94, 98, 194–198, 202; Goten (bei Jordanes): siehe Geten Grădiștea de Munte: siehe Sarmizegetusa Regia Gudea, Nicolae: 8, 211 Hadrian: 17, 120, 148–149, 164, 166–174, 176, 180, 184 Haimos (Balkan): 43 Heidelberg, Universität, Archäologisches Seminar: 161 Heilkräuterbuch: siehe Quellenregister Literatur Pseudo-Apuleius Heliopolis (Baalbek): 106 Herkynischer Wald: 39 Hermann der Cherusker: 37 Hermannstadt: siehe Sibiu Herodes d. Gr.: 85, 162 Historia Augusta: siehe Quellenregister Literatur Historia Augusta Histria: siehe Istros Hohenzollern: 32 Holz-Wachs-Täfelchen: siehe Quellenregister Inschriften Holz-Wachs-Täfelchen Homer: siehe Quellenregister Literatur Homer homoglottoi: 40, 69, 89 Hortfund: siehe Quellenregister Münzen Hortfund Illyrien: 176, 177 Inschriften: siehe Quellenregister Inschriften Integration von Minderheiten: 7, 33, 38, 203 Istros (Histria): 43, 44, 71, 78, 134 (Bild), 193, 204 (Karte), 206 Iulius Caesar, Gaius: siehe Caesar Iulius Frontinus, Sextus: siehe Quellenregister Literatur Frontin Iulius Quadratus Bassus, Gaius: 167 Iunianus Iustinus, Marcus: siehe Quellenregister Literatur Justin Iunius Brutus, Marcus: siehe Brutus Iunius Nypsus: siehe Quellenregister Literatur Iunius Nypsus
Register
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Jazygen: 41, 125, 163, 168, 182, 185–186 Johannes Lydos: siehe Quellenregister Literatur Johannes Lydos Jordanes: siehe Quellenregister Literatur Jordanes Julian: 115 Junius Nypsus: siehe Quellenregister Literatur Junius Nypsus Justin: siehe Quellenregister Literatur Justin Juvenal: siehe Quellenregister Literatur Juvenal Kappenträger: 36, 80, 81, 120, 121 Karl Borromäus: 157 Karlsburg: siehe Alba Iulia Karpatenbogen und seine Landschaften (Karte): 129 Karpen: 193, 195 Keramikgefäß: 18, 85, 95 Kinder: 55, 57, 159, 166, 175–176, 184 Kinderarbeit: 176 Klausenburg: siehe Cluj-Napoca Kleopatra: 83–84 Klientelkönig: 85, 89, 104, 106, 123, 125, 180, 199 Kniva: 194 Köln: 88, 154 Kogaionon: 50 Kohorte: 15 Konstantinische Exzerpte: siehe Quellenregister Literatur Konstantinische Exzerpte Konstantinos VII. Porphyrogennetos: 26; siehe auch Quellenregister Literatur Konstantinische Experpte Korinth: 154 Koson s. Quellenregister Münzen Koson Kostoboken: 41, 184 Kriton: siehe Quellenregister Literatur Kriton Kyrene: 155 Kyros d. Gr.: 43–44 La Graufesenque: 155 Laktanz: siehe Quellenregister Literatur Laktanz Landkarten: 42, 200 Landvermessung: 146 Landwirtschaft: 7, 174 Langhaarige: 80–81, 120–121 Latein: 7, 148, 176–177, 202–203 Legion: 15; – IV. Legion Flavia: 117, 169 – V. Legion Macedonica: 116, 148, 181, 196
234
Anhang
– XIII. Legion Gemina: 154, 170, 175, 188, 196, 205 Lepidus: 83 Licinius Crassus, Marcus: siehe Crassus Licinius Sura, Lucius: 121 Limes Trans-Alutanus: 170, 193 List: siehe Finte Literarische Zeugnisse: s. Quellenregister Literatur Livius: siehe Quellenregister Literatur Livius Lobüscher, Thomas: 8, 211 London, Victora & Albert Museum: 157 Longinus: 127, 128 Luftbild: siehe Fernerkundung Lukian: siehe Quellenregister Literatur Lukian Lusius Quietus: 122 Lysimachos: 56 Makedonien: 37, 42, 66–68 Mărășești: 161 Marathon: 45 Marcius Turbo, Quintus: 168, 170 Marcus Antonius: 82–84, 86, 181 Mark Aurel: 157, 180, 187 – Mark-Aurel-Säule: 157, 159 Markomannen: 181 Martial: siehe Quellenregister Literatur Martial Massenumsiedlung: 89, 91, 93, 95, 187, 199, 201 Meilenstein: 18, 164, 197 Mesembria: siehe Nessebar Michael VII. Dukas: 27 Militärdiplom s. Quellenregister Inschriften Minucius Rufus, Marcus: 66, 67, 68, 70, 95, 103, 200 Moesia, Moesien: 9–10, 42, 62, 65, 69, 84, 89, 91–93, 97, 100, 103, 109, 126, 168–169, 173, 195, 198–200, 202 Moesia Inferior: 102, 169 Moesia Superior: 102, 125, 163, 169, 182, 183, 199 Moigrad: siehe Porolissum Moldova (Moldau): 9, 32 Mommsen, Theodor: 90, 215 München, Schatzkammer der Residenz: 157 Münzen, Münzkunde, Münzmeister: siehe Quellenregister Münzen Muntenien: 9 Munţii Apuseni: 10, 173–174 Mureșanu, Andrei: 33, 216
Register
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Napoca: siehe Cluj-Napoca Nationalhymne: 33, 34 (Noten), 35 Neniţescu, Ioan: 35, 216 Nero: 93, 97, 180–181 Nerva: 112 Nessebar (Mesembria): 44, 75, 78 Neues Testament: siehe Quellenregister Literatur Neues Testament Nicolaescu, Sergiu: 155 Nordmazedonien: 37, 53 Numismatik (Münzkunde): siehe Quellenregister Münzen Oberdakien: siehe Dacia Superior Obermoesien: siehe Moesia Superior Octavi(an)us: siehe Augustus Olt: 9, 160, 170, 193 – Olt-Durchbruch (Butae): 9–10, 62, 130 (Bild), 204 (Karte), 206–207 Oltenien: 9 Olympia: 109 Oppermann, Manfred: 18, 211 optimus princeps: 124; siehe auch Trajan Oroles: 64–65, 77 Orosius: siehe Quellenregister Literatur Orosius Osburg, Edna: 4, 219 Osmanisches Reich: 30, 32 Palimpsest: 26, 194 Pann, Anton: 33 Pannonia: 41, 97, 107, 148, 163, 168, 196 Papyrus: siehe Quellenregister Papyrus Paris, Colonne Vendôme: 157 Pergament: 15; siehe auch Palimpsest Pergamon: 167 Pest: 181, 197 Petros Patrikios: siehe Quellenregister Petros Patrikikos Philipp II.: 37, 51, 53, 58, 70, 95, 103, 200 Philippi: 150 Philippopolis: siehe Plowdiw Philippus Arabs: 194 Philostrat: siehe Quellenregister Literatur Philostrat Pilz: 19, 119 Plautius Silvanus Aelianus, Tiberius: 92–93 Plinius d. Ä. und d. J.: siehe Quellenregister Literatur Plinius d. Ä. und d. J. Plowdiw: 194 Plutarch: siehe Quellenregister Literatur Plutarch
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Anhang
Poetovia: siehe Ptuj Pompeius Magnus, Gnaeus: 27 Pompeius Trogus: siehe Quellenregister Pompeius Trogus Pompeius, Gnaeus: 27, 76–77, 81 Pomponius Rufus, Quintus: 23 Porolissum: 140 (Bild), 171, 204 (Karte), 206–207 Potaissa: 164, 181 pothos: 55–56 Praefekt: 16 Prähistorie: siehe Vorgeschichte Priscian: siehe Quellenregistger Literatur Prisican Prokop: siehe Quellenregistger Literatur Prokop Protochronismus: 36, 95, 161, 205, 214 Pseudo-Apuleius: siehe Quellenregistger Literatur Pseudo-Apuleius Pseudo-Skymnos: siehe Quellenregistger Literatur Pseudo-Skymnos Ptuj, Slowenien: 196 Pufferzone: 186–187 Pythagoras: 48–50 Ratiaria: 199 Re-Enactment: 30 Remeş, Decebal Traian: 156 Reșca: siehe Romula Revolutionsjahr 1848: 32–33, 37 Revolutionsjahr 1989: 13, 33, 163, 214 Römerblut: 33, 35 römisches Recht: 176–177, 203; siehe auch Bürgerrecht Rolas: 65 Roles: 84–85, 104 Rom, Museo della Civiltà Romana: 157 Romula: 193 Roșia Montană: 15, 141 (Bild), 174, 178, 181, 204 (Karte), 207 Roter-Turm-Pass: siehe Olt-Durchbruch Roxolanen: 41, 92–93, 120, 168, 186 Rubobustes: 64, 77 Rufius Festus: siehe Quellenregister Literatur Festus Rumänien, Staat: 7, 32 Rumänische Sprache: 7, 202 Salmoxis: 48–50, 78–79, 155 Salz: 7, 174, 178–179 Sarmaten: 41, 92, 97–98, 107, 168, 184 Sarmizegetusa Regia: 13, 95, 123, 131 (Bild), 204 (Karte), 207 Schätzung: 162–163
Register
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Schatzfund: siehe Quellenregister Münzen Hortfund Schiffsbrücke: siehe Brücke Schutzgeld: 104, 106–107, 120, 168, 195, 199 Scoryllus: 64 Scorylo: 94–95 Scribonius Curio, Gaius: 11, 68 Scythica Vindobonensia: siehe Quellenregister Literatur Dexippos Septimius Severus: 188–189 Serbien: 9, 42, 66, 102, 145, 165, 197 Serdica: 199 Seuche: siehe Pest Sibiu / Hermannstadt: 206 Siebenbürgen: 9, 32–33 Siebenbürgisches Becken: 9–10, 103, 201, 207 Siedlungen außerhalb der Lagertore: 189 Silber: 21–22, 52, 91, 98, 151–152, 157, 178; siehe auch Quellenregister Münzen Silbergroschen: siehe Quellenregister Münzen Denar Singidunum: siehe Belgrad Sklaverei: 48–49, 69, 104, 176–177, 190 Skordisker: 42, 66–67 Skymnos: siehe Quellenregister Literatur Pseudo-Skymnos Skythen: 41, 43–45, 47, 51–53, 60, 69, 194 Sofia, Bulgarien: siehe Serdica Sosopol (Apollonia): 44, 51 Statilius Kriton, Titus: siehe Quellenregister Literatur Kriton Stefan, Alexandre Simon: 8, 211 Steuern und Abgaben: 190 Strabon: siehe Quellenregister Literatur Strabon Suetonius Tranquillus, Gaius: siehe Quellenregister Literatur Sueton Sulla: 61, 63, 81 Syrien: 172 Tabula Peutingeriana: siehe Quellenregister Tabula Peutingeriana Tacitus: siehe Quellenregister Literatur Tacitus Tapae: 10, 19, 62, 102–103, 118–119, 207–208 Terentius Gentianus, Decimus: 166 Terentius Scaurianus, Decimus: 165–166 Terra Sigillata: 155 Theiß: 10, 160 Thiamarkos: 85–86, 95 Thraker, Thrakien: 41, 43–44, 46–49, 56–58, 66–68, 70–71, 76–77, 82, 85, 89, 197 Tiberius: 62–64, 79, 88, 90–91, 97, 151 Tibod: 181 Tilișca: 178
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Tiliscus, Marcus: 178 Titus: 96–97 Tomoi: siehe Constanta Toponymika: 27–28; siehe auch Quellenregister Literatur Ptolemaios Trajan: 11, 14, 17, 19, 25, 33, 35–37, 112–128, 145, 148–149, 152, 156, 158–160, 162–169, 174, 179, 188, 198–199, 201–202, 206, 208; siehe auch Quellenregister Münzen Trajan und Literatur Trajan Trajan (Font): 157 Trajansbogen von Benevent: 160 Trajansforum: 14, 145, 156, 182, 183 Trajanssäule: 2 (Bild), 14, 19, 30, 136–137 (Bilder), 145, 156–161, 167, 211 translatio imperii: 63 Transsilvanien: siehe Siebenbürgen Trebonianus Gallus: 195 Tres Daciae: siehe Drei Dakien Trianon, Vertrag von: 33 Triballer: 42, 53 Tribun: 16 Tribunicia Potestas: 17, 116–117, 124, 157–160, 164–165, 170, 172, 184, 192–195, 197 Trier: 145 Triumvirat, Erstes: 77, 84 Triumvirat, Zweites: 83 Tropaeum Traiani: siehe Adamclisi Turbo: siehe Marcius Turbo Tzetzes: siehe Quellenregister Literatur Tzetzes Ucenescu, Gheorge: 33 Ulpia Traiana Sarmizegetusa 140 (Bild), 165–166, 170–171, 173, 183–184, 192, 204 (Karte), 207–208 unbekannte Herkunft: siehe Fundkontext UNESCO: 191, 205, 207–208 Unterdakien: siehe Dacia Inferior Untermoesien: siehe Moesia Inferior Untersaal bei Kehlheim: 186 Valence (Valentia), Frankreich: 197 Valerius Martialis, Marcus: siehe Quellenregister Literatur Martial Vandalen: 197 Veh, Otto: 99, 211 Velius Rufus, Gaius: 106–107 Velleius Paterculus: siehe Quellenregister Literatur Velleius Paterculus Vergina: 53 Verus, Lucius: 180–181
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Vespasian: 93, 96–97, 107, 112 Vettius Sabinianus, Gaius: 187 Vierkaiserjahr: 93, 95–96, 167, 180, 188 Vinicius, Marcus: 87 Vipsanius Agrippa, Marcus: siehe Agrippa Vitanidis, Gheorge: 36 Vorgeschichte: 12 Wachstäfelchen: siehe Quellenregister Inschriften Holz-Wachs-Täfelchen Walachei: 9–10, 32 Wein: 57, 70, 73, 78–79, 114, 149 Wien, Karlskirche: 157 Winnetou: siehe Brice Wulfila: 202 Xiphilinos: siehe Quellenregister Literatur Xiphilinos York: 189 Zamolxis: siehe Salmoxis Zürich, Universität, Archäologische Sammlung: 157 Zyraxes: 84–85
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