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German Pages VIII, 60 [61] Year 2020
Patric U. B. Vogel
COVID-19: Suche nach einem Impfstoff
essentials
essentials liefern aktuelles Wissen in konzentrierter Form. Die Essenz dessen, worauf es als „State-of-the-Art“ in der gegenwärtigen Fachdiskussion oder in der Praxis ankommt. essentials informieren schnell, unkompliziert und verständlich • als Einführung in ein aktuelles Thema aus Ihrem Fachgebiet • als Einstieg in ein für Sie noch unbekanntes Themenfeld • als Einblick, um zum Thema mitreden zu können Die Bücher in elektronischer und gedruckter Form bringen das Expertenwissen von Springer-Fachautoren kompakt zur Darstellung. Sie sind besonders für die Nutzung als eBook auf Tablet-PCs, eBook-Readern und Smartphones geeignet. essentials: Wissensbausteine aus den Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften, aus Technik und Naturwissenschaften sowie aus Medizin, Psychologie und Gesundheitsberufen. Von renommierten Autoren aller Springer-Verlagsmarken.
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Patric U. B. Vogel
COVID-19: Suche nach einem Impfstoff
Patric U. B. Vogel Vogel Pharmopex24 Cuxhaven, Deutschland
ISSN 2197-6708 ISSN 2197-6716 (electronic) essentials ISBN 978-3-658-31339-5 ISBN 978-3-658-31340-1 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31340-1 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Stefanie Wolf Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Was Sie in diesem essential finden können
• Eine Einführung in das Prinzip von alten und neuen Impfstofftechnologien. • Die Darstellung von historischen Erfolgen und Misserfolgen bei der Entwicklung und dem Einsatz von Impfstoffen. • Eine Übersicht über die derzeit laufenden Impfstoffprojekte gegen COVID-19 sowie deren Fortschritt. • Zusätzliche Faktoren, die bei der Anwendung von Impfstoffen berücksichtigt werden sollten.
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2
Coronaviren: Historie und Viruseigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.1 Historie der Coronaviren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 2.2 Eigenschaften von Coronaviren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
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Impfstofftechnologien, Ansätze gegen COVID-19, klinische Phasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.1 Übersicht Impfstofftechnologien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 3.2 Immunantwort und wichtige Konzepte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3.3 Präklinische und klinische Phasen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
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Attenuierte Lebendimpfstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.1 Klassische Lebendimpfstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4.2 Neue Ansätze Lebendimpfstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
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Vektorimpfstoffe und virus-ähnliche Partikel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 5.1 Vektorimpfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 5.2 Virus-ähnliche Partikel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
6 Inaktivat-Impfstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 6.1 Prinzip und Historie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 6.2 Ansätze gegen COVID-19. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 7
Rekombinante Proteine (Protein-Untereinheiten). . . . . . . . . . . . . . . . 31
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Nukleinsäure-basierte Impfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 8.1 DNA-Impfstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 8.2 mRNA-Impfstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
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VIII
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Inhaltsverzeichnis
Weitere Aspekte – Ein Impfstoff für alle? – Herdenimmunität – Dauer der Immunität – Sterilisierende Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
10 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
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Einleitung
Impfstoffe gehören zu den größten Errungenschaften der modernen Medizin. Was im 18 Jahrhundert mit dem Kampf gegen die Pocken seinen Anfang nahm, hat einen phänomenalen Siegeszug im Gesundheitswesen erlebt. Schätzungen zufolge verhindert der weltweite Einsatz von Impfstoffen jährlich mehrere Millionen Todesfälle, vor allem unter Kindern (CDC 2014). Impfstoffe sind jedoch kein Wundermittel, mit dem Infektionskrankheiten einfach und bequem ausgerottet werden können. Bis heute sind nur zwei Infektionskrankheiten, die Pocken und die Rinderpest, durch intensive Bekämpfungsmaßnahmen, einschließlich Impfkampagnen, vollständig eliminiert worden (Hamilton et al. 2015). Viele andere Infektionskrankheiten wie Masern, gegen die Impfungen zur medizinischen Grundversorgung gehören, werden lediglich unter Kontrolle gehalten. Warum gibt es selbst nach Jahrzehnten des Einsatzes von Impfstoffen nicht mehr Infektionskrankheiten, die ausgemerzt wurden? Zum einen werden nicht alle Menschen, gerade in besonders armen Entwicklungsländern, geimpft. Somit verbleibt eine empfängliche Population, innerhalb derer Pathogene „überleben“. Zum anderen verleihen bestimmte Impfungen keine sterilisierende Immunität, d. h. die geimpfte Person ist zwar gegen eine Erkrankung beschützt, jedoch nicht gegen eine Infektion, wodurch sich Viren weiterverbreiten können. Einige Viren verändern sich stetig durch genetische Prozesse, oder springen von Zeit zu Zeit von Tieren auf Menschen über. Auch wenn aus diesen Gründen eine vollständige Ausrottung in vielen Fällen illusorisch ist, helfen Impfstoffe viele Infektionskrankheiten zu kontrollieren. Der Prozess der Impfstoffentwicklung – die Entwicklung von der Idee bis hin zur Zulassung – ist langwierig und dauert durchschnittlich über 10 Jahre. Hieraus folgt, dass gegen neue virale Erkrankungen zunächst kein Impfstoff zur Verfügung steht. Im späten 20 Jahrhundert war diese Gefahr relativ überschaubar, © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. U. B. Vogel, COVID-19: Suche nach einem Impfstoff, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31340-1_1
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1 Einleitung
häufig in Form von neuen Influenza-Pandemien mit großen zeitlichen Abständen. Unter Pandemie versteht man die Ausbreitung eines Erregers auf verschiedenen Kontinenten. Durch die zunehmende Globalisierung, eine wachsende Erdbevölkerung, Klimaveränderungen, und dem fortschreitenden Eindringen in Lebensräume von Wildtieren hat sich dieses Muster und die Auftretenswahrscheinlichkeit von viralen Infektionskrankheiten fundamental verändert. Neuartige Viren oder die Rückkehr von bekannten Viren tritt in immer kürzeren Abständen auf und ist mittlerweile mehr die Regel als die Ausnahme. Dies wird durch die zahlreichen Ereignisse der letzten Dekade verdeutlicht. Nach der pandemischen Schweinegrippe ab 2009 (Sullivan et al. 2010), der stetigen Zunahme von Dengue-Fieber mit Spitzen in 2010 und 2015 (WHO 2020a), der Chikungunya Virus-Epidemie in Amerika in 2013 (Weaver and Forrester 2015), der Häufung von MERS-Fällen in 2014 nach der erstmaligen Beschreibung in 2012 (Oboho et al. 2015), der Ebola Epidemie von 2013–2016 in Westafrika (Coltart et al. 2017), Ausbrüche der durch Stechmücken übertragenden Zika-Krankheit in 2013–2014 und der großen Zika Epidemie in 2015–2016 (Musso und Gubler 2016), dem Wiedererscheinen von Ebola in Zentralafrika in 2018–2020 (Ilunga Kalenga et al. 2019) und der Ausbreitung von COVID-19 seit Ende 2019. Somit sieht sich die Menschheit ständig neuartigen Erkrankungen gegenüber und Coronaviren scheinen Schlüsselspieler in dieser Bedrohung im 21 Jahrhundert zu sein. Neue Coronaviren, die beim Menschen auftreten, stammen aus Tieren. Eine Erkrankung, die von Tieren auf andere Tiere oder Menschen übertragen wird, wird Zoonose genannt. Coronaviren haben bereits viele Male den Sprung vom Tier zum Menschen geschafft, wobei Fledermäuse und Nagetiere als Hauptquelle, teilweise mit anderen Tieren als Zwischenüberträger, identifiziert wurden. Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 hat die Gesundheitssysteme und die Wirtschaft vor nie da gewesenen Aufgaben und Schwierigkeiten gestellt. Zwar waren ähnliche Maßnahmen bereits vor hundert Jahren beim Ausbruch der Spanischen Grippe ergriffen worden, jedoch erfolgte die globale Verbreitung langsamer und die Maßnahmen waren auf bestimmte Länder bzw. Regionen beschränkt (Wilton 1993). Auch das ähnliche SARS-Virus im Jahr 2002/2003 wurde durch massive Maßnahmen der Infektionskontrolle bekämpft und unter Kontrolle gebracht. Die Kosten der im Fernen Osten ergriffenen Maßnahmen werden auf 30 Mrd. Dollar geschätzt (Chan-Yeung und Xu 2003). Die Umstände der rasanten Verbreitung von COVID-19 erfordern eine schnelle Reaktion. Ein zentraler, wenn nicht sogar der wichtigste, Baustein in der Bekämpfung dieser neuen Krankheit COVID-19 liegt in der Entwicklung und Bereitstellung
1 Einleitung
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eines Impfstoffs. Bereits in einer frühen Phase der weltweiten Ausbreitung wurden Rufe nach einem schnellen Impfstoff innerhalb von einem Jahr laut. Diese Forderungen sind vor dem Hintergrund der gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 verständlich, stehen aber im Gegensatz zu der üblichen Dauer der Impfstoffentwicklung und -zulassung. Eine Ausnahme hiervon ist die Influenza, bei der pharmazeutische Unternehmen Erfahrung mit der schnellen Adaption der Technologie an neue Varianten haben und somit die Entwicklung neuer Impfstoffe deutlich beschleunigen können. Das Ziel, so schnell wie möglich einen Impfstoff gegen COVID-19 zu haben, hat beispiellose Aktivitäten von Forschungsgruppen und pharmazeutischen Unternehmen in Gang gesetzt (siehe Kap. 3), mit der Hoffnung, dass man bereits nächstes Jahr den ersten Impfstoff hat. Der Status dieser Projekte wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zusammengefasst und laufend aktualisiert (WHO 2020b). Unabhängig davon, welche Technologie sich durchsetzt, eine Beschleunigung des Prozesses der Entwicklung und Zulassung ungefähr um den Faktor 10 (1 Jahr anstatt 10 Jahre) geht mit einigen Risiken einher. Teil der Historie der Impfstofftechnologie sind zahlreiche Fälle von abgebrochenen oder fehlgeschlagenen klinischen Studien. Die Gründe sind vielfältig, von zu starken Nebenwirkungen bei Versuchspersonen bis zur ausbleibenden Wirkung. Hierzu zählen auch Fälle, in denen eine Impfung zu einer Verschlimmerung des Krankheitsverlaufs einer anschließenden, natürlichen Infektion führte. Selbst wenn ein Impfstoff in der normalen Zeit erfolgreich alle Stufen der Zulassung durchlaufen hat, heißt das nicht, dass kein Schaden auftreten kann. Es gab Fälle, bei denen Produkte kurz nach Markteinführung wieder zurückgezogen wurden, aufgrund von Komplikationen, die vorher nicht abschätzbar waren. Die Regularien und hohen Qualitätsanforderungen an die Zulassung von Impfstoffen sind daher wohl überlegt und dienen der Patientensicherheit. Aus diesem Grund könnte die erhebliche Beschleunigung der Zulassung zu einem Übersehen von Risiken und Schwächen führen, und bei massenhafter Anwendung innerhalb eines kurzen Zeitraums verheerende medizinische Auswirkungen haben. In diesem Buch werden wir verschiedene Impfstofftypen, ihre Vor- und Nachteile, sowie die derzeit laufenden Projekte zur Impfstoffentwicklung gegen COVID-19 kennenlernen.
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Coronaviren: Historie und Viruseigenschaften
2.1 Historie der Coronaviren Coronaviren wurden in den 1930er Jahren das erste Mal als Erreger einer Infektionskrankheit bei Geflügel beschrieben. Die Krankheit wurde als „Infektiöse Bronchitis“ benannt (Bijlenga et al. 2004) und ist bis heute eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten des Geflügels. Die ersten humanen Coronaviren wurden in den 1960er Jahren entdeckt (Kahn und McIntosh 2005). Molekularbiologische Analysen weisen jedoch daraufhin, dass einige Coronaviren bereits vor mehreren hundert Jahren auf den Menschen übertragen wurden und seitdem in unserer Population zirkulieren (Graham et al. 2013). Coronaviren sind mit 80 bis 120 nm sehr klein (Masters 2006). Das ist ungefähr hundertfach kleiner als unsere Körperzellen bzw. 10.000 Mal kleiner als der Abstand zwischen zwei Millimeterstrichen auf einem Lineal. Aus diesem Grund konnte ihre Morphologie, also ihr Aussehen, nur durch eine hochauflösende Technik, der Elektronenmikroskopie, beschrieben werden. Unter dem Elektronenmikroskop haben die Viren eine ovale Form mit langen Fortsätzen auf der Oberfläche (siehe Abb. 2.1). Dieses kronenartige Erscheinungsbild war maßgeblich für die Namensgebung der Coronaviren (der lateinische Begriff corona bedeutet Krone). Es sind insgesamt sieben humane Coronaviren bekannt. Vier dieser Coronaviren (bezeichnet als 229E, NL63, HKU1 und OC63) kommen weltweit vor und verursachen in der kalten Jahreszeit typische Erkältungskrankheiten, mit denen jeder von uns im Laufe seines Lebens ein oder mehrmals unliebsame Bekanntschaft gemacht haben dürfte. Diese Coronaviren verursachen in der kalten Jahreszeit ca. 15 % aller Erkältungskrankheiten (Kahn und McIntosh 2005; Greenberg 2016).
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. U. B. Vogel, COVID-19: Suche nach einem Impfstoff, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31340-1_2
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2 Coronaviren: Historie und Viruseigenschaften
Abb. 2.1 Elektronenmikroskopische Darstellung von Coronaviren (mit zusätzlich eingefügten 3D-Effekt). (Quelle: Adobe Stock, Dateinr.: 329773404; Lizenziert (Standardlizenz) von Patric Vogel)
Daneben gibt es drei weitere Coronaviren, die erst nach der Jahrhundertwende von Tieren auf den Menschen übertragen wurden. Die von ihnen verursachten Krankheiten hatten und haben wegen der hohen Sterblichkeitsrate eine besondere Medienwirksamkeit. Der Erreger des schweren akuten Atemwegssyndroms (SARS), trat erstmalig im Jahr 2002 in China auf. Es gab 8096 Fälle mit 774 Toten (WHO 2004). SARS wurde im Juni 2003 als besiegt erklärt. Interessanterweise war SARS kein einmaliges Ereignis der Übertragung von Tieren auf den Menschen. Die Diagnostik war damals nicht so ausgefeilt wie heute und es dauerte einige Zeit, bis ein Coronavirus als Erreger dieser Krankheit nachgewiesen wurde (Drosten et al. 2003). Die nachträgliche Analyse von Serumproben (aus Blutproben gewonnene Flüssigkeit, die u. a. Antikörper enthält) zeigte, dass bereits ein Jahr zuvor, im Jahre 2001, gesunde Menschen in Hong Kong Antikörper gegen SARS-Viren hatten (Graham et al. 2013). Diese Personen mussten also eine entweder unerkannte oder nicht auf ein neues Virus zurückgeführte Infektion durchlaufen haben. Das Middle East Respiratory Syndrome (MERS) wurde erstmalig im Jahr 2012 beschrieben (Zaki et al. 2012). Anders als SARS gab es keinen einzelnen lokalen Ausbruch. MERS ist eine konstante Gefahr, da das Virus in Dromedaren (einhöckrige Kamele) zirkuliert, für die es ungefährlich ist, und immer wieder sporadisch auf den Menschen übertragen wird. Insgesamt sind mittlerweile über 2500 MERS-Fälle beim Menschen bekannt (WHO 2020c). Auf Basis
2.2 Eigenschaften von Coronaviren
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der nachträglichen Analyse von gelagerten Serumproben wird vermutet, dass MERS-Viren seit den frühen 1980er Jahren in Dromedaren vorkommen (de Wit et al. 2016). Es wurden bei 70 % bis 100 % aller Dromedare der Arabischen Halbinsel und Nordafrika Antikörper gegen MERS-Viren gefunden (Banerjee et al. 2019). Aufgrund der starken Verbreitung in Dromedaren wird das Virus auch zukünftig auf Tierbesitzer und -pfleger sowie Touristen überspringen. Die Sterblichkeitsrate ist sogar noch höher als bei SARS, mit derzeit 34.3 % (WHO 2020c). Obwohl die Krankheit eher sporadisch auftritt, darf man MERS nicht unterschätzen. Einige Forscher vermuten, dass sich MERS derzeit in einer Phase befindet, die man die „Ruhe vor dem Sturm“ bezeichnen könnte. Sofern das Virus durch zufällige genetische Mutationen die Fähigkeit erwirbt, effektiv von Mensch-zu-Mensch übertragen zu werden, könnte uns die nächste CoronavirusPandemie bevorstehen (Graham et al. 2013; Corman et al. 2018). COVID-19 (abgeleitet vom englischen Namen „coronavirus disease 2019“) wurde erstmalig Ende Dezember 2019 in der chinesischen Stadt Wuhan erkannt. Der Erreger, SARS-CoV-2, besitzt einige Ähnlichkeiten zum SARS-Virus und verursacht eine teils schwerwiegend verlaufende Lungenkrankheit. Eine Analyse der genetischen Information des neuen Virus lässt vermuten, dass es seit mind. Anfang November 2019 in Menschen zirkuliert (Li et al. 2020). Das Virus verbreitete sich innerhalb von wenigen Wochen und Monaten auf der ganzen Welt und wurde im März von der WHO als Pandemie eingestuft. Derzeit (Stand 01.07.2020) sind ca. 10.500.000 Mio. Infektionen und über 510.000 Todesfällen bestätigt (CSSE 2020).
2.2 Eigenschaften von Coronaviren Das Viruspartikel, Virion genannt, besteht aus nur 4 Proteinen, einer Virushülle, und dem Virusgenom (Abb. 2.2). Außen befindet sich die Virushülle, eine Membran, die das Virus von der letzten infizierten Zelle durch Abschnürung von der Oberfläche erhält. Das sog. Spike-Protein bildet die langen, namengebenden Fortsätze, mit denen die Viren an Zellen andocken. Es hat eine besondere Bedeutung für die Impfstoffentwicklung, da es das Immunsystem besonders gut aktiviert. Die anderen beiden Oberflächenproteine haben unterstützende Funktion, z. B. beim Zusammenbau neuer Viruspartikel. Im Inneren steckt die genetische Information des Virus in Form einer Ribonukleinsäure (RNA), die auch Virusgenom genannt wird. Diese ist vom vierten sog. N-Protein ummantelt und stabilisiert (Fehr und Perlman 2015).
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2 Coronaviren: Historie und Viruseigenschaften
Abb. 2.2 Aufbau des Viruspartikels. (Quelle: Adobe Stock, Dateinr.: 339973957; Lizenziert (Standardlizenz) von Patric Vogel, Bild nachträglich modifiziert)
Die 4 Proteine, die Teil des Virions sind, werden strukturelle Proteine genannt, da sie das fertige Viruspartikel bilden. Das Virusgenom enthält neben diesen auch die genetische Information für weitere Proteine. Diese werden erst nach Infektion einer Zelle gebildet und helfen, das Virus zu vervielfachen. Diese Proteine, genauer Enzyme, produzieren große Mengen Boten-RNA (für die anschließende Bildung von Virusproteinen) und weitere Kopien des Virusgenom. Das führt dazu, dass sich in virusinfizierten Zellen viele Nachkommen, also vollständige Viruspartikel bilden. Die neuen Virionen werden in der Zelle zusammengebaut und an der Zelloberfläche freigesetzt. Zusätzlich kodiert das Virusgenom je nach Virus für eine variable Anzahl von Hilfsproteinen. Diese dienen dem Virus u. a., um das Immunsystem des Wirts zu stören bzw. zu täuschen (de Wit et al. 2016).
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Impfstofftechnologien, Ansätze gegen COVID-19, klinische Phasen
3.1 Übersicht Impfstofftechnologien Es gibt noch keinen zugelassenen Impfstoff gegen Coronavirus-Krankheiten beim Menschen. Aufgrund der Bedeutung von SARS und MERS wurden viele Impfstoffkandidaten entwickelt und überprüft. Leider hat noch keiner dieser Kandidaten alle Stufen der Impfstoffzulassung gemeistert, wobei viele SARS-Projekte aufgrund des Verschwindens der Krankheit nicht bis zum Ende fortgesetzt wurden. Im Hinblick auf COVID-19 sind diese Projekte aber sehr wertvoll, da das Wissen helfen kann, bestimmte Sackgassen bei der Entwicklung zu vermeiden. Ein Blick auf das Tierreich gibt zusätzlich einen Hoffnungsschimmer. Es gibt seit über einem halben Jahrhundert Coronavirus-Impfstoffe. Der erste Coronavirus-Impfstoff wurde gegen die Infektiöse Bronchitis (IB) entwickelt, einer verheerenden Erkrankung des Geflügels. IB erreicht Mortalitätsraten in Geflügelbeständen von bis zu 25 %, wird aber durch den Einsatz von Impfstoffen unter Kontrolle gehalten (OIE 2000). Zudem gibt es u. a. einige Impfstoffe gegen Coronavirus-Erkrankungen, die ein erhebliches Problem für die Schweine-Industrie darstellen (Gerdts und Zakhartchouk 2017). Abb. 3.1 fasst die verschiedenen Ansätze der Impfstoffentwicklung zusammen, die heutzutage gegen Infektionskrankheiten zur Verfügung stehen und die wir in diesem Buch kennenlernen werden. Ein Ansatz ist es, das Virus so zu verändern, dass es in seiner Gefährlichkeit abgeschwächt wird. Dieser Typ wird Lebendimpfstoff genannt und enthält dann ganze, vermehrungsfähige Viruspartikel (siehe Kap. 4). Der zweite klassische Ansatz ist es, dass Virus durch z. B. chemische Reagenzien zu inaktivieren. Dieser Inaktivat-Impfstoff enthält ebenfalls ganze Viruspartikel, die sich jedoch nicht mehr vermehren können. Weitentwicklungen hiervon sind Spaltund Untereinheiten-Impfstoffe, bei denen nur Teile des inaktivierten Virus im Impf© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. U. B. Vogel, COVID-19: Suche nach einem Impfstoff, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31340-1_3
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3 Impfstofftechnologien, Ansätze gegen COVID-19, klinische Phasen
Abb. 3.1 Übersicht verschiedener Impfstofftypen. (Quelle: Erstellt von Patric Vogel unter Verwendung und Modifikation von Adobe Stock, Dateinr. 339973957 und Adobe Stock, Dateinr.: 350847731; Lizenziert (Standardlizenz) von Patric Vogel)
stoff enthalten sind (siehe Kap. 6). Bei den Vektorimpfstoffen wird nur ein Teil, z. B. die genetische Sequenz für ein Protein des gefährlichen Virus, in ein ungefährliches Virus gebracht. Der Vektor hilft, ggfs. die Virusproteine und/ die genetische Sequenz in die Körperzellen zu bringen, in der das virale Protein gebildet wird (siehe Abschn. 5.1). Im Gegensatz hierzu sind virus-ähnlichen Partikeln leere Hüllen oder Partikel, die keine virale Nukleinsäure im Inneren haben (siehe Abschn. 5.2). Zwei ebenfalls neue Technologien zielen nicht darauf ab, ein anderes Virus zu benutzen, sondern die genetische Information in Form von Nukleinsäuren direkt in die Zellen zu bringen. Hierzu gehören DNA- und mRNA-Impfstoffe (siehe Kap. 8). Ein anderer Ansatz basiert auf rekombinanten Proteinen, auch Untereinheiten genannt. Die Proteine werden mittels gentechnischer Methoden in z. B. Bakterien hergestellt und dann als Protein-Impfstoff verabreicht (Kap. 7). Kurz nachdem klar war, welche enorme Tragweite diese Pandemie haben würde, und dass eine lokale Eindämmung illusorisch war, liefen beispiellose Vorbereitungen zur Entwicklung von Impfstoffen gegen COVID-19 an. Die WHO erfasst derzeit systematisch alle laufenden Projekte zur Impfstoffentwicklung gegen COVID19 sowie deren Fortschritt. Es sind ca. 150 verschiedene Impfstoffkandidaten in
3.2 Immunantwort und wichtige Konzepte
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Abb. 3.2 Prozentualer Anteil der einzelnen Technologien zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID-19. (Quelle: Erstellt durch Patric Vogel unter Verwendung von MS Excel)
ntwicklung, von denen sich über 10 % bereits in den klinischen Phasen befinden E (siehe Abschn. 3.3) (WHO 2020b). Die wissenschaftliche Gemeinschaft und die pharmazeutische Industrie setzen hierbei auf ein Breitschwert, wobei neuere Technologien besonders im Fokus stehen. Zahlenmäßig werden die Projekte angeführt von Kandidaten auf Proteinbasis (ca. 1/3 der Projekte) und Vektorviren (ca. 1/4 der Projekte), gefolgt von N ukleinsäure-basierten Kandidaten, während die klassischen Ansätze (Lebendimpfstoffe und Inaktivat-Impfstoffe) zusammen weniger als 10 % ausmachen (Abb. 3.2).
3.2 Immunantwort und wichtige Konzepte Was passiert bei einer Impfung? Das menschliche Immunsystem besteht aus zwei sog. Armen, der angeborenen, und der adaptiven Immunantwort (Müller et al. 2008). Die angeborene Immunantwort ist unspezifisch und setzt ein, wenn ein Krankheitserreger in den Körper eindringt, verleiht uns sozusagen einen frühen allgemeinen Schutz, reicht aber in einigen Fällen nicht aus, um eine Krankheit zu verhindern. Die adaptive Immunantwort basiert auf einer spezifischen Erkennung eines Krankheitserregers und führt z. B. zur Bildung großer Mengen von Antikörper (humorale Immunantwort), die das Virus ummanteln und damit blockieren und/oder Immunzellen, die z. B. virusinfizierte Zellen attackieren (zellvermittelte Immunantwort). Der Startpunkt sind sog. antigenpräsentierende
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3 Impfstofftechnologien, Ansätze gegen COVID-19, klinische Phasen
Zellen, z. B. Fresszellen, die als „Wächter“ die Zellzwischenräume in unserem Körper patrouillieren. Wenn sie Viren oder deren Bestandteile finden, „schlucken“ sie diese, verarbeiten sie zu kleineren Fragmenten und zeigen diese Fragmente auf ihrer Zelloberfläche. Sie wandern in kleine Lymphknoten, Orte in denen große Mengen von unreifen Immunzellen quasi auf den Einsatzbefehl warten, und aktivieren diese. In der Folge vermehren sich spezialisierte Immunzellen, die beginnen, das neue Virus zu bekämpfen. Diese Prozesse spielen sich im Körper auch nach einer Impfung ab, d. h. als Reaktion auf die im Impfstoff enthaltenen Komponenten. Der entscheidende Vorteil ist nun, dass sich einige dieser bewaffneten Immunzellen als sog. Gedächtniszellen vorübergehend zur Ruhe setzen. Sofern der Körper nach der Impfung wieder mit diesem Virus in Kontakt kommt, hat dieser durch z. B. Antikörper einen Direktschutz. Weiterhin vermehren sich die ruhenden Immunzellen sofort und verhindern, dass es zu einer Erkrankung kommt. Sofern ein Impfstoff-Kandidat im Menschen hohe Antikörperspiegel verursacht, ist das ein Maß für die Immunogenität des Impfstoffs, d. h. es entsteht eine messbare Immunantwort im Empfänger. Das ist aber nicht unbedingt identisch mit der Wirksamkeit. Die Wirksamkeit bezeichnet wie gut man gegen die bestimmte Krankheit geschützt ist. Während bei vielen Infektionskrankheiten ein hoher Antikörperspiegel gleichgesetzt wird mit einem Schutz vor der Krankheit (z. B. Masern), gibt es andere Erkrankungen, bei denen Antikörper nicht geeignet sind, um einen Schutz abzuleiten. Ein gutes Beispiel ist das Respiratorische Synzytial Virus, das eine vorwiegend bei kleinen Kindern, aber auch beim Erwachsenen auftretende fiebrige Erkältungskrankheit verursacht. Hier kann eine Person trotz überstandener Krankheit und hohen Antikörpermengen im Körper erneut erkranken (Piedimonte und Perez 2014). Bei Tierimpfstoffen kann man die Wirksamkeit experimentell direkt nachweisen. Eine Gruppe von Tieren wird geimpft, eine zweite Gruppe bleibt ungeimpft, und anschließend wird beiden Gruppen das krankheitsauslösende Virus verabreicht. Im direkten Vergleich wird gezeigt, dass die geimpften Tiere vor einer Erkrankung geschützt sind, während die nicht geimpften Tiere erkranken. Anders als bei Tieren kann dieser Nachweis der Wirksamkeit beim Menschen nicht erbracht werden, da man Versuchspersonen keinen gefährlichen Erreger verabreichen darf. Aus diesen Gründen erfolgt der Wirksamkeitsnachweis beim Menschen indirekt. Zum Beispiel werden zwei Gruppen gebildet (geimpft und nicht geimpft) und über einen Zeitraum (z. B. Grippesaison) auf Zeichen der Krankheit überwacht. Sofern in der ungeimpften Kontrollgruppe prozentual mehr Fälle von Grippe auftreten als in der geimpften Gruppe, ist dies der indirekte Nachweis der Wirksamkeit, d. h. dass die geimpfte Gruppe besser geschützt
3.3 Präklinische und klinische Phasen
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war. Eine andere Möglichkeit ist, einen neuen Impfstoff mit einem bewährten Impfstoff in zwei Gruppen von Versuchspersonen zu vergleichen, indem eine immunologische Reaktion, wie Antikörper, gemessen wird. Der neue Kandidat sollte dabei nicht schlechter abschneiden als der bewährte Impfstoff. In beiden Fällen ist der Nachweis der Wirksamkeit indirekt. Die europäische Arzneimittelbehörde (EMA) bietet Einsicht in diese Wirksamkeitsversuche und die Ergebnisse, wie zum Beispiel anhand eines Influenza-Impfstoffs (EMA 2020). Der zweite Aspekt ist die Sicherheit. Diese bezeichnet alle in Verbindung mit der Impfung auftretenden unerwünschten Reaktionen, wie z. B. Hautrötungen, Fieber, Unwohlsein oder allergische Reaktionen, aber auch jegliche Art von Folgeschäden, wie z. B. Autoimmunkrankheiten. Impfstoffe sind die einzigen Arzneimittel, die regelmäßig flächendeckend an gesunden Personen eingesetzt werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Impfstoffe dem Patienten gar nicht oder möglichst wenig schaden. Wir werden in diesem Buch diverse Beispiele für Impfstoffe kennenlernen, bei denen selbst nach Zulassung noch erhebliche Sicherheitsprobleme festgestellt wurden.
3.3 Präklinische und klinische Phasen Was ist eigentlich der Unterschied zwischen präklinisch und klinisch? Die Entwicklung eines Impfstoffs beginnt mit der Identifikation eines geeigneten Kandidaten, z. B. ein Virusisolat bzw. Antigen, die vom Immunsystem erkannt und eine starke Immunantwort bewirken, z. B. das Spike-Protein von SARS-CoV-2. An die vorläufige Konstruktion des Impfstoff-Kandidaten schließen sich diverse präklinische Tests an, z. B. Verträglichkeits-, Immunogenitäts- und Wirksamkeitsstudien in Tieren. Es müssen erhebliche Auflagen erfüllt sein, bevor ein Kandidat auf den Menschen „losgelassen“ wird (Schriever et al. 2009; Pfleiderer und Wichmann 2015). Die nächste Stufe sind die klinischen Phasen I bis III und nach erfolgreicher Zulassung, die weitere Beobachtung der Sicherheit und Wirksamkeit des neuen Produkts im Markt (klinische Phase IV): • Präklinische Phase: Identifikation des Antigens, Konstruktion des ImpfstoffKandidaten, Verträglichkeits- und Wirksamkeitsstudien an Tieren • Klinische Phasen: Einsatz des Impfstoffs am Menschen zur Überprüfung der Sicherheit, Verträglichkeit, der Dosisfindung sowie der Wirksamkeit bei fortschreitend erhöhter Probandenzahl von Phase I bis III (vor Zulassung) und Phase IV (nach Zulassung)
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3 Impfstofftechnologien, Ansätze gegen COVID-19, klinische Phasen
Phase I dient im Wesentlichen dem Proof-of-Concept, also dem Nachweis, dass der Kandidat grundsätzlich so funktioniert wie man erwartet. Man möchte die Sicherheit und Verträglichkeit, aber auch die Immunogenität an einer kleinen Anzahl von Testpersonen (z. B. 30–50) überprüfen. Die Probanden werden i. d. R. zu Beginn medizinisch intensiv betreut, um zügig auf unerwartete Komplikationen reagieren zu können. Die Bedeutung dieser Phase wird anhand eines schweren Zwischenfalls deutlich. Im Jahr 2006 wurde ein biologisches Produkt, ein Antikörper namens TGN1412, erstmalig an Menschen auf Verträglichkeit getestet. Hier kam es nach Verabreichung geringer Dosen an 6 Versuchspersonen, völlig unerwartet, zu schwersten Nebenreaktion bis hin zum Koma. Dieser Vorfall zeigte, dass man von der Verträglichkeit im Tier nicht unbedingt auf die Verträglichkeit im Menschen schließen kann. Die nächste Stufe ist dann die klinische Phase II, die zur Dosis-Findung dient. Es wird nachgewiesen, dass die vorgesehene Dosis (Menge an Viruspartikeln oder Molekülen, die dem Empfänger verabreicht wird) eine ausreichende Immunantwort verursacht und sicher ist. Diese Phase erfolgt an einer größeren Probandenzahl, typischerweise 200–400. Die klinische Phase III-Studie ist dann die letzte groß angelegte Studie vor der Zulassung. Man hat einen „aussichtsreichen“ Kandidaten gefunden, dessen Eignung nun an tausenden von Versuchspersonen getestet wird. Nach der Zulassung des Impfstoffs erfolgt eine weitere Bewertung bezüglich der Sicherheit und Wirksamkeit, klinische Phase IV genannt (Volkers et al. 2005). Warum, wenn doch die vorherigen Phasen erfolgreich waren? Die klinischen Phasen I–III sind nur Stichproben, d. h. Tests an insgesamt einigen tausend Menschen. Wenn ein neuer Impfstoff bei jeder 10.000 Person eine schwerwiegende Autoimmunkrankheit verursacht, wird man dies nur schlecht in den klinischen Phasen I–III feststellen können, aber mit größerer Wahrscheinlichkeit, wenn der Impfstoff an hunderttausenden oder Millionen Menschen routinemäßig eingesetzt wird. Deswegen wird der Einsatz von neuen zugelassenen Impfstoffen von den zuständigen Behörden in den ersten Jahren besonders kritisch überwacht.
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Attenuierte Lebendimpfstoffe
4.1 Klassische Lebendimpfstoffe Klassisch attenuierte Lebendimpfstoffe gehören zu den ersten Impfstoffen, die gegen Infektionskrankheiten entwickelt wurden. Dieser Impfstoff-Typ geht auf frühe Forschungsarbeiten am Ende des 18 Jahrhundert zurück. Auch wenn das Prinzip schon früher praktiziert wurde, war ein englischer Arzt, Edward Jenner, der erste, der die Erkenntnisse in einem wissenschaftlichen Journal publizierte. Er verabreichte einem Jungen eine Kuhpocken-Präparation und infizierte den Jungen später mit dem für Menschen gefährlichen Pockenvirus. Der Junge war durch diese Vorbehandlung vor einer Erkrankung geschützt. Diese wissenschaftliche Arbeit wird als Geburtsstunde der modernen Impfung bezeichnet (Riedel 2005). Die heutigen Lebendimpfstoffe beruhen aber gewöhnlich nicht mehr auf einem verwandten Virus wie ihn Edward Jenner einsetzte, sondern auf einer Veränderung des ursprünglich gefährlichen Stamms. Die Idee von Lebendimpfstoffen ist es, das Virus in seiner Virulenz abzuschwächen, sodass es keine Krankheit mehr auslöst, jedoch vom Immunsystem erkannt wird, um eine schützende Immunreaktion auszulösen. Die Abschwächung der Virulenz wird als Attenuierung bezeichnet. Der Begriff „Lebend“ ist eigentlich irreführend, da es sich bei Viren nicht um lebende Organismen handelt. Der Begriff soll die Fähigkeit des Impfvirus symbolisieren, sich nach Verabreichung in Zellen weiter vermehren zu können. Die Geschwindigkeit dieser Vermehrung ist aber deutlich verlangsamt, sodass das Immunsystem den Erreger schnell in den Griff bekommt und eliminiert. Somit sind die Schädigungen durch das Impfvirus entweder gar nicht vorhanden oder stark abgeschwächt. Lebendimpfstoffe sind historisch mit die wirksamsten Impfstofftypen, da sie die Abläufe einer
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4 Attenuierte Lebendimpfstoffe
natürlichen Infektion nachspielen und durch Vermehrung im Zielgewebe eine starke stimulierende Wirkung auf das Immunsystem haben. Sie verleihen meist auch eine besonders lang anhaltende Immunität. Lebendimpfstoffe haben zur Ausrottung der Pocken beigetragen und sind bis heute Standard gegen viele Infektionskrankheiten, wie z. B. bei Masern, Mumps und Rubella (Minor 2015). Ein wichtiges Merkmal hierbei ist ihre empirische Entwicklung. Empirisch kann man etwas salopp mit „ich mache was und schaue ob es funktioniert, weiß aber nicht genau, warum es funktioniert“, beschreiben. Diese Impfstoffentwicklungen folgten demnach dem Versuch-und-Irrtum-Prinzip, wobei die molekulare Grundlage dieser Abschwächung im Dunkeln blieb. Zwei klassische CoronavirusImpfstoffe gegen die Infektiöse Bronchitis des Geflügels (siehe Kap. 3) sind gute Beispiele, um den empirischen Prozess der Attenuierung und den Zusammenhang zwischen den wichtigen Konzepten, Wirksamkeit und Sicherheit, zu verstehen. Diese Stämme, H52 und H120 genannt, wurden ab den 1950er Jahren entwickelt und in der Folge von verschiedenen Firmen als Impfstoff zugelassen, sind also bereits seit über einem halben Jahrhundert im Einsatz. Der Stamm H120 zählt heute noch zu den häufig eingesetzten Impfstoffen (Ramakrishnan und Kappala 2019). Die Entwicklung dieser Impfstoffe geht auf den niederländischen Virologen Gosse Bijlenga zurück. In den Niederlanden kam es im Jahr 1954 auf einer Geflügelfarm zu einem Ausbruch der Infektiösen Bronchitis. Zur Herstellung eines Impfstoffs verwendete Bijlenga Proben von kranken Tieren dieser Farm. Es war der Versuch, dieses aggressive Virus durch Vermehrung im Hühnerei kontinuierlich an das embryonale Gewebe des Hühnerembryos zu adaptieren und seine Virulenz für adulte Gewebe (Huhn) abzuschwächen. Der Wissenschaftler spritzte das aggressive Virusisolat in das Eiklar von Hühnereiern und inkubierte diese. Nach einigen Tagen entnahm er das Eiklar aus diesen Eiern und spritzte es wieder in das Eiklar von neuen Hühnerembryonen (Bijlenga et al. 2004). Warum das Eiklar? Die ins Eiklar gespritzten Viren erreichen die Gewebe des sich entwickelnden Hühnerembryos sowie die Zellen der äußeren Embryonalhüllen, in denen sie sich vermehren. Durch den direkten Kontakt sammeln sich dadurch die freigesetzten Viruspartikel im Eiklar. Insgesamt machte Bijlenga diesen Vermehrungsschritt 52 Mal (= H52, das H steht für den Nachnamen des Besitzers der Farm, von der das Isolat stammte). Anschließend testete er Virusmaterial von der 25 Passage (H25) im direkten Vergleich zu H52 unter kontrollierten Bedingungen auf Geflügelfarmen. Der H25-Stamm war viel zu aggressiv und als Impfstoff ungeeignet. Die mit dem H52Stamm geimpften Tiere zeigten eine starke Antikörperantwort, der Stamm war
4.1 Klassische Lebendimpfstoffe
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aber noch zu aggressiv, gerade bei jüngeren Hühnern. Aus diesem Grund erfolgten weitere Passagen in Hühnerembryos bis zur Passage 120 (siehe Abb. 4.1). Diese Präparation zeigte sich deutlich sicherer im Einsatz auch an jüngeren Tieren, aber stimulierte immer noch eine starke Immunantwort (Bijlenga et al. 2004). Die Eigenschaften, Wirksamkeit und Sicherheit, lassen sich grob in einem Diagramm festhalten (siehe Abb. 4.2). Daraus folgt der allgemeine Grundsatz: Je weiter ein Virus von seinem eigentlichen Wirt entfernt wird, desto sicherer wird die Anwendung, desto eher läuft man aber Gefahr, dass das Virus „überabgeschwächt“ wird, d. h. nicht mehr die erhoffte Wirksamkeit aufweist.
Abb. 4.1 Schematische Darstellung der Entwicklung der attenuierten Lebendimpfstoffe H52 und H120 gegen die Infektiöse Bronchitis des Geflügels. (Quelle: Erstellt von Patric Vogel unter Verwendung und Modifikation von Adobe Stock, Dateinr.: 76266497; Lizenziert (Standardlizenz) von Patric Vogel)
Abb. 4.2 Schematischer Zusammenhang zwischen Wirksamkeit und Sicherheit bei der schrittweisen Attenuierung eines Virus. (Quelle: Erstellt von Patric Vogel)
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4 Attenuierte Lebendimpfstoffe
4.2 Neue Ansätze Lebendimpfstoffe Obwohl diese Impfstoffe in vielen Bereichen noch im Einsatz sind und uns einen guten Dienst erweisen, versucht man heutzutage, Lebendimpfstoff-Kandidaten nicht mehr nach diesem klassischen Prinzip zu entwickeln. Technologische Fortschritte geben Forschern die Möglichkeit, gezielt Änderungen an Viren vorzunehmen. Ein Ansatz wird Kodon-Deoptimierung genannt. Was bedeutet das? Der genetische Code besteht aus einer Abfolge von Nukleinsäure-Triplets. Jedes Gen besteht aus einer Kette von Nukleinsäure-Triplets, die jeweils für eine Aminosäure kodieren. Diese Information wird an die mRNA weitergegeben und im Zytoplasma an Ribosomen in Proteine umgewandelt. D. h. je 3 Nukleotide definieren eine Aminosäure, die an die wachsende Aminosäurekette angefügt wird. Hierbei ist der genetische Code jedoch degeneriert, d. h. dass bestimmte Aminosäuren durch mehrere Nukleinsäure-Triplets kodiert werden können. Diese Verwendung ist jedoch nicht zufällig oder universell, d. h. bestimmte Organismen bevorzugen bestimmte Kodons, auch unsere Körperzellen. Beispiel: 4 verschiedene Kodons, u. a. CUG und CUA, kodieren die gleiche Aminosäure Valin. Unsere Körperzellen „lieben“ CUG, d. h. in unseren Gensequenzen für Proteine, die Valin enthalten, kommt sehr oft CUG vor. Das Kodon CUA wird eher selten verwendet. Diese Vorliebe hat auch praktische Konsequenzen. Wenn eine Sequenz, die CUA enthält, in ein Protein umgewandelt wird, dauert es vergleichsweise lang, bis die Aminosäure eingebaut wird. Das gleiche Schicksal trifft auch Viren, die sich in unseren Zellen vermehren. Die Strategie ist nun, durch gezielte Veränderung des Virusgenoms bestimmte häufig verwendete Kodons durch selten verwendete Kodons zu ersetzen, ohne jedoch die Aminosäure zu verändern. Sofern dies an verschiedenen Stellen gemacht wird, kann die genetische Information der Viren in unseren Zellen zwar noch abgelesen werden und in Protein umgesetzt werden, jedoch mit erheblich niedrigerer Rate. Somit vermehren sich diese Viren langsamer und sind damit abgeschwächt, also attenuiert. Dieses Prinzip ist aber nicht unendlich anwendbar. Einige Viren vertragen den Austausch von vielen Kodons (z. B. Respiratorisches Synzytial Virus), andere werden durch zu viele Deoptimierungen so abgeschwächt, dass sie sich überhaupt nicht mehr vermehren, wie bei HIV oder Poliovirus beobachtet. Es geht also häufig darum, die richtige Mischung aus Attenuierung und Immunogenität zu finden (Meng et al. 2014). Die bisherigen Ergebnisse in Tieren deuten darauf hin, dass diese Kodon-deoptimierten attenuierten Lebendimpfstoffe Ihre Immunogenität beibehalten. Einer der Gründe ist wahrscheinlich die Tatsache, dass man hierbei das Virus nicht verändert, sondern die Effizienz der Proteinsynthese senkt (Le Nouën et al. 2019).
4.2 Neue Ansätze Lebendimpfstoffe
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Gemäß aktuellen WHO Informationen werden zwei Projekte (gerundet 1 %) zu attenuierten Lebendimpfstoffen gegen COVID-19 verfolgt, wobei beide auf der Kodon-Deoptimierung basieren (WHO 2020b). Warum nur so wenig, wenn doch dieser Impfstofftyp das Zeitalter der Impfstoffe mitgetragen hat und eine besonders hohe Wirksamkeit aufweist? Neuartige Viren haben den Nachteil, dass ihre Biologie vergleichsweise schlecht erforscht ist. Es können sicherlich SARS-CoV und MERS-CoV Forschungsergebnisse herangezogen werden, um bestimmte Eigenschaften ableiten zu können, trotzdem kennt man die detaillierten Prozesse und die Interaktion des Erregers mit dem Immunsystem noch nicht genau genug. Gerade bei hochpathogenen Viren sind Lebendimpfstoffe besonders risikoreich, da man den Impfstoff gezielt und an einem großen Anteil der Bevölkerung „freilässt“. Ein Problem ist, dass sich die Abschwächung der Virulenz sich nicht wie in einer mathematischen Gleichung verhält, bei der man über die Kontrolle der Eingangsvariablen das Endergebnis gezielt beeinflussen kann. Ein Impfstoff, der durch z. B. Passagen in Zellkultur oder durch gentechnische Methoden in seiner Virulenz abgeschwächt wurde, hat potenziell die Möglichkeit, während der Vermehrung in der geimpften Person seine Virulenz ganz oder teilweise wiederzuerlangen. Dieses Phänomen wird als „Reversion zur Virulenz“ bezeichnet. Ein Beispiel hierfür sind Fälle von Poliomyelitis nach Impfung mit dem Polio-Lebendimpfstoff (Minor 2015). Aus diesem Grund, also einer sporadisch auftretenden Impfstoff-induzierten schweren Erkrankung, wurde z. B. in Deutschland die Polio-Schluckimpfung (Lebendimpfstoff) durch einen inaktivierten Impfstoff ersetzt. Der attenuierte Polio-Lebendimpfstoff wird jedoch aufgrund der günstigeren Herstellung immer noch in Entwicklungsländern eingesetzt (Zündorf und Dingermann 2017). Die Neigung eines abgeschwächten Virus wie SARS-CoV-2 wieder durch Mutation seine Virulenz zu erlangen, lässt sich nur sehr schlecht abschätzen. Selbst wenn dies nur bei einem kleinen Teil der geimpften Personen passierte, würde je nach Schweregrade und Häufigkeit im schlimmsten Fall durch einen Impfstoff mehr Schaden als Nutzen entstehen. Trotzdem ist es ratsam, den „Blockbuster“ aller Impfstoffe nicht zu ignorieren. Es gibt einen Vertreter der respiratorischen Viren, das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV), für das auch nach über einem halben Jahrhundert der Forschung noch keinen Impfstoff zur Verfügung steht. Aufgrund zahlreicher Fehlschläge vieler anderer Technologien werden attenuierte Lebendimpfstoffe gegen RSV-Infektionen bei Kindern derzeit als Hoffnungsträger gehandelt (Meng et al. 2014). Aus diesem Grund (und den vielen, die wir jetzt noch gar nicht wissen) könnten sich die Lebendimpfstoff-
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4 Attenuierte Lebendimpfstoffe
Projekte gegen COVID-19 als wichtiges „As im Ärmel“ herausstellen, sofern andere Technologien auf Schwierigkeiten stoßen oder fehlschlagen sollten. Eine Einschränkung ist, dass die Projekte von kleineren Instituten betrieben werden, also abseits von Big Pharma. Dies kann den Projektfortschritt erheblich verzögern. Es bleibt zu hoffen, dass diese Projekte bei der Verteilung von staatlichen oder internationalen Fördergeldern nicht durch das Raster fallen.
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Vektorimpfstoffe und virus-ähnliche Partikel
5.1 Vektorimpfstoffe Die Risiken von Lebendimpfstoffen haben seit langem die Suche nach Alternativen vorangetrieben. Ein Ansatz, Vektorimpfstoffe, zielt darauf, diese Risiken abzustellen bzw. zu minimieren. Bei dieser Technologie möchte man nicht das ganze Virus, sondern nur einen Teil, z. B. das wichtige Spike-Protein von SARS-CoV-2, einsetzen. Dafür braucht man ein Transportvehikel, den sog. „Vektor“. Diese Vektoren sind selbst Viren, deren Molekularbiologie gut erforscht ist und die keine Krankheit verursachen. Das zusätzliche Protein kann direkt in die Oberfläche des Viruspartikels eingebaut sein oder nur als genetische Sequenz im Virusgenoms schlummern (Vujadinovic und Vellinga 2018). In beiden Fällen wird das Protein durch unsere Körperzellen gebildet, sobald das Vektorvirus in die Zellen eingedrungen ist. Dieser Impfstofftyp wird gezielt am Computer entworfen und anschließend unter Verwendung von gentechnischen Methoden im Labor „zusammengebaut“. Natürlich müssen diese dann auch empirisch im Tier und Mensch getestet werden, ob sie sich als Impfstoff eignen, aber das Design des Impfstoffs ist ein sehr gezielter, bewusster Prozess. Gemäß WHO werden derzeit verschiedene Vektorviren als ImpfstoffKandidaten geprüft (WHO 2020b). Wir werden hier einige ausgewählte Vektoren kennenlernen, die mit ins Rennen gegen COVID-19 gegangen sind. Man unterscheidet zwei verschiedene Typen der Vermehrungsfähigkeit (Rauch et al. 2018): • Vermehrungsfähige Vektoren: Diese können sich nach Verabreichung in den ersten infizierten Zellen vermehren und anschließend wieder infektiöse Viruspartikel bilden, die weitere Körperzellen infizieren. Bei jedem Zyklus wird auch das Protein von Spike-Protein gebildet (entweder als einzelnes Protein © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. U. B. Vogel, COVID-19: Suche nach einem Impfstoff, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31340-1_5
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5 Vektorimpfstoffe und virus-ähnliche Partikel
oder als Teil der Oberfläche des Viruspartikels), welches das Immunsystem aktiviert. Die Vermehrungsrate dieser Vektorviren ist aber so langsam, dass sie keinen Schaden anrichten • Vermehrungsunfähige Vektoren: Die im Impfstoff enthaltenen Viruspartikel können Zellen infizieren. In diesen Zellen werden bestimmte virale Proteine gebildet, die Viren sind aber aufgrund von genetischen Defekten nicht mehr in der Lage, neue infektiöse Viruspartikel zu bilden. Das Modifiziertes Vaccinia Virus Ankara (MVA) ist ein Impfstamm, der in den 1970er in Bayern als Pockenimpfstoff eingesetzt wurde. MVA ist selbst aus einem kommerziellen Pocken-Impfstoff durch „unzählige“ Passagen (>500) in Zellkulturen, also Zellen, die im Labor in Nährflüssigkeit in Kunststoffflaschen gehalten werden, hergestellt. Durch diese Prozedur hat dieser Stamm ca. 10 % seiner Gene verloren. Dieser Stamm infiziert nach Verabreichung Körperzellen. In diesen Zellen erfolgen zunächst alle Stufen der viralen Genexpression bis zum Zusammenbau der Viruspartikel. Diese können aber aufgrund der Mutationen die Zellen nicht mehr verlassen. Der Impfstamm zeichnet sich durch eine hohe Sicherheit aus, die sich, als der Impfstoff noch gegen Pocken eingesetzt wurde, bei Anwendung an über 100.000 Personen ohne schwerwiegende Nebenwirkung bestätigt hat. Seitdem die Pocken ausgemerzt sind, wird die Eignung dieses einstigen Pockenimpfstoffs als Vektorvirus für eine Vielzahl von Infektionskrankheiten geprüft, z. B. HIV, Tuberkulose und MERS. In verschiedenen präklinischen Studien hat sich dieser Vektor gegen diverse Infektionskrankheiten als immunogen und sicher gezeigt (Volz und Sutter 2017). Gegen COVID-19 wird MVA in mind. 4 Projekten als Vektorvirus verwendet, wobei sich alle Projekte noch in der präklinischen Phase befinden (WHO 2020b). Adenoviren sind bislang die am häufigsten verwendeten Vektorviren, gemäß WHO sind basieren alle Projekte gegen COVID-19 auf vermehrungsunfähigen Adenovirus-Vektoren (WHO 2020b). Um die Vermehrung eines Adenovirus-basierten Impfstoffs in der geimpften Person zu verhindern, wird ein bestimmter Teil des Virusgenoms (E1 Proteine genannt) entfernt und an dieser Stelle Fremdsequenzen (von SARS-CoV-2) mittels gentechnischer Methoden (z. B. Klonierung) eingefügt. Bei der Herstellung dieser Impfstoffe verwendet man z. B. Zellkulturen, die die E1-Proteine bilden und damit die Schwäche des Virus ausgleichen, also die Anzucht großer Mengen Virus erlauben (Vellinga et al. 2014), ohne dass sich das Virus dann später im Menschen vermehren kann. Ein Vorteil von Adenoviren ist, dass sie sowohl die humorale als auch die zellvermittelte Immunabwehr aktivieren (siehe Kap. 3). Derzeit sind 3 Adenovirus-basierte Vektorimpfstoffe in der klinischen Phase, ein Kandidat ist bisher sogar der
5.1 Vektorimpfstoffe
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erste von allen, der die klinische Phase III erreicht hat. In dieser Studie in Großbritannien ist geplant, den Impfstoff-Kandidaten an mehr als 10.000 Personen zu testen, was in den nächsten Monaten wichtige Erkenntnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit liefern wird. Ein weiterer Vektor ist das Vesicular Stomatitis Virus (VSV). Dieses RNAVirus ist ein tierpathogenes Virus, dass beim Menschen sporadisch leichte grippeähnliche Symptome verursachen kann, als Vektorvirus aber in abgeschwächter Form eingesetzt wird (Rauch et al. 2018). Der erste zugelassene Ebola-Impfstoff basiert auf diesem Vektorvirus, das ein wichtiges Ebola-Protein auf seiner Virushülle trägt. Das Produkt, rVSV-ZEBOV genannt, wurde im Zuge der EbolaKrise 2013–2016 weiterentwickelt und hat im Jahr 2019 von der Europäischen Kommission die Zulassung erhalten (PEI 2019a). Am Beispiel von Ebola zeigt sich, wie wichtig parallele Aktivitäten sind. Von den 6 Vektorimpfstoff-Kandidaten, die in die klinische Phase eingetreten sind (Rauch et al. 2018), hat bisher nur 1 Kandidat die Zulassung erhalten. Derzeit laufen drei ausgewiesene Projekte zur Entwicklung eines VSV-basierten Lebend-Vektorimpfstoffs gegen COVID-19 (WHO 2020b). Ein wichtiger Nachteil ist, dass dieser Vektor, anders als Adenoviren, überwiegend eine starke Antikörper-Antwort hervorruft, aber nur eine schwache zellvermittelte Immunität (Rauch et al. 2018). Dieser Teil der Immunität ist wichtig, damit virusinfizierte Zellen attackiert werden. Aus diesem Grund müssen die klinischen Tests erst noch zeigen, ob diese Kandidaten gegen COVID19 geeignet sind. Ein wichtiger Vorteil von Vektorimpfstoffen ist, dass sie eine natürliche Infektion teilweise nachspielen. Ein weiterer positiver Aspekt dieser Technologie ist, dass sie bereits teilweise im Markt erprobt ist. Es gibt ungefähr ein Dutzend zugelassene Vektorimpfstoffe im Veterinärbereich und auch die ersten Impfstoffe im Humanbereich. Zudem befinden sich derzeit dutzende Projekte zur Prüfung von RNA-Vektorviren gegen verschiedenste Infektionskrankheiten in der präklinischen Phase (Lundstrom 2019). Obwohl die Erfolgsmeldungen überwiegen, gibt es aber auch einzelne Vorfälle. Ein Beispiel ist ein Vektorimpfstoff, der gegen Dengue-Fieber eingesetzt wird. Dies ist eine virale Tropenkrankheit, die durch Stechmücken übertragen wird. Erst nach der Zulassung des Impfstoffs im Jahre 2015 mehrten sich Meldungen, dass junge Kinder, die noch nie zuvor in ihrem Leben in Kontakt mit Dengue gekommen sind, nach der Impfung teilweise besonders schwere Verläufe von Dengue-Fieber nach natürlicher Infektion aufwiesen (Halstead 2018). Aus diesem Grund wurde ein großes Impfprogramm auf den Philippinen abgebrochen. Der Hersteller sowie die WHO empfehlen daher, den Impfstoff nur Personen zu verabreichen, die bereits eine Infektion durchlaufen haben (DAZ.online 2017; WHO 2017). Dies ist ein Beispiel für eine
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5 Vektorimpfstoffe und virus-ähnliche Partikel
mögliche Impfstoff-vermittelte Verstärkung einer anschließenden natürlichen Infektion wie sie auch bei einigen inaktivierten Impfstoffen aufgetreten sind (siehe Kap. 6). Trotzdem sind diese Pioneer-Impfstoffe sehr wichtig, da an ihnen wichtige Langzeitdaten zur Sicherheit und Wirksamkeit erhoben werden. Das hilft, um Impfstoffe noch besser zu verstehen und letztlich auch zu verbessern. Unter Berücksichtigung der oben erwähnten Einschränkungen ist dieser Vektorimpfstoff weiterhin erfolgreich im Einsatz. Ein Nachteil von Vektorimpfstoffen könnte eine vorherige Immunität gegen einzelne Vektoren sein. Zum Beispiel besitzen 40–45 % der Menschen in den USA Antikörper gegen Adenovirus 5, den häufigsten Typ beim Menschen (Saxena et al. 2013). In Studien wurde gezeigt, dass eine vorherige Immunität die Wirksamkeit eines Adenovirus 5-Vektorvirus negativ beeinträchtigen kann, hingegen scheint die Vorimmunität bei Masern als Vektor kein Problem zu sein. Aus diesem Grund nutzen einige Projekte andere Adenoviren, wie z. B. aus Schimpansen, die beim Menschen nicht vorkommen, wie z. B. der am weitesten fortgeschrittene Vektorvirus-Impfstoff-Kandidat in der klinischen Phase II/III (WHO 2020b). Ein weiterer Aspekt bei einigen Vektorimpfstoffen, besonders DNA-Viren wie Adenoviren, ist die Gefahr, dass sie sich dauerhaft in das Genom der geimpften Person einbauen gentechnisch veränderter Organismus (GVO). Die langfristigen Konsequenzen dieser Veränderung des Genoms können nur ungenügend abgeschätzt werden. Es gibt strenge Vorgaben der zuständigen Behörden hinsichtlich des Einsatzes von GVOs, sowohl für die Zielspezies als auch die Umwelt.
5.2 Virus-ähnliche Partikel Anders als bei Vektorimpfstoffen, bei denen ein Virus als Transportvehikel für Sequenzen oder Proteine von SARS-CoV-2 verwendet wird, basieren Virus-ähnliche Partikel (engl. virus-like particles, VLPs) auf der Verabreichung einer leeren virusartigen Hülle, d. h. die Partikel enthalten keine Nukleinsäure (Crisci et al. 2013). Diese Impfstoffe sind daher nicht vermehrungsfähig und können in Körperzellen keine neuen viralen Proteine bilden. Die Proteine aus SARS-CoV-2 sind direkt in die Partikel eingebaut bzw. gebunden werden, damit eine Immunantwort ausgelöst wird. Es gibt verschiedene Ansätze, von Konstrukten, die eine Lipidhülle mit eingelagerten Proteinen enthalten bis zu Konstrukten, bei denen sich einzelne Proteine zu einem stabilen Partikel zusammenlagern (Chroboczek et al. 2014; Syomin und Ilyin 2019).
5.2 Virus-ähnliche Partikel
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Diese Technologie hat in den letzten Jahren einige Erfolge gefeiert. Es gibt ähnlich wie bei Vektorimpfstoffen zugelassene Impfstoffe auf VLP-Basis sowohl für Tiere als auch für Menschen (Crisci et al. 2013; Felberbaum 2015). Ein Beispiel sind mehrere Impfstoffe gegen humane Papillomaviren, die auf Haut und Schleimhaut meist gutartige Tumore verursachen, oder ein Hepatitis B-Impfstoff (Mohsen et al. 2017). Der große Vorteil dieses Ansatzes sind seine Sicherheit, es werden keine vermehrungsfähigen Viren gebildet, bei gleichzeitiger hoher Immunogenität. Die Technologie hat aufgrund Ihrer Charakteristika eine positive Bewertung durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) erhalten, das selbst an weiteren Verbesserungen dieser Technologie forscht (PEI 2019b). Es besteht auch die Möglichkeit, VLPs als multivalenten Impfstoff einzusetzen. Diese Art basiert auf Partikeln, die Proteine von verschiedenen Krankheitserregern enthalten. Derzeit wird z. B. die Eignung eines VLP-Impfstoffs gegen mehrere durch Stechmücken übertragene Krankheiten, u. a. Zika und Gelbfieber, geprüft (Garg et al. 2020). Gemäß WHO-Angaben laufen gegen COVID-19 derzeit 11 Impfstoffprojekte auf VLP-Basis, das macht ca. 7 % aller Projekte aus. Diese befinden sich noch alle in der präklinischen Phase (WHO 2020b). Die WHO gibt nur Stichpunkte zu den einzelnen Projekten, aus denen die genaue Herstellungsform nicht abgelesen werden kann. Eines der für VLPs häufig eingesetzten Systeme ist das sog. Baculovirus-Expressionssystem. Hierbei bringt man mit gentechnischen Methoden die gewünschten Sequenzen für bestimmte Proteine von SARS-CoV-2 in das sog. Baculovirus, dass in der Folge in Zellkulturen, z. B. in Bioreaktoren, vermehrt wird. Hierbei werden aber nur die Proteine geerntet und zum Impfstoff verarbeitet (Felberbaum 2015). Auch wenn diese Technologie bereits unter Beweis gestellt hat, dass sie nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch als Impfstoff geeignet ist, kann das nicht für jede Infektionskrankheit verallgemeinert werden. Diverse Impfstoffkandidaten gegen SARS, u. a. auch ein VLP-Kandidat, zeigten in präklinischen Versuchen in Tieren unerwünschte Immunpathologien, d. h. Schädigungen, die durch eine überschießende Immunreaktion verursacht werden. In diesen Versuchen führte die Impfung und anschließende Infektion mit SARS-CoV zu einer übertriebenen Immunreaktion, die die Lunge der Tiere schädigte (Tseng et al. 2012). Aus diesem Grund bleibt abzuwarten, ob in der Zwischenzeit durch technologische Fortschritte und Modifikationen dieser Impfstofftyp gegen COVID-19 erfolgreich sein kann.
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Inaktivat-Impfstoffe
6.1 Prinzip und Historie Inaktivat-Impfstoffe bilden historisch die zweite große Impfstoffgruppe, sozusagen den Gegenpol zu den attenuierten Lebendimpfstoffe. Beim InaktivatImpfstoff wird das Virus zunächst in großen Mengen vermehrt und anschließend inaktiviert, z. B. durch chemische Reagenzien. Die Viren verlieren hierdurch ihre Infektiosität und können sich nicht mehr vermehren. Es werden Typen unterschieden (siehe Abb. 6.1). Je nach Krankheit, sind alle 3 Typen bis heute im Einsatz. Gegen Grippe gibt es z. B. weltweit verschiedenste Impfstofftypen, neben Lebendimpfstoffen auch alle 3 Typen von inaktivierten Impfstoffen. Historisch ist der inaktivierte Ganzvirus-Impfstoff der älteste Typ, da dieser mit relativ begrenzten technischen Möglichkeiten hergestellt werden kann. Es müssen jedoch bei der Herstellung hohe Sicherheitsstandards, im Fall von SARS-CoV-2 die biologische Schutzstufe 3, eingehalten werden. Die Herstellung der Spaltimpfstoffe und Untereinheiten-Impfstoffen ist durch die zusätzlichen Schritte aufwendiger. Der erste Impfstoff, der auf Untereinheiten basierte, wurde 1981 gegen Hepatitis B zugelassen. Diese 3 Typen haben jeweils gewisse Vorzüge aber auch Nachteile. Der Vorteil von Ganzvirus-Präparationen ist, dass sie verschiedene virale Proteine und Komponenten enthalten. Somit werden dem Immunsystem bei Verabreichung des Impfstoffs verschiedenste Epitope (z. B. immunologisch relevante Bereiche von Proteinen) präsentiert, gegen die das Immunsystem eine spezifische Antwort aufbaut. Ganzvirus-Präparationen aktivieren das Immunsystem im Allgemeinen stärker als Spalt- oder Untereinheitenimpfstoffe, zeigen aber auch im Durchschnitt mehr Nebenreaktionen, wie Fieber oder Schwellungen. In Deutschland sind z. B. mehr
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6 Inaktivat-Impfstoffe
Abb. 6.1 Übersicht über verschiedene Typen von Inaktivat-Impfstoffen. (Quelle: Erstellt von Patric Vogel unter Verwendung und Modifikation von Adobe Stock, Dateinr.: 339973957; Lizenziert (Standardlizenz) von Patric Vogel)
als 10 verschiedene Influenza-Impfstoffe zugelassen, von denen alle inaktivierten Typen auf Spalt- oder Untereinheiten basieren (PEI 2020). Auch wenn es innerhalb dieser Typen Unterschiede gibt, ist die resultierende Immunantwort meist schwach. Aus diesem Grund werden dem Impfstoff verstärkende Stoffe, sog. Adjuvantien, zugegeben, die eine stimulierende Wirkung auf das Immunsystem haben. Diese Adjuvantien basieren meist auf Öl/Wasser-Emulsionen oder Aluminiumsalzen. Da diese Impfstoffe sich nicht vermehren können, werden sie parenteral verabreicht. Das bedeutet, dass sie nicht oral, sondern auf einem anderen Wege verabreicht, z. B. intramuskulär, d. h. in den Muskel, gespritzt werden. Die Frage, welcher der beiden klassischen Impfstofftypen am besten ist, lässt sich nicht so einfach beantworten. Masern ist ein sehr gutes Beispiel gegen inaktivierte Impfstoffe. In der Vergangenheit war Masern eine Erkrankung, die fast jedes Kind bis zum Erwachsenenalter durchlief. Nach intensiven Bestrebungen erhielten in den USA im Jahr 1963 zwei verschiedene Typen die Zulassung, ein Lebendimpfstoff und ein Ganzvirus-Inaktivat-Impfstoff. Beide wurde zur Prävention der Masern eingesetzt. Der Inaktivat-Impfstoff wurde aber nach einigen Jahren wieder zurückgezogen (Hendriks und Blume 2013). Der Grund war, dass dieser Impfstoff trotz Dreifach-Impfung nur
6.1 Prinzip und Historie
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eine relativ kurzfristige Antikörperantwort stimulierte und sogar bei einem Teil der hiermit geimpften Personen schwere und untypische Krankheitsverläufe bei anschließender natürlicher Infektion auslöste (Nossal 2000). Hier war und ist der Lebendimpfstoff aufgrund der Vermehrungseigenschaften und der Stimulation des Immunsystem deutlich besser. Aufgrund zahlreicher Nebenwirkungen wie Fieber wurde dieser Stamm in der Zwischenzeit durch einen stärker abgeschwächten Stamm ersetzt. Bis heute hat sich dieser Impfstoff durchgesetzt und wird häufig als trivalenter Lebendimpfstoff zusammen gegen Masern, Mumps und Rubella (MMR) eingesetzt. In diesem Fall waren die damaligen Inaktivat-Impfstoffe völlig ungeeignet. Ähnliche Reaktionen verursachte in den 1960er Jahren auch ein Impfstoff-Kandidat gegen das Respiratorische Synzytial-Virus. Selbst in neueren Zeiten gibt es Fälle, bei denen Inaktivate nach Zulassung unerwartete Nebenwirkungen hervorrufen können. Ein in der EU ansässiges großes Pharmaunternehmen hat im Jahre 2011 die EU-Zulassung für einen zellkulturbasierten, inaktivierten Influenza-Impfstoff erhalten. Influenza-Impfstoffe wurden damals vorwiegend in Hühnereiern hergestellt. Die Verwendung von Zellkulturen war definitiv ein großer technologischer Fortschritt. Einige Monate nach Start des Vertriebs und der Anwendung des Impfstoffs mehrten sich die Meldungen bezüglich unerwarteter starker Nebenwirkungen bei der zuständigen Behörde, dem Paul-Ehrlich Institut. Die Behörde forderte das Pharmaunternehmen daraufhin auf, eine Charge des Produkts zurückzurufen (PEI 2011). Nach Überprüfung wurden vorsichtshalber alle im EU-Markt befindlichen Chargen zurückgerufen (Arzneimittel-Telegram 2011). Diese Fälle zeigen, dass auch nach Zulassung noch Sicherheitsprobleme auftreten können. Man kann aber nicht sagen, dass Lebendimpfstoffe immer besser geeignet sind als Inaktivate. Zum Beispiel basieren die weltweit eingesetzten humanen Impfstoffe gegen Hepatitis A und Tollwut auf inaktivierten Erregern (Zündorf und Dingermann 2017). Im Falle von Polio sind sogar beide Typen, lebend und inaktiviert, jeweils mit Vor- und Nachteilen geeignet. Es hängt von vielen Faktoren ab, welcher Typ am besten geeignet ist. Hierzu zählen erregerspezifischen Eigenschaften, dem Ort und der Art der Vermehrung, der Interaktion mit dem Immunsystem, dem Alter der Person, der Lebensweise und Umgebungsbedingungen, aber auch der Herstellung und Zusammensetzung des Impfstoffs. Die Details der Herstellung sowie die Produktzusammensetzung haben wesentlichen Einfluss auf bestimmte Aspekte wie Immunogenität und Sicherheit, aber auch auf die Ausbeute. Glücklicherweise stellt sich heutzutage auch nicht mehr nur die Frage nach dem einen oder dem anderen, da viele neue Technologien zur Verfügung stehen.
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6 Inaktivat-Impfstoffe
6.2 Ansätze gegen COVID-19 In der wissenschaftlichen Literatur zu neuartigen Technologien wird häufig beschrieben, dass die klassischen Impfstofftechnologien zu langsam sind, um auf neuartige Krankheiten reagieren zu können. In diesem Zusammenhang ist es schon interessant, dass die inaktivierten COVID-19 Impfstoff-Kandidaten, die nur ca. 7 % aller Projekte ausmachen, ca. ¼ derjenigen Kandidaten stellen, die bereits in die klinischen Phasen eingetreten sind (WHO 2020b). Natürlich sind hier auch regionale Unterschiede bezüglich der behördlichen Anforderungen zur Genehmigung von klinischen Studien zu berücksichtigen, da alle der fortgeschrittenen Inaktivat-Kandidaten aus China kommen. Trotzdem zeigt dies die Geschwindigkeit, mit der diese „alte“ Technologie potenziell auf neue Infektionskrankheiten reagieren kann. Ein chinesisches Unternehmen, dessen Impfstoff-Kandidat bereits in den klinischen Phasen I/II ist, hat die Eckpunkte der Entwicklung und der präklinischen Prüfung bereits publiziert, weshalb wir uns ein Beispiel anschauen können. Ausgangspunkt dieses Inaktivat-Kandidaten war die Gewinnung von Virusproben aus den Lungenbläschen von COVID-19 Patienten. Das Virus wurde unter Verwendung einer beliebten Zelllinie, genannt Vero-Zellen, angezüchtet (Gao et al. 2020). Diese Zellen lassen sich in-vitro vermehren und werden auch für die Routine-Produktion von z. B. Influenza-Impfstoffen verwendet (Barrett et al. 2013). Die Viruspräparation wurde in einem 50 L Maßstab „angezüchtet“. Im Anschluss wurden die Viren mit einem chemischen Reagenz, ß-Propiolacton, inaktiviert (Gao et al. 2020). Dieses chemische Reagenz verändert die viralen Proteine und das Virusgenom, sodass die Viren nicht mehr infektiös sind (Bonnafous et al. 2014). Die inaktivierte Biomasse wurde durch Methoden der Filtration und Chromatographie (ein Verfahren zur Trennung von Stoffen) gereinigt und abschließend Aluminiumsalze als Adjuvans zugegeben, um die Immunogenität zu erhöhen. Eine Dreifach-Impfung mit diesem Impfstoffkandidaten hat sich in präklinischen Versuchen, u. a. an Mäusen und Rhesus-Affen, als sicher, immunogen und wirksam erwiesen (Gao et al. 2020). Dies ist positiv, da z. B. bei einem inaktivierten Ganzvirus-Impfstoff-Kandidat gegen SARS eine übertriebene Immunreaktion mit Schädigungen der Lunge auftrat (Tseng et al. 2012). Man kann jedoch nicht grundsätzlich 1:1 von Tierversuchen auf das Verhalten im Menschen schließen. Aus diesem Grund bleibt abzuwarten, ob dieser oder andere Inaktivat-Kandidaten die Hürden der klinischen Phasen erfolgreich meistern.
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Rekombinante Proteine ( ProteinUntereinheiten)
Die in Kap. 6 vorgestellten Untereinheiten-Impfstoffe (in der Folge Proteine genannt) lassen sich neben der Herauslösung aus inaktivierten Viren, auch mit Hilfe von Methoden der Biotechnologie (= rekombinant) herstellen. Hierbei wird die genetische Sequenz für das gewünschte Protein bzw. ein Teil des Proteins in bestimmte DNA-Moleküle, sog. Plasmide, eingefügt. Plasmide sind eigenständige genetische Elemente (ringförmige DNA-Moleküle), die sich in Zellen vermehren können. Plasmide werden z. B. auch von Bakterien verwendet, um Antibiotika-Resistenzen auszutauschen, was zu multiresistenten Bakterien führen kann. Diese Plasmid-DNA-Moleküle werden nun vermehrt. Dazu bringt man sie z. B. in Zellen wie die klassische Bäckerhefe, Saccharomyces cerevisae, oder Bakterien wie Escherichia coli. Diese Organismen teilen sich schnell und können in großen Massen, in sog. Fermentern, vermehrt werden. Diese Fermenter sind große Tanks, die mit Nährflüssigkeit gefüllt sind und in denen die Wachstumsbedingungen optimal kontrolliert werden können. Die Plasmide werden genauso wie die DNA der Zellen bei jeder Zellteilung auf die Tochterzellen weitergegeben. Am Ende hat man eine große Biomasse an Zellen, die alle Plasmide mit der Information für z. B. das Spike-Protein von SARS-CoV-2 haben. Anhand der genetischen Information der Plasmide wird in den Zellen dieses rekombinante SARS-CoV-2 Protein gebildet. Nach Beendigung der Fermentation werden die Proteine von den Zellen und anderen Komponenten abgetrennt (und teilweise erst aus den Zellen herausgeholt) und gereinigt, und abschließend Adjuvantien zugesetzt. D. h. obwohl der Herstellungsprozess von inaktivierten (Kap. 6) und rekombinanten Proteine absolut unterschiedlich ist, benötigen beide Zusätze, um das Immunsystem a usreichend stark zu aktivieren.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. U. B. Vogel, COVID-19: Suche nach einem Impfstoff, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31340-1_7
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7 Rekombinante Proteine (Protein-Untereinheiten)
Hepatitis B ist ein Beispiel für einen rekombinanten Proteinimpfstoff, der regelmäßig am Menschen eingesetzt wird. Ein Vorteil von rekombinant hergestellten Proteinen ist die niedrigere biologische Sicherheitsstufe. Bei klassischen Protein-Impfstoffen müssen zunächst große Mengen des gefährlichen Virus vermehrt werden, bevor es inaktiviert wird und die Proteine herausgelöst werden. Dies stellt eine Gefahr für das Produktionspersonal dar. SARS-CoV-2 ist derzeit in die zweithöchste biologische Schutzstufe (BSL), BSL 3, eingeteilt, wodurch hohe Sicherheitsstandards zu erfüllen sind. E. coli erfordert zwar auch Sicherheitsstandards, da es ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO) ist, es handelt sich jedoch um ungefährliche Laborstämme. Gemäß WHO basieren die meisten Impfstoffprojekte gegen COVID-19, ca. ein Drittel, auf Protein-Impfstoffen (WHO 2020b). Dies unterstreicht, wie schnell diese etablierten biotechnologischen Verfahren auf neue Viren angewendet werden können. 3 der Kandidaten befinden sich bereits in der frühen klinischen Phase. Leider gibt es auch hier einige Einschränkungen, die erwähnt werden sollten. Der Anteil von rekombinanten Protein-Impfstoffen ist gegenüber den klassischen Protein-Impfstoffen am Gesamtmarktvolumen von Protein-Impfstoffen noch gering, wird aber sicherlich in Zukunft zunehmen (Transparency Market Research 2020). Ein einzelnes Protein ist nicht notwendigerweise so wirksam gegen eine Erkrankung wie klassische Lebendimpfstoffe. Natürlich gibt es bei jedem Virus besonders immunogene Bereiche eines Proteins, Epitope genannt, die ganzheitliche Immunantwort gegen ganze Viren ist aber meist gegen verschiedene Proteine und hier wiederum verschiedene Epitope gerichtet. Rekombinanten Proteine haben daher tendenziell eine niedrigere Immunogenität verglichen mit traditionellen Ganzvirus-Impfstoffen (Karch und Burkhard 2016). Aus diesem Grund sind Verbesserungen in diesem Bereich der Fokus von intensiven Forschungsvorhaben. Eine Möglichkeit, um die Immunogenität von Protein-Impfstoffen zu verbessern, ist die Nanopartikel-Technologie, bei der z. B. Nanopartikel mit den Proteinen beschichtet werden (Pati et al. 2018). Ein auf einem rekombinanten Spike-Protein basierender Impfstoffkandidat gegen SARS hat ebenfalls nach Impfung und anschließender Infektion mit SARS-CoV zu Immunpathologien, also Schädigungen der Lunge bei Tieren, geführt (Tseng et al. 2012). Neuere Ansätze gegen SARS, z. B. unter Verwendung eines rekombinanten Spike-Protein, das mit Gold-Nanopartikel kombiniert wurde, war immunogen (= Antikörperantwort), hat aber leider wieder zu Immunpathologien geführt und war zudem nicht wirksam. Ein anderes, gleichzeitig getestetes Adjuvant hat allerdings deutlich besser abgeschnitten, ohne
7 Rekombinante Proteine (Protein-Untereinheiten)
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dass Schädigungen aufgetreten sind (Sekimukai et al. 2020). Dies zeigt, dass hier ebenfalls noch keine optimale Impfstoffzusammensetzung gefunden wurde und weitere Verbesserungen notwendig sind. Aus diesen Gründen sollte man bei den derzeitigen Projekten gegen COVID-19 vorsichtig sein mit frühen Erfolgsmeldungen zur Immunogenität in Phase I und II-Studien. Auf der anderen Seite bleibt zu hoffen, dass durch die noch nie zuvor da gewesene schiere Anzahl von über 50 gleichzeitigen Protein-Impfstoff-Projekten, unter Verwendung verschiedener Herstellungs- und Adjuvans-Technologien, direkt im ersten Anlauf ein oder mehrere geeignete Kandidaten ergeben.
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Nukleinsäure-basierte Impfstoffe
8.1 DNA-Impfstoffe Die Erforschung von DNA-Impfstoffen begann vor ca. 30 Jahren. Die Idee dahinter ist, dass man keine vermehrungsfähigen Viren, sondern bestimmte Gensequenzen von ihnen in die Körperzellen schleust. Die Herstellung dieser Impfstoffe weist Parallelen zu den rekombinanten Proteinen auf (siehe Kap. 7). Die ausgewählte Sequenz für ein Protein von SARS-CoV-2 wird in Plasmide eingebaut. Diese Plasmide werden nun z. B. in Bakterien geschleust und diese durch Fermentation in großen Tanks vermehrt. In den Bakterien selbst vermehren sich die Plasmide wiederum, sodass jede Bakterienzelle mehrere identische Plasmide enthält. Nach Ende der Fermentation werden die Bakterienzellen „aufgeknackt“ und die Plasmide „geerntet“, und alle anderen Bestandteile (z. B. die Außenhülle der Bakterien, Proteine, sowie die bakterielle RNA und DNA) durch Reinigungsschritte entfernt (Abb. 8.1). Die übrigbleibenden Plasmide werden dann z. B. mit Adjuvans vermischt und in Fläschchen abgefüllt. Trotz einiger Parallelen zu Kap. 7 wird hier ein anderes Biomolekül geerntet, nicht Protein, sondern DNA. Der Impfstoff enthält mit Ausnahme der Zusätze fast „nackte“ DNA, die dem Menschen gespritzt werden bzw. über nadelfreie Systeme verabreicht werden (Rauch et al. 2018). Wirkungsweise: Die Körperzellen nehmen die Plasmide auf. Anhand der im Plasmid gespeicherten genetischen Information des SARS-CoV-2 Proteins erfolgt in unseren Körperzellen die normale Genexpression, also von DNA über RNA zum Protein. Während bei rekombinanten Proteinen also direkt Proteinantigene in den Körper gespritzt werden, „zwingt“ man bei DNA-Impfstoffen die Körperzellen, dieses Virusprotein selbst zu bilden. Da nur ein Teil des Virusgenoms (z. B. ein oder wenige Proteine oder Proteinteile) im Plasmid enthalten ist, kann sich kein vermehrungsfähiges Virus bilden. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. U. B. Vogel, COVID-19: Suche nach einem Impfstoff, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31340-1_8
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8 Nukleinsäure-basierte Impfstoffe
Auch wenn rekombinanten Proteine und Plasmid-DNA zwei unterschiedliche Biomoleküle sind, trifft sich ihr Weg auf der Stufe wieder, wenn z. B. Fresszellen diese Proteinteile (entweder gespritzt oder selbst gebildet) anderen Immunzellen präsentieren und eine Immunreaktion auslösen. Die DNA-Impfstofftechnologie hat sich seit der Anfangsphase stark weiterentwickelt, auch bezüglich der Frage, wie die mangelnde Immunogenität durch Adjuvantien verbessert werden kann. DNA-Impfstoffe gelten als sehr sicher in der Anwendung, da sie keine vermehrungsfähigen Viren bilden können. In einer großen Zahl von >100 klinischen Studien wurden keine bedeutsamen schädliche Nebenreaktionen festgestellt (Li und Petrovsky 2016). Es gibt eine Handvoll zugelassene DNA-Impfstoffe beim Tier. Soweit so gut, leider ist aber trotz jahrzehntelanger Impfstoffentwicklung noch kein einziger D NA-Humanimpfstoff zugelassen (Porter und Raviprakash 2017). Das mag verwunderlich klingen, obwohl dieser Typ einfach und bequem am Computer entworfen wird, mittels gentechnischer Methoden zusammengebaut und anschließend mit bewährten Verfahren der Biotechnologie hergestellt wird. Ein Blick auf die klinischen Daten zeigt, dass erst noch Schwachstellen gelöst werden müssen, bis DNA-Impfstoffe beim Menschen für verschiedene Infektionskrankheiten verfügbar sind. Viele klinische Studien waren überwiegend wegen einer mangelnden Immunogenität bzw. Wirksamkeit erfolglos (Liu 2019), d. h. die Immunreaktion war entweder gar nicht, zu schwach und nur vorübergehend
Abb. 8.1 Schematische Darstellung der Konstruktion, Vermehrung und anschließender Aufreinigung eines DNA-Impfstoffs. (Quelle: Erstellt von Patric Vogel)
8.1 DNA-Impfstoffe
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vorhanden. Ein wichtiger Grund ist die Instabilität der DNA nach Verabreichung. Ein Großteil der DNA wird im Gewebe durch bestimmte Enzyme, sog. Nukleasen, abgebaut, bevor sie von den Zellen aufgenommen werden und ihre Wirkung entfalten können. Diese Enzyme kommen in unseren Geweben in großen Mengen vor. Daher ist die Zeit zwischen Injektion des Impfstoffs und Aufnahme durch die Zellen besonders kritisch, ja fast schon ein Wettlauf gegen die Zeit. Dazu kommt, dass einige Zellen nur ungern DNA aufnehmen. Je weniger Plasmide in die Zellen aufgenommen werden, desto weniger Protein wird gebildet, und je weniger Protein gebildet wird, desto schwächer fällt die Immunantwort aus. Andere Ansätze versuchen, die DNA-stabiler zu machen oder die Aufnahme zu beschleunigen bzw. zu verbessern. Insgesamt haben diese Bestrebungen schon zu einer besseren Immunogenität geführt (Suschak et al. 2017). Es sind derzeit (Stand 29.06.2020) 13 Projekte (ca. 9 % aller Projekte) zur Entwicklung eines DNA-Impfstoffs von der WHO gelistet. Zwei Impfstoffkandidaten befinden sich bereits in der klinischen Phase I (WHO 2020b). Der erste wird an ca. 120 Menschen getestet. Hierbei wird der Impfstoff-Kandidat intradermal, also in die Haut, injiziert und anschließend das Verfahren der Elektroporation eingesetzt. Bei der Elektroporation wird die Injektionsstelle einem elektrischen Feld ausgesetzt. Dieses bewirkt, dass die Zellmembranen der Zellen kurzzeitig durchlässiger für Biomoleküle, auch DNA, werden. Die Elektroporation ist allgemein ein Mittel, die oben beschriebene ungenügende Aufnahme der DNA durch Zellen zu verbessern (Li und Petrovsky 2016). Der zweite Kandidat wird intramuskulär, also in den Muskel gespritzt, und dann ebenfalls die Elektroporation eingesetzt. Bei DNA-Impfstoffen besteht die Gefahr, dass sie sich Die DNA ins Genom des Empfängers dauerhaft einfügt, wobei das Risiko als sehr niedrig eingestuft wurde (Li und Petrovsky 2016). Bezüglich der Sicherheit ergibt sich bei D NA-Impfstoffen eine besondere Frage: Sind Menschen, die DNA-Impfstoffe erhalten, gentechnisch veränderte Organismen (GVOs)? Die Antwort ist knifflig. Die Plasmide müssen in den Zellkern gelangen, damit die genetische Information in mRNA übersetzt werden kann (siehe Abb. 8.2 in Abschn. 8.2) und diese Nähe eröffnet die Möglichkeit, dass sich bestimmte Bereiche des Plasmids in das Genom der Körperzelle integrieren. Bezüglich eines DNA-Impfstoffs für Fische hat die norwegische Arzneimittelbehörde diese Frage mit nein beantwortet, d. h. die geimpften Fische gelten nicht als GVOs. Das bedeutet aber nicht, dass andere Behörden zu der gleichen Einschätzung kommen. Auch wenn die DNA-Technologie eine phänomenale Technik ist, die das Potential hat, zusammen mit anderen Technologien die Impfstofflandschaft des 21. Jahrhunderts zu prägen, muss man festhalten, dass erst noch bestimmte
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8 Nukleinsäure-basierte Impfstoffe
Abb. 8.2 Schematische Darstellung der Stufen der Genexpression in einer Zelle und die Ansatzstelle von mRNA-Impfstoffen. (Quelle: Erstellt von Patric Vogel unter Verwendung und Modifikation von Adobe Stock, Dateinr.: 166185134; Lizenziert (Standardlizenz) von Patric Vogel)
Schwächen durch Verbesserungen abgestellt werden müssen. Ob dies bei den derzeitigen Kandidaten-Impfstoffen schon so weit ist, ist noch unklar. Daher vermute ich, dass ein DNA-Impfstoff als schneller Heilsbringer gegen COVID-19 mehr Wunsch als Wirklichkeit ist.
8.2 mRNA-Impfstoffe RNA-Impfstoffe sind die neueste der hier beschriebenen Technologien. Die Idee dahinter ist es, nicht DNA, sondern eine andere Nukleinsäure, die Boten- oder messenger Ribonukleinsäure (mRNA) einzusetzen. Diese ist die Zwischenstufe bei der Genexpression von DNA, über RNA zum Protein. Bei dieser Technologie werden zunächst, wie bei den anderen Technologien auch, wichtige Proteine bzw. Proteinteile von SARS-CoV-2 identifiziert. Die genetische Sequenz für dieses Protein wird dann mittels gentechnischer Methoden in ein DNA-Plasmid eingefügt. Anders als bei DNA-Impfstoffen wird hier aber nicht das Plasmid in z. B. Bakterien vermehrt und geerntet. Bei der Herstellung werden mit Hilfe von bestimmten Enzymen, sog. RNA-Polymerasen, anhand der genetischen Information des DNA-Plasmids große Mengen von mRNA gebildet. Diese Herstellung läuft in vitro, d. h. außerhalb von lebenden Organismen, quasi im Reagenzglas. Im Anschluss wird die mRNA gereinigt (also DNA, Enzyme und weitere Komponenten entfernt) und zusätzlich modifiziert, um sie stabiler
8.2 mRNA-Impfstoffe
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zu machen (Schlake et al. 2012). Diese mRNA wird als Impfstoff in das Gewebe (z. B. unter die Haut oder in den Muskel) gespritzt. Die mRNA wird durch Zellen aufgenommen und anhand der gelieferten genetischen Information das Protein gebildet. Anders als DNA-Impfstoffe, die nicht nur in die Zelle, sondern auch in den Zellkern gelangen müssen, reicht mRNA der Eintritt in das Zytoplasma der Zelle, da hier anhand der genetischen Information von mRNA Proteine gebildet werden (siehe Abb. 8.2). RNA gilt als noch instabiler als DNA und wird ebenfalls schnell durch bestimmte Enzyme, sog. Ribonukleasen, zerschnitten. Aus diesem Grund war diese Technologie für die Pharmaindustrie zunächst lange Zeit unattraktiv (Kowalski et al. 2019). Heutzutage gibt es aufgrund technischer Fortschritte die Möglichkeit, die Stabilität von RNA gezielt zu verbessern, z. B. durch chemische Modifikation. Es gibt mittlerweile zwei Typen (Pardi et al. 2018; Kowalski et al. 2019): • Nicht replizierende RNA: Dieser Typ wird bei den meisten Forschungsprojekten, auch zur Entwicklung eines Impfstoffs gegen COVID-19 verfolgt und basiert auf der oben genannten Beschreibung • Selbst-replizierende RNA: Hier sind in der RNA neben der Sequenz für das virale Protein noch Sequenzen für Vermehrungsenzyme enthalten. Diese Enzyme werden nach Einschleusung in die Körperzelle gebildet und vermehren die mRNA, so wie es ein Virus machen würde, das seine RNA in die Zelle schleust und dann viele Kopien mRNA herstellt, damit ausreichend Proteine gebildet werden können. Ein Vorteil von mRNA-Impfstoffen ist die Schnelligkeit, Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Technologie. Dies könnte in Zukunft besonders schnell Impfstoff-Kandidaten gegen neue Infektionskrankheiten hervorbringen. Dieser Typ gilt als sehr sicher. Ein weiterer Vorteil von mRNA-Impfstoffen gegenüber DNA-Impfstoffen ist, dass keine Gefahr besteht, dass sich die Nukleinsäure in das Genom der geimpften Person integriert, da sie nicht in den Zellkern unserer Körperzellen transportiert wird (Schlake et al. 2012). Ein Nachteil könnte die geringe Verweilzeit in der Zelle sein. Die Halbwertszeit von mRNA in Zellen ist vergleichsweise kurz, von wenigen Minuten, über Stunden bis zu einigen Tagen. mRNA-Impfstoffkandidaten gelten als stark immunogen. Es laufen bereits zahlreiche klinische Studien zur Anwendung für verschiedenste Infektionskrankheiten (Kowalski et al. 2019). RNA selbst hat immunstimulierende Wirkung. Man wünscht sich jedoch nicht, dass sich die Immunreaktion in voller Härte gegen die mRNA richtet, die ins Gewebe gespritzt wird, sondern hauptsächlich gegen
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8 Nukleinsäure-basierte Impfstoffe
die später gebildeten viralen Proteine. Aus diesem Grund muss die Aktivierung des Immunsystem fein balanciert werden muss. Wenn das RNA-Produkt eine zu stark immunstimulierende Wirkung hat, wartet das Immunsystem gar nicht so lange, bis Proteine gebildet werden, sondern die mRNA wird direkt attackiert. Hierdurch wird dann eine geringere Menge virales Protein gebildet, wodurch die Wirkung des Impfstoffs herabgesetzt wird. Auf der anderen Seite darf die RNA aber auch nicht zu „harmlos“ sein, dass gar keine Reaktion erfolgt. Es gibt verschiede Ansätze, sog. mRNA-Technologie-Plattformen, dies zu erreichen (Pardi et al. 2018). Ein Bespiel ist die Verabreichung der mRNA zusammen mit „dummy“ RNA. Diese zweite RNA soll nur das Immunsystem aktivieren, hat also einen Verstärkungseffekt (Adjuvans-Effekt). Einer der wichtigsten Aspekte bei mRNA-Impfstoffen ist, die Moleküle schnell und sicher in Körperzellen zu bekommen, ganz ähnlich wie DNA-Impfstoffen. Ein Ansatz sind Lipidnanopartikel, die kleine Vesikel bilden und die mRNA sowohl schützen als auch in Körperzellen transportieren (Reichmuth et al. 2016; Kowalski et al. 2019). Allerdings ist die optimale Herstellungsform gerade noch Gegenstand intensiver Forschung. Auf den RNA-Impfstoffen liegen gerade in Bezug auf COVID-19 große Hoffnungen. Über 10 % der derzeitig von der WHO gelisteten Projekten betreffen die Entwicklung von RNA-Impfstoffen. 4 dieser Kandidaten sind bereits (Stand 29.06.2020) bis zur klinischen Phase II vorangeschritten (WHO 2020b). Das unterstreicht die Schnelligkeit und Flexibilität dieser Technologie in Reaktion auf neue Erkrankungen. Bei der mRNA-Technologie sind jedoch aufgrund des juvenilen Status noch viele offene Punkte zu klären, auch bezüglich der Übertragbarkeit von Tierstudien auf den Menschen74. Es existieren verschiedenen Plattformen, die unterschiedliche Ansätze verfolgen. D. h. das sich bei dieser Technologie die ideale Produktbeschaffenheit und -zusammensetzung noch herauskristallisieren muss. Selbst bei etablierten Technologien erlangt nur ein kleiner Prozentsatz von Kandidaten-Impfstoffen letztlich die Marktreife. Deswegen werden die ersten klinischen Studien mit mRNA-Impfstoffkandidaten wertvolle Daten liefern, ob die Technologie grundsätzlich bereits soweit ist, um als Impfstoff eine echte Alternative zu sein. Ein positiver Aspekt ist die Vielzahl von verschiedenen mRNA-Plattformen, die nach und nach dieses Jahr in die klinischen Studien eintreten werden. Es gilt aber nicht nur ein Produkt zu entwickeln, dass sich potenziell als Impfstoff eignet. In der Frühphase werden meist kleinere Mengen des Impfstoffs (sog. Pilotchargen) zum Einsatz in klinischen Studien hergestellt. Die Translation von diesen frühen Pilotchargen hin zur kommerziellen R outine-Produktion
8.2 mRNA-Impfstoffe
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von großen Chargen für die Marktversorgung birgt ebenfalls einige Herausforderungen. Beim sog. Hochskalieren des Herstellungsprozesses können unerwünschte Veränderung auftreten, z. B. bezogen auf die Produktzusammensetzung, die Ausbeute, Verunreinigungen etc. Grundsätzlich ist bei neuen Technologien auch die Frage, was die wichtigen Qualitätseigenschaften des Impfstoffs sind, damit geeignete analytische Testungen etabliert werden können (Poveda et al. 2019). Es können sich selbst nach Zulassung noch in der Qualitätskontrolle Probleme zeigen, die eine eingehende Analyse erfordern. Diese herstellungsbedingten Probleme führen selbst bei etablierten Impfstoffen zur zeitweisen Lieferunfähigkeit. Da bei mRNA-Impfstoffen im Gegensatz zu den anderen Technologien, noch keine Erfahrung mit Routine-Produktionen vorhanden sind, wird diese Technologie vermutlich noch die meisten Kinderkrankheiten auszustehen haben. Die mRNA-Technologie wird sicherlich eines Tages eine echte Alternative zu konventionellen Impfstoffen sein, es bleibt aber abzuwarten, ob sie die hohen Erwartungen in so einer kurzen Zeit erfüllen kann.
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Weitere Aspekte – Ein Impfstoff für alle? – Herdenimmunität – Dauer der Immunität – Sterilisierende Immunität
Die öffentliche Wahrnehmung von Impfstoffen ist, dass Sie für Kinder, Jugendliche, sowie Erwachsene jeglichen Alters einschließlich älterer Menschen gleichermaßen geeignet sind. Man sieht daher intuitiv die Bevölkerung als eine große einheitliche Population und wartet auf „den“ Impfstoff. Bei C OVID-19 gehören vor allem ältere Menschen sowie Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen zu den Hochrisikogruppen, bei denen eine Infektion zu besonders schweren Verläufen bis hin zum Tod führen kann. Mit „älter“ sind in diesem Zusammenhang Personen über 60 Jahre gemeint, wobei dies keine medizinisch haarscharfe Grenze darstellt. Leider ist ebenso bekannt, dass ältere Menschen schlechter auf Impfstoffe ansprechen als gesunde, jüngere Menschen. Der Effekt, dass die Aktivität des Immunsystems mit dem Alter abnimmt, wird Immunseneszenz genannt. Wie stark der Unterschied zwischen jungen und älteren Personen ist, lässt sich schwierig sagen, und wird auch von Krankheit zu Krankheit Unterschiede zeigen. Kann sich ein Leser dieses Buches, vor allem Personen über 60 Jahre, daran erinnern, dass nach einer Influenza-Impfung einige Wochen später beim Hausarzt eine Blutentnahme erfolgte, um durch Antikörpertests den Impferfolg zu kontrollieren? Die Antwort wird gewöhnlich mit nein beantwortet werden. Diese Kontrolle wird höchstens bei Impfungen durchgeführt, bei denen allgemein bekannt ist, dass es eine relativ hohe Rate an Personen gibt, die nicht auf die Impfung reagieren, wie z. B. bei der Hepatitis B-Impfung. Jetzt könnte der Leser argumentieren, dass das doch bereits in den klinischen Studien nachgewiesen wurde, doch das ist nicht immer der Fall. Anhand eines Beispiels eines zugelassenen Influenza-Impfstoffs wird dies verdeutlicht. Dieser Wirksamkeitsversuch erfolgte durch Vergleich des neuen Impfstoff-Kandidaten mit einem bereits zugelassenen Impfstoff. Hierbei wurde die Antikörperantwort der Gruppen relativ zueinander bewertet, auch unter Einbezug von Personen über © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. U. B. Vogel, COVID-19: Suche nach einem Impfstoff, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31340-1_9
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9 Weitere Aspekte – Ein Impfstoff für alle …
65 Jahren. Allerdings wurde bezüglich des Schutzes vor Erkrankung (Häufigkeit Auftreten Erkrankung geimpfte vs. ungeimpfte Personen) auf einen älteren Versuch verwiesen, bei dem nur Personen bis 50 Jahre berücksichtigt wurden (EMA 2020). D. h. bei diesen klinischen Versuchen werden die Hochrisikogruppen nicht immer ausreichend berücksichtigt. Dieser Effekt des Alters bei Influenza-Impfungen wurde in über 30 wissenschaftlichen Studien ermittelt. Die Wirksamkeit der Impfstoffe in älteren Personen wurde auf 17–53 % geschätzt, gegenüber 70–90 % bei jüngeren Menschen (Goodwin et al. 2006). Diese niedrigen Zahlen von Influenza müssen nicht unbedingt repräsentativ für den Unterschied eines COVID-19-Impfstofferfolgs zwischen Jung und Alt sein. Dennoch ist das grundsätzliche Phänomen der Immunseneszenz bei älteren Personen nicht von der Hand zu weisen. Die Wissenschaft verursacht seit Jahren, Ideen und Ansätze zu entwickeln, um die Wirksamkeit von Impfstoffen auch bei älteren Personen zu verbessern (Derhovanessian und Pawelec 2012; Smetana et al. 2018). Ein Ansatz, der sich bei inaktivierten Influenza-Impfstoffen bisher in frühen klinischen Studien als erfolgreich gezeigt hat, ist die Verabreichung einer höheren Dosis (Sanchez et al. 2020). Da bei COVID-19 vor allem ältere Menschen zu der Risikogruppe gehören, sollte dies bei der Impfstoffentwicklung und -zulassung besondere Berücksichtigung bekommen. Klinische Studien, die bei weniger gefährdeten jungen und mittelalten Erwachsenen keine Nebenwirkungen und eine starke Immunantwort zeigen, müssen nicht notwendigerweise repräsentativ für ältere Menschen sein. Diese Gruppe würde jedoch am meisten von einem wirksamen und sicheren Impfstoff profitieren. Ein positives Zeichnen wurde diesbezüglich bereits vom Paul-Ehrlich-Institut gesetzt. Bei einem sich bereits in der klinischen Phase befindlichen mRNA-Impfstoffs gegen COVID-19 sollen nach den ersten Tests auch stärker Personen aus Risikogruppen einbezogen werden. Dies ist wichtig, könnte aber auch ernüchternde Ergebnisse erbringen. Natürlich hätte ein Impfstoff auch positive Auswirkungen, wenn der Impferfolg überwiegend nur bei jüngeren Menschen eintreten sollte. Je mehr Menschen gegen die Erkrankung geschützt sind, desto weniger kann das Virus zirkulieren. Dieser Effekt, Herdenimmunität genannt, ist ein wichtiges Prinzip bei der Kontrolle von Infektionskrankheiten. Sofern viele Menschen geschützt sind, reduziert sich im Durchschnitt das Kontaktrisiko mit Infizierten und somit das Übertragungsrisiko. Aufgrund der Neuheit von COVID-19 ist die Dauer der Immunität, d. h. wie lange die Immunität nach überstandener Infektion bestehen bleibt, unklar. Antikörper gegen SARS waren in Personen 2 Jahre stabil und nahmen im dritten Jahr
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ab, die Autoren schlossen, dass die Immunität 3 Jahre halten könnte (Wu et al. 2007). Man weiß aber noch nicht, ob Antikörper das geeignete Mittel sind, um den Immunschutz bewerten zu können. Bei jeder neuen Infektionskrankheit stellt sich die Frage, was ein geeignetes Korrelat der Protektion ist, d. h. immunologische Marker (z. B. bestimmte Antikörper-Typen), die gleichgesetzt werden können mit Schutz vor der Krankheit. Wenn wir uns infektiologische Versuche mit Coronaviren anschauen, besteht zumindest die Chance, dass der Schutz mind. 12 Monate hält. Vor 30 Jahren erfolgten Infektionsversuche mit einem der üblichen E rkältungs-Coronaviren, 229E. Hierbei wurden menschliche Probanden mit diesem Virus über die Nase infiziert. Die meisten entwickelten Erkältungssymptome und Antikörper. Die Antikörpertiter sanken innerhalb der ersten 12 Monate deutlich, jedoch waren die Versuchspersonen gegen eine erneute Infektion 12 Monate nach der ersten geschützt. Keiner der Probanden entwickelte Erkältungssymptome, jedoch wurden die Probanden infiziert, und schieden das Virus für einige Tage aus (Callow et al. 1990). Dies ist Hoffnung und Risiko zugleich. Auf der einen Seite zeigte dieser Versuch, dass man zumindest ein Jahr gegen eine erneute Erkrankung geschützt ist, auf der anderen Seite wurde hierdurch deutlich, dass dies keine sterilisierende Immunität ist, d. h. geschützte Personen können das Virus wieder aufnehmen und auf andere übertragen. Dies ist vor dem Hintergrund der allgemeinen Annahme, dass Personen, die die Infektion durchlaufen haben oder geimpft wurden, als sicher gelten und z. B. unbedenklich für die Pflege älterer Menschen eingesetzt werden können, ein wichtiger Aspekt. Diese Annahme könnte z. B. unbemerkt Ausbrüche von COVID-19 in Pflegeheimen verursachen. Sofern sich diese Eigenschaft bei SARS-CoV-2 bestätigt, werden wir eventuell selbst bei Verfügbarkeit eines Impfstoffs nicht um weitere Vorsichtsmaßnahmen, z. B. Mundschutz und Abstandhalten, gerade im Umgang mit älteren Menschen, herumkommen. Auf der anderen Seite hat der Typ 229E eine sehr lange Koevolution mit den Menschen und zirkuliert seit hunderten Jahren in unserer Population (Graham et al. 2013), wodurch Ergebnisse von 229E nicht unbedingt repräsentativ für SARS-CoV-2 sein müssen. Aus diesem Grund müssen hier weitere wissenschaftliche Daten erhoben werden, um Sicherheit bezüglich COVID-19 zu bekommen. Ein wichtiges Prinzip ist zudem, dass eine Impfung nicht länger schützt als eine natürliche Infektion, je nach Impfstofftyp sogar deutlich kürzer. Es wäre wünschenswert, wenn die Immunität gegen SARS-CoV-2 lang andauernd ist. In diesem Fall wären die folgenden Überlegungen irrelevant. Spielen wir trotzdem Mal durch, welche Konsequenzen verschiedene kürzere Immunitätsdauern
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hätten. Sofern der Immunschutz ca. 1–3 Jahre hält, müsste die COVID-19Impfung jährlich oder alle paar Jahre verabreicht werden, ähnlich wie die jährliche Grippe-Impfung. Hier hält die Immunität gegen die geimpfte InfluenzaVariante im Schnitt 2–7 Jahre (Woolthuis et al. 2017). Es treten aber saisonal neue Varianten auf, die teilweise eine jährliche Impfung notwendig machen. Hätte eine Auffrischungsimpfung in Intervallen von einem oder ein paar Jahren Auswirkung auf die geeignete Impfstofftechnologie für COVID-19? Sehr wohl! Einige Technologien, die nur auf SARS-CoV-2 Komponenten beruhen (Lebend, inaktiviert, Proteinuntereinheiten, DNA und RNA) könnten vermutlich wieder eingesetzt werden, da die Immunantwort ja gegen die Virus-Komponenten schwinden würde, was der Grund für die Notwendigkeit einer Auffrischungsimpfung wäre. Jedoch müsste hier das Vorliegen bzw. Zunahme von Überempfindlichkeitsreaktionen durch die häufige Impfstoff-Anwendung geprüft werden. Anders sieht es bei Vektorimpfstoffen aus. Wenn z. B. ein Impfstoff auf Basis von Adenoviren eingesetzt wird, baut sich gegen den Adenovirus-Vektor eine Immunität auf, die langfristiger ist als gegen das Coronavirus-Antigen. In diesem Fall würde die Auffrischungsimpfung 1–3 Jahre später Gefahr laufen, zu versagen, da das Immunsystem das Vektorvirus blockiert und gar nicht erst die Wirkung entfalten kann. Sofern dieses Szenario zutreffen sollte, wäre diese Impfstofftechnologie nur für den einmaligen Einsatz geeignet. Dies könnte auch vom eingesetzten Vektorvirus abhängen, da eine vorherige Immunität gegen Masern scheinbar nicht die Wirkung von Masernvektoren beeinträchtigt. Sofern sich dieses Szenario bewahrheitet, müsste dann auf einen anderen Impfstoff zurückgegriffen werden, was wieder die Aussicht schmälert, da wir bereits zwei zugelassene Impfstoffe benötigen würden, um dauerhaft COVID-19 durch Impfstoffe auf Populationsebene in den Griff zu bekommen. Es sind also noch viele wissenschaftliche Studien und Zeit notwendig, um die Dauer der Immunität und andere wichtigen Aspekte von SARS-CoV-2 genauer zu analysieren. Es gibt aber auch andere Herausforderungen, bei denen COVID-19 sich als einzigartig herausstellen könnten. Zum Beispiel haben wir in Kap. 3 kennengelernt, dass eine Möglichkeit zum Nachweis der Wirksamkeit in der klinischen Phase III ist, geimpfte und ungeimpfte Menschen zu beobachten und über das gehäufte Auftreten der Krankheit in der ungeimpften Gruppe Aussagen zur Wirksamkeit gemacht werden (Merke: Das ist nicht die einzige Möglichkeit, man kann die Wirksamkeit auch über immunologische Parameter wie Antikörper bewerten, sofern man weiß, das z. B. dies Schutz vor der Krankheit bedeutet). Das funktioniert bei ungehemmt zirkulierenden Viren gut, da es nur eine Frage der
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Zeit ist, bis ein bestimmter Anteil dieser Versuchspersonen in Kontakt mit dem Erreger kommt. Genau dieser Nachweis kann aber bei klinischen Versuchen von COVID-19-Impfstoffen Probleme verursachen. Was macht man, wenn niemand aus der ungeimpften Kontrollgruppe krank wird, da die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung mit den Kontrollmaßnahmen (Mundschutz, Abstandsregeln, Kontaktverfolgung und Quarantäne von Erkrankten) auf ein Minimum begrenzt wird? Diese und andere Fragen könnten je nach Region und Auftretenshäufigkeit des Virus den Klinikern noch einige Kopfzerbrechen bereiten.
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Der Schwere der COVID-19-Pandemie und die weltweite Aufmerksamkeit fördern die tägliche Forderung nach einem Impfstoff. Diese Forderungen basieren auf der Hoffnung, dass nach Verfügbarkeit eines Impfstoffes die Welt aufatmen und wieder zur bekannten Normalität zurückkehren kann. Die darauf gestarteten massiven Bestrebungen könnte man als Schrottschussverfahren bezeichnen, das darauf abzielt, den langwierigen Prozess der Impfstoffzulassung, um ein Vielfaches zu verkürzen. Viele der Kandidaten werden sich als allerdings als ungeeignet herausstellen, das bedingt die Natur von komplizierten Infektionskrankheiten und ihren zugrunde liegenden immunologischen Prozessen. Nur ein kleiner Teil von potenziellen Kandidaten für Impfstoffe schafft den steinigen Weg durch alle klinischen Phasen. Aus diesem Grund kann nicht genug hervorgehoben werden, wie wichtig die Verfolgung von so viel wie möglichen parallelen Ansätzen für einen schnellen Erfolg sein wird. Würden nur wenige Kandidaten in das Rennen gehen, liefe man Gefahr, auch in vielen Jahren noch keinen zugelassenen Impfstoff zu haben. Allerdings gibt es auch eine Kehrseite. Durch die enorme Tragweite dieser Pandemie könnte es je nach Region zu überschnellten Zulassungen kommen. Bei einer überstürzten Zulassung und dem massenhaften Einsatz eines noch nicht ausreichend charakterisierten Impfstoffs könnte im schlimmsten Fall aus der derzeitigen COVID-19 Gesundheitskrise eine Gesundheitskatastrophe unbekannten Ausmaßes werden. Patientensicherheit ist nicht optional, sondern ein MUSS! Ein wichtiges Signal im Sinne der „Standfestigkeit“ bestehender Vorschriften wurde jedoch von einigen Zulassungsbehörden, wie dem Paul-Ehrlich Institut, gesetzt. Dieses wird die Überprüfung von Impfstoff-Kandidaten gegen COVID-19 vollständig und umfassend durchführen. Das bedeutet aber nicht, dass die Impfstoffzulassung in solchen Fällen im „Schneckentempo“ verlaufen wird. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. U. B. Vogel, COVID-19: Suche nach einem Impfstoff, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31340-1_10
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Die Behörden haben jede Menge Möglichkeiten, um Zeiten zu verkürzen, ohne die Patientensicherheit außer Acht zu lassen. Die in den Medien derzeit am höchsten gehandelten Impfstofftechnologien sind mRNA und DNA. Leider spiegelt dieser Medien-Hype nicht die bereits eingefahrenen Erfolge im Humanbereich wider. Wenn diese Technologien bereits so ausgereift wären, würden längst zugelassene Impfstoffe zur Verfügung stehen. Pharmazeutische Unternehmen investieren hohe Millionenbeträge in jeden einzelnen Kandidaten und die bisher gescheiterten Projekte bei DNA-Impfstoffe haben sicherlich nicht damit zu tun, dass die Pharma-Branche nicht genug Geld hatte, um die Projekte erfolgreich umzusetzen. Die DNA-Technologie kann im Veterinärbereich bereits gut funktionierende Impfstoffe vorweisen. Allerdings ist die anfängliche Euphorie von DNA-Impfstoffen mit vielen fehlgeschlagenen klinischen Studien beim Menschen etwas gewichen, auch wenn technologische Verbesserungen wieder Hoffnung geben. Die mRNA-Technologie ist sogar noch jünger. Es wäre aus meiner Sicht überraschend, wenn diese Technologien uns den lang ersehnten ersten COVID-19-Impfstoff liefern würde. Auch wenn ein Erfolg dieser Technologien wünschenswert wäre, gibt keinen Grund, die Erfolgswahrscheinlichkeit höher einzustufen als z. B. bei Vektorimpfstoffen. Dieser Typ hat im Veterinär- und Humanbereich bereits viele Erfolge zu verzeichnen. Mit Erfolg ist dabei nicht nur das Erreichen von Zulassungen gemeint, auch die Tatsache, dass sich diese Impfstoffe im Markt halten, ist ein Hinweis auf ihre grundsätzliche Eignung. Das soll aber nicht bedeuten, dass die Technologien wie Vektorimpfstoffe Selbstläufer sein werden, bei denen es nur eine Frage der Zeit ist, bis die erste Spritze beim Arzt aufgezogen wird. Coronaviren nutzen effiziente, noch nicht vollständig verstandene Mechanismen, um dem Immunsystem zu entfliehen und es zu manipulieren. In diesen Fällen kann es auch sein, dass bestimmte Impfstofftypen nicht funktionieren. Die Frage, welche Technologie sich durchsetzen wird, hängt somit nicht nur von der Anzahl der Projekte und dem investierten Geld ab. Bei bestimmten schwierigen Erregern wie dem Respiratorischen Synzytial-Virus oder HIV sind bisher alle Versuche zur Impfstoffentwicklung fehlgeschlagen. Es ist aber zu hoffen, dass sich COVID-19 nicht als so harte Nuss herausstellt, auch wenn die bisherigen Impfstoffprojekte zu SARS und MERS andeuten, dass diese neuen Coronaviren zumindest keine leichten Gegner sind. Abseits von klinischen Versuchen können im pharmazeutischen Prozess noch viele weitere Probleme auftauchen. Der pharmazeutische Herstellungsprozess ist sehr komplex und aussichtsreichen Kandidaten werden hochskaliert.
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Das kann Einfluss auf wichtige Prozessparameter und Qualitätsattribute haben. Es sind dutzende Probleme vorstellbar, die das Fachpersonal vor Herausforderungen stellen kann und erst gelöst werden müssen, bevor das Produkt konsistent und reproduzierbar hergestellt werden kann. Mit den Beispielen von Fehlschlägen in diesem Buch soll jedoch kein Pessimismus versprüht werden. Die Entwicklung und Zulassung eines Impfstoffs innerhalb von 12 – 18 Monaten würde man im Normalfall im Reich „Utopia“ einsortieren. Allerdings übertrumpfen die derzeit laufenden Projekte gegen COVID-19 alles Dagewesene. Es wäre wünschenswert, dass direkt in der ersten Runde Kandidaten dabei sind, die sich als tauglich erweisen. Das wird aber noch nicht das Ende der Reise sein. Erst kürzlich hat die WHO geschätzt, dass sie mit 2 ½ Jahren rechnet, bis ein COVID-19-Impfstoff für jeden verfügbar sein wird. Ein zugelassener Impfstoff ist das Primärziel, die Bereitstellung von genug Impfdosen für jeden Mensch auf dieser Welt das nicht minder wichtige Sekundärziel.
Was sie aus diesem essential mitnehmen können
• Neue Viren mit hoher gesundheitlicher Relevanz stellen eine enorme Herausforderung für die pharmazeutische Industrie dar. • Neuere Technologien bieten die Möglichkeit, die Entwicklungszeiten von Impfstoffen zu verkürzen, müssen sich aber erst noch verstärkt durchsetzen. • Eine schnelle Zulassung von Impfstoffen ist bei Pandemien notwendig, birgt aber auch Risiken. • Derzeit kann nicht abgeschätzt werden, welche Technologie bzw. Technologien sich durchsetzen werden. Ein wichtiger Aspekt ist allerdings die Eignung für Hochrisikogruppen.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 P. U. B. Vogel, COVID-19: Suche nach einem Impfstoff, essentials, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31340-1
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