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German Pages 272 Year 2021
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 184
Corporate Social Responsibility Die nichtfinanzielle Erklärung nach §§ 289b ff. HGB und ihre Auswirkungen auf die Aktiengesellschaft
Von
Lisa-Marie Friebel
Duncker & Humblot · Berlin
LISA-MARIE FRIEBEL
Corporate Social Responsibility
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 184
Corporate Social Responsibility Die nichtfinanzielle Erklärung nach §§ 289b ff. HGB und ihre Auswirkungen auf die Aktiengesellschaft
Von
Lisa-Marie Friebel
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
D384 Alle Rechte vorbehalten © 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-18303-6 (Print) ISBN 978-3-428-58303-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht, Unternehmensrecht, Europäisches Privat- und Internationales Verfahrensrecht an der Universität Augsburg. Sie wurde im Wintersemester 2020/2021von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung wurden Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis Mitte 2020 berücksichtigt. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Raphael Koch LL.M. (Cambridge), EMBA, und zwar nicht allein für die umfassende Betreuung während der Anfertigung dieser Arbeit, sondern vorwiegend dafür, dass er mich vor mehr als sechs Jahren Teil seines Lehrstuhlteams werden ließ und dadurch auf vielfältige Weise meinen juristischen und persönlichen Werdegang prägte. Über die verschiedenen Etappen hinweg begegnete er mir stets aufgeschlossen, hilfsbereit und mit fachlichem Rat. Herrn Professor Dr. Michael Kort danke ich sowohl für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens als auch für die darin enthaltenen hilfreichen Anregungen, die ich bei der Veröffentlichung der Arbeit gerne beherzigt habe. Ferner zu Dank bin ich meinen ehemaligen Kollegen und Freunden Christine Biggen, Dr. Jonas Körner, Finn Mrugalla, Nicolas Sander und Markus Schreiber verpflichtet. Sie sind der wesentliche Grund, dass ich die Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität in so schöner Erinnerung behalten werde. Nicolas Sander und Markus Schreiber danke ich außerdem für das kritische Korrekturlesen der Arbeit. Überdies möchte ich meinen Freunden Linda Crome, Sofie Demmler, Lena Huber und Alina Schikowski sowie meinem Bruder Stephan Friebel für ihr Verständnis, ihre Ermutigungen und ihren stetigen Beistand in all meinen Entscheidungen danken. Mein innigster Dank gilt dahingehend meinem Freund Dr. Timo Fietz. Besonders sein offenes Ohr, seine Ruhe und seine unermüdliche Zuversicht haben wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Gewidmet ist diese Arbeit meinen Eltern Petra und Harald Friebel. Mehr als ich es in einem Vorwort ausdrücken kann, möchte ich ihnen für ihre bedingungslose Unterstützung und ihren liebevollen Rückhalt danken. Ohne sie wäre weder meine Ausbildung noch diese Arbeit zustande gekommen. Augsburg, im März 2021
Lisa-Marie Friebel
Inhaltsübersicht § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Teil 1 Historische Entwicklung von CSR
24
§ 2 Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 § 3 Entwicklungsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Von der gesellschaftspolitischen Verantwortung zum konkreten CSR-Konzept . . B. Meilensteine der CSR-Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. CSR-Umsetzungsgesetz – Ein unabhängiges, selbstständiges Regelungskonzept
25 25 31 40
Teil 2 Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange
43
§ 4 Zielsetzung der nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . 43 § 5 Anwendungsbereich und Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Anwendungsbereich der CSR-Berichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Art der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Veröffentlichungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 46 51 62
§ 6 Inhaltliche Anforderungen an die nichtfinanzielle Erklärung nach §§ 289b ff. HGB. A. Inhaltliche Mindestanforderungen nach § 289c HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verwendung von Rahmenwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Weglassen nachteiliger Angaben nach § 289e HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63 63 84 88
§ 7 Berichtspflicht im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 A. Pflicht zur nichtfinanziellen Konzernerklärung §§ 315b ff. HGB . . . . . . . . . . . . . 89 B. Befreiung des Einzelunternehmens nach § 289b Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . 91 § 8 Straf- und Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Unrichtige Darstellung nach § 331 Nr. 1 und Nr. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verstoß gegen die Rechtsvorschriften zur Aufstellung nach § 334 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Anwendung auf übrige verpflichtete Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 93 95 96 97
10
Inhaltsübersicht Teil 3 Tatsächlicher Wirkungskreis der CSR-Berichterstattungspflicht in der Aktiengesellschaft
98
§ 9 Pflichtenzuwachs in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Leitungsorgan als erklärendes Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Prüfung der CSR-Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. CSR als Inhalt der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . D. CSR-Ausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99 99 116 145 151 160
§ 10 Gesellschaftsinterne Auswirkungen der CSR-Berichterstattungspflicht auf die Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Haftungsrisiken und Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. CSR-Berichterstattung als Gegenstand der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . C. Abberufung des Vorstands aus dem Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Recht zur Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Das vorsätzliche Missachten als scharf sanktioniertes Verhalten . . . . . . . . . . . . .
161 162 199 207 208 209
Teil 4 Der raffinierte Wirkungsmechanismus der CSR-Berichterstattungspflicht und rechtspolitische Vorschläge de lege ferenda § 11 Ausstrahlungswirkung der CSR-Berichterstattungspflicht auf die deutsche Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Handlungsanreize der nichtfinanziellen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Veränderung des Formalziels der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Bindungswirkung der positiven nichtfinanziellen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
211 211 212 217 224 228
§ 12 Effizienz und Ausblick de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 A. Das nationale Konzept „Funktionstrias der CSR-Rechnungslegungsvorschriften“ 229 B. Der „Übergang“ zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Teil 5 Ergebnisse § 13 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252 252 252 252 254 256
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Teil 1 Historische Entwicklung von CSR
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§ 2 Corporate Social Responsibility . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 § 3 Entwicklungsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 A. Von der gesellschaftspolitischen Verantwortung zum konkreten CSR-Konzept
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B. Meilensteine der CSR-Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Grünbuch der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 II. Erste Mitteilung der Europäischen Kommission und CSR-Forum . . . . . . . . 34 III. Bilanzrechtsreformgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 IV. Zweite Mitteilung der Europäischen Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 V. Die „neue EU-Strategie (2011 – 14)“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 VI. Die CSR-Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 C. CSR-Umsetzungsgesetz – Ein unabhängiges, selbstständiges Regelungskonzept 40
Teil 2 Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange
43
§ 4 Zielsetzung der nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . 43 § 5 Anwendungsbereich und Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 A. Anwendungsbereich der CSR-Berichtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Die Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung nach § 289b Abs. 1 HGB . . . . . 47 1. „Große“ Kapitalgesellschaft nach § 289b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB . . . . . . 47 2. „Kapitalmarktorientiert“ im Sinne des § 264d HGB . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Arbeitnehmerbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
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Inhaltsverzeichnis 4. Das nationale Verständnis vom „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Befreiungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 B. Art der Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 I. Erweiterung des Lageberichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Erweiterung um einen separaten Abschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Vollintegrierte nichtfinanzielle Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Vollintegrierte Erklärung als nichtfinanzielle Erklärung . . . . . . . . . . . 53 aa) Grammatikalische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Rechtsentwicklung des § 289b HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 cc) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 dd) Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Kein Widerspruch zu allgemeinen Berichterstattungsgrundsätzen . . . 58 II. Eigenständiger Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 C. Veröffentlichungszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
§ 6 Inhaltliche Anforderungen an die nichtfinanzielle Erklärung nach §§ 289b ff. HGB
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A. Inhaltliche Mindestanforderungen nach § 289c HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Beschreibung des Geschäftsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Reichweite der nichtfinanziellen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Benannte Belange nach § 289c Abs. 2 Nr. 1 – 5 HGB . . . . . . . . . . . . . . . 64 2. Unbenannte CSR-Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Erweiterung auf unbenannte CSR-Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Unternehmensindividuelle Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 c) Erweiterung der Berichtspflicht auf wesentliche unbenannte CSRBelange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 III. Konkrete Angaben zu den Aspekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Wesentlichkeitsgrundsatz nach § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB . . . . . . . . . . . . 70 2. Beurteilungsmaßstab und Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Bestimmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3. Einzelangaben nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 – 6 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 a) Verfolgte Konzepte einschließlich der Due-Diligence-Prozesse . . . . . 75 b) Ergebnisse der Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 c) Wesentliche Risiken der Geschäftstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 d) Wesentliche Risiken der Geschäftsbeziehungen, Produkte und Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 e) Bedeutsamste nichtfinanzielle Leistungsindikatoren . . . . . . . . . . . . . . 78
Inhaltsverzeichnis
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f) Hinweise auf im Jahresabschluss ausgewiesene Beträge und Erläuterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 g) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 IV. Comply or Explain nach § 289c Abs. 4 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 V. Anwendbarkeit der Anforderungen auf unbenannte Aspekte nach § 289c Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 VI. Freiwillige Erweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 VII. Resümee zu den inhaltlichen Mindestanforderungen nach § 289c HGB . . . 83 B. Verwendung von Rahmenwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 C. Weglassen nachteiliger Angaben nach § 289e HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 § 7 Berichtspflicht im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 A. Pflicht zur nichtfinanziellen Konzernerklärung §§ 315b ff. HGB . . . . . . . . . . . . . 89 B. Befreiung des Einzelunternehmens nach § 289b Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . 91 § 8 Straf- und Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 A. Unrichtige Darstellung nach § 331 Nr. 1 und Nr. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 B. Verstoß gegen die Rechtsvorschriften zur Aufstellung nach § 334 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 C. Anwendung auf übrige verpflichtete Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
Teil 3 Tatsächlicher Wirkungskreis der CSR-Berichterstattungspflicht in der Aktiengesellschaft
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§ 9 Pflichtenzuwachs in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 A. Leitungsorgan als erklärendes Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 I. Handlungspflichten des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Ausführungspflichten und Wahlrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Anfertigung der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Pflicht zur Geschäftsmodellbeschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Auseinandersetzung mit ausdrücklich benannten CSR-Belangen 102 cc) Identifizierung wesentlicher Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 dd) Konzept- und Ergebnisbeschreibung sowie Comply or Explain 103 ee) Beschreibung der übrigen Einzelangaben nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 – 6 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 ff) Veröffentlichungsart und Verwendung von Rahmenwerken . . . . . 104 b) Veröffentlichung der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Vorbereitungs- und Verifizierungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. CSR-Compliance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
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Inhaltsverzeichnis 4. Unterrichtung des Aufsichtsrats nach § 170 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5. Vorlagepflicht nach § 320 Abs. 1 HGB und § 320 Abs. 3 S. 1 HGB . . . . 107 6. Keine Pflicht zur Beauftragung einer externen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . 107 7. Ein neues „Pflichtenbündel“ für den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Delegation und Übertragbarkeit an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Grundsätzliche Delegations- und Übertragungsmöglichkeiten des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. CSR-bezogene Delegations- und Übertragungsmöglichkeiten . . . . . . . . . 110 a) Ausdrücklich kodifizierte Leitungsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 b) Leitungsaufgaben mit Entscheidungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . 112 aa) CSR-Konzepte als Bestandteil der Planungs- und Steuerungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 bb) CSR-Konzepte als „Chefsache“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnahmen ohne Entscheidungsverantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 III. Pflichtenbündel mit unübertragbarem Kernbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 B. Die Prüfung der CSR-Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 I. Der Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 1. Formelle Prüfungspflicht des Abschlussprüfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Freiwillige externe Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Keine Auswirkungen auf die Prüfung nach § 289 Abs. 3 HGB und § 315 Abs. 3 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4. Bilanzkontrollverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 5. Die formelle Prüfung durch den Abschlussprüfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 II. Der Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Umfang der Prüfungspflicht nach § 171 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Übertragbarkeit auf die CSR-Berichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 a) Einschränkung der Prüfungsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 b) Vollumfängliche Prüfungsleistung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Wortlaut und Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Genetische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 cc) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (1) CSR-Angaben als gleichwertige Informationen . . . . . . . . . . . 131 (2) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (3) Die gemeinsame Aufgabe von Vorstand und Aufsichtsrat . . . 135 (4) „Neue Erwartungslücke“ beim Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . 137 (5) Vollumfängliche Prüfung als ratio legis des § 171 Abs. 1 AktG 141 dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 c) Keine Einschränkbarkeit der Pflichtprüfung durch den Aufsichtsrat
142
3. Vollumfängliche Pflichtprüfung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . 143
Inhaltsverzeichnis
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III. Beauftragung nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 IV. Ergebnis für die Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . 144 C. CSR als Inhalt der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I. Begleitende Überwachung und Beratung durch den Aufsichtsrat nach § 111 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 S. 2 HGB . . . . 146 1. Comply-Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2. Explain Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Zustimmungsvorbehalt bei bedeutsamen CSR-Entscheidungen . . . . . . . . 150 D. CSR-Ausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 I. Plenarvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Plenarvorbehalte nach § 107 Abs. 3 S. 7 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Ungeschriebener Plenarvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 II. Übertragbarkeit nach § 107 Abs. 3 S. 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 III. CSR-Ausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 § 10 Gesellschaftsinterne Auswirkungen der CSR-Berichterstattungspflicht auf die Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 A. Haftungsrisiken und Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Innenhaftung der Verwaltungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Objektiv sorgfaltswidrige Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Schuldhafte Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Kausaler Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 4. Innenhaftung bei vorsätzlicher Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Außenhaftungsrisiken gegenüber Wertpapierinhabern . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Kein Eingriff in Mitgliedschaftsrecht nach § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . 168 2. Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . 169 a) CSR-Berichterstattungspflichten als Schutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Schutzgesetzeigenschaft der §§ 331, 334 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Vorsätzliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 d) Kausaler Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Keine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB . . . . . . . . . 172 4. Haftung bei Erwerb auf dem Primärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Prospekthaftung nach §§ 9, 10 WpPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Prospekthaftung wegen fehlerhaftem Börsenzulassungsprospekt nach § 9 WpPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (1) Nichtfinanzielle Berichterstattung als Bestandteil des Prospekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (2) Unrichtigkeit und Unvollständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
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Inhaltsverzeichnis (3) CSR-Informationen als „wesentliche“ Angabe . . . . . . . . . . . . 176 (4) Bestehendes Haftungsrisiko wegen fehlerhaftem Börsenzulassungsprospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 bb) Prospekthaftung wegen fehlerhaftem Verkaufsprospekt nach § 10 WpPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 cc) Haftungsausschluss bei fehlerhaftem Prospekt § 12 WpPG . . . . . 180 (1) Ausschluss nach § 12 Abs. 1 WpPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (2) Keine haftungsbegründende Kausalität § 12 Abs. 2 Nr. 1 WpPG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (3) Ausschluss nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 WpPG . . . . . . . . . . . . . . . . 181 dd) Prospekthaftung bei unrichtiger Berichterstattung über wesentliche Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Mängelgewährleistung bei fehlerhafter CSR-Berichterstattung . . . . . . 182 aa) Anwendbarkeit der Sachmängelhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 bb) Bezugspunkt der Sachmängelhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 cc) CSR-Angaben und der Beschaffenheitsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . 186 dd) Rechtsfolgen aus dem Gewährleistungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (1) Nacherfu¨ llung gemäß § 437 Nr. 1 in Verbindung mit § 439 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 (2) Rücktritt und Minderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 (3) Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 c) Deliktische Haftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 d) Zusammenfassung zur Primärmarkthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 5. Haftung bei Erwerb auf dem Sekundärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 6. Resümee zu den Außenhaftungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. Zusammenfassung der Haftungsrisiken und Gestaltungsmöglichkeiten . . . . 198 B. CSR-Berichterstattung als Gegenstand der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 II. Verweigerung der Entlastung und Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen 201 1. Verweigerung der Entlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Vollständiges Fehlen der Erklärung oder ihrer wesentlichen Bestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Unrichtige Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III. Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 IV. Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 C. Abberufung des Vorstands aus dem Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 D. Recht zur Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 E. Das vorsätzliche Missachten als scharf sanktioniertes Verhalten . . . . . . . . . . . . . 209
Inhaltsverzeichnis
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Teil 4 Der raffinierte Wirkungsmechanismus der CSR-Berichterstattungspflicht und rechtspolitische Vorschläge de lege ferenda
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§ 11 Ausstrahlungswirkung der CSR-Berichterstattungspflicht auf die deutsche Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 A. Handlungsanreize der nichtfinanziellen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 I. Kategorisierung der Erklärungstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 II. Selbststeuerung durch unternehmerische Selbstinformation . . . . . . . . . . . . . 213 III. Fremdsteuerung durch Marktteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 1. Fremdsteuerung durch Offenlegung der Geschäftspolitik . . . . . . . . . . . . . 214 2. Fremdsteuerung durch Marktkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 IV. Mittelbare Regulierungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 V. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 B. Veränderung des Formalziels der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I. Keine gesetzliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Faktisch materielle Verhaltensvorgaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Nichtfinanzielle Leistungserfolge als eigenständiges Unternehmensziel? 219 2. Keine Indienstnahme des Aktienrechts durch das Bilanzrecht . . . . . . . . . 220 III. Kein Ausgreifen in die aktienrechtliche Formalzielleitbestimmung . . . . . . . 223 C. Bindungswirkung der positiven nichtfinanziellen Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. CSR-Erklärung als unverbindliche Absichtserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 II. CSR-Verfolgung keine „Nebenleistungspflicht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III. Konzeptverfolgung als „Bemühenspflicht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 IV. CSR-Verfolgung als Obliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 V. Nichtfinanzielle Erklärung als unverbindliche Absichtserklärung . . . . . . . . 228 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 § 12 Effizienz und Ausblick de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 A. Das nationale Konzept „Funktionstrias der CSR-Rechnungslegungsvorschriften“ 229 I. Funktion als Informationsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Offizielle und unmittelbar vom Unternehmen stammende Informationen 230 2. Verlässlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 4. Festhalten an § 289d HGB de lege ferenda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Die ersatzlose Streichung des § 289d HGB de lege ferenda . . . . . . . . 233 b) Keine ersatzlose Streichung des § 289d HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 c) Verbindliche Vorgabe eines staatlichen Leitfadens in § 289d HGB . . 235 d) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Berichtspflicht de lege ferenda 237 a) Regulierung als Hauptzweck der CSR-Berichterstattung? . . . . . . . . . . 237
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Inhaltsverzeichnis b) Informationsvermittlung als Hauptfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 c) Entscheidungserheblichkeit für den Kapitalmarkt? . . . . . . . . . . . . . . . 239 d) Ausweitung des Anwendungsbereichs auf „große“ Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Vervollständigung der Lageberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 1. Die Lageberichterstattung als „unstimmiges Gesamtkonzept“? . . . . . . . . 241 2. Nichtfinanzielle Informationen als für die Gesamtwürdigung erforderliche Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3. Das stimmige Gesamtkonzept der Lageberichterstattung . . . . . . . . . . . . . 243 III. Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Erweiterung des Wesentlichkeitsgrundsatzes § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Einbettung in die Geschäftsleiterpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Bedürfnis eines über die Berichtspflicht hinausgehenden Modells . . . 245 b) Verankerung im materiellen Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Gründe für eine Befürwortung der aktienrechtlichen Einbettung 245 bb) Keine verbindliche rechtsethische Anreichung der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 3. Mittelbare Steuerungswirkung als ausreichendes Konzept . . . . . . . . . . . . 248 B. Der „Übergang“ zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Teil 5 Ergebnisse
252
§ 13 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 A. Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 B. Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 C. Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 D. Teil 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
§ 1 Einführung Nationale Großunternehmen wie die Volkswagen AG, die Daimler AG oder die Siemens AG sind aus der modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Sie sind aufgrund ihrer Größe, ihres Produktionsumfangs, ihrer Beschäftigtenzahl und ihrer Umsatzstärke Grundpfeiler der nationalen Wirtschaft. Sie leisten durch ihr ständiges Optimierungsbedürfnis wissenschaftlichen Fortschritt, bringen technische Errungenschaften hervor und schaffen nicht zuletzt eine Vielzahl an Arbeitsplätzen. Insofern schöpfen sie hohe Werte für die Gesellschaft und tragen zum generellen Wohlstand bei. Freilich wirkt sich die wirtschaftliche Tätigkeit dieser Unternehmen nicht nur positiv auf das allgemeine Sozial-, Wirtschafts- und Rechtsleben aus. Insbesondere global agierende Unternehmen werden wiederholt mit Menschenrechtsverletzungen,1 fragwürdigen Geschäftspraktiken2 oder Korruptionsvorwürfen3 in Verbindung gebracht. Auch der fortschreitende Klimawandel wird durch diese Unternehmen mitverursacht.4 Der stetige Drang nach wirtschaftlichem Wachstum führt zu einem erheblichen Verbrauch natürlicher Ressourcen und steigenden Treibhausgasemissionen. Dies trägt zur Erderwärmung bei. Die fortschreitende Globalisierung der Wirtschaft führt außerdem dazu, dass sich die negativen Aspekte unternehmerischen Handelns verstärken und nicht mehr bloß auf einzelne Länder beschränken. Die Frage nach einem umweltschonenden, nachhaltigen oder auch sozialen Verhalten von Unternehmen rückte daher nicht ohne Grund in den Fokus des ge1 Kubitza, Der hohe Preis der billigen Klamotten, Artikel des Bayerischen Rundfunks v. 28. 11. 2012, abrufbar unter: https://www.br.de/nachricht/arbeitsbedingungen-textilindustrieschwellenlaender-100.html (Abrufdatum: 21. 11. 2020); Janssen/Kwasniewski, Schmutzige Schokolade, Artikel des Spiegel Magazins v. 13. 9. 2017, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/ wirtschaft/elfenbeinkueste-wie-fuer-schokolade-der-regenwald-zerstoert-wird-a-1167325.html (Abrufdatum: 21. 11. 2020). 2 Balser, Arrogant, ignorant, verantwortungslos, Artikel der Süddeutschen Zeitung v. 30. 9. 2020, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vw-mueller-musterfeststellungs klage-1.5048677 (Abrufdatum: 21. 11. 2020). 3 Leyendecker, Das ist wie bei der Mafia, Artikel der Süddeutschen Zeitung v. 14. 1. 2011, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/siemens-korruptionsaffaere-das-istwie-bei-der-mafia-1.1046507 (Abrufdatum: 21. 11. 2020); Deckstein/Piper, Schmierige Milliarden, Artikel der Süddeutschen Zeitung v. 26. 3. 2010, abrufbar unter: https://www.sueddeut sche.de/wirtschaft/daimler-korruptionsfall-schmierige-milliarden-1.16987 (Abrufdatum: 21. 11. 2020). 4 Endt/Timmler, Deutsche Konzerne tun zu wenig fürs Klima, Artikel der Süddeutschen Zeitung v. 27. 11. 2019, abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/dax-klima-emis sionen-1.4698125 (Abrufdatum: 21. 11. 2020).
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§ 1 Einführung
sellschaftlichen und politischen Diskurses. Unternehmen beträchtlicher Größe werden angesichts ihrer erheblichen Auswirkungen auf die Gesellschaft nicht mehr nur als reine Wirtschaftsakteure gesehen, die ihr Handeln allein auf die Steigerung ihrer Produktivität und ihrer Gewinnmaximierung ausrichten können. Vielmehr sollen sie sich ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung bewusst werden und diese Verantwortung auch wahrnehmen. All dies kann unter dem Schlagwort Corporate Social Responsibility (CSR) verstanden werden. Im Jahr 2014 fand CSR in der CSR-Richtlinie5 des europäischen Gesetzgebers erstmals eine normative Verfestigung. Zwar begründeten einzelgesetzliche Regulierungen bereits zuvor ein gewisses Mindestmaß an redlichem Wirtschaften.6 Der europäische Gesetzgeber sah aber – nicht zuletzt aufgrund der Verschiebung von Verantwortlichkeiten und daraus resultierenden Lücken (sog. governance gaps) – darüber hinausgehenden Regulierungsbedarf. Ein verbindlicher Rechtsrahmen für CSR soll den „Übergang zu einer nachhaltigeren globalen Wirtschaft“ ermöglichen und die „langfristige Rentabilität mit sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz“ verbinden.7 Der deutsche Gesetzgeber setzte die CSR-Richtlinie am 19. 4. 2017 durch das Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen um.8 Dieses Gesetz verpflichtet Großunternehmen „von öffentlichem Interesse“ dazu, ihren Lageplan um eine nichtfinanzielle Erklärung zu erweitern. Diese Informationspflicht stellt einen ersten Schritt des Gesetzgebers dar, Unternehmen gezielt zu einer Auseinandersetzung mit den gesellschaftspolitischen Auswirkungen ihres Wirtschaftens zu zwingen.
A. Fragestellung Die Einführung einer nichtfinanziellen Erklärung für große kapitalmarktorientierte Gesellschaften als verpflichtender Bestandteil der Lageberichterstattung nach den §§ 289 ff. HGB löste im Schrifttum eine rege Diskussion aus. Dabei gab sie in erster Linie der fortwährenden Frage nach der gesellschaftspolitischen Verantwortung von Unternehmen Auftrieb. Unter den Untersuchungen finden sich sowohl systematisierende Beiträge, die das CSR-Berichterstattungsmodell und deren Neu5 Richtlinie 2014/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU im Hinblick auf die Angabe nichtfinanzieller und die Diversität betreffender Informationen durch bestimmte große Unternehmen und Gruppen v. 22. 10. 2014, ABl. Nr. L 330/1 (im Folgenden abg.: CSR-Richtlinie). 6 So etwa Arbeitsschutzgesetze, Immissionsschutzgesetze oder die Strafbarkeit von Korruption und Bestechung. 7 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 3. 8 Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lageund Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz), v. 11. 4. 2017, BGBl. 2017 I, S. 802 ff. (im Folgenden abg.: CSR-RUG).
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regelungen sichten, als auch solche Abhandlungen, die sich eindringlich einzelner CSR-berichterstattungsbezogener Problemkreise annehmen.9 Das vorliegende Werk soll daran anknüpfen, jedoch insofern weitergehen, als es sich den einzelnen Problemfeldern annimmt, das Augenmerk dabei jedoch stets auf die Ermittlung des tatsächlichen Regelungsgehalts der Berichterstattungsnormen legt. Dadurch soll schlussendlich die Frage beantwortet werden, ob das gewählte Regelungsmodell durchweg dem vom europäischen wie nationalen Gesetzgeber kommunizierten Regelungsbedürfnis von Corporate Social Responsibility Rechnung trägt oder ob in einzelner Beziehung restriktiver oder extensiver Regelungsbedarf besteht. Die durch das CSR-RUG ebenfalls reformierten Diversitätsangaben werden dabei nur zur Vervollständigung behandelt. Eine intensive inhaltliche Bearbeitung erfolgt nicht. Aufgrund der wissenschaftlichen wie praktischen Relevanz begrenzt sich der Untersuchungsgegenstand auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft. Allem voran stellt sich dabei die Frage, inwieweit die CSR-Berichtspflicht über das Bilanzrecht hinaus in die aktienrechtliche Leitungssorgfalt ausgreift. In dieser Hinsicht sollen die in der Literatur bereits entdeckten Erkenntnisse in der weiteren Untersuchung aufgegriffen und für das darlegende Werk fruchtbar gemacht werden. Die Untersuchung konzentriert sich auf den tatsächlichen, gesellschaftsinternen Wirkungskreis der nichtfinanziellen Erklärung auf die Aktiengesellschaft. Nur auf diese Art und Weise kann anschließend die tatsächliche Einflussnahme der CSR-Berichtspflichten auf das bestehende Aktienrechtsregime ermittelt und bewertet werden. Sie beleuchtet insbesondere die neue Pflichtenlage für die Verwaltungsorgane der Aktiengesellschaft und ihre drohenden Sanktionsrisiken strafrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher wie zivilrechtlicher Art.10 Abschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse auf die Frage übertragen, ob es sich hinsichtlich des nationalen und europäischen Regelungsbedürfnisses bei dem gewählten Modell mit seinem tatsächlichen Regelungsgehalt um eine effektive Verankerung eines CSR-Konzepts handelt oder ob de lege ferenda weitergehender Regelungsbedarf besteht.
9 Siehe hierzu nur als beispielhafte Aufzählung: Bachmann, ZGR 2018, 231 ff. m.w.N.; Hennrichs, ZGR 2018, 206 ff. m.w.N.; Velte, AG 2018, 266 ff. m.w.N.; zur Haftung für CSR im Horizontal- und Vertikalverhältnis Asmussen, Haftung für CSR, passim; Fleischer, AG 2017, 509 ff. m.w.N.; Hommelhoff, NZG 2017, 1361 ff. m.w.N.; Böcking/Althoff, DK 2017, 246 ff.; zu CSR in der sozialen Marktwirtschaft Roth-Mingram, CSR, passim; zur unternehmerischen Verantwortung in einer globalen Wirtschaftsordnung Spießhofer, Unternehmerische Verantwortung, passim; Seibt, DB 2016, 207 ff.; Kumm/Woodtli, DK 2016, 218 ff. 10 Für eine Analyse der externen Wirkweisen von CSR-Codes auch die CSR-Berichterstattung betreffend wird insoweit auf das Werk von Asmussen, Haftung für CSR, passim verwiesen.
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§ 1 Einführung
B. Gang der Untersuchung Der erste Teil der Arbeit soll durch seinen einleitenden Definitionsansatz von Corporate Social Responsibility ein gleichgelagertes Verständnis von dem in der Arbeit verwandten Begriff vermitteln. Daran anschließend wird die historische Entwicklung vom ersten CSR-Konzept hin zur konkreten CSR-Berichterstattung nach den §§ 289b ff. HGB dargestellt. Hierdurch soll ein grundlegendes Gespür des CSR-Werdegangs und seinem Regelungsbedürfnis vermittelt werden. Dabei werden insbesondere die Motive einer Regulierung von CSR hervorgehoben, um diese an späterer Stelle der historischen bzw. genetischen Auslegung dienlich zu machen. Begonnen wird dabei mit den Ursprüngen eines Konzepts zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen, bevor diverse Entwicklungsstufen auf europäischer Gesetzgebungsebene nachgezeichnet werden. Der historische Teil schließt mit dem CSR-RUG als Ausgangspunkt der weiteren Untersuchung. Die Auslegung wird vornehmlich anhand der klassischen juristischen Methodenlehre vorgenommen. In dieser Hinsicht sind die grammatikalische Auslegung, die genetische Auslegung, der Wille des Gesetzgebers, die Systematik des Gesetzes und die teleologische Auslegung anzuführen. Stets den europarechtlichen Hintergrund der Regelung bewusst haltend wird dies an den erforderlichen Stellen um eine europarechtskonforme Interpretation ergänzt. Der zweite Teil untersucht das konkrete Regelungsmodell der nichtfinanziellen Erklärung nach den §§ 289b ff. HGB. Zunächst wird dabei die Zielsetzung der Erweiterung der Lageberichterstattung um weitere nichtfinanzielle Angaben erläutert. Alsdann werden der Anwendungsbereich, die wesentlichen formalen und materiellen Anforderungen an die nichtfinanzielle Erklärung sowie die durch das CSRRUG erweiterten Straf- und Bußgeldvorschriften beschrieben. Außerdem erfolgt ein knapper Exkurs über die CSR-Berichtspflicht im Konzern, um jedweden Regelungsinhalt der CSR-Berichterstattung nach den §§ 289b ff. HGB abzudecken. Im Vordergrund stehen freilich die Zielsetzung sowie die Erläuterungen den Anforderungen an die CSR-Berichterstattung. Diese bieten den Grundpfeiler der weiteren Untersuchung, weshalb im Laufe der Arbeit stets auf diese Ausführungen zurückgeblickt wird. Der dritte Teil bildet den Schwerpunkt der Arbeit. Die Untersuchung konzentriert sich dort auf den tatsächlichen Wirkungskreis der nichtfinanziellen Erklärung. Hierbei findet eine Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes statt. Obzwar die grundlegenden Erklärungen den gesamten Anwendungsbereich der CSR-Berichterstattung umfassen, wird die Analyse des tatsächlichen Wirkungskreises auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft begrenzt. Das liegt in erster Linie an der wissenschaftlichen wie auch praktischen Relevanz der CSR-Berichterstattungspflichten für diese Rechtsform. Freilich lassen sich einige Ergebnisse auf weitere Gesellschaftsformen übertragen.
§ 1 Einführung
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Beginnend mit der Frage nach dem Pflichtenzuwachs durch die CSR-Berichterstattung werden insbesondere Fragen nach der internen Verantwortlichkeit und der Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Organen der Aktiengesellschaft beantwortet. Sodann widmet sich der dritte Teil der Betrachtung der Auswirkungen und Haftungsrisiken fehlender oder fehlerhafter CSR-Berichterstattung. Stets im Auge behalten wird dabei die Tatsache des Bedeutungszuwachses nichtfinanzieller Belange für die Unternehmensführung. Der vierte Teil der Arbeit untersucht schließlich den faktischen Regelungsgehalt der nichtfinanziellen Erklärung, bewertet die Umsetzung der CSR-Richtlinie in nationales Recht und soll außerdem einen Ausblick auf alternative Regelungskonzepte de lege ferenda und deren Effektivität bieten. Im Mittelpunkt steht dabei die Untersuchung der Ausstrahlungswirkungen der nichtfinanziellen Erklärung, die in die richtungsweisende Frage mündet, ob über das Bilanzrecht hinaus von einer Veränderung der aktienrechtlichen Zielkonzeption gesprochen werden kann. Daran anknüpfend wird nach der Bindungswirkung einer positiven CSR-Erklärung gefragt. Die Untersuchung endet mit einer Würdigung der Umsetzung und fragt vor dem nationalen wie auch europäischen Hintergrund nach der Effizienz des gewählten Regelungsmodells. An den entsprechenden Stellen wird ein Ausblick de lege ferenda gegeben. Die Ergebnisse der Arbeit werden im fünften Teil zusammengefasst.
Teil 1
Historische Entwicklung von CSR § 2 Corporate Social Responsibility Der Begriff Corporate Social Responsibility ist nicht legal definiert. Vielmehr sind in der Fachliteratur, gerade im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich, eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionsansätze, nicht zuletzt sogar Theorienkonflikte zu finden.1 Ein allgemeines Verständnis von CSR ist kaum möglich: „The term is a brilliant one; it means something, but not always the same thing, to everybody.“2 So finden sich fachübergreifend ganz unterschiedliche „wesentliche“ Merkmale dieses Begriffs. Fleischer hat insoweit aus einer internationalen Untersuchung, die für den Zeitraum 1953 – 2014 insgesamt 110 Definitionen zählt, sechs wiederkehrende Bedeutungsschichten entnommen. Darunter die Begriffe: ökonomisch, sozial, ethisch, Anspruchsgruppen, Nachhaltigkeit und freiwillig.3 Auf gesetzgeberischer Seite beschreibt die Bundesregierung – die Erwägungsgründe der CSR-Richtlinie aufgreifend – in ihrer Begründung zum Gesetzesentwurf des CSR-RUG CSR als „Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen“.4 Im Grunde handelt es sich dabei abermals um eine wenig fassbare Definition, da sie eine Begründung der wesentlichen Bestandteile von CSR nicht vornimmt. Dennoch kann sie für die vorliegende Arbeit als Anknüpfungspunkt dienen und jener zweckdienlich gemacht werden. Ergänzt wird dieser Ansatz für eine im Sinne dieser Arbeit passliche Begriffsbestimmung, soweit nicht bereits eingegliedert, um einige von Fleischer herausgefilterten Bedeutungsschichten: Daher ist CSR im Folgenden als eine „über das verbindlich Vorgeschriebene hinausgehende Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen“ zu verstehen. Als CSR-Maßnahme zählt „jedes unternehmerische Verhalten“, „das sich an der ethischen oder sozialen Erwartung der Gesellschaft orientiert.“5 1 Votaw, in: Votaw/Sethi, Corporate Dilemma, S. 11 f.; Fleischer, AG 2017, 509 f.; ergänzend zu den Ursprüngen S. 25 ff. 2 Votaw, in: Votaw/Sethi, Corporate Dilemma, S. 11. 3 Fleischer, AG 2017, 509, 509 f. 4 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 26. 5 Siehe ähnlich dazu Asmussen, Haftung für CSR, S. 9.
§ 3 Entwicklungsstufen
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Ein eigener Begriff der CSR-Diskussion, mit CSR aber sonst nicht gleichzustellen, ist jener der „Nachhaltigkeit“. Ging man ursprünglich davon aus, „Nachhaltigkeit sei ein Verhalten, das weniger Ressourcen verbraucht als nachwachsen“,6 bezeichnet dieser Begriff heutzutage ein „Zielbündel, in dem soziale, ökologische und ökonomische Belange gleichberechtigt nebeneinanderstehen“7 und geht demnach über das gegebene Verständnis von CSR hinaus. Daher wird er in der für diese Untersuchung zweckdienlichen Begriffsbestimmung außen vor gelassen.
§ 3 Entwicklungsstufen Für ein grundlegendes Verständnis von der später noch zu untersuchenden nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB und ihren unmittelbaren wie mittelbaren Auswirkungen ist in einem ersten Schritt auf ihre Anfänge zurückzublicken. CSR in seiner konkreten Ausgestaltung als CSR-Berichtspflicht ist das Resultat eines langwierigen Prozesses und der Versuch einer abwägenden Antwort auf die Frage nach der gesellschaftspolitischen Verantwortung von Unternehmen. Ohne hinreichende Darstellung dieses Prozesses wäre der Nachvollziehbarkeit der grundlegenden Problematik sowie der späteren Beurteilung des beschlossenen Regelungsmodells geschadet. Daher wird im Folgenden auf die Ursprünge eines CSRKonzepts als Verkettung von unternehmerischen Entscheidungen und moralischen Regeln eingegangen. Alsdann werden die Entwicklungsstufen auf europäischer Gesetzgebungsebene aufgezeigt, bevor schließlich das CSR-RUG als derzeitiger Höhepunkt der CSR-Regulierung erläutert wird.
A. Von der gesellschaftspolitischen Verantwortung zum konkreten CSR-Konzept Der zeitliche Ursprung, in dem die Bemühungen von Unternehmen um ihr sozialpolitisches Engagement und ihrem nachhaltigen Wirtschaften wurzeln, ist kaum bestimmbar. Vielmehr ist festzuhalten, dass sich Akteure wie Kirche, Staat oder Wissenschaft auf der einen Seite sowie Kaufleute bzw. Unternehmer auf der anderen Seite hinsichtlich der Relevanz und des Bedürfnisses von Geschäftsmoral und Ethik als Leitsatz wirtschaftlichen Handelns einen fortwährenden Schlagabtausch bieten. So wurde in der Vergangenheit, ob nun als geistig-sittlicher Wert der Gesellschaft im Sinne des bonum commune8 oder im Zuge eines aktienrechtlichen Gemein6
Grunwald/Kopfmüller, Nachhaltigkeit, S. 18 ff.; Asmussen, Haftung für CSR, S. 5 f. Asmussen, Haftung für CSR, S. 5 ff. 8 Als das „was für alle Geschöpfe gut ist und wonach alle naturgemäß streben“ nach Thomas von Aquin (1225 – 1274), siehe dazu Schwemmer, in: Mittelstraß, Enzyklopädie, Bd. 3, S. 69. 7
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Teil 1: Historische Entwicklung von CSR
wohlpostulats,9 wiederkehrend das Regulierungsbedürfnis erkannt, Unternehmen zur Berücksichtigung ihres sozialen Umfelds während des Wirtschaftens anzuhalten. Freilich galt es bei einzelnen Unternehmern selbst längst als „gepflegte kulturelle Selbstverständlichkeit“, die mit ihrer Unternehmenstätigkeit verbundenen negativen Auswirkungen zu vermeiden oder sich darüber hinaus sozial zu engagieren.10 Ein noch immer existierendes, freiwilliges sozial engagiertes Unternehmertum stammt aus dem 16. Jahrhundert. So gründete Jakob Fugger im Jahre 1521 in Augsburg als erfolgreicher Kaufmann eine Sozialsiedlung, die von Armut bedrohten Handwerkern und Tagelöhnern zugutekam.11 Auf diesem Wege wollte Fugger als „der Reiche“, seiner Stadt und ihren Einkommensschwachen etwas zurückgeben. Durch eine geringe Miete bot er sozial Benachteiligten die Möglichkeit, ihre existenziellen Begehren trotz finanzieller Schwierigkeiten mit ihrem eigenen Lohn zu befriedigen und so „unabhängig“ den Alltag zu meistern. Seine Hilfsbereitschaft galt allerdings nicht bedingungslos. So schrieb sein Stiftungsbrief vor, dass sich die Aufnahme nur auf „fromme“ Bewerber aus Augsburg beschränkt, mithin auf solche Augsburger, die Fugger und seinen Nachkommen täglich das Gebet eines Ave Marias und Vater Unsers widmen: „Namlich so sollen soliche hewser Fromen Armen taglönern und handtwerckern und burgern und inwonern dieser stadt Augsburg, die es notturftig sein und am besten angelegt ist, umb gottes willen gelichen und darin weder schankung muet und gab nit angesehen …“12 Der Begriff des Gemeinwohls wurde im Mittelalter oft als geistig-sittlicher Wert der Gesellschaft im Sinne des bonum commune verstanden. Diejenigen, die sich weltanschaulich zu Gott bekennen, würden ein allgemeines Gemeinwohl anstreben, da es allen zur Bereicherung und zur Vervollkommnung diene.13 Kurze Zeit zuvor kam es im Jahre 1517 zur Gründung des Vereins „Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e.V.“, der den Grundstein des „Ehrbaren Kaufmanns“ setzte.14 Dabei handelt es sich um ein bis heute noch nachhaltendes „Ideal deutschen Unternehmertums“, das geprägt ist von der Leitfigur eines Unternehmers, der die im Geschäftsverkehr allgemein anerkannten ethischen Grundsätze und das Prinzip von Treu und Glauben beachtet und jedwede Handlungen unterlässt, die mit „dem Anspruch kaufmännischen Gebarens“ nicht vereinbar sind.15 Es geht um die Empfehlung eines werteorientierten Verhaltens der Kaufleute, das auch ohne gesetzlich verbindliche Regulierung aufgrund allgemein anerkannter ethischer Grundsätze im Wirtschaftsleben praktiziert werden 9
Siehe ausführlich dazu Fleischer, AG 2017, 509, 510 ff. Hiß, zfwu 2009, 287, 290; Habisch/Wegner, in: Habisch et al., CSR Across Europe, S. 111, 112; v. Glött, Die Fuggerei, S. 7. 11 Sczesny, Der lange Weg in die Fuggerei, S. 11 ff.; v. Glött, Die Fuggerei, S. 7 ff. 12 Sczesny, Der lange Weg in die Fuggerei, S. 11. 13 v. Glött, Die Fuggerei, S. 7 ff. 14 Siehe hierzu ausführlich Fleischer, DB 2017, 2015. 15 Hiß, zfwu, 2009, 287, 290. 10
§ 3 Entwicklungsstufen
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sollte.16 Im mittelalterlichen Italien bekannte man sich als Kaufmann schon etwas früher zu solch einem tugendhaften Verhalten, was neben redlichem Geschäftsgebaren außerdem Demut vor Gott und die Förderung des städtischen Gemeinwohls erforderte;17 ein Stück nachhaltiges Wirtschaften, das später zu einem richtungsweisenden Leitbild des Aktienrechts wurde und sich auch heute noch „fortlaufend weiterentwickelt“.18 Ob nun überwiegend religiös, ideell oder sittlich motiviert, ein – wenn auch nicht näher bestimmbares – Bedürfnis „ethischen“ oder „moralischen“ Geschäftsgebarens war schon jeher im Bewusstsein der Kaufleute verankert. Die konkrete Ausgestaltung sozialen Engagements im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Belange sowie den Umfang und die tatsächliche Wahrnehmung gesellschaftspolitischer Verantwortung konnte dabei ganz individuell ausfallen. Das lag nicht zuletzt daran, dass eine Betätigung grundsätzlich auf der Freiwilligkeit und Neigung der Unternehmer beruhte. Da verwundert es nicht, dass bereits im Jahre 1524 die Beachtung der Sozialbelange durch Unternehmer aktiv eingefordert wurde. So appellierte Martin Luther an den Kaufmann: „Denn dein Verkaufen soll nicht ein Werk sein, das frei in deiner Macht und Willen ohne alle Gesetz und Maß stehe, als wärst du ein Gott, der niemand verbunden wäre. Sondern weil solch dein Verkaufen ein Werk ist, das du gegen deinen Nächsten übst, soll es mit solchem Gesetz und Gewissen verfasst sein, das du es übst ohne Schaden und Nachteil deines Nächsten“.19 Folglich fand der Gedanke der sozialen Verantwortung von Unternehmen auch schon früh normativ Berücksichtigung. Im Preußischen Allgemeinen Landrecht (ALR) von 1794 wurde die Rechtsfähigkeit von Korporationen nur dann hoheitlich anerkannt20, wenn sie einen fortdauernden gemeinnützigen Zweck verfolgten.21 Nachdem von der ausdrücklichen Kodifikation der Gemeinwohlbindung im preußischen Gesetz über Aktiengesellschaften von 1843 und im ADHGB22 von 1861 abgesehen wurde und diese nur 16
Siehe dazu bespielhaft Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, Erläuterungen der Änderungsvorschläge aus der Plenarsitzung v. 13. 10. 2016, S. 1. 17 Fleischer, DB 2017, 2015. 18 Fleischer, AG 2017, 509, 515; Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, Erläuterungen der Änderungsvorschläge aus der Plenarsitzung v. 13. 10. 2016, S. 1. 19 Luther, WA, Bd. 15, S. 295, Rn. 22 ff. 20 Die Rechtsverhältnisse der gegründeten Aktiengesellschaften bestimmten sich nach dem sog. Oktroi-System. Für das Außenrechtsverhältnis wurde eine staatliche Konzessionierung vorausgesetzt. Vollständig von dieser Genehmigungspflicht des Staates wurde erst im Jahre 1870 abgesehen, als der Gesetzgeber zum Normativsystem überging. Siehe hierzu ausführlich Kießling, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band 1, Kapitel 5, Rn. 19 ff., eingehend Rn. 27, Rn. 31 ff. 21 Kießling, in: Bayer/Habersack, Aktienrecht im Wandel, Band 1, Kapitel 5, Rn. 25; ebd. Kapitel 7, Rn. 31. 22 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch als erstes umfassend kodifiziertes und weiträumig geltendes Handelsgesetzbuch in Deutschland, siehe dazu auch Hopt, in: Baumbach/ Hopt, HGB, Einl. vor § 1 Rn. 9.
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Teil 1: Historische Entwicklung von CSR
noch mittelbar durch die Möglichkeit des Konzessionsentzugs beachtet wurde23, wandte sich der Gesetzgeber 1870 mit dem Übergang zum Normativsystem vollständig von einem Gemeinwohlpostulat der Aktiengesellschaft ab.24 Bis zum Jahre 1917 war es in der Rechtslehre sogar anerkannt25, dass das Vermögen der Aktiengesellschaft wirtschaftlich ausschließlich dem Interesse der Aktionäre diene und die Gesellschaft lediglich als Rechtsgewand fungiere.26 Unterstützung fand diese Ansicht durch das Reichsgericht, das im Jahr 1904 feststellte, dass die Aktiengesellschaft kein selbstnütziges Vermögenssubjekt sei, sondern allein für die Aktionäre arbeite.27 Pointiert wurde der Gedanke einer philanthropischen Verhaltensweise trotz alledem durch die Sozialgesetzgebung in Preußen von Otto von Bismarck Ende des 19. Jahrhunderts.28 In dieser wurden Unternehmer verpflichtet, sich anteilsmäßig an der Finanzierung diverser Arbeitnehmerversicherungen (Krankenversicherung, Unfallversicherung, Alters- und Invaliditätsversicherung)29 zu beteiligen.30 Obwohl man sich zu dieser Zeit normativ wie wissenschaftlich von einem Gemeinwohlpostulat bei der Aktiengesellschaft verabschiedete, fand gesellschaftliches Engagement trotz dieser Entwicklung im privaten Bereich weiterhin statt. Unternehmer wie Werner von Siemens, Alfred Krupp oder Ernst Abbe bedachten ihre Arbeitnehmer im 19. Jahrhundert weiterhin31, indem sie Arbeitsbedingungen verbesserten, die Arbeitsbelastung verringerten und bezahlbare Wohnungsmöglichkeiten boten.32 Klarzustellen ist allerdings, dass das Engagement der Unternehmer nicht ausschließlich auf altruistische Beweggründe zurückzuführen war. So stellte bereits Henry Ford fest, dass ein gut bezahlter Arbeiter ein exzellenter Kunde sei. „If you expect a man to give his time and energy, fix his wages so that he will have no financial worries. It pays. Our profits, after paying good wages and a bonus […] show that paying good wages is the most profitable way of doing business.“33 Sein Engagement zielte ersichtlich neben dem sozialen Aspekt darauf ab, die Kaufkraft seines Arbeiters zu steigern und somit sein eigenes Geschäft anzutreiben.
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Fleischer, AG 2017, 509, 510. Dernburg, Die allgemeinen Lehren, S. 183 f.; Goldschmidt, ZHR 30 (1885), 69, 75. 25 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 12. 26 Lehmann, Recht der Aktiengesellschaften, Bd. 1, S. 242; Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 12 f. 27 RGZE 59, 423, 425. 28 Habisch/Wegner, in: Habisch et al., CSR Across Europe, S. 111, 112; Hiß, zfwu 2009, 287, 291. 29 Schlosser, Neuere Europäische Rechtsgeschichte, S. 320 (Rn. 82). 30 Hiß, zfwu, 2009, 287, 291. 31 Roth-Mingram, CSR, S. 65; Hiß, zfwu 2009, 287, 290. 32 Hiß, zfwu 2009, 287, 291. 33 Ford/Crowther, My Life and Work, Chapter 8, Wages, S. 103 ff. 24
§ 3 Entwicklungsstufen
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Der normative Richtungswechsel für die Aktiengesellschaft wurde schließlich durch Walther Rathenau und dessen Lehre „vom Unternehmen an sich“34 eingeleitet.35 In seinem Werk „Vom Aktienwesen“ wies er darauf hin, dass die Aktiengesellschaft bewusst in die Wirtschaft der Gesamtheit eingeordnet werden müsse und nicht dem privatwirtschaftlichen Gedanken folgen dürfe. Sie sei der Gemeinverantwortlichkeit und dem Staatenwohl unterworfen.36 Ihr folgte die Gemeinwohlformel37 des Aktiengesetzes von 1937, wobei für die Machthaber im Regime des Nationalsozialismus wohl vielmehr die Unterordnung der Eigentümer38 als eine soziale Verantwortung im Vordergrund stand.39 In unserer heutigen Fassung würde man zwar vergeblich nach einer ausdrücklichen Gemeinwohlformel suchen, auf Spurenelemente des Gemeinwohlbezugs stößt man hingegen in § 241 Nr. 3 AktG und § 396 Abs. 1 AktG.40 Ob dies nun auf sittliche, religiöse, ideelle, fremdinitiierte oder selbstinitiierte Beweggründe zurückgeht: Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die gesellschaftspolitische Verantwortung schon seit jeher Unternehmer wie institutionelle Akteure beschäftigt. Der Gedanke der gesellschaftspolitischen Verantwortung galt dabei nicht immer uneingeschränkt dem Gemeinwohl als solchem. In mancher Hinsicht fungierte er lediglich als Vorwand, um wahre Motive und Absichten zu verschleiern. Seine Beweggründe ungeachtet erfolgte die Reichweite und Ausgestaltung des Gemeinwohls stets uneinheitlich. Soziale Verantwortung von Unternehmen und nachhaltiges Wirtschaften ist demnach eigentlich keine Neuerscheinung. Die Thematik gewann dennoch in den letzten Jahren unter dem Begriff Corporate Social Responsibility enorm an Aufmerksamkeit. Im Zuge der Globalisierung erfuhr die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen Mitte des 20. Jahrhunderts eine neue Dynamik. Unternehmensstrukturen änderten sich. Kleine, regionale Unternehmen wurden durch große Unternehmenskonzerne verdrängt. Die diese Entwicklung begleitenden globalen Herausforderungen führten dazu, dass die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen vermehrt in den Vordergrund rückte.41 34 Der Begriff des „Unternehmens an sich“ ist zwar auf die Überlegungen Rathenaus zurückzuführen, wurde aber Ende der zwanziger Jahre durch Haußmann geprägt, siehe Haußmann, JW 1927, 2953 ff.; Laux, Die Lehre vom Unternehmen an sich, S. 59; Riechers, Das Unternehmen an sich, S. 16. 35 Flume, Um ein neues Unternehmensrecht, S. 12. 36 Rathenau, Vom Aktienwesen, S. 62. 37 Gemeinwohlformel § 70 Abs. 1 Aktiengesetz von 1937: „Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft so zu leiten, wie das Wohl des Betriebs und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern.“ 38 Hiß, zfwu 2009, 287, 293. 39 Stolleis, Gemeinwohlformeln im nationalsozialistischen Recht, S. 76 ff. 40 Fleischer, AG 2017, 509, 511. 41 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts-und Sozialausschuss: Umsetzung der Partnerschaft
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Teil 1: Historische Entwicklung von CSR
Den Grundstein der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit CSR – im konkreten Konzept – legte Howard Bowen 1953 durch seine in den USA veröffentlichte Monografie „Social Responsibilites of the Businessman“, in der er festhielt, dass dem Unternehmer gegenüber der Gesellschaft besondere Rechte zukämen. Im Ausgleich hätte er die Pflicht, seine wirtschaftlichen wie sozialen Auswirkungen zu berücksichtigen.42 Zudem sei von ihm zu erwarten, dass er mit der Regierung bei der Formulierung und Gewährleistung der öffentlichen Ordnung zusammenarbeitet.43 Zurückzuführen seien diese Pflichten darauf, dass geschäftliche Handlungen der Gesellschaft unweigerlich das Leben der Bevölkerung berühren. Durch die dadurch entstandenen Rechte treffe den Unternehmer eine gewisse Verantwortung, „Responsibility“.44 Bowen stellte nicht nur fest, dass in jedem Fall eine Verantwortung der Unternehmen bestünde, sondern beschrieb zusätzlich bereits acht spezifische Managementmaßnahmen als Lösungsansatz.45 Dieser Veröffentlichung folgte eine Diskussion über Inhalt und Reichweite unternehmerischer Verantwortung.46 Dabei stand besonders der Versuch im Vordergrund, das Konzept unternehmerischer Verantwortung zu formalisieren und ein anerkanntes theoretisches Paradigma aufzustellen, dem eine dauerhafte Verknüpfung von wirtschaftlichem Handeln und gesellschaftspolitischem Engagement entspringt.47 Keith Davis prägte die Überlegung, aus verantwortlichem Handeln eine Unternehmensstrategie zu formen, dem sogenannten „Business Case for CSR“.48 Auch Peter Drucker ging später im Jahre 1984 davon aus, dass sich soziale Verantwortung in Geschäftsgelegenheiten und Gewinn ummünzen lasse.49 Demgegenüber gab es jedoch einige Stimmen, die ein verpflichtendes soziales Engagement gänzlich ablehnten.50 Allen voran stand dabei Milton Friedman, der die Position vertrat, dass einen Unternehmer ausschließlich die Verpflichtung treffe, den Profit für Wachstum und Beschäftigung: Europa soll auf dem Gebiet der sozialen Verantwortung der Unternehmen führend werden, v. 22. 3. 2006, KOM(2006) 136 endgültig, S. 2. 42 Bowen, Social Responsibilities of the Businessman, S. 28. 43 Bowen, Social Responsibilities of the Businessman, S. 28. 44 Bowen, Social Responsibilities of the Businessman, Preface, S. XVII. 45 Bowen, Social Responsibilities of the Businessman, S. 151 ff., insbesondere S. 163. 46 Carroll, in: Crane et al., The Oxford Handbook, 2008, S. 26 ff.; für eine ausführliche Betrachtung dieser Debatte siehe: Cragg/Schwartz/Weitzner, Corporate Social Responsibility, passim. 47 Carroll, in: Crane et al., The Oxford Handbook, 2008, S. 27; Drucker, California Management Review 26, 1984, 53, 62; siehe ausführlich dazu Lee, International Journal of Management Reviews 10, 2008, 53, 60 f.; Preston, Journal of Economic Literature 13, 1975, 434; Wood/Jones, The International Journal of Organizational Analysis 3, 1995, 229, 260 f. 48 Davis, California Management Review 2, 1960, 70; Fleischer, AG 2017, 509, 517. 49 Drucker, California Management Review 26, 1984, S. 53 ff. 50 Vgl. U.S. Supreme Court of Michigan, Urt. v. 7. 2. 1919, Dodge et al. vs. Ford Motor Co. et al., 170 N.W. 668; Marhold, in: FS Müller-Graff 2015, S. 792 ff.; Hayek, The Constitution of Liberty, S. 71 ff. insbesondere 78 f.; eingehend zu Hayek siehe Kusunoki, Constitutional Political Economy 2016, 93 ff.
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seiner Anteilseigner zu steigern: „In either case, the key point is that, in his capacity as a corporate executive, the manager is the agent of the individuals who own the corporation […], and his primary responsibility is to them.“51 Friedman formulierte so den Grundgedanken des „Shareholder-Ansatzes“, dem R. Edward Freeman mit seiner Strategie des „stakeholder approach“ im Jahre 1984 entgegentrat. Statt wie beim Shareholder Value lediglich die Aktionäre eines Unternehmens in die Gruppe berechtigter Interessenten einzubeziehen und ein Gemeinwohlerfordernis zu verneinen, erweitert der Stakeholder Value diese Gruppe um Arbeitnehmer, Gläubiger, Anwohner, Gemeinden, Kunden, um die Gesellschaft an sich sowie sogar um den Staat.52 All diesen Gruppen gegenüber habe der Unternehmer Verantwortung zu übernehmen.53 Zu verorten waren all diese Überlegungen jedoch überwiegend in den USA. Europa – insbesondere Deutschland – erreichte die umfassende Diskussion über das konkrete Konzept von CSR erst deutlich später.54
B. Meilensteine der CSR-Berichterstattung Parallel zur Suche nach einem Paradigma und der Weiterentwicklung des Verständnisses von Corporate Social Responsibility in den USA entwickelte sich auch auf europäischer Ebene ein Interesse an der sozialen Verantwortung von Unternehmen. Dies lag neben den vorschreitenden Entwicklungen im Ausland unter anderem an der gesteigerten Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Mitunter aufgrund bekanntgewordener Verfehlungen einzelner, auch europäischer Unternehmen, sowohl in Bezug auf die Unternehmenstätigkeit und die Verletzung von Sozial- oder Umweltstandards als auch hinsichtlich der Qualität ihrer Berichterstattung entsprang ein vermehrtes Bedürfnis nach mehr und besseren Informationen über die Geschäftstätigkeit der Unternehmen.55 Der Europäischen Union war daran gelegen, das neuartige Konzept einer nachhaltigeren Wirtschaft in ihre Politik aufzunehmen und den bis dato wenig greifbaren Begriff der sozialen Verantwortung zu konturieren.
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Friedman, The New York Times Magazine 33, 1970, S. 122 ff.; für die Grundidee Friedmans siehe auch Friedman, Capitalism and Freedom, 1962, insbesondere S. 133 ff. 52 Busse von Colbe, ZGR 1997, 271, 272. 53 Freeman, A Stakeholder Approach, S. 236 f. 54 Loew/Ankele/Braun/Clausen, Endbericht: Bedeutung der internationalen CSR-Diskussion für Nachhaltigkeit, 2004, S. 24 ff.; Hiß, zfwu 2009, 287, 289. 55 Stawinoga/Velte, DB 2016, 841; Böcking/Althoff, DK 2017, 246, 246 f.
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I. Grünbuch der Europäischen Kommission So entwickelte die Europäische Kommission im Jahre 2001 das „Grünbuch zu den Europäischen Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“56 und machte den Auftakt für eine europäische Diskussion um CSR. Ziel war es, einen Beitrag zur Realisierung einer dynamischen, wettbewerbsfähigen und durch soziale Zusammenarbeit geprägten Wirtschaft zu leisten.57 Dabei griff die Europäische Kommission das in Lissabon vorgegebene strategische Ziel auf, die Union für das kommende Jahrzehnt „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftraum der Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erzielen“.58 In dieser Lissabon-Strategie59 hatte der Europäische Rat festgestellt, dass dafür notwendig wäre, „das europäische Gesellschaftsmodell zu modernisieren“, „in die Menschen zu investieren“ sowie „die soziale Ausgrenzung zu bekämpfen“. Das darauf unmittelbar folgende Grünbuch sollte dahingehend eine umfassende Debatte in Gang setzen.60 Neben dem weit gesteckten Ziel, Europa wirtschaftlich in eine globale Führungsposition zu bringen, betont die Europäische Kommission in ihrem Grünbuch, dass es sich bei der sozialen Verantwortung von Unternehmen um eine im Wesentlichen freiwillige Verpflichtung handle.61 Dabei erkennt sie das bereits bestehende freiwillige soziale Unternehmertum – allen voran von großen Unternehmen – an62 und bemerkt, dass eine zunehmende Zahl europäischer Unternehmen soziale Verantwortung als Teil ihrer Identität betrachtet.63 Problematisch an diesem in Eigendirektion der Unternehmen gehandhabten freiwilligen CSR-Engagement seien jedoch die individuelle Eigenauswahl der Belange, die unternehmenseigenen Instrumente zur Bewältigung und zu guter Letzt die fehlende Transparenz. So musste sich das bestehende freiwillige soziale Unternehmertum entgegen anderer Erwartungen einiger Kritik aussetzen.64 56 Europäische Kommission, Grünbuch: Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen v. 18. 7. 2001, KOM(2001) 366 endgültig. 57 KOM(2001) 366, S. 5, Nr. 13. 58 KOM(2001) 366, S. 3, Nr. 6. 59 Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Vorsitzes zur Sondersitzung am 23. – 24. 3. 2000 in Lissabon (Lissabon-Strategie), s. u. http://www.europarl.europa.eu/summits/lis1_de. htm (zuletzt abgerufen am: 13. 11. 2020). 60 KOM(2001) 366, S. 3, Nr. 7. 61 KOM(2001) 366, S. 4, Nr. 8. 62 KOM(2001) 366, S. 8, Nr. 23 f. 63 KOM(2001) 366, S. 4, Nr. 8. 64 Muchitsch, Die CSR-Politik der Europäischen Kommission, S. 4; KOM(2001) 366, S. 16, Nr. 56.
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Des Weiteren war schon im Vorfeld der europäischen Bemühungen vermehrt die Entwicklung sogenannter „Initiativen“65 oder auch „Rahmenwerke“ internationaler (nichtstaatlicher) Organisationen zu erkennen. Gegenüber diesen „kontrollierenden“ Standardisierungsansätzen, die in ihren Anforderungen und in ihren abdeckenden CSR-Bereichen je nach Unternehmenszweig divergieren, wie auch dem gänzlich unkontrollierten freiwilligen Unternehmertum galt es einen Mehrwert zu schaffen. Dies sollte laut Grünbuch gelingen, indem der vorhandene Unternehmergeist um gesamteuropäische Rahmenbedingungen, eine Qualitätssteigerung und eine einheitliche Umsetzung ergänzt wird. In das bereits existierende Gerüst individuell engagierter Unternehmen und bestehender nicht rechtsverbindlicher Verhaltensvorgaben durch Initiativen wollte sich die Europäische Union gesamtkonzeptlich integrieren.66 Darüber hinaus bedürfe es einer kosteneffizienten Bewertung und einer unabhängigen Validierung von CSR-Verfahren, um ihre Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit zu garantieren.67 Europäische Unternehmer sollen neben ihrer primären Gewinnerzielungsabsicht die soziale Verantwortung in die grundsätzliche Unternehmensstrategie, die Managementinstrumente und die Unternehmensaktivität einbeziehen.68 Dabei ginge es um mehr als um die reine Gesetzeskonformität.69 Die Politik müsse dafür den nötigen Rahmen schaffen.70 Es ging also um die Entwicklung eines verbindlichen rechtlichen Rahmens, der die bereits bestehenden Aktivitäten in Form bringen, zugleich aber dem freiwilligen Charakter der sozialen Verantwortung der Unternehmen Rechnung tragen sollte.71 Ebenfalls nahm die Europäische Kommission eine ganzheitliche Sicht der sozialen Verantwortung von Unternehmen vor und beschäftigte sich mit einigen Maßnahmen, die eine geeignete Einfassung bilden könnten. Unter anderem wurde eine Unternehmensführung im Bewusstsein der sozialen Verantwortung wie auch eine einheitliche Berichterstattung über Informationen zur sozialen Verantwortung der Unternehmen diskutiert.72 So müsse die Unternehmensführung das Konzept der sozialen Verantwortung in seine Unternehmensplanung fest integrieren und insbesondere in konkrete Maßnahmen umsetzen.73 Es müsse eine Veränderung stattfinden. 65
Dabei ging es der Europäischen Kommission besonders um folgende Initiativen: UN Global Compact (2000), Trilaterale Erklärung zu multinationalen Unternehmen und zur Sozialpolitik der IAO (1977/2000) sowie zuvörderst die OECD Leitlinien für multinationale Unternehmen (2000), siehe dazu: KOM(2001) 366, S. 6, Nr. 17. 66 KOM(2001) 366, S. 6, Nr. 17. 67 KOM(2001) 366, S. 7, Nr. 18. 68 KOM(2001) 366, S. 4, Nr. 11. 69 KOM(2001) 366, S. 7, Nr. 21. 70 KOM(2001) 366, S. 5, Nr. 15. 71 KOM(2001) 366, S. 25, Nr. 89 ff. 72 KOM(2001) 366, S. 17 ff. 73 KOM(2001) 366, S. 18, Nr. 63 f.
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„Traditionelle Modelle und konventionelle Verhaltensmuster“ würden vielfach nicht ausreichen.74 Auch die bereits oftmals freiwillig veröffentlichten CSR-Berichte der Unternehmen würden nicht genügen. Global wäre es folglich nötig, sich über die Art der offenzulegenden Informationen, das Berichtsformat sowie über die Zuverlässigkeit der Bewertungs- und Auditverfahren zu einigen.75
II. Erste Mitteilung der Europäischen Kommission und CSR-Forum Dieser Appell des Europäischen Rats und der Europäischen Kommission hatte eine beträchtliche Anstoßwirkung, sodass dem Grünbuch im Jahre 2002 die erste Mitteilung der Europäischen Kommission76 sowie die Einrichtung eines Europäischen Multistakeholder-Forums (CSR-Forums)77 folgte. Gleichzeitig war jedoch festzustellen, dass sich die grundsätzliche Auffassung der Europäischen Kommission zwischen Grünbuch und erster Mitteilung bereits etwas gewandelt hatte. Es war zwar noch immer unabdingbar davon die Rede, dass es das Ziel der Europäischen Kommission sei, Unternehmen die Konsequenzen ihres Handelns bewusst zu machen und dementsprechend die auch bereits im Grünbuch angesprochen Maßnahmen, die die Konvergenz und Transparenz von CSR-Praktiken und -Instrumentarien fördern sollen, umzusetzen. Während im Grünbuch noch von Verbindlichkeiten für die Unternehmen gesprochen wurde, standen nun vielmehr die Vorteile ökonomischen Handelns für die Unternehmen sowie die Legitimation von CSR im Vordergrund. So wurden die Zielsetzung des Grünbuchs und die damit verbundenen neuen Anforderungen an die Unternehmen relativiert. Statt beispielsweise wie im Grünbuch von einem Paradigmenwechsel in der Ausrichtung der Unternehmensführung zu sprechen, wurde die Aufnahme sozialer und ökologischer Fragen nur noch „angepriesen“.78 Auch hin74
KOM(2001) 366, S. 18, Nr. 64. KOM(2001) 366, S. 18, Nr. 66. 76 Europäische Kommission, Mitteilung der Europäischen Kommission betreffend die soziale Verantwortung der Unternehmen: Ein Unternehmensbeitrag zur nachhaltigen Entwicklung v. 2. 7. 2002, KOM(2002) 347 endgültig. 77 Beim Europäischen Multistakeholder-Forum handelt(e) es sich um eine Plattform, die zwischen Oktober 2002 und Juni 2004 den Vertretern der Arbeitgeber, Gewerkschaften, Netzwerken und Verbänden für Unternehmer sowie zivilrechtlichen Organisationen die Möglichkeit gab, sich über CSR auszutauschen. Ergebnis dieses Forums war ein Endbericht, der Empfehlungen und Förderungsmöglichkeiten zu CSR enthielt. Zu einer ursprünglich vorgesehenen weiteren Zusammenarbeit in diesem Forum kam es aufgrund von Diskrepanzen unter den verschiedenen Interessenvertretern nach diesem (ersten) Endbericht nicht mehr, siehe dazu: Muchitsch, Die CSR-Politik der Europäischen Kommission, S. 6 (Fn. 9). 78 KOM(2002) 347, S. 16. 75
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sichtlich einer bereits benannten konkreten Maßnahme, der Berichterstattung, war eine Verwässerung zu erkennen.79
III. Bilanzrechtsreformgesetz Die Einführung des Bilanzrechtsreformgesetzes aus im Jahr 200480 ist Folge der Änderung der Modernisierungsrichtlinie81 aus dem Jahr 2003 und ebnete den Weg einer hoheitlich regulierten nichtfinanziellen Berichterstattung über CSR-Belange und der nichtfinanziellen Erklärung in der heutigen Fassung.82 So sahen die neu eingefügten §§ 289 Abs. 3, 315 Abs. 1 S. 4 (nun § 315 Abs. 3) HGB vor, dass gewisse große Gesellschaften in ihrem Lagebericht entsprechend der finanziellen Berichterstattung nichtfinanzielle Leistungsindikatoren wie Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange einbeziehen und erläutern müssen, soweit diese für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage des Unternehmens von Bedeutung sind.83 Laut Erwägungsgrund 9 der Modernisierungsrichtlinie führe dies gegebenenfalls zu einer generellen Analyse ökologischer und sozialer Aspekte in der Unternehmenstätigkeit.84
IV. Zweite Mitteilung der Europäischen Kommission Mit diesem Regulierungsgehalt gab sich die Europäische Kommission in ihrer zweiten Mitteilung 2006 augenscheinlich zufrieden. So sah sie vollständig von der Implementierung weitergehender verpflichtender Maßnahmen ab. Sie betonte, mit den europäischen Unternehmen zusammenzuarbeiten und ihnen gerade keine zusätzlichen Verpflichtungen und administrativen Anforderungen auferlegen zu wollen. Das würde den Grundsätzen der besseren Rechtsetzung entgegenlaufen und sie wolle schon gar keine kontraproduktive Wirkung hervorrufen.85
79
KOM(2002) 347, S. 16. Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) v. 4. 12. 2004, BGBl. I, S. 3166 ff. 81 Richtlinie 2003/51/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG, 83/349/EWG, 86/635/EWG und 91/674/EWG über den Jahresabschluss und den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen, von Banken und anderen Finanzinstituten sowie von Versicherungsunternehmen v. 18. 6. 2003, ABl. L 178/16 (im Folgenden abg.: Modernisierungsrichtlinie). 82 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 208. 83 E. Vetter, in: FS Marsch-Barner 2018, S. 559, 560. 84 RL 2003/51/EG, Erwägungsgrund 9. 85 KOM(2006) 136, S. 3. 80
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Es komme also rein auf die Freiwilligkeit der Unternehmer an, CSR ernst zu nehmen und in ihre Unternehmenspolitik aufzunehmen. Im Zuge dessen entwickelte sie „Ein Europäisches Bündnis für CSR“.86 Bezweckt wurde durch dieses Bündnis, neue oder bereits bestehende CSR-Initiativen von Großunternehmen, kleinen und mittleren Unternehmen und ihren Stakeholdern zu vereinigen. Gleichzeitig sollte die Einstellung der europäischen Unternehmen gegenüber CSR und ihr konstruktives Engagement für soziale und ökologische Anliegen durch dieses Bündnis begünstigt werden.87 Ihre Rolle sah die Europäische Kommission nunmehr darin, ein politisches Verfahren zur Förderung und Verbreitung von CSR zu bieten. Von der Begründung eines verbindlichen Rechtsinstruments nahm sie dabei ausdrücklich Abstand. So waren die Ziele, die durch das gesamteuropäische CSR-Konzept erreicht werden sollten, im Grünbuch noch sehr ambitioniert. Der Erfolg lag jedoch aufgrund der zurückhaltenden tatsächlichen rechtsverbindlichen Inanspruchnahme der Unternehmen vorerst vollständig in den Händen der Unternehmen.
V. Die „neue EU-Strategie (2011 – 14)“ In der neuen EU-Strategie für CSR88 ließ die Europäische Kommission die Ereignisse der letzten Jahre Revue passieren. Dabei beobachtete sie zwar seit dem Grünbuch in Sachen CSR eine Aufwärtsbewegung. Europäische Unternehmen verpflichteten sich in größerem Umfang zur Einhaltung von freiwilligen Initiativen und veröffentlichten vermehrt Nachhaltigkeitsberichte.89 Doch noch immer sah sie sich vor große Herausforderungen gestellt.90 Um diese zu überwinden, entwickelte sie für den Zeitraum 2011 – 2014 einen Aktionsplan. Dieser enthielt neben Verpflichtungen für die Kommission selbst Anregungen für die Mitgliedstaaten, Unternehmen und andere Stakeholder-Gruppen. In erster Linie befasste sich der Aktionsplan damit, das Konzept CSR noch bedeutender in das Bewusstsein der Unternehmen zu rufen und das Verständnis für CSR zu erweitern. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass CSR stärker in Aus- und Weiterbildung sowie Forschung integriert wird, sowie europäische Unternehmer durch verschiedene Maßnahmen zu nachhaltigem Wirtschaften motiviert werden. Daneben sollten soziale und ökologische Erwägungen verstärkt in das öffentliche Auftragswesen 86
KOM(2006) 136, S. 6. KOM(2006) 136, S. 7. 88 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine neue EU-Strategie (2001 – 14) für die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR) v. 25. 10. 2011, KOM(2011) 681 endgültig (im Folgenden abg.: neue EU-Strategie). 89 KOM(2011) 681, S. 6. 90 KOM(2011) 681, S. 6. 87
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einfließen und das Problem des irreführenden Marketings im Zusammenhang mit den Auswirkungen von Produkten („Greenwashing“) behandelt werden. Zusätzlich erwog die Europäische Kommission in ihrer Strategie, den gegenüber ihren Kunden bereits bestehenden Kreis an Informationspflichten für alle Investmentfonds und Finanzinstitute zu erweitern. Neben dem behutsamen Wiederaufgreifen von CSR und dem fortwährenden Versuch, Unternehmen zu nachhaltigem Wirtschaften anzuregen, gebührt der neuen EU-Strategie (2011 – 14) aber in erster Linie aus einem Grund besondere Erwähnung. So beabsichtigte die Europäische Kommission hierbei erstmals, die Einhaltung von bereits eingegangenen Selbstverpflichtungen von Unternehmen gewisser Größe91 zu überprüfen. Außerdem forderte sie übrige „große“ Unternehmen auf, sich zur Berücksichtigung bestimmter CSR-Grundsätze zu verpflichten.92 Europäische Unternehmen sollten im Allgemeinen bis 2014 der Beachtung der dreigliedrigen Grundsatzerklärung des Internationalen Arbeitsamtes (IAA) zusagen.93 Daneben wurde das Ziel der „Binnenmarktakte“94 aus dem Jahr 2011 – der Vorläufer zur neuen EU-Strategie – wieder aufgegriffen, nicht nur den CSR-Belangen selbst, sondern auch der Berichterstattung darüber einen eigenen rechtlichen Rahmen zu geben. Zur Förderung von Wachstum und Vertrauen wurde nicht zuletzt als Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 konstituiert, dass insbesondere die Transparenz der Sozial- und Umweltberichterstattung aller europäischen Unternehmen auf ein vergleichbar hohes Niveau angehoben werden müsse.95 Der Ansatz der europäischen Kommission bestand darin, Rechtsnormen über die verbesserte Transparenz sozialer und umweltbezogener Informationen durch die Unternehmen zu präsentieren.96 Damit legte sie den Grundstein für die Verrechtlichung einer eigenständigen CSRBerichterstattungsregulierung und erteilte dem Regulierungsbedürfnis erneuten Aufwind. Diese Abkehr von einem als rein freiwillig verstandenen Konzept von CSR machte sich ferner durch seine „Neudefinierung“ bemerkbar: Wurde CSR im Jahre 91
Dabei handelt es sich um Unternehmen mit über 1000 Beschäftigten. Dabei spricht die Europäische Kommission ausdrücklich die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, den „Global Compact“ der Vereinen Nationen, die ISO-Norm 26000 sowie zusätzlich dazu die dreigliedrige Grundsatzerklärung des Internationalen Arbeitsamtes (IAA) über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik an. 93 KOM(2011) 681, S. 16. 94 Europäische Kommission, Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Binnenmarktakte – Zwölf Hebel zur Förderung von Wachstum und Vertrauen – „Gemeinsam für neues Wachstum“ – v. 13. 4. 2011, KOM(2011) 206 endgültig (im Folgenden abg.: Binnenmarktakte), S. 27. 95 Zum Bedürfnis einer „verlässlichen“ nichtfinanziellen Berichterstattung Velte, IRZ 2017, 325, 327. 96 KOM(2011) 681, S. 14; KOM(2011) 206, S. 27. 92
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2001 von der Europäischen Kommission noch als Konzept verstanden, „das den Unternehmen als Grundlage dafür dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihrer Unternehmenstätigkeit […] zu integrieren,97 verabschiedete sich die neue EU-Strategie von dieser Art der Freiwilligkeitskonzeption und sprach nur noch von CSR als „die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft.“98
VI. Die CSR-Richtlinie Die wohl markanteste Etappe in der europäischen Entwicklung von CSR ist schließlich die Neugestaltung der Bilanzrichtlinie99 durch die CSR-Richtlinie. Diese gilt als „Frucht der neuen EU-Strategie“100. Durch den Richtlinienentwurf kam die Europäische Kommission vor allem ihrem in der neuen EU-Strategie aufgegriffenen Vorsatz nach, einen Vorschlag für eine Rechtsvorschrift über die Transparenz der sozialen und ökologischen Informationen für Unternehmen aller Branchen zu präsentieren.101 Die Angabe nichtfinanzieller Faktoren sei ein wesentliches Element der Bewältigung des Übergangs zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft.102 Beabsichtigt wurde von der Europäischen Union, durch die Mindestharmonisierung im Bereich der verpflichtenden Berichterstattung der großen103 Unternehmen von öffentlichem Interesse ein vergleichbares Niveau innerhalb der Mitgliedstaaten zu erreichen.104 Schon vor der CSR-Richtlinie wurden nichtfinanzielle und die Diversität betreffende Faktoren neben der finanziellen Berichterstattung im Lagebericht beachtet. Im Unterschied zum Regelungsziel der CSR-Richtlinie wurde dies im Regelfall jedoch nur praktiziert, soweit sie offensichtlich für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage des Unternehmens von Bedeutung waren.105 97
KOM(2001) 366, S. 7. KOM(2011) 681, S. 7; Spießhofer, IWRZ 2019, 65, 67. 99 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates v. 26. 6. 2013, ABl. Nr. L 182/19 (im Folgenden abg.: Bilanzrichtlinie). 100 Fleischer, AG 2017, 505, 521. 101 KOM(2011) 681, S. 14; siehe auch KOM(2011) 206, S. 27. 102 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 3. 103 Als große Unternehmen im Sinne der Richtlinie gelten Unternehmen mit einer Bilanzsumme von mindestens 20 Mio. Euro und einem Nettoumsatz von 40 Mio. Euro (Art. 3 IV RL 2013/34/EU). 104 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 1 f., 6; Fleischer, AG 2017, 509, 521. 105 Spießhofer, Corporate Social Responsibility – „Indienstnahme“ von Unternehmen, Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung 22, 2016, S. 61, 69; E. Vetter, in: FS Marsch-Barner 2018, S. 559, 563. 98
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Nunmehr sah man von diesem gewünschten „Nebenprodukt“ der CSR-Berichterstattung innerhalb des § 289 Abs. 3 HGB ab und schwenkte um auf eine in Bezug auf gewisse CSR-Belange bezogene Verpflichtung zur Auseinandersetzung und Bezugnahme. Der neu eingeführte Art. 19a Abs. 1 der CSR-Richtlinie gibt hierzu die materiellen Voraussetzungen sowie die wesentlichen Kriterien an die CSR-Berichterstattung vor.106 Hauptsächlich Unternehmen von einer bestimmten Größe107 waren aufgrund der CSR-Richtlinie dazu angehalten, in von der Europäischen Union festgelegten Bereichen ihre CSR-Strategien und -Aktivitäten offen zu legen. Dabei handelt es sich beispielsweise um die Bereiche Umwelt, Arbeitnehmer und Soziales sowie die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Auch wenn diese Belange bereits durch Compliance-Maßnahmen, die die Einhaltung von Arbeitsschutz- oder Immissionsschutzrecht sicherstellen sollten, selektiv berücksichtigt wurden108, galt es nun, diejenigen Angaben in den Lagebericht aufzunehmen, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Unternehmen sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeit erforderlich sind. Vorhandene Konzepte, Ergebnisse und Risiken seien zu beschreiben und in den Lagebericht – oder in einen gesonderten Bericht mit dem gleichen Inhalt – aufzunehmen.109 Abgesehen von der Einführung einer gesetzlichen Regelung zur CSR-Berichterstattung ist ergänzend die Erweiterung der Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289a HGB zu erwähnen. Folglich wurde neben der Berichterstattung zu den Aspekten Alter, Geschlecht, geografische Vielfalt, Bildungs- und Berufshintergrund in der Erklärung zur Unternehmensführung außerdem eine Beschreibung des Diversitätskonzepts für die Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane der Gesellschaft vorgeschrieben.110 Die bislang weitestgehend freiwillige Berichterstattung in Nachhaltigkeitsbelangen, die sich insbesondere nach den Standards der Global Reporting Initiative (GRI) als „Best Practice“ etabliert hatte111, ist von der Europäischen Union sonach in Form einer einheitlichen Berichterstattung für bestimmte Unternehmen von einer gewissen Größe als notwendig erachtet worden.112 Regelungsziel der CSR-Richtlinie war in erster Linie die Mindestharmonisierung im Bereich der CSR-Berichterstat-
106 Nahezu spiegelbildlich dazu § 29a Abs. 1 der CSR-Richtlinie für den konsolidierenden Bericht (Konzern). 107 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 6. 108 Spießhofer, Corporate Social Responsibility – „Indienstnahme“ von Unternehmen, Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung 22, 2016, S. 61, 69. 109 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 6. 110 RL 2014/95/EU, Artikel 1, Nr. 2a. 111 Velte, AG 2018, 266, 267; Roth-Mingram, CSR, S. 91 f. 112 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 6, 15, 21.
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tung.113 Unterdessen gewährte sie den Mitgliedstaaten jedoch in ihrer Umsetzung auch umfangreiche Mitgliedstaatenwahlrechte. So war es den Mitgliedstaaten zum einen möglich, eine Geheimnisschutzklausel für empfindliche Informationen einzurichten,114 eine Opt-out-Klausel in Bezug auf die Veröffentlichungsart der nichtfinanziellen Erklärung einzuführen oder die Testierung der Informationen durch einen unabhängigen Versicherungsdienstleister anzubieten.115 Zum anderen stand den Mitgliedstaaten offen, Unternehmen von der Berichterstattung zu befreien, die andere Wertpapiere als Aktien116 herausgeben.117 Bei der Erklärung zur Unternehmensführung konnte zudem eine Erweiterung des Adressatenkreises vorgenommen werden.118
C. CSR-Umsetzungsgesetz – Ein unabhängiges, selbstständiges Regelungskonzept Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte – etwas verspätet – in Form des Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lageund Konzernlageberichten am 11. April 2017. Folglich ist ab dem Geschäftsjahr 2017 der Lage- und Konzernlagebericht bestimmter „großer“119 Unternehmen zu erweitern. Neben der Erweiterung der Erklärung zur Unternehmensführung um weitere120 Angaben zur Diversität in den Leitungsorganen steht die Einführung einer eigenständigen CSR-Berichterstattung, vornehmlich in den §§ 289b – 289e HGB, im Fokus des Umsetzungsgesetzes. Die verspätete Umsetzung der CSR-Richtlinie hat ihre Ursache wohl allen voran in den kontroversen Meinungen zu den Gesetzesentwürfen. Dadurch erstreckte sich 113
RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 1. Gemeint sind hier mit dem Begriff der „empfindlichen Informationen“ solche Informationen, die sich auf künftige Entwicklungen und in Verhandlung befindende Belange beziehen; einschränkend soweit sich die Veröffentlichung dieser Informationen ernstlich schädlich auf die geschäftliche Stellung des betreffenden Unternehmens auswirken würde und zugleich die Nichtveröffentlichung ein angemessenes Verständnis der Entwicklung, Leistung, Stellung und Auswirkungen des Unternehmens nicht verhindert (RL 2014/95/EU, Artikel 1, Nr. 1). 115 Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1342. 116 Jene Aktien, die zum Handel an einem geregelten Markt eines Mitgliedstaats im Sinne des Artikel 4 Abs. 1 Nr. 14, RL 2004/39/EG über Märkte für Finanzinstrumente zugelassen sind, Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1343. 117 Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1343. 118 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 14; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1343. 119 Siehe S. 47. 120 Anzumerken ist, dass bereits durch das Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 24. 04. 2015 (BGBl. I 2015 S. 642) eine erste Erweiterung der Angaben zur Unternehmensführung stattfand. 114
§ 3 Entwicklungsstufen
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der Gesetzgebungsprozess beinahe über zwei Jahre. Kajüter sieht den Ursprung der kontroversen Ansichten darin, dass sich ein breiter Kreis an Interessengruppen an dem Thema beteiligt hat.121 So beschäftigten sich nicht nur vermeintlich betroffene Unternehmen und ihre Verbände mit einer neuen CSR-Berichtspflicht, sondern auch NGOs, Investoren, Wirtschaftsprüfer, Aufsichtsräte und der Mittelstand. Wiedergefunden hat sich diese rege Auseinandersetzung besonders in zahlreichen Stellungnahmen zum Konzeptpapier122 des BMJV und dessen Referentenentwurf123, einem abgelehnten Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen124 und diversen Stellungnahmen im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses125 zum Gesetzesentwurf126.127 Um den Zielen der Europäischen Union128 gerecht zu werden und in diesem Sinne zwar einerseits die Transparenz über die ökonomischen, ökologischen und sozialen Belange der Geschäftstätigkeit zu erhöhen, den Unternehmen anderseits aber auch ihre größtmögliche Gestaltungfreiheit zu erhalten, wurden die zu Verfügung stehenden Mitgliedstaatenwahlrechte nur begrenzt und hauptsächlich zugunsten der Gestaltungsfreiheit der Unternehmen wahrgenommen.129 Als Regelungsort der neuen Berichtspflichten entschied man sich für das Handelsbilanzrecht. In der Folge ist der nach den §§ 289 ff. HGB abzugebende Lagebericht um die neu eingeführten Angaben zur nichtfinanziellen Berichterstattung zu erweitern. Ergänzend ergaben sich Änderungen im AktG, dem WpHG, PublG und GenG. Die Einbettung der nichtfinanziellen Berichterstattung im Handelsbilanzrecht war nicht überraschend, da die Finanzberichterstattung im Laufe der Jahre schrittweise auf Nachhaltigkeitsbelange ausgedehnt wurde. Unter dieser Erweiterung findet sich die Berichterstattung über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren durch § 289 Abs. 3 HGB130, die über die Frauenquote in § 289 f Abs. 2 Nr. 5 HGB in der 121
Kajüter, IRZ 2017, 137. Siehe hierzu die Übersicht des BMJV unter: http://hbfm.link/1220 (zuletzt abgerufen am 24. 4. 2019); DB 2015, 2017 ff. 123 BMJV, Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten, s. u. http://hbfm.link/121 9 (zuletzt abgerufen am: 24. 4. 2019). 124 Antrag der Abgeordneten Renate Künast et al., Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung – Nachhaltigkeitsberichte wirksam und aussagekräftig ausgestalten – Umsetzung der CSR-Richtlinie v. 19. 10. 2016, BT-Drucks. 18/10030. 125 Eine Übersicht zu den Stellungnahmen ist abrufbar unter: https://www.bundestag.de/do kumente/textarchiv/2016/kw45-pa-recht-unternehmen-477174 (zuletzt abgerufen am: 24. 4. 2019); siehe dazu auch Kajüter, IRZ 2016, 507 (Fn. 7). 126 Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 17. 10. 2016, BT-Drucks. 18/9982. 127 Kajüter, IRZ 2016, 507; Seibt, DB 2016, 2707, 2707 f. 128 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 3, 18. 129 Seibt, DB 2016, 2707, 2708. 130 Siehe S. 35. 122
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Teil 1: Historische Entwicklung von CSR
Unternehmensführung oder auch das Bereitstellen sensibler Informationen wie der Zahlungsbericht für Unternehmen gewisser Industrien131 durch §§ 341q ff. HGB, § 37x WpHG.132 Dennoch stellt das CSR-RUG eine neue Dimension dar. Im Gegensatz zur – bis dato eher zögerlichen – Erweiterung der Leistungsindikatoren um nichtfinanzielle Faktoren bieten die neu eingeführten §§ 289b ff. HGB ein unabhängiges, weitgehend selbstständiges Regelungskonzept, neben welchem die bisherigen Regelungsansätze zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und Integration unternehmerischer Verantwortung bestehen bleiben.133
131 Dabei handelt es sich um Unternehmen, die in der mineralgewinnenden Industrie tätig sind oder Holzeinschlag in Primärwäldern betreiben. 132 Mock, ZIP 2017, 1195. 133 Mock, ZIP 2017, 1195.
Teil 2
Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange Das zweite Kapitel soll ein grundlegendes Verständnis über die im Zuge des CSRRUG am 11. April 2017 eingeführte CSR-Berichterstattung vermitteln. Dabei werden die Zielsetzung der nichtfinanziellen Erklärung (§ 4), die in den §§ 289b ff. HGB fixiert wurde, sowie ihr Anwendungsbereich und ihre Veröffentlichung (§ 5) wie ihre inhaltlichen Anforderungen (§ 6) näher dargelegt. Da sich die CSR-Berichterstattung ferner auf die Konzernlageberichterstattung nach § 315 ff. HGB erstreckt, ist außerdem diese zu untersuchen (§ 7). Abschließend wird, gerade im Hinblick auf den tatsächlichen Wirkungsmechanismus der nichtfinanziellen Erklärung, auf die durch das CSR-RUG ergänzten Straf- und Bußgeldvorschriften eingegangen (§ 8). Nur mit diesem Vorwissen wird ein ausreichender Nährboden für eine anschließende Betrachtung und Bewertung des tatsächlichen Regelungsgehalts der nichtfinanziellen Erklärung geschaffen.
§ 4 Zielsetzung der nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB Zentraler Zweck der Lageberichterstattung ist die Informationsvermittlung.1 Neben den Angaben aus dem Jahresabschluss bietet sie zusätzliche Informationen, aufgrund derer sich die Adressaten der Berichterstattung, mithin potenzielle Investoren, Verbraucher, Arbeitnehmer oder Vertragspartner ein Gesamtbild von der Lage des Unternehmens machen können. Mit diesen können sie ergänzend eine Gesamtwürdigung vornehmen.2 Außerdem ermöglichen die Beurteilung und Erläuterung der Geschäftsleitung zur voraussichtlichen Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken einen Blick in die Zukunft.3 Das unmittelbar beschriebene Bedürfnis nach einer Ergänzung der bereits durch die übrigen Rechnungslegungsunterlagen vermittelten Informationen und der Möglichkeit einer Prognose über den weiteren Geschäftsverlauf begrenzt sich dabei nicht mehr nur auf die rein finanziellen Angaben. Vielmehr steigt das Verlangen der 1 2 3
Lange, in: MünchKommHGB, § 289 Rn. 1. Grottel, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289 Rn. 7 f. Kleindiek, ZGR 1998, 466, 473; Lange, in: MünchKommHGB, § 289 Rn. 5.
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Teil 2: Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange
eben genannten Personengruppen nach mehr und besseren Informationen über die „Nachhaltigkeit“ der Geschäftspraktiken und ihren Auswirkungen auf die Gesellschaft.4 So geht es den Adressaten des Lageberichts offensichtlich nicht mehr ausschließlich um den tatsächlichen wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Vielmehr wird den Auswirkungen seines Geschäftsgebarens auf die Umwelt, die Berücksichtigung von Arbeitnehmerinteressen und dem sozialen Umfeld sowie der Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen immer mehr Bedeutung zugemessen. Dies liegt nicht zuletzt an dem breitenwirksamen Bekanntwerden unangemessener Geschäftspraktiken oder Verfehlungen vermeintlich „lauterer und gewissenhafter“ Unternehmen.5 So sei an den vor dem LG Dortmund geführten Haftungsprozess erinnert,6 in dem Opfer eines Brandunglücks im Jahr 2012 im Betrieb des pakistanischen Bekleidungsherstellers ALI Enterprises gegen das in Deutschland ansässige, transnationale Unternehmen KiK Textilien und Non-Food GmbH als Hauptabnehmer der durch ALI Enterprises gefertigten Bekleidung, Schadensersatzansprüche geltend machten. In diesem Rechtsstreit wurde der KiK Textilien und Non-Food GmbH vorgeworfen, die Einhaltung des KiK-Verhaltenskodex durch ALI Enterprises nicht überprüft zu haben. Obzwar es aufgrund der Abweisung wegen Verjährung zu keiner Entscheidung in der Hauptsache kam,7 erlangte der Fall über sechs Jahre enorme Prominenz und zog die Thematik oftmals schlechter und unsicherer Arbeitsbedingungen der Lieferanten transnational agierender Unternehmen in die Öffentlichkeit. Dabei handelt es sich nur um einen von vielen „Skandalen“, die den Blick der Gesellschaft für die Auswirkungen der Geschäftstätigkeiten der Unternehmen, im weiten Sinne also auch ihrer eigenen Investitionen, Vertragsbeziehungen und Kaufentscheidungen schärfen. Einher mit dieser gesteigerten gesellschaftlichen Sensibilisierung im Hinblick auf die Auswirkungen der Geschäftspraktiken von Unternehmen geht konsequenterweise das Verlangen nach besseren und mehr Informationen darüber.8 Die CSRBerichterstattung hat so in erster Linie die Aufgabe, in diesem Sinne als Informationsbasis zu dienen, sodass Interessenten anhand offizieller, unmittelbar vom Unternehmen stammender Informationen – sozusagen: Angaben erster Hand – entscheiden können, ob sie investieren, Lieferbeziehungen eingehen oder Produkte des Unternehmens erwerben und nutzen möchten.9 Für die jeweilige Unternehmensbewertung hat die Einführung einer weiteren nichtfinanziellen Berichterstattung die bezweckte Konsequenz, dass neben die rei4
Seibt, DB 2016, 2707; Stawinoga/Velte, DB 2016, 841. Siehe auch RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1. 6 LG Dortmund, Urteil v. 10. 1. 2019, Az. 7 O 95/15. 7 Siehe auch Pressemitteilung des LG Dortmund v. 10. 1. 2019, abzurufen unter folgendem Link https://www.lg-dortmund.nrw.de/behoerde/presse/Pressemitteilungen/PM-Urteil-KIK.pdf (zuletzt abgerufen am 6. 10. 2020). 8 Seibt, DB 2016, 2707; Stawinoga/Velte, DB 2016, 841. 9 E. Vetter, in: FS Marsch-Barner 2018, S. 559, 563. 5
§ 4 Zielsetzung der nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB
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nen Finanzdaten eines Unternehmens immer mehr nichtfinanzielle Informationen über das Unternehmen treten. Bereits bekannt waren Informationen nichtfinanzieller Art im Lagebericht und entsprechende Angabepflichten unter anderem durch § 289 Abs. 3 HS. 1 HGB sowie durch die Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f HGB (§ 289a HGB a.F.). Wie unter anderem die systematische Einbettung der §§ 289b ff. HGB vor § 289f HGB zeigt, tritt die CSR-Berichterstattung eigenständig neben § 289f HGB. Auch gegenüber § 289 Abs. 3 HS. 1 HGB, der eine Berichterstattung der wichtigsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren erfordert, eröffnen die §§ 289b ff. HGB durch die Vorgabe einheitlicher Mindestanforderungen für festgelegte Nachhaltigkeitsbelange einen völlig neuen, eigenen Anwendungsbereich für nichtfinanzielle Belange.10 Dadurch soll Qualitätsdefiziten entgegengewirkt und die Berichtspraxis homogenisiert werden. Bis auf wenige Überschneidungen mit der Erklärung zur Unternehmensführung,11 so beispielsweise bei Umwelt- und Arbeitnehmerbelangen oder den Nachhaltigkeitsaspekten im Risikobericht sowie im Prognosebericht,12 wird die Berichterstattung über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage insgesamt weiter ausgebaut und vervollständigt. Damit hat die CSRBerichterstattung auch eine ergänzende Funktion. Ob dies so weit reicht, dass überdies die aktienrechtliche Zielkonzeption durch die CSR-Berichtspflicht verändert wird, ist an späterer Stelle zu klären.13 Schließlich soll die Regulierung der CSR-Berichterstattung im Hinblick auf die Unternehmen, aber auch auf die Gesellschaft erzieherisch wirken.14 Denn allen voran steht das Bestreben, allgemein das Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften zu stärken.15 Vorerst lässt sich somit feststellen, dass drei wesentliche Aspekte den Sinn und Zweck der CSR-Berichterstattung vorgeben: die Funktion als Informationsbasis, die Vervollständigung der Lageberichterstattung sowie die Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik. Insoweit kann von Funktionstrias der CSR-Berichterstattung gesprochen werden.16
10 11 12 13 14 15 16
Velte, AG 2018, 266; Müller/Stawinoga/Velte, ZfU 2015, 313, 314. Ausführlich hierzu Hennrichs, ZGR 2018, 206, 216 ff. Hennrichs, ZGR 2018, 206, 208. Siehe S. 218 ff. Hennrichs, ZGR 2018, 207, 209; Richter/Johne/König, WPg 2017, 566, 567. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1. Mock, ZIP 2017, 1195, 1196.
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Teil 2: Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange
§ 5 Anwendungsbereich und Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB A. Anwendungsbereich der CSR-Berichtspflicht § 289b Abs. 1 HGB gibt den Anwendungsbereich der nichtfinanziellen Erklärung vor. Er legt fest, welche Unternehmen unmittelbar von der Berichterstattungspflicht betroffen sind. Gleichartig ausgestaltet wie § 289b Abs. 1 HGB ist § 315b Abs. 1 HGB, der die entsprechenden Vorgaben an die nichtfinanzielle Erklärung über CSRBelange des Einzelunternehmens auf den Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens überträgt.17 Im Mittelpunkt der CSR-Berichterstattung stehen vorerst kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, so vorwiegend die AG, KGaA, GmbH und über Art. 61 SE-VO die SE. Erweitert wird der Adressatenkreis über § 336 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGB um die gleichgestellte Genossenschaft samt Europäischer Genossenschaft (SCE18) sowie nach § 264a HGB um ihnen gleichgesetzte kapitalistische Personenhandelsgesellschaften,19 jedoch nicht die gesetzestypischen Personalgesellschaften.20 Außerdem sehen § 340a Abs. 1a sowie § 341a Abs. 1a HGB eine Verpflichtung zur nichtfinanziellen Berichterstattung – unabhängig von ihrer Rechtsform – für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen vor, wenn sie in entsprechender Anwendung des § 267 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 – 5 als „groß“ gelten und im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Die zum Lagebericht verpflichteten Unternehmen nach dem PublG sind nicht von der CSRBerichtspflicht betroffen, da in § 5 Abs. 2 S. 2 PublG kein entsprechender Verweis vorgenommen wurde.21 Ausgeschlossen ist der Anwendungsbereich außerdem für ausländische Kapitalgesellschaften, da diese ihrem eigenen Umsetzungsrecht unterworfen sind. Wenn es sich bei diesen hingegen um Inlandsemittenten handelt, richtet sich die Finanzberichterstattung nach § 37v Abs. 2 Nr. 2 WpHG. So hat ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum nach der nationalen Umsetzung der CSR-Richtlinie im Mitgliedstaat oder nach § 37v Abs. 2 Nr. 2 lit. b WpHG, §§ 289b ff. HGB Bericht zu erstatten. Eingeschränkt werden die genannten Gesellschaften insoweit, als dass die zusätzlichen Voraussetzungen des § 289b Abs. 1 HGB wie beispielsweise die Größe der Kapitalgesellschaft oder die Arbeitnehmerbeschäftigung erfüllt sein müssen.
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Siehe dazu genauer S. 89 ff. Art. 68 Abs. 1 SCE-VO. 19 Der Verweis in § 264a HGB erstreckt sich auf die §§ 289b ff. HGB, siehe dazu auch RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 44. 20 Mock, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, HGB § 289b Rn. 27. 21 Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289b Rn. 6. 18
§ 5 Anwendungsbereich und Veröffentlichung nach §§ 289b ff. HGB
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I. Die Pflicht zur nichtfinanziellen Erklärung nach § 289b Abs. 1 HGB Des Weiteren muss das Unternehmen22, um eine CSR-Berichtspflicht auszulösen, grundsätzlich kumulativ die Voraussetzungen des § 289b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 3 HGB erfüllen. Bei einer in den Anwendungsbereich der CSR-Berichterstattungspflicht fallenden Gesellschaft handelt es sich also um eine große Kapitalgesellschaft oder eine ihr gleichgestellte Personenhandelsgesellschaft, die im Sinne des § 264d HGB kapitalmarktorientiert ist und mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. Dabei wurden die Unternehmenskategorien der Lageberichterstattung, die bereits die „große Kapitalgesellschaft nach § 267 Abs. 3 S. 1 HGB“ oder die „kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft nach § 264d HGB“ kennt, faktisch durch eine weitere Größenklasse, das „Unternehmen von öffentlichem Interesse“, ergänzt. 1. „Große“ Kapitalgesellschaft nach § 289b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB Um was es sich bei „großen“ Kapitalgesellschaften handelt, ist in § 267 Abs. 3 S. 1 HGB legal definiert. Es handelt sich grundsätzlich um solche Kapitalgesellschaften, die mindestens zwei der drei in § 267 Abs. 2 HGB bezeichneten Merkmale23 erfüllen. Das bedeutet gemeinsam mit einer weiteren Voraussetzung entweder das Überschreiten von einer Bilanzsumme von 20.000.000 Euro (Nr. 1) und/oder einem Umsatzerlös von 40.000.000 Euro in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag (Nr. 2) und/oder die Beschäftigung von mehr als 250 Arbeitnehmern im Jahresdurchschnitt (Nr. 3). § 267 Abs. 3 HGB beinhaltet zwei Regulierungsinhalte. Zum einen definiert er in § 267 Abs. 3 HGB S. 1 HGB, was „große“ Kapitalgesellschaften sind. Zum anderen stellt er in § 267 Abs. 3 HGB S. 2 HGB klar, dass es sich bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften nach § 264d HGB stets um „große“ Kapitalgesellschaften handelt. Die direkte Verweisung in § 289b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB nur auf § 267 Abs. 3 S. 1 HGB bewegt daher zu der Annahme, dass § 267 Abs. 3 S. 2 HGB e contrario vom Verweis ausgenommen wird. Das Größenkriterium der Kapitalgesellschaften soll also nicht nach § 264d HGB fingiert werden können, sondern muss tatsächlich erfüllt sein.24 22 Der Übersichtlichkeit halber wird im Folgenden lediglich von „der Pflicht nach § 289b Abs. 1 HGB“ oder der „Berichtspflicht“ und „dem Unternehmen“ gesprochen. Dabei wurden natürlich entsprechende Anwendungen über Erweiterungsvorschriften wie §§ 336 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 264a HGB oder § 37v Abs. 2 Nr. 2 lit. b WpHG und ihre unterschiedlichen Rechtsformen berücksichtigt und – wenn notwendig – gesondert herausgearbeitet. 23 Bei diesen Merkmalen handelt es sich um 20.000.000 Euro Bilanzsumme, 40.000.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag sowie im Jahresdurchschnitt 250 Arbeitnehmer. 24 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 44.
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Teil 2: Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange
Auch für die § 267 Abs. 4 ff. HGB wäre durch diese konkrete Bezugnahme des § 289b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB auf § 267 Abs. 3 S. 1 HGB solch ein Ausschluss denkbar. Durch § 289b Abs. 1 S. 2 HGB werden § 267 Abs. 4 bis Abs. 5 HGB hingegen wieder ausdrücklich in entsprechender Anwendung miteinbezogen.
2. „Kapitalmarktorientiert“ im Sinne des § 264d HGB Es ist außerdem gemäß § 289b Abs. S. 1 Nr. 2 HGB nötig, dass die Gesellschaft im Sinne des § 264d HGB „kapitalmarktorientiert“ ist. Sie muss also entweder einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 11 WpHG durch von ihr ausgegebene Wertpapiere (§ 2 Abs. 1 WpHG) in Anspruch nehmen oder die Zulassung solcher Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt beantragt haben. Eine Ausnahme bieten §§ 340a Abs. 1a, 341a Abs. 1a HGB, die den Anwendungsbereich für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen ausnahmsweise auch ohne Kapitalmarktorientierung eröffnen. Betrachtet man nun im Hinblick auf diese Voraussetzung den bereits angesprochenen Ausschluss der Fiktion des § 267 Abs. 3 S. 2 HGB im Rahmen des § 289b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB, der verhindert, dass Kapitalgesellschaften im Sinne des § 264d HGB stets als „große“ Kapitalgesellschaften gelten, ist die Entscheidung hinsichtlich des Ausschlusses nur einleuchtend. Denn wäre dem nicht so, bräuchte es das Erfordernis der „großen“ Kapitalgesellschaft im Anwendungsbereich der CSRBerichtspflicht nicht, da diese Anforderung stets bei jeder kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaft nach § 267 Abs. 3 S. 2 HGB erfüllt wäre. So ist hinsichtlich der bereits erwähnten Implementierung einer weiteren Größenklasse in Form des Unternehmens von öffentlichem Interesse in die Bilanzierungsvorschriften zu konstatieren, dass es sich dabei um ein Unternehmen mit vergleichsweise hohen Anforderungen handelt. Die sonst auch alternativ pflichtenauslösenden Voraussetzungen müssen bei diesem Unternehmen jedenfalls kumulativ vorliegen. Gerade hinsichtlich des Erfordernisses der „Kapitalmarktorientierung“ wurde bereits seitens der Rechtswissenschaft Kritik geäußert.25 So ließe sich nicht dogmatisch begründen, weshalb gerade die Renditeforderung an die Gesellschaft ausschlaggebendes Merkmal für ihre Gemeinwohlbindung sein soll.26 Deshalb sei es widersprüchlich, an dieser Stelle Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen ohne Kapitalmarktbezug in den Anwendungsbereich miteinzubeziehen, dagegen die restlichen, grundsätzlich in die Größenklasse fallenden Unternehmen, an eine Kapitalmarktorientierung zu binden.27 So würden rechtstheoretisch unbegründet „größere Sparkassen mit primär lokalem Geschäft kapitalmarktorientierten Unter25 26 27
Kajüter, IRZ 2017, 137. Kajüter, IRZ 2017, 137. Kajüter, IRZ 2017, 137.
§ 5 Anwendungsbereich und Veröffentlichung nach §§ 289b ff. HGB
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nehmen gleichgestellt, große nichtkapitalmarktorientierte, international tätige Unternehmen wie z. B. Aldi, Oetker und Würth [blieben] hingegen verschont.“28 Müsste also nicht vielmehr eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Unternehmens vorgenommen werden, um entscheiden zu können, ob dieses tatsächlich von allgemeinem öffentlichem Interesse ist? Gilt es, ein Gleichgewicht zwischen den Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und den übrigen Unternehmen zu schaffen und § 289b Abs. 1 S. 1 HGB unter teleologischen Gesichtspunkten zu extendieren, sodass auch solche Unternehmen in den Anwendungsbereich fallen, die aufgrund ihrer Ausrichtung, ihres Umsatzes oder einer besonderen Größe von gewisser Bedeutung für die Öffentlichkeit sind? Das entspräche jedenfalls Art. 2 Nr. 1 lit. d. der Bilanzrichtlinie, der eine Kategorisierung solcher Unternehmen als „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ jedenfalls dann gewährt, wenn „sie von den Mitgliedstaaten als Unternehmen von öffentlichem Interesse bestimmt werden, beispielsweise Unternehmen, die aufgrund der Art ihrer Tätigkeit, ihrer Größe oder der Zahl ihrer Beschäftigten von erheblicher öffentlicher Bedeutung sind.“ Für eine solche Überlegung besteht de lege lata jedoch kein Raum. Sowohl die eindeutige Formulierung des Gesetzes in § 289b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB als auch sein offensichtliches Untätigbleiben hinsichtlich seiner Regelungsmöglichkeit nach Art. 2 Nr. 1 lit. d. der Bilanzrichtlinie verdeutlicht, dass das Erfordernis des Kapitalmarktbezugs bewusst gesetzt wurde. So heißt es im Regierungsentwurf ausdrücklich, dass „unter […] Unternehmen von öffentlichem Interesse solche Unternehmen zu verstehen [sind], die kapitalmarktorientiert, Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen sind […].“29 Gleiches ergibt sich auch aus dem Gesetzgebungsverfahren, in welchem ein den Geltungsbereich der §§ 289b ff. HGB auf große nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen erweiternder Antrag einiger Abgeord¨ NDNIS 90/DIE GRU ¨ NEN keinen Eingang in den Geneter und der Fraktion BU setzesentwurf fand.30 Eine Begrenzung der Unternehmen auf solche mit den festgelegten Kriterien wurde bewusst vorgenommen. De lege lata ist das nationale Verständnis eines Unternehmens von öffentlichem Interesse und somit auch der Anwendungsbereich der CSR-Berichterstattungspflicht auf die benannten Kriterien beschränkt.31 Inwieweit diese Adressatenwahl der Funktionstrias der CSR-Berichterstattung gerecht wird oder ob aufgrund einer „weiteren, ineffizienten Differenzierung der Rechnungslegungsvorschriften in adressatenspezifische Sondermaterien“32 de lege ferenda eine Korrektur notwendig ist, soll an späterer Stelle diskutiert werden.33 28 29 30 31 32
Kajüter, IRZ 2017, 137. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 26. Antrag der Abgeordneten Künast et al., BT-Drucks. 18/10030, S. 2. Kajüter, IRZ 2017, 137 (begründet dies mit politischen Motiven). Seibt, DB 2016, 2707, 2710.
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Teil 2: Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange
3. Arbeitnehmerbeschäftigung Zuletzt ist nach § 289b Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGB eine Beschäftigung von mindestens 500 Arbeitnehmern notwendig. Gemäß § 289b Abs. 1 S. 2 HGB ist die Beschäftigung entsprechend § 267 Abs. 4 bis Abs. 5 HGB zu bestimmen. Relevant ist also die Betrachtung von zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen, außer es handelt sich um Neugründungen und Umwandlungen, in deren Fällen bereits ein Abschlussstichtag ausreichend ist. Vor allem diese Voraussetzung grenzt den Anwendungsbereich der Vorschrift erneut erheblich ein34, da kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) diesen Schwellenwert gemeinsam mit der Kapitalmarktorientierung meist nicht erreichen werden. Tatsächlich betroffen sind durch die unmittelbare Berichtspflicht letztlich schätzungsweise nur 550 Unternehmen.35 4. Das nationale Verständnis vom „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ Zusammenfassend lässt sich der Anwendungsbereich der CSR-Berichtspflicht auf solche Unternehmen beschränken, die nach dem nationalen Verständnis „von öffentlichem Interesse“ sind. Dabei handelt es sich in concreto primär um große Kapitalgesellschaften, des Weiteren um diesen nach § 264a HGB gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften,36 über § 336 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGB um die gleichgesetzte Genossenschaft samt Europäischer Genossenschaft (SCE37) und über Art. 61 SE-VO um die SE, wenn sie im Sinne des § 264d HGB kapitalmarktorientiert sind und mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Erweitert wird der Adressatenkreis nach § 340a Abs. 1a sowie § 341a Abs. 1a HGB um Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen, „wenn sie in entsprechender Anwendung des § 267 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 – 5 als ,groß‘ [gelten] und im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer [beschäftigen].“38
II. Befreiungstatbestände Schon die amtliche Überschrift des § 289b HGB weist darauf hin, dass unter gewissen Voraussetzungen eine „Befreiung“ von der CSR-Berichtspflicht denkbar ist. Es ist jedoch darauf zu achten, dass die Begrifflichkeit dahingehend missverständlich ist, dass es sich dabei nicht um eine Freistellung im Ganzen, sondern le33
Siehe S. 237 ff. Mock, ZIP 2017, 1195, 1197. 35 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 210. 36 Der Verweis in § 264a HGB erstreckt sich auf die §§ 289b ff. HGB, siehe dazu auch RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 44. 37 Art. 68 Abs. 1 SCE-VO. 38 Siehe dazu den Wortlaut von § 340a Abs. 1a HGB wie auch § 341a Abs. 1a HGB. 34
§ 5 Anwendungsbereich und Veröffentlichung nach §§ 289b ff. HGB
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diglich um eine (vorübergehende) Erleichterung der Berichterstattung handelt, welche nie zu einem vollständigen Aussetzen von der Berichtspflicht führt. Wenn auch an späterer Stelle dieser Arbeit umfassend untersucht, soll dies im Folgenden dennoch knapp veranschaulicht werden. So weist der Normtext an zwei Stellen begrifflich die Möglichkeit der „Befreiung“ von der Berichtspflicht auf. Dies im Rahmen des § 289b Abs. 2 HGB, wie auch im § 289b Abs. 3 HGB. In § 289b Abs. 3 HGB wird die Möglichkeit eröffnet, von einer Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung abzusehen. Sie besteht aber genaugenommen nur dann, wenn stattdessen für dasselbe Geschäftsjahr ein gesonderter Bericht außerhalb des Lageberichts erstellt wird.39 Des Weiteren sind konzernabhängige Unternehmen nach § 289b Abs. 2 HGB von der Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung befreit. Dies gilt nur insoweit diese in den Konzernlagebericht des Mutterunternehmens (§ 315b HGB) miteinbezogen und die Berichterstattung somit anderweitig sichergestellt wird.40 Folglich handelt es sich bei den beiden Ausnahmen nicht um tatsächliche Befreiungen von der CSR-Berichterstattungspflicht im Sinne einer Rechenschaftsentlastung, sondern vielmehr um Ersetzungsmöglichkeiten der nichtfinanziellen Erklärung. Die Rechenschaft über CSR-Belange ist in beiden Konstellationen anderweitig sichergestellt, sodass es faktisch nicht möglich ist, sich als in den Anwendungsbereich fallendes Unternehmen von der Berichtspflicht zu befreien.
B. Art der Veröffentlichung Zur Veröffentlichungsart der nichtfinanziellen Erklärung ist vorab festzustellen, dass sich der Gesetzgeber auch hier für den Weg der größtmöglichen Flexibilität für die Unternehmen entschieden hat. So stehen diesen mehrere Arten und Weisen offen, den CSR-Bericht der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine CSR-Berichterstattung durch die Erweiterung des nach § 325 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB offenzulegenden Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung stellt dabei nur eine Ausweisvariante dar. Daneben eröffnet § 289b Abs. 3 HGB die Möglichkeit, außerhalb des Lageberichts einen „gesonderten nichtfinanziellen Bericht“ zu erstellen. Relevant wird dies sowohl bei der Einzelberichterstattung nach § 289b ff. HGB als auch bei der Konzernberichterstattung nach § 315b ff. HGB.41 Begrifflich definiert der Gesetzgeber diese Variante in § 289b Abs. 3 S. 1 HGB zwar als Befreiung von der eigentlichen Pflicht zur Ergänzung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung. Letztlich 39 40 41
Siehe S. 60. Siehe S. 91. Siehe S. 89.
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Teil 2: Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange
ist damit jedoch keine Freistellung von der Berichtspflicht als solche gemeint. Vielmehr ist darunter zu verstehen, dass es sich bei der nichtfinanziellen Erklärung im Lagebericht um den gesetzlichen Grundfall42, beim eigenständigen Bericht demgegenüber um eine weitere Ausweisvariante handelt.
I. Erweiterung des Lageberichts Die Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung kann als integrativer oder separater Bestandteil des Lageberichts erfolgen. Diese beiden Varianten der Erweiterung ergeben sich nicht unmittelbar aus § 289b Abs. 1 S. 1 HGB, da der Normtext begrifflich insoweit nur vorgibt, dass der Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung „erweitert“ werden muss. Erst im Rahmen des § 289b Abs. 1 S. 3 HGB wird auf eine zweite konkrete Ausgestaltungsmöglichkeit der Erweiterung indirekt Bezug genommen. So räumt der Gesetzgeber dem berichtspflichtigen Unternehmen in § 289b Abs. 1 S. 3 HGB die Möglichkeit ein, auf die „an anderer Stelle im Lagebericht enthaltenen nichtfinanziellen Angaben zu verweisen, wenn die nichtfinanzielle Erklärung einen besonderen Abschnitt des Lageberichts bildet.“ 1. Erweiterung um einen separaten Abschnitt An dieser Stelle ist festzuhalten, dass die Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung in einem besonderen Abschnitt, also als separater Bestandteil des Lageberichts, vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehen ist. Bis auf einzelne Verweise nach § 289b Abs. 1 S. 3 HGB kann sich der Interessent bei dieser Erweiterungsvariante im Lagebericht ein allumfassendes Bild von der nichtfinanziellen Lage des Unternehmens machen. Bezüglich der Rechtmäßigkeit dieser Veröffentlichungsart – gerade auch im Hinblick auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Berichterstattung (GoB)43 – ergeben sich keine Zweifel, denn als separater Bestandteil ist die nichtfinanzielle Erklärung innerhalb des Lageberichts von den finanziellen Inhalten jederzeit klar abgrenzbar. 2. Vollintegrierte nichtfinanzielle Erklärung Die zweite Alternative, den Lagebericht vollintegrativ um CSR-Angaben zu erweitern, könnte sich e contrario aus dem Wortlaut des § 289b Abs. 1 S. 3 HGB ergeben. Eine Verweisungsmöglichkeit ist nur dann eröffnet, wenn die Erklärung einen besonderen Abschnitt des Lageberichts bildet. Im Umkehrschluss scheint eine 42 43
Hennrichs, ZGR 2018, 206, 215. Siehe zu diesen Grundsätzen ausführlich S. 58 ff.
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weitere Darstellungsmöglichkeit nichtfinanzieller Angaben über den gesamten Lagebericht verteilt – also integriert – jedenfalls möglich. Ob solch eine vollintegrierte Berichterstattung beabsichtigt und zulässig ist, wird bisweilen uneinheitlich behandelt.44 Problematisch sei dabei vor allem, dass finanzielle und nichtfinanzielle Angaben innerhalb des Lageberichts nicht klar voneinander getrennt werden. So könne es für den Interessenten bei Angaben, die über den gesamten Lagebericht verteilt sind, schwierig werden, sich einen entsprechenden Überblick über die nichtfinanziellen Gegebenheiten zu verschaffen.45 Eine wie vom nationalen Gesetzgeber beabsichtigte46 Vermittlung nichtfinanzieller Informationen gelinge durch diese Unübersichtlichkeit nicht und die Geschäftstätigkeit des Unternehmens sei letztlich tatsächlich nicht nachvollziehbar.47 Im Folgenden wird daher anhand klassischer juristischer Auslegungsmethoden untersucht, ob unter einer nichtfinanziellen Erklärung im Sinne des § 289b Abs. 1 HGB auch eine vollintegrierte nichtfinanzielle Erklärung zu verstehen ist. Anschließend gilt es die Vereinbarkeit des Ergebnisses mit den geltenden Grundsätzen ordnungsgemäßer Berichterstattung zu überprüfen. a) Vollintegrierte Erklärung als nichtfinanzielle Erklärung Es stellt sich zunächst die Frage, ob unter einer nichtfinanziellen Erklärung im Sinne des § 289b Abs. 1 HGB auch eine in den Lagebericht vollintegrierte Erklärung zu verstehen ist. Dies müsste sich nach dem durch Auslegung hervorgehenden Inhalt des Begriffs der „nichtfinanziellen Erklärung“ im Sinne des § 289b Abs. 1 HGB ergeben. Dazu soll im Folgenden anhand des Wortlauts der Norm, aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, ihrem Zusammenhang und ihrem Zweck die nichtfinanzielle Erklärung im Sinne des § 289b Abs. 1 HGB ausgelegt werden.48 Im Ergebnis wird ermittelt, ob es sich bei einer vollintegrierten Erklärung um eine nichtfinanzielle Erklärung im Sinne des § 289b Abs. 1 HGB handelt.
44 Von einer integrativen Berichtsform ausgehend Kajüter, DB 2017, 617. 619 (mit dem Vorschlag der Übersichtlichkeit halber eine Übersicht anzufertigen); Blönik/Halbleib, DK 2017, 182, 190; Velte, AG 2018, 266, 269; E. Vetter, in: FS Marsch-Barner 2018, S. 559, 563; a. A. Haaker, DB 2017, 922; Kälberer, BC 2018, 194, 198. 45 Haaker, DB, 2017, 922; Kälberer, BC 2018, 194, 198. 46 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1 f. 47 Haaker, DB 2017, 922. 48 Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 17 ff.
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aa) Grammatikalische Auslegung Den Ausgangpunkt der Sinnermittlung bildet die grammatikalische Auslegung. So kann angenommen werden, dass der Gesetzgeber eine Norm sprachlich so verfasst, dass sie gemeinhin im richtigen Sinn verstanden wird.49 Ausdrücklich zwei Berichterstattungsarten bietet der Wortlaut des § 289b Abs. 1 HGB jedenfalls nicht an. Nach § 289b Abs. 1 HGB gilt es lediglich, den Lagebericht um eine nichtfinanzielle Erklärung zu „erweitern“. Die Verweisung des § 289b Abs. 1 S. 3 HGB erwähnt allein den besonderen Abschnitt explizit als Veröffentlichungsmöglichkeit. Dennoch kann dieser Verweisung aufgrund ihrer konkreten Formulierung eine weitergehende Bedeutung entnommen werden. Denn § 289b Abs. 1 S. 3 HGB eröffnet nur dann eine Verweisungsmöglichkeit, „wenn die nichtfinanzielle Erklärung einen besonderen Abschnitt des Lageberichts bildet“. Haaker bemerkt insoweit, der einzige Sinn und Zweck dieses Gesetzestextes läge darin, eine Verweistechnik einzuführen, mit der der Umfang des besonderen Abschnitts zur Vermeidung von Wiederholungen reduziert werden könne. Ein weitergehender Inhalt ginge daraus nicht hervor.50 Sicherlich kann der Verweisnorm des § 289b Abs. 1 S. 3 HGB der Hauptzweck, eine Verweistechnik einzuführen, unterstellt werden. Nichtsdestotrotz geht der Gehalt der konkreten Formulierung darüber hinaus. Denn § 289b Abs. 1 S. 3 HGB eröffnet nur dann eine Verweisungsmöglichkeit, „wenn die nichtfinanzielle Erklärung einen besonderen Abschnitt des Lageberichts bildet“. Durch diese Formulierung „wenn [..]“, „dann […]“ wird eindeutig impliziert, dass es sich um eine vom Normalfall abweichende zweite Alternative der Darstellung im Lagebericht handelt. Zurückblickend auf den Ausgangspunkt der nichtfinanziellen Erklärung, bestärkt der Wortgehalt des Wortes „erweitern“ dieses Ergebnis. Dafür soll an dieser Stelle der im Duden beschriebene Bedeutungsinhalt dieses Begriffes herangezogen werden.51 Als Bedeutungsschilderungen des Stichworts „erweitern“ werden die Beschreibungen als „in seiner Ausdehnung, in seinem Umfang vergrößern“ wie auch „weiter, größer werden“ angeboten. Worunter vielmehr ein „Ausweiten“ oder „Ergänzen“ des Lageberichts als Ganzes durch eine Integration der Informationen und als ein technisches „Anhängen“ oder „Anbauen“ an das Dokument des Lageberichts zu verstehen ist. Dagegen geht eine Ansicht davon aus, der Gesetzestext spräche in § 289b Abs. 1 S. 1 HGB von „einer“ Erklärung und diese eine Erklärung meine gerade nicht mehrere Erklärungen oder Bruchstücke von Erklärungen.52 Woran zu kritisieren ist, dass der Gesetzgeber durch seine Verweisungsmöglichkeit in § 289b Abs. 1 S. 3 HGB diesem Bedeutungsgehalt selbst widerspricht, ermöglicht er in 49 50 51 52
Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 39; ähnlich Larenz, Methodenlehre, S. 320. Haaker, DB 2017, 922. So auch in einem anderen Kontext Haaker, DB 2017, 922. Haaker, DB 2017, 922.
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jener doch offenkundig eine Ausgliederung der nichtfinanziellen Belange aus der Erklärung als „Gesamtheit“. In seiner Gesamtbetrachtung kommt man durch den Wortlaut der Regelung des § 289b Abs. 1 HGB also zum Ergebnis einer Zulässigkeit der vollintegrierten Veröffentlichung als nichtfinanzielle Erklärung im Sinne des § 289b Abs. 1 HGB. bb) Rechtsentwicklung des § 289b HGB Weiterhin ist festzuhalten, dass sich der Gesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bewusst von einer einzigen Veröffentlichungsvariante im Lagebericht ab- und einer zweiten Alternative zugewandt hat. Im Referentenentwurf war noch eindeutig von einer konkreten Darstellung als separaten Abschnitt im Lagebericht die Rede: „Die nichtfinanzielle Erklärung bildet einen besonderen Abschnitt des Lageberichts.“53 Demgegenüber verabschiedete sich der Regierungsentwurf zum CSR-RUG von einer klaren Konkretisierung und entwarf die heutige Fassung der Regelung, die begrifflich, wie bereits erörtert, eine weitere Veröffentlichungsvariante innerhalb des Lageberichts zulässt.54 Würde man davon ausgehen, der Gesetzgeber hätte die vorherige Konkretisierung beibehalten wollen, stellt sich die Frage, warum der Wortlaut des § 289b Abs. 1 HGB dann derart abgeändert wurde. Darüber hinaus zeigt auch der Vergleich mit der Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f HGB, die gemäß § 289f Abs. 1 S. 1 HGB innerhalb des Lageberichts nur eine Veröffentlichungsart als gesonderten Abschnitt zulässt, dass sich durch eine offene Gestaltung des Wortlauts bewusst von dieser einzigen Veröffentlichungsart abgewandt wurde. Demnach lässt sich unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der Norm des § 289b HGB und der Gesetzesmaterialien (genetische Auslegung) der Wille des Gesetzgebers ableiten,55 die Veröffentlichungsweise nicht auf die Möglichkeit als besonderen Abschnitt des Lageberichts zu beschränken und die Möglichkeit einer vollintegrierten Berichterstattung zu gewähren. cc) Systematik Gleichermaßen spricht die Systematik der Regelung für die Annahme einer weiteren Veröffentlichungsalternative innerhalb des Lageberichts. § 289b HGB ist derart ausgestaltet, dass in § 289b Abs. 1 HGB der gesetzliche Normalfall der 53
Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten (CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz) v. 3. 3. 2016, S. 6. 54 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 8. 55 Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 156 ff.
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Veröffentlichung und in § 289b Abs. 3 HGB eine weitere Art der Veröffentlichung („Befreiung“) normiert wurde. Somit beschreibt der Gesetzgeber die beiden grundsätzlichen Alternativen der Veröffentlichung in verschiedenen Absätzen einer Norm. Innerhalb dieser beiden Alternativen eröffnet er dann weitere Möglichkeiten in der Darstellungsweise. Es ist begrifflicherweise genaugenommen zwischen einer Veröffentlichungsart und der darin liegenden Darstellungsweise zu differenzieren. Die beiden Veröffentlichungsarten umfassen die Offenlegung durch den Lagebericht oder die Veröffentlichung als eigenständigen Bericht. Dieser nichtfinanzielle Bericht kann als Darstellungsweise entsprechend § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB entweder gemeinsam mit dem Lagebericht nach § 325 HGB (lit. a) oder auf der Internetseite (lit. b) offengelegt werden. Eine Unterteilung in derselben Methode ist entsprechend in § 289b Abs. 1 HGB zu erkennen, indem dieser eine Darstellungsweise als separaten oder als vollintegrierten Bestandteil des Lageberichts ermöglicht. Beim Vergleich der beiden Absätze hinsichtlich ihrer jeweiligen Veröffentlichungsarten und Darstellungsweisen sind Parallelen festzustellen. Die Erweiterung der Berichtsmöglichkeiten in Bezug auf den Lagebericht in § 289b Abs. 1 HGB erfolgt systematisch sonach an der richtigen Stelle. Der Annahme, unter „erweitern“ in § 289b Abs. 1 HGB sei auch eine vollintegrierte Darstellungsmöglichkeit zu verstehen, sind folglich auch keine systematischen Aspekte entgegenzuhalten. dd) Telos Letztlich stellt sich die Frage, ob eine vollintegrierte Darstellung innerhalb des Lageberichts dem Telos der Regelung des § 289b Abs. 1 HGB entspricht. Dafür müsste die teleologische Auslegung als zentrale Auslegungsmethode56 zu dem Ergebnis kommen, dass die vollintegrierte Berichterstattung de lege lata dem Sinn und Zweck des § 289b Abs. 1 HGB gerecht wird.57 Vornehmlich wird der vollintegrierten Berichterstattung vorgeworfen, sie würde versuchen, derart Verschiedenartiges miteinander zu vereinigen, dass das Ziel der adäquaten Informationsgewinnung für die Adressaten verloren gehe.58 So seien Investoren und Gläubiger vorrangig an finanziellen Informationen und allenfalls zweitrangig am CSR-Bericht interessiert.59 NGOs dagegen seien in erster Linie von
56 Honsell, in: Staudinger-BGB, Einl. zum BGB Rn. 149; BGHZ 17, 266, 276 = NJW 1955, 1276, 1277 f. 57 Möllers, Methodenlehre, § 5 Rn. 2 ff. 58 Haaker, DB 2017, 922. 59 Haaker, DB 2017, 922.
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nichtfinanziellen Informationen betroffen. Nur eine eindeutige Trennung würde dem Informationsinteresse aller Adressatengruppen gerecht.60 Außerdem könne von den Lesern nicht verlangt werden, ein „derartiges Puzzlespiel“ zu lösen, das wenig mit informativer Lageberichterstattung oder den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu tun habe.61 Erschwerend komme noch hinzu, dass es der Adressat nach Auffinden der für ihn relevanten Informationen auch noch mit unterschiedlichen Prüfungsintensitäten innerhalb des Lageberichts zu tun habe.62 Damit wäre jedoch nicht dem Geltung getragen, was das Gesetz zu erreichen versucht. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Regelung der § 289b ff. HGB nach dem objektiven Willen des Gesetzes63 dem Verlangen nach mehr und besseren Informationen über die Geschäftstätigkeit von Unternehmen gerecht werden soll.64 Anhand dieser Informationen sollen Interessenten die Möglichkeiten haben, entscheiden zu können, ob sie investieren, Lieferbeziehungen eingehen oder Produkte erwerben und nutzen möchten.65 Der Erklärungsgehalt der Informationen und die Möglichkeit der Informationsbeschaffung werden durch eine andere Berichtsart – ob innerhalb des Lageberichts oder am Ende in einem besonderen Abschnitt – jedenfalls nicht tangiert. Dem Interessenten ist es gleichermaßen möglich, relevante Informationen zu gewinnen und für sich auszuwerten, auch wenn das bei einer vollintegrierten Darstellungsart möglicherweise mit mehr Arbeitsaufwand verbunden ist. Im Grunde genommen geht es bei der CSR-Berichterstattung aber auch nicht darum, Unternehmen künftig allein aufgrund ihrer nichtfinanziellen Informationen bewerten zu können. Sie soll ein allumfassendes Bild über die Lage der Gesellschaft bieten und den Lagebericht um nichtfinanzielle Angaben ergänzen, weil das dem Bedürfnis nach einer allumfassenden Gesamtwürdigung der Lage der Gesellschaft entspricht. Diesem Grundanliegen genügt eine vollintegrierte Erklärung wenigstens gleichermaßen wie eine separate Erklärung innerhalb des Lageberichts. Ginge es um eine eigenständige, von finanziellen Faktoren vollkommen unabhängige CSR-Erklärung, wäre lediglich der nichtfinanzielle Bericht als Berichtsart zulässig. Da das jedoch nicht Sinn und Zweck der CSR-Regulierung ist, stimmt die Annahme, unter „erweitern“ im Sinne des § 289b Abs. 1 HGB auch eine vollintegrierte Darstellungsmöglichkeit zu verstehen, unter teleologischen Gesichtspunkten mit dem Ergebnis der sonstigen Auslegungsmethoden überein.
60 61 62 63 64 65
Haaker, DB 2017, 922. Haaker, DB 2017, 922. Haaker, DB 2017, 922. BGHZ 49, 221, 223 = NJW 1968, 748, 749; Grüneberg, in: Palandt, Einl. Rn. 40. Siehe S. 43 ff.; RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1.
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ee) Ergebnis Es ist festzuhalten, dass der Lagebericht im Sinne des § 289b Abs. 1 HGB neben der Erklärung als separater Abschnitt des Lageberichts auch um eine vollintegrierte nichtfinanzielle Erklärung erweitert werden kann. b) Kein Widerspruch zu allgemeinen Berichterstattungsgrundsätzen Zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt man auch nicht aufgrund der allgemeinen Berichterstattungsgrundsätze (GoB),66 deren Anwendbarkeit aufgrund der Einbettung in die Lageberichterstattung jedenfalls sinngemäß gegeben ist.67 Trotz des Interesses an einer effektiven Umsetzung der CSR-Berichtspflicht soll die Funktion der nationalen Rechnungslegung erhalten bleiben. Diese liegt darin, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens sowie seiner Entwicklung mit Blick auf Chancen und Risiken zu vermitteln.68 Um diesem Ziel gerecht zu werden, muss der Lagebericht vollständig, wahr und klar sein.69 Hinsichtlich der Vollständigkeit und der Richtigkeit ergeben sich bei der Frage nach der Widersprüchlichkeit der vollintegrierten Erklärung und der GoB keine Schwierigkeiten, soweit die vollintegrierte Erklärung mit den Anforderungen der § 289b ff. HGB übereinstimmt. Anders sei das hingegen bei der dritten Voraussetzung, der Verständlichkeit der Berichterstattung. Nur die alleinige Darstellungsweise als gesonderte nichtfinanziellen Erklärung wäre dieser dienlich.70 Denn eine verteilte Integration der CSRAngaben über den Lagebericht mache den Lagebericht unverständlich. Ein Interessent müsse sich stets mit finanziellen und nichtfinanziellen Informationen gleichermaßen auseinandersetzen und könne diese bei gemeinsamer Darstellung nicht voneinander unterscheiden.71 Das spricht jedoch nicht prinzipiell für die Unverständlichkeit der nichtfinanziellen Erklärung. Zum einen ist nicht jede vollintegrierte Berichterstattung pauschal weniger verständlich als ein Lagebericht mit separater Erklärung. Solange der Lagebericht samt vollintegrierter nichtfinanzieller Erklärung weder vage, zweideutig oder unübersichtlich ist, noch ein falsches Bild von der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft abgibt,72 spricht grundsätzlich nichts gegen die Klarheit der nichtfi66
Entgegen dieser Ansicht: Haaker, DB 2017, 922. Kajüter, DB 2017, 617, 618; Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 7. 68 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1. 69 Lange, in: MünchKommHGB, § 289 Rn. 28 ff. 70 Haaker, DB 2017, 922. 71 Haaker, DB 2017, 922. 72 Grottel, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289 Rn. 28. 67
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nanziellen Angaben im Lagebericht. Vielmehr muss daran festgehalten werden, dass die Verständlichkeit eines Lageberichts der Anforderung Rechnung tragen soll, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der konkreten Gesellschaft zu vermitteln,73 weshalb die Klarheit des Lageberichts immer im konkreten Einzelfall zu prüfen ist. Nichts anderes ergibt sich für die nichtfinanzielle Erklärung als Bestandteil des Lageberichts. Wird durch die vollintegrierte Darstellung der nichtfinanziellen Angaben innerhalb des konkreten Lageberichts in eindeutiger und übersichtlicher Weise die Lage der Gesellschaft vermittelt, bleiben der Erklärungsgehalt der CSR-Berichterstattung erhalten und der Berichterstattungsgrundsatz der Verständlichkeit gewahrt. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man zum anderen auch über einen Vergleich mit der Berichterstattung als separater Abschnitt des Lageberichts. Gemäß § 289b Abs. 1 S. 3 HGB darf das Unternehmen innerhalb seines Lageberichts auf die an anderer Stelle enthaltenen nichtfinanziellen Angaben verweisen. Diese Verweisungsvariante ermöglicht eine Verlagerung nichtfinanzieller Angaben – theoretisch sogar aller nichtfinanzieller Angaben – an verschiedene Orte im Lagebericht. Von einer pauschalen Unübersichtlichkeit bei nichtfinanziellen Angaben, die über den Lagebericht verteilt erfolgen, kann daher nicht ausgegangen werden. Dies gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass es ständige Praxis der Konzernlageberichterstattung ist, bestimmte Angaben aus dem Lagebericht vollständig in den Konzernanhang zu verlagern.74 So sieht der Gesetzgeber eine Verlagerung in Bezug auf bestimmte Angaben in § 289b Abs. 1 S. 3 HGB ausdrücklich vor. Einziger Unterschied der Verweisungsmöglichkeit zur vollintegrierten Darstellung ist die Verweisung selbst, also die Angabe des Standorts, an dem die gesuchte Information zu finden ist. Diese Verweisung wirkt wie eine Art „Inhaltsangabe“ im separaten Abschnitt, sodass die Information für den Interessenten problemlos auffindbar ist. Diese Nachvollziehbarkeit kann jedoch auch, abgesehen von einem gesonderten Abschnitt, anderweitig – zum Beispiel durch eine strukturierte Gliederung – sichergestellt werden.75 Daher bleibt die Funktion der nationalen Rechnungslegung auch bei einer vollintegrierten nichtfinanziellen Erklärung erhalten, soweit ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens sowie seiner Entwicklung mit Blick auf Chancen und Risiken vermittelt wird. Solange durch die vollintegrierte Darstellung der nichtfinanziellen Angaben innerhalb des konkreten Lageberichts in eindeutiger und übersichtlicher Weise die finanzielle wie nichtfinanzielle Lage der Gesellschaft vermittelt wird, bleibt der Erklärungsgehalt der CSR-Berichterstattung erhalten. So kann auch die vollintegrierte nichtfinanzielle Erklärung vollständig, wahr und klar sein. 73
Lange, in: MünchKomm-HGB, § 289 Rn. 1 ff. Vgl. Henckel/Rimmelspacher/Schäfer, DK 2014, 386, 387 unter der Bezugnahme auf die DRS 20. 75 Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 762. 74
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II. Eigenständiger Bericht Wie bereits als zweite Veröffentlichungsart erwähnt, kann ein Unternehmen seiner Berichtspflicht nach § 289b Abs. 1 HGB dadurch nachkommen, dass es für dasselbe Geschäftsjahr einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht nach § 289b Abs. 3 HGB veröffentlicht. Dieser gesonderte Bericht kann gemäß § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB auf mehrere Weisen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Zum einen kann das berichtspflichtige Unternehmen diesen nach § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a HGB gemeinsam mit dem Lagebericht gemäß § 325 HGB offenlegen. Zum anderen gewährt § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b HGB die Alternative, ihn auf der eigenen76 Internetseite des Unternehmens spätestens vier Monate nach dem Abschlussstichtag und mindestens für zehn Jahre zu veröffentlichen, sofern der Lagebericht auf diese Veröffentlichung unter Angabe der Internetseite Bezug nimmt. Inhaltlich hat der gesonderte Bericht, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Berichterstattung, gemäß § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 1 HGB den Vorgaben des § 289c HGB gerecht zu werden.77 Grenzen sind der inhaltlichen Ausgestaltung bis auf die Mindestangaben des § 289c HGB nicht gesetzt. Das kann dazu führen, dass der gesonderte Bericht bei ausreichendem Hinweis auch Bestandteil eines anderen Unternehmensberichts, wie beispielsweise eines Nachhaltigkeitsberichts, sein kann. Bei Integration des gesonderten nichtfinanziellen Berichts in einen anderen Unternehmensbericht ist in diesem ergänzend darauf hinzuweisen, dass er die Angaben zur nichtfinanziellen Berichterstattung des Einzelunternehmens enthält.78 Letztlich kann der gesonderte nichtfinanzielle Bericht als eigenständiger CSRBericht, als separater Bestandteil eines anderen Unternehmensberichts oder sogar als integratives Element eines anderen Unternehmensberichts ausgestaltet werden.79 Entgegen kommt das besonders solchen Unternehmen, die in ihrer vergangenen Unternehmenspraxis bereits Nachhaltigkeitsberichte erstellt haben.80 Durch die hohe Flexibilität in der Weise der Berichterstattung blieb der Einführungsaufwand für diese Unternehmen verhältnismäßig gering,81 da sie ihre Nachhaltigkeitsberichte im ungünstigsten Fall mit Rücksicht auf weitergehende Angaben lediglich nachjustieren mussten. Das ist zwar ganz im Sinne des deutschen Gesetzgebers, der diesen geringen Erfüllungsaufwand beabsichtigte.82 Je nachdem wie umfangreich der Nachhaltig76
Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289b Rn. 53. Siehe zu den inhaltlichen Mindestanforderungen S. 63 ff. 78 Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289b Rn. 52. 79 Velte, AG 2018, 266, 268. 80 So bereits vor Umsetzung der Richtlinie Eufinger, EuZW 2015, 424, 427; Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 227. 81 Kajüter, IRZ 2017, 137, 138. 82 Vgl. Kajüter, IRZ 2017, 137, 138; Kajüter, DB 2017, 617, 619. 77
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keitsbericht im Ganzen ist, kann diese Ausgestaltungsmöglichkeit das Auffinden der relevanten Informationen für den Einzelnen aber auch erheblich erschweren, zumal gemäß § 289b Abs. 3 S. 2 HGB in entsprechender Anwendung des § 289b Abs. 1 S. 3 HGB auf die an anderer Stelle im Lagebericht enthaltenen nichtfinanziellen Angaben verwiesen werden darf. So müsste der Interessent im äußersten Fall mit mehreren Dokumenten und schwer auffindbaren Informationen arbeiten, was wiederum mit dem Ziel der angemessenen Informationsvermittlung adäquat in Ausgleich zu bringen wäre.83 Gleichzeitig kann diese Art der Berichterstattung jedenfalls bei fehlend hinreichender Berücksichtigung der GoB Gefahr laufen, diesen zu widersprechen. Das führt nach einer Ansicht zu Abstrichen bei der Vergleichbarkeit der Berichte, da jedenfalls die zwischenbetriebliche Vielfalt auf diese Art und Weise erhalten bliebe.84 Eine Entscheidung zur Widersprüchlichkeit ist an dieser Stelle wiederum maßgeblich vom konkreten Einzelfall abhängig. So bleibt es für den Interessenten faktisch möglich, CSR-Angaben aus den Berichten zu filtern und den Angaben anderer Unternehmen gegenüberzustellen, wenn entsprechende Hinweise und/oder klare und übersichtliche Angaben darüber, dass ein Unternehmensbericht Informationen zur nichtfinanziellen Berichterstattung des Unternehmens enthält, gemacht werden. Daher ist hier auf die Erkenntnisse zur vollintegrierten nichtfinanziellen Erklärung zurückzugreifen.
III. Fazit Berichtspflichtige Unternehmen müssen sich grundsätzlich mit drei Berichtsmöglichkeiten auseinandersetzen, die sich in ihrer konkreten Ausgestaltung unterscheiden.85 Dabei ist noch immer zwischen zwei Veröffentlichungsarten und den dazugehörigen Darstellungsweisen zu unterscheiden. Es bleibt damit bei den zwei grundsätzlichen Veröffentlichungsarten: die Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung nach § 289b Abs. 1 HGB sowie den gesonderten nichtfinanziellen Bericht nach § 289b Abs. 3 HGB. § 289b Abs. 1 HGB eröffnet darüber hinaus zwei Darstellungsweisen innerhalb des Lageberichts: die vollintegrierte Erklärung sowie die Darstellung als separater Bestandteil des Lageberichts. Hinsichtlich der vollintegrierten Erklärung ergaben sich insbesondere Fragen über ihre Zulässigkeit. Hier ist festzuhalten, dass die Anfertigung einer vollintegrierten Erklärung nach § 289b Abs. 1 HGB grundsätzlich möglich ist. Solange der Erklärungsgehalt der Informationen und die Möglichkeit der Informationsbeschaf83 84 85
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1. Kajüter, IRZ 2017, 137. So entsprechend als „Optionen“ auch Merkt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289b Rn. 4.
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fung für den Interessenten gleichbleiben, ergeben sich für diesen auch keine Vor- oder Nachteile. Um dem Leser im konkreten Lagebericht die Differenzierung zwischen den verschiedenen Prüfungsintensitäten und die Verständlichkeit zu erleichtern und im Einzelfall den allgemeinen Berichterstattungsgrundsätzen zu entsprechen, empfiehlt es sich jedoch, sich bei der vollintegrierten Erklärung weitestgehend an der Erklärung als separaten Bestandteil zu orientieren. Dem Interessenten sollte – der Verständlichkeit halber – eine Übersicht geboten werden,86 an welcher Stelle sich nichtfinanzielle Informationen befinden. Nicht unbeachtet bleiben darf trotz der grundsätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten de lege lata, der vermehrte Aufwand für die Adressaten sowohl bei der vollintegrierten Berichterstattung als auch bei der Verweisungsmöglichkeit nach § 289b Abs. 1 S. 3 HGB und seinen entsprechenden Abwandlungen. Schließlich obliegt dem Unternehmen die Entscheidung, nach § 289b Abs. 3 HGB einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu erstellen. § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 HGB erweitert die konkrete Ausgestaltung des gesonderten nichtfinanziellen Berichts schließlich insoweit, als dass er zwei Weisen der öffentlichen Zugänglichmachung bietet. Der nichtfinanzielle Bericht ist entweder zeitgleich mit dem Lagebericht nach §§ 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a, 325 HGB oder gesondert höchstens vier Monate später auf der Internetseite nach § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b HGB der Öffentlichkeit bekannt zu machen. In der Erklärungsart unterscheiden sich diese beiden (Veröffentlichungs-) bzw. im übertragenen Sinne Darstellungsweisen jedoch nicht, weshalb insgesamt von drei Berichtsmöglichkeiten gesprochen werden kann: die im Lagebericht vollintegrierte nichtfinanzielle Erklärung, die im Lagebericht als gesonderter Abschnitt ausgestaltete nichtfinanzielle Erklärung sowie letztlich der gesonderte nichtfinanzielle Bericht.
C. Veröffentlichungszeitpunkt Durch die Veröffentlichung der Erklärung nimmt die Öffentlichkeit von der CSRBerichterstattung Kenntnis.87 Als Bestandteil des Lageberichtes muss die nichtfinanzielle Erklärung gemeinsam mit dem Lagebericht gemäß § 325 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB publiziert werden. Hat sich das berichtspflichtige Unternehmen dazu entschieden, die Erklärung als gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu veröffentlichen, kann dieser nach §§ 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a, 325 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB gemeinsam mit dem Lagebericht oder nach § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b HGB auf der eigenen Internetseite des Unternehmens spätestens vier Monate nach dem Abschlussstichtag und mindestens für zehn Jahre veröffentlicht werden, sofern der Lagebericht auf diese Veröffentlichung unter Angabe der Internetseite Bezug nimmt. 86 87
So auch Kajüter, IRZ 2016, 512; Holzmeier/Burth/Hachmeister, IRZ 2017, 215, 219. Seibt, DB 2016, 2707, 2708.
§ 6 Inhaltliche Anforderungen nach §§ 289b ff. HGB
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Demgemäß kann also auch eine vom Lagebericht im begrenzten Maße losgelöste Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange stattfinden.
§ 6 Inhaltliche Anforderungen an die nichtfinanzielle Erklärung nach §§ 289b ff. HGB Ausgangsnorm der inhaltlichen Anforderungen an die nichtfinanzielle Erklärung ist § 289c HGB. Entsprechendes gilt über §§ 315c Abs. 1, 289c HGB für die nichtfinanzielle Konzernerklärung sowie über §§ 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 1, 289c HGB für den gesonderten nichtfinanziellen Bericht. § 289c HGB beschreibt dabei die Mindestanforderungen der nichtfinanziellen Erklärung. Ergänzt werden diese um die Verwendung von Rahmenwerken nach § 289d HGB und das Weglassen nachteiliger Angaben nach § 289e HGB. Entsprechend der inhaltlichen Mindestanforderungen sind diese nach § 315c Abs. 3 HGB auf die nichtfinanzielle Konzernerklärung wie auch nach § 289b Abs. 3 S. 2 HGB auf den gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu übertragen. In den folgenden Ausführungen wird daher der Verständlichkeit halber nur noch von der nichtfinanziellen Erklärung gesprochen. Soweit nicht explizit erwähnt, können die gewonnenen Erkenntnisse entsprechend auf den gesonderten nichtfinanziellen Bericht und die nichtfinanzielle Konzernerklärung übertragen werden. Darüber hinausgehende Erläuterungen zur Berichtspflicht im Konzern erfolgen an späterer Stelle.88
A. Inhaltliche Mindestanforderungen nach § 289c HGB Wie bereits erwähnt bestimmt sich der Mindestinhalt der nichtfinanziellen Erklärung nach § 289c HGB. Neben einer kurzen Geschäftsmodellbeschreibung nach § 289c Abs. 1 HGB muss das berichtspflichtige Unternehmen seine nichtfinanzielle Erklärung mindestens auf die fünf in § 289c Abs. 2 HGB ausdrücklich benannten CSR-Aspekte beziehen. Welche konkreten Einzelangaben zu den Aspekten gemacht werden müssen, definieren § 289c Abs. 3 HGB und § 289c Abs. 4 HGB. Diese inhaltlichen Anforderungen sollen im Folgenden genauer betrachtet werden.
I. Beschreibung des Geschäftsmodells Einleitend muss jedes berichtspflichtige Unternehmen nach § 289c Abs. 1 HGB sein Geschäftsmodell „kurz beschreiben“. Anzusprechen sind dabei die grundle88
Siehe S. 89 ff.
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genden Merkmale des Unternehmens, wie etwa der konkrete Geschäftsgegenstand, die organisatorische Struktur der Gesellschaft, Segmente sowie Standorte des Unternehmens, seine Produkte oder seine Absatzmärkte.89 Obwohl die entsprechenden Angaben in der Unternehmenspraxis bereits bei der Analyse und Beurteilung des Geschäftsverlaufs und der wirtschaftlichen Lage nach § 289 Abs. 1 S. 1 HGB regelmäßig gemacht werden,90 ist eine vollständige Verlagerung der bereits betriebenen Geschäftsmodellbeschreibung des § 289 Abs. 1 S. 1 HGB in die nichtfinanzielle Berichterstattung nach § 289b Abs. 1 HGB zu verneinen. Dies liegt vorwiegend an dem Umstand, dass die jeweiligen Erklärungen aufgrund ihrer unterschiedlichen Handhabung in der Lageberichtsprüfung durch den Abschlussprüfer verschiedenen Prüfungsintensitäten ausgesetzt sind. Im Gegensatz zur Geschäftsanalyse nach § 289 Abs. 1 S. 1 HGB unterliegt die CSR-Berichterstattung nämlich keiner gesetzlichen, inhaltlichen Pflichtprüfung durch den Abschlussprüfer (§ 317 Abs. 2 S. 4 HGB).91 Eine vollständige Verlagerung der Geschäftsmodellbeschreibung in die CSR-Berichterstattung wäre unmittelbar mit einer Veränderung der angelegten Prüfungsintensität verbunden. Eine alternative „entgegengesetzte“ Verlagerung der Geschäftsmodellbeschreibung aus § 289c Abs. 1 HGB in die längst angewandte allgemeine Analyse nach § 289 Abs. 1 HGB widerspräche schon dem eindeutigen Wortlaut des § 289c Abs. 1 HGB („In der nichtfinanziellen Erklärung im Sinne des § 289b HGB ist […] zu beschreiben“).92 So müssen die berichtspflichtigen Unternehmen regelmäßig doppelt – einmal in Bezug auf die Geschäftsanalyse, ein andermal auf die nichtfinanzielle Berichterstattung – ihr Geschäftsmodell „kurz beschreiben“.
II. Reichweite der nichtfinanziellen Erklärung Verdinglicht wird der Gegenstand der eigentlichen CSR-Berichterstattung durch § 289c Abs. 2 HGB, indem er die in der nichtfinanziellen Erklärung vorgesehenen Aspekte aufzählt, auf die sich die Berichterstattung mindestens beziehen muss. 1. Benannte Belange nach § 289c Abs. 2 Nr. 1 – 5 HGB Im Einzelnen angesprochen werden hierbei Umweltbelange (Nr. 1), Arbeitnehmerbelange (Nr. 2), Sozialbelange (Nr. 3), die Achtung der Menschenrechte 89
Beckmann, in: BeckOK HGB, § 289c Rn. 1. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 47; Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 16. 91 Siehe dazu S. 116 ff. 92 Siehe dazu auch Kumm/Woodtli, DK, 2016, 218, 220; Seibt, DB 2016, 2707, 2711. 90
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(Nr. 4) sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung (Nr. 5). Die Reihenfolge hat dabei keine Bedeutung.93 Diese Aspekte bilden den zentralen Bezugspunkt für sämtliche weitere Angaben,94 die in § 289c Abs. 3 HGB genauer festgelegt werden.95 Den Aspekten folgt in ihrer Benennung in § 289c Abs. 2 Nr. 1 – 5 HGB eine Beschreibung möglicher Themen, die Inhalt der jeweiligen konkreten Auseinandersetzung im Rahmen der nichtfinanziellen Erklärung sein können. § 289c Abs. 2 Nr. 1 HGB gibt etwa Umweltbelange einleitend als zwingenden Belang für eine Auseinandersetzung im Rahmen der nichtfinanziellen Erklärung vor und beschreibt im Folgenden beispielhaft Themenbereiche wie Treibhausgasemissionen, den Wasserverbrauch, die Luftverschmutzung etc., um hinsichtlich der tatsächlichen Berichtsinhalte Orientierung zu geben. Zwingend sind diese Themenbereiche – auch Sachverhalte96 genannt – nicht in die Erklärung aufzunehmen,97 da zur Lageberichterstattung im HGB grundsätzlich nur prinzipienorientierte Vorgaben gemacht werden sollen.98 So bieten sie nur Beispiele dafür, welche Berichtsfelder aus der Perspektive der Allgemeinheit in Bezug auf einen bestimmten Aspekt wesentlich sein können.99 Es handelt sich bei den Themen um eine beispielhafte, anwendungsoffene Konturierung der prinzipiell berichtspflichtigen nichtfinanziellen Aspekte.100 Vielmehr ist also danach zu fragen, welche Themenbehandlung angebracht ist,101 welche Themen für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft sowie der Auswirkungen der Tätigkeit des berichtspflichten Unternehmen auf die Aspekte erforderlich (wesentlich im Sinne des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB) sind. Hierbei ist folgend der Gesetzesmaterialien zu § 289c HGB das Wesentlichkeitserfordernis aus § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB, das sich begrifflich ausdrücklich auf Angaben und nicht auf Themen bezieht, entsprechend auf diese zu übertragen. Denn die Kapitalgesellschaft hat auch in Bezug auf § 289c Abs. 2 HGB „in jedem Fall die in § 289c Absatz 3 bis Absatz 4 HGB-E geregelten Vorgaben zu beachten und sollte stets bestimmen, was für ihr Geschäftsmodell wesentlich ist.“102
93
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 47. Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 20. 95 Siehe S. 69 ff. 96 Unter anderem Kajüter, DB 2017, 617, 622; Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 25. 97 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 47; Klene, WM 2018, 308, 310. 98 Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 221. 99 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 47; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289c Rn. 3. 100 Seibt, DB 2016, 2707, 2711. 101 Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 221. 102 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 47. 94
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Umfangreichere Ausführungen zu diesem Wesentlichkeitserfordernis erfolgen im Rahmen dieser Arbeit zu späterer Stelle.103 An diesem Punkt sei lediglich darauf hingewiesen, dass sich das berichtspflichtige Unternehmen in entsprechender Anwendung des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB nur mit wesentlichen, also für das Verständnis von seiner Lage und Entwicklung, wie auch für das Verständnis der Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit erforderlichen Themen, auseinanderzusetzen hat. 2. Unbenannte CSR-Belange Neben den benannten Aspekten, welche von der nichtfinanziellen Erklärung jedenfalls vollständig abgedeckt werden müssen,104 könnte die Reichweite der Berichtspflicht auch auf weitere unbenannte Aspekte ausgedehnt sein. a) Erweiterung auf unbenannte CSR-Belange Eine Erweiterung der benannten Aspekte um unbenannte CSR-Belange ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzestext des § 289c Abs. 2 HGB, da der Wortlaut weder ausdrückliche Angaben dazu macht, noch eindeutig als Generalnorm – wie es beispielsweise bei § 289 Abs. 3 HGB der Fall ist – identifiziert werden kann. Dennoch sprechen wesentliche Gründe für eine Ausweitung der Aspekte der nichtfinanziellen Erklärung um „unbenannte CSR-Belange“. In der Tat kann dem Wortlaut des § 289c Abs. 2 HGB zwar nicht unmittelbar, jedenfalls aber mittelbar die Möglichkeit der Berichtspflicht über unbenannte CSRBelange entnommen werden. Denn die Vorgabe, dass sich die nichtfinanzielle Erklärung „zumindest“ – also geringstenfalls – auf die benannten Aspekte beziehen muss, lässt im Umkehrschluss weitere berichtspflichtige Aspekte zu. Außerdem bezeichnet die amtliche Überschrift des § 289c HGB diese Aspekte selbst nur als „Mindestvorgaben“. Wäre eine weitergehende Berichterstattung unbeabsichtigt, wäre sowohl der Zusatz als auch die Bezeichnung als „Mindestvorgaben“ entbehrlich gewesen. Des Weiteren entspricht dieses weite Verständnis der Regelung auch dem Ziel des Gesetzgebers, durch die nichtfinanzielle Erklärung Unternehmen dazu zu bewegen, ihre gesellschaftliche und ökologische Verantwortung zu erkennen und wahrzunehmen.105 Welche konkrete gesellschaftliche und ökologische Verantwortung jedes Unternehmen für sich tatsächlich trägt, kann nicht pauschal anhand einer „Checkliste“ beantwortet werden.106 Das hängt vielmehr von dessen jeweiligem Unter103 104 105 106
Siehe S. 69 ff. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 47. Siehe dazu S. 43 f. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 53.
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nehmenszuschnitt und tatsächlichen Geschäftsmodell ab. Die § 289c Abs. 2 Nr. 1 – 5 HGB geben jedenfalls solche Aspekte vor, die gewiss – unabhängig vom konkreten Geschäftsmodell – aus allgemeiner Perspektive von hohem allgemeinem Interesse sind. Weitere, unternehmensindividuell zu bestimmende Belange können ferner aufgrund der Besonderheiten des jeweiligen Geschäftsmodells bestehen. Diese Thematik soll an dem im Gesetzgebungsprozess diskutierten Aspekt der „Kundenbelange“ veranschaulicht werden. Dieser Aspekt hätte anfänglich nach dem BMJV-Konzeptpapier in den Mindestkatalog mitaufgenommen werden sollen. Neben Umweltbelangen, Sozialbelangen oder Arbeitnehmerbelangen hätten damit „Belange von Verbraucherinnen und Verbrauchern als Vertragspartner der Kapitalgesellschaft, insbesondere, wenn angebracht, Angaben zum Schutz der personenbezogenen Daten von Verbraucherinnen und Verbrauchern, zur Verbraucherbetreuung und -information oder zum Beschwerdemanagement“ in den Mindestkatalog der CSR-Belange aufgenommen werden sollen. Im Laufe des Gesetzgebungsprozesses wurde auf dessen Aufnahme dennoch verzichtet.107 Ist dieser vonseiten des BMJV im Konzeptpapier zum CSR-RUG noch als berichtserforderlich bewertet worden, wurde davon bereits im Referentenentwurf wieder Abstand genommen. Nichtsdestotrotz könnte sich hinsichtlich eines konkreten Unternehmenszuschnitts dennoch ein dahingehendes Bedürfnis der Informationsvermittlung ergeben. Solchen weiteren Aspekten, wie zum Beispiel der Datensicherheit oder dem Datenschutz, darf, nicht zuletzt aufgrund ihrer vordringlichen Relevanz, nicht durch ein zu enges Verständnis des § 289c Abs. 2 HGB der Weg zu einer eigentlich erforderlichen Informationsvermittlung abgeschnitten werden. Folglich ist festzustellen, dass § 289c Abs. 2 HGB keine abschließende Wirkung unterstellt werden kann. Sowohl der Wortlaut als auch der Telos und eine folgenorientierte Sichtweise lassen die entsprechende Anwendung des § 289c Abs. 2 HGB auf sonstige CSR-Belange zu.108 Das berichtspflichtige Unternehmen muss sich nach § 289c Abs. 2 HGB also neben den aus Sicht des Gesetzgebers generell relevanten und benannten Aspekten auch mit solchen Belangen auseinandersetzen, die aufgrund der Besonderheit ihres jeweiligen Geschäftsmodells konkret relevant sind. Die Bestimmung jener unbenannten Belange hat unternehmensindividuell zu erfolgen. b) Unternehmensindividuelle Bestimmung Unter welchen qualifizierenden Voraussetzungen wandelt sich nun aber ein sonstiger nichtfinanzieller Belang zu einem berichtspflichtigen unbenannten CSRAspekt nach § 289c Abs. 2 HGB? 107
Seibt, DB 2016, 2709, 2711. So auch Kajüter, DB 2017, 620; Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 21. 108
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Um dies zu beantworten gilt es, sich an den ausdrücklich von § 289c Abs. 2 HGB benannten Aspekten zu orientieren. Wesentliches Merkmal aller fünf benannten Aspekte ist, dass es sich in erster Linie um Belange des Umweltschutzes sowie der sozialen Gerechtigkeit handelt. Diese Belange sind in der Regel für die Allgemeinheit aufgrund bereits bestehender oder potenziell für den Einzelnen spürbarer negativer Auswirkungen und der daraus resultierenden Sensibilisierung von besonderem Interesse. Gleichzeitig handelt es sich bei all jenen benannten Aspekten um solche Belange, die von Unternehmen aufgrund ihrer Unternehmenstätigkeit grundsätzlich berührt werden können. Sie stehen in enger Relation mit dem Geschäftsmodell und der Geschäftstätigkeit des Unternehmens – somit auch mit den Geschäftsentscheidungen – und sind daher beeinflussbar. Diese beiden beschriebenen Komponenten, die Auswirkungen der Belange auf die Gesellschaft (1), wie auch die Beeinflussbarkeit aufgrund der Geschäftstätigkeit des Unternehmens (2) finden sich im Grunde im darauffolgenden Absatz der Regelung wieder. Nach § 289c Abs. 3 HGB sind zu den Aspekten nur solche Angaben „zu machen, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft [1] sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die […] Aspekte [2] erforderlich sind“. Bezüglich der konkreten Angaben nach § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB, die in der nichtfinanziellen Erklärung zu erfolgen haben, gilt ein Wesentlichkeitsgrundsatz.109 Obwohl sich dieser Grundsatz dem Wortlaut nach explizit nur auf die Angaben zu den jeweiligen Aspekten nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 – 6 HGB bezieht, bietet sich eine positive Übertragung des dahinterstehenden Gedankens auf die unternehmensindividuelle Bestimmung der unbenannten CSR-Belange nicht zuletzt wegen der offensichtlichen Parallelen an. Die Wesentlichkeitsformel macht das Bedürfnis nach gewissen Angaben zu den jeweiligen Aspekten maßgeblich davon abhängig, ob sie für das Unternehmen und die Allgemeinheit von Bedeutung sind. Gleiches muss auch für unbenannte Aspekte nach § 289c Abs. 2 HGB gelten. Der Annahme, dass diese Wesentlichkeitsüberlegung trotz des anderslautenden Wortlauts nicht ausschließlich im Rahmen des § 289c Abs. 3 HGB zur Anwendung kommt, verleiht außerdem die Erläuterung der Bundesregierung im Gesetzesentwurf zur nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB Nachdruck. So stellt diese in ihren Erwägungen zu § 289c Abs. 2 HGB-E fest, dass die berichtspflichtige Gesellschaft jedenfalls in Bezug auf die konkretisierenden Beispiele (§ 289c Abs. 2 HGB) zu den Aspekten nach Abs. 2 stets bestimmen sollte, was für ihr Geschäftsmodell wesentlich ist.110 Dabei stellt der Gesetzgeber trotz des vermeintlich eindeutigen Wortlauts des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB diesen ausdrücklich selbst in den 109 110
Siehe dazu genauer S. 74. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 47.
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Kontext mit der restlichen Regelung: „[Sie] hat in jedem Fall die in § 289c Absatz 3 bis 4 HGB-E geregelten Vorgaben zu beachten.“ Anschließend betont er, dass es in der gesamten nichtfinanziellen Berichterstattung auf das konkrete Unternehmen ankomme, und daher der Wesentlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gälte.111 Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass ausweislich der Begründung zum Regierungsentwurf für die gesamte nichtfinanzielle Erklärung der Grundsatz prinzipienorientierter Vorgaben zur Berichterstattung gilt.112 Daher spricht nichts gegen die grundsätzliche Erwägung, das Wesentlichkeitserfordernis nach § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB auf die positive Bestimmung unbenannter Aspekte nach § 289b Abs. 2 HGB zu übertragen, solange dies widerspruchsfrei zum Sinn und Zweck der Regelung steht. Sofern aufgrund seiner unternehmensindividuellen Besonderheit weitergehende Aspekte in Anlehnung an § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses oder der Lage des Unternehmens wesentlich sind,113 müssen die aufgezählten Aspekte unternehmensindividuell um diese unbenannten CSR-Belange ergänzt werden.114 c) Erweiterung der Berichtspflicht auf wesentliche unbenannte CSR-Belange Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass neben den in § 289c Abs. 2 Nr. 1 – 5 HGB benannten Aspekten Unternehmen auch hinsichtlich unbenannter Aspekte nach § 289c Abs. 2 HGB der Berichtsplicht unterliegen, wenn diese entsprechend § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses oder der Lage ihres Unternehmens wesentlich sind.
III. Konkrete Angaben zu den Aspekten Dreh- und Angelpunkt für die konkrete Ausgestaltung jeder nichtfinanziellen Erklärung ist schließlich § 289c Abs. 3 HGB. Zum einen hat § 289c Abs. 3 HGB für den Erklärungsgehalt eine einschränkende Wirkung, indem er eine tatsächliche Berichterstattung nur über „diejenigen Angaben [fordert], die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die in Absatz 2 genannten Aspekte erforderlich sind“. 111
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 47. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 53. 113 Siehe dazu S. 74. 114 Blöink/Halbleib, DK 2017, 182, 186; Kajüter, DB 2017, 617, 620; Störk/Schäfer/ Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 21; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 764. 112
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Zum anderen legt er in § 289c Abs. 3 Nr. 1 – 6 HGB die Einzelangaben fest, die mindestens jeweils zu jedem als wesentlich identifizierten Aspekt zu machen bzw. zu hinterfragen sind. Er reduziert die CSR-Berichterstattung in der Lageberichterstattung auf das Wesentliche über CSR und konkretisiert anhand einer „Rahmenberichterstattung“ die weiteren Einzelangaben dazu.
1. Wesentlichkeitsgrundsatz nach § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB schränkt die CSR-Berichtspflicht des Unternehmens einleitend insoweit ein, als dass zu den einzelnen Aspekten nur solche Angaben gemacht werden müssen, „die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeiten erforderlich sind“. Der Begriff der Erforderlichkeit in § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB wurde wörtlich aus der CSR-Richtlinie übernommen. Zwar stimmt er nicht mit der Begrifflichkeit des § 289 Abs. 3 HGB („von Bedeutung“) überein, bezieht sich im Grunde aber auf das Gleiche, auf die Wesentlichkeit der Angaben. In Abkehr vom Wesentlichkeitserfordernis aus § 289 Abs. 3 HGB, das sich nur auf das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses und der Lage der Kapitalgesellschaft bezieht, erweitert § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB die Wesentlichkeit um das Verständnis der Auswirkungen der Tätigkeit des berichtspflichtigen Unternehmens auf die CSRAspekte. So entsteht eine zweistufige Wesentlichkeitsprüfung, die sich zum einen auf das Verständnis des Geschäftsverlaufs, -ergebnisses und der Lage der Gesellschaft bezieht, zum anderen aber auch auf das Verständnis der Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die CSR-Belange. Nur wenn die Wesentlichkeit in Bezug auf alle Voraussetzungen („sowie“) kumulativ vorliegt, sind die Angaben berichtspflichtig.115 Insoweit rügt Hennrichs eine von zwei Auslegungsfragen, die er sich in Bezug auf § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB stellt. Dem Begriff „sowie“ in § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB könne nämlich kein eindeutiger Erklärungsgehalt zugesprochen werden. Es spräche besonders eine objektiv-teleologische Auslegung im Sinne der CSR-Richtlinie sowie die Reichweite nationaler und internationaler Rahmenwerke, deren Verwendung nach § 289d HGB unterstützt wird,116 gegen das Bedürfnis des kumulativen Vorliegens der in § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB genannten Voraussetzungen. Im Ergebnis sei diese Auslegungsfrage jedoch von nur überschaubarer praktischer Relevanz, da die verschiedenen Auswirkungen meist in einem wechselseitigen Verhältnis stünden.117 Trotz der laut Hennrichs festgestellten, marginalen Relevanz in der Praxis soll an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass sowohl der gewählte Wortlaut als auch die 115 116 117
Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 31. Siehe S. 82. Hennrichs, ZGR 2018, 206, 214; so auch RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 49.
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nationalen Gesetzesmaterialien kaum Spielraum für eine derartige Auslegung bieten. So wird „sowie“ in der Gesetzesbegründung ausdrücklich mit „zugleich“ gleichgesetzt,118 was eine alternative Erforderlichkeit ausdrücklich ausschließt. Darüber hinaus wird in den Gesetzesmaterialien zu § 289c Abs. 3 HGB explizit auf den gewünschten Gleichlauf, also die Parallelen zwischen der Wesentlichkeitsformel des § 289 Abs. 3 HGB und der des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB eingegangen. Relevantes Merkmal des bereits bekannten Wesentlichkeitsvorbehalts aus § 289 Abs. 3 HGB ist jedoch, dass die Informationen jedenfalls maßgeblich für das Verständnis des Geschäftsverlaufs und der Lage des Unternehmens sein müssen.119 Der Gleichlauf der beiden Wesentlichkeitsvorbehalte wäre verhindert, würde man eine alleinige Relevanz der Auswirkungen der Tätigkeit des berichtspflichtigen Unternehmens auf die Aspekte als Wesentlichkeitserfordernis ausreichen lassen. In diesem Fall ließen sich mit dem Erforderlichkeitskriterium aus § 289 Abs. 3 HGB keinerlei Überschneidungen mehr feststellen, ein Gleichlauf läge dann nicht mehr vor. In der Konsequenz sprechen die Gesetzgebungsmaterialien eindeutig für das Erfordernis der kumulativen Wesentlichkeit. Der eindeutige Wortlaut des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB wie auch der Gesetzesmaterialien lassen demnach keine andere Interpretation zu. Aufgrund der Einbettung der CSR-Berichterstattung in die Lageberichterstattung des Unternehmens ist die kumulative Erforderlichkeit auch sinnvoll. Die Lageberichterstattung verfolgt nämlich gerade den Zweck, die maßgeblichen Adressaten des Unternehmens über die tatsächliche Lage der Gesellschaft zu informieren.120 Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Lageberichterstattung ohne Bezug zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens wäre daher verfehlt.121 Zum momentanen Stand müssen nach § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB alle Angaben sowohl für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft als auch für das Verständnis der Auswirkungen ihrer Tätigkeit erforderlich sein.122
118
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 48 f. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz – BilReG) v. 24. 06. 2004, BT-Drucksache 15/3419, S. 31; Grottel, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 315 Rn. 205 (hier in Bezug auf den Inhalt des Konzernlageberichts, aber ausdrücklicher Verweis desselben in § 289 Rn. 115); Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 222. 120 Grottel, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289 Rn. 7; Lange, in: MünchKommHGB, § 289 Rn. 4 ff. 121 Vgl. auch Seibt, DB 2016, 2709, 2711, der davon spricht, dass eine Berichtspflicht über CSR-Belange ohne hinreichend konkreten Bezug zur Geschäftstätigkeit und Unternehmenslage nicht besteht; Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 222. 122 Andere Ansicht dazu: Humbert, ZGR 2018, 295, 312 f., die „sowie“ mit „als auch“ gleichsetzt und so von einer alternativen Erforderlichkeit ausgeht. 119
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Angaben, die ausschließlich für das Verständnis der Auswirkungen auf die Belange oder ausschließlich für die Geschäftstätigkeit erforderlich wären, sind daher nicht berichtspflichtig. Diese Erkenntnis soll anhand eines Beispiels veranschaulicht werden. Beispielhaft herangezogen wird dazu der Aspekt der Umweltbelange (Nr. 1). An den angebotenen Sachverhalten orientiert hat das hypothetische Unternehmen einen erheblichen Wasserverbrauch. Auskunftspflichtig hinsichtlich dieses Wasserverbrauchs (dabei kann es sich beispielsweise um Informationen zum Wasserverbrauch im Produktionshöchstbetrieb, während des Produktionsstillstandes oder zur Abdeckung der Personalversorgung handeln) ist es in Bezug auf solche Angaben, die sowohl für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft als auch für das Verständnis der Auswirkungen ihrer Tätigkeiten erforderlich sind. Erfüllen nun beispielsweise nur die Angaben zum Wasserverbrauch im Produktionshöchstbetrieb die doppelte Wesentlichkeitsschwelle, wären auch allein jene Informationen berichtspflichtig. Daraus ergibt sich im Vergleich zur Erklärung über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren nach § 289 HGB für die CSR-Berichterstattung vorerst ein geschmälerter Bereich der berichtspflichtigen Themen.123 Denn jener wird, dem gewählten Regelungsstandort geschuldet, über das zusätzliche Erfordernis der Auswirkungen auf die CSR-Belange weiter eingegrenzt. Ob unter Berücksichtigung dieses Ergebnisses der Regelungsstandort der Zielsetzung der CSR-Berichterstattung tatsächlich zweckdienlich ist oder de lege ferenda ein alternatives Modell vorzugswürdig wäre, soll zu einem späteren Zeitpunkt untersucht werden.124 2. Beurteilungsmaßstab und Bestimmbarkeit Hinsichtlich der Beurteilung und Bestimmung wesentlicher Informationen ergeben sich weitere offene Fragen.125 Wann ist nun eine Angabe im Sinne des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB erforderlich? Und aus welchem Horizont ist diese Wesentlichkeit zu beurteilen? a) Bestimmbarkeit Die Erforderlichkeit des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB entspricht trotz anderslautender Begrifflichkeit grundsätzlich den Voraussetzungen des § 289 Abs. 3 HGB, der eine Berichtspflicht innerhalb des Lageberichts für solche Informationen bestimmt, 123 124 125
Kajüter, DB 2017, 617, 620 f. Siehe S. 245 ff. Hennrichs, ZGR 2018, 206, 214 f.
§ 6 Inhaltliche Anforderungen nach §§ 289b ff. HGB
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die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage des Unternehmens von Bedeutung sind.126 Wegweisende Erkenntnisse aus § 289 Abs. 3 HGB können zunächst auf das Wesentlichkeitserfordernis in § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB übertragen werden. Aufgrund des Bedürfnisses, dass die Information zusätzlich für das Verständnis der Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf die nichtfinanziellen Belange erforderlich sein muss, sind diese Erkenntnisse jedoch entsprechend zu modifizieren. In einem ersten Schritt stellt sich die Frage, ob eine Information für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Ergebnisses und der Lage des Unternehmens erforderlich ist. Eine bilanzielle Erforderlichkeit von Angaben ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn eine Information unternehmensinterne Auswirkungen hat, das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses und die Lage des Unternehmens wesentlich beeinflussen kann.127 Das Gleiche gilt auch nach Art. 2 Nr. 16 der Bilanzrichtlinie, wonach der Ausdruck „wesentlich“ als Status von Informationen solche Angaben meint, bei welchen vernünftigerweise zu erwarten ist, dass ihre Auslassung oder fehlerhafte Angabe Entscheidungen beeinflusst, die Nutzer auf der Grundlage des Abschlusses des Unternehmens treffen. Dabei ist der Begriff der Lage des Unternehmens zukunftsgerichtet auszulegen und meint somit die voraussichtliche Unternehmensentwicklung.128 Im Beispiel des erheblichen Wasserverbrauchs ist in einem ersten Schritt zu fragen, ob vernünftigerweise zu erwarten ist, dass eine Auslassung oder fehlerhafte Angabe über den Wasserverbrauch im Produktionshöchstbetrieb Entscheidungen beeinflusst, die Nutzer auf der Grundlage des Abschlusses des Unternehmens treffen. Ist das der Fall, ist in einem zweiten Schritt zu untersuchen, ob diese Information mit „Beeinflussungspotenzial“ auch unternehmensexterne Auswirkungen auf einen nichtfinanziellen Belang hat. Hier bietet sich der Versuch an, das eben Gesagte in modifizierter Art zu übertragen. So stellt sich die Frage, ob der Wasserverbrauch im Produktionshöchstbetrieb außerdem spürbare Auswirkungen auf den Belang Umweltschutz hat, indem er beispielsweise in irreversibler Weise die Ressource „Wasser“ schmälert. Beeinflusst diese Angabe spürbar den Zustand des jeweils relevanten Belanges, ist auch diese Wesentlichkeitsschwelle erreicht. Die Information muss, um das Wesentlichkeitserfordernis nach § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB zu erfüllen, ein entsprechendes „Beeinflussungspotenzial“ in zweifacher Weise aufweisen. Ist vernünftigerweise zu erwarten, dass eine Auslassung oder fehlerhafte Angabe Entscheidungen, die Nutzer auf der Grundlage des Abschlusses des Unternehmens treffen, beeinflusst, handelt es sich bezüglich des Verständnisses von der Lage des Unternehmens um eine „wesentliche“ Information. Hinsichtlich 126
Siehe S. 70 ff. Morck/Drüen, in: Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, § 289 Rn. 7; Hennrichs, ZGR 2018, 206, 214. 128 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 51 („ihrer künftigen Geschäftstätigkeit“). 127
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der Auswirkungen auf die Belange ist zu untersuchen, ob die Angabe als Einwirkungsindikator auf die relevanten Belange fungiert. Ist dies ebenfalls zu bejahen, ist die Information von Bedeutung und somit erforderlich im Sinne des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB. b) Beurteilungsmaßstab Da die nichtfinanzielle Erklärung neben der Vervollständigung der Lageberichterstattung auch der Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik und der Allgemeinheit als Informationsbasis dienen soll, ist eine Beurteilung allein aus Sicht der Geschäftsleitung nicht zweckdienlich. Der Fokus der Lageberichterstattung verschiebt sich im Rahmen der CSR-Berichterstattung verstärkt auf die Informationsbedürfnisse der Aktionäre und der allgemeinen Öffentlichkeit.129 Die Bewertung, ob es sich um eine erforderliche Information handelt, muss aus der Sicht aller maßgeblichen Stakeholder erfolgen.130 Neben Anteilseignern erweitert sich der Adressatenkreis ausdrücklich um Lieferanten, Geschäftspartner, Mitarbeiter und Kunden. Eine Bevorzugung anderer Interessengruppen über die Interessen der eigenen Anteilseigner findet dabei jedoch nicht statt.131 Um dieser Entwicklung auch bei der Bestimmung der Wesentlichkeit gerecht zu werden, ist für die Bewertung ein doppelter Beurteilungsmaßstab anzulegen. So hat die Geschäftsleitung aufgrund der Einbettung in die Lageberichterstattung zum einen in Bezug auf ihre konkrete Geschäftstätigkeit, zum anderen unter Anlegung der begründeten Erwartungen eines rationalen Stakeholders zu untersuchen,132 ob Angaben für das Verständnis wesentlich sind. 3. Einzelangaben nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 – 6 HGB Darüber hinaus sind nach Qualifizierung eines Belangs als wesentlicher Aspekt Einzelangaben, also konkrete Fragen in Bezug auf die berichtspflichtigen, nichtfinanziellen Aspekte anzusprechen. Welche das tatsächlich sind, wird in § 289c Abs. 3 Nr. 1 – 6 HGB umfangreich beschrieben. Dabei gilt es, bei Vorliegen mehrerer wesentlicher Aspekte auf diese Fragen nicht pauschal, sondern für jeden in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekt einzeln zu antworten. Die Reihenfolge der Angaben ist dabei nicht zwingend und kann durchaus abhängig von der konkreten Berichterstattung verändert werden.133
129 Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 3; RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 47. 130 Seibt, DB 2016, 2709, 2711. 131 Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 3. 132 Seibt, DB 2016, 2707, 2711. 133 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 48.
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a) Verfolgte Konzepte einschließlich der Due-Diligence-Prozesse Gemäß § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB hat das berichtspflichtige Unternehmen eine Beschreibung seiner bestehenden verfolgten Konzepte anzugeben. Darunter sind Erläuterungen zu den Zielen, Maßnahmen und der Zeitraum, in welchem es diese treffen will, zu verstehen.134 Außerdem soll beschrieben werden, wie die Unternehmensführung in diese Maßnahmen eingebunden ist und welche Prozesse, einschließlich der bereits eingerichteten Due-Diligence-Prozesse,135 sie durchführen will.136 Mit der Darstellung der angewandten Due-Diligence-Prozesse sollen die Verfahren beschrieben werden, die für die Identifizierung und Erfüllung von Sorgfaltspflichten eingesetzt werden, insbesondere wie mögliche Risiken für einzelne CSR-Aspekte bzw. Sachverhalte ermittelt und Maßnahmen zu deren Eindämmung oder Beseitigung festgelegt werden.137 Unternehmensindividuell ist außerdem zu bestimmen, ob das Geschäftsmodell eine Bezugnahme auf die Lieferkette erfordert.138 Dies ist der Fall, wenn es hinsichtlich seiner Produkte oder Dienstleistungen wesentlich von einer Lieferkette abhängt. Dann hat es zum einen darzustellen, bis zu welcher Tiefe der Lieferkette nichtfinanzielle Informationen adressiert werden.139 Zum anderen, wenn dies von Bedeutung und verhältnismäßig140 ist, hat es auch wesentliche Angaben zu DueDiligence-Prozessen, welche das Unternehmen in Bezug auf seine Lieferkette und seine Kette von Subunternehmern anwendet, zu machen.141 Im Sinne der Vergleichbarkeit soll ferner über die Einbindung der Unternehmensleitung und weiterer Interessenträger in die Wahrnehmung der Unternehmensverantwortung berichtet werden, da eine eigene Verantwortung der Mitglieder der Leitungs-, Verwaltungs- und Aufsichtsorgane für die Erfüllung der nichtfinanziellen Berichtspflicht beabsichtigt ist.142 Freilich muss auch im Rahmen der Konzeptbeschreibung auf die Grundsätze der Lageberichterstattung geachtet und daher verdeutlicht werden, auf welchen Aspekt bzw. auf welchen Themenbereich sich das Konzept bezieht. Soweit die Berichter-
134
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 49. Gemeint sind Verfahren, mit denen die Kapitalgesellschaft Sorgfaltspflichten und -obliegenheiten identifiziert und erfüllt (RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 49 f.). 136 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 49 f. 137 DRS 20.B.71 idF DRÄS 8. 138 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 49. 139 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 49. 140 Die Verhältnismäßigkeit ist dann zu bejahen, wenn Kosten-Nutzen-Überlegungen für die Beurteilung relevant sein können (DRS 20.B.73 idF DRÄS 8). 141 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 49 f. 142 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 49. 135
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stattung klar und übersichtlich bleibt, ist auch eine zusammenhängende Darstellung der Themenbereiche oder eine Verweisung möglich.143 Zusätzlich kann es im Sinne der Klarheit der Berichterstattung unter Umständen sachgerecht sein, die Berichterstattung zu disaggregieren und statt in Bezug auf den gesamten Aspekt (im Beispiel: Umweltbelange) eine Konzeptbeschreibung vorzunehmen, die sich nur auf ein bestimmtes Thema (im Beispiel: den Wasserverbrauch) bezieht.144 So kann ein einzelner Aspekt sehr verschiedenartige Themen (zum Beispiel neben dem Wasserverbrauch auch die Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energien) umfassen. Eine gebündelte Konzeptbeschreibung könnte dann zu Unübersichtlichkeiten führen und wäre der angemessenen Bereitstellung der Informationen eher hinderlich. b) Ergebnisse der Konzepte Neben den Konzepten selbst sind auch deren Ergebnisse darzustellen. Dabei handelt es sich um die feststellbaren Auswirkungen der angewandten Konzepte und die Frage, inwieweit die vorgegebenen Ziele, also der angestrebte Zustand in der Zukunft,145 erreicht wurden. Sind keine Auswirkungen festzustellen, ist auch das als Ergebnis zu berichten. Einer näheren Erläuterung bedarf es grundsätzlich nicht. Sie kann aber als Information für die Nutzer relevant und deshalb sinnvoll sein.146 c) Wesentliche Risiken der Geschäftstätigkeit Überdies ist nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB über die wesentlichen Risiken zu berichten, die sich aus der Geschäftstätigkeit des berichtspflichtigen Unternehmens für die nichtfinanziellen Aspekte ergeben können. Diese Risiken sind nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 dann wesentlich, wenn sie sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen hervorrufen können oder diese bereits hervorgerufen haben. So werden nicht alle Risiken für nichtfinanzielle Belange berichtspflichtig, sondern nur solche, die neben der Wesentlichkeitsprüfung nach § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB einer zweiten Wesentlichkeitskontrolle standhalten.147 Dementsprechend werden nur Risiken von einem gewissen Ausmaß für die CSR-Berichterstattung relevant. Da eine separate Risikodefinition für die nichtfinanzielle Berichterstattung nicht vorgenommen wurde, stellt sich die Frage, inwieweit der bereits vertraute Risikobegriff der Lageberichterstattung anzuwenden ist. Zwar finden die Grundsätze der 143
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 47 f.; DRS 20.B68, 20.B70 idF DRÄS 8. Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 26. 145 DRS 20.11 idF DRÄS 8; Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 44. 146 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 50. 147 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 49 f. 144
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Lageberichterstattung prinzipiell umfassend Anwendung, von einer allein bilanzrechtlichen (finanziellen) Bestimmung des Risikobegriffes kann an dieser Stelle jedoch nicht Gebrauch gemacht werden, obgleich sie jedenfalls als Anknüpfungspunkt dient. Der Begriff des rein bilanzrechtlichen Risikos wird als mögliche künftige Entwicklung definiert, die zu einer negativen Prognose- bzw. Zielabweichung [des Unternehmens] führen kann.148 Um dabei jedoch die unternehmensexternen Risiken nicht außer Acht zu lassen, ist diese Definition insoweit zu modifizieren, als dass auch die Erwartungen bzw. Prognosen sämtlicher Stakeholder miteinbezogen werden. Dies gelingt unter anderem dann, wenn die Geschäftsleitung mit ihren Stakeholdern in einen Dialog tritt und so ihre Erwartungen ermitteln und gegebenenfalls über negative Abweichungen berichten kann.149 Insoweit geht die Risikoberichterstattung des § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB über die allgemeine Risikoberichtspflicht nach § 289c Abs. 1 HGB hinaus.150 d) Wesentliche Risiken der Geschäftsbeziehungen, Produkte und Dienstleistungen Um die Lesbarkeit der Regelung zu verbessern, wurden die Angaben zu den wesentlichen Risiken, die mit den Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsbeziehungen des berichtspflichtigen Unternehmens verknüpft sind, aus § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB in eine eigene Nummer ausgegliedert.151 § 289c Abs. 3 Nr. 4 ist daher lex specialis zu § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB.152 Die Erläuterungen zu § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB hinsichtlich der Wesentlichkeit und zum Risikobegriff gelten dennoch entsprechend. Nach § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB sollen Angaben zu den wesentlichen Risiken, die in Zusammenhang mit Lieferketten und Ketten von Subunternehmern stehen, gemacht werden. Die Regelung soll dem breiten Interesse der Allgemeinheit an der Übernahme von Verantwortung durch Unternehmen für solche Risiken, die sie zwar nicht selbst bewusst setzen, aber durch ihre eigenen Produkte oder Dienstleistungen entstehen, gerecht werden. Gemeint sind damit im Besonderen Verletzungen anerkannter Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards in Drittstaaten durch Vertragspartner von berichtspflichtigen Unternehmen.153 148 DRS 20.11 idF DRÄS 8; Beckmann, in: Häublein/Hoffmann-Theinert, BeckOK HGB, § 289c Rn. 10. 149 Huter, WPg 2019, 603 ff. 150 Ausführlich zu Auslegungsfragen bezüglich des Risikobegriffs in der nichtfinanziellen Erklärung Huter, WPg 2019, 603 ff. 151 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 51. 152 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 50. 153 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 51.
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Berichtspflichtige Großunternehmen stehen naturgemäß nicht zuletzt mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) in Geschäftsbeziehungen (Lieferketten). Konsequenz daraus soll allerdings nicht sein, dass KMU in der Lieferkette oder der Kette von Subunternehmern übermäßiger Verwaltungsaufwand übertragen wird. Eine pauschale Weitergabe der Informationsbeschaffungspflicht an diese Unternehmen soll verhindert werden. Im Rahmen des § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB wird daher das Bedürfnis unterstrichen, dass für die Berichterstattung eine gewisse Relevanz der Information und eine verhältnismäßige Informationsbeschaffung notwendig ist. Vielmehr müssen die berichtspflichtigen Unternehmen selbst anhand einer Risiko- und Wesentlichkeitseinschätzung entscheiden, welche konkreten Informationen sie bis zu welcher Tiefe von ihren Geschäftspartnern verlangen und ob deren Beschaffung mit der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.154 Im Verhältnis stehen müssen beispielsweise die Kosten der Informationsbeschaffung (auch für den Lieferanten oder Subunternehmer) und der Informationsnutzen für den Interessenten.155 Nichtsdestotrotz hat das Berichtserfordernis nach § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB, Informationen über wesentliche Risiken der Geschäftsbeziehungen, Produkte und Dienstleistungen bereitstellen zu müssen, eine weiterreichende Wirkung. Obwohl offiziell nur die in den Anwendungsbereich der CSR-Berichterstattungspflicht fallenden Unternehmen direkt von der Abgabe einer nichtfinanziellen Berichterstattung betroffen sind, müssen die mit ihnen in Geschäftsbeziehungen stehenden Unternehmen, so auch KMU, etwaige Informationen bereitstellen. Dieser Einbezug der Liefer- und Dienstleistungsketten führt entscheidend zu einer faktischen Ausdehnung des Anwendungsbereichs.156 e) Bedeutsamste nichtfinanzielle Leistungsindikatoren Die nächste Einzelangabe weist deutliche Parallelen zur Analyse nichtfinanzieller Leistungsindikatoren nach § 289 Abs. 3 HGB auf. Danach müssen die Unternehmen bereits die bedeutsamsten ökologischen oder sozialen Leistungsindikatoren, wie Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange, in den Lagebericht miteinbeziehen, soweit sie für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind.157 § 289c Abs. 3 Nr. 5 HGB geht über diese Vorgabe jedoch hinaus und verlangt eine selbstständige Darstellung dieser Leistungsindikatoren im Rahmen der CSR-Berichterstattung.158 Welche Indikatoren relevant sind, wird vom jeweiligen Geschäftsmodell des Unternehmens bedingt („die für die Geschäftstätigkeit […] von Bedeutung sind“). 154
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 51; Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 289c Rn. 13. Kajüter, DB 2017, 617, 622. 156 Hennrichs, NZG 2017, 841, 842; Hennrichs, ZGR 2018, 206, 210; Mock, ZIP 2017, 1195, 1197; Klene, WM 2018, 308, 311; Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1283. 157 Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289 Rn. 3. 158 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 51. 155
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Sieht man dieses Erfordernis der Einzelangabe im Kontext mit der Gesamtlageberichterstattung, insbesondere auch mit der Berichterstattung über finanzielle Informationen, kann der dort geltende Maßstab auf die „nichtfinanzielle Bedeutsamkeit“ übertragen werden. Die bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren liegen regelmäßig dann vor, wenn Informationen als Leistungsindikatoren zur internen Steuerung des Unternehmens [Konzerns] herangezogen werden.159 Das sieht auch der Deutsche Rechnungslegungsstandard (DRS) des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (DRSC) so, das den Auftrag hat, Grundsätze für eine ordnungsmäßige [Konzern]Rechnungslegung zu entwickeln, den Gesetzgeber bei der Fortentwicklung der Rechnungslegung zu beraten, die Bundesrepublik Deutschland in internationalen Rechnungslegungsgremien zu vertreten und Interpretationen der internationalen Rechnungslegungsstandards im Sinne des § 315e Abs. 1 HGB zu erarbeiten, wenn es grundsätzlich eine parallele Gestaltung der Berichtsanforderungen an finanzielle und nichtfinanzielle Leistungsindikatoren vorsieht.160 f) Hinweise auf im Jahresabschluss ausgewiesene Beträge und Erläuterungen Um das Verständnis der nichtfinanziellen Erklärung im Zusammenhang mit dem Jahresabschluss zu verbessern, muss in dieser auf die im Jahresabschluss ausgewiesenen Beträge hingewiesen werden. Zudem müssen diese Beträge erläutert werden, indem der Zusammenhang zwischen den Inhalten der nichtfinanziellen Erklärung und dem Jahresabschluss erklärt wird.161 Eine Berichtspflicht besteht jedoch nur, soweit es für das Verständnis erforderlich, also angebracht, ist.162 g) Zusammenfassung Grundsätzlich ist festzuhalten, dass den berichtspflichtigen Unternehmen in § 289c Abs. 3 Nr. 1 – 6 HGB hinsichtlich der als wesentlich identifizierten Belange konkrete Fragen vorgegeben werden, die in der nichtfinanziellen Erklärung jedenfalls in Bezug auf den entsprechenden Aspekt zu beantworten sind. Dabei handelt es sich entweder um Angaben zur Beachtung bestimmter rechtlicher Vorgaben (beispielsweise Nr. 2 und Nr. 4), um Angaben zur Erreichung gewisser Werte (beispielsweise Nr. 1), um Angaben über das Realisieren gewisser Ziele (beispielsweise Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3), um Angaben über die dazu von dem Un-
159 160 161 162
Böcking/Gros/Wirth, in: EBJS, HGB, § 315 Rn. 19. DRS 20.102, 20.105 idF DRÄS 8; siehe hierzu auch Schall/Figlin, IRZ 2020, 129 ff. DRS 20.B86 idF DRÄS 8. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 52.
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ternehmen ergriffenen Maßnahmen oder um sonstige Angaben zur Erleichterung des Verständnisses (beispielsweise Nr. 6).163 Die jeweiligen Fragen unterfallen gegebenenfalls weiteren speziellen Bedeutungsvorbehalten, die hinsichtlich ihrer Voraussetzungen unterschiedlich ausfallen können, in ihren Grundzügen aber bereits aus der sonstigen Lageberichterstattung bekannt sind. Für § 289c Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 HGB sind nur die wesentlichen Risiken, für § 289c Abs. 3 Nr. 5 nur die bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren für die Berichterstattung relevant. Diese speziellen Vorbehalte sind Ausfluss der die Lageberichterstattung überschirmenden Grundsätze der Wesentlichkeit, Klarheit und Verhältnismäßigkeit. Trotz der prinzipiellen Übertragbarkeit dieser aus der reinen Finanzberichterstattung stammenden Prinzipien ist den hinsichtlich der nichtfinanziellen Berichterstattung geltenden Besonderheiten Rechnung zu tragen. Deshalb kann im Rahmen der CSR-Berichterstattung keine rein bilanzrechtliche Bewertung der Informationen stattfinden (so unter anderem keine rein bilanzrechtliche Bewertung des Risikobegriffs). Vielmehr müssen stets die Erwartungen der Stakeholder ermittelt und miteinbezogen werden. Ein gleiches Verständnis muss sich auch für die Angaben nach § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB ergeben.
IV. Comply or Explain nach § 289c Abs. 4 HGB Wird hinsichtlich eines Aspektes nach § 289c Abs. 2 HGB ein Konzept erstellt, muss das berichtspflichtige Unternehmen dieses, insbesondere dessen Ziele, Maßnahmen und den Zeitraum der Umsetzung in Bezug auf einen nichtfinanziellen Aspekt, beschreiben.164 Besteht kein Konzept, ist das Unternehmen verpflichtet, für jeden konzeptlosen Aspekt klar und begründet zu erläutern, warum dies der Fall ist. Der Comply or Explain-Ansatz wurde bereits im Rahmen der Corporate Governance-Erklärung nach § 161 AktG angewandt und für wirksam erachtet.165 § 289c Abs. 4 HGB unterscheidet sich von der Corporate Governance-Erklärung jedoch insoweit, als dass er streng genommen keine Empfehlung abgibt, ein Konzept zu verfolgen. Daher lässt sich darüber streiten, ob es sich bei § 289c Abs. 4 HGB auch
163
1198 f. 164 165
So bis auf die Angaben zur Erleichterung des Verständnisses Mock, ZIP 2017, 1195, Siehe S. 75. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 52.
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tatsächlich um einen Comply or Explain-Regelungsmechanismus handelt oder nicht.166 Im Ergebnis kann das jedoch dahinstehen, da diese Art der Berichterstattung jedenfalls mittelbar Unternehmen anhalten soll, ein Konzept zu verfolgen und einer Empfehlung kaum nachsteht. In Anbetracht dessen steht § 289c Abs. 4 HGB zumindest faktisch einem Comply or Explain-Mechanismus gleich.167 Konsequenz des § 289c Abs. 4 HGB für die nichtfinanzielle Erklärung gemäß § 289b ff. HGB ist, dass zu jedem Aspekt nach § 289c Abs. 2 HGB mindestens eine Erläuterung zu gegebenenfalls nicht bestehenden Konzepten erforderlich ist, auch wenn der Aspekt für das Unternehmen unwesentlich wäre.168 Ist ein Konzept für das Unternehmen aufgrund seines speziellen Geschäftsmodells, ergo seiner Bedeutungslosigkeit nicht angezeigt, reicht auch dies als Begründung aus. Der Comply or Explain-Ansatz bezieht sich nur auf das vollständige Fehlen eines Konzeptes und kann sich nicht auf das Fehlen gewisser Bestandteile beziehen.169 Er hat keinerlei Auswirkungen auf die übrigen Einzelangaben nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 – 6 HGB.
V. Anwendbarkeit der Anforderungen auf unbenannte Aspekte nach § 289c Abs. 2 HGB Neben den benannten Aspekten nach § 289c Abs. 2 Nr. 1 – 5 HGB können auch unbenannte Aspekte nach § 289c Abs. 2 HGB berichtspflichtig sein.170 Fraglich ist, welche Angaben das berichtspflichtige Unternehmen zu diesen Aspekten machen muss. Denn die Berichtsanforderungen nach § 289c Abs. 3 HGB und § 289c Abs. 4 HGB beziehen sich ausdrücklich nur auf „die in Absatz 2 genannten Aspekte“. Da unbenannte Aspekte dem Anwendungsbereich der Regelung nicht direkt unterfallen, stellt sich die Frage, ob diese Lücke durch eine analoge Anwendung des § 289c Abs. 3 HGB und § 289c Abs. 4 HGB geschlossen werden kann.
166 So annehmend Eufinger, EuZW 2015, 424, 426; Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 223; Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1284; a. A. Mock, ZIP 2017, 1195, 1196; Klene, WM 2018, 308, 310. 167 Klene, WM 2018, 308, 310. 168 Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 84; RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 52. 169 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 52; Blöink/Halbleib, DK 2017, 182, 188. 170 Siehe S. 66.
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Dafür muss zum einen der nicht geregelte Fall dem gesetzlich geregelten Sachverhalt ähneln. Zum anderen müsste eine planwidrige Regelungslücke vorliegen.171 Der gesetzlich geregelte Fall, benannte Aspekte (Abs. 2 Nr. 1 – 5) den weiteren Berichterstattungsanforderungen zu unterstellen, ist dem Fall, unbenannte Aspekte den gleichen Vorgaben zu unterwerfen, jedenfalls ähnlich. Denn sowohl § 289c Abs. 3 HGB als auch § 289c Abs. 4 HGB legen für die nichtfinanzielle Erklärung nach §§ 289b ff. HGB Angaben fest, die in Bezug auf im Sinne der CSR-Berichterstattung relevante Aspekte zu erfolgen haben. Diese berichtspflichtigen Angaben sollen in erster Linie einer einheitlichen und informativen CSR-Berichterstattung dienen. Wenn jedoch einem unbenannten Aspekt aufgrund seiner Wesentlichkeit für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses oder der Lage des Unternehmens eine gewisse Relevanz zuzusprechen ist, kann hinsichtlich des Informationsbedürfnisses für diesen Aspekt und dem Bedürfnis, die Berichterstattung zu vereinheitlichen, nichts anderes gelten als bei einem benannten Aspekt. Anderenfalls würde zwar festgestellt werden, dass aufgrund seiner Wesentlichkeit ein grundsätzliches Berichtserfordernis für den Aspekt besteht; Vorgaben, wie dieser Bericht zu erfolgen hat, würden jedoch nicht gemacht werden. Solch ein unbilliges Ergebnis wäre planwidrig und war vom Gesetzgeber so sicherlich nicht beabsichtigt, zumal er selbst den Anwendungsbereich der Lageberichterstattung für weitere unbenannte CSR-Belange eröffnet hat.172 Daher muss diese planwidrige Regelungslücke durch eine entsprechende Anwendung der § 289c Abs. 3 HGB und § 289c Abs. 4 HGB geschlossen werden. Überschreitet ein unbenannter Aspekt die Wesentlichkeitsschwelle des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB, unterliegt dieser analog zu den in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekten gänzlich den weiteren Berichtsanforderungen aus § 289c Abs. 2 Nr. 1 – 5 HGB.173
VI. Freiwillige Erweiterung Da zahlreiche Unternehmen bereits vor der gesetzlichen Regelung der CSRBerichterstattung eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung betrieben haben, stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit diese Unternehmenspraxis für Informationen, die nicht der Wesentlichkeitsschwelle des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB entsprachen, fortgeführt werden kann. Eine freiwillige unternehmensindividuelle Ergänzung der Aspekte muss generell zulässig sein. Denn die Neuregelung der §§ 289b ff. HGB hat neben der Vervollständigung der Lageberichterstattung die Schaffung einer breiten Informationsbasis 171
Möllers, Methodenlehre, § 6 Rn. 102. Siehe S. 66 ff. 173 Im Ergebnis auch Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 21. 172
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sowie die Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik zum Ziel. Eine Begrenzung der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf die vom Gesetz verpflichtenden Angaben würde diesen Zielen aber zuwiderlaufen. Gleichzeitig muss das berichtspflichtige Unternehmen stets die in der Lageberichterstattung geltenden Berichterstattungsgrundsätze – hier vorwiegend den Grundsatz der Klarheit – im Blick behalten. Das Unternehmen kann sicherlich weitergehende Nachhaltigkeitsangaben machen, jedoch nur, sofern die Grundsätze ordnungsgemäßer Berichterstattung berücksichtigt bleiben.174 Führt die Aufnahme weitergehender Nachhaltigkeitsangaben hingegen zu einer Informationsüberfrachtung, sodass berichtspflichtige Angaben nach § 289c HGB daraufhin leicht übersehbar oder gar verborgen sind, ist eine freiwillige Erweiterung widersinnig und daher unzulässig.175 Es empfiehlt sich daher bei freiwilliger Erweiterung der Berichterstattung, entsprechend zur vollintegrierten nichtfinanziellen Erklärung176 eine Übersicht anzulegen oder darüber hinausgehende Informationen so zu kennzeichnen, dass der Erklärungsgehalt der berichtspflichtigen wesentlichen Angaben erhalten bleibt. Eine Übertragung der inhaltlichen Vorgaben auf die freiwillige Berichterstattung kann nicht gefordert werden,177 da der Anwendungsbereich des § 289c HGB eindeutig auf wesentliche Informationen beschränkt ist.
VII. Resümee zu den inhaltlichen Mindestanforderungen nach § 289c HGB Grundsätzlich ist zu den inhaltlichen Anforderungen an die nichtfinanzielle Erklärung Folgendes festzuhalten: Sie muss neben einer kurzen Beschreibung des Geschäftsmodells nach § 289c Abs. 1 HGB jedenfalls eine Stellungnahme zu den in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekten enthalten. Diese, in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte, beschreiben die Reichweite der nichtfinanziellen Erklärung. Zu den Aspekten müssen in der nichtfinanziellen Erklärung jedenfalls solche Angaben gemacht werden, die nach § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB sowohl für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage wie auch für das Verständnis der Auswirkungen der Tätigkeit des Unternehmens erforderlich sind.178 Um die berichtspflichtigen Unternehmen dabei zu unterstützen, schlägt 174
Siehe S. 58. Henckel/Rimmelspacher/Schäfer, DK 2014, 386, 390; Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 13; Kajüter, DB 2017, 617, 619. 176 Siehe S. 58. 177 Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 23. 178 Andere Ansicht dazu: Humbert, ZGR 2018, 295, 312 f., die „sowie“ mit „als auch“ gleichsetzt und so von einer alternativen Erforderlichkeit ausgeht. 175
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§ 289c Abs. 2 HGB zur Orientierung zu jedem benannten Aspekt eine Auswahl möglicherweise interessanter Sachverhalte vor. Ist die Wesentlichkeitsschwelle hinsichtlich eines Aspekts überschritten, müssen darüber hinaus für jeden relevanten Aspekt nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 – 6 HGB festgelegte Einzelangaben gemacht werden. Allenfalls unterliegen diese weitergehenden Wesentlichkeitsvorbehalten. Bei den Einzelangaben nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 – 6 HGB handelt es sich unter anderem um eine Beschreibung der verfolgten Konzepte einschließlich der Due-Diligence-Prozesse, der erzielten Ergebnisse sowie der wesentlichen Risiken der Geschäftstätigkeiten wie auch der Produkte und Dienstleistungen. Außerdem gilt es, die bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren darzustellen. Hat das berichtspflichtige Unternehmen kein Konzept (Nr. 1) zum Umgang mit einem berichtspflichtigen, nichtfinanziellen Aspekt entwickelt und kann es dementsprechend auch kein Ergebnis vorstellen (Nr. 2), muss es nach § 289c Abs. 4 HGB die Gründe dafür erläutern.179 Aufgrund des kontradiktorischen Eingreifens von § 289c Abs. 3 HGB oder § 289c Abs. 4 HGB (Comply or Explain) ist jedenfalls irgendeine Erläuterung im Hinblick auf vorhandene (oder gegebenenfalls nicht vorhandene) Konzepte erforderlich. In entsprechender positiver Übertragung des Wesentlichkeitserfordernisses aus § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB können sich neben den benannten Aspekten unternehmensindividuell auch weitere unbenannte Belange ergeben, die in § 289c Abs. 2 HGB nicht ausdrücklich benannt, aber dennoch für das konkrete Unternehmen bedeutsam sind. Bei diesen unbenannten Aspekten ergeben sich die gleichen Berichtsanforderungen wie bei den ausdrücklich benannten Aspekten nach § 289c Abs. 2 HGB. Auch in der CSR-Berichterstattung als Bestandteil der Lageberichterstattung gelten deren Berichterstattungsgrundsätze. Unwesentliche Informationen können bzw. müssen unter Umständen aufgrund der Grundsätze ordnungsgemäßer Berichterstattung sogar weggelassen werden. Dies wird insbesondere bei der Frage einer freiwilligen, weitergehenden Berichterstattung relevant.
B. Verwendung von Rahmenwerken Um für die inhaltlichen Ausführungen bei der CSR-Berichterstattung eine bessere Orientierung gewinnen zu können, kann sich das berichtspflichtige Unternehmen eines nationalen, europäischen oder internationalen Rahmenwerks bedienen, § 289d S. 1 HGB. Dabei obliegt ihm die Wahl, ob und falls ja, welcher Leitfaden genutzt wird. Seine Entscheidung muss es allerdings nach § 289d S. 2 HGB in einer Erklärung in jedem 179
Siehe S. 80.
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Fall mitteilen. Im Fall des Verzichts ist neben dieser Erklärung zu begründen, warum kein Rahmenwerk verwendet wurde. Damit folgt § 289d S. 2 HGB dem in § 289c Abs. 4 HGB verankerten Comply or Explain-Ansatz.180 Der Mittelweg, nur teilweise ein Rahmenwerk zu nutzen, ist nicht gangbar.181 Verwendet das berichtspflichtige Unternehmen ein Rahmenwerk, muss die genaue Bezeichnung sowie die Organisation, die den Standard veröffentlicht hat, angeben werden.182 Ausdrücklich von der Bundesregierung als taugliche Leitlinien genannt werden dabei die Leitsätze der OECD für multinationale Unternehmen, die GRI G4, der Deutsche Nachhaltigkeitskodex, das Umweltmanagement und -betriebsprüfungssystem EMAS, der UN Global Compact, die VN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die ISO 26000 der Internationalen Organisation für Normung sowie die Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik der Internationalen Arbeitsorganisation.183 Die Aufzählung erfolgt dabei nur beispielhaft. Nicht ausdrücklich benannte Rahmenwerke können also ebenfalls verwendet werden, soweit sie gleichermaßen wie die benannten „anerkannt“ sind. Allerdings kann weder der CSR-Richtlinie, noch § 289d HGB oder dem Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich entnommen werden, in welchen Fällen von einem „anerkannten“184 Rahmenwerk auszugehen ist. Eine „hoheitliche“ Anerkennung ist damit jedenfalls nicht gemeint. Vielmehr wurde insoweit der Begriff „anerkannt“ auch mit „etabliert“ gleichgestellt,185 sodass solche Rahmenwerke in den Kreis der verwendungsfähigen fallen, die sich am Markt bereits bewährt und fest eingefügt haben.186 Trotz gegenteiliger Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren schreibt der Gesetzgeber den Unternehmen kein bestimmtes verwendungspflichtiges Rahmenwerk vor. Durch die Vorgabe eines bestimmten Rahmenwerkes wurde eine verbesserte Vergleichbarkeit der Berichte erhofft.187 Dieses Vorhaben wäre jedoch nicht mit dem Wortlaut der CSR-Richtlinie vereinbar gewesen, der den Mitgliedstaaten auferlegt, den Unternehmen die Wahlfreiheit zu überlassen, ob und welches Rahmenwerk sie nutzen möchten.188 180
Siehe S. 80. Mock, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, HGB, § 289d Rn. 14. 182 Mock, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, HGB, § 289d Rn. 16. 183 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 52. 184 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 9. 185 Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289d Rn. 1. 186 So als nationales Rahmenwerk von der Bundesregierung eingefügt: Deutscher Nachhaltigkeitskodex. 187 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 52. 188 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 9. 181
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Durch eine Verbindlichkeitserklärung eines bestimmten Rahmenwerkes würde außerdem der in § 289d HGB verwurzelte Sinn und Zweck vereitelt, berichtspflichtigen Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, ihre bisher für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung genutzten Rahmenwerke auch weiterhin verwenden zu können.189 Diese beabsichtigte Flexibilität für die Unternehmen würde durch die Vorgabe eines bestimmten Standards konterkariert werden. Außerdem wären die bereits vor Einführung der CSR-Berichterstattungspflicht freiwillig berichtenden oder CSRengagierten Gesellschaften durch übermäßigen Verwaltungsaufwand benachteiligt. Des Weiteren gab es zum Zeitpunkt des Erlasses des CSR-RUG kein hinreichend bestimmtes sowie in der Praxis anwendbares und vom Kapitalmarkt anerkanntes Rahmenwerk, welches hinreichend als Leitfaden hätte vorgegeben werden können.190 Ferner standen der Vorgabe eines bestimmten Rahmenwerkes verfassungsrechtliche wie auch rechtsstaatliche Bedenken entgegen.191 Leitlinien zur Berichterstattung werden bisweilen nur von privaten Institutionen oder zwischenstaatlichen Organisationen erstellt und veröffentlicht. Diesen fehlt jedoch die nötige Legitimierung, ein allgemeingültiges, rechtsverbindliches Werk zu erstellen und zu veröffentlichen.192 Um den klassischen Maßstäben demokratischer Legitimation für innerstaatliche Gesetze zu entsprechen, müssten sie allen national geltenden prozeduralen und verfahrensrechtlichen wie auch materiellen Anforderungen an die Normsetzung entsprechen.193 Gerade aufgrund der Gefahr einer strafrechtlichen- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionierung bei fehlerhafter CSR-Berichterstattung kann derzeit ohne legitimierte Einrichtung oder nachgeschaltetes Kontrollverfahren der bestehenden Rahmenwerke kein Standard rechtsverbindlich vorgegeben werden.194 Schließlich werden die Rahmenwerke der eben genannten Institutionen oftmals kostenpflichtig angeboten. Auch die Tatsache der Kostenpflichtigkeit mancher Rahmenwerke macht die Entscheidung, daraus ein verbindliches auszuwählen, wegen des Rechtsstaatlichkeitsgedankens unmöglich.195 Zu beachten gilt jedenfalls, dass sich das Unternehmen nicht blind auf das Rahmenwerk verlassen kann. Es hat weiterhin dafür Sorge zu tragen, dass von der 189
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 52. Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 224. 191 Krajewski, ZGR 2018, 271, 280. 192 Zu den Anforderungen der Legitimierung ausführlich Krajewski, ZGR 2018, 271, 280. 193 Krajewski, ZGR 2018, 271, 279 f. 194 So auch zu den straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen Humbert, ZGR 2018, 295, 311; Mock, ZIP 2017, 1195, 1198. 195 In Bezug auf den Widerspruch zum Rechtsstaatlichkeitsgedanken Mock, ZIP 2017, 1195, 1199. 190
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CSR-Erklärung alle gesetzlich geforderten Berichtselemente abgedeckt werden.196 Da die bestehenden Rahmenwerke meist nur Teilaspekte abdecken,197 muss das Unternehmen gegebenenfalls die Erklärung um die noch fehlenden wesentlichen Angaben ergänzen. Dabei hat es stets die geltenden Lageberichterstattungsgrundsätze, die unter Umständen die Kennzeichnung des weitergehenden Inhalts erfordert, der aus den Anforderungen des verwendeten Standards resultiert, zu beachten. Ansonsten würde die CSR-Erklärung Gefahr laufen, nicht hinreichend klar zu sein und den Adressaten gegebenenfalls irrezuführen. Das bedeutet für die Unternehmen, dass sie zwar bereits existierende Rahmenwerke nutzen können, dabei jedoch stets überprüfen müssen, ob ihre CSR-Berichterstattung unabhängig von den verwendeten Rahmenwerken dem erforderlichen Inhalt entspricht. Die genannten Rahmenwerke unterscheiden sich in ihrer inhaltlichen Reichweite, Funktion, Detailliertheit sowie in ihren Regelsetzungs- und Durchsetzungsmechanismen.198 Das ist besonders heikel, wenn erschwerend hinzukommt, dass sich die Standards im Laufe der Zeit verändern. Zum derzeitigen Stand wird aus den genannten Gründen kein bestimmtes Rahmenwerk vorgegeben. Diese Regelungstechnik hat zweierlei zur Folge. Zum einen ist es stets dem Unternehmen überlassen, welche Rahmenwerke zu seinem konkreten Unternehmenszuschnitt passen sowie seinen rechtlichen Anforderungen genügen. Somit müssen sich die Unternehmen im Grunde genommen mit jeder der in Frage kommenden Leitlinien zumindest kurz befassen und darauf basierend eine Entscheidung treffen. Des Weiteren wird im Schrifttum die Entscheidung kritisiert, Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, zwischen mehreren Rahmenwerken wählen zu können. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten und der Veränderlichkeit büße die Berichterstattung im weiten Sinne an Konsistenz und Vergleichbarkeit ein.199 So sei der CSR-Transparenz als maßgebliches Ziel der CSR-Berichterstattung geschadet. Im Ergebnis unglücklich erscheint hier gerade die zweite Konsequenz, da es auf lange Sicht das Ziel der Europäischen Union ist, eine Vergleichbarkeit und Kon196
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 52; Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289d Rn. 3. 197 Kritisch zur Übereinstimmung des Deutschen Nachhaltigkeitskodex als ein mit den Anforderungen der CSR-Richtlinie positiv beschiedenes Leitwerk Klene, WM 2018, 308, 314. 198 Krajewski, ZGR 2018, 271, 276 f. 199 Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1287; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1343; Eufinger, EuZW 2015, 424, 426; zur Problematik der „Zerfaserung“ des Schutzes durch eine Vielzahl unverbindlicher CSR-Regelwerke siehe Buck-Heeb, in: Fleischer/Kalss/Vogt, Corporate Social Responsibility, S. 91, 100.
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sistenz der von Unternehmen in der Union zu veröffentlichenden Informationen zu erreichen.200
C. Weglassen nachteiliger Angaben nach § 289e HGB Nach § 289e HGB können bestimmte Informationen in begrenzten Ausnahmefällen vorerst vollständig weggelassen werden. Der Verzicht auf sämtliche Angaben zu einem nichtfinanziellen Aspekt ist nicht möglich, soweit sich die Sensibilität nicht zufällig auf alle wesentlichen Informationen des Aspekts bezieht. Als Schutzklausel ist § 289e HGB also informationsbezogen.201 Voraussetzung der Schutzklausel ist, dass es sich bei den Angaben um solche handelt, die zu künftigen Entwicklungen oder über die Verhandlungen geführt werden. Die Anwendbarkeit wird weiter eingegrenzt, indem Angaben nur dann weggelassen werden dürfen, wenn der Gesellschaft die Gefahr droht, ansonsten einen erheblichen Nachteil zu erleiden (§ 289e Abs. 1 Nr. 1 HGB) und ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes und ausgewogenes Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft und der Auswirkungen ihrer Tätigkeit durch das Weglassen der Angaben nicht verhindert wird (§ 289e Abs. 1 Nr. 2 HGB). Das soll ein ausgewogenes Gesamtverständnis über die Lage der Gesellschaft weiterhin sicherstellen.202 Im Kontext mit dem in § 289c HGB fixierten Wesentlichkeitsgrundsatz sei die Anwendbarkeit dieser Schutzklausel daher nur auf bestimmte Ausnahmefälle begrenzt.203 Entfällt einer der Gründe für die Nichtaufnahme der Angaben nach der Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung müssen die weggelassenen Angaben gemäß § 289e Abs. 2 HGB in dem nächsten Jahresabschluss aufgenommen werden. So ist der Schutz des § 289e HGB zwar insoweit eingeschränkt, als dass er nur temporär gilt. Gleichzeitig ist § 289e Abs. 2 HGB im Umkehrschluss jedoch auch zu entnehmen, eine Ergänzung um die jeweiligen Angaben bzw. eine Korrektur des Jahresabschlusses sei während des Geschäftsjahrs nicht notwendig.204 Wesentliches Anliegen der Regelung ist es, die Gesellschaft in Bezug auf brisante Informationen zu schützen. Solche Schutzklauseln sind im HGB bereits an anderer Stelle bekannt (so in § 286 HGB), nun jedoch erstmals auch für die Lageberichterstattung ausdrücklich kodifiziert.205 200 Siehe unter anderem RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 15, 21; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 765. 201 Seibt, DB 2016, 2707, 2712. 202 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 53. 203 Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 223. 204 Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 223; Seibt, DB 2016, 2707, 2712. 205 Störk/Schäfer/Schönberger, BilanzKomm, § 289e Rn. 1, m.w.N: Grottel, BilanzKomm, § 289 Rn. 35 ff.
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Die Zuständigkeit für die Entscheidung über das Weglassen solcher Angaben liegt wie gewöhnlich beim vertretungsberechtigten Organ der Gesellschaft, also dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung.206 Aufgrund der Bezugnahme des § 289e Abs. 1 Nr. 1 HGB auf eine vernünftige kaufmännische Beurteilung durch die Mitglieder eben dieses vertretungsberechtigten Organs ist davon auszugehen, dass der ansonsten sehr restriktive Anwendungsbereich durch die grundsätzliche Anwendbarkeit der business judgement rule auf etwaige Entscheidungen etwas aufgelockert wird.207 Zusammenfassend ist festzustellen, dass es sich bei § 289e HGB um keine vollständige Befreiung von der Berichtspflicht handelt, sondern nur um das vorübergehende Unterlassen der Angaben. Zusätzlich sind die Voraussetzungen für das Eingreifen der Schutzregelung sehr hoch, sodass – trotz business judgement rule – mit einer geringen Anzahl an Anwendungsfällen zu rechnen ist. Handelt es sich bei dem in Rede stehenden Aspekt um einen unbenannten Aspekt nach § 289c Abs. 2 HGB, ergeben sich keinerlei Abweichungen.
§ 7 Berichtspflicht im Konzern Auch auf Konzernebene wird die nichtfinanzielle Berichterstattung durch neue Berichterstattungspflichten gestärkt. Die Umsetzung der nichtfinanziellen Konzernerklärung findet sich in den §§ 315b ff. HGB. Dabei sind betreffend die Berichterstattung des Tochterunternehmens Besonderheiten zu berücksichtigen. Aufgegriffen wird an dieser Stelle die bereits erwähnte konzernbedingte „Befreiung“,208 wonach sich ein Einzelunternehmen dann von seiner eigenen Berichterstattungspflicht nach §§ 289b ff. HGB „befreien“ kann, wenn es gemäß § 289b Abs. 2 HGB wirksam als Tochterunternehmen in die Konzernberichterstattung seines Mutterunternehmens miteinbezogen wurde.
A. Pflicht zur nichtfinanziellen Konzernerklärung §§ 315b ff. HGB Die Pflicht zur Anfertigung einer nichtfinanziellen Erklärung auf Konzernebene erstreckt sich vorerst auf den in § 315b Abs. 1 HGB vorgegebenen Anwendungsbereich. § 315b HGB ist überwiegend der Struktur des § 289b HGB nachempfunden, soweit aufgrund konzernrechtlicher Besonderheiten keine Abweichung erforderlich 206 207 208
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 53. Mock, ZIP 2017, 1195, 1200. Siehe S. 50 f.
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ist. Um solche Besonderheiten handelt es sich zum Beispiel bei § 315b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. a HGB (keine tatsächliche Erfüllung der Voraussetzungen nach § 293 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB oder § 293 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB)209 oder § 315 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 HGB (entsprechende Anwendung des § 298 Abs. 2 HGB). Nach § 315b Abs. 1 HGB ergibt sich die Pflicht zur Erweiterung des Konzernlageberichts um eine nichtfinanzielle Konzernerklärung für solche Kapitalgesellschaften, die im Sinne des § 264d HGB kapitalmarktorientiert sind und im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Das Größenerfordernis resultiert im Grunde aus der Verweisung auf § 293 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB oder § 293 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB. Darüber hinaus muss die Kapitalgesellschaft zugleich Mutterunternehmen nach § 290 HGB sein. Die Kapitalmarktorientierung des Tochterunternehmens reicht für das Auslösen der Berichtspflicht nicht aus. Ebenso wie bei Einzelunternehmen besteht eine Berichtspflicht nach §§ 340i Abs. 5, 341j Abs. 4 HGB gleichermaßen für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen, die Mutterunternehmen sind. Für die verschiedenen Veröffentlichungsvarianten ergibt sich in Übertragung auf die Konzernberichterstattung gegenüber der nichtfinanziellen Erklärung des Einzelunternehmens nichts Neues, da § 315b Abs. 1 HGB hinsichtlich der nichtfinanziellen Erklärung und § 315b Abs. 3 HGB in Bezug auf den gesonderten nichtfinanziellen Bericht nahezu wortgleich zu § 289b Abs. 1 und Abs. 3 HGB ausgestaltet sind.210 Als konzernrechtliche Besonderheit ist nach § 315b Abs. 1 S. 2 HGB in entsprechender Anwendung des § 298 Abs. 2 HGB samt seiner Voraussetzungen eine Zusammenfassung der eigenen nichtfinanziellen Erklärung mit der nichtfinanziellen Erklärung des Tochterunternehmens möglich.211 Nicht aus den Augen verloren werden dürfen dabei die auch in der Konzernlageberichterstattung geltenden Grundsätze ordnungsgemäßer Berichterstattung, sodass auch aus der zusammengefassten Erklärung hervorgehen muss, welche Angaben sich auf welches Unternehmen beziehen.212 Für die inhaltliche Ausgestaltung der nichtfinanziellen Konzernerklärung wird gemäß § 315c Abs. 1 HGB auf die inhaltlichen Anforderungen der nichtfinanziellen Erklärung des Einzelunternehmens nach § 289c HGB verwiesen. Gleichermaßen gestaltet sich dies nach § 315c Abs. 3 HGB bei der Verwendung von Rahmenwerken nach § 289d HGB sowie der Schutzklausel nach § 289e HGB. § 315c Abs. 2 HGB modifiziert den in § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB verankerten Wesentlichkeitsgrundsatz 209
Die Regelung des § 293 Abs. 5 greift für die Beurteilung des Anwendungsbereichs der nichtfinanziellen Konzernerklärung nicht. 210 Ebenso DRS 20.241 ff. idF DRÄS 8. 211 Siehe entsprechende Ausführungen zu § 315 Abs. 5 HGB Grottel, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 315 Rn. 260 f. 212 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 56; auch Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289b Rn. 3.
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dergestalt, dass sich dieser auf das Verständnis der Lage des Konzerns und dessen Auswirkungen und nicht auf die Kapitalgesellschaft bezieht. Zu betonen ist schließlich, dass nach § 315b Abs. 2 HGB auch ein Mutterunternehmen unter Umständen von der nichtfinanziellen Konzernberichterstattung befreit sein kann. Dies ist dann der Fall, wenn es sich bei dem zu befreienden Mutterunternehmen zugleich um das Tochterunternehmen eines diesem übergeordneten Mutterunternehmens handelt und es bei diesem übergeordneten Mutterunternehmen in den Konzernlagebericht einbezogen ist. Zusätzlich müssen die weiteren Voraussetzungen des § 315b Abs. 2 HGB kumulativ vorliegen, die das Spiegelbild zu § 289b Abs. 2 HGB darstellen.213
B. Befreiung des Einzelunternehmens nach § 289b Abs. 2 HGB Die Anforderungen für eine Befreiung des Einzelunternehmens von der eigenen Erweiterung seines Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung ergeben sich aus § 289b Abs. 2 HGB. Vorausgesetzt wird, dass es gemäß § 289b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HGB bereits wirksam als Tochterunternehmen in die nichtfinanzielle Konzernberichterstattung seines übergeordneten Mutterunternehmens miteinbezogen wurde sowie nach 289b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGB ein Konzernlagebericht im Sinne der Bilanzrichtlinie von diesem Mutterunternehmen aufgestellt wurde. Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat sind nicht vom Anwendungsbereich erfasst.214 Das Verhältnis zwischen dem Tochter- und dem Mutterunternehmen muss dabei derartig ausgestaltet sein, dass das Mutterunternehmen einen beherrschenden Einfluss im Sinne des § 290 HGB auf das Tochterunternehmen ausüben kann.215 Der Wortlaut des § 289b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGB bewegt zu der Annahme, die Konzernberichterstattung wäre nur dann eröffnet, wenn „der [gesamte] Konzernlagebericht […] im Einklang mit der [Bilanzrichtlinie] aufgestellt wird und eine nichtfinanzielle Konzernerklärung enthält“. Die nichtfinanzielle Erklärung müsste dann nicht nur den Anforderungen der Bilanzrichtlinie entsprechen, sondern das Mutterunternehmen müsste einen in der Gänze ordnungsgemäßen Konzernlagebericht aufstellen, um dem Einzelunternehmen eine Befreiung von der eigenen Berichtspflicht zu ermöglichen. Der Wortlaut des § 289b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGB bezieht den Einklang mit der Bilanzrichtlinie auf den ersten Blick ausdrücklich auf den gesamten Konzernlagebericht. Auch der direkte Vergleich des § 289b Abs. 2 S. 1 HGB und § 289b Abs. 2 S. 2 HGB kann darüber nicht hinweghelfen, da § 289b Abs. 2 S. 2 HGB eine entsprechende Anwendung sämtlicher Anforderungen des 213 214 215
Siehe S. 91. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 50. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 44.
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Teil 2: Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange
Befreiungstatbestandes auf den gesonderten nichtfinanziellen Bericht anordnet. Neben einem ausdrücklich erforderten Einklang dessen mit der Bilanzrichtlinie müsste dennoch in entsprechender Anwendung des § 289b Abs. 2 S. 1 HGB auch der (Gesamt-)Konzernlagebericht den Anforderungen der Bilanzrichtlinie entsprechen. Ersetzt wird durch § 289b Abs. 2 S. 2 HGB lediglich die Veröffentlichungsart. Etwaige Unterschiede in den Befreiungsanforderungen gäbe es daher nicht.216 Nichtsdestotrotz ist aus systematischen wie teleologischen Erwägungen von einer derart restriktiven Auslegung des § 289b Abs. 2 S. 1 HGB abzusehen.217 Sinngemäß der Einzelberichterstattung soll den Unternehmen lediglich eine weitere Veröffentlichungsart geboten werden. Durch § 289b Abs. 2 S. 2 HGB wird diesen, um eine größtmögliche Handlungsflexibilität zu ermöglichen, für ihre Berichterstattungspraxis gleichermaßen zur nichtfinanziellen Einzelberichterstattung die Veröffentlichungsvariante des gesonderten nichtfinanziellen (Konzern)Berichts angeboten.218 Auch der direkte Vergleich mit der Systematik der sonstigen Befreiungsvorschriften verleitet zu nichts anderem. § 264 Abs. 3 HGB schafft allgemein geltende Befreiungsvorschriften für Einzelunternehmen in Konzernstrukturen. Wie der Wortlaut des § 289b Abs. 2 HGB veranschaulicht, soll „unbeschadet anderer Befreiungsvorschriften“ gerade für den Fall der nichtfinanziellen Konzernerklärung ein besonderer Befreiungstatbestand gebildet werden. § 289b Abs. 2 HGB kann darüber hinaus kaum die Funktion einer Art „Erinnerung“ an eine ordnungsgemäße Lageberichterstattung unterstellt werden. Dafür wäre § 289b Abs. 2 HGB freilich der falsche Regelungsstandort. Vielmehr ist entsprechend § 264 Abs. 3 HGB auch für die nichtfinanzielle Erklärung eine Befreiung geschaffen worden, die sich schlichtweg an deren Ordnungsmäßigkeit zu orientieren hat. Dies deckt sich auch mit dem Wortlaut der Gesetzesbegründung zu § 289b Abs. 2 HGB, der ein Übereinstimmen der Anforderungen der Bilanzrichtlinie mit der nichtfinanziellen Erklärung und nicht mit dem gesamten Konzernlagebericht verlangt.219 Erwähnenswert ist der Einklang mit der Bilanzrichtlinie in § 289b Abs. 2 S. 1 HGB und § 289b Abs. 2 S. 2 HGB dennoch für die Klarstellung, dass es sich um eine nichtfinanzielle Erklärung eines „Konzernlageberichts im Sinne der Bilanzrichtlinie“ handeln muss. „Abweichende Konzernlageberichte“ und deren Nachhaltigkeitserklärungen von Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat sind nicht vom Anwendungsbereich erfasst.220 Es ist letztlich festzuhalten, dass lediglich die nichtfinanzielle Konzernerklärung und der gesonderte nichtfinanzielle Konzernbericht, nicht jedoch die gesamte Konzernlageberichterstattung den Vorgaben des auf die Muttergesellschaft an216 217 218 219 220
So anderer Ansicht Grottel, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289b Rn. 35. Im Ergebnis auch Grottel, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289b Rn. 35. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 31. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 44. Siehe auch RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 50.
§ 8 Straf- und Bußgeldvorschriften
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wendbaren nationalen Rechts im Einklang mit der Bilanzrichtlinie zu entsprechen haben.221 Sind diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt, muss das Einzelunternehmen darüber hinaus nach § 289b Abs. 2 S. 3 HGB in seinem Lagebericht Angaben machen, welches Mutterunternehmen den Bericht öffentlich zugänglich macht und wo er in Deutsch oder Englisch offengelegt und veröffentlicht ist.222 Entsprechendes gilt für die Erstellung eines gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts, § 289b Abs. 2 S. 2 HGB. Bei einem mehrstufigen Konzern ist die Möglichkeit einer Befreiung spiegelbildlich zu § 289b Abs. 2 HGB nochmals für das untergeordnete (Mutter-)Unternehmen durch § 315b Abs. 2 HGB eröffnet.
§ 8 Straf- und Bußgeldvorschriften Für eine wirksame und abschreckende Sanktion bei Verstößen gegen die ordnungsgemäße CSR-Berichterstattung wurden die §§ 331 ff. HGB in ihrem Anwendungsbereich um die nichtfinanzielle Erklärung, den gesonderten nichtfinanziellen Bericht sowie die CSR-Berichterstattung auf Konzernebene erweitert. Zurückzuführen ist dies auf Art. 51 der Bilanzrichtlinie, der wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die Richtlinie fordert und daran anknüpfend auch deren Änderung durch die CSR-Richtlinie, also die Regelungen zur nichtfinanziellen Erklärung, miteinbezieht.223
A. Unrichtige Darstellung nach § 331 Nr. 1 und Nr. 2 HGB § 331 Nr. 1 HGB schützt das Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Lageberichterstattung, indem er die unrichtige Darstellung der Verhältnisse der Kapitalgesellschaft oder eine Verschleierung der Informationen unter Strafe stellt.224 Die „unrichtige Darstellung“ nach § 331 Nr. 1 HGB und § 331 Nr. 2 HGB umfasst im Grunde zwei verschiedene Handlungsalternativen, die unrichtige Wiedergabe und die Verschleierung der Verhältnisse der Gesellschaft. Tatobjekt des § 331 Nr. 1 HGB kann sowohl der Lagebericht einschließlich der nichtfinanziellen Erklärung als auch der gesonderte nichtfinanzielle Bericht sein.
221 So im Ergebnis Grottel, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289b Rn. 35; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289b Rn. 3. 222 So auch Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289b Rn. 3. 223 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 59. 224 Klinger, in: MünchKommHGB, § 331 Rn. 1.
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Teil 2: Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange
Dabei umfasst die unrichtige Darstellung der Verhältnisse sowohl Tatsachen, Vorgänge, Umstände als auch Daten, die für die gegenwärtige und zukünftige Bewertung der Kapitalgesellschaft wesentlich225 sind.226 Entsprechen diese Informationen objektiv nicht der tatsächlichen Sachlage, handelt es sich um eine unrichtige Wiedergabe.227 Die Beantwortung der Frage, ob eine Bewertung oder Beurteilung objektiv richtig oder falsch ist, richtet sich nach den konkreten Rechnungslegungsnormen und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung.228 Werden die Informationen zwar in der Sache korrekt wiedergegeben, ist die Informationsgewinnung aufgrund der undeutlichen Informationsabbildung für den Interessenten jedoch schwer erkennbar oder nachvollziehbar (Gefahr der Falschinterpretation),229 ist dem entsprechenden Täter der Vorwurf zu machen, die tatsächliche Lage der Gesellschaft verschleiern zu wollen. Damit nicht sämtliche Verletzungen von Rechnungslegungsvorschriften zur Begründung strafrechtlich relevanten Handelns führen und das Strafbarkeitsrisiko der Organmitglieder nicht ausufert, wird der Tatbestand des § 331 Nr. 1 HGB um das ungeschriebene Merkmal der Evidenz bzw. Erheblichkeit eingeschränkt.230 Damit wird man dem Bedürfnis einer restriktiven Auslegung der Norm gerecht, das gerade aufgrund der Vielzahl an der in den Schutzbereich fallenden Informationsempfänger, zahlreicher uneindeutiger Rechtsbegriffe im Handelsrecht, nicht zuletzt der Reichweite des Begriffs „der Verhältnisse der Gesellschaft“, und der Wahrung der verfassungsrechtlich gebotenen Tatbestandsbestimmtheit als Ausprägung des Gesetzlichkeitsprinzips besteht.231 Dass eine nur geringe Über- oder Unterbewertung gerade nicht ausreicht, zeigt auch der Vergleich mit § 334 HGB (Verstoß gegen die Rechtsvorschriften), dessen Einführung es nicht bedurft hätte, wären „schlichte“ Verstöße gegen Rechtsvorschriften auch schon von § 331 HGB abgedeckt.232 Da im Gegensatz zu § 331 Nr. 1a HGB und § 331 Nr. 3 HGB fahrlässiges Handeln nicht unter Strafe gestellt wird, gilt
225 Aufgrund der Ausgestaltung als abstraktes Gefährdungsdelikt muss § 331 HGB restriktiv ausgelegt werden. Daher gilt das Evidenz- und Erheblichkeitsgebot, so Leplow, in: MünchKommStGB, § 331 HGB Rn. 50. 226 Klinger, in: MünchKommHGB, § 331 Rn. 50; Leplow, in: MünchKommStGB, § 331 HGB Rn. 49. 227 Klinger, in: MünchKommHGB, § 331 Rn. 42. 228 Leplow, in: MünchKommStGB, § 331 HGB Rn. 49. 229 Klinger, in: MünchKommHGB, § 331 Rn. 48. 230 Grottel/H. Hoffmann, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 331 Rn. 20. 231 Leplow, in: MünchKommStGB, Vor § 331 HGB Rn. 33, § 331 Rn. 50. 232 Grottel/H. Hoffmann, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 331 Rn. 20; Klinger, in: MünchKommHGB, § 334 Rn. 26.
§ 8 Straf- und Bußgeldvorschriften
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in Bezug auf § 331 Nr. 1 HGB und § 331 Nr. 2 HGB der Grundsatz des § 15 StGB, dass nur vorsätzliches Handeln mit Strafe bewehrt ist.233 Als Täter kommen aufgrund der konkreten Benennung die Mitglieder des vertretungsberechtigen Organs sowie der Aufsichtsrat der Kapitalgesellschaft in Betracht. Somit handelt es sich bei § 331 Nr. 1 HGB um ein echtes Sonderdelikt.234 § 331 Nr. 2 HGB überträgt den Sanktionsmechanismus auf Falschinformationen auf Konzernebene, inklusive nichtfinanzieller Konzernerklärung und den gesonderten nichtfinanziellen Konzernbericht.235
B. Verstoß gegen die Rechtsvorschriften zur Aufstellung nach § 334 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 HGB Auch die Bußgeldtatbestände des § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB und § 334 Abs. 1 Nr. 4 HGB wurden im Rahmen des CSR-RUG um die nichtfinanzielle Erklärung, den gesonderten nichtfinanziellen Bericht sowie die CSR-Berichterstattung auf Konzernebene erweitert. Neben einer evidenten generellen Bußgeldrahmenerhöhung in § 334 Abs. 3 HGB236 und § 334 Abs. 3a HGB237 liegen die Ergänzungen darin, nunmehr nach § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB und § 334 Abs. 1 Nr. 4 HGB auch Verstöße gegen die Rechtsvorschriften zur nichtfinanziellen Erklärung, des gesonderten nichtfinanziellen Berichts und der konzernrechtlichen CSR-Erklärung zu ahnden. Für einen Verstoß gegen die in § 334 Abs. 1 Nr. 3 und § 334 Abs. 1 Nr. 4 HGB näher bezeichneten Rechtsvorschriften braucht es eine einfache Zuwiderhandlung einer unternehmensinternen Person.238 Als Zuwiderhandlung gilt dabei auch die verspätete Offenlegung des gesonderten nichtfinanziellen Berichts, da hierdurch die rechtstechnische Erleichterung des § 289b Abs. 3 HGB ausfällt und der CSR-Bericht somit unvollständig ist.239
233
So auch im RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 59. Grottel/H. Hoffmann, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 331 Rn. 18. 235 Gleichermaßen machen sich Organmitglieder strafbar, die nach § 331 Nr. 3a HGB zu Unrecht die Richtigkeit der nichtfinanziellen Berichterstattung versichern. Dabei handelt es sich jedoch genaugenommen um keine Neuerung zur CSR-Berichterstattung, weshalb diese Variante lediglich der Vollständigkeit halber zu erwähnen ist. 236 Von 50.000 Euro wurde dieser auf bis zu 2 Millionen Euro bzw. das Zweifache des gezogenen Vorteils erhöht. 237 Bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften beträgt dieser bis zu 10 Millionen Euro oder 5 Prozent des Jahresumsatzes oder das Zweifache des gezogenen Vorteils. 238 Grottel/H. Hoffmann, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 334 Rn. 1. 239 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 59. 234
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Teil 2: Die nichtfinanzielle Lageberichterstattung über CSR-Belange
Letztlich muss die Lage- und Konzernlageberichterstattung der Kapitalgesellschaft nahezu allen Neuregelungen der CSR-Berichterstattung genügen. Abweichungen ergeben sich lediglich bezüglich § 289b Abs. 4 HGB. § 289b Abs. 4 HGB (§ 315b Abs. 4 HGB) findet sich im Regelungskatalog der Ordnungswidrigkeitsvorschrift nicht wieder. Nach § 289b Abs. 4 HGB (§ 315b Abs. 4 HGB) ist auch die Beurteilung des Prüfungsergebnisses einer inhaltlichen Kontrolle der nichtfinanziellen Erklärung oder des nichtfinanziellen Berichts in gleicher Weise öffentlich zugänglich zu machen. Da es sich beim Prüfungsergebnis jedoch genaugenommen nicht um den Pflichtinhalt zur Aufstellung des Lage- und Konzernlageberichts oder nichtfinanziellen Berichts handelt, dessen Richtigkeit, Vollständigkeit, Klarheit und Übersichtlichkeit durch § 334 HGB geschützt werden soll,240 ist eine Aufnahme in den Ordnungswidrigkeitenkatalog entbehrlich. Aus den gleichen Gründen lässt sich konstatieren, dass sich die Reichweite des § 334 HGB nicht auf die Fälle des fehlerhaft verwendeten Rahmenwerks nach § 289d HGB ausdehnt, soweit die Rechtsvorschriften zur Aufstellung der nichtfinanziellen Erklärung als solche eingehalten werden. Eine Evidenz bzw. Erheblichkeit wird, anders als bei § 331 Nr. 1 HGB und § 331 Nr. 2 HGB, nicht vorausgesetzt. Auch im Rahmen des § 334 HGB ist mangels Normierung einer fahrlässigen Begehung, § 10 OWiG, vorsätzliches Handeln erforderlich.
C. Anwendung auf übrige verpflichtete Gesellschaftsformen Nach § 335b S. 1 HGB gelten die Straf- und Bußgeldvorschrift des §§ 331 und 334 HGB auch für kapitalistische Personenhandelsgesellschaften im Sinne des § 264a Abs. 1 HGB. Auf Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen ist § 331 HGB ebenfalls entsprechend anzuwenden, § 340m Abs. 1 HGB und § 341m Abs. 1 HGB. § 334 HGB kann nicht direkt angewandt werden, da § 340n Abs. 1 Nr. 3 HGB und § 340n Abs. 1 Nr. 4 HGB und § 341n Abs. 1 Nr. 3 HGB und § 341n Abs. 1 Nr. 4 HGB leges speciales zu diesen beiden Rechtsformen sind (§ 334 Abs. 5 HGB). Inhaltlich ergeben sich jedoch keine Abweichungen. Auch der Bußgeldrahmen bei Ordnungswidrigkeiten der Kreditinstitute (§ 340n Abs. 3 HGB sowie § 340n Abs. 3a HGB) und Versicherungsunternehmen (§ 341n Abs. 3 HGB sowie § 341n Abs. 3a HGB) wurde verschärft. Bei Genossenschaften (entsprechend bei der SCE nach §§ 1, 32, 33 SCEAG) bestehen kleine Besonderheiten. Wenn es sich bei der Genossenschaft um ein Kreditinstitut in der Rechtsform der eG handelt, gehen die Spezialvorschriften der § 340 ff. HGB, also auch die bereits 240
Waßmer, in: MünchKommBilanzrecht, § 334 Rn. 3.
§ 8 Straf- und Bußgeldvorschriften
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benannten Straf- und Bußgeldvorschriften §§ 340m Abs. 1, § 331 HGB und § 340n Abs. 1 Nr. 3 HGB und § 340n Abs. 1 Nr. 4 HGB vor.241 Auf die übrigen eG sind die Straf- und Bußgeldvorschriften in Form der §§ 17 – 21 PublG auf die Genossenschaften anzuwenden, die in den Anwendungsbereich des PublG fallen. Ist dies nicht der Fall, beschränken sich die Strafvorschriften auf § 147 Abs. 1 GenG. Laut Gesetzesbegründung ist jedoch davon auszugehen, dass ausschließlich eG, die zugleich Kreditinstitute sind, unter den Anwendungsbereich der nichtfinanziellen Erklärung fallen,242 weshalb weitergehende Ausführungen an dieser Stelle entbehrlich sind.
D. Zusammenfassung Obwohl es unionsrechtlich auch zulässig gewesen wäre, „lediglich“ auf andere Sanktionsmechanismen wie beispielsweise das bei Verletzungen der Marktmissbrauchsverordnung als Sanktionsmittel angewandte „Naming-and-Shaming“ zurückzugreifen,243 entschied sich der deutsche Gesetzgeber für die Androhung von Bußgeldern und Strafen und deren Fixierung im HGB-Sanktionsregime. Missachtet ein entsprechend benanntes Organmitglied der berichtspflichtigen Gesellschaft die Rechtsvorschriften zur Aufstellung ihres Lage- und Konzernlageberichts oder zur Erstellung des gesonderten nichtfinanziellen Berichts, handelt es zuwider und begeht dadurch eine Ordnungswidrigkeit. Der Gefahr der Straftatbegehung setzt es sich aus, wenn es in einer erheblichen und evidenten Weise die Verhältnisse des Unternehmens unrichtig wiedergibt oder verschleiert, wobei § 334 HGB im Verhältnis zu § 331 HGB subsidiär (§ 21 OWiG) ist.244 Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 HGB kommt bei einer fehlerhaften oder fehlenden CSR-Erklärung nicht zur Anwendung, da auf diesem Wege nur die Veröffentlichung des Lageberichts, nicht jedoch seine Vollständigkeit erzwungen werden kann.245
241 242 243 244 245
Schmidt/Schäfer, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 336 Rn. 3. Schmidt/Schäfer, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 336 Rn. 20. Seibt, DB 2016, 2707, 2714; Seibt/Wollenschläger, AG 2014, 596, 605 f. Grottel/H. Hoffmann, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 334 Rn. 1. Bachmann, ZGR 2018, 231, 245; Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 231.
Teil 3
Tatsächlicher Wirkungskreis der CSR-Berichterstattungspflicht in der Aktiengesellschaft In den nachfolgenden Ausführungen soll der tatsächliche Wirkungskreis der nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB untersucht werden. Nur durch Identifizierung des wirklichen Regelungsgehalts und seinen Auswirkungen auf das Gesellschaftsrecht kann eine Bewertung der nichtfinanziellen Erklärung gelingen. Obwohl der eigentliche Anwendungsbereich der Neuregelungen weiter ist,1 wird die Untersuchung auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft begrenzt. Dies liegt mitunter daran, dass die §§ 289b ff. HGB in der Praxis vor allem diese Rechtsform treffen,2 ist in erster Linie jedoch von der Tatsache abhängig, dass die Diskussion um eine Gemeinwohlbindung der Aktiengesellschaft, nicht zuletzt aufgrund des gesetzgeberischen Aktivismus,3 in den vergangenen Jahren immer wieder im Fokus gesellschaftsrechtlicher Auseinandersetzungen stand.4 Neben den Neuerungen im HGB wurden durch die Einführung der nichtfinanziellen Erklärung eine Reihe von Veränderungen im Aktiengesetz vorgenommen. Durch diese Fixierungen im Gesetz gewann die Frage nach der grundsätzlichen Ausrichtung der Aktiengesellschaft und der Verpflichtung zur Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen in der Geschäftsführung neuen Auftrieb.5 Gebührt nun ausdrücklich anderen Bezugsgruppen der Vorrang vor den Belangen der Aktionäre der Aktiengesellschaft? Ist nun letztlich doch einer interessenpluralistischen Ausrichtung der Aktiengesellschaft zuzustimmen? Um dies zu beantworten, bedarf es einer genaueren Betrachtung der tatsächlichen Reichweite und somit des wirklichen Regelungsgehalts der nichtfinanziellen Er1
Siehe S. 61. Bachmann, ZGR 2018, 231, 232. 3 Siehe II 6 § 25 ALR mit der Voraussetzung der „Gemeinnützigkeit“ der Gesellschaft; § 70 Abs. 1 AktG 1937, der noch eine Leitung der Aktiengesellschaft „wie das Wohl des Betriebes und seiner Gefolgschaft und der gemeine Nutzen von Volk und Reich es fordern“ beanspruchte; entgegen des Referentenentwurfs von 1958 ist seit § 76 Abs. 1 AktG 1965 eine ausdrückliche Verankerung vergeblich zu suchen. 4 Kort, NZG 2012, 926 ff.; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 40 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 29 ff., im Vorgriff auch schon Rn. 21 ff.; Lübke, in: FS MüllerGraf 2015, S. 266, 268; Schön, ZHR 180 (2016), 279 ff. 5 Fleischer, AG 2017, 509 ff.; Roth-Mingram, CSR, S. 31 ff. 2
§ 9 Pflichtenzuwachs in der Aktiengesellschaft
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klärung. Denn eine ausdrückliche Verankerung einer am Gemeinwohl auszurichtenden Leitungsmaxime der Aktiengesellschaft ist noch immer vergeblich zu suchen. Nur über den Umweg einer faktisch materiellen Verhaltensvorgabe könnte eine durchgreifende Veränderung der aktienrechtlichen Leitungssorgfalt stattgefunden haben. Da der tatsächliche Wirkungskreis der nichtfinanziellen Erklärung nicht pauschal bestimmt werden kann, wird einleitend untersucht, inwieweit die Aktiengesellschaft durch die CSR-Berichterstattung einen Pflichtenzuwachs erfährt. Insbesondere stellen sich dabei Fragen nach der internen Verantwortlichkeit, nach der Kompetenzverteilung zwischen den verschiedenen Organen der Aktiengesellschaft sowie nach dem Bedeutungszuwachs nichtfinanzieller Belange für die Unternehmensführung. Des Weiteren bedarf es einer Betrachtung der Rechtsfolgen und Haftungsrisiken fehlender oder fehlerhafter CSR-Berichterstattung, bevor schließlich auf Maßnahmen zur Aufklärung und/oder Vermeidung derselben eingegangen wird. Dabei sollen sowohl gesellschaftsinterne als auch gesellschaftsexterne Rechtsfolgen und Haftungsrisiken betrachtet werden. Im Mittelpunkt steht schließlich die Untersuchung, inwieweit die Einführung neuer Berichtspflichten in das Gesellschaftsrecht ausstrahlt und ob über das Bilanzrecht hinaus von einer Veränderung der aktienrechtlichen Zielkonzeption gesprochen werden kann, bevor im letzten Teil anhand dieser Erkenntnisse eine Bewertung der CSR-Regelung vorgenommen werden kann.
§ 9 Pflichtenzuwachs in der Aktiengesellschaft Beleuchtet werden im weiteren Verlauf die durch die Einführung einer verpflichtenden CSR-Berichterstattung angereicherten Pflichten der einzelnen Organe der Aktiengesellschaft und der für die Bilanzierung maßgeblichen Hilfspersonen.
A. Leitungsorgan als erklärendes Organ Nach Art. 33 Abs. 1 der CSR-Richtlinie haben die Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane die gemeinsame Aufgabe, im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften „sicherzustellen“, dass die nichtfinanzielle Erklärung („der Bericht nach Artikel 19a Abs. 4“) den Anforderungen entsprechend erstellt und offengelegt wird. Da das CSR-RUG keine autonome Kompetenzverteilung bietet, ist auf die bereits bestehende „einzelstaatliche“ Zuweisung innerhalb der Aktiengesellschaft zurückzugreifen. Ihre Erstellung obliegt angesichts der Tatsache, dass es sich bei der
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Teil 3: Wirkungskreis der CSR-Berichterstattungspflicht in der AG
nichtfinanziellen Erklärung sowohl als gesonderter Abschnitt als auch als integrierter Bestandteil um eine Erweiterung des (Konzern-)Lageberichts handelt, gleichermaßen nach § 264 Abs. 1 S. 1 HGB den gesetzlichen Vertretern des berichtspflichtigen Unternehmens, mithin dem Vorstand der Aktiengesellschaft.6 Nicht ausdrücklich vom Wortlaut („Lagebericht“) nach § 264 Abs. 1 S. 1 und S. 3 HGB i.V.m. § 78 Abs. 1 S. 1 AktG erfasst wäre dabei zwar der gesonderte nichtfinanzielle Bericht, sodass dessen Erstellung nicht unmittelbar dem Vorstand zufallen würde.7 Von der Begründung unterschiedlicher Zuständigkeiten bei andersartiger Ausgestaltung der nichtfinanziellen Erklärung kann allerdings nicht ausgegangen werden. Der gesonderte nichtfinanzielle Bericht bietet zwar eine besondere Ausgestaltungsmöglichkeit, soll an der grundsätzlichen Vorstandszuständigkeit jedoch nichts ändern. Zum gleichen Ergebnis kommt man bei Betrachtung des Gesetzgeberwillens, der die Integration des gesonderten Berichts in die Vorlagepflicht des Vorstands an den Aufsichtsrat nach § 170 AktG ausdrücklich anordnet.8 Sowohl bei der Aufstellung der nichtfinanziellen Erklärung als Bestandteil des Lageberichts als auch bei der Aufstellung des gesonderten Berichts handelt es sich außerdem um eine Maßnahme der Geschäftsführung.9 Die Anfertigung der nichtfinanziellen Erklärung wird demnach in jeder ihrer Ausgestaltungsmöglichkeiten dem Vorstand der Aktiengesellschaft nach § 264 Abs. 1 S. 1 und S. 3 HGB i.V.m. § 78 Abs. 1 S. 1 AktG zuteil.10 Die folgenden Ausführungen sollen einen Einblick in den durch die nichtfinanzielle Erklärung angereicherten Pflichtenkatalog des Vorstands gewähren. Ferner soll beantwortet werden, inwieweit er Aufgaben zur eigenen Arbeitserleichterung bzw. Wissenskonzentration in gesonderten Bereichen intern wie extern an Dritte übertragen kann. Denn nur bei hinreichender Delegierbarkeit kann sich die Einrichtung von CSR-Abteilungen oder CSR-Arbeitsgemeinschaften in Aktiengesellschaften zukünftig als praktikabel erweisen.
I. Handlungspflichten des Vorstands Zwar hat der Gesetzgeber den normierten Pflichtenkatalog (§§ 90 ff. AktG) der aktienrechtlichen Vorstandspflichten überwiegend unberührt gelassen, sodass angenommen werden könnte, seine neue Aufgabe beschränke sich ausschließlich auf die Erweiterung der Rechnungslegung um eine nichtfinanzielle Erklärung nach 6
So im RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 43: „die Bestandteil des Lageberichts […] werden soll; Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289b Rn. 20; Hennrichs, ZGR 2018, 206, 210; Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 123. 7 Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 123. 8 Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 123 (Fn. 27); Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 765. 9 Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 123 (Fn. 27). 10 Fleischer, AG 2017, 509, 522; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 765.
§ 9 Pflichtenzuwachs in der Aktiengesellschaft
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§ 289b ff., § 264 Abs. 1 S. 1 und S. 3 HGB i.V.m. § 78 Abs. 1 S. 1 AktG. Im Hintergrund der bloßen Berichterstattungspflicht, sonach der Pflicht der Anfertigung und Veröffentlichung, treffen den Vorstand jedoch eine Vielzahl weiterer Aufgaben, um die ordnungsgemäße und zweckmäßige Ausfertigung der nichtfinanziellen Erklärung sicherzustellen. Neben der CSR-Berichterstattung erweitern Inventarisierungs-, Befassungs-, Entscheidungs- und Evaluierungspflichten wie auch Pflichten zur Aufklärung oder Vermeidung einer fehlerhaften oder fehlenden Berichterstattung den Verantwortungsbereich des Vorstands. Diese Tätigkeitsfelder werden im Folgenden skizziert. 1. Ausführungspflichten und Wahlrechte Grundsätzlich treffen das Leitungsorgan zwei unmittelbare Ausführungspflichten. Zum einen muss es die nichtfinanzielle Erklärung nach den §§ 289b ff. HGB ordnungsgemäß anfertigen. Zum anderen muss anschließend die nichtfinanzielle Erklärung als dessen Bestandteil zusammen mit dem Lagebericht entweder nach § 325 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB (gegebenenfalls über § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a HGB) oder als eigenständiger Bericht über das Internet gemäß § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b HGB pünktlich veröffentlicht werden. a) Anfertigung der Erklärung Verantwortlich für die Erstellung der nichtfinanziellen Erklärung ist der Vorstand des berichtspflichtigen Unternehmens, § 264 Abs. 1 S. 1 und S. 3 HGB i.V.m. § 78 Abs. 1 S. 1 AktG. Diese Anfertigung der Erklärung lässt sich in mehrere Einzeltätigkeiten auffächern. aa) Pflicht zur Geschäftsmodellbeschreibung Keine „neue“ Aufgabe bereitet dabei die Anforderung aus § 289c Abs. 1 S. 1 HGB, das Geschäftsmodell der Gesellschaft kurz zu beschreiben. Denn solch eine Beschreibung wurde aufgrund ihrer Zweckdienlichkeit für die Darstellung des Geschäftsverlaufs und der Lage des Unternehmens für gewöhnlich nach § 289 Abs. 1 HGB betrieben.11 Neu ist an § 289c Abs. 1 S. 1 HGB die ausdrückliche, gesetzliche Fixierung einer Geschäftsmodellbeschreibungspflicht und eine Pflicht zur Veröffentlichung dieser Beschreibung in der nichtfinanziellen Erklärung. So begründet § 289c Abs. 1 HGB formal eine neue, CSR-bezogene Geschäftsmodellbeschreibungspflicht für das Leitungsorgan des Unternehmens und konstitutiv die Veröffentlichung des Ergebnisses.12 11
Siehe S. 63; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 289c Rn. 2. Zur formalen Berichterstattungspflicht Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 16. 12
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Teil 3: Wirkungskreis der CSR-Berichterstattungspflicht in der AG
bb) Auseinandersetzung mit ausdrücklich benannten CSR-Belangen Fremd war bis dato auch der gesetzliche Zwang, sich mit einer Reihe ausdrücklich benannter Aspekte (§ 289c Abs. 2 HGB) zu befassen. Zwar waren nichtfinanzielle Leistungsindikatoren nach § 289 Abs. 3 HGB, soweit diese für das Verständnis des Geschäftsverlaufs oder der Lage von Bedeutung sind, bereits zuvor in die Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft miteinzubeziehen und unter Bezugnahme auf die im Jahresabschluss ausgewiesenen Beträge und Angaben zu erläutern. Dabei wurden jedoch nur beispielhaft „Informationen über Umwelt- und Arbeitnehmerbelange“ als „nichtfinanzielle Leistungsindikatoren“ genannt. Der Umfang und die Tiefe dieser Ausführungen hingen immer von der Größe des Unternehmens und den branchen- und unternehmensspezifischen Eigenarten ab.13 Obzwar der objektive Anwendungsbereich der nichtfinanziellen Leistungsindikatoren schon bislang weit verstanden worden ist, gibt § 289c Abs. 2 HGB nunmehr anhand der Benennung einer Reihe ausdrücklich zu berücksichtigender Belange einen verbindlichen Rahmen vor. Somit erweitert die nichtfinanzielle Erklärung die Reichweite der festen Auseinandersetzung des Vorstandes mit nichtfinanziellen Leistungsindikatoren. Überdies stellt die Berichterstattung über nichtfinanzielle Leistungsindikatoren nach § 289 Abs. 3 HGB auch nicht den Hauptzweck der Berichterstattung über den Geschäftsverlauf einschließlich Geschäftsergebnis und -lage nach § 289 Abs. 1 HGB dar, sondern ist im Rahmen dessen mehr als Nebenprodukt der Berichterstattung anzuerkennen.14 Darüber geht die nichtfinanzielle Erklärung hinaus und bietet statt einer vagen Bezugnahme im Rahmen der Analyse des Geschäftsverlaufs und der Geschäftsentwicklung eine selbstständige Berücksichtigung jedes einzelnen Belangs in einer eigenständigen Erklärung.15 cc) Identifizierung wesentlicher Informationen Im Zuge dieser Auseinandersetzung mit den einzelnen Belangen stellt sich für den Vorstand stets die Frage nach der Wesentlichkeit von Informationen im Sinne des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB. § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB schränkt die CSR-Berichtspflicht der Aktiengesellschaft insoweit ein, als dass zu den einzelnen Aspekten nur solche Angaben gemacht werden müssen, „die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft sowie der Auswirkungen ihrer Tätigkeiten erforderlich sind“. Der Vorstand hat stets zu erwägen, ob eine in Frage stehende Information ein doppeltes „Beeinflussungspotenzial“ aufweist. Das heißt: 13 14 15
Kleindiek, in: MünchKommBilanzrecht, HGB, § 289 Rn. 107. Roth-Mingram, CSR, S. 116. RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 51.
§ 9 Pflichtenzuwachs in der Aktiengesellschaft
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(1) Ist vernünftigerweise zu erwarten, dass eine Auslassung oder fehlerhafte Angabe dieser Information Entscheidungen beeinflusst, die ein Nutzer auf der Grundlage des Abschlusses des Unternehmens trifft? (2) Fungiert diese Angabe gleichzeitig als Einwirkungsindikator auf die relevanten Belange?16 Kommt der Vorstand aufgrund eines Widerspruchs zu diesen beiden Fragen zu dem Ergebnis, die Wesentlichkeit einer Angabe abzulehnen, hat er die Irrelevanz eines Aspekts dennoch gemäß § 289c Abs. 4 HGB zu erklären. Kommt er zu einem positiven Ergebnis ist er diesbezüglich berichtspflichtig. Jedenfalls obliegt ihm die Pflicht, relevante, wesentliche Informationen zu identifizieren, indem er sie der doppelten Wesentlichkeitsprüfung unterwirft. dd) Konzept- und Ergebnisbeschreibung sowie Comply or Explain Erst anschließend kann er sich damit vertraut machen, welches Engagement in den für das Unternehmen wesentlichen CSR-Bereichen vorliegt, welche Entwicklungen erwartet werden und inwieweit Einarbeitungsbedarf besteht. Nachdem der Vorstand die erforderlichen Informationen eingeholt und einer Wesentlichkeitsprüfung unterzogen hat, ist auf dieser Grundlage die weitere Handhabung der Aspekte zu entscheiden. Soll gemäß § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB ein Konzept erstellt und beschrieben werden? Inwieweit wird bereits CSR-Arbeit im Unternehmen geleistet? Welche Ergebnisse wurden erzielt und sind gemäß § 289c Abs. 3 Nr. 2 HGB mitzuteilen? Neben der tatsächlichen Erklärungs- und Veröffentlichungspflicht steht dem Vorstand auch eine Vielzahl an Wahlrechten zu. Das bedeutendste Wahlrecht betrifft dabei die Entscheidung, ob er zu einem als wesentlich identifizierten Aspekt ein Konzept entwickeln möchte oder nicht. Besteht bereits ein Konzept zu einem wesentlichen Aspekt, ist dieses nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB samt seinen Ergebnissen, § 289c Abs. 3 Nr. 2 HGB, unter Einschluss der tatsächlich angewandten Due-Diligence-Prozesse vom Vorstand zu beschreiben.17 Lediglich die Entscheidung, bei Nichtvorliegen von einer Erstellung abzusehen, stellt der Comply or Explain-Regelungsmechanismus nach § 289c Abs. 4 HGB frei.18 Entscheidet sich der Vorstand letztendlich für ein Konzept, unterfällt er der Pflicht zur Erstellung desselben.19 Fällt die Entscheidung negativ aus, muss der Vorstand diese zu jedem in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekt klar und begründet erläutern (§ 289c Abs. 4 HGB), auch wenn sich die Begründung und Erläuterungen darin erschöpfen, dass ein Aspekt keine im Sinne des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB relevanten Informationen bereithält. 16 17 18 19
Siehe S. 72 f. Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1362. Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1362. Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1362 f.; Bachmann, ZGR 2018, 231, 236.
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Teil 3: Wirkungskreis der CSR-Berichterstattungspflicht in der AG
ee) Beschreibung der übrigen Einzelangaben nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 – 6 HGB Mit der Identifizierung wesentlicher Informationen geht die Bestimmung wesentlicher Risiken im Sinne des § 289c Abs. 3 Nr. 3 und § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB und ihre Nennung einher. Weitergehend muss sich der Vorstand zur Evaluierung wesentlicher Risiken intensiv mit der CSR-Relevanz sämtlicher Geschäftsbeziehungen, Produkte und Dienstleitungen beschäftigen und dahingehend, wenn erforderlich, weitere nach § 289c Abs. 3 Nr. 5 und § 289c Abs. 3 Nr. 6 HGB notwendige Angaben machen. ff) Veröffentlichungsart und Verwendung von Rahmenwerken Als weiteres Wahlrecht obliegt ihm die Entscheidung, auf welche Art und Weise die nichtfinanzielle Erklärung veröffentlicht werden soll und ob das Unternehmen sich bei der inhaltlichen Ausgestaltung eines Rahmenwerkes nach § 289d HGB bedient oder nicht. Da nicht alle der genannten Rahmenwerke tatsächlich sämtliche vom Gesetz geforderten Angaben betreffen oder etwa abweichende Anforderungen an den Umfang der Berichterstattung haben, muss er sich damit auseinandersetzen, welches Rahmenwerk für seine Berichterstattung sinnvoll ist und wo Ergänzungen notwendig sind.20 b) Veröffentlichung der Erklärung Schließlich muss diese Erklärung vom Vorstand veröffentlicht werden. Dabei hat er die Möglichkeit, die vollintegrierte und die als separaten Abschnitt erstellte nichtfinanzielle Erklärung nach § 325 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB (i.V.m. § 78 Abs. 1 AktG) der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Anfertigung eines gesonderten Berichts ermöglicht dem Vorstand zwei Alternativen der Veröffentlichungsweise. Zum einen kann er diesen nach §§ 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. a, 325 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB gemeinsam mit dem Lagebericht oder nach § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b HGB auf der eigenen Internetseite des Unternehmens spätestens vier Monate nach dem Abschlussstichtag und mindestens für zehn Jahre veröffentlichen, sofern der Lagebericht auf diese Veröffentlichung unter Angabe der Internetseite Bezug nimmt.21
20
Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 765. Die Verantwortung des Vorstands ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Gesetzestext (§ 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b HGB), kann jedoch allgemeinen Grundsätzen der Verantwortlichkeit für die Offenlegung des Lageberichts entnommen werden. Da auch der gesonderte nichtfinanzielle Bericht auf der Internetseite Bestandteil des Lageberichts ist, gelten für diesen dieselben Anforderungen; siehe S. 62. 21
§ 9 Pflichtenzuwachs in der Aktiengesellschaft
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2. Vorbereitungs- und Verifizierungspflichten Bevor sich der Vorstand mit den CSR-relevanten Informationen inhaltlich auseinandersetzen kann, muss er sämtliche potenziell relevanten Informationen identifizieren, organisieren und gegebenenfalls verifizieren.22 Die Organisationspflicht trifft den Vorstand selbst dann, wenn eine Aufarbeitung lediglich ergibt, dass es zu einem Aspekt keine für das Unternehmen wesentlichen Informationen gibt. Das bedeutet, dass zu jeder Information neben der Identifizierung als relevant und der weiteren Handhabung bereits im Vorfeld die jeweilige Grundlage einer Entscheidung geschafft werden muss. Jegliche potenziell relevanten Informationen sind dementsprechend zuerst zu erfassen und zu systematisieren, bevor sie bewertet und gesteuert werden können.23 Erst auf dieser Vorbereitungs- und Verifizierungsgrundlage können weitere Identifizierungs- und Steuerungsarbeiten verrichtet werden. 3. CSR-Compliance Eine weitere Aufgabe der Geschäftsleitung ist neben der eigenen Legalität auch die Organisation und Überwachung der sonstigen Tätigkeiten und der damit verbundenen Rechts- und Regeleinhaltung der Gesellschaft.24 So obliegt dem Vorstand als besondere Ausprägung seiner Leitungs- und Sorgfaltspflicht die Pflicht, Gesetzesverstöße der Gesellschaft zu verhindern und das Erfüllen der gesetzlichen Verpflichtungen sicherzustellen. Das gilt im engeren Sinne für ihn selbst und im weiteren Sinne für die Gesellschaft samt ihrer Mitarbeiter.25 Als Rechtsgrundlage ist insoweit auf §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 AktG zu verweisen.26 Die Einrichtung eines wirksamen Compliance-Systems soll darauf abzielen, mögliche Risiken zu identifizieren und drohende Haftungen zu vermeiden. Zwar besteht grundsätzlich keine ausdrückliche Verpflichtung des Vorstands zur Einrichtung einer formalisierten Compliance-Organisation. Gerade für CSR-berichtspflichtige Gesellschaften ist aufgrund ihrer schon durch den Anwendungsbereich der CSR-Berichtspflicht vorgegebenen Größe, ihrer Orientierung am Kapitalmarkt und ihrer Risikoexposition regelmäßig dennoch eine gewisse Verbindlichkeit zur Einrichtung anzunehmen. Ziff. I. A. 2 DCGK 2019 enthält zum Beispiel für Vorstände börsennotierter Gesellschaften, Unternehmen entsprechender Größe, die ausdrückliche Empfehlung, ein an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Com22 Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 765 f.; auch Bachmann, ZGR 2018, 231, 236, der diese Aufgaben also solche ausdrücklich im Vergleich mit der Werkleistung anspricht. 23 Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1363; Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 293. 24 Spindler, in: MünchKommAktG, § 91 Rn. 17; Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 114; Kort, NZG 2012, 926. 25 F. Gaul, AG 2018, 505, 507. 26 J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 12; Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 28; Simon/Merkelbach, AG 2014, 318, 319.
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pliance Management System einzurichten. Beschäftigten sowie Dritten soll auf geeignete Weise die Möglichkeit eingeräumt werden, geschützt Hinweise auf Rechtsverstöße im Unternehmen zu geben.27 Der Vorstand einer CSR-berichtspflichtigen Gesellschaft hat sich ohnehin gründlich über die Risikoexposition seines gesamten Unternehmens zu informieren und dahingehend die zumutbaren organisatorischen Maßnahmen zur Vermeidung der Realisierung zu treffen.28 Hinzuzufügen ist nun in dieses bereits bestehende Compliance System jedenfalls die CSRspezifische Risikobewertung29 im Sinne des § 289c Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 4 HGB.30 Unabhängig von seiner CSR-spezifischen Risikobewertung sollte der Vorstand ferner für die Einhaltung der CSR-Berichtsanforderungen sorgen, um mögliche Haftungsrisiken und Reputationsschäden klein zu halten.31 Neben der Integrierung der bereits identifizierten Risiken nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 und § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB in das bestehende Compliance-System ist die Legalität der CSR-Berichterstattung zu sichern. Das gelingt dem Vorstand, indem er potenzielle CSR-Gesetzesverletzungen erfasst, würdigt und Maßnahmen zur Vermeidung der Risikorealisierung abwägt.32 4. Unterrichtung des Aufsichtsrats nach § 170 AktG Um dem Aufsichtsrat in Erfüllung seiner Kontrollfunktion nach § 111 AktG eine ordnungsgemäße Prüfung der Abschlüsse als eine seiner verantwortungsvollsten Aufgaben zu ermöglichen, hat ihm der Vorstand nach § 170 AktG bestimmte Berichte vorzulegen.33 Unter den geforderten Vorlagen befindet sich unter anderem der Lagebericht nach §§ 289 ff. HGB. Soweit die CSR-Erklärung in den Lagebericht vollintegriert oder als separater Abschnitt als Teil des Lageberichts angefertigt wurde, ist diese samt Lagebericht dem Aufsichtsrat gemäß § 170 Abs. 1 S. 1 HGB zu unterbreiten.34 Hat sich der Vorstand entschieden, einen gesonderten nichtfinanziellen Bericht nach § 289b Abs. 3 HGB zu erstellen, ist dieser unverzüglich nach Erstellung dem Aufsichtsrat gemäß § 170 Abs. 1 S. 3 HGB weiterzuleiten.
27
Regierungskommission Deutscher Corporate Governanve Kodex, in der Fassung v. 16. 12. 2019, S. 4. 28 Spindler, in: MünchKommAktG, § 91 Rn. 17. 29 Siehe S. 76 ff. 30 Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1363. 31 So auch Bachmann, ZGR 2018, 231, 250. 32 Zur fortlaufenden Überwachung Hoffmann/Schieffer, NZG 2017, 401, 402; siehe hierzu auch umfassend Spießhofer, NZG 2018, 441 ff. 33 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 65; Hennrichs/Pöschke, MünchKommAktG, § 170 Rn. 1 ff. 34 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 65; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 765.
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5. Vorlagepflicht nach § 320 Abs. 1 HGB und § 320 Abs. 3 S. 1 HGB Zugleich wird die Pflicht des Vorstandes zur Abschlussprüferunterrichtung um die nichtfinanzielle Erklärung als Bestandteil des (Konzern-)Lageberichts und den gesonderten nichtfinanziellen (Konzern-)Bericht ergänzt. 6. Keine Pflicht zur Beauftragung einer externen Prüfung Den Vorstand der Gesellschaft trifft keine Pflicht, eine externe inhaltliche Prüfung durch die Beauftragung eines Dritten vornehmen zu lassen.35 Dies ergibt sich im Umkehrschluss zu § 289b Abs. 4 HGB. Danach ist die Beurteilung des Prüfungsergebnisses in gleicher Weise, also auf dieselbe Veröffentlichungsart und zum selben Veröffentlichungszeitpunkt, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies gilt jedoch nur, soweit sich der Vorstand für eine externe inhaltliche Überprüfung der CSRErklärung entscheidet. Wird auf Veranlassung der Aktiengesellschaft zusätzlich eine externe inhaltliche Überprüfung der CSR-Berichterstattung vorgenommen, ist dieses Ergebnis aufgrund seiner Relevanz für die Erklärungsadressaten zu veröffentlichen.36 Dem Vorstand obliegt gleichermaßen die Entscheidung, keine inhaltliche Überprüfung vornehmen zu lassen. Eine Pflicht zur Beauftragung einer externen Prüfung besteht nicht. 7. Ein neues „Pflichtenbündel“37 für den Vorstand Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass den Vorstand neben den beiden offensichtlichen Ausführungspflichten, der Erstellung und Veröffentlichung, die Pflicht zur Verrichtung weitergehender Einzeltätigkeiten treffen. Dabei stehen dem Vorstand Wahlrechte zu, von deren Ausführung er nicht etwa gänzlich absehen kann, sondern irgendeine Entscheidung treffen muss. Das ist der Fall bei der Frage, ob er Rahmenwerke nach § 289d HGB verwenden möchte oder nicht, auf welche Art er die nichtfinanzielle Erklärung veröffentlichen möchte (vollintegriert, separater Abschnitt, gesonderter Bericht) oder ob er zu einem Aspekt überhaupt nichts erklären möchte, § 289c Abs. 4 HGB. Natürlich muss der Vorstand Vorbereitungsmaßnahmen treffen, um potenziell relevante Informationen einzuholen und diese zu verifizieren. Außerdem muss er sich im Wege einer „CSR-Inventur“ vergewissern, inwieweit die genannten fünf
35 Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289b Rn. 60; RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 46. 36 Merkt, in: Baumbach/Hopt, § 289b Rn. 5. 37 Bachmann, ZGR 2018, 231, 236.
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Belange in seinem Unternehmen eine Rolle spielen, um hierauf aufbauend entscheiden zu können, ob er ein schlüssiges CSR-Konzept erstellen möchte. Bei positiver Entscheidung hat er darüber hinaus für eine klare CSR-Strategie zu sorgen. Fällt diese Entscheidung negativ aus, hat er auch dies nach § 289c Abs. 4 HGB zu erläutern. Nur durch diesen durch Einzeltätigkeiten angereicherten Prozess kann er schließlich eine ordnungsgemäße Erklärung nach § 289b ff. HGB erstellen und abgeben.
II. Delegation und Übertragbarkeit an Dritte Da den Vorstand durch die Neuregelungen der §§ 289b ff. HGB eine Vielzahl neuer Aufgaben treffen, kann es zum Zwecke der eigenen Arbeitsentlastung und – effektivität sinnvoll sein, einen Teilbereich des Pflichtenbündels zu delegieren oder an Dritte zu übertragen. 1. Grundsätzliche Delegations- und Übertragungsmöglichkeiten des Vorstands Bei Vorstandsaufgaben muss grundsätzlich zwischen Geschäftsführungs- und Leitungsaufgaben differenziert werden.38 Neben der terminologischen Ausdifferenzierung der beiden Geschäftsleiterpflichten im Gesetz in § 76 AktG und § 77 AktG ergeben sich auch bezüglich ihrer Übertragbarkeit wesentliche Unterschiede.39 Vereinfacht handelt es sich bei der Geschäftsführung um jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit des Vorstands für die Aktiengesellschaft,40 wohingegen die Gesellschaftsleitung als Teilbereich der Geschäftsführungsaufgaben die grundsätzliche Führungsfunktion des Vorstandes meint.41 Eine Delegation der Geschäftsführungsaufgaben aus § 77 Abs. 1 AktG ist möglich, solange es sich nicht um Bereiche der unabdingbaren Gesamtzuständigkeit handelt.42 Aus dem Prinzip der Gesamtleitung folgt, dass bestimmte Aufgaben kraft Natur der Sache in der Verantwortung des Gesamtvorstands bleiben müssen.43 Daraus lässt sich ableiten, dass einige Aufgaben nicht im Wege arbeitsteiligen Zu38
Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 14. Fleischer, ZIP 2003, 1, 3. 40 Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 77 Rn. 2. 41 J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 8; Fleischer, ZIP 2003, 1, 4; Fleischer, Handbuch des VorstandsR, § 1 Rn. 11. 42 Vedder, in: Grigoleit, AktG, § 77 Rn. 3. 43 Kort, NZG 2005, 963. 39
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sammenwirkens auf einzelne Vorstandsmitglieder, nachgeordnete Unternehmensebenen oder außenstehende Dritte übertragen werden dürfen.44 Diese unverzichtbaren Leitungspflichten des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG sind nicht abschließend im Gesetz geregelt, lassen sich jedoch typologisch umschreiben.45 Dazu gehören zum einen sämtliche Aufgaben, die dem Vorstand durch eine gesetzliche Anordnung zugewiesen werden.46 Zum anderen werden die Leitungsaufgaben um herausgehobene Aufgaben der Unternehmensführung wie die Unternehmensplanung (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG), die Unternehmenskoordinierung, die Unternehmenskontrolle sowie die Besetzung von Führungsposten bereichert, um eine umfassende Steuerung des Unternehmens zu ermöglichen.47 Fleischer konzentriert sich bei seiner Differenzierung mehr auf die Verantwortungs- und weniger auf die Aufgabenbereiche als solche und stellt die Frage, ob die jeweilige, konkrete Aufgabe der Planungs- und Steuerungsverantwortung, der Organisationsverantwortung, der Finanzverantwortung und/oder der Informationsverantwortung des Leitungsorgans zugeordnet werden kann.48 Um auf die Besonderheiten des jeweiligen Unternehmens einzugehen, berücksichtigt er außerdem jene Maßnahmen oder Geschäfte, die für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind oder mit denen ein außergewöhnliches Risiko verbunden ist.49 Diese Vorgehensweise führt besonders im Hinblick auf die konkrete Unternehmensbetrachtung zu einer funktionsbezogenen, mithin stärker fallbezogenen Eingrenzung.50 Letztlich darf bei beiden Modellen die Leitungskompetenz als unübertragbare Führungsverantwortung des Vorstands nicht weitergegeben werden, da sie Teil seiner organschaftlichen Verantwortung ist.51 Wesentliches Merkmal dieser Vorstandsaufgaben ist sonach die Entscheidungsverantwortung, welche delegationsfeindliche Aufgaben von solchen abgrenzt, die im Wege arbeitsteiligen Zusammenwirkens auf einzelne Vorstandsmitglieder, nachge-
44
Fleischer, Handbuch des VorstandsR, § 1 Rn. 6. Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 15; Fleischer, Handbuch des VorstandsR, § 1 Rn. 15. 46 Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 35; Dreher, in: FS Hopt 2010, S. 517, 523; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6. 47 Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 36; Dreher, in: FS Hopt 2010, S. 517, 522; Grigoleit, in: Grigoleit, AktG, § 76 Rn. 84 ff.; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, § 1 Rn. 11. 48 Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. 49 Fleischer, ZIP 2003, 1, 6. 50 Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. 51 Freund, NZG 2015, 1419, 1422 f.; Stein, ZGR 1988, 163, 168; Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 14, 18. 45
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ordnete Unternehmensebenen oder außenstehende Dritte übertragen werden dürfen.52 Entgegen „delegationsfeindlicher Leitungsaufgaben“53 mit Entscheidungsverantwortung unterliegen die entsprechenden Ausübungsaufgaben als Nichtleitungsaufgaben jedoch keinem entsprechendem Delegations- und Übertragungsverbot.54 § 76 Abs. 1 AktG verlangt nur, dass die Wahrnehmung der Leitungsverantwortung, nicht jedoch auch die dazugehörigen Vorbereitungs- und Ausführungsaufgaben eigenhändig vom Vorstand übernommen werden.55 Darunter sind beispielsweise Informationsbeschaffungsaufgaben, Vorbereitung von Führungsaufgaben oder andere Hilfsaufgaben zu verstehen.56 Diese können als mit den Leitungsaufgaben verbundene Einzelaufgaben an einzelne Vorstandsmitglieder, nachgeordnete Unternehmensebenen oder externe Dritte übertragen werden, solange der Vorstand keine Einbuße an Beurteilungs- und Entscheidungsfreiraum erleidet. Darüber hinaus hat der Vorstand weiterhin dafür Sorge zu tragen, dass die Aufgabenwahrnehmung sorgfältig erfolgt.57 Das gelingt ihm unter anderem, indem er Informations-, Kontroll- und Prüfungsmechanismen einrichtet und sich bei der Übertragung an Dritte entsprechende Rechte einräumen lässt.58 2. CSR-bezogene Delegations- und Übertragungsmöglichkeiten Diese grundsätzlichen Delegations- und Übertragungsmöglichkeiten sind entsprechend auf die konkreten CSR-bezogenen Pflichten anzuwenden. Daher kann die Frage gestellt werden, inwieweit sich die Einrichtung von CSR-Abteilungen oder CSR-Arbeitsgemeinschaften in Aktiengesellschaften zukünftig als praktikabel und arbeitserleichternd für den Vorstand erweisen könnte. a) Ausdrücklich kodifizierte Leitungsaufgaben Bestandteil der Mindestzuständigkeiten des Vorstandes, eine ausdrücklich im Gesetz fixierte Leitungspflicht, ist unter anderem die Buchführungspflicht nach § 91 Abs. 1 AktG.59 52
Fleischer ZIP 2003, 1, 6; mit Bezugnahme auf nicht delegierbare „Entscheidungen“ Fleischer, in: Spindler/Stilz, § 76 Rn. 65. 53 Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 18. 54 J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 8. 55 Fleischer, ZIP 2003, 1, 6. 56 Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 18. 57 Stein, ZGR 1988, 163, 171; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6. 58 Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 18; Stein, ZGR 1988, 163, 171; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 66. 59 J. Koch, in: Hüffer/Koch, Aktiengesetz, § 91 Rn. 2 f.; Spindler, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 4; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6.
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Obwohl die Aktiengesellschaft nach § 238 Abs. 1 AktG i.V.m. § 3 Abs. 1, § 6 HGB der Verpflichtung unterliegt, ihre Bücher zu führen und dementsprechend der Vorstand bereits nach allgemeinen Grundsätzen verantwortlich wäre, betont § 91 Abs. 1 AktG nochmals dessen Buchführungsverantwortung.60 Der Inhalt der Pflicht zur Führung der erforderlichen Handelsbücher bemisst sich nach den allgemeinen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten aus §§ 238 ff. HGB und ferner den für die Kapitalgesellschaften relevanten §§ 264 bis 335b HGB.61 Darunter fällt unter anderem die Verantwortlichkeit zur Anfertigung einer nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b Abs. 1, 264 Abs. 1 S. 1 HGB und §§ 289b Abs. 1, 264 Abs. 1 S. 3 HGB (i.V.m. § 78 Abs. 1 S. 1 AktG).62 Deren Erstellung hat also in der Gesamtverantwortung des Vorstands als dessen Pflichtaufgabe zu verbleiben.63 Dasselbe Ergebnis ergibt sich auch aus § 170 Abs. 1 AktG, der neben der Verantwortung des Vorstands, den Aufsichtsrat zu unterrichten, auch die Pflichtaufgabe, den Lagebericht (samt nichtfinanzieller Erklärung) aufzustellen, impliziert.64 Ebenfalls nicht delegier- oder übertragbar ist ebendiese Unterrichtung des Aufsichtsrats nach § 170 AktG und die Vorlagepflicht nach § 320 HGB, da auch jene von Gesetzes wegen dem Vorstand als Kollegialorgan zugewiesen sind.65 Zur Pflicht des Vorstands, dafür zu sorgen, dass der CSR-Bericht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, ist nichts Abweichendes zu sagen. Sie trifft ebenfalls ausdrücklich den Vorstand.66 Auch diese Verantwortung ist nicht übertragbar. Aus der Verpflichtung des Vorstands aus § 76 Abs. 1 AktG resultiert, dass das Unternehmen den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend zu organisieren und zu führen ist. Weiterführend obliegt es dem Vorstand als zentralen Teil seiner Organisations- und Kontrollaufgabe, ein Frühwarnsystem nach § 91 Abs. 2 AktG einzurichten. Möge man der Verpflichtung zur Einrichtung eines Compliance Management Systems auch eine andere gesetzliche Grundlage unterstellen, bleibt sie jedenfalls unübertragbare Leitungsaufgabe des Vorstands.67 Daraus ergibt sich, dass 60 J. Koch, in: Hüffer/Koch, Aktiengesetz, § 91 Rn. 2; Dreher, in: FS Hopt 2010, S. 517, 520 f.; Kort, in: GroßKomm-AktG, § 91 Rn. 4; Spindler, in: MünchKommAktG, § 91 Rn. 4. 61 Kort, in: GroßKomm-AktG, § 91 Rn. 8 f. 62 Siehe S. 99. 63 Zur Verantwortlichkeit des Vorstands Störk/Schellhorn, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 264 Rn. 11 f. 64 Zur Pflichtaufgabe des Vorstands Dreher, in: FS Hopt 2010, S. 517, 520 f. 65 § 170 als im Gesetz genannte Leitungsaufgabe Kort, in: GroßKomm-AktG, § 76 Rn. 36. 66 Diese muss nicht durch sämtliche Vorstandsmitglieder höchstpersönlich wahrgenommen werden. Eine horizontale Delegation ist möglich. Die übrigen Mitglieder bleiben zur Hinwirkung auf eine ordnungsgemäße und fristgerechte Offenlegung verpflichtet, so Grottel, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 325 Rn. 32. 67 Weber, in: Hölters, AktG, § 76 Rn. 28; J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 11 f.; LG München AG 2014, 332 ff.; Fleischer, NZG 2014, 321, 323.
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die Integrierung von CSR in das Compliance Management System des Unternehmens „Chefsache“ ist und damit gleichermaßen unübertragbar bleibt. b) Leitungsaufgaben mit Entscheidungsverantwortung Neben diesen ausdrücklich fixierten Leitungsaufgaben können den Vorstand hinsichtlich der CSR-Berichterstattung nicht kodifizierte Pflichtaufgaben kraft Entscheidungsverantwortung treffen. Es handelt sich bei solchen CSR-Aufgaben um unübertragbare Pflichtaufgaben des Vorstands als Gesamtorgan, die in seinen ungeschriebenen, unentziehbaren Verantwortungsbereich fallen. Um feststellen zu können, ob und welche Aufgaben in Zusammenhang mit den CSR-Konzepten zu den unverzichtbaren Leitungsaufgaben gehören, werden die Einzeltätigkeiten, die den Vorstand im Zusammenhang mit den CSR-Konzepten gegebenenfalls treffen, daher in Kürze wiederholt. Im Rahmen der CSR-Inventur muss sich der Vorstand mit den Informationen zu sämtlichen CSR-Aspekten auseinandersetzen, diese organisieren und daraus die wesentlichen Angaben im Sinne des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB filtern. Wird eine Information als wesentlich identifiziert, ist zu diesem Aspekt das verfolgte Konzept zu beschreiben. Besteht kein Konzept zu einem als wesentlich identifizierten Belang, befindet sich der Erklärende aufgrund des Comply or Explain-Mechanismus aus § 289c Abs. 4 HGB in Erklärungsnot und muss erwägen, ob er ein Konzept erstellen möchte oder nicht. Besonders in den Vordergrund rücken dabei die Auseinandersetzung mit wesentlichen Aspekten und die Entscheidung, ob hinsichtlich der als wesentlich identifizierten Belange CSR-Strategien entwickelt werden sollen. Der Vorstand unterliegt gerade an dieser Stelle einem gewissen Entscheidungsbedürfnis. Werden Belange als wesentlich identifiziert, handelt es sich nunmehr schon technisch nur um solche Aspekte, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses oder der Lage der Kapitalgesellschaft erforderlich sind. Gerade aufgrund dieses enormen Auswirkungspotenzials auf die zukünftige Unternehmenspolitik könnte es sich bei diesen Einzeltätigkeiten des Vorstands um solche handeln, die in dessen Entscheidungsverantwortung bleiben müssen. Dabei geht es im Grunde um die Frage, ob, in welchen Bereichen und in welchem Ausmaß CSR-Konzepte im Sinne von § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB verfolgt werden sollen.68 aa) CSR-Konzepte als Bestandteil der Planungsund Steuerungsverantwortung Im Folgenden stellt sich die Frage, ob die Entscheidungen rund um die Konzepterstellung unmittelbar einer der bekannten herausgehobenen Aufgaben der 68
Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1362 f.; Bachmann, ZGR 2018, 321, 239.
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Unternehmensführung zugeordnet werden können. Das betrifft Aufgaben der Planungs- und Steuerungsverantwortung, der Organisationsverantwortung, der Finanzverantwortung und/oder der Informationsverantwortung des Leitungsorgans.69 Zunächst handelt es sich offensichtlich nicht um eine Aufgabe der Finanzverantwortung oder der Informationsverantwortung. Für eine Zuordnung zur Organisationsverantwortung des Vorstands besteht ebenfalls kein Raum, da bei dieser vor allem die Gliederung der Gesellschaft in funktionsfähige Teileinheiten sowie das strukturelle Gerüst des Unternehmens im Vordergrund steht.70 Die Entscheidung über CSR-Konzepte könnte der Planungs- und Steuerungsverantwortung des Vorstands zugeordnet werden. Diese umfasst vor allem die Aufgabe, für die Gesellschaft einen strategischen Rahmen vorzugeben.71 Dabei geht es um die langfristigen Unternehmensziele, die Festlegung wesentlicher Geschäftsfelder sowie die wichtigsten Investitionsentscheidungen des Unternehmens. Je nach Geschäftsausrichtung können Entscheidungen über CSR-Konzepte jeden dieser benannten Steuerungsbereiche flankieren.72 Als Beispiel kann ein Unternehmen mit einem derart hohen Wasserverbrauch angeführt werden, weshalb Angaben über den tatsächlichen Verbrauch für diese wesentliche Information darstellen. Entscheidet sich das Unternehmen hier anschließend für langfristige Maßnahmen und Ziele in Bezug auf den Umgang mit dem Belang „Umwelt“, kann dies zu wesentlichen Investitionsentscheidungen, zur Festlegung eines wesentlichen Geschäftsfeldes oder zum Beschluss eines langfristigen Unternehmensziels führen. Am häufigsten wird dabei wohl eine Zuordnung der Maßnahmen und Ziele zu den langfristigen Unternehmenszielen stattfinden. Unter anderem wird vertreten, dass CSR-Konzepte ausnahmslos Teil der Unternehmensplanung und der ihr zugrundeliegenden Strategien seien. Denn diese ließen sich unter dem Begriff der Nachhaltigkeitsplanung problemlos in die Aufgaben der Gesamtplanung des Unternehmens einreihen.73 bb) CSR-Konzepte als „Chefsache“ Abhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell ist festzustellen, dass CSR-Konzepte für den Bestand und die Zukunft des Unternehmens von unmittelbarer Bedeutung sein können und dadurch nur aus dem Unternehmensganzen heraus getroffen werden können und dürfen.74
69 70 71 72 73 74
Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. Fleischer, ZIP 2003, 1, 5. Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1363. Fleischer, Handbuch des VorstandsR, § 1 Rn. 13.
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Von dieser unmittelbaren Bedeutung ist wohl auch regelmäßig auszugehen, da sich der Vorstand der Frage, ob, in welchen Bereichen und in welchem Ausmaß CSRKonzepte im Sinne von § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB verfolgt werden sollen, nur dann stellen muss, wenn eine Information vorher als wesentlich identifiziert wurde. Würde der Vorstand diese Entscheidung delegieren, hätte er sowohl hinsichtlich seines planerischen Ermessens als auch in Bezug auf daraus resultierende Zwangslagen mit Einbußen an Beurteilungs- und Entscheidungsfreiraum zu rechnen. Damit gehört diese Entscheidung zu den unentziehbaren Pflichtaufgaben des Gesamtvorstandes und kann nicht übertragen werden.75 Im Ganzen ist festzuhalten, dass sich die Entscheidungen über CSR-Konzepte, wenn sie für das konkrete Unternehmen notwendig werden, aufgrund ihrer engen Beziehung zum Unternehmensganzen76 als Leitentscheidungen auszeichnen. Sie qualifizieren sich als Bestandteil des Kernbereichs der Unternehmensführung und können als unübertragbare „Chefsache“ bezeichnet werden.77 c) Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnahmen ohne Entscheidungsverantwortung Da § 76 Abs. 1 AktG nur die Wahrnehmung der Leitungsaufgaben verlangt, nicht jedoch, dass auch sämtliche Vorbereitungs- und Ausführungsaufgaben eigenhändig vom Vorstand übernommen werden müssen, bietet sich zur „Marscherleichterung“ eine Übertragung dieser Aufgaben an einzelne Vorstandsmitglieder, nachgeordnete Stellen oder externe Dritte an.78 Nach allgemeinen Grundsätzen delegierbar sind solche Aufgaben, bei denen eine Entscheidungsverantwortung kategorisch abgelehnt werden kann. Hierbei handelt es sich beispielsweise um die technische Durchführung der Pflichtaufgaben. Diese können sowohl an eigenes als auch an fremdes Personal (Rechenzentren) übertragen werden.79 Aber auch die Vorbereitung der Entscheidungsvarianten, also ihre Aufarbeitung, Systematisierung und Einordnung sowie die Beschlussvorlagen können hilfsweise vorbereitet werden, solange die letztendliche Entscheidung beim Vorstand bleibt.80
75 Im Ergebnis davon ausgehend wohl auch Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1363 (Fn. 27), der die Nachhaltigkeitspolitik unter keine der in § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG aufgelisteten Beispiele fasst. 76 Fleischer, Handbuch des VorstandsR, § 1 Rn. 15. 77 Fleischer, AG 2017, 509, 522; Fleischer, AR 2017, 65. 78 Fleischer, Handbuch des VorstandsR, § 1 Rn. 17; Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 508; Schiessl, ZGR 1992, 64, 67 f. 79 J. Koch, in: Hüffer/Koch, Aktiengesetz, § 91 Rn. 3. 80 Fleischer, Handbuch des VorstandsR, § 1 Rn. 17; Fleischer, ZIP, 2003, 1, 6.
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3. Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Vorstand bestimmte Pflichten, die sich aus dem Pflichtenbündel der CSR-Berichterstattung ergeben, durchaus delegieren oder an externe Dritte übertragen kann. Darunter finden sich vor allem Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnahmen ohne wesentliche Entscheidungsverantwortung. Die letztendliche Pflicht zur Aufstellung eines CSR-Berichts, wie auch die grundlegenden Entscheidungen, die in konkreten Einzelfällen für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sein können, müssen in der Gesamtverantwortung des Vorstands bleiben und können daher nicht übertragen oder delegiert werden.81 Davon unberührt bleiben die ihm originären zugeordneten Leitungspflichten, so seine Informationsverantwortung, Planungs- und Steuerungsverantwortung, Finanzverantwortung und die möglicherweise durch die Delegation angereicherte Organisationsverantwortung.82
III. Pflichtenbündel mit unübertragbarem Kernbestand Neben den beiden offensichtlichen Ausführungstätigkeiten, der Erstellung und Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung, treffen den Vorstand jedenfalls weitere Einzelpflichten. Dazu gehören zuvörderst Entscheidungen im Zusammenhang mit der (Nicht-) Verfolgung von CSR-Konzepten. Vorangestellt daran hat er sich außerdem um eine funktionsfähige CSR-Inventur und nützliche Vorbereitungsmaßnahmen zu kümmern. Aber auch bezüglich weiterer Dinge, wie zum Beispiel der Art der Veröffentlichung oder der Verwendung von Rahmenwerken, muss sich der Vorstand zwingend Gedanken machen. Gerade solche Entscheidungen ohne wesentliche Entscheidungsverantwortung kann er zur Arbeitserleichterung durchaus an nachgeordnete Stellen oder externe Dritte delegieren. Aufgrund der Wissenskonzentration durch den Einsatz von Fachleuten in CSRBereichen, CSR-Arbeitsgemeinschaften oder einem Nachhaltigkeitsrat, auch um für den Vorstand eine Arbeitserleichterung zu schaffen, würde sich eine dahingehende Einrichtung in den berichtspflichtigen Aktiengesellschaften anbieten. Nahezu alle Einzeltätigkeiten, Vorbereitungs- und Ausführungsmaßnahmen ohne wesentliche Entscheidungsverantwortung, auch die Vorbereitung der Entscheidungsvarianten rund um die Konzepterstellung als unübertragbare „Chefsache“, also ihre Aufarbeitung, Systematisierung und Einordnung, letztlich auch ihre technische Ausführung, können an Dritte delegiert werden.
81 82
Im Ergebnis ebenfalls Fleischer, AG 2017, 509, 522; Bachmann, ZGR 2018, 231, 239. Fleischer, ZIP 2003, 1, 5.
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B. Die Prüfung der CSR-Erklärung I. Der Abschlussprüfer Als Bestandteil des Lageberichts unterliegt auch die nichtfinanzielle Erklärung der Prüfung durch den Abschlussprüfer nach §§ 316 ff. HGB. Den konkreten Anknüpfungspunkt für den Umfang bildet dabei eigentlich § 317 Abs. 2 HGB. Anschließend hat der Abschlussprüfer den gesamten (Konzern-)Lagebericht dahingehend zu überprüfen, ob er mit dem Jahresabschluss sowie mit den gewonnenen Erkenntnissen des Abschlussprüfers im Einklang steht. Außerdem gilt zu untersuchen, ob insgesamt ein zutreffender Überblick von der Lage des Unternehmens vermittelt wird. Miteingeschlossen wird dabei die Kontrolle, ob nach § 317 Abs. 2 S. 2 HGB die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt wurden und ob nach § 317 Abs. 2 S. 3 HGB die gesetzlichen Vorschriften zur Aufstellung des (Konzern-)Lageberichts eingehalten wurden.83 Da es sich bei der nichtfinanziellen (Konzern-)Erklärung um einen Bestandteil des (Konzern-)Lageberichts handelt, müsste sich diese umfassende Prüfung durch den Abschlussprüfer auch grundsätzlich auf diesen erstrecken. 1. Formelle Prüfungspflicht des Abschlussprüfers Den dahingehenden Vorschlägen aus der Literatur,84 es bei dieser umfassenden Pflichtprüfung durch den Abschlussprüfer zu belassen, ist der Gesetzgeber jedoch nicht gefolgt.85 Vielmehr schränkt § 317 Abs. 2 S. 4 HGB den Umfang der Pflichtprüfung des Abschlussprüfers am Vorbild der Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f HGB insoweit ausdrücklich ein, als dass nur zu prüfen ist, ob die nichtfinanzielle Erklärung, der gesonderte nichtfinanzielle Bericht, die nichtfinanzielle Konzernerklärung oder der gesonderte nichtfinanzielle Konzernbericht vorgelegt wurde.86 Im Fall der nachträglichen Veröffentlichung des gesonderten nichtfinanziellen Berichts auf der Internetseite nach § 289b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 lit. b HGB hat durch den Abschlussprüfer nach § 317 Abs. 2 S. 5 HGB eine ergänzende Prüfung dieser Vorlage stattzufinden. Für diese Prüfung ist entsprechend § 316 Abs. 3 S. 2 HGB ein Nachtrag für den Bestätigungsvermerk vorzunehmen.87
83
Böcking/Groß/Rabenhorst, EBJS, HGB, § 317 Rn. 23. Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 298. 85 Böcking/Althoff, DK 2017, 246, 254; Hennrichs, NZG 2017, 841, 843. 86 Hennrichs, NZG 2017, 841, 843 f.; Böcking/Gros/Rabenhorst, EBJS, HGB, § 317 Rn. 28. 87 Böcking/Gros/Rabenhorst, EBJS, HGB, § 317 Rn. 29; Lanfermann, BB 2016, 1131, 1134; Kajüter, IRZ 2016, 507, 511. 84
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Die gesetzlich vorgeschriebene Prüfungsintensität des Abschlussprüfers begrenzt sich demnach auf eine rein formelle Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung. Begründet wird die Entscheidung des Gesetzgebers, die Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung abweichend zu anderen Prüfungsinhalten auf eine rein formelle Kontrolle zu begrenzen, mit den anderenfalls drohenden „Erwartungslücken“.88 Denn eine inhaltliche Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung könne aufgrund des damit verbundenen erheblichen zeitlichen wie finanziellen Aufwands und der tatsächlich erbringbaren Prüfungstiefe vom Abschlussprüfer nicht vorgenommen werden.89 Gerade vor dem Hintergrund, dass nichtfinanzielle Informationen nicht mit derselben Urteilssicherheit wie Finanzinformationen überprüft werden könnten, würde eine inhaltliche Prüfung durch den Abschlussprüfer eine falsche öffentliche Erwartung hervorrufen.90 Um diese unabwendbaren Erwartungslücken im Vorfeld zu verhindern, hat der Abschlussprüfer daher nur festzustellen, ob die CSR-Erklärung oder der CSR-Bericht vorgelegt wurden, jedoch nicht, ob diese inhaltlich korrekt oder unternehmensindividuell vollständig sind.91 Bei Fehlen des gesamten CSR-Berichts oder einem wesentlichen Pflichtbestandteil ist dies vom Abschlussprüfer festzustellen und der Bestätigungsvermerk einzuschränken.92 Das gilt natürlich nur, soweit die Grenze zur Prüfung auf inhaltliche Mängel nicht überschritten wird. Von den wesentlichen, erklärungspflichtigen Bestandteilen der nichtfinanziellen Erklärung sind in erster Linie die Geschäftsmodellbeschreibung nach § 289c Abs. 1 HGB und die Bezugnahme auf die in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekte umfasst. Die Bezugnahme hat dabei entweder in Form einer Konzeptbeschreibung nach § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB und § 289c Abs. 3 Nr. 2 HGB (Comply) oder bei Negativ-Entscheidung über einen Belang in Form der Erläuterung nach § 289c Abs. 4 HGB (Explain) zu erfolgen. Eine gesetzlich vorgeschriebene, unternehmensindividuelle Vollständigkeitsprüfung durch den Abschlussprüfer ist zwar grundsätzlich abzulehnen, da diese gegen den Wortlaut des § 317 Abs. 2 S. 4 HGB verstoßen würde. Entsprechend der Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f HGB, die nach § 317 Abs. 2 S. 6 HGB genauso wenig Prüfungsgegenstand einer materiellen Pflichtprüfung ist, beinhaltet aber auch eine rein formelle Vorlageprüfung immer einen gewissen materiell-rechtlichen Einschlag. Denn wie auch bei der Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f HGB handelt es sich bei der nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB um „sonstige Informationen“ im Sinne der Grundsätze einer ordnungsgemäßen Ab88
Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 228. Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 228; Velte, IRZ 2017, 325, 326. 90 Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 228. 91 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 221. 92 Bachmann, ZGR 2018, 231, 244 f.; Schmidt/Almeling, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 317 Rn. 70. 89
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schlussprüfung.93 Deren Vereinbarkeit hat der Abschlussprüfer mit den bei der Abschlussprüfung erlangten Kenntnissen trotz fehlender inhaltlicher Prüfung stets festzustellen.94 So muss der Abschlussprüfer durchaus beurteilen, ob eine wesentliche Abweichung der rein formell prüfungspflichtigen Angaben zu den inhaltlich prüfungspflichtigen Informationen oder den aus den Berichten erlangten Kenntnissen besteht.95 Die CSR-Berichterstattung muss im Kontext mit den restlichen Erkenntnissen aus der Abschlussprüfung „kritisch gelesen“ und gewürdigt werden.96 Das besitzt nur Gültigkeit, soweit keine Verwässerung der formellen und materiellen Prüfung erfolgt. Das bedeutet, dass der Abschlussprüfer die CSR-Berichterstattung zwar nicht auf inhaltliche Mängel zu überprüfen hat, dennoch bei offensichtlichen Unrichtigkeiten nach § 321 Abs.1 S. 3 HGB der Redepflicht gegenüber dem Aufsichtsrat und – je nach Schwere der Unstimmigkeit – gemäß § 322 Abs. 3 S. 2 HGB der Hinweispflicht auf einen „sonstigen“ Sachverhalt unterfällt.97 Ist eine Abweichung festzustellen, muss er den Vorstand zu Rate ziehen bzw. zur Korrektur auffordern. Hinsichtlich der fehlenden Abhilfe kommt es zu den bereits genannten Konsequenzen, der Rede- und/ oder Hinweispflicht.98 Aufgrund dieser rein formellen Prüfungspflicht des Abschlussprüfers könnte es in der Konsequenz im Fall einer vollintegrierten CSR-Berichterstattung gerade auch für den Aufsichtsrat zu praktischen Schwierigkeiten kommen. Schließlich lautet ein der nachfolgenden Untersuchung vorweggenommenes Ergebnis: Die Pflichtprüfung des Aufsichtsrats in § 171 Abs. 1 AktG wurde um die nichtfinanzielle Erklärung angereichert. Die Besonderheit der vollintegrierten Darstellungsmöglichkeit der nichtfinanziellen Erklärung besteht darin, dass nichtfinanzielle Angaben über den gesamten Lagebericht verteilt – vollintegriert – dargestellt werden können. Bezüglich des restlichen Lageberichts, also den finanziellen Angaben, bleibt der vollumfängliche Prüfungsmaßstab bestehen. Dadurch können im Lagebericht inhaltlich ungeprüfte nichtfinanzielle Informationen neben vollständig überprüften finanziellen Angaben stehen. Für den Aufsichtsrat könnte es so schwierig werden, zu filtern, welche Angaben bereits vollständig und welche nur auf ihre Plausibilität hin überprüft wurden. Das 93 Im Rahmen der Grundsätze ordnungsgemäßer Abschlussprüfung für Geschäftsberichte ab dem 15. 12. 2017 anzuwenden: International Standard on Auditing (ISA) 720 (Revised) (Entwurf-DE), D.A5.1, S. 12. 94 Velte, AG 2018, 266, 268. 95 Velte, AG 2018, 266, 268. 96 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 221; Velte, AG 2018, 266, 268; Bachmann, ZGR 2018, 231, 244 f.; Richter/Johne/König, WPg 2017, 566, 570. 97 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 221; Velte, AG 2018, 266, 268; Bachmann, ZGR 2018, 231, 244 f.; Velte, NZG 2014, 1046, 1048; Richter/Johne/König, WPg 2017, 566, 570. 98 Velte, AG 2018, 266, 268.
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könnte seine eigene Prüfung nach § 171 Abs. 1 AktG erheblich beeinträchtigen. Dem Abschlussprüfer ist daher anzuraten, entsprechend den Feststellungen zur Zulässigkeit der vollintegrierten CSR-Berichterstattung im Bestätigungsvermerk die unterschiedlichen Prüfungsintensitäten durch ausreichende Kennzeichnungen deutlich voneinander abzugrenzen.99 2. Freiwillige externe Prüfung Obzwar eine gesetzliche Pflichtprüfung durch den Abschlussprüfer gesetzlich nicht vorgesehen ist, kann dieser dennoch durch die Gesellschaft zur Durchführung einer externen inhaltlichen Prüfung beauftragt werden. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 289b Abs. 4 HGB, der die öffentliche Zugänglichmachung des Prüfungsergebnisses gerade dann erfordert, wenn die nichtfinanzielle Erklärung oder der gesonderte nichtfinanzielle Bericht [durch einen Dritten] inhaltlich überprüft worden ist.100 Diese Drittleistung kann gleichermaßen der Abschlussprüfer erbringen. Die Beurteilung des Prüfungsergebnisses ist dabei nach § 289b Abs. 4 HGB, beim Konzern folglich § 315b Abs. 4 HGB, nicht im Bestätigungsvermerk, sondern in „gleicher Weise“ wie die nichtfinanzielle Erklärung oder der gesonderte nichtfinanzielle Bericht öffentlich zugänglich zu machen.101 Bezugspunkt der Simultanität ist dabei sowohl der Ort der Erklärung als auch der Zeitpunkt.102 Die Veröffentlichung der Beurteilung des Prüfungsergebnisses hat demnach zeitgleich mit der integrierten nichtfinanziellen Erklärung im Lagebericht103 oder beim Ausweisformat des gesonderten nichtfinanziellen Berichts104 mit diesem gemeinsam zu erfolgen. Die Beauftragung des Abschlussprüfers (oder eines anderen externen Dritten)105 wird durch den Aufsichtsrat nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG ausgelöst.106 Durch die mit der Beauftragung verbundenen Entscheidungen wird dem Aufsichtsrat insoweit ein unternehmerisches Ermessen eingeräumt.107 Er hat zu bestimmten, ob die Gesellschaft die Möglichkeit der externen Beauftragung wahrnehmen möchte, wer be-
99
Siehe S. 58. Siehe auch RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 46; siehe S. 119. 101 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 46; Velte, AG 2018, 266, 269. 102 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 46. 103 Siehe S. 52. 104 Siehe S. 60. 105 Kein Vorbehalt einer externen Prüfung durch den Abschlussprüfer (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss), BTDrucks. 18/11450, S. 51). 106 Siehe S. 143. 107 Hennrichs, NZG 2017, 841, 844. 100
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auftragt werden soll und welcher Maßstab an die externe inhaltliche Prüfung angelegt werden soll.108 3. Keine Auswirkungen auf die Prüfung nach § 289 Abs. 3 HGB und § 315 Abs. 3 HGB Auch wenn sich die Berichtsinhalte der Zusatzberichterstattung über die bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren nach § 289 Abs. 3, § 315 Abs. 3 HGB und die CSR-Berichterstattung nach § 289b ff. HGB in der Praxis häufig überschneiden, ist deren gesetzlich vorgeschriebene Prüfungstiefe strikt voneinander zu trennen. So bleiben die nichtfinanziellen Leistungsindikatoren nach § 289 Abs. 3, bzw. § 315 Abs. 3 HGB weiterhin nach § 317 Abs. 2 HGB materiell prüfungspflichtig.109 4. Bilanzkontrollverfahren Gleichermaßen ist der Prüfungsmaßstab im Rahmen des Bilanzkontrollverfahrens nach §§ 342b HGB, 37n WpGH auf eine rein formelle Prüfung begrenzt.110 Danach prüft die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) im Sinne des § 342 Abs. 2 HGB lediglich, ob der Lagebericht den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Fällt der Prüfstelle dabei eine Unvollständigkeit des Lageberichtes, so zum Beispiel das vollständige Fehlen der nichtfinanziellen Erklärung, auf, kann das unter Umständen Konsequenzen, wie die öffentliche Beanstandung nach § 109 Abs. 2 S. 1 WpHG haben. Eine weitergehende Prüfung findet nicht statt. Als Prüfungsmaßstab ist jener der Abschlussprüfung anzuwenden, sodass die darin festgestellten Erkenntnisse zu übertragen sind.111 5. Die formelle Prüfung durch den Abschlussprüfer Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Abschlussprüfer die nichtfinanzielle Erklärung nach §§ 289b ff. HGB in jeder ihrer Ausgestaltungsmöglichkeiten als Bestandteil des Lageberichts in seiner Abschlussprüfung zu berücksichtigen hat.
108
511 f. 109 110 111
Hennrichs, ZGR 2018, 206, 221; Hennrichs, NZG 2017, 841, 844; Kajüter, IRZ 2016, Hennrichs, ZGR 2018, 206, 221. Blöink/Halbleib, DK 2017, 182, 191. So auch Seibt, DB 2016, 2707, 2715.
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Dabei unterscheidet sich die CSR-Berichterstattung von der regulären Abschlussprüfung dergestalt, dass eine vollumfängliche inhaltliche Prüfung vom Abschlussprüfer nicht vorgenommen werden muss. Die Pflichtprüfung im Rahmen der CSR-Berichterstattung nach § 289b ff. HGB umfasst somit grundsätzlich nur die Vorlage der nichtfinanziellen Erklärung samt ihrer wesentlichen Bestandteile, also eine rein formelle Untersuchung „technischer Natur“.112 Dies hat besonders aufgrund der maßgeblichen Aufgabe des Abschlussprüfers, dem Aufsichtsrat durch wertvolle Unterstützungsleistung, wie der Erstellung des Prüfungsberichts oder der Redepflicht in der Bilanzsitzung, zur Seite zu stehen, weitere Folgen für die Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung durch den Aufsichtsrat. Für den Abschlussprüfer erfordert dies eine Zweiteilung seiner Pflichtprüfung. In einen Teil, der vollumfänglich anhand der Maßstäbe des § 317 ff. HGB geprüft wird, und in einen zweiten, der dem Ausschluss nach § 317 Abs. 2 S. 4 HGB unterliegt und daher nur formell zu überprüfen ist.113 Das kann bei potenziell vorliegenden Überschneidungen und Verflechtungen zwischen nichtfinanziellen und finanziellen Angaben im Lagebericht für den Abschlussprüfer verworren werden.114 Der Abschlussprüfer sollte insbesondere bei vollintegrierten Erklärungen darauf bedacht sein, dem Aufsichtsrat die Unterscheidung zwischen „vorgeprüften“ und „nicht vorgeprüften“ Angaben durch klare Kennzeichnung zu erleichtern. Auf seine sonstigen Unterstützungsleistungen kann sich der Aufsichtsrat hinsichtlich seiner Prüfungspflicht nach § 171 Abs. 1 AktG bei der nichtfinanziellen Erklärung nun grundsätzlich nicht mehr verlassen. Etwas anderes ergibt sich sicherlich, wenn der Abschlussprüfer nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zur externen inhaltlichen Prüfung vom Aufsichtsrat beauftragt wurde.
II. Der Aufsichtsrat Im Zuge des CSR-RUG wurde neben der Prüfung durch den Abschlussprüfer außerdem die Prüfung des Lageberichts durch den Aufsichtsrat nach § 171 AktG um die nichtfinanzielle Erklärung ergänzt. Der entsprechende Zusatz in § 171 Abs. 1 S. 4 AktG erfolgte dabei „spiegelbildlich zu der Änderung von § 170 Abs. 1 AktG“.115 So hat der Aufsichtsrat in der Konsequenz seiner Unterrichtung durch den Vorstand ebendiese zur Kontrolle 112
Velte, AG 2018, 266, 269. Nicht unberücksichtigt bleiben dabei sicherlich die International Standards on Auditing (ISA), hierzu genauer Ebke, in: MünchKommBGB, § 317 Rn. 42. 114 Seibt, DB 2016, 2707, 2713. 115 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 65. 113
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vorgelegten Unterlagen nach § 170 Abs. 1 AktG zu prüfen. Gleiches gilt nach § 171 Abs. 1 S. 4 AktG ausdrücklich für den gesonderten nichtfinanziellen (Konzern-) Bericht, sofern dieser erstellt wurde. Die Pflicht zur Prüfung der nichtfinanziellen (Konzern-)Erklärung ergibt sich, im Gegensatz zum gesonderten nichtfinanziellen (Konzern-)Bericht (§ 171 Abs. 1 S. 4 AktG), zwar nicht durch eine ausdrückliche Fixierung im Regelungswortlaut, wird jedoch als Bestandteil des Lageberichts jedenfalls von der Ausgangsnorm des § 171 Abs. 1 S. 1 AktG umfasst.116 Wie an anderen Stellen der CSR-Berichterstattungsregulierung, zum Beispiel in § 170 Abs. 1 S. 3 AktG, fand für den gesonderten nichtfinanziellen Bericht als besonderes Auswahlformat der Darstellung einer nichtfinanziellen Erklärung in § 171 Abs. 1 S. 4 AktG die Klarstellung des Einbezugs neben den anderen Lageberichtsunterlagen statt. Die nichtfinanzielle Erklärung unterfällt nach § 171 Abs. 1 S. 1 AktG, der gesonderte nichtfinanzielle Bericht klarstellend nach § 171 Abs. 1 S. 4 AktG, einer Prüfung durch den Aufsichtsrat. Doch wie weit reicht diese Prüfungspflicht des Aufsichtsrats? Ist entsprechend der eingeschränkten Prüfung durch den Abschlussprüfer auch die Prüfung des Aufsichtsrats auf eine rein formale Prüfung zu begrenzen? Oder wird von ihm vielmehr eine vollumfängliche Prüfungsleistung abverlangt? Welche Konsequenz folgt aus der Tatsache, dass sich der Aufsichtsrat hinsichtlich der nichtfinanziellen Erklärung nicht mehr auf die Vorprüfung durch den Abschlussprüfer verlassen kann, ihm also sein sachkundiger Dialogpartner bei der Bewältigung der Überwachungsaufgabe verloren geht? Um diese Fragen aufzuarbeiten, widmen sich die folgenden Ausführungen der Untersuchung, welche Prüfungsleistung grundsätzlich nach § 171 Abs. 1 AktG vom Aufsichtsrat abverlangt wird und inwiefern die geltenden Grundsätze auf die Prüfung der CSR-Berichterstattung nach § 171 Abs. 1 S. 1 und § 171 Abs. 1 S. 4 AktG übertragen werden können. Dabei soll insbesondere eine Orientierung an dem Sinn und Zweck des § 171 Abs. 1 AktG zur Bestimmung der Prüfungsreichweite dienen. Abschließend soll beantwortet werden, inwieweit sich der Aufsichtsrat die Beauftragung eines externen Dienstleisters nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG zu Nutzen machen kann. 1. Umfang der Prüfungspflicht nach § 171 Abs. 1 AktG Die Pflicht des Aufsichtsrats zur Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung nach § 171 Abs. 1 S. 1 AktG und des nichtfinanziellen Berichts nach § 171 Abs. 1 S. 4 AktG ergänzt die übrige Rechnungslegungsprüfung des Aufsichtsrats. 116 Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 123; Blöink/Halbleib, DK 2017, 182, 192; Mock, ZIP 2017, 1195, 1201.
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Unter den nach § 171 Abs. 1 AktG relevanten Abschlüssen befinden sich die vom Vorstand nach § 170 Abs. 1 und Abs. 2 AktG vorgelegten Unterlagen, neben dem (Konzern-)Jahresabschluss, der Vorschlag zur Verwendung des Bilanzgewinns und der (Konzern-)Lagebericht.117 Darüber hinaus prüft der Aufsichtsrat die Verfahrensabläufe, so das interne Kontroll- und Risikomanagementsystem, den Rechnungslegungsprozess als solchen und die Tätigkeit des Abschlussprüfers.118 All diese Aufgaben dienen dem Aufsichtsrat als Ausgangpunkt seiner Überwachungstätigkeit.119 Durch eine Prüfung der Unterlagen wie auch der Prozesse kann er relevante Erkenntnisse über die interne wie externe Geschäftstätigkeit sammeln und seine daran anknüpfenden Tätigkeiten miteinfließen lassen. Durch seine Prüfung der Rechnungslegungsunterlagen übernimmt der Aufsichtsrat nicht nur eine wesentliche Mitverantwortung für die Ordnungsgemäßheit der Rechnungslegung. Er schafft sich darüber hinaus eine Informationsgrundlage für weitere Tätigkeiten, wie die Ausübung von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten oder die Rücklagenbildung, und kann so aufgeklärter die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands in seiner Überwachungsfunktion mitverantworten.120 Inhaltlich umfasst seine Prüfung eine Verifizierung der in der Rechnungslegung gemachten Angaben anhand einer Zweck- und Rechtmäßigkeitsprüfung.121 In seiner Zweckmäßigkeitsprüfung stehen hinsichtlich des Abschlusses die Fragen im Vordergrund, ob der Vorstand genügend Rücklagen gebildet hat, Dividenden ausreichend ausgeschüttet wurden und er sich insgesamt für eine ordnungsgemäße Bilanzpolitik entschieden hat.122 Der Aufsichtsrat analysiert die bilanzpolitischen Ermessenentscheidungen des Vorstands,123 allen voran die Ausübung von entsprechenden Wahlrechten.124 Wesentlicher Inhalt der Zweckmäßigkeitsprü-
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Grigoleit/Zellner, in: Grigoleit, AktG, § 171 Rn. 2; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, §171 Rn. 2. 118 E. Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, §171 Rn. 2. 119 J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 2 f.; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, §171 Rn. 2. 120 Huwer, Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats, S. 114; Waclawik, in: Hölters, AktG, § 171 Rn. 1; Grigoleit/Zellner, in: Grigoleit, AktG, § 171 Rn. 1. 121 So die herrschende Meinung Hennrichs, NZG 2017, 841, 845; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 766; J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 3; Hennrichs/Pöschke, in: MünchKommAktG, § 171 Rn. 32 ff.; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, §171 Rn. 3; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 171 Rn. 4; E. Vetter, in: FS Marsch-Barner 2018, S. 559, 566. 122 J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 6 ff. 123 Siehe zum Beurteilungsmaßstab S. 74 f. 124 Grigoleit/Zellner, in: Grigoleit, AktG, § 171 Rn. 4; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, §171 Rn. 5.
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fung ist, ob die Unternehmenspolitik dem Unternehmensinteresse der Gesellschaft entspricht.125 In seiner Rechtmäßigkeitsprüfung stellt er fest, ob die Rechnungslegung im Ganzen den gesetzlichen Vorschriften, hierbei im Besonderen dem AktG und HGB und – soweit Vorgaben gemacht wurden – den Satzungsbestimmungen entsprechen.126 Diese sollen dabei mit den Grundlagen ordnungsgemäßer Berichterstattung und den statutarischen Vorgaben im Einklang stehen.127 Außerdem muss der Jahresabschluss mit dem Lagebericht abgestimmt sein.128 In seiner Rechtsmäßigkeitsprüfung muss er bestätigen, dass der Lagebericht ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild von der Lage der Gesellschaft sowie entscheidungsrelevante und verlässliche Informationen vermittelt. Des Weiteren muss der Lagebericht mit den gesetzlichen Anforderungen, etwa mit den §§ 238 ff., 264 ff. HGB, vereinbar sein und über die wesentlichen Chancen und Risiken der Unternehmenstätigkeit informieren. Da vom Aufsichtsrat hierbei üblicherweise eine enorme Prüfungsleistung abverlangt wird, kann sich dieser zur Erleichterung bei einem sorgfältigen und konsistenten Prüfungsbericht des Abschlussprüfers grundsätzlich auf dessen Prüfungsleistung verlassen.129 Dies ist dadurch begründet, dass der Aufsichtsrat im Bereich der Rechnungslegung gewissen „unvermeidlichen“ Kompetenzlücken unterliegt.130 Diese Lücken sollen durch die Inanspruchnahme eines befähigten externen Dritten, grundsätzlich des Abschlussprüfers, gerade geschlossen werden.131 2. Übertragbarkeit auf die CSR-Berichterstattung Problematisch im Bereich der CSR-Berichterstattung ist nun, dass der Abschlussprüfer die Vorarbeiten für den Aufsichtsrat bei der nichtfinanziellen Berichterstattung nach den §§ 289b ff. HGB von Gesetzes wegen nicht leisten muss.132 Dieser prüft die CSR-Erklärung nach § 317 Abs. 2 S. 4 HGB nur auf ihre formale Vorlage. Eine vollumfängliche, inhaltliche Prüfung findet durch den Abschlussprüfer nicht statt.
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J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 6 ff.; Huwer, Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats, S. 116. 126 J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 4 f.; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, §171 Rn. 4. 127 Grigoleit/Zellner, in: Grigoleit, AktG, § 171 Rn. 3. 128 Grigoleit/Zellner, in: Grigoleit, AktG, § 171 Rn. 3. 129 Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 171 Rn. 7; Grigoleit/Zellner, in: Grigoleit, AktG, § 171 Rn. 6. 130 J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 171 Rn. 5. 131 Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 124; J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 171 Rn. 5. 132 Siehe S. 116.
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Faktisch erlegt § 171 Abs. 1 AktG dem Aufsichtsrat somit eine inhaltliche Prüfungspflicht auf, bei der er, anders als bei der restlichen Rechnungslegungsprüfung, nicht wie gewohnt auf die Expertise des Abschlussprüfers vertrauen kann. Sieht der Aufsichtsrat sich nicht zu einer solchen vollumfänglichen Prüfung in der Lage, kann er zwar durchaus nach § 111 Abs. 1 S. 4 AktG privatautonom eine freiwillige externe Überprüfung beauftragen, trägt dennoch vorerst die vollumfängliche Prüfungsverantwortung. Die herrschende Meinung in der Literatur sieht darin ein Dilemma.133 So würde vom Aufsichtsrat eine Prüfungsleistung abverlangt, bei der er sich trotz seiner Kompetenzlücken nicht auf seinen „Sparringspartner“134 verlassen kann. Die von ihm abverlangte Prüfungsleistung könne dieser daher tatsächlich überhaupt nicht erbringen.135 Die bereits beim Abschlussprüfer erwähnten „Erwartungslücken“ würden sich also gleichermaßen beim Aufsichtsrat zeigen. In der Konsequenz müsse die verpflichtende Prüfungsintensität bezüglich der CSR-Berichterstattungsprüfung gegenüber der üblichen Rechnungslegungsprüfung in § 171 Abs. 1 AktG vermindert werden.136 In der Tat stellt sich die Frage, ob die Prüfungsintensität bei der Prüfung der CSRBerichterstattung aufgrund einer restriktiv vorzunehmenden Auslegung des Begriffs „Prüfung“ in § 171 Abs. 1 AktG gegenüber der sonst geltenden Rechnungslegungsprüfung zu reduzieren ist. a) Einschränkung der Prüfungsanforderungen Stimmen in der Literatur kommen daher zu dem Ergebnis, dass die Prüfungsanforderungen an die CSR-Berichterstattung eingeschränkt werden müssten.137 Bei der „Prüfung“ der nichtfinanziellen Erklärung nach § 171 Abs. 1 S. 1 AktG und § 171 Abs. 1 S. 1 S. 4 HGB müssen nach „amts- und qualifikationsadäquater Auslegung“138 andere Prüfungsanforderungen angelegt werden als bei der grundsätzlich umfassenden Zweck- und Rechtmäßigkeitsprüfung im Rahmen des § 171 Abs. 1 HGB. Zwar würden für die Zweckmäßigkeitspru¨ fung gegenüber der Prüfung
133 Hennrichs/Pöschke, in: MünchKommAktG, § 171 Rn. 59a; Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 125 ff.; J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 171 Rn. 8a; AK Bilanzrecht, NZG 2016, 1337, 1338. 134 Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1362. 135 So umfassend Hennrichs, ZGR 2018, 206, 223; Hennrichs, NZG 2017 841, 846 f.; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 766. 136 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 223; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 766. 137 Hennrichs/Pöschke, in: MünchKommAktG, § 171 Rn. 59a; Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 125 ff.; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 766; J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 8a; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, §171 Rn. 2; Rieckers, DB 2019, 107, 108. 138 J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 171 Rn. 8a.
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der übrigen Rechnungslegung keine rechtlichen Besonderheiten gelten,139 die Rechtmäßigkeitsprüfung müsse jedoch offenbar begrenzt werden. Eine Beschränkung der materiellen Prüfungspflicht hätte den Vorteil, dass die dem Aufsichtsrat aufgrund der zeitlichen und fachlichen Defizite zu unterstellende fehlende Nachhaltigkeitsexpertise nicht so schwer ins Gewicht fallen würde.140 Dies wäre im Rahmen der CSR-Berichterstattung gerade deshalb so relevant, weil sich der Aufsichtsrat angesichts der fehlenden inhaltlichen Pflichtprüfung durch den Abschlussprüfer nicht wie üblich auf diesen verlassen kann.141 Natürlich könne sich der Aufsichtsrat zur Vermeidung möglicher Haftungsrisiken nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG einer externen Prüfung der CSR-Berichterstattung bedienen. Letztlich führe das aber zu einer „verkappten“142 Pflichtprüfung. Kein Aufsichtsrat fühle sich der vollumfänglichen Pflichtprüfung gewachsen. So würde es voraussichtlich zur Regel werden, sich nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG der eigenverantwortlichen Prüfung zu entziehen und sich wieder auf die Prüfungsleistung eines Dritten zu verlassen. Die freiwillige Prüfung würde so mittelbar zur Pflichtprüfung. Das widerspräche jedoch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, diese externe Prüfung auf freiwilliger Basis ausführen lassen zu können.143 Daher müsse die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats auf das von ihm tatsächlich Erbringbare begrenzt werden. Eine Begrenzung der Prüfungsanforderungen könne insbesondere dadurch erreicht werden, dass die materielle Prüfungspflicht des Aufsichtsrats auf eine reine Plausibilitätskontrolle herabgesetzt wird.144 Im Rahmen dieser Kontrolle wäre die nichtfinanzielle Erklärung nur „kritisch zu lesen“ sowie auf ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Bei Unklarheiten wäre der Aufsichtsrat zur Nachfrage bei den Verantwortlichen angehalten.145 Somit würde seine Prüfungsleistung in etwa der eines Abschlussprüfers entsprechen, mit der Besonderheit, dass dieser keine Zweckmäßigkeitsprüfung vornimmt. Die Entscheidung, wie weit die Prüfungsintensität reicht, obliege analog zur Beauftragung einer externen inhaltlichen Prüfung nach § 171 Abs. 1 S. 4 AktG gleichermaßen dem Aufsichtsrat selbst.146 Die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats käme damit der Unterscheidung einer externen Rechtmäßigkeitsbeurteilung in Prüfung und prüferische Durchsicht nach.147 139
Kirsch/Huter, WPg 2017, 1017, 1022; Hennrichs, NZG 2017, 841, 845. Hennrichs, NZG 2017, 841, 845; J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 171 Rn. 8a. 141 Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 766. 142 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 222. 143 So als Etikettenschwindel bezeichnend Hennrichs, NZG 2017, 841, 845; Hennrichs/ Pöschke, NZG 2017, 121, 127. 144 So insbesondere Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 127; Hennrichs, ZGR 2018, 206, 223; zustimmend Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 766. 145 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 222 f. 146 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 222 f.; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 767. 147 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 222 f.; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 767. 140
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Es läge also im Ermessen des Aufsichtsrats zu entscheiden, ob er die Prüfung vollumfänglich inhaltlich nachprüfen oder lediglich eine prüferische Durchsicht vornehmen möchte.148 Die „besondere Verantwortung des Aufsichtsrats“ wäre stets gesichert, da er – in gewisser Weise – auch bei einer prüferischen Durchsicht die Einhaltung der Anforderungen nach §§ 289b ff. HGB – wenn auch mit begrenzter Klarheit – sicherstellt.149 Gleichermaßen wäre das befürchtete „Niveaugefälle“150 bei der Prüfung der CSR-Berichterstattung verhindert. Traue er sich eine vollumfängliche Rechtmäßigkeitsprüfung zu, könne er sich für eine solche entscheiden. Ist dies nicht der Fall, kann er die Prüfungsintensität auf eine Plausibilitätskontrolle verringern. So würden tatsächlich nicht erbringbare Leistungen beim Aufsichtsrat nicht erwartet werden. Auf eine tatsächlich stattgefundene Rechtmäßigkeitsprüfung könne wirklich vertraut werden. Für eine derartige Begrenzung bestünde Raum, da der CSR-Berichtsprüfung im Rahmen des § 171 Abs. 1 AktG keine vergleichbare zentrale Bedeutung zur Rechnungslegung zugesprochen werden könne.151 Die CSR-Informationen seien „zwar Zusatzangaben zur Finanzberichterstattung, aber für Leitung und Überwachung der Gesellschaft sind sie eben nur Zusatzangaben.“152 Zuletzt stünde der Wortlaut des § 171 Abs. 1 AktG dieser Verringerung der Prüfungspflicht des Aufsichtsrats nicht ausdrücklich entgegen, da dieser lediglich „eine“ Prüfung der CSR-Berichterstattung und keine materielle Prüfung verlange. Der Formulierung „zu prüfen“ seien weder konkrete Anforderungen an Inhalt und Intensität der Prüfung zu entnehmen, noch kollidiere eine gestufte Intensität der Prüfungspflicht im Rahmen des § 171 Abs. 1 AktG zwingend mit dem Wortsinn.153 b) Vollumfängliche Prüfungsleistung des Aufsichtsrats Für solch eine „amts- und qualifikationsadäquate Auslegung“ der „Prüfung“ des Aufsichtsrats im Sinne des § 171 Abs. 1 S. 1 AktG und § 171 Abs. 1 S. 1 S. 4 AktG besteht nach der hier vertretenen Auffassung kein Bedürfnis. Der Aufsichtsrat muss die CSR-Berichterstattung nach § 171 Abs. 1 AktG entsprechend den übrigen Lageberichtsbestandteilen sowohl auf ihre Zweck- als auch auf Rechtmäßigkeit untersuchen. Das sollen die folgenden Ausführungen darlegen. Dabei werden die bereits erörterten Argumente für eine Beschränkung der Prüfungspflicht anhand einer differenzierten Auslegung des Begriffs „Prüfung“ in § 171 AktG kritisch begutachtet und widerlegt. Diese Differenzierung gelingt anhand der klassischen Auslegungsme148 149 150 151 152 153
Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 767; Hennrichs, ZGR 2018, 206, 22 ff. Kirsch/Huter, WPg 2017, 1020; Hennrichs, ZGR 2018, 206, 223. Hennrichs, ZGR 2018, 206, 223. Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 126. Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 126. Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 125.
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thoden: dem Wortlaut, der Systematik, der Genetik und dem Telos. Die teleologische Auslegung bildet dabei den Schwerpunkt der Auseinandersetzung, da vorwiegend hieran für eine Reduktion der Prüfungsanforderungen angeknüpft wird.154 aa) Wortlaut und Systematik Der Wortlaut des § 171 Abs. 1 AktG spricht tatsächlich nicht ausdrücklich von einer vollumfänglichen inhaltlichen Prüfung der CSR-Berichterstattung. Entgegen der Annahme, der Wortsinn liefere darüber hinaus keinen eindeutigen Anhaltspunkt,155 lässt die Wortwahl des § 171 Abs. 1 AktG (insbesondere § 171 Abs. 1 S. 4 AktG) klar erkennen, dass die CSR-Berichterstattung bruchlos in die übrige Rechnungslegungsprüfung durch den Aufsichtsrat eingebettet wurde.156 Mangels ausdrücklicher Betonung einer andersartigen Prüfungsanforderung für die nichtfinanzielle Erklärung ist dem Wortlaut des § 171 Abs. 1 AktG eine gleichlaufende Prüfungsleistung zu den übrigen Rechnungslegungsunterlagen zu entnehmen. Darüber hinaus wurde die in § 171 Abs. 1 AktG verankerte materielle Prüfungspflicht nach § 171 Abs. 1 S. 4 AktG explizit auf den gesonderten nichtfinanziellen Bericht erweitert.157 Mangels andersartiger, ausdrücklicher wörtlicher Fixierung in § 171 Abs. 1 AktG kann der CSR-Prüfung keine eigenständige Bedeutung gegenüber der restlichen Rechnungslegungsprüfung unterstellt werden. Die dort geltende Prüfungstiefe ist also auf die CSR-Berichterstattungsprüfung zu übertragen. Diese grammatikalischen Erwägungen finden Unterstützung in der Systematik der Regelung. Aus der systematischen Stellung und dem jeweiligen Zusammenhang des in Frage stehenden Begriffs lässt sich dessen Bedeutung erschließen.158 Die Wahl des Regelungsstandorts für eine Prüfung der CSR-Berichterstattung fiel auf § 171 Abs. 1 AktG. Dabei handelt es sich um die Ausgangsnorm der Recht- und Zweckmäßigkeitsprüfung der nach § 170 Abs. 1 AktG vorgelegten Unterlagen für den Aufsichtsrat. An die Prüfungsanforderungen in § 171 Abs. 1 AktG ist grundsätzlich der Maßstab einer vollumfänglichen, inhaltlichen Prüfung anzulegen. Für die Neuregelung des § 171 Abs. 1 S. 4 AktG wurde hinsichtlich des CSR-Berichts derselbe Wortlaut angelegt, wie bei der übrigen Prüfung im Rahmen des § 171 Abs. 1 AktG. Die Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung ist sogar vollständig in die bereits bestehende Regelung integriert, ihr gebührt nicht mal eine eigene Erwähnung.
154
Siehe S. 125. So Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 125. 156 So auch Röttgen/Hund, WPg 2019, 206, 209; Mock, ZIP 2017, 1195, 1201; Schmidt/ Strenger, NZG 2019, 481, 484 f.; Gundel, WPg 2018, 108, 110. 157 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 65; Velte, IRZ 2017, 325, 326. 158 Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 92; Honsell, in: Staudinger-BGB, Einl. zum BGB Rn. 143 f.; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 744. 155
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Bei der systematischen Auslegung ist besonders darauf zu achten, dass sachlich Zusammenhängendes so geregelt wird, dass die gesamte Regelung einen durchgehenden, verständlichen Sinn ergibt.159 Das bedeutet, dass die einzelnen Rechtssätze, die in sachlichen Zusammenhang gestellt wurden, grundsätzlich so zu interpretieren sind, dass sie logisch miteinander vereinbar sind.160 Die Wahl desselben Wortlauts, aber auch der Regelungsstandort weisen hier einen eindeutigen sachlichen Zusammenhang der Prüfung der CSR-Berichterstattung mit der übrigen Lageberichtsund Rechnungslegungsprüfung auf. Schließlich muss anerkannt werden, dass es dem Gesetzgeber durchaus geläufig wäre, nichtfinanzielle Berichterstattungsformate von einer Prüfung ausdrücklich auszunehmen. Etwa die Erklärung zur Unternehmensführung nach § 289f HGB wurde gerade nicht um eine solche Prüfungspflicht für den Aufsichtsrat ergänzt. Die Begründung hierfür findet sich in der unterschiedlichen Ausgestaltung der beiden Erklärungen. Bei der nichtfinanziellen Erklärung handelt es sich ausdrücklich um eine „Erweiterung des Lageberichts“, also um einen festen Bestandteil desgleichen. Die Erklärung zur Unternehmensführung hat hingegen einen selbständigen nichtfinanziellen Bericht eigener Art zum Gegenstand. Die Unternehmen haben nach § 289f Abs. 1 S. 1 HGB eine Erklärung zur Unternehmensführung in ihren Lagebericht aufzunehmen, die dort einen gesonderten Abschnitt bildet. Eine tatsächliche Integration der Einzelangaben zur Erklärung zur Unternehmensführung in den restlichen Lagebericht findet in diesem Fall nicht statt. Die Lageberichtsunterlagen werden vielmehr um einen weiteren eigenständigen Bestandteil ergänzt. Anders liegt der Fall bei der nichtfinanziellen Erklärung. Denn diese modifiziert die Lageberichtserstattung als solche und ergänzt diese um für die Lage des Unternehmens wesentliche Informationen. Aufgrund dieser eindeutigen, grammatikalischen wie auch systematischen Erwägungen liegt die Interpretation einer abweichenden Prüfungsdichte für die CSRBerichterstattung fern. Die Art und Weise der gesetzlichen Fixierung, aber auch der Wortlaut der Prüfungspflicht sprechen dafür, dass der Aufsichtsrat zur vollumfänglichen Kontrolle aufgerufen ist. Wäre eine andere Prüfungstiefe beabsichtigt gewesen, hätte die CSR-Berichterstattungsprüfung systematisch oder sprachlich gegenüber der übrigen Rechnungslegungsprüfung hervorgehoben werden müssen. Ein spezifischer CSR-Prüfungsmaßstab kann aus § 171 Abs. 1 AktG daher nicht abgeleitet werden.161
159 BVerfG, Beschluss v. 9. 5. 1978, 2 BvR 952/75, BVerfGE 48, 246, 257 – Ehrenamtliche Richter; Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 93. 160 Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 93. 161 Mock, ZIP 2017, 1195, 1201.
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bb) Genetische Auslegung Als aussagekräftiges Argument kann auch die Entstehungsgeschichte der Ergänzung des § 171 Abs. 1 AktG um die CSR-Berichterstattungsprüfung herangezogen werden. Sinn und Zweck einer genetischen Auslegung ist es, anhand der Gesetzesmaterialien den Willen des Gesetzgebers bei der Schaffung der Norm zu ermitteln.162 Relevant sind dabei neben den dem eigentlichen Gesetzgebungsverfahren vorangegangenen Materialien auch die während des Gesetzgebungsprozesses erstellten Materialien.163 Dass der Gesetzgeber bei der Einbettung der CSR-Berichterstattung in die Vorlageprüfung nach § 171 Abs. 1 AktG von einer Erweiterung der üblichen Rechnungslegungsprüfung ausging, lässt sich unmissverständlich den Erwägungen der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf entnehmen. Laut diesen erfolge die Ergänzung des § 171 Abs. 1 AktG „spiegelbildlich zu der Änderung von § 170 Abs. 1 AktG“. Überträgt man die Erläuterungen der Gesetzesbegründung zu § 170 Abs. 1 AktG „spiegelbildlich“ auf § 171 Abs. 1 AktG, sind die Zusätze vorgenommen worden, „um dem Aufsichtsrat zur Erfüllung seiner Kontrollfunktion nach § 111 AktG und seiner Prüfungspflicht nach § 171 AktG auch eine Prüfung des gesonderten nichtfinanziellen Berichts und des gesonderten nichtfinanziellen Konzernberichts zu ermöglichen.“ Aufgrund der amtlichen Begründung ist zu erwarten, der Sinn und Zweck der Erweiterung des § 171 Abs. 1 S. 4 AktG liege darin, die bereits bestehende Pflichtprüfung nach § 171 AktG ausdrücklich auf den gesonderten nichtfinanziellen Bericht zu übertragen. Daran anknüpfend ist der bereits an § 171 AktG anzulegende (vollumfängliche) Prüfungsmaßstab auf die Neuregelung zum gesonderten nichtfinanziellen Bericht und somit erst recht auf die nichtfinanzielle Erklärung als Bestandteil des Lageberichts zu übertragen. Obwohl Stellungnahmen von dritter Seite nicht unmittelbar zum Gesetzgebungsverfahren gehören,164 soll ihnen dennoch ergänzend in der vorliegenden Erörterung Bedeutung zugemessen werden. So hatte der „Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft“ in seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines CSR-RUG eine Streichung der vorgesehenen Prüfungspflicht des Aufsichtsrats nach § 171 Abs. l Satz 4 AktG empfohlen.165 Ersetzt werden sollte diese Prüfungspflicht des Aufsichtsrats durch eine reine „Durchsicht“ der nichtfinanziellen Erklärung bzw. des gesonderten nichtfinanziellen Berichts als Teil seiner allgemeinen Überwachungspflicht. Relevant ist dies für die hiesige Untersuchung, 162
Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 156 ff. Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 156 ff. 164 BGHZ 15, 87, 89; Möllers, Methodenlehre, § 4 Rn. 166. 165 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, NZG 2016, 1337, 1337 ff. 163
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da jene Einwände unberücksichtigt blieben und der Gesetzgeber an einer Prüfungspflicht des Aufsichtsrats im weiteren Gesetzgebungsverfahren festhielt.166 Demnach sprechen auch genetische Erwägungen für eine an Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit zu messende Prüfungspflicht des Aufsichtsrats. cc) Teleologische Auslegung Entscheidend für die Auslegung des § 171 Abs. 1 AktG ist letztlich der Sinn und Zweck des Gesetzes. Es ist zu untersuchen, was der Gesetzgeber mit der Erweiterung der Prüfungspflicht des Aufsichtsrats in § 171 Abs. 1 AktG auf die CSR-Berichterstattung erreichen möchte.167 Gleichermaßen relevant ist dabei die Interessenlage, die der Regelung über die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats in Bezug auf § 171 Abs. 1 AktG zugrunde liegt. Hinter jeder gesetzlichen Regelung stehen widerstreitende Interessen, die das Bedürfnis der Regelung begründen.168 (1) CSR-Angaben als gleichwertige Informationen Wesentlicher Inhalt des § 171 AktG ist die Regelung der Prüfung des Aufsichtsrats als eine seiner zentralen Aufgaben. Unmittelbare Bedeutung erlangt dabei die Prüfung der Abschlussunterlagen durch den Aufsichtsrat, da sie seine allgemeine Überwachungs- und Prüfungspflicht konkretisiert und ihm gleichzeitig Mitverantwortung bei der Rechnungslegung überträgt.169 Darüber hinaus bildet sie die Informationsgrundlage weiterer Überwachungs- und Beratungsaufgaben.170 Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, muss der Aufsichtsrat die entsprechenden Unterlagen auf ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Anforderungen sowie ihrer Zweckmäßigkeit überprüfen.171 § 171 AktG zwingt den Aufsichtsrat zu einer umfassenden Prüfung. § 171 Abs. 1 AktG bestimmt dabei den Prüfungsgegenstand, die Rechnungslegungsunterlagen, die vom Aufsichtsrat zu prüfen sind. Durch eine Erweiterung des Lageberichts um die nichtfinanzielle Erklärung nach §§ 289b ff. HGB und die Neuregelung des § 171 Abs. 1 S. 4 AktG wurden die bereits bestehenden Unterlagen, wie beispielsweise der Jahresabschluss oder der Gewinnverwendungsvorschlag, um die CSR-Berichterstattung ergänzt. In der Konsequenz ließen sich die für diese Ab166 Dass der Deutsche Bundestag an der im RegE enthaltenen Grundlinie trotz anderer Meinungen festgehalten hat Blöink/Halbleib, DK 2017, 182, 192. 167 Möllers, Methodenlehre, § 5 Rn. 2. 168 Möllers, Methodenlehre, § 5 Rn. 19, 26. 169 Hennrichs/Pöschke, in: MünchKommAktG, § 171 Rn. 6; Grigoleit/Zellner, in: Grigoleit, AktG, § 171 Rn. 1; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, § Gesellschaftsrecht, AktG, § 171 Rn. 1. 170 Siehe ausführlich S. 122 f. 171 E. Vetter, in: Henssler/Strohn, § Gesellschaftsrecht, AktG, § 171 Rn. 2.
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schlussunterlagen geltenden Prüfungsanforderungen grundsätzlich auf die CSRBerichterstattung übertragen. Hiergegen wird von einigen Stimmen in der Literatur ein vermeintliches Argument vorgetragen. Der CSR-Berichterstattung komme keine den übrigen Abschlussunterlagen vergleichbare zentrale Funktion bei der Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat zu.172 CSR-Informationen wären zwar Zusatzangaben in der Finanzberichterstattung, aber für die Leitung und Überwachung der Gesellschaft bliebe es bei der Einordnung als Zusatzangabe.173 Infolgedessen erfordere es auch keine mit den wesentlichen Angaben der Finanzberichterstattung vergleichbare Prüfung der CSR-Angaben durch den Aufsichtsrat. Dem ist Folgendes entgegenzusetzen: Sinn und Zweck der Prüfung der Abschlussunterlagen durch den Aufsichtsrat ist, dass sich dieser auch im Sinne seiner bilanzpolitischen Mitverantwortung umfassend über die Gesellschaft informiert.174 Nur auf Grundlage dieser Informationen kann er sich ein Bild von der Lage der Gesellschaft, den geschäftlichen Chancen und Risiken des Unternehmens und ihrer Entwicklung machen und dadurch in seiner beratenden Rolle an zukünftigen unternehmerischen Entscheidungen mitwirken.175 Dazu gehören aber alle Informationen über das Unternehmen, soweit sie für die Lage des Unternehmens von Bedeutung sind. Dem Leser soll durch die Angabe der CSR-Informationen innerhalb der Lageberichterstattung eine breite, über die bloßen Finanzkennzahlen hinausgehende Beurteilung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens und seiner Lage ermöglicht werden.176 Weshalb es sich bei nichtfinanziellen Informationen in Bezug auf die Schaffung einer solchen Informationsgrundlage für den Aufsichtsrat um weniger relevante Angaben handeln sollte, bleibt unbegründet. So wurde die nichtfinanzielle wie die finanzielle Berichterstattung ausdrücklich in die Lageberichterstattung nach § 289 ff. HGB eingebettet. Angesichts der Funktionstrias der CSR-Berichterstattung sind der Ausbau und die Vervollständigung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage mitunter gerade Sinn und Zweck der CSRBerichterstattung.177 Außerdem ist festzuhalten, dass die Regelungstechnik des § 289c HGB aufgrund seines Wesentlichkeitserfordernisses nur über solche nichtfinanziellen Angaben eine Berichterstattung verlangt, welche die interne Unternehmenssteuerung beeinflussen, d. h. gerade für die Auswirkungen auf die Gesellschaft von Bedeutung sind. Die Berichtsvoraussetzungen bilden bereits eine selbstständige Schranke für irrelevante 172 173 174 175 176 177
Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 126. Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 126. Hennrichs/Pöschke, in: MünchKommAktG, § 171 Rn. 11. Hennrichs/Pöschke, in: MünchKommAktG, § 171 Rn. 6 ff. E. Vetter, in: FS Marsch-Barner 2018, S. 559, 562. Siehe S. 43.
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Informationen. „Bedeutungslose“ nichtfinanzielle Angaben kommen in der hiesigen Diskussion nach dem Prüfungsumfang des Aufsichtsrats ohnehin nicht in Betracht. Bei der aus dem Comply or Explain-Mechanismus resultierenden Frage zur Positionierung in wesentlichen CSR-Angelegenheiten kann es sich überdies um grundlegende Entscheidungen der Unternehmensführung handeln.178 Jene Entscheidungen zur Unternehmenspolitik sind für die Gesellschaft regelmäßig von zentraler Bedeutung.179 Den nichtfinanziellen Informationen gegenüber den finanziellen Informationen generell eine geringere Bedeutung für die Leitung und Überwachung der Gesellschaft zu unterstellen, schlägt fehl. Insgesamt kann der Ansicht, die CSR-Berichterstattung verfüge über keine vergleichbare zentrale Funktion bei der Überwachung durch den Aufsichtsrat wie die übrigen Abschlussunterlagen, nicht gefolgt werden. Dies ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass sich der Aufsichtsrat durch die Prüfung der Unterlagen umfassend über die gesamte Lage des Unternehmens informieren soll. Dabei wurden die nichtfinanziellen Informationen ausdrücklich in die sonstige Lageberichterstattung eingebettet. Eine zwischen finanziellen und nichtfinanziellen Informationen differenzierende Betrachtung ist daher nicht angezeigt. Zum anderen kann den nichtfinanziellen Informationen auch keine generell geringere Bedeutung gegenüber finanziellen Informationen unterstellt werden, denn unter den Informationen befinden sich nicht zuletzt auch grundlegende Entscheidungen über die Unternehmensführung. Den entgegengebrachten Zweifeln ist insbesondere das Regelungsziel des § 171 Abs. 1 AktG entgegenzuhalten. Um diesem zu entsprechen, sind die für die übrigen Abschlussunterlagen geltenden Prüfungsanforderungen auf die Prüfung der CSR-Berichterstattung zu übertragen. Zumal eine Bezugnahme der Lageberichterstattung auf nichtfinanzielle Leistungsindikatoren bereits im Rahmen des § 289 Abs. 3 HGB praktiziert wird und seit der Integration dieses Berichterstattungsbestandteils nichtfinanzielle Angaben in der Lageberichtsprüfung durch den Aufsichtsrat nach § 171 Abs. 1 AktG Bestand haben. (2) Interessenabwägung Darüber hinaus würde den Erklärungsadressaten durch Einschränkung der Prüfungspflicht des Aufsichtsrats die einzige Chance auf eine vollumfängliche Prüfung der Erklärungsinhalte genommen. Ohne eine zwingende inhaltliche Prüfung durch einen Abschlussprüfer oder andere externe Prüfer ist der Aufsichtsrat die einzige materielle Prüfungsinstanz.180 Fiele eine vollumfängliche Prüfung durch den Aufsichtsrat weg, würden Teile der Erklärung unkontrolliert veröffentlicht werden und die Adressaten müssten sich 178
Siehe S. 115. Vgl. Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 297, der nichtfinanzielle Aspekte eigenständig neben dem Gewinnziel mit diesem auf eine Stufe stellt; siehe dazu auch S. 217 ff. 180 Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 766. 179
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allein auf die Einschätzung und das Urteil des Vorstands verlassen. Die CSR-Berichterstattung könnte für Investoren und andere Interessenträger letztlich an Aussagekraft und Verlässlichkeit verlieren. Aber nicht nur für die Adressaten der CSR-Berichterstattung, sondern auch für die Gesellschaft selbst ginge eine restriktive Auslegung des Begriffs „Prüfung“ in § 171 Abs. 1 AktG mit einiger Unsicherheit einher. Am Ende setzt sich die Gesellschaft wie auch die einzelnen Mitglieder ihrer Verwaltungsorgane mit der Veröffentlichung „ungeprüfter“ Informationen einem enorm erhöhten Sanktionsrisiko aus.181 Es liegt nicht zuletzt im Interesse des Unternehmens, eine unternehmensinterne Prüfungsinstanz vorzuschalten. Schließlich würde das Resultat einer gespaltenen Prüfung der Unterlagen nach § 171 Abs. 1 AktG ein weiteres Problem begründen. Wie bereits erklärt, plädieren einige Autoren dafür, die Entscheidung über den tatsächlichen Umfang der Prüfung in § 171 Abs. 1 AktG bezüglich der CSR-Berichterstattung im Ermessen des Aufsichtsrats zu belassen.182 Wäre dies jedoch der Fall, könnte stets der Aufsichtsrat entscheiden, ob er die Berichterstattung einmal einer rein „prüferischen Durchsicht“, später einem „kritischen Lesen“ oder, wenn es die Fachkenntnis des Aufsichtsrats hergibt, zukünftig einer „vollumfänglichen Prüfung“ unterwerfen möchte. Im Ergebnis wären stark divergierenden Prüfungsleistungen Tür und Tor geöffnet. Dies ist nicht nur hinsichtlich unterschiedlicher Unternehmen denkbar. Auch bezüglich ein und desselben Unternehmens spräche bei restriktiver Auslegung des Begriffes „Prüfung“ in § 171 Abs. 1 AktG nichts gegen eine abweichende Prüfungsleistung von der eigenen Prüfungspraxis der vergangenen Jahre. Dadurch wären die Prüfungsleistungen nicht nur hinsichtlich verschiedener zu vergleichender Unternehmen, sondern selbst bezüglich eines Unternehmens über mehrere Jahre hinweg nicht vergleichbar. Dabei darf gleichwohl nicht außer Acht gelassen werden, dass die Regelungen zur Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung wie auch des gesonderten nichtfinanziellen Berichts der Umsetzung der CSR-Richtlinie dienen und dementsprechend richtlinienkonform auszulegen sind.183 Das gilt sowohl für § 171 Abs. 1 S. 4 AktG, welcher unmittelbar in Umsetzung der Richtlinie erlassen wurde, als auch für § 171 Abs. 1 S. 1 AktG, der faktisch um die nichtfinanzielle Erklärung ergänzt wurde. Ziel der CSR-Richtlinie ist es, Investoren, Verbrauchern und anderen Interessensgruppen durch die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen eine Messung, Überwachung und Handhabung des Geschäftsergebnisses von Unternehmen und dessen Auswirkungen auf die Gesellschaft zu ermöglichen.184 Um den 181
Siehe zu den Sanktionsrisiken umfassend S. 162 ff. Siehe S. 125 ff. 183 EuGH, NJW 2006, 2465, 2467; ebenso etwa BGHZ 179, 27 = NJW 2009, 427, 428; Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 125 f. 184 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 3. 182
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Anforderungen der verschiedenen Interessensgruppen gerecht zu werden, bedarf es eines hinreichenden Grades an Vergleichbarkeit der Informationen.185 Die restriktive Auslegung des Begriffs „Prüfung“ würde diesem Bedürfnis kaum gerecht werden. Denn so unterschiedlich die jeweilige Prüfungsintensität durch die Ermessensentscheidung des Aufsichtsrats sein kann, so unterschiedlich bleibt letztlich die Aussagekraft der CSR-Berichterstattung für den Adressaten. Die geprüften und ungeprüften Informationen wären für diesen letztlich nicht vergleichbar. So begründen auch die hinter der Regelung der Prüfungspflicht des Aufsichtsrats stehenden widerstreitenden Interessen das Bedürfnis einer vollumfänglichen Prüfungspflicht. Denn nur so wird sowohl dem Interesse der Adressaten an vergleichbaren, nachvollziehbaren und verlässlichen Informationen über das Geschäftsergebnis eines Unternehmens sowie seinen Auswirkungen auf die Gesellschaft als auch dem Interesse der Unternehmen an einer Minimierung ihres Sanktionsrisikos Rechnung getragen. (3) Die gemeinsame Aufgabe von Vorstand und Aufsichtsrat Die Änderung des § 171 Abs. 1 AktG „dient […] der Umsetzung von Art. 33 der [Bilanzrichtlinie in der Fassung der CSR-Richtlinie]“.186 Regelungsinhalt des Art. 33 Abs. 1 der Bilanzrichtlinie in der Fassung der CSR-Richtlinie ist, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen, „dass die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane eines Unternehmens im Rahmen der ihnen durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften übertragenen Zuständigkeiten die gemeinsame Aufgabe haben, sicherzustellen, dass […] der Lagebericht […] und der Bericht nach Artikel 19a Abs. 4 […] entsprechend den Anforderungen [der CSR-Richtlinie] erstellt und offengelegt werden.“ Hierbei ist an zwei wesentlichen Merkmalen des Richtlinientextes anzuknüpfen. Zum einen daran, dass es sich bei der Sicherstellung um die gemeinsame Aufgabe der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane des Unternehmens handelt. Zum anderen, dass sicherzustellen ist, dass die genannten Berichte entsprechend den Anforderungen dieser Richtlinie erstellt und offengelegt werden. Den Umfang und die Verteilung der konkreten Verantwortung betreffend wird nicht zwischen den einzelnen Organen differenziert. Neben den Mitgliedern der Verwaltungs- und Leitungsorgane sind auch die Mitglieder der Aufsichtsorgane im Rahmen der ihnen durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften übertragenen Zuständigkeiten für die in Art. 33 der Bilanzrichtlinie genannten Berichte verantwortlich. Die den Aufsichtsrat betreffende Rechtsvorschrift stellt § 171 Abs. 1 AktG dar.187 Der Vorstand ist nach §§ 264 Abs. 1, 185
RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 3. RegE, BT-Drucks. 18/9981, S. 65. 187 Dies ergibt sich eindeutig aus dem RegE, BT-Drucks. 18/9981, S. 65; Gundel, WPg 2018, 108, 110. 186
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289b Abs. 1 HGB verpflichtet, die Erstellung und Veröffentlichung vorzunehmen. Parallel dazu ist der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Aufgabe als Überwachungsorgan zur Kontrolle aufgerufen. Eine nur eingeschränkte Pflichtprüfung des Aufsichtsrats würde nun aber dazu führen, dass zwischen ihm und dem Vorstand eine Art Verantwortungsgefälle vorläge. Der Vorstand müsste zwar sicherstellen, dass die Berichte ordnungsgemäß erstellt und veröffentlicht werden. Der Aufsichtsrat könnte sich jedoch mit der Feststellung zufriedengeben, dass die CSR-Berichterstattung zweckmäßig, bzw. mit hinreichender Wahrscheinlichkeit rechtmäßig ist. Das entspräche gerade nicht dem Wortlaut der Richtlinie, der die Sicherstellung der Berichte zur gemeinsamen Aufgabe der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane des Unternehmens macht. Weiter wird der Richtlinie unterstellt, sie würde den Mitgliedstaaten keine Vorgaben dazu machen, wie das zuständige Aufsichtsorgan die Ordnungsmäßigkeit der Rechnungslegung sicherstellen soll.188 Dem kann hinsichtlich des zweiten Merkmals des Art. 33 Bilanzrichtlinie nicht zugestimmt werden. Art. 33 Abs. 1 Bilanzrichtlinie erfordert ausdrücklich gerade eine Erstellung und Veröffentlichung „entsprechend den Anforderungen dieser Richtlinie“. Neben der Verantwortlichkeit des Vorstands als Leitungsorgan, die CSR-Erklärung oder den CSR-Bericht nach Art. 19a Abs. 4 Bilanzrichtlinie entsprechend den Anforderungen der Richtlinie zu erstellen und zu veröffentlichen, trifft den Aufsichtsrat als Überwachungsorgan gleichermaßen die Pflicht, durch seine Überwachungstätigkeit den Einklang mit den auferlegten Anforderungen zu prüfen. Dass dies nicht so weit reichen soll, dass darunter eine eigene inhaltliche Prüfungspflicht des Aufsichtsrats fällt,189 ist abzulehnen. Unter den durch die Richtlinie vorgegebenen Anforderungen selbst finden sich Bedingungen an den Inhalt der CSR-Berichterstattung. Die Frage, ob die Erklärung neben den formalen also gerade auch diesen inhaltlichen Anforderungen entspricht, soll der Aufsichtsrat im Rahmen seiner einzelstaatlich übertragenen Zuständigkeit – der Prüfung nach § 171 Abs. 1 AktG – beantworten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass § 171 Abs. 1 AktG im Lichte des Art. 33 der CSR-Richtlinie auszulegen ist. Die Mitglieder der genannten Organe haben – jeweils in ihrer zugeordneten Rolle – gemeinsam die Aufgabe, sicherzustellen, dass die CSR-Berichte entsprechend aller Anforderungen der Richtlinie erstellt und offengelegt werden. Inhaltliche Anforderungen dürfen dabei nicht schlichtweg außer Acht gelassen werden. Die Frage, ob die CSR-Berichterstattung im Einklang mit allen von der Richtlinie vorgegebenen Anforderungen steht, kann der Aufsichtsrat nur dann beantworten, wenn er die Erklärung einer vollumfänglichen materiellen Prüfung unterwirft. 188 189
Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 126. Hennrichs, NZG 2017, 841, 845.
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Es gelingt ihm nicht, wenn er wesentliche Bestandteile seiner Überwachung seinem Ermessen nach auslassen kann. Letztlich muss auch die Prüfung des Aufsichtsrats unter Berücksichtigung aller von den Neuregelungen vorgegebenen, also auch den inhaltlichen Anforderungen erfolgen. Eine Einschränkbarkeit der Pflichtprüfung entspräche demnach keiner richtlinienkonformen Auslegung des § 171 Abs. 1 AktG, weshalb die „Prüfung“ im Rahmen dieser Norm als vollumfänglich zu interpretieren ist. (4) „Neue Erwartungslücke“ beim Aufsichtsrat Als entscheidendes Argument gegen eine vollumfängliche Pflichtprüfung durch den Aufsichtsrat hat sich im Schrifttum die Ansicht herausgebildet, der Aufsichtsrat sei der neuen Aufgabe, die durch eine vollumfängliche Pflichtprüfung auf ihn zukommen würde, nicht gewachsen.190 Dreh- und Angelpunkt ist dabei das Fehlen einer verpflichtenden materiellen Prüfung durch den Abschlussprüfer. Für den Aufsichtsrat resultiere daraus der Wegfall wesentlicher Hilfeleistungen. Zwar könne er externe Dritte jederzeit nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG freiwillig zu diesen beauftragen. Die vollumfängliche Prüfungsverantwortung bliebe letztlich jedoch beim Aufsichtsrat. Das schüre „neue Erwartungslücken“191, da er zu einer vollumfänglichen Prüfung in keinem Fall imstande sei. Würde die Prüfungspflicht des Aufsichtsrats nicht teleologisch reduziert werden, würde der weitreichende Umfang einer vollumfänglichen Kontrolle zu einer kategorischen Überforderung führen, zumal ihm „unüberwindbare Befähigungsdefizite“192 unterstellt werden. Zwar muss jedes Mitglied des Aufsichtsrats jedenfalls über Grundkenntnisse im Bereich der Bilanzierung verfügen. Weder „einfache“ Mitglieder des Aufsichtsrats noch die Mitglieder des Prüfungsausschusses verfügen jedoch über die Sachkunde eines Wirtschaftsprüfers.193 Durch die fehlende Prüfung des Abschlussprüfers würde dem Aufsichtsrat letztlich sein Fachmann genommen, auf den er sich bei eigenen Kompetenzlücken in Rechnungslegungsangelegenheiten grundsätzlich verlassen kann.194 Ohne diesen Dialogpartner könne eine vollumfängliche Rechtmäßigkeitsprüfung der CSR-Be-
190 Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 127; E. Vetter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, §171 Rn. 2; J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 5, 8a; E. Vetter, in: FS Marsch-Barner 2018, S. 559, 571. 191 Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft, NZG 2016, 1337, 1338; Hennrichs, NZG 2017, 841, 845; Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 228. 192 J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 5. 193 Hennrichs, NZG 2017, 121, 124; OLG Mu¨ nchen NZG 2010, 784; Koch, in: Hüffer/ Koch, § 171 Rn. 9, m.w.N. 194 Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 766; J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 5, 8a, 9.
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richterstattung vom Aufsichtsrat nicht verlangt werden. Mehr als eine Plausibilitätskontrolle könne vom Aufsichtsrat daher nicht erwartet werden.195 Dabei wird jedoch verkannt, dass sich der Aufsichtsrat in Rechnungslegungsangelegenheiten nur deshalb mit einer Plausibilitätsprüfung oder einer Durchsicht zufriedengeben kann, weil die Unterlagen durch die Abschlussprüfer bereits vollständig auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft wurden. In diesem „Normalfall“ ist eine Wiederholung der Prüfung aus Kosten- und Nutzengründen nicht angezeigt und der Aufsichtsrat kann sich deshalb grundsätzlich auf die Ergebnisse des Abschlussprüfers „verlassen“.196 Bei Unverständlichkeiten oder Bedenken am Ergebnis des Abschlussprüfers oder bei einem eingeschränkten Bestätigungsvermerk muss er dennoch eigenverantwortlich Einsicht in die Unterlagen nehmen.197 Die Intensität seiner Prüfung ist also nicht grundsätzlich abgeschwächt, sondern hängt immer von den Ergebnissen des Abschlussprüfers ab.198 Diese Arbeitserleichterung entbindet den Aufsichtsrat nicht von seiner prinzipiellen Verpflichtung, die Rechtmäßigkeit des Lageberichts selbstständig zu prüfen.199 Würde überhaupt keine bilanzielle Abschlussprüfung stattfinden, wären auch bei finanziellen Rechnungslegungsangelegenheiten an die Prüfungsintensität des Aufsichtsrats höhere Anforderungen zu stellen.200 Überträgt man diesen Grundgedanken nun auf die CSR-Berichterstattung, kann die fehlende Pflichtprüfung durch den Abschlussprüfer in der Konsequenz nicht zu einer reduzierten Prüfungsintensität des Aufsichtsrats in CSR-Angelegenheiten führen. Parallel zu den übrigen Rechnungslegungsangelegenheiten sind auch in diesem Fall nicht etwa niedrigere, sondern höhere Anforderungen an die Prüfungsintensität des Aufsichtsrats zu stellen. Sieht sich der Aufsichtsrat dazu (noch) nicht in der Lage, sind diese bestehenden Befähigungsdefizite auch nicht etwa, wie von einigen Stimmen in der Literatur vorgebracht,201 „unüberwindbar“. So kann er sich bei eigenem Unvermögen stets der durch das CSR-RUG neu eingeführten externen inhaltlichen Überprüfung nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG bedienen. Zur Befähigung des Aufsichtsrats zur Erteilung des Prüfungsauftrags nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG ist außerdem zu ergänzen, dass diese Neuregelung überflüssig wäre, wenn man von einer grundsätzlich eingeschränkten Prüfungspflicht bzw. einem Prüfungsumfang nach Ermessen des Aufsichtsrats 195
J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 8a; Hennrichs/Pöschke, in: MünchKommAktG, § 171 Rn. 59a; Hennrichs, NZG 2017, 841, 845. 196 Velte, AG 2018, 266, 270; Euler/Klein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 171, Rn. 12. 197 Hüffer, ZGR 1980, 320, 334. 198 Euler/Klein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 171, Rn. 12. 199 J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 5; Gundel, WPg 2018, 108, 110; zum Prinzip selbstständiger Prüfung und Urteilsbildung Clemm, ZGR 1980, 455, 457 f.; Hüffer, ZGR 1980, 320, 334. 200 Grigoleit/Zellner, in: Grigoleit, AktG, § 171 Rn. 6 (Fn. 13), m.w.N. 201 J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171 Rn. 5; Hennrichs, ZGR 2018, 206, 222 f.
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ausgehen würde. In diesem Fall bestünde für den Aufsichtsrat kaum das Bedürfnis, die Prüfung von einer externen Stelle durchführen zu lassen, wenn er mit nur geringem Aufwand (geringer Prüfungsintensität) den gesetzlich gesteckten Anforderungen selbst entsprechen könnte. Schließlich kann sich der Aufsichtsrat durchaus den nötigen Sachverstand in CSR-Angelegenheiten aneignen. Das bedeutet nicht, dass vom Aufsichtsrat augenblicklich das Sachverständnis eines Wirtschaftsprüfers erwartet wird. Die CSRBerichterstattung ändert nichts daran, dass sich der Aufsichtsrat noch immer bei finanziellen Rechnungslegungsangelegenheiten weiterhin auf das Prüfungsurteil des Abschlussprüfers verlassen kann. Statt die Pflichtprüfung des Aufsichtsrats in Bezug auf die CSR-Berichterstattung aufgrund der fehlenden Prüfung durch den Abschlussprüfer durch eine „amts- und qualifikationsadäquate“202 Auslegung zu reduzieren, sollte vielmehr das Weitertreiben der Professionalisierung des Aufsichtsrats in diesem Bereich im Vordergrund stehen.203 Auch, um die so bezeichnete „verkappte“ Pflichtprüfung nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG zu verhindern. Dass sich die Aufsichtsräte im Regelfall bereits mit der Prüfung nichtfinanzieller Angaben nach § 289 Abs. 3 HGB befasst haben, sei beiläufig erwähnt.204 Sowohl aus praktischen als auch aus rechtsmethodischen Erwägungen ergibt sich, dass ein Weitertreiben der Professionalisierung in diesem Bereich der amts- und qualifikationsadäquaten Auslegung vorzuziehen ist. So wird von einigen Autoren geäußert, eine so umfassende Prüfungspflicht ginge an den gesetzlichen Aufgaben eines Aufsichtsrates vorbei. Außerdem werden Zweifel dahingehend gehegt, ob der Aufsichtsrat überhaupt imstande wäre, die CSR-Berichtserstattung ordnungsgemäß und effektiv zu prüfen.205 Gegen das Argument, eine umfassende Prüfung der CSR-Berichterstattung ginge an den gesetzlichen Aufgaben eines Aufsichtsrats vorbei, ist einzuwenden, dass es sich dabei gerade um eine Ergänzung der Rechnungslegungsprüfung nach § 171 Abs. 1 AktG handelt. Diese umfasst eine grundlegende, die Überwachung der Gesellschaft betreffende gesetzliche Aufgabe des Aufsichtsrats.206 Jener ist durch eine eigenständige Prüfung der Abschlüsse, wie der Jahresabschluss oder die Vorstandsberichte nach § 90 AktG, aber genauso des Lageberichts samt nichtfinanzieller Erklärung zu einer vergangenheitsbezogenen Kontrolle der Geschäftsführung verpflichtet.207 Darüber hinaus dient sie ihm als Erkenntnisquelle weitergehender 202 Einer amts- und qualifikationsadäquaten Auslegung zustimmend etwa J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 171, Rn. 8a. 203 So auch in Tendenzen Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss), BT-Drucks. 18/11450, S. 45. 204 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 40. 205 Hennrichs, ZGR 2018, 206, 222 f.; Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 766. 206 Siehe S. 122. 207 Habersack, in: MünchKommAktG, § 111 Rn. 12; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 4; J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 5.
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Aufgaben, die über eine schlicht nachträgliche Kontrolle der Geschäftsführung hinausgehen. Obwohl § 111 Abs. 4 S. 1 AktG eine Übertragung von Geschäftsführungsmaßnahmen an den Aufsichtsrat zunächst ausdrücklich versagt,208 wird dieser Grundsatz bereits gesetzlich durch wichtige Sondervorschriften relativiert.209 So führen unter anderem seine Personalkompetenz nach § 84 AktG oder seine umfassenden Mitspracherechte gegenüber der Geschäftsführung nach § 32 MitbestG, wie auch sein Vetorecht in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG zu einer weitgehenden Einbindung in die Unternehmensplanung. Intensiviert wurde dies in den letzten Jahren hauptsächlich durch das KonTraG und die Rechtsprechungspraxis.210 Besonders im Rahmen seiner Beratungsaufgabe wuchs dabei der Umfang und die Bedeutung seiner Tätigkeit, sodass mittlerweile sogar davon gesprochen wird, dass das traditionelle Leitbild des Vorstands als alleiniger Unternehmensleiter nicht weiter gälte.211 Der Aufsichtsrat gewinnt in dieser Hinsicht deutlich an Einfluss und wird nicht mehr nur nachträglich überwachend, sondern auch präventiv-strategisch tätig.212 So muss sich der Aufsichtsrat spätestens in seiner entwickelten Rolle als „Beratungs- und Mitgeschäftsführungsorgan“213 mit der verfolgten und geplanten Nachhaltigkeitsgeschäftspraxis des Unternehmens als Teilbereich der Geschäftspolitik auseinandersetzen.214 Würde man die CSR-Berichterstattung nun von der umfassenden Lageberichtsprüfung des Aufsichtsrats ausschließen, würde man ihm nicht nur einen Teil seiner nachträglichen Kontrollaufgabe nehmen, sondern ihn auch um eine seiner relevanten Erkenntnisquellen zur strategisch-zukunftsorientierten Überwachung beschneiden. Die weitergehenden Zweifel, ob der Aufsichtsrat überhaupt imstande wäre, eine solche Prüfung vorzunehmen, erübrigen sich gleichermaßen. Denn einem Aufsichtsrat, der sukzessiv in die aktive Unternehmensplanung mit eingebunden wird, kann durchaus zugetraut werden, sich im Bereich der Nachhaltigkeitsangelegenheiten die nötige Expertise anzueignen. Das gilt erst recht im engen Zusammenhang mit der Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit. Durch eine erhebliche Ausdehnung seines Pflichtenprogramms, wie den Beratungsaufgaben und den erweiterten Entscheidungskompetenzen215 veränderte sich die Rolle des Aufsichtsrats 208
Freund, NZG 2018, 1361. Freund, NZG 2018, 1361; J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 33 f.; Habersack, in: MünchKommAktG, § 111 Rn. 13 f. 210 Ausführlich hierzu Löbbe, DB 2009, 775 ff. 211 Freund, NZG 2018, 1361, 1362. 212 Lieder, ZGR 2018, 524 f. 213 Freund, NZG 2018, 1361, 1362. 214 Siehe dazu auch Grundsatz 18 und D.12 DCGK 2019. 215 Freund, NZG 2018, 1361, 1361 f.; Lutter, DB 2009, 775 ff.; Börsig/Löbbe, in: FS Hoffmann-Becking 2013, S. 125 ff. 209
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in den vergangenen Jahren erheblich zugunsten seiner unternehmerischen Mitbestimmung.216 So darf trotz grundlegender Ausgestaltung des Aufsichtsratsamtes als „Nebenamt“ dessen Bedeutung und dessen Weiterbildungsbereitschaft nicht untergraben werden. Zumal zu berücksichtigen ist, dass es sich gerade bei CSR-berichtspflichtigen Unternehmen aufgrund der für die Berichtspflicht vorausgesetzten Merkmale, wie der Kapitalmarktorientierung oder der Eigenschaft als „große“ Kapitalgesellschaft, gerade um solche Unternehmen handelt, deren Aufsichtsräte aufgrund ihrer Größe und ihrer Aufgabenkomplexität bereits mit „professionalisierten“ Aufsichtsratsmitgliedern besetzt sind.217 Neben diesen praktischen Argumenten gelangen auch rechtsmethodische Erwägungen zu demselben Ergebnis. Es wird versucht, die Pflichtprüfung des Aufsichtsrats durch eine „amts- und qualifikationsadäquate“ Auslegung zu reduzieren. Dies kommt einer sog. folgenorientierten Auslegung nahe, die dann angezeigt sein kann, wenn das Auslegungsergebnis zu untragbaren Ergebnissen führen würde.218 Hier ginge es um das Ergebnis einer „unerbringbaren“ Prüfungsleistung durch den Aufsichtsrat. Die Grenzen dieser Auslegung liegen zum einen in ihrer Anwendbarkeit und zum anderen in der Gefahr, dass durch sie Rechtspolitik betrieben wird.219 Es kann, übertragen auf die Pflichtprüfung des Aufsichtsrats, nicht Ziel der Auslegung sein, allein aufgrund vermeintlich mangelnder Fachkompetenz des Aufsichtsrats dessen Pflichtenkreis zu reduzieren. Vielmehr muss an der Verwirklichung der gesetzlichen Vorgaben gearbeitet werden, also die Professionalisierung des Aufsichtsrats vorangetrieben werden, statt durch Auslegung an der gesetzlichen Ausgangslage zu schrauben. (5) Vollumfängliche Prüfung als ratio legis des § 171 Abs. 1 AktG Auch teleologische Erwägungen unterstützen die bisher gefundenen Ergebnisse und sprechen für eine vollumfängliche Prüfungspflicht des Aufsichtsrats nach § 171 Abs. 1 AktG. Dies ergibt sich zum einen aus dem Umstand, dass der CSR-Berichterstattung eine vergleichbare zentrale Funktion bei der Überwachung durch den Aufsichtsrat wie den übrigen Abschlussunterlagen zuzusprechen ist. Auch die hinter der Regelung der Prüfungspflicht des Aufsichtsrats stehenden widerstreitenden Interessen 216
Lieder, ZGR 2018, 523, 525; Lutter, DB 2009, 775 ff. Siehe dazu auch § 100 Abs. 5 AktG, der von mindestens einem Mitglied des Aufsichtsrats verlangt, über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung zu verfügen sowie von den Mitgliedern in ihrer Gesamtheit erwartet, mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut zu sein. 218 Möllers, Methodenlehre, § 5 Rn. 56 ff. 219 Möllers, Methodenlehre, § 5 Rn. 58; Hassemer, JZ 2008, 1, 7. 217
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begründen das Bedürfnis einer vollumfänglichen Prüfungspflicht. Denn nur so wird sowohl dem Interesse der Adressaten an vergleichbaren, nachvollziehbaren und verlässlichen Informationen über die Geschäftstätigkeit des Unternehmens als auch dem Interesse der Unternehmen an einer Minimierung ihres Sanktionsrisikos gleichermaßen Genüge getan. Zum anderen entspräche die Einschränkbarkeit des Prüfungsumfangs keiner richtlinienkonformen Auslegung des § 171 Abs. 1 AktG. Schließlich entsteht durch ein vollumfängliches Verständnis des § 171 Abs. 1 AktG keine „neue Erwartungslücke“ beim Aufsichtsrat. Das ergibt sich aus praktischen wie auch aus rechtsmethodischen Erwägungen. Statt im Vorfeld ergebnisorientiert den Prüfungsumfang des Aufsichtsrats zu begrenzen, muss zur Erfüllung der gesetzlich vorgegebenen Pflicht der nötige Unterbau geschaffen werden. So sollte das Weitertreiben der Professionalisierung des Aufsichtsrats im Vordergrund stehen. Dass der Aufsichtsrat damit kategorisch überfordert wäre und sich kein Aufsichtsrat dazu in der Lage sähe, ist im Hinblick auf sonstige bedeutende Aufgaben des Aufsichtsrats kaum vorstellbar. Fehlen jedoch die zur Umsetzung nötigen Ressourcen, wie etwa die Zeit zur Professionalisierung des Aufsichtsrats, kann er nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG einen externen Dienstleister beauftragen, um seiner Prüfungsverantwortung vorerst auf diesem Wege nachzukommen. Dies ist stets abhängig vom individuellen Unternehmenszuschnitt. Um dem Regelungsziel des § 171 Abs. 1 AktG zu entsprechen, sind nach umfassender teleologischer Abwägung die für die übrigen Abschlussunterlagen geltenden Prüfungsanforderungen auf die CSRBerichterstattung zu übertragen. dd) Ergebnis Die Anwendung der verschiedenen Auslegungsmethoden führt einheitlich zu dem Ergebnis, dass eine „Prüfung“ im Sinne des § 171 Abs. 1 AktG eine vollumfängliche Prüfungspflicht begründet. Dies unterstreicht die Widerspruchsfreiheit der hier vertretenen Auffassung. c) Keine Einschränkbarkeit der Pflichtprüfung durch den Aufsichtsrat Es ist festzuhalten, dass die Prüfungsintensität bei der Prüfung der CSR-Berichterstattung nicht durch eine restriktive Auslegung des Begriffs „Prüfung“ in § 171 Abs. 1 AktG gegenüber der sonst geltenden Rechnungslegungsprüfung zu reduzieren ist.
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3. Vollumfängliche Pflichtprüfung durch den Aufsichtsrat Eine Verminderung der Prüfungsintensität bezüglich der CSR-Berichterstattungsprüfung gegenüber der üblichen Rechnungslegungsprüfung in § 171 Abs. 1 AktG ist nicht angezeigt.220 Dass sich der Aufsichtsrat dabei nicht wie gewohnt auf eine vollumfängliche Prüfung durch den Abschlussprüfer verlassen kann, kann nicht die restriktive Auslegung des Begriffs „Prüfung“ in § 171 Abs. 1 AktG und demnach eine Reduzierung seines Prüfungsumfangs zur Folge haben. Im Gegenteil: Die fehlende inhaltliche Prüfung durch einen Abschlussprüfer führt dazu, dass sich das Prüfungsgewicht vollständig auf den Aufsichtsrat verlagert. Um dieser umfassenden Prüfungsverantwortung tatsächlich gerecht werden zu können, hat er zwei Möglichkeiten: Er kann diese Pflichtprüfung zum einen selbst vornehmen. Dafür muss er sich jedenfalls die nötige Fachkenntnis in CSR-Angelegenheiten aneignen. Fehlen die zur Umsetzung nötigen Ressourcen, wie etwa die Zeit zur Professionalisierung des Aufsichtsrats, kann er zum anderen nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG einen externen Dienstleister beauftragen, um seiner Prüfungsverantwortung auf diesem Wege nachzukommen.221
III. Beauftragung nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG Schon in § 111 Abs. 2 S. 2 AktG findet sich die Generalbefugnis des Aufsichtsrats, für Unterstützungsleistungen privatautonom einen Sachverständigen zu beauftragen. § 111 Abs. 2 S. 4 AktG ist in Bezug auf die CSR-Berichterstattung damit vor allem von klarstellender Natur.222 Dass es sich bei der Prüfungspflicht um eine originär dem Aufsichtsrat zugeordnete Aufgabe handelt und dass die Möglichkeit zur Mandatierung in engem Zusammenhang zur Prüfungspflicht gesetzlich fixiert wurde, spricht dafür, dass lediglich der Aufsichtsrat zur Erteilung des Prüfungsauftrags befugt ist. Ihm gebührt danach vollständiges (unternehmerisches) Ermessen hinsichtlich der Beauftragung als solcher, der Auswahl der Hilfsperson, sowie des Umfangs ihrer Prüfung. Der Aufsichtsrat kann dafür den Abschlussprüfer, aber auch einen anderen externen Dienstleister beauftragen. Dabei wird davon ausgegangen, dass besonders die inhaltliche Überprüfung durch den Abschlussprüfer das Vertrauen der Berichtsadressaten in die Prüfung stärken könnte.223 Denn zum einen kann sich der Ab220
Im Ergebnis auch Blöink/Halbleib, DK 2017, 182, 192; Gundel, WPg 2018, 108, 111 f. Im Ergebnis auch Humbert, ZGR 2018, 295, 314; siehe zur Reichweite der Prüfungspflicht auch E. Vetter, in: FS Marsch-Barner 2018, S. 559, 571. 222 Habersack, in: MünchKommAktG, § 111 Rn. 101. 223 RegE, BT-Drucks. 18/9981, S. 46. 221
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schlussprüfer unter Umständen Kenntnisse, die er aus bereits erfolgten Prüfungen der Berichterstattung nach § 289 Abs. 3 HGB gesammelt hat, zu Nutzen machen. Zum anderen würde dann die befürchtete Zweiteilung der Abschlussprüfung224 in einen vollumfänglichen und in einen vermindert geprüften Teil verhindert. Hat sich der Aufsichtsrat für eine externe inhaltliche Prüfung entschieden, muss er sich mit dem Prüfungsbericht des Dritten auseinandersetzen. An dieser Stelle gelingt ein Gleichlauf zwischen der Unterstützungsleistung eines Abschlussprüfers und des Aufsichtsrats bei der Prüfung der finanziellen Rechnungslegungsprüfung und der inhaltlichen Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung durch einen Abschlussprüfer oder „sonstigen externen Prüfer“. Somit kann sich der Aufsichtsrat entsprechend dem Vorgehen bei der Abschlussprüfung finanzieller Angelegenheiten grundsätzlich mit dem Prüfungsergebnis des beauftragten Prüfers zufriedengeben, nachdem er den Bericht „kritisch liest“ und sich gegebenenfalls in der Bilanzsitzung einer Diskussion aussetzt. Das Prüfungsergebnis dieser externen inhaltlichen Prüfung ist schließlich nach § 289b Abs. 4 HGB in gleicher Weise wie die nichtfinanzielle Erklärung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
IV. Ergebnis für die Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung Zusammenfassend ist festzustellen, dass die CSR-Berichterstattung sowohl vom Abschlussprüfer als auch von Aufsichtsrat zu prüfen ist. Der Prüfungsumfang bemisst sich dabei zweierlei: Für die Abschlussprüfung ergibt sich die Besonderheit, dass die Pflichtprüfung nur die Vorlage der nichtfinanziellen Erklärung nach § 317 Abs. 2 S. 4 HGB, also eine rein formelle Untersuchung, umfasst. Dabei besteht gewiss ein materiell-rechtlicher Einschlag, in dem der Abschlussprüfer auf offensichtliche Unrichtigkeiten im Rahmen seines Hinweisund Rederechts aufmerksam machen muss. Anders ist dies beim Aufsichtsrat. Dieser unterfällt nach § 171 Abs. 1 AktG der umfassenden inhaltlichen Prüfungsverantwortung. Er muss neben der Zweckmäßigkeit auch die Rechtmäßigkeit der Angaben bestätigen. Freilich steht es ihm offen, einen externen Dritten, der (vorzugswürdig) auch der Abschlussprüfer sein kann, nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG privatautonom zur inhaltlichen Prüfung zu beauftragen.
224
Seibt, DB 2016, 2707, 2713.
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C. CSR als Inhalt der Überwachungspflicht des Aufsichtsrats Die Pflicht des Aufsichtsrats, die Rechnungslegungsunterlagen nach § 171 Abs. 1 AktG zu überprüfen, stellt bloß einen Teilbereich seiner allgemein-kontrollierenden Überwachungsaufgabe dar. So fungiert § 171 Abs. 1 AktG nur als spezielle Ausformung seiner zentralen Aufgabe als Überwachungsorgan der Aktiengesellschaft.225 Durch seine inhaltliche Prüfung der Unterlagen nach § 171 Abs. 1 AktG kontrolliert er dabei die bereits entfalteten Vorgänge der Unternehmensführung. Darauf darf sich der Aufsichtsrat jedoch nicht beschränken.226 Denn untrennbar mit der vergangenheitsbezogenen Überwachung verbunden ist auch die präventive Kontrolle, die Sorge um die zukünftige Entwicklung des Unternehmens.227 Neben der vergangenheitsbezogenen Kontrolle in ihrer speziellen Ausformung in § 171 Abs. 1 HGB trifft ihn nach § 111 AktG eine präventive Überwachungs- und Beratungsaufgabe, aufgrund derer er sich unter Umständen auch aktiv in die Unternehmensleitung einzuschalten hat.228 Die CSR-Berichterstattung bietet ihm dabei neben den sonstigen Rechnungslegungsunterlagen einen ersten Anhaltspunkt. Anhand dessen kann er zum Beispiel Rückschlüsse auf das Bedürfnis weitergehender Handlungen ziehen. Der nichtfinanziellen Erklärung sind unter anderem wesentliche nichtfinanzielle Aspekte, ungenügende CSR-Strategien oder unzureichende Ergebnisse zu entnehmen. Gleichzeitig kann sie aber auch die Erkenntnis hervorbringen, dass hinsichtlich bestimmter Aspekte kein Handlungsbedarf besteht. Zu Nutzen machen kann er sich diese aus dem vergangenen Geschäftsjahr resultierenden Erkenntnisse als Grundlage seiner weiteren Überwachungsaufgabe. Neben der Lageberichterstattung über das vergangene Geschäftsjahr dienen ihm insbesondere auch die Berichte nach § 90 Abs. 1, Abs. 3 AktG als Informationsgrundlage. In aller Regel wird der Jahresbericht zur beabsichtigten Geschäftspolitik nach § 90 Abs. 1 Nr. 1 AktG auch die verfolgten Konzepte zu den als wesentlich identifizierten CSR-Belange beinhalten.229 Vor allem aufgrund der mit der CSRBerichtspflicht verbundenen Geschäftsführungsentscheidungen des Vorstands begründen diese neben der CSR-bezogenen Prüfungspflicht nach § 171 Abs. 1 AktG weitere CSR-bezogene Rechte und Pflichten für den Aufsichtsrat. Um auf die Unternehmensleitung bei Bedarf steuernd Einfluss nehmen zu können, stehen dem Aufsichtsrat einige Mittel wie die indirekte Beeinflussung der Geschäftspolitik mithilfe seiner Beratungen oder auch eine direkte Eingriffsmöglichkeit auf Maßnahmen der Unternehmensführung durch seine Zustimmungs225 226 227 228 229
Hennrichs, NZG 2017, 121, 127; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 8. J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 111 Rn. 5. Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 33. Hüffer, NZG 2007, 47. Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1365 (Fn. 58).
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kompetenz nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG offen.230 Im Folgenden sollen zur Erfassung des tatsächlichen Wirkungskreises der CSR-Berichterstattungspflicht für den Aufsichtsrats diese beiden Mitbestimmungskompetenzen von ebenjenem hinsichtlich ihrer Ausdehnung auf CSR-Angelegenheiten untersucht werden.
I. Begleitende Überwachung und Beratung durch den Aufsichtsrat nach § 111 AktG Die begleitende Überwachungs- und Beratungsaufgabe des Aufsichtsrats erstreckt sich grundsätzlich nur auf die allgemeinen Aufgaben der Unternehmensleitung und nicht auf jede Einzelmaßnahme des Vorstands.231 Davon umfasst sind wesentliche CSR-Entscheidungen, bedeutsame CSR-bezogene Einzelfragen sowie im Rahmen der Rechnungslegungsprüfung die Kontrolle der Wahrnehmung der CSR-Berichtspflicht nach §§ 289b ff., 264 Abs. 1 HGB durch den Vorstand. Der Aufsichtsrat soll gerade bei die beabsichtigte Geschäftspolitik behandelnden Fragen mittels Diskussion in die Entscheidungsfindung des Vorstands miteinbezogen werden und dem Vorstand hierbei als ständiger Dialogpartner zur Verfügung stehen.232 Dabei dürfen natürlich auch solche Entscheidungen nicht außen vorgelassen werden, welche CSR-Angelegenheiten tangieren.233 In diesem Bereich der CSRbezogenen Leitungsentscheidungen kann der Aufsichtsrat wie bei den übrigen bedeutsamen Entscheidungen unverbindliche Meinungsbeschlüsse fassen.234 Fallen dem Aufsichtsrat Unrichtigkeiten bei der Ausführung der Vorstandstätigkeiten auf, ist er im Bereich von CSR (entsprechend den Grundsätzen der ARAGRechtsprechung) angehalten, dies gegenüber dem Vorstand zu beanstanden und die Pflichtwidrigkeit notfalls im Zuge einer Schadensersatz- oder einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO gerichtlich feststellen zu lassen.235
II. Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats nach § 111 Abs. 4 S. 2 HGB Um den Aufsichtsrat in seiner Funktion als Überwachungsorgan darüber hinaus weiter zu stärken und ihn in gewisser Weise unmittelbar an der Unternehmensfüh230
Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 46. Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 34. 232 Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 33; BGHZ 114, 127; BGHZ 126, 340; D.6 DCGK 2019; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, § 6 Rn. 249. 233 E. Vetter, in: FS Marsch-Barner 2018, S. 559, 563. 234 Hüffer, NZG 2007, 47, 52; E. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch AG, § 26 Rn. 18. 235 Weller/Benz, AG 2015, 467, 473 f.; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344. 231
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rung teilhaben zu lassen, können bestimmte Geschäfte nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG seiner Teilhabe, also seiner vorbeugenden und verbindlichen Kontrolle, unterworfen werden.236 Man spricht dabei auch vom „Vetorecht“ des Aufsichtsrats in wesentlichen Fragen der Geschäftsführung.237 Ein solches Vetorecht soll dem Aufsichtsrat besonders bei solchen Maßnahmen des Vorstands zustehen, die von grundlegender Bedeutung für das Unternehmen sind.238 Geht man nun bei bestimmten CSR-Entscheidungen von einer dahingehend ausreichenden Relevanz aus, so wären diese unter Umständen schon im Vorfeld, weit vor der Prüfung der CSR-Berichterstattung, von einer Billigung durch den Aufsichtsrat abhängig. Solche Vorbehalte könnten entweder in der Ursprungssatzung (§ 23 AktG), durch die Hauptversammlung im Wege der Satzungsänderung (§ 179 AktG) oder auch durch einen Aufsichtsratsbeschluss nach § 108 AktG begründet werden.239 Betrachtet man die Maßnahmen, die im Zusammenhang mit CSR-Angelegenheiten stehen, rückt besonders die Entscheidung, ob das Unternehmen für einen bestimmten CSR-Belang ein Konzept erstellen und verfolgen oder davon Abstand nehmen möchte, in den Vordergrund.240 Hierbei ist zwischen den beiden in Betracht kommenden Einzelmaßnahmen zu differenzieren, die der Comply or Explain-Mechanismus nach § 289c Abs. 4 HGB auslöst. Zum einen kann sich der Vorstand bei Evaluierung eines wesentlichen CSRBelangs dazu entscheiden, ein Konzept zu erstellen und die Verfolgung in seine Unternehmenspolitik übertragen (Comply). Zum anderen kann die CSR-Inventur zwar zu einem für das Unternehmen als wesentlich identifizierten Belang führen, der Vorstand kann aber dennoch von einer weiteren aktiven Handhabung des Aspekts absehen und eine Abstandnahme beschließen. Diese muss er anschließend begründen (Explain). 1. Comply-Entscheidungen Bei der erstgenannten Alternative, der positiven Entscheidung für ein Konzept oder dessen Fortschreibung, ist nur von einem zustimmungspflichtigen Geschäft 236 Habersack, in: MünchKommAktG, § 111 Rn. 114; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, § 6 Rn. 210 f. 237 Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 77. 238 Zum Inhalt des Zustimmungsvorbehalt siehe Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 64; Oetker, in: ErfK, AktG, § 111 Rn. 7 ff.; Habersack, in: MünchKommAktG, § 111 Rn. 120. 239 Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 78. 240 Hier sind Parallelen zu den nicht-delegierbaren CSR-Entscheidungen des Vorstands zu ziehen, siehe S. 112 ff.
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auszugehen, wenn es sich im konkreten Fall um eine grundlegend unternehmensbedeutsame Maßnahme handelt.241 Die Empfehlungen des DCGK 2017 gaben dahingehend noch Orientierung, dass von einer entsprechenden Relevanz immer zu sprechen sei, wenn die in Frage stehenden Entscheidungen die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern.242 Eine klare Konturierung oder belastbare Differenzierung der Anforderungen gibt es jedoch nicht, sodass stets eine einzelfallorientierte Beantwortung der Frage, wann tatsächlich von einer solchen Maßnahme auszugehen ist, nötig ist.243 Beispielhaft aufzuzählen sind dabei Grundstücksgeschäfte, wirtschaftlich bedeutsame Kreditaufnahmen, existenzgefährdende Geschäfte und Beteiligungserwerbe.244 Außerdem können unter besonderen Umständen auch grundlegende Strategieentscheidungen wie wesentliche Änderungen der Unternehmensorganisation, wesentliche Personalmaßnahmen oder auch Maßnahmen, die für die Stellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit von großer Bedeutung sind, unter einen Zustimmungsvorbehalt gestellt werden.245 Übertragen auf die Comply-Entscheidungen des Vorstands wird es sich hierbei in erster Linie um grundlegende Strategieentscheidungen oder wesentliche Änderungen der Unternehmensorganisation handeln, die durch die Anfertigung eines Konzepts oder mit der Realisierung damit verbundener Maßnahmen anfallen. Haben weitere Comply-Entscheidungen des Vorstands abhängig vom jeweiligen Unternehmenszuschnitt ein gewisses Mindestgewicht, kommen auch diese als Vorbehaltsgegenstände in Betracht. Haben die Konzepte jedoch keine grundlegenden, die Lage des Unternehmens ändernden Auswirkungen, sind diese Entscheidungen prinzipiell frei von einem Teilhabebedürfnis. Die strategische Planung soll weiterhin zentrale Aufgabe des Vorstands bleiben und „dürfe daher nicht über den Zustimmungsvorbehalt usurpiert werden“.246 Daher muss stets eine negative Abgrenzung zum Tagesgeschäft stattfinden und der Ausnahmecharakter dieses Kontrollmittels erhalten bleiben.247
241
Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, § 111, Rn. 20. Ziff 3.3 Satz 2 DCGK 2017, obzwar diese Beschreibung im DCGK 2019 nicht mehr erwähnt wird, kann sie dennoch wenigstens als Orientierung herangezogen werden; so wohl auch Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 80; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 111 Rn. 64. 243 Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 80. 244 Hennsler, in: Hennsler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, § 111 Rn. 20. 245 Fleischer, BB 2013, 835, 841; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 79, 82 f. 246 Bachmann, ZGR 2018, 231, 241. 247 Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 79. 242
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2. Explain Entscheidungen Bezüglich der zweiten Alternative könnte gerade aufgrund der Gefahr eines mit der Abstandnahme einhergehenden bedeutsamen Reputationsschadens248 und aufgrund der Stellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit von einer für den Aufsichtsrat zustimmungspflichtigen Relevanz ausgegangen werden. Vor der Beantwortung der Frage, ob diese Maßnahme zustimmungsbedürftig ist, muss zuerst geklärt werden, ob sie überhaupt zustimmungsfähig ist.249 Der Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats relativiert zwar in gewissen Teilbereichen das Verbot der Geschäftsführung aus § 111 Abs. 4 S. 1 AktG, indem durch ihn präventivstrategisch in die Unternehmensführung eingegriffen werden kann. Dem sind aber insoweit Grenzen gesetzt, als dass die eigentliche Intention zur Geschäftsführung beim Vorstand verbleiben muss. Ein Initiativrecht zur Geschäftsleitung des Aufsichtsrats kennt das Gesetz nicht.250 Insofern kann das Unterlassen zur Vornahme einer Geschäftsführungsmaßnahme durch den Vorstand generell nicht der Zustimmung durch den Aufsichtsrat unterworfen werden. Überträgt man diesen Gedanken auf CSR-Entscheidungen des Vorstands, könnte man annehmen, dass die Abstandnahme von einem CSR-Konzept, also die Entscheidung, zu einem wesentlichen Belang keine Strategie in die Unternehmensführung zu integrieren, schon grundsätzlich nicht von den zustimmungsfähigen Geschäften umfasst wäre, da es sich dabei um ein Unterlassen handle.251 Hierbei darf die grundlegende aktienrechtliche Kompetenzzuweisung zwischen Aufsichtsrat und Vorstand nicht außer Acht gelassen werden. Befürchtet wird, dass der Aufsichtsrat durch die Zustimmungsvorbehaltsfähigkeit des Unterlassens letzten Endes eine Maßnahme der Geschäftsführung provozieren könne und dadurch eine eigenständige Geschäftsführung in bedeutungsträchtigen Angelegenheiten betreiben könne.252 Die Gefahr einer solchen Kompetenzüberschreitung bleibt in der hiesigen Diskussion unbegründet. Die grundsätzliche Initiative, vom Vorstand die Positionierung zu wesentlichen CSR-Fragen zu verlangen, ergreift an dieser Stelle nicht der Aufsichtsrat selbst. Stattdessen erfordert der in § 289c Abs. 4 HGB fixierte Comply or ExplainMechanismus bei für das konkrete Unternehmen als wesentlich identifizierten Belangen eine geschäftliche Entscheidung des Vorstandes, da er sich aufgrund dieser 248 Weller/Benz, AG 2015, 467, 472; zur Bedeutung siehe Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 261, zur Ermittlung S. 273 ff. 249 Siehe zu dieser Differenzierung Bachmann, ZGR 2018, 231, 241. 250 Hennsler, in: Hennsler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 111 AktG Rn. 18. 251 So tendenziell Bachmann, ZGR 2018, 231, 241. 252 Habersack, in: MünchKommAktG, § 111 Rn. 128; Dietrich, DStR 2003, 1577, 1578.
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Vorschrift für oder gegen eine Strategieentwicklung entscheiden muss. Gerade diese von Gesetzes wegen initiierte Entscheidung des Vorstands muss Gegenstand der Zustimmungsvorbehaltsfähigkeit sein. Für die erstgenannte Alternative konkretisiert sich das in den jeweiligen Maßnahmen zur Verfolgungsstrategie, da sich die Entscheidung erst an dieser Stelle realisiert. Bezüglich der Einzelmaßnahme „Abstandnahme“ findet die Verwirklichung der geschäftlichen Entscheidung des Vorstands bereits an dieser vorangehenden Stelle statt. Weitere konkrete, „risikobehaftete“ Maßnahmen folgen nicht. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass an dieser Stelle eine zustimmungsfähige, geschäftliche Entscheidung getroffen wurde, die von Gesetzes wegen und gerade nicht durch den Aufsichtsrat veranlasst wurde. Demnach kann auch diese Entscheidung dem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats unterliegen.253 In Betracht kommen dafür besonders die wesentlichen Belange, bei denen das Absehen von der Entwicklung einer Strategie bedeutende Auswirkungen für die Stellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit – bis hin zu Reputationsschäden – befürchten lassen. Weitere Entscheidungen zur konkreten Strategieentwicklung obliegen ferner dem Vorstand. Eine eigenständige Geschäftsführung des Aufsichtsrats droht daher nicht. Lediglich die Entscheidung, gänzlich von einer Strategieerstellung Abstand zu nehmen, kann einem Zustimmungsvorbehalt unterliegen. Auch in diesem Fall kommen nur solche ExplainEntscheidungen des Vorstands als Vorbehaltsgegenstände in Betracht, die abhängig vom jeweiligen Unternehmenszuschnitt ein gewisses Mindestgewicht tragen. 3. Zustimmungsvorbehalt bei bedeutsamen CSR-Entscheidungen Grundsätzlich ist festzuhalten, dass gewisse CSR-Entscheidungen dem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats unterliegen können. Begründet ist dies darin, dass der Aufsichtsrat diesen geschäftlichen Entscheidungen, die grundlegende Veränderungen für das Unternehmen mit sich bringen, präventiv-überwachend zu begegnen hat. Die mit der CSR-Berichterstattung einhergehenden CSR-Entscheidungen des Vorstands sind entweder konzeptbefürwortend oder konzeptablehnend. Bezüglich der befürwortenden Entscheidungen gilt, dass ihre Erstellung und Fortschreibung meistens dann dem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats zu unterstellen ist, wenn ihre Maßnahmen die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend verändern. Gleiches gilt, wenn mit ihnen grundlegende Strategieentscheidungen, wesentliche Änderungen der Unternehmensorganisation, wesentliche Personalmaßnahmen oder auch Maßnahmen, die für die Stellung des Unternehmens in der Öffentlichkeit von großer Bedeutung sind, verbunden sind.
253
Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1365.
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Bezüglich konzeptablehnender Entscheidungen, sprich der Auswahl, für einen für das Unternehmen als wesentlich identifizierten Belang kein Konzept zu verfolgen, ist bereits diese geschäftliche Entscheidung als „Maßnahme der Geschäftsführung“ anzusehen. Diese Maßnahme ist grundsätzlich auch zustimmungsfähig, da es sich gerade nicht um ein zustimmungsfeindliches Unterlassen des Vorstands handelt. Die Initiative zur Geschäftstätigkeit bei einer solchen Entscheidung kommt nicht vom Aufsichtsrat, sondern unmittelbar von dem in § 289c Abs. 4 HGB fixierten Comply or Explain-Mechanismus. Ihre Bedeutung findet die Entscheidung, sich gegen die Erstellung eines Konzepts auszusprechen, insbesondere in der Gefahr eines bedeutsamen Reputationsschadens für das Unternehmen. Es verbietet sich dabei aber gleichwohl eine pauschale Kategorisierung. Eine Auswahl der Vorbehaltsgegenstände ist immer anhand des jeweiligen Unternehmenszuschnitts vorzunehmen.
D. CSR-Ausschuss Da es sich bei CSR-berichtspflichtigen Unternehmen aufgrund der für die Berichtspflicht vorausgesetzten Merkmale wie der Kapitalmarktorientierung oder der Eigenschaft als „große Kapitalgesellschaft“ im Allgemeinen um Aktiengesellschaften mit „großen“ Aufsichtsräten handelt, kommt die Einrichtung eines CSRAusschusses zur Bewältigung der mit der Berichterstattung verbundenen Aufgaben in Betracht. In der gängigen Praxis großer Gesellschaften zeigt sich, dass eine Ausschussbildung auf hohe Akzeptanz stößt.254 Sie sei zur Vermeidung einer persönlichen Haftung der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder sogar nahezu „unumgänglich“.255 Der größte Vorteil der Ausschussbildung ist in erster Linie die Konzentration von Fachwissen, beispielsweise durch im CSR-Bereich professionalisierte Aufsichtsräte, die in einem entsprechenden Ausschuss zu einer intensiveren Auseinandersetzung auch in komplexen Sachverhalten führt. Darüber hinaus steigert eine Untergliederung in arbeitsfähige, kleine Gruppen auch die Flexibilität und Effektivität der Aufsichtsratstätigkeit.256 Die Ausschussbildung führt aufgrund ihrer Arbeits- und Spezialisierungsfähigkeit in bestimmten Aufgaben zu einer Effizienzsteigerung der Aufsichtsratstätigkeit im Ganzen.257 Das kann für den Aufsichtsrat besonders hinsichtlich der zusätzlich durch die CSR-Berichterstattung begründeten Rechte und Pflichten, wie unter an254 Konkret zum Prüfungsausschuss, aber auch bezugnehmend auf die allgemeine Ausschussbildung Huwer, Der Prüfungsausschuss, S. 60. 255 Huwer, Der Prüfungsausschuss, S. 69. 256 Huwer, Der Prüfungsausschuss, S. 32; Lutter, DB 2009, 775, 777. 257 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 87.
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derem im Rahmen seiner um CSR ergänzten Überwachungs- und Beratungsaufgabe, sinnvoll sein. Hierbei ist zwischen den einzelnen, durch die CSR-Berichterstattung neu begründeten Aufgaben und den verschiedenen, im Gesetz angelegten Ausschussarten zu differenzieren. Die folgende Untersuchung orientiert sich dabei an einer Prüfung nach dem Ausschlussprinzip, sodass einleitend die dem Plenarvorbehalt unterliegenden CSR-Aufgaben genannt werden. Jene sind als Kernaufgaben dem Aufsichtsrat vorbehalten und daher strikt von den tatsächlich auf einen Ausschuss übertragbaren Aufgaben abzugrenzen. Da es sich bei der nichtfinanziellen Berichterstattung nach §§ 289b ff. HGB um eine Erweiterung der Lageberichterstattung handelt, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage, inwieweit sie den die Rechnungslegung betreffenden Aufgaben zugeordnet und diese dem dafür spezialisierten Prüfungsausschuss übertragen werden können. Des Weiteren beschränken sich die Tätigkeitsbereiche des Aufsichtsrats, welche die CSR-Berichterstattung im weitesten Sinne betreffen, wie bereits erörtert nicht nur auf die Prüfung des CSR-Berichts nach § 171 Abs. 1 AktG. Schließlich wird untersucht, ob und ab wann sich die Einrichtung eines eigenständigen CSR-Ausschusses für weitergehende CSR-Aufgaben anbietet.
I. Plenarvorbehalt Obwohl die Ausschussbildung grundsätzlich im überwachenden, vorbereitenden wie auch beschlussfassenden Bereich der Aufsichtsratstätigkeit denkbar ist, müssen gewisse Kernaufgaben dem Aufsichtsrats-Plenum vorbehalten bleiben.258 Dabei ist zwischen ausdrücklich in § 107 Abs. 3 AktG benannten Delegationsverboten und unbenannten Kernaufgaben zu unterscheiden. 1. Plenarvorbehalte nach § 107 Abs. 3 S. 7 AktG Soweit es um die Prüfung der CSR-Berichterstattung geht, unterfällt diese als Bestandteil der Prüfung des Jahresabschlusses und Lageberichts nach § 171 Abs. 1 AktG dem ausdrücklichen Vorbehalt nach § 107 Abs. 3 S. 7 AktG. Außerdem benennt § 107 Abs. 3 S. 7 AktG die Festlegung zustimmungspflichtiger Geschäfte, sodass eine Bestimmung zustimmungspflichtiger CSR-Maßnahmen nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG nicht ersetzend von einem Ausschuss vorgenommen werden kann.
258 Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, § 107 Rn. 28; HamblochGesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 107 Rn. 152; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 96.
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Hierbei ist zu betonen, dass diese Delegationsverbote nur für die beschließende, nicht jedoch für die vorbereitende oder ausführende Ausschussbildung gilt.259 Solange die eigene Meinungsbildung erhalten bleibt, können Plenarvorbehalte wie die Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung nach § 171 Abs. 1 AktG durchaus durch einen Ausschuss vorbereitet werden. 2. Ungeschriebener Plenarvorbehalt Abgesehen von den in § 107 Abs. 3 S. 7 AktG geschriebenen Aufsichtsratsaufgaben sind auch ungeschriebene Kernkompetenzen nicht übertragbar.260 Neben dem Verbot, die Entscheidung über die Abgabe einer Entsprechenserklärung nach § 161 AktG oder die Planung seiner inneren Ordnung und Arbeitsweise generell einem Ausschuss zu übertragen, kann sich der Aufsichtsrat auch nicht vollständig seiner allgemeinen Überwachungs- und Beratungsaufgabe entledigen.261 Anders ist dies bei auf einzelne Geschäftsführungsmaßnahmen bezogenen Überwachungsaufgaben. Diese können bis auf den nicht delegierbaren Kern der Überwachungsaufgaben auf einen Ausschuss übertragen werden. Da eine Abgrenzung zwischen delegierbaren und nicht delegierbaren Überwachungsaufgaben recht schwierig erscheint, kann sich dabei an den Berichtspflichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 AktG orientiert werden. Eine Übertragung der funktionstypischen Kernkompetenzen des Aufsichtsrats darf nicht erfolgen.262 Gerade die nach § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AktG beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzlich die Unternehmensplanung betreffende Fragen können sich dabei nicht zuletzt auch auf CSR-Angelegenheiten beziehen. Sie können dann nur als auf diese einzelnen CSR-Geschäftsführungsmaßnahmen bezogene Überwachungsaufgaben auf einen Ausschuss übertragen werden. Darüber hinaus müssen beim Gesamtaufsichtsrat Entscheidungen richtungsweisender Bedeutung für das interne und externe Erscheinungsbild der Gesellschaft verbleiben.263 Unter diese richtungsweisenden Entscheidungen können neben solchen zur Verfolgung von CSR-Konzepten auch Entscheidungen dagegen gefasst werden. Maßgeblich ist ihre Bedeutung für das Erscheinungsbild sowie ihre Risikoexposition.264 Jedwede anderem CSR-betreffenden Aufgaben sind im Umkehrschluss grundsätzlich auf einen Ausschuss delegierbar.
259
Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 96. Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 107 Rn. 167 ff. 261 Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 96; Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1365; Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, § 107 Rn. 28. 262 Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, § 107 Rn. 28. 263 Ohne Eingrenzung auf eine „richtungsweisende“ Bedeutung für das Erscheinungsbild soweit Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1365. 264 Bachmann, ZGR 2018, 231, 242; Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1365. 260
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II. Übertragbarkeit nach § 107 Abs. 3 S. 2 AktG Als Erweiterung der Lageberichterstattung nach §§ 289 ff. HGB stellt sich die Frage, inwieweit sich Rechte und Pflichten für den Aufsichtsrat, die durch die CSRBerichterstattung begründet wurden, in den Aufgabenkatalog des Prüfungsausschusses nach § 107 Abs. 3 S. 2 AktG integrieren lassen. Die Bildung eines Prüfungsausschusses wird zwar durch § 107 Abs. 3 S. 2 AktG angeregt, bleibt tatsächlich jedoch rein fakultativ.265 Nichts anderes gilt trotz Art. 39 Abs. 1 der Abschlussprüfer-Richtlinie266 für kapitalmarktorientierte Aktiengesellschaften. Der deutsche Gesetzgeber hat das ihm nach Art. 39 Abs. 2 der Abschlussprüfer-Richtlinie im Zuge des BilMoG267 zugestandene Wahlrecht insoweit wahrgenommen, als dass die Entscheidung zur Übertragung der Aufgaben an einen Prüfungsausschuss und deren Reichweite noch immer dem Aufsichtsrat obliegt.268 Dennoch wird die Einrichtung des Bilanzausschusses für börsennotierte Gesellschaften von einer Mehrzahl der kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften praktiziert, was nicht zuletzt daran liegt, dass dies durch den Deutschen Corporate Governance Kodex empfohlen und in der Regel darüber hinaus dringend angeraten wird.269 Die Überprüfung der Rechnungslegungsunterlagen bedarf in jedem Fall einer intensiven Bearbeitung durch den Aufsichtsrat und in aller Regel auch eines intensiven Austausches des Aufsichtsrats mit dem zuständigen Abschlussprüfer. Der Einsatz eines Prüfungsausschusses kann angesichts des optimalen Zusammenspiels von gebündeltem Fachwissen der Aufsichtsratsmitglieder und regelmäßigen, auch unterjährigen Sitzungen des Prüfungsausschusses diese notwendige, intensive Auseinandersetzung gewährleisten. Gleichermaßen fördert der Einsatz die fachliche Diskussion mit dem Abschlussprüfer.270 Als Aufgabenbereich des Prüfungsausschusses beschreibt § 107 Abs. 3 S. 2 AktG neben der Überwachung der Wirksamkeit des internen Kontrollsystems, des Risikomanagementsystems, des internen Revisionssystems konkret auch die Überwachung des Rechnungslegungsprozesses sowie die Überwachung der Abschlussprüfung samt Auswahl des Abschlussprüfers.271 So hat der Prüfungsausschuss bereits im 265
Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 107 Rn. 105; Spindler, in: Spindler/ Stilz, § 107 Rn. 140; kritisch dazu Hoffmann, NZG 2016, 441 ff. 266 Richtlinie 2014/56/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen v. 16. 4. 2014, ABl. L 158/196 (im Folgenden abg.: Abschlussprüfer-Richtlinie). 267 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) v. 25. 5. 2009, BGBl. 2009, S. 1102 ff. (im Folgenden abg.: BilMoG). 268 Spindler, in: Spindler/Stilz, § 107 Rn. 149; J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 107 Rn. 26. 269 D.3 DCGK 2019; E. Vetter, ZGR 2010, 751, 759 ff.; J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 107 Rn. 22. 270 Huwer, Der Prüfungsausschuss, S. 113 ff.; Altmeppen, ZGR 2004, 390, 410. 271 Spindler, in: Spindler/Stilz, § 107 Rn. 141.
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Vorfeld Empfehlungen für die Wahl des Abschlussprüfers abzugeben.272 In aller Regel nimmt der Prüfungsausschuss dabei eine sogenannte Vorprüfung der Abschlussunterlagen vor. Darüber hinaus hat der Prüfungsausschuss auch die Möglichkeit, dem Gesamtaufsichtsrat nach § 107 Abs. 3 S. 3 AktG Empfehlungen oder Vorschläge zur Gewährleistung der Integrität des Rechnungslegungsprozesses zu unterbreiten. Ausgeschlossen bleibt vom Aufgabenbereich des Prüfungsausschusses nach § 107 Abs. 3 S. 7 AktG eine ersetzende Prüfung nach § 171 Abs. 1 AktG. Die Letztverantwortung dafür muss beim Gesamtaufsichtsrat bleiben.273 Dies gelingt ihm, indem er auf Grundlage der Stellungnahmen des Prüfungsausschusses und der mündlichen Erläuterung durch den Abschlussprüfer die abschließende Prüfung nach § 171 Abs. 1 AktG selbst vornimmt.274 So bleibt der Prüfungsausschuss für den Gesamtaufsichtsrat vorbereitend tätig. Die Integrierbarkeit der CSR-Berichterstattungsaufgaben als Bestandteil der Lageberichterstattung in die sonstigen, die Rechnungslegungsunterlagen betreffenden Aufgaben, die von einem Prüfungsausschuss übernommen werden, ist grundsätzlich anzunehmen. Gleiches intendiert auch die Empfehlung D.3 DCGK 2019, die die CSR-Berichterstattung ausdrücklich in die „Rechnungslegung“ und daher in den Tätigkeitsbereich des Prüfungsausschusses integriert.275 Dies ist auch sinnvoll, denn von den Vorteilen des Prüfungsausschusses – der Möglichkeit einer intensiveren Auseinandersetzung durch das optimale Zusammenspiel von gebündeltem Fachwissen der Aufsichtsratsmitglieder und regelmäßigen, auch unterjährigen Sitzungen des Prüfungsausschusses – können gerade auch die Prüfungsleistungen bezüglich der CSR-Berichterstattungsunterlagen profitieren. Die Lageberichterstattungsprüfung des Prüfungsausschusses unterliegt grundsätzlich der Kontrolle, ob die vom Vorstand gemachten Angaben zutreffend, vollständig und klar sind.276 Dabei kann er sich trotz eigener Prüfungshandlungen weitgehend auch der Unterstützungsleistung des Abschlussprüfers als „Dialogpartner“ bedienen. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeitsprüfung der Unterlagen gilt es zu beachten, dass sich der Prüfungsausschuss mangels gesetzlicher Pflichtprüfung durch den Abschlussprüfer grundsätzlich nicht vollumfänglich auf die Unterstützungsleistung verlassen kann. Dieser überprüft insoweit lediglich die Vereinbarkeit der Angaben
272
Spindler, in: Spindler/Stilz, § 107 Rn. 141. Siehe S. 133; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 107 Rn. 27; Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 107 Rn. 149. 274 So Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 107 Rn. 46, mit dem Ergebnis, dass sich der Aufsichtsrat grundsätzlich auf die Berichte des Ausschusses verlassen darf. 275 So ausdrücklich: „Die Rechnungslegung umfasst insbesondere den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht (einschließlich CSR-Berichterstattung), unterjährige Finanzinformationen und den Einzelabschluss nach HGB.“ 276 Huwer, Der Prüfungsausschuss, S. 120. 273
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mit seinen Erkenntnissen.277 Die materielle Prüfung der Unterlagen muss der Prüfungsausschuss daher selbstständig vornehmen. Dahingehend ist zu erwähnen, dass CSR-berichtspflichtige Aktiengesellschaften aufgrund der hohen CSR-Berichtspflicht-Anforderungen aus § 289b Abs. 1 HGB stets § 107 Abs. 4 AktG erfüllen. Für den zugehörigen Prüfungsausschuss erfordert § 100 Abs. 5 AktG demnach von mindestens einem Mitglied des Aufsichtsrats Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung. Des Weiteren müssen die Mitglieder in ihrer Gesamtheit mit dem Sektor, in dem die Gesellschaft tätig ist, vertraut sein. Ebendiese Anforderung wird nach § 107 Abs. 4 AktG auf die Mitglieder des Prüfungsausschusses von Unternehmen, die im Sinne des § 264d HGB kapitalmarktorientiert, Kreditinstitute oder Versicherungsunternehmen sind, übertragen. Da allerdings jedes CSR-berichtspflichtige Unternehmen entweder kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d HGB oder ein Kreditinstitut oder Versicherungsunternehmen ist, gelten diese Anforderungen stets für die in der hiesigen Diskussion behandelten Unternehmen. Daher haben die Mitglieder des Prüfungsausschusses regelmäßig erhöhte Sektorenkenntnis und ein Mitglied zudem Sachverstand auf dem Gebiet der Rechnungslegung aufzuweisen. Dazu gehört nunmehr auch das Gebiet der CSR-Berichterstattung.278 Für die Vorprüfung der CSR-Berichterstattung durch den Prüfungsausschuss ergeben sich hinsichtlich der fehlenden umfassenden Prüfung durch den Abschlussprüfer keine Besonderheiten, sodass sich die Aufgaben des Prüfungsausschusses vollumfänglich auf die Vorprüfung der CSR-Berichterstattung als Bestandteil der Rechnungslegung erstrecken. Da sich der Prüfungsausschuss mit der Auswahl des Abschlussprüfers und der von ihm erbrachten und zu erbringenden Leistungen zu befassen hat,279 bietet es sich darüber hinaus an, ihm insoweit die Möglichkeit zu geben, eine Empfehlung zur Beauftragung einer externen Prüfung nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG auszusprechen. Soweit der Prüfungsausschuss die von ihm abverlangte Rechtmäßigkeitsprüfung nicht ohne Austausch mit einer Hilfsperson vornehmen kann, sollte er die Beauftragung der externen inhaltlichen Prüfung nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG anregen. Die Beauftragung eines externen Dienstleisters nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG, der nicht Abschlussprüfer ist, hätte zur Folge, dass der Prüfungsausschuss entweder eine gesonderte „CSR-Sitzung“ einberufen oder den CSR-Dienstleister an den entsprechenden Prüfungsausschusssitzungen teilnehmen lassen müsste.280
277
Siehe S. 116 ff. Ferner sind die Erkenntnisse zum Aufsichtsrat und dessen Professionalisierung an dieser Stelle auf den Prüfungsausschuss zu übertragen, siehe S. 137 ff. 279 J. Koch, in: Hüffer/Koch, § 107 Rn. 24b. 280 Aus Diskretionsgründen empfiehlt sich dabei ein Ausschluss des externen Dienstleisters von der Vorprüfung sonstiger, nicht CSR-betreffender Rechnungslegungsunterlagen. 278
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Trotz fehlender gesetzlicher Pflichtprüfung durch den Abschlussprüfer steht es dem Prüfungsausschuss frei, als externen Prüfer den Abschlussprüfer auszuwählen. Dies wäre in der Praxis aus mehreren Gründen ratsam. Die Wahl des Abschlussprüfers als Hilfsperson nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG könnte zum einen die Bündelung der die Prüfung der CSR-Berichterstattung betreffenden Aufgaben beim Abschlussprüfer zur Folge haben. Gleichzeitig ermöglicht sie, was insbesondere aus Diskretionsgründen wertvoll ist, einen geschlossenen Austausch in den Sitzungen des Prüfungsausschusses. Darüber hinaus kann der Abschlussprüfer unter Umständen bereits aus den Erfahrungen seiner materiellen Prüfung nach § 289 Abs. 3 HGB schöpfen. Da sich diese Angaben mit weiten Teilen der Angaben nach §§ 289b ff. HGB überschneiden, kann so bereits erlangtes Wissen des Abschlussprüfers für die CSR-Berichterstattung genutzt und Doppelungen können in der Berichterstattung vermieden werden. Soweit kein eigenständiger Compliance-Ausschuss damit beauftragt wurde,281 kann es sich anbieten, dem Prüfungsausschuss die Überwachung des Compliance Management Systems zu übertragen.282 Hiervon sind freilich auch CSRbezogene Compliance Einrichtungen und CSR-bezogene Fragen zur Rechtmäßigkeit des Vorstandshandelns umfasst.
III. CSR-Ausschuss Schließlich stellt sich die Frage, ob und wann die Einrichtung eines gesonderten CSR-Ausschusses in Betracht kommt. In den möglichen Tätigkeitsbereich eines CSR-Ausschusses fallen im Grunde all die Aufgaben, die weder vom Plenarvorbehalt noch vom Tätigkeitsfeld des Prüfungsausschusses umfasst sind. Hierbei handelt es sich konkret um vorbereitende Aufgaben im Rahmen seiner begleitenden Überwachung und Beratung nach § 111 AktG. Zwar ist die allgemeine Überwachungs- und Beratungsaufgabe Kernkompetenz des Aufsichtsrats und bleibt diesem somit als Aufgabe vorbehalten.283 Einzelne Aufgabenbereiche, wie etwa die Überwachung der Geschäftsführung in CSR-Angelegenheiten, können aber durchaus auf einen Ausschuss übertragen werden.284 Darin enthalten sind zum Beispiel die Entscheidungen des Vorstands, CSRMaßnahmen in bestimmten CSR-Bereichen zu ergreifen oder bestimmte Zielwerte festzulegen. Dies gilt nur, soweit diese Tätigkeiten, wie etwa wesentliche CSREntscheidungen oder bedeutsame CSR-bezogene Einzelfragen des Vorstands, von 281
Spindler, in: Spindler/Stilz, § 107 Rn. 163. Spindler, in: Spindler/Stilz, § 107 Rn. 163; D.3 DCGK 2019. 283 Habersack, in: MünchKommAktG, § 107 Rn. 146, 149 ff. 284 Eine Übertragbarkeit von einzelnen Aufgabenbereichen betreffend seiner Überwachungsaufgaben voraussetzend Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 111 Rn. 27, 87. 282
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der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats abgedeckt sind. Nicht umfasst sind daher das Tagesgeschäft betreffende CSR-tangierende Entscheidungen. Gerade in den einen Ausschuss anerkennenden Teilbereichen ist die Einrichtung eines CSR-Ausschusses auch zielführend. Denn der Effekt, dass sich Aufsichtsratsmitglieder, die einem Ausschuss zugeteilt sind, typischerweise mit der Arbeit in diesem Ausschuss besonders identifizieren können, wäre nicht zuletzt auch für das „neuartige“ CSR-Feld von Nutzen. Von einer Bündelung entsprechender Fachkenntnisse in der Einrichtung eines CSR-Ausschusses im Aufgabenbereich „CSR“ könnte das Unternehmen durchaus profitieren. Ebenfalls in einen CSR-Ausschuss integrierbar wäre schließlich die Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung bei einem CSR-bezogenen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats. Zwar unterliegt die Festlegung eines solchen Vetorechts der Entscheidung durch das Aufsichtsrats-Plenum.285 Die Erteilung der Zustimmung kann jedoch ersetzend durch einen Ausschuss vorgenommen werden.286 Dabei wird es noch nicht belassen: Selbst wenn die Überwachung des Rechnungslegungsprozesses und die Vorarbeiten der Prüfung der Abschlussunterlagen nach § 171 Abs. 1 AktG grundsätzlich dem Prüfungsausschuss zu Teil werden, liegt die tatsächliche Organisationskompetenz noch immer beim Aufsichtsrat.287 Eine Pflicht zur Übertragung der Prüfungsvorbereitung der CSR-Prüfung, der Überwachung des Rechnungslegungsprozesses hinsichtlich der CSR-Angelegenheiten oder auch der Überwachung von CSR-bezogenen Compliance Einrichtungen besteht nicht. Entsprechend der bereits oftmals praktizierten Aussonderung der Complianceüberwachung in einem „Compliance-Ausschuss“ könnte außerdem eine Konzentration sämtlicher CSR-Angelegenheiten, also auch der den Prüfungsausschuss betreffenden, in einem CSR-Ausschuss in Betracht kommen. Denn die Ausschussbildung gestattet eine Spezialisierung einzelner Aufsichtsratsmitglieder in einem abgesteckten, notwendigen Bereich. Neben der Arbeitsbereitschaft, die in einem grundsätzlich bekannten Gebiet aufgebracht werden muss, fördert dies aufgrund der gesteigerten Verantwortung der entsprechenden Mitglieder womöglich auch deren Professionalisierungsbereitschaft.288 Das käme im Besonderen der, von Stimmen der Literatur befürchteten,289 „kategorischen Überforderung“ des Aufsichtsrats in Sachen CSR entgegen. So könnte man CSR-bezogene Aufsichtsratsaufgaben, auch die Vorprüfung des § 171 Abs. 1 AktG, gänzlich auf einen spezialisierten Ausschuss aussondern. 285
Siehe S. 133. Tomasic, in: Grigoleit, AktG, § 107 Rn. 27; BGH, AG 1991, 398, 399; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 107 Rn. 93, § 111 Rn. 72. 287 Siehe auch D.3 DCGK 2019, „soweit kein anderer Ausschuss oder das Plenum damit betraut ist“; Spindler, in: Spindler/Stilz, § 107 Rn. 146. 288 Wilsing, in: DCGK, S. 415 Rn. 9. 289 Siehe S. 137. 286
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Dem entspräche jedenfalls der Grundgedanke der Ausschussbildung. Die Einrichtung eines abgesonderten CSR-Ausschusses könnte gewinnbringend für eine intensivere Bearbeitung einzelner CSR-Thematiken sein. „CSR“ als eigenständiges Aufgabengebiet wäre in einem CSR-Ausschuss theoretisch besser einschränkbar und aufgrund einer geringeren Anzahl qualifizierter Personen könnten Diskussionen erfolgsversprechender geführt werden.290 Entscheidender Unterschied zwischen der Bildung eines selbstständigen Ausschusses in CSR-Angelegenheiten und dem beispielhaften Compliance-Ausschuss ist, dass der Bereich „CSR“ tatsächlich nur schwer abgesteckt werden kann. Überwacht ein Compliance-Ausschuss grob gesagt „lediglich“ die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der unternehmensinternen Richtlinien sowie die Einrichtung des Compliance-Systems durch den Vorstand,291 müsste sich ein vollumfänglicher CSR-Ausschuss dagegen mit einer Vielzahl unterschiedlicher (auch unbestimmter) Sachbereiche beschäftigen. Kann CSR doch in vielen denkbaren eigenständigen Tätigkeitsbereichen, wie unter anderem in der Geschäftsleitung, in der Geschäftsstrategieentwicklung, in Personalentscheidungen, der Rechnungslegung oder auch in der CSR-Compliance relevant werden. Anlässlich dieser Fülle an möglichen Fachrichtungen ist eine Spezialisierung kaum denkbar. Eine Konzentration von Fachwissen „im CSR-Bereich professionalisierter Aufsichtsräte“ kann bezweifelt werden. Vielmehr sollte CSR als fester Einflussfaktor sämtlicher Disziplinen wahrgenommen werden. Es bietet sich sicherlich an, einen CSR-Ausschuss im Sinne eines CSR-Strategie-Ausschusses einzurichten oder einzelne vorbereitende Aufgaben im Rahmen seiner begleitenden Überwachung und Beratung nach § 111 AktG auf einen CSR-Ausschuss zu übertragen. CSR-Angelegenheiten anderer Fachbereiche, wie insbesondere die Vorbereitung der CSR-Berichterstattungsprüfung, deren Kontrolle im Rahmen des Rechnungslegungsprozesses wie auch CSR als Bestandteil von Compliance sollten in den sachnäheren Bereichen verbleiben.
IV. Resümee Zur Bewältigung der mit der Berichterstattung verbundenen Aufgaben des Aufsichtsrats kommt die Einrichtung eines CSR-Ausschusses grundsätzlich in Betracht. Das gilt jedoch nur, soweit es sich nicht um Aufsichtsratstätigkeiten handelt, die dem Aufsichtsrats-Plenum unterliegen (1) oder für die eine Bewältigung durch einen sachnäheren Ausschuss in Betracht kommt (2). Dies trägt insbesondere auch 290 Zu diesen Vorteilen des Ausschusses ohne konkreten Bezug zu CSR Kort, AG 2008, 137, 139 ff.; Sünner, AG 2000, 492, 496. 291 Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters, AktG, § 107 Rn. 111; ausführlich zu den Pflichten des Aufsichtsrats bei der Überwachung von Compliance siehe Lutter, in: FS Hüffer, 2010, S. 617, 618 ff.
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dem Gedanken Rechnung, CSR als festen Einflussfaktor sämtlicher Disziplinen und der gesamten zukünftigen Unternehmenspolitik zu sehen. Neben den ausdrücklichen Vorbehalten nach § 107 Abs. 3 S. 7 AktG sind insbesondere solche Entscheidungen dem Aufsichtsrats-Plenum vorbehalten, die von richtungsweisender Bedeutung für das interne und externe Erscheinungsbild der Gesellschaft sind. Die die Rechnungslegung betreffenden Aufgaben des Aufsichtsrats in Bezug auf die CSR-Berichterstattungsprüfung sollten genauso wie bei den sonstigen Rechnungslegungsangelegenheiten zur Vorprüfung dem Prüfungsausschuss übertragen werden. Sieht sich der Prüfungsausschuss mangels verpflichtender Unterstützungsleistung durch den Abschlussprüfer zur inhaltlichen Prüfung nicht imstande, sollte er die Beauftragung eines externen Dritten nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG empfehlen. Der Abschlussprüfer ist dabei aus pragmatischen Gründen einem sonstigen externen Dienstleister vorzuziehen. Die übrige, im Besonderen die zukünftige CSR-Politik betreffende Aufsichtsratstätigkeit könnte von der Einrichtung eines CSR-Ausschusses, insbesondere durch eine Bündelung entsprechender Fachkenntnisse in den entscheidungsrelevanten Aufgabenbereichen, erheblich profitieren und ist in diesen Fällen daher anzuraten.
E. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Aktiengesellschaft durch die Einführung der CSR-Berichterstattungspflicht einen erheblichen Pflichtenzuwachs erfährt. Die Aufgabenverteilung folgt dabei auch bei der CSR-Berichterstattung dem für die sonstige Rechnungslegung üblichen Vorgehen. Der Vorstand ist neben weiteren Einzeltätigkeiten, wie den Entscheidungen im Zusammenhang mit der (Nicht-)Verfolgung von CSR-Konzepten und der Einrichtung einer funktionsfähigen CSR-Inventur sowie einer CSR-Compliance, insbesondere zur Erstellung und Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung nach den §§ 289b ff. HGB verpflichtet. Außerdem hat er in Zusammenhang mit der CSRBerichterstattung neben inhaltlichen auch formale Entscheidungen zu treffen. Entscheidungen ohne wesentliche Entscheidungsverantwortung kann er dabei zur Arbeitserleichterung durchaus an nachgeordnete Stellen oder externe Dritte, auch sog. CSR-Ressorts delegieren. Die CSR-Berichterstattung ist sowohl vom Abschlussprüfer als auch vom Aufsichtsrat zu prüfen. Für die Abschlussprüfung ergibt sich die Besonderheit, dass die Pflichtprüfung nur die Vorlage der nichtfinanziellen Erklärung nach § 317 Abs. 2 S. 4 HGB, also eine rein formelle Untersuchung, umfasst. Gewiss mit einem materiell-rechtlichen Einschlag, in dem er auf offensichtliche Unrichtigkeiten im Rahmen seines Hinweis- und Rederechts aufmerksam machen muss.
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Die Prüfung des Aufsichtsrats bemisst sich dagegen an einer vollumfänglichen Zweck- und Rechtmäßigkeitsprüfung nach § 171 Abs. 1 AktG. Nach seinem Ermessen kann er zur Unterstützung einen externen Dritten, der auch (vorzugswürdig) der Abschlussprüfer sein kann, nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG privatautonom zur inhaltlichen Prüfung beauftragen. Soweit es sich nicht um Aufsichtsratstätigkeiten handelt, die dem AufsichtsratsPlenum unterliegen oder eine Bewältigung durch einen sachnäheren Ausschuss (insbesondere Prüfungsausschuss) in Betracht kommt, ist grundsätzlich die Einrichtung eines CSR-Ausschusses zu erwägen.
§ 10 Gesellschaftsinterne Auswirkungen der CSR-Berichterstattungspflicht auf die Aktiengesellschaft Um der Untersuchung nach den weitergehenden aktienrechtlichen Auswirkungen („Ausstrahlungswirkungen“) wie der Bindungswirkung einer positiven nichtfinanziellen Erklärung oder der Frage nach mittelbaren Verhaltensvorgaben durch eine Veränderung der Unternehmenszielleitbestimmung nachgehen zu können, sind im folgenden Abschnitt die direkten unternehmensinternen Konsequenzen, Gestaltungsmöglichkeiten und Haftungsrisiken, die aus der CSR-Berichterstattungspflicht folgen, zu erforschen. Daran gemessen kann der tatsächliche Wirkungskreis des bestehenden Regelungskonzepts festgestellt werden, der alsdann ausschlaggebend für die abschließende Analyse der Effektivität der Regelung sein wird. Denn nur so lässt sich beurteilen, inwieweit die neuen CSR-Berichtspflichten für die Aktiengesellschaft und ihre Organe tatsächlich spürbar sind und ob sich die Funktionstrias der nichtfinanziellen Erklärung de lege lata tatsächlich verwirklichen. Ausgehend von diesem Ergebnis kann ferner beantwortet werden, ob es sich bei dem gewählten CSR-Regelungsmodell um eine effektive Verankerung von CSR handelt oder ob in gewisser Hinsicht de lege ferenda weiterer Regelungsbedarf besteht. Für eine Filterung der tatsächlich spürbaren Konsequenzen der Einführung einer verbindlichen CSR-Berichterstattung ist vorab deren Sanktionsrisiko zu bestimmen. Diese können wahlweise die Gesellschaft im Ganzen, aber auch gezielt deren handelndes Organ, namentlich den Vorstand als Erklärungsorgan oder den Aufsichtsrat als Überwachungsorgan treffen. Dabei ist zwischen zwei Arten zu differenzieren: Zum einen gibt es drohende Haftungsrisiken, die sowohl in einem Innenals auch einem Außenhaftungsrisiko münden können. In Betracht kommen durch eine Verletzung ihrer Organpflichten, die praktisch ein Spiegelbild des durch die CSR-Berichterstattung erfolgten Pflichtenzuwachses der Gesellschaft sind, interne
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wie externe Schadensersatzforderungen.292 Ferner ist ein mittelbares Sanktionspotenzial denkbar. Darunter finden sich Gestaltungsrechte enttäuschter Investoren sowie weniger offensichtliche allgemein gesellschaftsrechtlich sanktionierende Rechte der enttäuschten Organe oder Gesellschafter, die erst ein weiteres Handeln oder Beschlussfassen voraussetzen. Dazu zählen etwa der Rücktritt eines Investors vom Kaufvertrag über den Erwerb von Anteilen an dem in Frage stehenden Unternehmen, wie auch die Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses oder der gänzliche Vertrauensentzug gegenüber einem Organmitglied durch eine Abberufung aus dem Amt. Im Folgenden werden daher zuerst die unmittelbar drohenden Haftungsrisiken aufgrund fehlender oder fehlerhafter („fehlerbehafteter“) CSR-Berichterstattung oder anderer Missachtung von CSR-Pflichten der Verwaltungsorgane untersucht. Anschließend lohnt sich der Blick auf die mittelbaren Auswirkungen, die zwar ein weiteres Handeln oder eine Beschlussfassung der enttäuschten Organe voraussetzen, als spürbare Konsequenz missachteter CSR-Berichterstattungsanforderungen jedoch nicht unterschätzt werden dürfen.
A. Haftungsrisiken und Gestaltungsmöglichkeiten Bedingt durch eine Verletzung der mit der Aufstellung und Veröffentlichung des Lageberichts und der nichtfinanziellen Erklärung verbundenen Pflichten könnten sowohl der Gesellschaft im Ganzen, aber auch den verantwortlichen Verwaltungsorganen selbst gegenüber der Gesellschaft Haftungsrisiken drohen. Gemessen wird diese Haftung an den jeweiligen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates.293 Eine sondergesetzliche Haftungsregelung wurde durch das CSR-RUG nicht geschaffen. Lediglich Art. 33 Abs. 2 S. 1 der Bilanzrichtlinie gibt insoweit Aufschluss, als dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Bestimmungen ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Haftung auf die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane Anwendung finden. Betreffend die Innenhaftung kommen bei inhaltlichen Fehlern der nichtfinanziellen Erklärung sowohl Pflichtverletzungen der für die Aufstellung verantwortlichen Geschäftsführer nach § 93 Abs. 2 AktG, als auch eine Haftung des Aufsichtsrats nach §§ 116 S. 1, 93 Abs. 2 AktG wegen der Verletzung einer seiner CSR-bezogenen Aufsichtsratspflichten in Betracht. Dies soll im Weiteren untersucht werden. Daneben darf das Bedürfnis der Beantwortung der Frage, welche Außenhaftungsrisiken den Mitgliedern der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane sowie der Gesellschaft als Ganzes drohen, nicht unterschätzt werden. 292 293
Siehe S. 99 ff. RL 2013/34/EU, Erwägungsgrund 41.
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Zum einen können Außenhaftungsrisiken maßgeblich den Wirkungskreis der Regelung und somit den tatsächlichen Regelungsgehalt beeinflussen. Zum anderen werden diese Außenhaftungsrisiken nicht zuletzt als Schadensposition im Innenverhältnis der Gesellschaft gegenüber ihren Organmitgliedern relevant. Auch dieser Frage wird im Folgenden nachgegangen. Schließlich eröffnen sich im Außenhaftungsverhältnis neben dem offensichtlichen Schadensersatzverlangen weitere Gewährleistungsansprüche, wie die Nacherfüllung oder den Rücktritt, die zwar nicht direkt haftungsrechtlich, aber jedenfalls sanktionierend wirken können.
I. Innenhaftung der Verwaltungsorgane Ist der Gesellschaft aufgrund einer schuldhaften Pflichtverletzung eines Verwaltungsorgans ein kausal verursachter Schaden entstanden, haftet dieses Verwaltungsorgan im Allgemeinen für den entstandenen Schaden.294 Dabei regelt § 93 Abs. 2 AktG die Schadensersatzpflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der Aktiengesellschaft. § 116 S. 1 AktG überträgt diese Grundsätze mit Ausnahme des § 93 Abs. 3 S. 2 AktG auf die Mitglieder des Aufsichtsrats. 1. Objektiv sorgfaltswidrige Pflichtverletzung Verletzungsfähig sind dabei in Bezug auf die nichtfinanzielle Erklärung prinzipiell alle bereits benannten CSR-Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat.295 Liegt nicht nur eine Pflichtverletzung des Aufsichtsrats durch mangelhafte Wahrnehmung seiner Überwachungsaufgabe, sondern auch eine Pflichtverletzung des Vorstands bei Aufstellung der nichtfinanziellen Erklärung vor, haften beide gegenüber der Gesellschaft als Gesamtschuldner; im Innenverhältnis der, der die Rechtsverletzung primär zu verantworten hat, also der Vorstand.296 Hinsichtlich der Delegation einzelner, übertragbarer CSR-Pflichten des Vorstands ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass Vorstandsmitglieder sich auf diesem Wege nicht ihrer Verantwortung entziehen können. Denn die ursprüngliche CSR-Pflicht wandelt sich in diesem Moment in eine Überwachungsverantwortung um, die gleichermaßen pflichtwidrig verletzt werden kann.297
294 Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 162 ff.; Habersack, in: MünchKommAktG, § 116 Rn. 1 ff. 295 Siehe S. 160 f.; Röttgen/Hund, DK 2019, 201, 210. 296 Siehe § 840 Abs. 2 BGB, dazu grundsätzlich Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 164. 297 Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 170; BGH, NJW 2001, 969, 971; BGH, NJW 1995, 2850, 1851; Hölters, in: Hölters, AktG, § 93 Rn. 84, 236.
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Eine Pflichtverletzung tritt dann ein, wenn bei der Vorstands- oder Aufsichtsratstätigkeit nicht die objektive Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters298 bzw. eines ordentlichen und gewissenhaften Überwachers und Beraters wahrgenommen wird.299 Maßgeblich für Vorstand und Aufsichtsrat ist, dass nicht jedwede Pflichtverletzung ein Haftungsrisiko für die Mitglieder des jeweiligen Verwaltungsorgans begründen kann. Erforderlich ist die schuldhafte Verletzung einer CSR-Pflicht. Das bedeutet, dass sie entweder vorsätzlich oder fahrlässig verletzt worden sein muss.300 Die objektive Pflichtwidrigkeit der Pflichtverletzung muss sich in einer subjektiven Pflichtwidrigkeit realisieren.301 Das ist der Fall, wenn das Vorstandsmitglied die subjektive Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters tatsächlich (bewusst) missachtet oder das Aufsichtsratsmitglied die subjektive Sorgfalt eines Überwachers oder Beraters tatsächlich (fahrlässig) nicht beobachtet.302 Sodann kann dem jeweiligen Verwaltungsorgan ein ausreichender Schuldvorwurf gemacht werden. Dabei ist hinsichtlich der von einigen Stimmen in der Literatur vorgeworfenen „kategorischen Überforderung“ der Aufsichtsräte in Ausübung ihrer vollumfänglichen Prüfungspflicht nach § 171 Abs. 1 AktG anzumerken, dass mangelnde Fähigkeiten und Kenntnisse, die dem verlangten Standard nicht genügen, weder für den Vorstand noch für den Aufsichtsrat einen Entschuldigungsgrund darstellen.303 Dann liegt jedenfalls bei Amtseintritt ein Übernahmeverschulden vor.304 Wiederum bestätigt sich so, dass auch in Bezug auf CSR-Expertise die Professionalisierung der Verwaltungsorgane, insbesondere des Aufsichtsrats, weitergetrieben werden sollte.305 Bezüglich der fehlerbehafteten nichtfinanziellen Erklärung kommt für den Vorstand vorwiegend eine Verletzung seiner bilanziellen Pflicht aus § 289b Abs. 1 HGB, § 264 Abs. 1 S. 1 HGB und der damit verbundenen Handlungspflichten, wie die Einrichtung einer CSR-Inventur oder die Veröffentlichung der Erklärung in Betracht. Augenscheinlichster Anwendungsbereich für den Aufsichtsrat scheint eine Verletzung seiner Prüfungspflicht aus § 171 Abs. 1 AktG zu sein. Ferner wird eine Verletzung weiterer originärer Verwaltungspflichten von Vorstand und Aufsichtsrat 298
Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 21. Habersack, in: MünchKommAktG, § 116 Rn. 16; Patzina, in: Haftung von Unternehmensorganen, Kap. 7 Rn. 15. 300 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 205; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 93 Rn. 34. 301 Wellhöfer, in: Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 2 Rn. 28. 302 Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 198; zur Geltung beim Aufsichtsrat Habersack, in: MünchKommAktG, § 116 Rn. 2. 303 Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 93 Rn. 205; Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 199. 304 Habersack, in: MünchKommAktG, § 116 Rn. 75. 305 Siehe S. 137. 299
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haftungsrelevant. Darunter fällt zum Beispiel die Missachtung von CSR als Inhalt der begleitenden Überwachung durch den Aufsichtsrat oder die fehlende Integration von CSR in das Compliance Management System der Aktiengesellschaft trotz bestehendem Bedürfnis oder die übersehene Unterrichtung des Aufsichtsrats nach § 170 AktG durch den Vorstand. 2. Schuldhafte Pflichtwidrigkeit Neben einer vorsätzlichen Missachtung des Sorgfaltsmaßstabs begründet grundsätzlich auch fahrlässiges Unterschreiten die schuldhafte Pflichtwidrigkeit eines Verwaltungsorgans. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dem betreffendem Organmitglied bei CSR-spezifischen bilanziellen Pflichten aufgrund vielerlei (noch) unbestimmter Rechtsbegriffe, außer in Fällen einer bewussten Missachtung, kaum ein eindeutiger Schuldvorwurf gemacht werden kann.306 Außerdem werden Vorstand und Aufsichtsrat in Ausübung ihrer CSR-Pflichten in weiten Teilen Ermessen und Wahlrechte eingeräumt. Soweit es sich bei den CSRbezogenen Tätigkeiten um unternehmerische Entscheidungen handelt, ist zu bedenken, dass auch hier Vorstand und Aufsichtsrat nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG (i.V.m. § 116 S. 1 AktG) in den Genuss der Business Judgment Rule (BJR) gelangen.307 Durfte das Verwaltungsorgan im Sinne des § 93 Abs. 1 S. 2 AktG bei seiner unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, tritt zu seinen Gunsten die Haftungsprivilegierung ein.308 Dies kann beispielsweise für den Vorstand bei der Entscheidung, ob gewisse Angaben nach § 289e Abs. 1 Nr. 1 HGB weggelassen werden können, oder bei den weitaus bedeutungsvolleren Entscheidungen bezüglich der (Nicht-)Verfolgung von CSR-Konzepten erwogen werden.309 Anwendung auf Entscheidungen des Aufsichtsrats findet die BJR beispielsweise bei Festlegung von Zustimmungsvorbehalten oder der Beauftragung eines externen Dritten nach § 111 Abs. 2 S. 4 AktG, da diesem insoweit gleichermaßen unternehmerisches Ermessen zuteil wird. Insgesamt bleibt für den Vorwurf fahrlässiger Sorgfaltswidrigkeit bei der Wahrnehmung von CSR-Aufgaben durch die Verwaltungsorgane nach Begrenzung durch die ebengenannten Besonderheiten nur wenig Raum.
306
Bachmann, ZGR 2018, 231, 249. Zur BJR Wellhöfer, in: Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 2 Rn. 19 f.; zur Anwendbarkeit bei CSR Bachmann, ZGR 2018, 231, 237, 243. 308 Patzina, in: Haftung von Unternehmensorganen, Kap. 5 Rn. 4; Sailer-Coceani, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 13. 309 Bachmann, ZGR 2018, 231, 237; zur Anwendbarkeit der BJR bei § 289e HGB Mock, ZIP 2017, 1195, 1200. 307
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Davon abzugrenzen sind vorsätzliche Missachtungen der bilanziellen Pflichten und die vorsätzliche Verletzung grundsätzlich angelegter Organpflichten. 3. Kausaler Schaden Sämtliche Voraussetzungen der Innenhaftung nach § 93 Abs. 2 AktG (i.V.m. § 116 S. 1 AktG) sind erst dann erfüllt, wenn der Gesellschaft durch die schuldhafte Pflichtverletzung ein kausal verursachter Schaden entstanden ist.310 Darunter fällt jede Minderung oder unterbliebene Mehrung des Gesellschaftsvermögens.311 Problematisch ist, dass der Begründung materieller Schäden, die auf eine fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung zurückzuführen sind, bisher, wenn auch in der Tendenz steigend,312 kaum Bedeutung zugemessen wird.313 In Erwägung zu ziehen sind bei der fehlerbehafteten nichtfinanziellen Erklärung allen voran Reputationseinbußen314 durch bekanntgewordene unrichtige Berichterstattung in Verbindung mit ihren finanziellen Folgeschäden sowie gegen die Gesellschaft gerichtete Bußgelder nach den allgemeinen Grundsätzen beschränkter Regresshöhe.315 Aufzuzählen sind insoweit auch Folgeschäden wie höhere Finanzierungskosten, der Umsatzrückgang oder PR-Ausgaben, die einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen können.316 Auch der Verlust von profitablen Vertragspartnern kann als Konsequenz fehlerbehafteter CSR-Berichterstattung drohen.317 So verlangen zunehmend mehr Vertragspartner, sei es aufgrund eigener Berichtspflichten oder eigens auferlegter CSRZiele, die vertragliche Vereinbarung individueller CSR-Anforderungen, etwa in Form von Lieferantenkodizes, Produktbeschreibungen oder Finanzierungsbedingungen.318 Ebenfalls als Schadensposten heranzuziehen sind Ersatzansprüche Dritter oder Anleger gegen die Gesellschaft, die aus der fehlerbehafteten Berichterstattung re310 Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 192 ff.; Wellhöfer, in: Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 2 Rn. 9. 311 Wellhöfer, in: Die Haftung von Vorstand, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer, § 2 Rn. 37. 312 So Seibt, DB 2016, 2707, 2715, der in der Monetarisierbarkeit von CSR-Belangen eine Veränderung erwartet. 313 Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344 f.; Seibt, DB 2016, 2707, 2715. 314 Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 50; Walden, NZG 2020, 50, 53; zur Schadensermittlung Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 273 ff. 315 Mit weiteren Beispielen Bachmann, ZGR 2018, 231, 250; Spindler, in: MünchKommAktG, § 93 Rn. 194. 316 Bachmann, ZGR 2018, 231, 250; Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 692 f.; Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 255 ff. 317 So Mock, ZIP 2017, 1195, 1203. 318 Walden, NZG 2020, 50, 52 f.; Asmussen, NJW 2017, 118, 119.
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sultieren. Inwieweit diese konkret begründet werden können, soll in einem späteren Abschnitt (Außenhaftungsrisiken gegenüber Anlegern)319 untersucht werden. Hauptproblem ist, dass sich der konkrete Nachweis eines bestimmten Schadens mangels fehlendem „Business Case“ für CSR oftmals als schwierig erweist.320 Dahingehend werden in der Literatur bereits Vorschläge gemacht.321 Als Erleichterung wird von Bachmann zum Beispiel eine Schätzung nach § 287 ZPO vorgeschlagen.322 Des Weiteren können Parallelen zur Rechtsprechung hinsichtlich der aktienrechtlichen Publizitätspflicht des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG oder der Schadensberechnung am Vorbild der §§ 97, 98 WpHG gezogen werden.323 In jeder Hinsicht ist die erwartete Monetarisierung nichtfinanzieller Belange abzuwarten, um die Bestimmung eines auf die Fehlberichterstattung zurückzuführenden Schadens zu erleichtern. 4. Innenhaftung bei vorsätzlicher Pflichtverletzung Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Innenhaftung der Verwaltungsorgane nach § 93 Abs. 2 AktG (i.V.m. § 116 AktG) hauptsächlich bei einer vorsätzlichen Pflichtverletzung in Betracht kommt. Als verletzungsfähige Pflichten sind grundsätzlich alle benannten CSR-Pflichten von Vorstand und Aufsichtsrat zu nennen. Der Bereich fahrlässig begründbarer Pflichtverletzungen ist dagegen eher überschaubar. Sind alle anderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 Abs. 2 AktG (i.V.m. § 116 S. 1 AktG) zu bejahen, gilt es, einen kausal verursachten Schaden festzustellen. Obzwar einige Vermögenseinbußen als Schadenpositionen in Betracht kommen, gilt es, diese aufgrund der durch die CSR-Pflichtverletzung verursachten Schäden hinreichend zu bestimmen.324
II. Außenhaftungsrisiken gegenüber Wertpapierinhabern Im Fall der Verwirklichung entsprechender Haftungstatbestände gegenüber ihren Anteilseignern kommen außerdem Außenhaftungsrisiken der Aktiengesellschaft in Betracht. Dieses Haftungsrisiko ist betreffend der CSR-Berichterstattung von besonderem Interesse, da sich hier unter Umständen ein breites Sanktionsfeld eröffnet. 319
Siehe S. 167 ff. Mock, ZIP 2017, 1195, 1203; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344; für eine Gesamtbetrachtung dieser Problematik bei Imageschäden Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 256 ff. 321 Bachmann, ZGR 2018, 231, 249 f.; zur Frage der Art und des Umfangs bei Imageschäden Kröger, Korruptionsschäden, Unternehmensgeldbußen und Imageschäden, S. 276 ff. 322 Bachmann, ZGR 2018, 231, 249. 323 Siehe hierzu Winter, Schaden nach §§ 97, 98 WpHG, S. 63 ff. 324 Siehe auch S. 193 f. 320
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Durch das CSR-RUG wurde ebenso wenig wie bei der Innenhaftung eine sondergesetzliche Anspruchsgrundlage zu Gunsten der Anleger eingeführt, sodass auch hier auf bereits bestehende Haftungsnormen zurückzugreifen ist. Dabei muss zwischen mehreren Konstellationen unterschieden werden. Eingangs ist zu beantworten, ob Anleger, die zum Veröffentlichungszeitpunkt bereits Wertpapiere an der CSR-berichterstattenden Aktiengesellschaft halten, einen durch eine fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung erlittenen Schaden ersetzt bekommen können. Des Weiteren stellt sich die Frage, ob Aktionären, die Wertpapiere über den Primärmarkt erwerben und die Erklärung zum Gegenstand ihrer Investitionsentscheidung gemacht haben, Ansprüche gegen die Aktiengesellschaft zustehen, wenn sie durch die nichtfinanzielle Erklärung über die tatsächliche CSR-Politik des Unternehmens getäuscht wurden. Schließlich gilt es, die Erkenntnisse auf den Sekundärmarkt zu übertragen. 1. Kein Eingriff in Mitgliedschaftsrecht nach § 823 Abs. 1 BGB Für einen durch eine fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung erlittenen Schaden kommt für Anleger, die zum Veröffentlichungszeitpunkt bereits Wertpapiere an der CSR-berichterstattenden Aktiengesellschaft hielten, § 823 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Die Mitgliedschaft in einer Aktiengesellschaft wird grundsätzlich durch den Anwendungsbereich des § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht geschützt; auch dann, wenn der Eingriff nicht von einem Dritten ausgeht, sondern durch ein pflichtwidriges Verhalten eines Gesellschaftsorgans begründet wird.325 So stellt sich die Frage, ob durch die fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung möglicherweise die Mitgliedschaftsrechte der Anleger, die bereits Wertpapiere an der Aktiengesellschaft halten, als „sonstige Rechte“ verletzt wurden und eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB grundsätzlich eröffnet ist.326 Dafür bedürfte es eines haftungsbegründenden Eingriffs in die Mitgliedschaft des Anlegers. Dieser wird entweder bei vollständigem Entzug des Mitgliedschaftsrechts,327 so zum Beispiel bei der ungerechtfertigten Veräußerung eines Wertpapiers oder unter Umständen bei Entzug einer der gebündelten Einzelbefugnisse der Mitgliedschaft, angenommen. Ein derartiger Entzug würde jedoch nur dann vorliegen, wenn sich das fragliche Verhalten des Gesellschaftsorgans gezielt gegen einen Anleger oder eine Aktio-
325 326 327
Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 351. Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344. Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 306.
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närsgruppe richtet.328 Es geht dabei um den Zuweisungsgehalt des absoluten Rechts.329 Eine reine Schmälerung der Ertragsfähigkeit reicht nicht aus.330 Übertragen auf die durch ein Fehlverhalten des jeweiligen Gesellschaftsorgans entstandene fehlerbehaftete nichtfinanzielle Erklärung, müsste sich also gerade dieses Fehlverhalten gezielt gegen die benannte Gruppe richten. Der Eingriff in das Mitgliedschaftsrecht als Ganzes, der vollständige Entzug, kann jedenfalls ausgeschlossen werden. Es müsste also in konkrete, im Mitgliedschaftsrecht des Anlegers gebündelte Einzelbefugnisse eingegriffen werden, die ihrerseits absoluten Schutz genießen. Zwar soll die Offenlegung von Informationen zur Nachhaltigkeit, wie sozialen und umweltbezogenen Faktoren, das Vertrauen von Investoren stärken.331 Absolute Einzelbefugnisse der Anleger in Bezug auf die ordnungsgemäße Erstellung und Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung bestehen allerdings nicht. Insoweit fehlt es am haftungsbegründenden Eingriff als notwendiges Tatbestandsmerkmal des § 823 Abs. 1 BGB. Die Haftung aufgrund eines Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte der Anleger als „sonstiges Recht“ nach § 823 Abs. 1 BGB ist daher abzulehnen.332 2. Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB Dagegen eröffnet sich für Anleger, die zum Veröffentlichungszeitpunkt bereits Wertpapiere an der CSR-berichterstattenden Aktiengesellschaft halten, durch eine fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB. § 823 Abs. 2 BGB nimmt eine Präzisierungs- und Ergänzungsfunktion ein, indem er die Haftung statt an der konkreten Rechtsgutsverletzung bereits an der rechtswidrigen Rechtsgutsgefährdung anknüpft und den Rechtsgüterschutz dadurch vorverlagert.333 Dafür verlangt § 823 Abs. 2 BGB unter anderem die Verletzung eines Schutzgesetzes gemäß Art. 2 EGBGB, folglich eine Vorschrift, die auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist.334
328
So auch Mock, ZIP 2017, 1195, 1203; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344; Patzina, in: Haftung von Unternehmensorganen, Kap. 7 Rn. 93. 329 K. Schmidt, JZ 1991, 157, 158. 330 K. Schmidt, JZ 1991, 157, 159; Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 352. 331 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 3. 332 So auch Bachmann, ZGR 2018, 231, 248; Mock, ZIP 2017, 1195, 1203; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344. 333 Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 533. 334 Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 562; Sprau, in: Palandt, BGB, § 823 Rn. 58; BHGZ 46, 17, 21.
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a) CSR-Berichterstattungspflichten als Schutzgesetz Naheliegend ist bei fehlerbehafteter CSR-Berichterstattung in erster Linie eine Verletzung der CSR-Berichterstattungsvorschriften nach §§ 289b ff. HGB. Bei den nichtfinanziellen Berichtspflichten nach §§ 289b ff. HGB handelt es sich um Vorschriften der Rechnungslegung. Buchführungsvorschriften gewährleisten nach überwiegender Auffassung bloßen Institutionsschutz (Zahlungs- und Kreditverkehr),335 stellen demnach keine Schutzgesetze nach § 823 Abs. 2 BGB dar.336 Etwas anderes ergibt sich auch im konkreten Fall der CSR-Berichterstattung nicht daraus, dass Investoren durchaus als Interessengruppen im Regierungsentwurf zu einem Gesetz zur Stärkung der nichtfinanziellen Berichterstattung der Unternehmen in ihren Lage- und Konzernlageberichten benannt werden.337 Die Buchführungspflichten nach §§ 289b ff. HGB, welche durch eine fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung verletzt werden können, verfolgen in erster Linie drei Ziele: Sie vervollständigen die Lageberichterstattung, sie dienen allgemein als Informationsbasis und fördern eine nachhaltige Unternehmenspolitik.338 Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als Schutzgesetz aber nur geeignet, soweit das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind.339 Selbst der Zweck der Informationsbereitstellung, der noch am ehesten konkrete Anlegerinteressen schützt, wird nie ausdrücklich in den Zusammenhang mit Anlegerinteressen gebracht. So wird diese Personengruppe im Regierungsentwurf zum CSR-RUG zwar eingangs als „Interessenten“ der CSR-Berichterstattung nach §§ 289b ff. HGB bezeichnet.340 Als ausdrücklich durch die Buchführungsvorschriften geschützte Personengruppe treten diese hingegen nicht auf. Des Weiteren fehlt es an einer hinreichend klaren und bestimmten Präzisierung, von welchem Augenblick an die mangelhafte Aufstellung eines CSR-Berichts zu einem Schaden führt oder welche Art der Verletzung ausreicht.341 Die CSR-Berichterstattung dient in erster Linie der Selbstkontrolle und der Öffentlichkeit als Informationsbasis und hat somit gerade keine individualschu¨ tzende Funktion.342 335
Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 193; §§ 289b ff. HGB als Schutzgesetz ebenfalls ablehnend Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1345; Seibt, DB 2016, 2707, 2715; Bachmann, ZGR 2018, 231, 248; Mock, ZIP 2017, 1195, 1203. 336 Ausführlich und kritisch hierzu Asmussen, in: Haftung für CSR, S. 76 ff. 337 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1. 338 Siehe nur S. 43 ff. 339 BGHZ 40, 306, 307 = NJW 1964, 396, 397. 340 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1. 341 Zu diesen Erwägungen ohne Bezug zu CSR BGH, DStR 2019, 805, 807 (Rn. 32). 342 So auch Mock, ZIP 2017, 1195, 1203; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344; Seibt, DB 2016, 2707, 2715.
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b) Schutzgesetzeigenschaft der §§ 331, 334 HGB Anders ist dies bei den Straf- und Bußgeldvorschriften nach §§ 331, 334 HGB.343 Jene konkretisieren hinsichtlich der CSR-Berichterstattung ausdrücklich die Art der Verletzung durch Sanktionierung der unrichtigen Darstellung der Verhältnisse sowie der Zuwiderhandlung hinsichtlich einer der in § 334 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 HGB benannten Vorschriften. Außerdem ist allgemein anerkannt, dass die in § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB oder § 331 Abs. 1 Nr. 3 HGB strafrechtlich und in § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB oder § 334 Abs. 1 Nr. 4 HGB ordnungswidrigkeitenrechtlich sanktionierten Verbote ebenso das Vertrauen der Aktionäre bzw. Gesellschafter und potenzieller Anleger als konkrete Personengruppe in die Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Angaben und Informationen über die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft schützt.344 Sie bezwecken demnach zumindest auch Individualschutz und erfüllen die Anforderungen an ein Schutzgesetz.345 c) Vorsätzliches Handeln § 823 Abs. 2 S. 2 BGB setzt Verschulden voraus. Dies gilt auch dann, wenn ein Verstoß gegen die Gesetzesnorm ohne Verschulden möglich ist. Schon § 331 HGB und § 334 HGB setzen zumindest Eventualvorsatz voraus.346 Im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB gelten die allgemeinen Regeln über die Beweisverteilung, sodass die Anleger die Voraussetzungen des Anspruchs, also auch den Vorsatz des Schädigers, nachweisen müssen.347 d) Kausaler Schaden § 823 Abs. 2 BGB erfordert einen auf dem Schutzgesetzverstoß beruhenden Eintritt eines kausalen Schadens. Dank der vielfältigen Schutznormen umfasst der Schutzzweck des § 823 Abs. 2 BGB dabei unterschiedliche Interessen, mitunter auch das Vermögen der Anleger.348 Es kommt insoweit auf den Eintritt eines Vermögensschadens an.349 Sein Umfang und seine Berechnung bestimmen sich dabei 343
Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 193; Bachmann, ZGR 2018, 231, 248; siehe ausführlich dazu auch Asmussen, Haftung für CSR, S. 78 ff. 344 LG Bonn, AG 2001, 484, 486; Schüppen, Systematik und Auslegung des Bilanzstrafrechts, S. 114. 345 Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 193 m.w.N. 346 Siehe dazu S. 93 ff. 347 BGH, WM 2012, 260 Rn. 8; Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 619; so auch Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 193 f. 348 Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 823 Rn. 41. 349 Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 614.
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nach den §§ 249 ff. BGB.350 Zur konkreten Schadensbestimmung ist auf bereits erfolgte Ausführungen zur Innenhaftung zu verweisen. 3. Keine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB In besonders schweren Fällen könnte außerdem ein Rückgriff auf § 826 BGB (i.V.m. § 31 BGB) als allgemein-zivilrechtlicher Haftungstatbestand in Betracht kommen. Von besonderem Interesse wäre dieser weitere Haftungstatbestand deshalb, weil sich der Anspruch grundsätzlich gegen jedermann richtet, der sich vorsätzlich-sittenwidrig verhält. Neben einer persönlichen Haftung der Leitungsorgane rückt damit in besonderen Fällen auch eine Inanspruchnahme der Mitarbeiter in den Vordergrund.351 Problematisch ist an dieser Stelle jedoch, dass Verstöße gegen die CSR-Berichterstattungspflicht der Aktiengesellschaft im Verhältnis zu ihren bestehenden Anlegern regelmäßig nicht sittenwidrig sein werden.352 Insoweit ist auf die Ausführungen von Asmussen zu verweisen, der hinsichtlich der Verletzung von CSRCodes konstatiert, es handele sich bei deren Einhaltung weder um Mindest- noch um Grundanforderungen im Verhältnis des Verbandes zu seinen Mitgliedern.353 Genauso wenig handelt es sich darum bei CSR-Berichterstattungsanforderungen an die Aktiengesellschaft. Das zeigt auch ein Vergleich mit den im Rahmen des § 826 BGB zur Frage stehenden Fallgruppen, die unter anderem die Ausplünderung von Anlegern, eine Zweckentfremdung von Anlagegeldern, Insolvenzverschleppung oder den Missbrauch korporationsrechtlicher Einzelkompetenzen umfassen. In der Verletzung der CSR-Berichterstattungsanforderungen ist im Sinne des § 826 BGB grundsätzlich weder ein besonders zu missbilligendes Verhalten noch ein besonders zu missbilligender Erfolg zu erkennen. 4. Haftung bei Erwerb auf dem Primärmarkt Wie verhält es sich im Gegensatz zu den bisherigen Ausführungen mit Anlegern, die Wertpapiere über den Primärmarkt erwerben und die die fehlerbehaftete nichtfinanzielle Erklärung zum Gegenstand ihrer Investitionsentscheidung gemacht haben?
350
Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 616. Wagner, in: MünchKommBGB, § 826 Rn. 102. 352 Zwar in Bezug auf CSR-Codes, dennoch auf den Fall der CSR-Berichterstattungspflicht übertragbar, Asmussen, Haftung für CSR, S. 62. 353 Asmussen, Haftung für CSR, S. 62. 351
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Die Risiken der Aktiengesellschaft bemessen sich im Folgenden neben der sondergesetzlichen Prospekthaftung nach § 9 WpPG sowie § 10 WpPG an allgemein-zivilrechtlichen Gewährleistungs- und Haftungstatbeständen. a) Prospekthaftung nach §§ 9, 10 WpPG Unter der Prospekthaftung versteht man die Haftung der Prospektverantwortlichen (§ 8 WpPG) für die Vollständigkeit und Richtigkeit ihrer in den Verkehr gebrachten Werbeprospekte.354 Es handelt sich dabei um eine kapitalmarktrechtliche Informationshaftung. Ein Prospekt im Sinne des WpPG kann entweder aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung355 oder freiwillig zur Unterstützung der Platzierung von Aktien erstellt und verbreitet werden. Dabei schützt die Prospekthaftung den Kapitalmarkt im Grunde zweierlei: Zum einen sichert sie konkret dem Anlageinteressenten einen individuellen Anspruch gegen den Prospektverantwortlichen, wenn er auf die in dem Prospekt beworbenen Angaben vertraut und sie zur Grundlage seiner Anlageentscheidung macht.356 Zum anderen gewährleistet sie abstrakt die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts zur Herstellung von Finanzierungsbeziehungen und Allokation von Kapital, indem sie präventiv auf die Durchsetzung der Informationspflichten des Emittenten, also auf Kapitalmarkttransparenz hinwirkt.357 Soweit die Anlageinteressenten auf ihren Prospekt als in der Regel wichtigste und häufigste Informationsquelle vertrauen können, erfüllt er seinen Zweck als Instrument der Kapitalmarktinformation.358 Der Prospekt ersetzt „die individuelle Aufklärung“ durch den Emittenten, Anbieter oder Vertriebshelfer.359 Sind die Informationen inhaltlich unrichtig oder unvollständig, können daraus Investitionsfehlentscheidungen der Anlageinteressenten resultieren.360 Zu unterscheiden ist hinsichtlich der CSR-Berichterstattung zwischen zwei Haftungstatbeständen: der Prospekthaftung wegen fehlerhaftem Börsenzulas354 Asmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Teil, § 5 Rn. 1. 355 So dürfen Wertpapiere in Deutschland ab einem Gesamtwert von 8 Millionen Euro grundsätzlich nicht ohne einen Prospekt öffentlich angeboten werden, siehe Art. 3 Abs. 1 Prospekt-VO (Verordnung (EU) 2017/1129) und im Umkehrschluss zu § 3 WpPG. 356 BGH, NJW 2011, 2719, 2720; Asmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Teil, § 5 Rn. 2; BGH, WM 1982, 862, 865. 357 Singhof, in: MünchKommHGB, Kapitalmarkt- und Wertpapiergeschäft, Rn. 283 ff.; BGH, WM 1982, 862, 865. 358 BGH, NJW 2011, 2719, 2720; Asmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Teil, § 5 Rn. 2. 359 BGH, NJW 2011, 2719, 2720 f.; Asmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Teil, § 5 Rn. 2. 360 Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 190.
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sungsprospekt nach § 9 WpPG und der Prospekthaftung wegen fehlerhaftem Verkaufsprospekt nach § 10 WpPG. Bei beiden Haftungsnormen handelt es sich um sondergesetzliche Haftungstatbestände aus dem WpPG. Daneben wurde von der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine allgemein-zivilrechtliche Prospekthaftung entwickelt, die aufgrund des abschließenden Charakters der spezialgesetzlichen Prospekthaftung jedoch nicht zur Anwendung kommt.361 aa) Prospekthaftung wegen fehlerhaftem Börsenzulassungsprospekt nach § 9 WpPG § 9 WpPG regelt die zivilrechtliche Haftung des Emittenten (neben den Emissionsbanken) als Prospektverantwortlichen gegenüber dem Erwerber seiner Wertpapiere,362 wenn sein Börsenzulassungsprospekt fehlerhaft ist. Die Zulassung der Wertpapiere erfolge bei einem Börsenzulassungsprospekt im Gegensatz zum Verkaufsprospekt gerade auf Grundlage („auf Grund“ § 9 Abs. 1 S. 1 WpPG) des zu beurteilenden Prospekts. Fehlerhaft bedeutet, dass für die Beurteilung wesentliche Angaben dieses Prospekts unrichtig oder unvollständig sind, § 9 Abs. 1 S. 1 WpPG. (1) Nichtfinanzielle Berichterstattung als Bestandteil des Prospekts Der Prospektbegriff ist nicht legal definiert. Seine Einzelheiten sind streitig, sodass sich eine rein formale Abgrenzung eingebürgert hat.363 Wird ein Dokument von der Zulassungsstelle gebilligt und veröffentlicht, handelt es sich um einen Prospekt. Ein Wertpapierprospekt ist also im Grunde ein von der zuständigen Behörde gebilligter und ordnungsgemäß notifizierter Prospekt.364 Im Rahmen der Finanzberichterstattung veröffentlichte Unterlagen, so auch der Lagebericht samt nichtfinanzieller Erklärung, stellen jedenfalls eigenständig keinen Prospekt dar.365 Dahingehend kann der veranschaulichende Katalog erforderlicher Informationen eines „Prospekts“ in der Prospekt-VO366 als Orientierung dienen. Die zentralen Inhalte eines Börsenzulassungsprospekts sind unmittelbar der Prospekt-
361 Singhof, in: MünchKommHGB, Kapitalmarkt- und Wertpapiergeschäft, Rn. 284; Bachmann, ZGR 2018, 231, 248 (Fn. 5). 362 Singhof, in: MünchKommHGB, Emissionsgeschäft, Rn. 287. 363 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 9 Rn. 10. 364 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 9 Rn. 10. 365 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 9 Rn. 10. 366 Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/71/EG, VO (EU) 2017/1129 (im Folgenden abg.: Prospekt-VO).
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VO und deren Anhängen zu entnehmen.367 Beschrieben werden in Art. 6 ProspektVO unter anderem Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Finanzlage und die Aussichten des Emittenten (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a Prospekt-VO) oder auch die mit den Wertpapieren verbundenen Rechte (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b Prospekt-VO). Dem Lagebericht fehlen orientiert an diesem Maßstab erhebliche Anlageinformationen, ohne derer sich ein Interessent keine umfassend informierende Beschreibung über den Emittenten verschaffen kann.368 Nichtsdestotrotz können Emittenten den Lagebericht freiwillig und ausdrücklich zum Prospektbestandteil machen (incorporation by reference).369 Dann werden die im Lagebericht eingebetteten nichtfinanziellen Informationen so behandelt, als stünden sie selbst im Wertpapierprospekt. Über den Verweis nach Art. 19 Abs. 1 lit. f Prospekt-VO kann eine fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung dann bei Erfüllen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen eine Haftung nach § 9 WpPG begründen. Denkbar ist eine incorporation by reference insbesondere bei Unternehmen, die ausdrücklich mit Responsible Investment werben und dies durch einen Verweis auf ihren gesamten Lagebericht hervorheben oder veranschaulichen möchten. Unabhängig von der ausdrücklichen Einbeziehung der nichtfinanziellen Erklärung in den Prospekt kann natürlich ferner mit CSR-Informationen „geworben“ werden. Auch in diesem Fall kann die Bereitstellung nichtfinanzieller Informationen der Investitionsentscheidung potenzieller Investoren als Grundlage dienen und bei unrichtiger oder unvollständiger Auskunft grundsätzlich eine Haftung nach § 9 WpPG begründen.370 Da es sich dabei jedoch genaugenommen nicht um eine unmittelbare Konsequenz der nichtfinanziellen Erklärung handelt, sollen entsprechende Erwägungen lediglich der Vollständigkeit halber angeführt werden. (2) Unrichtigkeit und Unvollständigkeit Prospektangaben, aufgrund derer sich Erwerber zum Kauf von Wertpapieren entscheiden, dürfen, wenn sie für die Beurteilung der Wertpapiere wesentlich sind, nicht unrichtig oder unvollständig sein, § 9 Abs. 1 S. 1 WpPG.
367
Gesetzesentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Ausführung der EU-Prospektverordnung und zur Änderung von Finanzmarktgesetzen v. 1. 2. 2019, BRDrucks. 52/19, S. 2; Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 9 Rn. 12. 368 Nicht gleichzusetzen, die wesentliche Erkenntnis jedoch übertragbar, Mülbert/Steup, WM 2005, 1633, 1649 f.; Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 9 Rn. 10. 369 Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 191. 370 RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1; Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 190 f.
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Als Angaben gelten dabei alle im Prospekt enthaltenen und fehlenden Informationen über Tatsachen, also dem Beweis zugängliche Geschehnisse oder Zustände.371 Diese Voraussetzung ist besonders hinsichtlich der Konzeptbeschreibung nach § 289c Abs. 3 HS. 2 Nr. 1 HGB und ihrer Ergebnisse nach § 289c Abs. 3 HS. 2 Nr. 2 HGB differenziert zu betrachten. Die erforderlichen Erläuterungen zu den tatsächlich bestehenden Konzepten wie auch deren Ergebnisse sind gewiss dem Beweis zugängliche Geschehnisse oder Zustände. Anders ist dies hingegen hinsichtlich der in diesem Zuge geäußerten zukunftsbezogenen Informationen wie Ziele und Erwartungen. Doch trotz fehlender Qualifizierung als Tatsachen sind diese Informationen „Angaben“ im Sinne der Prospekthaftung, soweit sie sich auf eine ausreichende Tatsachenbasis stützen.372 Neben Tatsachen können Werturteile, Prognosen und Informationen über zukünftige Vorhaben eine Haftung nach § 9 WpPG begründen, die dann stattdessen anhand ihrer Vertretbarkeit zu beurteilen sind.373 Unrichtig oder unvollständig bzw. nicht vertretbar sind sie entsprechend der sogenannten „Gesamtbildformel“374, wenn der Prospekt seinem Publikum durch das Verschweigen (in erster Linie nachteiliger) Angaben und/oder die Falschdarstellung vermeintlich vorteilhafter Informationen kein zutreffendes oder kaufmännisch vertretbares Gesamtbild über die tatsächliche Lage des Emittenten vermittelt.375 Ein solches Gesamtbild gelingt nur, wenn die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse richtig, vollständig und verständlich im Prospekt wiedergegeben werden sowie Werturteile, Prognosen und Informationen ausreichend vertretbar sind. Bezüglich des Beurteilungsmaßstabes ist auf einen „durchschnittlichen Anleger“ abzustellen.376 (3) CSR-Informationen als „wesentliche“ Angabe Die Haftungsfolge aus § 9 WpPG wird nur ausgelöst, wenn es sich bei den unrichtigen oder fehlenden Informationen um wesentliche Informationen im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 1 WpPG handelt. Greift man an dieser Stelle wieder auf Art. 6 Prospekt-VO zurück, werden dort drei Informationsblöcke festgelegt: Informationen 371 Asmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Teil, § 5 Rn. 143. 372 Singhof, in: MünchKommHGB, Kapitalmarkt- und Wertpapiergeschäft, Rn. 292. 373 Asmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, 1. Teil, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 5 Rn. 143. 374 BGH, WM 2008, 725, 726; BGH, WM 2010, 1310 f.; BGH, WM 2012, 19, 22; s. auch Assmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Kapitalanlagerecht, § 5 Rn. 54 ff. 375 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 1. Teil, § 9 Rn. 12; Roth-Mingram, CSR, S. 130; Asmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Teil, § 5 Rn. 147; Singhof, in: MünchKommHGB, Kapitalmarktund Wertpapiergeschäft, Rn. 292. 376 BGH, WM 2005, 782, 784; BGH, WM 2012, 115, 118 (Rn. 25); BGHZ 195, 1, 11 = AG 2012, 874, 876.
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über die wirtschaftliche Lage und die Aussichten des Emittenten (lit. a), die Wertpapiere und die damit verbundenen Rechte (lit. b) sowie die Gründe für die Emission und ihre Auswirkungen auf den Emittenten (lit. c). Um als wesentlich identifiziert zu werden, müssen die – ein Gesamtbild vermittelnden – Informationen einem fundierten Urteil über diese Informationsblöcke dienen.377 Richtig ist jedenfalls, dass Art. 6 Prospekt-VO nicht ausdrücklich von nichtfinanziellen Angaben als „erforderliche“ Informationen eines Prospekts spricht. So sind an dieser Stelle insbesondere finanzielle Informationen, wie die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten, die Gewinne und Verluste, die Finanzlage, Gründe für die Emission und ihre Auswirkungen auf den Emittenten prägend. Darauf bleibt das Informationsbedürfnis des Anlegers jedoch nicht begrenzt. Denn weniger finanziell behaftet sind die im ersten „Informationsblock“ zu beschreibenden Aussichten des Emittenten und eines etwaigen Garantiegebers (Art. 6 lit. a Alt. 6 Prospekt-VO). Der Anleger muss sich ein fundiertes Urteil über die Zukunftsaussichten des Emittenten bilden können. Es ist dabei kein Grund ersichtlich, die die Zukunftsaussichten des Emittenten beeinflussenden Informationen auf finanzielle zu begrenzen. Vielmehr sind darunter alle mit der Anlage verbundenen Nachteile und Risiken – besonders Umstände, die den Vertragszweck vereiteln können – zu verstehen.378 Auch unter Bezugnahme auf diese Informationen muss dem interessierten Kapitalanleger ein fundiertes Urteil ermöglicht, also ein entsprechendes Bild über die Lage des Unternehmens geboten werden. Ihm soll es offenstehen, eine umfassende, informierte, Chancen und Risiken erkennende Anlageentscheidung zu treffen.379 Grundsätzlich können nichtfinanzielle Angaben gleichermaßen als wesentliche Informationen unter den Informationsblock über die wirtschaftliche Lage und die Aussichten des Emittenten (lit. a) gefasst werden.380 Speziell im Hinblick auf die nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB und § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB in der nichtfinanziellen Erklärung berichtspflichtigen Angaben ist eine dahingehende Relevanz von CSR-Informationen zu bejahen. Zumal das Erfordernis des erweiterten Wesentlichkeitsvorbehalts hinsichtlich berichtspflichtiger Risiken nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB und § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB nicht außen vorgelassen werden darf.381 Aber auch sonstige nichtfinanzielle Angaben im Rahmen der nichtfinanziellen Erklärung dürfen nicht vernachlässigt werden.
377 Assmann, in: Assmann/Schlitt/v. Kopp-Colomb, Wertpapierprospektgesetz, WpPG, § 21 Rn. 47. 378 Assmann, in: Assmann/Schlitt/v. Kopp-Colomb, Wertpapierprospektgesetz, WpPG, § 21 Rn. 47; Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 191. 379 Asmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Teil, § 5 Rn. 144. 380 Tendenziell ablehnend Bachmann, ZGR 2018, 231, 248 mit dem Verweis auf RothMingram, CSR, S. 131. 381 Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 191.
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So hat sich im Schrifttum zur Bestimmung einer „wesentlichen“ Information das Bedürfnis eines Preisbeeinflussungspotenzials der Angabe herausgebildet.382 Das bedeutet, die Informationen müssen objektiv, aus der Sicht eines Anlegers, wertbildend sein und daher üblicherweise von diesem bei seiner Erwerbsentscheidung erwogen werden.383 Im Lichte des generellen Bedeutungszuwachses nichtfinanzieller Angaben ist anzuerkennen, dass nichtfinanzielle Informationen erheblichen Einfluss auf die Unternehmensreputation und demzufolge auch auf den Unternehmenswert haben können. So erfreut sich zum Beispiel das sozial verantwortliche Investieren (Responsible Investment) zunehmender Popularität bei institutionellen Anlegern,384 nicht zuletzt da sozial verantwortliches Handeln Anlegern zuverlässige Anhaltspunkte über die Qualität des internen und externen Managements liefert.385 „Nichtfinanzielle Informationen betreffen die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells sowie Chancen und Risiken der Unternehmensentwicklung und sind daher zunehmend in den Fokus der Aufmerksamkeit des Kapitalmarkts gerückt.“386 Mehr als 75 % der institutionellen Anleger geben an, auf sozial verantwortliche Fragen in ihrer Analyse und ihren Investitionsentscheidungen erheblichen Wert zu legen. Umso mehr gilt dies bei den an Popularität gewinnenden ethischen Fonds.387 Nichtfinanzielle Informationen haben erheblich an Marktrelevanz gewonnen.388 Spiegelbildlich dazu können aber auch negative CSR-Ereignisse den Börsenkurs nachhaltig beeinträchtigen.389 Unabhängig von der hiesigen Untersuchung, die sich lediglich mit den Konsequenzen einer durch eine incorporation by reference miteinbezogenen fehlerbehafteten nichtfinanziellen Erklärung beschäftigt, ist aufgrund der ergründeten Ergebnisse grundsätzlich auch eine Haftung nach § 9 WpPG denkbar, wenn wesentliche, die Zukunftsaussichten des Emittenten darstellende nichtfinanzielle Informationen fehlen und der Prospekt daher unvollständig ist. (4) Bestehendes Haftungsrisiko wegen fehlerhaftem Börsenzulassungsprospekt Es ist festzuhalten, dass CSR-Informationen im Allgemeinen Bestandteil eines Prospekts und demnach taugliches Haftungsobjekt nach § 9 WpPG sein können. Denkbar ist das sowohl bei einer fehlerbehafteten CSR-Berichterstattung als Be382
Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 191; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 145 f.; Asmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 1. Teil, § 5 Rn. 144, m.w.N. 383 Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 191. 384 Hommelhoff, in: FS Hoyningen-Huene 2014, S. 137, 142 f.; siehe auch Mock, in: Hachmeister/Kahle/Mock/Schüppen, Bilanzrecht, HGB, § 289b Rn. 5. 385 KOM 2011, 366, Rn. 84 ff.; Schmidt/Strenger, NZG 2019, 481 ff. 386 Schmidt/Strenger, NZG 2019, 481, 482. 387 Bachmann, ZIP 2010, 1517, 1526. 388 Schmidt/Strenger, NZG 2019, 481, 487. 389 Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 192.
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standteil des Lageberichts über eine incorporation by reference, als auch unabhängig von einer Einbeziehung des Lageberichts mit der eigenständigen Kommerzialisierung von CSR-Informationen. Für den hiesigen Untersuchungsgegenstand, den Wirkungskreis der nichtfinanziellen Erklärung, werden die Ausführungen auf die fehlerbehaftete Berichterstattung als Bestandteil des Prospekts beschränkt. In diesem Fall kann die Erklärung als Grundlage der Investitionsentscheidung potenzieller Investoren dienen und bei unrichtiger oder unvollständiger Auskunft grundsätzlich eine Haftung nach § 9 WpPG begründen.390 Die Haftungsfolge aus § 9 WpPG wird jedoch nur dann ausgelöst, wenn es sich bei den unrichtigen oder fehlenden Informationen um wesentliche Informationen im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 1 WpPG handelt. Speziell im Hinblick auf die nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB und § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB in der nichtfinanziellen Erklärung berichtspflichtigen Angaben ist eine dahingehende Relevanz von CSR-Informationen zu bejahen. Aber auch sonstige nichtfinanzielle Angaben sind aufgrund ihres generellen Bedeutungszuwachses als wesentliche Information im Sinne des § 9 Abs. 1 S. 1 WpPG anzuerkennen, wenn ihnen aus Sicht eines Anlegers Preisbeeinflussungspotenzial zukommt, sie also wertbildend sind und von diesem üblicherweise bei seiner Erwerbsentscheidung erwogen werden. Dabei ist besonders der erhebliche Einfluss nichtfinanzieller Informationen auf die Unternehmensreputation und somit auf den Unternehmenswert zu berücksichtigen. Die Haftungsfolge ergibt sich unmittelbar aus § 9 WpPG und ist auf den Ersatz des erlittenen Schadens gerichtet. Dabei kann er als Inhaber der Wertpapiere deren Übernahme Zug um Zug gegen Erstattung des Erwerbspreises sowie der mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, § 9 Abs. 1 S. 1 WpPG. Ist dies nicht mehr der Fall, kann er den Unterschiedsbetrag zwischen Erwerbs- und Veräußerungspreis sowie den mit dem Erwerb verbundenen üblichen Kosten verlangen, § 9 Abs. 2 WpPG. bb) Prospekthaftung wegen fehlerhaftem Verkaufsprospekt nach § 10 WpPG Bei sonstigen fehlerhaften Wertpapierprospekten, die keine Börsenzulassungsprospekte im Sinne des § 9 WpPG sind, ordnet § 10 WpPG die zivilrechtliche Haftung des Emittenten an.391 Unter den sonstigen Wertpapierprospekten sind nach Art. 3 Abs. 1 Prospekt-VO alle Wertpapierprospekte im Sinne des formalen Prospektbegriffs zu verstehen, die 390 391
RegE, BT-Drucks. 18/9982, S. 1; Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 190 f. Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 10 Rn. 2 ff.
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nicht Grundlage für eine Börsenzulassung im Inland sind.392 Es handelt sich dabei um Verkaufsprospekte. Werden auf Basis eines Wertpapierprospekts die Wertpapiere öffentlich angeboten, richtet sich die Prospekthaftung nach § 10 WpPG.393 Aufgrund des in § 10 WpPG enthaltenen Verweises auf § 9 WpPG ist insoweit auf die an dieser Stelle gefundenen Ergebnisse zu verweisen. cc) Haftungsausschluss bei fehlerhaftem Prospekt § 12 WpPG Bei § 12 WpPG handelt es sich um einen Haftungsausschluss, der sowohl für Ansprüche nach § 9 WpPG als auch für § 10 WpPG gilt. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 WpPG erfüllt, ist ein Haftungsanspruch nicht gegeben. Hierbei gilt, dass die Tatbestandvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 für jeden Anspruchsadressaten individuell und die des § 12 Abs. 2 WpPG objektiv zu prüfen sind.394 (1) Ausschluss nach § 12 Abs. 1 WpPG Kann der Anspruchsadressat nachweisen, dass er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Prospektangaben nicht gekannt hat und die Unkenntnis nicht auf dessen grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen ist, ist der Prospekthaftungsanspruch nach § 12 Abs. 1 WpPG ausgeschlossen. Insoweit trifft den Anspruchsadressaten aufgrund der Beweislastumkehr des § 12 Abs. 1 WpPG die Beweispflicht.395 Kann er sein fehlendes Verschulden nicht beweisen, greift die Verschuldensvermutung und der Haftungsausschluss nach § 12 Abs. 1 WpPG scheitert. Übertragen auf die fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung kommen in der Sache neben bewusst begangenen auch grob fahrlässig provozierte CSR-Falschberichterstattungen in Betracht. (2) Keine haftungsbegründende Kausalität § 12 Abs. 2 Nr. 1 WpPG Des Weiteren scheitern die Haftungsansprüche aus § 9 und § 10 WpPG, wenn die Wertpapiere nicht auf Grund des Prospekts erworben wurden. Die beworbene Information muss also kausal für den Anteilserwerb gewesen sein. Gerade an dieser Stelle wird kritisiert, es fehle den CSR-Informationen im Vergleich zu den wesentlichen finanziellen Informationen bislang an der Kapital392
Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 10 Rn. 2. Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 9 Rn. 8. 394 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 12 Rn. 3. 395 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 12 Rn. 3; Groß, in: Groß, Kapitalmarktrecht, § 9 Rn. 73 ff.; Singhof, in: MünchKommHGB, Kapitalmarkt- und Wertpapiergeschäft, Rn. 294. 393
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marktrelevanz.396 Daher sei der Nachweis, dass eine Information zu CSR kausal für einen Anteilserwerb war, schwierig zu erbringen.397 Hierzu ist wiederum auf den gestiegenen Bedeutungszuwachs nichtfinanzieller Belange zu verweisen.398 Darüber hinaus trägt im Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 1 WpPG der Anspruchsgegner die Beweislast für das Fehlen der haftungsbegründenden Kausalität. Dementsprechend obliegt dem Anspruchsgegner im Einzelfall die Erbringung des Nachweises, dass der Anspruchsteller auch bei wahrer CSR-Lage investiert hätte. Dies scheint im Kontext zur Marktrelevanz nichtfinanzieller Informationen aber auch darüber hinaus schwer zu fallen.399 (3) Ausschluss nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 WpPG Schließlich ist eine Haftung nach § 9 WpPG und § 10 WpPG ausgeschlossen, wenn der Prospektfehler nicht zu einer Wertminderung der Wertpapiere beigetragen hat. Wie auch bei den beiden anderen Varianten des § 12 WpPG unterliegt der Anspruchsgegner der Beweislast, sodass bei Vorliegen eines Prospektfehlers die Wertminderung der Wertpapiere grundsätzlich vermutet wird.400 dd) Prospekthaftung bei unrichtiger Berichterstattung über wesentliche Informationen Schließlich gilt festzustellen, dass nichtfinanzielle Informationen im Rahmen der nichtfinanziellen Erklärung grundsätzlich Bestandteil eines Börsenzulassungsprospekts nach § 9 WpPG, sowie eines Verkaufsprospekts nach § 10 WpPG sein können (incorporation by reference). Dienen diese nichtfinanziellen Informationen potenziellen Investoren als Grundlage ihrer Investitionsentscheidung, kann eine unrichtige oder unvollständige Auskunft darüber auch im Rahmen des Lageberichts eine Haftung nach § 9 WpPG oder § 10 WpPG nach sich ziehen. Die Haftungsfolge aus § 9 WpPG wird jedoch nur dann ausgelöst, wenn es sich bei den unrichtigen oder fehlenden Informationen um wesentliche Informationen im Sinne des § 9 WpPG oder § 10 WpPG handelt. Dies ist allen voran den nach § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB und § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB berichtspflichtigen Angaben in der nichtfinanziellen Erklärung zuzusprechen. Aber auch sonstige nichtfinanzielle Angaben sind aufgrund ihres generellen Bedeutungszuwachses als wesentliche In396
Roth-Mingram, CSR, S. 131. Roth-Mingram, CSR, S. 131. 398 Siehe dazu S. 176. 399 Zur Schwierigkeit des Nachweises fehlender haftungsbegründender Kausalität Schäfer, ZGR 2006, 40, 52 f. 400 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 12 Rn. 17; zur fehlenden praktischen Relevanz Singhof, in: MünchKommHGB, Kapitalmarkt- und Wertpapiergeschäft, Rn. 295. 397
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formation im Sinne des § 9 WpPG oder des § 10 WpPG anzuerkennen, wenn ihnen Preisbeeinflussungspotenzial zukommt. Bestünde tatbestandlich ein Haftungsanspruch aus § 9 WpPG oder § 10 WpPG, könnte die Haftung dennoch aufgrund des § 12 WpPG ausgeschlossen sein. Dabei ist jedoch festzustellen, dass Prospekthaftungsansprüche den Anlegern als Anspruchsteller dahingehend die Vorteile einer Beweislastumkehr bieten. b) Mängelgewährleistung bei fehlerhafter CSR-Berichterstattung Neben der sondergesetzlichen Prospekthaftung aus dem WpPG könnten außerdem allgemein-zivilrechtliche Haftungstatbestände in Betracht kommen. Bei Erwerb der Anteile auf dem Primärmarkt kam es durch den womöglich aufgrund einer fehlerbehafteten nichtfinanziellen Erklärung enttäuschten Anleger zu einer Beteiligung an der Aktiengesellschaft, möglicherweise also zu einem individuellen Erwerbsgeschäft zwischen Anleger und Aktiengesellschaft. Ansprüche aus originärem Erwerbsgeschäft und Prospekthaftungsansprüche nach dem WpPG stehen in keiner ausschließlichen Anspruchskonkurrenz, da weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts aufgrund von Verträgen erhoben werden können, nach § 16 Abs. 2 WpPG unberührt bleiben. Das Regime der gesetzlichen Prospekthaftung stellt keine abschließende Regelung dar.401 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass rechtsgeschäftliche Ansprüche nur dann in Betracht kommen, wenn der Emittent beim in Frage stehenden Wertpapiererwerb selbst als unmittelbarer Vertragspartner auftritt. Diese Fälle bleiben in aller Regel auf den Erwerb auf dem Primärmarkt und Ausnahmefälle beschränkt.402 Zum einen erfolgt die Beteiligungsveräußerung in Form von Wertpapieren auf dem Primärmarkt meist unter Einschaltung von Vermittlungsgesellschaften.403 Ein Direkterwerb vom Emittenten kommt üblicherweise nur bei sehr kleinen kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften in Betracht. Da sich der Anwendungsbereich der CSR-Berichterstattungspflicht (Unternehmen von öffentlichem Interesse) und des Direkterwerbs vom Emittenten (kleine Aktiengesellschaften) deshalb kaum überschneiden, bleibt die Anwendbarkeit der Mängelgewährleistung in aller Regel auf wenige Einzelfälle beschränkt. Zum anderen findet ein Vertragsschluss bei Wertpapiergeschäften auf dem Zirkulationsmarkt prinzipiell nur zwischen Alt- und Neu-Anlegern statt.404 Der Emittent tritt in der Situation grundsätzlich nicht als Vertragspartner auf.
401
Wagner, in: MünchKommBGB, § 826 Rn. 105. Regelmäßig abzulehnen nach Asmussen, Haftung für CSR, S. 58 f.; kritisch auch Bachmann, in: Bachmann et al., Steuerungsfunktionen, S. 93, 103. 403 Einsele, Bank- und Kapitalmarktrecht, § 7 Rn. 2 ff.; kritisch zu den Anwendungsfällen auch Asmussen, Haftung für CSR, S. 58 f. 404 Unberücksichtigt bleibt an dieser Stelle der seltene Fall, in dem die Aktiengesellschaft eigene Aktien hält und diese auf dem Sekundärmarkt veräußert. 402
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Dennoch soll ihrer Analyse im Folgenden nicht nur der Vollständigkeit halber nachgegangen werden. Denn eine Ausweitung des Anwendungsbereichs der CSRBerichterstattungspflicht ist in der Zukunft durchaus denkbar und sinnvoll.405 Ein künftiger Einbezug weiterer kapitalmarktorientierter Aktiengesellschaften mit geringerer Größe in das CSR-Berichterstattungsregime liegt folglich nicht fern. Mängelgewährleistungsansprüchen auf Primärerwerbsebene stehen also nicht notwendigerweise auf Dauer beschränkende Gründe entgegen. Außerdem bleibt die Überlegung nach der Mängelgewährleistung in CSR-Berichterstattungskonstellationen zwar angesichts der Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes im hiesigen Werk auf Anleger als Anspruchsgegner und die nichtfinanzielle Erklärung als Anknüpfungspunkt begrenzt. Gewonnene Erkenntnisse können möglicherweise dennoch – auch angesichts der steigenden Kommerzialisierung von CSR-Informationen – weiteren Untersuchungen dienlich gemacht werden. Daher soll im Folgenden beantwortet werden, ob und unter welchen Voraussetzungen der enttäuschte Anteilseigner Gewährleistungsansprüche aufgrund fehlerbehafteter nichtfinanzieller Erklärung gegen die Aktiengesellschaft gelten machen kann. aa) Anwendbarkeit der Sachmängelhaftung Bei einem Anteilserwerb in Form von Aktien, einem Wertpapiererwerb, handelt es sich vorrangig um einen Rechtskauf, sodass grundsätzlich § 453 BGB Anwendung findet.406 Der Rechtskauf dürfte, um rechtsmangelfrei zu sein, keinem Störungsfall im Sinne des § 435 S. 1 oder S. 2 BGB unterliegen.407 Da es sich bei einer fehlerbehafteten CSR-Erklärung ersichtlich nicht um Rechte Dritter oder einen Grundbuchfehler handelt, ist an der Rechtsmängelfreiheit des Erwerbsgeschäfts bei fehlerbehafteter CSR-Berichterstattung nichts auszusetzen. Entsprechend einiger Stimmen in der Literatur beschränke sich die Haftung bei einem Rechtskauf auf die Rechtsmängelfreiheit des Rechts.408 Die Sachmängelgewährleistung (§ 434 BGB) sei bei Rechtskäufen ausgeschlossen. Etwas anderes gelte nur bei dem Erwerb einer Vielzahl bzw. nahezu sämtlicher Anteile, da der Rechtskauf dann einem Sachkauf gleiche.409 Begründet wird dies unter anderem damit, dass das Recht als bloßes Gedankengebilde kraft Natur der Sache keine Sachmängel haben
405
Siehe dazu im Folgenden S. 237 ff. Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 453 Rn. 10 „primär“; Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 16 Rn. 8; Berger, in: Jauernig, BGB, § 453 Rn. 17. 407 Westermann, in: MünchKommBGB, § 435 Rn. 1. 408 Heidelbach, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, § 16 Rn. 8; Huber, AcP 202 (2002), 179, 229; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627. 409 BGH, NJW 2001, 2163, 2164; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627. 406
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könne.410 In der Konsequenz könnte der enttäuschte Anleger deshalb keinen Gewährleistungsanspruch geltend machen, weil die „mangelhafte“ CSR-Erklärung aufgrund der Einordnung als Rechtskauf erst gar nicht an den Voraussetzungen eines Sachmangels gemessen werden könnte. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Verweisung in § 453 Abs. 1 BGB über die für den Rechtskauf als entsprechend anwendbar erklärten Vorschriften über den Kauf von Sachen erkennbar alle Vorschriften über den Kauf von Sachen umfasst.411 So also auch die Vorschrift des § 434 BGB, die Sachmängelfähigkeit einer Kaufsache. Dies ist auch schlüssig, da sich die Vorschrift des § 435 BGB nur auf diesem Wege lückenlos in das auf dem Erfüllungsanspruch des § 433 Abs. 1 S. 2 BGB beruhende System der Gewährleistung einfügt.412 § 435 BGB hätte nämlich allein in diesem Fall den vom Gesetzgeber beabsichtigten, ergänzenden Charakter und keinen ausschließlichen.413 Dass ein Recht begrifflich keinen Sachmangel aufweisen kann, ändert nichts daran, dass die Beschaffenheit im Sinne des § 434 BGB nicht notwendigerweise auf die physischen Merkmale einer Sache beschränkt ist.414 Äußere oder auch tatsächliche Umstände, wirtschaftliche und rechtliche Bezüge, sowie alle zusicherungsfähigen Eigenschaften eines Rechts können dessen Beschaffenheit beeinflussen.415 Übertragen auf den Erwerb von Wertpapieren bedeutet das, dass neben der Rechtsmängelhaftung nach § 435 BGB wegen Abweichungen der zugesicherten Eigenschaften des Rechts auch eine Sachmängelhaftung nach § 434 BGB in Betracht kommen kann. Dies gilt unabhängig von der vor der Schuldrechtsmodernisierung etablierten Unterscheidung zwischen asset- und share-deal.416 Gleichermaßen erledigt sich die Frage nach einer Beteiligungsquote. Dem Erwerber stehen demnach auch bei geringfügiger Beteiligung grundsätzlich die Gewährleistungsansprüche aus § 437 BGB offen.417
410
Huber, AcP 202 (2002), 179, 229; Eidenmüller, NJW 2002, 1625, 1627. Wilhelmi, in: BeckOGKBGB, § 453 Rn. 42; Faust, in: BeckOK, BGB, § 453 Rn. 10. 412 Westermann, in: MünchKommBGB, § 435 Rn. 1. 413 Siehe zur entsprechenden Anwendung der Vorschriften über den Sachkauf auch den Gesetzesentwurf der Abgeordneten Hartenbach/Bachmaier et al., Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts v. 14. 5. 2001, BT-Drucks. 14/6040, S. 242. 414 Wilhelmi, in: BeckOGKBGB, § 453 Rn. 57. 415 Westermann, in: MünchKommBGB, § 435 Rn. 9, 14, 20; Wilhelmi, in: BeckOGKBGB, § 453 Rn. 57. 416 Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 39. 417 Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 39. 411
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bb) Bezugspunkt der Sachmängelhaftung Überträgt man diese Erkenntnis nun auf den Fall einer fehlerbehafteten CSRBerichterstattung, müsste es sich bei dieser um eine zusicherungsfähige Eigenschaft des verkauften Rechts, also des Wertpapiers, handeln. Dabei ist davon auszugehen, dass eine ordnungsgemäße CSR-Erklärung wohl in den seltensten Fällen als zusicherungsfähige Eigenschaft eines Wertpapieres charakterisiert werden kann. Denn beim verkauften Recht selbst, dem Wertpapier, wird es in aller Regel an einem tatsächlichen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Bezug zur CSR-Erklärung fehlen. Es geht bei dem Erwerb eines Wertpapiers schließlich in erster Linie darum, ob es dem Anleger die konkret gewünschte Beteiligung an einer Aktiengesellschaft zu den vereinbarten Konditionen verschafft. Etwas anderes könnte hingegen für das Unternehmen gelten. Hier kann die CSRBerichterstattung durchaus als Äußerung zur ethischen Qualität der Gesellschaft und ihrer Nachhaltigkeitspolitik den nötigen Zusammenhang zwischen Erklärung und zusicherungsfähiger Eigenschaft aufweisen. Neben der Feststellung, dass bei einem Beteiligungserwerb an der Aktiengesellschaft neben der Rechtsmängelhaftung nach § 435 BGB grundsätzlich auch eine Sachmängelhaftung nach § 434 BGB in Betracht kommen kann, stellt sich ferner folgende Frage: Kann der jeweilige Beteiligungserwerber Gewährleistungsansprüche aufgrund eines Sachmangels an dem durch die Beteiligung vermittelten Unternehmen geltend machen? Inwiefern Umstände, die nicht dem Kaufgegenstand unmittelbar anhaften, sondern außerhalb des eigentlichen Kaufgegenstandes selbst liegen, vom Sachmangelbegriff des § 434 BGB erfasst sind, steht und fällt mit der Auslegung des Begriffs der „Beschaffenheit“.418 In der folgenden Untersuchung ist von einer erweiterten Auslegung des Beschaffenheitsbegriffs auszugehen. Denn neben dem verkauften Recht selbst können auch Sachen oder andere Gegenstände, auf die sich das verkaufte Recht lediglich bezieht,419 als Bezugspunkt der Sachmängelhaftung fungieren. Nichts Gegenteiliges kann aus der Einordnung des Geschäfts als „Rechtskauf“ resultieren. Rechte existieren vielfach nicht um ihrer selbst willen, sondern werden erworben, weil sie eine Beziehung zu Sachen oder anderen Gegenständen vermitteln.420 So erkennt auch die Begründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes an, dass nach den Vorstellungen der Vertragsparteien häufig auch außerhalb der Sache liegende Beschaf-
418 Ausführlich dazu Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 42 ff.; ebenso Seibt/Reiche, DStR 2002, 1135, 1137. 419 Wilhelmi, in: BeckOGKBGB, § 453 Rn. 58; Westermann, in: MünchKommBGB, § 453 Rn. 14, 20; zum zu berücksichtigenden Inhalt des Rechts Zimmermann, AcP 213 (2013), 652, 672; eingeschränkt Beckmann, in: Staudinger-BGB, § 453 Rn. 10. 420 Wilhelmi, in: BeckOGKBGB, § 453 Rn. 58.
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fenheitsmerkmale in den Verwendungszweck miteinbezogen werden.421 Dass vielmehr die Beschaffenheit des mit der erwerbsgegenständlichen Beteiligung verbundenen Unternehmens als der Kaufgegenstand selbst maßgeblich ist, zeigt sich gleichermaßen durch die aufgrund der Unternehmensbewertung vorgenommenen Preisbestimmung.422 Auf das Wertpapier als verkauftes Recht kommt es in diesen Fällen gewährleistungsrechtlich im Grunde nur sekundär an.423 Demnach kann der Rechtserwerb auch dann mangelbehaftet sein, wenn sich die Mangelhaftigkeit auf das Unternehmen und nicht auf das verkaufte Recht bezieht. Übertragen auf die fehlerbehaftete CSR-Erklärung bedeutet dies, dass der Bezug zum Unternehmen als Anknüpfungspunkt der Mangelhaftigkeit durchaus zur Begründung von Gewährleistungsrechten ausreicht. cc) CSR-Angaben und der Beschaffenheitsbegriff Ob letztlich tatsächlich ein Mangel vorliegt, ist über die Fälle des Rechtsmangels hinaus anhand der Regelungen zu Sachmängeln nach § 434 Abs. 1 BGB und Abs. 3 BGB zu prüfen.424 Bezogen auf die CSR-Erklärung fungiert in den meisten denkbaren Fällen der „Gegenstand“, auf den sich das verkaufte Recht bezieht, also das Unternehmen selbst als Anknüpfungspunkt des Beschaffenheitsbegriffs. An dieser Stelle ist zu berücksichtigen, dass eine formell-ordnungsgemäße CSR-Erklärung weniger im Vordergrund stehen wird, als vielmehr die materiell-ordnungsmäße CSR-Berichterstattung als Sinnbild für die Nachhaltigkeitspolitik des Unternehmens. Entsprechend der Fehlerkategorien des § 434 BGB ist einzelfallabhängig danach zu fragen, ob aufgrund der fehlerbehafteten nichtfinanziellen Erklärung der Inhalt des Rechts oder des Gegenstands, auf das sich das Recht bezieht, nicht den geschuldeten Anforderungen entspricht, bzw. von der Beschaffenheit abweicht. Macht ein Aktionär die Nachhaltigkeitspolitik des Unternehmens aufgrund der Lektüre der fehlerbehafteten CSR-Erklärung mitunter zur Grundlage seiner Investitionsentscheidung, kann er durch eine Abweichung der tatsächlichen Beschaffenheit des Unternehmens von der erwarteten Beschaffenheit enttäuscht werden. Sofern die Nachhaltigkeitspraxis des Unternehmens nicht schon kraft ausdrücklicher oder konkludenter Vereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zur Beschaffenheit zählt, könnte sich das Unternehmen mangels tatsächlicher und erwarteter CSRPraxis nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte „Verwendung“ eignen (§ 434 421 Gesetzesentwurf der Abgeordneten Hartenbach/Bachmaier et al., BT-Drucks. 14/6040, S. 212 f. 422 Westermann, in: MünchKommBGB, § 453 Rn. 20. 423 Thiessen, in: MünchKommHGB, § 25 Anhang, Rn. 113; Beckmann, in: StaudingerBGB, § 453 Rn. 104; Gaul, ZHR 166 (2002), 35, 39. 424 Wilhelmi, in: BeckOGKBGB, § 453 Rn. 59; Westermann, in: MünchKommBGB, § 453 Rn. 19.
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Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB) oder die nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB „übliche“ Beschaffenheit aufweisen. Zur vereinbarten Beschaffenheit können neben eigenen Aussagen auch Äußerungen der den Verkauf begleitenden Parteien (Investmentbank) zählen; so etwa auf Pressekonferenzen oder in Dokumenten zur Unternehmenspräsentation.425 Besonders in den Fällen des Responsible Investments wäre eine ausdrückliche oder konkludente Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB unter Bezugnahme auf die nichtfinanzielle Erklärung denkbar. Darüber hinaus bleibt zu berücksichtigen, dass Vertragsverhandlungen beim Kauf an einer Börse oder einem anderen multilateralen Handelssystem grundsätzlich nicht stattfinden.426 Unabhängig von sehr hohen Beteiligungsquoten ist in diesen Bereichen regelmäßig von einer fehlenden Beschaffenheitsvereinbarung auszugehen.427 Gleichermaßen ist hinsichtlich der Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB) oder gewöhnliche Verwendung (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) Zurückhaltung geboten.428 Das Unternehmen bleibt dabei selbst Anknüpfungspunkt der für den Vertrag vorausgesetzten oder gewöhnlichen Verwendung. Eine Bezugnahme auf die nichtfinanzielle Erklärung müsste ausdrücklich stattfinden, sodass höchstens bei Responsible Investments davon ausgegangen werden könnte, dass eine fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung des Unternehmens die „für den Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ – eine sozial verantwortliche Investition – des Unternehmens irritiert. Der in § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB angelegte Erwartungshorizont des Käufers kann jedoch durch § 434 Abs. 1 S. 3 BGB um solche Eigenschaften „üblicher“ Beschaffenheit erweitert werden, die in produktbezogenen öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen erwähnt werden.429 Im Hinblick auf die fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung stellt sich abseits bestehender Sonderfälle die Frage, ob die CSR-Erklärung als öffentliche Äußerung eines Unternehmens einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 S. 3 BGB begründen kann.430 Könnte so die CSR-Berichterstattung des Unternehmens als öffentliche Äußerung über seine „ethische“ Qualität einen Sachmangel begründen, wenn sich diese Erklärung als inhaltlich unrichtig herausstellt?
425
Knott, NZG 2002, 249, 251. Zimmermann, AcP 213 (2013), 652, 672 f., m.w.N. 427 Zimmermann, AcP 213 (2013), 652, 672 f. 428 Zimmermann, AcP 213 (2013), 652, 674. 429 Westermann, in: MünchKommBGB, § 453 Rn. 20; OLG Mu¨ nchen NJW-RR 2013, 1526; Lüttringhaus, AcP 219 (2019), 29, 54. 430 Zur Frage, ob fehlerhafte CSR-Berichte als produktbezogene öffentliche Äußerung relevant werden können Lüttringhaus, AcP 219 (2019), 29, 55 ff. 426
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Der Wortlaut des § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ist dahingehend eindeutig und umfasst alle öffentlichen Äußerungen des Verkäufers und des Herstellers,431 somit auch Aussagen in der CSR-Berichterstattung.432 Die CSR-Berichterstattung erfolgt aufgrund ihres Veröffentlichungserfordernisses stets öffentlich.433 Zwar beziehen sich die Äußerungen dabei nicht auf ein bestimmtes „Produkt“ (verkauftes Recht), sondern auf die „ethische“ Qualität des konkreten Unternehmens. Wie bereits erörtert, reicht das Unternehmen jedoch als Anknüpfungspunkt des Sachmangels und demnach als wesentlicher Inhalt der öffentlichen Äußerung aus. Ausschlusstatbestände (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB) sind kaum ersichtlich. Zum einen stellt sich die vorliegende Frage über Ansprüche der Anleger bei Erwerb auf dem Primärmarkt nur dann, wenn das verantwortliche Unternehmen selbst als Vertragspartner auftritt, sodass sich die vertragsschließende und erklärende (Juristische) Person entsprechen. Zum anderen bleibt die Einflussnahme der CSR-Berichterstattung auf die Erwerbsentscheidung des Anlegers aufgrund der Beweislastumkehr – allen voran bei Responsible Investments – schwer zu widerlegen. Denn dabei ist keine im konkreten Fall fehlende Ursächlichkeit, sondern der Ausschluss des Einflusses auf die Kaufentscheidung maßgeblich.434 Zuletzt ist der Anspruch natürlich ausgeschlossen, wenn die falschen Informationen der CSR-Erklärung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt worden sind. In dem Fall ergäbe sich schon überhaupt kein Anspruchsbedürfnis, da der Anleger den Vertragsschluss bei Kenntnis über die tatsächliche CSR-Politik und somit seine „Fehlinvestition“ noch hätte verhindern können. Die CSR-Berichterstattung kann als öffentliche Äußerung über die „ethische“ Qualität des Unternehmens als zusicherungsfähige Eigenschaft nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 i.V.m. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB einen Sachmangel begründen, wenn die Erklärung in ihren die CSR-Politik betreffenden (= wesentlichen) Inhalten unrichtig ist.435
431 Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 434 Rn. 33 f.; den Emittenten als „Hersteller“ im kaufrechtlichen Sinne anerkennend Bachmann, in: Bachmann et al., Steuerungsfunktionen, S. 93, 105. 432 So auch in Bezug auf produktbezogene öffentliche Äußerungen Lüttringhaus, AcP 219 (2019), 29, 56. 433 Siehe dazu S. 62 ff. 434 Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 434 Rn. 39. 435 Ablehnend Asmussen, NJW 2017, 119, 120, der hierin eine „Überdehnung“ des Rechtsfolgenregimes der §§ 437 ff. BGB sieht.
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dd) Rechtsfolgen aus dem Gewährleistungsrecht Welche Rechtsfolgen sich aus dieser Mangelhaftigkeit ergeben können, listet § 437 BGB abschließend auf. So verweist diese „Brückennorm“436 in erster Linie auf die Nacherfüllung gemäß § 437 Nr. 1 BGB i.V.m. § 439 BGB. Des Weiteren ermöglicht sie dem Käufer gemäß § 437 Nr. 2 BGB i.V.m. §§ 440, 323 BGB vom Vertrag zurückzutreten, nach § 437 Nr. 2 BGB i.V.m. § 441 BGB den Kaufpreis zu mindern oder gemäß § 437 Nr. 3 BGB in Verbindung mit der jeweiligen Norm des allgemeinen Leistungsrechts Schadensersatz zu verlangen. (1) Nacherfu¨ llung gemäß § 437 Nr. 1 in Verbindung mit § 439 BGB Da sich der ursprüngliche Anspruch aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB für den Zeitraum nach Gefahrübergang aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Leistung in einen Nacherfüllungsanspruch umwandelt, ist der Verkäufer der Wertpapiere in erster Linie zur Nacherfüllung nach § 437 Nr. 1 BGB i.V.m. § 439 BGB verpflichtet. Sie ist in der Gestalt der Nachlieferung oder der Nachbesserung den Sekundäransprüchen des Käufers vorgelagert. Die Nacherfüllung ist auf die Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes gerichtet.437 Ihr Umfang richtet sich in erster Linie danach, welche konkrete Beschaffenheit zum Inhalt der Leistungspflicht des Verkäufers gemacht wurde. Richtet sich der Leistungsanspruch entweder aufgrund einer konkreten Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB, aufgrund der vom Vertrag vorausgesetzten Verwendung nach § 434 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB (Responsible Investment) oder aufgrund einer öffentlichen Äußerung nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 i.V.m. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB auf ein entsprechend der nichtfinanziellen Erklärung in CSRAngelegenheiten aufgestelltes Unternehmen, würde sich der ursprüngliche Leistungsanspruch dahingehend in einen Nacherfüllungsanspruch umwandeln. Dabei stünde dem Beteiligten grundsätzlich das Recht zu, zwischen Nachbesserung und Ersatzlieferung zu wählen. Bei der Alternative der Ersatzlieferung handelt es sich um einen Vorgang, bei welchem der Verkäufer dem Käufer eine von der ursprünglich gelieferten Sache vollständig verschiedene andere mangelfreie Sache verschafft. Aufgrund des Anknüpfens der Sachmangelfreiheit an das Unternehmen selbst ist eine Ersatzlieferung regelmäßig unmöglich. Die Nachbesserung als zweite Alternative des § 439 BGB muss dabei differenzierter betrachtet werden: Grundsätzlich beseitigt die Nachbesserung den Mangel durch Reparatur an der Sache oder unter Einbeziehung der gelieferten mangelhaften Sache.438 Übertragen auf den Fall des „ethisch mangelhaften“ Unternehmens würde 436 437 438
Höpfner, in: BeckOGKBGB, § 437 Rn. 1. Berger, in: Jauernig, BGB, § 439 Rn. 7. Berger, in: Jauernig, BGB, § 439 Rn. 7 ff.
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eine Nachbesserung an der Nachhaltigkeitspraxis des Unternehmens anknüpfen und diese entsprechend der Beschaffenheitsvorgabe, der CSR-Erklärung, beheben. Die CSR-Berichterstattung, die dahingehend die Soll-Beschaffenheit des Unternehmens prägt, kann sowohl vergangenheitsbezogene als auch zukunftsbezogene Aufschlüsse über die CSR-Politik des Unternehmens geben. In ihr findet sich neben Werten des vergangenen Geschäftsjahrs, Angaben zum Wasserverbrauch, zur Luftverschmutzung oder zur Nutzung erneuerbarer Energien (§ 289c Abs. 2 Nr. 1 HGB) eine Beschreibung der verfolgten Konzepte in Bezug auf die als wesentlich identifizierten Belange. Prozesse und Werte der Unternehmenspraxis, die bereits beendet oder in der Vergangenheit begründet wurden, lassen sich für die Zukunft nicht mehr umkehren.439 Berichtigt ein Unternehmen in seiner CSR-Erklärung über den vermeintlich geringen Wasserverbrauch des verstrichenen Geschäftsjahrs seine Angaben, lässt sich dieser tatsächlich höhere Wasserverbrauch für die Vergangenheit nicht mehr verringern, ergo nachbessern. Eine Nachbesserung ist hinsichtlich dieser Fallgruppen daher regelmäßig von vornherein auszuschließen. Anders ist dies bei zukunftsgerichteten CSR-Maßnahmen, den Konzepten, den angestrebten Werten oder Prognosen über die Ergebnisse der Konzepte. Theoretisch ließe sich die Nachhaltigkeitspraxis des Unternehmens für die Zukunft noch beeinflussen, die Umsetzung ihrer angeblich festgelegten Konzepte also erzwingen. Es stellt sich die Frage, ob der enttäuschte Anleger sein Nachbesserungsverlangen nicht darauf richten könnte, dass das falschberichtende Unternehmen, um seinen „Fehler zu beheben“, seine CSR-Politik für die Zukunft tatsächlich entsprechend der CSR-Erklärung ausrichten muss. Dies entspräche jedenfalls auf den ersten Blick dem Grundgedanken des europäischen Gesetzgebers, unter Angaben nichtfinanzieller Informationen ein wesentliches Element der Bewältigung des Übergangs zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft zu verstehen.440 Denn der Nacherfüllungsanspruch des Anlegers würde zu einer zwangsweisen Durchsetzung der erklärten CSR-Bemühungen des Unternehmens führen. Man wäre dem Ziel einer verantwortungsvollen Wirtschaft einen Schritt näher. Außerdem könne sich ein wirksamer Mechanismus ergeben, der die Erfüllung der Pflicht zur ordnungsgemäßen CSR-Berichterstattung gewährleistet.441 Die Zuverlässigkeit der Angaben wäre dabei durch eine klageweise Durchsetzung der Anleger abgesichert. Gerade weil sich Unternehmen in ihrer nichtfinanziellen Erklärung bewusst öffentlich zu ihrer CSR-Politik erklären, gilt es, das Vertrauen von Investoren in solche Informationen zu stärken.442 439 In Bezug auf den Produktionsprozess vermeintlich „ethischer“ Produkte Lüttringhaus, AcP 219 (2019), 29, 59. 440 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 3. 441 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 3. 442 RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 3.
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Die privatrechtliche Durchsetzung des Nachbesserungsanspruchs würde jedoch regelmäßig entweder an § 275 BGB oder § 439 Abs. 4 BGB scheitern. Unmöglich wäre der Nacherfüllungsanspruch des Anlegers nach § 275 Abs. 1 BGB, wenn die falsch angekündigten Konzepte außerhalb des tatsächlichen Umsetzbaren liegen. Ist die Senkung des Wasserverbrauchs eines Unternehmens objektiv nicht realisierbar, ist die Erfüllbarkeit schon aufgrund sachlicher Gründe, wie zum Beispiel des tatsächlichen Mindestbedarfs zur Produktion oder Personalversorgung, ausgeschlossen, kann der Nacherfüllungsanspruch tatsächlich nicht bewirkt werden.443 Denkbar wäre weiterhin, dass eine Nachrüstung angesichts ihres groben Missverhältnisses zum Interesse des Anlegers an der Leistung nach § 275 Abs. 2 BGB unmöglich ist. Entsprechendes gilt für § 439 Abs. 4 BGB. Ferner widerspräche eine derart weitreichende Eingriffsmöglichkeit der Anleger in die Geschäftsführung der Grundkonzeption ihrer im Aktiengesetz klar definierten Mitverwaltungs- und Vermögensrechte (so unter anderem Auskunfts- und Anfechtungsrechte oder auch Bezugsrechte).444 Ließe man nun eine privatrechtliche Durchsetzung und einen damit unter Umständen verbundenen Eingriff in die Geschäftsführung der Aktiengesellschaft zu, würde man diese strikte Zuweisung von Aktionärsrechten umgehen. Denn durch eine Gewährung des Nachbesserungsanspruchs würden die eindeutig durch das Aktiengesetz vorgegebenen Kompetenzen der Anleger überschritten werden. Deshalb ist zu erwägen, ob das Erzwingen der Umsetzung nicht nur im Einzelfall, sondern dauernd wegen Rechtsgründen auszuschließen ist.445 Insofern zeigen sich Parallelen zu der Frage, ob eine fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung einen ausreichenden Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Anleger als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB darstellt. Denn in diesem Falle war festzustellen, dass den Anlegern in Bezug auf die ordnungsgemäße Erstellung und Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung eben keine absoluten Einzelbefugnisse (Mitgliedschaftsrechte) zustehen. Nichts anderes kann hier gelten. Außerdem stünde der, mit der Verfolgung der erklärten CSR-Konzepte verbundene Aufwand wohl in den seltensten Fällen in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der Leistung, was jedenfalls die faktische Unmöglichkeit der Nachbesserung nach § 275 Abs. 2 BGB und somit die Undurchsetzbarkeit des Anspruchs zur Folge hätte. Letztlich würde der zur Verfolgung der erklärten CSR-Konzepte erforderliche Aufwand regelmäßig unverhältnismäßige Kosten im Sinne des § 439 Abs. 4 BGB verursachen.
443
Stadler, in: Jauernig, BGB, § 175 Rn. 12 f. Siehe zur Einteilung der Mitgliedschaftsrechte Wagner, in: MünchKommBGB, § 823 Rn. 352. 445 Stadler, in: Jauernig, BGB, § 175 Rn. 15. 444
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Insgesamt führt auch eine differenzierte Betrachtung der Fallgruppen dazu, dass die Nachbesserung im Falle einer mangelhaften Nachhaltigkeitspolitik regelmäßig ausgeschlossen und die Nacherfüllung gemäß § 437 Nr. 1 BGB i.V.m. § 439 BGB im Ganzen als Gewährleistungsrecht abzulehnen ist. Das ist auf den zweiten Blick auch hinsichtlich des Willens des europäischen Gesetzgebers konsequent. So soll gerade die Offenlegung von Informationen zur Nachhaltigkeit, also die Transparenz des tatsächlichen Geschäftsgebarens und nicht die zwangsweise Durchsetzung das Vertrauen von Investoren stärken.446 Zumal bezweifelt werden kann, inwieweit durch die klageweise Durchsetzung Vertrauen der Anleger aufgebaut würde. Schließlich liefe die Gewährung eines Nachbesserungsanspruchs, der gerade nicht am Erfordernis des Verschuldens anknüpft, überdies den Zielen der Richtlinie unter Umständen sogar gänzlich zuwider. Denn um das Risiko, sich etwaigen Nacherfüllungsansprüchen auszusetzen, möglichst gering zu halten, wäre der Geschäftsführung eine tunlichst zurückhaltende CSR-Politik zu empfehlen, die dann kaum enttäuscht werden kann. Dies würde den Übergang zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft mehr bremsen als ihn beschleunigen. Die auf den ersten Blick CSR-begünstigende zwangsweise Durchsetzung einzelner Anlegerinteressen entspricht auf den zweiten Blick weder dem Regelungsziel des europäischen Gesetzgebers noch wäre sie auf lange Sicht zielführend. Sowohl die Nachlieferung als auch die Nachbesserung ist daher regelmäßig aufgrund der damit verbundenen Leistungseinwände (so etwa § 275 BGB oder § 439 Nr. 4 BGB) oder aus Rechtsgründen abzulehnen, sodass der Weg zu den Sekundäransprüche des Anlegers eröffnet ist. (2) Rücktritt und Minderung Da wohl in den meisten Fällen von einer Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Nacherfüllung auszugehen ist, kommt ein Rücktritt des Anlegers vom Kaufvertrag ohne Fristsetzung nach § 437 Nr. 2 BGB i.V.m. § 326 Abs. 5 BGB oder § 440 S. 1 BGB sowie alternativ dazu eine Minderung des Kaufpreises gemäß § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. § 441 BGB in Betracht. Die Pflichtverletzung liegt in beiden Fällen im Verstoß der tatsächlichen Nachhaltigkeitspolitik gegen die Beschaffenheitsvereinbarung. Jedenfalls ist für die Minderung die Bestimmung des Minderungsbetrags problematisch. So ist grundsätzlich der Wert der mangelhaften Sache zu dem – gedachten – Wert der mangelfreien Sache in Beziehung zu setzen und der Kaufpreis nach dieser Proportion herabzusetzen.447 Dies kann sich gerade aufgrund der Ungewissheit hinsichtlich der Werthaltigkeit nichtfinanzieller Belange in der Unternehmensbewertung als schwierig erweisen.
446 447
RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 3. Westermann, in: MünchKommBGB, § 441 Rn. 12.
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Der Rücktritt ist nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist, d. h. der Mangel nur geringfügiger Natur ist.448 Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung, wobei es stets auf alle Umstände des Einzelfalls ankommt.449 Dabei ist die Erheblichkeit bei der ausdrücklichen Vereinbarung einer bestimmten Beschaffenheit, so zum Beispiel bei der ausdrücklichen oder konkludenten Bezugnahme auf die CSR-Erklärung, grundsätzlich indiziert.450 Überdies dürfte eine Verletzung „wesentlicher“ Berichterstattungspflichten, so eine Falschberichterstattung über wesentliche CSR-Belange, die die tatsächliche Nachhaltigkeitspolitik des Unternehmens verschleiert,451 die Erheblichkeit der Pflichtverletzung begründen. (3) Schadensersatz Schließlich kommt eine Haftung des Unternehmens auf Schadensersatz nach § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. der einschlägigen Anspruchsgrundlage des allgemeinen Schuldrechts in Betracht. Dabei eröffnen sich entsprechend der jeweiligen Verletzungshandlung sowohl Schadensersatzansprüche neben als auch statt der Leistung. Tatbestandlich kann im Rahmen des § 437 Nr. 3 i.V.m. §§ 280 ff. BGB grundsätzlich auf den Rücktritt verwiesen werden. Zusätzlich zu berücksichtigen ist das Erfordernis des Verschuldens sowie der kausale Schaden. Dem Beteiligten kommt bezüglich des Nachweises des Verschuldens nach § 280 Abs. 1 S. 2 eine Beweiserleichterung zugute, sodass grundsätzlich das Unternehmen den Entlastungsbeweis mangelnder Kenntnis oder fehlender, grob fahrlässiger Unkenntnis führen muss. Welcher Schaden aufgrund der Pflichtverletzung entstanden ist, ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Schadensermittlung, den §§ 249 ff. BGB, zu beurteilen. Grundsätzlich richtet sich die Schadensermittlung also auch im Fall der Minderwertigkeit der Anlage durch eine fehlerbehaftete CSR-Pflichtverletzung nach den §§ 249 ff. BGB. Dabei sind hinsichtlich der Werthaltigkeit des Unternehmens die bereits bei der Minderung erwähnten Schwierigkeiten zu beachten und auf die Ausführungen zur Begründbarkeit materieller Schäden, die auf eine fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung zurückzuführen sind, zu verweisen.452 Denkbar sind hier besonders die Schäden, die auf „Fehlinvestitionen“ der Anleger zurückgehen und mit auf die fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung zurückgehenden Kursverlusten des
448
BGH, NJW 2011, 2872, 2874. Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 323 Rn. 32. 450 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 323 Rn. 32; BGH, NJW-RR 2010, 1289, 1291 (Rn. 23). 451 Hinsichtlich der Eignung eines Produkts für den „ethischen“ Konsum und die Folgen für die Erheblichkeit im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB Lüttringhaus, AcP 219 (2019), 29, 60. 452 Siehe S. 166 f. 449
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Unternehmens verbunden sind.453 Die Bestimmung des Unternehmenswerts bzw. des Minderwerts eines Unternehmens bei Abweichen von der durch die nichtfinanzielle Erklärung vorausgesetzten CSR-Politik bedarf dabei stets der Beurteilung im konkreten Einzelfall.454 Welches Modell zur konkreten Schadensbezifferung in der Praxis vorzuziehen ist, bleibt der Rechtsprechung vorbehalten. c) Deliktische Haftungsansprüche Neben den vertraglichen Ansprüchen bleiben auch weitergehende Ansprüche, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts aufgrund unerlaubter Handlungen erhoben werden können, von der kapitalmarktrechtlichen Prospekthaftung unberührt, § 16 Abs. 2 WpPG. Obwohl die Haftung für das Angebot und den Vertrieb von Kapitalanlagen größtenteils Gegenstand spezialgesetzlicher Haftungstatbestände ist (WpPG, VermAnlG, KAGB sowie WpHG), hat der Rückgriff auf § 826 BGB als allgemein-zivilrechtliches Haftungsregime auch für fehlerhafte Kapitalmarktinformationen evidente Bedeutung.455 So kommen aufgrund einer fehlerbehafteten CSR-Berichterstattung bei einem Beteiligungserwerb auf dem Primärmarkt neben der Prospekthaftung und der vertraglichen Haftung außerdem Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB und § 826 BGB in Betracht. Zu § 823 Abs. 2 BGB gilt oben Gesagtes. Neben den Aktionären bzw. Gesellschaftern schützen die in §§ 331, 334 HGB kodifizierten Verbote außerdem das Vertrauen potenzieller Anleger in die Richtigkeit und Vollständigkeit bestimmter Angaben und Informationen über die Verhältnisse der Kapitalgesellschaft.456 Haftungsgegenstand des § 826 BGB ist im Fall der getäuschten Neuerwerber von Wertpapieren die fehlerbehaftete CSR-Erklärung als kapitalmarktbezogene Erklärung des Unternehmens. Wird der Aktionär aufgrund dieser Erklärung über den Wert der Kapitalanlage oder über die mit ihr verbundenen Risiken getäuscht und somit zum Vertragsschluss verleitet, kommt grundsätzlich eine Haftung nach § 826 BGB in Betracht.457 Dabei gelten die für die spezialgesetzliche Prospekthaftung anerkannten Grundsätze,458 sodass regelmäßig solche Informationen der nichtfinanziellen Erklärung in der kapitalmarktbezogenen Erklärung täuschungsrelevant werden, die im Sinne der §§ 9,
453
Bachmann, ZGR 2018, 231, 249. Kritisch hierzu Seibt, DB 2016, 2707, 2715; Mock, ZIP 2017, 1195, 1203. 455 Wagner, in: MünchKommBGB, § 826 Rn. 101 ff. 456 Schüppen, Systematik und Auslegung des Bilanzstrafrechts, S. 114. 457 BGH, NJW-RR 2005, 751; Mock, ZIP 2017, 1195, 1203; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344. 458 Wagner, in: MünchKommBGB, § 826 Rn. 108. 454
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10 WpPG wesentlich sind.459 Täuscht das Gesellschaftsorgan durch seine nichtfinanzielle Erklärung und die damit verbundene Falschberichterstattung vorsätzlich sittenwidrig über eine wesentliche Angabe und damit über den Wert der Kapitalanlage bzw. über die mit ihr verbundenen Risiken und Chancen, ist ein Anspruch nach § 826 BGB grundsätzlich denkbar.460 Ein Sittenverstoß im Sinne einer Missachtung lauteren Marktverhaltens ist dabei besonders in der bewussten Irreführung des Publikums zu sehen.461 Bei weitem Verständnis der Tatbestandsvoraussetzung „gute Sitten“ ist ein Eingreifen des § 826 BGB darauf allerdings nicht beschränkt. Nach einem solchen Verständnis versteht sich unter einem sittenwidrigen Verhalten nämlich jedes marktwidrige Informationsgebaren, soweit es das Entscheidungsverhalten der Gegenseite zu deren Nachteil beeinflussen kann.462 Neben der Begründung eines kausal verursachten Schadens müsste der Anleger insbesondere den erforderlichen Nachweis der positiven Kenntnis über die Unrichtigkeit der kapitalmarktbezogenen Informationen führen. d) Zusammenfassung zur Primärmarkthaftung Zusammenfassend setzt sich die Gesellschaft durch eine fehlerhafte Kapitalmarktinformation im Zuge einer fehlerbehafteten nichtfinanziellen Erklärung gegenüber Erwerbern auf dem Primärmarkt durchaus einem gewissen Haftungsrisiko aus. Denn dieser kann sich, wenn er die fehlerbehaftete nichtfinanzielle Erklärung zur Grundlage seiner Investitionsentscheidung gemacht hat, verschiedener Durchsetzungsinstrumente bedienen. Allen voran steht dabei das sondergesetzliche Risiko der Prospekthaftungsansprüche nach § 9 WpPG oder § 10 WpPG; je nachdem, ob als Werbeprospekt der Börsenzulassungsprospekt nach § 9 WpPG oder der Verkaufsprospekt nach § 10 WpPG zum Einsatz kam. Maßgeblich hängt der Erfolg der Ansprüche davon ab, ob die nichtfinanzielle Erklärung durch eine incorporation by reference zum Bestandteil des jeweiligen Prospekts wurde. Außerdem muss es sich bei den in Frage stehenden Informationen um wesentliche im Sinne des § 9 WpPG oder § 10 WpPG handeln. Neben den Prospekthaftungsansprüchen kommen allgemeine zivilrechtliche Gewährleistungs-/bzw. Haftungsansprüche in Betracht. Dabei handelt es sich etwa um Gewährleistungsansprüche aus §§ 437 ff. BGB, aber je nach Schwere des Ver-
459 460 461 462
25 ff.
Siehe zu den wesentlichen Angaben im Sinne des WpPG S. 176. Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1345; Mock, ZIP 2017, 1195, 1203. Sester, ZGR 2006, 1, 4; Bachmann, ZGR 2018, 231, 248. Bachmann, in: Bachmann et al., Steuerungsfunktionen, S. 93, 132; Sester, ZGR 2001, 1,
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stoßes auch um deliktische Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 331, 334 HGB oder § 826 BGB. Problematisch an den nicht sondergesetzlichen Haftungstatbeständen ist sicherlich die beim Wertpapiererwerber liegende Beweislast hinsichtlich der zu begründenden Tatbestandsvoraussetzungen. Im Gegensatz zur Haftung aus dem WpPG genießen sie kaum den Vorteil einer Beweiserleichterung. Literaturstimmen gehen daher bei nicht sondergesetzlichen Haftungstatbeständen zum momentanen Zeitpunkt eher von einer Anwendbarkeit in Ausnahmefällen aus.463 Die Monetarisierung nichtfinanzieller Belange sei abzuwarten. Eine vertragsähnliche Vertrauenshaftung scheidet mangels Inanspruchnahme besonderen Vertrauens in der Regel aus.464 5. Haftung bei Erwerb auf dem Sekundärmarkt Da nach erstmaligem Börsengang der Aktiengesellschaft der Großteil der herausgegebenen Wertpapiere stetig über den Zirkulationsmarkt gehandelt wird, ist insbesondere neben den unmittelbar durch den Erwerb auf dem Primärmarkt begründeten Ansprüchen interessant, welche Haftungsrisiken den Unternehmen aufgrund der fehlerbehafteten CSR-Erklärung bei Weiterveräußerung der Wertpapiere drohen. Eine ausdrückliche Regelung, die eine Erstreckung der Prospekthaftung auf den Sekundärmarkt verwehrt, existiert nicht. § 9 WpPG stellt lediglich auf den Erwerb des Wertpapiers ab,465 sodass davon grundsätzlich auch der Sekundärmarkt umfasst ist.466 Das Haftungsrisiko des Unternehmens gegenüber den Anlegern besteht bei fehlerbehafteter CSR-Berichterstattung nach den erfassten Erkenntnissen grundsätzlich auch auf dem Sekundärmarkt. Jenes wird jedoch im Falle des Sekundärerwerbs insbesondere bei Börsenzulassungsprospekten aufgrund der Begrenzung der Anspruchsberechtigung auf sechs Monate innerhalb erstmaliger Einführung der Wertpapiere erheblich eingegrenzt.467 Darüber hinaus müssten die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der Prospekthaftung, wie der Einfluss der Information auf die Investition und die Kausalität der Fehlerhaftigkeit für den Börsenpreis vorliegen.468 Gerade hinsichtlich des Ver463 Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 194; Bachmann, ZIP 2010, 1517, 1526; RothMingram, NZG 2015, 1341, 1345. 464 Ausführlich hierzu Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 194 f.; Bachmann, ZGR 2018, 231, 248; Mock, ZIP 2017, 1195, 1203; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344; skeptisch zu § 161 AktG J. Koch, § 161 AktG Rn. 29. 465 Mock/Fuhrmann, ZFR 2019 (52), 108 ff. 466 Asmann/Kumpan, in: Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 5 Rn. 177. 467 Kumpan, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 9 WpPG Rn. 13. 468 Siehe dazu S. 181.
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kaufsprospekts nach § 10 WpPG gilt es außerdem zu beachten, dass ein Prospekt als reine Bestandsaufnahme des Unternehmens über den Ablauf eines längeren Zeitraums hinweg regelmäßig als Mittel der Kapitalmarktinformation für die Anleger an Relevanz einbüßt.469 Ein Anspruch nach § 12 WpPG ist zudem dann ausgeschlossen, wenn nach der Veröffentlichung des fehlerhaften Prospekts die falsche Information richtiggestellt worden ist, was insbesondere aufgrund der jährlich wiederkehrenden Verpflichtung des Unternehmens zur Veröffentlichung eines (ordnungsgemäßen) CSR-Berichts gerade auf dem Sekundärmarkt der Fall sein wird. Mängelgewährleistungsansprüche des Anlegers gegenüber der Aktiengesellschaft scheitern auf dem Sekundärmarkt regelmäßig an dem Fehlen eines unmittelbaren Vertragsschlusses zwischen Anleger und Emittenten. Nichts anderes ergibt sich aus der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die eine Ausweitung der Äußerungshaftung auf den Hersteller ausdrücklich ablehnt.470 Da die deliktischen Ansprüche gerade nicht an einen Vertragsschluss zwischen der Gesellschaft und dem Anleger, sondern an einen rechtsgutsverletzenden (bzw. -gefährdenden) Eingriff anknüpfen, kommen bei Aktieninhabern auf dem Sekundärmarkt aufgrund einer Schutzgesetzverletzung ebenfalls deliktische Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 331 HGB und § 334 HGB und bei zumindest grob fahrlässigen fehlerhaften Erklärungen solche aus § 826 BGB, jeweils in Verbindung mit § 31 BGB analog in Betracht.471 6. Resümee zu den Außenhaftungsrisiken Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich die Gesellschaft durch eine fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung offensichtlich enormen Haftungsrisiken aussetzt. Auf den ersten Blick lassen sich eine Reihe möglicher Anspruchsgrundlagen finden. Entscheidend ist zwischen zwei Interessenlagen zu differenzieren. Der des Anlegers, der bereits Wertpapiere an dem Unternehmen hält und der des enttäuschten Investors, der die fehlerbehaftete CSR-Erklärung zur Grundlage seiner Investitionsentscheidung gemacht hat. Beide haben ein Interesse daran, ihren erlittenen Schaden ersetzt zu bekommen. Der enttäuschte Investor könnte ferner an einer Rückabwicklung des Vertrags interessiert sein. Inhaber von Wertpapieren müssen sich letztlich trotz fehlerbehafteter nichtfinanzieller Erklärung mit einem Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 331, 334 HGB zufriedengeben. Sowohl eine Haftungsforderung nach § 823 Abs. 1 BGB als auch 469
Mock/Fuhrmann, ZFR 2019 (52), 108 ff. Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter v. 25. 5. 1999, ABl. Nr. L 171/12 (im Folgenden abg.: Verbrauchsgüterkaufrichtlinie), Erwägungsgrund 9. 471 Bachmann, ZGR 2018, 231, 248; BGHZ 160, 134 = NZG 2004, 816; BGHZ 192, 90 = NZG 2012, 263. 470
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eine nach § 826 BGB scheiden regelmäßig aus. Insoweit kommt es auf den Eintritt und die Bestimmbarkeit eines ersatzfähigen Vermögensschadens an. Sowohl auf dem Primär- als auch auf dem Sekundärmarkt scheinen die Durchsetzungsinstrumente enttäuschter Wertpapiererwerber weitaus erfolgsversprechender: Neben Prospekthaftungsansprüchen nach § 9 WpPG oder § 10 WpPG bei incorporations by reference reihen sich hierin allgemein-zivilrechtliche Gewährleistungs-/bzw. Haftungsansprüche aus §§ 437 ff. BGB und – je nach Schwere des Verstoßes – auch deliktische Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 331, 334 HGB oder § 826 BGB (i.V.m. § 31 BGB analog) ein. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass die nicht-sondergesetzliche Haftung aufgrund der ungünstigen Beweispflicht wie auch der Problematik der Schadensermittlung wohl eher auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt.472 Die Monetarisierung nichtfinanzieller Belange ist abzuwarten. Wurden die Wertpapiere auf dem Sekundärmarkt erworben, kommen in der Regel hauptsächlich Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 331, 334 HGB und § 826 BGB in Betracht. Eine vertragsähnliche Vertrauenshaftung scheidet mangels Inanspruchnahme besonderen Vertrauens stets aus.473 Jegliche einschlägigen Haftungstatbestände beziehen sich auf den vorsätzlichen Bereich, sodass ausschließlich eine fehlerbehaftete Erklärung, die auf einem bewussten Missachten der Berichterstattungsforderungen beruht, haftungsrechtlich von Anlegerrelevanz ist.
III. Zusammenfassung der Haftungsrisiken und Gestaltungsmöglichkeiten Zu den der Aktiengesellschaft drohenden zivilrechtlichen Haftungsrisiken ist Folgendes festzustellen: Geprägt werden diese durch das vorsätzliche Missachten von CSR-Berichtsanforderungen und den damit verbundenen Pflichten. Eine Innenhaftung der Verwaltungsorgane kommt nach § 93 Abs. 2 AktG (i.V.m. § 116 AktG) hauptsächlich bei vorsätzlichen Pflichtverletzungen in Betracht. Der Bereich fahrlässig begründbarer Pflichtverletzungen ist gerade aufgrund großflächig unbestimmter Rechtsbegriffe und Entlastungsmöglichkeiten der Verwaltungsorgane (BJR) überschaubar. In der Außenhaftung ist zwischen zwei Interessenlagen zu differenzieren: Der des Anlegers, der bereits Wertpapiere an dem Unternehmen hält und der des enttäuschten Investors, der die fehlerbehaftete CSR-Erklärung zur Grundlage seiner Investiti472
Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 194; Bachmann, ZIP 2010, 1517, 1526; RothMingram, NZG 2015, 1341, 1345. 473 Ausführlich hierzu Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 194 f.; Bachmann, ZGR 2018, 231, 248; Mock, ZIP 2017, 1195, 1203; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344.
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onsentscheidung gemacht hat. Zu den Haftungsrisiken beider Interessengruppen lassen sich ähnliche Erkenntnisse feststellen. Die nicht-sondergesetzliche Haftung bleibt aufgrund der ungünstigen Beweispflicht wie auch der Problematik der Schadensermittlung vorerst wohl eher auf Ausnahmefälle, darunter auch bewusst sittenwidrige Schädigungen, beschränkt. Interessant ist also in erster Linie die sondergesetzliche Prospekthaftung nach § 9 WpPG oder § 10 WpPG, da es sich hierbei um die Anspruchsgrundlage mit den für den Anleger niedrigsten Anforderungen handelt. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich sowohl die Gesellschaft als Ganzes als auch ihre einzelnen Organe Gedanken über die Folgen ihres enormen Pflichtenzuwachses durch die neuen CSR-Berichtspflichten machen müssen. Diese wirken sich haftungsrechtlich im Innenverhältnis und im Außenverhältnis aus. Wirkliche zivilrechtliche „Risiken“ entstehen den Unternehmen aber in erster Linie im Bereich des vorsätzlichen Falschberichterstattens. In Betracht käme eine zivilrechtliche Haftungsfolge insbesondere im Falle einer heuchlerischen Kommerzialisierung von nichtfinanziellen Informationen (so zum Beispiel beim Greenwashing); umso mehr, wenn darin über kapitalmarktrelevante Auskünfte getäuscht wird.
B. CSR-Berichterstattung als Gegenstand der Hauptversammlung Entsprechend § 175 Abs. 2 AktG und § 176 Abs. 1 AktG gehört die nichtfinanzielle Erklärung als Bestandteil des Lageberichts zu den für die Hauptversammlung informationspflichtigen Unterlagen.474 Sowohl über das Ergebnis seiner Prüfung nach § 171 Abs. 1 AktG als auch über die Berücksichtigung seiner sonstigen Überwachungsaufgaben muss der Aufsichtsrat der Hauptversammlung außerdem nach § 171 Abs. 2 AktG berichten. Aktionäre können nach § 131 Abs. 1 AktG im Rahmen ihres Auskunftsrechts auf diese nichtfinanziellen Informationen Bezug nehmen.475 Ferner muss in CSR-berichtspflichtigen Aktiengesellschaften gegenüber der Hauptversammlung über die eingesetzten Ausschüsse informiert werden.476 Dadurch wird die erweiterte Rechnungslegung samt CSR-Berichterstattung regelmäßig zum Gegenstand der Hauptversammlung.477 474
253. 475
Ausführlich hierzu Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 767 f.; Bachmann, ZGR 2018, 231,
Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 768. Dies liegt erneut daran, dass es sich aufgrund der Anforderungen an das berichtspflichtige Unternehmen bei CSR-berichtspflichtigen Unternehmen zwingend um kapitalmarktorientierte, also börsennotierte Unternehmen handelt; grundlegend dazu OLG München, AG 2009, 121, 123. 477 Bachmann, ZGR 2018, 231, 256. 476
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Dementsprechend stellt sich die Frage, welche Auswirkungen eine fehlerhafte oder unrichtige nichtfinanzielle Erklärung auf die Hauptversammlungstätigkeit hat. In den Vordergrund rücken dabei besonders der Tagesordnungspunkt „Vorlage des Jahresabschlusses“ und personelle Entscheidungen wie Entlastungsbeschlüsse und Wahlbeschlüsse.
I. Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen Die Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen richtet sich nach den §§ 243 ff. AktG. Demgemäß begründen generell sowohl formale als auch inhaltliche Verstöße nach § 243 AktG deren Anfechtbarkeit.478 Ein Hauptversammlungsbeschluss kann wegen Verfahrensverstößen wie Vorbereitungs- und Durchführungsmängeln angefochten werden. Aber auch der Verstoß gegen Gesetz oder Satzung sowie die Sittenwidrigkeit durch Begleitumstände des Beschlusses und eine Missachtung des Gleichbehandlungsgebot können die Anfechtbarkeit begründen.479 Betreffend den Verstoß gegen Gesetz oder Satzung nach § 243 Abs. 1 AktG ist in Bezug auf die CSR-Berichterstattung jedenfalls zu berücksichtigen, dass nicht der Verstoß gegen die in der nichtfinanziellen Erklärung vermeintlich verfolgten Konzepte, sondern allein die Missachtung der gesetzlichen CSR-Berichterstattungsanforderungen durch einen Beschluss in Betracht käme. Ein solcher Beschluss ist mangels geschriebener oder ungeschriebener Zuständigkeit der Hauptversammlung für die Aufstellung der nichtfinanziellen Berichterstattung bei „normalen“ Hauptversammlungsbeschlüssen kaum denkbar. Begründungsrelevant sind in Bezug auf die fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung insbesondere Informationsmängel nach § 243 Abs. 4 S. 1 AktG.480 Ein Informationsdefizit, das durch eine unrichtige, unvollständige oder verweigerte Erklärung verursacht wurde, begründet als formaler Fehler die Anfechtbarkeit eines gefassten Hauptversammlungsbeschlusses nur dann, wenn durch das Defizit einem objektiv urteilenden Aktionär die sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte verwehrt bleibt.481 Die Informationen müssen also für die Aktionäre relevant sein.482 Das ist der Fall, wenn ein objektiv urteilender Aktionär in Kenntnis der von ihm nachgefragten oder ihm berichtsweise zugetragenen Umstände anders abgestimmt 478 479 480 481 482
Hüffer/Schäfer, in: MünchKommAktG, § 243 Rn. 25. Drescher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, § 243 Rn. 1 ff. Bachmann, ZGR 2018, 231, 251 ff. Ehmann, in: Grigoleit, AktG, § 243 Rn. 10. Hüffer/Schäfer, MünchKommAktG, § 243 Rn. 29.
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hätte als dies tatsächlich geschehen ist.483 Wird der objektiv urteilende Aktionär durch eine fehlerbehaftete nichtfinanzielle Erklärung spürbar, d. h. hinreichend gewichtig, in seinen Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechten beschränkt, ist die Anfechtbarkeit des in diesem Zustand gefassten Beschlusses begründet. Dies kommt im Falle ungenügender CSR-Berichterstattung insbesondere bei „personellen Beschlüssen“ wie der Entlastung oder der (Wieder-)Wahl einzelner Mitglieder in Betracht, da an dieser Stelle CSR-anstrebende Aktionäre ausdrückliches Vertrauen in die Richtigkeit der gemachten Angaben oder in die neigungsspezifische Eignung der Mitglieder für ein bestimmtes Amt setzen.484 Aber auch andere Hauptversammlungsbeschlüsse, die etwa solch gewichtige Strukturmaßnahmen betreffen, können unter Umständen durch eine fehlerbehaftete Berichterstattung infiziert werden.485
II. Verweigerung der Entlastung und Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen Die CSR-Berichterstattung bzw. die nichtfinanzielle Erklärung als Bestandteil des Lageberichts kann bei vollständigem Fehlen oder bei unvollständiger oder unrichtiger Berichterstattung für die Entlastung der Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 120 AktG von Bedeutung sein. Denn in gewisser Weise haben diese Mitglieder ihre CSR-bezogenen Verwaltungsaufgaben, wie unter anderem die Aufstellung der nichtfinanziellen Erklärung nach § 289b Abs. 1, 264 Abs. 1 oder die inhaltliche Prüfung nach § 171 Abs. 1 AktG, nicht ordnungsgemäß wahrgenommen.486 Die Entlastung nach § 120 AktG umfasst in erster Linie die vergangenheitsbezogene Billigung der Verwaltung.487 Gleichzeitig kann, wenn nichts anderes deutlich wird, darin auch der Ausspruch von Vertrauen der Aktionäre in die künftige Geschäftsführung gesehen werden.488 Die Kompetenz zur Beschlussfassung besitzt insoweit die Hauptversammlung.489 Unterlaufen den Verwaltungsorganen bei der Aufstellung und/oder Prüfung der nichtfinanziellen Erklärung Fehler, kann dies die Verweigerung der Billigung der Verwaltung oder die Anfechtbarkeit von bereits erfolgten Entlastungsbeschlüssen begründen. 483
Hüffer/Schäfer, MünchKommAktG, § 243 Rn. 27 ff. So mit Beispielen Bachmann, ZGR 2018, 231, 257. 485 Bachmann, ZGR 2018, 231, 257. 486 Mock, ZIP 2017, 1195, 1202. 487 BGHZ 94, 324, 326 f. = NJW 1986, 129, 130 f. 488 BGHZ 94, 324, 326 f. = NJW 1986, 129, 130 f.; Liebscher, in: Henssler/Strohn, AktG, § 120 Rn. 1 f. 489 Herrler, in: Grigoleit, AktG, § 120 Rn. 4 ff. 484
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1. Verweigerung der Entlastung Eine fehlerbehaftete nichtfinanzielle Berichterstattung wirkt sich auf die Richtigkeit des Lageberichts aus. Aufgrund dessen kann die Entlastung wegen mangelnder Billigung der Verwaltung verweigert werden.490 Das bedeutet, dass der Antrag der Entlastung aufgrund einer fehlerhaften Lageberichterstattung abgelehnt wird. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um einen Nicht-Beschluss.491 Weiterreichende Folgen als die schlichte Ablehnung des Antrags, insbesondere unmittelbare rechtliche Folgen wie per se ein Vertrauensentzug nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG oder die Abberufung nach § 103 Abs. 1 AktG, können sich daraus nicht ergeben.492 Bedeutung hat die Verweigerung der Entlastung in erster Linie in der Offenbarung des Missfallens der Aktionäre in Bezug auf die Geschäftsführung. 2. Anfechtung des Entlastungsbeschlusses Überträgt man die zu den Hauptversammlungsbeschlüssen festgestellten Grundsätze auf den Entlastungsbeschluss, begründen auch hier im Allgemeinen Inhalts- und Informationsmängel die Anfechtung.493 Es könnte ein bereits beschlossener Entlastungsbeschluss angefochten werden. Angeknüpft wird dabei an den Gegenstand der Entlastung, das Verhalten von Vorstand oder Aufsichtsrat. Zu unterscheiden ist prinzipiell, ob das Verhalten der Organmitglieder einen eindeutig schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt oder nicht und die Entlastung daher nicht hätte beschlossen werden dürfen. Des Weiteren ist es möglich, dass den Aktionären für die Beschlussfassung relevante Informationen vorenthalten wurden, wodurch die Wahrnehmung ihrer Teilnahmeund Mitgliedschaftsrechte verletzt und eine sachgerechte Entscheidung über die Entlastung verhindert wurden.494 Übertragen auf die nichtfinanzielle Erklärung bedeutet dies, dass dem Entlasteten aufgrund der fehlerbehafteten CSR-Berichterstattung entweder ein schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstoß zur Last fallen müsste oder die fehlenden oder
490
Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344; Seibt, DB 2016, 2707, 2715. Hoffmann, in: BeckOGKAktG, § 120 Rn. 33 ff. 492 Kubis, in: MünchKommAktG, § 120 Rn. 35 ff.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 120 Rn. 46 ff.; Hoffmann, in: BeckOGKAktG, § 120 Rn. 33 ff.; Liebscher, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, AktG, § 120 Rn. 9; Drinhausen, in: Hölters, AktG, § 120 Rn. 29 ff. 493 Hoffmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 120 Rn. 43; Bachmann, ZGR 2018, 231, 251, m.w.N. 494 Bachmann, ZIP 2010, 1517, 1523; Hoffmann, in: Spindler/Stilz, § 120 Rn. 45 ff. 491
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falschen, eigentlich relevanten Informationen eine sachgerechte Entscheidung über die Entlastung verhinderten. Die inhaltlichen Rechtsverstöße sind dabei auf eindeutig schwerwiegende Verstöße beschränkt, da ansonsten das breit angelegte Ermessen der Hauptversammlung hinsichtlich der Entlastung reduziert werden würde.495 Gerade aufgrund dieser engen Begrenzung der dafür ausreichenden, inhaltlichen Mängel wird sich ein Fehler bei der CSR-Berichterstattung (selbst das vollständige Fehlen der nichtfinanziellen Erklärung) nur schwer unter die Fehlerkategorie der eindeutigen und schwerwiegenden Gesetzes- und Satzungsverstöße subsumieren lassen. Ein Vergleich der anerkannten Fallgruppen schwerwiegender Gesetzes- oder Satzungsverstöße mit dem wohl „schwerwiegendsten“ Verstoß bei der CSR-Berichterstattung, dem vollständigen Unterlassen der Erklärung, zeigt, dass dabei selten eine hinreichende, erhebliche Qualität der Pflichtverletzung erreicht wird. Die Rechtsverletzung muss „über einen Formalverstoß hinausgehen und auch im konkreten Einzelfall Gewicht haben“.496 Das wäre etwa der Fall bei einer strafrechtlich relevanten Handlung des Entlasteten zu Lasten der Aktiengesellschaft. Annehmen ließe sich hier als Inhaltsmangel der Entlastungsentscheidung lediglich die erhebliche, vorsätzlich unrichtige Darstellung durch den Entlasteten, die aufgrund ihres Unrechts- und Schuldgehalts nach § 331 Abs. 1 HGB unter Strafe gestellt ist. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei gemeinhin um eine Handlung des Entlasteten zu seinen eigenen und nicht zu Lasten der Aktiengesellschaft handelt – natürlich mit der Gefahr einer mittelbar negativen Außenwirkung für das Unternehmen. Jedenfalls als Anfechtungsgrund in Betracht kommt bei einer fehlerbehafteten CSR-Berichterstattung hingegen der entlastungsspezifische Informationsmangel, also ein Verstoß gegen die Rechnungslegungspflichten. Soweit der Entlastete die Pflicht zum Zugänglichmachen der Rechnungslegungsunterlagen und -berichte nach § 175 Abs. 2 AktG und § 176 Abs. 1 AktG verletzt, kann eine dementsprechende Anfechtung aufgrund eines Informationsdefizits bei den Aktionären begründet werden.497 Eine solche klare Differenzierung zwischen den beiden Fehlerkategorien nimmt der BGH in seiner Rechtsprechung zur Anfechtung von Entlastungsentscheidungen nicht vor. So sei die Vorenthaltung vorgeschriebener Informationen immer auch ein Gesetzesverstoß.498 Eine fehlerhafte Unterrichtung, das Fehlen zwingend vorgeschriebener Bestandteile, könne nicht anders bewertet werden als eine gänzlich fehlende Berichterstattung.499 Diese Zugänglichmachung der Rechnungslegung ist 495 496 497 498 499
Hoffmann, in: Spinder/Stilz, AktG, § 120 Rn. 43. BGH, NZG 2013, 783. Drinhausen, in: Hölters, AktG, § 120 Rn. 37. BGHZ 62, 193, 194 = NJW 1974, 855, 856. BGHZ 62, 193, 194 = NJW 1974, 855, 856.
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zwingend nach § 175 Abs. 2 AktG und § 176 Abs. 1 AktG notwendig, weshalb die Hauptversammlung gesetzeswidrig handle, wenn sie dennoch Vorstand und Aufsichtsrat entlaste, obwohl Bestandteile dieser Rechnungslegungsunterlagen fehlen.500 Werden diese Grundsätze auf die fehlerbehaftete CSR-Berichterstattung übertragen, muss hierbei scharf zwischen den einzelnen Mängeln der nichtfinanziellen Erklärung unterschieden werden. a) Vollständiges Fehlen der Erklärung oder ihrer wesentlichen Bestandteile Jedenfalls das vollständige Fehlen der CSR-Berichterstattung führt, ob nach Ansicht des BGH oder der klaren Zuordnung zur Fehlerkategorie „Informationsmangel“ dazu, dass der Entlastungsbeschluss anfechtbar ist.501 Die nichtfinanzielle Erklärung als Bestandteil des Lageberichts wurde entgegen der gesetzlichen Vorgaben nach § 175 Abs. 2 AktG und § 176 Abs. 1 AktG nicht der Hauptversammlung vorgelegt. Bei Unvollständigkeit der Erklärung in Bezug auf ihre wesentlichen Bestandteile, wie der Bezugnahme auf wesentliche Aspekte oder Angaben,502 kommt man aus denselben Erwägungen zu dem gleichen Ergebnis.503 Auch hier ist die nichtfinanzielle Erklärung nicht anhand der gesetzlichen Vorgaben nach §§ 289b ff. HGB aufgestellt worden; relevante Rechnungslegungsunterlagen wurden den Aktionären entgegen § 175 Abs. 2 AktG und § 176 Abs. 1 AktG nicht zugänglich gemacht. So „kann für die fehlende nichtfinanzielle Erklärung nichts anderes gelten, [wenn schon das Fehlen der Schlusserklärung zum Abhängigkeitsbericht die Anfechtung rechtfertigt]“.504 Werden die nichtfinanzielle Erklärung oder ihre wesentlichen Bestandteile vollständig weggelassen, verletzt das die gesetzlichen Anforderungen nach § 175 Abs. 2 AktG und § 176 Abs. 1 AktG. Darüberhinausgehende, nicht dem Mindestinhalt505 der nichtfinanziellen Erklärung entsprechende Fehler „technischer“ Natur sind aufgrund ihrer nur bedingten Relevanz davon auszunehmen. Damit ist dem Entlasteten nach den Grundsätzen des BGH ein Gesetzesverstoß vorzuwerfen. Ginge man entgegen dieser verwässernden 500
BGHZ 62, 193, 195 = NJW 1974, 855, 856. Im konkreten Urteil nimmt der BGH ausdrücklich Bezug auf § 120 Abs. 3 S. 2 AktG a.F., welcher im Zuge des Erlasses des ARUG gestrichen wurde. Der Gedanke lässt sich jedoch durch die Fortgeltung der Informationspflichten über die Rechnungslegung auf § 175 Abs. 2 AktG und § 176 Abs. 1 AktG übertragen. 501 Dies gilt bei jeder seiner Ausgestaltungsarten, da es sich im Falle des gesonderten CSRBerichts nur um eine rechtstechnische Erleichterung handelt, siehe Bachmann, ZGR 2018, 231, 253. 502 Siehe zu den wesentlichen Angaben der nichtfinanziellen Erklärung nur S. 83. 503 Ausführlich Bachmann, ZGR 2018, 231, 252 f. 504 Bachmann, ZGR 2018, 231, 253. 505 Siehe S. 83.
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Grenze von einer strikten Trennung zwischen Inhalts- und Informationsfehlern aus, wäre die Anfechtbarkeit aufgrund einer fehlenden zutreffenden Unterrichtung der Aktionäre, d. h. eines Informationsmangels, begründbar. b) Unrichtige Erklärung Etwas anderes gilt für den Fall der mangelbehafteten, also der unrichtigen Erklärung. Die Anfechtbarkeit aufgrund eines eindeutigen und schwerwiegenden Verstoßes gegen Gesetz oder Satzung ist, abgesehen von der absichtlich unrichtigen Darstellung nach § 331 Abs. 1 HGB, generell abzulehnen. Es kann dem Aufsichtsrat zwar der Vorwurf gemacht werden, er würde seine umfassende Prüfungspflicht nach 171 Abs. 1 AktG nicht ordnungsgemäß wahrnehmen. Dieses Anfechtungsrisiko des Aufsichtsrats scheitert aufgrund seines breiten Ermessensspielraums jedoch regelmäßig an einem für diesen Anfechtungsgrund qualifizierten Ansatzpunkt.506 Außerdem ist fraglich, ob selbst einer gänzlich unterlassenen Prüfung nach § 171 Abs. 1 AktG überhaupt die Intensität eines „schweren“ Gesetzesverstoßes unterstellt werden kann. Für den Vorstand liegen die Gründe des Scheiterns eines Inhaltsmangels als Anfechtungsgrund in erster Linie darin, dass dafür ein eindeutiger und schwerwiegender Gesetzes- und Satzungsverstoß notwendig ist. Dieser ist ihm aufgrund zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe und offener Formulierungen in § 289c HGB kaum zu unterstellen.507 Eine unrichtige CSR-Berichterstattung kann regelmäßig nur aufgrund eines Informationsmangels angefochten werden. Nach § 243 Abs. 4 AktG reicht für die Begründung der Anfechtung neben einer unvollständigen Information auch eine „unrichtige“ Information. Dies gilt jedoch nur, soweit der Informationsmangel einen objektiv urteilenden Aktionär an der sachgerechten Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte hindert. Dahingehend können die bereits in der Literatur gezogenen Parallelen zu den Grundsätzen eines anfechtbaren Entlastungsbeschlusses bei fehlender, unvollständiger oder inhaltlich unzutreffender Entsprechenserklärung nach § 161 AktG weiterhelfen.508 Demnach führen, wie auch bei der unzutreffenden Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, jedenfalls solche Falschberichterstattungen im Rahmen der CSR-Berichterstattung nicht zu einer Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses, bei welchen es sich lediglich um Verstöße „technischer Natur“ handelt.509 Stattdessen 506 Bachmann, ZGR 2018, 231, 254; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss), BT-Drucks. 18/11450, S. 47. 507 Zur Eindeutigkeit Hofmann, in: Spindler/Stilz, AktG, § 120 Rn. 49; Bachmann, ZGR 2018, 231, 254; Hennrichs, ZGR 2018, 206 ff. 508 So unter anderem Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 769 f.; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344; Bachmann, ZGR 2018, 231, 255. 509 Insoweit ist auf die ausführlichen Erklärungen zur Vergleichbarkeit von Hecker/Bröcker, AG 2017, 761, 769 f., zu verweisen.
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muss es sich um eine unrichtige Information handeln, die für den objektiv über die Entlastung urteilenden Aktionär so relevant ist, dass er wegen dieses Informationsdefizits von der Vertrauenskundgabe gegenüber den Verwaltungsorganen absehen würde.510 Als Beispiel kann eine Falschberichterstattung über tatsächlich für das Unternehmen wesentliche Aspekte zur Begründung der Anfechtung herangezogen werden, wenn diese aufgrund ihrer vermeintlichen Bedeutungslosigkeit unberücksichtigt blieben. Stellt sich im Nachhinein jedoch heraus, dass ein Aktionär wegen dieses Informationsdefizits von der Vertrauenskundgabe gegenüber den Verwaltungsorganen absehen würde, kann dieser Mangel die Anfechtung begründen. Nicht ausreichend wären jedoch marginale Fehler wie der fehlende Hinweis auf die Verwendung eines Rahmenwerks nach § 289d HGB oder Verstöße „technischer“ Natur, so beispielsweise vernachlässigbare Ungenauigkeiten oder kleinere Abweichungen bei den zu machenden Angaben, die jedenfalls die Vertrauenskundgabe gegenüber den Verwaltungsorganen nicht beeinflussen können. c) Zwischenergebnis Schließlich ist festzustellen, dass die Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen aufgrund fehlerbehafteter CSR-Berichterstattung grundsätzlich zu bejahen ist. Dabei muss jedoch sowohl zwischen Mängeln der CSR-Berichterstattung als auch zwischen den verschiedenen Fehlerkategorien unterschieden werden. Jedenfalls das vollständige Fehlen der CSR-Berichterstattung führt nach Ansicht des BGH, ferner bei strikter Zuordnung zu der Fehlerkategorie „Informationsmängel“ dazu, dass der Entlastungsbeschluss anfechtbar ist.511 Bei einer unrichtigen Erklärung ist eine Zuordnung zu den Inhaltsmängeln, abgesehen von der Tatbestandsvollendung des § 331 HGB, kaum vorstellbar. Freilich kommt eine Anfechtung aufgrund von Informationsmängeln in Betracht. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn es sich bei der unrichtigen Information um derlei Angaben handelt, die einen wertvollen Punkt betreffen, der im konkreten Einzelfall für den objektiv über die Entlastung urteilenden Aktionär von Bedeutung ist. Insoweit spricht Bachmann von einer „doppelten Relevanzprüfung“512, der anhand der gefundenen Ergebnisse zuzustimmen ist.
510
1344. 511
W. Goette, in: MünchKommAktG, § 161 Rn. 91 f.; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341,
Dies gilt bei jeder seiner Ausgestaltungsarten, da es sich im Falle des gesonderten CSRBerichts nur um eine rechtstechnische Erleichterung handelt, siehe Bachmann, ZGR 2018, 231, 253. 512 Bachmann, ZGR 2018, 231, 255.
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III. Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses Gleichermaßen kommt auch die Anfechtbarkeit eines Wahlbeschlusses zur Aufsichtsratswahl sowohl bei erstmaliger als auch erst recht bei erneuter Wahl in Betracht. So kann zum Beispiel „die Kenntnis von der [tatsächlich] verfolgten CSR-Politik […] mitentscheidend dafür sein, wer die zur Ausfüllung der Rolle am besten geeigneten Bewerber sind.“513 Unterliegt der objektiv urteilende Aktionär bei dieser Entscheidung einem Informationsdefizit, kann das die Anfechtung des Wahlbeschlusses begründen, wenn die CSR-Politik des Mitglieds in dessen Augen wesentlich mitentscheidend für das beworbene Amt ist.514
IV. Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses Obzwar es sich bei der nichtfinanziellen Erklärung nach §§ 289b ff. HGB um eine Erweiterung des Lageberichts und somit um ein erforderliches Element der Rechnungslegung handelt, kann dessen Fehlen oder Fehlerhaftigkeit weder die Nichtigkeit noch die Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses nach § 256 ff. AktG begründen.515 Schon der fehlende oder fehlerhafte Lagebericht ist nicht wesentlicher Bestandteil des Jahresabschlusses.516 Dieser besteht nach §§ 242, 264 HGB allein aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang (ggfs. Kapitalflussrechnung und Eigenkapitalspiegel).517
C. Abberufung des Vorstands aus dem Amt Bei Verletzung der CSR-Berichterstattungspflichten kommt ferner eine Abberufung der Geschäftsführung aus ihrem Amt nach § 84 Abs. 3 AktG aus wichtigem Grund in Betracht. Denn bei (insbesondere wiederkehrender) fehlerbehafteter CSR-Berichterstattung führt der Vorstand seine CSR-Geschäftsführungspflichten nicht ordnungsgemäß aus. Wird das als wichtiger Grund herangezogen, aufgrund dessen die unbedingt nötige Grundlage für eine funktionierende Zusammenarbeit innerhalb der Gesellschaft nicht mehr vorhanden ist, kann dem Vorstand durch den Aufsichtsrat oder die Hauptversammlung nach § 84 Abs. 3 S. 2 AktG das Vertrauen entzogen werden. 513 514 515 516 517
Bachmann, ZGR 2018, 231, 257. Bachmann, ZGR 2018, 231, 257. Mock, ZIP 2017, 1195, 1202. J. Koch, in: Mu¨ nchKommAktG, § 256 Rn. 5. J. Koch, in: Mu¨ nchKommAktG, § 256 Rn. 5.
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Die schlichte Missbilligung einzelner Maßnahmen reicht dafür normalerweise noch nicht aus.518 Bedingt durch die CSR-Pflichtverletzung muss einem Vorstandsmitglied das Vertrauen endgültig entzogen werden. Dieser enorme Vertrauensentzug wäre vornehmlich bei mehrmaligen CSR-Berichterstattungspflichtverletzungen denkbar. Die Verweigerung der Entlastung oder die Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses kann nicht per se als Vertrauensentzug verstanden werden.519 Rechtsmissbräuchlich ist der Vertrauensentzug, wenn die Entlastung in Kenntnis der CSR-Berichterstattungspflichtverletzungen, die den Vertrauensentzug begründen, erteilt wurde.520
D. Recht zur Überprüfung Zur Überprüfung möglicher Pflichtverletzungen steht den Anteilseignern ihr allgemein gesellschaftsrechtliches Mittel der Sonderprüfung nach § 142 ff. AktG zu.521 Mit Hilfe der Sonderprüfung können sich Anleger die für sie notwendigen Informationen zur Überprüfung der Vorgänge in der Unternehmensleitung verschaffen, soweit Tatsachen vorliegen, die den Verdacht der Unredlichkeit oder Verletzung des Gesetzes durch die Unternehmensleitung begründen.522 Ergebnis der Prüfung bleibt dabei jedoch die Klärung eines Sachverhalts. Eine Bewertung, eine Rechtsmäßigkeits-, Ordnungsmäßigkeits- oder Zweckmäßigkeitsprüfung wird dagegen nicht vorgenommen.523 Dementsprechend beschränkt sich die Sonderprüfung auf zeitlich begrenzte Vorgänge und umfasst gerade nicht die allgemeine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung. Hinsichtlich der CSR-Angelegenheiten kommen, soweit dies der Aufklärung etwaiger Pflichtverletzungen dienlich ist, in erster Linie eine Kontrolle der tatsächlichen Umsetzung etwaiger CSR-Konzepte in die Unternehmenspraxis sowie eine Überprüfung der berichteten und nicht berichteten CSR-Angaben in Betracht. Dies gilt, soweit es sich bei den Feststellungen oder vermeintlichen Umsetzungen um ungewisse Vorgänge der Unternehmensführung handelt.524 Die nichtfinanzielle Berichterstattung als Bestandteil der Lageberichterstattung stellt keinen tauglichen Prüfungsgegenstand dar.525
518 519 520 521 522 523 524 525
Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 141. Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 142. Spindler, in: MünchKommAktG, § 84 Rn. 141. Seibt, DB 2017, 2707, 2715. Schneider, AG 2008, 305 f. Schneider, AG 2008, 305, 306. Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, AktG, § 142 Rn. 1. Grigoleit/Rachlitz, in: Grigoleit, AktG, § 142 Rn. 38.
§ 10 Gesellschaftsinterne Auswirkungen der CSR-Berichterstattungspflicht
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E. Das vorsätzliche Missachten als scharf sanktioniertes Verhalten Als Nachklang des Pflichtenzuwachses der Aktiengesellschaft hat sich diese in Folge der neuen CSR-Berichterstattungspflichten nach § 289b ff. HGB mit einer Reihe möglicher Auswirkungen bei Missachtung der Berichterstattungsanforderungen auseinanderzusetzen. Die möglichen Sanktionsrisiken umfassen dabei neben den Straf- und Bußgeldvorschriften zivilrechtliche Haftungsrisiken und sonstige gesellschaftsrechtliche Sanktionsmittel. Geprägt wird der tatsächlich riskante zivilrechtliche Haftungsbereich durch das vorsätzliche Missachten von CSR-Berichtsanforderungen und den damit verbundenen Pflichten. Dies gilt gleichermaßen für die Innen- wie die Außenhaftung. Dieses Risiko gilt es nicht zuletzt durch eine ordentliche CSR-Compliance abzuschirmen.526 Zur Überprüfung möglicher Pflichtverletzungen steht den Anteilseignern das gesellschaftsrechtliche Mittel der Sonderprüfung nach § 142 ff. AktG zu, das sich jedoch auf eine reine Sachverhaltskontrolle begrenzt. Dies betrifft neben der Gesellschaft als Ganzes auch ihre einzelnen Organe und erschöpft sich nicht nur in der Gefahr entsprechender Schadensersatzansprüche. Überdies kann ein etwaiges Missfallen in Bezug auf die Geschäftsführung auch in einem endgültigen Vertrauensentzug, wie etwa der Abberufung aus dem Amt oder einer Entlastungsverweigerung oder der Anfechtung des Entlastungsbeschlusses münden. Schließlich ist zu konstatieren, dass sich die einzelnen Organe der Gesellschaft, aber auch die Gesellschaft als Ganzes neben den durch das CSR-RUG angepassten Straf- und Bußgeldvorschriften bei fehlerbehafteter CSR-Erklärung, einiger weiterer Sanktionsrisiken sowohl haftungs- als auch gestaltungsrechtlicher Art aussetzen. Gemäß Art. 51 der der CSR-Richtlinie vorangehenden Bilanzrichtlinie müssen wirksame und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die bilanziellen Berichtspflichten festgelegt und eine Durchsetzung dergleichen sichergestellt werden. Die CSR-Richtlinie greift diesen Gedanken auf, indem der Mitgliedstaat aufgefordert wird, sachgerechte und wirksame Durchsetzungsmechanismen bereitzustellen.527 In erster Linie verlässt sich der deutsche Gesetzgeber dabei auf die öffentlichrechtlichen Straf- und Bußgeldtatbestände.528 Aber auch die zivilrechtlichen Haftungsrisiken sind besonders hinsichtlich einer vorsätzlichen Falschberichterstattung nicht zu unterschätzen. Die öffentlich-rechtlichen Haftungsrisiken greifen dabei derart mit solchen des allgemeinen Zivil- und Gesellschaftsrechts ineinander, dass von einem effektiven Durchsetzungsmechanismus gesprochen werden kann. 526 527 528
Siehe dazu S. 105 ff. RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 10. Bachmann, ZGR 2018, 231, 244.
210
Teil 3: Wirkungskreis der CSR-Berichterstattungspflicht in der AG
Einerseits bieten die öffentlich-rechtlichen wie zivil- und gesellschaftsrechtlichen Haftungsrisiken gerade für vorsätzliche Pflichtverstöße, wie auch die Nicht-Berichterstattung, abschreckende Sanktionen. Anderseits trifft die Unternehmen nicht bei jedweden Verstößen gegen bilanzielle Berichtspflichten das volle Haftungsrisiko, sodass etwaige Unsicherheiten hinsichtlich unbestimmter Rechtsbegriffe durch verschiedenste Mittel (BJR, Vorsatzerfordernis) abgefedert werden. Das Haftungsrisiko ist abgesehen von einer bewussten Missachtung jedenfalls überschau- und daher insgesamt für die Unternehmen eingrenzbar. Der bestehende Sanktionsmechanismus ist im Sinne der CSR-Richtlinie sachgerecht und bleibt dennoch wirksam, soweit etwaige Falschberichterstattungen aufgedeckt werden.529
529
Siehe dazu kritisch Bachmann, ZGR 2018, 231, 260.
Teil 4
Der raffinierte Wirkungsmechanismus der CSR-Berichterstattungspflicht und rechtspolitische Vorschläge de lege ferenda In einem ersten Schritt wurde ein kurzer historischer Überblick über die Entwicklung der CSR-Berichterstattungspflichten (Teil 1) sowie nachfolgend über den eigentlichen Regelungsinhalt der nichtfinanziellen Erklärung, inklusive Zielsetzung und formalen Anforderungen (Teil 2) geboten. In einem zweiten Schritt konnte auf diesem grundlegenden Verständnis über die durch das CSR-RUG in die Lageberichterstattung integrierten Regelungen aufgebaut und umfassend nach dem Wirkungskreis der CSR-Berichterstattung gefragt werden (Teil 3). In diesem letzten Teil ist schließlich anhand der Ergebnisse aus den vorherigen Teilen zu untersuchen, welche tatsächliche Ausstrahlungswirkung die bilanzielle Berichterstattungspflicht hat und ob es sich de lege lata um eine effektive Verankerung eines CSR-Konzepts handelt. Dabei werden außerdem die Frage nach der Effizienz der CSR-Berichterstattung im Hinblick auf ihre Zielsetzung sowie gegebenenfalls Verbesserungsvorschläge de lege ferenda diskutiert, sodass das gewählte Regelungsmodell abschließend auch betreffend des Regelungsziels des europäischen Gesetzgebers bewertet werden kann.
§ 11 Ausstrahlungswirkung der CSR-Berichterstattungspflicht auf die deutsche Aktiengesellschaft Bevor der in den §§ 289b ff. HGB verankerte Regelungsmechanismus der CSRBerichterstattung bewertet werden kann, ist dessen tatsächliche Ausstrahlungswirkung zu untersuchen. Dabei wird im Folgenden zwischen der faktischen Ausstrahlungswirkung aufgrund der mit der Einbettung in die Lageberichterstattung einhergehenden neuen Pflichtenlage der Verwaltungsorgane wie auch der Gesellschaft als solcher und der Bindungswirkung einer positiv erklärten CSR-Erklärung unterschieden. Hinsichtlich Ersterer steht im Schrifttum besonders die Frage in der Diskussion, ob die Einführung der CSR-Berichterstattungspflichten die Bestimmung der ak-
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Teil 4: Der raffinierte Wirkungsmechanismus der CSR-Berichterstattungspflicht
tienrechtlichen Zielkonzeption verändert.1 Dem soll im Folgenden schwerpunktmäßig nachgegangen werden.
A. Handlungsanreize der nichtfinanziellen Erklärung Unternehmen, die entsprechend der Anforderungen nach §§ 289b ff. HGB in den Anwendungsbereich der CSR-Berichterstattung fallen, haben in erster Linie ihre Lageberichterstattung um eine nichtfinanzielle Erklärung, die CSR-Erklärung, zu erweitern. In dieser muss über wesentliche Risiken,2 die mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens verbunden sind und ihre Handhabung berichtet, sowie eine Entscheidung hinsichtlich im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stehenden relevanten CSR-Belangen getroffen werden. Fällt diese Wahl positiv aus, gilt es neben einer Präsentation der festgelegten Konzepte3 im darauffolgenden Jahr die erzielten Ergebnisse vorzulegen.4 Bis auf einige Sonderfälle, in welchen geringfügige Teile der Berichterstattung über einen begrenzten Zeitraum ausgesetzt werden können,5 müssen sich die Unternehmen selbst bei Abstandnahme von einer Konzepterstellung jedenfalls mit den CSR-Aspekten und ihrer Einflussnahme auf das Unternehmen beschäftigen und ihre Entscheidung im Zuge des Comply or Explain-Mechanismus stets begründen.6
I. Kategorisierung der Erklärungstypen Um den sich daraus ergebenden tatsächlichen Wirkungsmechanismus der §§ 289b ff. HGB zu verdeutlichen, werden diese CSR-Berichterstattungsanforderungen und ihre daraus resultierenden Auswahlmöglichkeiten folgend auf eine fiktive Erklärungspraxis übertragen. So lassen sich anhand der Auswahlmöglichkeiten und den zu berücksichtigenden Unternehmenszuschnitten im Grunde vier Erklärungstypen kategorisieren: Eingangs gilt es, das (in Bezug auf die CSR-Berichterstattung) vernachlässigbare Unternehmen zu erwähnen. Das (wohl hypothetische) vernachlässigbare Unternehmen befindet sich aufgrund seines individuellen Unternehmenszuschnitts in einem Geschäftsbereich, in welchem es keinerlei CSR-Belange berührt und daher mangels Relevanz von einer Handhabung absehen kann. 1 So Hommelhoff, NZG 2017, 1361 f.; a. A. Fleischer, AG 2017, 509, 522; Schön, ZHR 180 (2016), 279, 287 f. 2 Siehe S. 76 ff. 3 Siehe S. 75 f. 4 Siehe S. 76 f. 5 Siehe S. 50 ff. 6 Siehe S. 80 f.
§ 11 Ausstrahlungswirkung der CSR-Berichterstattungspflicht
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Es ist schon von Natur aus nachhaltig, da von ihm keine Auswirkungen auf jedwede CSR-Belange feststellbar sind. Der CSR-Erklärungsinhalt ist in Bezug auf die CSR-Politik des Unternehmens im Grunde unbedeutend, da er nach § 289b Abs. 4 HGB auf die Feststellung fehlender wesentlicher CSR-Aspekte beschränkt bliebe. Nichtsdestotrotz bedürfte es auch in diesem Unternehmen einer jährlichen CSRInventur. Denn die Feststellung fehlender Wesentlichkeit nach § 289c Abs. 3 HGB hat für die Folgejahre keine Befreiungswirkung, sondern muss wiederkehrend für jedes Geschäftsjahr und jeden nach § 289c Abs. 2 HGB benannten Aspekt konstatiert werden. Des Weiteren ist das nachhaltige Unternehmen zu benennen. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es seine, für sich als relevant evaluierten CSR-Aspekte positiv handhabt. Es erstellt CSR-Konzepte und erzielt durch seine gute Nachhaltigkeitspolitik fruchtbare Ergebnisse, die es präsentieren kann. (Vermeintlich) Gleichermaßen bemüht ist auch das scheiternde Unternehmen, das zwar für sich relevante CSR-Aspekte herausfiltert, im Umgang damit aber trotz möglicherweise vielversprechender CSR-Konzepte keine (oder nur teilweise) positive Ergebnisse präsentieren kann und demnach hinter seinen eigenen Erwartungen zurückbleibt. Abschließend ist das CSR-verweigernde Unternehmen als eigener Erklärungstyp anzuerkennen. Es identifiziert zwar die für sich wesentlichen Belange, entscheidet sich jedoch bewusst gegen eine Handhabung derselben und wendet sich dadurch von einer positiven CSR-Politik ab.
II. Selbststeuerung durch unternehmerische Selbstinformation Gewiss lassen sich nicht alle Unternehmen klar einem der benannten Erklärungstypen zuordnen. Mischformen dieser Erklärungstypen sind nicht nur denkbar, sondern vermutlich der Normalfall. Anhand der Kategorisierung soll veranschaulicht werden, dass sich jeder der denkbaren Erklärungstypen im Wege einer CSR-Inventur vergewissern muss, inwieweit die in § 289c Abs. 2 HGB benannten Aspekte in seinem Unternehmen eine Rolle spielen.7 Darauf aufbauend liegt es im Ermessen des Vorstands, sich für oder gegen eine CSR-Strategie zu entscheiden. Um diese Pflicht zu erfüllen sind Vorarbeiten, wie die Beschaffung und Aufarbeitung der erforderlichen Informationen nötig.8 Dies gilt gleichermaßen für strategieverfolgende (nachhaltige & scheiternde) wie auch für untätige Unternehmen, sei es die Folge deren eigener Entscheidung (CSR-verweigernde) oder der Gegebenheit mangelnder 7 Fleischer, AG 2017, 509, 522; Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1362; darüber hinaus freilich auch nicht benannte Aspekte, siehe S. 69 ff. 8 Bachmann, ZGR 2018, 231, 233.
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Teil 4: Der raffinierte Wirkungsmechanismus der CSR-Berichterstattungspflicht
Relevanz (vernachlässigbare). Dem Unternehmen ist es also nicht freigestellt, sich mit den nichtfinanziellen Aspekten überhaupt nicht zu befassen. Es steht ihm lediglich frei, Konzepte zu erzeugen und zu verfolgen oder sich bewusst dagegen zu entscheiden.9 Des Weiteren muss jedes Unternehmen, gleich welchem Erklärungstyp es unterfällt, nach Risiken im Sinne des § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB und § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB fragen, diese filtern und gegebenenfalls einem umfassenden Risikomanagementsystem unterwerfen. Denn auch diese müssen, nicht zuletzt aufgrund des Risikos, sich Schadensersatz- und Sanktionsnormen auszusetzen, erfasst, systematisiert, bewertet und gesteuert werden.10
III. Fremdsteuerung durch Marktteilnahme Überdies handelt es sich bei der CSR-Berichterstattung um eine öffentliche Äußerung. Das hat sowohl für das Erscheinungsbild des Unternehmens gegenüber potenziellen Kunden oder Vertragspartnern als auch im Vergleich des Unternehmens zu anderen Marktteilnehmern Konsequenzen. 1. Fremdsteuerung durch Offenlegung der Geschäftspolitik So kann die nichtfinanzielle Erklärung dadurch, dass sie öffentlich zugänglich gemacht wird,11 von jedermann, also auch potenziellen Kunden oder Vertragspartnern, vor Eingehung von Vertragsbeziehungen eingesehen werden. Das führt bei scheiternden und CSR-verweigernden Unternehmen offensichtlich zu einer Art „gefühlter“ Prangerwirkung.12 Die Unternehmen geraten in Erklärungsnot.13 Denn eine negative Erklärung, sei sie wie vom CSR-verweigernden Unternehmen beabsichtigt oder – für das Unternehmen noch misslicher – vom scheiternden Unternehmen unbeabsichtigt, legt jedenfalls im Bereich CSR eine „ungenügende“ Geschäftspolitik offen. Das scheiternde Unternehmen muss sich dabei öffentlich eingestehen, dass seine in den CSR-Konzepten verfolgten Bemühungen erfolglos blieben. Dies kann nicht zuletzt den Vorwurf mangelnder Pla9
Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1362. Siehe S. 76 ff. und 105 f.; Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1363 (siehe auch Fn. 35); siehe zu den Schadensersatz- und Sanktionsrisiken S. 161 ff. 11 Siehe nur S. 61. 12 Goette, in: MünchKommAktG, § 161 Rn. 34; mehr einer „öffentlichen Kontrolle“ als einer „Prangerwirkung“ zuordnend Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 295. 13 Schön, ZHR 180 (2016), 279, 283; Fleischer, AG 2017, 509, 522; Fleischer, Der Aufsichtsrat, 2017, 65; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1343; mit Bezug auf den „gewissen Druck des Marktes“ bei der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG W. Goette, in: MünchKommAktG, § 161 Rn. 87. 10
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nungssicherheit und fehlender Verlässlichkeit bezüglich der gemachten Angaben nach sich ziehen. Das CSR-verweigernde Unternehmen zeigt dagegen generelles Desinteresse an der Handhabung wesentlicher CSR-Belange, was gerade im Hinblick auf die gesteigerte Sensibilisierung der Gesellschaft gegenüber der Nachhaltigkeitspolitik von Unternehmen zu einer Abwertung des Unternehmens führen kann. Daneben – und das trifft weniger offensichtlich ferner nachhaltige Unternehmen – erlaubt sowohl die Begründung bei der Nichtverfolgung von CSR-Konzepten als auch die Beschreibung der CSR-Strategien eine Beurteilung der Adressaten, ob die Argumente in ihren Augen tatsächlich ausreichen, um einen Konzeptverzicht oder den Umfang der CSR-Strategien zu rechtfertigen.14 Neben dem Impuls, Unternehmen von einem allzu schnellen Konzeptverzicht abzuhalten, dient das Begründungserfordernis des Comply or Explain-Menchanismus als Bewertungsgrundlage für potenzielle Investoren. Dies gilt für CSR-engagierte Unternehmen gleichermaßen wie für untätige. Fasst man all diese Erwägungen nun zusammen, lässt sich feststellen, dass sich die Unternehmen dadurch, dass sie ihre interne Geschäftspolitik zu CSR preisgeben müssen, auf dieser Ebene unfreiwillig qualifizierbar machen. Dies kann insbesondere bei enttäuschten Erwartungen der Stakeholder des Unternehmens zu Veränderungen des Erscheinungsbildes, sprich mitunter zu Reputationseinbußen führen.15 2. Fremdsteuerung durch Marktkonkurrenz Außerdem führt die Transparenz der einzelnen Unternehmen bezüglich ihrer Nachhaltigkeitspolitik dazu, dass sie sich mit anderen Marktteilnehmern vergleichen lassen muss. Das gereicht in erster Linie den CSR-verweigernden und scheiternden Unternehmen zum Nachteil, da sie dem direkten Vergleich mit nachhaltigen oder vernachlässigbaren Unternehmen ausgesetzt sind.16 Für die an den nichtfinanziellen Informationen interessierten Gruppen, wie Kunden oder Kapitalanleger, wird die CSR-Performance des Unternehmens regelmäßig von Interesse sein. Fallen nun gewisse Unternehmen durch fehlende oder mangelhafte CSR-Politik auf, können Kunden oder Kapitalanleger durch ihre Kauf- oder Investitionsentscheidungen bestimmte CSR-eifrige Unternehmen belohnen.17 Fällt ein CSR-verweigerndes oder scheiterndes Unternehmen durch seine fehlende oder erfolglose CSR-Politik auf, kann dies durch den Markt sanktioniert werden (Marktprozess). Bedingt durch 14 So in Bezug auf die Rechtfertigung im Sinne des § 289c Abs. 4 HGB Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 293. 15 Zur Gefahr von Reputationseinbußen auch Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1365; Walden, NZG 2020, 50, 53; Klöhn/Schmolke, NZG 2015, 689, 691 f. 16 Dies umso mehr, wenn sich die Erwägungen von Klene, WM 2018, 308, 311, realisieren und Verbraucherschützer oder die Presse derartige Vergleiche vornehmen und veröffentlichen. 17 Schön, ZHR 180 (2016), 279, 284.
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Teil 4: Der raffinierte Wirkungsmechanismus der CSR-Berichterstattungspflicht
diesen Marktprozess werden die Unternehmen zu einem CSR-freundlicheren Verhalten veranlasst. Nur so können sie die bestehende „Nachfrage“ stillen und sich im Wettbewerb durchsetzen.18
IV. Mittelbare Regulierungsfunktion Sowohl die reine Offenlegung der Geschäftspolitik und die damit verbundene vertikale Vergleichbarkeit mit anderen Marktteilnehmern als auch die neuen Tätigkeitsfelder, die sich aufgrund der unternehmerischen Selbstinformationen öffnen, dienen damit als Instrument, die Unternehmen hinsichtlich ihrer CSR-Politik stets zum Nachdenken anzuregen (Selbstreflexion19). Außerdem müssen sie ihre internen CSR-Entscheidungen, die unter Umständen auch ein Untätigbleiben hinsichtlich relevanter CSR-Belange zur Folge haben kann, stets nachvollziehbar rechtfertigen. Der durch diese Fremdsteuerung wie auch durch die CSR-Inventur intendierte Druck gibt der Geschäftsführung fortlaufend einen gewissen Anlass zur Handlung.20 Aufgrund dieser Handlungsanreize kann den CSRBerichterstattungspflichten über ihre reine Informationswirkung hinaus eine Anstoßwirkung unterstellt werden, die sich derart äußert, dass die Unternehmen mittelbar in ihrem CSR-Verhalten gesteuert werden.21 Zwar vermeidet dieser „raffinierte“22 reputations- und marktbasierte Wirkungsmechanismus23 direkte materielle Ver- oder Gebote hinsichtlich der Implementierung etwaiger CSR-Strategien und erlegt den Unternehmen im Allgemeinen keine Rechtspflicht auf.24 Nichtsdestotrotz wirken die nichtfinanziellen Informationspflichten angesichts der drohenden Publizität „ungenügender“ CSR-Praxis, gerade auch im Vergleich zu anderen Mitbewerbern, als mittelbares Regulierungsinstrument verhaltenssteuernd.25
18
Schön, ZHR 180 (2016), 279, 284. So auch Hell, EuZW 2018, 1015, 1017; Mock, ZIP 2017, 1195, 1196. 20 Mock, ZIP 2017, 1195, 1196. 21 Hommelhoff, NZG 2017, 1361 ff.; Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291 ff.; Hommelhoff, in: FS Hoyningen-Huene 2014, S. 137, 143; Klene, WM 2018, 308, 311; Hennrichs, ZGR 2018, 206, 209, 215; Schön, ZHR 180 (2016), 279, 282. 22 Schön, ZHR 180 (2016), 279, 283; Hennrichs, ZGR 2018, 207, 209. 23 So bezeichnet von Hell, EuZW 2018, 1015, 1017. 24 Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 294; Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289c Rn. 41; Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1282 ff. 25 Hell, EuZW 2018, 1015, 1017; Hennrichs, ZGR 2018, 206, 209; Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1282 ff.; Klene, WM 2018, 308, 312. 19
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V. Resümee Neben der gesteigerten Transparenz bezüglich der CSR-Politik der Unternehmen, die potenziellen Interessenten wie auch Mitbewerbern eine Informationsgrundlage bietet, geben die CSR-Berichterstattungspflichten aufgrund des intendierten Drucks durch die Veröffentlichung des Berichts, drohende Sanktionsrisiken und die CSRInventur einen gewissen Anlass zur Handlung und haben so eine selbst- und fremdsteuernde Wirkung. Dieses Zusammenspiel zwischen Selbststeuerung, Selbstreflexion und Fremdsteuerung ist unter dem Begriff der mittelbaren Steuerungswirkung der CSR-Berichterstattung zusammenzufassen. Dabei handelt es sich um kein gänzlich neues Phänomen, dass Rechnungslegungsvorschriften steuernd auf die Unternehmensführung einwirken.26 Schon bisher war es gewünschtes Nebenprodukt der Lageberichterstattung, nicht nur als Informationsbasis zu dienen, sondern darüber hinaus die Unternehmensleitung zu disziplinieren.27 Die CSR-Berichterstattung tut es der Finanzberichterstattung gleich und hat jedenfalls über die reine Berichterstattungspflicht hinaus eine regulierende, mittelbar verhaltenssteuernde Wirkung.28
B. Veränderung des Formalziels der Aktiengesellschaft Geht nun aber die CSR-Berichterstattung über diese rein mittelbar verhaltenssteuernde Wirkung hinaus und entscheidet die Diskussion über die Formalzielbestimmung der deutschen Aktiengesellschaft? Wird die Gewinnerzielungsabsicht im Kreis der Unternehmensziele also zwingend durch die nichtfinanzielle Erklärung um nichtfinanzielle Aspekte ergänzt und könnte die CSR-Berichterstattung demnach zu Recht als „Revolution übers Bilanzrecht hinaus“29 bezeichnet werden?
I. Keine gesetzliche Verankerung Es ist festzustellen, dass der Gesetzgeber von einer gesetzlichen Verankerung der Einhaltung nichtfinanzieller Ziele als Unternehmensziel, beispielsweise über eine Änderung des Pflichtenkatalogs oder über die Haftung der Geschäftsleitung,30 26
Hell, EuZW 2018, 1015, 1017. Asmussen, Haftung für CSR, S. 74; Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 106, 129 ff.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 338 ff. 28 Als partiellen Paradigmenwechsel bezeichnend Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1282. 29 Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291. 30 So zum Beispiel der Gesetzgebungsvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der einen neuen § 93 Abs. 1 S. 3 AktG vorsah, nach welchem eine Pflichtverletzung dann nicht gegeben wäre, wenn eine unternehmerische Entscheidung auf Grundlage menschenrechtlicher, sozialer oder ökologischer Standards getroffen wurde, zu deren Einhaltung sich die Bundes27
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Teil 4: Der raffinierte Wirkungsmechanismus der CSR-Berichterstattungspflicht
ausdrücklich verzichtet hat.31 Obzwar der Comply or Explain-Mechanismus aufgrund seines intendierten Drucks mittelbar den Anreiz schafft, die Implementierung von CSR-Strategien in Betracht zu ziehen, steht sie dem Unternehmen legislativ nach wie vor frei.
II. Faktisch materielle Verhaltensvorgaben? Dennoch könnten sich faktisch vergleichbare materielle Verhaltensvorgaben für den Vorstand ergeben, zöge man ein mittelbares Ausgreifen der CSR-Berichtspflichten in die Unternehmensverfassung der Aktiengesellschaft in Betracht.32 Denn die Handlungspflichten der Geschäftsleitung begrenzen sich nicht allein auf ausdrücklich fixierte, sondern werden um die Zielvorgabe, Vorstandshandeln nach §§ 76, 93 Abs. 1 AktG am Unternehmensinteresse auszurichten, ergänzt.33 Unstreitig ist, dass die Geschäftsleitung in jedem Fall ermächtigt ist, Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf die Gesellschaft, also Gemeinwohlbelange, auch bei interessenmonistischem Verständnis des aktienrechtlichen Unternehmenszwecks zu berücksichtigen, wenn dies zumindest langfristig zu einer finanziell verstandenen und fassbaren Wertsteigerung führt.34 Mehr Relevanz ist indes der Frage zuzusprechen, ob die Gesellschaft ferner Gemeinwohlbelange berücksichtigen bzw. aktiv fördern muss.35 Die ausgeprägte wissenschaftliche Diskussion der vergangenen Jahre über die Begründung eines interessenpluralistischen (Stakeholder Value) oder interessenmonistischen Ansatzes (Shareholder Value) zur Ausrichtung unternehmerischen Handelns soll hier nicht weiter vertieft werden.36 Vielmehr ist die Erkenntnis zugrunde zulegen, dass grundsätzlich zwischen diesen beiden Ansätzen differenziert werden kann: Der interessenmonistische Ansatz versteht die Aktiengesellschaft als Veranstaltung der Aktionäre, im Vordergrund steht dabei die (kurz- oder langfristige) Gewinnmaximierung als Formalziel. Der interessenpluralistische Ansatz verwehrt republik Deutschland völkerrechtlich verpflichtet hat (siehe Beck/Hönlinger/et al., Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Entwurf eines Gesetzes zu Änderung des Aktiengesetzes v. 28. 11. 2012, BT-Drucks. 17/11686; Schön, ZHR 180 (2016), 279, 281. 31 Mock, ZIP 2017, 1195, 1196; Schön, ZHR 180 (2016), 279, 281. 32 Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291 ff. 33 Kort, NZG 2012, 926. 34 Walden, NZG 2020, 50, 52; J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 35 f.; Kort, NZG 2012, 926, 929; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 36. 35 J. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, § 76 Rn. 35d; zur Differenzierung zwischen Berücksichtigung und aktiver Förderung Kort, NZG 2012, 926. 36 Ausführlich hierzu Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 76 Rn. 40 ff.; Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 29 ff., im Vorgriff auch schon Rn. 21 ff.; Roth-Mingram, CSR, S. 31 ff.; Lübke, in: FS Müller-Graf 2015, S. 266, 268; Schön, ZHR 180 (2016), 279 ff.; siehe auch ausführlich Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443 ff.
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dem Vorstand ein allzu bedingungsloses Handeln im Sinne der Aktionärsinteressen und erweitert den Pflichtenkreis des Vorstands über die Legalitätspflicht hinaus um die Belange von Arbeitnehmern, Gläubigern, Kunden und Lieferanten sowie des politischen Umfelds.37 Unterfüttert die CSR-Berichterstattung aufgrund ihres vermeintlichen, regulatorischen Eigenlebens den zweitgenannten Ansatz, sodass die Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen nunmehr eigenständig und gleichwertig als Rechtspflicht neben die Bindung der Geschäftsleiter an das Ziel der Gewinnmaximierung tritt?38 1. Nichtfinanzielle Leistungserfolge als eigenständiges Unternehmensziel? Sicherlich müssen sich Unternehmen aufgrund der Informationspflicht und der damit verbundenen unternehmerischen Selbstinformation mit ihrer sozialen Verantwortung auseinandersetzen. Gewiss veranlasst die Berichtspflicht und der durch die Erklärungsnot intendierte Druck Unternehmen auch zu gewissen CSR-Optimierungsmaßnahmen.39 Ob dies tatsächlich so weit ins Aktienrecht ausstrahlt, dass sie die aktienrechtliche Unternehmensverfassung in ihrem Kern verändert, ist fraglich.40 Zum Teil wird vertreten, es handle sich bei § 289c Abs. 4 HGB um keinen von den Unternehmen beliebig einsetzbaren Comply or Explain-Mechanimus.41 Das Unternehmen sei aufgrund der klar zu erläuternden Begründung einer öffentlichen Kontrolle ausgesetzt.42 Außerdem ziele die Bilanzrichtlinie als Vorgänger der CSR-Richtlinie gerade auf sozial verantwortliches Unternehmertum und nicht auf die Berichterstattung darüber ab.43 So spreche Erwägungsgrund 10 der Bilanzrichtlinie für die Bereitstellung höchst effektiver Durchsetzungsmechanismen durch die Mitgliedstaaten. Damit könne in Wahrheit nur die Integration des sozialen Unternehmertums, also die Durchsetzung sozial verantwortlichen Verhaltens in Unternehmen von öffentlichem Interesse gemeint sein. Eine gewissenhafte Umsetzung dieses Ziels erfordere die Ergänzung des Unternehmensziels um Nachhaltigkeitsanstrengungen.44 Auf diese Weise entscheide sich der Gesetzgeber unter der Hand für den interessenpluralistischen Ansatz bei der Bestimmung des Formalziels der Aktiengesellschaft. Das strahle auch auf das Handlungsprogramm der Gesellschaftsorgane aus, sodass daraus 37
Schön, ZHR 180 (2016), 279, 280. So Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 297; a. A. Fleischer, DB 2017, 2015, 2019 (Fn 70). 39 Siehe S. 216 ff. 40 So bejahend Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 297. 41 Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 295. 42 Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 295. 43 Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 295. 44 Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 295. 38
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mittelbar eine materielle Verhaltenspflicht für diese entstehe. Der Vorstand habe im Rahmen einer CSR-Verhaltenspflicht die vorgegebenen nichtfinanziellen Unternehmensziele als Gemeinwohlbelange stets mit dem Gewinnziel der Gesellschaft abwägend zum Ausgleich zu bringen.45 Bestimmte nichtfinanzielle Ziele sind zwingend in die Unternehmenspolitik aufzunehmen.46 2. Keine Indienstnahme des Aktienrechts durch das Bilanzrecht Zuspruch ist vielmehr der zweiten Meinung, die sich im Schrifttum gebildet hat, zu erteilen.47 Demnach greift die bilanzrechtliche Berichtspflicht nicht so weit, dass sie die grundsätzliche Ausrichtung der Aktiengesellschaft revolutioniert und dem Vorstand dadurch verbindlich am Gemeinwohl auszurichtende Verhaltenspflichten nach §§ 76, 93 Abs. 1 AktG vorgibt.48 Dreh- und Angelpunkt der Regulierung ist die marktrechtliche Verhaltenssteuerung. Denn jener wird, was ihre rechtliche Ausstrahlungswirkung betrifft, teilweise zu viel Bedeutung zugemessen. Gewiss darf der Begriff der „Informationspflicht“ nicht darüber hinwegtäuschen, dass für das Unternehmen überdies weitere Handlungs- und Organisationspflichten sowie eine gewisse Erklärungsnot entstehen. Zuzustimmen ist der Annahme, dass der Comply or Explain-Mechanismus „die betroffenen Unternehmen zu keiner Abweichungskultur ermuntert.“49 Es steht den Unternehmen rechtlich aber nach wie vor frei, die aus der Erklärungspflicht resultierende marktrechtliche Nachfrage auch zu bedienen.50 In der Sache ist es einem CSR-verweigernden Unternehmen überlassen, seine Unternehmensstrategie beizubehalten und das Unternehmen gänzlich oder in bestimmten Bereichen CSRfeindlich auszurichten. Eine Rechtspflicht zur Umorientierung der Unternehmenspolitik entsteht nicht. Auch der durch die neue Berichtspflicht beabsichtigte Pflichtenzuwachs der Verwaltungsorgane,51 der zum Teil in die Unternehmensplanung ausgreift,52 vermag nichts anderes herbeizuführen. So war die Berücksichtigung relevanter Nachhaltigkeitsaspekte in der Geschäftspolitik schon jeher aufgrund der Bestandssicherungspflicht, der allgemeinen Rentabilitätsverpflichtung, zur Schaffung einer an45
Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 295. Hommelhoff, in: FS Hoyningen-Huene 2014, S. 137, 138 f.; siehe zum GmbH-Recht Wicke, DNotZ 2020, 448 ff. 47 Vgl. Bachmann, ZGR 2018, 231, 235; Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 219 f.; Fleischer, AG 2017, 509, 522. 48 Hennrichs/Pöschke, NZG 2017, 121, 126; Bachmann, ZGR 2018, 231, 234; Walden, NZG 2020, 50, 56; Fleischer, AG 2017, 509, 522; Schön, ZHR 180 (2016), 279, 284 ff. 49 Fleischer, AG 2017, 509, 522; Fleischer, AR 2017, 65. 50 Schön, ZHR 180 (2016), 279, 284. 51 Siehe S. 99 ff. 52 Siehe S. 115 f. 46
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gemessenen Informationsgrundlage und zur Einhaltung weiterer einfachgesetzlicher, zwingender Verhaltensnormen relevant.53 Nun der Einführung von CSR-Berichtspflichten eine so weitreichende Regelungswirkung zuzusprechen, dass in die Formalzielbestimmung der Aktiengesellschaft eingegriffen wird, würde der offensichtlich beschlossenen, handelsbilanzrechtlichen Lösung des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Zutreffend wird vorgebracht, dass auch außerhalb des AktG Handlungspflichten des Vorstands begründet werden (so § 264 HGB oder § 15a InsO).54 Dass den berichtspflichtigen Gesellschaften daraus auch ein Pflichtenzuwachs widerfährt, ist unstreitig. Allerdings reicht eine außeraktienrechtliche Begründbarkeit von Handlungspflichten für den Vorstand nicht als Rechtfertigung des weiten Regelungsausmaßes aus, da aus ihnen ebenfalls keine materiell-rechtliche Ausstrahlungswirkung auf das allgemeine Unternehmensverständnis entspringt. So erweitert das CSR-RUG außerdem lediglich die materielle Verhaltenspflicht des Aufsichtsrats in § 111 Abs. 2 S. 4 AktG, lässt die Pflichten des Vorstands im AktienG jedoch unangetastet.55 Das zeigt, dass dem Gesetzgeber ein Eingreifen in die materiellen Verhaltensvorgaben der Verwaltungsorgane nicht völlig fremd ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass er sich bewusst gegen eine Verankerung im Gesellschaftsrecht entschieden hat.56 Ergänzend dazu ist hervorzuheben, dass die Regierungskommission Deutscher Coporate Governance Kodex im DCGK 2019, also weit nach Einführung der CSRBerichterstattungsvorschriften, als „Vorschlag“ empfiehlt, die Bedeutung von Sozial- und Umweltfaktoren für den Unternehmenserfolg zu berücksichtigen.57 Ein solches Bedürfnis vorangehender, nichtgesetzlicher Empfehlungen bestünde jedoch überhaupt nicht, wäre eine Berücksichtigung schon aufgrund des Formalziels der Aktiengesellschaft notwendig.58 Der handelsbilanzrechtlichen Lösung nun eine Umgestaltung der Unternehmenszielleitbestimmung zu unterstellen, würde die eigentlich beabsichtigte Regelungsintensität verkennen. Diese weitreichende Änderung des Unternehmenszwecks bedürfte einer expliziten Klarstellung im Gesellschaftsrecht,59 wäre also Aufgabe einer „seriösen Aktienrechtskultur“60. 53
Walden, NZG, 2020, 50, 56; zum „bunten Strauß“ dieser Normen Kort, NZG 2012, 926. Hommelhoff, NZG 2017, 1361, 1362. 55 Fleischer, AG 2017, 509, 522. 56 Mock, ZIP 2017, 1195, 1196; Brunk, in: Krajewski/Saage-Maaß, S. 165, 169. 57 Präambel des Deutschen Corporate Governance Kodes 2020. 58 Siehe auch die Äußerung der BaFin, die „eine strategische Befassung mit Nachhaltigkeitsrisiken und eine entsprechende Umsetzung in den von ihr beaufsichtigten Unternehmen für erforderlich“ hält. 59 Spießhofer, Corporate Social Responsibility – „Indienstnahme“ von Unternehmen, Schriftenreihe der Gesellschaftsrechtlichen Vereinigung 22, 2016, S. 61 ff. 54
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Nichts anderes ergibt sich aus einer folgenorientierten Auslegung: Würde sich hinter der Harmonisierung der CSR-Berichterstattungspflicht eine (unzulässige)61 „mittelbare Harmonisierung“ des materiellen Aktienrechts verbergen, hätte das unter Umständen die Konsequenz eines um soziale und ökologische Faktoren „erweiterten Unternehmensverständnisses“, sodass Renditeinteressen der Aktionäre im Konfliktfall (überhaupt) nicht mehr der Vorrang gewährt würde.62 Und dass, obwohl die grundsätzliche Ausrichtung der Aktiengesellschaft wie auch die Vermögens- und Verwaltungsrechte der Aktionäre in ihrem Kern durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind. Zuletzt führt auch die europarechtskonforme Auslegung zu keinem anderen Ergebnis. Obzwar Erwägungsgrund 10 der Bilanzrichtlinie von der Pflicht zur Bereitstellung höchst effektiver Durchsetzungsmechanismen durch die Mitgliedstaaten spricht und der Richtlinie durchaus unterstellt werden kann, auf sozial verantwortliches Unternehmertum als solches und nicht auf ihre Berichterstattung abzuzielen,63 erfordert eine gewissenhafte Umsetzung dieses Zwecks nicht zwingend die Ergänzung des Unternehmensziels um Nachhaltigkeitsanstrengungen. Der Zwang zur Publizität sowie die Sanktion einer Falschberichterstattung, sei es durch hohe Straf- und Bußgeldvorschriften64 oder andere zivilrechtliche wie gesellschaftsinterne Sanktionsrisiken65, etablieren eine für den Markt verlässliche Quelle. Diese Quelle ermöglicht einen für CSR-engagierte Unternehmen begünstigenden, für andere benachteiligenden Marktprozess,66 welcher einen sozialen Sanktionsmechanismus und mit Hilfe der mittelbaren Steuerungswirkung automatisch die Befolgung weicher Normen hervorrufen kann.67 So darf die Interpretation der Bilanzrichtlinie nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Ziel der CSR-Richtlinie ist, den Übergang zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft zu fördern, indem langfristige Rentabilität mit sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz verbunden wird.68
60 Schön, ZHR 180 (2016), 279, 288; so einer fehlenden dahingehenden Gemeinwohlklausel entsprechend des § 70 Abs. 1 AktG von 1937 unter anderem Kort, NZG 2012, 926, 928; so wohl auch Fleischer, AG 2017, 509, 522. 61 Schön, ZHR 180 (2016), 279, 288. 62 Schön, ZHR 180 (2016), 279, 287. 63 Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 295. 64 Siehe dazu S. 93 ff. 65 Siehe dazu S. 161 ff. 66 Siehe dazu S. 216 f. 67 Bachmann, ZGR 2018, 231, 234; zur paternatilistischen Nudge-Gesetzgebung siehe Seibt, DB 2016, 2707, 2708. 68 RL 2014/05/EU, Erwägungsgrund 3; Hennrichs, ZGR 2018, 206, 209; Bachmann, ZGR 2018, 231, 231, 234; ausführlich zur Zweckerreichung siehe S. 249 ff.
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Jener Übergang kann aber auch indirekt über den Zwang zu mehr Transparenz erreicht werden.69 Soweit also zwingendes Recht nicht ohnehin dazu anhält, ist die Gesellschaft ferner nicht verpflichtet, den in § 289c Abs. 2 HGB genannten Aspekten im Sinne einer materiellen Verhaltensvorgabe Rechnung zu tragen.70 Denn die Aktiengesellschaft ist „kein Bund barmherziger Samariter, sondern eine Veranstaltung, die einer langfristigen, wirtschaftlich fassbaren Wertsteigerung dient.“71
III. Kein Ausgreifen in die aktienrechtliche Formalzielleitbestimmung Es gilt letztlich festzuhalten, dass die CSR-Berichterstattungspflicht nichtfinanziellen Informationen im Vorstandshandeln sicherlich einen gewissen Aufschwung gegeben hat. Die nichtfinanzielle Erklärung erübrigt sich nicht allein in einer reinen Informationspflicht, sondern greift in die Handlungs- und Organisationspflichten der Unternehmensverwaltung ein. Trotz des Bedeutungszuwachses nichtfinanzieller Informationen für die Unternehmenssteuerung gilt dies nicht so weit, dass von einer Indienstnahme des Bilanzrechts zum Zwecke der Änderung des materiellen Aktienrechts „durch die Hintertür“ gesprochen werden kann.72 Zumal die Berücksichtigung der Aspekte für die Unternehmenstätigkeit in der heutigen Zeit unabdingbar und selbstverständlich ist,73 liegt das allem voran daran, dass es an einer ausdrücklichen Verankerung etwaiger Formalzieländerungen im Aktiengesetz fehlt.74 Für eine solch explizite Gemeinwohlbindung der Aktiengesellschaft bedürfte es, nicht zuletzt aufgrund des weitreichenden Eingriffs in die grundrechtlich geschützten Vermögens- und Verwaltungsrechte der Aktionäre, einer unmissverständlichen Fixierung im materiellen Aktienrecht.75 Soweit eine solche nicht stattfindet, hat die Rechtsform der Aktiengesellschaft zur Folge, dass die Verwaltungsorgane zwar Gemeinwohlinteressen berücksichtigen, sich aber an einer langfristigen, wirtschaftlich fassbaren Wertsteigerung zu orientieren haben.76 Das Formalziel der Aktiengesellschaft bleibt unangetastet. Die CSR-
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Bachmann, ZGR 2018, 231, 234. Bachmann, ZGR 2018, 231, 234. 71 Kort, NZG 2012, 926, 929; Reiner, ZVglRWiss 2011, 443, 465 ff. 72 Seibt, DB 2016, 2707, 2709; Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 219. 73 Mock, ZIP 2017, 1195, 1196. 74 Siehe zum corporate purpose der deutschen Aktiengesellschaft und bereits erfolgten Kodifizierungen der Unternehmenszielleitbestimmung ausführlich Fleischer, AG 2017, 509, 510 ff. 75 Siehe dazu S. 245 ff. 76 Kort, NZG 2012, 926, 930; so im Ergebnis auch Klene, WM 2018, 308, 312. 70
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Verfolgung bleibt demnach ein Konzept, das „über das verbindlich Vorgeschriebene hinausgeht.“77 Daran hat auch die CSR-Berichtspflicht nichts geändert.
C. Bindungswirkung der positiven nichtfinanziellen Erklärung Die Einführung der CSR-Berichterstattung hat für die im Anwendungsbereich adressierten Unternehmen gewiss die Anreizwirkung, möglichst positiv über die eigene CSR-Politik zu berichten, wenn nicht sogar positive Ergebnisse zu erzielen. Eine weiterreichende Gemeinwohlbindung der Aktiengesellschaft im Sinne einer Formalzieländerung findet dabei nicht statt. Gibt die Geschäftsleitung eines Unternehmens nun eine positive CSR-Erklärung mit der Beschreibung bestimmter CSR-Strategien ab, ist nun die Überlegung aufzuwerfen, ob unabhängig von der Orientierung des Handelns der Leitungsorgane am Unternehmensinteresse hieraus nicht eine Rechtspflicht zur Einhaltung der erklärten Konzepte oder eine Art interne Selbstbindung der Verwaltung ersteht, woraus sie sich Dritten zur Erfüllung der Konzepte verpflichten könnten. Es stellt sich die Frage nach der Bindungswirkung einer positiven nichtfinanziellen Erklärung.
I. CSR-Erklärung als unverbindliche Absichtserklärung Bachmann moniert, bei einer nichtfinanziellen Erklärung handle es sich ersichtlich nicht um eine Willens-, sondern um eine Wissenserklärung.78 Ein Erfüllungsanspruch entstehe deshalb nicht, da kein Bindungswille erkennbar sei, sondern lediglich die unverbindliche Absicht, benannte CSR-Strategien in die Unternehmensplanung einzubetten.79 Nichts anderes ergäbe sich aus vertrauenstheoretischen Überlegungen, da die restriktiven Ausnahmen, wie die Vertrauenshaftung kraft widersprüchlichen Verhaltens oder der Schutz der an einem nichtigen Rechtsgeschäft beteiligten Partei, für den Fall der positiven nichtfinanziellen Erklärung nicht in Betracht kämen.80 Dem ist zuzustimmen. Um der nichtfinanziellen Erklärung einen Bindungswillen zu unterstellen, müsste sie aus der Sicht eines verständigen Adressaten eindeutig den Willen der Leitungsorgane erkennen lassen, eine rechtliche Bindung mit diesem Inhalt eingehen zu wollen.81 Gemäß § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB müssen die berichtspflichtigen Unternehmen in ihrer Konzeptbeschreibung die Ziele, Maßnahmen 77
Siehe S. 42 f. Bachmann, ZGR 2018, 231, 234. 79 Bachmann, ZGR 2018, 231, 234. 80 Bachmann, ZGR 2018, 231, 234; Canaris, Vertrauenshaftung, S. 411 ff., zu den konkreten Beispielen S. 425 f. 81 Busche, in: MünchKommBGB, § 145 Rn. 7. 78
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und den Zeitraum, in welchem sie diese treffen wollen, erläutern, sehen jedoch von einer eindeutigen Verbindlichkeitserklärung ab. Die bei Nichterreichen der Ziele zu erwartenden Rechtsfolgen und Risiken entsprächen außerdem aufgrund der Tatsache, dass deren Erfolg oftmals von den Unternehmen nicht beeinflussbar oder voraussehbar ist, kaum deren Interesse. Die Rechtsfolgen könnten sich Dritten gegenüber auf Erfüllung der Ziele als Erfolgspflicht oder auf weitere Schadensersatzansprüchen bei Pflichtverletzungen erstrecken. Ein etwaiger Rechtsfolgewille ist daher abzulehnen. Außerdem widerspräche die Sichtweise, der nichtfinanziellen Erklärung mehr als die Natur einer unverbindlichen Absichtserklärung zu unterstellen, eindeutig der gesetzlichen Regelungssystematik des § 289c HGB. § 289c Abs. 3 Nr. 2 HGB lässt eine Berichterstattung über fehlende Auswirkungen der Maßnahmen und Nichterreichen der Ziele ausdrücklich zu.82 Der Annahme Bachmanns, dass es sich bei der CSR-Erklärung offensichtlich um eine unverbindliche Absichts-, also Wissenserklärung und keine rechtverbindliche „Selbstverpflichtung“ handelt, ist daher zuzustimmen.83 Eine Bindungswirkung der CSR-Erklärung als Erfolgspflicht ist abzulehnen.84
II. CSR-Verfolgung keine „Nebenleistungspflicht“ Auch aus der Erwägung, bei der Verfolgung der CSR-Konzepte handle es sich um eine „Nebenleistungspflicht“, ist eine Bindungswirkung abzulehnen. Nebenleistungspflichten sind solche Pflichten, die nicht vertragstypbestimmend, sondern rein dienender Natur sind.85 Als Erfolg geschuldet ist nach §§ 289b ff. HGB die ordnungsgemäße Anfertigung und Veröffentlichung der nichtfinanziellen Erklärung als Bestandteil des Lageberichts. Da die Verfolgung von den in der Konzeptbeschreibung der CSR-Erklärung erläuterten Zielen und Maßnahmen aber weder der Sicherstellung noch der Vollendung der Erfüllung dieser eigentlich geschuldeten Pflicht zur Erstellung und Veröffentlichung des Berichts dient, ist eine Kategorisierung als „Nebenleistungspflicht“ und demnach auch an dieser Stelle die Bindungswirkung der Erklärung auszuschließen.
82 Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 219; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1343; Mock, ZIP 2017, 1195, 1196. 83 Bachmann, ZGR 2018, 231, 234. 84 Bachmann, ZGR 2018, 231, 234; so auch Mock, ZIP 2017, 1195, 1196. 85 Bachmann, in: MünchKommBGB, § 241 Rn. 20.
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III. Konzeptverfolgung als „Bemühenspflicht“ In einigen Teilen der Literatur wird hingegen aus der positiven CSR-Erklärung eine Art „Selbstbindung“ abgeleitet, sich um die Realisierung der erläuterten CSRStrategien zumindest zu bemühen.86 Hierbei wird in erster Linie der Ansatz von Weller/Benz zur Durchsetzung der Geschlechtergleichstellung und den vom Vorstand festzusetzenden Zielgrößen im Hinblick auf die Frauenquote (§ 76 Abs. 4 AktG) fruchtbar gemacht.87 Danach wäre entgegen der „Selbstverpflichtung“ aufgrund der durch den Vorstand festzusetzenden Zielgrößen eine Sorgfaltspflichtverletzung desselben abzulehnen, wenn er sich um das Erreichen des Zielwerts zumindest bemüht hat. Das hieße, er habe das nach den Umständen im Einzelfall Angemessene zur Durchsetzung der Zielgröße vorgenommen. Die Pflicht zur Erreichung der Zielgrößen aus § 76 Abs. 4 AktG zur Durchsetzung der Geschlechtergleichstellung wird damit nicht als Erfolgs-, sondern als bloße Handlungs- und Bemühenspflicht qualifiziert.88 Problematisch ist an dieser Stelle jedoch, dass die Überlegungen zur Zielgrößenfestlegung des Vorstands in § 76 Abs. 4 AktG nicht ohne Weiteres auf die nichtfinanzielle Erklärung übertragen werden können. So handelt es sich zwar bei beiden Erklärungen um Absichtserklärungen des Vorstands, ausgerichtet auf die eigene Unternehmenspolitik gewisse Werte bzw. Zielgrößen zu erreichen. Nichtsdestotrotz ist die Pflichtenlage des Vorstandes bei der Zielgrößenbestimmung des § 76 Abs. 4 AktG eine andere als bei der Konzeptbeschreibung des § 289c Abs. 2 Nr. 1 HGB. Denn bei der Frauenförderung handelt es sich, im Gegensatz zur Berichterstattung über nichtfinanzielle Belange, um eine „gesetzlich ausdrücklich normierte Leitungsaufgabe der Geschäftsleitung“89, die eine schadensersatzbewehrte Pflichtverletzung darstellen kann.90 Die anschließend auf dieser Grundlage entstandene Erwägung, die Einordnung als Bemühenspflicht resultiere bei dieser Leitungsaufgabe aus dem Geschäftsbesorgungscharakter des Anstellungsverhältnisses von Vorständen und Geschäftsführern und der Parallelität zu § 86 HGB, der eine Bemühenspflicht ausdrücklich festschreibt, kann gerade nicht auf den Fall der CSR-Informationspflicht übertragen werden.
86
Weller/Kaller/Schulz, AcP 216 (2016), 386, 411; Roth-Mingram, CSR, S. 126 ff., 270 f.; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1343 f. 87 Weller/Kaller/Schulz, AcP 216 (2016), 386, 411; zurückzuführen auf Weller/Benz, AG 2015, 467, 472. 88 Weller/Benz, AG 2015, 467, 472. 89 Weller/Benz, AG 2015, 467, 472. 90 Weller/Benz, AG 2015, 467, 472.
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Abweichend von der Zielgrößenbestimmung nach § 76 Abs. 4 HGB handelt es sich bei der CSR-Informationspflicht gerade nicht um eine solche ausdrücklich normierte Leitungsaufgabe.91 Die Kategorisierung als faktische Leitungsaufgabe erübrigt sich ebenfalls, da die aus der CSR-Berichterstattung entsprungenen Handlungspflichten des Vorstands nur die mit der unternehmerischen Selbstinformation verbundenen Aufgaben umfassen, jedoch keine Brücke zur Verfolgung oder Nichtverfolgung von CSR-Konzepten schlagen.92 Außerdem wird, entgegen § 76 Abs. 4 HGB, die Festschreibung etwaiger Zielgrößen bei der CSR-Berichterstattungspflicht schon gar nicht geschuldet. Denn dem Unternehmen steht es frei, nach § 289c Abs. 4 HGB überhaupt keine Konzeptbeschreibung vorzunehmen.93 Anders als bei § 76 Abs. 4 HGB fände bei § 289c Abs. 3 Nr. 1 HGB aufgrund der Kategorisierung als Bemühenspflicht auch keine Korrektur des anzulegenden Maßstabs an eine bereits bestehende Sorgfaltspflicht statt, sondern es ginge um die Begründung einer gänzlich neuen Pflichtenlage. Auch eine alternative „Selbstbindung“ der Gesellschaft reicht, wie bereits erörtert,94 mangels Rechtsbindungswillen zum Nachweis einer vergleichbaren Pflichtenlage nicht aus. Die Überlegung, eine nicht vollständige Verwirklichung der beschriebenen Konzepte als Sorgfaltspflichtverletzung anzuerkennen, wenn sich nach den Umständen im Einzelfall nicht darum bemüht wurde,95 kann für die CSR-Berichterstattung nicht fruchtbar gemacht werden. Ob ein Erfolg oder ein Bemühen geschuldet wird, lässt sich nur beantworteten, wo eine bereits bestehende Pflichtenlage diese Frage überhaupt billigt.96 Auch daraus resultiert folglich keine Bindungswirkung einer positiven CSR-Erklärung.
IV. CSR-Verfolgung als Obliegenheit Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die öffentliche Äußerung über etwaige CSR-Strategien Erwartungen bei potenziellen Anlegern oder Kunden schürt. Werden diese Erwartungen letztlich nicht erfüllt, riskiert das berichtende Unternehmen Reputationseinbußen. Die Erfüllung der CSR-Konzepte läge zur Vermeidung etwaiger Reputationseinbußen somit im eigenen Interesse des Unternehmens, könnte als „Verpflichtung gegen sich selbst“, als Obliegenheit verstanden werden.97 91
Siehe S. 217 ff. Siehe S. 112, 220 ff. 93 Siehe S. 80, zum CSR-verweigernden Unternehmen S. 212. 94 Siehe S. 224 ff. 95 Eine Übertragung befürwortend Weller/Kaller/Schulz, AcP 216 (2016), 386, 411; RothMingram, CSR, S. 270 f.; Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1344. 96 So im Ergebnis auch Bachmann, ZGR 2018, 231, 235: „Die Frage, ob ein Bemühen oder ein Erfolg geschuldet ist, kann sich aber nur da stellen, wo überhaupt etwas geschuldet wird.“ 97 Mansel, in: Jauernig, BGB, § 241 Rn. 13. 92
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Da aber, anders als bei tatsächlichen Obliegenheiten, dem Unternehmen bei Nichtwahrnehmung keine unmittelbaren Rechtsnachteile drohen, vermag auch die Einordnung als solche nicht zu gelingen.
V. Nichtfinanzielle Erklärung als unverbindliche Absichtserklärung Zusammenfassend ist festzustellen, dass es sich bei der nichtfinanziellen Erklärung um eine rein unverbindliche Absichtserklärung handelt. Eine Bindungswirkung der positiven CSR-Erklärung ist demzufolge abzulehnen. Obwohl dem Unternehmen bei Nichtverfolgung der erläuterten CSR-Konzepte unter Umständen negative Konsequenzen für das Erscheinungsbild der Gesellschaft drohen können, entspränge die Qualifizierung als Obliegenheit einem zu vagen Ansatz, sodass eine Bindungswirkung der positiven CSR-Erklärung gänzlich abzulehnen ist. Eine „interne Selbstbindung“ der Erklärung könnte sich höchstens auf der Ebene des Reputationsmanagements auswirken.98
D. Ergebnis Wegen des intendierten Drucks durch die Veröffentlichung des CSR-Berichts und der dabei insbesondere bei vorsätzlicher Falschberichterstattung oder durch das Misslingen der CSR-Inventur drohenden Gefahr von Sanktionsrisiken, der sich jedes Unternehmen stellen muss, gibt die CSR-Berichterstattung einen gewissen Anlass zur Handlung. Das daraus resultierende Zusammenspiel zwischen Selbststeuerung, Selbstreflexion und Fremdsteuerung ist unter dem Begriff der mittelbaren Steuerungswirkung der CSR-Berichterstattung zusammenzufassen. Trotz des Bedeutungszuwachses für die Unternehmenssteuerung findet darüber hinaus aber keine Änderung des materiellen Aktienrechts „durch die Hintertür“ statt. Von einer faktischen Verankerung der Gemeinwohlbindung in der Unternehmenszielleitbestimmung der Aktiengesellschaft über das Bilanzrecht kann deshalb nicht die Rede sein. Gemeinwohlbelangen darf bei unternehmerischen Entscheidungen zwar durchaus auch der Vorrang eingeräumt werden, jedoch nur insoweit dabei auf eine langfristige, wirtschaftlich fassbare Wertsteigerung abgezielt wird. Schließlich greift die positive CSR-Erklärung auch nicht im Sinne einer Selbstbindung der Verwaltungsorgane in die Unternehmensführung ein. Die CSR-Berichterstattung ist als rein unverbindliche Absichtserklärung zu qualifizieren. Eine Bindungswirkung der positiven nichtfinanziellen Erklärung ist abzulehnen.
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So zur Begrenzung des Vorstandsermessens Bachmann, ZGR 2018, 231, 235.
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Die CSR-Berichterstattungspflichten erschöpfen sich nicht allein in der reinen „Informationspflicht“. Neben dem Effekt, gegenüber dem interessierten Markt die Transparenz über die ökologischen und sozialen Belange der Geschäftstätigkeit von Unternehmen zu erhöhen, eröffnen die damit verbundenen Konsequenzen einen „raffinierten“ Wirkungsmechanismus. Jener wird mittelbar als Instrument zur Verhaltenssteuerung genutzt, bleibt auf diesen Wirkungskreis jedoch begrenzt.
§ 12 Effizienz und Ausblick de lege ferenda Zuletzt soll anhand einer Gegenüberstellung der Zielsetzung der CSR-Berichterstattung und ihrer faktischen Ausstrahlungswirkung deren Wirkkraft (A.) und daran gemessen ihre Vereinbarkeit mit dem europäischen Regelungsziel (B.) untersucht werden. Im Rahmen dieser Effizienzkontrolle werden die durch das CSR-RUG gesteckten Ziele und ihre Bewältigung durch das bestehende Regelungsmodell durchleuchtet und ein Ausblick de lege ferenda gewagt. Abschließend wird der bestehende Regelungsgehalt dem europäischen Begehren gegenübergestellt und beantwortet, inwieweit diesem entsprochen wird.
A. Das nationale Konzept „Funktionstrias der CSR-Rechnungslegungsvorschriften“ Um die eingangs festgestellte Funktionstrias der CSR-Berichterstattung aufzugreifen, hat die Erweiterung der Lageberichterstattung um die nichtfinanzielle Erklärung in erster Linie die Aufgabe, Investoren, Verbrauchern sowie potenziellen Vertragspartnern als Informationsbasis zu dienen, die Lageberichterstattung zu vervollständigen und das Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften zu fördern, um damit der Nachhaltigkeit in unternehmensinternen Entscheidungsprozessen stärkeres Gewicht zu verleihen.99 Inwieweit die nichtfinanzielle Erklärung in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung diesen drei wesentlichen Aspekten dem Sinn und Zweck der CSR-Berichterstattung de lege lata tatsächlich gerecht wird, ob ihre Regelungssystematik möglicherweise sogar darüber hinausgeht und wie mutmaßliche Schwächen de lege ferenda zu lösen wären, soll im Folgenden untersucht werden.
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Kajüter, IRZ 2017, 137.
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I. Funktion als Informationsbasis Als Adressaten der nichtfinanziellen Erklärung wünschen sich Verbraucher, bestehende wie potenzielle Investoren und Vertragspartner mehr und vertrauenswürdigere Informationen über die Geschäftspraktiken, das Gemeinwohlengagement und die Nachhaltigkeitsbemühungen der Unternehmen. Das Ziel der CSR-Berichterstattung dazu offizielle, unmittelbar vom Unternehmen stammende, verlässliche und verständliche Information zu bieten, kann als „Elementarfunktion jeglicher Publizität“100 bezeichnet werden. Anhand dieser können die Adressaten der Erklärung entscheiden, ob sie investieren, kaufen oder Vertragsbeziehungen eingehen möchten oder nicht.101 Über den Weg der Transparenz bietet die nichtfinanzielle Erklärung einen „Vergleichswert“ über die Berücksichtigung der ökologischen und sozialen Belange bei der Geschäftstätigkeit bestimmter Großunternehmen. Insgesamt wird diesem Ziel durch die Regelungskonzeption entsprochen. 1. Offizielle und unmittelbar vom Unternehmen stammende Informationen Es handelt sich bei der nichtfinanziellen Erklärung um aus erster Hand stammende Informationen über die Geschäftspraktiken des Unternehmens, da die Geschäftsleitung der in den Anwendungsbereich fallenden Gesellschaften unmittelbar selbst dazu verpflichtet ist, diese anzufertigen und zu veröffentlichen. 2. Verlässlichkeit Die Verlässlichkeit der Informationen ist maßgeblich durch den bei einer Falschberichterstattung auslösenden Sanktionsmechanismus gewährleistet. Je einschneidender die Sorgfaltspflichtverletzung, desto höher die Sanktion. Der Sanktionsmechanismus der CSR-Berichterstattung ist dabei in seinen Sanktionsmitteln sehr umfassend. Allen voran sind die unmittelbar durch das CSRRUG um die CSR-Berichterstattung ergänzten Straf- und Bußgeldvorschriften § 331 Nr. 1 HGB und § 331 Nr. 2 HGB und § 334 Abs. 1 Nr. 3 HGB und § 334 Abs. 1 Nr. 4 HGB zu nennen. Besonders aufgrund der einhergegangenen enormen Bußgelderhöhung ist den Unternehmen allein aufgrund des damit verbundenen finanziellen Risikos angeraten, Falschberichterstattungen zu vermeiden und die ordnungsgemäße Berichterstattung sicherzustellen.102
100 101 102
So Merkt, Unternehmenspublizität, S. 334; Hell, EuzW 2018, 1015, 1016. E. Vetter, in: FS Marsch-Barner 2018, S. 559, 563. Siehe dazu ausführlich S. 93 ff.
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Nicht weniger riskant ist es für Unternehmen, sich bei – insbesondere vorsätzlichen – Falschberichterstattungen neben etwaigen Straf- auch zivilrechtlichen Schadensersatzzahlungen auszusetzen. Diese begrenzen sich dabei nicht allein auf die Gesellschaft als Anspruchsgegner. Auch die unmittelbar verantwortlichen Verwaltungsorgane können in Anspruch genommen werden. Neben direkten Schadensersatzforderungen wegen Pflichtverletzungen kann jene auch ein Vertrauensentzug oder die Abberufung aus dem Amt treffen. Dies führt zu einer erhöhten unmittelbaren Betroffenheit und damit zu einer besonderen Spürbarkeit bei den durch den Pflichtenzuwachs adressierten Gesellschaftsorganen. Dieser spürbare Sanktionsmechanismus hält sowohl die Organe aufgrund ihrer unmittelbaren Betroffenheit als auch die Aktiengesellschaft als Ganzes an, die vorgegebenen Anforderungen einzuhalten. 3. Verständlichkeit Die CSR-Berichterstattung ist für den Interessenten verständlich. Denn der interessierte Leser kann sich anhand der nichtfinanziellen Erklärung ein umfassendes Bild über die Geschäftspraxis des erklärenden Unternehmens und dessen Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen machen. Dabei unterstützt die Beschreibung des Geschäftsmodells als wesentlicher Inhalt der nichtfinanziellen Erklärung nach § 289c Abs. 1 HGB einleitend das generelle Verständnis vom Unternehmen, indem über den konkreten Geschäftsgegenstand, die organische Struktur der Gesellschaft, Segmente, Produkte und Absatzmärkte der Gesellschaft informiert wird. Erst in einem zweiten Schritt wird auf die konkret-individuell wesentlichen CSRBelange und ihre – wenn vorhanden – bestehenden Konzepte eingegangen. Der Leser erhält dadurch erst einmal ein grundlegendes Gespür vom tatsächlichen Unternehmenszuschnitt, bevor der Zusammenhang zu CSR-Belangen hergestellt wird. Das Feingefühl für die Nachhaltigkeitspraxis wird durch die konkreten Angaben zu den CSR-Belangen vermittelt. Diese Informationen, sei es die Angabe, dass kein Konzept verfolgt wird oder die Darstellung des bestehenden Konzepts, basieren auf einem aufklärenden Modell, § 289c Abs. 3 HS. 2 HGB. Das heißt, jegliche Angaben müssen stets umfassend erklärt oder beschrieben werden. Diese Beschreibung, beispielsweise der Ziele und Maßnahmen der verfolgten Konzepte, oder die Begründung, warum ein Konzept nicht erstellt wurde, ermöglichen dem Leser eine bessere Nachvollziehbarkeit der tatsächlichen CSR-Geschäftspraktik. Darüber hinaus fasst die nichtfinanzielle Erklärung wesentliche Risiken hinsichtlich der Geschäftstätigkeit sowie der Geschäftsbeziehungen, Produkte und Dienstleistungen zusammen, § 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB und § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB. Das veranschaulicht dem Leser umso deutlicher die Auswirkungen der betreffenden Geschäftspraxis auf die Gesellschaft und gibt ihm ein Bild über die
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möglichen gesellschaftlichen und sozialen Gefahren seiner Investition oder Geschäfts- bzw. Kaufentscheidung. Abermals zusammengefasst findet er eine Auflistung der bedeutsamsten nichtfinanziellen Leistungsindikatoren, also der CSR-Angaben, die leistungstragend für das Unternehmen sind. Im Vordergrund der nichtfinanziellen Erklärung steht damit eindeutig die Verständlich-, vielmehr noch die tatsächliche Nachvollziehbarkeit der Informationen. Eigene Interpretationen oder fehlerhafte Rückschlüsse sind aufgrund der erforderlichen Erklärungen kaum möglich. Nichts Gegenteiliges ergibt sich aufgrund der Möglichkeit, verschiedene Berichtsformate zu wählen. Es ist nochmals zu konstatieren, dass auch durch die unterschiedlichen Darstellungsmöglichkeiten (eigenständiger Abschnitt, Bericht oder vollintegrierte Erklärung)103 die CSR-Transparenz nicht generell eingeschränkt wird, solange der konkrete Lagebericht samt vollintegrierter nichtfinanzieller Erklärung weder vage, zweideutig oder unübersichtlich ist, noch ein falsches Bild von der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft abgibt.104 Es ist und bleibt in der Verantwortung der berichtspflichtigen Unternehmen, die Erklärung anhand der Grundsätze ordnungsgemäßer Berichterstattung anzufertigen. 4. Festhalten an § 289d HGB de lege ferenda? Nach § 289d HGB kann sich das berichtspflichtige Unternehmen zur Anfertigung der nichtfinanziellen Erklärung eines nationalen, europäischen oder internationalen Rahmenwerks bedienen. Im Regierungsentwurf werden dabei ausdrücklich acht Leitprinzipien als Rahmenwerke benannt, darunter die Leitsätze der OECD für multinationale Unternehmen, der UN Global Compact sowie die VN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Aufgrund der nicht abschließenden Aufzählung können nicht genannte Rahmenwerke, soweit diese „anerkannt“ sind, ebenfalls verwendet werden. Dies hat den Sinn, den Unternehmen, die bereits vor Einführung der CSR-Berichterstattung eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung betrieben haben, eine Beibehaltung der bisherigen Berichterstattungspraxis weitestgehend zu ermöglichen. Aber auch Unternehmen, die mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung noch überhaupt nicht in Berührung gekommen sind, sollen von der Verwendung der Rahmenwerke profitieren, indem sie ihnen zur Orientierung bei oftmals indifferenten und unbestimmten Rechtsbegriffen dienen. 103
Siehe nur S. 61 ff. Siehe S. 58 ff.; a. A. zur vollintegrierten Erklärung Haaker, DB 2017, 922; kritisch auch Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1343. 104
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Diese hohe Handlungsflexibilität der Unternehmen hat zur Folge, dass die bisherige Nachhaltigkeitsberichterstattung, soweit erforderlich, um weitere CSR-Angaben ergänzt und der „CSR-Bericht“ in diese Berichterstattung integriert werden kann. Der „CSR-Bericht“ kann vollständig, aber auch nur teilweise in ein Rahmenwerk eingekleidet werden. Kritisch zu sehen sei dabei nach einigen Stimmen in der Literatur, dass dem Leser hierdurch erschwert würde, die Erklärungen miteinander zu vergleichen.105 Dass der Versuch, die Problematik de lege lata einzugrenzen, daran scheitern würde, aufgrund verfassungsrechtlicher wie auch rechtsstaatlicher Bedenken weder ein zu verwendendes noch eine abschließende Anzahl von bereits bestehenden Rahmenwerken vorzugeben, wurde bereits an anderer Stelle untersucht.106 Nun stellt sich aber die Frage, ob nicht auf andere Art und Weise de lege ferenda allen Interessen entsprochen werden kann. a) Die ersatzlose Streichung des § 289d HGB de lege ferenda Eingangs ist eine Streichung des § 289d HGB zu erwägen. Positive Konsequenz einer Streichung des § 289d HGB scheint jedenfalls die bessere Vergleichbarkeit der CSR-Berichte zu sein.107 Die unterschiedliche Detailliertheit und Varianz in der inhaltlichen Reichweite der verwendbaren Rahmenwerke würde dazu führen, dass sich die Nachhaltigkeitsberichterstattungen am Ende nicht mehr miteinander vergleichen lassen würden. Würde man § 289d HGB nun streichen, könnte man annehmen, die Unternehmen bedienten sich dann keines Rahmenwerks mehr und die nichtfinanziellen Erklärungen fielen in ihren Darstellungsweisen ähnlicher aus. Außerdem ginge so der Mehraufwand der Unternehmen zurück. Sie müssten sich nicht zusätzlich zu der Frage, welche Angaben sie zu nichtfinanziellen Belangen machen müssen, damit beschäftigen, welchen dieser Anforderungen ihr ausgewähltes Rahmenwerk entspricht und welche ergänzt werden müssten. Außerdem erübrigt sich der wirkliche Regelungseffekt des § 289d HGB nicht allein in der Orientierungsmöglichkeit der Unternehmen an einem Rahmenwerk. Denn de lege lata ist parallel zur Konzepterstellung eine Art Anreizwirkung zu erkennen. So ist nach § 289d S. 2 HGB entsprechend zum Comply or ExplainMechanismus des § 289c Abs. 4 HGB die Entscheidung, kein Rahmenwerk zu verwenden, zu erklären. Das führe zur Tendenz, sich mit den Standards jedenfalls zu befassen, wenn die Entscheidung nicht ohnehin schon für eine Verwendung ausfällt. 105
Roth-Mingram, NZG 2015, 1341, 1343; Spießhofer, NZG 2014, 1281, 1287. Siehe S. 84 ff.; zum Regelungsziel des europäischen Gesetzgebers, den Unternehmen die Wahlfreiheit zu überlassen, RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 9, auch in RegE, BTDrucks. 18/9981, S. 54. 107 Dem entspräche im Ergebnis auch die Empfehlung Mocks, ZIP, 1195, 1199 f., kein Rahmenwerk zu nutzen. 106
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Diese Anreizwirkung sporne im Grunde die Nutzung der Rahmenwerke an, wodurch sich deren Heterogenität noch häufiger unmittelbar auf die nichtfinanziellen Erklärungen auswirke.108 Die Anreizwirkung und die daran anknüpfenden „negativen“ Konsequenzen fielen mit ersatzloser Streichung des § 289d HGB weg. Vielmehr könnte dann an Stelle eines fehlenden Rahmens faktisch ein eigenständiger Regulierungs- und Berichterstattungsansatz entstehen, der sich im Laufe der Zeit zu einer eigenständigen CSR-Berichterstattungspraxis entwickeln würde. b) Keine ersatzlose Streichung des § 289d HGB Problematisch an der ersatzlosen Streichung des § 289d HGB ist, dass die daraus resultierende Folge nicht zwangsweise wäre, dass sich Unternehmen keines Standards mehr bedienen. Nur der durch § 289d S. 2 HGB intendierte Anreiz einer Nutzung würde genommen werden. Ein Verbot bestünde hingegen nicht. Der Wegfall des § 289d HGB hätte ungeachtet dessen eine andere, weitreichende Konsequenz. Ginge doch mit § 289d HGB daneben das europarechtskonform auszulegende Erfordernis der „Anerkanntheit“ des Rahmenwerks als einziges ausdrücklich benanntes Qualitätserfordernis der Leitfäden verloren.109 Ohne dieses als eine Art Rahmenbedingung wäre allerdings der Nutzung neuer, womöglich kostenpflichtiger und ungeprüfter „Standards“ der Weg geebnet. Insbesondere mit „CSR-gerechten“ Leitfäden könne in diesem Fall sicherlich gut geworben werden. Da eine „Anerkennung“ oder eine unabhängige Kontrolle dieser Leitfäden bei fehlender Regulierung nicht erforderlich wäre, ist auch solchen Standards, die den Qualitätsanforderungen tatsächlich nicht entsprechen, Tür und Tor geöffnet. Das kann in erster Linie negative rechtliche Konsequenzen für die Unternehmen haben, denn jene haben trotz Orientierung an einem Rahmenwerk eigenverantwortlich sicherzustellen, sämtlichen gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen. Stellt sich ein genutztes Werk als tatsächlich unzureichend heraus, hat sich letzten Endes das Unternehmen autonom mit den Folgen zu befassen. Des Weiteren böte ein vollständiges Ablassen von dem Erfordernis „anerkannter“ Rahmenwerke die Gefahr, eine Zersplitterung der Berichterstattungspraxis zu provozieren. Der Vergleichbarkeit ist durch die ersatzlose Streichung des § 289d HGB nicht notwendigerweise geholfen. Im Gegenteil, sie birgt darüber hinaus sogar noch weitreichendere Gefahren für die Unternehmen und die Berichterstattungspraxis. Schließlich verringert die Verwendung von Rahmenwerken nicht unabwendbar die Vergleichbarkeit der Berichte. An dieser Stelle können die Überlegungen zur 108 109
Zur Heterogenität der CSR-Berichte Krajewski, ZGR 2018, 271, 293. Siehe S. 84 f.
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vollintegrierten Erklärung übertragen werden. Wie in der gesamten Lageberichterstattung müssen trotz der Verwendung von Standards stets die Grundsätze ordnungsgemäßer Berichterstattung beachtet werden. Daher sind nach § 289b ff. HGB erforderliche Angaben und finanzielle Leistungsindikatoren gegenüber nicht zwingend notwendiger Informationen, so auch der weitergehende Inhalt eines Rahmenwerks, hinreichend klar und verständlich hervorzuheben. Wird diesen Grundsätzen etwa durch Verweisungen oder durch die Erstellung von Übersichten trotz der Nutzung von Rahmenwerken entsprochen, muss bei der Verwendung keine pauschale Unübersichtlichkeit oder mangelnde Vergleichbarkeit angenommen werden. Das tatsächliche Bedürfnis, eine Verwendung von Rahmenwerken aufgrund des Transparenzgedankens zu verringern, stellt sich im Endeffekt geringer heraus als auf den ersten Blick angenommen. Durch eine Streichung des § 289d HGB würde den Unternehmen jedenfalls gänzlich der Anreiz zur Begutachtung eines Leitfadens zur Nachhaltigkeitsberichterstattung genommen. Das würde schließlich dem Hintergedanken des europäischen Gesetzgebers eines leitbildenden Charakters des § 289d HGB zuwiderlaufen.110 Tatsächlich offenbart sich diese mittelbare Regulierungsabsicht des Gesetzgebers schon an anderer Stelle des CSR-Regelungsmechanismus und zwar in § 289c Abs. 4 HGB. Durch den Comply or Explain-Mechanismus, ob nun in § 289c Abs. 4 HGB oder in § 289d S. 2 HGB, wird zwar keine verbindliche Vorgabe zur Verfolgung oder Verwendung gemacht, jedenfalls müssen sich die Unternehmen aber zwingend mit den infrage stehenden Gegenständen, CSR-Belangen oder Rahmenwerken (zumindest kurz) auseinandersetzen.111 Dementsprechend geht es dem Gesetzgeber bei § 289d S. 2 HGB ersichtlich nicht nur um eine reine Orientierung und Erleichterung für die Unternehmen. Vielmehr kann an dieser Stelle die Präferenz des Gesetzgebers erkannt werden, dass die in den „anerkannten“ Rahmenwerken genannten Vorgaben in der tatsächlichen Geschäftspraxis der Unternehmen auch eine Rolle spielen sollen.112 Ferner eröffnet die bindende Auseinandersetzung der Unternehmen mit den Rahmenwerken das Verständnis über deren Inhalt und ermöglicht so schleichend, dass eine anfangs fremde Materie stärker in weiteren Gesetzgebungsverfahren Berücksichtigung finden kann.113 c) Verbindliche Vorgabe eines staatlichen Leitfadens in § 289d HGB Statt wie im Fall der vollständigen Streichung auf einen faktisch eigenständigen Regulierungs- und Berichterstattungsansatz zu hoffen, der im Laufe der Zeit eine 110
Krajewski, ZGR 2018, 271, 274. Siehe auch Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss), BT-Drucks. 18/11450, S. 45. 112 Krajewski, ZGR 2018, 271, 293. 113 Krajewski, ZGR 2018, 271, 293. 111
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eigenständige CSR-Berichterstattungspraxis entfaltet, könnte dieser zentral durch den Gesetzgeber de lege ferenda entwickelt werden. Gäbe der Gesetzgeber einen unabhängigen, kostenlosen, verbindlichen Standard vor, der aus verfassungsrechtlichen Gründen zuvor ein umfassendes Kontrollverfahren durchläuft, bestünden die benannten Legitimierungsbedenken nicht weiter. Einer Vereinheitlichung der Berichterstattung wäre geholfen. Dazu ist jedoch zu erwähnen, dass die in den Anwendungsbereich fallenden Unternehmen meist nicht nur auf den nationalen Markt begrenzt wirtschaften. Genauso wenig können bei allen Unternehmen die gleichen Parameter abgefragt werden. Überdies würde die verbindliche Vorgabe eines staatlichen Leitfadens vielleicht der innerstaatlichen Vergleichbarkeit, jedoch aufgrund des (selbst bei Begrenzung auf den Europäischen Handel) marktübergreifenden Wirtschaftens der Unternehmen der außerstaatlichen Vergleichbarkeit nicht gerecht werden. Eine einheitliche nationale Regelung ändert nichts an der unterschiedlichen Handhabung in anderen (Mitglied-)Staaten. Die Vorgabe eines verbindlichen nationalen Leitfadens de lege ferenda wäre zwar auf einzelstaatlicher Ebene interessant, auf europäischer Ebene bliebe es weiterhin bei dem Problem mangelnder (flächenübergreifender) CSR-Transparenz. d) Resümee Letztlich sollte an der Fixierung des § 289d HGB grundsätzlich festgehalten werden. Weder eine vollständige Streichung des § 289d HGB, noch die verbindliche Vorgabe eines staatlichen Leitfadens de lege ferenda entsprächen dem Regulierungsziel der CSR-Berichterstattung. Die ersatzlose Streichung scheitert in erster Linie daran, dass dadurch lediglich der in § 289d S. 2 HGB intendierte Anreiz einer Nutzung genommen würde. Ein Verbot der Nutzung bestünde nicht. Mangels Vorgabe irgendeines Qualitätserfordernisses liefe dieses Konzept darüber hinaus Gefahr, zur Zersplitterung und Verschlechterung der Berichterstattungspraxis zu führen. Die verbindliche Vorgabe eines staatlichen Leitfadens würde zwar vielleicht der innerstaatlichen Vergleichbarkeit der Unternehmen helfen, wäre auf dem internationalen Markt jedoch nicht praxistauglich, da zwischen den unterschiedlichen Staaten eine (flächenübergreifende) CSR-Transparenz nicht erreicht werden würde. Es bietet sich dennoch eine Modifizierung des § 289d HGB an – und zwar insoweit, als dass langfristig engere Vorgaben zur Auswahl von Rahmenwerken anzulegen sind. Dies deutet auch der Gesetzgeber an, der das Problem der mangelnden Vergleichbarkeit in der Beschlussempfehlung und in dem Bericht des BT-Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz aufgreift und ein passendes Lösungskonzept anstrebt.114 Dahingehend stellt er fest, „dass es [2017] zu früh wäre, in dem 114
Störk/Schäfer/Schönberger, in: Beck’scher BilanzKomm, HGB, § 289d Rn. 1.
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sich erst entwickelnden Rechtsgebiet der nichtfinanziellen Berichterstattung schon jetzt bestimmte Rahmenwerke vom Gesetzgeber vorzugeben. Allerdings sollte es Ziel bleiben, langfristig mehr Vergleichbarkeit herzustellen.“115 Eine Konkretisierung würde zwar in gewisser Weise die Handlungsflexibilität der Unternehmen eingrenzen. Auf diesem Wege wäre ihnen jedoch noch immer genügend Spielraum gewährt, ein für ihren Unternehmenszuschnitt passendes Rahmenwerk zu wählen. Gleichzeitig ließen sich Unternehmen ähnlicher Geschäftsausrichtung, die sich weiterhin internationaler Rahmenwerke bedienen, auch marktübergreifend vergleichen. Darüber hinaus bliebe so der Hintergedanke des tendenziell leitbildenden Charakters des § 289d HGB erhalten. Zumal bei Berücksichtigung der Grundsätze ordnungsgemäßer Berichterstattung – einer hinreichend klar und verständlichen Lageberichterstattung – trotz Orientierung an einem umfassenderen „etablierten“ Rahmenwerk nichts per se gegen die Vergleichbarkeit der einzelnen Berichte spricht. Wie die bestehenden verfassungsrechtlichen wie auch rechtsstaatlichen Bedenken ausgeräumt werden könnten, bleibt abzuwarten. 5. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Berichtspflicht de lege ferenda Hinsichtlich des Anwendungsbereichs und seiner Vereinbarkeit mit dem Ziel der CSR-Berichterstattung ist außerdem auf die eingangs aufgeworfene Frage einzugehen, ob es dahingehend einer Korrektur de lege ferenda bedarf. De lege lata sind „nur“ solche Unternehmen von der Berichtspflicht umfasst, die sich am Kapitalmarkt orientieren. Dieser Pflichtenkreis wird zwar faktisch mittelbar über § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB um einige KMUs erweitert.116 Nichtsdestotrotz fordern einige Stimmen in der Literatur ein Ablassen von dieser Voraussetzung der „Kapitalmarktorientierung“.117 a) Regulierung als Hauptzweck der CSR-Berichterstattung? Im Sinne des regulierenden Elements der nichtfinanziellen Berichterstattung sei es inkonsequent, die Berichtspflichten auf solche Unternehmen zu beschränken, die sich am Kapitalmarkt orientieren. Ab einer gewissen Größenschwelle seien auch nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen regulierungsbedürftig.118 Die Reichweite der Auswirkungen der Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft müsse unabhängig 115 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss), BT-Drucks. 18/11450, S. 45. 116 Siehe S. 77 f. 117 Hell, EuZW 2018, 1015, 1018; kritisch auch Humbert, ZGR 2018, 295, 310 ff. 118 Humbert, ZGR 2018, 295, 310 ff.
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von ihrer Rechtsform oder ihrer Kapitalmarktteilnahme betrachtet werden. Hat ein Unternehmen nun aufgrund seiner ökonomischen Größe und Wirkmächtigkeit erhebliche Auswirkungen auf die CSR-Belange, sei hinsichtlich des Regulierungsbedürfnisses kein Unterschied zu den in den momentanen Anwendungsbereich fallenden Gesellschaften zu machen.119 Kern dieser Erwägungen ist die Frage, ob die regulierende Funktion als Hauptzweck der Regelung zu qualifizieren ist.120 Insoweit wäre eine Differenzierung zwischen kapital- und nicht-kapitalmarktorientiert aus den bereits genannten Gründen dem Regulierungsziel nicht dienlich.121 Ginge es jedoch in erster Linie um die Informationsvermittlung gegenüber dem Kapitalmarkt, ist eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der nichtfinanziellen Erklärung auch nur folgerichtig. Ginge man also davon aus, dass die CSR-Berichtspflicht nicht in erster Linie der Informationsvermittlung entscheidungsnützlicher Informationen, sondern der Regulierung von Unternehmen dient, wäre es nur konsequent, den Anwendungsbereich de lege ferenda auch auf nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen auszudehnen.122 b) Informationsvermittlung als Hauptfunktion Dem ist allerdings nicht so. Zwar gewinnt die regulierende Funktion der nichtfinanziellen Erklärung gerade auch aufgrund des in den CSR-Berichterstattungsanforderungen verankerten Comply or Explain-Mechanismus gegenüber der bisherigen nichtfinanziellen Berichterstattung an Gewicht, nimmt jedoch nach wie vor nicht die Hauptfunktion der Regelung ein. So fehlt es, um eine dahingehende signifikante Zielsetzung des Gesetzgebers zu begründen, an einer hinreichenden Konkretisierung verhaltenssteuernder Maßnahmen. Die Verhaltenssteuerung der Unternehmen bleibt mittelbar, d. h. „weich“. Eindeutige, die Regulierung der Unternehmen als Hauptfunktion der CSR-Berichterstattungspflicht bestimmende Verhaltensvorgaben bestehen gerade nicht. Es bleibt unweigerlich die Unternehmenspublizität als solche, die Offenlegung entscheidungserheblicher Informationen, im Vordergrund der CSR-Berichterstattung. Schließlich ist das bereits erwähnte Phänomen der Lageberichterstattung zu wiederholen, dass Rechnungslegungsvorschriften schon seit jeher als „gewünschtes Nebenprodukt“ steuernd auf die Unternehmensführung einwirken.123 Für die CSRBerichterstattung gilt dahingehend nichts anderes. 119
Hierzu ausführlich Hell, EuZW 2018, 1015, 1017; Fleischer, AG 2017, 509, 517. Hell, EuZW 2018, 1015, 1018 f.; so Hommelhoff, in: FS Hoyningen-Huene 2014, S. 137, 140. 121 Hell, EuZW 2018, 1015, 1018 f. 122 Hell, EuZW 2018, 1015, 1018 f. 123 Asmussen, Haftung für CSR, S. 74; Meier-Schatz, Wirtschaftsrecht und Unternehmenspublizität, S. 129 ff.; Merkt, Unternehmenspublizität, S. 338 ff. 120
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Letzten Endes ist festzustellen, dass die CSR-Berichterstattung jedenfalls überwiegend informatorischer Natur ist und in erster Linie ihre Interessenten über die wirtschaftlich-finanzielle Lage der Unternehmen aufklären soll. Dass die nichtfinanziellen Informationen daneben diese wirtschaftlich-finanzielle Lage wesentlich beeinflussen können und in der Unternehmensführung berücksichtigt werden müssen, bleibt außer Frage. Die regulierende Funktion der CSR-Berichterstattung ist weiterhin nur ein „gewünschtes Nebenprodukt“. c) Entscheidungserheblichkeit für den Kapitalmarkt? Hauptfunktion der CSR-Berichterstattung ist die Informationsvermittlung, die Bereitstellung entscheidungserheblicher Informationen. Doch für wen müssen diese Informationen entscheidungserheblich sein? Entscheidungserheblich für die Investoren von Unternehmen von „öffentlichem Interesse“? Für die Vertragspartner und ihre Eingehung von Vertragsbeziehungen? Oder den Käufer, der Produkte dieses Unternehmens erwerben möchte? Nur wenn es in erster Linie um die Informationsvermittlung gegenüber dem Kapitalmarkt geht, ist eine Beschränkung des Anwendungsbereichs der nichtfinanziellen Erklärung auf diesen folgerichtig. Anderenfalls gäbe es für die Begrenzung des Anwendungsbereichs keine Rechtfertigung. Eine explizite Konkretisierung findet nicht statt. Im Gegenteil soll die Offenlegung nichtfinanzieller Informationen „dem Informationsbedarf aller relevanten Interessenträger Rechnung tragen. […] Je nach Sachverhalt können folgende Interessenträger relevant sein: Investoren, Arbeiter, Verbraucher, Lieferanten, Kunden, lokale Gemeinschaften, Behörden, schutzbedürftige Gruppen, Sozialpartner und die Zivilgesellschaft.“124 Auch die europäischen wie auch nationalen Gesetzgebungsunterlagen geben dahingehend keinen anderweitigen Anhaltspunkt. So werden darin Investoren wie Verbraucher gleichermaßen als maßgebliche Adressatengruppen erwähnt. Es sei anerkannt, „dass der Offenlegung von Informationen zur Nachhaltigkeit […] eine große Bedeutung zukommt, […] das Vertrauen von Investoren und Verbrauchern zu stärken.125 „Investoren, Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher verlangen insoweit vor allem mehr und bessere Informationen über die Geschäftstätigkeit von Unternehmen, um zu entscheiden, ob sie investieren, Lieferbeziehungen eingehen oder Produkte erwerben und nutzen.“126 Festzustellen gilt, dass es bei der CSR-Berichterstattung zwar um die Informationsvermittlung geht. Diese begrenzt sich entsprechend der Gesetzgebungsunterlagen jedoch nicht notwendigerweise auf den Kapitalmarkt. Vielmehr scheint Sinn und Zweck der nichtfinanziellen Erklärung zu sein, interessierten Marktakteuren, 124 Europäische Kommission, Leitlinie für die Berichterstattung über nichtfinanzielle Informationen, 2017/C 215, S. 9; Hell, EuZW 2018, 1015, 1018 f. 125 RL 2015/05/EU, Erwägungsgrund 3. 126 RegE, BT-Drucks. 18/9981, S. 1.
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hier insbesondere Investoren und Verbrauchern, entscheidungserhebliche Informationen zur Hand zu geben. d) Ausweitung des Anwendungsbereichs auf „große“ Kapitalgesellschaften Obwohl im Fokus der CSR-Berichterstattung zwar durchaus die Informationsvermittlung steht, bleibt deren Adressatenkreis nicht lediglich auf Investoren beschränkt. Im Vordergrund der CSR-Berichterstattung als Bestandteil der Lageberichterstattung steht fortwährend die Funktion, den gesamten Markt über das Gemeinwohlengagement der Unternehmen zu informieren, sodass über diesen Weg der erforderliche Marktprozess erreicht wird. Der Marktprozess beschränkt sich jedoch nicht auf das Verhalten der Investoren. Vielmehr findet dieser über jedweden, an der nichtfinanziellen Erklärung interessierten Marktakteur statt. Daran hat sich auch der Anwendungsbereich zu orientieren. Genauso wenig wie sich die an der nichtfinanziellen Erklärung interessierten Marktakteure auf den Kapitalmarkt begrenzen, sollte sich die CSR-Berichterstattungspflicht lediglich an kapitalmarktorientierte Unternehmen richten. Daher wird im Folgenden angeregt, den Anwendungsbereich des § 289b Abs. 1 HGB de lege ferenda auf nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen auszudehnen. Das gilt jedenfalls insoweit der bereits geltende Anwendungsbereich für nichtfinanzielle Angaben in der Lageberichterstattung greift (§ 289 Abs. 3 HGB). Das bedeutet, statt den Anwendungsbereich der CSR-Berichterstattungspflicht nach § 289b Abs. 1 Nr. 2 HGB auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zu beschränken, ist von diesem Erfordernis abzulassen und die Berichtspflichtanforderungen sind auf sämtliche „große“ Kapitalgesellschaften entsprechend § 267 Abs. 3 HGB zu erweitern. Danach wäre einmal dem eigentlichen Informationszweck der CSR-Berichterstattung entsprochen, ferner wäre eine weitere Zersplitterung der Rechnungslegung in größenspezifische Sondermaterie verhindert.127 Nicht außer Acht gelassen werden darf ferner, dass sich „große“ Kapitalgesellschaften unabhängig von den CSR-Berichterstattungsanforderungen nach § 289b Abs. 1 HGB bereits gemäß § 289 Abs. 3 HGB mit nichtfinanziellen Informationen auseinandersetzen und diese trotz höherer Anforderungen an CSR-berichtspflichtige Unternehmen weiterhin handhaben und berichten müssen. Schließlich sprechen auch keine europarechtlichen Bedenken gegen eine Erweiterung des Anwendungsbereichs. Die CSR-Richtlinie knüpft die Offenlegungspflicht von CSR-Angaben an die Eigenschaft der Unternehmen als solche „von öffentlichem Interesse“.128 Nach Art. 2 Nr. 1 lit. d der vorangegangenen Bilanzrichtlinie stünde es den Mitgliedstaaten frei, aufgrund der Art der Tätigkeit, der 127 128
Kumm/Woodtli, DK 2016, 218, 220. RL 2014/95/EU, Erwägungsgrund 14.
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Größe oder der Zahl der Beschäftigten weitere Unternehmen von erheblicher öffentlicher Bedeutung zu bestimmen. Abwegig wäre es hingegen, aufgrund der „erheblichen öffentlichen Bedeutung“ die Anforderungen einer „großen“ Kapitalgesellschaft nach § 267 Abs. 3 HGB zu unterschreiten. e) Ergebnis Das Erfordernis der Orientierung am Kapitalmarkt ist lediglich im Hinblick auf den angestrebten Bürokratieabbau,129 darüber hinaus jedoch weder hinsichtlich des Hauptzwecks der CSR-Berichterstattung, der Informationsvermittlung an den relevanten Adressatenkreis noch des Nebenzwecks, der mittelbaren Regulierungsfunktion, sachgerecht. Statt den Anwendungsbereich der CSR-Berichterstattungspflicht nach § 289b Abs. 1 Nr. 2 HGB auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zu beschränken, sollte daher de lege ferenda von diesem Erfordernis abgelassen und die Berichtspflichtanforderungen auf sämtliche „große“ Kapitalgesellschaften entsprechend § 267 Abs. 3 HGB ausgeweitet werden.
II. Vervollständigung der Lageberichterstattung Diesseits des Effekts, gegenüber dem interessierten Markt die Transparenz über die ökonomischen, ökologischen und sozialen Belange der Geschäftstätigkeit von Unternehmen zu erhöhen, soll die CSR-Berichterstattung außerdem einen vervollständigenden Zweck haben. Neben reine Finanzdaten eines Unternehmens treten schon seit geraumer Zeit mehr und mehr nichtfinanzielle Informationen. Auch wenn die Lageberichterstattung anfangs als reine Berichterstattung über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage verstanden wurde, statuiert der Gesetzgeber nicht erst durch die CSRBerichterstattung Berichtspflichten nichtfinanzieller Art. Eingeläutet wurde dies bereits im Jahr 2004 durch eine Ergänzung der finanziellen Leitungsindikatoren um nichtfinanzielle nach § 289 Abs. 3 HGB. Elf Jahre später wurde die Erklärung zur Unternehmensführung um Angaben zur Frauenquote erweitert, bevor der deutsche Gesetzgeber schließlich 2017 die CSR-Berichterstattung im Bilanzrecht verankerte. In diesem Sinne reiht sich die CSR-Berichterstattung in die bisherige Erweiterungspraxis des Gesetzgebers ein. 1. Die Lageberichterstattung als „unstimmiges Gesamtkonzept“? Der Vervollständigung entgegenstehen könnte jedoch der Vorwurf eines mittlerweile indifferenten Gesamtkonzepts der Lageberichterstattung, das sich durch 129 Kajüter, IRZ 2017, 137; zur rechtspolitischen Nachvollziehbarkeit Seibt, DB 2016, 2707, 2710.
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eine zunehmende „Nichtfinanziellisierung“ entwickelt haben könnte.130 Kajüter kritisiert insoweit, der Gesetzgeber zeige die Tendenz, immer neue gesellschaftspolitisch motivierte Berichtspflichten in Form kasuistischer Regeln in das Bilanzrecht einzuführen. Das führe zu Unstimmigkeiten innerhalb der Lageberichterstattung.131 Ist die CSR-Berichterstattung im Grunde in der Lageberichterstattung fehl am Platz, sodass sie diese nicht etwa vervollständigt, sondern verkompliziert bzw. ferner in Mitleidenschaft zieht? 2. Nichtfinanzielle Informationen als für die Gesamtwürdigung erforderliche Informationen Die Lageberichterstattung als eigenständiger Bestandteil der Rechnungslegung dient der Informationsvermittlung, indem sie vorschreibt, den Geschäftsverlauf und die Lage des Unternehmens nach § 289 Abs. 1 S. 1 HGB so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird.132 Sie ist dabei formalrechtlich vom Jahresabschluss abzugrenzen und ergänzt diesen rechtlich und funktional als eigenständiges Instrument der Rechnungslegung.133 Sie liefert folglich Informationen, die nicht unmittelbar im Jahresabschluss enthalten sind. Aufgrund dieser Ergänzungsfunktion werden den Interessenten neben den Informationen aus dem Jahresabschluss zusätzliche Angaben an die Hand gegeben, die ihnen eine bessere Gesamtwürdigung des Unternehmens ermöglichen. Im Fokus dieser Würdigung steht das wirtschaftliche Gesamtbild des Unternehmens. Und ebendieses wirtschaftliche Gesamtbild wird durch die Angabe nichtfinanzieller Informationen erweitert. Das liegt nicht zuletzt am diesbezüglich gestiegenen Interesse des Kapitalmarkts.134 Das wirtschaftliche Gesamtbild bestimmt sich nicht etwa einzig aufgrund der finanziellen Werte. So prägen zunehmend auch nichtfinanzielle Leistungsindikatoren die Werthaltigkeit eines Unternehmens.135 Würde man die Lageberichterstattung nun aber der nichtfinanziellen Angaben entledigen, gingen für den Interessenten und dessen Gesamtbetrachtung jedenfalls mittelbar ökonomisch relevante Informationen verloren, sodass eine hinreichende Abschätzung des Unternehmenspotenzials nicht möglich wäre.136 Nur inklusive der CSR-Informationen ist eine der tatsächlichen Lage des Unternehmens entsprechende Erkenntnis über das Unternehmen, auch über seine Umwelt- und Sozialeinflüsse möglich. 130
So Kajüter, IRZ 2017, 137, 138. Kajüter, IRZ 2017, 137, 138. 132 Zum Sinn und Zweck der Lageberichterstattung umfassend Langen, in: MünchKommHGB, § 289 Rn. 1 ff. 133 Langen, in: MünchKommHGB, § 289 Rn. 2 ff. 134 Hell, EuZW 2018, 1015 f. 135 RegE, BT-Drucks. 18/9981, S. 1. 136 Langen, in: MünchKommHGB, § 289 Rn. 6; Hell, EuZW 2018, 1015, 1016. 131
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Die Lageberichterstattung wird folglich um weitere für das Gesamtbild des Unternehmens relevante Informationen ausgebaut und vervollständigt, indem sie versucht, alle mit dem Unternehmen zusammenhängenden und für dessen Bewertung erforderlichen Informationen zu umfassen. 3. Das stimmige Gesamtkonzept der Lageberichterstattung Das Gesamtkonzept ist auch in sich stimmig, indem sich die nichtfinanzielle Erklärung durch ihre konkreten inhaltlichen Berichterstattungsanforderungen lückenlos in die Gesamtlageberichterstattung einfügt. Neben der Informationsvermittlung als Hauptfunktion der Lageberichterstattung sorgt sie aufgrund der auch in der CSR-Berichterstattung erforderlichen Risikoberichterstattung und der dadurch intendierten Warnfunktion (§ 289c Abs. 3 Nr. 3 HGB und § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB) und der ergänzten Überwachungsfunktion für ein in sich stimmiges Gesamtkonzept der Lageberichterstattung.137
III. Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik Zuletzt soll die Regulierung der CSR-Berichterstattung auf die Unternehmen, aber auch auf die Gesellschaft erzieherisch wirken.138 Neben dem Ziel, Unternehmen zu nachhaltigerem Wirtschaften anzuregen, ist allgemein das Bewusstsein der Gesellschaft als solcher dafür zu stärken. Inwieweit wird die CSR-Berichterstattung in ihrer momentanen Regelungssystematik diesem Regelungsziel gerecht? Reichen die materiellen Anforderungen an die nichtfinanzielle Erklärung tatsächlich aus, um diesem erzieherischen Moment zu entsprechen? Im Rahmen einer materiellen Effektivität ist danach zu fragen, ob der tatsächliche Wirkungskreis und die Ausstrahlungswirkungen der nichtfinanziellen Erklärung ad hoc hinreichend ausgreifen. Oder ist das tatsächliche Resultat recht überschaubar, sodass de lege ferenda Alternativmodelle zu erwägen sind? Im Folgenden sollen dahingehend die bereits als kritisch eingestuften materiellen Anforderungen der kumulativen Wesentlichkeit an die CSR-Angaben nochmals erwogen, auf ihre Vereinbarkeit mit dem Reglungsziel untersucht und mit anderen Regelungsmöglichkeiten verglichen werden.
137 Siehe zu den drei Funktionen der Lageberichterstattung: Information und Rechenschaft, Warnfunktion und Überwachungsfunktion Langen, in: MünchKommHGB, § 289 Rn. 4 ff. 138 Hennrichs, ZGR 2018, 207, 209; Richter/Johne/König, WPg 2017, 566, 567.
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1. Erweiterung des Wesentlichkeitsgrundsatzes § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB de lege ferenda Die nichtfinanzielle Erklärung hat neben der Informationsvermittlung und der Vervollständigung der Lageberichterstattung darüber hinaus, wenn auch nur als „erwünschtes Nebenprodukt“, das Ziel, erzieherisch auf die Unternehmen zu wirken. Indem sich die Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst werden, wird insgesamt ein nachhaltiges Wirtschaften gestärkt. Erreicht werden soll diese Entwicklung durch eine Verpflichtung der Unternehmen, CSR-Belange in ihren unternehmerischen Entscheidungsprozessen stärker zu berücksichtigen. Insoweit stellt sich natürlich die Frage, ob es sich aufgrund des doppelten Wesentlichkeitserfordernisses in § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB derzeit nicht um eine komprimierte Ausführung des eigentlichen Regelungspotenzials handelt. Würde CSR-Belangen nicht mehr Gewicht verliehen, wäre das Wesentlichkeitserfordernis des § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB nicht auf die kumulative Relevanz beschränkt? Die Reichweite der in den unternehmerischen Entscheidungsprozessen zu berücksichtigenden CSR-Belange würde sich erheblich ausweiten, würde das Wesentlichkeitserfordernis insoweit ausgedehnt werden, dass Angaben, die entweder für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft oder für das Verständnis der Auswirkungen ihrer Tätigkeiten erforderlich sind, berichtspflichtig werden. Handelt es sich bei dem doppelten Wesentlichkeitsvorbehalt also um ein nicht sachgerechtes Erfordernis? Jedenfalls bieten weder der gewählte Wortlaut noch die nationalen Gesetzesmaterialien de lege lata Spielraum für eine erweiterte Auslegung, sodass sich nur die Frage nach einem Lösungsmodell de lege ferenda stellen kann. Mitunter Ursache der de lege lata erfolgenden restriktiven Auslegung des Begriffs „sowie“ bleibt die Einbettung der CSR-Berichtspflicht in die Lageberichterstattung. Danach sind zum einen Parallelen zum Wesentlichkeitserfordernis aus § 289 Abs. 3 HGB gewünscht. Zum anderen ginge der Sinn und Zweck der Lageberichterstattung verloren, fände in der Bilanzberichterstattung eine Berichterstattung ohne Bezug zur Geschäftstätigkeit des Unternehmens statt. Der Zweck der unternehmensspezifischen Bereitstellung von für die wirtschaftlich-ökonomische Lage des Unternehmens maßgeblichen Informationen muss jedenfalls erhalten bleiben.139 An dem Wesentlichkeitserfordernis aus § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB als solchem kann daher de lege ferenda nicht angeknüpft werden. Der derzeitige Regelungsstandort erfordert zwingend die Begrenzung des Wesentlichkeitserfordernisses auf CSR-Angaben, die kumulativ von Bedeutung sind.
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Siehe S. 70 ff.
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2. Einbettung in die Geschäftsleiterpflichten Käme es der Nachhaltigkeitsberichterstattung daher nicht zugute, im Sinne der Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik einen alternativen Regelungsstandort, wenn nicht sogar einen abweichenden Regelungsmechanismus zu erwägen? a) Bedürfnis eines über die Berichtspflicht hinausgehenden Modells Die Betrachtung, die nichtfinanziellen Unternehmensziele wären vielmehr in der mit ihnen verbundenen Erklärung zur Unternehmensführung zu erläutern,140 soll an dieser Stelle nicht weiter untersucht werden. So ist dazu lediglich festzustellen, dass die Berichterstattung stets als unverbindliche Absichtserklärung einzustufen ist und eine Änderung des Regelungsstandorts dieser Berichtspflicht demnach nicht über die Einstufung als Wissens- und nicht als Willenserklärung hinweghelfen könnte.141 b) Verankerung im materiellen Aktienrecht Im Folgenden soll der Erwägung nachgegangen werden, ob eine Verankerung von Gemeinwohlbelangen im materiellen Gesellschaftsrecht denklogischer als eine solche im Bilanzrecht wäre. In diesem Sinne bietet sich die Untersuchung an, inwieweit eine gesetzliche Fixierung moralischen Verhaltens in der aktienrechtlichen Leitungssorgfalt de lege ferenda denkbar und darüber hinaus sinnvoll wäre. Wie bereits festgestellt, fand eine faktische Änderung des materiellen Aktienrechts „durch die Hintertür“ gerade nicht statt. Zum momentanen Zeitpunkt bleibt es bei einer „weichen“ Verhaltenssteuerung der Unternehmen, indem die bilanziellen Berichtspflichten nur mittelbar Steuerungswirkung entfalten.142 Ginge es jedoch um die Realisierung einer Neuausrichtung der Aktiengesellschaft und ihrer Leitung, müsste in Form einer „seriösen Aktienrechtskultur“ am materiellen Aktienrecht angeknüpft werden. aa) Gründe für eine Befürwortung der aktienrechtlichen Einbettung In Betracht käme dabei eine Verankerung in der Unternehmenszielleitbestimmung in § 76 AktG,143 eine Handhabung der Risiken in § 91 AktG und die Umsetzung in § 90 AktG oder im Pflichtenkatalog der Organmitglieder in § 93 AktG.144 140
Hommelhoff, in: FS Hoyningen-Huene 2014, 137, 144. Siehe nur S. 228. 142 Siehe S. 216 ff. 143 Bevorzugend Hommelhoff, NZG 2015, 1329, 1330. 144 So Hommelhoff, in: FS Hoyningen-Huene 2014, S. 137, 144; zum Teil auch Fleischer, AG 2017, 509, 525. 141
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Teil 4: Der raffinierte Wirkungsmechanismus der CSR-Berichterstattungspflicht
Das würde jedenfalls den Vorwurf entkräften, dass immer neue gesellschaftspolitisch motivierte Berichtspflichten in Form kasuistischer Regeln in die Lageberichterstattung eingeführt würden.145 Außerdem würde damit dem Ziel gerecht werden, nichtfinanzielle Belange in unternehmerischen Entscheidungsprozessen stärker zu berücksichtigen. Orientieren sich die Verhaltens- und Handlungspflichten des Vorstandes bekanntlich am Unternehmenszweck, der bei Ergänzung um ein ethisch fundiertes Wirtschaften stets abwägend mit dem Ziel der Gewinnmaximierung in Ausgleich gebracht werden müsste. Bei einer materiellen Verankerung in § 76 AktG bliebe der Geschäftsleitung überhaupt nichts anderes übrig als nichtfinanzielle Belange – abhängig von ihrer Relevanz sogar gewichtiger als finanzielle Belange – in unternehmerischen Entscheidungen zu beachten. Das entspräche auch dem Verständnis des europäischen Gesetzgebers von großen Unternehmen von öffentlichem Interesse, diese gälten „nicht länger ausschließlich als Gewinn-“, sondern aufgrund ihres weitreichenden Umfeldes als „multisektorale Leistungsgeneratoren“.146 An dem insoweit feststellbaren Erfolg seien diese Unternehmen auch zu messen.147 bb) Keine verbindliche rechtsethische Anreichung der Geschäftsleitung Hinsichtlich des ersten Arguments ist auf das bereits erfahrene Ergebnis zurückzugreifen, dass die Einführung der CSR-Berichterstattung als weitere nichtfinanzielle Berichterstattung die Stimmigkeit des Gesamtkonzepts „Lageberichterstattung“ gerade nicht torpediert.148 Der Überlegung einer „ethischen Aufladung“149 des materiellen Aktienrechts muss dessen ungeachtet vor allem aufgrund folgenorientierter Bedenken eine Absage erteilt werden. Hinsichtlich der Abwägungsfrage, der sich jeder Geschäftsleiter bei unternehmerischen Entscheidungen aufgrund der grundlegenden gesetzlichen Neuausrichtung des Unternehmenszwecks stellen müsste, fehlen hinreichend konkrete Kriterien, wann von einer „ethischen“ oder „nachhaltigen“ Entscheidung gesprochen werden kann. Ginge man zum Beispiel davon aus, der Leitungsmaßstab des Vorstandes nach § 76 Abs. 1 AktG („Der Vorstand hat unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten“) wäre um den Halbsatz ergänzt „soweit dies ethische vertretbar ist“, wäre mit dieser Vorgabe kaum etwas anzufangen. Denn eine „ethische Vertretbarkeit“ einer Entscheidung liegt immer im Auge des Betrachters und wird ganz maßgeblich von den eigenen Moralvorstellungen geprägt. 145 146 147 148 149
Kajüter, IRZ 2017, 137. Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 293. Hommelhoff, in: FS Kübler 2015, S. 291, 293. Siehe S. 241 ff. Fleischer, DB 2017, 2015, 2018.
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Damit ist sie im Gegensatz zur Frage, ob eine unternehmerische Entscheidung finanziell rentabel ist, kaum eindeutig zu beantworten. Insoweit kann letztlich auf lange Sicht entweder ein Gewinnzuwachs oder kein Gewinnzuwachs festgestellt werden. Ob eine Entscheidung aber schlussendlich tatsächlich „ethisch vertretbar“ ist, kann schon aufgrund zu vielfältiger Ethikansätze nie eindeutig entschieden werden.150 Zum Beispiel kann die Wahl eines ausländischen Produktionsstandorts mit der vermeintlich „ethisch vertretbaren“ Begründung, in diesem Land Arbeitsplätze schaffen zu wollen und dadurch den Wohlstand vor Ort zu steigern, unter dem Vorwurf zu geringer Löhne und fehlender Arbeitsschutzmaßnahmen schlussendlich als „ethisch unvertretbar“ interpretiert werden. Hier sollen auch die verbildlichenden Beispiele von Fleischer bei der Frage nach der Legitimität gentechnisch veränderter Lebensmittel oder der Umsatzsteigerung von Süßigkeiten und Softdrinks durch Werbung im Kinderprogramm ergänzend erwähnt werden.151 Diese schwierige Fassbarkeit, auch Unbestimmtheit, was ethisch vertretbar ist und was nicht, würde sich bei einer zwangsweisen Integration in die Leitungsvorgaben des Vorstandes unmittelbar in einem für diesen enorm erschwerten Planungsprozess auswirken.152 Angefangen bei der (erfolglosen) Mühseligkeit der vergangenen Jahre, eine einheitliche Definition für CSR zu finden,153 schließt sich an dieser Stelle der Kreis. Genauso konfliktreich, nahezu unmöglich, wie der Definitionsansatz von Corporate Social Responsibility würde schlussendlich der Versuch sein, diesen Ansatz inhaltlich und rechtsverbindlich auszufüllen. Darüber hinaus bringt aber auch das Bedürfnis, jedwede finanzielle unternehmerische Entscheidung stets mit ihrer ethischen Vertretbarkeit abzuwägen, enorme Schwierigkeiten und Ineffektivität mit sich. Ein Katalog pauschal der Gewinnmaximierung überzuordnender CSR-Belange ist jenseits des Legalitätserfordernisses weder existent noch aufgrund der Vielschichtigkeit und Diversität unterschiedlicher Unternehmen erzeugbar. Demzufolge müsste die Unternehmensleitung letztlich aufgrund ihrer eigenen, persönlichen Moralvorstellungen entscheiden, ob sie die in Frage stehenden finanziellen Maßnahmen treffen kann oder nicht. Entsprechend müssten sich Unternehmen zum einen mangels eindeutig für die Unternehmensleitung als überzuordnend katalogisierbarer CSR-Belange, zum anderen aufgrund der „notorischen Unbestimmtheit eines aktienrechtlichen Ethikbegriffs“154 stets unkalkulierbaren Haftungsrisiken aussetzen. Die mit der Abwägung 150
Fleischer, DB 2017, 2015, 2018. Fleischer, DB 2017, 2015, 2018. 152 In Bezug auf den Stakeholder-Ansatz siehe Reiner, ZVglRWiss 110 (2011), 443, 460. 153 Siehe S. 42 ff. 154 Fleischer, DB 2017, 2015, 2018; an dieser Stelle vom Grundgedanken her übertragbar auch die Feststellung Spindlers, der „Begriff ,Gemeinwohl‘ böte keinen sicheren Maßstab für die Geschäftsführungsmaßnahmen“, in: MünchKommAktG, § 76 Rn. 64, zurückgehend auf Westermann, in: FS Reinhardt 1972, S. 359, 365. 151
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Teil 4: Der raffinierte Wirkungsmechanismus der CSR-Berichterstattungspflicht
und mit den Risiken einhergehenden Entscheidungsunsicherheiten haben letztlich zur Folge, dass der Erwägung, die Berücksichtigung von Gemeinwohlbelangen de lege ferenda in der Leitungssorgfalt der Geschäftsleitung anzusiedeln, eine Absage zu erteilen ist.
3. Mittelbare Steuerungswirkung als ausreichendes Konzept Überzeugend ist und bleibt daher eine Fixierung im Bilanzrecht. Gleichwohl wird dem Verständnis des europäischen Gesetzgebers, große Unternehmen als „multisektorale Leistungsgeneratoren“ wahrzunehmen auch ohne Integration ethischer Leitplanken im materiellen Aktienrecht entsprochen. Aufgrund der nichtfinanziellen Berichterstattung über wahrgenommenes oder nicht wahrgenommenes CSR-Engagement kann der wohlinformierte Interessent das Unternehmen an gerade diesem Erfolg messen und beurteilen. Das Regulierungsmodell einer CSR-Berichterstattung im Bilanzrecht trägt dazu bei, dass auf das nicht mehr nur finanziell ausgerichtete Informationsbedürfnis einer – erweiterten – Adressatengruppe eingegangen wird. Darüber hinaus wird aber auch mittelbar das Handeln der Unternehmen beeinflusst. Trotz fehlender verbindlicher Vorgaben wird ein Anreiz geschaffen, nichtfinanziellen Belangen in unternehmerischen Entscheidungen mehr Gewicht beizumessen. Keine Gesellschaft wird gezwungen, CSR-Belange in ihrer Geschäftspolitik künstlich zu besetzen. Ist ein CSR-Belang aufgrund des konkret-individuellen Unternehmenszuschnitts nicht relevant, reicht eine Berichterstattung darüber aus. Diese Idee einer reflexiven Regulierung hat gegenüber „hartem“ Recht den Vorteil, dass sich der Wirkungskreis der Regelung auf das eigentliche Regulierungsziel begrenzt, dieses umsetzt, dabei aber keinen bedenklichen Umbruch im Aktienrechtssystem in Gang setzt. Das bestehende Bedürfnis einer Moralisierung der Gesellschaften darf nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Folgen materiell-rechtlicher Verankerungen im Aktiengesetz im Grunde schlussendlich auf dem Rücken der Aktionäre ausgetragen werden würden. Ferner macht es keinen Sinn, Aktiengesellschaften gesellschaftspolitisch immer weiter aufzublähen. Mit der CSR-Berichterstattung und der daraus folgenden mittelbaren Steuerungswirkung ist ein Regelungsmodell gefunden worden, das im Sinne ethischen Wirtschaftens positiv regulierend auf Unternehmen einwirken kann. Gleichzeitig lässt der Gesetzgeber die Aktiengesellschaft als eigenverantwortliche Institution unangetastet. Wird ein CSR-Bereich über den freiwilligen Rahmen hinaus als besonders regulierungsbedürftig und das Konzept der mittelbaren Steuerungswirkung als nicht mehr ausreichend erachtet, vermag auch eine Verankerung etwaiger „ethischer Anforderungen an die Unternehmensführung“ oder „Grundsätze der Geschäftsmoral als rechtsverbindliche Leitungsmaxime“ nicht darüber hinwegzuhelfen. Einher mit solch einer Fixierung gingen mit der Abwägung und mit den Risiken verbundene Entscheidungsunsicherheiten. Außerdem sollen „CSR-Praktiken kein Allheilmittel
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[sein] und es dürfe nicht erwartet werden, dass die Übernahme sozialer Verantwortung von Unternehmen allein zu dem gewünschten Ergebnis führe.“155 Sie können nicht als Ersatz für erforderliche politische Maßnahmen dienen. Ferner darf nicht vernachlässigt werden, dass die Einhaltung vieler in der CSRBerichterstattung ebenfalls zu berücksichtigenden CSR-Mindeststandards bereits Inhalt gesetzlicher Regelungen sind. Zahlreiche Vorschriften tragen außerhalb des Aktienrechts bereits zur Wahrung von Arbeitnehmer-, Gläubiger-, Verbraucher- und Allgemeininteressen bei.156 CSR-Aspekte sind nicht zuletzt bereits Inhalt verbindlicher Verhaltensvorgaben. Dies gilt für eine Einhaltung arbeitsschutzrechtlicher Vorschriften gleichermaßen wie für das Verbot der unter Strafe gestellten Begehung von Korruption und Bestechung. Vielmehr ist dafür zu sorgen, verbindliche CSR-Vorgaben im jeweils tatsächlich notwendigen CSR-Bereich anzusetzen und an dieser Stelle zentral für die Einhaltung gewisser Standards zu sorgen. Erste dahingehende Tendenzen sind an der Debatte zur Einführung eines Lieferkettengesetzes zu erkennen.157 Daher ist insgesamt der Auffassung Fleischers zuzustimmen, statt moralisches Marktverhalten in Gesetzesform zu gießen, dieses vielmehr wohlinformierten Marktteilnehmern zu überlassen.158 Handelt es sich doch bei der CSR-Berichterstattung in erster Linie um ein dahingehendes Informationsmittel.159 Besteht dagegen in einem bestimmtem CSR-Bereich tatsächlich Handlungsbedarf, da eine „weiche“ Regulierung gerade zu keinem nennenswerten Erfolg führt, sollte an dieser Stelle der Gesetzgeber spezifisch tätig werden und an der Geschäftstätigkeit als solche und nicht an der Aktiengesellschaft als Ganzer ansetzen.
B. Der „Übergang“ zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft Augenscheinlich war es dem europäischen Gesetzgeber in erster Linie ein Bedürfnis, die Transparenz der Sozial- und Umweltberichterstattung der Unternehmen aller Branchen in allen Mitgliedstaaten auf ein vergleichbar hohes Niveau anzuheben.160 In diesem Sinne käme gerade der Offenlegung von Informationen zur Nachhaltigkeit wie sozialen und umweltbezogenen Faktoren durch die Unternehmen eine große Bedeutung zu, um Gefahren für die Nachhaltigkeit aufzuzeigen und das 155
KOM (2006), 136, S. 4. Fleischer, in: Spindler/Stilz, AktG, § 76 Rn. 38. 157 Siehe für eine Bestandsaufnahme Kutscher-Puis, ZVertriebsR 2020, 174 ff.; vgl. auch Plenarprotokoll 19/146 v. 13. 2. 2020, S. 18317 ff. 158 Fleischer, DB 2017, 2015, 2017. 159 Siehe S. 238 f. 160 RL 2014, 95/EU, Erwägungsgrund 1. 156
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Teil 4: Der raffinierte Wirkungsmechanismus der CSR-Berichterstattungspflicht
Vertrauen von Investoren und Verbrauchern zu stärken.161 Die Angabe nichtfinanzieller Informationen helfe dabei, das Geschäftsergebnis von Unternehmen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft zu messen, zu überwachen und zu handhaben.162 An dieser Wortwahl ist aber auch zu erkennen, dass der europäische Gesetzgeber darüber hinaus in gewisser Weise eine Anpassung des Verhaltens der in den Anwendungsbereich der CSR-Berichtspflicht fallenden Unternehmen intendiert.163 Der Gesetzgeber belässt es schon begrifflich nicht etwa bei der Offenlegung von ökonomischen, ökologischen und sozialen Belangen der Geschäftstätigkeit von Unternehmen. Vielmehr nutzt er die Angabe nichtfinanzieller Informationen „als wesentliches Element der Bewältigung des Übergangs zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft“.164 Die Richtlinie zielt auf lange Sicht auf gesellschaftlich verantwortliches Unternehmertum, das langfristige Rentabilität mit sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz verbindet, ab. Der „hinreichende Grad an Vergleichbarkeit“ der Informationen soll den Interessenten insoweit einen leichteren Zugang zu Angaben über die Auswirkungen von Unternehmen auf die Gesellschaft verschaffen. Diesbezüglich können diese die Unternehmen und deren Geschäftstätigkeit schließlich überwachen und messen. Der europäische Gesetzgeber sieht diese Unternehmen „nicht länger ausschließlich als reine Gewinngeneratoren, sondern als Wirtschaftsobjekte, die sämtlichen Stakeholdern und ihrem Umfeld vielfältige Leistungen nichtfinanzieller Art erbringen und auch insoweit an ihren Erfolgen gemessen werden sollen.“ Dabei unterlässt es der europäische Gesetzgeber, klare Vorgaben zur Integration möglicher CSR-Verhaltensmaßstäbe in die Geschäftspraxis der Unternehmen zu machen. Des Weiteren verzichtet er darauf, den Unternehmen eine Konzepterstellung aufzudrängen, sodass gerade nicht ausschließlich zu „Werbezwecken“ Konzepte eingeführt oder modifiziert werden. Das unterbindet nicht zuletzt das Phänomen des sogenannten Greenwashings.165 Den Unternehmen steht es frei, mangels Relevanz der Belange für den konkreten Unternehmenszuschnitt von einer Berichterstattung abzusehen. Stattdessen setzt der europäische Gesetzgeber auf Selbstreflexion und Marktregulierung. Gestützt durch einen effektiven Durchsetzungsmechanismus, der die ordnungs- und wahrheitsgemäße CSR-Berichterstattung sicherstellt, entwickeln sich mithin Steuerungsimpulse, die auf die Unternehmen einwirken und so das Be-
161
RL 2014, 95/EU, Erwägungsgrund 3. RL 2014, 95/EU, Erwägungsgrund 3. 163 So auch Hennrichs, ZGR 2018, 206, 209. 164 RL 2014, 95/EU, Erwägungsgrund 3. 165 Dazu, dass die Entwicklung oder Anpassung des Konzepts allein für Zwecke der Berichterstattung nicht beabsichtigt ist, siehe Kajüter, DB 2017, 617, 621. 162
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wusstsein für nachhaltiges Wirtschaften fördern und ethischem Wirtschaften in unternehmensinternen Entscheidungen stärkeres Gewicht verleihen.166 Dadurch vervollständigt sich schließlich der Dreiklang einer Prüfung, Messung und Handhabung der Geschäftsergebnisse von Unternehmen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft. Durch diesen Mechanismus wird dem Übergang zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft der Weg geebnet. Nicht mehr und nicht weniger war vom europäischen Gesetzgeber beabsichtigt.
166
Kajüter, IRZ 2017, 137.
Teil 5
Ergebnisse § 13 Zusammenfassung A. Teil 1 1. Die gesellschaftspolitische Verantwortung beschäftigt zurückgehend auf sittliche, religiöse, ideelle, fremdinitiierte oder selbstinitiierte Beweggründe schon jeher Unternehmer wie institutionelle Akteure. Die Reichweite und Ausgestaltung des Gemeinwohls erfolgten jedoch stets uneinheitlich. 2. In den letzten Jahren gewann die Thematik unter dem Begriff Corporate Social Responsibility enorm an Aufmerksamkeit. Den Grundstein der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit CSR legte Howard Bowen 1953 durch seine in den USA veröffentlichte Monografie „Social Responsibilites of the Businessman“. Der weiträumigen Diskussion um CSR folgten zahlreiche Entwicklungsstufen auf europäischer Ebene, bevor sie schließlich auf nationaler Ebene im CSR-RUG als derzeitiger Höhepunkt der CSR-Regulierung mündete. 3. Das CSR-RUG ist Folge der CSR-Richtlinie und ergänzt die Lage- und Konzernlageberichte der „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ um eine eigenständige nichtfinanzielle Erklärung in den §§ 289b – 289e HGB. Die neu eingeführten §§ 289b ff. HGB bieten ein unabhängiges, weitgehend selbstständiges Regelungskonzept, neben welchem die bisherigen Regelungsansätze zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und Integration unternehmerischer Verantwortung bestehen bleiben.
B. Teil 2 4.
Drei wesentliche Aspekte geben dabei den Sinn und Zweck der Regulierung der CSR-Berichterstattung vor: die Funktion als Informationsbasis, die Vervollständigung der Lageberichterstattung sowie die Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik. Insoweit kann von den Funktionstrias der CSR-Berichterstattung gesprochen werden.
5.
Der Anwendungsbereich der CSR-Berichtspflicht beschränkt sich auf solche Unternehmen, die nach dem nationalen Verständnis „von öffentlichem Interesse“ sind. Dabei handelt es sich in concreto um große Kapitalgesellschaften,
§ 13 Zusammenfassung
253
des Weiteren um diesen nach § 264a HGB gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften, über § 336 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGB um die gleichgesetzte Genossenschaft samt Europäischer Genossenschaft (SCE) und über Art. 61 SE-VO um die SE, wenn diese im Sinne des § 264d HGB kapitalmarktorientiert sind und mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen. Erweitert wird der Adressatenkreis nach § 340a Abs. 1a HGB sowie § 341a Abs. 1a HGB um Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen. Eine teleologische Extension des Anwendungsbereichs auf nichtkapitalmarktorientierte Unternehmen ist de lege lata nicht angezeigt. 6.
Weder bei § 289b Abs. 2 HGB noch bei § 289b Abs. 3 HGB handelt es sich tatsächlich um Befreiungen von der CSR-Berichterstattungspflicht im Sinne einer Rechenschaftsentlastung, sondern um Ersetzungsmöglichkeiten der nichtfinanziellen Erklärung. Die Rechenschaft über CSR-Belange ist in beiden Konstellationen anderweitig sichergestellt. Faktisch ist es nicht möglich, sich als in den Anwendungsbereich fallendes Unternehmen von der Berichtspflicht zu befreien.
7.
Berichtspflichtige Unternehmen müssen sich grundsätzlich mit drei Berichtsmöglichkeiten auseinandersetzen. Es bleibt bei zwei Veröffentlichungsarten: der Erweiterung des Lageberichts um eine nichtfinanzielle Erklärung nach § 289b Abs. 1 HGB sowie dem gesonderten nichtfinanzielle Bericht nach § 289b Abs. 3 HGB. § 289b Abs. 1 HGB eröffnet darüber hinaus zwei Darstellungsweisen innerhalb des Lageberichts: die vollintegrierte Erklärung sowie die Darstellung als separater Bestandteil des Lageberichts.
8.
Der Mindestinhalt der nichtfinanziellen Erklärung bestimmt sich nach § 289c HGB. Neben einer kurzen Geschäftsmodellbeschreibung nach § 289c Abs. 1 HGB muss das berichtspflichtige Unternehmen seine nichtfinanzielle Erklärung mindestens auf die fünf in § 289c Abs. 2 HGB ausdrücklich benannten CSRAspekte beziehen. Welche Einzelangaben zu den Aspekten gemacht werden müssen, definieren § 289c Abs. 3 HGB und § 289c Abs. 4 HGB.
9.
In entsprechender positiver Übertragung des Wesentlichkeitserfordernisses aus § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB können sich unternehmensindividuell neben den benannten Aspekten auch weitere unbenannte Belange ergeben, die in § 289c Abs. 2 HGB nicht ausdrücklich benannt, aber dennoch für das konkrete Unternehmen bedeutsam sind. Bei diesen unbenannten Aspekten ergeben sich die gleichen Berichtsanforderungen wie bei den ausdrücklich benannten Aspekten nach § 289c Abs. 2 HGB.
10. Zu den Aspekten müssen in der nichtfinanziellen Erklärung jedenfalls solche Angaben gemacht werden, die nach § 289c Abs. 3 HS. 1 HGB sowohl für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage der Kapitalgesellschaft wie auch für das Verständnis der Auswirkungen ihrer Tätigkeit erforderlich sind.
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Teil 5: Ergebnisse
11. Hat das berichtspflichtige Unternehmen kein Konzept (Nr. 1) zum Umgang mit einem berichtspflichtigen, nichtfinanziellen Aspekt entwickelt und kann es dementsprechend auch kein Ergebnis vorstellen (Nr. 2), muss es nach § 289c Abs. 4 HGB die Gründe dafür erläutern. Aufgrund des kontradiktorischen Eingreifens von § 289c Abs. 3 HGB oder § 289c Abs. 4 HGB (Comply or Explain) ist jedenfalls irgendeine Erläuterung im Hinblick auf vorhandene (oder gegebenenfalls nicht vorhandene) Konzepte erforderlich. 12. Um für die inhaltlichen Ausführungen bei der CSR-Berichterstattung eine bessere Orientierung gewinnen zu können, kann sich das berichtspflichtige Unternehmen eines nationalen, europäischen oder internationalen Rahmenwerks bedienen, § 289d S. 1 HGB. Es hat dafür Sorge zu tragen, dass von der CSR Erklärung alle gesetzlich geforderten Berichtselemente abgedeckt werden. 13. Missachtet ein entsprechend benanntes Organmitglied der berichtspflichtigen Gesellschaft die Rechtsvorschriften zur Aufstellung ihres Lage- und Konzernlageberichts oder zur Erstellung des gesonderten nichtfinanziellen Berichts, handelt es den Lageberichtsvorschriften zuwider und begeht dadurch nach § 334 HGB eine Ordnungswidrigkeit. Der Gefahr der Straftatbegehung setzt es sich aus, wenn es in einer erheblichen und evidenten Weise die Verhältnisse des Unternehmens unrichtig wiedergibt oder verschleiert, wobei § 334 HGB im Verhältnis zu § 331 HGB subsidiär (§ 21 OWiG) ist.
C. Teil 3 14. Die Untersuchung wurde auf die Rechtsform der Aktiengesellschaft begrenzt. Da das CSR-RUG keine autonome Kompetenzverteilung bietet, ist auf die bereits bestehende „einzelstaatliche“ Zuweisung innerhalb der Aktiengesellschaft zurückzugreifen. 15. Die Anfertigung der nichtfinanziellen Erklärung wird in jeder ihrer Ausgestaltungsmöglichkeiten dem Vorstand der Aktiengesellschaft nach § 264 Abs. 1 S. 1 und S. 3 HGB i.V.m. § 78 Abs. 1 S. 1 AktG zuteil. Neben den beiden offensichtlichen Ausführungspflichten, der Erstellung und Veröffentlichung, hat der Vorstand durch einen durch weitere Einzeltätigkeiten angereicherten Prozess (u. a. CSR-Inventur und CSR-Compliance) die Pflicht, eine nach § 289b ff. HGB ordnungsgemäße Erklärung sicherzustellen. 16. Bestimmte Pflichten, die sich aus dem Pflichtenbündel der CSR-Berichterstattung ergeben, kann der Vorstand durchaus delegieren oder an externe Dritte übertragen. Unberührt bleiben grundlegende Entscheidungen, die in konkreten Einzelfällen für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sein können und originär zugeordnete Leitungspflichten, so seine Informationsverantwortung, Planungs- und Steuerungsverantwortung, Finanzverantwortung und die mög-
§ 13 Zusammenfassung
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licherweise durch die Delegation angereicherte Organisationsverantwortung. Abgesehen davon bietet sich der Einsatz von Fachleuten in CSR-Bereichen an. 17. Die CSR-Berichterstattung ist sowohl vom Abschlussprüfer als auch vom Aufsichtsrat zu prüfen. Der Prüfungsumfang bemisst sich dabei zweierlei: Für die Abschlussprüfung ergibt sich die Besonderheit, dass die Pflichtprüfung nur die Vorlage der nichtfinanziellen Erklärung nach § 317 Abs. 2 S. 4 HGB, also eine rein formelle Untersuchung, umfasst. 18. Der Aufsichtsrat kann sich bei seiner Pflichtprüfung nach § 171 Abs. 1 AktG nicht wie gewohnt auf eine vollumfängliche Prüfung durch den Abschlussprüfer verlassen. Das kann jedoch nicht die restriktive Auslegung des Begriffs „Prüfung“ in § 171 Abs. 1 AktG und demnach eine Reduzierung seines Prüfungsumfangs zur Folge haben. Im Gegenteil: Die fehlende inhaltliche Prüfung durch einen Abschlussprüfer führt dazu, dass sich das Prüfungsgewicht vollständig auf den Aufsichtsrat verlagert. Er unterfällt nach § 171 Abs. 1 AktG der umfassenden inhaltlichen Prüfungsverantwortung. Das ergibt sich aus grammatikalischen, systematischen, genetischen wie auch teleologischen Erwägungen. 19. Um auf die Unternehmensleitung in CSR-Angelegenheiten bei Bedarf steuernd Einfluss nehmen zu können, stehen dem Aufsichtsrat einige Mittel wie die indirekte Beeinflussung der Geschäftspolitik mithilfe seiner Beratungen oder auch eine direkte Eingriffsmöglichkeit auf Maßnahmen der Unternehmensführung durch seine Zustimmungskompetenz nach § 111 Abs. 4 S. 2 AktG offen. 20. Zur Bewältigung der mit der Berichterstattung verbundenen Aufgaben des Aufsichtsrats kommt die Einrichtung eines CSR-Ausschusses in Betracht. Dies gilt jedoch nur, soweit es sich nicht um Aufsichtsratstätigkeiten handelt, die dem Aufsichtsrats-Plenum unterliegen (1) oder eine Bewältigung durch einen sachnäheren Ausschuss in Betracht kommt (2). Dies trägt insbesondere dem Gedanken Rechnung, CSR als festen Einflussfaktor sämtlicher Disziplinen und der gesamten zukünftigen Unternehmenspolitik zu sehen. Die die Rechnungslegung betreffenden Aufgaben des Aufsichtsrats in Bezug auf die CSR-Berichterstattungsprüfung sollten genauso wie bei den sonstigen Rechnungslegungsangelegenheiten zur Vorprüfung dem Prüfungsausschuss übertragen werden. Die übrige, im Besonderen die zukünftige CSR-Politik betreffende Aufsichtsratstätigkeit könnte von der Einrichtung eines CSR-Ausschusses, insbesondere durch eine Bündelung entsprechender Fachkenntnisse in den entscheidungsrelevanten Aufgabenbereichen, erheblich profitieren und ist in diesen Fällen daher anzuraten. 21. Als Nachklang des Pflichtenzuwachses der Aktiengesellschaft hat sich diese in Folge der neuen CSR-Berichterstattungspflichten nach § 289b ff. HGB mit einer Reihe möglicher Auswirkungen bei Missachtung der Berichterstattungsanforderungen auseinanderzusetzen. Bedingt durch eine Verletzung der mit der Aufstellung und Veröffentlichung des Lageberichts und der nichtfinanziellen
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Teil 5: Ergebnisse
Erklärung verbundenen Pflichten könnten sowohl der Gesellschaft im Ganzen, aber auch den verantwortlichen Verwaltungsorganen selbst gegenüber der Gesellschaft Haftungsrisiken drohen. Die möglichen Sanktionsrisiken umfassen dabei neben den Straf- und Bußgeldvorschriften, zivilrechtliche Haftungsrisiken und sonstige gesellschaftsrechtliche Sanktionsmittel. Geprägt wird der tatsächlich riskante zivilrechtliche Haftungsbereich durch das vorsätzliche Missachten von CSR-Berichtsanforderungen und den damit verbundenen Pflichten. Dies gilt gleichermaßen für die Innen- wie Außenhaftung. Dieses Risiko gilt es nicht zuletzt durch eine ordentliche CSR-Compliance abzuschirmen. 22. Der bestehende Sanktionsmechanismus ist im Sinne der CSR-Richtlinie sachgerecht. In erster Linie umfasst er öffentlich-rechtliche Straf- und Bußgeldtatbestände. Aber auch die zivilrechtlichen Haftungsrisiken sind besonders hinsichtlich einer vorsätzlichen Falschberichterstattung nicht zu unterschätzen. Die öffentlich-rechtlichen Haftungsrisiken greifen dabei derart mit solchen des allgemeinen Zivil- und Gesellschaftsrechts ineinander, dass von einem effektivem Durchsetzungsmechanismus gesprochen werden kann.
D. Teil 4 23. Die nichtfinanzielle Erklärung hat selbst- und fremdsteuernde Wirkung. Das Zusammenspiel zwischen Selbststeuerung, Selbstreflexion und Fremdsteuerung ist unter dem Begriff der mittelbaren Steuerungswirkung der CSR-Berichterstattung zusammenzufassen. 24. Die nichtfinanzielle Erklärung erübrigt sich nicht allein in einer reinen Informationspflicht, sondern greift in die Handlungs- und Organisationspflichten der Unternehmensverwaltung ein. Trotz des Bedeutungszuwachses nichtfinanzieller Informationen für die Unternehmenssteuerung gilt dies nicht so weit, dass von einer Indienstnahme des Bilanzrechts zum Zwecke der Änderung des materiellen Aktienrechts „durch die Hintertür“ gesprochen werden kann. Das Formalziel der Aktiengesellschaft bleibt unangetastet. Soweit eine ausdrückliche gesetzliche Formalzieländerung nicht stattfindet, hat die Rechtsform der Aktiengesellschaft zur Folge, dass die Verwaltungsorgane zwar Gemeinwohlinteressen berücksichtigen dürfen, sich an einer langfristigen, wirtschaftlich fassbaren Wertsteigerung zu orientieren haben. Hierzu gilt es zukünftige Entwicklungen in eine derartig verbindliche Richtung, wie die Gesetzgebungsinitiative zur nachhaltigen Unternehmensführung des Europäischen Kommission,1 gerade auch hinsichtlich des daraus resultierenden flexibleren Anwendungsbereichs zu beobachten. 1 Europäische Kommission, Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der
§ 13 Zusammenfassung
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25. Bei der nichtfinanziellen Erklärung handelt es sich um eine rein unverbindliche Absichtserklärung. Eine Bindungswirkung der positiven CSR-Erklärung ist demzufolge abzulehnen. 26. Neben dem Effekt, gegenüber dem interessierten Markt die Transparenz über die ökologischen und sozialen Belange der Geschäftstätigkeit von Unternehmen zu erhöhen, eröffnen die damit verbundenen Konsequenzen einen „raffinierten“ Wirkungsmechanismus. Jener wird mittelbar als Instrument zur Verhaltenssteuerung genutzt, bleibt auf diesen Wirkungskreis jedoch begrenzt. 27. Den Funktionstrias der CSR-Berichterstattung wird entsprochen. Es handelt sich bei der nichtfinanziellen Erklärung um aus erster Hand stammende Informationen über die Geschäftspraktik des Unternehmens, da die Geschäftsleitung der in den Anwendungsbereich fallenden Gesellschaften unmittelbar selbst dazu verpflichtet ist, diese anzufertigen und zu veröffentlichen. Die Verlässlichkeit der Informationen ist maßgeblich durch den bei einer Falschberichterstattung auslösenden Sanktionsmechanismus gewährleistet. Die CSRBerichterstattung ist für den Interessenten auch verständlich. Hinsichtlich der Verständlichkeit bietet sich bei § 289d S. 1 HGB de lege ferenda eine Konkretisierung der verwendbaren Rahmenwerke an. 28. Statt den Anwendungsbereich der nichtfinanziellen Erklärung nach § 289b Abs. 1 Nr. 2 HGB auf kapitalmarktorientierte Unternehmen zu beschränken, sollte de lege ferenda vom Erfordernis der „Kapitalmarktorientierung“ abgelassen und die Berichtspflichtanforderungen auf sämtliche „große“ Kapitalgesellschaften entsprechend § 267 Abs. 3 HGB ausgeweitet werden. Das derzeitige Erfordernis ist weder hinsichtlich des Hauptzwecks der CSR-Berichterstattung, der Informationsvermittlung noch des Nebenzwecks, der mittelbaren Regulierungsfunktion, sachgerecht. 29. Diesseits des Effekts, gegenüber dem interessierten Markt die Transparenz über die ökonomischen, ökologischen und sozialen Belange der Geschäftstätigkeit von Unternehmen zu erhöhen, hat die CSR-Berichterstattung einen vervollständigenden Zweck. Sie reiht sich lückenlos in die bisherige Erweiterungspraxis der Lageberichterstattung ein. 30. Zuletzt wirkt die Regulierung der CSR-Berichterstattung auf die Unternehmen, aber auch auf die Gesellschaft erzieherisch. Überzeugend ist und bleibt daher eine Fixierung im Bilanzrecht. Gleichwohl wird dem Verständnis des europäischen Gesetzgebers, große Unternehmen als „multisektorale Leistungsgeneratoren“ wahrzunehmen auch ohne Integration ethischer Leitplanken im materiellen Aktienrecht entsprochen. Diese Idee einer reflexiven Regulierung hat gegenüber „hartem“ Recht den Vorteil, dass sich der Wirkungskreis der
Regionen betreffend das Arbeitsprogramm der Kommission für 2021, Eine vitale Union in einer fragilen Welt v. 19. 10. 2020, COM(2020) 690 final, Anhänge, S. 3.
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Teil 5: Ergebnisse
Regelung auf das eigentliche Regulierungsziel begrenzt, dieses umsetzt, dabei aber keinen heiklen Umbruch im Aktienrechtssystem in Gang setzt. 31. Mit der CSR-Berichterstattung und der daraus folgenden mittelbaren Steuerungswirkung ist ein Regelungsmodell gefunden worden, das im Sinne ethischen Wirtschaftens positiv regulierend auf Unternehmen einwirken kann. Gleichzeitig lässt er die Aktiengesellschaft als eigenverantwortliche Institution unangetastet. 32. Wird ein CSR-Bereich über den freiwilligen Rahmen hinaus als besonders regulierungsbedürftig und das Konzept der mittelbaren Steuerungswirkung als nicht mehr ausreichend erachtet, vermag auch eine Verankerung etwaiger „ethischer Anforderungen an die Unternehmensführung“ oder „Grundsätze der Geschäftsmoral als rechtsverbindliche Leitungsmaxime“ nicht darüber hinwegzuhelfen. Sie können nicht als Ersatz für erforderliche politische Maßnahmen dienen. Zahlreiche Vorschriften tragen außerhalb des Aktienrechts bereits zur Wahrung von Arbeitnehmer-, Gläubiger-, Verbraucher- und Allgemeininteressen bei. Verbindliche CSR-Verhaltensvorgaben sind daher im jeweils tatsächlich notwendigen CSR-Bereich anzusetzen und an dieser Stelle zentral für die Einhaltung gewisser Standards zu sorgen. Erste dahingehende Tendenzen sind an der Debatte zur Einführung eines Lieferkettengesetzes zu erkennen. Auch angesichts dessen sind zukünftige Entwicklungen abzuwarten. 33. Der europäische Gesetzgeber setzt auf Selbstreflexion und Marktregulierung. Gestützt durch einen effektiven Durchsetzungsmechanismus, der die ordnungsund wahrheitsgemäße CSR-Berichterstattung sicherstellt, entwickeln sich mithin Steuerungsimpulse, die auf die Unternehmen einwirken und so das Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften fördern und ethischem Wirtschaften in unternehmensinternen Entscheidungen stärkeres Gewicht verleihen. Durch diesen Mechanismus wird dem Übergang zu einer nachhaltigen globalen Wirtschaft der Weg geebnet.
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Stichwortverzeichnis Abschlussprüfer 116 Aufsichtsrat – Ausschuss 151 – Prüfung 121 – Überwachungsaufgabe 145 – Zustimmungsvorbehalt 146 bedeutsamste nichtfinanzielle Leistungsindikatoren 78 Bemühenspflicht 226 Berichterstattungsgrundsätze 58 Compliance 105 Comply or Explain 80, 147 Corporate Social Responsibility siehe CSR CSR – Begriff 24 – historische Entwicklung 25 – Richtlinie 38 – Umsetzungsgesetz 40 CSR-Berichtspflicht siehe nichtfinanzielle Erklärung DCGK
39,
Förderung einer nachhaltigen Unternehmenspolitik 243 Formalziel der Aktiengesellschaft 219, 245 freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung 82 Fremdsteuerung 214 Greenwashing
37, 199, 250
Haftung 162 – Außenhaftungsrisiken 167 – deliktische 168, 194, 197
Informationsbasis 230 Initiativen siehe Rahmenwerke Lieferkette
77
mittelbare Regulierungsfunktion
105, 148, 155, 221
Ehrbarer Kaufmann 26 Erklärung zur Unternehmensführung 45, 55, 116, 129, 241, 245
– Innenhaftung der Verwaltungsorgane 163 – kapitalmarktrechtliche Informationshaftung 173, 196 – kaufrechtliche 182, 197 – Schaden 166, 193 Handlungsanreize 212 Hauptversammlung 199 – Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses 202 – Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses 207 – Anfechtbarkeit des Wahlbeschlusses 207 – Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen 200 – Verweigerung der Entlastung 202
216, 248
Nachhaltigkeit 25 nichtfinanzielle Erklärung – als Beschaffenheit der Kaufsache 185 – Anwendungsbereich 46, 237 – Bindungswirkung 224 – eigenständiger Bericht siehe gesonderter nichtfinanzieller Bericht – Einzelangaben 74 – Erforderlichkeit siehe Wesentlichkeitsgrundsatz – gesonderter nichtfinanzieller Bericht 60 – Inhalt 63 – Reichweite 64 – Straf- und Bußgeldvorschriften 93 – Veröffentlichungsart 51 – Veröffentlichungszeitpunkt 62 – vollintegrativ 52
Stichwortverzeichnis – Wirkungskreis 98 – Zielsetzung 43 nichtfinanzielle Konzernerklärung
89
Prospekthaftung siehe kapitalmarktrechtliche Informationshaftung Rahmenwerke 84, 232 Responsible Investment 175, 178, 187 Selbstbindung 226 Selbststeuerung 213 Shareholder Value 31, 218 Sonderprüfung 208 Stakeholder Value 31, 218
271
Unternehmen von öffentlichem Interesse 50 Verhaltenskodizes siehe Rahmenwerke Vertrauenshaftung 196 Vervollständigung der Lageberichterstattung 241 Vorstand – Delegation 108 – Handlungspflichten 100 – Verhaltensvorgaben 218 Wesentlichkeitsgrundsatz
70, 244