Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen und die Auswirkungen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge [1 ed.] 9783428555727, 9783428155729

Gesellschaftsrechtliche Veränderungen bei Unternehmen sind unterschiedlich motiviert und können nicht immer auf die Teil

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German Pages 208 Year 2018

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Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen und die Auswirkungen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge [1 ed.]
 9783428555727, 9783428155729

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Beiträge zum Vergaberecht Band 3

Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen und die Auswirkungen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge

Von

Fabian Meiß

Duncker & Humblot · Berlin

Fabian Meiß

Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen und die Auswirkungen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge

Beiträge zum Vergaberecht Herausgegeben von Prof. Dr. Thorsten Siegel, Berlin Prof. Dr. Jan Ziekow, Speyer

Band 3

Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen und die Auswirkungen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge

Von

Fabian Meiß

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 2364-8724 ISBN 978-3-428-15572-9 (Print) ISBN 978-3-428-55572-7 (E-Book) ISBN 978-3-428-85572-8 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinem Vater

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

1. Teil Einführung  17 A. Einleitung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 B.

Einführung in die Problematik  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Kollision von Prinzipien des Gesellschaftsrechts mit denen des Vergabe­rechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Der Ablauf der Angebotsfrist als maßgeblicher Zeitpunkt  .. . . . . . . . . . . . . . . . 20 III. Die diskussionswürdigen Problembereiche im Einzelnen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen als vergaberechtliche Änderung in der Person des Bieters  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Vereinbarkeit mit den Grundsätzen und Zielen des Vergaberechts  .. . . 22 3. Möglicher Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot  . . . . . . . . . . . . . . 23 4. Auswirkungen auf die Eignung des Bieters  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 IV. Abgrenzungsfragen, Gang der Darstellung, Thesen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.

1. Abgrenzung der Problematik zur Frage der Zulässigkeit einer Veränderung von Bietergemeinschaften während der Teilnahme an Vergabeverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Abgrenzung der Problematik zur Frage gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierung nach Zuschlagserteilung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3. Abgrenzung zur Problematik der sog. „Inhouse-Vergaben“ und „Interkommunale Kooperationen“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 4. Abgrenzung zur Problematik der Gründung und Beauftragung von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 5. Eingrenzung der Darstellung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 6. Thesen und Fragestellungen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2. Teil A.

Rechtliche Grundlagen  32 Grundlagen des Vergaberechts  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Begriff, Rechtsgrundlagen und Sinn und Zweck des Vergaberechts  . . . . . . . 32 II. Die Grundprinzipien des Vergaberechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Der Wettbewerbsgrundsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Der Gleichbehandlungsgrundsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Der Transparenzgrundsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

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III. Die verschiedenen Vergabeverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 1. Das offene Verfahren nach § 119 Abs. 3 GWB, § 15 VgV  . . . . . . . . . . . . 37 2. Das nicht offene Verfahren nach § 119 Abs.4 GWB, § 16 VgV  . . . . . . . 38 3. Das Verhandlungsverfahren § 119 Abs. 5 GWB, § 17 VgV  . . . . . . . . . . . 39 IV. Ausschluss von Bietern und Angeboten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Zwingender Ausschluss von Bietern (§ 123 GWB)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 2. Fakultativer Ausschluss von Bietern (§ 124 GWB)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Ausschluss von Angeboten (§ 57 VgV)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 V. Eignung und Eignungsprüfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Historie zu § 122 GWB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Begriff der Eignung, Eignungskriterien und Nachweise  . . . . . . . . . . . . . . 44 a) Begriff der Eignung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Festlegung der Eignungskriterien, insbesondere Mindest­anforderungen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Festlegung der Eignungsnachweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Formlose Eigenerklärungen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 bb) Präqualifizierungssystem  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 cc) Einheitliche Europäische Eigenerklärung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 d) Eignungskriterien und Nachweise im Einzelnen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 aa) Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung (§ 122 Abs. 2 Nr. 1)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 bb) Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 GWB)  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 cc) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit (§ 122 Abs. 2 Nr. 3 GWB)  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Eignungsprüfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Beurteilungsspielraum und Prognoseentscheidung  . . . . . . . . . . . . . . . . 49 b) Zeitpunkt der Vornahme der Eignungsprüfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 c) Zeitpunkt des Vorliegens der Eignungsvoraussetzungen  . . . . . . . . . . . 50 d) Bindung des Auftraggebers an die Eignungsentscheidung  . . . . . . . . . 50 e) Nachforderung fehlender Nachweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 4. Verhältnis der Eignungsprüfung zu der Zuschlagsentscheidung – „Kein Mehr an Eignung“  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 VI. Die nachträgliche Änderung des Angebotsinhalts  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 VII. Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit (§ 132 GWB)  .. . . . . . . . . 58 1. 2. 3. 4.

Die Pressetext-Entscheidung des EuGH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Kodifizierung durch § 132 GWB  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Begriff der Wesentlichkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Grundsatz: Ersetzung des Auftragnehmers als wesentliche Vertrags­ änderung (§ 132 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GWB)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 5. Rückausnahmen des § 132 Abs. 2 Nr. 4 GWB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

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a) Überprüfungsklausel als Ersetzungsgrund  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 aa) Überprüfungsklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Optionen  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 cc) Keine Änderung des Gesamtcharakters des Auftrags  . . . . . . . . 66 b) Unternehmensumstrukturierung als Ersetzungsgrund (Abs. 2 S. 1 Nr. 4 lit. b GWB)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 B.

Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 I. Die Begriffe „Gesellschaft“ und „Unternehmen“– Ist vergaberechtlich eine rechtliche oder eine ökonomische Betrachtungsweise maßgeblich?  .. . . . . . . 69 1. Der Begriff der „Gesellschaft“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Der Begriff des „Unternehmens“  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Der Unternehmensbegriff in der Rechtsanwendung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 II. Das Gesellschaftsrecht als kodifiziertes Handlungsinstrumentarium  .. . . . . 74 III. Die verschiedenen Gesellschaftsformen – Begriffe und Bedeutung  . . . . . . . 75 1. Personengesellschaften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Die personalistische Struktur als Leitbild einer Personengesellschaft  77 b) Die Personengesellschaft als Rechtsperson  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 c) Die Personengesellschaft als Trägerin des Gesellschaftsvermögens  78 d) Die Mitgliedschaft einer Personengesellschaft – Der Gesellschaftsanteil  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 e) Erwerb und Übertragung der Mitgliedschaft an einer Personengesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 f) Die Haftungsverfassung bei Personengesellschaften  . . . . . . . . . . . . . . 82 2. Körperschaften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 a) Allgemeine Merkmale der privatrechtlichen Körperschaft  .. . . . . . . . 84 b) Die Mitgliedschaft in einer Körperschaft  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Kapitalgesellschaften – GmbH und AG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 aa) Die GmbH  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb) Die AG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. Sonderkonstellationen und Ausformungen gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsfreiheit  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Typenvermischung und Typenverformung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 aa) Die GmbH & Co. KG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Die Publikumspersonengesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 cc) Die Ein-Mann-Gesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 dd) Vorgründungs- und Vorgesellschaften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 (1) Die Vorgründungsgesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (2) Die Vorgesellschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 ee) Gesellschaften in Konzernverhältnissen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

C.

Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen  . . . . . . . . . . . . . . 96

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I. Begriffsbestimmungen und Abgrenzungs-/Einordnungsfragen  . . . . . . . . . . . 97 Der Begriff der „gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung“  .. . . . . . . 97 Gründe gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Rechtsgeschäftliche und gesetzliche Umstrukturierungen  .. . . . . . . . . . . 99 Die Begriffe „Asset Deal“ und „Share Deal“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Die Anwendung des Umwandlungsgesetzes als Alternative zu Liquidation und Neugründung nach allgemeinem Gesellschaftsrecht  . 102 6. Umstrukturierung mit und ohne Vermögensübertragung  . . . . . . . . . . . . 103 7. Rechtsfolgenorientierte Betrachtungsweise  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Umstrukturierungen ohne Anwendung des Umwandlungsgesetzes  . . . . . . . 104 1. 2. 3. 4. 5.

1. Anwachsung als Rechtsfolge des Austritts eines oder mehrerer Gesellschafter  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 2. Vermögensübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge  . . . . . . . . . 106 3. Der Rechtsformwechsel kraft Gesetzes bei Personengesellschaften  .. 107 III. Umstrukturierung unter Anwendung des Umwandlungsgesetzes  . . . . . . . . . 107 1. Zweck des UmwG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Systematik des UmwG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Die Gesamtrechtsnachfolge als wesentliches Prinzip des Umwandlungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Erbrechtliche Universal- und Singularsukzession  . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Gesamtrechtsnachfolge im Umwandlungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 aa) Einordnung als gewillkürte Gesamtrechtsnachfolge  .. . . . . . . . . 111 bb) Totale und partielle Gesamtrechtsnachfolge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen des § 45 AO  . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergangsfähige Rechte und Pflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Einzelne Umwandlungsformen nach dem UmwG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Verschmelzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 aa) Verschmelzungsfähige Rechtsträger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 bb) Verschmelzungsformen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 cc) Vorbereitung der Verschmelzung – insbesondere Durchführung einer kartellrechtlichen Prüfung  . . . . . . . . . . . . . . 121 dd) Verfahren und Ablauf der Verschmelzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (1) Abschluss des Verschmelzungsvertrags  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (2) Verschmelzungsstichtag .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (3) Verschmelzungsbericht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (4) Verschmelzungsprüfung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (5) Zuleitung an den Betriebsrat  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (6) Bekanntmachungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 (7) Einberufung der Versammlungen der Anteilseigner, Offenlegung und Beschlussfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (8) Anmeldung beim Handelsregister  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Inhaltsverzeichnis

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ee) Rechtsfolgen der Verschmelzung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 (1) Vermögensübergang (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG)  .. . . . . . . . . 126 (2) Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG)  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 (3) Gegenleistung durch Anteilsgewährung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Spaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 aa) Gründe für die Durchführung einer Spaltung  . . . . . . . . . . . . . . . . 128 bb) Vergleich mit der Verschmelzung – Übertragung von Vermögensteilen „als Gesamtheit“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 cc) Arten der Spaltung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (1) Aufspaltung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 (2) Abspaltung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 (3) Ausgliederung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 dd) Spaltungsfähige Rechtsträger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 ee) Ablauf/Voraussetzungen der Spaltung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (1) Spaltungsvertrag und Spaltungsplan  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (2) Besonderheiten zur Kapitalerhaltung und möglichen Kapitalerhöhung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (3) Spaltungsbericht und Spaltungsprüfung  .. . . . . . . . . . . . . . . . . 132 (4) Beschluss der Anteilsinhaber nach §§ 125, 13 UmwG  .. . . 133 (5) Eintragung ins Handelsregister der beteiligten Rechtsträger  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 ff) Besonderheiten bei der Spaltung und Ausgliederung zur Neugründung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 gg) Rechtsfolgen; Eintragungswirkungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (1) Aufspaltung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (2) Abspaltung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (3) Ausgliederung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 c) Vermögensübertragung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 d) Formwechsel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 aa) Arten und beteiligte Rechtsträger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 bb) Verfahren und Ablauf  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Umwandlungsbericht (§ 192 UmwG)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (2) Umwandlungsbeschluss .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (3) Anmeldung zum Handelsregister (§§ 198, 199 UmwG)  .. 138 (4) Eintragung und Bekanntmachung (§§ 202, 201 UmwG)  .. 139 cc) Wirkung und Rechtsfolgen des Formwechsels (§ 202 UmwG)  139 (1) Identitätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (2) Austausch des gesellschaftsrechtlichen Normsystems  . . . . 140 (3) Organstellung und Anstellungsverträge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (4) Beteiligung der Anteilsinhaber  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 (5) Heilung von Formmängeln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

12

D.

Inhaltsverzeichnis Die kartellrechtliche Fusionskontrolle nach §§ 35 ff. GWB  .. . . . . . . . . . . . . . . . . 141 3. Teil



Vergaberechtliche Würdigung  143

A.

Zivilrechtliche Wirksamkeit des Angebots als Ausgangspunkt  . . . . . . . . . . . . . . 143

B.

Vergaberechtlich relevante Änderung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I. Vergaberechtlich relevante Änderung in der Person des Bieters  . . . . . . . . . . . 146 1. Notwendigkeit einer Begriffsdefinition der Bieteridentität  . . . . . . . . . . . 147 2. Der Begriff der „Identität“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Der Identitätsbegriff im Allgemeinen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Der rechtliche Identitätsbegriff  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Der formelle und materielle Begriff der Bieteridentität nach vergaberechtlichen Maßstäben  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 aa) Der formelle Begriff der Bieteridentität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Der materielle Begriff der Bieteridentität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Identitätswahrende und identitätsändernde Umstrukturierungen  . . . . . 155 a) Auswirkung auf die Person des Bieters oder seine Eignung?  . . . . . . 156 b) Rein interner Vorgang oder Vorgang mit Außenwirkung?  .. . . . . . . . . 156 c) Identitätswahrung trotz Außenwirkung?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 d) Vermögensübertragung als maßgebliches Abgrenzungskriterium?  . 158 4. Gesamtrechtsnachfolge und Anwachsung als Lösung des Kontinuitätsproblems?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 II. Änderungen hinsichtlich der Gewähr für eine erfolgreiche Auftrags­ durchführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 III. Zusammenfassung und Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162

C.

Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Vergaberechts  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 I. Vereinbarkeit mit dem Wettbewerbsgrundsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 II. Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 III. Vereinbarkeit mit dem Transparenzgrundsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

D.

Kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 I. Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung – keine Frage des Nach­ verhandlungsverbots  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 1. Vertragsparteien und „essentialia negotii“ im allgemeinen Zivilrecht  . 170 2. Vertragsparteien als Gegenstand des vergaberechtlichen Nach­ verhandlungsverbots  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung  . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Die Gegenauffassung der Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Stellungnahme und Ergebnis  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

Inhaltsverzeichnis

13

II. Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Rein interne Umstrukturierungen per se kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot  .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Heilung der Änderung in der Person des Bieters durch gesellschafts­ rechtliche/umwandlungsrechtliche Rechtsfolgen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung als grundsätzlich zulässige Ausnahme zum Nachverhandlungsverbot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 E.

Relevanz der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungim Rahmen der Eignungund Eignungsprüfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I. Weitergeltung und Übertragbarkeit eingereichter Eignungsnachweise  .. . . . 180 II. Nachreichen von Nachweisen und Erklärungen durch den Bieter; Obliegenheit zur Aufklärung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III. Nachforderung von Nachweisen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 IV. Maßgeblicher Zeitpunkt, Verlängerung der Zuschlagsfrist  . . . . . . . . . . . . . . . . 183 V. Bedeutung und Folgen für die Bewertung einzelner Eignungskriterien  . . . 184 1. 2. 3. 4.

F.

Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Technische und berufliche Leistungsfähigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Zuverlässigkeit (Ausschlussgründe nach §§ 123, 124 GWB)  .. . . . . . . . . 187

Übertragbarkeit der Wertungen bei Auftragsänderungenwährend der Vertragslaufzeit (§ 132 GWB)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 I. Keine analoge Anwendung des § 132 GWB auf gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen während des laufenden Vergabeverfahrens  . . . . . . . . . . 188 II. Übertragbare Grundgedanken/Wertungen; Erst-recht-Schluss  . . . . . . . . . . . . 190 1.

Berücksichtigung von personellen Änderungen des Bieters/ Auftragnehmers in Ausschreibungsunterlagen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Zulässigkeit rein bieterinterner Vorgänge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3. Erfüllung der Eignungsanforderungen durch „neues“ Unternehmen; keine weiteren wesentlichen Änderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

G. Verbleibende Risiken und Grenzen für die Beurteilung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 I. Der Faktor Zeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 II. Verlust personeller Fachkompetenz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 III. Hinzugewinn von personeller und technischer Qualität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 4. Teil

Zusammenfassung und Schluss  197

Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Sachwortverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

a. A./A. A. anderer Ansicht/andere Auffassung ABl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften/der Europäischen Union Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis a. E. am Ende a. F. alte Fassung AG Aktiengesellschaft AktG Aktiengesetz Alt. Alternative Art. Artikel BB Betriebs Berater Begr. Begründung Beschl. Beschluss BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGB AT Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen in Zivilsachen des Bundesgerichtshofes BT-Drucks. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht bzgl. bezüglich CISG Convention of International Sale of Goods DB Der Betrieb ders. derselbe d. h. das heißt DStR Deutsches Steuerrecht EG Europäische Gemeinschaft EuGH Europäischer Gerichtshof f. folgende, für ff. fortfolgende FS Festschrift GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen HGB Handelsgesetzbuch h. M. herrschende Meinung

Abkürzungsverzeichnis

15

i. S. d. im Sinne des in Verbindung mit i. V. m. JA Juristische Arbeitsblätter Juristische Schulung JS Jura Juristische Ausbildung Juristische Schulung JuS Juristen Zeitung JZ KG Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien KGaA mit weiteren Nachweisen m. w. N. NJW Neue Juristische Wochenzeitschrift Nr. Nummer NZBau Neue Zeitschrift für Bau- und Vergaberecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Offene Handelsgesellschaft oHG/OHG OLG Oberlandesgericht RG Reichsgericht Rn. Randnummer Satz, Seite S. sog. sogenannt StPO Strafprozessordnung unter anderem u. a. UmwG Umwandlungsgesetz Urt. Urteil unter Umständen u. U. VergabeR Vergaberecht – Zeitschrift für das gesamte Vergaberecht vgl. vergleiche VgV Vergabeverordnung VOB/A (VOB/A Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VergabebeEG bzw. EU) stimmungen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU) VOL/A (VOL/A Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (Vergabebestimmungen EG bzw. EU) im Anwendungsbereich der Richtlinie 2014/24/EU) Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen VOF WpHG Wertpapierhandelsgesetz Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz WpÜG zum Beispiel z. B. Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht ZfBR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZGR ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZIP ZPO Zivilprozessordnung

1. Teil

Einführung 1. Teil: Einführung

A.  Einleitung Öffentliche Aufträge werden im Bereich oberhalb der Schwellenwerte nach den Voraussetzungen des Kartellvergaberechts (§§ 97 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen1) sowie den jeweils einschlägigen Verdingungsordnungen vergeben. Die nationalen Vergaberegelungen beruhen auf den europäischen Vergaberichtlinien.2 Obwohl die Vergaberichtlinien neutral und rechtsformunabhängig von dem Abschluss eines Vertrages zwischen öffentlichen Auftraggebern und „Wirtschaftsteilnehmern“3 sprechen, so dass grundsätzlich sowohl gesellschaftsrechtliche Konstrukte als auch natürliche Personen Teilnehmer eines Vergabeverfahrens sein können, beteiligen sich an Ausschreibungen in der Regel Unternehmen, die in einer der möglichen Rechtsformen des Gesellschaftsrechts organisiert sind. Insbesondere im Bereich der Bauvergaben ist die Beteiligung mit einer eigenen, nur für das ausgeschriebene Bauvorhaben eingesetzten Objektgesellschaft herkömmliche Praxis.4 Die vollständige Durchführung eines Vergabeverfahrens braucht Zeit. Beschaffungen durch die öffentliche Hand müssen aufgrund der vergaberechtlichen Vorgaben des Wettbewerbs, der Transparenz und Gleichbehandlung grundsätz1 

Im Folgenden: GWB. die sog. klassische Richtlinie 2014/24 über die öffentliche Auftragsvergabe (RL 2014/24/EU vom 26. 02. 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe, ABl. L 94/65; im Folgenden: VRL), die Sektorenrichtlinie (RL 2014/25/EU vom 26. 02. 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, ABl. L 94/243; im Folgenden: SRL) und die Konzessionsrichtlinie (RL 2014/23/EU vom 26. 02. 2014 über die Konzessionsvergabe, ABl. L 94/1; im Folgenden: KRL). 3  Vgl. VRL, SRL und KRL sowie die hierdurch aufgehobene Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. 03. 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, EG-Abl. L 134 v. 30. 4. 2004, S. 114; Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. 03. 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, EG Abl. L 134 v. 30. 04. 2004, S. 1; zum Begriff: Egger, Rn. 555 ff. 4  Vgl. hierzu insbesondere Burbulla, NZBau 2010, 145 ff. 2  Insbesondere

18

1. Teil: Einführung

lich in einem gestreckten Prozess zahlreiche Schritte durchlaufen. Der Gesamtvergabeprozess – von der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs über die Bekanntmachung und Durchführung des eigentlichen Vergabeverfahrens bis hin zur Erteilung des Zuschlags – kann dabei je nach Umfang des zu vergebenden Auftrags und sich eventuell einschiebenden Rechtstreitigkeiten durchaus die Dauer von einem Jahr und mehr erreichen. Während eines laufenden Vergabeverfahrens steht das übrige Wirtschaftsleben selbstredend nicht still. Aufgrund dessen Schnelllebigkeit und der stetig wachsenden Globalisierung besteht eine ständige Notwendigkeit organisatorischer Anpassungen der Unternehmen und damit ein Bedürfnis nach unternehmerischer Flexibilität. Die Motivation für gesellschaftsrechtliche Veränderungen kann dabei unterschiedlichster Natur sein. So ist denkbar, dass eine Umstrukturierung als Reaktion auf gesetzliche Änderungen vorgenommen wird oder aber betriebswirtschaftlich eine Anpassung der Organisationsstruktur erforderlich ist. Letztlich können auch rein tatsächliche Ereignisse zu einer Änderung der gesellschaftsrechtlichen Struktur führen, wenn beispielsweise der Gesellschafter einer zweigliedrigen Personengesellschaft verstirbt. Meist spielen aber steuerorientierte Gestaltungen und vor allem Haftungsbegrenzungen eine entscheidende Rolle für die Umstrukturierung eines Unternehmens. Nicht zu vernachlässigen ist zudem der Druck der Unternehmen, im internationalen Wettbewerb zu bestehen, welcher sie dazu zwingt, ihre strategische Ausrichtung ständig zu überdenken und beispielsweise durch die Übernahme von oder die Kooperation mit anderen Gesellschaften wertvolle Synergien zu erzielen und dadurch neue Märkte zu erschließen oder durch den Hinzuerwerb von know-how, die eigene Marktposition zu stärken. Gesellschaftsrechtliche Veränderungen von Unternehmen im Laufe ihrer Existenz (insbesondere innerhalb eines Konzernverbunds) sind demnach beinahe an der Tagesordnung. Da diese gesellschaftsrechtlichen Veränderungen nicht immer auf eine mögliche Teilnahme des betreffenden Unternehmens an einem Vergabeverfahren abgestimmt werden können, stellt sich die Frage, wie das Vergaberecht auf die teils notgedrungenen gesellschaftsrechtlichen Veränderungen von Bietern reagiert und welche Folgen damit für die Bieter und die öffentlichen Auftraggeber verbunden sind. Diese Fragestellung soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit näher untersucht werden.

B.  Einführung in die Problematik

19

B.  Einführung in die Problematik I.  Kollision von Prinzipien des Gesellschaftsrechts mit denen des Vergaberechts Den Unternehmensinhabern steht es grundsätzlich frei, ihr Unternehmen zu jeder Zeit im Rahmen der gesetzlich gegebenen Möglichkeiten organisatorisch zu verändern. Die Ausübung dieser Freiheit wird jedoch dann problematisch, wenn die beabsichtigte Umstrukturierung in den Zeitraum eines laufenden Vergabeverfahrens fällt. Hat sich das Unternehmen nämlich durch Abgabe eines Angebots um die Erteilung eines öffentlichen Auftrags bemüht und ist damit Teilnehmer eines bzw. Bieter in einem Vergabeverfahren geworden, gelten besondere vergaberechtliche Regelungen und Prinzipien, welche der Ausübung der unternehmerischen Umwandlungs- und Gestaltungsfreiheit entgegenstehen könnten. Bei abstrakter Betrachtungsweise treffen in der geschilderten Konstellation Prinzipien und Grundsätze zweier unterschiedlicher Rechtsgebiete aufeinander. Einerseits ist hier das vom Grundsatz der Privatautonomie getragene und von der Vereinigungsfreiheit grundrechtlich geschützte Recht eines jeden Unternehmens sich zu organisieren und zu verändern, wie es dies für richtig hält und wie es die Marktgegebenheiten gegebenenfalls erfordern, auf der anderen Seite wird diese unternehmerische Organisationsfreiheit nun durch europarechtlich geprägte, vergaberechtliche Bestimmungen eingeschränkt. Unter Berufung auf die Vergabegrundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung sowie des übergeordneten Wettbewerbsprinzips werden Unternehmen, die sich gesellschaftsrechtlich verändert haben vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Es kollidiert hier insofern die grundrechtlich geschützte gesellschaftsrechtliche Gründungs- und Umwandlungsfreiheit mit den tragenden Prinzipien des europäischen Kartellvergaberechts. Ein strikter, undifferenzierter Ausschluss eines Angebots von einem laufenden Vergabeverfahren in Folge einer vorgenommenen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung käme demnach einem faktischen (vergaberechtlichen) Verbot von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen und folglich einem umfassenden „Zurücktreten“ der gesellschaftsrechtlichen Freiheiten hinter die Regelungen des Vergaberechts gleich. Es stellt sich demnach die übergeordnete Frage nach dem Verhältnis der beiden Rechtsbereiche zueinander. Sind beide Rechtsbereiche miteinander vereinbar – und wenn ja, unter welchen Bedingungen – oder müssen die Regelungen und Prinzipien des einen denen des anderen weichen?

1. Teil: Einführung

20

II.  Der Ablauf der Angebotsfrist als maßgeblicher Zeitpunkt Der für die Problematik maßgebliche Zeitpunkt ist der Ablauf der Angebotsfrist. Die Angebotsfrist bemisst den Zeitraum zur Bearbeitung und Einreichung der Angebote durch die Bieter.5 Mit Ablauf der Angebotsfrist müssen die Angebote bei der vom öffentlichen Auftraggeber bezeichneten Stelle eingegangen sein, andernfalls sind sie nicht zu berücksichtigen. Es handelt sich um eine absolute Ausschlussfrist, so dass keine Heilungsmöglichkeiten bestehen und die Ausschlusswirkung unabhängig von einem etwaigen Verschulden des Bieters eintritt.6 Die Angebotsfrist verfolgt das Ziel der Wettbewerbs- und Chancengleichheit und dient damit in erster Linie dem Schutz der Bieter.7 Gleichzeitig beginnt mit dem Ablauf der Angebotsfrist und der unmittelbar daran anschließenden Öffnung der Angebote im Submissionstermin die Wertungsphase, in der der öffentliche Auftraggeber die eingegangenen Angebote formell und materiell überprüft, um schließlich auf ein Angebot den Zuschlag zu erteilen. Das bedeutet zunächst, dass die Bieter mit Ablauf der Angebotsfrist an ihre Angebote gebunden sind und auch gebunden bleiben, bis die Zuschlagsfrist abgelaufen ist.8 Die rechtliche Gebundenheit bezieht sich insbesondere und vornehmlich auf den Inhalt des Angebots selbst. Eine unter Beachtung der Vergabegrundsätze gleichberechtigte und transparente Angebotsprüfung ist nur möglich, wenn die eingereichten Angebote inhaltlich unverändert bleiben. Mit Ablauf der Angebotsfrist dürfen die Bieter ihre Angebote daher inhaltlich nicht mehr verändern. Zur Sicherstellung eines unveränderten Angebotsinhalts dient insbesondere das im Laufe dieser Arbeit erörterte Nachverhandlungsverbot.9 Zur Einordnung der dieser Arbeit zugrundeliegenden Problematik in ein laufendes Vergabeverfahren ist in folgender Grafik der grobe Ablauf eines offenen Vergabeverfahrens skizziert. Die eben geschilderte und für die vorliegende Arbeit relevante „kritische“ Phase ist dabei rot hervorgehoben:

5 

Ziekow/Siegel, NZBau 2005, 22 (23). Ax/Schneider/Nette, Kap. 3 Rn. 29. 7  2. VK Bund 17. 4. 2003 – VK 2 – 16/03 –; Kapellmann/Messerschmidt, § 10 Rn. 2. 8  Vgl. VK Ansbach, Beschl. v. 18. 09. 2003 – 320. VK-3194 – 31/03; von Wietersheim, in: Ingenstau/Korbion, EG VOB/A § 10 Rn. 1 ff.; Orthmann, VergabeR 2008, 426 (434). 9  Siehe hierzu unten 2. Teil, A. VI. sowie 3. Teil, D. 6 

B.  Einführung in die Problematik

Vorbereitungsphase

Angebotsbearbeitung

Teilnahmewettbewerb

21

Wertungsphase Realisierungsphase

Vorinfo EU Absendung

Ablauf der Bewerbungsfrist

Aufforderung zur Angebotsabgabe

Strukturierungsphase: Insbes. Wahl des Vergabeverfahrens Absendung Bekanntmachung EU und national

Interne Vergabeentscheidung/ Absendung Vorabinformation § 13 VgV

Zuschlag

Ablauf der Angebotsfrist

Abbildung 1: Übersicht – Ablauf eines Vergabeverfahrens, Quelle: eigene Darstellung

III.  Die diskussionswürdigen Problembereiche im Einzelnen 1.  Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen als vergaberechtliche Änderung in der Person des Bieters Gesellschaftsrechtlich können sich Veränderungen einer Person oder der personellen Zusammensetzung eines Rechtsträgers auf verschiedenste Art und Weise und mit unterschiedlichsten Rechtsfolgen vollziehen. Diese Veränderungen betreffen entweder die Gesellschaft als Rechtsformträger selbst oder (intern) den Bestand der Gesellschafter des jeweiligen Rechtsformträgers. Eine Veränderung des Rechtsformträgers selbst stellt auf den ersten Blick eine vergaberechtlich relevante Änderung in der Person des Bieters dar. An die Stelle der Gesellschaft A, welche sich an einem Vergabeverfahren beteiligt hat, ist nach Ablauf der Angebotsfrist die Gesellschaft B getreten. Hier ist fraglich, ob bereits der rein formale Wechsel in der Person des Bieterunternehmens ausreichend ist, um eine vergaberechtliche Änderung in der Person des Bieters mit all seinen Rechtsfolgen anzunehmen oder ob es angebracht ist, die erfolgte Veränderung vor dem Hintergrund der an die jeweilige Umstrukturierung geknüpften Rechtsfolgen im Einzelnen genau zu untersuchen. Bei Veränderungen im Bestand der Gesellschafter oder sonstigen personellen Veränderungen hingegen handelt es sich dem Grunde nach um gesellschaftsinterne Vorgänge, welche den Rechtsträger und das Außenverhältnis der Gesellschaft selbst grundsätzlich unberührt lassen. Formal betrachtet bleibt hier der Rechts-

1. Teil: Einführung

22

formträger und damit der künftige Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers unverändert. Auch gesellschaftsinterne Vorgänge können jedoch – jedenfalls mittelbar – das Außenverhältnis beeinflussen, wenn beispielsweise für die Auftragsdurchführung wesentliche personelle Veränderungen eintreten oder für eine Auftragsdurchführung erforderliche Betriebsmittel wegfallen. In diesem Zusammenhang stellt sich demnach die Frage, ob auch interne Umstrukturierungen (mittelbar) vergaberechtliche Relevanz haben und als „Änderung in der Person des Bieters“ zu qualifizieren sind. 2.  Vereinbarkeit mit den Grundsätzen und Zielen des Vergaberechts Die Vergabe öffentlicher Aufträge durch oder im Namen von öffentlichen Auftraggebern hat im Einklang mit den im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) niedergelegten Grundsätzen zu erfolgen, insbesondere den Grundsätzen des freien Warenverkehrs, der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit sowie den sich daraus ableitenden Grundsätzen wie Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung, gegenseitige Anerkennung, Verhältnismäßigkeit und Transparenz.10 Darüber hinaus wird das Vergaberecht häufig als ein mögliches Handlungsinstrumentarium zur Erreichung bzw. Förderung des sozialen Handlungsauftrags der Staaten diskutiert, wie beispielsweise umweltrechtliche Produktionsvorgabe oder arbeitsrechtliche Mindeststandards (sog. vergabefremde Aspekte). Die vorgenannten Ziele sind gesetzlich in den vergaberechtlichen Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz sowie dem Wettbewerbsgrundsatz verankert. Nach Auffassung der Vergabeinstanzen tangiert eine gesellschaftsrechtliche Veränderung in der Person des Bieters die Vergabegrundsätze in mehrfacher Hinsicht. So führe beispielsweise die Verschmelzung eines Bieters mit einer anderen Gesellschaft zu einem „Zustand völliger Intransparenz“11 und damit zu einem Verstoß gegen maßgebliche Grundsätze des Vergaberechts, so dass ein Ausschluss des Bieters vom weiteren Vergabeverfahren gerechtfertigt sei. Ob dieser Auffassung in ihrer Konsequenz zu folgen ist oder ob, und wenn ja, unter welchen Bedingungen eine gesellschaftsrechtliche Änderung in der Person des Bieters mit den Grundsätzen des Vergaberechts zu vereinbaren ist, wird in dieser Arbeit untersucht.

10  11 

Vgl. Erwägungsgrund (1) VRL. Vgl. zuletzt OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03. 08. 2011 – VII-Verg 16/11.

B.  Einführung in die Problematik

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3.  Möglicher Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot Eine normative Ausprägung der vergaberechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz sowie des Wettbewerbsgrundsatzes stellt das in den Verdingungsordnungen geregelte Nachverhandlungsverbot dar. Danach ist eine o.g. „Änderung in der Person des Bieters“ unzulässig und wird von der Rechtsprechung mit dem Ausschluss des Angebots vom weiteren Vergabeverfahren sanktioniert.12 Diese strikte Rechtsprechung ist in der Literatur teils auf erhebliche Kritik gestoßen.13 Ob in Folge der gesellschaftsrechtlichen Änderung im Einzelnen überhaupt eine Änderung in der Person des Bieters eingetreten ist, ist vor dem Hintergrund der jeweils mit der Umstrukturierung verbundenen Rechtsfolgen zu untersuchen. Darüber hinaus ist in einem nächsten Schritt fraglich, ob bei Vorliegen einer Änderung in der Person des Bieters die extrem harte Konsequenz eines Angebotsausschlusses angemessen ist oder ob nicht weniger einschneidende Maßnahmen angebracht und praktikabel erscheinen. 4.  Auswirkungen auf die Eignung des Bieters Jeder Bieter muss gewährleisten, den öffentlichen Auftrag ordentlich ausführen zu können. Ob ein Bieter für eine ordnungsgemäße Auftragsdurchführung in Frage kommt, wird durch den öffentlichen Auftraggeber mittels entsprechender, mit dem Angebot bzw. in einem ggf. vorgeschalteten öffentlichen Teilnahmewettbewerb vorzulegender Eignungsnachweise abgefragt. Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen und Veränderungen können berechtigte Zweifel an der Aussagekraft bereits eingereichter Eignungsnachweise begründen. So können im Zuge einer Verschmelzung entscheidende Personen und damit notwendiges know-how das Unternehmen verlassen oder für die Auftragsdurchführung erforderliche Betriebsmittel nicht mehr vorhanden sein. Zudem ist die Frage, ob bestimmte für die spezifische Tätigkeit erforderliche Lizenzen auf den neuen Rechtsträger übergegangen sind. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie der Bieter und der öffentliche Auftraggeber auf diese Veränderung reagieren, ob ein Nachreichen bzw. Neu-Einreichen von Eignungsnachweisen möglich ist und eine erneute Eignungsprüfung durchführbar ist.

12  13 

Vgl. stellvertretend OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – VII-Verg 30/06. Vgl. Prieß/Sachs, NZBau 2007, 763 ff.; Rittwage, NZBau 2007, 232 ff.

1. Teil: Einführung

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IV.  Abgrenzungsfragen, Gang der Darstellung, Thesen 1.  Abgrenzung der Problematik zur Frage der Zulässigkeit einer Veränderung von Bietergemeinschaften während der Teilnahme an Vergabeverfahren Eine der vorliegenden Problematik vergleichbare Thematik war in Bezug auf Bietergemeinschaften bereits Gegenstand einer Untersuchung von Johannes Lux14 sowie zahlreicher Entscheidungen der Vergabesenate.15 Eine Bietergemeinschaft ist in der Regel in der Rechtsform der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts16 organisiert. Die Wahl einer anderen Rechtsform wäre für die bloße Beteiligung an einem Vergabeverfahren mit unsicherem Ausgang zu aufwendig und kostenintensiv. Die Gesellschafter der Bietergemeinschaft setzen sich aus einem Kreis verschiedener Unternehmen zusammen, die ihre Kompetenzen bündeln, um so ihre Zuschlagschancen zu erhöhen. Die GbR als Bietergemeinschaft verfolgt daher den Zweck der Teilnahme an einem Vergabeverfahren mit dem Ziel der Zuschlagserteilung. Bei Zweckerreichung, also Abschluss des Vergabeverfahrens, löst sie sich automatisch auf. Im Falle einer erfolgreichen Teilnahme, d. h. im Falle einer Zuschlagserteilung, gründen die beteiligten Unternehmen in der Regel aufgrund entsprechender Vorgaben in den Ausschreibungsbedingungen sowie aus haftungsrechtlichen Erwägungen eine Projektgesellschaft, meist eine Kapitalgesellschaft, welche den erteilten Auftrag letztlich ausführt. In der Phase ab Angebotsabgabe bis zur Zuschlagserteilung können auch bei der Bietergemeinschaft personelle Veränderungen eintreten. In der Vergangenheit besonders praxisrelevant war beispielsweise das insolvenzbedingte Ausscheiden eines Mitglieds aus der Bietergemeinschaft. Aber auch personelle Differenzen zwischen den beteiligten Personen sowie der Verkauf und die Umorientierung eines Unternehmens, welches Mitglied einer Bietergemeinschaft ist, kann zum Austritt aus der Bietergemeinschaft führen. Umgekehrt ist selbstverständlich auch der Eintritt, insbesondere zum Zwecke des Hinzuerwerbs benötigter Kompetenzen möglich. Sofern im Gesellschaftsvertrag der jeweiligen Bietergemeinschaft eine sog. Fortsetzungsklausel vorhanden ist, d. h. das Ausscheiden eines Gesellschafters nicht automatisch zum Auflösen der Gesellschaft führt, ändert 14 

Lux, Dissertation, 2009. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24. 05. 2005 – VII-Verg 28/05, wonach eine Bietergemeinschaft nach einem Wechsel im Mitgliederbestand auszuschließen ist; Gegenansicht: OLG Celle, Beschl. v. 05. 09. 2007 – 13 Verg 9/07, wonach der Mitgliederwechsel die Identität der Bietergemeinschaft nicht ändert, sondern im „Außenverhältnis“ zur Vergabestelle die Bietergemeinschaft fortbesteht. 16  Nachfolgend GbR. 15  Vgl.

B.  Einführung in die Problematik

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sich zwar an der Rechtsperson im Außenverhältnis nichts, gleichwohl können die Veränderungen, z. B. in Bezug auf die Eignung, relevant für die weitere Teilnahme am Vergabeverfahren sein. Die insoweit vorhandenen Erwägungen und Ergebnisse können dabei insbesondere in Bezug auf gesellschaftsrechtliche Veränderungen bei Personengesellschaften herangezogen und fruchtbar gemacht werden. Im Übrigen unterscheiden sich die gegenständlichen Untersuchungen und Fragestellungen der vorliegenden Arbeit jedoch deutlich von denen der oben genannten Thematik zu Bietergemeinschaften.17 Die vorliegende Arbeit konzentriert sich umfassend auf die Überschneidungen von Gesellschafts- und Umwandlungsrecht mit den vergaberechtlichen Regelungen und nimmt gesellschaftsrechtliche Veränderungen jeglicher Art und jeglicher Gesellschaftsformen in den Fokus. Darüber hinaus ist in der Praxis – nicht zuletzt aus haftungsrechtlichen Gründen – die Rechtsform der Kapitalgesellschaft bei öffentlichen Ausschreibungen die am häufigsten anzutreffende Beteiligungsform. 2.  Abgrenzung der Problematik zur Frage gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierung nach Zuschlagserteilung Auch während der Vertragslaufzeit, also nach dem durch Zuschlag erfolgten Abschluss des Vergabeverfahrens, können sich sowohl inhaltliche als auch personelle Änderungen hinsichtlich des bestehenden Auftragsverhältnisses ergeben. Auftragsänderungen nach der Auftragsvergabe waren, insbesondere in Bezug auf die Person des ehemaligen Bieters und jetzigen Vertragspartners bereits im Jahre 2008 Gegenstand der sog. „Pressetext-Entscheidung“ des EuGH.18 Die vom EuGH darin aufgestellten Grundsätze und daraus abgeleiteten Bedingungen, unter denen Änderungen eines Auftrags während des Ausführungszeitraums zulässig sein können, ohne ein neues Vergabeverfahren durchführen zu müssen, wurden vom europäischen Gesetzgeber in Art. 72 VRL sowie den zugehörigen Erwägungsgründen 107 bis 111 berücksichtigt und aufgenommen. Der nationale Gesetzgeber hat im Rahmen der Vergaberechtsreform 2016 mit dem Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts die Regelungen über die Pflicht zur Neuausschreibung sowie diesbezügliche Ausnahmen in § 132 GWB verankert.19 Auch wenn durchaus Parallelen in der Bewertung einer Änderung in der Person des Bieters in den Phasen vor und nach Zuschlag gezogen werden können und teilweise gleiche Fragenkomplexe betroffen sind, so handelt es sich im Ergebnis doch um zwei unterschiedliche Konstellationen, die unterschiedli17 

Vgl. insbesondere auch VK Darmstadt, Beschl. v. 28. 02. 2006 – 69d-VK 02/2006. EuGH, Urteil vom 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – „Pressetext“. 19  Siehe hierzu im Einzelnen unter 2. Teil, A. VII. sowie 3. Teil, F. 18 

1. Teil: Einführung

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che Problemstellungen und Auswirkungen haben und aufgrund einer anderen Perspektive auch unterschiedlich behandelt werden müssen. Mit Erteilung des Zuschlags wird der Vertrag geschlossen und das Vergabeverfahren ist beendet. Grundsätzlich endet damit auch der Anwendungsbereich des Vergaberechts, welches während des Vergabeverfahrens die zivilrechtlichen Grundsätze und Wertungen überlagert.20 Diese zeitliche Zäsur hat auch das OLG Düsseldorf als wesentlich angesehen und zutreffend festgestellt, dass eine Vertragsübernahme nach erteiltem Zuschlag allenfalls insoweit eine wettbewerbliche Relevanz aufweise, als sie Beschaffungsmaßnahmen der öffentlichen Hand unzulässig dem Wettbewerb entziehen kann.21 Hingegen sei diese aber nicht geeignet, den Bieterwettbewerb in einem laufenden Vergabeverfahren zu beeinflussen.22 Insofern mache es einen durchgreifenden Unterschied, ob die Änderung der Rechtspersönlichkeit eines Bieters „eine juristische Sekunde vor oder nach Zuschlagserteilung“ vorgenommen worden ist.23 Die nunmehr gesetzlich reglementierte Situation für Änderungen nach erfolgtem Zuschlag ist grundsätzlich nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Gleichwohl werden die von der Rechtsprechung und den Gesetzgebern in Bezug auf Änderungen nach erfolgter Auftragsvergabe getroffenen Wertungen und Überlegungen im Laufe dieser Arbeit ebenfalls dargestellt und im Hinblick auf eine Übertragbarkeit auf die gegenständlichen Fragestellungen gewürdigt.24 3.  Abgrenzung zur Problematik der sog. „Inhouse-Vergaben“ und „Interkommunale Kooperationen“ Gesellschaftsrechtliche Vorgänge und deren Konsequenzen für vergaberechtliche Fragestellungen und Regelungen waren auch im Kontext der sogenannten „Inhouse-Vergaben“ sowie der „interkommunalen Zusammenarbeit“ ein Thema. Unter dem Begriff der „Inhouse-Vergabe“ wurde lange Zeit über eine mögliche Vergaberechtsfreiheit bestimmter Konstruktionen diskutiert, bei denen der öffentliche Auftraggeber zunächst einen öffentlichen Auftrag vergaberechtsfrei an ein ihm zu 100% gehörendes Unternehmen vergibt und dieses Unternehmen sodann im Wege eines Anteilsverkaufs – ebenfalls ohne Anwendung des Vergaberechts – an einen privaten Dritten veräußert wurde. Auf diese Weise gelangte der private Dritte ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens an einen öffentlichen Auftrag. 20 

Vgl. hierzu Ziekow, VergabeR 2016, 278 (278); Ziekow/Siegel, ZfBR 2004, 30 ff. Vgl. auch Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB § 132 Rn. 68. 22  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – VII-Verg 30/06. 23  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25. 05. 2005 – VII-Verg 8/06. 24  Siehe insbesondere 3. Teil, F. 21 

B.  Einführung in die Problematik

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Diese offensichtliche Umgehung des Vergaberechts war unter anderem Gegenstand der Entscheidung des EuGH in der Sache „Stadt Mödling“. Der EuGH hat in dieser Sache entschieden, dass ein öffentlicher Auftraggeber einen Dienstleistungsvertrag mit seiner Eigengesellschaft, welche ihm zu 100% gehört, nur dann ohne vorherige Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahren abschließen darf, wenn feststeht, dass der Dienstleistungsauftrag nicht Teil einer Verfahrensgestaltung ist, die der „Verschleierung“ des Vergaberechts dient.25 Eine Verschleierung bzw. Umgehung des Vergaberechts wiederum hat der EuGH im Falle der streitgegenständlichen Konstruktion gesehen, bei der die Geschäftsanteile einer Eigengesellschaft eines öffentlichen Auftraggebers zwei Monate nach Abschluss eines Dienstleistungsvertrages zwischen Eigengesellschaft und öffentlichem Auftraggeber von dem öffentlichen Auftraggeber an einen privaten Dritten veräußert wurden und Dienstleistungsvertrag durch die Eigengesellschaft vor der Geschäftsanteilsveräußerung noch nicht operativ umgesetzt wurde. Im Anschluss an die Rechtssache „Stadt Mödling“ hat der EuGH seine Rechtsprechung zu „Inhouse-Vergaben“ weiter gefestigt und im Rahmen der Entscheidung „Teckal“ die sogenannten „Teckal-Kritierien“ entwickelt.26 Nach diesen „Teckal-Kriterien“ ist ein öffentlicher Auftraggeber dann von der Durchführung eines Vergabeverfahrens befreit, wenn (kumulativ) dieser über den Auftragnehmer eine Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt, und der Auftragnehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen für den oder die öffentlichen Auftraggeber verrichtet, die ihn kontrollieren. Der EuGH hat die Wendung der „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“ mit Urteil vom 29. 11. 2012 in der Rechtssache „Ecconord“ noch weiter spezifiziert27 und darauf hingewiesen, dass für den öffentlichen Auftraggeber nach erfolgter Anteilsveräußerung weiterhin die Möglichkeit gegeben sein muss, sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen der beauftragten Einrichtung ausschlaggebenden Einfluss zu nehmen, und dass die von dem öffentlichen Auftraggeber ausgeübte Kontrolle wirksam, strukturell und funktionell sein muss. Ferner hat der Gerichtshof anerkannt, dass die „Kontrolle wie über eigene Dienststellen“ unter bestimmten Voraussetzungen von mehreren öffentliche Stellen gemeinsam ausgeübt werden kann, die gemeinsam die Anteile an der beauftragten Körperschaft halten.28 Die vorgenannten Grundsätze wurden nunmehr im Rahmen der Vergaberechtsreform 2016 im GWB verankert. § 108 GWB normiert unter dem Ober25 

EuGH, Urt. v.10. 11. 2005 – Rs. C-29/04 („Stadt Mödling“). Vgl. EuGH, Urteil vom 18. 11. 1999 – C-107/98 („Teckal“). 27  Vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 29. 11. 2012 – C182/11 und C183/11 („Econord“), Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung. 28  EuGH, Urt. v. 29.211.2012 –, C182/11 und C183/11 („Econord“) Rn. 28 bis 31. 26 

1. Teil: Einführung

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begriff der „öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit“ die in der Rechtsprechung entwickelten Rechtsinstitute der „Inhouse-Vergabe“ und der „horizontalen Kooperation“ und nimmt diese von der Anwendung des Vergaberechts aus. Im Einklang mit der Rechtsprechung liegt gemäß § 108 Abs. 1 Nr. 1 – 3 GWB ein vergaberechtsfreies Inhouse-Geschäft vor, wenn – der öffentliche Auftraggeber über das zu beauftragende Unternehmen eine Kontrolle ausübt wie über eine eigene Dienststelle („Kontrollkriterium“), – das zu beauftragende Unternehmen seine Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber verrichtet, der seine Anteile innehat („Wesentlichkeitskriterium“) und – kein Privater am Kapital des zu beauftragenden Unternehmens beteiligt ist. Das Institut der In-House-Vergabe ist vor allem von praktischer Bedeutung, weil es erlaubt, dass sich öffentliche Auftraggeber zur gemeinsamen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe durch eine von ihnen getragene Gesellschaft zusammenschließen, um dieser Gesellschaft ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens Aufträge erteilen zu können. Die vorliegende Problematik einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung eines Bieters nach Abgabe des Angebots und vor Zuschlag wird durch die vorstehend skizzierten Sachverhalte jedoch allenfalls tangiert. Eine direkte Aussage oder Haltung des EuGH zu der dieser Arbeit zugrundeliegenden Fragestellungen lässt sich daraus jedoch nicht ableiten, so dass die Rechtsprechung und gesetzgeberische Entwicklung zu „Inhouse-Vergaben“ sowie zu „interkommunalen Kooperationen“ keine Hilfe zur Lösung der hier gegenständlichen Fragestellungen versprechen. 4.  Abgrenzung zur Problematik der Gründung und Beauftragung von gemischtwirtschaftlichen Unternehmen Gesellschaftsrecht und Vergaberecht überschneiden sich ebenfalls im Bereich der Gründung bzw. Beauftragung sog. „gemischtwirtschaftlicher Unternehmen“. Auch hier wird in Anlehnung an die Diskussion zu „Inhouse-Vergaben“ die Anwendbarkeit des Vergaberechts diskutiert. Ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen kann durch Anteilsveräußerungen an einem bis dahin rein öffentlichen Unternehmen oder durch Neugründung einer entsprechenden Gesellschaft unter Beteiligung eines privaten Dritten entstehen. Die Gründung eines gemischtwirtschaftlichen Unternehmens bzw. die Anteilsveräußerung an einem öffentlichen Unternehmen selbst sind vergaberechtsfreie Vorgänge, solange die Anteilsübertragung nicht die Übertragung von öffentlichen Aufträgen oder Konzessionen verschleiern soll und damit eine Umgehung des Vergaberechts bezweckt.29 Beschränkt sich der öffentliche Auftraggeber im 29 

EuGH Urt. vom 06. 05. 2010 – C-145/08 und C-149/08.

B.  Einführung in die Problematik

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Falle der Anteilsübertragung hingegen nicht auf die Suche nach einem privaten Geldgeber, sondern soll im Rahmen der Aufgabenerfüllung von dem privaten Sachverstand profitiert werden, so wird der private Dritte in die staatliche Aufgabenerfüllung einbezogen. In diesem Fall besteht regelmäßig eine Ausschreibungspflicht der Kapitalübertragung, da der Private von der bestehenden oder erfolgenden Beauftragung der Gesellschaft mit ausschreibungspflichtigen Leistungen profitiert. Auch dieser Vorgang hat demnach grundsätzlich mit gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen zu tun. Den hierbei angestellten bzw. anzustellenden Erwägungen liegt jedoch – wie bei den vorstehend bereits ausgeführten „Inhouse-Vergaben“ – ein anderer Sachverhalt und eine andere Ausgangssituation zugrunde, als dies bei der Problematik der vergaberechtlichen Auswirkungen von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen während eines laufenden Vergabeverfahrens der Fall ist. Insoweit können auch die Aussagen und Erkenntnisse der hierzu ergangenen Rechtsprechung und Literatur allenfalls abstrakt herangezogen werden. 5.  Eingrenzung der Darstellung Die vorliegende Arbeit geht auf die vergaberechtlich relevanten Problembereiche gesellschaftsrechtlicher Veränderungen während eines laufenden Vergabeverfahrens ein. Ziel ist es anhand einer kritischen Analyse der Rechtsprechung und Literatur einen praktikablen Lösungsansatz für einen systematischen und rechtssicheren Umgang mit gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen während eines Vergabeverfahrens sowohl für die Auftraggeber- als auch die Bieterseite zu schaffen. Die Darstellung beschränkt sich dabei auf die Vergabe ab Erreichen der Schwellenwerte. Gegebenenfalls bestehende Besonderheiten für die Auftragsvergabe im Unterschwellenbereich bleiben unberücksichtigt. Im Hinblick auf die Beurteilung der Auswirkungen gesellschaftsrechtlicher Veränderungen muss einerseits zwischen den verschiedenen Arten der möglichen Umstrukturierungen unterschieden werden. Andererseits sind die jeweiligen Umstrukturierungen auch immer vor dem Hintergrund des konkret durchgeführten Vergabeverfahrens sowie dem Zeitpunkt ihres Eintritts zu beurteilen. Vor dem Hintergrund der Fülle an möglichen Gesellschaftsformen sowie der damit zusammenhängenden zahlreichen Möglichkeiten gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierung muss sich die vorliegende Abhandlung allerdings auf die praxisrelevantesten Gesellschaftsformen und Umstrukturierungen beschränken. Auf die Rechtsform der Genossenschaft oder die Umwandlungsform der Vermögensübertragung wird daher allenfalls kurz eingegangen. Ebenso wenig werden ausländische Gesellschaftsformen oder Gesellschaften des europäischen Rechts näher beleuchtet.

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1. Teil: Einführung

6.  Thesen und Fragestellungen Mit der vorliegenden Arbeit sollen die folgenden Thesen belegt werden: – Ein pauschaler, zwingender Ausschluss eines Angebots im Falle einer personellen Änderung in der Person des Bieters in der Phase nach Angebotsabgabe und vor Zuschlag ist unangemessen und weder mit einem Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot noch mit einem allgemeinen Hinweis auf einen „Zustand völliger Intransparenz“ und damit verbundenen Verstoß gegen geltende Vergabegrundsätze zu rechtfertigen. – Da der Ausschluss eines Angebots vom weiteren Vergabeverfahren einen erheblichen wirtschaftlichen Einfluss auf die teilnehmenden Unternehmen haben kann, muss dieser die ultima ratio sein. Im Falle einer Änderung in der Person des Bieters bedarf es daher einer Einzelfallprüfung durch die Vergabestelle im Hinblick auf die konkrete vergaberechtliche Relevanz der vorliegenden Änderung in der Person des Bieters. – Im Rahmen der Prüfung, ob ein konkret vorliegender Umstrukturierungsvorgang Auswirkungen auf das laufende Vergabeverfahren hat, sind die gesellschaftsrechtlich geltenden Grundprinzipien sowie die Art des durchgeführten Vergabeverfahrens hinreichend zu berücksichtigen. – Identitätswahrende Umstrukturierungen in der Person des Bieters sind vergaberechtlich unbeachtlich. Identitätsändernde Umstrukturierungen können zu einem Ausschluss des Angebots führen, wenn die hierdurch ausgelösten Einflüsse auf das Angebot bzw. die Angebotsprüfung nicht geheilt werden können. – Im Hinblick auf einen möglichst rechtssicheren Umgang mit Änderungen in der Person des Bieters während eines Vergabeverfahrens sollten diese von der Vergabestelle antizipiert werden und die hierfür geltenden Bedingungen sowie ein in diesen Fällen durchzuführendes Prozedere (insbesondere Offenlegungspflichten der Bieter etc.) im Rahmen der Vergabeunterlagen festgelegt werden. Ein vorab pauschal festgelegtes Verbot von Änderungen in der Person des Bieters in den Vergabeunterlagen ist unzulässig. – Es obliegt den Bietern, bestehende Zweifel an der weiteren Zulässigkeit ihrer Teilnahme am Vergabeverfahren auszuräumen und vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Transparenz sämtliche relevanten Informationen unaufgefordert und umfassend der Vergabestelle offenzulegen. – Vor dem Hintergrund der Fristengebundenheit eines Vergabeverfahrens kann eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung in der Person des Bieters zeitlich nur bis zu einem bestimmten Punkt im Vergabeverfahren berücksichtigt werden. Dem öffentlichen Auftraggeber muss es noch möglich sein, im Rahmen der vorab gesetzten Fristen, insbesondere innerhalb der Zuschlagsfrist

B.  Einführung in die Problematik

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die veränderten Umstände in Bezug auf das betreffende Unternehmen ausreichend zu prüfen und unter zumutbaren Gesichtspunkten zu würdigen. Sollte dies nicht möglich sein, ist das betreffende Angebot vom weiteren Vergabeverfahren auszuschließen. Zur Bearbeitung der vorliegend aufgestellten Thesen werden insbesondere folgende Fragestellungen näher erörtert: – Wann liegt eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung vor und wann hat diese eine vergaberechtliche Relevanz? – Unter welchen Voraussetzungen können gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen während eines Vergabeverfahrens vollzogen werden, ohne einen Ausschluss des Angebots vom weiteren Vergabeverfahren befürchten zu müssen? – Ist ein zwingender Ausschluss des Angebots vom weiteren Vergabeverfahren im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung gerechtfertigt? – Welche Erkenntnisse/Rückschlüsse können aus dem für den Auftragnehmerwechsel normierten Tatbestand des § 132 GWB für die vergleichbare Situation vor Zuschlag gezogen werden? – Besteht vor dem Hintergrund der Vergabegrundsätze, insbesondere des Transparenzgrundsatzes eine Mitwirkungs-/Informations-/Offenlegungspflicht des Bieters und wie weit geht diese? – Welche Auswirkungen können gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung auf die Eignung eines Bieters haben und wie ist mit etwaigen eignungsrelevanten Änderungen im Rahmen der Angebotsprüfung umzugehen? – Was sind die zumutbaren Grenzen im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung sowohl für die Vergabestelle als auch für die übrigen Wettbewerber?

2. Teil

Rechtliche Grundlagen 2. Teil: Rechtliche Grundlagen

A.  Grundlagen des Vergaberechts Die Behandlung von bzw. der Umgang mit gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen im Rahmen eines Vergabeverfahrens durch den öffentlichen Auftraggeber wird an verschiedenen Stellen im Laufe eines Vergabeverfahrens relevant sowie durch verschiedene vergaberechtlich geltende Regelungen, Grundsätze und Prinzipien beeinflusst. Durch gesellschaftsrechtliche Veränderungen des Bieters werden in der Regel Fragen der Eignung und deren Behandlung im Rahmen der durchzuführenden Eignungsprüfung tangiert. Darüber hinaus kann argumentiert werden, dass eine Änderung der gesellschaftsrechtlichen Struktur des Bieters eine Änderung in seiner Person bedeutet, welche wiederum als unzulässige Änderung des Angebotsinhalts einen zwingenden oder fakultativen Ausschluss des Bieters bzw. seines Angebots vom Vergabeverfahren bedingen kann. Beeinflusst wird die Beurteilung der vorstehend skizzierten Problemkreise weiter durch die in Abhängigkeit des konkreten Vergabeverfahrens geltenden strengeren oder weniger strengen Verfahrensregelungen sowie allen voran durch die Vergabegrundsätze selbst. Das Verständnis sowie das Verhältnis bzw. das Zusammenwirken der vorgenannten vergaberechtlichen Themen insgesamt sind für die vorliegende Arbeit unerlässlich. Im Folgenden sollen daher die Grundlagen der von gesellschaftsrechtlichen Veränderungen des Bieters tangierten vergaberechtlichen Problemkreise dargelegt werden.

I.  Begriff, Rechtsgrundlagen und Sinn und Zweck des Vergaberechts Der Begriff des „Vergaberechts“ bezeichnet zusammenfassend ein Rechtsgebiet, das die Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand reglementiert. Nach einer geltenden Definition erfasst das Recht der Vergabe öffentlicher Aufträge die Gesamtheit derjenigen Vorschriften und Regeln, die dem Staat, seinen Untergliederungen oder sonstigen öffentlichen Auftraggebern beim Kauf von Gütern oder bei der Inanspruchnahme sonstiger Leistungen am Markt mittels entgeltlichen Vertrags eine bestimmte Vorgehensweise vorschreiben.1

A.  Grundlagen des Vergaberechts

33

Die bei der Auftragsvergabe konkret „vorgeschriebene Vorgehensweise“ ist hinsichtlich ihres Formalisierungsgrades und ihrer Regelungsdichte von dem Wert des zu vergebenden Auftrags abhängig. Diese sog. Schwellenwerte bestimmen, ab welchen Netto-Auftragswerten ein öffentlicher Auftrag europaweit ausgeschrieben werden muss. Eine Anpassung der Schwellenwerte erfolgt per EU-Verordnung turnusgemäß alle zwei Jahre. Liegt der Auftragswert unterhalb des durch die Kommission festgelegten Schwellenwerts, richtet sich das Vergabeverfahren nach nationalem Vergaberecht. Überschreitet der Auftragswert den Schwellenwert, so ist europaweit nach Kartellvergaberecht auszuschreiben. Aufgrund der hierdurch gezogenen Grenze wird insoweit auch von der „Zweiteilung des deutschen Vergaberechts“ in nationales und europäisches Vergaberecht gesprochen.2 1

Das nationale Vergaberecht in Deutschland bezweckte nach klassischem Verständnis die Schonung öffentlicher Ressourcen und war damit Teil des Haushaltsrechts (sog. „haushaltsrechtliche Lösung“).3 In den jeweils einschlägigen Haushaltsgesetzen ist der Grundsatz der „Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“4 bei der Verwendung öffentlicher Mittel festgelegt. Dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen muss demnach bereits haushaltsrechtlich eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Seit dem Beschluss des EuGH in der Sache Bent Mousten Vestergaard5 sowie nach der Entscheidung Contse6 sind zudem die Prinzipien der Transparenz und der Gleichbehandlung auch auf Vergabe unterhalb der Schwellenwerte anzuwenden. Oberhalb der Schwellenwerte findet das Kartellvergaberecht (auch „europäisches Vergaberecht“ genannt) Anwendung. Aufgrund des zunehmenden Einflusses der Europäischen Gemeinschaft (später der Europäischen Union) auf die Mitgliedsstaaten ist neben die auf nationaler Ebene geltende haushaltsrechtliche Lösung die sog. „wettbewerbsrechtliche Lösung“ getreten, welche weniger an der Schonung öffentlicher Mittel als am Schutz der um einen öffentlichen Auftrag konkurrierenden Mitbewerber ausgerichtet ist. Das europäische Vergaberecht be-

1  König/Haratsch, NJW 2003, 2637 (2637); Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht § 9 Rn. 1. 2  Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, § 9 Rn. 1. 3  Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht § 9 Rn. 1. 4  Z. B. § 6 Abs. 1 HGrG. 5  EuGH, Beschl. v. 3. 12. 2001 – C-59/00 –, Bent Mousten Vestergaard gegen Spøttrup Boligselskab. 6  EuGH, Urt. v. 27. 10. 2005 – C-234/03 –, Contse SA, Vivisol Srl und Oxigen Salud SA gegen Instituto Nacional de Gestión Sanitaria (Ingesa), ehemals Instituto Nacional de la Salud (Insalud).

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

34

steht heute im Wesentlichen aus der VRL7 und 2004/17/EG sowie den vom EuGH erstmals in der Entscheidung „Telaustria und Telefonadress“8 zum Ausdruck gebrachten und in zahlreichen weiteren Entscheidungen ausgeprägten allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Transparenz und der Gleichbehandlung. Der deutsche Gesetzgeber hat die rechtlichen Vorgaben der EG in den §§ 97 ff. GWB umgesetzt und die wettbewerbsrechtliche Lösung im deutschen Vergaberecht verankert. Mit dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz (VergRModG), welches am 18. 04. 2016 in Kraft getreten ist, wurden das Vergaberecht strukturell vereinfacht und die verschiedenen Regelungswerke zusammengefasst. Ziel ist es die Durchführung und Gestaltung von Vergabeverfahren effizienter, einfacher und flexibler zu regeln.9 Die insoweit in Deutschland vergaberechtlich anzuwendenden Vorschriften unterteilen sich nach dem sog. „Kaskadenprinzip“ in die formal-gesetzlichen Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Vergabeverordnung (VgV) bzw. gegebenenfalls anzuwendende spezielle Vorschriften bei der Vergabe von Konzessionen (KonzVgV) oder bei Aufträgen im Sektorenbereich (SektVO).10

II.  Die Grundprinzipien des Vergaberechts Ziel der Vergaberichtlinien ist die Gewährleistung und die Öffnung der Beschaffungstätigkeit der öffentlichen Hand für einen unverfälschten und fairen Wettbewerb.11 Zur Verwirklichung dieses Ziels dienen die grundlegenden vergaberechtlichen Prinzipien des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung. Die vergaberechtlichen Prinzipien sind Ausfluss der Grundfreiheiten des EU-Vertrages und finden sich nach deutschem Recht in § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Das Wettbewerbsprinzip ist dabei weniger ein Grundsatz als ein integrierendes Ziel des europäischen Vergaberechts, das ergänzt und zugleich unterstützt wird durch die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz.12 Die außerdem im Vergaberecht verankerten Strukturprinzipien wie die Förderung des Mittelstands, das Wirtschaftlichkeitsprinzip oder eine mögliche 7 

Die Richtlinien 2004/18/EG wurden mit Erlass der VRL aufgehoben. Urteil v. 7. Dezember 2000, Telaustria Verlags GmbH und Telefonadress GmbH gegen Telekom Austria AG (C-324/98). 9  Vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz (VergRModG)). 10 Die im alten Recht vorgesehene Unterscheidung zwischen den Verdingungsordnungen für Bauleistungen (VOB/A bzw. VOB/A EG) und Dienstleistungen (VOL/A bzw. VOL/A EG) wurden mit Inkrafttreten des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes (VergR­ ModG) abgeschafft. 11  Vgl. VRL, Erwägungsgründe (1) ff. 12  Vgl. Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht § 9 Rn. 54. 8 EuGH,

A.  Grundlagen des Vergaberechts

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(politische) Lenkungswirkung des Vergaberechts sollen vorliegend außer Betracht bleiben. Die Vergabegrundsätze dienen insbesondere als Richtlinie für die Auslegung der einzelnen vergaberechtlichen Bestimmungen, wobei der EuGH vor dem Hintergrund des Wettbewerbsprinzips grundsätzlich eine Interpretation verfolgt, welche den freien und unbeschränkten Wettbewerb sichern soll.13 1.  Der Wettbewerbsgrundsatz Dem Kartellvergaberecht ist in § 97 Abs. 1 GWB das allgemeine Ziel vorangestellt, Beschaffungen der öffentlichen Hand im Wettbewerb zu vergeben.14 Der Wettbewerbsgrundsatz ist das übergeordnete Ziel des gesamten Vergabewesens und kann damit zu Recht als Fundament oder gar Institution der Vergaberichtlinien bezeichnet werden.15 Er wird abgeleitet aus den Marktfreiheiten des EU-Vertrags und des Diskriminierungsverbots. Allgemein bezweckt er den Schutz des Beschaffungsvorgangs gegen Beschränkungen des Wettbewerbs. Ziel ist die Sicherstellung eines fairen, lauteren und freien Wettbewerbs bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Ein wesentliches, dem Wettbewerbsgrundsatz innewohnendes Element ist die Notwendigkeit des „geheimen“ Wettbewerbs.16 Ein entscheidendes Ziel von Wettbewerb ist die Erzielung eines marktüblichen und angemessenen Preises für die ausgeschriebene Leistung. Der Wettbewerbsdruck soll dazu führen, dass die Bieter ihre Leistung so günstig wie möglich anbieten. Dieses wesentliche und unverzichtbare Prinzip ist jedoch nur dann gewahrt bzw. kann nur dann erreicht werden, wenn jeder Bieter die ausgeschriebene Leistung in Unkenntnis der Angebote seiner Mitbewerber anbietet.17 Aus diesem Grund sind die Angebote auch bis zum Eröffnungstermin verschlossen zu halten und dürfen nach Öffnung nicht mehr verändert werden. 2.  Der Gleichbehandlungsgrundsatz Gemäß § 97 Abs. 2 GWB sind die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren gleich zu behandeln, es sei denn, eine Benachteiligung ist auf Grund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet. Der Gleichbehandlungsgrundsatz soll insbesondere gleiche Zuschlagschancen gewähren und den Unternehmen Zugang 13 

Egger, Rn. 835. Vgl. Ziekow, in: Ziekow/Völlink, VergabeR, GWB § 97 Rn. 3. 15  Vgl. Egger, Rn. 833. 16  Vgl. hierzu Rittwage, VergabeR 2006, 327 (330). 17  Rittwage, VergabeR 2006, 327 (330 f.); Thüringer OLG, Beschl. v. 19. 04. 2004 – 6 Verg 3/04. 14 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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zu allen notwendigen Informationen geben. Er gebietet außerdem, dass die Bieter schon zu dem Zeitpunkt, zu dem sie ihre Angebote vorbereiten, gleich zu behandeln sind.18 Zum Gleichbehandlungsgebot gehört aber auch (und nur so liegt auch ein fairer Wettbewerb vor), dass die Angebote mit Abgabe unveränderlich vorliegen und miteinander vergleichbar sind. 3.  Der Transparenzgrundsatz Nach § 97 Abs. 1 GWB müssen Vergabeverfahren transparent ausgestaltet sein. Dies wird ausdrücklich in Art 2 VRL erwähnt. Der Transparenzgrundsatz ist eine Ausformung des Gleichbehandlungsgebots, da eine hinreichende Transparenz Bedingung für eine diskriminierungsfreie Auftragsvergabe ist. Dem Transparenzgebot immanent ist die Forderung nach der Herstellung hinreichender Öffentlichkeit und Objektivität. Seine Ausprägungen finden sich in den zahlreich vorhandenen Informationspflichten und Publizitätsvorschriften in den Verdingungsordnungen. Der Begriff der Transparenz zeichnet sich durch verschiedene Merkmale aus. Es handelt sich allgemein um eine unbestimmte Menge an für einen bestimmten Vorgang relevanten Informationen aller Art, die den beteiligten Rechtssubjekten zugänglich gemacht werden. Entscheidend ist dabei ein angemessener Grad an Offenheit, der den beteiligten Beobachtern den Vorgang durchschaubar und nachvollziehbar macht. Im Ergebnis beinhaltet die Transparenz damit einen hinreichenden Einblick in bestimmte Ereignisse und Vorgänge, die getroffene Entscheidungen nachvollziehbar und überprüfbar machen.

III.  Die verschiedenen Vergabeverfahren Das Gesetz stellt den öffentlichen Auftraggebern verschiedene Verfahrensarten zur Verfügung, nach denen ein öffentlicher Auftrag zu vergeben ist. Sowohl für Aufträge ab Erreichen, als auch unterhalb der Schwellenwerte werden im Wesentlichen drei Basisverfahren unterschieden: das offene Verfahren, das nicht offene Verfahren und das Verhandlungsverfahren (vgl. § 119 Abs. 1 GWB).19 Die möglichen Verfahrensarten bewegen sich im Spannungsfeld zwischen größtmöglicher Freiheit und Flexibilität einerseits sowie starker Determinierung und Formalisierung zur Sicherstellung der Prinzipien und Ziele des Vergabe18 

Vgl. EuGH, Urt. v. 04. 12. 2003 – C-448/01 „Wienstrom“. Unterhalb der Schwellenwerte werden die Bezeichnungen – Öffentliche Ausschreibung, Beschränkte Ausschreibung und Freihändige Vergabe – gebraucht. Die Vergabearten nach Kartellvergaberecht korrespondieren im Wesentlichen mit den nationalen Vergabearten. Im Folgenden werden daher lediglich die Begriffe der Verfahrensarten ab Erreichen der Schwellenwerte gebraucht. Zu den vorhandenen Verfahrensunterschieden vgl. Kulartz, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB § 101 Rn. 2 ff. 19 

A.  Grundlagen des Vergaberechts

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rechts und zum Schutz der betroffenen Interessen andererseits. Der europäische Gesetzgeber entschied sich daher, die verschiedenen Arten von Vergabeverfahren hierarchisch aufzubauen und deren Anwendbarkeit in Form eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses zu gestalten (sog. „Hierarchie der Vergabearten“). § 119 Abs. 2 GWB bestimmt in diesem Sinne ausdrücklich, dass öffentliche Auftraggeber das offene Verfahren oder das nicht offene Verfahren mit vorangeschaltetem Teilnahmewettbewerb anzuwenden haben, es sei denn, auf Grund dieses Gesetzes ist etwas Anderes gestattet. Der öffentliche Auftraggeber ist bei der Auswahl des Vergabeverfahrens daher keineswegs frei. Das Vorliegen etwaiger Ausnahmetatbestände muss im Einzelfall genau geprüft werden. Neben diesen Grundtypen gibt es darüber hinaus eine Reihe anderer Verfahrensarten, die entweder komplett eigenständige Regelungen enthalten oder aber teilweise Modifikationen der genannten Grundtypen darstellen.20 Die vorliegende Arbeit beschränkt sich in ihrer Darstellung auf die drei Basisverfahren, da diese den größten Praxisbezug aufweisen. Im Ergebnis dürften die hier gewonnen Erkenntnisse jedoch auf sämtliche Vergabeverfahren entsprechend übertragbar sein. 1.  Das offene Verfahren nach § 119 Abs. 3 GWB, § 15 VgV Das offene Verfahren ist das Regelverfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags. Es ist eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen öffentlich zur Abgabe von Angeboten aufzufordern (§ 119 Abs. 3 GWB). Das offene Verfahren weist den höchsten Formalisierungsgrad der möglichen Verfahrensarten auf. So ist der gesamte Vergabeprozess zeitlich genau terminiert und an gesetzliche Fristen geknüpft (vgl. § 15 VgV). Charakteristisch für das offene Verfahren ist, dass Unternehmen bereits bei Veröffentlichung der Bekanntmachung zur Einreichung von Angeboten aufgefordert werden, ohne dass sich ein Unternehmen zunächst darum zu bewerben hat.21 Aufgrund der so grundsätzlich möglichen hohen Anzahl an teilnehmenden Unternehmen und größtmöglicher Publizität stellt das Gesetz beim offenen Verfahren auch die strengsten Anforderungen an Transparenz und Gleichbehandlung. Insbesondere sind Verhandlungen über den Angebotsinhalt ausdrücklich verboten (sog. Nachverhandlungsverbot, § 15 Abs. 5 VgV für das offene Verfahren bzw. § 16 Abs. 9 VgV nicht offene Verfahren).

20  Z. B. wettbewerblicher Dialog (§ 101 Abs. 4 GWB), dynamische Beschaffungssysteme, elektronische Auktion (§ 101 Abs. 6 GWB) oder das Verfahren für die Planung und den Bau von sozialen Wohneinheiten (vgl. hierzu Egger, 932 m. w. N.). 21  Egger, Rn. 937.

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

Das offene Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass der Auftraggeber seinen Beschaffungsbedarf bereits genau ermittelt und definiert hat und eine detaillierte Leistungsbeschreibung erstellt hat (Vorbereitungsphase). Die danach zu erbringende Leistung ist sodann europaweit bekannt zu machen. Interessierten Bietern sind die Vergabeunterlagen auf Anfrage zuzusenden (Publizitätsphase). Auf Grundlage der Vergabeunterlagen erstellen die Unternehmen ihre Angebote und reichen diese bis spätestens zum Ablauf der in der Bekanntmachung festgelegten Angebotsfrist bei der ebenfalls bekanntgemachten Adresse ein, wo sie schließlich im Submissionstermin vom Auftraggeber geöffnet werden (Angebotsphase). Im Anschluss daran folgt die Prüfungs- und Wertungsphase. Die Angebote werden auf formale Mängel sowie im Hinblick auf die Eignung der Unternehmen und die preisliche Unangemessenheit von der Vergabestelle durchgesehen (Prüfungsphase). Die verbliebenen Angebote werden nach zuvor festgelegten Kriterien gewertet und das wirtschaftlichste Angebot, auf das der Zuschlag erfolgen soll, ermittelt (Wertungsphase). Schließlich werden die unterlegenen Bieter von der beabsichtigten Zuschlagserteilung in Kenntnis gesetzt (sog. Vorabinformation) und gleichzeitig der Termin für die Zuschlagserteilung mitgeteilt (Zuschlagsphase). Die Zulässigkeit von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen nach Ablauf der Angebotsfrist im offenen Verfahren und im nicht offenen Verfahren ist daher insbesondere an der strengen Formalisierung des offenen Verfahrens, an der absoluten und vorrangigen Geltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung sowie am stets zu berücksichtigenden Nachverhandlungsverbot zu messen. 2.  Das nicht offene Verfahren nach § 119 Abs.4 GWB, § 16 VgV Das nicht offene Verfahren folgt in der Hierarchie dem offenem Verfahren nach. Bei dieser Verfahrensart wird zunächst öffentlich europaweit zur Teilnahme aufgerufen und sodann aus dem Bewerberkreis eine beschränkte Anzahl an Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert (vgl. § 119 Abs. 4 GWB). Es verläuft also zweistufig. Das nationale Äquivalent zum nicht offenen Verfahren, die beschränkte Ausschreibung, unterscheidet sich insoweit, als beim nicht offenen Verfahren der vorgeschaltete europaweite Teilnahmewettbewerb obligatorisch ist. Der in der ersten Stufe durchzuführende Teilnahmewettbewerb dient insbesondere der Überprüfung der Eignung der jeweiligen Bieter. Die Eignungsprüfung erfolgt hier also im Unterschied zum offenen Verfahren nicht erst im Rahmen der Prüfungs- und Wertungsphase, sondern wird vorgezogen. Auch beim nicht offenen Verfahren handelt es sich aber um ein förmliches Vergabeverfahren, so dass die gleichen Regeln wie für das offene Verfahren, insbesondere auch das Nachverhandlungsverbot, Anwendung finden.22

A.  Grundlagen des Vergaberechts

22

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3.  Das Verhandlungsverfahren § 119 Abs. 5 GWB, § 17 VgV

Das Verhandlungsverfahren ist das flexibelste Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags. Verhandlungsverfahren sind Verfahren, bei denen sich der Auftraggeber mit oder ohne vorherige öffentliche Aufforderung zur Teilnahme an ausgewählte Unternehmen wendet, um mit einem oder mehreren Bewerbern über die Auftragsbedingungen zu verhandeln (§ 119 Abs. 5 GWB). Der öffentliche Auftraggeber kann dabei direkt Kontakt mit ihm bekannten und bereits bewährten Unternehmen aufnehmen. Es liegt auf der Hand, dass damit der Wettbewerb weitestgehend ausgeschaltet wird.23 Im Sinne der Grundsätze des öffentlichen Vergaberechts, wonach ungesunde Begleiterscheinungen, wie zum Beispiel wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen zu bekämpfen und die Diskriminierung einzelner Auftragnehmer zu vermeiden sind, ist diese Vergabeart allerdings daher nur dann anzuwenden, wenn sowohl das offene Verfahren als auch das nicht offene Verfahren unzweckmäßig sind. Das Verhandlungsverfahren unterscheidet sich vom offenen und nicht offenen Verfahren insbesondere dadurch, dass der Leistungsgegenstand nicht bereits in der Ausschreibung in allen Einzelheiten festgeschrieben ist und Angebote abgeändert werden dürfen, nachdem sie abgegeben worden sind.24 Wie bereits die Bezeichnung „Verhandlungsverfahren“ beinhaltet, handelt es sich um ein dynamisches Verfahren, bei dem der Auftraggeber möglichst mit mehreren geeigneten Bewerbern über die Auftragsbedingungen einschließlich des Preises25 verhandelt. Zwar gelten die Grundprinzipien des Vergaberechts auch hier, allerdings bietet dieses Verfahren ein Mehr an Flexibilität und Gestaltungsfreiheit. Die Verfahrensanforderungen sind gegenüber den anderen Verfahrensarten deutlich reduziert. Auftraggeber und potentieller Auftragnehmer können bei Wahrung der Identität des Beschaffungsvorhabens über den Auftragsinhalt und die Auftragsbedingungen solange verhandeln, bis klar ist, wie die Leistung konkret beschaffen sein muss und zu welchen Konditionen der Auftragnehmer leistet.26 Aus Art. 30 Abs. 2 VRL und § 101 Abs. 5 GWB ergibt sich, dass das Verhandlungsverfahren in der Regel zweistufig angelegt ist und nach Sichtung und Wertung der indikativen Eingangsangebote (erste Stufe) zumindest eine Verhandlungsrun-

22 

Kulartz, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB § 101 Rn. 7 m. w. N. Vgl. Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht § 9 Rn. 83. 24  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03. 08. 2011 – VII-Verg 16/11. 25  Vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 10. 04. 2001 – 11 Verg 1/01. 26  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03. 08. 2011 – VII-Verg 16/11 unter Verweis auf BGH, Urteil v. 10. 9. 2009 – VII ZR 255/08; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05. 07. 2006 – VII-Verg 21/06; OLG München, Beschl. v. 28. 04. 2006 – Verg 6/06; Ganske, in: Reidt/Stickler/ Glahs, § 101 Rdn. 37. 23 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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de anschließen soll (zweite Stufe), welche die Möglichkeit von Verhandlungen über inhaltliche Änderungen der ursprünglichen Angebote beinhaltet. Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass das Verhandlungsverfahren aufgrund seiner größeren Flexibilität und Gestaltungsfreiheit und insbesondere aufgrund der fehlenden Geltung des Nachverhandlungsverbots gegebenenfalls eine abweichende Beurteilung von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen im offenen und nicht offenen Verfahren erlaubt.

IV.  Ausschluss von Bietern und Angeboten Das Vergaberecht differenziert zwischen dem Ausschluss von Bietern und dem Ausschluss von Angeboten. Die in § 123 GWB und § 124 GWB geregelten Ausschlussgründe legen fest, wann ein Bewerber oder Bieter im Rahmen der Auswahl der Teilnehmer eines Vergabeverfahrens von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden kann bzw. werden muss. Davon zu unterscheiden ist der Ausschluss eines Angebots beispielsweise wegen formeller Mängel. Diesbezügliche Regelungen finden sich in der Vergabeverordnung (§ 57 VgV). 1.  Zwingender Ausschluss von Bietern (§ 123 GWB) Ein zwingender Ausschluss des Bieters vom Vergabeverfahren hat nach den in § 123 GWB abschließend aufgelisteten Gründen zu erfolgen. Bei Vorliegen eines zwingenden Ausschlussgrundes steht dem öffentlichen Auftraggeber kein Ermessen bei der Entscheidung zu, ob das Unternehmen ausgeschlossen wird. Nur in Ausnahmefällen haben öffentliche Auftraggeber trotz des Vorliegens eines zwingenden Ausschlussgrundes die Möglichkeit bzw. sogar die Verpflichtung, von einem Ausschluss des Unternehmens abzusehen.27 Bei der Beurteilung, ob ein Unternehmen zwingend auszuschließen ist, stellt § 123 Abs. 1 GWB auf die rechtskräftige Verurteilung einer Person ab, deren Verhalten dem Unternehmen gemäß § 123 Abs. 3 GWB zuzurechnen ist oder auf eine gegen das Unternehmen ergangene Geldbuße wegen einer Straftat nach dem Katalog der Nr. 1 bis 10. Berücksichtigung finden dabei strafrechtliche Verfehlungen „zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens“ (vgl. § 123 Abs. 1 GWB). Hierdurch wird klargestellt, dass ein Unternehmen nicht nur dann von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen ist, wenn der öffentliche Auftraggeber zum Zeitpunkt der Prüfung der Eignung des Unternehmens Kenntnis von dem Vorliegen eines zwingenden Ausschlussgrundes hat, sondern auch noch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber erst in einem späteren Stadium des Vergabeverfahrens davon 27 

Begr. Bundesregierung zum VergRModG, S. 125 ff.

A.  Grundlagen des Vergaberechts

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Kenntnis erlangt.28 Dasselbe gilt, wenn die rechtskräftige Verurteilung einer Person, deren Verhalten dem Unternehmen nach § 123 Abs. 3 GWB zuzurechnen ist, erst im Laufe des Vergabeverfahrens erfolgt. Der letzte Zeitpunkt für den Ausschluss eines Unternehmens von einem Vergabeverfahren ist unmittelbar vor Erteilung des Zuschlags. 2.  Fakultativer Ausschluss von Bietern (§ 124 GWB) Im Gegensatz zum zwangsweisen Ausschluss eines Bieters nach § 123 GWB, bestimmt § 124 GWB, wann ein Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden kann. Hier liegt der Ausschluss eines Bieters bei Erfüllung eines der in § 124 GWB aufgelisteten Tatbestände daher im Ermessen des Auftraggebers. Es handelt sich hier nicht nur um einen Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers auf der Rechtsvoraussetzungsseite, also hinsichtlich des tatbestandlichen Vorliegens eines Ausschlussgrundes, sondern insbesondere auch um ein Ermessen auf der Rechtsfolgenseite, also hinsichtlich des „Ob“ des Ausschlusses. Der Auftraggeber kann also grundsätzlich im Rahmen der zulässigen Ermessensausübung von einem Ausschluss eines Bieters absehen, auch wenn der fakultative Ausschlussgrund tatbestandlich nachweislich vorliegt.29 Der Auftraggeber ist in Ausübung seines Ermessens gehalten, zu entscheiden, ob aufgrund des Fehlverhaltens des Unternehmens im Rahmen des § 124 GWB, die Zuverlässigkeit des Unternehmens nicht gegeben ist. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung dahingehend, ob von dem Unternehmen trotz des Vorliegens eines fakultativen Ausschlussgrundes im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten ist, dass es den öffentlichen Auftrag gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführt. Im Einzelfall und abhängig von dem anwendbaren Ausschlussgrund kann das Ermessen des öffentlichen Auftraggebers auf Null reduziert sein, so dass nur ein Ausschluss ermessensfehlerfrei ist.30 Bei Ausübung des Ermessens ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Bei kleineren Unregelmäßigkeiten soll daher nur in Ausnahmefällen ein Ausschluss geboten sein. Wiederholte Fälle kleinerer Unregelmäßigkeiten können wiederum einen Ausschluss rechtfertigen.31 Vor dem Hintergrund der vorliegenden Arbeit ist insbesondere der fakultative Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB hervorzuheben. § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB greift die Formulierung des Verbots wettbewerbsbeschrän28 

Begr. Bundesregierung zum VergRModG, S. 125 ff. Begr. Bundesregierung zum VergRModG, S. 128 ff. 30  Begr. Bundesregierung zum VergRModG, S. 128 ff. 31  Vgl. Erwägungsgrund 101 VRL. 29 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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kender Vereinbarungen in § 1 GWB auf. Dieser Ausschlussgrund ist nicht auf Fälle von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen im Rahmen des laufenden Vergabeverfahrens beschränkt. Alle sonstigen Ausschlussgründe spielen bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung – jedenfalls unmittelbar – keine Rolle. 3.  Ausschluss von Angeboten (§ 57 VgV) Im Rahmen der Prüfung nach § 57 VgV entscheidet der öffentliche Auftraggeber, welche Angebote auszuschließen sind. Auszuschließen sind Angebote von Unternehmen, welche die vorgegebenen Eignungskriterien nicht erfüllen sowie sonstige unzulässigen Angebote. Unzulässig sind solche Angebote, die den Erfordernissen des § 53 VgV nicht genügen. Im Hinblick auf die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit könnte insbesondere der Ausschlussgrund des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV im Einzelfall eine Rolle spielen. Ein Angebot wird danach ausgeschlossen, wenn es von dem öffentlichen Auftraggeber geforderte Unterlagen nicht oder nicht vollständig enthält. Erfasst ist sowohl der Fall, dass Erklärungen und Nachweise in den Vergabeunterlagen gefordert wurden und nicht von dem Auftraggeber nachgefordert wurden als auch der Fall, dass der Auftraggeber Erklärungen und Nachweise zulässigerweise (d. h. gemäß § 56 VgV) nachgefordert hat und diese den Auftraggeber nicht form- und fristgerecht erreichen. Auftraggeber können jedoch die Unternehmen gemäß § 56 VgV auffordern, ggf. noch fehlende Angaben zu ergänzen, um so den möglichen Ausschlussgrund zu beseitigen.32

V.  Eignung und Eignungsprüfung Öffentliche Aufträge werden nach dem allgemeinen Grundsatz des § 122 Abs. 1 GWB an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach § 123 GWB (Zwingende Ausschlussgründe) oder § 124 GWB (Fakultative Ausschlussgründe) ausgeschlossen worden sind. Unternehmen, welche sich um die Erteilung eines öffentlichen Auftrags bemühen, müssen daher nach ihrer personellen, finanziellen und technischen Ausstattung in der Lage sein, den ausgeschriebenen Auftrag auszuführen.33. Ob ein Unternehmen diese Anforderungen erfüllt, versucht der öffentliche Auftraggeber durch eine unternehmensbezogene Untersuchung anhand vorab festgelegter Eignungskriterien 32 

Vgl. hierzu oben 2. Teil, A. V. 2. BGH NZBau 2008, 505; OLG München VergabeR 2013, 923; OLG Düsseldorf Beschl. v. 6. 5. 2011 – VII-Verg 26/11, VK Niedersachsen Beschl. v. 8. 10. 2014 – VgK-37/2014; Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 12. 33 

A.  Grundlagen des Vergaberechts

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festzustellen.34 Unternehmen, bei denen die Eignung zu verneinen ist, dürfen einen öffentlichen Auftrag nicht erhalten und müssen vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.35 Da gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen des Bieters in der Regel eignungsrelevante Gesichtspunkte des ausgeschriebenen Auftrags nicht unberührt lassen, sollen im Folgenden die wesentlichen Fragen der Eignung und der Eignungsprüfung dargestellt werden. Die Folgen und etwaige Konsequenzen für ein betroffenes Unternehmen, sind unter 3. Teil, E. dieser Arbeit näher ausgeführt. 1.  Historie zu § 122 GWB Im Zuge der Vergaberechtsmodernisierung wurden die Vorgaben der Eignung und der Eignungsprüfung in § 122 GWB neu gefasst. Während nach der bisher maßgeblichen Vorschrift des § 97 Abs. 4 S. 1 GWB aF die Eignung anhand der vier Kriterien „Fachkunde“, „Leistungsfähigkeit“, „Zuverlässigkeit“ und „Gesetzestreue“ bestimmt wurde, richtet sich der neue § 122 GWB nach den drei durch Art. 58 Abs. 1 VRL aufgestellten Kriterien. – der Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung, – der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit und – der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit.36 Die Begriffe „Fachkunde“ und „Leistungsfähigkeit“ bleiben dem gesetzlichen Wortlaut des § 122 GWB zwar erhalten, ihnen soll aber nach zutreffender Auffassung keine eigenständige inhaltliche Bedeutung mehr zukommen37, da sie vollständig durch die in § 122 Abs. 2 GWB aufgeführten und den drei der VRL entsprechenden Kategorien ausgefüllt werden.38 Die bislang zur Definition der Eignung herangezogenen Rechtsbegriffe der Zuverlässigkeit und Gesetzestreue in § 97 Abs. 4 GWB a. F. hat der Gesetzgeber hingegen als Eignungskriterien gestrichen. Diese (ehemaligen) Eignungskriterien werden durch die an Art. 57 VRL orientierten Ausschlussgründe in §§ 123, 124 GWB abgedeckt.39

34  BGH NZBau 2008, 505; OLG Düsseldorf Beschl. v. 6. 5. 2011 – VII-Verg 26/11; Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 2. 35  Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 3. 36  BT-Drs. 18/6281, 100; Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 5. 37  Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 5. 38  Vgl. BT-Drs. 18/6281, 100. 39  BT-Drs. 18/6281, 101.

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

2.  Begriff der Eignung, Eignungskriterien und Nachweise a)  Begriff der Eignung Nach § 122 Abs. 1 GWB werden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 GWB ausgeschlossen worden sind. Damit definiert § 122 Abs. 1 GWB die Eignung mit den allgemeinen Eignungskriterien der Fachkunde und Leistungsfähigkeit. Die nach alter Rechtslage noch als „Fachkunde“ bezeichnete Eigenschaft eines Unternehmens lag vor, wenn das Unternehmen über die Sachkenntnisse und technischen Fertigkeiten verfügt, die für die Durchführung der geforderten Leistung erforderlich sind.40 Die Leistungsfähigkeit hingegen stellte darauf ab, ob das Unternehmen des Bieters über die notwendigen personellen, kaufmännischen, technischen und finanziellen Mittel verfügt, um den konkret zu vergebenden Auftrag fachlich einwandfrei und fristgerecht ausführen zu können.41 Wie oben bereits ausgeführt, haben diese beiden Begriffe keine eigenständige Bedeutung mehr, sondern gehen in den abschließend festgelegten Eignungskriterien auf. b)  Festlegung der Eignungskriterien, insbesondere Mindestanforderungen Der Rahmen der möglichen Eignungskriterien ist in § 122 Abs. 2 GWB bestimmt.42 Sämtliche Eignungs- sowie Eignungsunterkriterien, die ein öffentlicher Auftraggeber von den Unternehmen fordert, müssen sich daher unter eines der drei gesetzlich genannten Kriterien subsumieren lassen.43 Nach § 122 Abs. 4 GWB hat der Auftraggeber außerdem darauf zu achten, dass die von ihm festgelegten Eignungskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und in einem angemessenen Verhältnis zu diesem stehen („Grundsatz der Auftragsbezogenheit“). In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Möglichkeit des Auftraggebers zur Festlegung von Mindestanforderungen an die Unternehmen zu erwähnen. Durch die Angabe von Mindestanforderungen kann der öffentliche Auftraggeber – neben den Eignungskriterien an sich – verbindlich festlegen, welche spezifischen inhaltlichen Anforderungen an die wirtschaftliche und finanzielle und/ oder die berufliche und technische Leistungsfähigkeit die Bieter im Hinblick

40  Kus/Kulartz, in: Kulartz/Kus/Portz, GWB, § 97 Rn. 102 ff. m. w. N.; HK-VergabeR/ Fehling, § 97 GWB Rn. 113; KKPP/Hausmann/von Hoff, § 122 GWB Rn. 12 f. 41  VK Bund Beschl. v. 10. 12. 2003 – VK 1 – 116/03. 42  BT-Drs. 18/6281, 100. 43  Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 26.

A.  Grundlagen des Vergaberechts

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auf den konkret zu vergebenden Auftrag in jedem Fall erfüllen müssen.44 Eine Mindestanforderung liegt nach einer Definition von Friton in Abgrenzung zu Eignungs(unter)kriterien dann vor, „wenn der Auftraggeber im Rahmen der Festlegung eine inhaltliche Anforderung derart konkret stellt, dass er ohne weitere Begründung und lediglich unter Verweis auf diese Anforderung die wirtschaftliche und finanzielle und/oder die berufliche und technische Leistungsfähigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers bejahen oder verneinen kann.“45

Als Mindestanforderungen sieht das Gesetz beispielhaft einen bestimmten Mindestumsatz (vgl. § 45 Abs. 2 VgV und § 6a Nr. 2 Buchst. c VOB/A-EU) oder eine bestimmte Mindestbetriebsgröße vor.46 Es ist offensichtlich, dass der öffentliche Auftraggeber durch die Festlegung von Mindestanforderungen an die Eignung, den Bieterkreis erheblich beschränken kann.47 Hat der öffentliche Auftraggeber einmal Mindestanforderungen an die Eignung gestellt, ist er hieran gebunden. Ein nachträgliches Abweichen verstieße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und ist daher dann nicht mehr zulässig.48 c)  Festlegung der Eignungsnachweise Art. 60 VRL i. V. m. Annex XII gibt ausdrücklich vor, welche Nachweise ein Auftraggeber von den Unternehmen verlangen kann. Die dort aufgeführten Nachweise sind – mit Ausnahme der Nachweise, die sich auf wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit beschränken – abschließend aufgeführt.49 Die unionsrechtlichen Vorgaben wurden vom nationalen Gesetzgeber in den §§ 45 ff. VgV sowie den §§ 6b f. VOB/A-EU für die jeweiligen Eignungskriterien umgesetzt. Im Einzelnen können sich Bieter je nach Vorgabe der Vergabestelle neben der Vorlage der Originalnachweise den folgenden Methoden zum Nachweis ihrer Eignung bedienen. aa)  Formlose Eigenerklärungen Entsprechend der mit der Vergaberechtsreform verfolgten Ziele einer Erleichterung der praktischen Anwendung des Gesetzes, einer effizienteren, einfacheren 44  OLG Koblenz NZBau 2012, 724; OLG Frankfurt Beschl. v. 13. 12. 2011 – 11 Verg 8/11; Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 28. 45  Vgl. Friton, 2016, 349. 46  Vgl. OLG Düsseldorf Beschl. v. 2. 1. 2006 – Verg 93/05; VK Sachsen-Anhalt Beschl. v. 10. 6. 2009 – 2 VK LVwA LSA-13/09. 47  Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 28. 48  Vgl. OLG Koblenz NZBau 2012, 724. 49  Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 29.

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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und flexibleren Gestaltung von Vergabeverfahren sowie einer Verringerung des Bürokratieaufwands50 sollen im Rahmen der VgV vorrangig (formlose) Eigenerklärungen zum Nachweis der Eignung ausreichend sein (vgl. § 48 Abs. 2 VgV). Es bleibt dem Auftraggeber allerdings unbenommen, einen Bieter jederzeit dazu aufzufordern, sämtliche oder einzelne Originalnachweise vorzulegen, sofern dies für die ordnungsgemäße Durchführung des Vergabeverfahrens erforderlich ist (§ 50 Abs. 2 S. 1 VgV). Bei Vergaben nach der VOB/A gilt der Vorrang der (formlosen) Eigenerklärung nicht. Hier liegt die Zulassung von Eigenerklärungen grundsätzlich im Ermessen des Auftraggebers (vgl. § 6b Abs. 1 Nr. 2 VOB/AEU) bzw. ist die Vorlage von Originalnachweisen in bestimmten Verfahrenssituationen verpflichtend (vgl. § 6b Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 VOB/A-EU). bb)  Präqualifizierungssystem Unternehmen können ihre Eignung darüber hinaus mittels der Eintragung in sog. Präqualifizierungssystemen erbringen (vgl. § 122 Abs. 3 GWB). Dabei gilt entsprechend den in § 48 Abs. 8 VgV bzw. § 6b Abs. 1 Nr. 1 VOB/A-EU umgesetzten Vorgaben des Art. 64 Abs. 1 VRL für in einem amtlichen Verzeichnis eingetragene oder zertifizierte Unternehmen eine Eignungsvermutung im Hinblick auf die von ihnen hinterlegten Nachweise.51 cc)  Einheitliche Europäische Eigenerklärung Seit der Reform des Vergaberechts besteht für Unternehmen nun auch die Möglichkeit den Eignungsnachweis durch die sog. „Einheitliche Europäische Eigenerklärung“ („EEE“) zu erbringen. Auftraggeber müssen die Erklärung akzeptieren, wenn sie durch den Bieter vorgelegt wird. Die Einheitliche Europäische Eigenerklärung ist dabei nach § 50 Abs. 1 VgV in der Form des Standardformulars des Anhangs 2 der Durchführungsverordnung 2016/7/EU der Kommission vom 5. Januar 2016 zur Einführung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung abzugeben. Dieses Formular sieht insbesondere die förmliche Erklärung des Bieters vor, dass die jeweiligen Ausschlussgründe nicht vorliegen und dass die jeweiligen Eignungskriterien – sowie bei Teilnahmewettbewerben die Kriterien zur Auswahl der Bewerber – erfüllt sind. Ferner enthält es die förmliche Erklärung, dass der Bieter in der Lage sein wird, auf Anfrage geforderte Bescheinigungen und Unterlagen unverzüglich beizubringen. Im Interesse eines geringen Verwaltungsaufwands kann ein Bieter dann auch Angaben, die er bereits bei einer früheren Auftragsvergabe in einer Erklärung gemacht hat, mit Hilfe des EEE-Dienstes wiederverwenden, sofern diese nach wie vor korrekt und relevant 50  51 

Vgl. BT-Drs. 18/6281, 1 f. Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 55.

A.  Grundlagen des Vergaberechts

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sind. Für zusätzliche oder nicht mehr zutreffende Informationen muss der Bieter aber eine neue Einheitliche Europäische Eigenerklärung abgeben (vgl. hierzu die Anleitung in Anhang I der Durchführungsverordnung 2016/7/EU). Bieter, die sich zum Nachweis der Eignung Dritter bedienen, haben zu beachten, dass für alle Teilnehmer separate Erklärungen vorgelegt werden müssen.52 d)  Eignungskriterien und Nachweise im Einzelnen aa)  Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung (§ 122 Abs. 2 Nr. 1) Die Anforderungen, welche öffentliche Auftraggeber an die Bieter zum Nachweis der Erlaubnis zur Berufsausübung stellen, ergeben sich aus den Vorgaben des Art. 58 Abs. 2 VRL und finden sich im nationalem Recht in § 44 VgV (s. auch § 6a Nr. 1 VOB/A-EU). Öffentliche Auftraggeber können von den Unternehmen zur Erfüllung der Erlaubnis zur Berufsausübung verlangen, dass diese entweder die Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister oder auf andere Weise die erlaubte Berufsausübung in ihrem Niederlassungsstaat nachweisen. Für Deutschland sind nach Anhang XI der VRL das „Handelsregister“, die „Handwerksrolle“ sowie für Dienstleistungsaufträge das „Vereinsregister“, das „Partnerschaftsregister“ und die „Mitgliederverzeichnisse der Berufskammern der Länder“ maßgeblich. bb)  Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 GWB) Öffentliche Auftraggeber sind grundsätzlich frei darin, die inhaltlichen Anforderungen an Unternehmen hinsichtlich deren wirtschaftlicher und finanzieller Leistungsfähigkeit für die Durchführung eines öffentlichen Auftrags zu stellen. Mit § 122 Abs. 2 Nr. 2 GWB wird der Art. 58 Abs. 1 Lit. b i. V. m. Abs. 3 VRL umgesetzt, Einzelheiten regeln auf nationaler Ebene § 45 VgV sowie § 6a EU Nr. 2 VOB/A. § 45 VgV führt beispielhaft folgende Gesichtspunkte auf: – Jahresumsatz für die letzten drei Geschäftsjahre, sofern dem Unternehmen entsprechende Angaben zur Verfügung stehen; – Umsatz mit auftragsgegenständlichen Leistungen; – Bilanzen zur Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten; – Berufs- und Betriebshaftpflichtversicherungen; – ggf. Mindestumsatz.

52 

Vgl. hierzu die Anleitung in Anhang I der Durchführungsverordnung 2016/7/EU.

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

Zum Nachweis können Jahresabschlüsse, Bankerklärungen sowie Erklärungen über den Gesamtumsatz und gegebenenfalls die Angabe des Umsatzes in dem Tätigkeitsbereich des Auftrags verlangt werden.53 cc)  Technische und berufliche Leistungsfähigkeit (§ 122 Abs. 2 Nr. 3 GWB) Nachweise über die technische und berufliche Leistungsfähigkeit sollen dem öffentlichen Auftraggeber die Einschätzung ermöglichen, ob der jeweilige Bieter über die für eine qualitativ angemessene Auftragsdurchführung erforderlichen personellen und technischen Ressourcen verfügt.54 Die vom öffentlichen Auftraggeber bei der Festlegung dieses Eignungskriteriums zu beachtenden Vorgaben sind in § 46 VgV und § 6a EU Nr. 3 VOB/A konkretisiert. Der Anhang XII zur VRL, welcher auf nationaler Ebene in § 46 Abs. 3 VgV und § 6a EU Nr. 3 VOB/A übernommen wurde, listet die Nachweise, welche der öffentliche Auftraggeber je nach Art, Menge oder Umfang oder Verwendungszweck der ausgeschriebenen Leistung verlangen darf, abschließend auf.55 Als mögliche Nachweise kommen insofern beispielsweise geeignete Referenzen über in den letzten drei Jahren ausgeführte Liefer- und Dienstleistungsaufträge in Form einer Liste, Angaben zu technischen Fachkräften, Erklärungen zur durchschnittlichen Beschäftigtenzahl in den letzten drei Jahren oder eine Beschreibung der technischen Ausrüstung des Unternehmens in Betracht.56 Nach Art. 58 Abs. 4 Unterabs.2 VRL kann ein öffentlicher Auftraggeber u. a. davon ausgehen, dass ein Unternehmen nicht über die erforderliche berufliche Leistungsfähigkeit verfügt, wenn festgestellt wurde, dass das Unternehmen kollidierende Interessen hat, welche die Auftragsausführung negativ beeinflussen können. 3.  Eignungsprüfung Nach Einreichung der Angebote ist durch den öffentlichen Auftraggeber zu prüfen, ob das Angebot die erforderlichen Nachweise enthält und ob die vorgelegten Nachweise die Eignung des Unternehmens belegen.57 Ziel der Eignungsprü53  § 45 Abs. 4 VgV; etwas restriktiver jedoch § 6a Nr. 2 aE VOB/A-EU; vgl. Friton/ Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 39. 54  Vgl. Art. 58 Abs. 4 RL 2014/24 EU. 55  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07. 05. 2014 – VII-Verg 46/13; vgl. Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 40; vgl. dazu auch Arrowsmith, Rn. 14 – 47. 56  Vgl. Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 41. 57  OLG Düsseldorf Beschl. v. 26. 11. 2008 – VII-Verg 54/08; KKPP/Hausmann/von Hoff, § 122 GWB Rn. 5; Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 12.

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fung ist die finale Festlegung des öffentlichen Auftraggebers, ob das betreffende Unternehmen die erforderliche Eignung zur Ausführung des Auftrags mit sich bringt.58 Werden die durch den Auftraggeber aufgestellten Anforderungen nicht erfüllt, ist das entsprechende Unternehmen zwingend von dem Vergabeverfahren auszuschließen.59 a)  Beurteilungsspielraum und Prognoseentscheidung Der öffentliche Auftraggeber trifft nach bisher herrschender Auffassung die Entscheidung über die Erfüllung der Eignungskriterien durch die Bieter auf der Grundlage einer „fachlich-tatsächlichen Prognose“, welche gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist.60 Durch die Vergabeinstanzen überprüfbar sind nur die rechtlichen Grenzen des dem öffentlichen Auftraggeber eingeräumten Entscheidungsspielraums. Diese Grenzen seien beispielsweise überschritten, wenn vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten, von unzutreffenden bzw. nicht hinreichend ermittelten oder überprüften Sachverhalten ausgegangen, sachwidrige Erwägungen angestellt oder Beurteilungsmaßstäbe unzutreffend angewandt worden sind.61 Eine Nachforschungspflicht besteht nicht. Die Vergabestelle darf sich auf die von den Bietern vorgelegten Nachweise und Eigenerklärungen verlassen.62 b)  Zeitpunkt der Vornahme der Eignungsprüfung Die Prüfung der materiellen Eignung erfolgt in Abhängigkeit des jeweils durchgeführten Vergabeverfahrens. Beim offenen Verfahren findet die Prüfung nach Öffnung derjenigen eingegangenen Angebote, die nicht aufgrund inhaltlicher oder formeller Mängel auszuschließen waren.63 Die Eignungsprüfung muss beim offenen Verfahren nicht zwingend vor Beginn der Zuschlagsprüfung abgeschlossen sein.64 58 

VK Bund Beschl. v. 9. 9. 2010 – VK 3 – 87/10. Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 3. 60  Vgl. OLG München Beschl. v. 5. 10. 2012 – Verg 15/12; OLG Düsseldorf Beschl. v. 6. 5. 2011 – VII-Verg 26/11; OLG Düsseldorf Beschl. v. 5. 10. 2005 – VII-Verg 55/05. 61  Vgl. zB OLG Karlsruhe VergabeR 2016, 105; OLG München Beschl. v. 5. 10. 2012 – Verg 15/12; OLG Düsseldorf Beschl. v. 6. 5. 2011 – VII-Verg 26/11; OLG Düsseldorf NZBau 2005, 597; OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 30. 3. 2004 – 11 Verg 4/04 u. 5/04. 62  OLG München Beschl. v. 5. 10. 2012 – Verg 15/12. 63  Hausmann/von Hoff, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, § 122 Rn. 9; Braun, in: Handbuch VergabeR § 28 Rn. 46. 64  Siehe auch nachfolgenden lit. c sowie § 42 Abs. 3 VgV, der keine zwingende Reihenfolge der Wertungsstufen vorschreibt bzw. Art. 56 Abs. 2 RL 2014/24/EU, wonach der Auftraggeber die Angebotsprüfung vor der Eignungsprüfung durchführen kann. 59 

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Beim zweistufigen Verfahren (also beim nicht offenen Verfahren, Verhandlungsverfahren, wettbewerblicher Dialog oder Innovationspartnerschaft) erfolgt die Eignungsprüfung hingegen im Anschluss an den Teilnahmewettbewerb im Rahmen der Auswahl der Bieter, da zur Angebotsabgabe von vorneherein nur geeignete Bewerber zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden sollen.65 c)  Zeitpunkt des Vorliegens der Eignungsvoraussetzungen Eine andere Frage als diejenige, wann innerhalb eines Verfahrens die Eignungsprüfung durchgeführt wird, ist die Frage, wann das Unternehmen das tatsächliche Vorliegen der Eignungsvoraussetzungen nachweisen muss. Grundsätzlich gilt, dass die Eignung bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens, d. h. im Zeitpunkt der Zuschlagsentscheidung vorliegen muss.66 Entscheidend muss immer sein, ob für die Ausführung des konkreten Auftrags im Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine zumindest weitgehend positive Prognoseentscheidung getroffen werden kann. Unabhängig von etwaigen Veränderungen des Erklärungsgehalts bereits eingereichter Eignungsnachweise geht die jüngere Rechtsprechung überdies zum Teil sogar davon aus, dass es zumindest im Hinblick auf Personal und sachliche Mittel grundsätzlich nicht erforderlich ist, dass dem Bieter die zur Leistungserbringung erforderlichen Ressourcen im Zeitpunkt der Wertung der Angebote oder der Zuschlagserteilung bereits tatsächlich zur Verfügung stehen.67 Vielmehr genüge auch die konkrete und berechtigte Erwartung, dass der Bieter aufgrund seiner technischen, organisatorischen und finanziellen Ausstattung bereit und in der Lage sei, den Auftrag zu erfüllen.68 Bei der vom Auftraggeber insoweit zu treffenden Prognoseentscheidung komme es dann entscheidend darauf an, ob der Bieter bei Angebotsabgabe überzeugend darlegen kann, bis zum tatsächlichen Leistungsbeginn über die erforderlichen Mittel zu verfügen. d)  Bindung des Auftraggebers an die Eignungsentscheidung Die Rechtsprechung geht bisher davon aus, dass bei unveränderter Sachlage eine einmal getroffene Entscheidung über die Eignung eines Bieters den Auf65 

Hausmann/von Hoff, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, § 122 Rn. 9. OLG Düsseldorf NZBau 2007, 461; OLG Hamburg NZBau 2002, 519; Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 19. 67 OLG Düsseldorf Beschl. v. 4.  2. 2013 – VII-Verg 52/12; Beschl. v. 23. 5. 2012 – VII-Verg 4/12; VK Bund Beschl. v. 1. 7. 2013 – VK 1 – 45/13; VK Nordbayern Beschl. v. 18. 9. 2008 – 21 VK- 3194 -44/08; Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 19. 68  OLG Düsseldorf Beschl. v. 4. 2. 2013 – VII-Verg 52/12. 66 

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traggeber bindet.69 Diese Bindungswirkung wurde durch den BGH bei offenen Verfahren jedoch verneint, da die Bieter den Aufwand der Angebotserstellung im offenen Verfahren bereits vor der Eignungsprüfung erbrächten und insoweit kein Vertrauensschutz bestehe.70 Lediglich im nicht offenen Verfahren, im Verhandlungsverfahren sowie im wettbewerblichen Dialog könnten Bieter auf den Bestand der Eignungsentscheidung vertrauen, da der Auftraggeber die Eignung der Bewerber hier erst prüfe, bevor er sie zur Angebotsabgabe auffordere und diese ihr Angebot erstellt hätten.71 Etwas anderes gilt, wenn sich die Umstände hinsichtlich eignungsrelevanter Tatsachen nach erfolgter Entscheidung der Vergabestelle verändern. Ergeben sich nach der Durchführung der Eignungsprüfung aufgrund neu auftretender oder erst später bekannt gewordener Umstände Zweifel an der Eignung eines Bieters, verändert sich die Sachlage demnach also zu Lasten eines Bieters, so müssen diese neuen Umstände grundsätzlich in jeder Phase des Vergabeverfahrens durch die Vergabestelle berücksichtigt werden können und ein erneuter Einstieg in die Eignungsprüfung möglich sein.72 Der oben angesprochene Vertrauensschutz wird dabei generell nicht angenommen, da die Vergabestelle nicht gezwungen werden dürfe, sehenden Auges einen ungeeigneten Bieter zu beauftragen.73 Ein Auftraggeber ist beispielsweise nicht gehindert, sondern im Gegenteil sogar verpflichtet die Eignungsprüfung nochmals aufzugreifen, wenn er nach Angebotsabgabe von einem Sachverhalt erfährt, der einen Ausschluss rechtfertigen würde.74 Es würde, so das OLG Düsseldorf, „dem Zweck der Bestimmung in unerträglicher Weise widersprechen, wenn die Vergabestelle an ihre einmal getroffene Zulassungsentscheidung in dem Sinne gebunden wäre, dass sie die Zuverlässigkeitsprüfung in der Phase unmittelbar vor der Wertung der Angebote nicht mehr nachholen könnte“.

Ein erneuter Einstieg in die Eignungsprüfung ist daher geradezu notwendig, wenn entsprechende Entwicklungen die einmal getroffene Entscheidung in Frage stellen. Demnach muss auch auf veränderte Umstände wie z. B. in Folge von ge69  OLG Jena ZfBR 2013, 824; OLG Düsseldorf Beschl. v. 9. 6. 2010 – VII-Verg 14/10; OLG Frankfurt VergabeR 2009, 629. 70  BGH NZBau 2014, 185, 188 f.; Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 20. 71  BGH NZBau 2014, 185, 188 f.; Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 20. 72  BGH NZBau 2014, 185; OLG Naumburg ZfBR 2015, 204; OLG Düsseldorf Beschl. v. 9. 6. 2010 – VII-Verg 14/10; OLG Düsseldorf VergabeR 2001, 419; vgl. auch Arrowsmith, Rn.  12 – 09. 73  OLG Düsseldorf Beschl. v. 4. 2. 2013 – VII-Verg 52/12; OLG Celle NZBau 2007, 663. 74  Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 07. 2001 – Verg 16/01.

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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sellschaftsrechtlichen Veränderungen entsprechend reagiert werden. So hat auch die VK Münster richtigerweise entschieden: „Kommt es […] zu einer Veränderung in der gesellschaftsrechtlichen Struktur bei einem Bieter, so kann die Vergabestelle im Rahmen ihrer Beurteilungsentscheidung, die Eignung des neuen Bieters ohne weiteres überprüfen. Auch wenn die Eignungswertung schon abgeschlossen ist, besteht die Möglichkeit, diese erneut vorzunehmen, wenn neue Sachverhalte auftreten, wie beispielsweise die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung.“

Ändern sich die Umstände hingegen zugunsten des Bieters, werden diese nach herrschender Auffassung nicht berücksichtigt.75 Eine Berücksichtigung solcher Umstände nach Ablauf der Vorlagefristen für Eignungsnachweise würde wegen der damit zwangsläufig verbundenen Aufhebung dieser Fristen für den betreffenden Bieter gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstoßen.76 e)  Nachforderung fehlender Nachweise Ein nicht vorhandener Nachweis muss nicht zwingend zu einem Angebotsausschluss des Bieters führen. Vielmehr kann der fehlende Nachweis vom Auftraggeber unter Berücksichtigung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung sowie unter Fristsetzung nachgefordert werden. Gesetzliche Regelungen zur Nachforderung von Nachweisen finden sich in § 56 VgV sowie davon abweichend für Vergaben im Baubereich in § 16a VOB/A-EU. Nach § 56 Abs. 2 VgV kann der öffentliche Auftraggeber die Bewerber oder Bieter auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, insbesondere Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen oder sonstige Nachweise, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, oder fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen nachzureichen oder zu vervollständigen. Das Gesetz differenziert bei der Nachforderung von Unterlagen also zwischen „unternehmensbezogenen“ und „leistungsbezogenen“ Unterlagen. Fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen können nachgereicht, vervollständigt oder korrigiert werden, während fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen nur nachgereicht oder vervollständigt werden können. „Unternehmensbezogene Unterlagen“ betreffen die Angaben des Bieters, welche für die Eignungsprüfung relevant sind. So werden in § 56 Abs. 2 VgV als „unternehmensbezogene Unterlagen“ beispielhaft Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen oder sonstige Nachweise genannt. „Leistungsbezogene Unterlagen“ sind beispielsweise Typen-, Produkt-, Fabrikatsangaben. Eine Einschränkung der Nachforderungsmöglichkeit ergibt 75 

Ziekow/Völlink/Ziekow, § 97 Abs. 4 GWB Rn. 95. OLG München Beschl. ZfBR 2015, 809, 812; Ziekow/Völlink/Ziekow, § 97 Abs. 4 GWB Rn. 95; siehe hierzu auch nachfolgende Ziffer 4. 76 Vgl.

A.  Grundlagen des Vergaberechts

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sich aus § 56 Abs. 3 VgV, wonach die Nachforderung von leistungsbezogenen Unterlagen, welche die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien betreffen, gänzlich ausgeschlossen ist. Hinsichtlich der Nachforderung von Preisangaben verbleibt es bei der bisherigen Regelung des § 19 Abs. 2 S. 2 EG VOL/A. Preisangaben dürfen nachgefordert werden, wenn es sich um unwesentliche Einzelpositionen handelt, deren Einzelpreise den Gesamtpreis nicht verändern oder die Wertungsreihenfolge und den Wettbewerb nicht beeinträchtigen. Die Entscheidung über die Nachforderung von Unterlagen kann der Auftraggeber nach eigenem Ermessen treffen. Er kann die Nachforderung auf diejenigen Bieter oder Bewerber beschränken, deren Teilnahmeanträge oder Angebote in die engere Wahl kommen.77 Er ist nicht verpflichtet, von allen Bietern oder Bewerbern gleichermaßen Unterlagen nachzufordern. Will der öffentliche Auftraggeber die Nachforderung fehlender Nachweise von vorneherein ausschließen, sieht § 56 Abs. 2 S. 2 VgV ausdrücklich die Möglichkeit vor, bereits in der Auftragsbekanntmachung festzulegen, dass er keine Unterlagen nachfordern wird.78 Nach § 56 Abs. 4 VgV muss das Nachreichen von Unterlagen mit einer angemessenen Fristsetzung verbunden werden. Die Länge der Frist ist dabei dem Ermessen des öffentlichen Auftraggebers überlassen, weil der Zeitaufwand je nach nachzureichender Unterlage verschieden ausfallen kann. Angebote von Bietern, die nach dem Ablauf der Nachforderungsfrist nicht alle nachgeforderten Unterlagen nachgereicht haben, sind endgültig vom Vergabeverfahren auszuschließen. Bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge verbleibt es bei der bisherigen Regelung des (vgl. § 16a EU VOB/A)79. Es besteht eine Nachforderungspflicht des Auftraggebers. Die Vorlage der Erklärungen oder Nachweise muss innerhalb einer Frist von sechs Kalendertagen nach Aufforderung erfolgen. Nachforderungsfähig sind nur fehlende geforderte Erklärungen oder Nachweise. 4.  Verhältnis der Eignungsprüfung zu der Zuschlagsentscheidung – „Kein Mehr an Eignung“ Bisher galt, dass ein Vergleich der unterschiedlichen Eignungsgrade der Bieter nicht stattfindet.80 Ein Bieterunternehmen ist entweder geeignet oder nicht. Ein „besser geeignetes“ Unternehmen gibt es insoweit in der Phase der Eignungsprüfung nicht. Die Frage, ob ein Unternehmen „besser“ ist als ein Mitbewerber, ist 77 Vgl. Begründung des Bundesrates zur Vergaberechtsmodernisierungsverordnung (VgV) vom 29. 02. 2016, Drucks. 87/16, S. 209. 78  Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 46. 79  § 16 Abs. 1 Nr. 3 EG VOB/A. 80  Vgl. Ziekow/Völlink/Ziekow, § 97 GWB Rn. 92.

54

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

vielmehr im Rahmen der ebenfalls vom Auftraggeber zu treffenden Zuschlagsentscheidung zu beantworten. Die Eignungsprüfung stellte eine inhaltlich selbstständige Prüfung im Rahmen der Prüfung und Wertung von Angeboten dar, die von der Entscheidung über den Zuschlag zu trennen ist.81 Eignungskriterien und Zuschlagskriterien durften daher bislang nicht miteinander vermischt werden.82 Der EuGH hat zuletzt allerdings klargestellt, dass jedenfalls bei Dienstleistungen mit intellektuellem Charakter die berufliche Qualifikation und Erfahrung der konkret für die Ausführung vorgesehenen Mitarbeiter als Merkmale der „Qualität“ eines Angebots bewertet werden dürfen.83 Nach der (auf altem Recht beruhenden) Rechtsprechung des EuGH kann die strikte Trennung von Eignungsund Zuschlagskriterien daher dahingehend aufgeweicht werden, dass die Qualifikation und Erfahrung der mit der Leistungserbringung vertrauten Person als Zuschlagskriterien herangezogen werden kann, sofern diese erheblichen Einfluss auf die Qualität des Angebots haben können.84 In diesem Rahmen können daher künftig auch eigentlich eher als Eignungskriterien zu verwendende Kriterien als Wertungskriterien bei der Zuschlagsentscheidung herangezogen werden.85 Dies wurde entsprechend auch national auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Nach § 58 Abs. 2 Nr. 2 VgV können nunmehr auch die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals als Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. Trotz dieser Aufweichung gilt aber das sog. „Doppelverwertungsverbot“. Kriterien, die bereits im Rahmen der Eignungsprüfung berücksichtigt wurden, dürfen keine doppelte Berücksichtigung bei der Zuschlagsentscheidung finden. Öffentliche Auftraggeber sollten daher frühzeitig festlegen, welche Kriterien sie in welcher Stufe des Vergabeverfahrens zugrunde legen wollen.

VI.  Die nachträgliche Änderung des Angebotsinhalts Nicht selten besteht ein Bedürfnis der Beteiligten, Einzelheiten des ausgeschriebenen Auftrags durch Verhandlungen zu modifizieren. Die gesetzlich vorgeschriebene Förmlichkeit der jeweiligen Verfahrensart und die dort zu beachtenden Prinzipien und zu schützenden Bieterinteressen determinieren, bis zu 81 HK-VergabeR/Fehling § 97 GWB Rn. 106; Ziekow/Völlink/Ziekow, § 97 GWB Rn. 92; MüKoKartellR/Hölzl § 97 GWB Rn. 137. 82  OLG Düsseldorf NZBau 2009, 269; zusammenfassend zur alten Rechtslage Dittmann, NZBau 2013, 746. 83  EuGH, Urt. v. 26. 3. 2015 – Rs. C-601/13. 84  OLG Düsseldorf NZBau 2015, 440; OLG Düsseldorf ZfBR 2016, 104. 85  Friton/Bayer, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 122 Rn. 14 f.

A.  Grundlagen des Vergaberechts

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welchem Zeitpunkt und vor allem in welchem Ausmaß sowohl seitens der Bieter als auch seitens des öffentlichen Auftraggebers Einfluss auf den Angebotsinhalt nach Ablauf der Angebotsfrist genommen werden kann bzw. genommen werden darf. Das Verhandlungsverfahren lässt durch den im Vergleich zum offenen und nicht offenen Verfahren weniger strengen Formalismus grundsätzlich ausreichend Gestaltungsspielraum zur Einflussnahme auf den Vertragsinhalt.86 So ist es dem Verhandlungsverfahren gerade immanent, dass der eigentliche Vertragsinhalt im Wege von „Verhandlungen“ erst ermittelt und insofern im Rahmen eines fortlaufenden Prozesses ständig angepasst wird. Das in der Regel durchzuführende offene und auch das nicht offene Verfahren stellen jedoch in Folge der beabsichtigten Marktöffnung erhöhte Anforderungen an die Transparenz des Vergabeverfahrens. Mit dem Ziel des Vergaberechts, einen fairen und transparenten Wettbewerb unter den Bietern zu gewährleisten, sind Nachverhandlungen der Bieter mit dem Auftraggeber über ihre Angebote nur schwer zu vereinbaren.87 Neben der Gefahr von Manipulationen könnten Nachverhandlungen im „Hinterzimmer“ dem ebenfalls verfolgten Ziel einer sparsamen und haushaltsschonenden Beschaffungspflicht der öffentlichen Hand entgegenwirken. Wären nachträglich Modifikationen oder gar substantielle Änderungen der eingereichten Angebote ohne weiteres möglich, würden die europarechtlichen Vorgaben eines transparenten und gleichberechtigten Wettbewerbs unterlaufen. Daraus folgt, dass der öffentliche Auftraggeber beispielsweise seine marktbeherrschende Stellung nicht ausnutzen darf, um in Verhandlungen die Preise zu drücken oder aber ein Bieter sich durch Zugeständnisse einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Teilnehmern verschafft. Der Wettbewerb muss für alle Bieter unter gleichen Bedingungen aufrechterhalten werden. Nur auf diese Weise greifen seine beabsichtigten wirtschaftlichen Automatismen und der Auftraggeber erhält wirtschaftliche, vergleichbare Angebote. Zur Absicherung eines ordnungsgemäßen Wettbewerbs, der nicht nachträglich verfälscht oder in sonstiger Weise manipuliert werden darf, sieht das Gesetz Regelungen vor, nach denen das bereits eingereichte Angebot nachträglich erläutert bzw. teilweise sogar korrigiert werden kann. Namentlich ist dies die Möglichkeit der Aufklärung des Angebotsinhalts (vgl. § 15 Abs. 5 VgV bzw. § 15 Abs. 5 EU VOB/A)88 sowie die bereits unter vorstehender Ziffer IV 3 e. dargelegte Möglichkeit der Nachforderung von Erklärungen und Nachweisen (vgl. 86 

Vgl. Ziekow/Siegel, NZBau 2005, 22 (24). von Wietersheim/Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB/A § 15 VOB/A Rn. 1 ff.; Ziekow/Siegel, NZBau 2005, 22 (24). 88  Nach alter Rechtslage § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A und VOB/A EG sowie § 15 S. 1 VOL/A und § 18 S. 1 VOL/A EG. 87 Vgl.

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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§ 56 Abs. 2 VgV). Im Übrigen gilt das sog. Nachverhandlungsverbot gemäß § 15 Abs. 5 VgV bzw. § 15 Abs. 3 EU VOB/A. § 15 Abs. 5 VgV lautet: „Der öffentliche Auftraggeber darf von den Bietern nur Aufklärung über das Angebot oder deren Eignung verlangen. Verhandlungen, insbesondere über Änderungen der Angebote oder Preise, sind unzulässig.“

Die entsprechende Regelung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EU VOB/A im Bereich der Vergabe von Bauleistungen lauten: Abs. 1 Nr. 1: „Im offenen und nicht offenen Verfahren darf der öffentliche Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung von einem Bieter nur Aufklärung verlangen, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst, etwaige Nebenangebote, die geplante Art der Durchführung, etwaige Ursprungsorte oder Bezugsquellen von Stoffen oder Bauteilen und über die Angemessenheit der Preise, wenn nötig durch Einsicht in die vorzulegenden Preisermittlungen (Kalkulationen) zu unterrichten.“ Abs. 3: „Verhandlungen in offenen und nicht offenen Verfahren, besonders über Änderung der Angebote oder Preise, sind unstatthaft, außer, wenn sie bei Nebenangeboten oder Angeboten aufgrund eines Leistungsprogramms nötig sind, um unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs und daraus sich ergebende Änderungen der Preise zu vereinbaren.“

Die alte Fassung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A sowie der VOB/A EG lautete: „Bei Ausschreibungen darf der Auftraggeber nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung von einem Bieter nur Aufklärung verlangen, um sich über seine Eignung, insbesondere seine technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, das Angebot selbst, etwaige Nebenangebote, die geplante Art der Durchführung, etwaige Ursprungsorte oder Bezugsquellen von Stoffen oder Bauteilen und über die Angemessenheit der Preise, wenn nötig durch Einsicht in die vorzulegenden Preisermittlungen (Kalkulationen) zu unterrichten.“89

Die Ziffer 3 desselben Absatzes ergänzte diese Aussage wie folgt: „Verhandlungen, besonders über Änderung der Angebote oder Preise, sind unstatthaft, außer wenn sie bei Nebenangeboten oder Angeboten aufgrund eines Leistungsprogramms nötig sind, um unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs und daraus sich ergebende Änderungen der Preise zu vereinbaren.“90

Die entsprechende Vorschrift für Dienstleistungsaufträge fand sich in § 15 S. 1 VOL/A und § 18 S. 1 VOL/A EG und lautete wie folgt: 89  90 

Hervorheb. d. Verf. Hervorheb. d. Verf.

A.  Grundlagen des Vergaberechts

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„Im offenen und im nicht offenen Verfahren dürfen die Auftraggeber von den Bietern nur Aufklärungen über das Angebot oder deren Eignung verlangen. Verhandlungen sind unzulässig.“91

Das Ergebnis nach Lektüre des Gesetzestexts scheint klar: Aufklärungen sind zulässig, Verhandlungen unzulässig. So eindeutig dieses Ergebnis erscheint, so unklar ist jedoch die Frage, wann das eine und wann das andere vorliegt. Lange Zeit bestanden erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten dahingehend, welche Verhaltensweisen im Rahmen einer nachträglichen Kommunikation zwischen öffentlichem Auftraggeber und den anbietenden Unternehmen gestattet sind. Im Zuge der Vergaberechtsreform 2009 wurde im Wortlaut der Regelung klargestellt, dass nunmehr ausdrücklich nur Aufklärungen über das Angebot zulässig sind, Verhandlungen über den Angebotsinhalt hingegen unzulässig. „Verhandeln“ im Sinne einer einvernehmlichen Einflussnahme auf den Angebotsinhalt ist damit untersagt. Wann aber wird über den Angebotsinhalt verhandelt? Der Begriff verhandeln setzt eine gewisse Verfügungsmöglichkeit voraus, die durch das Nachverhandlungsverbot gerade ausgeschlossen werden soll. So bestimmt auch das Vergabehandbuch des Bundes zu § 24 VOB/A a. F., dass „[…] Verhandlungen nur der Aufklärung dienen dürfen“.

Das bedeutet, dass der öffentliche Auftraggeber lediglich Unklarheiten in den Angeboten der Bieter durch Aufklärungsgespräche und Beschaffung klarstellender Angaben der Bieter ausräumen darf. Keinesfalls darf er inhaltlich Änderungen der Angebote vornehmen. Plakativ ausgedrückt darf der Auftraggeber fragen, aber nicht gestalten. Ziel einer erlaubten Aufklärung ist daher lediglich die Herbeiholung fehlender Informationen zur Beseitigung von Unklarheiten bezüglich bereits erfolgter Bieterangaben. Die Bieterangabe und damit das Angebot selbst darf durch die zusätzlichen Aufklärungsmaßnahmen jedoch nicht nachträglich abgeändert werden. Gleichwohl kann im Einzelfall die Abgrenzung trotz der erfolgten Klarstellung problematisch sein, insbesondere dann, wenn die fehlende Information dazu führt, dass das Angebot modifiziert und anders ausgelegt oder gar rechnerisch anders verstanden werden kann. Letztlich bleibt dies also eine Frage des Einzelfalls, welches im Zweifel durch die Vergabeinstanzen geklärt werden muss. Rechtsfolge einer unzulässigen Nachverhandlung ist nicht automatisch der Ausschluss des gesamten Angebots, sondern lediglich die Nichtberücksichtigung des nachverhandelten Angebotsteils.92 Dieser muss unberücksichtigt bleiben und ist der Wertung zu entziehen. Nicht notwendig ist der Ausschluss des Bieters bzw. 91  92 

Hervorheb. d. Verf. Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – VII-Verg 30/06.

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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seines Angebots an sich. Nur wenn die Vergabestelle zu dem Ergebnis gelangt, dass das ursprüngliche Angebot nach den Vorgaben der Vergabeunterlagen und den Prinzipien des Vergaberechts nicht wertungsfähig ist, ist das Angebot auszuschließen.93 Letzteres ist – wie das OLG Düsseldorf ausgeführt hat – allerdings logische Konsequenz, wenn man eine Änderung in der Person des Bieters als Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot ansieht.94 Der neue Rechtsträger als nachverhandelter Angebotsteil müsste außer Betracht gelassen werden. Da der ursprüngliche Rechtsträger jedoch in der Regel nicht mehr vorhanden ist, kann das ursprüngliche Angebot keiner Rechtsperson mehr zugeordnet werden und wäre daher rechtsträgerlos. Es würde daher an einem Vertragspartner für den öffentlichen Auftraggeber fehlen. Ob dieser Ansicht in ihrer gesamten Konsequenz so gefolgt werden kann, wird im Laufe der Arbeit aufgezeigt.

VII.  Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit (§ 132 GWB) Die in der Vertragsanbahnung vorhandenen formalen Grenzen des Vergaberechts und die damit verbundene und wettbewerbsrechtlich gebotene Einschränkung der zivilrechtlichen Privatautonomie würde konterkariert, wenn Änderungen eines im Wege des vergaberechtlichen Verfahrens zustande gekommenen Vertrages unbeschränkt zulässig wären.95 Einer Umgehung des Vergaberechts wäre damit Tür und Tor geöffnet.96 In gewissem Maße muss daher eine Überlagerung des Zivilrechts durch vergaberechtliche Vorschriften zur Vermeidung etwaiger Umgehungen erfolgen.97 § 132 GWB begründet daher im Falle von Auftragsänderungen nach Abschluss des Vergabeverfahrens grundsätzlich eine Pflicht des Auftraggebers zur Neuausschreibung des entsprechenden Auftrags. Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit (und damit nach Abschluss des Vergabeverfahrens) wurden im Jahr 2016 im Rahmen der Vergaberechtsreform in § 132 GWB gesetzlich geregelt. Bereits im Jahr 2008 hatte der EuGH hierfür den Grundstein mit der sog. „Pressetext-Entscheidung“ gelegt.98 Die darin aufgestellten Grundsätze wurden durch den europäischen Gesetzgeber

93 

Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – VII-Verg 30/06. Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11. 10. 2006 – VII-Verg 34/06. 95  Vgl. auch Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 38. 96  Vgl. Linke, NVwZ 2017, 510 (510). 97  Vgl. Ziekow, VergabeR 2016, 278 (278) mit Verweis auf Ziekow/Siegel, ZfBR 2004, 30 ff. 98  EuGH, Urteil vom 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“). 94 

A.  Grundlagen des Vergaberechts

59

in Art. 72 VRL verankert und schließlich durch den nationalen Gesetzgeber in § 132 GWB umgesetzt. In zeitlicher Hinsicht gilt der Grundsatz der Neuausschreibung nach § 132 Abs. 1 S. 1 GWB für Auftragsänderungen „während der Vertragslaufzeit“. Der Anwendungsbereich der Vorschrift beginnt daher mit der formalen Zuschlagserteilung und dem damit erfolgenden Abschluss des Vertrages. Gleichzeitig geht damit die Beendigung des ursprünglichen Vergabeverfahrens einher.99 Obwohl personelle Änderungen nach erfolgter Auftragsvergabe und deren Zulässigkeit rechtlich aus einer anderen Perspektive zu würdigen sind als solche während eines laufenden Vergabeverfahrens, drängt sich ein Vergleich der beiden Konstellationen auf. Im Folgenden soll daher die Regelung des § 132 GWB und die ihr zugrundeliegenden Wertungen näher dargestellt werden Eine mögliche Übertragbarkeit der für § 132 GWB geltenden Prinzipien auf die hier gegenständliche Untersuchung wird unter 3. Teil, F. näher erörtert. 1.  Die Pressetext-Entscheidung des EuGH Grundlage der heutigen Ausgestaltung der Neuausschreibungspflicht bei wesentlichen Auftragsänderungen ist die Pressetext-Entscheidung des EuGH vom 19. 6. 2008100. Gegenstand der Entscheidung war die Frage nach der vergaberechtlichen Zulässigkeit einer Übertragung des Auftrags auf eine 100%ige Tochtergesellschaft des Auftragnehmers. Der EuGH bezieht sich in seiner Urteilsbegründung zunächst auf eine seiner früheren Entscheidungen aus dem Jahr 2000101, in der er bereits feststellte, dass Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrages während seiner Geltungsdauer grundsätzlich als Neuvergabe des Auftrages anzusehen sind, sofern dabei wesentliche Bedingungen des Auftrages geändert werden. Um die Transparenz der Verfahren und die Gleichbehandlung der Bieter sicherzustellen, sind Änderungen der Bestimmungen eines öffentlichen Auftrages während seiner Geltungsdauer als Neuvergabe des Auftrages im Sinne der Richtlinie 92/50 anzusehen, wenn sie wesentlich andere Merkmale aufweisen, als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrages erkennen lassen.102 Eine Neuausschreibung hat nach dem EuGH zu erfolgen, wenn 99 

Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 11. EuGH, Urteil vom 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“). 101  Vgl. EuGH, Urteil vom 05. 10. 2000 – C-337/98 – („Kommission/Frankreich“). 102  EuGH, Urteil vom 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“) Rn. 34; Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 2. 100 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

60

– zusätzliche Bedingungen eingeführt werden, die im ursprünglichen Verfahren auch andere Bieter als mögliche Vertragspartner zugelassen hätte, – der Auftrag in großem Umfang auf bisher nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert wird – oder das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages zugunsten des Auftragnehmers in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise verschoben wird. Die Kriterien des EuGH stellen jeweils auf die Hauptleistungspflichten der Vertragsparteien ab. Dies betrifft zum einen die Zahlung der vereinbarten Vergütung und zum anderen die konkreten Leistungen.103 Diese Auslegungsgrundsätze für Vertragsänderungen bestätigen die bereits in der nationalen Rechtsprechung vorherrschende Auffassung, wonach die Erweiterung eines ursprünglich erteilten Auftrages dem Vergaberecht unterfällt, wenn die Anpassung oder Abänderung in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen bei wertender Betrachtung einer Neuvergabe gleichkommt.104 Personelle Änderungen des Auftrags, also insbesondere Änderungen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen, wertet der EuGH grundsätzlich als Ersetzung des Vertragspartners und damit als Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung. Eine andere Betrachtungsweise, so der EuGH, könne allerdings in Ausnahmefällen angestellt werden, auch wenn es sich im Ergebnis um gesellschaftsrechtlich unterschiedliche Rechtssubjekte und damit formal um einen anderen Vertragspartner handelt.105 So ist nach dem EuGH eine Abweichung zum o.g. Grundsatz insbesondere dann zulässig, wenn die personelle Änderung vertraglich vorgesehen war und zum anderen, wenn es sich um bloße bieterinterne Vorgänge handelt, die keine Auswirkungen auf wesentliche Vertragsbedingungen und damit auf die Auftragsvergabe haben. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften folge dies bereits aus ihrem Wesen selbst, da sich die Besitzverhältnisse ohne Zutun der Aktiengesellschaft regelmäßig ändern können und daher nicht von einer Vergaberechtswidrigkeit ausgegangen werden kann.106 Vor diesem Hintergrund wertete der EuGH die Übertragung des Auftrags auf eine 100%ige Tochtergesellschaft, ohne Änderung der Leistungen und bei Aufrechterhaltung der Haftung des ursprünglichen Auftragnehmers, als einen (bieterinternen) Organisationsakt, der zu keinem neuen vergabepflichtigen

103  Vgl.

(16).

Jasper/Arnold, Euroforum Newsletter Vergaberecht, Ausgabe 4/2008, S. 15

104  Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 01. 2004, VII – Verg. 71/03; Jasper/Arnold, Euroforum Newsletter Vergaberecht, Ausgabe 4/2008, S. 15 (16). 105  EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“) Rn. 44 ff. 106  EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“) Rn. 51.

A.  Grundlagen des Vergaberechts

61

Vorgang führt,107 da die Qualität der Leistungen und Haftung des ursprünglichen Auftragnehmers unberührt bleiben. Der Auftraggeber ist daher trotz erfolgtem (formalem) Wechsel des Auftragnehmers so gestellt, als würde weiterhin der ursprüngliche Auftragnehmer die Leistungen erbringen. Eine Einschränkung sei hingegen dort zu machen, wo Umstrukturierungen der Umgehung vergaberechtlicher Vorschriften dienen und Manipulationsgefahr besteht.108 Die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an Dritte stelle keine interne Neustrukturierung mehr da, sondern einen tatsächlichen Wechsel des Vertragspartners, welcher eine Neuausschreibung erforderlich mache.109 Sowohl durch den EuGH selbst110 als auch auf bundesdeutscher Ebene111 wurde die Rechtsprechung des EuGH durch die Vergabeinstanzen bereits mehrfach in teilweise unterschiedlichen Ausprägungen aufgegriffen. 2.  Kodifizierung durch § 132 GWB Wesentliche Auftragsänderungen eines Auftrags erfordern ein neues Vergabeverfahren und begründen daher nach § 132 Abs. 1 S. 1 GWB eine Pflicht zur Neuausschreibung. Die Generalklausel des § 132 Abs. 1 S. 2 GWB bestimmt, dass Änderungen, dann wesentlich sind, wenn sie dazu führen, dass sich der öffentliche Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrag unterscheidet. § 132 Abs. 1 S. 3 GWB schließlich definiert vier Regelbeispiele wesentlicher Auftragsänderungen. So handelt es sich u. a. nach § 132 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GWB um eine wesentliche Auftragsänderung, wenn „ein neuer Auftragnehmer den Auftragnehmer in anderen als den in Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 vorgesehenen Fällen ersetzt.“

Die Pflicht zur Neuausschreibung entfällt hingegen, wenn einer der vier Ausnahmetatbestände des § 132 Abs. 2 GWB einschlägig ist oder wenn einer der in § 132 Abs. 3 GWB definierten Geringfügigkeitstatbestände erfüllt ist.

107 

EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“) Rn. 43 ff. EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“) Rn. 51. 109  EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“) Rn. 47. 110  EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Wall AG“). 111  Etwa OLG Rostock NZBau 2003, 457 – Forschungsschiff; OLG Celle NZBau 2010, 194; OLG Rostock VergabeR 2014, 209 – SPNV Güstrow; VK Niedersachsen BeckRS 2015, 19322 = VPR 2016, 97; OLG Celle, NZBau 2015, 178 – Abfallwirtschaft Region H; OLG Schleswig NZBau 2015, 718; VK Sachsen BeckRS 2015, 16420 = VPR 2015, 279; Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 3. 108 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

62

3.  Begriff der Wesentlichkeit Auftragsänderungen sind wesentlich, wenn sie dazu führen, dass sich der öffentliche Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrag unterscheidet (§ 132 Abs. 1 S. 2 GWB). Der unbestimmte Rechtsbegriff der Wesentlichkeit wird so durch den weiteren unbestimmten Rechtsbegriff der „erheblichen Unterscheidung“ definiert.112 Nach dem Willen der Gesetzgeber sind damit solche Änderungen gemeint, die den Umfang und die inhaltliche Ausgestaltung der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien einschließlich der Zuweisung der Rechte des geistigen Eigentums betreffen und damit Ausdruck der Absicht der Parteien sind, wesentliche Bedingungen des betreffenden Auftrags neu zu verhandeln.113 Die Auslegungsbedürftigkeit der vorgenannten Begriffe114 liegt auf der Hand. Orientierung geben die Regelbeispiele des § 132 Abs. 1 S. 3 GWB, die nach Auffassung des Europäischen und bundesdeutschen Gesetzgebers jeweils wesentliche Änderungen im Sinne der Generalklausel darstellen. Ob im konkreten Fall eine erhebliche Abweichung von dem ursprünglichen Auftrag vorliegt, bedarf einer wertenden Einzelfallbetrachtung.115 4.  Grundsatz: Ersetzung des Auftragnehmers als wesentliche Vertragsänderung (§ 132 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GWB) Das für die vorliegende Arbeit maßgebliche Regelbeispiel definiert § 132 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GWB, wonach als wesentliche Änderung alle Fälle des Auftragnehmerwechsels anzusehen sind, sofern sie nicht vom Ausnahmetatbestand des § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GWB erfasst sind. Ein Auftragnehmerwechsel zieht demnach grundsätzlich eine Pflicht zur Neuausschreibung nach sich, sofern das Vergaberecht nicht ausnahmsweise davon absieht.116 Wann ist nun aber von einem neuen Auftragnehmer bzw. einem Auftragnehmerwechsel im Sinne der Regelung auszugehen? Nach der Begründung des Gesetzgebers dienen die Rückausnahmen des § 132 Abs. 2 Nr. 4 GWB dazu, dem Auftragnehmer die Möglichkeit einzuräumen, während der Ausführung des Auftrags gewisse interne strukturelle Veränderungen zu vollziehen, ohne dass deswegen ein neues Vergabeverfahren durchgeführt

112 

Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 21. BT-Drs. 18/6281, 119; Erwägungsgrund 107 der RL 2014/24/EU. 114  Hierzu kritisch jurisPK VergabeR Contag Rn. 18; OLG Düsseldorf VergabeR 2014, 557. 115  Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB § 132 Rn. 23. 116  EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“); VK Bund VPR 2016, 106; VK Münster, Beschl. v. 01. 06. 2015 – VK 2 – 7/15; Ziekow, VergabeR 2016, 278 (288). 113 

A.  Grundlagen des Vergaberechts

63

werden muss. Als Beispiele werden rein interne Umstrukturierungen, Übernahmen, Zusammenschlüsse, Unternehmenskäufe oder Insolvenzen genannt.117 Nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung gebietet der Wortlaut der Vorschrift zur Verhinderung einer Umgehung eine streng formale Sichtweise.118 Mangels weiterer Anknüpfungspunkte in § 132 GWB oder der VRL sei für den Begriff des Auftragnehmerwechsels und die Beurteilung eines Wechsels insofern auf die sonstigen vergaberechtlichen Maßstäbe abzustellen.119 Erforderlich für eine erneute Ausschreibungsflicht sei demnach der Wechsel zu einer anderen juristischen Person, wofür eine Umfirmierung anders als die Änderung der Rechtsform etwa von einer GmbH in eine AG nicht ausreichend sei.120 Bei Kapitalgesellschaften erfülle der bloße Inhaberwechsel von Anteilen diese Voraussetzungen nicht. Jeder Wechsel der Gesellschaftsform hingegen stelle eine wesentliche Änderung dar, da mit diesem unmittelbar in das Haftungsregime auf Seiten des Auftragnehmers eingegriffen wird.121 Ohne Neuausschreibungspflicht zulässig seien hingegen Fälle in denen der bisherige Auftragnehmer als juristische Person erhalten bleibt und sich lediglich die Gesellschafterstruktur und -anteile verändern.122 Bei Personengesellschaften sei entscheidend, ob der Fortbestand der Gesellschaft im Falle des Ausscheidens oder Eintretens von Gesellschaftern vertraglich vereinbart wurde, denn nur dann bleibt die beauftragte juristische Person formal identisch.123 Mit Blick auf die Pressetext-Entscheidung scheint der EuGH die Grenze zwischen zulässigem Wechsel des Auftragnehmers und der Pflicht zur Neuausschreibung dort zu ziehen, wo hinter der jeweiligen Rechtsperson des neuen Auftragnehmers noch die gleichen (natürlichen oder juristischen) Personen stecken und insoweit eine Kontinuität bzw. Identität der an der ursprünglichen Auftragsvergabe beteiligten Personen – unabhängig von deren gesellschaftsrechtlich gewählter Organisationsform – besteht. Eine streng formale Betrachtung kann daher – wenn überhaupt – nur ein erster Schritt bei der Bewertung der Zulässigkeit einer personellen Änderung des Auftragnehmers sein. Ob in der genannten Konstellation eines rein bieterinternen Vorgangs tatbestandlich schon gar kein Wechsel des Auftragnehmers anzunehmen ist oder aber die Pflicht zur Neuausschreibung

117 

BT-Drs. 18/6281, 119 f. (120). Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 39. 119  Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 89. 120  Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 89. 121  Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 39. 122  Vgl. OLG Naumburg VergabeR 2010, 979; Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/ Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 39. 123  Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 89. 118 

64

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

aufgrund des Ausnahmetatbestands der Unternehmensumstrukturierung (§ 132 Abs. 2 Nr. 4 lit. b GWB) entfällt, kann letztlich dahinstehen. 5.  Rückausnahmen des § 132 Abs. 2 Nr. 4 GWB Ob in konkreter Würdigung im Einzelfall keine wesentliche Änderung vorliegt, ist nach der Systematik des § 132 GWB nicht im Rahmen des Grundtatbestands nach Abs. 1, sondern erst bei einer möglichen Ausnahme nach § 132 Abs. 2 Nr. 4 GWB zu prüfen. Ein Auftragnehmerwechsel ist demnach ohne Neuausschreibung zulässig, wenn – der Wechsel aufgrund einer Überprüfungsklausel erfolgt (§ 132 Abs. 2 Nr. 4 Lit. a) GWB) – der Wechsel Folge einer Unternehmensumstrukturierung ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 4 Lit. b) GWB) oder – der Auftraggeber selbst an die Stelle des Auftragnehmers tritt und dessen Verpflichtungen übernimmt (§ 132 Abs. 2 Nr. 4 Lit. c) GWB). Für die vorliegende Arbeit von Interesse sind die Ausnahmetatbestände der Lit. a) und b). Auf die Übernahme der Verpflichtungen des Auftragnehmers durch den Auftraggeber wird insofern nachfolgend nicht eingegangen. a)  Überprüfungsklausel als Ersetzungsgrund Die erste mögliche Variante eines zulässigen Auftragnehmerwechsels ist gesetzlich im Falle von Überprüfungsklauseln vorgesehen. Durch den Verweis des § 132 Abs. 2 S. 3 Nr. 4 GWB auf Nr. 1 des gleichen Absatzes sowie der Tatsache, dass die genannte Nr. 1 sowohl Überprüfungsklauseln als auch Optionen als mögliche Grundlagen einer Auftragsänderung nennt, ist nach richtiger Auffassung von einem Redaktionsversehen auszugehen, zumal eine Option strengeren Voraussetzungen unterliegt als eine Überprüfungsklausel.124 Insofern wird nachfolgend davon ausgegangen, dass ein Auftragnehmerwechsel in den Vergabeunterlagen sowohl durch Überprüfungsklauseln als auch durch Optionen vorgesehen werden kann. aa)  Überprüfungsklauseln Nach § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GWB ist eine wesentliche Änderung auch ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens zulässig, wenn in den ursprünglichen Vergabeunterlagen klare, genaue und eindeutig formulierte Überprüfungsklauseln vorgesehen sind, die Angaben zu Art, Umfang und Voraussetzungen 124  Vgl. Ziekow, VergabeR 2016, 278 (288); Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/ Stein, GWB, § 132 Rn. 90.

A.  Grundlagen des Vergaberechts

65

möglicher Auftragsänderungen enthalten, und sich aufgrund der Änderung der Gesamtcharakter des Auftrags nicht verändert. Der bisher unbekannte125 Begriff der Überprüfungsklausel ist angelegt in Erwägungsgrund 111 und Art. 72 Abs. 1 lit. a) VRL und wurde vom nationalen Gesetzgeber übernommen126. Der Auftraggeber soll mit Hilfe von Überprüfungsklauseln die Möglichkeit haben, kleinere Änderungen oder Anpassungen am Auftrag vorzunehmen. Als Beispiele werden genannt Preisindexierungen oder die Sicherstellung, dass Kommunikationsgeräte, die während eines bestimmten Zeitraums zu liefern sind, auch im Fall veränderter Kommunikationsprotokolle oder anderer technologischer Änderungen weiter funktionsfähig sind. Ebenfalls sollten neben laufenden Wartungsmaßnahmen auch außerordentliche Instandhaltungsarbeiten möglich sein, um die Kontinuität einer öffentlichen Dienstleistung zu gewährleisten. Eine Überprüfungsklausel muss klar, präzise und eindeutig formuliert sein sowie Angaben zu Art, Umfang und Voraussetzungen für die Änderung des Vertrags beinhalten. Der Auftraggeber hat hier also keinen unbegrenzten Ermessensspielraum.127 Auch wenn der Wortlaut der gesetzlichen Regelung mit den Begriffen „klar“, „präzise“ und „eindeutig“ selbst etwas ungenau ist, so wird mit den Vorgaben der weite Begriff der Überprüfungsklausel auf ein rechtlich handhabbares Maß zur Bewertung einer Auftragsänderung zurückgeführt.128 Entscheidend und zugleich ausreichend ist, dass es sich um Klauseln handelt, die die Möglichkeit der Überprüfung vertraglicher Rechte und Pflichten vorsehen und damit zum Ausdruck bringen, dass sich die Bedingungen des Auftrags während seiner Laufzeit ändern können.129 Die Anwendung der Überprüfungsklausel führt nicht zwingend zu einer Vertragsänderung, sondern ermöglicht „nur“ die Überprüfung anhand der festgelegten Kriterien, ob eine Auftragsänderung angezeigt ist.130 bb)  Optionen Alternativ zu einer Überprüfungsklausel können in den Vergabeunterlagen auch Optionen vorgesehen werden, welche eine Auftragsänderung ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens gestatten. Die im Hinblick auf Überprüfungsklauseln gestellte Anforderung einer klaren, genauen und eindeutigen 125 

Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 45. BTDrs. 18/6281, 119 f. 127  Erwägungsgrund 111 RL 2014/24/EU; BTDrs. 18/6281, 119 f. 128  Vgl. Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 49. 129  Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 46. 130  Ziekow, VergabeR 2016, 278 (284). 126 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

66

Formulierung, die Angaben zu Art, Umfang und Voraussetzungen möglicher Auftragsänderungen enthalten, gilt entsprechend. Die Option unterscheidet sich von der Überprüfungsklausel dahingehend, dass sie ausdrücklich nur einer Vertragspartei ein Recht einräumt, unter den in der Option festgelegten Voraussetzungen die darin vorgesehene Auftragsänderung zu verlangen. Zivilrechtlich wird dies durch ein einseitig bindendes Angebot nach § 145 BGB oder aber einseitige Gestaltungsrechte wie etwa aufschiebende bzw. auflösende Bedingungen, Kündigungs- und Rücktrittsrechte umgesetzt.131 Optionen müssen formal nach § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 GWB mindestens in den ursprünglichen Vergabeunterlagen, also in der Aufforderung zur Angebotsabgabe, dem Vertrag und der Leistungsbeschreibung enthalten sein (vgl. § 121 Abs. 3 GWB). Anders als Überprüfungsklauseln müssen Optionen aber nach § 37 Abs. 2 VgV bereits in der Bekanntmachung aufgeführt werden. Zudem sind Optionen anders als Überprüfungsklauseln auch nach § 3 Abs. 1 VgV bei der Schätzung des Auftragswerts zu berücksichtigen.132 cc)  Keine Änderung des Gesamtcharakters des Auftrags Eine Auftragsänderung aufgrund einer Überprüfungsklausel oder einer Option darf nicht zu einer Änderung des Gesamtcharakters des Auftrags führen. Mit dem Begriff des „Gesamtcharakters“ wird neben den Begriffen der Wesentlichkeit und des Vertragsumfangs ein weiterer unbestimmter Rechtsbegriff eingeführt, der weder definiert wird noch einem einheitlichen Allgemeinverständnis unterliegt.133 Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Gesamtcharakters bzw. dessen Änderung ist das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot.134 Der Vertrag muss insgesamt im Hinblick auf seine wesentlichen Grundelemente betroffen sein, so dass man beispielsweise von der Änderung des Gesamtcharakters ausgehen kann, wenn unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten der Vertragstyp sich ändert (z. B. Werkvertrag, statt Dienstleistungsvertrag) oder nach der vergaberechtlichen Einordnung ein Dienstleistungsauftrag plötzlich zum Bauauftrag würde.135 In diesem Sinne nimmt auch Erwägungsgrund 109 der VRL eine Änderung des Wesens des gesamten Auftrags an, wenn die zu beschaffenden Leistungen durch andersartige Leistungen ersetzt werden oder sich die Art der Beschaffung grundlegend ändert, da in einer derartigen Situation ein hypothetischer Einfluss auf das Ergebnis unterstellt werden kann. 131 

Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 54. Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 54. 133  Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 51. 134  Ziekow, VergabeR 2016, 278 (285). 135  Vgl. Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 52. 132 

A.  Grundlagen des Vergaberechts

67

Da es sich bei der Änderung in der Person des Auftragnehmers nicht um eine leistungsbezogene Änderung des Auftrags handelt und damit die Einordnung des Vertragstyps oder der Inhalt des Auftrags insgesamt nicht berührt wird, dürfte eine Änderung des Gesamtcharakters des Auftrags bei der Frage der Zulässigkeit eines Auftragnehmerwechsels keine Rolle spielen. b)  Unternehmensumstrukturierung als Ersetzungsgrund (Abs. 2 S. 1 Nr. 4 lit. b GWB) Es muss Auftragnehmern möglich sein, während des Zeitraums der Auftrags­ ausführung gewisse strukturelle Veränderungen durchlaufen zu können, ohne automatisch neue Vergabeverfahren für sämtliche von dem betreffenden Bieter ausgeführten öffentlichen Aufträge erforderlich zu machen. Dies ist die zentrale Erwägung des europäischen Gesetzgebers136. § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 lit. b GWB hat dies aufgegriffen und mit dem Begriff der „Unternehmensumstrukturierung“ einen Ausnahmetatbestand zur Neuausschreibungspflicht geschaffen. Wann eine Unternehmensumstrukturierung im Sinne des Gesetzes vorliegt wird durch eine exemplarische und daher nicht abschließende Aufzählung von Regelbeispielen wie der Übernahme, des Zusammenschlusses, des Erwerbs oder der Insolvenz konkretisiert. Erwägungsgrund 110 VRL nennt in diesem Zusammenhang entsprechend rein interne Umstrukturierungen, Übernahmen, Zusammenschlüsse oder Unternehmenskauf sowie die Insolvenz als zulässige Fälle der Unternehmensumstrukturierung. Nach bisherigen Ansichten in Literatur und Rechtsprechung sind rein interne Neuorganisationen des Bieters sowie insbesondere Verschmelzungen nach § 4 UmwG nicht als wesentliche Vertragsänderung anzusehen.137 (Interne) Änderungen der Mitgliederzusammensetzungen einer juristischen Person, mithin also Gesellschafterwechsel sind ebenfalls als vergaberechtlich irrelevant einzustufen, sofern durch den Wechsel lediglich der Gesellschafterbestand betroffen ist, nicht aber die (juristische) Person des Auftragnehmers selbst oder der Inhalt und Umfang des Auftrags sich ändert.138 Auch der EuGH hat ausdrücklich anerkannt, dass sich aus dem Wesen einer börsennotierten Aktiengesellschaft selbst ergebe, dass sich deren Besitzverhältnisse jederzeit ändern können, ohne dass dies die Gültigkeit der Vergabe eines öffentlichen Auftrags an diese Gesellschaft in Frage stellen könne. In diesem Sinne sei dann auch eine Anteilsübertragung innerhalb eines Konzerns auf eine 100%ige Toch-

136 

Vgl. Erwägungsgrund 110 der RL 2014/24/EU. Vgl. VK Münster, Beschl. v. 26. 06. 2009 – VK 7/09; Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/ Portz/Prieß, GWB § 132 Rn. 68. 138  Vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 29. 04. 2010 – 1 Verg 3/10; Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB § 132 Rn. 70. 137 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

68

tergesellschaft des (früheren) Bieters vergaberechtlich nicht zu beanstanden.139 Die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an Dritte, also an Gesellschaften außerhalb des Konzerns stelle hingegen keine interne Neustrukturierung mehr dar, sondern einen tatsächlichen Wechsel des Vertragspartners, welcher eine Neuausschreibung erforderlich mache.140 Aus rechtlicher Sicht sind die definierten Regelbeispiele teilweise unscharf und erscheinen wenig stringent. Der Begriff der Unternehmensumstrukturierung ist weit gefasst und wird nicht etwa auf die formalen Typen der Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und des Formwechsels gemäß § 1 UmwG beschränkt. Unerheblich ist auch, ob die Umstrukturierung extern oder intern veranlasst ist.141 Hintergrund der Rechtsprechung für die Prüfung einer zulässigen Änderung in der Person des Bieters sei nach Eschenbruch, dass öffentliche Verträge nicht einfach über Umorganisation und gesellschaftsrechtliche Veränderungen auf andere Unternehmen übergehen sollen, welche vorher nicht dem Wettbewerb unterstellt waren.142 Dies mag – jedenfalls aus vergaberechtlicher Hinsicht – grundsätzlich ein geeigneter Ansatzpunkt für die Einordnung der Einzelfälle unter das bzw. die Weiterentwicklung des Regelbeispiels des § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 lit. b GWB sein, darf jedoch nicht das Ende der Überlegungen sein. Gesellschaftsrechtliche Grundprinzipien sollten hier auch in die Beurteilung einfließen. So kann sich eine „Übernahme“ oder ein „Zusammenschluss“ gesellschaftsrechtlich im Wege eines Asset Deals oder eines Share Deals vollziehen. Darüber hinaus können bestimmte, wie z. B. im UmwG festgeschriebene gesellschaftsrechtliche Rechtsinstitute wie die Gesamt- oder Teilrechtsnachfolge sowie Gläubigerschutzregelungen im Rahmen einer Unternehmensumstrukturierung Anwendung finden und so in gewisser Hinsicht Rechtssicherheit schaffen. Die Prüfung dieser komplexen gesellschaftsrechtlichen Tatbestandsvoraussetzung würde dem öffentlichen Auftraggeber dadurch erleichtert, dass der Vertrags­text des ursprünglichen Auftrags zulasten des Auftragnehmers umfassende Informations- und Mitteilungspflichten bezüglich beabsichtigter Änderungen und Wechsel innerhalb seiner Gesellschafter- und Unternehmensstruktur enthält.143 Tatbestandlich wird die Prüfung der Zulässigkeit einer Unternehmensumstrukturierung weitergehend dadurch begrenzt, dass das neue Unternehmen die ursprünglich festgelegten Anforderungen an die Eignung erfüllen muss und die Auftragsänderung keine weiteren wesentlichen Änderungen im Sinne des § 132 Abs. 1 GWB zur Folge haben darf. Somit wird klargestellt, dass auch der zulässi139 

EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“) Rn. 44, 45. EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – („Pressetext“) Rn. 47. 141  Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 93. 142  Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB § 132 Rn. 68. 143  Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 41. 140 

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

69

ge Auftragnehmerwechsel nicht dazu dienen kann, Änderungen umzusetzen, die die Grenzen des Absatzes 1 überschreiten.144

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Thema der „gesellschaftsrechtlichen Änderungen in der Person eines Bieters“ und hat sich zum Ziel gesetzt, deren vergaberechtlichen Auswirkungen zu untersuchen. Umsetzung und Rechtsfolgen von gesellschaftsrechtlichen Veränderungen sind abhängig von den für die jeweilige Rechtsform geltenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen. Bevor daher näher auf die Umstrukturierung von Gesellschaften und damit den Begriff der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung für die vorliegende Arbeit eingegangen werden kann, ist es erforderlich, die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen, welche möglicher Anknüpfungspunkt einer Argumentation im Rahmen der vergaberechtlichen Würdigung im späteren Verlauf dieser Arbeit sein können, näher darzustellen.

I.  Die Begriffe „Gesellschaft“ und „Unternehmen“– Ist vergaberechtlich eine rechtliche oder eine ökonomische Betrachtungsweise maßgeblich? Im Mittelpunkt von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen steht die „Gesellschaft“ bzw. das „Unternehmen“. So wird ein „Unternehmen“ als Ganzes übertragen oder lediglich ein Teilbereich des Unternehmens auf eine vorhandene oder erst zu diesem Zweck neu gegründete Gesellschaft ausgegliedert. Bereits aus diesen einleitenden Worten wird deutlich, dass die Begriffe „Gesellschaft“ und „Unternehmen“ im allgemeinen Sprachgebrauch häufig für ein und dasselbe rechtliche Konstrukt verwendet werden. Auch der Duden gebraucht die Begriffe als Synonyme.145 In den rechts- und wirtschaftsbezogenen Fachsprachen wird jedoch teilweise streng unterschieden. Der lang andauernde Theorienstreit zur Definition des Unternehmens bzw. des Unternehmensrechts und seinem Verhältnis zur Gesellschaft soll vorliegend nicht bis ins Detail nachgezeichnet werden.146 Allerdings sind seine grundlegenden Ansichten hilfreich, um die Auswirkungen gesellschaftsrechtlicher bzw. unternehmensrechtlicher Veränderungen zu beurteilen.

144 

Mertens/Götze, in: Gabriel/Mertens/Prieß/Stein, GWB, § 132 Rn. 95.

145 http://www.duden.de/rechtschreibung/Unternehmen. 146 

Ausführlich bei Raiser/Veil § 6.

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

70

Ist das „Unternehmen“ gleich der „Gesellschaft“ oder kann bzw. muss sogar begrifflich mit der Folge unterschieden werden, dass eine Änderung in der Gesellschaft zwar rechtlich eintreten kann, im Hinblick auf das Unternehmen aber ohne (wesentliche) Auswirkung ist? Sollte es tatsächlich einen materiellen Unterschied zwischen beiden Begriffen geben, wäre also die „Gesellschaft“ etwas anderes als das „Unternehmen“, so wäre dieser Unterschied auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zu berücksichtigen, da hiermit unmittelbar der Begriff der „gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung“ bzw. die „Änderung in der Person des Bieters“ zusammenhängt. 1.  Der Begriff der „Gesellschaft“ Die Gründung von Gesellschaften ist verfassungsrechtlich verankert in Art. 9 GG. Nach dessen Absatz 1 haben „alle Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden“. Unter Vereinigung als Oberbegriff von Vereinen und Gesellschaften ist jeder Zusammenschluss zu verstehen, zu dem sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen oder Personenvereinigungen für längere Zeit zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks auf freiwilliger Basis zusammenschließt und einer einheitlichen Willensbildung unterwirft.147 Das deutsche Verbandsrecht unterscheidet im Hinblick auf ihre Organisationsstruktur Personengesellschaften und Körperschaften.148 Unabhängig von dieser konkreten Ausgestaltung der Vergesellschaftung von Personen ist allen Gesellschaftsformen des Privatrechts gemeinsam, dass sich grundsätzlich mehrere Personen auf rechtsgeschäftlicher Grundlage zusammenschließen und eine Zweckgemeinschaft mit Förderpflichten aller Beteiligten organisieren. So entsteht durch die Eingehung des gesellschaftsrechtlichen Rechtsverhältnisses, konkret durch den Abschluss des Gesellschaftsvertrages, eine „überindividuelle Wirkungseinheit“, welche die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter von denen des Verbandes trennt.149 Inwieweit der gegründete Zweckverband gegenüber seinen Gründern verselbständigt ist, wie weit also die Abhängigkeit des Gesellschaftsverhältnisses von den Gesellschaftern geht und welche Auswirkungen Veränderungen, beispielsweise im Bestand der Mitglieder haben, variiert von der gewählten Organisationsstruktur der Vergesellschaftung. Konkret betrifft dies die Frage, wie stark der Einzelne als Teil der Gruppe mit der Organisation verbunden ist und in ihre Verwaltung mit einbezogen ist.

147 

BVerwGE 106, 177/181; Jarass, in: Jarass/Pieroth Art. 9 Rn. 3. Im Einzelnen dazu siehe 2. Teil, B. III. 149  Kießling, WirtschaftsR (S. 89). 148 

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

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2.  Der Begriff des „Unternehmens“ Der Begriff des Unternehmens ist in erster Linie eine aus der Wirtschaftswissenschaft stammende Bezeichnung für eine autonome Organisation, die wirtschaftliche Güter herstellt und/oder vertreibt oder Dienstleistungen erbringt, um dadurch finanzielle Gewinne zu erzielen.150 Betriebswirtschaftlich wird ein Unternehmen als Unterfall eines Betriebes eingeordnet. Als Betrieb wiederum wird eine planvoll organisierte Wirtschaftseinheit bezeichnet, in der Produktionsfaktoren kombiniert werden, um Güter und Dienstleistungen herzustellen und abzusetzen.151 Ein Unternehmen ist in diesem Sinne daher allgemein eine autonome Organisation, die wirtschaftliche Güter oder Dienstleistungen herstellt oder erbringt und dabei nach Gewinnmaximierung strebt (sog. erwerbswirtschaftliches Prinzip).152 Die Produktionsfaktoren eines Unternehmens setzen sich aus Arbeit, Betriebsmitteln und Werkstoffen zusammen. Die Arbeit wiederum kann in „ausführende Tätigkeit“ (z. B. Montage-, Produktions- und Servicebereich) und „dispositive Tätigkeit“ im Bereich der Unternehmensführung eingeteilt werden. Dabei von entscheidender Bedeutung und nicht zu unterschätzendem wirtschaftlichen Wert, ist das zur Ausführung der Tätigkeit erworbene und erarbeitete know-how eines Unternehmens. Unter Betriebsmittel werden die zur Produktion erforderlichen maschinellen Anlagen, aber auch der Fuhrpark, die Geschäftsausstattung oder die Betriebsgebäude verstanden, welches das Sachvermögen des Unternehmens bildet. Zur Finanzierung des Betriebes dienen in erster Linie die mit dem Produkt bzw. der Dienstleistung erzielten Einnahmen. Die finanziellen Mittel für größere Investitionen werden entweder am Kapitalmarkt, beispielsweise durch die Ausgabe von Aktien (Eigenkapital) und durch Kreditaufnahme (Fremdkapital) beschafft, alternativ oder kumulativ können Unternehmen auch vom Staat subventioniert werden. In diesem Sinne definieren Raiser/Veil ein Unternehmen als eine auf der organisatorischen Verbindung von Personen und sachlichen Mitteln beruhende rechtliche Einheit, die nach ökonomischen Methoden arbeitet und wirtschaftliche Güter oder Dienstleistungen hervorbringt, um über den Markt die Nachfrage der Allgemeinheit nach ihren Produkten und mit dem Erlös die Einkommenswünsche und sonstigen Bedürfnisse seiner Anteilseigner, Arbeitnehmer und Unternehmensleiter zu befriedigen.153

150 

Vgl. Raiser/Veil, § 4 Rn 1 ff. Wöhe, Zweiter Abschnitt A. I 1. (S. 45). 152  Wöhe, Zweiter Abschnitt A. I 1. (S. 46). 153  Raiser/Veil, § 6 Rn. 8. 151 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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3.  Der Unternehmensbegriff in der Rechtsanwendung Der Begriff des „Unternehmens“ findet sich in zahlreichen Gesetzen des privaten und öffentlichen Rechts. Auch die VRL verwendet den Begriff des „Unternehmens“ an verschiedenen Stellen154 und bezeichnet damit die potentiellen Bewerber, Bieter und Auftragnehmer. Die Richtlinie 2004/17 EG verwendet alternativ den allgemeineren Begriff des „Wirtschaftsteilnehmers“.155 Der EuGH definiert ein Unternehmen im Sinne des Art. 101 AEUV als „eine einheitliche, einem selbstständigen Rechtssubjekt zugeordnete Zusammenfassung personeller, materieller und immaterieller Faktoren, mit welcher auf Dauer ein bestimmter wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird.“156

Aber was ist eigentlich ein Unternehmen in rechtlicher Hinsicht? In welchem Verhältnis steht die Gesellschaft zum Unternehmen? „Ist“ sie das Unternehmen oder „hat“ sie ein Unternehmen?157 Das unter vorstehender Ziffer 2.1 (b) dargestellte wirtschaftswissenschaftliche Begriffsverständnis des „Unternehmens“ ist zur Beantwortung dieser Frage für die Rechtsanwendung zu unbestimmt und muss daher nach dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschriften abgegrenzt werden.158 Nach überwiegender Auffassung ist ein Unternehmen rechtlich ein Rechtsobjekt höherer Ordnung, dass einen Träger haben muss, welcher über das Unternehmen verfügen kann.159 Diesem Unternehmensverständnis entspricht die im Kapitalgesellschaftsrecht verbreitete Auffassung, wonach ein Unternehmen einem Eigentümer zugeordnet wird. Das Unternehmen ist also nicht Rechtssubjekt, sondern Rechtsobjekt und kann damit Gegenstand von Rechtsgeschäften sein. Dieses Verständnis schlägt sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch nieder, wenn etwa von Unternehmensveräußerungen oder von der Verpachtung von Unternehmen die Rede ist und findet sich überdies in der juristischen Terminologie des Umwandlungsgesetzes wieder, welches zwischen Unternehmen und Unternehmensträger differenziert. Nach einer anderen vertretenen Ansicht ist ein Unternehmen mehr als ein bloßes Rechtsobjekt. Unternehmen sind hiernach autonome willens- und handlungsfähige Einheiten, die als solche auf eigenes Risiko am marktwirtschaftlichen 154 

Z. B. Erwägungsgründe (32) oder (45) der RL 2004/18/EG. Vgl. Art. 11 der RL 2004/17; siehe auch EuGH, Urt. v. 24. 05. 2016 – C-396/14. 156  EuGH, Urt. v. 13. 07. 1962 – Slg. 1962, 675 (705) zum alten Art. 80 EG; siehe auch Rittwage, VergabeR 2006, 327 (332). 157  Vgl. Raiser/Veil, § 4 Rn. 2 f. 158  Raiser, Unternehmensziele und Unternehmensbegriff in ZHR 144 (1980), 206, 220. 159  Brecher, S. 105 ff.; K. Schmidt, HandelsR, S. 57 ff., 81 ff., 126 ff.; Raiser/Veil, § 6; Rittner/Dreher, § 9. 155 

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

73

Wettbewerb teilnehmen.160 So wird teilweise von einer dualistischen Konzeption ausgegangen und zwischen dem Unternehmen im „weiteren“ und dem Unternehmen im „engeren Sinne“ unterschieden. 161 Das Unternehmen im weiteren Sinne sei eine personale Einheit, also eine selbständige Willens-, Handlungs- und Produktionseinheit, welche Menschen mit Gütern und Dienstleistungen versorgt und sich im marktwirtschaftlichen Wettbewerb mit anderen Unternehmen behaupten muss. Im engeren Sinne ist das Unternehmen ein Gebilde mit gegenständlicher Qualität, das als Erwerbsgeschäft vererbt, verkauft und verpachtet werden kann und sich als Rechtsobjekt in den Händen eines Kaufmanns oder einer Gesellschaft befindet. Ginge man davon aus, dass die Gesellschaft der Träger des Unternehmens wäre, hätte dies für die vorliegende Arbeit zur Konsequenz, dass vergaberechtlich relevante gesellschaftsrechtliche Veränderungen lediglich solche wären, die den Rechtsträger betreffen und das Unternehmen selbst unberührt lassen. Etwaige Veränderungen, welche ausschließlich auf das Gesellschaftsvermögen bezogen wären, hätten daher keinerlei vergaberechtliche Relevanz, da sie die Person des Bieters unberührt lassen. Es ist nach vorliegender Auffassung offensichtlich, dass eine solch formale Unterscheidung, insbesondere aus vergaberechtlicher Sicht unzureichend und daher nicht praxistauglich ist. Auch in der gesellschaftsrechtlichen Literatur wird eine entsprechende Differenzierung mit der Begründung abgelehnt, diese erweise sich jedenfalls im Recht der Kapitalgesellschaften als überflüssig und realitätsfern.162 So sei nicht erklärbar, warum im Gesellschaftsrecht, welches die innere Willensbildung in Gesellschaften sowie ihre Teilnahme am Rechtsverkehr regelt, eine derartige begriffliche Spaltung zwischen Unternehmen und Unternehmensträger notwendig oder gar sinnvoll sein soll.163 Für die vorliegende Arbeit ist demnach davon auszugehen, dass die Gesellschaft gleichbedeutend dem Unternehmen ist. Es ist ein wirtschaftlich geprägtes Verständnis des Begriffs der Gesellschaft zugrunde zu legen, welches letztlich auch in der gesetzlichen Konzeption des Vergaberechts, insbesondere der dort verwendeten (scheinbar undifferenzierten) Begrifflichkeit seinen Ausdruck findet. Zwar ist nicht abzustreiten, dass nach gesellschaftsrechtlichem Verständnis sämtliche unternehmensbildenden Faktoren das Gesellschaftsvermögen darstellen, welches der Gesellschaft als Rechtssubjekt zugeordnet wird und insofern rein formal durchaus zwischen dem Unternehmen einerseits und der Gesellschaft

160 

Vgl. hierzu Rittner/Dreher, § 9. Vgl. hierzu Rittner/Dreher, § 9. 162  Raiser/Veil, § 6. 163  Raiser/Veil, § 6. 161 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

74

andererseits differenziert werden kann.164 Für die rechtspraktische Anwendung, insbesondere die vergaberechtliche Behandlung von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen und Veränderungen eines Unternehmens erweist sich diese feine Unterscheidung jedoch als nicht umsetzbar. So sind sämtliche Veränderungen in Bezug auf die Gesellschaft nicht nur formal, sondern immer auch – wenn nicht gar vornehmlich – vor dem Hintergrund ihrer materiellen Konsequenzen für die Auftragsvergabe zu betrachten. Hat eine Gesellschaft nach der Ausgliederung eines Teilbereiches noch Zugriff auf die für die Auftragsdurchführung erforderlichen Betriebsmittel? Deckt die nach der Umstrukturierung der Gesellschaft anwendbare Haftungsverfassung die Risiken der Auftragsdurchführung noch in ausreichendem Maße ab? Bietet die Gesellschaft also allgemein gesagt noch ausreichende Gewähr für eine ordnungsgemäße Auftragsdurchführung? Diese rein tatsächlich und vornehmlich wirtschaftlichen Umstände sowie viele weitere praktische Fragen sind aus Sicht des Vergaberechts im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Veränderung eines Bieters zu beantworten. Hieran wird deutlich, dass das Vergaberecht selbst nicht zwischen der „Gesellschaft“ und dem „Unternehmen“ trennt, sondern beides als eine Einheit betrachtet und entsprechend würdigt. Eine Änderung in der Person des Bieters liegt daher immer dann vor, wenn ein wesentliches Begriffsmerkmal der Gesellschaft oder des Unternehmens (z. B. Rechtspersönlichkeit, Haftungsverfassung, Vermögen, Betriebsmittel oder Mitgliederbestand etc.) betroffen ist. Ob diese Änderung entsprechend der bisherigen Praxis vergaberechtlich zu sanktionieren ist, ist eine andere Frage.

II.  Das Gesellschaftsrecht als kodifiziertes Handlungsinstrumentarium Die in Art. 9 GG verfassungsrechtlich garantierte Gründungsfreiheit beinhaltet auch die Freiheit der Unternehmensinhaber, die für ihre Marktabsichten beste Organisationsform zu wählen und demnach gegebenenfalls ein bereits gegründetes Unternehmen nach ihren aktuellen Bedürfnissen umzustrukturieren. Die zur Ausübung dieser Umwandlungsfreiheit notwendigen Mechanismen und Handlungsinstrumente werden durch das Gesellschaftsrecht zur Verfügung gestellt und näher ausgestaltet. Das Gesellschaftsrecht selbst ist ein sehr umfangreiches Rechtsgebiet, das sich auf viele Gesetze verteilt.165 Die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften reichen von der Festlegung der zulässigen Organisationsformen (numerus clausus des Gesellschaftsrechts), über Regelungen zu Gründung und Beendigung einer 164 

Vgl. u. a. Rittner/Dreher, § 9, S. 226 ff. Kraft/Kreutz, A. I. (S. 1), wo von einer „Zersplitterung des Gesellschaftsrechts“ gesprochen wird. 165 Vgl.

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

75

Gesellschaft, über Vorschriften, die das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen (Innenverhältnis), bis hin zu Regelungen über strukturelle Organisationsnormen wie Geschäftsführung und Vertretungsmacht sowie die verschiedenen Haftungssysteme (Außenverhältnis). Kodifiziert sind diese Bereiche insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch166 (§§ 705 ff. BGB), im Handelsgesetzbuch167 sowie für Kapitalgesellschaften insbesondere im GmbH-Gesetz168 und Aktiengesetz169. Darüber hinaus finden sich spezielle Regeln für Umwandlungen im 1995 eingeführten Umwandlungsgesetz170 sowie besondere Vorschriften für den Handel mit Wertpapieren im Wertpapierhandelsgesetz171 und Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz172. Eine einheitliche, allgemein anerkannte Definition des Gesellschaftsrechts ist bisher nicht vorzuweisen173, für die vorliegende Arbeit jedoch auch nicht von entscheidender Bedeutung. Für die hier relevanten Fragen genügt es festzuhalten, dass Gegenstand des Gesellschaftsrechts im Wesentlichen die rechtliche Behandlung aller privatrechtlichen Organisationen ist, die durch Rechtsgeschäft mit einem bestimmten Zweck begründet wurden.174

III.  Die verschiedenen Gesellschaftsformen – Begriffe und Bedeutung Die Auswahl zwischen den möglichen Gesellschaftsformen ist aus Gründen des Verkehrs- und Gläubigerschutzes nur im Rahmen der im Gesetz ausdrücklich geregelten Gesellschaftstypen zulässig. Es gilt ein gesetzlich festgelegter Rechtsformzwang, der in der juristischen Terminologie als „numerus clausus der Gesellschaftsformen“ bezeichnet wird. Innerhalb dieses vorgegebenen gesetzlichen Rahmens besteht jedoch ein nicht unbedeutender Gestaltungsspielraum für die Unternehmensgründer. Die zahlreich vorhandenen dispositiven Regelungen erlauben es den Gesellschaftsgründern die gewählte Gesellschaftsform nach ihren konkreten Bedürfnissen rechtsgeschäftlich näher auszugestalten. Insbesondere ist auch die Kombination verschiedener Gesellschaftsformen zulässig, wodurch sich eine Fülle konkreter organisatorischer Ausgestaltungen ergibt. 166 

Im Folgenden: BGB. Im Folgenden: HGB. 168  Im Folgenden: GmbHG. 169  Im Folgenden: AktG. 170  Im Folgenden: UmwG. 171  Im Folgenden: WpHG. 172  Im Folgenden: WpÜG. 173  Vgl. zur Problematik Kübler/Assmann, § 1 III 2. S. 4 ff., der von einem „methodischen Dilemma“ spricht. 174  Vgl. Grunewald, GesR, Einführung Rn. 1. 167 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

76

Eine Differenzierung zwischen den einzelnen Gesellschaftsformen und damit zusammenhängender Einteilung bzw. Einordnung orientiert sich im Wesentlichen an der Organisation und Struktur der jeweiligen Personenvereinigung sowie an dem damit verbundenen Verhältnis der Personenvereinigung zu ihren Mitgliedern. Darüber hinaus erfolgt eine gesetzliche Einteilung der Personenvereinigung anhand des mit ihr verfolgten Zwecks. Ausgehend von der oben bereits dargelegten Definition einer Gesellschaft als eine zu einem besonderen Zweck gegründete Personenvereinigung wird weiter zwischen Personengesellschaften einerseits und Körperschaften andererseits unterschieden. Personengesellschaften können wiederum unterteilt werden in den Grundtyp der Gesellschaft bürgerlichen Rechts175 und solche Personengesellschaften, die auf den Betrieb eines kaufmännischen Unternehmens ausgerichtet sind, den sogenannten Personenhandelsgesellschaften. Als Unterfall der Körperschaft wiederum sind insbesondere die Kapitalgesellschaften als Erwerbsgesellschaften zu nennen. Im Folgenden sollen die Gesellschaftsarten und ihre wesentlichen Eigenschaften kurz dargestellt werden. Dabei wird die Darstellung auf solche Gesellschaften beschränkt, die als Teilnehmer an einem Vergabeverfahren in Frage kommen. Reine Innengesellschaften wie die Stille Gesellschaft oder praktisch kaum relevante Personenvereinigungen wie die Partnerreederei bleiben unberücksichtigt. Die Darstellung der einzelnen Gesellschaftstypen selbst konzentriert sich auf die Fragen der Rechtspersönlichkeit, der Organisations- und Finanzverfassung sowie der Haftungsverfassung, da diese von vermeintlichen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen betroffen sind und im Hinblick auf die vergaberechtlich relevanten Fragestellungen maßgeblich sind. 1.  Personengesellschaften Personengesellschaften sind zunächst die Gesellschaft bürgerlichen Rechts176 sowie in ihrer handelsrechtlichen Ausprägung die offene Handelsgesellschaft177 und die Kommanditgesellschaft178. Als besondere Mischform fällt auch die GmbH & Co. KG unter den Begriff der Personenhandelsgesellschaften. Obwohl die einzelnen Personengesellschaften je nach ihrer konkreten Ausprägung teilweise unterschiedlichen Regelungen folgen, entstammen sie doch einem gleichen gesellschaftsrechtlichen Idealtypus und weisen daher strukturelle Gemeinsamkeiten auf, die sich in den für sie gemeinsam geltenden Prinzipien niederschlagen. 175 

Im Folgenden: GbR. Im Folgenden: GbR. 177  Im Folgenden: OHG. 178  Im Folgenden: KG. 176 

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

77

a)  Die personalistische Struktur als Leitbild einer Personengesellschaft Eine Personengesellschaft ist nach der gesetzlichen Grundvorstellung eine kleine Personenvereinigung, die lediglich auf eine geringe Anzahl von Mitgliedern angelegt ist. Sie zeichnet sich durch eine enge und intensive Beziehung der einzelnen Gesellschafter zueinander aus. Die Person des Gesellschafters steht im Mittelpunkt und ist maßgebend für seine Rechte und Pflichten.179 Man spricht insofern auch allgemein von der personalistischen Struktur einer Personengesellschaft. Eine Folge der personalistischen Prägung ist, dass die Existenz einer Personengesellschaft nach dem gesetzlichen Leitbild unmittelbar an die Person des Gesellschafters geknüpft ist und daher mit dem Verbleib der die Gesellschaft bildenden Mitglieder zusammenhängt und von diesen abhängig ist. Veränderungen im Mitgliederbestand führen grundsätzlich dazu, dass die Personengesellschaft aufgelöst und auseinandergesetzt wird. b)  Die Personengesellschaft als Rechtsperson Die GbR als Grundtyp der Personengesellschaft war von den Vätern des BGB nicht als rechtsfähige Personenvereinigung vorgesehen, da es an der hierfür erforderlichen Rechtspersönlichkeit fehlte. § 11 InsO bezeichnet die GbR, die OHG und die KG insoweit noch heute fälschlicherweise als „Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit“. Inhaber der Rechte und Adressaten der Verpflichtungen sollten dem ursprünglichen Verständnis und der jahrelang herrschenden Auffassung nach die Gesellschafter und nicht die Gesellschaft selbst sein.180 Unter einer „Gesellschaft“ war nach dieser überholten Auffassung das Zusammenwirken der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zu verstehen.181 Im Laufe der Zeit hat sich im Schrifttum und der Rechtsprechung jedoch die Gegenauffassung, wonach die Personengesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern zumindest zu einem gewissen Grad rechtlich verselbständigt ist, immer weiter durchgesetzt.182 Der ursprünglichen Auffassung kann heute, nach nunmehr gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung zur GbR nicht mehr gefolgt werden.183 Mittlerweile sind Personengesellschaften (sofern sie nach außen 179 

Grunewald, GesR, Erster Teil Rn. 1 ff. Vgl. BGHZ 17, 340 (342); 23, 307 (313); 79, 374 (377). 181  Vgl. BGH 80, 222; Berndt/Boin, NJW 1998, 2854. 182  Saenger, GesR Rn. 49; Ulmer/Schäfer, in: MüKo-BGB Vor § 705 Rn. 14 ff. sowie § 705 Rn. 289 ff.; K. Schmidt, GesR § 8 III (S. 203 ff.); Mülbert, AcP 199 (1999), 38, (43 ff.); Raiser, AcP 194 (1994), 495 (501 ff.); Timm, NJW 1995, 3209 ff.; vgl. auch BGHZ 116, 86 (GbR als Mitglied einer Genossenschaft); 118, 83 (GbR als Gründerin einer AG); 136, 254 (Scheckfähigkeit der GbR). 183  Grundlegende BGHZ 146, 341, 343 („ARGE Weißes Ross“); danach mehrfach bestätigt: BGHZ 154, 88 (94); BGH NJW 2002, 1207; BVerfG NJW 2002, 3533; dem zustimmend Saenger, GesR Rn. 49 m. w. N. 180 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

78

am Rechtsverkehr teilnehmen) selbst zumindest als teilrechtsfähige Vereinigungen von der Rechtsprechung anerkannt worden.184 Für die Personenhandelsgesellschaften stand dies bereits gesetzlich fest (vgl. §§ 124 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB). Personengesellschaften sind hiernach als eine besondere Wirkungseinheit, ein eigenständiges Zuordnungsobjekt zu verstehen, das als Personengruppe am Rechtsverkehr teilnehmen kann und damit selbst Träger von Rechten und Pflichten ist.185 Ihnen kommt daher in gewisser Hinsicht eine den juristischen Personen vergleichbare Rechtssubjektivität und damit Rechtsfähigkeit zu. Die in der Rechtsprechung erfolgte Anerkennung und Zugrundelegung dieses Modells für Personengesellschaften bedeutet gleichwohl nicht, dass es keinen Unterschied mehr zwischen einer Personengesellschaft und einer juristischen Person gibt, wenn auch beide Strukturen sich durch dieses Verständnis erheblich angenähert haben. Die GbR und auch die Personenhandelsgesellschaften haben nicht den Status einer juristischen Person. Bei der juristischen Person bedeutet die Rechtsfähigkeit vielmehr, dass das Vermögen der Gesellschaft noch stärker verselbständigt ist als bei der Gesamthand.186 Anders als bei Personengesellschaften tritt die juristische Person als eigenständiger Rechtsträger zwischen die Mitglieder der Gesellschaft und das Gesellschaftsvermögen („sog. Trennungsprinzip“). Daraus folgt zum einen, dass das Gesellschaftsvermögen bei juristischen Personen nur der Gesellschaft und nicht wie bei Personengesellschaften auch den Gesellschaftern oder Mitgliedern zusteht und zum anderen im Hinblick auf die Verbindlichkeiten, dass für Schulden einer Personengesellschaft die Gesellschafter neben der Gesellschaft mit ihrem Privatvermögen haften, während bei Schulden einer juristischen Person die Gesellschafter grundsätzlich keine Haftung trifft. Vorliegend wird der mittlerweile gefestigten herrschenden Auffassung gefolgt, welche die Rechtsfähigkeit und Rechtssubjektivität der Personengesellschaft anerkennt. Dies ist insbesondere auch für die im Folgenden noch näher dargelegten Ablauf des Gesellschafterwechsels von Bedeutung.187 c)  Die Personengesellschaft als Trägerin des Gesellschaftsvermögens Das Gesellschaftsvermögen ist ein dinglich gebundenes Sondervermögen, welches als Inbegriff von Sachen und Rechten definiert wird und vom übrigen (Privat-)Vermögen der Gesellschafter strikt zu trennen ist.188 Es entsteht durch die 184 

BGHZ 146, 341, 343 („ARGE Weißes Ross“). Ulmer/Schäfer, in: MüKo-BGB § 705 Rn. 298 ff.; BGHZ 146, 341. 186  Vgl. Kübler/Assmann, § 4 IV (S. 32). 187  Siehe unten 2. Teil, B, III. 1. e). 188  BGH NJW 99, 1407. 185 

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

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im Gesellschaftsvertrag eingegangene Beitragspflicht der einzelnen Gesellschafter sowie durch die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft. Der Begriff des Beitrags ist dabei weit zu verstehen. Er umfasst die Zahlung von Geld, die Einbringung oder Überlassung von Sachen, die Leistung von Diensten, die Herstellung eines Werkes, die Verschaffung von sonstigen Rechten oder Vermögenswerten wie Patenten und technischem know-how, Herstellungsverfahren oder Warenzeichen, aber auch der Vertriebsorganisation oder des Kundenkreises eines schon bestehenden Unternehmens.189 Das Gesellschaftsvermögen beinhaltet demnach zusammengefasst alle Aktiva der Gesellschaft und begründet ihre Leistungsfähigkeit.190 Zumindest noch in der Lehre ist umstritten, wer Träger des durch die Beiträge der Gesellschafter gebildeten Gesellschaftsvermögens ist, an wen also die einzelnen Beiträge übereignet werden bzw. wem die Gebrauchsbefugnis eingeräumt wird.191 Nach der oben bereits dargestellten Anerkennung der Rechtsfähigkeit und Selbständigkeit der GbR kommen als Zuordnungsobjekt des Gesellschaftsvermögens entweder die Gesellschaft selbst, die Gesellschafter oder sowohl die Gesellschaft als auch deren Gesellschafter in Betracht. Entsprechend des § 718 Abs. 1 BGB steht das Gesellschaftsvermögen allen Gesellschaftern zur gesamten Hand zu. Das Gesamthandsvermögen ist also dem Wortlaut nach ein Sondervermögen der Gesellschafter, so dass auch nur die Gesamthänder als Rechtsträger des Gesellschaftsvermögens in Frage kommen. Was genau jedoch unter dem Wesen der „gesamten Hand“192 verstanden wird, wie also die genaue Struktur des gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens aussieht, ist seit jeher umstritten. Im Wesentlichen werden hierzu zwei Theorien vertreten. Der traditionellen individualistischen Gesamthandstheorie193 steht die Lehre von der Teilrechtsfähigkeit194 (sog. kollektivistische Gesamthandstheorie) gegenüber. Die traditionelle Lehre geht von den Personengesellschaften als Gesamthandsgemeinschaften aus. Die Vermögensordnung in der GbR wird maßgeblich durch das Gesamthandsprinzip bestimmt. Das Prinzip der Gesamthand bedeutet, dass das durch die Gesellschafter gebildete Gesellschaftsvermögen sowie die den einzelnen Gesellschaftern zustehenden Gesellschaftsanteile bestimmten ding-

189 

Kübler/Assmann, § 6 II 1. (S. 47). Vgl. Kübler/Assmann, § 6 III 4. (S. 55). 191  Vgl. ausführlich Kießling, in: FS Hadding 2004, 477. 192  Saenger, GesR Rn. 101. 193  Vgl. hierzu Bork, BGB AT § 5 Rn. 194 ff.; Bernd/Boin, NJW 1998, 2854 (2855) ff.; Cordes, JZ 1998, 545 (546 f.); Hueck, in: FS Zöllner, S. 279 ff.; Zöllner, in: FS Gernhuber, S. 566 ff.; Kraft/Kreutz, S. 62. 194  Ulmer/Schäfer, in: MüKo-BGB § 705 Rn. 298 ff.; ders., AcP 198 (1998), 113, 119 ff.; K. Schmidt, GesR § 8 III (S. 196 ff.); Huber, in: FS Lutter, S. 110 ff. 190 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

80

lichen Bindungen unterliegen.195 So kann nach den geltenden Regelungen ein Gesellschafter einer Personengesellschaft weder über seinen Anteil am ganzen Gesellschaftsvermögen sowie den einzelnen dazu gehörigen Gegenständen verfügen, noch ist er berechtigt, Teilung des Gesellschaftsvermögens zu verlangen (§ 719 Abs. 1 BGB). Zwar ist es grundsätzlich möglich einen Gesellschaftsanteil als solchen zu übertragen, jedoch kann dies nur durch vollständige Übertragung der Mitgliedschaft geschehen und nicht durch bloße Teilübertragung bestimmter Vermögensrechte. Der Anteil am Gesellschaftsvermögen kann in keinem Fall ohne die Gesellschafterstellung übertragen werden. Das Gesellschaftsvermögen dient der Erreichung des Gesellschaftszwecks und soll der bestehenden Gesellschaft nicht entzogen werden. Hiernach wären also die Gesellschafter Träger des Gesellschaftsvermögens. Die Gegenauffassung entwickelte sich im Wesentlichen aus rechtspraktischen Notwendigkeiten.196 Nach der Lehre von der Teilrechtsfähigkeit ist die GbR als eine von den einzelnen Gesellschaftern zu unterscheidende Gruppe mit einem Sondervermögen zu verstehen. Sie kann daher selbständig im Rechtsverkehr auftreten und Rechtspositionen erwerben. Aus der Anerkennung der Personengesellschaft als rechtsfähige eigenständige Rechtsperson folgt, dass Personengesellschaften selbst als Gläubiger von Forderungen oder als Schuldner von Verbindlichkeiten auftreten können und darüber hinaus Inhaber von dinglichen und sonstigen Rechten sein können. Als selbständiger Träger von Rechten und Pflichten können Personengesellschaften demnach auch Zuordnungsobjekt für einzelne Vermögensgegenstände sein, was insbesondere das durch die Gesellschafter in Folge ihrer Beitragspflicht geschaffene Gesellschaftsvermögen betrifft. Zwar ist die Gesellschaft selbst nicht handlungsfähig, so dass Verbindlichkeiten und Forderungen nur durch die für sie handelnden Gesellschafter eingegangen werden können. Rechtlich allerdings wird einzig die Gesellschaft selbst Schuldnerin und Gläubigerin und somit auch Zuordnungsobjekt des Gesellschaftsvermögens. Die Gesellschafter selbst partizipieren über die aus ihrem Gesellschaftsanteil folgenden vermögens- und verwaltungsrechtlichen Befugnisse mittelbar am Gesellschaftsvermögen. Haftungsrechtlich besteht eine akzessorische Haftung über § 128 HGB (analog). Im Zuge der Anerkennung der Rechtssubjektivität und Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften ist es nur konsequent auch die Personengesellschaft selbst als Trägerin des Gesellschaftsvermögens anzuerkennen. Vorliegend wird daher davon ausgegangen, dass der Personengesellschaft selbst sämtliche Aktiva und Passiva zugeordnet werden und die Beurteilung der vergaberechtlichen Konse-

195  196 

Vgl. Kübler/Assmann, § 4 vor I (S. 28); § 4 III (S. 30). Saenger, GesR Rn. 103.

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

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quenzen einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung ausgehend von dieser Konzeption zu erfolgen hat. d)  Die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft – Der Gesellschaftsanteil Das nach der Lehre von der Teilrechtsfähigkeit entwickelte personengesellschaftsrechtliche Modell ist auch für das Verständnis der Beziehungen zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern zugrunde zu legen. Beim Mitgliedschaftsrecht handelt es sich um ein subjektives Recht der Gesellschafter, dass eigenständig übertragbar ist.197 Die Mitgliedschaft des einzelnen Gesellschafters bezeichnet seine Stellung im Ganzen in der Gesellschaft, stellt also den Inbegriff all seiner persönlichen, vermögensrechtlichen, korporativen Rechte und Pflichten dar.198 Sie hat zugleich personenrechtlichen und vermögensrechtlichen Charakter. Der im allgemeinen Sprachgebrauch verwendete Begriff des „Gesellschaftsanteils“ betrifft lediglich die vermögensrechtliche Komponente der Mitgliedschaft, nämlich die Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft. Zuordnungsobjekt des zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks gebildeten Gesellschaftsvermögens ist wie dargestellt nach der absolut herrschenden Auffassung allein die rechtsfähige Gesellschaft selbst und nicht die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit.199 Die Gesellschaft wird daher Eigentümerin der in das Gesellschaftsvermögen eingebrachten Sachen sowie Besitzerin der überlassenen Gegenstände im Wege des Organbesitzes.200 Den Gesellschaftern selbst steht in finanzieller Hinsicht lediglich ein in ihrem Mitgliedschaftsrecht verkörperter Kapitalanteil als Rechnungsziffer zu, anhand derer sich die Höhe ihrer Beteiligung am Wert des Unternehmens berechnet.201 Der Kapitalanteil des Gesellschafters ist eine bloße Rechnungsziffer, und besitzt keinen eigenen rechtlichen Zuweisungsgehalt. Er stellt insbesondere kein dingliches Recht dar, da ein solches an einem Inbegriff an Sachen und Rechten nicht bestehen kann.202 Die Gesellschafter verfügen demnach über keine dingliche Berechtigung am Gesellschaftsvermögen, sondern partizipieren über die in ihrer Mitgliedschaft liegenden Gesellschafterrechte. Neben die vermögensrechtliche Komponente tritt der organisatorische und verwaltungsrechtliche Bestandteil des Mitgliedschaftsrechts. Verwaltungsrechte 197 

Saenger, GesR Rn. 105. Sprau, in: Palandt § 717 Rn. 1. 199  Vgl. Sprau, in: Palandt § 738 Rn. 1 f., § 719 Rn. 1 f. 200  Schäfer, in: MüKo-BGB § 718 Rn. 36 f.; K. Schmidt, GesR § 60 II 3 (S. 1779); Hadding, ZGR 2001, 712 (723). 201  Saenger, GesR Rn. 52, 105. 202  Sprau, in: Palandt § 719 Rn. 1 f. 198 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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sind beispielsweise das Recht zur Geschäftsführung (§§ 709 ff. BGB) oder das Kontrollrecht (§ 716 BGB). Als Vermögensrechte andererseits sind namentlich die in § 705 BGB niedergelegte Pflicht des Gesellschafters zur Förderung des Gesellschaftszwecks (Förderpflicht) und Beitragspflicht sowie die Teilhabe am Gesellschaftsvermögen gemäß § 719 Abs. 1 BGB zu nennen. e)  Erwerb und Übertragung der Mitgliedschaft an einer Personengesellschaft Der Gesellschafter erwirbt seine Mitgliedschaft mit entsprechender Rechtsstellung bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages. Spätestens dann ist die Gesellschaft im Innenverhältnis wirksam entstanden und hat u. a. Ansprüche gegen die Gesellschafter auf Leistung der vereinbarten Beiträge. Nach mittlerweile gefestigter Meinung ist bei Personengesellschaften darüber hinaus die Verfügung über den Gesellschaftsanteil im Ganzen, also sowohl der vermögensrechtlichen, als auch der verwaltungsrechtlichen Komponente möglich. § 719 Abs. 1 BGB verbietet lediglich die isolierte Übertragung des vermögensrechtlichen Anteils. Aus Sicht des Erwerbers eines Gesellschaftsanteils spricht man auch von dem sog. abgeleiteten oder derivativen Erwerb. Die gesetzliche Vorstellung einer personalistischen Prägung und engen Verbundenheit der Gesellschafter einer Personengesellschaft erfordert für die Übertragung der Mitgliedschaft auf Dritte grundsätzlich die Zustimmung der anderen Gesellschafter. Die Übertragung des Gesellschaftsanteils erfolgt gemäß §§ 413, 398 BGB durch Abtretung und ist erst mit Zustimmung des letzten Gesellschafters voll wirksam, bis dahin schwebend unwirksam.203 Der Erwerber wird Rechtsnachfolger des veräußernden Gesellschafters und rückt voll in dessen im Zeitpunkt der Übertragung bestehende Rechtsstellung als Gesellschafter im Innenverhältnis ein, soweit es sich nicht um höchstpersönliche Rechte des Veräußerers, wie beispielsweise die Geschäftsführungsbefugnis handelt. f)  Die Haftungsverfassung bei Personengesellschaften Die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit von Personengesellschaften, der auch in dieser Arbeit gefolgt wird, erfordert eine Differenzierung hinsichtlich der Haftung der Gesellschaft einerseits und der Haftung von Gesellschaftern für Schulden der Gesellschaft im Außenverhältnis andererseits. Die Gesellschaft selbst kann als Rechtssubjekt Schuldner von Verbindlichkeiten sein. Als Haftungsmasse steht den Gläubigern das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung. Die Haftung der Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen beruht dabei stets auf einer eigenen Verbindlichkeit, die durch rechtsgeschäftliches Han203 

BGHZ 13, 179.

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

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deln oder tatsächliches Verhalten der Gesellschafter bzw. ihrer Repräsentanten begründet wurde.204 Während für die OHG und die KG die gesellschaftliche Haftung ausdrücklich in § 124 Abs. 1 HGB normiert ist, gilt diese Folge für die GbR nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit zumindest in analoger Anwendung. Daneben haften die Gesellschafter nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung gesetzlich akzessorisch nach § 128 HGB (analog) für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.205 Die Haftung resultiert allein aus der Gesellschafterstellung und ist vom Bestand der Verbindlichkeit der Gesellschaft abhängig.206 Die Haftung der Gesellschafter ist nach Art und Umfang persönlich, unmittelbar und unbeschränkt. Das bedeutet, dass den Gläubigern einer Gesellschaft deren Gesellschafter als zusätzliche Schuldner zur Verfügung stehen und neben der Gesellschaft direkt in Anspruch genommen werden können. Die Gesellschafter haften dabei unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen. 2.  Körperschaften Begrifflich sind, wie bereits dargestellt, die Körperschaften von den Personengesellschaften als Personenvereinigungen zu unterscheiden. Systematisch werden der Körperschaft die Kapitalgesellschaft, der Verein und die Genossenschaft zugeordnet. Daneben steht die Stiftung als eine einem bestimmten Zweck gewidmete und mit eigenem Vermögen ausgestattete, aber mitgliederlose Organisation.207 Wie bei den Personengesellschaften sollen zunächst zum besseren Verständnis der im Anschluss dargestellten Arten gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen die wesentlichen Merkmale der Körperschaften und ihrer Untergliederungen dargestellt werden. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Körperschaften und Merkmale gelegt, die eine vergaberechtliche Relevanz aufweisen. Daran anschließend beschränkt sich die weitere Darstellung auf die Kapitalgesellschaften als weitaus wichtigste Ausprägung der Körperschaft. Die Teilnahme der anderen Körperschaften an Vergabeverfahren ist soweit ersichtlich praktisch nicht relevant.

204  Saenger, GesR Rn. 184; zur Zurechnung des Handelns der Gesellschafter sowie zu den einzelnen Verbindlichkeiten siehe Saenger, GesR Rn. 185 ff. 205  Vgl. BGHZ 146, 341 (358); 150, 1 (3); 154, 88 (94); 154, 370 (371 f.); 157, 361 (364); zustimmend: Dauner-Lieb, DStR 2001, 356 (385); Habersack, BB 2001, 477 (481); Hadding, ZGR 2001, 712 (735); K. Schmidt, NJW 2001, 993 (998). 206  BGHZ 146, 341, 358; Saenger, GesR Rn. 194. 207  Raiser/Veil, § 3 Rn. 1.

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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a)  Allgemeine Merkmale der privatrechtlichen Körperschaft Privatrechtliche Körperschaften wie Aktiengesellschaften oder GmbHs nehmen am allgemeinen Wirtschaftsleben teil. Ihre freie Gründung und Betätigung ist in der Bundesrepublik verfassungsrechtlich garantiert, ebenso die Mitgliedschaft (Art. 19 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 GG). Die Körperschaft wird definiert als eine auf Dauer angelegte Personenvereinigung, die überindividuelle Zwecke verfolgt und in ihrem Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist.208 Nach der der Definition zugrundeliegenden Vorstellung sind Körperschaften größere Personenvereinigungen, also auf eine große Anzahl von Mitgliedern angelegt. Im Gegensatz zu den personalistisch strukturierten Personengesellschaften, die durch die enge Beziehung der einzelnen Gesellschafter zueinander geprägt sind, sind Körperschaften von dem Bestand ihrer Mitglieder unabhängig. Die Existenz der Körperschaft wird von dem Ein- bzw. Austritt eines oder mehrerer Mitglieder oder der Übertragung der Mitgliedschaft nicht berührt. Körperschaften geben sich zur inneren Organisation eine Verfassung (Satzung) und einen Namen, unter dem sie im Rechtsverkehr nach außen einheitlich auftreten. Hinsichtlich ihres organisatorischen Gefüges sind mindestens zwei, in der Regel drei Organe zu bilden, nämlich die Versammlung der Mitglieder, der Vorstand bzw. die Geschäftsführung und gegebenenfalls der Aufsichtsrat als Aufsichtsorgan. Im Gegensatz zu den Personengesellschaften gilt bei Körperschaften das Prinzip der Fremdorganschaft, so dass grundsätzlich auch Nicht-Mitglieder die Geschicke der Körperschaft steuern und in den einzelnen Organen vertreten sein können. Infolge der großen Anzahl der Mitglieder einer Körperschaft erfolgt auch die Willensbildung anders als bei Personengesellschaften. Das Einstimmigkeitsprinzip wäre bei Körperschaften nicht praktikabel, so dass an dessen Stelle die Willensbildung grundsätzlich dem Mehrheitsprinzip folgt. Durch Erlangung der Rechtsfähigkeit wird die Gesellschaft juristische Person und damit rechtlich selbständiges Zuordnungsobjekt des Körperschaftsvermögens. Die Körperschaft erhält die Rechtsfähigkeit entweder durch behördlichen Verwaltungsakt („Konzessionsmodell“) oder nach Erfüllung bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen durch Registereintragung („System der Normativbestimmungen“) durch Gesetz verliehen.209 Nach den §§ 21, 22, 80, 89 BGB sind juristische Personen mit eigener Rechtsfähigkeit ausgestattete Vereine und Stiftungen sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts.

208  209 

Raiser/Veil, § 3 Rn. 2. Vgl. hierzu näher Kübler/Assmann, § 4 IV 3. (S. 33) m. w. N.

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

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Daneben sind Aktiengesellschaften 210, Kommanditgesellschaften auf Aktien 211 und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung212 kraft gesetzlicher Anordnung juristische Person und damit rechtsfähig. Mit Ausnahme des nicht-rechtsfähigen Vereins sind alle Körperschaften juristische Personen. Bei Körperschaften gilt eine strikte Trennung zwischen den einzelnen Mitgliedern und den Angelegenheiten der Körperschaft (sog. „Trennungsprinzip“). Die Mitglieder der Körperschaft verfügen lediglich über Mitgliedschaftsrechte und haften insbesondere nicht unmittelbar für Schulden der Körperschaft. b)  Die Mitgliedschaft in einer Körperschaft Die Mitgliedschaft in einer juristischen Person bzw. einer Körperschaft ist anders strukturiert als diejenige in einer Gesamthandsgesellschaft.213 Die Mitgliedschaft in der Personengesellschaft basiert auf der in § 705 BGB exemplarisch beschriebenen vertraglichen Bindung der Gesellschafter untereinander.214 Die Gesamthandsgesellschaft ist nach diesem Verständnis zwar ein Rechtsträger, sie lebt aber nur im Verbund der einzelnen sie bildenden Gesellschafter215. Die Körperschaft hingegen ist wie dargelegt unabhängig vom Bestand ihrer Mitglieder. Auch die Beteiligung an einer Körperschaft ist rechtlich verselbstständigt und findet ihre Grundlage in einer auf die Gesellschaft bezogenen Satzungsverfassung.216 Die Anteile an Kapitalgesellschaften sind veräußerlich und vererblich. Obwohl die Beteiligung (Geschäftsanteile, Aktien) an einer Körperschaft oder einer Personenvereinigung ein Bündel von Gesellschaftsrechten (z. B. Stimmrechte, Gewinnbezugsrechte, Vermögensbeteiligung am Liquidationserlös) beinhaltet, liegt insgesamt ein einheitlicher Vermögensgegenstand vor. Der originäre Erwerb der Mitgliedschaft an einer Körperschaft vollzieht sich durch Teilnahme an der Gründung der Körperschaft. Der derivative Erwerb der Mitgliedschaft an einer Körperschaft, welcher insbesondere bei den nachfolgend näher beschriebenen Kapitalgesellschaften die Regel darstellt, erfolgt durch Gesamtrechtsnachfolge (z. B. bei Erbschaft oder Verschmelzung nach dem UmwG) oder durch rechtsgeschäftliche Übertragung. Da hierbei rechtsformabhängige Besonderheiten bestehen, ist die rechtsgeschäftliche Übertragung der Mitgliedschaft an einer Kapitalgesellschaft im Folgenden am Beispiel einer GmbH und einer AG getrennt voneinander dargestellt. 210 

Im Folgenden: AG. Im Folgenden: KGaA. 212  Im Folgenden: GmbH. 213  K. Schmidt, GesR § 8 IV S. 207. 214  K. Schmidt, GesR § 8 IV S. 207. 215  K. Schmidt, GesR § 8 IV S. 207. 216  K. Schmidt, GesR § 8 IV S. 207. 211 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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c)  Kapitalgesellschaften – GmbH und AG Die weitaus wichtigste Erscheinung einer Körperschaft, wenn nicht gar gesellschaftsrechtlicher Zusammenschlüsse im Wirtschaftsverkehr insgesamt, sind die Kapitalgesellschaften. Bei ihnen handelt es sich um eine Unterart der Körperschaften, bei denen die Kapitalbeteiligung im Vordergrund steht. Kapitalgesellschaften erfüllen damit in erster Linie eine Kapitalsammelfunktion, begrenzen aber auch die Haftung ihrer Gesellschafter auf die erbrachte Einlage und sind folglich eine äußerst attraktive Rechtsform zum Betrieb eines Unternehmens. Die Aufbringung des für die Haftung erforderlichen Kapitals ist unabdingbare Voraussetzung für die Gründung einer Kapitalgesellschaft. So ist für die bedeutendsten Kapitalgesellschaften, der Aktiengesellschaft217 und der Gesellschaft mit beschränkter Haftung218, zwingend vorgeschrieben, dass diese ein in Aktien bzw. Geschäftsanteile zerlegte Grund- bzw. Stammkapital in ihrer Satzung ziffernmäßig genau festlegen und dieses bis zur Eintragung auch zur freien Verfügung der Gesellschaft eingezahlt werden muss. National kommen insbesondere die AG, die GmbH und die KGaA als Kapitalgesellschaften in Betracht. Daneben gibt es als Unterfall der GmbH die Unternehmergesellschaft.219 Im Folgenden sollen kurz die wesentlichen Merkmale der in der Praxis relevantesten Kapitalgesellschaften der GmbH und der AG dargestellt werden. Die für diese Gesellschaftsformen geltenden Prinzipien und Regelungen finden grundsätzlich auch auf die UG und die KGaA entsprechend Anwendung. aa)  Die GmbH Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist als Kapitalgesellschaft ebenfalls juristische Person und daher rechtsfähig. Aufgrund des im Kapitalgesellschaftsrecht geltenden Trennungsprinzips haftet den Gesellschaftsgläubigern mit Eintragung der GmbH im Handelsregister und damit vollwirksamer Entstehung nach § 13 Abs. 2 GmbHG ausschließlich das Gesellschaftsvermögen. Das gesetzliche Leitbild und Konzept der GmbH geht von einem Unternehmen mit personalistischer Struktur aus. Die Gesellschafter kennen sich untereinander und sind oft sogar miteinander verwandt. Der Gesetzgeber geht daher von einem im Vergleich zur AG geringeren Kapital- und Personalbedarf aus, weshalb sich auch weniger Regelungen zum Schutz der Gesellschafter finden. Ob diese Vorstellung gegenwärtig noch der Realität entspricht, kann dahinstehen. Die Gesellschafter erbringen ihre Stammeinlage und bilden so das in der Satzung festgelegte Stammkapital, welches zugleich als Haftungsmasse fungiert. Im Gegenzug erhalten sie ihren 217 

Im Folgenden: AG. Im Folgenden: GmbH. 219  Im Folgenden: UG. 218 

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

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Geschäftsanteil in entsprechender Höhe mit den damit verbundenen vermögensund verwaltungsrechtlichen Befugnissen. Die Mitgliedschaft an einer GmbH ist in dem Geschäftsanteil verkörpert und kann entweder durch Beteiligung an der Gründung oder im späteren Verlauf rechtsgeschäftlich, durch Übernahme eines Geschäftsanteils bei einer Kapitalerhöhung oder aber gesetzlich im Wege der Erbfolge erworben werden. Die Übertragung des Geschäftsanteils ist nur unter den erschwerten Bedingungen des § 15 GmbHG veräußerlich. So bestimmt § 15 Abs. 3 GmbH, dass es zur Abtretung von Geschäftsanteilen durch Gesellschafter eines in notarieller Form geschlossenen Vertrags bedarf. Ebenso sind schuldrechtliche Verträge, welche die Verpflichtung zur Abtretung begründen der Beurkundungspflicht durch einen Notar unterworfen (§ 15 Abs. 4 S. 1 GmbHG). Eine formwirksame Übertragung kann den Mangel des Verpflichtungsgeschäfts heilen (§ 15 Abs. 4 S. 2 GmbHG). Der Sinn und Zweck der gesetzlich erschwerten und kostenintensiveren Übertragbarkeit eines Geschäftsanteils liegt nach dem BGH darin, „den leichten und spekulativen Handel mit Geschäftsanteilen auszuschließen. Die Anteilsrechte sollen nicht zum Gegenstand des freien Handelsverkehrs werden und nicht wie Aktien in den Börsenverkehr geraten.“220

bb)  Die AG Als Sonderform des eingetragenen Vereins ist die AG eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit und mit einem in Aktien zerlegten Grundkapital. Die AG erlangt ihre Rechtsfähigkeit durch Eintragung im Handelsregister und ist organschaftlich organisiert (Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung). Gläubigern steht als Haftungsmasse nur das Gesellschaftsvermögen zur Verfügung (vgl. § 1 AktG). Zweck der AG ist es, große Kapitalsummen durch eine Vielzahl an Kapitalgebern zu bündeln und damit Geschäfte in großem Kapitalbedarf zu tätigen.221 Die Grundkonzeption der AG als Publikumsgesellschaft und „Kapitalsammelstelle“ hat zur Folge, dass zwischen den einzelnen Gesellschaftern (Aktionären) außer einer grundsätzlich vorhandenen Treuepflicht keine weiteren Rechtsbeziehungen bestehen, sondern das Verhältnis der Gesellschafter zur AG entscheidend ist. Die Aktionäre erwerben über ihre Aktienanteile verschiedene Mitverwaltungs- und Vermögensrechte an der AG und halten somit letztlich wirtschaftlich das Eigentum.222

220 

BGHZ 13, 49 (51 f.). Vgl. Saenger, GesR Rn. 521. 222  Vgl. Saenger, GesR Rn. 520. 221 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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Die Mitgliedschaft an einer AG wird durch den Erwerb einer oder mehrerer Aktien begründet, welche sich entweder durch Teilnahme an der Gründung vollzieht, oder nachträglich durch abgeleiteten Erwerb durch Gesamtrechtsnachfolge oder rechtsgeschäftliche Übertragung.223 Die Aktie entspricht der wertmäßigen Beteiligung des Einzelnen am Gesellschaftskapital, stellt zudem aber auch eine wertpapierrechtliche Verkörperung der Mitgliedschaft dar und begründet deren Verkehrsfähigkeit. Der rechtsgeschäftliche Erwerb bzw. die rechtsgeschäftliche Übertragung der Mitgliedschaft ist je nach Art der Verbriefung der Mitgliedschaft besonderen Formvorschriften unterworfen. Sog. Inhaberaktien werden wie bewegliche Sachen gemäß § 929 BGB durch Einigung und Übergabe übertragen, während für sog. Namensaktien ein Indossament erforderlich ist. 224 Die Art und Ausgestaltung sowie die rechtlichen Grundlagen der rechtsgeschäftlichen Übertragung von Aktien sind im Detail äußerst komplex, für die vorliegende Arbeit aber auch nicht entscheidend. Im Einzelnen wird daher diesbezüglich auf die Ausführungen in der Literatur verwiesen.225 Die Mitgliedschaft an einer börsennotierten AG kann (und wird täglich) nach wertpapierrechtlichen Vorschriften in unvorstellbarer Häufigkeit und in Sekundenbruchteilen übertragen und weiterübertragen. Die Zusammensetzung der Gesellschafter einer börsennotierten AG ist demnach einem laufenden Prozess unterworfen und ändert sich ungleich häufiger als dies bei nicht börsennotierten Gesellschaften der Fall ist. Der Gesellschafterwechsel ist der AG, insbesondere der börsennotierten AG demnach sozusagen systemimmanent und kann nicht einfach „ausgesetzt“ werden. Zur Gewährleistung eines funktionsfähigen Sekundärmarkts ist die Übertragbarkeit von Aktien grundsätzlich unbeschränkt möglich.226 Das Gesetz sieht nur in § 71 AktG (Verbot des Erwerbs eigener Aktien durch die AG) sowie in § 68 AktG (Vinkulierung der Aktien) Einschränkungen der Übertragungsfreiheit vor. 3.  Sonderkonstellationen und Ausformungen gesellschaftsrechtlicher Gestaltungsfreiheit a)  Typenvermischung und Typenverformung Die Bestimmungen des Gesellschaftsrechts sind, wie bereits dargelegt, in weiten Teilen dispositiv. So stellt sich das Gesellschaftsrecht als eine Rechtsordnung dar, die die gemeinsame Verfolgung bestimmter (wirtschaftlicher) Zwecke nur 223 

Vgl. Kübler/Assmann, § 15 II 2. (S. 194). Vgl. Kübler/Assmann, § 15 II 2. (S. 194). 225  Vgl. Kübler/Assmann, u. a. § 14 I 3. (S. 160). 226  Vgl. Kübler/Assmann, § 15 II 2 b) (S. 194). 224 

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

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in bestimmten im Gesetz detailliert und verbindlich festgelegten Rechtsformen ermöglicht, andererseits aber innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens der privat­ autonomen Gestaltung erhebliche Freiräume schafft.227 Insbesondere ist die Ausgestaltung und Festlegung der Organisationsstrukturen der freien Entscheidung der Beteiligten überlassen. Die Praxis macht von diesem Gestaltungsspielraum in erheblichem Umfang Gebrauch. Die Vorteile einzelner Gesellschaftstypen werden vermischt und so miteinander kombiniert, dass die jeweiligen Nachteile umschifft werden. Andererseits werden bestimmte Gesellschaftstypen so organisiert und zusammengesetzt, dass sich ihr Typ derart verformt, dass er nicht mehr mit der Grundvorstellung des Gesetzgebers übereinstimmt. aa)  Die GmbH & Co. KG Einen lange umstrittenen, mittlerweile aber anerkannten, Fall der Typenvermischung, stellt die GmbH & Co. KG dar. Bei ihr handelt es sich um eine Sonderform der KG, deren Komplementär und damit persönliche haftender Gesellschafter eine GmbH ist. Durch die Vermischung beider Rechtsformen lassen sich die gesellschafts- und steuerrechtlichen Vorteile der KG mit den haftungsrechtlichen Vorteilen der GmbH kombinieren. Unternehmensträgerin ist die KG und nicht die GmbH, so dass es sich im Ergebnis um eine KG und damit um eine Personenhandelsgesellschaft handelt, die den Regelungen der § 161 ff. HGB folgt.228 Für die GmbH selbst als Komplementärin gilt das GmbHG. Der Reiz dieser Rechtsform liegt in der begrenzten Haftung für alle beteiligten Gesellschafter. Die Kommanditisten haften ohnehin nur beschränkt mit ihrer Einlage (§§ 171 ff. HGB) und die GmbH als Komplementärin haftet zwar unbeschränkt, jedoch lediglich mit ihrem Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Die Gesellschafter der Komplementär GmbH haften hingegen wegen des bei Kapitalgesellschaften allgemein geltenden Trennungsprinzips nicht persönlich. Eine weitere Besonderheit ergibt sich im Hinblick auf die Geschäftsführung. Während bei „reinen“ Personengesellschaften das Prinzip der Selbstorganschaft gilt und somit nur Gesellschafter als Geschäftsführer eingesetzt werden dürfen, leitet bei der GmbH & Co. KG die GmbH als Komplementärin die Geschäfte der KG. Diese wiederum ist eine Kapitalgesellschaft, bei der nach dem Prinzip der Fremdorganschaft jeder beliebige Dritte zum Geschäftsführer bestimmt werden kann, so dass im Ergebnis die KG ohne Verletzung des Grundsatzes der Selbstorganschaft von einem Nicht-Gesellschafter angeführt werden kann. Hinsichtlich eines Gesellschafterwechsels bestehen keine Besonderheiten. Zu beachten ist eine mögliche Verzahnung der Übertragung der Kommanditistenstellung mit der von Anteilen an der Komplementär-GmbH. 227  228 

Vgl. Kübler/Assmann, § 21 (S. 332). Saenger, GesR Rn. 420; K. Schmidt, GesR § 56 II 1 a (S. 1629).

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

bb)  Die Publikumspersonengesellschaft Die Erscheinungsform der Publikumspersonengesellschaft unterscheidet sich wie der Name schon sagt von dem Grundtyp der Personengesellschaft in der größeren Anzahl an Gesellschaftern. Während Personengesellschaften grundsätzlich personalistisch strukturiert sind und demnach eine kleine Anzahl an Gesellschaftern aufweisen, sind Publikumsgesellschaften darauf angelegt, zur Kapitalansammlung für ein bestimmtes Projekt oder bestimmte Geschäfte eine unbestimmte Vielzahl von Gesellschaftern aufzunehmen, die sich kapitalistisch beteiligen und in der Regel auf dem freien Kapitalmarkt durch Prospekte geworben werden.229 In der Regel bestehen Publikumspersonengesellschaften in der Rechtsform der GmbH & Co. KG, wobei grundsätzlich auch andere Rechtsformen möglich sind. Auf diese Weise vereint sie die bereits oben dargestellten Vorteile der KG und der GmbH und ähnelt darüber hinaus in ihrer Funktion als „Kapitalsammelbecken“ der AG. Auch wenn es sich bei der GmbH & Co. KG um eine Personengesellschaft handelt, weicht diese im Falle einer Publikumsgesellschaft doch in erheblichem Maße von dem Grundtyp der Personengesellschaft ab. Die Nähe zur AG ist bei der Publikumsgesellschaft streng genommen größer als die zur KG. In der Regel werden Publikumsgesellschaften von einigen wenigen Investoren gegründet, die dann im freien Markt um Anleger werben. Die vielen gewonnenen Anleger der Publikumsgesellschaft stehen in keinerlei persönlicher Beziehung zueinander.230 Eine vergleichbare enge und intensive Verbundenheit wie diese bei Personengesellschaften üblich ist, ist nicht vorhanden. Folglich bedarf es einer Anpassung der Regelungen des allgemeinen Gesellschaftsrechts, welches für den Regelfall einer überschaubaren Zahl von Gesellschaftern ausgelegt ist. Mangels vorhandener Rechtsvorschriften wurde diese Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen durch eine Vielzahl an gerichtlichen Entscheidungen vorgenommen, die zum einen darauf abzielen, den Schutz der Anleger zu gewährleisten und zum anderen die Handhabbarkeit und Funktionsfähigkeit einer Personengesellschaft mit einer Vielzahl an Gesellschaftern sicherstellen sollen. Die Anpassung macht sich insbesondere beim Beitritt eines neuen Gesellschafters bemerkbar. Bei der Publikumsgesellschaft ist es grundsätzlich nicht erforderlich, dass alle bereits vorhandenen Gesellschafter dem Beitritt zustimmen und so jeder einzelne einen neuen Vertrag mit dem Beitretenden schließen muss. Vielmehr genügt es, wenn sich die einzelnen Anleger beim Vertragsschluss von der Komplementär-GmbH vertreten lassen.231 229  BGHZ 84, 11, 13; 64, 238, 241; Kellermann, FS Stimpel, S. 296; Saenger, GesR Rn. 434. 230  Binz/Sorg, § 13 Rn. 2; Ebenroth/Authenrieth, JA 1980, 8 (9). 231  Vgl. BGH NJW 1978, 1000; K. Schmidt, GesR, § 57 II 1 a (S. 1672).

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

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cc)  Die Ein-Mann-Gesellschaft Eine Ausnahmeerscheinung des Gesellschaftsrechts stellt die Einmanngesellschaft dar, trägt doch die Begrifflichkeit schon einen Widerspruch in sich. Eine Person alleine befindet sich schließlich nicht „in Gesellschaft“. Zur Errichtung einer Gesellschaft nach regulärem Verständnis wird demnach auch grundsätzlich das Zusammenwirken mehrerer Personen verlangt.232 Im Personengesellschaftsrecht hat das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Gesellschaft zur Folge, dass das Unternehmen als Einzelkaufmann fortgeführt wird.233 Auch für den eingetragenen Verein ist gesetzlich der Verlust der Rechtsfähigkeit angeordnet, wenn seine Mitgliederzahl auf unter drei Personen sinkt (§ 73 Abs. 1 BGB). Gleichwohl gibt es derartige Gesellschaften im Wirtschaftsverkehr. Es handelt sich dabei um Kapitalgesellschaften, deren Anteile alle in einer Hand vereinigt sind und es folglich nur (noch) einen Gesellschafter gibt. Die Zulässigkeit der Einpersonengesellschaft ist heute völlig unstreitig. Im Rechtsverkehr anzutreffen ist dabei insbesondere die Ein-Mann-GmbH und die Ein-Mann-GmbH & Co. KG. Bei letzterer ist der einzige Kommanditist der einzige Gesellschafter der Komplementär-GmbH und ihr einziger Geschäftsführer. Eine Einmanngesellschaft kann auf verschiedene Weise entstehen. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass sich sämtliche Gesellschaftsanteile im Laufe der Zeit in der Person eines Gesellschafters vereinen. Dies kann zum Teil durch rechtsgeschäftlichen Erwerb von Gesellschaftsanteilen geschehen, aber auch im Wege der Vererbung oder Kaduzierung. In der Regel entsteht eine Einmanngesellschaft jedoch als strategischer Akt und wird planmäßig herbeigeführt. Als Produkt planmäßiger Unternehmensorganisation werden bestimmte strategische Zwecke verfolgt. So kann beispielsweise die Haftung für das einzelkaufmännische Unternehmen beschränkt werden. Ein einzelkaufmännisches Unternehmen kann nach den §§ 152 bis 160 UmwG in eine AG oder eine GmbH umgewandelt werden. Des Weiteren sieht das GmbHG bereits seit dem Jahr 1981 die Gründung einer GmbH durch eine Person vor. Das Gleiche gilt seit 1994 für die AG. Die Einmanngesellschaft bietet sich weiter bei der Konzernbildung an. Ein Unternehmen kann zum Beispiel einen besonders risikoreichen Produktionszweig in Form einer selbständigen Tochter-GmbH ausgliedern 234 oder aber alle Anteile an einer anderen Kapitalgesellschaft erwerben und diese in das eigene Unternehmen gemäß § 319 ff. AktG eingliedern. Das gegründete Tochterunternehmen sowie das eingegliederte Unternehmen sind dann jeweils Einmanngesellschaften. Außerdem kann eine Einmanngesellschaft auch durch Mantelkauf zustande kommen. 232 

Kübler/Assmann, § 23 I 1. (S. 360). BGHZ 65, 79 (82 f.); 113, 132 (133). 234  Siehe z. B. BGHZ 68, 312 f.; 83, 122 ff. 233 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

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Beim Mantelkauf erwirbt der Gründer eines Unternehmens zu dessen Inkorporierung alle Anteile einer meist vermögenslosen Kapitalgesellschaft, die ihren Geschäftsbetrieb nie aufgenommen oder bereits eingestellt hat, und ändert dann bei Bedarf die satzungsmäßige Bestimmung ihres Unternehmensgegenstandes.235 dd)  Vorgründungs- und Vorgesellschaften Umwandlungs- bzw. Übertragungsvorgänge gesellschaftsrechtlicher Art ergeben sich automatisch auch im Rahmen der Gründung von juristischen Personen. Juristische Personen erlangen ihre Rechtsfähigkeit im Wege der staatlichen Registrierung oder Konzessionierung. Dies gilt sowohl für kapitalistische als auch für nicht kapitalistische Körperschaftsstrukturen. Aufgrund der praktischen Relevanz soll vorliegend die Darstellung anhand der Kapitalgesellschaften der AG und der GmbH erfolgen. Der Gründungsprozess vollzieht sich in der Praxis in der Regel schrittweise und kann mitunter einige Zeit in Anspruch nehmen.236 Die Kapitalgesellschaft muss zunächst errichtet werden, was durch die notarielle Beurkundung der Satzung geschieht (§§ 23 Abs. 1 S. 1 AktG, 2 Abs. 1 S. 1 GmbHG). Sodann sind durch die Bestellung der ersten Organe (§§ 30 f. AktG bzw. § 6 Abs. 3 S. 2 ­GmbHG), durch Aufbringung des notwendigen Kapitals (§ 36a AktG bzw. § 7 GmbHG) sowie durch eine interne Gründungsprüfung und Erstellung des Gründungsberichts (§§ 32 ff. AktG bzw. § 5 Abs. 4 GmbHG) die sachlichen und formalen Voraussetzungen für die Eintragung im Handelsregister zu schaffen. Nach erfolgter Registeranmeldung und Einreichung aller erforderlichen Dokumente (§ 36 AktG, § 7 GmbHG) erfolgt die Gründungsprüfung durch das Registergericht (§ 38 AktG, § 9c GmbHG). Sollten bei der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen Zweifel entstehen, wird das zuständige Amtsgericht die Antragstellerin entweder direkt oder über den Notar informieren und Gelegenheit zur Abhilfe geben. Soweit keine Gründe für eine Zurückweisung des Antrags vorliegen, erfolgt die Eintra235 

Kübler/Assmann, § 23 II 4. (S. 364). Jahr 2012 dauerten die administrativen Verfahren zur Gründung einer eintragungspflichtigen Kapitalgesellschaft in Deutschland im Durchschnitt 5,6 Arbeitstage und damit 0,7 Arbeitstage länger als 2011. Konkret erforderte die steuerliche Anmeldung 2012 mehr Zeit: zum einen, weil die Finanzbehörden unter zunehmendem Personalmangel litten, zum anderen, weil die Zahl von unvollständigen und fehlerhaften Unterlagen gestiegen ist. Die Probleme bei der Zusammenstellung der Unterlagen resultieren vor allem aus der Tatsache, dass häufig keine der vielfältigen (halb-)öffentlichen wie privaten Unterstützungsangebote für die Antragseinreichung genutzt werden. Quelle: Begleitforschung „Dauer und Kosten von administrativen Gründungsverfahren im EU-Vergleich“, abrufbar unter: http://www.ifm-bonn.org/studien/studie-detail/?tx_ifmstudies_detail[study]=15&cHash=929d1f7d18275f4a418a2bafb967d013 Bei Problemen kann die Gründung sich aber durchaus auch bis zu einem Jahr und mehr hinziehen. 236  Im

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

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gung in das Handelsregister (§ 39 AktG, § 10 ­GmbHG) und Bekanntmachung (§ 40 AktG, § 10 Abs. 3 GmbHG). Oberstes Gebot der Gründungsprüfung des Registergerichts, wenn nicht gar des Kapitalgesellschaftsrechts insgesamt, ist der Gläubigerschutz. Schließlich steht den Gläubigern einer Kapitalgesellschaft, eine etwaige Durchgriffshaftung im Einzelfall ausgenommen, einzig das Gesellschaftskapital als Haftungsmasse zur Verfügung. Das Kapitalgesellschaftsrecht enthält daher strenge Regeln zur Kapitalaufbringung und dessen Erhaltung. So folgt aus dem Grundsatz der Kapitalaufbringung insbesondere das Verbot, das Gesellschaftsvermögen vor Eintragung zu belasten (sog. Vorbelastungsverbot). Gleichwohl besteht bereits während der Gründungsphase jedoch regelmäßig der Bedarf oder die Notwendigkeit der Gründer, im Namen der Gesellschaft werbend tätig zu werden und beispielsweise Büroräume anzumieten oder sonstige Anschaffungen zu tätigen. Wird gar ein Unternehmen als Sacheinlage in die Gesellschaft eingebracht, ist es unerlässlich, die Geschäfte des eingebrachten Unternehmens fortzuführen. Juristisch entstehen hierdurch z.T. komplizierte Haftungsfälle. Rechtlich kompliziert deshalb, weil lange Zeit umstritten war, wie die Gesellschaft im Laufe ihres Gründungsprozesses rechtlich zu qualifizieren ist und ihre Gründer haftungsrechtlich zu behandeln sind.237 Zudem stellte sich die Frage, wie die von der „Gründungsgesellschaft“ erworbenen Vermögenswerte sowie entstandenen Verbindlichkeiten im Gründungsprozess zugeordnet und übertragen werden. Zur Lösung dieser Fragen behalf man sich damit, den Gründungsprozess in verschiedene Phasen aufzuteilen und die streitigen Rechtsverhältnisse zeitlich einzuordnen. Zäsuren des Gründungsprozesses werden bei der Errichtung der juristischen Person und bei ihrer Eintragung vorgenommen. In der Zeit bis zur Errichtung, also von der Entscheidung der Gründer eine Kapitalgesellschaft zu gründen bis zur notariellen Festsetzung der Satzung, handelt es sich um eine sog. „Vorgründungsgesellschaft“. In der Phase bis zur Eintragung um eine sog. „Vorgesellschaft“, ehe sie mit Eintragung zur vollwertigen AG bzw. GmbH wird. (1) Die Vorgründungsgesellschaft Mit der Vereinbarung, eine Kapitalgesellschaft gründen zu wollen, entsteht bei entsprechendem Rechtsbindungswillen der Gründer, die Vorgründungsgesellschaft. Während bei der GmbH dieser Gründungsakt formlos möglich ist, bedarf er bei der AG der notariellen Beurkundung (§ 23 Abs. 1 S. 1 AktG). Die Vorgründungsgesellschaft ist ihrer Rechtsform nach eine GbR bzw. OHG mit dem Zweck, die vollwertige Kapitalgesellschaft zu errichten. Aus der anerkannten Rechtsfähigkeit der GbR und der gesetzlich festgelegten Rechtsfähigkeit der 237 

Vgl. im Einzelnen hierzu Raiser/Veil, § 26 Rn. 95 ff.

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

94

OHG folgt, dass die Vorgründungsgesellschaft Verbindlichkeiten eingehen kann und alle Beteiligten gegenüber den Gläubigern unmittelbar und persönlich haften. Die bestehenden Rechtsverhältnisse im Innenverhältnis sowie die im Außenverhältnis eingegangen Rechtsbeziehungen sind nach dem Gesellschaftsvertrag sowie allgemeinem Gesellschaftsrecht der §§ 705 ff. BGB bzw. § 105 ff. HGB zu beurteilen. Der Übergang von der Vorgründungsgesellschaft auf die Vorgesellschaft ist durch den Grundsatz der Diskontinuität geprägt. Die Vorgründungsgesellschaft geht mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages (der Satzung) und Entstehung der Vorgesellschaft nicht in dieser auf, sondern endet wegen Zweck­ erfüllung (§ 726 BGB) und muss liquidiert werden. Rechte und Verbindlichkeiten gehen auf die Vorgesellschaft dabei nur über, wenn sie durch besonderes Rechtsgeschäft, also rechtsgeschäftliche Vertrags- oder Schuldübernahme übertragen werden.238 (2) Die Vorgesellschaft Mit der Feststellung der Satzung durch den Notar (und der Übernahme aller Aktien bei der AG) ist die Kapitalgesellschaft errichtet. Die Vorgesellschaft hingegen ist ein Rechtsgebilde sui generis. Ihre Rechtsnatur und Rechtsverhältnisse sind im Gesetz nicht geregelt. Als notwendiges Zwischenstadium bis zum Abschluss der Gründung und Entstehung der vollwertigen Kapitalgesellschaft ist sie gleichwohl existent und von hoher praktischer Relevanz. Die einleitend geschilderten wissenschaftlichen Kontroversen sind gegenwärtig insbesondere durch ein mittlerweile gefestigtes Richterrecht weitestgehend geklärt. Wie Raiser/Veil zutreffend zusammenfassen 239, ging und geht es hier sachlich um vier miteinander verknüpfte rechtliche Fragekomplexe: das Binnenrecht der Vorgesellschaft, ihre Außenbeziehungen und die dabei begründeten Haftungsverhältnisse, den Übergang der Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft auf die rechtsfähig gewordene Kapitalgesellschaft sowie letztlich den Sinn und Zweck der gesetzlich festgeschriebenen Handelndenhaftung. Vorliegend soll sich die Darstellung lediglich auf die Rechtsnatur der Vorgesellschaft sowie die Frage des Übergangs begründeter Rechte und Pflichten auf ihren vollwertigen Nachfolger beschränken, da nur diese Relevanz für die Fragestellungen der vorliegenden Arbeit haben. Für die weiteren Themenkomplexe wird auf die ausführliche Darstellung bei Raiser/Veil sowie einschlägige Literatur und Rechtsprechung verwiesen. Entgegen der früher vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Vorgesellschaft seit BGHZ 21, 242 weder um eine GbR noch um eine OHG, sondern um eine Organisationsform eigener Art, ein eigenständiges, von ihren Gründern und Gesellschaftern verschiedenes körperschaftlich strukturiertes Rechtsgebilde mit 238  239 

BGHZ 22, 240; 91, 148, 151; Raiser/Veil, § 26 Rn. 18. Raiser/Veil, § 26 Rn. 97.

B.  Grundlagen des allgemeinen Gesellschaftsrechts

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eigenen Rechten und Pflichten.240 Sie ist also Trägerin der Vermögenswerte sowie Verpflichtete von Verbindlichkeiten. Diesem Ansatz liegt der Gedanke zugrunde, dass sich die Vorgesellschaft schon zu weit von einer Personengesellschaft entfernt hat, ohne jedoch bereits den entscheidenden Schritt zur juristischen Person gegangen zu sein. Sie ist weder GbR noch ist sie bereits so weit verselbstständigt, dass sie mit dem Verein verglichen werden kann. Auf diese Rechtsform sui generis findet die Satzung sowie das GmbH bzw. Aktienrecht insoweit Anwendung, als dieses nicht die Rechtsfähigkeit voraussetzt. Zweck der Vorgesellschaft ist es, die Eintragung voranzutreiben und Rechtsfähigkeit zu erlangen. Über den Gründungszweck hinausgehende Geschäfte bedürfen der Zustimmung aller Gesellschafter.241 Das durch Einlagen oder rechtsgeschäftlichen Erwerb erlangte Vermögen wird Vermögen der insofern vorläufig bereits rechtsfähigen Vorgesellschaft. Mit Eintragung der Kapitalgesellschaft und Entstehung der juristischen Person bestehen die Rechte und Pflichten der Vorgesellschaft weiter und gehen automatisch auf die vollwertige AG oder GmbH über. Es besteht Identität zwischen Vorgesellschaft und juristischer Person.242 ee)  Gesellschaften in Konzernverhältnissen Die bisherige Darstellung ging vom gesetzlichen Regelfall der Kapitalgesellschaft als unabhängigem und allein agierenden Rechtssubjekt aus. In der Rechtswirklichkeit treten Kapitalgesellschaften jedoch vornehmlich im Verbund mit anderen Kapitalgesellschaften am Markt auf. So sind nahezu 75 % aller AGs und etwa 50 % aller GmbHs entweder vertraglich oder rein faktisch mit anderen Gesellschaften verbunden.243 Es liegt demzufolge auf der Hand, dass die an Vergabeverfahren beteiligten Kapitalgesellschaften in der Regel auch Teil einer Unternehmensgruppe sind. So wird sich regelmäßig zum Nachweis der fachlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit auf konzernverbundene Unternehmen berufen. Da auch das Konzernverhältnis täglich Veränderungen unterworfen ist und Umstrukturierungen erfolgen, ist es erforderlich, vorliegend ebenfalls kurz auf Gesellschaften in Konzernverhältnisse einzugehen. Die Verbindung mehrerer Gesellschaften wird als „Konzernierung“ und das dadurch geschaffene Rechtsgebilde als „Konzern“ bezeichnet. Die Motivation für die Gründung eines Konzerns ist in erster Linie ökonomischer Natur, erhofft man sich beispielsweise durch die Bündelung von Entscheidungskompetenzen in der Konzernmutter sowie der Verteilung geschäftlicher Risiken oder Bündelung 240 

Vgl. auch BGHZ 117, 323; K. Schmidt, GesR, § 27 II 3 a (S. 788). BGHZ 122, 126; OLG Hamm WM 1985, 658. 242  Die Gegenansicht geht vom Übergang aller Aktiva und Passiva im Wege der Gesamtrechtsnachfolge aus, vgl. hierzu Hüffer/Koch, § 41 Rn. 16. 243  Saenger, GesR Rn. 923. 241 

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

der Warenbeschaffung erhebliche Einsparungspotentiale. Das Konzernrecht ist rechtsformneutral in den §§ 15 bis 19 AktG sowie spezifisch für die AG in den §§ 291 bis 328 AktG sowie bilanzrechtlich in den §§ 290 bis 315 HGB geregelt. Für die Anwendbarkeit des Konzernrechts ist eine hinreichende Verflechtung mehrerer Gesellschaften erforderlich, welche § 15 AktG mit dem Begriff des „verbundenen Unternehmens“ beschreibt. Verbundene Unternehmen sind hiernach rechtlich selbständige Unternehmen, die im Verhältnis zueinander in Mehrheitsbesitz stehende Unternehmen und mit Mehrheit beteiligte Unternehmen (§ 16 AktG), abhängige und herrschende Unternehmen (§ 17 AktG), Konzern­ unternehmen (§ 18 AktG), wechselseitig beteiligte Unternehmen (§ 19 AktG) oder Vertragsteile eines Unternehmensvertrags (§§ 291, 292 AktG) sind. Was konzernrechtlich unter dem Begriff des „Unternehmens“ verstanden wird, ist bis heute nicht abschließend geklärt, vorliegend jedoch auch nicht von Bedeutung. Ein Konzern ist nach gesetzlicher Vorstellung gekennzeichnet durch ein Abhängigkeits- bzw. Beherrschungsverhältnis, welches nach § 17 Abs. 2 AktG bei vorhandenen Mehrheitsbeteiligungen gesetzlich vermutet wird. Weiteres Merkmal eines Konzerns ist die Zusammenfassung aller zentralen Bereiche der einzelnen Konzernunternehmen unter eine einheitliche Planung und Leitung des herrschenden Unternehmens. Die einheitliche Leitung wird gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 AktG bei Vorliegen eines Beherrschungsvertrages (§ 291 Abs. 1 S. 1 AktG) oder einer Eingliederung (§§ 319, 320 AktG) gesetzlich widerlegbar vermutet. Wie aus dem Wortlaut des § 15 AktG hervorgeht, kann ein Konzern auf verschiedene Weisen entstehen. Zum einen besteht die Möglichkeit des Abschlusses eines Beherrschungsvertrages und der Eingliederung. Daneben kann das erforderliche Abhängigkeitsverhältnis auch faktisch über Einflussmöglichkeiten aufgrund vorhandener Mehrheitsbeteiligungen entstehen (sog. faktischer Konzern).

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen Die das Gesellschaftsrecht beherrschende Typenvielfalt räumt den Gründern eines Unternehmens also wie dargestellt die Freiheit ein, die nach den Umständen des Einzelfalls für ihre Bedürfnisse zweckmäßigste Rechtsform auszuwählen. Es liegt auf der Hand, dass die Arten und Erscheinungen gesellschaftsrechtlicher Veränderungen mannigfaltig sind und gesellschaftsrechtliche Veränderungen aus den verschiedensten Gründen und Motiven eintreten können. Gleichwohl bewegen sich sämtliche Arten und Erscheinungsformen gesellschaftsrechtlicher Veränderung innerhalb des vom Gesellschaftsrecht vorgegebenen Systems und Rahmens.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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Nachdem im vorangehenden Abschnitt B. die allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundlagen näher dargestellt wurden, sollen im nun folgenden Abschnitt C. die rechtlichen Rahmenbedingungen gesellschaftsrechtlicher Veränderungen erörtert werden. Dabei wird zunächst der Begriff der „gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung“ für die vorliegende Arbeit eingegrenzt und näher definiert. Daran anschließend werden die Grundlagen der verschiedenen Arten gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierung sowie die für sie jeweils geltenden Prinzipien, Regelungen und Rechtsfolgen näher dargestellt.

I.  Begriffsbestimmungen und Abgrenzungs-/Einordnungsfragen 1.  Der Begriff der „gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung“ Was ist unter einer „gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung“ im Sinne der vorliegenden Arbeit zu verstehen? Allgemein meint der Begriff der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung jedwede Veränderung einer Gesellschaft, die auf Grundlage gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen erfolgt. Diese kann einerseits den Rechtsträger selbst betreffen, andererseits aber auch die Gesellschaft als Rechtssubjekt selbst völlig unberührt lassen und sich „nur“ auf den Kreis der Gesellschafter erstrecken. Der Begriff der „Umstrukturierung“ ist eng verzahnt, mit dem in der rechtlichen Terminologie ebenfalls verwandten Begriff der „Umwandlung“. Der Rechtsbegriff der Umwandlung beschreibt allgemein die gesellschaftsrechtliche Reorganisation von Unternehmen und versteht darunter in erster Linie die nach dem UmwG vorgesehenen Arten der Umwandlung. § 1 Abs. 1 UmwG führt ausdrücklich in seinen Ziffern 1 bis 4 die Verschmelzung, die Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung), die Vermögensübertragung und den Formwechsel als Möglichkeiten von Umwandlungen inländischer Rechtsträger auf. Nach § 1 Abs. 2 UmwG sind daneben Umwandlungen nach § 1 Abs. 1 UmwG „nur“ möglich, wenn sie durch andere Bundes- oder Landesgesetze ausdrücklich vorgesehen sind. Durch diese eingrenzende Formulierung wird deutlich, dass eine gesellschaftsrechtliche Reorganisation nur auf bestimmte, gesetzlich vorgesehene Arten zulässig sein soll (sog. numerus clausus der Umwandlungsmöglichkeiten).244 Ausweislich der Gesetzesbegründung zum UmwG sowie dem Wortlaut der Beschränkung des § 1 Abs. 2 UmwG sind neben den zitierten Verfahren nach dem UmwG daher uneingeschränkt die sich nach dem allgemeinen Gesellschaftsrecht ergebenden Möglichkeiten der Umwandlung zulässig.245 So ergeben sich or244 

Saenger, GesR Rn. 884. zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 01. 02. 1994, Drucksache 12/6699, Ausführungen zu § 1, S. 80. 245 Begründung

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

ganisatorische Umstrukturierungen von Unternehmen auch nach der Systematik des BGB und des HGB, des GmbHG und des AktG, beispielsweise beim automatischen Übergang von einer GbR zu einer oHG bei entsprechendem Umfang der Geschäftstätigkeit, bei Unternehmenskäufen im Wege des Asset oder des Share Deals ohne Anwendung des UmwG oder allgemein bei Liquidation und Neugründung von Gesellschaften. Die genannten Umstrukturierungsvorgänge betreffen jeweils die Gesellschaft selbst und sind meist von der Unternehmensführung unter Einbeziehung der Anteilsinhaber initiiert. Daneben können sich aber auch gesellschaftsrechtliche Veränderungen eines Unternehmens durch vollzogene Wechsel im Bestand der Gesellschafter ergeben. So ist die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft wie dargestellt veräußerlich und vererblich und kann daher auf Dritte oder Mitgesellschafter übertragen werden. Auch diese „kleinen“ Veränderungen sollen vorliegend als „gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung“ im Hinblick auf ihre vergaberechtliche Relevanz untersucht werden und sind daher begrifflich erfasst. Häufig bringt eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung auch eine Veränderung auf Ebene der Geschäftsführung mit sich. Auch wenn dies strenggenommen keine die Gesellschaft direkt betreffende Veränderung ist, so ist ein Geschäftsführerwechsel generell vergaberechtlich insbesondere im Rahmen der einzureichenden Eignungsnachweise relevant. Aus diesem Grund werden auch Veränderungen auf Geschäftsführungsebene als gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung begrifflich erfasst. Weiter können sich gesellschaftsrechtliche Veränderungen nicht nur willentlich, also als aktiver Akt der Gesellschafter ergeben, sondern können auch Folge gesetzlicher Regelungen sein. So wird beispielsweise eine GbR aufgrund ihrer wirtschaftlichen Entwicklung automatisch zu einer OHG. Zudem ist bei der GbR im Falle des Todes eines Gesellschafters oder aber der Insolvenz eines Gesellschafters oder der Gesellschaft selbst deren Auflösung gesetzlich angeordnet, sofern nicht gesellschaftsvertraglich anderweitig geregelt. Auch diese Rechtsfolgen stellen gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen im Sinne dieser Arbeit dar. Die gegenständliche Untersuchung befasst sich daher mit Veränderungen in der Person des Bieters allgemein und meint Veränderungen der Gesellschaft jedweder Art. Erfasst werden sowohl Veränderungen einer Gesellschaft ohne Vermögensübertragung (also rein interne Vorgänge wie Gesellschafterwechsel) sowie solche Veränderungen, mit denen eine Übertragung des Vermögens der Gesellschaft einhergeht. Unter „gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen“ sind daher vorliegend alle Arten gesellschaftsrechtlicher Veränderungen zu verstehen, die von Gesetzes wegen vorgesehen sind und die entweder den Rechtsträger unmittelbar oder aber lediglich den Bestand seiner Gesellschafter betreffen.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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2.  Gründe gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierung Gesellschaftsrechtliche Veränderungen von Unternehmen im Laufe ihrer Existenz sind an der Tagesordnung. Aufgrund der Schnelllebigkeit des Wirtschaftslebens und der stetig wachsenden Globalisierung besteht eine ständige Notwendigkeit organisatorischer Anpassungen der Unternehmen und damit ein Bedürfnis nach unternehmerischer Flexibilität. Der Druck, im internationalen Wettbewerb zu bestehen, zwingt Gesellschaften dazu ihre strategische Ausrichtung ständig zu überdenken und beispielsweise durch die Übernahme von oder die Kooperation mit anderen Gesellschaften wertvolle Synergien zu erzielen, wie beispielsweise neue Märkte zu erschließen oder durch den Hinzuerwerb von know-how, die eigene Marktposition zu stärken.246 Die Motivation für gesellschaftsrechtliche Veränderungen kann dabei unterschiedlichster Natur sein. So ist denkbar, dass eine Umstrukturierung als Reaktion auf gesetzliche Änderungen vorgenommen wird oder aber betriebswirtschaftlich eine Anpassung der Organisationsstruktur erforderlich ist und die Umwandlung insofern mit konzernrechtlichen Fragen zusammenfällt. Mögliche Gründe für eine Umwandlung können z. B. der Zusammenschluss von Unternehmen, nachdem sie in die Hand des gleichen Anteilseigners gefallen sind, die Zerlegung von Unternehmen mit dem Ziel der Veräußerung von Teilunternehmen oder deren organisatorischer Verselbstständigung, die Einführung oder Abschaffung einer Holding-Struktur sowie bilanzielle oder Sanierungsgründe sein. Letztlich können auch rein tatsächliche Ereignisse zu einer Änderung der gesellschaftsrechtlichen Struktur führen, wenn beispielsweise der Gesellschafter einer zweigliedrigen Personengesellschaft verstirbt. Meist spielen aber steuerorientierte Gestaltungen und vor allem Haftungsbegrenzungen eine entscheidende Rolle für die Umstrukturierung eines Unternehmens. 3.  Rechtsgeschäftliche und gesetzliche Umstrukturierungen Der Normalfall gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen vollzieht sich auf rechtsgeschäftlicher Grundlage. Die Umstrukturierung wird beispielsweise als Reaktion auf eine veränderte Marktsituation oder aufgrund sonstiger in der Regel betriebswirtschaftlicher Erwägungen von den Unternehmensinhabern bewusst und willentlich veranlasst. Die Umstrukturierung kann sich dabei entweder „unternehmensintern“, also ohne Beteiligung eines Dritten vollziehen oder aber durch die Übernahme eines anderen Unternehmens, beispielsweise eines Marktkonkurrenten oder innerhalb eines Konzerns durch die Mutter- oder aber die Schwester- oder Tochtergesellschaft ergeben. Zu dem Bereich der rechtsgeschäftlichen Umwandlungen sind insbesondere Unternehmenskäufe im Wege des 246 

Reiner/Geuter, JA 2006, 543 (543).

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

Asset Deals oder Share Deals zu zählen. Im Einzelnen können sich die Unternehmensinhaber bei der Umstrukturierung der durch das Umwandlungsgesetz zur Verfügung gestellten Umwandlungsmöglichkeiten wie Rechtsformwechsel, Verschmelzung oder Spaltung bedienen. Aber auch Änderungen außerhalb des Umwandlungsgesetzes wie Gesellschafterwechsel durch An- und Verkauf von Anteilen werden auf rechtsgeschäftlicher Basis durchgeführt und sind daher letztlich willentlich herbeigeführte Veränderungen der Gesellschafter. Insbesondere im Bereich des Personengesellschaftsrechts ist jedoch aufgrund des bestehenden Rechtsformzwangs daneben die gesetzliche Umstrukturierung möglich. So findet ein identitätswahrender gesetzlicher, und damit automatischer Übergang zwischen den personengesellschaftsrechtlichen Rechtsformen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts247 oder der offenen Handelsgesellschaft statt, je nachdem ob ein kaufmännisches Unternehmen betrieben wird (dann OHG) oder nicht (dann GbR). Eine GbR wandelt sich unter Wahrung ihrer Identität durch Rechtsformwechsel automatisch in eine Personenhandelsgesellschaft (idR OHG) um, sobald sie die zusätzlichen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt.248 Ebenfalls zu dem Bereich der zwangsweisen oder gesetzlichen Umstrukturierungen sind die Fälle zu zählen, in denen eine Gesellschaft unfreiwillig liquidiert werden muss, da beispielsweise einer der beiden Gesellschafter einer GbR verstirbt und keine Fortsetzungsregel (vgl. § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB) getroffen wurde oder das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft eröffnet wird (vgl. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Weiter sind zu den gesetzlichen Umstrukturierungsvorgängen auch die Vererbung von Gesellschaftsanteilen zu zählen. Auch auf diese Weise rücken Dritte in die Gesellschafterstellung des Erblassers ein und verändern die Gesellschafterstruktur. Die gesellschaftsrechtlichen Veränderungen sind in diesen Fällen nicht Vertragsgestaltungsvorgänge, sondern gesetzliche und in diesem Sinne sogar zwingende Verwandlungen einer Gesellschaft.249 4.  Die Begriffe „Asset Deal“ und „Share Deal“ Eine gesellschaftsrechtliche Veränderung kann insbesondere dadurch eintreten, dass die Gesellschaft einen neuen „Eigentümer“ erhält, indem sie von einer anderen Gesellschaft übernommen wird. Die Übernahme eines Unternehmens wird in der rechtlichen, aus dem anglo-amerikanischen Raum übernommenen, Terminologie als „Merger and Acquisitions“ zu Deutsch „Unternehmenskauf“ oder „Fusion“ bezeichnet. Begriffsmäßig sind hierunter alle Aktivitäten zu verstehen, die im Zusammenhang mit Unternehmenskäufen anfallen, so dass sowohl der Übergang von ganzen Unternehmen, größeren Minderheitsbeteiligungen, 247 

Im Folgenden: GbR. Sprau, in: Palandt § 705 Rn. 6. 249  K. Schmidt, GesR § 12 I 4. 248 

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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Teilbetrieben oder Tochtergesellschaften erfasst wird. Die Übernahme von oder durch Unternehmen wird in der Regel bei Aktiengesellschaften als strategische Entscheidung der jeweiligen Unternehmensführungen in Betracht gezogen. Ausgangspunkt eines Übernahmevorgangs ist immer ein schuldrechtlicher Vertrag nach § 453 BGB zwischen dem Unternehmenskäufer, in der Regel ein Investor, auf Erwerberseite und der Zielgesellschaft bzw. deren Gesellschaftern auf Veräußererseite. Auf Seite des Erwerbers ist darüber hinaus häufig zwischen rechtlichem und wirtschaftlichem Käufer zu unterscheiden. Oft wird aus steuerlichen und haftungsrechtlichen Gründen extra für das Erwerbsgeschäft eine gesonderte Erwerbergesellschaft gegründet, die anschließend die erworbene Zielgesellschaft an den eigentlichen Erwerber weiterüberträgt. Gegebenenfalls bedarf es beim Unternehmenskauf der Mitwirkung Dritter, sei es, dass beispielsweise die Kartellbehörden die Übernahme freigeben müssen, sei es, dass bei mittelständischen Unternehmen der Ehegatte des Veräußernden dem Unternehmensverkauf gemäß § 1365 BGB zustimmen muss. Die Übernahme eines Unternehmens kann dabei entweder durch Erwerb der unternehmerischen Substanz als Inbegriff von Rechts- und Sachgesamtheiten (sog. Asset Deal) oder durch Erwerb des Unternehmensträgers, bei Gesellschaften also der Anteile, (sog. Share Deal) stattfinden.250 Bei einem Asset Deal wird ein Kaufvertrag nach § 453 Abs. 1 Alt. 2 BGB geschlossen, in dem sich der Unternehmensverkäufer verpflichtet das Unternehmen als Gesamtheit von Sachen und Rechten an den Unternehmenskäufer zu übertragen. Dinglich werden die jeweiligen Wirtschaftsgüter der Unternehmung nach den jeweils für sie einschlägigen Bestimmungen übereignet.251 Bei einem Share Deal hingegen werden bloß die Gesellschaftsanteile (z. B. Aktie, Geschäftsanteil) an der Zielgesellschaft veräußert, so dass es sich dabei um einen echten Rechtskauf i. S. d. § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB zwischen dem Erwerber und den jeweiligen Anteilsinhabern handelt. Die Erwerbergesellschaft gewinnt daher bei einem Share Deal „nur“ Einfluss und ggf. Entscheidungsgewalt im Unternehmensträger ohne Eigentümer der weiterhin dem Unternehmensträger zugeordneten Wirtschaftsgüter zu werden. Die Übertragung der Unternehmensanteile richtet sich dabei nach den für sie geltenden Bestimmungen (z. B. § 15 Abs. 4 GmbHG). Maßgeblich ist jedoch, dass es sich bei einem Share Deal (gesellschaftsrechtlich) um einen rein internen Vorgang handelt, der die Rechtsbeziehung der Gesellschaft im Außenverhältnis vorbehaltlich etwaiger besonderer Vertragsbestimmungen zwischen der Gesellschaft und ihren Vertragspartnern (z. B. sog. Change of Control Klauseln) unberührt lässt. Es kommt lediglich zu einem Wechsel in den Reihen der Gesellschafter. Die Vermögenswerte der Gesell250  251 

Vgl. ausführlich: Reiner/Geuter, JA 2006, 543 ff. Saenger, GesR Rn. 1075.

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

schaft, insbesondere die vorhandenen Wirtschaftsgüter bleiben der Gesellschaft erhalten. 5.  Die Anwendung des Umwandlungsgesetzes als Alternative zu Liquidation und Neugründung nach allgemeinem Gesellschaftsrecht Bei der Umstrukturierung und Neuorganisation ihres Unternehmens haben die Unternehmensinhaber die Wahl, sich entweder der Möglichkeiten des Umwandlungsgesetzes zu bedienen oder die Umwandlung außerhalb dessen Anwendungsbereichs zu vollziehen. Verzichtet man auf die Anwendung des UmwG und der damit verbundenen Mechanismen, gelten für die Übertragung die allgemeinen Regeln des Gesellschaftsrechts sowie des Sachenrechts. Wird ein Unternehmen oder Bestandteile des Unternehmens beispielsweise im Wege des Asset Deals erworben, so sind zur Erfüllung des Unternehmenskaufvertrages die einzelnen Vermögensgegenstände nach den jeweils für sie geltenden Vorschriften unter Wahrung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes zu übertragen. Dies kann je nach Größe der zu übertragenden Vermögensmasse eines Unternehmens einen nicht zu unterschätzenden Aufwand bedeuten. So müsste beispielsweise der alte Rechtsträger zunächst aufgelöst und liquidiert und der neue Rechtsträger entsprechend den jeweils geltenden Bestimmungen neu gegründet werden („Liquidation und Neugründung“). Das Vermögen des aufgelösten Rechtsträgers müsste schließlich unter Wahrung des Spezialitätsgrundsatzes in die neue Gesellschaft eingebracht werden. Hier können zum Teil rechtliche Probleme wie die Frage der Sacheinlage oder der Übereignung eines Grundstücks aber auch erhebliche Zusatzkosten für die erforderlichen Beurkundungen entstehen. Darüber hinaus erfolgt eine Auflösung der stillen Reserven, die damit versteuert werden müssten, was regelmäßig zu erheblichen Wertverlusten führt. Insgesamt ist daher die Umwandlung außerhalb des Umwandlungsgesetzes grundsätzlich kompliziert, langwierig und mit rechtlichen und steuerlichen Risiken sowie Kosten verbunden. Das UmwG trägt genau dieser Problematik Rechnung. Es hat zum Ziel die grundsätzlich nach dem allgemeinen Gesellschaftsrecht bereits möglichen Umstrukturierungsvorgänge rechtlich zu erleichtern. Als Instrumentarien bedient es sich dabei der Prinzipien der Identität und der Gesamtrechtsnachfolge sowie der partiellen Sonderrechtsnachfolge. Konkret bedeutet dies, dass die sonst notwendigen Auflösungen, Liquidationen, Neugründungen sowie Einzelvermögensübertragungen ersetzt werden durch einen identitätswahrenden Rechtsformwechsel bzw. im Fall der Verschmelzung, der Spaltung und der Vermögensübertragung durch den Übergang der Vermögensmassen auf den neuen Rechtsträger im Wege der Gesamtrechtsnachfolge oder partiellen Sonderrechtsnachfolge unter gegebenenfalls gleichzeitigem Wegfall des bisher vorhandenen Rechtsträgers. Der Vor-

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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teil des UmwG liegt darin, dass Unternehmen schnell auf betriebliche Notwendigkeiten, z. B. steuerliche Entwicklungen, reagieren können. Nachteil des UmwG ist sein streng formalisiertes Verfahren. Es ist daher immer im Einzelfall abzuwägen, welche Umstrukturierungsmaßnahme am zweckmäßigsten erscheint. 6.  Umstrukturierung mit und ohne Vermögensübertragung Eine weitere mögliche Einteilung der vorhandenen Umstrukturierungsmöglichkeiten kann mit Blick auf die Vermögenswerte der Gesellschaft erfolgen. Umstrukturierungen können mit einer Vermögensübertragung einhergehen oder aber die Vermögenswerte der Gesellschaft völlig unberührt lassen. Klarstellend ist mit Vermögensübertragung auch der Übergang der vorhandenen Verbindlichkeiten einer Gesellschaft gemeint. Als Umstrukturierung ohne Vermögensübertragung kommen insbesondere bloße Rechtsformwechsel in Betracht. Diese haben keinerlei Auswirkungen auf den Bestand der Gesellschafter oder das Vermögen der Gesellschaft, sondern lassen diese in einem „neuen Rechtskleid“ unverändert fortbestehen. Im Einzelnen ist hierunter insbesondere der gesetzlich angeordnete Wechsel der GbR zur OHG oder aber der im UmwG geregelten Möglichkeiten des Formwechsels (§§ 190 ff. UmwG) zu fassen. Umstrukturierungen mit Vermögensübertragung können sich nach allgemeinem Zivil- und Gesellschaftsrecht im Wege der Einzelrechtsnachfolge, oder aber unter Anwendung der Regelungen des UmwG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vollziehen. Gesamtrechtsnachfolge bzw. teilweise oder partielle Sonderrechtsnachfolge ist im UmwG bei der Verschmelzung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), bei der Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung, § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) und bei der Vermögensübertragung (Vollübertragung: § 176 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG, Teilübertragung: § 189 Abs. 1 i. V. m. § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) gesetzlich geregelt. Eine besondere Form der Umstrukturierung, welche sich auf Ebene der Gesellschafter vollzieht, also die Gesellschaft als Rechtsperson selbst unberührt lässt ist das im allgemeinen Zivil- und Gesellschaftsrecht geltende Rechtsinstitut der Anwachsung (§ 738 BGB). Im Falle der Anwachsung erfolgt eine wertmäßige Neuzuordnung der Mitgliedschaft eines ausscheidenden Gesellschafters zu den verbleibenden Gesellschaftern. 7.  Rechtsfolgenorientierte Betrachtungsweise Für die vorliegende Untersuchung, die eine vergaberechtliche Beurteilung der verschiedenen Umstrukturierungsarten zum Gegenstand hat, ist die durch die gesellschaftsrechtliche Veränderung ausgelöste Wirkung bzw. Rechtsfolge

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

entscheidend. Diese Wirkung ist maßgeblich abhängig davon, ob die Veränderung unter Anwendung des UmwG vollzogen wird oder aber sich außerhalb der Regelungsmechanismen des UmwG abspielt. Im Folgenden werden daher die in Betracht kommenden Umwandlungsarten mit ihren wesentlichen Inhalten und Rechtsfolgen dargestellt, um einen Ausgangspunkt für die vergaberechtliche Beurteilung zu schaffen.

II.  Umstrukturierungen ohne Anwendung des Umwandlungsgesetzes Gesellschaftsrechtliche Änderungen nach allgemeinem Gesellschaftsrecht können sich im Innenverhältnis durch Eintritt und Ausscheiden von Gesellschaftern sowie durch ganz oder teilweise Übertragung des Unternehmens selbst im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf einen Dritten vollziehen. 1.  Anwachsung als Rechtsfolge des Austritts eines oder mehrerer Gesellschafter Die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft hat wie dargestellt zugleich personenrechtlichen und vermögensrechtlichen Charakter.252 Dementsprechend können die Gesellschafterrechte in Verwaltungsrechte, wie das Recht zur Geschäftsführung (§§ 709 ff. BGB) oder das Kontrollrecht (§ 716 BGB) einerseits und in Vermögensrechte andererseits eingeteilt werden. Als Vermögensrechte sind namentlich die ausdrücklich in § 705 BGB niedergelegte Pflicht des Gesellschafters zur Förderung des Gesellschaftszwecks (Förderpflicht) und Beitragspflicht, insbesondere aber auch die Teilhabe am Gesellschaftsvermögen gemäß § 719 Abs. 1 BGB zu nennen. In dem Moment, in dem der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet, verliert er seine Rechtsstellung als Mitglied der Gesellschaft. Der Verlust der Gesellschafterstellung hat also den Verlust des durch die Mitgliedschaft vermittelten Anteils am Gesellschaftsvermögen und damit notwendig den Wegfall der Gesamthandsberechtigung an den Vermögensgegenständen der Gesellschaft zur Folge.253 Nach dem Ausscheiden des Gesellschafters stellt sich damit die Frage, wem genau sein Anteil am Gesellschaftsvermögen nun zukommt und entsprechend der rechtlichen Terminologie „anwächst“. Die Beantwortung dieser Frage ist zunächst abhängig von dem zugrunde gelegten Verständnis zur Rechtsstellung der Gesellschaft.254 Nach heute ganz herr252 

Siehe oben 2. Teil, B. III. 1. Schäfer, in: MüKo BGB, § 738 Rn. 8 sowie § 718 Rn. 7; Koch, GesR § 14 Rn. 12. 254  Siehe oben 2. Teil, B. I. 253 

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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schender Auffassung ist die GbR mindestens teilrechtsfähig und daher in der Lage, Träger von Rechten und Pflichten zu sein.255 Das Gesellschaftsvermögen wiederum ist dem Gesellschaftszweck gewidmet und stellt daher ein dinglich gebundenes Sondervermögen dar. Es ist ein Inbegriff von Sachen und Rechten, der vom sonstigen Vermögen der Gesellschafter, also deren Privatvermögen streng zu unterscheiden ist.256 Der Anteil des Gesellschafters an diesem Vermögen stellt kein dingliches Recht dar, da ein solches an einem Inbegriff von Sachen und Rechten nicht bestehen kann.257 Zuordnungsobjekt des zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks gebildeten Gesellschaftsvermögens ist daher entgegen des Wortlauts von § 738 BGB nach der h.M. allein die rechtsfähige Gesellschaft selbst und nicht die Gesellschafter.258 Diese partizipieren vielmehr über die in ihrer Mitgliedschaft liegenden Gesellschafterrechte an dem Gesellschaftsvermögen. Der Eintritt und das Ausscheiden von Gesellschaftern können daher keinen Einfluss auf die dingliche Rechtslage bezüglich des Gesellschaftsvermögens haben. Dieses bleibt vielmehr weiterhin bei der Gesellschaft selbst. Die übrigen Gesellschafter erhalten durch die Anwachsung lediglich eine verbesserte rechtliche Stellung, da das gesamte Gesellschaftsvermögen nunmehr auf weniger Gesellschafter aufgeteilt wird und sich ihr Mitgliedschaftsanteil entsprechend vergrößert. Das Institut der Anwachsung lässt daher die Gesellschaft von einem Mitgliederwechsel unberührt259 und versucht deren Bestand – ähnlich wie § 736 ZPO – zu sichern.260 Die Anwachsung stellt einen automatischen, gesetzlich angeordneten Vorgang dar. Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters bedarf es demnach auch keiner isolierten Übertragung einzelner Vermögensgegenstände oder des gesamten Vermögens, da dinglich keine Rechtsänderung erfolgt.261 Das Anwachsungsprinzip ist nichts anderes als der Ausdruck der sachenrechtlichen Zuordnung des Gesellschaftsvermögens zum jeweiligen Gesellschafterkreis.262 Besondere Übertragungsakte sind weder erforderlich noch möglich.263

255 

Ulmer/Schäfer, in: MüKo-BGB § 705 Rn. 298 ff.; BGHZ 146, 341. BGH NJW 1999, 1407. 257  Sprau, in: Palandt § 719 Rn. 1. 258  Vgl. Sprau, in: Palandt § 738 Rn. 1, § 719 Rn. 1; vgl. zur Gegenauffassung (der sog. individualistischen Gesamthandstheorie) insbesondere Kraft/Kreutz, S. 162. 259  K. Schmidt, GesR § 45 II 5 S. 1319. 260  Früchtl, NZG 2007, 368 f. 261  Saenger, GesR Rn. 215; K. Schmidt, in: MüKo-HGB, § 131 Rdnr. 104; Schäfer, in: MüKo-BGB § 718 Rdnr. 7. 262  So Flume, BGB AT-PersonenG § 17 VIII S. 370; Schäfer, in: MüKo-BGB, § 738 Rdnr. 6 ff. 263  Koch, GesR, § 14 Rn. 12. 256 

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

106

2.  Vermögensübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge Bei der Einzelrechtsnachfolge gehen die Vermögenswerte eines Unternehmens (oder Teile davon) sowie bestehende Verbindlichkeiten nicht als Ganzes auf einen neuen übernehmenden Rechtsträger über, sondern müssen nach den einschlägigen gesetzlichen Regelungen jeweils einzeln übertragen werden. Statt eines alles umfassenden singulären Rechtsaktes bedarf es daher mehrerer einzelner Rechtsakte, die sich alle nach den für sie geltenden Vorschriften, insbesondere Formvorschriften richten müssen. Es liegt auf der Hand, dass eine Umstrukturierung im Wege der Einzelrechtsnachfolge aufgrund der Vielzahl an erforderlichen Rechtsgeschäften und der für sie geltenden unterschiedlichen Regelungen sehr umständlich und insbesondere kostenintensiv ist. Vorteil der Einzelrechtsnachfolge ist, dass die vorhandenen Vermögenswerte selektiert übertragen und einzelne Wirtschaftsgüter zurückbehalten werden können. Darüber hinaus ermöglicht die Vermögensübertragung durch Einzelrechtsnachfolge insbesondere den Unternehmensformen eine Umstrukturierung, die nach dem Umwandlungsgesetz oder anderen Vorschriften nicht umgewandelt werden können. Die Vermögensübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge hat sich übersichtsartig an folgenden Regelungen zu orientieren 264: Gegenstand

Form der Übertragung

Vorschrift

Bewegliche Sachen

Einigung und Übergabe oder Ersatztatbestand (z. B. Tausch)

§§ 929 bis 931 BGB

Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte

Notarielle Auflassung und Eintragung

§§ 925, 873 BGB

Forderungen

Einigung über die Abtretung

§ 398 BGB

Wechsel, Scheck

Indossament

Art. 11 WG, Art. 14 ScheckG

Verbindlichkeiten

Schuldübernahme mit Zustimmung des Gläubigers oder Schuldbeitritt

§ 414 BGB

GmbH-Anteile

Einigung über die Abtretung, notarielle Beurkundung

§ 398 BGB § 15 Abs. 3 GmbHG

Anteile an Personengesellschaften

Einigung über die Abtretung

§ 398 BGB

264 Nachfolgende Übersicht ist angelehnt an die Übersicht von Brösske, Dörner, Klumpp u. a. Umwandlung der Unternehmensform für die Praxis, 2001, S. 6.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

107

3.  Der Rechtsformwechsel kraft Gesetzes bei Personengesellschaften Bei Personengesellschaften findet ein identitätswahrender gesetzlicher und damit automatischer Übergang zwischen den personengesellschaftsrechtlichen Rechtsformen der GbR und der oHG statt, je nachdem ob ein kaufmännisches Unternehmen betrieben wird (dann oHG) oder nicht (dann GbR). Eine GbR wandelt sich unter Wahrung ihrer Identität durch Rechtsformwechsel automatisch in eine oHG um, sobald sie die zusätzlichen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt.265 Hierdurch ändert sich zwar die Gesellschaftsform, im Übrigen bleibt die Gesellschaft jedoch vollumfänglich erhalten. Das Vermögen der GbR ist mit allen Rechten und Pflichten auf die oHG übergegangen, ohne dass es einer Übertragung im Einzelnen bedarf.266 Da der Rechtsformwechsel von GbR zu oHG einzig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Gesellschaft abhängig ist, ist diese Art der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung oft eine rechtliche Begleitfolge, welche sich für die jeweiligen Gesellschafter unbemerkt vollzieht.

III.  Umstrukturierung unter Anwendung des Umwandlungsgesetzes 1.  Zweck des UmwG Das UmwG verfolgt je nach Blickwinkel unterschiedliche Zwecke. In erster Linie soll es geplante organisatorische Veränderungen eines Unternehmens oder der Konzernstruktur vereinfachen. Derartige Veränderungen wären, wie bereits gesagt, zwar grundsätzlich auch ohne das UmwG möglich, bedürften allerdings eines erheblich größeren Aufwands. Der Unternehmer hat also bei einer Umstrukturierung die Wahl zwischen einer Umwandlung i. S. d. UmwG oder einer anderen rechtlichen Umstrukturierungsmaßnahme mit teilweise gleichem wirtschaftlichem Ergebnis. Darüber hinaus werden durch diese Vereinfachung jedoch die Interessen weiterer Personengruppen tangiert, deren Schutzbedürfnis Rechnung getragen werden muss. Rechtsfolge einer Umwandlung mit Vermögensübertragung ist – wie dargestellt – der (teilweise) Übergang der Aktiva und Passiva im Wege der Gesamtrechtsnachfolge oder partiellen Gesamtrechtsnachfolge. Da insoweit auch Verbindlichkeiten gegenüber Dritten ohne die eigentlich gemäß § 414 BGB erforderliche Zustimmung der jeweiligen Gläubiger übergehen, enthält das UmwG für diese Fälle der Umwandlung spezifische Regelungen zum Gläubigerschutz. So haben Gläubiger beispielsweise das Recht, eine Sicherheitsleistung zu ver265  266 

Sprau, in: Palandt § 705 Rn. 6. Vgl. hierzu u. a. BGH NJW 67, 821.

108

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

langen (§ 22 UmwG, ggf. i. V. m. § 125 S. 1 UmwG oder § 204 UmwG). Bei der Spaltung besteht zusätzlich eine gesamtschuldnerische Haftung der beteiligten Rechtsträger (§ 133 UmwG). Beim Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft werden die Gläubiger zudem nach den Grundsätzen der Gründerhaftung geschützt (§§ 197, 219 UmwG). Letztlich wird der Gläubigerschutz durch eine Ersatzpflicht bei umwandlungsbedingter Schadensverursachung durch einen Verwaltungsträger abgesichert (§ 25 UmwG, ggf. i. V. m. § 125 UmwG oder § 205 UmwG). Neben den Gläubigern können bei Gesellschaften, die als Spekulationsobjekt für Anleger dienen, Fragen des Anlegerschutzes relevant werden. Hierfür sieht das UmwG u.a vor, dass die Anteilseigner der Umwandlung mit mindestens Dreiviertelmehrheit zustimmen müssen. Darüber hinaus werden teilweise Sonderbeschlüsse bestimmter Gesellschaftergruppen oder individuelle Zustimmungen verlangt. Weiter bestehen Informationsrechte der Anleger (vgl. §§ 13 Abs. 2, 193 Abs. 2 UmwG). Als Gegenleistung für den „Verlust“ der Anteile an dem übertragenden Rechtsträger erhält der Anleger entsprechende Anteile an dem neuen übernehmenden Rechtsträger. Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten die Anleger auch eine Barabfindung (§§ 9 ff. UmwG). Die Ermittlung und Festlegung des Anteilswertes im Umwandlungsbericht unterliegt einer Sachverständigenprüfung (§§ 8, 127, 192 UmwG) und kann wie auch die Barabfindung im Spruchverfahren überprüft werden (§§ 15, 196 UmwG). Wie gegen jeden Gesellschafterbeschluss ist auch gegen den Umwandlungsbeschluss unter Umständen die Anfechtungsklage möglich. Letztlich müssen Inhabern von Sonderrechten gleichwertige Rechte am übernehmenden Rechtsträger gewährt werden (§ 23 UmwG, ggf. i. V. m. § 125 S. 1 UmwG oder § 204 UmwG). Eine weitere schutzbedürftige Gruppe im Falle von Umwandlungen sind die Arbeitnehmer. Das UmwG sieht für den Arbeitnehmerschutz vor, dass der Umwandlungsvertrag Angaben über die Folgen der Umwandlung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen enthalten muss (§§ 5 Abs. 1 Nr. 9 UmwG, 126 Abs. 1 Nr. 11 UmwG, 194 Abs. 1 Nr. 7 UmwG). Darüber hinaus ist der Umwandlungsvertrag oder sein Entwurf dem Betriebsrat zuzuleiten (§§ 5 Abs. 3 UmwG, 126 Abs. 3 UmwG, 194 Abs. 2 UmwG), was bei der Anmeldung der Umwandlung zum Handelsregister nachzuweisen ist (§ 17 Abs. 1 UmwG). Weiter greifen die zivilrechtlichen Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz auch im UmwG. Nach § 324 UmwG ist in den Fällen der Verschmelzung, Spaltung und Vermögensübertragung § 613a Abs. 1 und Abs. 4 bis 6 BGB entsprechend anwendbar. Der Arbeitnehmer behält seine kündigungsrechtliche Stellung für die Dauer von zwei Jahren (§ 323 UmwG). Zudem besteht bei Abspaltungen und Ausgliederung gemäß § 325 UmwG die Regel der sog. Mitbestimmungsbeibehaltung.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

109

2.  Systematik des UmwG Das UmwG geht vom Begriff des „Rechtsträgers“ aus und verfolgt insoweit einen rechtsformübergreifenden Ansatz. So bestimmt § 1 UmwG: „Rechtsträger mit Sitz im Inland können umgewandelt werden Nr. 1. durch Verschmelzung; Nr. 2. durch Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung); Nr. 3. durch Vermögensübertragung; Nr. 4. durch Formwechsel“.267

Eine Einschränkung der umwandlungsfähigen Rechtsträger erfolgt in den Sondervorschriften zu den einzelnen Umwandlungsarten. Die Gesetzessystematik des UmwG ist durch zahlreiche interne Verweisungen gekennzeichnet. Die Verschmelzung dient als Grundtatbestand der sonstigen Umwandlungsformen und allgemeine Grundsätze sind „vor die Klammer“ gezogen. So werden im Ersten Buch grundlegende Prinzipien – wie das Analogieverbot – festgelegt und das Zweite bis Fünfte Buch sind jeweils in einen allgemeinen (rechtsformunabhängige Vorschriften) und einen besonderen Teil aufgeteilt. Es sind also auf einen Umwandlungsvorgang die allgemeinen Vorschriften und die jeweiligen besonderen Vorschriften nebeneinander anzuwenden. 3.  Die Gesamtrechtsnachfolge als wesentliches Prinzip des Umwandlungsrechts a)  Erbrechtliche Universal- und Singularsukzession Die Rechtsfigur der Gesamtrechtsnachfolge ist zunächst bekannt aus § 1922 BGB. Mit dem Erbfall geht das Vermögen des Erblassers rechtlich zwingend, insgesamt und ungeteilt „als Ganzes“ auf den oder die Erben über. Die Vermögensübertragung auf den Rechtsnachfolger erfolgt automatisch kraft gesetzlicher Anordnung und betrifft das gesamte Vermögen und nicht einzelne Gegenstände. Sinn und Zweck ist es, das Entstehen subjektloser Rechte zu vermeiden.268 Da mit dem Tod einer Person deren Rechtsfähigkeit, also die Fähigkeit Träger von Rechten und Pflichten zu sein, endet, ist die Anordnung eines zwingenden Übergangs von Vermögensmassen des Erblassers auf seine Nachkommen unabdingbar. Vermögen muss immer einem Vermögensträger zugeordnet werden können und die Entstehung herrenlosen Vermögens verhindert werden. Nach der Grundvorstellung ist die erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge eine gesetzliche, zwingende und das Aktiv- und Passivvermögen ungeteilt erfas267  268 

Hervorheb. d. Verf. G. Schmidt, AcP 191 (1991), 496 (497).

110

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

sende Nachfolge in die Rechtsposition des Erblassers.269 Gesetzlich ist die Gesamtrechtsnachfolge deshalb, weil sie im Widerspruch zu dem bei Vermögens­ übertragungen geltenden Spezialitätsprinzip steht. Grundsätzlich hat sich die rechtsgeschäftliche Übertragung von Vermögensgegenständen nämlich nach den für den Gegenstand maßgebenden Sonderregelungen zu richten. Im Gegensatz zum Spezialitätsprinzip werden bei der Gesamtrechtsnachfolge die Vermögensgegenstände nicht einzeln übertragen, sondern in der Regel das gesamte Vermögen ohne Rücksicht auf ihre Art und die auf sie anwendbaren Übertragungsregeln. Der Rechtsübergang wird demnach durch die Gesamtrechtsnachfolge vom Spezialitätsgrundsatz befreit, erheblich vereinfacht und dadurch beschleunigt.270 Die Gesamtrechtsnachfolge ist zwingend und erfolgt automatisch, damit die Vermögensmasse zu jedem Zeitpunkt einem Vermögensträger zugeordnet werden kann. Soll nicht die ungeliebte Rechtsfigur der subjektlosen Rechte wiedererstehen, so muss der Gesetzgeber das Erlöschen eines Rechtsträgers entweder von dessen Vermögenslosigkeit abhängig machen oder mit einer Universalsukzession verknüpfen.271 Die Gesamtrechtsnachfolge erfasst grundsätzlich weiter ungeteilt das gesamte Aktiv- und Passivvermögen, wo sie mit dem Erlöschen des bisherigen Rechtsträgers einhergeht und nicht zur geteilten Zuweisung an verschiedene neue Rechtsträger führt. Abweichend von dem Grundsatz der Nachfolge in das gesamte Vermögen, kann jedoch erbrechtlich auch eine Sondererbfolge (Singularsukzession) unmittelbar in einzelne Vermögensgegenstände oder Rechte des Erblassers stattfinden. Die Sondererbfolge ist Erbfolge in einzelne Nachlassgegenstände. Sie ist mit dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge zwar strenggenommen unvereinbar, in bestimmten Einzelfällen allerdings unvermeidlich und daher zuzulassen.272 Die Singularsukzession führt zur Absonderung des betreffenden Vermögensteils vom übrigen Nachlass mit der Folge, dass zwei rechtlich selbstständige Vermögensmassen entstehen. So erfolgt beispielsweise die erbrechtliche Nachfolge in den Gesellschaftsanteil eines persönlich haftenden Gesellschafters notwendigerweise im Wege der Sondererbfolge, um einer haftungsrechtlichen Kollision zwischen Erbrecht und Gesellschaftsrecht zu entgehen. Während die Haftung des Gesellschafters nämlich gemäß § 128 HGB als persönliche, unbeschränkte Haftung ausgestaltet ist, ist die Haftung des Erben dauerhaft auf den Nachlass beschränkt (vgl. § 1967 BGB). Eine derart beschränkte Haftung eines Personengesellschafters würde jedoch den Regeln des Gläubigerschutzes widersprechen und wäre daher mit dem Haftungssystem des Personengesellschaftsrechts unvereinbar. Das 269 

Vgl. Leipold, in: MüKo-BGB § 1922 Rn. 117 ff. K. Schmidt, GesR § 12 IV 3. (S. 356). 271  G. Schmidt, AcP 191 (1991), 496 (499). 272  Weidlich, in:Palandt § 1922 Rn. 11. 270 

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

111

Rechtsinstitut der Gesamtrechtsnachfolge setzt demnach schon von sich aus einen ungeteilten Übergang eines Gesamtvermögens nicht voraus. In bestimmten Sonderfällen kann von dem Grundsatz des ungeteilten Vermögensübergangs abgewichen werden. Kennzeichen der Universalsukzession ist der Verzicht auf die Einhaltung der Vorschriften der Einzelübertragung, wobei in der Tendenz eine Vermögensgesamtheit oder zumindest ein Vermögensteil übertragen wird. Diese Erkenntnis war und ist maßgebend für die Gesamtrechtsnachfolge nach dem Umwandlungsgesetz. b)  Gesamtrechtsnachfolge im Umwandlungsrecht aa)  Einordnung als gewillkürte Gesamtrechtsnachfolge Die Gesamtrechtsnachfolge ist nach traditionellem Verständnis eine gesetzliche Rechtsnachfolge, die bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses, wie zum Beispiel dem Tod einer Person, automatisch für den Vermögensübergang sorgt. Für das Umwandlungsrechts von entscheidender Bedeutung ist die Möglichkeit, die Gesamtrechtsnachfolge durch Rechtsgeschäft herbeizuführen. Während im Erbrecht der Tod einer Person vom Zufall und damit vom Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängig ist, ist der Wegfall eines Vermögensträgers im Umwandlungsrecht ein planvoller Vorgang der Unternehmensinhaber. Das Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers sowie der Übergang des Vermögensbestandes ist eine Folge der Eintragung der Umwandlung ins Handelsregister. Im Umwandlungsbeschluss und Umwandlungsvertrag wird die rechtsgeschäftliche Grundlage für die Vermögensübertragung geschaffen. Die Eintragung selbst ist durch die beteiligten Rechtsträger eigenhändig veranlasst. Die Umwandlung und die Vermögensübertragung beruhen damit auf einem willentlichen Entschluss der beteiligten Entscheidungsträger. Durch die rechtsgeschäftliche Gestaltung ist eine flexiblere Handhabung der Vermögensübertragung möglich. Rechtsfolge ist, dass der sich aus dem Umwandlungsvertrag ergebende Bestand an Aktiva und Passiva als Gesamtheit, d. h. im Wege der Universalsukzession, dem bzw. den übernehmenden Rechtsträgern zufällt. Sinn und Zweck der Konstruktion des Vermögensübergangs als Universalsukzession ist nicht die Ermöglichung, sondern die Erleichterung strukturändernder Maßnahmen. bb)  Totale und partielle Gesamtrechtsnachfolge Das Umwandlungsgesetz stellt verschiedene Möglichkeiten der Umwandlung durch Übertragung von Vermögen zur Verfügung. Es kann beschlossen werden, dass das gesamte Vermögen auf den neuen Rechtsträger übergehen soll (totale Gesamtrechtsnachfolge), aber auch, dass bloß Teile des Vermögens übertragen werden (partielle Gesamtrechtsnachfolge). Ein Musterbeispiel für die totale Gesamtrechtsnachfolge ist die Verschmelzung. Die Eintragung der Verschmelzung

112

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

in das Handelsregister bewirkt gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, dass der alte übertragende Rechtsträger erlischt und sein Gesamtvermögen auf den neuen Rechtsträger übergeht und sich mit diesem zu einer Einheit vermischt. Ist nur der Übergang eines bestimmten Vermögensteils beabsichtigt, sollen also bestimmte Vermögensgegenstände von der Übertragung ausgenommen sein, müssen diese vorab mit dinglicher Wirkung aus dem Vermögen des übertragenden Rechtsträgers ausgeschieden werden.273 Die Rechtsänderung tritt kraft Gesetzes mit der Handelsregistereintragung ohne besondere Übertragungsakte ein. Es hat lediglich eine Berichtigung des Handelsregisters und des Grundbuchs zu erfolgen. Dagegen ist die Spaltung nach §§ 123 ff. UmwG exemplarisch für die partielle Gesamtrechtsnachfolge. Die Spaltung unterteilt sich einmal in die Aufspaltung (§ 123 Abs. 1 UmwG) und Abspaltung (§ 123 Abs. 2 UmwG) sowie die Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG). Bei einer Aufspaltung erlischt der ursprüngliche Rechtsträger. Sein Vermögen teilt sich auf seine Rechtsnachfolger auf (§ 141 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Bei der Abspaltung oder Ausgliederung bleibt der übertragende Rechtsträger erhalten und überführt bloß einen Teil seines Vermögens auf einen anderen Rechtsträger (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Will man hierbei auf die mühsame Einzelübertragung unter Wahrung des Spezialitätsgrundsatzes verzichten, bleibt nur der Weg über die partielle Gesamtrechtsnachfolge. Nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG gehen zum Zeitpunkt der Eintragung der Spaltung ins Handelsregister sämtliche ausgegliederten Teile des Vermögens im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge auf den aufnehmenden oder neugegründeten Rechtsträger über. Es handelt sich also wie bei der Verschmelzung um einen umfassenden Rechtsübergang, allerdings nur bzgl. der im Spaltungsvertrag vorgesehenen und genau bezeichneten Vermögensgegenstände. Die Gesamtrechtsnachfolge ist hier also nicht mehr die „natürliche“ (gesetzliche) Folge des Untergangs eines Rechtsträgers wie bei natürlichen Personen oder auch bei der Verschmelzung, sondern ein parteiautonom gestaltetes Mittel einer Vermögens­ übertragung.274 Die zu übertragenden Vermögensgegenstände müssen hierfür gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9 UmwG lediglich im Spaltungs- und Übernahmevertrag genau bezeichnet werden. Im Gegensatz zur totalen Gesamtrechtsnachfolge ist der Vermögensübergang hier also kraft parteiautonomer Gestaltung gegenständlich beschränkt.275 Anzumerken ist, dass sowohl die partielle als auch die totale Gesamtrechtsnachfolge letztlich nur Varianten der Gesamtrechtsnachfolge sind, die umwandlungsrechtlich durch Rechtsgeschäft herbeigeführt werden. Ihre Wirkung ist mit der gesetzlichen Gesamtrechtsnachfolge identisch. Es gehen sämtliche im Um273 

Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 Rn. 9. Teichmann, ZGR 1993, 396 (398). 275  Teichmann, ZGR 1993, 396 (398). 274 

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

113

wandlungsbeschluss enthaltenen Vermögensgegenstände automatisch auf den neuen Rechtsträger über, so dass die bei Einzelübertragungen grundsätzlich notwendige Einhaltung bestimmter Formvorschriften auch hier entbehrlich ist. In allen Fällen, in denen bei der Umwandlung an eine Identitätskonstruktion nicht zu denken ist, kann nur eine Universalsukzession die Einzelübertragung der Vermögensgegenstände entbehrlich machen. c)  Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen des § 45 AO Der Gesetzgeber hat in § 45 AO ebenfalls den Begriff der Gesamtrechtsnachfolge verwendet und angeordnet, dass „bei Gesamtrechtsnachfolge […] die Forderungen und Schulden aus dem Steuerschuldverhältnis auf den Rechtsnachfolger [übergehen].“

Im Zusammenhang mit umwandlungsrechtlichen Vorgängen war die Vorschrift mehrfach Gegenstand steuerrechtlicher Streitigkeiten, insbesondere im Falle von Spaltungen. Es ging dabei um die Frage, ob der übertragende Rechtsträger nach der erfolgten Eintragung der Umwandlung und damit nach der Vermögensübertragung im Wege der (totalen oder partiellen) Gesamtrechtsnachfolge weiterhin Steuerschuldner bleibt oder aber die übernehmende Gesellschaft nunmehr die Steuerschulden „erbt“. Der Bundesfinanzhof 276 hat in seinem Urteil vom 5. November 2009 seine Rechtsprechung zur Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen einer Spaltung nach § 131 UmwG bestätigt.277 Bei einer Abspaltung nach § 123 Abs. 2 Nr. 2 UmwG sei keine Gesamtrechtsnachfolge i. S. v. § 45 AO mit der Folge anzunehmen, dass der übertragende Rechtsträger weiterhin Steuerschuldner bleibt. Nach Ansicht des BFH ist der in § 45 AO verwendete Begriff der Gesamtrechtsnachfolge eng auszulegen. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass aufgrund gesetzlicher Anordnung das gesamte Vermögen eines Rechtssubjekts auf einen Nachfolger im Ganzen übergeht, also eine Gesamtrechtsnachfolge z. B. dann ausgeschlossen ist, wenn das Vermögen einer GmbH im Wege der Einzelrechtsnachfolge übertragen wird. Auch der teilweise verwendete Begriff der „partiellen Gesamtrechtsnachfolge“ könne nach Ansicht des BFH hieran nichts ändern. Zum einen sei dieser Begriff bereits in sich widersprüchlich, zum anderen handele es sich bei einer Abspaltung oder auch Aufspaltung nicht um eine besondere Form der Gesamtrechtsnachfolge, sondern um eine Sonderrechtsnachfolge (uno – actu – Übergang), die es gestattet anstelle der Einzelübertragung verschiedene Vermögensgegenstände in einer allein durch den Parteiwillen zusammengefassten Summe zu übertragen. Auch insoweit ist es daher nach Ansicht des BFH ausgeschlossen die Auf- oder Abspaltung der Gesamtrechtsnachfolge zuzuordnen. Gleichwohl lässt sich hieraus ableiten, dass im Falle einer totalen Gesamtrechts276  277 

Im Folgenden BFH. BFH, Urt. v. 05. 11. 2009 – IV R 29/08.

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

114

nachfolge auch steuerrechtlich das übernehmende Unternehmen an die Stelle des übertragenden Unternehmens als Steuerschuldner tritt. Dies muss allein schon deshalb gelten, da der übertragende Rechtsträger nach erfolgter Gesamtrechtsnachfolge vermögenslos ist und damit erlischt. Im Falle einer Sonderrechtsnachfolge, also beispielsweise einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge, bleibt der übertragende Rechtsträger hingegen bestehen und kommt daher weiterhin als Steuerschuldner in Betracht. d)  Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergangsfähige Rechte und Pflichten Wenn nun die Gesamtrechtsnachfolge den Übergang sämtlicher Aktiva und Passiva bzw. im Falle der partiellen Gesamtrechtsnachfolge einen vorher festgelegte Bereich eines Rechtsträgers bedeutet, stellt sich konkret die Frage, welche Rechte und Pflichten im Einzelnen auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen können. Die folgende Übersicht gibt eine Zusammenfassung anhand der unterschiedlichen Arten des Übergangs bestimmter Rechte und Pflichten und beschreibt kurz deren wesentlichen rechtlichen Voraussetzungen und Folgen :278279280

Rechte und Pflichten

Erläuterungen

Bewegliche und unbewegliche Sachen

Der Übergang von beweglichen und unbeweglichen Sachen erfolgt nach § 857 BGB, ohne dass eine gesonderte Besitzergreifung durch den übernehmenden Rechtsträger erforderlich wäre.278 Bei Grundstücken ist lediglich eine Berichtigung des Grundbuchs erforderlich.

Dingliche Rechte Dingliche Rechte gehen ebenfalls auf den übernehmenden Rechtsträger über. Für den Nießbrauch bestimmt dies § 1059a Nr. 1 BGB, für beschränkte persönliche Dienstbarkeiten § 1092 Abs. 1 BGB und für Vorkaufsrechte § 1098 Abs. 3 BGB. Eine Besonderheit besteht darin, dass der Übergang dinglicher Rechte bei einer Verschmelzung im Verschmelzungsvertrag ausgeschlossen werden kann.279 Diese Ausnahme von der Gesamtrechtsnachfolge muss jedoch gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 UmwG im Verschmelzungsvertrag explizit vereinbart sein.280 Immaterialgüter- Patente, Lizenzen, Gebrauchs- und Geschmacksmuster sowie Warenrechte zeichen und sonstige Diensterfindungen gehen ohne Weiteres im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger über. Die Registerämter verlangen lediglich eine Berichtigung der Register.

278 

Vgl. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 6. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 6; BayObLG, Urt. v. 20. 06. 1983 – Breg 2 Z 24/83. 280  Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 Rn. 14. 279 Vgl.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

115

Gesellschaftsan- Hinsichtlich des Übergangs von Gesellschaftsanteilen gelten im Weteile sentlichen die für die jeweilige Rechtsform anwendbaren Vorschriften des allgemeinen Gesellschaftsrechts. Anteile an Kapitalgesellschaften (GmbH und AG) gehen unabhängig von etwaigen Zustimmungserfordernissen oder Abtretungsbeschränkungen auf den übernehmenden Rechtsträger über.281 Unter Umständen werden hierdurch Mitteilungspflichten beim übernehmenden Rechtsträger ausgelöst. (z. B. §§ 16, 40 GmbHG; §§ 20, 21 AktG; §§ 21 ff. WpHG). Eine GbR wird bei einem Tod eines Gesellschafters (bzw. bei Erlöschen des Gesellschafters) aufgelöst, es sei denn der Gesellschaftsvertrag beinhaltet eine Fortsetzungsklausel. Ob der übernehmende Rechtsträger daher in die Gesellschafterstellung des übertragenden Rechtsträgers einrückt, hängt von der konkreten Regelung im Gesellschaftsvertrag ab.282 Eine andere Auffassung möchte hier einen Übergang der Gesellschafterstellung zulassen, sofern der Gesellschaftszweck dies zulässt.283 Der Tod oder das Erlöschen eines Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft führt nach der gesetzlichen Regelung grundsätzlich zu dessen Ausscheiden. Für den Gesellschafter der OHG und den Komplementär der KG geht die Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge daher nur auf den übernehmenden Rechtsträger über, sofern dies im Gesellschaftsvertrag so geregelt ist.284 Grundsätzlich sind etwaige Regelungen im Gesellschaftsvertrag, welche sich auf die Vererbung bzw. Auswahl der Erben eines Gesellschafters beziehen, auf die Verschmelzung entsprechend übertragbar.285 Dementgegen möchte eine andere Ansicht den generellen Übergang der Gesellschafterstellung zulassen.286 Die Beteiligung in einer KG als Kommanditist geht hingegen grundsätzlich über (§ 177 HGB), sofern der Gesellschaftsvertrag den Übergang nicht ausgeschlossen hat.287 Die Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers als stiller Gesellschafter geht über, sofern der Gesellschaftsvertrag mit dem stillen Gesellschafter keine anderweitige Regelung beinhaltet.288 Ist hingegen ein Dritter als stiller Gesellschafter beim übertragenden Rechtsträger beteiligt, wird die stille Beteiligung beim übernehmenden Rechtsträger fortgeführt.289 281282283284285286287288289

281 

Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 7. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 7. 283  Kübler, in: Semler/Stengel, § 20 Rn. 26. 284  So Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 Rn. 19; Riegger, in: FS Bezzenberger, S. 384. 285  Kübler, in: Semler/Stengel, § 20 Rn. 24,25. 286  Kraft, in: KölnKomm AktG, § 346 AktG Rn. 22. 287  Vgl. RGZ 123, 289 (296 f.). 288  Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 Rn. 20. 289  Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 7 m.  w. N.; LG Bonn, Urt. v. 15. 02. 2001 – 14 O 54/00. 282 

116

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

Forderungen und Forderungen und Verbindlichkeiten des übertragenden RechtsträVerbindlichkeiten gers gegenüber Dritten gehen unbeachtlich der Regelungen der §§ 398 ff. BGB über. Etwaige Abtretungsbeschränkungen finden keine Anwendung.290 Gleiches gilt für schuldrechtliche Vorkaufs-, erwerbs- und sonstige Übernahmerechte. Etwaige, sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung ergebende, Nebenverpflichtungen der Gesellschafter gehen nur dann über, wenn die Satzung oder der Gesellschaftsvertrag des übernehmenden Rechtsträgers diese entsprechend vorsieht.291 Forderungen des übertragenden Rechtsträgers gegen seine Gesellschafter auf rückständige Einlagen gehen auf den übernehmenden Rechtsträger über, sofern dieser nicht selbst der Schuldner ist.292 Im letzteren Fall erlischt die Einlageforderung wie auch sonstige Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen den an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträgern durch Konfusion. Eine Ausnahme im Hinblick auf eine rückständige Einlageschuld gilt allerdings dann, wenn der übertragende Rechtsträger Anteile am übernehmenden Rechtsträger hält. Sofern es sich dabei um Aktien oder GmbH-Anteile handelt, gehen diese gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 5 AktG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG auf den übernehmenden Rechtsträger über und die Einlageschuld bleibt bestehen.293 Schuldverhält­nisse

Grundsätzlich gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch alle Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen auf den übernehmenden Rechtsträger über. So gelten insbesondere etwaige dem übertragenden Rechtsträger zugegangene Vertragsangebote weiter und können vom übernehmenden Rechtsträger angenommen werden, sofern diese sinngemäß nicht ausschließlich an den übertragenden Rechtsträger gerichtet waren.294 Der übernehmende Rechtsträger tritt ohne Zwischenschritte vollumfänglich in bestehende Verträge des übertragenden Rechtsträgers ein. Eine Vertragsanpassung ist nicht erforderlich. Unter besonderen Umständen kann sich aus allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (§§ 1 57, 242, 313 f., 323 ff. BGB) allerdings ein Kündigungsrecht des Vertragspartners ergeben oder bestehende Leistungspflichten wegen Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit erlöschen, insbesondere wenn diese auf einer besonderen Vertrauensgrundlage beruhen.295 290291292293294295

290  Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 Rn. 31; LG Leipzig, Urt. v. 81. 01. 2006 – 1 HK T 7414/04. 291  Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 UmwG Rn. 8. 292  BGH, Urt. v. 02. 07. 1990 – II ZR 139/89. 293  Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 UmwG Rn. 9. 294  Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 20 UmwG Rn. 35; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 UmwG Rn. 10. 295 Dies gilt v.a. bei Dauerschuldverhältnissen. Vgl. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 UmwG Rn. 10 mit Verweis auf Rieble, ZIP 1997, 301.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen Arbeitsverhältnisse

117

Die Regelungen über den Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 1 BGB zum Schutz der Arbeitnehmer finden bei Umwandlungen, in denen eine Vermögensübertragung stattfindet (also z. B. der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge greift) direkte Anwendung (Vgl. § 324 UmwG). Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge gilt als Auffangtatbestand nur dann, wenn die Voraussetzungen des § 613a BGB nicht erfüllt sind.296 Nach § 613a Abs. 1 BGB gehen Arbeitsverhältnisse bei einem Betriebsübergang auf den übernehmenden Rechtsträger vollumfänglich, d. h. mit allen bestehenden Rechten und Pflichten gegenüber den Arbeitnehmern, über. Die Vorschrift soll unter anderem bewirken, dass der übernehmende Rechtsträger und damit Rechtsnachfolger des alten Inhabers eines Betriebes oder eines Betriebsteils kraft Gesetzes neuer Arbeitgeber für die des übertragenden Rechtsträgers zugeordneten Arbeitnehmer wird. Zudem trifft den Arbeitgeber eine Unterrichtungspflicht über diesen Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 5 BGB.297 Der übernehmende Rechtsträger tritt als neuer Arbeitgeber ab dem Übergangsstichtag in die zu den Arbeitnehmern individualrechtlich, insbesondere aufgrund des Arbeitsvertrages zustehenden Leistungen und Pflichten vollumfänglich ein. Die vertraglichen Arbeitsbedingungen, einschließlich etwaiger betrieblicher Übungen, bleiben unverändert bestehen.

Verträge mit Bei Organmitgliedern ist streng zwischen den organschaftlichen ÄmOrganmitgliedern tern und den ihnen zugrundeliegenden Anstellungsverträgen zu unterscheiden. Während die Ämter der Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder im Falle des Erlöschens des übertragenden Rechtsträgers ebenfalls erlöschen, bleibt der mit dem Organmitglied jeweils bestehende Anstellungsvertrag grundsätzlich fortbestehen und geht auf den übernehmenden Rechtsträger über.298 Der übernehmende Rechtsträger ist damit neuer Anspruchsgegner für bestehende Vergütungsansprüche auf Grundlage des Anstellungsvertrags.299 Im Gegensatz zu den Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern verlieren Aufsichtsratsmitglieder des übertragenden Rechtsträgers sowohl ihr Amt als auch ihren Vergütungsanspruch.300

296297298299300

296 

Vgl. BAG, Urt. v. 25. 05. 2000 – 8 AZR 416/99. Für die zwingenden Inhalte des Unterrichtungsschreibens wird auf die jeweils einschlägige Literatur und Rechtsprechung verwiesen. 298  Vgl. Baums, ZHR 156 (1992), 248 f.; Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 UmwG R. 28; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 13; BGH, Urt. v. 10. 01. 2000 – II ZR 251/98; BGH, Urt. v. 08. 01. 2007 – II ZRE 267/05 (zum Formwechsel); BAG, Urt. v. 13. 02. 2003 – 8 AZR 654/01. 299  BGH, Urt. v. 09. 02. 1978 – II ZR 189/76. 300  Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, § 20 Rn. 16. 297 

118

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

Unternehmens­ verträge

Zwischen den beteiligten Rechtsträgern bestehende Unternehmensverträge (Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge gem. § 291 AktG und sonstige Unternehmensverträge gem. § 292 AktG) werden gegenstandslos und erlöschen.301 Unternehmensverträge des übernehmenden Rechtsträgers mit Dritten, also Gesellschaften, die nicht an der Verschmelzung beteiligt sind, bleiben hingegen unberührt und gelten weiter fort. Bei bestehenden Unternehmensverträgen des übertragenden Rechtsträgers mit Dritten ist hingegen zu unterscheiden, ob der übertragende Rechtsträger „herrschendes“ oder „abhängiges“ Unternehmen ist. Im ersten Fall geht der Unternehmensvertrag automatisch auf den übernehmenden Rechtsträger über. Im letzteren Fall hingegen geht der Unternehmensvertrag unter, da nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass der übernehmende Rechtsträger in die Rolle des abhängigen Unternehmens eintritt.302

Sonstige Verträge/Rechte

Sonstige Verträge gehen grundsätzlich inhaltlich unverändert auf den übernehmenden Rechtsträger über. Im Einzelnen können sich ggf. außerordentliche Kündigungsrechte oder Ansprüche auf Vertragsanpassung ergeben. Dies gilt insbesondere für Miet- und Pachtverträge, Geschäftsbesorgungs-, Auftrags- und sonstige Dienstverhältnisse303, Kreditverträge304, Versicherungsverträge305 oder Bürgschaftsverpflichtungen des übertragenden Rechtsträgers. Bürgschaften eines Dritten zu Gunsten des übertragenden Rechtsträgers bleiben ebenfalls bestehen, beschränken sich aber auf das im Zeitpunkt des Eintritts der Gesamtrechtsnachfolge bestehende Risiko.306

Gerichtsprozesse Prozesse unter Beteiligung des übertragenden Rechtsträgers werden (grds. ohne Unterbrechung307) mit dem übernehmenden Rechtsträger fortgesetzt (vgl. §§ 239, 246 Abs. 1 ZPO analog). Rechtskräftige Entscheidungen wirken für und gegen den übertragenden Rechtsträger (§ 325 ZPO) und bereits vorhandene Vollstreckungstitel müssen auf den übernehmenden Rechtsträger umgeschrieben werden (§ 727 ZPO). Etwaige Klagen gegen die Verschmelzungsbeschlüsse sowie sonstige umwandlungsrechtliche Klagen sind gegen den übernehmenden Rechtsträger zu richten (vgl. § 28 UmwG). 301302303304305306307

301 

Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 17 m. w. N. OLG Karlsruhe, Urt. v. 07. 12. 1994 – 15 W 19/94. 303  Dies gilt grundsätzlich, da im Zweifel keine an den übertragenden Rechtsträger gebundenen Verpflichtungen vorliegen; vgl. Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 Rn. 24. 304  Bei unzureichender Bonität des übernehmenden Rechtsträgers kann der Kreditgeber ggf. ein außerordentliches Kündigungsrecht haben; vgl. BGH, Urt. v. 21. 05. 1980 – VIII ZR 107/79. 305  Vgl. §§ 95, 102 VVG. 306  Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 23; Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 UmwG Rn. 33; BGH, Urt. v. 06. 05. 1993 – IX ZR 73/92. 307  Eine Aussetzung des Verfahrens kommt nur nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht; vgl. OLG München, Urt. v. 94. 06. 1989 – 29 W 1291/89; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 25 m. w. N. 302 

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen Vollmachten

119

Vom übertragenden Rechtsträger erteilte rechtsgeschäftliche Vollmachten gelten weiter fort. Bei der Prokura (§ 48 HGB) und einer Handlungsvollmacht (§ 54 HGB) wird hingegen teilweise vertreten, dass diese nur für den übertragenden Rechtsträger erteilt worden ist und daher nicht automatisch auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen soll.308

Öffentlich-recht­ Der Übergang beim übertragenden (und im Wege der Umwandlung liche Befugnisse untergehenden) Rechtsträger bestehender öffentlich-rechtlicher Befugnisse, also insbesondere dem übertragenden Rechtsträger erteilte Erlaubnisse auf den übernehmenden Rechtsträger ist im Einzelnen umstritten. Grundsätzlich sollen diese übergehen, soweit die jeweilige Erlaubnis nicht höchstpersönlicher Art ist oder an das Vorliegen einer bestimmten Rechtsform gebunden ist.309 Sofern bereits das Gesetz die Erteilung der Erlaubnis an die Eignung der jeweiligen gesetzlichen Vertreter der Rechtsperson knüpft und im Falle deren Todes eine Anzeigepflicht für die Weitergeltung der Erlaubnis genügen lässt (z. B. § 34 Abs. 2 GaststättenG, § 34 Abs. 2 KWG, § 7 AÜG), wird in Teilen der Literatur und Rechtsprechung ein Übergang der öffentlich-rechtlich erteilten Erlaubnis vertreten.310 Öffentlich-recht- Öffentlich-rechtliche Handlungs- und Unterlassungspflichten gehen liche Verpflich- auf den übernehmenden Rechtsträger über.311 tungen 308309310311

4.  Einzelne Umwandlungsformen nach dem UmwG Im Folgenden werden die nach dem UmwG möglichen Umwandlungsarten mit ihren jeweiligen Rechtsfolgen im Einzelnen kurz dargestellt. a)  Verschmelzung Die Verschmelzung ist geregelt in den §§ 2 bis 122 Abs. 1 UmwG und ist nach der gesetzlichen Systematik die Grundform der Umwandlungen. Ein oder mehrere Rechtsträger übertragen unter Auflösung ohne Abwicklung ihr Vermögen als Ganzes auf einen anderen Rechtsträger gegen Gewährung von Anteilen oder Mit308  Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 24; a. A. Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 Rn. 26; Kübler, in: Semler/Stengel, § 20 UmwG Rn. 17. 309  Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 24; Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 UmwG Rn. 13; Kübler, in: Semler/Stengel, § 20 UmwG Rn. 70 ff., wonach z. B. eine Gaststättenerlaubnis (§ 2 GaststättenG), eine Erlaubnis nach § 32 KWG, eine Maklererlaubnis (§ 34 c GewO) oder eine Fernverkehrskonzeesion (§ 3 GüKG) untergehen soll (so auch Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, § 20 UmwG Rn. 90). 310  Vgl. BSG, Urt. v. 12. 12. 1991 – 7 Rar 56/90; Grunewald, in: Lutter, UmwG § 20 Rn. 13; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 26. 311  Vgl. z. B. bei Steuerschulden BFH, Urt. v. 14. 10. 1992 – I R 17/92.

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

gliedschaften dieses Rechtsträgers an die Anteilsinhaber (vgl. § 2 UmwG).312 Man unterscheidet die „Verschmelzung durch Aufnahme“, d. h. die Verschmelzung auf einen schon bestehenden Rechtsträger, von der Verschmelzung auf einen neu gegründeten Rechtsträger („Verschmelzung durch Neugründung“). Grundsätzlich besteht darüber hinaus die Möglichkeit, die Verschmelzung mit einem Rechtsformwechsel zu kombinieren. aa)  Verschmelzungsfähige Rechtsträger § 3 UmwG nennt abschließend welche Rechtsträger in welcher Rolle an einer Verschmelzung beteiligt sein können. Insoweit wird auf die Lektüre der Vorschrift verwiesen. Im besonderen Teil des Verschmelzungsrechts ergeben sich Einschränkungen bei Verschmelzungen unter Beteiligung unterschiedlicher Rechtsträger (sog. Mischverschmelzungen). Hervorzuheben ist, dass gemäß § 3 Abs. 3 UmwG sogar bereits aufgelöste Rechtsträger an einer Verschmelzung als übertragende Rechtsträger beteiligt sein können. Voraussetzung dieser, aus Gründen der Erleichterung einer insolvenzbedingten Sanierungsverschmelzung eingefügten Bestimmung, ist, dass auch die Fortsetzung des Rechtsträgers als Alternative zur Verschmelzung beschlossen werden könnte. Nach teilweise in Schrifttum vertretener Auffassung ist ebenso eine Verschmelzung auf einen bereits aufgelösten Rechtsträger möglich.313 bb)  Verschmelzungsformen Das Gesetz unterscheidet die Verschmelzung durch Aufnahme und durch Neugründung (vgl. § 2 UmwG). Bei der Verschmelzung durch Aufnahme (§ 2 Nr. 1 UmwG) wird das Vermögen eines oder mehrerer übertragender Rechtsträger als Ganzes auf einen anderen bestehenden, den sog. übernehmenden Rechtsträger übertragen werden. Diese Verschmelzungsform ist der gesetzliche Regelfall und auch in der Praxis überwiegende Form. Das UmwG ermöglicht für alle Rechtsträgerformen eine Verschmelzung durch Aufnahme von mehr als zwei Rechtsträgern. Bei der Verschmelzung auf Kapitalgesellschaften wird regelmäßig eine Kapitalerhöhung durchgeführt, um den Gegenleistungsanspruch der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers zu erfüllen. Dies ist jedoch keine zwingende Voraussetzung einer Verschmelzung durch Aufnahme. Vielmehr können die den Anteilsinhabern der untergehenden Rechtsträger gewährten Anteilen sowohl neu geschaf312  Vgl. Krauß, Umwandlungen, S. 7, Stand: 2601.2016, abrufbar unter http://www. notarkrauss.de/docs/merkblaetter/Umwandlungen.doc. 313  Saenger, GesR Rn. 888 mit Verweis auf Bayer, ZIP 1997, 1613 (1614); Heckschen, DB 1998, 1385 (1387); a. A. OLG Naumburg NJW-RR 1998, 178, 179; AG Erfurt RPfleger 1996, 163; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG § 3 Rn. 23.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

121

fene als auch bereits vorhandene Anteile sein. Werden mehrere Rechtsträger auf einen bereits bestehenden Rechtsträger verschmolzen, kann dies entweder durch gemeinsame Verschmelzung aller übertragenden Rechtsträger oder durch mehrere getrennte Einzelverschmelzungen erfolgen. Im erstgenannten Fall werden mit der Eintragung der Verschmelzung beim übernehmenden Rechtsträger alle Verschmelzungen zum selben Zeitpunkt wirksam; Einzelverschmelzungen dagegen werden unabhängig voneinander wirksam. Bei der Verschmelzung durch Neugründung (vgl. § 2 Nr. 2 UmwG) hingegen geht das Vermögen auf einen neuen, von den übertragenden Rechtsträgern bei dieser Gelegenheit gegründeten Rechtsträger über. Der aufnehmende Rechtsträger entsteht also im Wege der Verschmelzung. Diese Verschmelzungsform kann in Betracht gezogen werden, wenn beispielsweise zwei gleich starke Unternehmen verschmolzen werden sollen und keiner der beteiligten Rechtsträger erlöschen soll. Die Interessen des übertragenden Rechtsträgers an der Fortführung seiner Firma werden dabei durch § 18 UmwG gewahrt. Im Rahmen der Verschmelzungsurkunde muss bereits der Gründungsvertrag der neuen Gesellschaft enthalten sein (§ 37 UmwG). Auch dieser neue Gesellschaftsvertrag unterliegt der Zustimmung der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers. Ist beabsichtigt, eine Verschmelzung mehrerer Rechtsträger auf eine neu gegründete Gesellschaft zu vollziehen, so hat dies zwingend in einem Verschmelzungsvertrag zu erfolgen. Eine sukzessive Verschmelzung zur Neugründung ist nicht möglich. cc)  Vorbereitung der Verschmelzung – insbesondere Durchführung einer kartellrechtlichen Prüfung Bevor die beteiligten Unternehmen die beabsichtigte Verschmelzung im Konkreten angehen können, sollten sie ein Vorbereitungsstadium durchlaufen, welches nicht im UmwG erfasst ist, wirtschaftlich und haftungsrechtlich für die Vorstände/Geschäftsführer der beteiligten Rechtsträger allerdings unabdingbar ist.314 Vorbehaltlich einer wettbewerbsrechtlichen Relevanz der Verschmelzung ist in diesem Zusammenhang durch die Vorstände zunächst ggf. eine kartellrechtliche Prüfung anzustoßen. Die Verschmelzung fällt grds. unter die Fusionskontrolle gemäß §§ 35 ff. GWB sowie unter die Fusionskontrollverordnung der EU. Die Vorstände der beteiligten Rechtsträger könnten hiernach verpflichtet sein, die geplante Verschmelzung bei den zuständigen Kartellbehörden anzuzeigen und ggf. anzumelden. Erst wenn kartellrechtlich keine ernsthaften Bedenken bestehen, macht es überhaupt Sinn in den weiteren Verschmelzungsprozess einzusteigen. Hier sollte als weiterer Vorbereitungsschritt von beiden Seiten eine sogenannten „Due Diligence“ durchgeführt werden, im Rahmen derer die wirtschaftliche Lage des 314 

Raiser/Veil, § 48 Rn. 12.

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

jeweils anderen sowie die für die Bewertung der Unternehmen maßgeblichen internen Informationen aufgedeckt und näher betrachtet werden.315 Der hierbei erforderliche Aufwand kann je nach Größe der beteiligten Rechtsträger und der vorhandenen Vermögenswerte erhebliche rechtliche, steuerliche und wirtschaftliche Ausmaße und demnach Zeit und Kosten in Anspruch nehmen, die im Hinblick auf die Planung der Verschmelzung berücksichtigt werden müssen. Das Ergebnis dieser Prüfung ist insbesondere für die Festlegung der Umtauschverhältnisse der Anteile relevant. Bei börsennotierten Gesellschaften ist zudem zu berücksichtigen, dass die geplante Verschmelzung in der Regel Auswirkungen auf die Vermögens- und Finanzlage der beteiligten Gesellschaften, insbesondere des übernehmenden Rechtsträgers haben kann und demgemäß eine Verpflichtung zur ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG besteht.316 dd)  Verfahren und Ablauf der Verschmelzung (1) Abschluss des Verschmelzungsvertrags Ausgangspunkt und Grundlage einer Verschmelzung ist der Verschmelzungsvertrag (§§ 4 Abs. 1, 6 UmwG).317 Dieser ist von den beteiligten Rechtsträgern zu erstellen und notariell zu beurkunden. Es handelt sich um einen körperschaftlichen Organisationsakt mit schuldrechtlichen Wirkungen318, da durch ihn die Strukturen der beteiligten Rechtsträger geändert und neu geordnet werden und sie sich zur Vermögensübertragung gegen Gewährung von Anteilen sowie zur Anmeldung der Verschmelzung gemäß §§ 16, 38 UmwG beim Registergericht verpflichten.319 Der Verschmelzungsvertrag selbst entfaltet keine dinglichen Wirkungen. Diese sind in §§ 19, 20 UmwG geregelt. Aufgrund seiner organisationsrechtlichen Gestaltungswirkung ist er nicht nach subjektiven Maßstäben, sondern nach objektiven Gesichtspunkten auszulegen.320 Welche Regelungen zwingend im Verschmelzungsvertrag vorzunehmen sind bestimmt § 5 UmwG. Neben den Namen der beteiligten Rechtsträger sind dies vor allem Angaben zum Umtauschverhältnis der Anteile sowie zu eventuell erfolgenden Barzahlungen 315 

Raiser/Veil, § 48 Rn. 12. Zur Frage, wann exakt die Verpflichtung zur ad-hoc-Publizität besteht siehe Raiser/ Veil § 48 Rn. 13 m. w. N. 317  Raiser/Veil § 48 Rn. 16. 318  Vgl. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 4 Rn. 2; Lutter, in: Lutter, UmwG § 4 Rn. 4. 319  Saenger, GesR Rn. 892; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 4 Rn. 2; Stratz, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, § 4 Rn. 7; Schröer, in: Semler/Stengel/Schröer, UmwG, § 4 Rn. 3. 320  Saenger, GesR Rn. 892 m. w. N. 316 

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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und Gewinnberechtigungen. Im Falle der Verschmelzung durch Neugründung ist zudem der Gesellschaftsvertrag des neu gegründeten Rechtsträgers beizufügen oder bei dieser Gelegenheit unter Wahrung der für die entsprechende Rechtsform gesetzlich vorgesehenen Gründungsvoraussetzungen festzustellen (§ 37 UmwG). Für Anteilsinhaber des übertragenen Rechtsträgers, welche an dem übernehmenden Rechtsträger nicht beteiligt sein werden, da sie bspw. Widerspruch gegen den Verschmelzungsbeschluss des übertragenden Rechtsträgers zu Protokoll erklärt haben, ist nach §§ 29 f. UmwG eine angemessene Barabfindung in den Verschmelzungsvertrag aufzunehmen. Eine der wichtigsten Mindestvoraussetzungen ist in § 5 Abs. 1 Nr. 8 UmwG geregelt. Hiernach sind alle Vorteile anzugeben, die Personen unmittelbar oder mittelbar gewährt werden, die an der Verschmelzung beteiligt werden. Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sind über die Folgen der Verschmelzung in individual- und kollektivarbeitsrechtlicher Hinsicht zu informieren. (2) Verschmelzungsstichtag Der Verschmelzungsstichtag (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 UmwG) bestimmt das Datum, an dem die Wirkungen der Verschmelzung im Innenverhältnis der beteiligten Rechtsträger zueinander beginnen sollen. Der Verschmelzungsstichtag ist handelsrechtlich der Tag, von dem an die Handlungen des übertragenden Rechtsträgers als für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen gelten, auch wenn die Verschmelzung selbst im Außenverhältnis erst mit Eintragung im Register wirksam wird. Maßgeblich sind hierbei steuerliche Überlegungen. Der Wahl des Stichtags sind durch das Gesetz insofern Grenzen gesetzt, als der Anmeldung der Verschmelzung zum Handelsregister eine Bilanz zugrunde liegen muss, die nicht älter als 8 Monate ist.321 (3) Verschmelzungsbericht Grundsätzlich sind in einem gemeinsamen schriftlichen Verschmelzungsbericht aller an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger die rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge der Verschmelzung näher zu erläutern. Hierzu gehören insbesondere nähere Angaben zum Umtauschverhältnis der Anteile, zur Mitgliedschaft beim übernehmenden Rechtsträger sowie zur Höhe der ggf. anfallenden Barabfindungen. In den Ausnahmefällen des § 8 Abs. 2 und 3 UmwG, insbesondere bei einem notariell beurkundeten Verzicht, bedarf es keines Verschmelzungsberichts.

321  Krauß, Umwandlungen, S. 9 Stand: 2601.2016, abrufbar unter http://www.notarkrauss.de/docs/merkblaetter/Umwandlungen.doc.

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

(4) Verschmelzungsprüfung Das Gesetz sieht gemäß § 9 Abs. 1 UmwG grundsätzlich eine durch Sachverständige vorzunehmende Verschmelzungsprüfung vor. Überprüft werden soll die Vollständigkeit und Richtigkeit des Verschmelzungsvertrages, insbesondere aber im Wege einer Plausibilitätskontrolle das vereinbarte Umtauschverhältnis und das den Gesellschaftern unterbreitete Abfindungsangebot.322 Die Verschmelzungsprüfung ist jedoch nicht bei jeder Verschmelzung erforderlich. So findet bei der Verschmelzung von GmbHs eine Prüfung nur auf Verlangen eines Gesellschafters statt. Zudem kann auf die Verschmelzungsprüfung (samt Prüfungsbericht) durch notarielle Verzichtserklärung aller Anteilsinhaber aller beteiligten Rechtsträger verzichtet werden. Schließlich ist eine Prüfung wiederum entbehrlich, wenn eine Tochter-Mutter-Verschmelzung (sog. „Up-Stream-Merger“) vorliegt.323 (5) Zuleitung an den Betriebsrat Der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf ist spätestens einen Monat vor dem Tage der Versammlung der Anteilsinhaber jedes beteiligten Rechtsträgers, dem zuständigen Betriebsrat dieses Rechtsträgers zuzuleiten (vgl. § 5 Abs. 3 UmwG). Ein Zusammenschluss oder die Spaltung von Unternehmen oder Betrieben stellt außerdem eine „Betriebsänderung“ (vgl. § 111 Betriebsverfassungsgesetzes324) sowie eine „wirtschaftliche Angelegenheit“ (vgl. § 106 Abs. 3 Nr. 8 BetrVG) dar, über die der Betriebsrat bzw. Wirtschaftsausschuss rechtzeitig und umfassend zu informieren ist. Der Informationsanspruch des Betriebsrates ist nur erfüllt, wenn der Vertrag/Entwurf vollständig ist. Eine spätere Änderung löst den Informationsanspruch erneut aus. Klarzustellen ist hierbei, dass es sich jedoch lediglich um eine Informationspflicht handelt. Eine Zustimmung des Betriebsrats ist nicht erforderlich. Ob auf die Zuleitung des Verschmelzungsvertrages bzw. dessen Entwurf zum Betriebsrat insgesamt oder hinsichtlich der Einhaltung der Frist wirksam verzichtet werden kann, ist umstritten und wird teilweise für nicht zulässig gehalten.325 (6) Bekanntmachungen Bei der AG, der KGaA und dem VVaG ist einen Monat vor Beschlussfassung der Anteilseigner der Verschmelzungsvertrag oder sein (unterschriebener) Entwurf dem Handelsregister einzureichen und von dort aus bekannt zu machen. 322 

Raiser/Veil, § 48 Rn. 27. Umwandlungen, S. 9 Stand: 26. 01. 2016, abrufbar unter http://www.notarkrauss.de/docs/merkblaetter/Umwandlungen.doc. 324  Im Folgenden: BetrVG. 325  Vgl. Willemsen, in: Kallmeyer UmwG § 5 Rn. 77 m. w. N. 323  Krauß,

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

125

(7) Einberufung der Versammlungen der Anteilseigner, Offenlegung und Beschlussfassung § 13 UmwG legt fest, dass der Verschmelzungsvertrag nur wirksam wird, wenn die Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger ihm durch Gesellschafterbeschluss (Verschmelzungsbeschluss) zustimmen. Bis zur Zustimmung ist der Verschmelzungsvertrag schwebend unwirksam. Der Beschluss ist zwingend notariell zu beurkunden und von den Vertretungsberechtigten der beteiligten Rechtsträger zu fassen. Eine Beschlussfassung im Wege des Umlaufverfahrens ist nicht möglich.326 Stimmberechtigte können sich durch Bevollmächtigte vertreten lassen.327 Die Mehrheitserfordernisse richten sich nach den für die beteiligten Rechtsträger geltenden besonderen Regelungen. Gemäß § 62 Abs. 1 UmwG kann bei einer AG oder einer KGaA als übernehmender Gesellschaft ausnahmsweise auf den Verschmelzungsbeschluss verzichtet werden, wenn diese mindestens 90% der Anteile an der übertragenden Gesellschaft hält. Um den Beschluss jeweils auf ordnungsgemäßer Grundlage treffen zu können, ist der Verschmelzungsvertrag vorab mit der Einladung zur Beschlussfassung mit zu übersenden. Zudem erhalten die Anteilseigner parallel dazu ein Einsichtsrecht in die für die Verschmelzung wesentlichen Unterlagen (insbesondere Jahresabschlüsse und Lageberichte der letzten drei Jahre). Darüber hinaus bestehen je nach Rechtsform der beteiligten Rechtsträger weitere Offenlegungspflichten.328 Der Beschluss kann vor Beurkundung des Verschmelzungsvertrages oder nach dessen Beurkundung erfolgen (vgl. §§ 182, 184 UmwG). In der Praxis häufiger anzutreffen ist die Beschlussfassung nach Beurkundung des Verschmelzungsvertrages. Hintergrund ist, dass etwaigen Änderungen des Verschmelzungsvertrages nach Beschlussfassung erneut zuzustimmen wäre, sofern es sich nicht bloß um rein redaktionelle Anpassungen handelt.329 In der Regel erfolgt die Beurkundung des Verschmelzungsbeschlusses nicht zuletzt aus Kostengründen unmittelbar mit bzw. nach der Beurkundung des Verschmelzungsvertrages während desselben Notartermins. (8) Anmeldung beim Handelsregister Die Vertretungsorgane der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger haben die Verschmelzung in öffentlich beglaubigter Form zur Eintragung in das Register (Handelsregister, Partnerschaftsregister, Genossenschaftsregister oder Vereinsregister) des Sitzes ihres Rechtsträgers anzumelden (vgl. § 16 Abs. 1 UmwG). Ist eine Kapitalerhöhung beim übernehmenden Rechtsträger anzumelden, so hat 326  Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG § 13 Rn. 2; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, § 13 Rn. 9; Gehling, in: Semler/Stengel, § 13 Rn. 10, 14. 327  Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG § 13 Rn. 12. 328  Vgl. hierzu ausführlich Zimmermann, in: Kallmeyer, UmwG § 13. 329  Zimmermann, in: Kallmeyer, § 13 Rn. 8.

126

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

diese Anmeldung durch alle Geschäftsführer (bei der AG: durch den gesamten Vorstand und den Aufsichtsratsvorsitzenden) zu erfolgen. Bei der Anmeldung haben die Vertretungsorgane zu erklären, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit eines Verschmelzungsbeschlusses nicht oder nicht fristgemäß erhoben oder eine solche Klage rechtskräftig abgewiesen oder zurückgenommen worden ist. Hier­ über haben die Vertretungsorgane dem Registergericht auch nach der Anmeldung Mitteilung zu machen. Liegt die Erklärung nicht vor, so darf die Verschmelzung nicht eingetragen werden, es sei denn, dass die klageberechtigten Anteilsinhaber durch notariell beurkundete Verzichtserklärung auf die Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses verzichten (vgl. § 16 Abs. 2 UmwG). Voraussetzung für die Erklärung nach § 16 Abs. 2 UmwG ist, dass die für eine Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses vorgesehene Frist von einem Monat abgelaufen ist. Um diese Verzögerung zu vermeiden, kann durch alle Anteilseigner auf die Erhebung einer Klage in der notariellen Urkunde verzichtet werden. In diesem Fall wäre dies in der Anmeldung anzugeben. Der Verzicht kann gemeinsam mit dem Verschmelzungsvertrag und den Zustimmungsbeschlüssen beurkundet werden, wenn alle Anteilseigner (aller beteiligter Rechtsträger) bei der Beurkundung anwesend sind und die sonstigen Fristen eingehalten wurden (z. B. Mitteilung an den Betriebsrat), so dass bei einer solchen Konstellation lediglich ein Notartermin erforderlich ist.330 Der Anmeldung beim Handelsregister sind zwingend die in §§ 16, 17 UmwG die genannten Unterlagen beizufügen. ee)  Rechtsfolgen der Verschmelzung Die Wirkungen der Verschmelzung sind in § 20 UmwG geregelt und knüpfen an die Eintragung im Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers an. Im Wesentlichen führt die Eintragung zum Vermögensübergang vom übertragenden auf den übernehmenden Rechtsträger (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG), zum Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG) sowie dazu, dass die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers Anteile am übernehmenden Rechtsträger erhalten (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG).331 Dazu im Einzelnen: (1) Vermögensübergang (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) Der Vermögensübergang vollzieht sich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Vermögen des erlöschenden Rechtsträgers geht kraft Gesetzes als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den neuen Rechtsträger über. Erforderlich ist eine Vermögensübertragung, d. h. eine Vollrechtsübertragung. Die bloße Ein-

330  Vgl. Krauß, Umwandlungen, S. 12 Stand: 2601.2016, abrufbar unter http://www. notarkrauss.de/docs/merkblaetter/Umwandlungen.doc. 331  Vgl. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 1.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

127

räumung eines Nutzungsrechts, z. B. Vermietung oder Verpachtung ist nicht ausreichend. Im Einzelnen wird hierzu auf 2. Teil, C. III. 3. verwiesen. (2) Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG) Mit Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des übernehmenden Rechtsträgers erlöschen der oder die übertragenden Rechtsträger. Der Untergang des übertragenden Rechtsträgers ist zwingende Folge einer Verschmelzung. Mit dem übertragenden Rechtsträger gehen auch alle an ihm bestehenden Anteile sowie dessen Organe unter. Das Fortbestehen des übertragenden Rechtsträgers kann nicht wirksam vereinbart werden und wird nur im Rahmen des § 25 Abs. 2 UmwG bei etwaigen Schadensersatzansprüchen gegen den übertragenden Rechtsträger fingiert. Eine Abwicklung der erlöschenden übertragenden Rechtsträger unterbleibt, da das Vermögen vollständig auf den übernehmenden Rechtsträger übergeht und eine Abwicklung somit schon mangels Vermögensmasse ausscheidet. (3) Gegenleistung durch Anteilsgewährung Als Gegenleistung für den Verlust ihrer Anteile an dem übertragenden und damit aufgelösten Rechtsträger erhalten die Anteilsinhaber gleichwertige Anteile oder Mitgliedschaften an dem aufnehmenden Rechtsträger. Der Übergang der Anteile erfolgt kraft Gesetzes nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG. Dabei gilt der Grundsatz der Kontinuität der Mitgliedschaft. Grundsätzlich dürfen neben den Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers keine anderen Gegenleistungen gewährt werden. Nach § 29 Abs. 1 UmwG dürfen unter den dort genannten Voraussetzungen ausnahmsweise Barabfindung angeboten werden, wobei zusätzlich die Beschränkungen des § 54 Abs. 4 UmwG (für die GmbH), § 68 Abs. 3 UmwG (für die AG) und § 78 i. V. m. § 68 Abs. 3 UmwG (für die KGaA) zu beachten sind. Sofern der übertragende Rechtsträger Anteile am übernehmenden Rechtsträger hält, gehen diese ohne Durchgangserwerb des übernehmenden Rechtsträgers auf dessen (neue) Anteilsinhaber über, sofern diese nicht wirksam darauf verzichtet haben. Im umgekehrten Fall hingegen, wenn also der übernehmende Rechtsträger direkt oder mittelbar über einen Dritten Anteile am übertragenden Rechtsträger hält, ist ein Anteilstausch gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1, Halbsatz 2 UmwG ausgeschlossen, soweit es sich beim übernehmenden Rechtsträger um eine GmbH, AG oder KGaA handelt. Die Übernahme neuer Anteile würde gegen das Verbot des Erwerbs eigener Anteile (vgl. § 56 Abs. 2 AktG) verstoßen. Rechte Dritter an den untergehenden Anteilen oder Mitgliedschaften des übertragenden Rechtsträgers bestehen an den neuen Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers fort.332 Sofern 332 

Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG § 20 Rn. 31.

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

keine neuen Anteile entstehen und diese Rechte demnach wegfallen, bestehen ggf. Schadensersatzansprüche des Dritten. b)  Spaltung Eine Spaltung (§§ 123 bis 173 UmwG) liegt vor, wenn das Vermögen eines Rechtsträgers auf mehrere rechtlich selbstständige Rechtsträger im Wege der Sonderrechtsnachfolge übertragen wird.333 Es können dabei verschiedene Spaltungsvorgänge miteinander kombiniert werden. aa)  Gründe für die Durchführung einer Spaltung Gründe für die Durchführung einer Spaltung können verschieden sein. Die amtliche Begründung des Umwandlungsgesetzes weist allgemein auf wirtschaftliche und steuerliche Gründe, aber auch die persönlichen Verhältnisse der Gesellschafter hin. In erster Linie dient die Spaltung der organisatorischen Verselbstständigung eines Geschäftsbereichs. So wird als Zweck der Spaltung beispielsweise die Trennung feindlicher Gesellschafterparteien, die Erbteilung aber auch Umstrukturierung von Konzernteilen genannt.334 Vergaberechtlich interessant sind hier insbesondere Privatisierungsvorgänge im kommunalen Wirtschaftsrecht. Möchte beispielsweise eine Gemeinde einen bestimmten Service auf eine von ihr zu verwaltende GmbH auslagern, kann sie sich dabei den Mitteln des Spaltungsrechts bedienen.335 Eine Spaltung kommt weiter insbesondere in Betracht, wenn kleinere, am Markt selbständig auftretende Einheiten eines Unternehmens geschaffen werden sollen. Als weitere wirtschaftliche Gründe sind zu nennen336: Vorbereitung der Veräußerung von Unternehmensteilen, Isolierung von Haftungsrisiken, Betriebsaufspaltungen, Schaffung von Holding-Konstruktionen, Trennung von operativen und nicht betriebsnotwendigen Vermögen, Umgliederungen von Konzernen oder Rückgängigmachung von fehlerhaften Verschmelzungen.

333 

Vgl. Sickinger, in: Kallmeyer, UmwG § 123 Rn. 1. Dr. Norbert Dautzenberg, in: Gabler Wirtschaftslexikon, abrufbar unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/spaltung-von-rechtstraegern.html?referenceKeywordName=Ausgliederung. 335  Vgl. Beispielsfall Nr. 20 bei K. Schmidt, GesR § 13 IV, S. 396. 336  Vgl. hierzu auch Krauß, Umwandlungen, S. 18 Stand: 2601.2016, abrufbar unter http://www.notarkrauss.de/docs/merkblaetter/Umwandlungen.doc. 334 Vgl.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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bb)  Vergleich mit der Verschmelzung – Übertragung von Vermögensteilen „als Gesamtheit“ Die Spaltung ist eine Strukturmaßnahme, die sich spiegelbildlich zur Verschmelzung verhält.337 Konzeptionell erfolgen daher mehrfach gesetzliche Verweise des Spaltungsrechts auf die Verschmelzungsvorschriften. So gelten beispielsweise für die Vorbereitung des Spaltungsbeschlusses, den Abschluss des Spaltungs- und Übernahmevertrages oder die Information der Anteilsinhaber die gleichen Regelungen wie bei einer Verschmelzung. Der Unterschied zwischen Spaltung und Verschmelzung ist in den Folgen des jeweiligen Umstrukturierungsvorgangs zu finden. Während bei der Verschmelzung eine Zusammenführung von Vermögensmassen beabsichtigt ist und mit Eintragung auch erfolgt, geht es bei der Spaltung um die Aufteilung einer Vermögensmasse auf andere bestehende oder neu gegründete Rechtsträger. Es wird nicht eine Vermögensmasse als Ganzes auf eine andere Gesellschaft überführt, sondern lediglich Vermögensteile, diese aber wiederum als Ganzes, auf mehrere Rechtsträger übertragen. Dabei bedient sich das Gesetz dem Instrument der sogenannten partiellen Gesamtrechtsnachfolge. cc)  Arten der Spaltung Das Gesetz unterscheidet zwischen drei Arten der Spaltung, welche wiederum jeweils auf zwei Alternativen durchgeführt werden können. Es besteht zunächst die Möglichkeit ein Unternehmen aufzuspalten (§ 123 Abs. 1 UmwG), einen oder mehrere Unternehmensteile abzuspalten (§ 123 Abs. 2 UmwG) oder aber einen oder mehrere Unternehmensteile aus seinem Vermögen auszugliedern (§ 123 Abs. 3 UmwG). Weiter ist dahingehend zu differenzieren, ob der abgespaltene Vermögensteil auf einen bestehenden oder einen neu gegründeten Rechtsträger überführt werden soll. Im ersten Fall spricht man von einer Spaltung zur Aufnahme, im letzteren Fall von einer Spaltung zur Neugründung. (1) Aufspaltung Bei der Aufspaltung teilt ein übertragender Rechtsträger unter Auflösung ohne Abwicklung sein gesamtes Vermögen auf und überträgt im Wege der Sonderrechtsnachfolge die Vermögensteile auf mindestens zwei andere schon bestehende (Aufspaltung zur Aufnahme) oder neu gegründete Rechtsträger (Aufspaltung zur Neugründung). Als Gegenleistung werden Anteile der übernehmenden oder neuen Rechtsträger an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers gewährt. Der wesentliche Unterschied zu Abspaltung und Ausgliederung liegt darin, dass dort der übertragende Rechtsträger fortbesteht. Die übernehmenden 337 

Begründung zum RefE, S. 147; Teichmann, ZGR 1993, 396 (396).

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

Rechtsträger können sowohl untereinander als auch gegenüber dem übertragenden Rechtsträger verschiedene Rechtsformen besitzen. (2) Abspaltung Bei der Abspaltung bleibt der übertragende Rechtsträger bestehen. Er überträgt nur einen Teil seines Vermögens, i. d. R. einen Betrieb oder mehrere Betriebe, auf einen anderen oder mehrere andere bereits bestehende (Abspaltung zur Aufnahme) oder neue Rechtsträger (Abspaltung zur Neugründung), wiederum gegen Gewährung von Anteilen an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers. Dabei können Gegenstände, deren Übertragung mit erhöhten Kosten verbunden ist (z. B. Grunderwerbsteuer) oder einer staatlichen Genehmigung bedarf (z. B. §§ 1, 2 GrdstVG) beim übertragenden Rechtsträger verbleiben, während das übrige Vermögen übergeht. (3) Ausgliederung Wie bei der Abspaltung geht auch bei der Ausgliederung nur ein Teil des Vermögens eines Rechtsträgers auf andere Rechtsträger über. Ein wesentlicher Unterschied liegt aber darin, dass die als Gegenwert gewährten Anteile der übernehmenden oder der neuen Rechtsträger in das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers selbst und nicht an seine Anteilsinhaber gelangen. Beim übertragenden Rechtsträger findet daher keine Vermögensreduktion, sondern lediglich eine Umwandlung von Sachwerten in Anteile am übernehmenden Rechtsträger statt. Im Rahmen der Ausgliederung ist jedoch – im Gegensatz zur Abspaltung – eine Totalausgliederung möglich. Diese hat zur Folge, dass das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers nur noch aus den Anteilen des oder der übernehmenden Rechtsträger besteht (Holdinggesellschaft). dd)  Spaltungsfähige Rechtsträger § 124 Abs. 1 UmwG bestimmt u. a. durch Verweis auf § 3 Abs. 1 UmwG, welche Rechtsträger sich an einer Spaltung beteiligen können, also als übertragende, übernehmende oder neue Rechtsträger in Frage kommen und verweist insofern weitestgehend auf die Vorschrift zu den verschmelzungsfähigen Rechtsträgern. An einer Aufspaltung, Abspaltung oder Ausgliederung können als übertragende, übernehmende oder neue Rechtsträger demnach im Wesentlichen Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) und Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA) beteiligt sein. Ferner können an einer Ausgliederung als übertragende Rechtsträger insbesondere Einzelkaufleute beteiligt sein.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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ee)  Ablauf/Voraussetzungen der Spaltung Die Regelungen zur Spaltung verweisen, mit einzelnen Ausnahmen im Wesentlichen auf die Vorschriften zur Verschmelzung. (1) Spaltungsvertrag und Spaltungsplan Wie bei der Verschmelzung müssen die Vertretungsorgane der beteiligten Rechtsträger eine vertragliche Grundlage für die Spaltung schaffen. Dies geschieht in einem Spaltungs- und Übernahmevertrag. Bei der Spaltung durch Neugründung ist statt des Spaltungs- und Übernahmevertrags ein Spaltungsplan zu erstellen, welcher an die Stelle des Spaltungs- und Übernahmevertrages tritt (§ 136 S. 2 UmwG). Der notwendige Inhalt des Spaltungsvertrages und des Spaltungsplans ist in § 126 UmwG festgelegt und ist in weitem Umfang identisch mit dem des Verschmelzungsvertrages.338 Die Aushandlung des Spaltungs- und Übernahmevertrages sowie die Aufstellung des Spaltungsplans ist von entscheidender Bedeutung für die an der Spaltung beteiligten Personen, da hierin die Aufteilung der zu spaltenden Vermögensmasse erfolgt. Bei der Aufteilung sind die Verwaltungsorgane der beteiligten Rechtsträger weitestgehend frei. Der Umfang des Rechtsübergangs unterliegt der privatautonomen Gestaltung der Unternehmensinhaber.339 Diese sogenannte Spaltungsfreiheit ist allerdings durch den sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz eingeschränkt. Die einzelnen Vermögensgegenstände des Aktiv- und Passivvermögens sind hinreichend genau zu bezeichnen und den jeweiligen übernehmenden Rechtsträgern zuzuordnen. Ist ein Vermögensgegenstand nicht eindeutig bezeichnet oder ist die Zuordnung zu einem Rechtsträger zweifelhaft und letztlich auch durch Auslegung nicht zu bestimmen, so geht der Gegenstand auf alle übernehmenden Rechtsträger in dem Verhältnis über, welches für die Aufteilung des Überschusses der Aktivseite der Schlussbilanz über deren Passivseite ergibt (vgl. § 131 Abs. 3 UmwG). Weiter ist die Verfügungsfähigkeit der Vermögensgegenstände Voraussetzung für eine Übertragung. Gegenstände, die durch Rechtsgeschäft nicht isoliert übertragen werden können, dürfen auch nicht durch Spaltung auseinandergerissen werden.340 Zur Bestimmung der Sonderrechtsfähigkeit sind die §§ 90 ff. BGB heranzuziehen. Nicht sonderrechtsfähig und damit isoliert übertragbar sind insbesondere wesentliche Bestandteile einer Sache, wie zum Beispiel das Haus auf einem Grundstück. Darüber hinaus stellt sich hier die Frage nach der Teilbarkeit von Schuldverhältnissen.341 338 

Sagasser/Sickinger, in: Sagasser/Bula/Brünger, Umwandlungen, N, Rn. 119. K. Schmidt, GesR § 13 IV, S. 397; Priester, in: Lutter, UmwG § 126 Rn. 59. 340  K. Schmidt, GesR § 13 IV, S. 397. 341  Siehe hierzu näher K. Schmidt, GesR § 13 IV, S. 397 m. w. N. 339 

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

(2) Besonderheiten zur Kapitalerhaltung und möglichen Kapitalerhöhung Bei der Ausgliederung findet ein Aktivtausch statt. Die ausgliedernde Gesellschaft erhält als Gegenleistung für die übertragenen Vermögensgegenstände Anteile an der aufnehmenden Gesellschaft. Probleme der Kapitalerhaltung ergeben sich hierbei daher nicht. Ebenso unproblematisch (im Hinblick auf die Kapitalerhaltungsvorschriften) ist die Aufspaltung, da hier die übertragende Gesellschaft erlischt. Bei der Abspaltung hingegen wird lediglich ein Teil des Vermögens der übertragenden Gesellschaft auf eine bestehende oder neue Gesellschaft abgespalten. Hier ist sicherzustellen, dass beispielsweise die abspaltende GmbH weiterhin den Grundsätzen der Kapitalbindung des GmbHG genügt. Eine Möglichkeit dies abzusichern ist die Einholung einer strafbewehrten Versicherung der Geschäftsführer. Diese müssen bestätigen, dass bei der abspaltenden Gesellschaft die Grundsätze der Kapitalerhaltung auch nach der Abspaltung noch eingehalten werden. Wenn diese Versicherung nicht abgegeben wird, kann die Abspaltung nur bei gleichzeitiger Durchführung einer Kapitalherabsetzung vorgenommen werden, wobei auch hier die Mindesthöhe des Stammkapitals einer GmbH von 25.000,Euro zu beachten ist. Im Falle einer Anteilsgewährung an die Anteilsinhaber der übertragenden Gesellschaft nach Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH als aufnehmender Gesellschaft sieht das Gesetz bestimmte Erleichterungen gegenüber den allgemeinen Vorschriften des GmbH-Gesetzes vor. Beispielsweise ist keine Übernahmeerklärung erforderlich und Erklärungen und Versicherungen hinsichtlich der Erbringung der Sacheinlagen sind in der Anmeldung zum Handelsregister entbehrlich. Im Übrigen bleibt es bei den allgemeinen Vorschriften. Ein Sachgründungsbericht ist nur bei der Spaltung zur Neugründung, nicht jedoch in den Fällen der Spaltung zur Aufnahme erforderlich. (3) Spaltungsbericht und Spaltungsprüfung Die Vertretungsorgane jedes der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger haben einen ausführlichen schriftlichen Bericht zu erstatten. Wie bei der Verschmelzung sind im Spaltungsbericht der Spaltungsvertrag oder sein Entwurf im Einzelnen sowie bei Aufspaltung und Abspaltung insbesondere das Umtauschverhältnis der Anteile oder die Angaben zu den Mitgliedschaften bei den übernehmenden Rechtsträgern, der Maßstab für ihre Aufteilung sowie die Höhe einer anzubietenden Barabfindung rechtlich und wirtschaftlich zu erläutern und zu begründen (vgl. § 127 UmwG). Insoweit gelten hinsichtlich des Spaltungsberichts und der Spaltungsprüfung keine Besonderheiten gegenüber der Verschmelzung.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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(4) Beschluss der Anteilsinhaber nach §§ 125, 13 UmwG Auch der Spaltungsvertrag bzw. der Spaltungsplan wird nur wirksam, wenn die Anteilsinhaber der beteiligten Rechtsträger ihm durch Beschluss zustimmen. Insoweit verweise das Umwandlungsgesetz in § 125 UmwG auf die entsprechende Vorschrift zur Verschmelzung (§ 13 UmwG). (5) Eintragung ins Handelsregister der beteiligten Rechtsträger Um die Wirksamkeit der Spaltung herbeizuführen, muss diese ebenso wie die Verschmelzung in das Handelsregister eingetragen werden. Das Eintragungsverfahren unterscheidet zwischen der Spaltung zur Aufnahme und der Spaltung zur Neugründung. Bei der Spaltung zur Aufnahme kann die Anmeldung zur Eintragung auch durch das Vertretungsorgan jedes beteiligten Rechtsträgers erfolgen. Die Spaltung darf in das Register des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers erst eingetragen werden, nachdem sie im Register des Sitzes jedes der übernehmenden Rechtsträger eingetragen worden ist (vgl. § 130 Abs. 1 S. 1 UmwG). Bei der Spaltung zur Neugründung hingegen hat das Vertretungsorgan des übertragenden Rechtsträgers jeden der neuen Rechtsträger bei dem Gericht, in dessen Bezirk er seinen Sitz haben soll, zur Eintragung in das Register anzumelden. Darüber hinaus obliegt es diesem Vertretungsorgan ebenso die Spaltung zur Eintragung in das Register des Sitzes des übertragenden Rechtsträgers anzumelden (vgl. § 137 Abs. 1 und 2 UmwG). Besonderheiten gelten außerdem bei der Anmeldung und Eintragung einer Abspaltung oder Ausgliederung in das Register einer übertragenden GmbH. Die Gesellschafter haben zu erklären, dass die durch Gesetz und Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Voraussetzungen für die Gründung dieser Gesellschaft unter Berücksichtigung der Abspaltung oder Ausgliederung im Zeitpunkt der Anmeldung vorliegen. ff)  Besonderheiten bei der Spaltung und Ausgliederung zur Neugründung Wie aus der Begrifflichkeit „Neugründung“ bereits hervorgeht, ist – wie auch bei der Verschmelzung – die Gründung einer neuen Gesellschaft erforderlich, auf die der aufgespaltene oder ausgegliederte Vermögensteil übergehen soll. Die Gründung der neuen Rechtsträger erfolgt grundsätzlich nach den für die jeweilige Rechtsform des neuen Rechtsträgers geltenden Gründungsvorschriften. Gründer des neuen Rechtsträgers ist dabei allerdings die abspaltende Gesellschaft und nicht deren Gesellschafter. Im Spaltungsplan muss daher die Satzung des neuen Rechtsträgers enthalten sein und ordnungsgemäß festgestellt werden. Dabei überprüft das Registergericht, ob die Vorschriften zur Sachgründung eingehalten

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

wurden und insbesondere keine Überbewertung der eingebrachten Vermögenswerte vorliegt. Die abspaltende bzw. ausgliedernde Gesellschaft hat darüber hinaus die ersten Organe der neu gegründeten Gesellschaft zu bestellen sowie den neuen Rechtsträger zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. gg)  Rechtsfolgen; Eintragungswirkungen Die Spaltung wird mit der Eintragung ins Handelsregister des übertragenden Rechtsträgers wirksam (vgl. § 130 Abs. 1 S. 2 UmwG). § 131 Abs. 1 UmwG zählt die Wirkungen der erfolgten Eintragung einer Spaltung in den Nummern 1 bis 4 auf. Diese sind: Nr. 1: Vermögensübergang entsprechend der im Spaltungs- und Übernahmevertrag vorgesehenen Aufteilung, Nr. 2: automatisches Erlöschen des übertragenden Rechtsträgers bei einer Aufspaltung, Nr. 3: Anteilserwerb an den Anteilen des übernehmenden Rechtsträgers, Nr. 4: gegebenenfalls Heilung von Formmängeln. Die Eintragung der Spaltung bewirkt gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG einen Vermögensübergang entsprechend der im Spaltungs- und Übernahmevertrag vorgesehenen Aufteilung, jeweils als Gesamtheit auf die übernehmenden Rechtsträger. Die Regelung beschreibt die sogenannte partielle Gesamtrechtsnachfolge, bei der lediglich Vermögensteile, diese jedoch als Gesamtheit mit Eintragung automatisch auf die bestimmten Rechtsträger übergehen. Dabei handelt es sich um eine kraft parteiautonomer Gestaltung gegenständlich beschränkte Gesamtrechtsnachfolge.342 Ist bei einer Aufspaltung ein Gegenstand im Vertrag keinem der übernehmenden Rechtsträger zugeteilt worden und lässt sich die Zuteilung auch nicht durch Auslegung des Vertrags ermitteln, so geht der Gegenstand auf alle übernehmenden Rechtsträger in dem Verhältnis über, das sich aus dem Vertrag für die Aufteilung des Überschusses der Aktivseite der Schlussbilanz über deren Passivseite ergibt. Ist eine Zuteilung des Gegenstandes an mehrere Rechtsträger nicht möglich, so ist sein Gegenwert in dem bezeichneten Verhältnis zu verteilen (§ 13 UmwG). Mit der Eintragung der Spaltung werden außerdem etwaige Mängel des Spaltungsbeschlusses geheilt (vgl. § 131 Abs. 2 UmwG). Im Hinblick auf den Gläubiger- und Minderheitenschutz gilt wegen § 125 UmwG das Verschmelzungsrecht entsprechend. Eine zusätzliche Regelung zum Gläubigerschutz enthält § 133 UmwG, der eine gesamtschuldnerische Haf342 

Teichmann ZGR 1993, 396 (398).

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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tung der an der Spaltung beteiligten Rechtsträger für die Verbindlichkeiten des übertragenden Rechtsträgers anordnet. Im Einzelnen ergeben sich je nach Art der durchgeführten Spaltung mit dessen Eintragung die folgenden Rechtsfolgen: (1) Aufspaltung Bei der Aufspaltung (§ 123 UmwG) teilt sich das Vermögen eines Rechtsträgers gleichzeitig – jeweils als Gesamtheit – auf mehrere andere Rechtsträger auf und wird entsprechend übertragen.343 Da sich der übertragende Rechtsträger seines gesamten Vermögens entledigt, führt die Aufspaltung zum Erlöschen des alten Rechtsträgers ohne Liquidation und damit zu dessen Zerschlagung (vgl. § 131 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Im Gegensatz zur Verschmelzung wird der alte Rechtsträger aber nicht von einem, sondern von mehreren Rechtsträgern „beerbt“. Sein Vermögen geht entsprechend der im Spaltungsvertrag bzw. Spaltungsplan getroffenen Aufteilung im Wege der partiellen Gesamtrechtsnachfolge über. Die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers erhalten Anteile und Mitgliedschaftsrechte an den übernehmenden Rechtsträgern. (2) Abspaltung Im Gegensatz zur Aufspaltung erfolgt bei der Abspaltung nur eine teilweise Vermögensübertragung auf bestehende oder neugegründete Rechtsträger. Der andere Teil des Vermögens verbleibt beim übertragenden Rechtsträger, so dass dieser, wenn auch in veränderter Form bzw. mit veränderten Vermögensverhältnissen, nach der Abspaltung weiter fortbesteht. Im Übrigen bestehen keine Unterschiede zur Aufspaltung. (3) Ausgliederung Bei der Ausgliederung überträgt ein Rechtsträger aus seinem Vermögen einen oder mehrere Teile auf einen oder mehrere Rechtsträger und erhält dafür selbst Anteile oder Mitgliedschaftsrechte an dem übernehmenden Rechtsträger. Bei diesem Spaltungsvorgang empfängt also der spaltende Rechtsträger selbst die für die Vermögensübertragung gewährten Anteile und nicht seine Anteilseigner. c)  Vermögensübertragung Die Vermögensübertragung ist in der Variante der „Vollübertragung“ oder der „Teilübertragung“ möglich. Während die Vollübertragung grundsätzlich an die Verschmelzung angelehnt ist, ist die Teilübertragung mit der Spaltung vergleichbar. Der sachliche Unterschied liegt in der für die Anteile an den übertra343 

Vgl. K. Schmidt, GesR § 13 IV, S. 394.

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

genden Rechtsträgern gewährten Gegenleistung. Hier erhält der übertragende Rechtsträger – anders als bei der Verschmelzung oder der Spaltung – keine Anteile an dem übernehmenden Rechtsträger, sondern eine andere Form der Gegenleistung, welche in der Regel eine Geldzahlung darstellt. Hintergrund ist, dass als Beteiligte einer Vermögensübertragung in erster Linie öffentlich-rechtliche Rechtsträger (öffentliche Hand, öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen) in Betracht kommen, deren Struktur keinen Anteilstausch zulässt. Da in erster Linie öffentlich-rechtliche Rechtsträger als Beteiligte einer Vermögens­ übertragung in Frage kommen und diese naturgemäß nicht Bieter in einem Vergabeverfahren sind, wird vorliegend von einer näheren Darstellung der Vermögensübertragung abgesehen. d)  Formwechsel Der Rechtsformwechsel ist in den §§ 190 ff. UmwG geregelt. Der Gesetzgeber versteht unter einem Formwechsel einen Wechsel der Rechtsform eines Rechtsträgers unter Wahrung der rechtlichen Identität und unter der grundsätzlichen Beibehaltung der bisherigen Mitgliedschaftsrechte. Anders als bei den übrigen Umwandlungsarten findet beim Formwechsel kein Übertragungsvorgang statt. Vielmehr besteht die rechtliche und wirtschaftliche Identität eines Rechtsträgers fort.344 aa)  Arten und beteiligte Rechtsträger An einem Rechtsformwechsel ist weiter begriffsnotwendig nur ein Unternehmen beteiligt, während an den übrigen Umwandlungsarten mindestens zwei Rechtspersonen beteiligt sind.345 § 191 UmwG bestimmt abschließend in seinen Absätzen 1 und 2, welche Rechtsträger als formwechselnde Rechtsträger (Abs. 1) und welche als neue Rechtsträger (Abs. 2) in Frage kommen. Als formwechselnde Rechtsträger kommen aus vergaberechtlicher Sicht insbesondere Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG), Partnerschaftsgesellschaften und Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA) in Betracht. Rechtsträger neuer Rechtsform können ausschließlich Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, Personenhandelsgesellschaften und Partnergesellschaften, Kapitalgesellschaften und eingetragene Genossenschaften sein. Der Formwechsel ist auch bei aufgelösten Rechtsträgern möglich, wenn ihre Fortsetzung in der bisherigen Rechtsform beschlossen werden könnte (vgl. § 191 Abs. 3 UmwG).

344  345 

Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG § 190 Rn. 6 m. w. N. Vgl. Begr. RegE, BT-Drucks. 12/6699, S. 137.

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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bb)  Verfahren und Ablauf Ein Formwechsel vollzieht sich grundsätzlich anhand der folgenden Schritte: (1) Umwandlungsbericht (§ 192 UmwG) Die Gesellschafter sind über die Umwandlung und ihre Einzelheiten vor der Gesellschafter- oder Hauptversammlung zu unterrichten. Das Vertretungsorgan des formwechselnden Rechtsträgers hat hierfür einen ausführlichen schriftlichen Bericht zu erstatten (Umwandlungsbericht), in dem der Formwechsel und insbesondere die künftige Beteiligung der Anteilsinhaber an dem Rechtsträger rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden (vgl. § 190 Abs. 1 UmwG). Erörtert werden muss insbesondere auch der Inhalt des Umwandlungsbeschlusses, welcher dem Bericht beizufügen ist. Dem Umwandlungsbericht ist weiter eine Vermögensaufstellung beizufügen, in der die Gegenstände und Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit ihrem wirklichen Wert aufgeführt werden. Ein Umwandlungsbericht ist nicht erforderlich, wenn an dem formwechselnden Rechtsträger nur ein Anteilsinhaber beteiligt ist oder wenn alle Inhaber durch notarielle Erklärung auf den Bericht verzichten. Eines Berichtes bedarf es ebenfalls nicht, wenn eine Personenhandelsgesellschaft umgewandelt werden soll und alle Gesellschafter geschäftsführungsbefugt sind. Eine Prüfung des Umwandlungsberichts ist grundsätzlich (anders als bei der Verschmelzung und Spaltung) nicht erforderlich. In Teilen kann der Formwechsel gleichwohl in zwei Fällen einer Prüfung unterzogen werden. Zum einen gelten im Hinblick auf den neuen Rechtsträger selbstverständlich die auf ihn anwendbaren Gründungsvorschriften. Sollte demnach aufgrund dieser Vorschriften ein Sachgründungsbericht und eine Gründungsprüfung vorgesehen sein, so ist auch der Formwechsel unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen. Zum anderen wird eine Prüfung des Formwechsels durch externe Wirtschaftsprüfer vorgenommen, wenn ein Gesellschafter dem Rechtsformwechsel widerspricht und ihm damit ein Bar­ abfindungsangebot unterbereitet wird. Dieses Barabfindungsangebot unterliegt dann ebenfalls einer gesonderten Prüfung. Bei der GmbH ist der Formwechsel spätestens zusammen mit der Ladung zur Gesellschafterversammlung schriftlich anzukündigen und der Umwandlungsbericht nebst Barabfindungsangebot zu übersenden. Bei einer AG oder KGaA ist der Umwandlungsbericht von der Einberufung der Hauptversammlung an in dem Geschäftsraum der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen. Auf Verlangen ist jedem Aktionär eine Abschrift des Umwandlungsberichtes zu erteilen. Auf sämtliche vorbereitenden Maßnahmen können die Gesellschafter jedoch im Rahmen einer Vollversammlung verzichten. Bei Personenhandelsgesellschaften ist allen von der Geschäftsführung ausgeschlossenen Gesellschaftern spätestens mit der Einberufung der Gesellschafterversammlung der Formwechsel als Ge-

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2. Teil: Rechtliche Grundlagen

genstand der Beschlussfassung schriftlich anzukündigen und der erforderliche Umwandlungsbericht samt Barabfindungsangebot zu übersenden. Wie bei Verschmelzung und Spaltung ist der Entwurf des Umwandlungsbeschlusses spätestens einen Monat vor dem Tag der Versammlung der Anteilsinhaber, die den Formwechsel beschließen soll, dem zuständigen Betriebsrat des formwechselnden Rechtsträgers zuzuleiten. (2) Umwandlungsbeschluss Nach § 193 UmwG fassen die Gesellschafter des formwechselnden Rechtsträgers den Umwandlungsbeschluss. Dieser ist zwingend in einer Versammlung zu fassen. Andere Beschlussformen sind nicht möglich. Die Abtretung der Anteile des formwechselnden Rechtsträgers kann von der Genehmigung einzelner Anteilsinhaber abhängig sein und daher zu seiner Wirksamkeit ihrer Zustimmung (§ 193 Abs. 2 UmwG) bedürfen. Hinsichtlich der Mehrheitserfordernisse bei einem Formwechsel einer Kapitalgesellschaft ist zu unterscheiden, in welche Rechtsform umgewandelt werden soll. Wird in eine andere Kapitalgesellschaftsform umgewandelt, genügt ein Beschluss mit Dreiviertelmehrheit. Wird bspw. eine Gesellschaft in eine GbR oder eine OHG umgewandelt, ist die Zustimmung aller (anwesenden und nicht anwesenden) Gesellschafter erforderlich. Ist hingegen Zielrechtsform eine KG, genügt eine Dreiviertelmehrheit mit der Maßgabe, dass alle Gesellschafter, die im Zielrechtsträger die Rolle eines persönlich haftenden Gesellschafters übernehmen, zustimmen müssen (unabhängig von ihrer Anwesenheit). Sieht das Gesetz nach vorstehender Maßgabe (nur) eine Dreiviertelmehrheit vor, kann die Satzung der formwechselnden Gesellschaft zusätzliche, erschwerende Erfordernisse festlegen. Erleichterungen der gesetzlichen Vorgaben sind hingegen nicht möglich. Der Mindestinhalt des Umwandlungsbeschlusses ergibt sich aus § 194 UmwG. Zudem muss bei jedem Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft im Umwandlungsbeschluss auch die Satzung festgestellt werden. Der Umwandlungsbeschluss und etwaige erforderliche Zustimmungserklärungen einzelner Anteilsinhaber bedürfen der notariellen Beurkundung. (3) Anmeldung zum Handelsregister (§§ 198, 199 UmwG) Der Formwechsel ist zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Gegenstand der Registeranmeldung ist die neue Rechtsform. Hinsichtlich der Zuständigkeit des Gerichtes und des anmeldepflichtigen Personenkreises sind jedoch einzelne Umwandlungssituationen zu unterscheiden. So hat z. B. die Anmeldung nur beim Gericht der alten Rechtsform zu erfolgen, wenn sich weder der Sitz der Gesellschaft noch die Art des Registers (Handelsregister, Vereinsregister, Genossenschaftsregister) ändert. Findet jedoch ein Sitzwechsel oder ein

C.  Grundlagen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen

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Wechsel der Registerart statt, so sind zwei Anmeldungen vorzunehmen. Dies ist jedoch nicht beim bloßen Wechsel einer Personenhandelsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder andersherum gegeben, da hiermit noch keine Änderung der Art des Registers verbunden ist. Die anmeldepflichtigen Personen bestimmen sich nach den besonderen Vorschriften des durchgeführten Formwechsels.346 Hinsichtlich der bei Anmeldung einzureichenden Unterlagen wird auf die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere § 199 UmwG verwiesen. In der Anmeldung zum Handelsregister ist auch zu versichern, dass eine Klage gegen die Wirksamkeit eines Verschmelzungsbeschlusses nicht oder nicht fristgemäß erhoben oder eine solche Klage rechtskräftig abgewiesen oder zurückgenommen worden ist. Bei der Anmeldung einer Kapitalgesellschaft ist weiter zu versichern, dass der Nennbetrag des Stammkapitals/Grundkapitals das nach Abzug der Schulden verbleibende Vermögen der formwechselnden Gesellschaft nicht übersteigt. Diese Versicherung ist jedoch entbehrlich, wenn von einer Kapitalgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform umgewandelt wird. (4) Eintragung und Bekanntmachung (§§ 202, 201 UmwG) Der Formwechsel wird mit Eintragung der neuen Rechtsform in das Handelsregister wirksam. Die Eintragung ist durch das Gericht bekanntzumachen. cc)  Wirkung und Rechtsfolgen des Formwechsels (§ 202 UmwG) Der Formwechsel wird mit Eintragung im Handelsregister wirksam (vgl. §§ 202 Abs. 1 u. 2, 198 Abs. 2 UmwG). Die Wirkungen der Eintragung und damit die Rechtsfolgen legt § 202 UmwG fest. Im Einzelnen: (1) Identitätsgrundsatz Der formwechselnde Rechtsträger besteht nach § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter. Bei einem Formwechsel bleibt die Identität des Rechtsträgers also erhalten. Allein das äußere „Rechtskleid“ ändert sich. Auf die Übertragung von Vermögen und eine etwaige Gesamtrechtsnachfolge kommt es infolgedessen nicht an. Es ist nicht einmal eine Berichtigung des Grundbuches vorzunehmen, sondern lediglich eine von Amts wegen vorzunehmende Richtigstellung der Bezeichnung des Berechtigten.347

346  Vgl. § 222 UmwG (Personenhandelsgesellschaften); §§ 235, 246, 254 UmwG (Kapitalgesellschaften). 347  Böhringer, RPfleger 2001, 59 (66); Saenger, GesR Rn. 912; OLG München, Beschl. v. 30. 11. 2015 – 34 Wx 70/15.

140

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

(2) Austausch des gesellschaftsrechtlichen Normsystems Die Eintragung im Handelsregister bewirkt demnach zwar einen identitätswahrenden Wechsel der Rechtsform, führt kraft Gesetzes aber zu einem Austausch des gesellschaftsrechtlichen Normsystems. Dies hat insbesondere zur Folge, dass andere Haftungssysteme und -regelungen Anwendung finden. Um einen hinreichenden Gläubigerschutz zu gewährleisten und zu vermeiden, dass sich beispielsweise persönlich haftende Gesellschafter durch Formwechsel der Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft ihrer Haftungsverpflichtung entziehen, sieht § 224 Abs. 1 und 2 UmwG vor, dass diese weiterhin persönlich für bestehende Verbindlichkeiten haften. Umgekehrt, also bei einem Formwechsel von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft kann entsprechend der Rechtsprechung des BGH zur GbR §§ 130, 128 HGB (analog) für eine Haftung der Gesellschafter für Altverbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft herangezogen werden.348 (3) Organstellung und Anstellungsverträge Mit der Eintragung des Formwechsels endet die Organstellung sämtlicher Gesellschaftsorgane der formwechselnden Gesellschaft. Der Identitätsgrundsatz gilt also nicht im Hinblick auf die Organe des früheren Rechtsträgers. Dies ist unmittelbare Folge des Austauschs des gesellschaftsrechtlichen Normsystems. Andererseits bleiben wegen der Identität des Rechtsträgers die Anstellungsverträge der Geschäftsführer und Vorstände auch nach dem Formwechsel bestehen und müssen gegebenenfalls nach allgemeinen Regeln beendet werden (Kündigung, Aufhebung, etc.). Die Bestellung der neuen Organe für den Rechtsträger in seiner neuen Rechtsform richtet sich nach den für diese Rechtsform geltenden Vorschriften. (4) Beteiligung der Anteilsinhaber Die Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträgers sind an dem Rechtsträger nach den für die neue Rechtsform geltenden Vorschriften beteiligt, soweit ihre Beteiligung nicht entfällt (vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Rechte Dritter an den Anteilen oder Mitgliedschaften des formwechselnden Rechtsträgers bestehen an den an ihre Stelle tretenden Anteilen oder Mitgliedschaften des Rechtsträgers neuer Rechtsform weiter. (5) Heilung von Formmängeln Der Mangel der notariellen Beurkundung des Umwandlungsbeschlusses und gegebenenfalls erforderlicher Zustimmungs- oder Verzichtserklärungen einzelner Anteilsinhaber wird geheilt. Mängel des Formwechsels lassen die Wirkungen der Eintragung der neuen Rechtsform oder des Rechtsträgers neuer Rechtsform in das Register unberührt. 348 

Vgl. OLG Bremen, Urt. v. 01. 10. 2015 – 5 U 21/14 (nicht rechtskräftig).

D.  Die kartellrechtliche Fusionskontrolle nach §§ 35 ff. GWB

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D.  Die kartellrechtliche Fusionskontrolle nach §§ 35 ff. GWB Die Wirksamkeit einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung kann unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten von der Genehmigung der zuständigen Behörde abhängig sein. In Abhängigkeit der Umsätze der beteiligten Unternehmen ist der Zusammenschluss bei der zuständigen Kartellbehörde anzuzeigen und von dieser genehmigen zu lassen. Gesetzliche Grundlage für die Fusionskontrolle ist in Deutschland das GWB (§§ 35 ff. GWB). Ausschließlich zuständig ist das Bundeskartellamt. Sofern die Europäische Kommission nach der EG-Fusionskontrollverordnung zuständig ist, findet das GWB keine Anwendung. Das Bundeskartellamt prüft im Falle eines kontrollpflichtigen Zusammenschlusses dessen wettbewerbsrechtliche Relevanz. Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen (vgl. § 36 Abs. 1 GWB). Die wesentlichen Schritte des Fusionskontrollverfahren sind wie folgt: – Vorabprüfung durch Rechtsanwalt oder Rechtsabteilung, ob ein „Zusammenschluss“ i. S. d. Kartellrechts vorliegt und ob eine Anmeldung bei Wett­ bewerbsbehörden erforderlich ist; – Vorbereitung der erforderlichen Unterlagen (insb. Umsätze, Marktanteile etc.), ggf. informelle Abstimmung der Fusionskontrollanmeldung mit Kartellbehörde(n); – Einreichung der erforderlichen Unterlagen bei der/den zuständige(n) Kartellbehörde(n); – Kartellbehördliche Prüfung, ob keine ernsthaften Bedenken bestehen (Phase 1/Vorprüfverfahren); – Ggf. ausführliche behördliche Prüfung, ob Wettbewerb behindert wird (Phase 2/Hauptprüfverfahren). Die Entscheidung der Behörden hat beim Vorprüfverfahren innerhalb eines Monats ab Anmeldung beim Kartellamt (vgl. § 40 Abs. 1 GWB) und im Falle der Durchführung des Hauptverfahrens innerhalb von vier Monaten (vgl. § 40 Abs. 2 GWB) zu erfolgen. Vergaberechtliche Erwägungen spielen inhaltlich hierbei keine Rolle. Im Hinblick auf die Einzelheiten der kartellrechtlichen Fusionskontrolle wird auf die einschlägige Literatur sowie das Merkblatt des Bundeskartellamts verwiesen.349 Die Freigabe des Zusammenschlusses durch die zuständige Kartellbehörde stellt – sofern diese im Einzelfall erforderlich ist – daher eine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung dar und ist im Rahmen eines Vergabeverfahrens jedenfalls unter zeitlichen Ge349 

Vgl. Bundeskartellamt, Merkblatt zur deutschen Fusionskontrolle, Stand: Juli 2005.

142

2. Teil: Rechtliche Grundlagen

sichtspunkten zu berücksichtigen. Erst mit erteilter Freigabe kann rechtssicher von einer Änderung in der Person des Bieters ausgegangen werden. Bis dahin besteht ein Schwebezustand, der sich im Zweifel zum Nachteil des Bieters auswirken muss.

3. Teil

Vergaberechtliche Würdigung 3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

Nachdem die wesentlichen Grundlagen des Vergabe-, Gesellschafts- und Umwandlungsrechts für die hier relevanten Fragestellungen zusammenfassend dargestellt wurden, soll im Folgenden nun die Frage nach einer vergaberechtlichen Zulässigkeit von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen nach Ablauf der Angebotsfrist und vor Zuschlag untersucht werden. Dabei soll insbesondere erörtert werden, ob und inwieweit die geltenden gesellschaftsrechtlichen Grundlagen, insbesondere die anwendbaren umwandlungsrechtlichen Prinzipien und Rechtsfolgen im Rahmen der vergaberechtlich zu beachtenden Grundsätze berücksichtigt werden können.

A.  Zivilrechtliche Wirksamkeit des Angebots als Ausgangspunkt Die eingangs dieser Arbeit genannte Definition des Rechtsgebiets „Vergaberecht“ macht deutlich, dass es sich bei diesem Rechtsgebiet u. a. um ein kontrollierendes Element bei einem Vertragsschluss zwischen der öffentlichen Hand als einer Vertragspartei und Leistungserbringern aus der Wirtschaft als der anderen Vertragspartei handelt. Das Vergaberecht begleitet diese Phase der vorvertraglichen Beziehungen im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB. Am Ende eines jeden Vergabeverfahrens steht also – sofern das Verfahren zur Auftragsvergabe nicht aus einem besonderem Grund aufgehoben werden musste – der Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages über die Durchführung eines öffentlichen Auftrags. Die Bewerbung um einen ausgeschriebenen öffentlichen Auftrag durch Einreichung eines Angebots stellt demnach eine Willenserklärung im Sinne des §§ 133, 154 BGB dar. Die Frage, welches rechtliche Schicksal diese Willenserklärung bei einer Änderung in der Person des Erklärenden, also des Bieters, ereilt, ist mangels näherer vergaberechtlicher Vorschriften zunächst anhand des allgemeinen Zivilrechts, mithin also an den Vorschriften der §§ 130 ff. BGB zu beurteilen. Zivilrechtlich ist einleitend festzustellen, dass der Tod des Erklärenden keinen Einfluss auf die Wirksamkeit seiner abgegebenen Willenserklärung hat (§ 130 Abs. 2 BGB). Diese bleibt über seinen Tod hinaus wirksam und der Vertrag kann durch Annahme des Erklärungsempfängers geschlossen werden. So bestimmt

144

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

auch § 153 BGB, dass der Tod des Erklärenden den Vertragsschluss nicht hindert. Ein Angebot erlischt in diesem Fall nur, wenn ein entsprechender Wille des Antragenden anzunehmen ist (vgl. § 153 BGB a. E.), was für den Fall der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen während eines Vergabeverfahrens eher selten der Fall sein dürfte. Das Unternehmen bzw. dessen Rechtsnachfolger hat im Gegenteil gerade ein Interesse daran, das Angebot aufrechtzuerhalten und gegebenenfalls den Zuschlag zu erhalten. Es gilt daher der grundsätzliche zivilrechtliche Ausgangsgedanke, dass die Willenserklärung einer Person, gleich ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelt, über ihr „Verschwinden“ hinaus wirksam bleibt und damit annahmefähig ist. In diesem Sinne haben auch die Vergabeinstanzen, u. a. das OLG Düsseldorf, mehrfach entschieden, dass das im Rahmen eines Vergabeverfahrens eingereichte Angebot einer GmbH nach Abschluss einer Verschmelzung auf einen anderen Rechtsträger unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten weiterhin wirksam und annahmefähig ist.1 Eine Veränderung in der Person des Bieters hat daher zivilrechtlich keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des eingereichten Angebots selbst. Es erfolgt entweder ein gesetzlicher oder ein rechtsgeschäftlicher Übergang des rechtlich verbindlichen Angebots auf den nachfolgenden Rechtsträger. Vergaberechtlich kann dieser Vorgang jedoch dazu führen, dass das Angebot aus der weiteren Wertung zu nehmen ist. Das OLG Düsseldorf wörtlich: „(Die Verschmelzung) war – bürgerlich-rechtlich gesehen – für den Bestand des Angebots unschädlich. Das von der (…) eingereichte Angebot blieb zivilrechtlich wirksam und annahmefähig (vgl. § 130 Abs. 2 BGB, § 153 BGB). Vergaberechtlich kam es durch den Identitätswechsel zwischen dem noch von der (…) unterbreiteten ersten und dem bereits von der Beigeladenen zu 1) abgegebenen überarbeiteten Honorarangebot aber zu einer inhaltlichen Änderung des Angebots.“2

Unbestritten ist daher im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung das von dem ursprünglichen Rechtsträger und Bieter zu Beginn des Vergabeverfahrens eingereichte Angebot rechtlich weiterhin existent und nicht mit dem Rechtsträger erloschen. Der öffentliche Auftraggeber kann dieses Angebot daher unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten weiterhin annehmen. Ob unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten den weiteren Ausführungen des OLG Düsseldorf, welche im Ergebnis einen Ausschluss des Bieters vom weiteren Vergabeverfahren aufgrund einer erfolgten Änderung in der Person des Bieters fordert, in aller Konsequenz gefolgt werden kann, wird im Rahmen dieser Arbeit nachfolgend diskutiert. 1 Vgl. zuletzt OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03. 08. 2011 – VII-Verg 16/11; Beschl. v. 11. 10. 2006 – VII-Verg 34/06 = NZBau 2007, 254. 2  Hervorheb. d. Verf.

B.  Vergaberechtlich relevante Änderung

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B.  Vergaberechtlich relevante Änderung Eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung kann – oder muss u. U. sogar zwingend – zum Ausschluss des jeweiligen Bieters bzw. seines Angebots vom weiteren Vergabeverfahren führen, wenn diese Änderung in der Person des Bieters eine nicht hinzunehmende vergaberechtliche Relevanz aufweist. Wann liegt nun aber eine solche vergaberechtlich relevante Änderung in der Person des Bieters vor? Welches sind die maßgeblichen vergaberechtlichen Regelungen, Prinzipien und Grundsätze, die durch eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung berührt werden? Diese Fragen können aus vergaberechtlicher Sicht nur beantwortet werden, wenn man genau analysiert, welche Parameter und maßgeblichen strukturellen Themenkomplexe einer Gesellschaft durch die jeweilige Umstrukturierung betroffen sind und welche Rechtsfolgen und Auswirkungen mit der jeweiligen gesellschaftsrechtlichen Veränderung konkret verbunden sind. Zum einen kommt es bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen häufig zu einer Änderung in der Rechtspersönlichkeit des Bieters, welche sich direkt auf das Außenverhältnis auswirkt. Die Personengesellschaft A, welche ein Angebot eingereicht hat, ist nach der Verschmelzung in der juristischen Person B aufgegangen. Aus der „A-KG“ ist im Wege des umwandlungsrechtlichen Formwechsels die „A-GmbH“ geworden. Durch Ausscheiden der Komplementär-GmbH einer GmbH & Co. KG kam es zur Auflösung der Gesellschaft und zur Anwachsung des gesamten Vermögens auf die einzig verbleibende Kommanditistin. In diesen Fällen ist der künftige Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers rein formal gesehen nicht mehr derjenige, welcher ursprünglich das Angebot eingereicht hatte. Diese Änderung in der Person des Bieters erstreckt sich in solchen Fällen auf das Außenverhältnis des Rechtsträgers und wirkt sich daher unmittelbar für Gläubiger und Dritte, also insbesondere den öffentlichen Auftraggeber sowie die sonstigen Teilnehmer eines Vergabeverfahrens aus. Weiter können Änderungen in der Person des Bieters den Rechtsträger im Außenverhältnis unberührt lassen und sich rein intern vollziehen. Beispielsweise bleibt die Gesellschaft, insbesondere die gewählte Rechtsform unverändert fortbestehen, wenn sich lediglich auf Gesellschafterebene ein Wechsel vollzieht. Weiter führen gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen nicht selten zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen, da Mitarbeiter ggf. das Unternehmen verlassen. Insoweit birgt eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung die Gefahr, dass für die Auftragsdurchführung erforderliche Arbeitskraft und/oder know-how das Unternehmen verlässt. Darüber hinaus erfolgt im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung gegebenenfalls eine Vermögensübertragung, bei der beispielsweise vorhan-

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

denes Betriebsvermögen wie Maschinen, Lizenzen etc. übertragen werden und fortan nicht mehr zur Verfügung stehen. Letztlich kommt es beispielsweise bei einer Umstrukturierung von einer Personenhandelsgesellschaft in eine Kapitalgesellschaft zu einer Änderung der Haftungsverfassung sowie zu einer Änderung hinsichtlich der Kapitalausstattung bzw. -erhaltung des Unternehmens. In allen vorgenannten Fällen wirken sich gesellschaftsrechtliche Veränderungen neben der formalen Frage einer Änderung der Rechtspersönlichkeit des Bieters vor allem vergaberechtlich bei der Frage aus, ob der jeweilige Bieter (weiterhin) hinreichend Gewähr für eine erfolgreiche Auftragsdurchführung bietet. All diese Punkte sind vergaberechtlich im Rahmen der durchzuführenden Eignungsprüfung relevant und sind daher durch die Beteiligten im Rahmen des Vergabeverfahrens hinreichend zu berücksichtigen. Im Folgenden sollen die im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung vergaberechtlich relevanten Bereiche näher analysiert und deren Auswirkungen auf ein laufendes Vergabeverfahren umfassend bewertet werden.

I.  Vergaberechtlich relevante Änderung in der Person des Bieters Die Rechtsprechung diskutiert die Problematik der Zulässigkeit von gesellschaftsrechtlichen Änderungen anhand des Begriffs der „Identität“, genauer gesagt, anhand der sog. „Bieteridentität“. Die bisher ergangenen Entscheidungen zu den Konsequenzen gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen nach Angebotsabgabe und vor Zuschlag lassen eine sehr strenge Behandlung der Frage erkennen.3 Ein Identitätswechsel des Bieters führe zwangsläufig zum Ausschluss vom Vergabeverfahren, während identitätswahrende Umstrukturierungen vergaberechtlich unbedenklich sind.4 Wann liegt nun aber ein solcher Wechsel der „Bieteridentität“ vor? Was genau Kennzeichnet den Begriff der „Bieteridentität“ und bedarf es einer entsprechenden Begriffsdefinition überhaupt, um die hier gegenständlichen Fragestellungen aus vergaberechtlicher Sicht zu lösen? Diese Fragen vorausgeschickt, wird im Folgenden zunächst untersucht, ob es einer näheren Begriffsbestimmung und Definition der „Bieteridentität“ aus ver3  Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 01. 2005 – VII-Verg 45/04 = NZBau 2005, 354; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24. 05. 2005 – VI-Verg 28/05. 4  Vgl. u. a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11. 10. 2006 – VII-Verg 34/06; OLG Schleswig, Beschl. v. 13. 04. 2006 – 1 (6) Verg 10/05; VK Darmstadt, Beschl. v. 25. 02. 2011 – 69dVK-02/2011; VK Thüringen, Beschl. v. 23. 02. 2007 – 2007 – 001-G; Lux NZBau 2012, 680 (682).

B.  Vergaberechtlich relevante Änderung

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gaberechtlicher Sicht überhaupt bedarf (siehe nachfolgend 1.). Anschließend ist ausgehend von einem im allgemeinen Sprachgebrauch geltenden Identitätsbegriff zunächst der Begriff der Identität nach juristischen Verständnis näher zu erörtern. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse soll sodann, der konkrete Begriff der „Bieteridentität“ nach vergaberechtlichen Maßstäben definiert werden (siehe nachfolgend 2.), um daran anknüpfend die maßgeblichen Kriterien für die Annahme eines Identitätswechsels eines Bieters zu ermitteln (siehe nachfolgend 3.) sowie eine mögliche Lösung des eintretenden Kontinuitätsproblems aufzuzeigen (siehe nachfolgend 4.). 1.  Notwendigkeit einer Begriffsdefinition der Bieteridentität Erster und maßgeblicher Anknüpfungspunkt der vergaberechtlichen Rechtsprechung5 sowie der diese kritisierenden bzw. thematisierenden Stimmen in der Literatur6 im Hinblick auf die Zulässigkeit von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen nach Ablauf der Angebotsfrist und vor Zuschlag ist, wie einleitend bereits ausgeführt, der Begriff der „Bieteridentität“. Eine Änderung in der Person des Bieters (und damit seiner Identität) führe zum Ausschluss des Angebots vom weiteren Vergabeverfahren aufgrund eines Verstoßes gegen das Nachverhandlungsverbot und/oder aufgrund eines Verstoßes gegen geltende Vergabegrundsätze.7 Abgesehen davon, dass der Begriff der „Bieteridentität“ bisher in keiner Weise näher bestimmt und definiert ist und insofern einer Konturenschärfung bedarf, wird bei Lektüre der einschlägigen Entscheidungen und Stellungnahmen der Literatur die Existenz und Notwendigkeit des Begriffs der „Bieteridentität“ ohne weitere Begründung grundsätzlich vorausgesetzt. Die Vorfrage hingegen, ob aus vergaberechtlicher Sicht der Begriff der Bieteridentität zur Behandlung der hier gegenständlichen Problematik überhaupt erforderlich ist, wird bisher in keiner Weise gewürdigt. Man könnte insoweit vertreten, dass komplizierte Erwägungen zur Frage, was „Bieteridentität“ überhaupt ist und wann diese durch eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung berührt ist, obsolet sind, da sämtliche vergaberechtsrelevanten Aspekte im Hinblick auf die Durchführung eines Auftrags einzig im Rahmen der ohnehin durchzuführenden Eignungsprüfung anzustellen sind. Anders ausgedrückt: Welche Rechtsform ein Bieter am Ende der Angebotsprüfung hat und ob diese Rechtsform noch mit derjenigen bei Angebotsabgabe „identisch“ ist, spielt keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, ob durch den jewei5  Vgl. u. a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26. 01. 2005 – VII-Verg 45/04; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24. 05. 2005 – VI-Verg 28/05; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03. 08. 2011 – VII-Verg 16/11. 6  Vgl. u. a. Prieß/Sachs, NZBau 2007, 763 ff. 7  S.o. u. a. Fn. 383 und 384.

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

ligen Angebotsträger sämtliche geforderten Eignungskriterien erfüllt werden und hinreichend Gewähr für eine erfolgreiche Auftragsdurchführung gegeben ist. Die vorstehend ausgeführte Betrachtungsweise hätte den durchaus charmanten Vorteil, dass ggf. umfangreichere Prüfungen im Rahmen eines Vergabeverfahrens hinsichtlich einer etwaig eingetretenen Änderung der Bieteridentität durch die Vergabestelle entfallen würde. Es wäre lediglich die ohnehin obligatorische Eignungsprüfung in Bezug auf den final bestehenden Angebotsträger durchzuführen. Nach der hier vertretenen Auffassung lässt eine solche Betrachtung jedoch den Sinn und Zweck des Ablaufs der Angebotsfrist sowie damit zusammenhängend insbesondere den vergaberechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung außer Acht. Die Angebotsfrist ist eine Ausschlussfrist, so dass Angebote, die später eingereicht werden, grundsätzlich vom Verfahren ausgeschlossen bzw. gar nicht erst zur Eröffnung zugelassen werden.8 Die VK Münster spricht insofern von einer „materiellrechtlichen Ausschlussfrist“9, welche eine Konkretisierung und Ausprägung der geltenden Vergabegrundsätze darstellt. Ziel ist die Wahrung der Wettbewerbs- und Chancengleichheit der Bieter untereinander.10 Sofern also bislang am Vergabeverfahren völlig unbeteiligte Unternehmen nach Ablauf der Angebotsfrist durch gesellschaftsrechtliche Vorgänge das Angebot eines teilnehmenden Bieters übernehmen und dieses fortführen, hätten sie die Möglichkeit, einen öffentlich Auftrag zu ergattern ohne jemals rechtzeitig ein Angebot eingereicht zu haben. Die Angebotsfrist wurde ordnungsgemäß nur durch den bisherigen Bieter gewahrt. Über diese Problematik kann man nach hier vertretener Ansicht nur hinwegkommen, wenn das ursprünglich fristgerecht eingereichte Angebot des alten Bieters dem neuen Bieter ohne Zäsur uneingeschränkt zugerechnet werden kann. Eine insoweit notwendige Zurechnungskontinuität kann nur dann angenommen werden, wenn die Person des ursprünglichen Bieters noch identisch mit der des neu eintretenden Bieters ist. Insofern muss Bieteridentität vor und nach der erfolgten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung gegeben sein und es bedarf daher der oben angesprochenen begrifflichen Konturenschärfung. 2.  Der Begriff der „Identität“ Eine einheitliche und damit aussage- und unterscheidungskräftige Definition des Begriffs der Bieteridentität ist weder der Rechtsprechung noch der Literatur zu entnehmen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es einen „Grundsatz der Bieteridentität“ im Vergaberecht so nicht gibt.11 Ob eine gesellschaftsrechtliche Ver8 

Kapellmann/Messerschmidt, § 10 Rn. 12. Münster 15. 1. 2003 – VK 22/02 –; siehe auch OLG Stuttgart 19. 5. 2011 – 2 U 36/11 –. 10  2. VK Bund 17. 4. 2003 – VK 2 – 16/03 –; Kapellmann/Messerschmidt, § 10 Rn. 1. 9  VK

B.  Vergaberechtlich relevante Änderung

149

änderung identitätswahrend oder aber zu einer Änderung der Identität geführt hat, wurde bisher immer anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt. Insofern ist ein Begriffsverständnis aus einer Analyse der bisher ergangenen Rechtsprechung und Literatur zu entwickeln 11

a)  Der Identitätsbegriff im Allgemeinen Der Begriff „Identität“ stammt von dem lateinischen Wort „idem“ ab und bedeutet „derselbe“, „dasselbe“ oder „der gleiche“ und meint zum Beispiel in Bezug auf unterscheidbare Größen „völlige Übereinstimmung“.12 Eine klassische Definition der Identität gibt das Leibniz-Gesetz, welches im Wesentlichen besagt, dass zwei Dinge identisch sind, wenn sie in allen ihren Eigenschaften ununterscheidbar sind. Logische Konsequenz aus vorhandener Identität wäre, dass es im Ergebnis keine Rolle spielt, ob man sich für A oder B entscheidet, da A gleich B ist. In diesem Sinne wird in der Sprache der Logik der Begriff der Identität auch als „a = a“ dargestellt. b)  Der rechtliche Identitätsbegriff Rechtlich wird der Begriff der Identität in verschiedenen Zusammenhängen und Rechtsgebieten gebraucht. So ist beispielsweise in § 163b Abs. 1 StPO die Rede von „Identitätsfeststellung“ einer Person. Identität bedeutet hier die Übereinstimmung oder Zuordnung personenbezogener Daten mit der dahinterstehenden natürlichen Person.13 Im vorliegend relevanten Bereich des Gesellschafts- und Umwandlungsrechts wird „Identität“ als Mittel zur Lösung rechtstechnischer Problematiken bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen verwendet. So wird beispielsweise beim Formwechsel nach dem UmwG, trotz strenggenommen vorliegender rechtlicher Personenverschiedenheit vor und nach erfolgtem Formwechsel, aus praktischen, insbesondere wirtschaftlichen Gründen eine fortwährende (vermögensrechtliche) Existenz des ursprünglichen Rechtsträgers gewährleistet. Die Annahme der Identität des Rechtsträgers vor und nach dem Formwechsel steht dabei für vollkommene Zurechnungskontinuität trotz Diskontinuität seiner Organisations- und Verbandsverfassung.14 So schreibt Karsten Schmidt in diesem Zusammenhang zutreffend, dass 11 

So aber Burbulla NZBau 2010, 145 (146). Vgl. hierzu insbesondere The Identity of Indiscernibles. Eintrag in Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy. abrufbar unter: https://plato.stanford.edu/ entries/identity-indiscernible/ (Stand: 08. 08. 2017). 13  Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 163b Rn. 6 ff. 14  K. Schmidt, GesR § 12 IV, 2 (S. 354). 12 

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

„die gesellschaftsrechtlichen Rechtsträger Rechtsgebilde sind, und wenn das Recht ihre identitätswahrende Umwandlung anerkennt, ist dies keine sachfremde Fiktion, sondern die adäquate Abbildung von Kontinuitätsproblemen und ihrer gesetzlichen Lösung.“

Die von Karsten Schmidt angesprochene „gesetzliche Lösung“ findet sich beim Formwechsel gemäß § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG in der dort aufgestellten Identitätsregel wieder, welche besagt: „der formwechselnde Rechtsträger besteht in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter.“

Die nach dem Formwechsel entstehende neue Gesellschaft soll demnach rechtlich an die Stelle der alten treten und mit dieser identisch sein. Anders ausgedrückt besteht die alte Gesellschaft mit all ihren Vermögensgegenständen in einem neuen Rechtskleid fort. Es ändert sich lediglich die Organisations- und Haftungsstruktur des fortbestehenden Rechtsträgers. Eine Übertragung von Vermögensmassen findet hier nicht statt. Die Identität einer Gesellschaft ist, wie oben bereits angedeutet, im Wesentlichen durch die folgenden Merkmale/Charakteristiken gekennzeichnet: – Rechtsform der Gesellschaft sowie Einordnung als Kapital- oder Personengesellschaft; – Organisationsverfassung; – Haftungsverfassung; – Regelungen zur Bildung und Übertragung des Gesellschaftsvermögens, insbesondere Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften. Sind durch eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung eines oder mehrere der vorgenannten Merkmale betroffen und ebenfalls einer Änderung unterworfen, stellt sich berechtigterweise die Frage, ob hierdurch auch die Identität der Person vor und nach der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung „entfallen“ ist und es daher zusätzlicher (gesetzlicher) Regelungen zur Lösung des insoweit vorhandenen Kontinuitätsproblems bedarf. Beim Rechtsformwechsel ist dies § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Bei der Verschmelzung kann dies das Institut der Gesamtrechtsnachfolge bzw. nach allgemeinen Gesellschaftsrecht das Prinzip der Anwachsung sein.15 Darüber hinaus ist für die Anerkennung des Grundsatzes der Identität im Rahmen eines Rechtsformwechsels jedoch von entscheidender Bedeutung, dass an ihm einzig das formwechselnde Unternehmen beteiligt ist. Es tritt weder ein Dritter, beispielsweise ein übernehmender Rechtsträger, hinzu noch kommt es zu einer Veränderung der Vermögenslage in Folge einer Vermögensübertragung an einen Dritten. Darüber hinaus besteht auch kein höheres Risiko eines Verlustes 15 

Siehe hierzu 2. Teil, C. II. 1. sowie 2. Teil, C. III. 3.

B.  Vergaberechtlich relevante Änderung

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an Arbeitskraft oder know-how, so dass durchaus im Sinne der Logik davon gesprochen werden kann, dass der Bieter vor und nach einem Rechtsformwechsel noch „derselbe“ und damit identisch ist. c)  Der formelle und materielle Begriff der Bieteridentität nach vergaberechtlichen Maßstäben Die nationalen Vergabesenate haben sich inhaltlich bisher nicht näher zum Begriffsverständnis der Bieteridentität unter vergaberechtlichen Gesichtspunkten geäußert. Vergaberechtlich ließe sich, insbesondere vor dem Hintergrund der umfangreichen und fristengebundenen Angebotsprüfung durch den Auftraggeber vertreten, die Identität eines Bieters ausschließlich anhand formaler Kriterien zu beurteilen, ohne näher in die materiellen Fragestellungen und Folgen der konkreten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung einsteigen zu müssen und diese zu berücksichtigen („formeller Begriff der Bieteridentität“). Stattdessen könnte aber auch eine materielle Betrachtungsweise zur Bestimmung des Bieterbegriffs und etwaigen Änderungen geboten sein, welcher neben rein formalen Aspekten, insbesondere und vornehmlich die materiell-rechtlichen Wirkungen einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung in die Bewertung mit einbezieht („materieller Begriff der Bieteridentität“). Im Folgenden sollen daher die Begriffe eines formellen und materiellen Bieterbegriffs näher erörtert werden. aa)  Der formelle Begriff der Bieteridentität Aus einer ersten Lektüre der maßgeblichen Entscheidungen der Vergabeinstanzen, insbesondere der zu Beginn äußerst strikten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, ließe sich ein streng formales Begriffsverständnis der Bieteridentität ableiten.16 Jedwede Änderung in der Person des Bieters nach Angebotsabgabe und vor Zuschlagserteilung wäre demnach unzulässig und führe zu einem (zwingenden) Ausschluss des Angebots vom weiteren Vergabeverfahren.17 Steht am Ende der gesellschaftsrechtlichen Veränderung ein neuer Rechtsträger, stelle dies eine besonders tiefgreifende Angebotsänderung dar, da ein Kernelement des anzubahnenden Vertragsverhältnisses verändert wird.18 Ein Angebotsausschluss vom weiteren Vergabeverfahren sei demnach unausweichlich. 16  Vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2007, 254 (255; NZBau 2005, 354 (355); NZBau, 710 (711); vgl. VK Ansbach, Beschl. v. 18. 09. 2003 – 320. VK-3194 – 31/03; Krist, VergabeR 2003, 162 (163). 17  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11. 10. 2006 – VII-Verg 34/06 = NZBau 2007, 254. 18  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16. 11. 2005 – Verg 56/05.

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

Eine solch oberflächliche, an einer „Formal-Jurisprudenz“ orientierte Betrachtungsweise wird jedoch der Komplexität der eigentlich aufzuwerfenden Fragestellungen und der Konsequenzen dieser Entscheidung nicht gerecht und lässt insbesondere die tragenden Grundsätze und Prinzipien des Gesellschaftsrechts sowie unterschiedlich strengen Anforderungen im Rahmen der zur Verfügung stehenden Vergabeverfahren völlig außer Acht. Sie ist daher in aller Konsequenz nicht vertretbar und wird heute wohl auch von der Rechtsprechung der Vergabeinstanzen in dieser Schärfe nicht (mehr) praktiziert, sondern hat zahlreiche Einschränkungen erfahren. Aus dieser Entwicklung der Rechtsprechung ist ersichtlich, dass sehr wohl zwischen den einzelnen Umstrukturierungsarten und deren Wirkungen differenziert werden muss. So wird beispielsweise ein Formwechsel, welcher formal betrachtet zu einer Änderung der Person und ggf. seiner Haftungsverfassung führt, von den Vergabeinstanzen als vergaberechtlich unbedenklich eingestuft.19 Ebenso ist dies richtigerweise bei einer bloßen Umfirmierung der Fall.20 Eine rein formale Betrachtungsweise zur Beurteilung der Bieteridentität und etwaigen Änderungen ist daher abzulehnen und auch vor dem Hintergrund der bisher ergangenen Entscheidungen der Vergabeinstanzen nicht tragbar. bb)  Der materielle Begriff der Bieteridentität Wenn also eine rein an formalen Parametern orientierte Betrachtungsweise abzulehnen ist, muss im Gegenteil, entsprechend einer in der Literatur stark vertretenen Auffassung, für die Beurteilung der Frage eines Bieterwechsels ein materielles Begriffsverständnis der Bieteridentität zugrunde gelegt werden.21 Eine rein formelle Betrachtungsweise verbietet sich nach hier vertretener Ansicht auf Grund der Zielrichtungen des Vergaberechts und dessen europarechtlichem Hintergrund. Ausgehend von einem europarechtlich anerkannten materiellen Bieterbegriff, ist auch der Begriff der Bieteridentität materiell zu bestimmen und etwaige Rechtsfolgen und Konsequenzen davon abzuleiten.22 Maßgeblich für die Beurteilung der Zulässigkeit einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung während eines laufenden Vergabeverfahrens ist demnach vielmehr, dass die Ordnungsmäßigkeit des Vergabewettbewerbs nicht beeinträchtigt 19  Vgl. u. a. VK Münster, Beschl. v. 28. 08. 2007 – VK 14/07 und VK 15/07; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 12. 2007 – VII-Verg 34/07. 20  Vgl. u. a. VK Niedersachsen, Beschl. v. 11. 06. 2006 – VgK 07/2006. 21  Vgl. Burbulla NZBau 2010, 145 (147); Prieß/Sachs, NZBau 2007, 763 (764 f.); Rittwage, NZBau 2007, 232 ff. 22  Vgl. Burbulla NZBau 2010, 145 (147) mit Verweis auf EuGH NZBau 2005, 111 (114) („Stadt Halle“) und Art 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates v. 21. 12. 1989, abgeändert durch die Richtlinie 2007/66/EG vom 11. 12. 2007.

B.  Vergaberechtlich relevante Änderung

153

wird. Dabei muss im Rahmen der vergaberechtlichen Beurteilung, insbesondere im Hinblick auf Verschmelzungen, die gesellschaftsrechtliche „Bruchlosigkeit der Transformierung“ mit in Rechnung gestellt und hinreichend berücksichtigt werden.23 Gesellschaftsrechtlich anwendbare Grundsätze und Prinzipien sind daher im Rahmen der vergaberechtlichen Würdigung einer Änderung in der Person des Bieters hinreichend zu würdigen. Für ein materielles Verständnis des Begriffs der Bieteridentität spricht außerdem die Herangehensweise des EuGH in der Entscheidung „Pressetext“ sowie diejenige der nationalen Vergabeinstanzen bei der Beurteilung eines Rechtsformwechsels und einer Abspaltung. Der EuGH hat in der Pressetext-Entscheidung zunächst unter formalen Gesichtspunkten ausgeführt, dass Änderungen, welche die Person des Bieters betreffen grundsätzlich die Änderung eines wesentlichen Vertragsbestandteils bedeuten und damit eine Pflicht zur Neuausschreibung begründen.24 Er stellte jedoch weiter fest, dass die Beurteilung, ob eine entsprechende Änderung vorliegt, eine Frage des Einzelfalles ist. Auch wenn es sich – wie im vom EuGH entschiedenen Fall – um gesellschaftsrechtlich unterschiedliche Rechtssubjekte handelt, könne in Ausnahmefällen eine andere Beurteilung geboten sein. Im Folgenden differenzierte der EuGH dann zwischen bloßen internen Umstrukturierungen und solchen mit Außenwirkung und kommt zu dem Ergebnis, dass interne Neuorganisationen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls grds. keine Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung bedeuten.25 Weiter sieht der EuGH aber auch in einer Veräußerung aller Gesellschaftsanteile an einen Dritten – was gesellschaftsrechtlich als rein interner Vorgang zu qualifizieren wäre – eine Änderung des Vertragspartners und damit eine Änderung wesentlicher Vertragsbestimmungen, welche eine Neuausschreibungspflicht erforderlich mache.26 Insofern kommt nach Ansicht des EuGH auch ein rein interner Vorgang, welcher den Rechtsträger selbst unberührt lässt, als mögliche personelle Änderung in Betracht. Auf Basis einer materiellen Betrachtungsweise des erfolgten gesellschaftsrechtlichen Vorgangs scheint der EuGH daher im Hinblick auf die Beurteilung der Identität und vergaberechtlichen Relevanz der eingetretenen Änderungen auf die konkret beteiligten Personen abzustellen.27 Sind die an der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung beteiligten Personen identisch, also sowohl bei dem ursprünglichen als auch dem neuen Rechts- und 23 

Vgl. Prieß/Sachs, NZBau 2007, 763 (764 f.); Rittwage, NZBau 2007, 232 ff. EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/06 „Pressetext“ Rn. 41. 25  EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/06 „Pressetext“ Rn. 46. 26  EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – „Pressetext“ Rn. 47. 27 Siehe im Einzelnen zur Pressetext-Entscheidung 2. Teil, A. VII. 1. sowie auch 3. Teil, F. 24 

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

damit Angebotsträger bzw. Auftragnehmer vertreten, wäre der Umstrukturierungsvorgang nach Maßstäben des EuGH vergaberechtlich irrelevant und könnte ohne Konsequenzen vollzogen werden. Tritt hingegen ein bisher unbeteiligter Dritter im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung hinzu, wäre dieser Vorgang nicht mehr als rein intern zu qualifizieren und hätte daher grds. vergaberechtliche Relevanz im Hinblick auf die Bieteridentität. Auf nationaler Ebene hatten sich im Jahre 2007 erstinstanzlich die VK Münster und in der Beschwerdeinstanz das OLG Düsseldorf mit der Zulässigkeit eines Rechtsformwechsels und der Abspaltung eines Unternehmensteils nach Angebotsabgabe zu befassen.28 Beide Vergabeinstanzen würdigten die Besonderheiten des Rechtsformwechsels nach den §§ 190 ff. UmwG und kamen zu dem Ergebnis, dass dieser zu keinem unstatthaften Wechsel in der Identität des Bieters führt. So formulierte das OLG Düsseldorf in den Entscheidungsgründen wie folgt: „Der bloße Formwechsel der Beigeladenen (von einer GmbH zu einer GmbH & Co. KG) ist vergaberechtlich ohne Bedeutung. Er führt zu keinem aufgrund § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A unstatthaften Wechsel in der Identität des Bieters. Durch einen Formwechsel nach den §§ 190 ff. UmwG bleibt die rechtliche Identität des betreffenden Unternehmens unangetastet. Es kommt zu keiner Rechtsnachfolge und zu keiner Übertragung von Unternehmensgegenständen, sondern lediglich zu einer Änderung der Unternehmensverfassung (vgl. auch § 202 UmwG).“29

Auch bezüglich der Abspaltung wurde seitens der Nachprüfungskammern berücksichtigt, dass lediglich ein für die ausgeschriebene Leistung irrelevanter Unternehmensteil abgespalten wurde und daher die Eignung der Bieterin nicht beeinträchtigt war: „Die Abspaltung des Unternehmensteils der Beigeladenen (vgl. § 123 Abs. 1 Nr. 1, § 126 ff. UmwG) beeinträchtigt entgegen der Meinung der Antragstellerin zu 2 ebenso wenig deren Eignung, die in Rede stehenden Leistungen vertragsgemäß auszuführen. Vom Unternehmen der Beigeladenen ist lediglich das Restabfallgeschäft, nicht aber das Entsorgungsgeschäft bei Altpapier (PPK) abgespalten und einem Schwesterunternehmen übertragen worden. Die Antragsgegnerin hat sich dazu im Senatstermin dahin erklärt, dass die Spaltung nach Lage der Dinge keine durchgreifenden Bedenken an der Eignung der Beigeladenen begründe, da ihrem Unternehmen nach wie vor die Entsorgung von Altpapier (PPK) vorbehalten sei.“30

Die Vergabeinstanzen, insbesondere auch das OLG Düsseldorf, beschränken sich daher keineswegs auf eine rein formale Betrachtungsweise, sondern würdi28  VK Münster, Beschl. v. 28. 08. 2007 – VK 14/07 und VK 15/07; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 12. 2007 – VII-Verg 34/07. 29  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 12. 2007 – VII-Verg 34/07; Hervorheb. d. Verf. 30  VK Münster, Beschl. v. 28. 08. 2007 – VK 14/07 und VK 15/07; Hervorheb. d. Verf.

B.  Vergaberechtlich relevante Änderung

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gen die Frage der Bieteridentität anhand der materiellen Auswirkungen des konkreten Umwandlungsvorgangs. Im Ergebnis ist daher ein materielles Verständnis des Begriffs der Bieteridentität vorzugswürdig. Es ist durchaus möglich, dass trotz eines formalen Wechsels der Rechtspersönlichkeit, der Rechtsnachfolger materiell noch identisch mit dem ursprünglichen Bieter ist und daher die Bieteridentität gewahrt ist, wie die Entscheidungen der Vergabeinstanzen zum Formwechsel bestätigen. Ein streng formaler Standpunkt wäre zwar in sich schlüssig, leicht festzustellen sowie umzusetzen und damit grundsätzlich vertretbar, beschränkt sich jedoch zu stark auf eine „Formal-Jurisprudenz“, ohne den tatsächlichen Marktbedürfnissen und betroffenen Interessen der teilnehmenden Unternehmen, aber auch des öffentlichen Auftraggebers hinreichend Rechnung zu tragen. Das formale Begriffsverständnis der Bieteridentität ist daher zu Recht auf Kritik gestoßen.31 Vergaberechtlich ist der Begriff der Bieteridentität anhand materieller Kriterien zu bestimmen. 3.  Identitätswahrende und identitätsändernde Umstrukturierungen Legt man das dargelegte materielle Begriffsverständnis der „Bieteridentität“ zugrunde, stellt sich in einem nächsten Schritt die Frage, wann von einer Identitätsänderung des Bieters auszugehen ist. In diesem Zusammenhang ist einleitend der Aussage von Karsten Schmidt grundsätzlich zuzustimmen, wonach rechtstheoretische Grundsatzdebatten darüber, ob Rechtsformwechsel und Identität miteinander verträglich sind, ob also ein Rechtsträger „derselbe“ sein kann, obwohl er nicht mehr „der Gleiche“ ist, nach dem heutigen rechtstechnischen Stand – jedenfalls aus gesellschaftsrechtlicher Sichtweise – unfruchtbar sein mögen.32 Gleichwohl ist es aus vergaberechtlicher Sicht für die Problemstellungen der vorliegenden Arbeit erforderlich zu hinterfragen, ob eine strukturelle gesellschaftsrechtliche Änderung in der Person des Bieters – trotz bspw. (gesetzlich festgeschriebener) Identität des Rechtsträgers oder angeordneter Gesamtrechtsnachfolge – nicht zu einem anderen Ergebnis im Rahmen der vergaberechtlich gebotenen Würdigung führen kann, als dies bei einer rein gesellschaftsrechtlich geprägten Sichtweise der Fall wäre. Als erster Anknüpfungspunkt zur Ermittlung der maßgeblichen Beurteilungsmaßstäbe für die Einordung einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung als „identitätswahrend“ oder „identitätsändernd“ kann die bereits mehrfach zitierte Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 12. 12. 2007 herangezogen werden.33 Im 31  Vgl. Burbulla, NZBau 2010, 145 ff.; Prieß/Sachs, NZBau 2007, 763 (764 f.); Rittwage, NZBau 2007, 232 ff. 32  K. Schmidt, GesR, § 12 IV, 2 (S. 354). 33  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 12. 2007 – VII-Verg 34/07.

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

Rahmen der Beurteilung eines Rechtsformwechsels führte das OLG Düsseldorf in den Entscheidungsgründen aus: „Durch einen Formwechsel nach den §§ 190 ff. UmwG bleibt die rechtliche Identität des betreffenden Unternehmens unangetastet. Es kommt zu keiner Rechtsnachfolge und zu keiner Übertragung von Unternehmensgegenständen, sondern lediglich zu einer Änderung der Unternehmensverfassung (vgl. auch § 202 UmwG).“

Prägend für die Identität eines Bieters ist daher – jedenfalls nach diesem Auszug aus den Entscheidungsgründen –, dass es zu keiner Rechtsnachfolge oder einer sonstigen Übertragung von Unternehmensgegenständen kommt. Diese sowie weitere identitätsprägende Merkmale einer Gesellschaft sowie deren Einordung im Rahmen der vergaberechtlichen Würdigung einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung sollen im Folgenden dargestellt werden. a)  Auswirkung auf die Person des Bieters oder seine Eignung? Betrachtet man die Entscheidungen der Vergabeinstanzen und die maßgeblichen Unterschiede der einzelnen Umstrukturierungsarten, erscheint es bei der Beurteilung einer Identitätsänderung angebracht, zunächst danach zu differenzieren, ob in Folge der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung ein neues Rechtssubjekt und damit ein „neuer Bieter“ entsteht und/oder, ob wegen der erfolgten Änderung „lediglich“ Zweifel an der Eignung des Bieters bestehen.34 Im ersten Fall wäre nach bisherigem Stand der Rechtsprechung ein zwingender Ausschluss des Angebots vom Vergabeverfahren erforderlich, während im zweiten Fall ein erneuter Einstieg in die Eignungsprüfung verhältnismäßiger und daher vorzugswürdig wäre. b)  Rein interner Vorgang oder Vorgang mit Außenwirkung? Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH in der Sache „Pressetext“ ist festzuhalten, dass rein interne Umstrukturierungsvorgänge keine Auswirkungen auf die Bieteridentität haben können, da im Außenverhältnis keine Änderung der Rechtsperson erfolgt.35 Im Umkehrschluss ist daher überhaupt nur dann eine Änderung der Bieteridentität möglich, wenn tatsächlich eine Änderung der Person des Bieters mit direkter Wirkung für das Außenverhältnis eintritt. Alle sonstigen Änderungen sind demnach allenfalls im Rahmen der Eignungsprüfung zu beachten. So lassen bspw. der bloße Wechsel im Bestand der Gesellschafter oder eine Umfirmierung die Rechtsperson der Gesellschaft und damit die Identität des Bieters völlig unberührt und stellen demnach begrifflich keine 34  Vgl. Glahs, in: Kapellmann/Messerschmidt, § 6 VOB/A Rn. 38; Lux in NZBau 2012, 680 (683). 35  EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/06 („Pressetext“).

B.  Vergaberechtlich relevante Änderung

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Änderung in der Person des Bieters dar, welche einen Ausschluss vom Vergabeverfahren rechtfertigt. Diese Sichtweise wurde auch durch die Vergabeinstanzen bestätigt.36 Daran anknüpfend ist auch der Auffassung des EuGH, wonach die Übertragung aller Gesellschaftsanteile an einen Dritten (also ein gesellschaftsrechtlich rein interner Vorgang) eine Änderung in der Person des Auftragnehmers bedeute und damit eine Neuausschreibungspflicht begründe, nicht zu folgen. Nach Ansicht des EuGH handele es sich nicht mehr um eine interne Neuorganisation des ursprünglichen Vertragspartners, sondern um eine tatsächliche Änderung des Vertragspartners (und damit eine Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung), wenn die Gesellschaftsanteile des Auftragnehmers während der Laufzeit des in Rede stehenden Auftrags an einen Dritten veräußert werden.37 Obwohl bereits unklar ist, ob diese Äußerung des EuGH auf die Situation einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung während eines laufenden Vergabeverfahrens übertragen werden kann38, so ist nach hier vertretener Ansicht diese Auffassung aus nachfolgend dargelegten Gründen für einen Bieter bzw. Auftragnehmer unzumutbar und daher nicht praktikabel. Zunächst handelt es sich bei der Anteilsübertragung gesellschaftsrechtlich um einen rein internen Vorgang, der im Außenverhältnis die Rechtsform und damit den künftigen Vertragspartner völlig unberührt lässt. Darüber hinaus bleibt aber weiter offen, wann der EuGH diesen Sachverhalt sowie die zugehörige Rechtsfolge überhaupt eintreten lassen möchte. Gerade bei längerfristigen Aufträgen wäre es einem Auftragnehmer unmöglich einen Wechsel im Gesellschafterbestand herbeizuführen, ohne damit gleichzeitig einen Verlust des gegebenenfalls sogar bereits begonnenen Auftrags befürchten zu müssen. Dies ist von Bietern bzw. Auftragnehmern schlicht nicht zu erwarten und insbesondere bei Aktiengesellschaften, bei welchen die Handelbarkeit der Gesellschaftsanteile eine wesentliche Voraussetzung ist, nicht praktikabel. Insofern ist trotz der getätigten Aussage des EuGH die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen nach hier vertretener Auffassung nicht als Änderung in der Person des Bieters zu qualifizieren. Ob in einem solchen gesellschaftsrechtlichen Vorgang eine sonstige vergaberechtliche Relevanz zu sehen ist, welche dann im Rahmen der Eignungsprüfung aufzugreifen wäre, wird im Laufe dieser Arbeit näher erörtert.39

36  VK Münster, Beschl. v. 28. 08. 2007 – VK 14/07 und VK 15/07; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 12. 2007 – VII-Verg 34/07. 37  Vgl. EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/06 („Pressetext“) Rn. 47. 38  Siehe hierzu unten 3. Teil, F. 39  Siehe hierzu 3. Teil, E.

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

c)  Identitätswahrung trotz Außenwirkung? Es gibt allerdings auch Umstrukturierungsvorgänge, die zu einer Änderung der Rechtspersönlichkeit führen, also Außenwirkung haben, gleichwohl aber ohne Auswirkungen auf die Identität des Rechtsträgers sind. So ist beispielsweise der Rechtsformwechsel nach §§ 190 ff. UmwG von nationalen Vergabeinstanzen richtigerweise als identitätswahrend eingestuft worden.40 Ebenso verhält es sich bei dem in Abhängigkeit des Umfangs der ausgeübten Geschäftstätigkeit erfolgenden automatischen Übergang von einer GbR zu einer OHG (und umgekehrt) sowie bei dem im Rahmen des Gründungsprozesses einer GmbH stattfindenden Übergang von Vorgesellschaft auf GmbH.41 Charakteristisch für diese Art gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen ist, dass zwar eine Änderung der Rechtsperson im Außenverhältnis eintritt, an dieser Änderung aber nur ein Rechtsträger, nämlich der Ursprüngliche beteiligt ist. Es kommt insbesondere nicht zu einer Übertragung oder gar Vermischung von Vermögensmassen und der Zusammenführung mehrerer Rechtsträger, wie dies bei der Verschmelzung der Fall ist. In diesem Sinne hat auch der Bundesfinanzhof in Bezug auf den Formwechsel festgehalten, dass für die formwechselnde Umwandlung gemäß § 202 Abs. 1 UmwG kennzeichnend ist, dass an ihr nur ein Rechtsträger beteiligt ist, und es weder zu einer Gesamtrechtsnachfolge eines Rechtsträgers in das Vermögen eines anderen kommt, noch dass es der Übertragung einzelner Vermögensgegenstände bedarf.42 d)  Vermögensübertragung als maßgebliches Abgrenzungskriterium? Die formwechselnde Umwandlung wird durch das Prinzip der Identität des Rechtsträgers, der Kontinuität seines Vermögens (wirtschaftliche Identität) und der Diskontinuität seiner Verfassung bestimmt.43 Der wesentliche Unterschied des Formenwechsels gegenüber den anderen Arten der Umwandlung liegt in dieser wirtschaftlichen Kontinuität des Rechtsträgers vor und nach dem Formwechsel.44 Es kommt zu keiner Übertragung des Vermögens, so dass sichergestellt ist, dass die für die Auftragsdurchführung notwendigen personellen und sachlichen Mittel weiter vorhanden sind. Die Annahme der Identität des Rechtsträgers vor und nach dem Rechtsformwechsel steht für vollkommene Zurechnungskon-

40  VK Münster, Beschl. v. 28. 08. 2007 – VK 14/07 und VK 15/07; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 12. 2007 – VII-Verg 34/07. 41  Siehe oben unter 2. Teil, C. II. 3. 42  BFH, Urt. v. 30. 09. 2003, III R 6/02. 43  BFH, Beschl. v. 04. 12. 1996, II B 116/96. 44  VK Münster, Beschl. v. 28. 08. 2007 – VK 14/07 und VK 15/07; Rittwage, VergabeR 2006, 327 (335).

B.  Vergaberechtlich relevante Änderung

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tinuität trotz Diskontinuität seiner Organisations- und Verbandsverfassung. So schreibt Georg Schmidt zutreffend, dass „die gesellschaftsrechtlichen Rechtsträger Rechtsgebilde sind, und wenn das Recht ihre identitätswahrende Umwandlung anerkennt, ist dies keine sachfremde Fiktion, sondern die adäquate Abbildung von Kontinuitätsproblemen und ihrer gesetzlichen Lösung.“45

Wenn man also ein Unternehmen als eine Zusammenfassung von Sachvermögen, Kapital, menschlicher Arbeitskraft und know-how zur Erzielung wirtschaftlicher Werte sowie deren Zuordnung zu einem bestimmten Rechtsträger begreift46, so ist die Identität eines Unternehmens immer dann berührt, wenn diese Vermögensmasse oder Teile davon auf einen anderen Rechtsträger übertragen werden und die Kontinuität der personellen und sachlichen Ausstattung nicht mehr gewährleistet ist. Anders ausgedrückt, liegt eine Identitätsänderung grundsätzlich immer dann vor, wenn es in Folge der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung zu einer Vermögensübertragung von dem alten Rechtsträger auf den neuen, übernehmenden Rechtsträger kommt. Ob diese Identitätsänderung eines Bieters gleichwohl zwingend seinen Ausschluss vom weiteren Vergabeverfahren zur Folge haben muss, wird nachfolgend erörtert. 4.  Gesamtrechtsnachfolge und Anwachsung als Lösung des Kontinuitätsproblems? Der Rechtsformwechsel wird von den Vergabeinstanzen richtigerweise als identitätswahrende und damit als eine während eines Vergabeverfahrens zulässige Umwandlungsvariante anerkannt47, während z. B. die Verschmelzung, bei der es zu einer Vermögensübertragung kommt, bisher als unzulässig eingestuft wird.48 Den Entscheidungen zu letzterem Fall wird u. a. vorgeworfen, dass sie den bei der Verschmelzung anzuwendenden Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge im Rahmen ihrer Beurteilung außer Acht lassen bzw. nicht hinreichend würdigen.49

45 

G. Schmidt AcP 191 (1991), 505; K. Schmidt, GesR § 12 S. 354. Siehe oben 2. Teil, B. I. 47  Vgl. VK Münster, Beschl. v. 28. 08. 2007 – VK 14/07 und VK 15/07; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 12. 2007 – VII-Verg 34/07. 48  Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – VII-Verg 30/06 = VergabeR 2007, 92; Lux, NZBau 2012, 680 (683). 49  Vgl. Burbulla, NZBau 2010, 145 ff.; Prieß/Sachs, NZBau 2007, 763 (764 f.); Rittwage, NZBau 2007, 232 ff. 46 

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

Zugegeben ist bei solchen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen, welche eine Vermögensübertragung zur Folge haben, zunächst davon auszugehen, dass die Identität der übertragenden Gesellschaft und damit des bisherigen Bieters geändert wurde.50 Andererseits ist aber vor dem Hintergrund bzw. aufgrund der erfolgenden Vermögensübertragung und der daraus resultierenden wirtschaftlichen Kontinuität fraglich, ob nicht der Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge bzw. (außerhalb des UmwG) der Grundsatz der Anwachsung eine Lösung des von Karsten Schmidt angesprochenen Kontinuitätsproblem darstellt und damit vergaberechtlich diese gesellschafts- bzw. umwandlungsrechtlichen Grundprinzipien hinreichend Gewähr für eine fortwährende, identitätswahrende Existenz eines Bieters geben kann. Zunächst bezweckt die Gesamtrechtsnachfolge sowie die Anwachsung eine ununterbrochene Fortsetzung der alten Gesellschaft durch den neuen Rechtsträger. Das von dem ursprünglichen Rechtsträger eingereichte Angebot wird ohne zeitliche Zäsur und insbesondere ohne inhaltliche Änderung von dem neuen Rechtsträger übernommen. Dieser tritt vollumfänglich in die Rechte- und Pflichtenstellung des übertragenden Unternehmens ein. Des Weiteren gehen sämtliche Vermögensgegenstände ohne Ausnahme auf den neuen Rechtsträger über. Insbesondere das Betriebsvermögen bzw. erforderliche Betriebsmittel, know-how sowie Immaterialgüterrechte oder öffentlich-rechtliche Befugnisse werden vom übernehmenden Rechtsträger fortgesetzt und sind daher auch beim neuen Angebotsträger vorhanden.51 Insofern ist auch durch die Gesamtrechtsnachfolge sowie die Anwachsung die beim Formwechsel bezweckte fortwährende vermögensrechtliche Existenz des (alten) Rechtsträgers ohne Einschränkung gesichert. Zusätzlich sehen das Umwandlungsrecht sowie das allgemeine Gesellschaftsrecht weitergehende Haftungsregelungen zum Schutz der Gläubiger vor. Etwaige Änderungen der Haftungsverfassung und damit verbundene Haftungsrisiken für Gläubiger werden daher aufgefangen. Zwischen der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft ist daher durch den Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge eine wirtschaftliche Identität hinreichend gesichert, auch wenn formal betrachtet rechtlich ein anderer Rechtsträger vorhanden ist. Hinreichende Transparenz durch Offenlegung aller maßgeblichen Informationen muss natürlich gewährleistet sein. Von einem Wechsel in der Person des Bieters kann daher im Falle der Anwendung der Grundsätze der Gesamtrechtsnachfolge oder der Anwachsung nicht die Rede sein. Vielmehr ist auch bei diesen Umwandlungsvarianten weiterhin von einer vorhandenen Bie50  51 

Siehe hierzu oben 3. Teil, B. I. Vgl. oben 2. Teil., C. III.

B.  Vergaberechtlich relevante Änderung

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teridentität auszugehen. Ein Ausschluss des Bieters bzw. seines Angebots kann demnach nicht pauschal auf eine erfolgte gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung und dadurch bedingte Änderung der Rechtspersönlichkeit gestützt werden, sofern im Rahmen der Änderung der Grundsatz der Identität, der Grundsatz der totalen Gesamtrechtsnachfolge bzw. der partiellen Gesamtrechtsnachfolge sofern hier keine auftragsrelevanten Vermögensgegenstände entfallen sowie der Grundsatz der Anwachsung Anwendung finden und einen Übergang der relevanten Vermögensgegenstände sicherstellen.

II.  Änderungen hinsichtlich der Gewähr für eine erfolgreiche Auftragsdurchführung Vorstehend wurde dargelegt, wann und unter welchen Umständen von einer vergaberechtlich relevanten Identitätsänderung einer Bietergesellschaft ausgegangen werden kann, welche ggf. einen Ausschluss des Angebots vom weiteren Vergabeverfahren rechtfertigen könnte. Daneben hat jede gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung aber zusätzlich Auswirkungen auf die im Rahmen des Vergabeverfahrens getätigten eignungsrelevanten Angaben des Bieters. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um eine interne Umstrukturierung, um eine solche mit einer Änderung der Rechtspersönlichkeit des Bieters oder eine sonstige Außenwirkung sowie um eine Umstrukturierung mit oder ohne Vermögensübertragung handelt. So sind rein formale Angaben zum übernehmenden bzw. neuen Rechtsträger wie Name, Sitz und sonstige Firmenangaben, Angaben über die Vertretung, Angaben zu etwaigen strafrechtlichen Verurteilungen ebenso eignungsrelevant wie Angaben zur Inanspruchnahme der Kapazitäten anderer Unternehmen, die Befähigung zur Berufsausübung, die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie die technische und berufliche Leistungsfähigkeit. Im Fall von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen jedweder Art muss gelten, dass sämtliche, vom öffentlichen Auftraggeber in der Bekanntmachung geforderten eignungsrelevanten Angaben auch von dem neuen Rechtsträger zu erfüllen sind, der den ursprünglichen Bieter in Folge der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung ablöst. Insoweit steht der öffentliche Auftraggeber im Falle von gesellschaftsrechtlichen Änderungen auf Bieterseite vor der Aufgabe, die Anforderungen erneut in Bezug auf das „neuen“ Unternehmen zu prüfen. In diesem Zusammenhang ist entscheidend, inwiefern bereits eingereichte Informationen, Erklärungen und sonstige Nachweise auch auf den „neuen“ Bieter zu beziehen sind bzw. diesem zugerechnet werden können. Diesbezüglich hat auch das OLG Düsseldorf bereits entschieden, dass die Eignung im Falle einer erfolgten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung im Rahmen der Angebotswertung unter ganz anderen Vorzeichen geprüft und ermittelt werden muss, als

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

aus dem ursprünglich eingereichten Angebot zu erkennen ist, nämlich im Hinblick auf das als Bieter neu eintretende Unternehmen.52 Ob und inwieweit eingereichte Eignungsnachweise im Rahmen einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung weiterhin Gültigkeit behalten und auf den neuen Rechtsträger übergehen oder aber von dem neuen Rechtsträger erneut eingereicht werden müssen, wird in 3. Teil, E. I. näher dargelegt. Fest steht jedenfalls, dass ein Ausschluss vom weiteren Vergabeverfahren durch den Bieter nur dann vermieden werden kann, wenn lückenlos die Eignung im Hinblick auf seine Person positiv beschieden werden kann.

III.  Zusammenfassung und Zwischenergebnis Im Ergebnis ist daher im Hinblick auf die Frage der vergaberechtlichen Auswirkungen von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen vor dem Hintergrund des Begriffs der Bieteridentität Folgendes festzuhalten: – Indiz für eine „Änderung in der Person des Bieters“ kann in der vergaberechtlichen Terminologie die Tatsache sein, dass in Folge der Umstrukturierung ein neuer Rechtsträger entsteht und dieser in das ursprünglich eingereichte Angebot verbindlich eintritt. – Vergaberechtlich relevant ist diese Änderung in der Person des Bieters jedoch im Hinblick auf einen Ausschluss allein wegen dieses Umstandes nur dann, wenn es im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung zu einer Vermögensübertragung kommt. Kommt es aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung nicht zu einer Übertragung des Vermögens, kann schon von vornherein die Identität der Gesellschaft nicht betroffen sein, mit der Folge, dass ein Ausschluss nicht allein darauf gestützt werden kann. Eine bloße Umfirmierung, der bloße Formwechsel sowie rein interne gesellschaftsrechtliche Vorgänge, wie ein Gesellschafterwechsel oder die Abberufung bzw. Bestellung eines Geschäftsführers sind demnach unbeachtlich und können nicht zu einem Ausschluss des Angebots wegen eines Wechsels der Bieter­ identität führen. Gleichwohl sind diese selbstverständlich der Vergabestelle mitzuteilen und im Rahmen der (ggf. erneut durchzuführenden) Eignungsprüfung zu berücksichtigen. – Des Weiteren kann aber auch bei einer vollzogenen Vermögensübertragung in Folge der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung die Identität der Bietergesellschaft gewahrt bleiben, sofern das Gesetz diesen eintretenden Zustand der Diskontinuität durch eine Identitätsregelung bzw. vergleichbare Regelungen heilt. In Bezug auf die in Rede stehenden gesellschaftsrechtlichen Um52 

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – Verg 30/06.

C.  Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Vergaberechts

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strukturierungen kommen als solche gesetzlich festgelegten bzw. in Rechtsprechung und Lehre anerkannten „Identitätsregeln“ die Rechtsinstitute der Gesamtrechtsnachfolge und der Anwachsung sowie die in den jeweiligen Gesetzen angeordneten Gläubigerschutzregelungen in Betracht.

C.  Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Vergaberechts Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen mit den tragenden Prinzipien des Vergaberechts in Einklang gebracht werden können. Das OLG Düsseldorf hatte in seiner Entscheidung aus dem Jahre 200553 bei einer Verschmelzung pauschal auf einen Verstoß gegen die „tragenden Prinzipien des Vergaberechts“ hingewiesen, ohne näher auszuführen, worin dieser Verstoß eigentlich liegt. Vielmehr stellte das Gericht losgelöst vom streitgegenständlichen Fall eine generelle Manipulations- und Missbrauchsgefahr im Falle von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen in den Raum. Das OLG Düsseldorf wörtlich: „Die allein der Sphäre der Antragstellerin zuzurechnende ,Unternehmensumstrukturierung‘ konnte es nicht rechtfertigen, ihr unter Verstoß gegen tragende Prinzipien des Vergaberechts eine Sonderbehandlung zuteilwerden zu lassen. Bei einer anderen Sicht der Dinge wären kaum zu verhindernde Missbräuche eröffnet. Konzernunternehmen oder befreundete Gesellschafter-/Unternehmen könnten sich spekulativ an mehreren Ausschreibungen beteiligen und je nach Lukrativität des Auftrags oder sonstiger Motivlagen ihre Bieterposition notfalls im Wege ,kurzfristiger Umstrukturierungen‘ bestimmten anderen Unternehmen zuspielen.“

Dieser generalisierenden Auffassung kann so nach hier vertretender Ansicht nicht gefolgt werden. Die Grundsätze des Vergaberechts stehen einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung per se nicht entgegen.

I.  Vereinbarkeit mit dem Wettbewerbsgrundsatz Der Wettbewerbsgrundsatz bezweckt u. a. den Schutz des Beschaffungsvorgangs gegen Beschränkungen des Wettbewerbs. Ziel dieses Grundsatzes ist die Sicherstellung eines fairen, lauteren und freien Wettbewerbs bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Der Wettbewerbsgrundsatz soll dabei möglichst vielen Unternehmen die Teilnahme an einem Vergabeverfahren ermöglichen.54 Gleichzeitig soll er die teilnehmenden Unternehmen untereinander vor unlauteren Me53  54 

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16. 11. 2005 – Verg 56/05, Hervorheb. d. Verf. Bärwaldt/Hasselbrink, ZIP 2013, 1889 (1890); Leinemann, Rn. 10.

164

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

thoden und dadurch erlangten Wettbewerbsvorteilen der anderen Unternehmen schützen. Er bindet dabei sowohl Bieter auf der einen als auch die öffentlichen Auftraggeber auf der anderen Seite.55 Eine wettbewerbsrechtliche Relevanz bzw. ein gewisser Einfluss einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung eines Bieters während eines laufenden Vergabeverfahrens kann nicht geleugnet werden. Fraglich ist jedoch, ob eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung zu einer Beschränkung des Wettbewerbs im Rahmen eines Vergabeverfahrens führt und dies einen nicht hinnehmbaren Nachteil für andere Bieter darstellt. Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass durch eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung eines Bieters per se kein anderes Unternehmen an der Teilnahme an einem Vergabeverfahren gehindert wird.56 Eine Beschränkung des Wettbewerbs im Sinne einer Verhinderung der Teilnahmemöglichkeit für andere Unternehmen kann durch eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung folglich nicht eintreten. Dass vermeintlich andere Unternehmen von vornherein aufgrund einer anstehenden gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung von einer Teilnahme an dem Vergabeverfahren abgesehen haben, kann ebenfalls nicht als Argument für eine Beeinträchtigung des Wettbewerbsgrundsatzes herangezogen werden, da die Motive einer unterbliebenen Teilnahme als Unternehmerentscheidung nicht offenbar werden und ein derartiger Zusammenhang insoweit reine Spekulation ist.57 Weiter sind gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen ein übliches und vor allem gesetzlich legitimiertes Vorgehen in der Unternehmenspraxis und folglich Teil des Wettbewerbs selbst. Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen eines Bieters tragen vor diesem Hintergrund demnach eher zu einem „Mehr“ an Wettbewerb bei. In diesem Sinne stellt umgekehrt die von der Rechtsprechung teilweise praktizierte Untersagung von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen während der Zuschlagsphase ein faktisches Verbot und damit einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Vereinigungs- und Umwandlungsfreiheit dar. Erst hierdurch wird der Wettbewerb eingeschränkt und damit der Wettbewerbsgrundsatz verletzt und nicht durch die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung eines Bieterunternehmens. Lediglich im Falle einer nachweislich missbräuchlichen Anwendung/Verwendung des Umwandlungsrechts kann von einer Verletzung des Wettbewerbs-

55 

Egger, Rn. 834 m. w. N. So zutreffend Bärwaldt/Hasselbrink, ZIP 2013, 1889 (1890). 57  Vgl. dem entgegenstehend aber OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25. 05. 2005 – VII Verg 8/05. 56 

C.  Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Vergaberechts

165

grundsatzes ausgegangen werden.58 Eine solche missbräuchliche Anwendung des Umwandlungsrechts und seiner Rechtsfolgen wäre beispielsweise anzunehmen, wenn über die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung ein zu einer Besserstellung des Bieterunternehmens in dem Sinne führt, dass es dadurch überhaupt erst die Voraussetzungen für eine Zuschlagserteilung erfüllt. So kann es nicht zulässig sein, dass sich ein von vornherein nicht geeignetes Unternehmen (z. B. weil es auf der sog. „schwarzen Liste59“ des Bundeskartellamts geführt wird) die für die Auftragsdurchführung erforderliche Eignung durch eine Verschmelzung während des Vergabeverfahrens verschafft und dadurch ein sonst sicher bestehender Ausschlussgrund beseitigt wird. Weiter kann eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung eines bereits grundsätzlich geeigneten Unternehmens auch nicht zu einer Besserstellung im Rahmen der Wertung führen, da die Angebote inhaltlich nicht verändert werden dürfen.60 Das ursprünglich eingereichte Angebot besteht unverändert mit einem neuen Angebotsträger fort. Etwaige hinzukommende Umstände dürfen in diesem Fall nicht zugunsten des Bieterunternehmens im Rahmen der Eignungs- oder Zuschlagskriterien berücksichtigt werden. Insgesamt kann daher eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung während der Wertungsphase nicht mit einem pauschalen Verweis auf den Wettbewerbsgrundsatz untersagt werden, sofern dieser Wettbewerbsverstoß nicht auch tatsächlich nachweislich eingetreten ist, indem sich beispielsweise ein Bieter durch die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung eine bessere Position im Rahmen des Vergabeverfahrens generell, insbesondere aber im Rahmen der Wertung des Angebots verschafft, als dies vor der Umstrukturierung der Fall war.

II.  Vereinbarkeit mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz Weiter wird nach hier vertretener Auffassung auch der Gleichbehandlungsgrundsatz bei gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen nicht von vornherein verletzt. Gemäß § 97 Abs. 2 GWB sind die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren gleich zu behandeln, es sei denn, eine Benachteiligung ist auf Grund des Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet. Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz 58  So Bärwaldt/Hasselbrink, ZIP 2013, 1889 (1890), welche dies unter dem Gleichbehandlungsgrundsatz diskutieren. 59  Vgl. „Register zum Schutz des Wettbewerbs um öffentliche Aufträge und Konzessionen“, BT-Drucks. 18/12051 vom 24. 04. 2017. 60  Siehe hierzu die Ausführungen zum Nachverhandlungsverbot 2. Teil, A. VI. sowie 3. Teil, D.

166

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

lässt sich eine generelle Verpflichtung des Auftraggebers zur Unparteilichkeit und Neutralität gegenüber allen Unternehmen ableiten.61 Das Gleichbehandlungsgebot betrifft dabei sowohl verfahrensrechtliche Aspekte als auch die Festlegung und Anwendung materieller Kriterien wie Eignungs- und Zuschlagskriterien. Insbesondere ist dem Auftraggeber jede Bevorzugung von Unternehmen untersagt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz soll dabei vor allem gleiche Zuschlags­ chancen gewähren. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet außerdem, dass die Bieter schon zu dem Zeitpunkt, zudem sie ihre Angebote vorbereiten, gleich zu behandeln sind.62 Nach Auffassung der Rechtsprechung kann die Wertung von Angeboten, welche durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen einen neuen Rechtsträger erhalten haben zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der anderen Bieter führen.63 Das OLG Düsseldorf sieht in einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung eine generelle „Gefahr für den noch unentschiedenen Bieterwettbewerb“ und rechtfertigt damit pauschal den Ausschluss des jeweiligen Angebots vom weiteren Vergabeverfahren. Worin genau aber diese „Gefahr“ bestehen soll, wird nicht weiter ausgeführt. Überdies erkennt das OLG Düsseldorf in der gleichen Entscheidung hinsichtlich der prozessrechtlichen Frage der Beteiligungsfähigkeit gemäß § 119 GWB selbst an, dass die in diesem Fall Beigeladene aufgrund der eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge die Beigeladenenposition der ursprünglich am Vergabeverfahren teilnehmenden Rechtsvorgängerin erlangte. Während also prozessrechtlich die Bieterin nach erfolgter gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierung prozessführungsbefugt ist, wird ihr dann materiell-rechtlich vorgeworfen, nicht mehr die gleiche Person zu sein, wie dies zu Beginn des Vergabeverfahrens der Fall war. Weshalb materiell-rechtlich etwas anderes gelten soll, als dies im Hinblick auf die Prozessführungsbefugnis der Fall ist, wird nicht weiter ausgeführt. Weiter lässt sich – wie das OLG Düsseldorf weiter ausführt – argumentieren, dass jeder Teilnehmer eines Vergabeverfahrens die Angebotsfrist strikt zu beachten und vor allem im Hinblick auf anderweitig mögliche Dispositionen seine Entscheidungen zu treffen hat. Es sei insoweit durchaus möglich, dass andere Bieter von gesellschaftsrechtlichen Veränderungen, oder aber sogar für den Fall der Anbahnung gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen, von einer Angebotsabgabe und damit von einer Teilnahme an dem Vergabeverfahren abgesehen haben. Die Wertung des Angebots eines Bieters, nachdem dieser während des Vergabeverfahrens eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung durchlaufen hat, würde im Ergebnis daher die Angebotsfrist zugunsten des umwandelnden 61 

Egger, Rn. 837 m. w. N. Vgl. EuGH, Urt. v. 04. 12. 2003 – C-448/01 „Wienstrom“. 63  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25. 05. 2005 – VII Verg 8/05. 62 

C.  Vereinbarkeit mit den Grundsätzen des Vergaberechts

167

Unternehmens nach hinten verschieben und so zu einer Benachteiligung anderer Unternehmen führen, die sich von vornherein an die Fristvorgaben gehalten haben. Auch diese Argumentation basiert letztlich ausschließlich auf reinen Spekulationen im Hinblick auf nicht bestätigte unternehmerische Motivationen und Entscheidungen und kann daher im Ergebnis nicht durchgreifen. Zunächst handelt es sich um eine unternehmenseigene Entscheidung, ob man an einem Vergabeverfahren teilnimmt, obwohl man sich gerade in einem Umstrukturierungsprozess befindet. Das Risiko eines möglichen Ausschlusses aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung muss jeder Bieter für sich selbst bewerten und entsprechend handeln. Darüber hinaus wird auch die vom Auftraggeber festgelegte Angebotsfrist nicht verschoben. Das fristgerecht eingereichte Angebot des ursprünglichen Bieters wird vielmehr inhaltlich unverändert durch einen neuen Angebotsträger fortgeführt. Eine Verlängerung von Fristen im Rahmen eines laufenden Vergabeverfahrens kann nur in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen erfolgen. Ob auch eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung eines Bieters tatbestandlich eine Fristverlängerung rechtfertigt, wird nachfolgend näher ausgeführt.64 Zum Gleichbehandlungsgebot gehört weiter (und nur so liegt auch ein fairer Wettbewerb vor), dass die Angebote mit Abgabe unveränderlich vorliegen und miteinander vergleichbar sind. Maßstab für die Beurteilung einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist demnach das Angebot selbst, insbesondere dessen wirtschaftliche Komponenten sowie die Eignung des Bieters, nicht aber der Bieter als Träger des Angebots. Als besondere Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes gilt das sog. Nachverhandlungsverbot. Insoweit wird auf die dort gemachten Ausführungen unter 3. Teil, D. (S. 170) verwiesen.

III.  Vereinbarkeit mit dem Transparenzgrundsatz Letztlich kann nach hier vertretener Auffassung in einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung grundsätzlich auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Transparenz gesehen werden. Vorab sei angemerkt, dass auch hier der pauschale Hinweis der Rechtsprechung, eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung führe zu einem „Zustand der völligen Intransparenz“65 nicht ausreichend sein kann, um einen Ausschluss vom Vergabeverfahren zu begründen, ohne die konkreten Auswirkungen der

64  65 

zung.

Siehe hierzu 3. Teil, E. IV. Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – VII-Verg 30/06 zu einer Verschmel-

168

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

Verschmelzung oder einer sonstigen gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung auf das Vergabeverfahren zu beurteilen. Der Transparenzgrundsatz dient vornehmlich der Sicherstellung der Grundsätze des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung.66 Durch verschiedene Publizitäts- und Dokumentationspflichten (z. B. Vorinformation und Vorabinformation, Offenlegung der Auswahlkriterien, Bekanntmachungen, etc.) soll einerseits der Wettbewerb gestärkt werden, da auf diese Weise alle Bieter das gleiche „Wissen“ hinsichtlich des zu vergebenden Auftrags haben.67 Eine lückenlose, chronologische Dokumentation des Vergabeverfahrens sowie innerhalb des Vergabeverfahrens getroffener Entscheidungen kommt darüber hinaus deren Nachvollziehbarkeit zugute und trägt zur besseren Nachprüfbarkeit des Vergabeverfahrens bei.68 Es gilt das generelle Gebot zur Information der Unternehmer.69 Bieter müssen auf Grundlage der dokumentierten Ergebnisse des Vergabeverfahrens in der Lage sein, die Erfolgsaussichten eines möglichen Nachprüfungsverfahrens beurteilen zu können. Eine Beeinträchtigung des Transparenzgrundsatzes durch eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung könnte darin gesehen werden, dass die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung ohne Wissen der Bieter vollzogen und diese daher nicht entsprechend reagieren können. Nach den vergaberechtlichen Bestimmungen erfahren die teilnehmenden Bieter jedoch ohnehin erst im Rahmen der Information über die Nichtberücksichtigung bzw. Ablehnung ihres Angebots sowie den Namen des erfolgreichen Bieters.70 Bis dahin sind die Inhalte der Angebote sowie deren Träger vertraulich zu behandeln.71 Insofern ist den teilnehmenden Bieterunternehmen nach bisherigen Transparenzvorschriften der Name und die Firmierung der im Wettbewerb um den entsprechenden Auftrag stehenden Unternehmen bis zur Ablehnung ihres Angebots nicht bekannt und kann daher keinen Einfluss auf ihre Teilnahme haben.72 Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Ziele des Transparenzgrundsatzes ist im Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen daher ausreichend, wenn die erfolgte gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung im Rahmen der üblichen Dokumentation festgehalten wird und bezüglich aller relevanten Aspekte Anforderungen des laufenden Vergabeverfahrens berücksichtigt wird. Das bedeutet, dass zunächst die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung selbst 66 

Bärwaldt/Hasselbrink, ZIP 2013, 1889 (1890). Egger, Rn. 848 sowie 894 ff. m. w. N. 68  Egger, Rn. 844. 69  Egger, Rn. 848. 70  Vgl. § 122 EG VOL/A; § 19 VOB/A. 71  Vgl. § 17 Abs. 1 u. 3 EG VOL/A. 72  So auch Bärwaldt/Hasselbrink, ZIP 2013, 1889 (1891 f.). 67 

D.  Kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot

169

dokumentiert werden muss. In einem weiteren Schritt sind dann die eingetretene Veränderung in der Person des Bieters anhand der konkreten, für das Vergabeverfahren festgelegten Kriterien zu messen und etwaige Abweichungen sowie deren Konsequenzen schriftlich niederzulegen. Darüber hinaus sind selbstverständlich auch etwaige von der Vergabestelle ergriffene Maßnahmen (z. B. Rückfragen, Aufklärungen oder Nachforderung von Nachweisen) aktenkundig zu machen. Die teilnehmenden Bieter müssen durch die erfolgte Dokumentation in die Lage versetzt werden, die Erfolgsaussichten eines möglichen Nachprüfungsverfahrens wegen der erfolgten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung beurteilen zu können.

D.  Kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot I.  Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung – keine Frage des Nachverhandlungsverbots Die Diskussion über einen möglichen Angebotsausschluss in Folge einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung dreht sich vornehmlich um die Frage, ob gesellschaftsrechtliche Veränderungen vergaberechtlich als untersagte Nachverhandlung zu qualifizieren sind. Nachverhandlungen des Angebotsinhalts sind nach den vergaberechtlichen Regelungen grundsätzlich nicht gestattet. Die VgV sieht in § 15 Abs. 5 für das offene Verfahren bzw. in § 16 Abs. 9 i. V. m. § 15 Abs. 5 VgV für das nicht offene Verfahren folgende Regelung vor: „Der öffentliche Auftraggeber darf von den Bietern nur Aufklärung über das Angebot oder deren Eignung verlangen. Verhandlungen, insbesondere über die Änderungen der Angebote oder Preise sind unzulässig.“73 Fraglich ist jedoch, ob die Person des Bieters tatbestandlich überhaupt unter die Regelung des Nachverhandlungsverbots zu fassen ist, erstreckt sich die vergaberechtlich relevante Änderung doch auf den Rechtsträger des Angebots und nicht auf das Angebot selbst. Das OLG Düsseldorf vertritt hierzu eine klare Meinung74: „Vom Nachverhandlungsverbot sind namentlich die wesentlichen Elemente des Angebots – die künftigen Vertragsparteien, der Vertragsgegenstand und der Preis (bei Dauerschuldverhältnissen in der Regel auch die Vertragsdauer) – umfasst. Änderungen am Angebot, die Bieter und Auftraggeber im Zusammenwirken nicht verabreden dürfen, darf der Bieter auch nicht allein vornehmen.“ 73  Hervorheb. d. Verf; Die Regelung entspricht den alten Regelungen in § 15 VOB/A und der § 19 VOL/A EG. 74  Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – VII-Verg 30/06 Rn. 16; Hervorheb. d. Verf.

170

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

Festzuhalten ist dabei zunächst, dass der tatbestandliche Wortlaut des Nachverhandlungsverbots die Vertragsparteien als Gegenstand etwaiger unzulässiger Nachverhandlungen nicht nennt. Darüber hinaus wird im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung und damit eintretenden Änderung in der Person des Bieters nicht „verhandelt“ im Sinne der Regelung. Vielmehr werden die jeweiligen Wirkungen einer Umstrukturierung einseitig durch den Bieter herbeigeführt und der öffentliche Auftraggeber insoweit vor vollendete Tatsachen gestellt. Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob die Person des Bieters selbst als wesentlicher Vertragsbestandteil unter das vergaberechtliche Nachverhandlungsverbot zu fassen ist. Dabei wird zunächst der Begriff der „wesentlichen Vertragsbestandteile“ (also der sog. „essentialia negotii“) aus dem allgemeinen Zivilrecht näher betrachtet, ehe auf dessen vergaberechtliche Prägung eingegangen wird. 1.  Vertragsparteien und „essentialia negotii“ im allgemeinen Zivilrecht Der Begriff der „essentialia negotii“ wird in der juristischen Terminologie im Zusammenhang mit der Rechtsgeschäftslehre, und dort speziell im Rahmen des wirksamen Vertragsschlusses gebraucht.75 Ein Vertrag wird definiert als das Ergebnis von inhaltlich übereinstimmenden mit Bezug aufeinander abgegeben Willenserklärungen in Form von Angebot und Annahme.76 Angebot und Annahme wiederum sind Willenserklärungen, die ihrerseits bestimmten Wirksamkeitsvoraussetzungen unterliegen. So ist das Angebot unter anderem nur wirksam, wenn es hinreichend bestimmt ist. Das Reichsgericht hat diesbezüglich bereits im Jahre 1930 grundlegend festgelegt, dass das Angebot so beschaffen sein muss, dass der Vertrag mit der Annahmeerklärung zustande kommen kann.77 Für die Bestimmtheit der Angebotserklärung bedeutet dies, dass ein wirksamer Vertragsschluss durch ein einfaches „Ja“ des Annehmenden möglich sein muss.78 Hierfür wiederum ist erforderlich, dass die wesentlichen Punkte des Vertrags im Angebot enthalten sein müssen. Wie sich aus den §§ 154 ff. BGB nämlich ergibt, entsteht kein Vertrag, wenn nach dem Willen auch nur einer Partei, der Vertrag von einem bestimmten, jedoch nicht geregelten Punkt abhängen soll.79

75 

Vgl. ausführlich Oechsler, § 1 Rn. 3 f. Vgl. Brox/Walker, BGB AT Rn. 77. 77  RG HRR 1930 Nr. 91. 78  Vgl. Wolf, in: Soergel § 145 Rn. 4. 79  Jung, JuS 1999, 28 (28). 76 

D.  Kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot

171

Die „essentialia negotii“ sind dabei abzugrenzen von den sog. „accidentialia negotii“ sowie den „naturalia negotii“.80 Die „naturalia negotii“ sind die Regelungen der Rechtsordnung, die in Ergänzung zu der rechtsgeschäftlichen Regelung bestehen und auf die jeweiligen Vertragstypen Anwendung finden. Die „accidentialia negotii“ hingegen sind solche vertraglichen Abreden, die zusätzlich vereinbart werden, um insbesondere gesetzliche Regelungen zu modifizieren oder abzubedingen. Die hier relevanten „essentialia negotii“ schließlich meinen den notwendigen Mindestinhalt eines Vertragsverhältnisses und beziehen sich auf solche Punkte eines Vertrages, welche Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Regelung sein müssen, damit einer der von der Rechtsordnung anerkannten Rechtsgeschäftstypen überhaupt erst vorliegt. Sie sind der Inhalt der rechtsgeschäftlichen Regelung selbst, wie sie durch den Akt des Rechtsgeschäfts erfolgt.81 Die „essentialia negotii“ sind daher nicht nur bei der Beurteilung eines wirksamen, weil vollständigen Vertragsschlusses heranzuziehen, sondern dienen insbesondere auch der Abgrenzung der einzelnen Vertragstypen untereinander. So spricht beispielweise Busche von einer Einigung über das Mindestregelungsprogramm im Sinne einer „potentiell geltungsfähigen Grundvereinbarung“, also über die Regelung der den Vertragstyp konstituierenden (objektiven) essentialia negotii.82 Als wesentliche Vertragsbestandteile sind insofern diejenigen Parteibestimmungen anzusehen, welche das Geschäft überhaupt erst zu einem Geschäft bestimmter Art machen und dadurch ein Mindestmaß an Rechtsfolgen festsetzen, welche nötig sind, um das Geschäft unter ein gesetzliches Muster einreihen zu können.83 Auch die Convention of International Sale of Goods (CISG), im Deutschen bekannt als UN-Kaufrecht, geht von einem inhaltlichen Begriffsverständnis der „essentialia negotii“ aus. Ein Vorschlag (Angebot) ist nach Art. 14 CISG bestimmt genug, wenn er „die Ware bezeichnet und ausdrücklich oder stillschweigend die Menge und den Preis festsetzt oder deren Festsetzung ermöglicht“.84

Nicht zu den „essentialia negotii“ wären nach diesem, im UN-Kaufrecht niedergelegten Verständnis die Vertragsparteien selbst zu zählen. Diese sind zwar selbsterklärend notwendige Voraussetzung eines jeden Vertragsschlusses, da 80 

Vgl. hierzu ausführlich Flume, BGB AT § 6, 2. Flume, BGB AT § 6, 2. 82  Busche, in: MüKo-BGB § 154 Rn. 3. 83  Vgl. Lehmann/Hübner, § 26 II. 1; siehe auch Oechsler, § 1 Rn. 4, wonach die essentialia negotii das Wesen des Vertrages ausmachen und eine typologische Einordnung erlauben. 84  Hervorheb. d. Verf. 81 

172

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

ohne Vertragsparteien keine Willenserklärungen und ohne Willenserklärungen kein Vertrag. Allerdings gehören sie nicht zum Inhalt des Vertrages selbst, sondern sind vielmehr Adressaten der getroffenen inhaltlichen Regelungen in Gestalt von Berechtigten und Verpflichteten und damit (lediglich) Träger der jeweiligen Willenserklärungen. Eine Änderung in der Person des Erklärenden hat daher nach dieser Sichtweise strenggenommen keine Auswirkungen auf die „essentialia negotii“, also auf den Vertragsinhalt als solchen, sondern betrifft eher die notwendigen Rahmenbedingungen des Vertragsschlusses. So wäre ein Austausch des Anbietenden durchaus möglich, wenn dieser von einem neuen Rechtsträger beerbt wird und dieser neue Rechtsträger voll verantwortlich in die Position des Angebotsträgers einrückt. Der Anwendungsbereich des Nachverhandlungsverbots wäre damit im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung, welche eine Identitätsänderung beim Bieter bewirkt, gar nicht erst eröffnet. Die entgegenstehende (und wohl herrschende) Auffassung hingegen fasst unter den Begriff der „essentialia negotii“ den Vertragsgegenstand, den Vertragstyp, die eventuell zu erbringende Gegenleistung sowie auch die Vertragsparteien.85 So erfordert ein Vertrag bereits begriffsnotwendig, dass mindestens zwei Personen eine rechtsgeschäftliche Beziehung miteinander eingehen wollen.86 Entsprechend hat das Reichsgericht bereits im Jahre 1922 entschieden, dass ein Vertrag nicht zustande kommt, wenn die Parteien sich nicht über ihre Rollenverteilung im Vertragsverhältnis (wer ist Käufer und wer ist Verkäufer) einig sind.87 Auch der Pressetext-Entscheidung des EuGH ist in Anknüpfung an die vorherrschende Auffassung zu entnehmen, dass die Vertragsparteien vergaberechtlich ebenfalls zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen zu zählen sind.88 Die Ersetzung eines Vertragspartners (nach Vertragsschluss) ist im Allgemeinen als Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung des betreffenden öffentlichen Auftrags anzusehen, wenn sie nicht in den Bedingungen des ursprünglichen Auftrags, beispielsweise im Rahmen einer Unterbeauftragung, vorgesehen war.

85  Busche, in: MüKo-BGB § 145 Rn. 6; Jung, JuS 1999, 28 (29); Oetker/Maultzsch § 2 C. S. 29; Bork, in: Staudinger BGB § 145 Rn. 17 unter Bezugnahme auf OLG Karlsruhe, Urt. v. 25. 03. 1987 – U 198/87, LG Mainz, Urt. v. 04. 11. 1997 – 6 S 149 – 97, LG Lübeck, Urt. v. 06. 04. 1999 – 6 S 71 – 08, LG Bad Kreuznach, Urt. v. 13. 02. 2001 – 1 S 194/00. 86  Jung, JuS 1999, 28 (29). 87  RG, Urt. v. 04. 02. 1922, RGZ 104, 265. 88  EuGH, Urt. v. 19. 6. 2008 – C-454/ 06.

D.  Kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot

173

2.  Vertragsparteien als Gegenstand des vergaberechtlichen Nachverhandlungsverbots a)  Die teilweise in der Literatur vertretene Auffassung In der vergaberechtlichen Literatur wird unter kritischer Bezugnahme auf die Rechtsprechung der Vergabesenate ebenfalls teilweise die Ansicht vertreten, dass die Person des Bieters und damit seine Identität nicht vom Nachverhandlungsverbot umfasst werden. Gesellschaftsrechtliche Änderungen in der Person des Bieters seien demnach keine Frage eines Verstoßes gegen das Nachverhandlungsverbot, welches einen zwingenden Ausschluss vom Vergabeverfahren zur Folge hat, sondern sind vielmehr – wie alle sonstigen personenbezogenen Angaben und Erklärungen auch – im Rahmen der Eignungsprüfung zu berücksichtigen.89 Im Vergaberecht wird generell zwischen personenbezogenen und sachlichen bzw. inhaltlichen Angebotsänderungen unterschieden und nur letztere unterliegen dem Nachverhandlungsverbot.90 Die Regelung zur Angebotsaufklärung und zum Verbot von Nachverhandlungen differenziere zwischen inhaltlichen (sachlichen) Angebotsbestandteilen wie Auftragsgegenstand oder Angebotspreis und personen- bzw. bieterbezogenen Angebotsänderungen. Es sei eine enge Auslegung des Angebotsbegriffes vorzunehmen, der sich nur auf den zukünftigen Auftragsgegenstand bezieht und nicht auf die Vertragsparteien, insbesondere die Person des Bieters. Für eine zwischen sachlichen und persönlichen Kriterien differenzierende Ansicht spreche zunächst der Wortlaut des Nachverhandlungsverbots, wonach „Verhandlungen, besonders über die Änderung der Angebote oder Preise“

unzulässig sind. Prieß und Sachs sehen hierin eine beabsichtigte Differenzierung des Gesetzes zwischen sachbezogenen und personenbezogenen Angebotsinhalten.91 Wären von dem Angebotsbegriff schon sämtliche „essentilia negotii“ des zukünftigen Vertrages umfasst, nämlich Vertragsgegenstand, Preis und Vertragsparteien, so wäre der Verweis auf die „Preise“ neben der Bezugnahme auf die „Angebote“ überflüssig. Die Systematik des § 15 VOB/A a. F. bestätige weiter diese Sichtweise, da Abs. 1 bieterbezogene Angaben in beschränktem Umfang einer Aufklärung zugänglich macht. Es wird ausdrücklich zwischen Aufklärungen hinsichtlich der „technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ sowie dem „Angebot selbst“ unterschieden. 89 

Zutreffend Bärwaldt/Hasselbrink, ZIP 2013, 1889 (1891 f.). ZIP 2013, 1889 (1889 ff.); Burbulla NZBau 2010, 145 (146); Prieß/Sachs, NZBau 2007, 763 (764); Rittwage, NZBau 2007, 232 ff. 91  Prieß/Sachs, NZBau 2007, 763 (764); Rittwage, NZBau 2007, 232 ff. 90  Bärwaldt/Hasselbrink,

174

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

Zudem finden Eignungsprüfung und Angebotsprüfung getrennt voneinander auf verschiedenen Wertungsstufen statt. Das Gebot der strikten Trennung der Wertungsstufen hat es nach alter Rechtslage sogar strikt verboten, personenbezogene Eignungsmerkmale nach abgeschlossener Eignungsprüfung auf einer späteren Stufe in die Wertung mit einfließen zu lassen. So hätten insbesondere die Verdingungsordnungen bei einer grundsätzlich angelegten Trennung zwischen Angeboten und Bietern ausdrücklich auch die Bieter dem Nachverhandlungsverbot unterwerfen müssen. Darüber hinaus stelle sich die rein praktische Frage, wie denn überhaupt eine Verhandlung über die Vertragspartner stattfinden soll. Das Wort „verhandeln“ setzt rein grammatikalisch in seiner Eigenschaft als Verb bereits Subjekte voraus, die eine entsprechende (Ver-)Handlung durchführen. Verhandeln lässt sich grds. nur über verhandelbare Vertragsgegenstände wie Preis und Leistung. Nur in seltenen Fällen, nämlich bei höchstpersönlichen Leistungen wird ein Vertragspartner selbst zum Gegenstand des Vertrages und damit Teil der Verhandlungen. Im Vergaberecht hingegen sind die Bieter als solche kein Gegenstand von Verhandlungen im Sinne des Nachverhandlungsverbots. Letztlich ist der Bezug zur Person des Bieters im Rahmen eines Vergabeverfahrens einzig für die Frage seiner Leistungsfähigkeit relevant, welche im Rahmen der Eignungsprüfung abgefragt wird und vom Bieter nachgewiesen werden muss. Ein erneuter Einstieg in die Eignungsprüfung ist zu jederzeit des Vergabeverfahrens möglich und notwendig, damit auf Veränderungen reagiert werden kann. Sollten also mit einem aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung erfolgenden Änderung in der Person des Bieters negative Folgen für dessen Leistungsfähigkeit verbunden sein, würde bei Anwendung des Nachverhandlungsverbots die Möglichkeit einer erneuten Überprüfung abgeschnitten. Hierdurch würde der Wettbewerb unnötig eingeschränkt, was nicht im Sinne einer wirtschaftlichen Auftragsvergabe ist. b)  Die Gegenauffassung der Rechtsprechung Vor allem in der Rechtsprechung wird entgegen vorstehend ausgeführter Argumentation vertreten, das die Parteien sehr wohl zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen zu zählen sind und daher auch vom Tatbestand des Nachverhandlungsverbots erfasst werden. Der EuGH hat in der Entscheidung „Pressetext“ ausdrücklich klargestellt, dass die Ersetzung eines Vertragspartners durch einen neuen als Änderung einer wesentlichen Vertragsbestimmung zu werten ist,92 und damit die Vertragsparteien zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen gezählt. 92 

EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/06 „Pressetext“.

D.  Kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot

175

Die Auffassung des EuGH in der genannten Entscheidung hat sich schließlich auch in der letzten Reform des Vergaberechts im April 2016 niedergeschlagen. So bestimmt § 132 Abs. 1 Nr. 4 GWB für die Durchführungsphase, also die Zeit nach erfolgtem Zuschlag und damit Abschluss des Vergabeverfahrens, dass eine wesentliche Änderung eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit gegeben ist, wenn ein neues Unternehmen den ursprünglichen Auftragnehmer in anderen als den in § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GWB vorgesehenen Fällen ersetzt. Die genannte Regelung des § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GWB lässt in seinem lit. b) in Bezug auf gesellschaftsrechtliche Änderungen eine Ausnahme zur Pflicht der Neuausschreibung zu, wenn ein anderes Unternehmen im Zuge einer Unternehmensumstrukturierung (wie z. B. durch Übernahme, Zusammenschluss, Erwerb oder Insolvenz) ganz oder teilweise an die Stelle des ursprünglichen Auftragnehmers tritt, sofern diese Umstände keine weiteren wesentlichen Änderungen im Sinne des § 132 Abs. 1 GWB zur Folge hat. Das eintretende Unternehmen muss zudem die ursprünglich festgelegten Anforderungen an die Eignung vollständig erfüllen. Auch die Vergabesenate zählen die Vertragsparteien zu den „essentialia negotii“ und rechtfertigen damit unter Berufung auf das Nachverhandlungsverbot einen Ausschluss des Angebots vom weiteren Vergabeverfahren, wenn sich die Person des Bieters nach Angebotsabgabe ändert.93 Obwohl die Vertragsparteien nicht ausdrücklich als Gegenstand des Nachverhandlungsverbots genannt werden, ist der Wortlaut der Regelung nicht abschließend, sondern im Sinne einer Hervorhebung bzw. beispielhaften Nennung von dem Verhandlungsverbot unterliegenden Gegenständen zu verstehen. Es sollen „insbesondere“ Verhandlungen über den Angebotspreis unstatthaft sein. Die ausdrückliche Bezugnahme auf unstatthafte preisliche Nachverhandlungen schließe nicht aus, dass das Nachverhandlungsverbot sich auch auf bieterbezogene Änderungen nach Angebotsabgabe erstreckt. Hiernach können also gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen und damit verbundene Änderungen in der Person des Bieters durchaus am Tatbestand des Nachverhandlungsverbots gemessen werden. 3.  Stellungnahme und Ergebnis Zweifellos sind die Vertragsparteien unabdingbare Voraussetzungen für einen wirksamen Vertragsschluss. Sind diese im Zeitpunkt des mutmaßlichen Vertragsschlusses nicht genau zu bestimmen oder zumindest bestimmbar, kann keine rechtsverbindliche Einigung zustande kommen. Unbestritten muss dem Angebot demnach auch zu entnehmen sein, wer Adressat der Willenserklärung

93 

Vgl. u. a. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – VII-Verg 30/06.

176

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

ist und damit als möglicher Vertragspartner gebunden werden soll, an wen sich also das Angebot richtet. Umgekehrt ist für den Annehmenden im Zeitpunkt der Annahme entscheidend, an wen er sich bindet. So hat der Annehmende das Recht, seinen künftigen Vertragspartner frei auszuwählen und hinsichtlich aller für ihn relevanten Kriterien zu überprüfen. Die Auffassung, wonach die Vertragsparteien auch vor Vertragsschluss zu den wesentlichen Vertragsbedingungen zu zählen sind, verkennt nach hier vertretener Auffassung jedoch, dass zu diesem Zeitpunkt noch gar kein Vertrag zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Bieterunternehmen zustande gekommen ist. Die Auswahl des künftigen Vertragspartners durch den öffentlichen Auftraggeber als Annehmenden des vom Bieter unterbreitenden Angebots, steht erst noch bevor. Die Parteien befinden sich daher während des Vergabeverfahrens sozusagen in einem vorvertraglichen Schuldverhältnis besonderer Art und damit aus Sicht des öffentlichen Auftraggebers in einer „Sondierungsphase“, in welcher dieser seine Entscheidung über einen Vertragsabschluss noch vorbereitet. Ein Wechsel der anbietenden Person während dieser Annahmephase beschränkt den öffentlichen Auftraggeber als Annehmenden nicht in seiner Entscheidungsfreiheit. Dass der neue potentielle Vertragspartner nicht mehr mit dem ursprünglich Erklärenden personenidentisch ist, mag für den öffentlichen Auftraggeber als Annehmenden durchaus entscheidungserheblich sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn dadurch die Leistungsfähigkeit des Bieters beeinträchtigt ist. Es macht die Person des Bieters als Erklärenden jedoch nicht automatisch zum notwendigen Vertragsbestandteil. Vielmehr hat der öffentliche Auftraggeber als Annehmender weiterhin die Möglichkeit den „neuen“ Anbietenden und damit seinen nun möglichen Vertragspartner nach den in der Ausschreibung festgelegten Kriterien zu überprüfen und ist weiterhin frei darin das Angebot anzunehmen oder abzulehnen. In diesem Sinne muss auch in konsequenter Weise die zivilrechtliche Wertung in §§ 130 Abs. 2, 153 BGB verstanden werden, nach der ein Angebot bei Wegfall des Erklärenden weiterhin wirksam und annahmefähig sein soll. Andernfalls müsste ein Wegfall des Erklärenden zwingend zum Erlöschen des Angebots führen, da hierdurch ein wesentlicher Vertragsbestandteil weggebrochen ist. Das BGB zeichnet sich also durch eine gewisse Flexibilität aus und erlaubt den Austausch des Anbietenden nach Abgabe seines Angebots. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist ein Vertragspartner vorhanden, so dass eine Einigung in den wesentlichen Vertragsbestandteilen erfolgen kann. Entgegen der Ansicht der Rechtsprechung lässt sich daher durchaus vertreten, dass in der Phase vor Vertragsschluss die künftigen Vertragsparteien selbst als Erklärende bzw. Erklärungsempfänger, insbesondere also der Bieter als Träger des Angebots nicht zu den „essentialia negotii“ zu zählen sind. Zwar ist bei genauer Betrachtung vorliegend davon auszugehen, dass der Bieter als Vertrags-

D.  Kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot

177

partei selbstverständlich zu den wesentlichen Elementen des abzuschließenden Vertrages, nicht jedoch bereits zu den wesentlichen Elementen des eingereichten Angebots gehört. Eine Änderung in der Person des Bieters wäre daher von vornherein nicht vom Anwendungsbereich des Nachverhandlungsverbots erfasst. Vielmehr wären die Auswirkungen dieser Änderungen aus Sicht des Annehmenden, also des öffentlichen Auftraggebers (wie im allgemeinen Zivilrecht auch) im Rahmen der Entscheidungsfindung, namentlich im Rahmen der Eignungsprüfung und Angebotswertung zu berücksichtigen.

II.  Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot Unabhängig davon, ob man der unter vorgenannter Ziffer D I. dargestellten Auffassung, wonach eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung tatbestandlich schon nicht unter das Nachverhandlungsverbot zu fassen wäre, folgt, stellt eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung nach hier vertretener Auffassung im nächsten Schritt auch nicht zwingend einen Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot dar. Da die Diskussion der Zulässigkeit von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen während eines laufenden Vergabeverfahrens im Rahmen des Nachverhandlungsverbots anhand des Stichworts der „Bieteridentität“ geführt wird, kann insoweit ergänzend zu den nachfolgenden Ausführungen vollumfänglich auf Erörterungen unter 3. Teil, B. I. verwiesen werden. 1.  Rein interne Umstrukturierungen per se kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot Rein gesellschaftsinterne Vorgänge wie ein Gesellschafterwechsel sowie solche gesellschaftsrechtlichen Veränderungen, welche die Person des Bieters gänzlich unberührt lassen, wie z. B. die Umfirmierung oder ein Formwechsel sind per se schon nicht geeignet einen Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot zu begründen.94 Derartige gesellschaftsrechtliche Veränderungen sind daher im Hinblick auf das Nachverhandlungsverbot von vornherein völlig irrelevant.95

94  Vgl. u. a. zum Rechtsformwechsel: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12. 12. 2007 – VIIVerg 34/07, zur Umfirmierung: 1. VK Bund, Beschl. v. 01. 07. 2013 – VK-1 45/13 und zum Gesellschafterwechsel: VK Hessen, Beschl. v. 28. 06. 2005 – 69d VK-07/2005. 95  Siehe hierzu insbesondere 3. Teil, B. I.

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

178

2.  Heilung der Änderung in der Person des Bieters durch gesellschaftsrechtliche/umwandlungsrechtliche Rechtsfolgen Wie bereits oben unter 3. Teil, B. I. aufgezeigt, kann aber auch im Falle einer durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung eintretenden Änderung in der Person des Bieters, z. B. bei einer vermögensübertragenden Umstrukturierung wie der Verschmelzung, die Identität der Bietergesellschaft trotz der im Außenverhältnis wirkenden Veränderung gewahrt bleiben, da der durch die Umstrukturierung eintretende Zustand der Diskontinuität durch eine Identitätsregelung bzw. die Gesamtrechtsnachfolge oder Anwachsung geheilt wird. Die an die jeweilige Umstrukturierungsart geknüpften Rechtsfolgen führen dazu, dass die Identität des Angebotsträgers gewahrt bleibt (z. B. beim Rechtsformwechsel) oder aber der neue Rechtsträger das Angebot des ursprünglichen Rechtsträgers unverändert fortführt (z. B. bei der Verschmelzung). Sowohl auf die eine, als auch auf die andere Weise werden die maßgeblichen inhaltlichen Erklärungen des jeweiligen Angebots beibehalten und das Angebot bleibt weiterhin unverändert bestehen. Insofern wäre hiernach keine Änderung des Angebots im Sinne des Nachverhandlungsverbots gegeben. Etwaige Auswirkungen auf die Fähigkeit des jeweiligen neuen Rechtsträgers, den ausgeschriebenen Auftrag ordnungsgemäß ausführen zu können, wären im Rahmen der Eignungsprüfung zu berücksichtigen und stellen sich nicht im Rahmen der Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen das Nachverhandlungsverbot. 3.  Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung als grundsätzlich zulässige Ausnahme zum Nachverhandlungsverbot Weiter sieht aber auch das Vergaberecht selbst – wenn auch sehr restriktiv – Ausnahmen vom Nachverhandlungsverbot vor und lässt sogar entgegen des ausdrücklichen Wortlauts Änderungen bezüglich der Leistungen und Preise zu. So waren nach der VOB/A a. F. Änderungen des Angebotsinhalts zulässig, wenn sie bei Nebenangeboten oder Angeboten aufgrund eines Leistungsprogramms nötig waren, um unumgängliche technische Änderungen geringen Umfangs und daraus sich ergebende Änderungen der Preise zu vereinbaren.96 Diese Ausnahmetatbestände sind grundsätzlich als abschließend anzusehen und daher äußerst restriktiv zu handhaben. Trotz einer gebotenen restriktiven Auslegung wurden jedoch teilweise weitere Sachverhalte anerkannt, die eine zulässige Nachverhandlung auch außerhalb des direkten Anwendungsbereichs des damaligen § 15 Abs. 3 VOB/A erlaubten.97 Allgemein waren dies Situationen, bei denen sich ein „Bedürfnis zu Nachverhandlungen“ ergab.98 96 

§ 15 Abs. 3 VOB/A. in: Kulartz/Marx/Prieß VOB/A § 15 Rn. 35; Bauer, in: Heiermann/Riedl/ Rusam VOB A § 15 EG Rn. 36, 43 f. 97  Zeise,

D.  Kein Verstoß gegen das Nachverhandlungsverbot

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Bei der Prüfung einer zulässigen Ausnahme vom Nachverhandlungsverbot war allerdings stets zu beachten, dass die jeweilige Ausnahme nicht dem Regelungszweck des Nachverhandlungsverbots zuwiderlaufen darf. Der Sinn und Zweck des Nachverhandlungsverbots liegt, wie bereits dargestellt, vor allem darin, einen ordnungsgemäßen Wettbewerb sicherzustellen und nicht nachträglich manipulativ die Angebote zu verändern.99 Würde der öffentliche Auftraggeber nämlich infolge einer Änderung der ursprünglichen Angebote einen einzelnen Bieter gegenüber seinen mit bietenden Konkurrenten begünstigen, so würde dies einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und auch gegen die Transparenz des Vergabeverfahrens darstellen.100 98

Nach der von Rusam101 früher vertretenen Auffassung mussten in Anwendung des Rechtsgedankens des § 24 Nr. 3 VOB/A a. F. für die Annahme einer zulässigen Ausnahme insbesondere folgende Voraussetzungen erfüllt sein: – Der Schutzzweck des Nachverhandlungsverbots darf nicht verletzt werden. – Es darf kein Widerspruch zu anderen vergaberechtlichen Bestimmungen bestehen. – Das Wettbewerbsprinzip muss gewahrt sein. – Über die Verhandlungen und ihr Ergebnis muss Einvernehmen zwischen Auftraggeber und Bieter bestehen. – Die Berechtigten Belange anderer Bieter dürfen nicht berührt werden. Übertragen auf die hier gegenständliche Situation der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen bedeutet dies, dass eine Änderung in der Person des Bieters eine zulässige Ausnahme vom Nachverhandlungsverbot darstellen kann, wenn die vorliegend genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Wie im Rahmen dieser Arbeit dargelegt, werden durch gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen weder der ordnungsgemäße Wettbewerb negativ beeinflusst noch die Angebote inhaltlich nachträglich manipulativ verändert. Ein Widerspruch zu anderen vergaberechtlichen Bestimmungen, insbesondere dem Grundsatz der Gleichbehand98 

Bauer, in: Heiermann/Riedl/Rusam VOB A § 15 EG Rn. 36. Vgl. Grünhagen, in: Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen § 15 Rn. 127. 100 EuGH, Urt. v. 25. 04. 1996 – C-87/94; BayObLG, Beschl. v. 16. 09. 2002 – Verg 19/02. 101  Vgl. früher noch Rusam, in: Heiermann/Riedl/Rusam VOB A EG § 24 Rn. 28, 33 und 37 (10.Auflage). Diese Rechtsauffassung wird nun ausdrücklich nicht mehr aufrechterhalten (siehe Bauer, in: Heiermann/Riedl/Rusam VOB A EG § 15 Rn. 36) Vielmehr sei der auf den Wortlaut des § 15 EG Abs. 3 VOB/A gestützten gegenteiligen Auffassung von Ingenstau/Korbion, 17. Auflage, § 15 VOB/A Rn. 28 zu folgen, da auch bei einer Verhandlung über unwesentliche Änderungen im Angebot des Bieters der Wettbewerbsgrundsatz verletzt wird und berechtigte Belange anderer Bieter berührt werden, was mit dem Regelungszweck des § 15 EG Abs. 3 VOB/A unvereinbar wäre. Vorliegend kann der Gedanke von Rusam gleichwohl noch fruchtbar gemacht werden. 99 

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

lung und der Transparenz besteht solange nicht, sofern der neue Rechtsträger das Angebot unverändert übernimmt und hierdurch keine Besserstellung des Angebots gegenüber der vorherigen Situation erfolgt, der jeweilige Umstrukturierungsvorgang vom Bieter gegenüber dem Auftraggeber vollumfänglich offengelegt und damit transparent gemacht wird und der Auftraggeber den jeweiligen Vorgang entsprechend dokumentiert. Etwaige eignungsrelevante Fragen müssen im Rahmen der Eignungsprüfung geprüft und selbstredend weiterhin gewahrt werden. Weiter dürfen auch sonstige Verfahrensregelungen nicht aufgeweicht werden. Etwaige Fristen sowie die Vorlage bestimmter Unterlagen sind daher zwingend zu beachten bzw. vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund kann nach hier vertretener Auffassung eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung eine zulässige Ausnahme vom Nachverhandlungsverbot darstellen, wenn – die Prinzipien des Vergaberechts gewahrt sind, – kein Widerspruch zu den übrigen vergaberechtlichen Vorschriften besteht und – berechtigte Belange anderer Bieter nicht beeinflusst werden. Ob dieser Ausnahmetatbestand greift bleibt einer gesonderten Prüfung der Vergabestelle in jedem Einzelfall überlassen.

E.  Relevanz der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung im Rahmen der Eignungund Eignungsprüfung I.  Weitergeltung und Übertragbarkeit eingereichter Eignungsnachweise Im Falle von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung stellt sich die Frage, „ob“ und, wenn ja, „inwieweit“ die vom bisherigen Bieterunternehmen bereits vorgelegten Eignungsnachweise weiterhin Geltung behalten und auch der „neue“ Bieter sich auf deren Aussagekraft berufen kann. Anders ausgedrückt steht die Vergabestelle vor dem Problem, ob die ihr vorliegenden Eignungsnachweise auf das Nachfolgeunternehmen übertragen werden können und eine Aussagekraft für dessen Eignung besitzen oder aber, ob vom „neuen“ Bieter die (erneute) Vorlage sämtlicher oder einzelner Eignungsnachweise verlangt werden muss. Grundsätzlich kann auch bzgl. dieser Frage an die Rechtsfolgen der jeweils durchgeführten Umstrukturierung angeknüpft werden. Soweit im Wege der Umstrukturierung Vermögenswerte (also beispielsweise Lizenzen, Betriebsmittel, know-how, Referenzen etc.) übergehen, muss sich auch das „neue“ Unternehmen auf die Verfügbarkeit der bereits nachgewiesenen Leistungsfähigkeit berufen können. Eine erneute Einreichung derselben Eignungsnachweise wäre demnach

E.  Relevanz der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung

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reiner Formalismus. Wenn beispielsweise im Zuge einer Verschmelzung die Geschäftsführung des übertragenden Rechtsträgers auch die Geschäftsführung des übernehmenden Rechtsträgers wird und daher Personenidentität auf Geschäftsführungsebene gegeben ist, ist ein erneuter Nachweis der in Bezug auf die Geschäftsführer verlangten Nachweise (z. B. persönliche Führungszeugnisse, Lebensläufe etc.) nicht erforderlich. Sollten allerdings aufgrund der Umstrukturierung in irgendeiner Weise Zweifel an der Eignung des „neuen“ Bieters bestehen oder ein bereits eingereichter Eignungsnachweis keinerlei Aussagekraft (mehr) in Bezug auf das „neue“ Unternehmen haben, muss dieser selbstverständlich neu eingereicht und erbracht werden. Hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung der Vorlage bzw. Neueinreichung etwaiger Eignungsnachweise gelten die allgemeinen Regelungen. Zu einer Verlängerung von Fristen kann es aus diesem Grund hingegen nicht kommen.102 Mit der durch die Vergaberechtsreform 2016 intendierten Vereinfachung der Eignungsprüfung, insbesondere mit der Einführung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung ist die praktische Relevanz dieser Frage indes weiter gesunken. In der Regel wird der Auftraggeber entsprechende Nachweise danach ohnehin nur noch von dem für den Zuschlag in Frage kommenden Bieter einholen, so dass zu diesem Zeitpunkt sämtliche Nachweise und Erklärungen auch von dem „neuen“ Unternehmen erstmalig eingereicht werden können und müssen.

II.  Nachreichen von Nachweisen und Erklärungen durch den Bieter; Obliegenheit zur Aufklärung Anknüpfend an die Ausführungen unter vorstehender Ziffer I. obliegt es nach hier vertretener Auffassung alleine dem Bieter, etwaige bestehende Zweifel an seiner Eignung frühzeitig auszuräumen und die Vergabestelle entsprechend über sämtliche eignungsrelevanten Sachverhalte vollumfänglich zu informieren.103 Der öffentliche Auftraggeber hat zwar grundsätzlich die Möglichkeit die Unternehmen aufzufordern, die vorgelegten Bescheinigungen zu vervollständigen oder zu erläutern. Umgekehrt trifft aber bspw. nach Auffassung der Vergabekammer Hessen die Unternehmen eine Aufklärungspflicht über solche Umstände, nach denen der Auftraggeber zwar nicht gefragt hat, die aber für die Beurteilung der Eignung offensichtlich bedeutsam sind, weil sie den Vertragszweck vereiteln oder gefährden könnten.104 Die Vergabekammer Hessen dazu wörtlich:

102 

Siehe hierzu 3. Teil, E. IV. So auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – VII-Verg 30/06. 104  VK Hessen, Beschl. v. 28. 06. 2005 – 69d VK-07/2005. 103 

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

„Diese Darlegungspflicht ist eine selbstverständliche Obliegenheit eines Bieters, die auf der Tatsache beruht, dass er zur Erfüllung des Auftrags über die erforderlichen personellen und/oder technischen Mittel verfügt und diese Verfügungsbefugnis durch den Eintritt neuer Umstände auch nicht verloren hat. Dazu kann auch ein Gesellschafterwechsel gehören, wenn er entscheidende Auswirkungen auf die Ausstattung der Gesellschaft, insbesondere hinsichtlich der Personalstärke und des Verlustes von Personal mit dem für den Auftrag nötigen know-how hat. Ein Bieter darf daher diesen Umstand nicht verschweigen, sondern hätte die Vergabestelle von sich aus darauf hinweisen müssen, damit diese Gelegenheit erhielt, die Eignung unter Zugrundelegung der neuen Aspekte nochmals zu überprüfen.“105

Wenn also beispielsweise ein polizeiliches Führungszeugnis als Eignungsnachweis verlangt wird und dieses für den Geschäftsführer der A-GmbH dem Angebot beigefügt wurde und das Unternehmen danach unter Beibehaltung der Geschäftsführung als GmbH & CO KG weitergeführt wird, kann die Vergabestelle sich diesen Sachverhalt vom Bieter erläutern lassen, ohne ein erneutes Führungszeugnis anzufordern.106 Arbeitet der Bieter mit Nachunternehmern zusammen und hat entsprechende Verpflichtungserklärungen sowie weitere Nachweise bzgl. dieser Unternehmen eingereicht, kann sich die Vergabestelle bescheinigen lassen, dass dieselben Nachunternehmer auch mit der neuen Gesellschaft zusammenarbeiten würden.107 Im Ergebnis ist daher jedem Unternehmen zu raten, ohne gesonderte Aufforderung durch die Vergabestelle entsprechende Erklärungen/Erläuterungen zu den bereits eingereichten Nachweisen abzugeben, um so Zweifel an der Eignung bereits im Vorfeld auszuräumen.108

III.  Nachforderung von Nachweisen Kann die Aussagekraft eines bereits vorliegenden Nachweises nicht auf das Nachfolgeunternehmen übertragen werden und ist auch keine Vervollständigung oder Erläuterung durch den Bieter erfolgt bzw. möglich, so ist dieser entsprechende Nachweis durch die Vergabestelle als nicht vorhanden zu behandeln. Die Vergabestelle kann in diesem Fall von der in § 56 VgV vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, die fehlenden Nachweise unter Fristsetzung nachzufordern. Da es sich hierbei allerdings um eine Ermessensentscheidung der Vergabestelle handelt und zudem eine Nachforderung im Hinblick auf solche Unterlagen ausgeschlossen ist, die einen Einfluss auf die Wertungsentscheidung 105 

Hervorheb. d. Verf. Vgl. VK Münster, Beschl. v. 28. 08. 2007 – VK 14/07 und VK 15/07. 107  Vgl. VK Münster, Beschl. v. 28. 08. 2007 – VK 14/07 und VK 15/07. 108  Tomerius, in: Pünder/Schellenberg § 6 VOB/A Rn. 50. 106 

E.  Relevanz der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung

183

nehmen können, empfiehlt es sich auf Bieterseite proaktiv die fehlenden Nachweise umgehend nachzureichen.

IV.  Maßgeblicher Zeitpunkt, Verlängerung der Zuschlagsfrist Die Nachforderungsmöglichkeit des Auftraggebers einerseits sowie eine proaktive Nachreichung von Unterlagen durch den Bieter selbst auf der anderen Seite ist insbesondere dann problematisch, wenn die sie auslösende gesellschaftsrechtliche Veränderung zeitlich nahe an den Ablauf der Zuschlagsfrist rückt und eine Nachforderung und Prüfung der Eignungsnachweise nicht mehr innerhalb der gesetzten Zuschlagsfrist erfolgen kann. Die Zuschlagsfrist umfasst den Zeitraum, innerhalb dessen die Vergabestelle die Angebote zu prüfen, zu bewerten und den Zuschlag zu erteilen hat. Die Bieter sind grundsätzlich nur bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist an ihre Angebote gebunden (sog. Bindefrist). Der Auftraggeber steht daher vor der Frage, wie er mit Angeboten verfahren muss, deren Eignung er nicht mehr innerhalb der vorgesehenen Frist prüfen kann. Es besteht grundsätzlich die Möglichkeit eine bereits festgelegte Zuschlagsfrist nachträglich zu verlängern. Die nachträgliche Verlängerung der Zuschlagsfrist muss jedoch sachlich geboten sein.109 Sachliche Gründe wurden von der Rechtsprechung der Vergabesenate beispielsweise angenommen, wenn ein unverschuldet hoher Prüfungs- und Wertungsaufwand für eine unerwartet hohe Anzahl an Nebenangeboten auftritt.110 Ob in einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung eines Bieters ein vergleichbarer sachlicher Grund gesehen werden kann, ist äußerst fraglich, zumal dieser Umstand durch den Bieter selbst herbeigeführt wurde. Zumindest für die Seite des öffentlichen Auftraggebers wird vertreten, dass eine Fristverlängerung nicht gerechtfertigt ist, wenn der Auftraggeber die Gründe, die einer Zuschlagserteilung innerhalb der vorgesehenen Zuschlagsund Bindefrist entgegenstehen, selbst zu vertreten hat.111 Es ist nicht ersichtlich, weshalb für den Fall gesellschaftsrechtlicher Änderungen etwas Anderes für den Bieter gelten soll. Eine Verlängerung der Zuschlagsfrist im Falle einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung kommt daher nicht in Betracht. Die Einreichung von Eignungsnachweisen bzw. deren Nachforderung vom „neuen“ Bieterunternehmen kann daher unter zeitlichen Gesichtspunkten nur bis dahin erfolgen, wie eine ordnungsgemäße Prüfung der Vergabestelle noch zugemutet werden kann. Dieser Zeitpunkt kann nicht pauschal festgelegt werden, sondern ist wiederum abhängig vom konkreten Nachweis selbst. Im Falle einer

109 

BayObLG NZBau 2000, 49, 51. Vgl. VK Bund, Beschl. v. 25. 03. 2003 – VK 1 – 11/03. 111  Völlink, in: Ziekow/Völlink, VergabeR, VOB/A § 10 Rn. 25. 110 

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

späteren Einreichung als drei (3) Werktagen vor Ende der Zuschlagsfrist sollte aber in der Regel von einer Unzumutbarkeit auszugehen sein.

V.  Bedeutung und Folgen für die Bewertung einzelner Eignungskriterien Je nach Art der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung und der durch sie erfolgten Änderungen auf Seiten des Bieters können die Auswirkungen auf die Eignung des Bieters vielfältig und einschneidend oder aber eher zu vernachlässigen sein. In jedem Fall müssen am Ende der Eignungsprüfung für das Unternehmen, welches das eingereichte Angebot aufrechterhalten und den Zuschlag für den Auftrag erhalten möchten, sämtliche erforderlichen Eignungsnachweise vorhanden sein, aussagekräftig sein und Gewähr für eine erfolgreiche Auftragsdurchführung bieten. Da die Auswahl der einzelnen Eignungsnachweise grundsätzlich im Ermessen des Aufraggebers liegt und insbesondere in Bezug auf den jeweiligen Auftrag abgefordert werden, kann im Folgenden lediglich beispielhaft auf die in der Regel geforderten Nachweise eingegangen werden. 1.  Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung Die „Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung“ (vgl. § 44 VgV) wird wie oben dargelegt in der Regel durch Vorlage entsprechender Eintragungen im Berufs- oder Handelsregister nachgewiesen. Weiter ist hierbei der Nachweis erforderlich, dass das Unternehmen über hinreichende Sachkenntnis und technische Fertigkeiten verfügt, die für die Durchführung der geforderten Leistung erforderlich sind. Hierbei wird auf die Kenntnisse der gesamten Belegschaft des Bieters bzw. jedenfalls auf diejenigen Mitarbeiter des Unternehmensteils abzustellen sein, welche mit der Durchführung des Auftrags betraut werden sollen.112 Als Nachweis dienen z. B. Zeugnisse über die üblichen Ausbildungswege (z. B. Diplom, Eintrag in die Handwerksrolle, Gesellenprüfung etc.). Unter Angaben im Berufsregister sind u. a. Eintragungen im Handelsregister und der Handwerksrolle oder in einem anderen berufsspezifischen Register gemeint. Der Nachweis wird durch Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung der der Industrie- und Handelskammer und eines Auszuges aus dem Handelsregister erbracht. Eintragungen im Handelsregister erfolgen im Rahmen einer Umstrukturierung – soweit diese für deren Wirksamkeit erforderlich sind (z. B. Verschmelzung, Spaltung, Rechtsformwechsel) – ohnehin. Die entsprechend neuen Handelsregis112 

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E.  Relevanz der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung

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terauszüge (ggf. inklusive der Eintragungsbenachrichtigung) sollten durch den Bieter der Vergabestelle zur Verfügung gestellt werden. Sollte die jeweilige gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung bereits zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet worden, die Eintragung aber noch nicht erfolgt sein, sollte zumindest die jeweils eingereichte Handelsregisteranmeldung vorgelegt werden. In Berufsregistern hingegen finden sich die persönlichen und beruflichen Daten der jeweiligen Mitglieder. Jede Ersteintragung und Änderung der beruflichen Verhältnisse eines Mitglieds oder der Struktur eines eingetragenen Unternehmens wird bei Erfassung im Berufsregister auf die Vereinbarkeit mit dem jeweiligen Berufsrecht überprüft. Da hierbei immer die persönlichen Fähigkeiten und konkreten Umstände eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter eine Rolle spielen, gelten entsprechend eingereichte Bescheinigungen nicht ohne weiteres auch für das übernehmende Unternehmen. Hier sollte bereits im Vorwege durch den Bieter Vorkehrungen getroffen werden und beispielsweise Rücksprache mit der Industrie und Handelskammer gehalten werden. Sofern aber das übertragende Unternehmen vollständig in dem übernehmenden Unternehmen aufgeht und die Geschäftstätigkeit unverändert fortgeführt werden soll, dürfte auch die Eintragung in einem Berufsregister reine Formalität sein. Soweit etwaige öffentlich-rechtliche Erlaubnisse auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen, kann sich dieser auf die entsprechend eingereichte Genehmigung des übertragenden Rechtsträgers und ursprünglichen Bieters stützen. Sollte dies nicht der Fall sein, muss der entsprechende Nachweis durch den übernehmenden Rechtsträger erneut eingereicht werden. Hinsichtlich der personenbezogenen Angaben (Zeugnisse, Diplome etc.) wird im Rahmen der Eignungsprüfung festzustellen sein, ob in Folge der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung wesentliche Betriebsteile oder Mitarbeiter den übernehmenden Rechtsträger verlassen haben oder durch weniger qualifizierte Mitarbeiter ausgetauscht wurden.113 Schwierigkeiten bestehen hierbei vor allem vor dem Hintergrund, dass beispielsweise bei einer Verschmelzung die Mitarbeiter des übertragenden Rechtsträgers über den erfolgten Betriebsübergang zu unterrichten sind und innerhalb von einem Monat zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt sind. Der übernehmende Rechtsträger als künftiger Bieter und damit letztlich auch der Auftraggeber hat daher (jdfs. theoretisch) keinerlei Sicherheit, ob die für die Auftragsdurchführung erforderlichen personellen Fachkräfte auch im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung noch zur Verfügung stehen, da diese jederzeit von dem ihnen zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch machen können. Hinzu kommt, dass die arbeitsrechtliche Gestaltung und Umsetzung der Informationspflicht nach § 613a BGB im Rahmen eines Betriebsübergangs nicht zu unterschätzen sind und im Falle eines Fehlers bei der Information an die Ar113 

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

beitnehmer die gesetzlich vorgesehene Kündigungsfrist nicht zu laufen beginnt. Durch eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung während eines laufenden Vergabeverfahrens, welche einen Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB mit den entsprechenden Informationspflichten und Rechtsfolgen auslöst, wird daher die Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung eines Bieters einem zusätzlichen Risiko ausgesetzt, welches weder vom öffentlichen Auftraggeber noch vom Bieter beherrschbar ist. 2.  Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit Der Bieter muss über die erforderlichen wirtschaftlichen und finanziellen Kapazitäten für die Ausführung des Auftrags verfügen. Zu diesem Zweck kann er insbesondere einen bestimmten Mindestjahresumsatz, Informationen über Bilanzen oder den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung verlangen. Zum Nachweis dieser Kriterien bieten sich gemäß § 45 Abs. 2 VgV insbesondere entsprechende Bankenerklärungen, Jahresabschlüsse sowie eine Bescheinigung der Berufshaftpflichtversicherung an. Mit einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung gehen in der Regel Veränderungen der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit einher. Angaben diesbezüglich sind daher in jedem Fall zu aktualisieren und dem Auftraggeber erneut mitzuteilen bzw. offenzulegen. Insbesondere kann durch einen Formwechsel oder einer sog. Mischumwandlung eine Änderung der Haftungsverfassung eintreten, welche aus Sicht des Auftraggebers durchaus relevant sein kann. Sämtliche derartigen Nachweise und Erklärungen sind daher erneut von dem übernehmenden Rechtsträger einzureichen. Etwaige Bankenerklärungen etc. sind in Bezug auf diesen neuen Bieter auszustellen. 3.  Technische und berufliche Leistungsfähigkeit Im Hinblick auf die „technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ kann der öffentliche Auftraggeber gemäß § 46 VgV solche Nachweise anfordern, die sicherstellen, dass dem Bieter die erforderlichen personellen und technischen Mittel sowie die notwendige Erfahrung zur Verfügung steht, um den ausgeschriebene Auftrag in einer angemessenen Qualität ausführen zu können. Als Beleg dienen nach § 46 Abs. 2 VgV insbesondere geeignete Referenzen über früher ausgeführte Projekte oder eine Beschreibung der technischen Ausrüstung und der Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Handelt es sich um komplexere Leistungen, können darüber hinaus Nachweise darüber erforderlich werden, dass die gleiche oder eine ähnliche Leistung bereits vertragsgemäß im Rahmen anderer Projekte erbracht worden ist.

E.  Relevanz der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung

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Vorausgesetzt der übertragende Rechtsträger geht vollständig in dem übernehmenden Rechtsträger auf, kann sich auch der neue Rechtsträger auf die von dem übertragenden Rechtsträger in der Vergangenheit erbrachten Leistungen berufen und diese als Nachweis für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit in Anspruch nehmen. Brechen hingegen maßgebliche Teile, insbesondere Fachkräfte im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung weg und stehen dem übernehmenden Rechtsträger nicht mehr zur Verfügung, kann dies nicht mehr gelten. Hier muss der neue Bieter dann mit entsprechenden eigenen Referenzprojekten seine Eignung nachweisen. Insoweit sei auch auf die Entscheidung des OLG Celle vom 11. 06. 2015 hingewiesen114, welches sich in Bezug auf einen Bieter, der nach Ausgliederung des hauptamtlichen Bereichs und Abspaltung aus der Konzernmuttergesellschaft entstanden war und seitdem – nach einem weiteren Formwechsel von einer GmbH in eine gGmbH die Aufgaben der ursprünglichen Rechtsperson wahrgenommen hat, wie folgt äußerte: „Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ein interner Umstrukturierungsprozess Auswirkungen auf den Inhalt der abgeschlossenen Verträge hatte oder zu Änderungen im sachlichen oder personellen ,know-how‘ geführt hätte.“

4.  Zuverlässigkeit (Ausschlussgründe nach §§ 123, 124 GWB) Die Zuverlässigkeit ist anhand der Organmitglieder des Bieterunternehmens zu beurteilen, welche für das Unternehmen handeln. Ihr Verhalten wird dem Unternehmen zugerechnet und muss daher hinreichend Gewähr dafür bieten, dass das Unternehmen in der Vergangenheit seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist und künftig eine einwandfreie Auftragsdurchführung erwarten lässt.115 Sofern im Zuge der Umstrukturierung keine Änderungen auf Ebene der Geschäftsführung stattgefunden haben, ist eine erneute Vorlage entsprechender Eignungsnachweise nicht erforderlich. Es genügt die bloße Information, dass die Geschäftsführungsebene von der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung unberührt blieb und sämtliche in Bezug auf diese eingereichten Informationen und Nachweise weiterhin aktuell sind. Wenn jedoch im Zuge der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung die Geschäftsführung ausgetauscht oder verändert wurde, sind für die neuen Geschäftsführer sämtliche erforderlichen Nachweise ebenfalls einzureichen. 114  OLG Celle, Beschl. v. 11. 06. 2015 – 13 Verg 4/15 mit Verweis auf OLG Frankfurt, Beschl. v. 05. 08. 2003 – 11 Verg 2/02 und ferner EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/06. 115  Vgl. OLG München, Beschl. v. 21. 04. 2006 – Verg 8/06; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15. 12. 2004 – VII-Verg 48/04; Müller-Wrede, in: Müller-Wrede, VOL/A § 7 EG; Bärwaldt/ Hasselbrink, ZIP 2013, 1889 (1892).

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

F.  Übertragbarkeit der Wertungen bei Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit (§ 132 GWB) Wie in 2. Teil, A. VII. dargestellt, sind personelle Änderungen auf Seiten des Auftragnehmers nach Abschluss des Vergabeverfahrens gesetzlich geregelt und können unter Umständen ohne Neuausschreibung des Auftrags vorgenommen werden. Fraglich ist daher, ob und inwiefern die für personelle Änderungen des Auftragnehmers in der Phase nach Abschluss des Vergabeverfahrens geltenden Regelungen und Wertungen auf die Situation einer gesellschaftsrechtlichen Änderung des Bieters vor Zuschlag, also während eines laufenden Vergabeverfahrens übertragen werden können.

I.  Keine analoge Anwendung des § 132 GWB auf gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen während des laufenden Vergabeverfahrens Zunächst ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 132 GWB ausschließlich die Konstellationen von Auftragsänderungen nach Vertragsschluss geregelt hat. Im Rahmen des § 132 GWB wurde nicht explizit geregelt, dass damit auch entsprechende Sachverhalte vor Beendigung des Vergabeverfahrens erfasst werden sollten. Eine direkte Anwendung der Vorschrift auf die Situation vor Vertragsschluss scheidet daher aus. Lässt man die von der Rechtsprechung vorgenommene Einordnung der Sachverhalte gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen vor erfolgtem Zuschlag unter das Nachverhandlungsverbot einmal außer Betracht, fehlt somit weiterhin eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Behandlung gesellschaftsrechtlicher Umstrukturierungen während eines laufenden Vergabeverfahrens. Man könnte insofern daran denken, den § 132 GWB auf die hier gegenständliche Fragestellung einer personellen Änderung des Bieters vor Zuschlag analog anzuwenden. Voraussetzung einer analogen Anwendung ist die Analogiefähigkeit der Norm und des Sachverhalts. Es muss eine planwidrige Regelungslücke bestehen und eine Vergleichbarkeit der Interessenlage gegeben sein. Analogiefähig sind alle Rechtsnormen, deren Tatbestandsmerkmale hinreichende, aber nicht notwendige Voraussetzungen der angeordneten Rechtsfolge sind.116 Mit einer Analogie wird der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm auf einen Sachverhalt erstreckt, der dem Tatbestand der existierenden Norm nicht 116 

Luther, JA 2013 449 (450).

F.  Übertragbarkeit der Wertungen bei Auftragsänderungen

189

entspricht, ihm aber ähnelt.117 Ziel des rechtlichen Instruments der analogen Anwendung ist es daher, einen ähnlichen Sachverhalt im Wege der Rechtsfortbildung unter den Tatbestand einer bestehenden Norm zu fassen, um dessen angeordnete Rechtsfolge zur Anwendung zu bringen.118 Der Tatbestand der Norm muss also auf „ähnliche Fälle“ erweitert werden können. Dies wäre nicht der Fall, wenn der Tatbestand den Anwendungsbereich der angeordneten Rechtsfolge abschließend beschreibt. Sofern umgekehrt der Gesetzgeber die Rechtsfolge auf die im Tatbestand beschriebenen Fälle beschränken wollte, kommt eine Analogie daher nicht in Betracht.119 Die Analogie ist demnach insgesamt nur dann zulässig, wenn anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber den betreffenden Sachverhalt bei vollständiger Tatsachenkenntnis und fehlerfreier Umsetzung seines Willens in den Tatbestand aufgenommen hätte.120 Die analoge Anwendung und damit Erstreckung des § 132 GWB auf personelle (oder andere) Änderungen vor Abschluss des Vergabeverfahrens scheitert nach hier vertretener Auffassung an der Analogiefähigkeit des Sachverhalts. Während man in der hier gegenständlichen Frage der personellen Änderungen vor und nach Zuschlag gegebenenfalls noch vertreten könnte, dass sich diese Sachverhalte ähneln und daher der Tatbestand des § 132 GWB auch auf Änderungen vor Zuschlag zu erstrecken wäre, macht die in § 132 GWB angeordnete Rechtsfolge der Pflicht zur Neuausschreibung in der Phase vor Zuschlagserteilung keinen Sinn. Eine Neuausschreibungspflicht bzw. ein Neubeginn des Vergabeverfahrens im Falle einer erfolgten, und zudem von einem Bieter veranlassten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung wäre aus Perspektive der übrigen Bieter völlig inakzeptabel und praxisfern. Neben einer Analogie auf Tatbestandsseite müsste man demnach darüber hinaus auch eine andere Rechtsfolge für diese Sachverhalte entwickeln, was nicht dem Sinn und Zweck einer analogen Rechtsanwendung entspricht, sondern weit über diese hinausgeht. Die (analoge) Anwendung des § 132 GWB auf Fälle von personellen Änderungen vor Zuschlagserteilung ist daher bereits mit den Grundgedanken bzw. der Funktion der juristischen Mittels der Analogie nicht vereinbar. Darüber hinaus kann bereits bezweifelt werden, ob überhaupt eine Regelungslücke besteht und, sofern sie besteht, ob diese planwidrig ist. Der Fragenkomplex von Änderungen der Angebote während eines Vergabeverfahrens ist bereits im Rahmen des Nachverhandlungsverbots geregelt. Inhaltliche Änderungen des Angebots, wozu auch die Vertragsparteien und damit die Bieter gezählt werden,

117 

Luther, JA 2013 449 (449). Vgl. Luther, JA 2013 449 (450). 119  Luther, JA 2013 449 (450). 120  Luther, JA 2013 449 (449). 118 

190

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

sind danach unstatthaft.121 Sofern man daher vertritt, dass auch Änderungen in der Person des Bieters grundsätzlich als Angebotsänderung anzusehen sind und damit unter das Nachverhandlungsverbot zu fassen wären, wäre der vorliegende Sachverhalt bereits gesetzlich geregelt und insoweit keine Regelungslücke vorhanden. Darüber hinaus ist vorliegend, nicht zuletzt aufgrund der Gesetzesbegründung zum § 132 GWB davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst und ausschließlich Vertragsänderungen während der Vertragslaufzeit zum Gegenstand der Regelung des § 132 GWB machen wollte. Selbst wenn man vorliegend daher von einer Regelungslücke im Hinblick auf gesellschaftsrechtliche Änderungen während eines Vergabeverfahrens ausgehen wollte, wäre diese Regelungslücke nicht planwidrig. Insgesamt scheidet eine analoge Anwendung des § 132 GWB auf die dieser Arbeit zugrundeliegende Fragestellung daher aus.

II.  Übertragbare Grundgedanken/Wertungen; Erst-recht-Schluss Auch wenn die Konstellation für die Bewertung der Zulässigkeit eines Auftragnehmerwechsels sich grundsätzlich von derjenigen eines Bieterwechsels während des laufenden Vergabeverfahrens unterscheidet und insofern insbesondere eine analoge Anwendung der Regelung des § 132 GWB ausscheidet, so können dennoch gewisse, dort erarbeitete und vom Gesetzgeber nun festgelegte Grundsätze auf die Situation der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen übertragen werden. Diese wären dann im Wege eines „Erst-Recht-Schlusses“ auf die Situation vor Vertragsschluss argumentativ anzuwenden. Sofern eine Änderung nach Vertragsschluss keine Neuausschreibungspflicht begründet, kann sie während des Vergabeverfahrens erst recht nicht zu einem Ausschluss vom weiteren Vergabeverfahren führen. Nach der hier vertretenen Ansicht können die nachfolgend näher dargestellten Aspekte und Grundgedanken des § 132 GWB für die Beurteilung einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung während eines laufenden Vergabeverfahrens fruchtbar gemacht werden.

121 

Siehe hierzu oben unter 2. Teil, A. VI.

F.  Übertragbarkeit der Wertungen bei Auftragsänderungen

191

1.  Berücksichtigung von personellen Änderungen des Bieters/ Auftragnehmers in Ausschreibungsunterlagen § 132 GWB sowie der zugehörige Art. 72 Abs. 1 d) VRL geht von der Zulässigkeit eines Auftragnehmerwechsels ohne Neuausschreibungspflicht aus, wenn dieser aufgrund einer Überprüfungsklausel oder Option bereits in den ursprünglichen Vergabeunterlagen vorgesehen war. Ist der Wechsel des Vertragspartners jedoch nicht bereits im Vergabeverfahren bekannt gegeben worden und im geschlossenen Vertrag selbst angelegt, so ist dementgegen auch ein ausschreibungspflichtiger öffentlicher Auftrag anzunehmen.122 In den Auftragsunterlagen müssen daher für alle Beteiligten nachprüfbare Bedingungen formuliert worden sein, unter denen der Austausch des Vertragspartners möglich und zulässig sein kann. Ziel dieser Vorgabe ist es, dass eine solche Veränderung transparent und überprüfbar antizipiert wird und insbesondere sichergestellt wird, dass der neu eintretende Auftragnehmer kein Risiko für die ordnungsgemäße Auftragserfüllung darstellt. Eine aus dem Transparenzgrundsatz folgende entsprechende Voraussetzung hat auch bereits das OLG Düsseldorf im Falle einer Verschmelzung während des laufenden Vergabeverfahrens im Jahr 2006 aufgestellt, wobei diese allerdings zu Lasten des am Vergabeverfahren teilnehmenden Bieters festgelegt wurde. 123 Der jeweilige Bieter sei demnach dazu aufgefordert, im Rahmen seiner Informationspflicht während des Vergabeverfahrens schriftlich auf eine anstehende und beabsichtigte gesellschaftsrechtliche Veränderung hinzuweisen. Der Bieter solle, so das OLG Düsseldorf, im Falle einer bevorstehenden gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung diese bei Angebotsabgabe bereits ankündigen und insoweit alle für die Auftragsvergabe wesentlichen Punkte dem Auftraggeber offenlegen. Wenn also unter Wahrung des Grundsatzes der Transparenz ein Auftragnehmerwechsel nach erfolgtem Zuschlag möglich ist, ohne eine Neuausschreibungspflicht zu begründen, muss dies erst recht auch für solche Änderungen in der Person des Bieters gelten, die vollumfänglich durch den Beteiligten Bieter angekündigt und offengelegt wurden und für alle Beteiligten, insbesondere den öffentlichen Auftraggeber überprüfbare Informationen im Hinblick auf sämtliche auftragsrelevanten Parameter enthalten. 2.  Zulässigkeit rein bieterinterner Vorgänge Eine Auswechslung des Auftragnehmers ist nach den gemäß § 132 GWB geltenden Grundsätzen nunmehr auch dann ohne Neuaschreibungspflicht möglich, 122 Hüttinger, in: Burgi/Dreher, GWB § 132, Rn. 26; vgl. OLG München, Urt. v. 31. 08. 2008 – Verg 5/08. 123  OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 10. 2006 – VII-Verg 30/06.

192

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

wenn diese auf Grundlage einer rein internen Unternehmensumstrukturierung erfolgt.124 So hat der EuGH die Übertragung des Auftrags auf eine 100%ige Tochtergesellschaft, der gegenüber ein Weisungsrecht des ursprünglichen Auftragnehmers besteht und zwischen beiden Gesellschaften ein Gewinn- und Verlustabführungsvertrag abgeschlossen war, als interne Neuorganisation betrachtet.125 Unter Fortführung dieses Gedankens wird in der Literatur vertreten, dass rein konzerninterne Vorgänge wie beispielsweise die Übertragung des Auftrags von der Konzerntochter auf die Konzernmutter einen rein internen Organisationsakt darstellen, der ebenfalls keiner Neuausschreibungspflicht unterfällt.126 Die Veräußerung aller Gesellschaftsanteile an einen Dritten, stellt nach Auffassung des EuGH hingegen eine Änderung des Vertragspartners und damit eine Änderung wesentlicher Vertragsbestimmungen dar.127 Dieser Auffassung wird in der Literatur teilweise entgegengetreten.128 So sei nicht nachvollziehbar, warum ein zufälliges Auftreten von eigentlich nicht vergaberechtsrelevanten Vorgängen konzerninterner Reorganisation sowie der Anteilsveräußerung während der Vertragslaufzeit eine Neuausschreibungspflicht begründen soll. Diese sei nur dort geboten, wo eine Umgehung des Vergaberechts beabsichtigt ist. Vor diesem Hintergrund sind „bieterinterne Vorgänge“ nach einer wohl sehr restriktiven Interpretation der Rechtsprechung und Literatur jedenfalls solche Umstrukturierungen, an denen die gleichen handelnden (und im Rahmen des Vergabeverfahrens geprüften) Personen beteiligt sind und jedenfalls (noch) maßgeblichen Einfluss auf den „neuen“ Bieter/Auftragnehmer ausüben. Sobald Dritte, also bisher gesellschaftsfremde Personen an einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung beteiligt sind, wäre dieser Vorgang wohl nicht mehr als rein „bieterintern“ im Sinne des § 132 GWB zu qualifizieren. Rein interne gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen sind daher unter Berufung auf § 132 GWB erst recht auch während eines laufenden Vergabeverfahrens vergaberechtlich zulässig, wobei als „interne Umstrukturierung“ in diesem Sinne ausschließlich solche Sachverhalte angesehen werden können, an denen keine gesellschafts- und oder konzernfremden Dritten beteiligt sind.

124 

Hüttinger, in: Burgi/Dreher, GWB § 132, Rn. 10, 27. EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – „Pressetext“; vgl. auch VK Bund, Beschl. v. 26. 02. 2016 zur Vertragsübernahme durch eine Schwestergesellschaft. 126  Vgl. Hüttinger, in: Burgi/Dreher, GWB § 132, Rn. 27 mit Verweis auf Müller-Wrede/Kaelble, in: Müller-Wrede GWB § 99 Rn. 50 und Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/Portz/ Prieß, GWB § 99 Rn. 298. 127  EuGH, Urt. v. 19. 06. 2008 – C-454/ 06 – „Pressetext“. 128  Vgl. Hüttinger, in: Burgi/Dreher, GWB § 132 Rn. 29 m. w. N. 125 

G.  Verbleibende Risiken und Grenzen für die Beurteilung

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3.  Erfüllung der Eignungsanforderungen durch „neues“ Unternehmen; keine weiteren wesentlichen Änderungen Unabhängig davon, ob der Auftragnehmerwechsel bereits in den Vergabeunterlagen vorgesehen bzw. im Vertrag selbst angelegt war oder es sich um einen rein bieterinternen Vorgang einer Unternehmensumstrukturierung handelt, darf die Auswechslung des Auftragnehmers im Übrigen keine weiteren wesentlichen Änderungen des Auftrags zur Folge haben und nicht der Umgehung des Vergaberechts dienen. Der „neue“ Auftragnehmer muss daher die an die sonstigen (ehemaligen) Mitbewerber gestellten Mindestanforderungen ebenso erfüllen wie der im Rahmen des Vergabeverfahrens ausgewählte Auftragnehmer. Im Zweifel muss also auch bei längst abgeschlossenen Vergabeverfahren während der sog. Ausführungsphase erneut eine Eignungsprüfung durchgeführt werden und die Eignung des neu eintretenden Auftragnehmers positiv festgestellt werden. Sind die Eignungsanforderungen erfüllt und liegen im Übrigen auch keine wesentlichen Änderungen des Auftrags vor, bedarf es keiner Neuausschreibung des jeweiligen Auftrags. Entsprechendes muss dann erst recht auch für einen während eines laufenden Vergabeverfahrens an die Stelle des bisherigen Teilnehmers tretenden neuen Bieter gelten. Aus den o.g. Wertungen folgt für die Situation vor Zuschlag, dass der eintretende Bieter alle erforderlichen Eignungsnachweise vorlegen und sich auch ansonsten vollumfänglich an den Ausschreibungsbedingungen messen lassen muss. Im Sinne der geltenden Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz darf es beispielsweise nicht durch Verlängerung von Fristen oder der Änderung sonstiger Verfahrensregelungen zu einer Bevorzugung des eintretenden Bieters kommen. Sind diese Bedingungen gewahrt, darf ein Bieter bzw. sein Angebot vor dem Hintergrund des Rechtsgedankens des § 132 GWB auch nicht vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

G.  Verbleibende Risiken und Grenzen für die Beurteilung Im Laufe dieser Arbeit wurde ausführlich dargelegt, dass ein pauschaler Ausschluss eines Bieters bzw. seines Angebots nach einer erfolgten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung vergaberechtlich nicht geboten ist und auch nicht zwingend im Interesse der Vergabestelle bzw. des öffentlichen Auftraggebers ist. Vielmehr hat eine genaue Beurteilung des Sachverhalts im Einzelfall zu erfolgen. Im Rahmen dessen ist unter Abwägung der betroffenen Interessen und unter Zugrundelegung der geltenden gesellschafts-, umwandlungs- und vergaberechtlichen Grundprinzipien zu prüfen, ob das Angebot des betreffenden Bieters auch von dem gesellschaftsrechtlich veränderten Rechtsträger weiterhin aufrechterhalten werden kann.

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3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

Diesem grundsätzlich sehr flexiblen, am beiderseitigen Interesse der Beteiligten orientierten Lösungsansatz für das durchaus komplexe Problem sind gleichwohl (praktische) Grenzen gesetzt, welche im Zweifel zu einem Ausschluss des Angebots vom weiteren Vergabeverfahren führen müssen, obwohl die Voraussetzungen einer weiteren Teilnahme am Vergabeverfahren nach den in dieser Arbeit dargelegten Maßstäben und Argumenten eigentlich möglich wäre. Auf diese praktischen Grenzen und Erwägungen soll im Folgenden kurz eingegangen werden.

I.  Der Faktor Zeit Vor dem Hintergrund der Fristengebundenheit eines Vergabeverfahrens kann eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung zeitlich nur bis zu einem bestimmten Punkt im Vergabeverfahren berücksichtigt werden. Dem öffentlichen Auftraggeber muss es noch möglich sein, im Rahmen der vorab gesetzten Fristen, insbesondere innerhalb der Zuschlagsfrist die veränderten Umstände in Bezug auf das betreffende Unternehmen ausreichend zu prüfen und unter zumutbaren Gesichtspunkten zu würdigen. Sollte dies nicht möglich sein, ist das betreffende Unternehmen vom Vergabeverfahren auszuschließen. Vor dem Hintergrund, dass diese Prüfung je nach Einzelfall durchaus komplex und umfangreich ausfallen kann, sollten Bieter hier mit größtmöglicher Sorgfalt und Eigeninitiative sämtliche erforderlichen Informationen unverzüglich zur Verfügung stellen.

II.  Verlust personeller Fachkompetenz Eine weitere Unsicherheit besteht im Hinblick auf solche gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen, welche arbeitsrechtlich zu einem Wechsel des Arbeitgebers führen und damit die Rechtsfolgen des § 613a BGB auslösen. Mit Zugang der nach § 613a BGB vom Arbeitgeber an seine Arbeitnehmer mitzuteilenden Informationen besteht ein einmonatiges Widerrufsrecht der Arbeitnehmer. Sofern der alte Arbeitgeber noch vorhanden ist, bleiben die dem Betriebsübergang widersprechenden Arbeitnehmer weiterhin Angestellte dieser Gesellschaft und wechseln nicht zu der neuen Gesellschaft. Dort, wo der alte Arbeitgeber verschwindet, also beispielsweise bei Verschmelzungen erlischt, tritt an die Stelle des Widerspruchsrechts nach § 613a BGB ein Kündigungsrecht für die Arbeitnehmer. Auch dieses kann binnen eines Monats ab Zugang des ordnungsgemäßen Informationsschreibens erklärt werden. Da die Informationspflicht in der Regel erst nach erfolgtem Betriebsübergang, also meistens am Tag der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister erfolgt, besteht – vorbehaltlich die Information erfolgt ordnungsgemäß – eine mindestens einmonatige Phase, in der weder der

G.  Verbleibende Risiken und Grenzen für die Beurteilung

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entsprechende Bieter, noch die Vergabestelle beurteilen kann, ob der Bieter die erforderlichen personellen Ressourcen für eine erfolgreiche Auftragsdurchführung hat. Sind mit der Auftragsdurchführung besondere fachliche Fähigkeiten verbunden, die an eine oder mehrere bestimmte Personen des Bieters geknüpft sind, wiegt dieses Risiko entsprechend schwerer. Fraglich ist insofern, welche Folgen dieses unbeherrschbare Risiko für die Beurteilung eines Ausschlusses des Angebots hat. Strenggenommen kann der Bieter – jedenfalls nicht unter Bezugnahme auf vorhandenes Personal – nicht mit hinreichender Sicherheit garantieren, dass ihm die erforderlichen personellen Ressourcen und das erforderliche personelle know-how im Zeitpunkt der Auftragsdurchführung noch zur Verfügung stehen. Die Vergabestelle könnte daher von einer Zuschlagserteilung unter Anwendung des § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV absehen. Andererseits gibt es eine hundertprozentige Sicherheit, dass bestimmte personelle Kapazitäten, sowohl in quantitativer, als auch qualitativer Hinsicht im Zeitpunkt der Auftragsdurchführung noch so vorhanden sind, wie dies im Zeitpunkt der Bewerbung um einen Auftrag der Fall war, nie. Es besteht unabhängig von einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung jederzeit die Möglichkeit, dass ein wichtiger Arbeitnehmer oder ein Mitglied der Geschäftsführung das Unternehmen verlässt und dem Bieter im Falle der Auftragserteilung nicht (mehr) zur Verfügung steht. Es kann daher allenfalls vertreten werden, dass eine gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung ein ohnehin vorhandenes Risiko erhöht. Dies kann nach hier vertretener Meinung aber nicht per se einen Ausschluss des Angebots vom weiteren Vergabeverfahren rechtfertigen. Darüber hinaus kann sich der Bieter aber auch dahingehend absichern, als er sich auf die personellen und fachlichen Kapazitäten dritter Unternehmen beruft und mit entsprechenden Verpflichtungserklärungen der Vergabestelle eine Zugriffsmöglichkeit auf diese nachweist. Auf diese Weise würde der Bieter weniger von der Ungewissheit der Entscheidungen seiner Angestellten abhängig sein.

III.  Hinzugewinn von personeller und technischer Qualität Letztlich ist im Hinblick auf den Wettbewerbsgrundsatz von Bedeutung, inwieweit die gesellschaftsrechtlichen Veränderungen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeitsbewertung des Angebots haben. Es ist beispielsweise durchaus möglich, dass ein Bieter im Rahmen einer Verschmelzung kompetentes Personal hinzugewinnt, welches im Rahmen der Zuschlagskriterien zu berücksichtigen wäre und damit zu einer Verbesserung des Bieters bei der Angebotswertung führt. In diesem Fall würde die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung unmittelbar

196

3. Teil: Vergaberechtliche Würdigung

in den Wettbewerb eingreifen. Ein solche, durch die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung erfolgende Verbesserung im Rahmen der Wertung des Angebots muss nach hier vertretener Auffassung unberücksichtigt bleiben. Andernfalls würde die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung tatsächlich eine Möglichkeit darstellen, (manipulativ) die Chancen für die Erteilung des Auftrags nachträglich zu beeinflussen.

4. Teil

Zusammenfassung und Schluss 4. Teil: Zusammenfassung und Schluss 4. Teil: Zusammenfassung und Schluss

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde ausführlich dargelegt, dass ein pauschaler Ausschluss eines Bieters bzw. seines Angebots nach einer erfolgten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung vergaberechtlich nicht geboten ist. Die geltenden Prinzipien des Gesellschafts- und Umwandlungsrechts ermöglichen vielmehr eine flexible und interessenorientierte Behandlung der vergaberechtlichen Problemstellungen im Falle von gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen und damit verbundenen Veränderungen in der Person des Bieters während eines laufenden Vergabeverfahrens. Neben eines (im Rahmen des zumutbaren) erforderlichen zusätzlichen Prüfungsaufwands der Vergabestelle, obliegt es hierbei insbesondere den „das Unheil verursachenden“ Bietern, einen größtmöglichen Aufklärungsaufwand zu betreiben und den anstehenden Umstrukturierungsprozess für den öffentlichen Auftraggeber – sowie im Hinblick auf eine mögliche Nachprüfbarkeit auch für die Mitbewerber – umfassend transparent zu gestalten bzw. darzulegen. Zusammenfassend lässt sich daher folgendes Ergebnis festhalten: – Nicht jede gesellschaftsrechtliche Änderung in der Person des Bieters in der Phase zwischen Ablauf der Angebotsfrist und vor Zuschlag hat zwingend den Ausschluss des Angebots bzw. des Bieters vom weiteren Vergabeverfahren zur Folge. Ein pauschaler Angebotsausschluss, wie er von der Rechtsprechung z. B. bei Verschmelzungen im Rahmen von offenen und nicht offenen Verfahren gefordert und praktiziert wird, ist unangemessen. Der Ausschluss ist weder pauschal aufgrund einer ggf. eintretenden „Änderung in der Person des Bieters“, eines damit einhergehenden „Zustands völliger Intransparenz“ noch durch etwaige (vermutete) Einschnitte bei der Eignung zu rechtfertigen. – Im Falle einer personellen Änderung in Folge einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung während eines Vergabeverfahrens ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob hierdurch ein Wechsel in der Identität des Bieters eingetreten ist („identitätsändernde Umstrukturierung“) oder ob die Änderung unter Wahrung der Identität des Bieters erfolgt („identitätswahrende Umstrukturierung“). „Identitätswahrende Umstrukturierungen“ sind vergaberechtlich – vorbehaltlich eignungsrelevanter Umstände – stets unbeachtlich. Bei „identitätsändernden Umstrukturierungen“ bedarf es zusätzlicher Prüfungsschritte, insbesondere ergeben sich hier Mitwirkungspflichten des betreffenden Bieterunternehmens.

198

4. Teil: Zusammenfassung und Schluss

– Die Abgrenzung zwischen einer identitätswahrenden und einer „identitätsändernden Umstrukturierung“ hat auf Grundlage einer materiellen Betrachtungsweise zu erfolgen, wobei die Besonderheiten des konkreten Umstrukturierungsvorgangs sowie insbesondere die gesellschafts- und umwandlungsrechtlich bestehenden Grundprinzipien und angeordneten Rechtsfolgen umfassend zu berücksichtigen sind. Maßgebliche Abgrenzungskriterien sind je nach Einzelfall insbesondere, • welche Personen (juristische und/oder natürliche Personen) am Umstrukturierungsvorgang beteiligt sind und • ob es im Rahmen der Umstrukturierung zu einer für den Auftrag relevanten Vermögensübertragung gekommen ist. – Als „identitätswahrende Umstrukturierungen“ sind insbesondere folgende gesellschaftsrechtlichen Vorgänge einzuordnen: • bloße Umfirmierungen • Rechtsformwechsel • reine Share Deals • Abspaltungen, bei denen der ursprüngliche Rechtsträger als Bieter erhalten bleibt und weiterhin uneingeschränkt auf auftragsrelevanten Betriebsmittel Einschließlich der personellen Ressourcen) zugreifen kann; • konzerninterne Umstrukturierungsvorgänge, bei denen der Rechtsnachfolger die gleichen Beteiligungsverhältnisse (Gesellschafter- und Anteilsverhältnis) aufweist; – Sofern eine Änderung in der Person des Auftragnehmers nach Abschluss des Vergabeverfahrens in der Ausführungsphase nach den Maßstäben des § 132 GWB ohne Pflicht zur Neuausschreibung erfolgen kann, muss der entsprechende Vorgang während eines Vergabeverfahrens erst recht zulässig sein, ohne einen Ausschluss vom Vergabeverfahren befürchten zu müssen. Diese Änderungen sind nach vorliegender Auffassung als „identitätswahrende Änderungen“ zu qualifizieren. – „Identitätsändernde Umstrukturierungen“ können dann während eines Vergabeverfahrens vollzogen werden, ohne einen Ausschluss des Angebots befürchten zu müssen, wenn diese • bereits mit Angebotsabgabe angekündigt wurden, • etwaige Vermögensübertragungen im Rahmen der Umstrukturierung im Wege der Gesamt- bzw. – sofern auftragsrelevante Vermögensmassen betroffen sind – jedenfalls im Wege der Teilrechtsnachfolge vollzogen werden und

4. Teil: Zusammenfassung und Schluss

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• der Bieter den Auftraggeber unaufgefordert über alle Entwicklungen mit Auftragsrelevanz informiert. – Unabhängig davon, ob die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung „identitätswahrend“ oder „identitätsändernd“ einzuordnen ist, sind immer deren Auswirkungen auf die eignungsrelevanten Parameter zu überprüfen. Hinsichtlich der Eignungsprüfung steht der Vergabestelle ein Beurteilungs- und Ermessenspielraum zu. D.h. diese kann sowohl über das „Ob“ als auch über das „Wie“ einer erneuten Eignungsprüfung unter Ausübung pflichtgemäßem Ermessen entscheiden und nach einer erfolgten Änderung in der Person des Bieters erneut in die Eignungsprüfung einsteigen. Im Falle einer erneuten Eignungsprüfung ist durch die Vergabestelle zunächst zu prüfen, ob vorhandene Eignungsnachweise – gegebenenfalls durch Erläuterungen und Aufklärungen des Bieters – aufrechterhalten werden können. Ist dies nicht der Fall, kann der öffentliche Auftraggeber nach eigenem Ermessen fehlende Nachweise und Erklärungen des „neuen“ Bieters nachfordern. Der Bieter hat grundsätzlich die Möglichkeit proaktiv die jeweiligen Nachweise zu korrigieren bzw. nachzureichen. – Die Möglichkeit zur Nachforderung und erneuten Eignungsprüfung kann jedoch nur so lange gelten, wie eine entsprechende Prüfung unter zumutbaren Umständen bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist noch möglich. Eine Pflicht zur Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist wegen einer Änderung in der Person des Bieters besteht nicht. – Eine Verbesserung des Bieters in Folge einer gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung im Rahmen der Wertung seines Angebots muss unberücksichtigt bleiben.

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Sachwortverzeichnis Sachwortverzeichnis

Angebotsfrist  20, 148, 166 f., 197

Fusionskontrolle  121, 141 f.

Anwachsung  103, 104 f., 145, 150, 159 ff., 178

gemischtwirtschaftliche Unternehmen  28

Asset Deal  68, 100 ff. Auftragsänderung 

25, 58 ff., 188 ff.

Ausschluss von Angeboten/Unternehmen – zwingend 

30, 31, 40 ff., 187, 197

– fakultativ  41 f. Bietergemeinschaft  Bieteridentität 

24 f.

146 ff., 162, 177

– formelle und materielle  151 ff. Eigenerklärung (Einheitliche Europäische Eigenerklärung)  45 ff., 52, 181 Eignung  23, 42 ff., 146 ff., 154, 156 ff., 161 ff., 165 ff., 173 ff. 180 ff., 197, 199 Eignungskriterien 

42 f., 44 ff., 184 ff.

– Befähigung und Erlaubnis zur Berufsausübung  43, 47, 161, 184 ff. – technische und berufliche Leistungsfähigkeit  48, 161, 186 f. – wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit  43 ff., 161, 173, 186 Eignungsnachweise  23, 45 ff., 50 ff., 180 ff., 187, 193, 199 – Mindestanforderungen  44 ff., 192 – Präqualifizierungssystem  46 Eignungsprüfung  23, 38, 42 ff., 48 ff., 53 ff., 146 ff., 156 ff., 162, 173 f., 180 ff., 199 Essentialia negotii  171 ff. Formwechsel  68, 97, 100, 102, 103, 107 ff., 136 ff., 145, 149 ff., 177, 178, 184, 186 ff., 198

Identitätsgrundsatz  Inhouse Vergabe 

139 ff.

26 ff.

interkommunale Kooperation 

26 ff.

Kontinuität  63, 94, 128, 147. 148 ff., 158, 160 ff., 178 – Kontinuitätsproblem  159 ff.

147, 150,

– Diskontinuität  94, 149, 158 ff., 162, 178 – Zurechnungskontinuität 

148, 149

Nachverhandlungsverbot  23, 30, 37, 38, 40, 56 ff., 147, 167, 169 ff., 173 ff., 188 ff. Option  64 ff. Rechtsnachfolge/r  68, 82, 85, 88, 102 ff., 126, 128 f., 134 ff., 139, 144, 150, 154, 156, 158, 159 ff., 166, 178, 198 – Einzelrechtsnachfolge  106 ff.

103, 104,

– Gesamtrechtsnachfolge  85, 88, 102, 103, 107, 109 ff., 126, 134, 135, 139, 150, 155, 158, 159 ff., 166, 178 – Sonderrechtsnachfolge  128 f. – Teilrechtsnachfolge 

102, 103,

68, 198

Spaltung  68, 73, 97, 100, 102, 103, 108, 109, 112, 113, 124, 128 ff., 153 ff., 184, 187, 198

Sachwortverzeichnis

207

– Abspaltung  97, 103, 108, 109, 112, 113, 129 ff., 153 ff., 187, 198

– Wettbewerbsgrundsatz  35 ff., 163 ff., 179, 195

– Aufspaltung  128 ff.

Vergabeverfahren 

97, 103, 109, 112, 113,

22, 23,

36 ff., 55, 169

– nicht offenes Verfahren  38, 55, 169

– Ausgliederung  97, 103, 108, 109, 112, 129 ff., 187

– offenes Verfahren  37 f., 55, 169

Überprüfungsklausel 

Vermögensübertragung  98, 102, 103, 106 ff., 122, 126, 135 ff., 145, 150, 158 ff., 198

Umstrukturierung 

64 ff., 190

67 ff., 96 ff.

– identitätsändernde  197 ff.

30, 155 ff.,

– identitätswahrende  30, 100, 146, 148 ff., 155 ff., 197 ff. Universalsukzession 

110 ff.

Vergabegrundsätze  22, 30, 34 ff., 147 ff. – Gleichbehandlungsgrundsatz  35, 45, 165 ff. – Transparenzgrundsatz  31, 36, 167 ff., 191

– Verhandlungsverfahren 

39, 50, 55

Verschmelzung  67 f., 97, 100, 102 f., 108 f., 111 ff., 119 ff., 150, 153, 158, 159, 163, 178, 181, 197 wesentliche Vertragsänderung 

62 ff.

wesentliche Vertragsbestandteile siehe essentialia negotii Zuverlässigkeit 

41, 43, 51, 187 ff.