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German Pages 354 Year 1994
AXEL SCHREIER
Die Auswirkungen des EG-Rechts auf die deutsche Abfallwirtschaft
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Mi c h a e I Klo e p fe r, Berlin
Band 51
Die Auswirkungen des EG-Rechts auf die deutsche Abfallwirtschaft Umsetzungsdefizite und gesetzgeberischer Handlungsbedarf
Von
Axel Schreier
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Schreier, Axel: Die Auswirkungen des EG-Rechts auf die deutsche Abfallwirtschaft : Umsetzungsdefizite und gesetzgeberischer Handlungsbedarf / von Axel Schreier. Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Schriften zum Umweltrecht ; Bd. 51) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1994 ISBN 3-428-08185-4
NE:GT
D 188 Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-08185-4 Gedruckt auf aIterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANS I-Norm für Bibliotheken
Meinen Eltern Sarah und Helmut
Vorwort
Die Arbeit lag der juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin im Wintersemester 1993/94 als Dissertation vor. Neuerschienene Literatur konnte in den Fußnoten noch bis einschließlich April 1994 berücksichtigt werden. Auf die durch das im Herbst 1996 in Kraft tretende Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz bedingten wesentlichen Änderungen der geltenden Rechtslage wird ebenfalls in den Fußnoten hingewiesen (vgl. vor allem Einleitung, Fußnote 24). Ich danke meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Franz-Joseph Peine, für die Betreuung der Arbeit und die Erstellung des Erstgutachtens sowie Herrn Professor Dr. Philip Kunig für die Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Christoph Windus möchte ich für wertvolle Hilfe bei Beschaffung der Gesetzesmaterialien danken. Dank auch Herrn Referendar Timothy B. Krüger für zahlreiche anregende Gespräche, die den Fortgang der Arbeit wesentlich gefördert haben. Herrn Professor Dr. Michael Kloepfer und dem Verlag Duncker & Humblot, Berlin, danke ich für die freundliche Aufnahme der Arbeit in die Reihe Schriften zum Umweltrecht. Schließlich möchte ich meiner Mutter, Frau Sarah Schreier, für das Erstellen der Druckvorlage herzlich danken. Berlin, im August 1994
Axel Schreier
Inhaltsverzeichnis Einleitung Inhalt und Ziel der Untersuchung
21
1. Kapitel Einführung in den Problemkreis
29
A. Entwicklung und Ziele des europäischen Abfallrechts ................................ 29 B. Sonderproblem: Die Rechtsgrundlage der Rechtsakte der Gemeinschaft ............ 34 C. Entwicklung und Ziele des deutschen Abfallrechts ..................................... 38
2. Kapitel Dogmatische Grundlagen der Richtlinien des EG-Rechts
40
A. Funktion und Bedeutung der Richtlinie in der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften ............................................................................... 40 I. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien .............................................. .41 11. Konsequenzen rechtswidrigen innerstaatlichen Rechts ............................ 42 B. Die Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien durch die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des EuGH ..................................................... .45 I. Die Anforderungen im einzelnen ..................................................... .45 11. Richtlinienkonforme Auslegung ...................................................... .47 III. Gemeinschaftswidriges Gemeinschaftsrecht.. ....................................... 50
3. Kapitel Grundprinzipien und Begriffiichkeiten des europäischen und des deutschen Abfallrechts
53
A. Grundprinzipien des europäischen Abfallrechts und ihre Umsetzung durch das deutsche Abfallrecht ......................................................................... 53 I. Das Gebot der Abfallvermeidung ..................................................... 53 1. "Status" der Abfallvermeidung ...................................................... 53 2. Prioritätenfolge ........................................................................ 55 3. Ergebnis ................................................................................ 56 11. Das Gebot der Abfallverwertung ...................................................... 56 1. Das Abfallverwertungsgebot im europäischen Recht ............................ 56
10
Inhaltsverzeichnis 2. Das Abfallverwertungsgebot nach deutschem Recht ............................. 57 III. "Umwelt"- bzw. "Gemeinwohlverträglichkeit" der Abfallentsorgung .......... 57 1. Das europarechtliche Gesundheits- und Umweltverträglichkeitsgebot ........ 58 a) "Gefährdung" ...................................................................... 59 b) "Belästigung" ....................................................................... 60 c) "Beeinträchtigung" ................................................................ 60 d) "Schädigung" ....................................................................... 61 2. Das Gebot der Gemeinwohlverträglichkeit der Abfallentsorgung im deutschen Abfallrecht ..................................................................... 61 a) Prinzipieller Vorrang der Umweltbelange? .................................... 62 b) Die Schutzgüter im einzelnen .................................................... 63 aa) Gesundheitsgefahr ............................................................ 63 bb) Gefährdung von Wasser, Luft, Boden, Tier- und Pflanzenwelt ...... 64 cc) Verursachung von Geräusch- und Geruchsbelästigungen .............. 66 dd) Beeinträchtigung von Umgebung und Landschaftsbild ................. 66 3. Kritik .................................................................................... 66 IV. Ergebnis ................................................................................... 68
B. Begrifflichkeiten des Abfallrechts ......................................................... 68 I. Die Begriffe "Entsorgung" bzw. "Beseitigung und Verwertung" ................ 68 11. Der Abfallbegriff ........................................................................ 69 1. Der Abfallbegriff des Gemeinschaftsrechts ....................................... 70 a) Der Abfallbegriff der Richtlinie 75/442IEWG ................................ 70 aa) "Stoffe oder Gegenstände" .................................................. 70 bb) "Besitzer" des Abfalls ....................................................... 71 cc) Objektive Elemente des europarechtlichen Abfallbegriffs ............. 72 dd) Subjektive Elemente des europarechtlichen Abfallbegriffs ............ 73 b) Der Abfallbegriff der RL 91/6891EWG ....................................... 77 c) Der Abfallbegriff der RL 781176IEWG ....................................... 78 d) Die Abfallbegriffe der RL 75/4391EWG und der RL 76/403/EWG ...... 79 e) Der Abfallbegriff der übrigen Richtlinien ..................................... 80 t) Vom europäischen Abfallbegriff ausgenommene Stoffe und Gegenstände ............................................................................... 80 aa) Auslegung des Begriffs "Bodenschätze" .................................. 81 bb) Abgrenzung der Begriffe "Abwässer"l"flüssige Abfälle" ............. 82 g) Ergebnis ............................................................................. 84 2. Der Abfallbegriff des deutschen Abfallrechts .................................... 84 a) Der Sachbegriff des § 1 Abs. 1 S. 1 AbfG .................................... 85 aa) Die §§ 10 f. AbfG als Rechtsgrundlage ................................... 88 bb) Regelungen in den Landesabfallgesetzen ................................. 88 cc) Regelungen im WHG ........................................................ 89 dd) Regelungen im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht .............. 89 ee) Bedenken bezüglich des Umfangs der Verantwortlichkeit ............. 95 ft) Ergebnis ........................................................................ 97 b) Abfallbesitzer i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 AbfG ................................... 98 c) Das subjektive Element des Abfallbegriffs nach dem AbfG .............. 100 d) Das objektive Element des Abfallbegriffs des deutschen Abfallrechts .. 104
Inhaltsverzeichnis
e) Umsetzung des Begriffs "gefährliche Abfälle" der RL 911689/EWG über gefährliche Abfälle ....................................................... t) Umsetzung des Abfallbegriffs der RL 781176IEWG über Abfälle aus der Titandioxid-Produktion .................................................... g) Umsetzung des Abfallbegriffs der RL 76/403/EWG (PCB- und PCTRichtlinie) ........................................................................ h) Umsetzung des Altölbegriffs der RL 75/4391EWG über Altölbeseitigung ............................................................................. i) Ausnahmeregelungen des Abfallrechts für bestimmte Stoffe und ihre Vereinbarkeit mit den europarechtlichen Vorgaben....................... aa) § 1 Abs. 3 Nr. 1 AbfG .................................................... bb) § 1 Abs. 3 Nr. 2 AbfG (Radioaktive Abfälle) ......................... cc) § 1 Abs. 3 Nr. 3 AbfG (Bergbauabfälle) ............................... dd) § 1 Abs. 3 Nr. 4 AbfG (Gasförmige Stoffe) ........................... ee) § 1 Abs. 3 Nr. 5 AbfG (In Gewässer eingeleitete Stoffe) ............ ft) § 1 Abs. 3 Nr. 8 AbfG (Kampfmittel) ................................... 3. Ergebnis ..............................................................................
11
107 110 111 113 114 114 116 116 117 118 119 121
4. Kapitel
Das Planungsrecht in der Abfallwirtschaft der Gemeinschaften und der Bundesrepublik
123
A. Das abfallwirtschaftliche Planungsrecht der Gemeinschaft .......................... 124 I. Die von der RL 75/4421EWG vorgesehenen Pläne .............................. 1. Änderungen durch die Neufassung der Planungsbestimmungen ............. 2. Rechtsnatur der Pläne .............................................................. 3. Frist zur Aufstellung der Pläne ................................................... 4. Zusammenfassung ................................................................... 11. Europäische Planungsvorgaben der RL 91/6891EWG ........................... 1. Regelungen der Richtlinie selbst .................................................. 2. Planungsregelungen der RL 84/6311EWG ...................................... III. Die "Programme" nach der RL 781176IEWG ....................................
124 125 130 131 132 132 132 134 134
B. Das Abfallplanungsrecht der Bundesrepublik .......................................... 137 I. Umsetzung der Vorgaben der RL 75/442/EWG .................................. 1. Die Planinhalte des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie ............................... 2. Die Planinhalte des Art. 5 der Richtlinie ........................................ 3. Verbindlichkeit der Pläne.......................................................... a) Die Verbindlichkeit der AbfaIIpläne der Länder ........................... b) Ergebnis/Zusammenfassung ................................................... 4. Die Vermeidung von Abfällen als Bestandteil der Pläne ...................... a) Planungsregelungen zur Abfallvermeidung der Länder ................... b) Konflikte in der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern und ihre Bedeutung für die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben .. c) Ergebnis ........................................................................... 11. Umsetzung der Vorgaben der RL 91/689/EWG durch den deutschen Gesetzgeber ..............................................................................
137 138 142 144 146 151 152 152 154 155 155
12
Inhaltsverzeichnis
III. Umsetzung der Anforderungen der RL 78/176/EWG ........................... 157 158
c. Ergebnis ..................................................................................... 5. Kapitel Das abfallrechtliche Anlagenrecht beider Rechtsordnungen
160
A. Genehmigungspflichtige Tätigkeiten und Anlagen .................................... 160 I. Im Abfallrecht der Gemeinschaften................................................. 160 1. Umfang der Genehmigungspflicht der Art. 9 und 10 der RL 75/442/EWG ............................................................... 160 2. Die Genehmigungspflicht der RL 911689/EWG ............................... 164 3. Die Genehmigungspflichten der RL 78/176/EWG ............................. 167 4. Die Genehmigungspflichten der RL 75/439/EWG ............................. 169 11. Die Genehmigungspflichten im Abfallrecht der Bundesrepublik ............... 170 1. Der Zulassung "vorgelagerter" Voraussetzungen .............................. 170 a) Der Begriff "Abfallentsorgungsanlage" ...................................... 171 b) "Ortsfestigkeit" der Abfallentsorgungsanlagen ............................. 178 c) Genehmigungspflicht der "wesentlichen Änderung" einer Abfallentsorgungsanlage .................................................................. 180 d) Die Ausnahmetatbestände des § 4 AbfG im Lichte des EG-Rechts ..... 181 aa) Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 2 AbfG ............. 181 bb) Ausnahmen vom Anlagenzwang nach § 4 Abs. 4 AbfG ............. 182 2. Umsetzung der Genehmigungsanforderungen der RL 75/442/EWG ........ 184 a) Zulassung nach Abs. 2 des § 7 AbfG ......................................... 184 aa) Grundsätzliche Eignung des Planfeststellungsverfahrens zur Umsetzung des gemeinschaftsrechtlichen Genehmigungserfordernisses .......................................................................... 184 bb) Die inhaltlichen Anforderungen der Zulassung nach § 7 Abs. 2 AbfG ................................................................. 188 (1) Erfordernis einer UVP nach § 7 Abs. 2 S. 2 AbfG ............... 188 (2) Zulässigkeit von Nebenbestimmungen nach § 8 Abs. 1 AbfG ... 188 (3) Zulässigkeit von Sicherheitsleistungen LS.d. § 8 Abs. 2 AbfG. 189 (4) Zulässigkeit von Versagungsgründen nach § 8 Abs. 3 AbfG .... 190 cc) Weitere inhaltliche Zulassungsvoraussetzungen des Abfallgesetzes ......................................................................... 196 dd) Die Erfüllung weiterer gemeinschaftsrechtlicher Anforderungen an den Genehmigungsinhalt.. . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 199 b) Die Zulassung nach Abs. 3 des § 7 AbfG ................................... 201 c) Die Zulassung nach § 7 Abs. 1 AbfG LV.m. §§ 4 ff. BImSchG ........ 202 d) Zulässigkeit vorzeitigen Beginns nach § 7 a AbfG und nach § 15 a BImSchG ................................................................. 209 3. Umsetzung der Genehmigungsanforderungen der RL 911689/EWG ........ 210 4. Umsetzung der Genehmigungsanforderungen der RL 78/176/EWG ........ 212 a) Lagerung und Ablagerung von Titandioxid-Abfallen ...................... 212 b) Einleitung, Einbringung und Versenkung von Titandioxid-Abfallen .... 213 c) Ergebnis .......................................................................... 215 5. Umsetzung der Genehmigungsanforderungen der RL 75/439/EWG ........ 216
Inhaltsverzeichnis
13
a) Umfang der Genehmigungspflicht ............................................ 216 b) Terminologische Abweichungen .............................................. 217 c) Inhaltliche Anforderungen ...................................................... 217 aa) Nach Art. 6 Abs. 1 der RL 75/439/EWG .............................. 217 bb) Nach Art. 6 Abs. 2 der RL 75/439/EWG .............................. 219 cc) Spezielle Anforderungen für die Verwertung von Altölen ........... 220 (1) Anforderungen des Art. 7 der RL 75/439/EWG .............. ..... 221 (2) Anforderungen des Art. 8 der RL 75/439/EWG ................... 224 6. Ergebnis .............................................................................. 224 B. Meldepflichten des EG-AbfallrechtslDie Abfallbeförderung ........................ 225 I. Anforderungen der RL 75/442/EWG ............................................ ... 225
11. Einsammlung und Beförderung giftiger Abfälle im Sinne der
RL 911689/EWG ....................................................................... 227
111. Ergebnis ................................................................................. 228 6. Kapitel Die grenzüberschreitende Abfallverbringung
229
A. Das frühere Sekundärrecht der Gemeinschaft zur grenzüberschreitenden Abfallverbringung und seine Auswirkungen auf das bundesdeutsche Recht .......... 231 I. Die RL 84/631/EWG: Das "Prinzip der offenen Grenzen" ..................... 231 1. Die Verbringung innerhalb der Gemeinschaft .................................. 232 a) Import ............................................................................ 232 b) Export ............................................................................. 233 c) Transit ............................................................................. 234 2. DieVerbringung von Abfällen aus der Gemeinschaft in Drittstaaten und aus Drittstaaten in die Gemeinschaft ............................................. 235 a) Die Einfuhr von Sonderabfällen in die Gemeinschaft aus Drittstaaten .. 235 b) Die Ausfuhr von Sonderabfällen in Drittstaaten ............................ 235 11. Die RL 75/442/EWG n.F ............................................................ 237 1. Die Konsequenzen der Neufassung der RL 75/442/EWG für die grenzüberschreitende Abfallverbringung .............................................. 237 2. Die Auswirkungen der Neufassung der Rahmenrichtlinie auf die Regelungen der Verbringungsrichtlinie ................................................ 240 III. Die Umsetzung der Bestimmungen durch den deutschen Gesetzgeber ........ 243 1. Umsetzung der Bestimmungen der RL 84/631/EWG ......................... 244 a) Verbringung in und aus Drittstaaten .......................................... 244 aa) Einfuhr ....................................................................... 244 bb) Ausfuhr ...................................................................... 248 cc) Durchfuhr .................................................................... 251 b) Die Verbringung innerhalb der Gemeinschaft .............................. 252 c) Ergebnis ........................................................................... 253 2. Umsetzung der RL 75/442/EWG n.F ............................................ 253
14
Inhaltsverzeichnis
B. Das Primärrecht der Gemeinschaft zur grenzüberschreitenden Abfallverbringung und seine Auswirkungen auf das bundesdeutsche Recht ....................... I. Die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten des EG-Vertrages auf die grenzüberschreitende Abfallverbringung ................................................. 11. Vereinbarkeit von Bundesrecht und EG-Primärrecht ............................ 1. Die ausdrücklichen Regeln über die Abfallverbringung ...................... a) Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit ................................... aa) Eingriff in den Schutzbereich ............................................. bb) Rechtfertigung .............................................................. (1) "Rechtfertigung" nach der "Cassis" -Rechtsprechung ............. (2) Ergebnis .................................................................. 2. Der Grundsatz der Inlandsentsorgung in seinen praktischen Auswirkungen und seine Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit.. ...............
254 255 257 258 258 259 259 260 267 267
C. Abkehr vom "Prinzip der offenen Grenzen" durch die Verbringungsverordnung? ..................................................................................... 273 I. Der Geltungsbereich der Verordnung .............................................. 275 11. Der Inhalt der Verordnung ........................................................... 279 1. Die Verbringung innerhalb der Gemeinschaft (Titel 11) ....................... 280 a) Die innergemeinschaftliche Verbringung von zur Beseitigung bestimmten Abfällen ...................................................................... 280 b) Die innergemeinschaftliche Verbringung von zur Verwertung bestimmten Abfällen ...................................................................... 288 c) Die Verbringung von zur Beseitigung und zur Verwertung bestimmten Abfällen zwischen Mitgliedstaaten mit Durchfuhr durch Drittländer ... 291 2. Die Verbringung innerhalb der Mitgliedstaaten (Titel Im ................... 292 3. Die Ausfuhr von Abfällen (Titel IV) ............................................. 293 a) Die Ausfuhr von zur Beseitigung bestimmten Abfällen ................... 293 b) Die Ausfuhr von zur Verwertung bestimmten Abfällen ................... 294 c) Die Ausfuhr von Abfällen in AKP-Staaten .................................. 298 4. Die Einfuhr von Abfällen in die Gemeinschaft (Titel V) ..................... 298 a) Die Einfuhr von zur Beseitigung bestimmten Abfällen .................... 298 b) Die Einfuhr von zur Verwertung bestimmten Abfällen .................. 300 5. Die Durchfuhr von Abfällen (Titel VI) .......................................... 302 a) Die grundSätzlichen Durchfuhrbestimmungen .............................. 302 b) Die Durchfuhr von Verwertungsabfällen aus einem Land und in ein Land, in dem der OECD-Beschluß gilt ...................................... 303 6. Den übrigen Titeln gemeinsame Bestimmungen (Titel VII) .................. 303 III. Ergebnis/Zusammenfassung ......................................................... 304 7. Kapitel
Überwachungs- und Kontrollpflichten
307
A. Überwachungsregelungen des Gemeinschaftsrechts .................................. 307 I. Regelungen der RL 75/442/EWG ................................................... 11. Regelungen der RL 91/689/EWG ................................................... III. Regelungen der RL 781176/EWG ................................................... IV. Regelungen der RL 75/439/EWG ..................................................
307 309 310 313
Inhaltsverzeichnis
15
B. Die Umsetzung dieser Pflichten durch den deutschen Gesetzgeber ................ 313
I. Umsetzung der Vorgaben der RL 75/442IEWG .................................. 11. Umsetzung der Vorgaben der RL 911689/EWG .................................. ill. Umsetzung der Vorgaben der RL 781176IEWG .................................. IV. Umsetzung der Vorgaben der RL 75/4391EWG .................................
313 317 319 320
8. Kapitel
Die Kosten der AbfaIlbeseitigung
322
Zusammenfassung/ Ausblick
325
A. Zusammenfassung .......................................................................... 325 B. Ausblick ...................................................................................... 333 Literaturverzeichnis ............................................................................ 336
Abkürzungsverzeichnis AbfG AbfAIG AbfalIR AbfBestV AbfRestÜberwV
AbfVerbrV
AbtwAIG AbtwG AG Altölrichtlinie AöR AWD BauGB BayBO BayObLG BayVBI. Bay.VGH Bay.VerfGH BBergG BVerfGE BGB BGBI. I bzw. 11 BGBI. III BGH BlmSchG
Abfallgesetz Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz Abfallrecht Abfallbestimmungsverordnung Verordnung über das Einsammeln und Befördern sowie über die Überwachung von Abfällen und Reststoffen (Abfall- und Reststoffüberwachungs-Verordnung AbfRestÜberwV) vom 3. April 1990 (BGBI. I, S. 648; BGBI. III 2129-15-4) Verordnung über die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen (Abfallverbringungs-Verordnung AbfVerbrV) vom 18. November 1988 (BGBI. I, S. 2126, Anlage ber. BGBI. I, S. 2418; BGBI. III, 2129-15-1) Abfallwirtschafts- und Altlastengesetz Abfallwirtschaftsgesetz Ausführungsgesetz/ Amtsgericht Richtlinie des Rates 75/439/EWG vom 16. Juni 1975 über die Altölbeseitigung (Amtsbl. EG Nr. L 194 vom 25. 7. 1975, S. 31) Archiv des öffentlichen Rechts Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters (Zeitschrift) Baugesetzbuch i.d.F.d.Bek. vom 8. Dezember 1986 (BGBI. III, 213-1) Bayerische Bauordnung (BayBO) i.d.F.d.Bek. vom 2. Juli 1982 (Bayerische Rechtssammlung, 2132-1-1) Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerisches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bundesberggesetz Entscheidungen des Bundesverfasungsgerichts Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I bzw. 11 (ab 1951) Sammlung des Bundesrechts (Veröffentlichungen bis zum 31. 12.1963 oder FundsteIlennachweis A) Bundesgerichtshof Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) Ld.F.d.Bek. vom 14. Mai 1990
Abkürzungsverzeichnis BImSchV Brdbg. BT-Drucks. BVerwG BVerwGE BW ChemG DB DÖV DVB\. E EAG E.E.C. EG EuGH EuGRZ
EuR
EuZW EWG FS GAB\. GB\. GewArch GG GS GVBI.IGVOB\. GVNW Hamb. Hess. HS i.d.F. i.d.F.d.Bek. JR JuS lZ KrWAbfG
LAbfG LAbfVG LBauO lit. LKT LUMB\. 2 Schreier
17
Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions schutzgesetzes (Bundes-Immissionsschutzverordnung) Brandenburg Bundestags-Drucksache Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg Chemikaliengesetz Der Betrieb (Zeitschrift) Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidungen Europäische Atomgemeinschaft European Economic Community Europäische Gemeinschaft(en) Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europarecht (Zeitschrift) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Festschrift Gesetz- und Amtsblatt Gesetzblatt Gewerbearchiv (Zeitschrift) Grundgesetz Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NordrheinWestfalen Hamburgisches Hessisches Halbsatz in der Fassung in der Fassung der Bekanntmachung Juristische Rundschau (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) luristenzeitung Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz), bisher unveröffentlicht, wird im Herbst 1994 als BT-Drucks. 12/8084 veröffentlicht werden Landesabfallgesetz Vorschaltgesetz zum Abfallgesetz Landesbauordnung litera Landkreistag Mitteilungsblatt des Landesumweltministers
18 MDR MLWF MünchKomm MUR MW Nds. 9. BImSchV
NJW NuR NVwZ NW/NRW NWVBI. OVG PCB PCB/PCT-Richtlinie PCT ppm Rahmenrichtlinie
RGZ Rh.-Pf. RIW/AWD RL 751439/EWG RL 751442/EWG
RL 76/403/EWG RL 78/176/EWG RL 78/319IEWG
Abkürzungsverzeichnis Monatsschrift für Deutsches Recht Minister für Landwirtschaft, Weinbau und Forsten Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Minister für Umwelt und Raumordnung Megawatt Niedersachsen Neunte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über das Genehmigungsverfahren - 9. BImSchV) i.d.F.d.Bek. vom 29. Mai 1992 (BGBI. III 2129-8-9) Neue Juristische Wochenschrift Natur und Recht (Zeitschrift) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfälisches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Oberverwaltungsgericht Polychlorierte Biphenyle Richtlinie des Rates 76/403IEWG vom 6. April 1976 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und Terphenyle (Amtsbl. EG Nr. L Polychlorierte Terphenyle part per million Richtlinie des Rates 751442/EWG über Abfälle vom 15. Juli 1975 (Amtsbl. EG Nr. L 194 vom 25.7. 1975, S. 39); geändert durch die Richtlinie des Rates 91/1561 EWG vom 18. März 1991 (Amtsbl. EG Nr. L 78 vom 26. 3. 1991, S. 32) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz Recht der internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters (Zeitschrift) Richtlinie des Rates 751439IEWG vom 16. Juni 1975 über die Altölbeseitigung (Amtsbl. EG Nr. L 194 vom 25.7. 1975, S. 31) Richtlinie des Rates 7514421EWG über Abfälle vom 15. Juli 1975 (Amtsbl. EG Nr. L 194 vom 25.7.1975, S 39); geändert durch die Richtlinie des Rates 91/1561 EWG vom 18. März 1991 (Amtsbl. EG Nr. L 78 vom 26. 3. 1991, S. 32) Richtlinie des Rates 76/403IEWG vom 6. April 1976 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und Terphenyle (Amtsbl. EG Nr. L 108 vom 26.4. 1976, S. 41) Richtlinie des Rates 78/176/EWG über Abfälle aus der Titandioxid-Produktion vom 20. Februar 1978 (Amtsbl. EG Nr. L 54 vom 25. 2. 1978, S. 20) Richtlinie des Rates 78/319/EWG über giftige und gefährliche Abfälle vom 20. März 1978 (Amtsbl. EG Nr. L 84 vom 31. 3. 1978, S. 43)
Abkürzungsverzeichnis RL 84/631/EWG
RL 911689/EWG Rs. Sa.-Anh. Saar!. Sch!.-H. SGVNW 17. BImSchV
Slg. Sonderabfallrichtlinie StAnz. SUR TA TA Abfall TA Siedlungsabfall
Th. Thür. TierKBG Titandioxidrichtlinie UPR UTR UVPG
VC
Verbringungsrichtlinie
2"
19
Richtlinie des Rates 84/6311EWG vom 6. Dezember 1984 über die Überwachung und Kontrolle - in der Gemeinschaft - der grenzüberschreitenden Verbringung gefahrlicher Abfälle (Amtsb!. EG Nr. L 326 vom 13. 12. 1984, S. 31) Richtlinie des Rates 91/689/EWG über gefahrliche Abfälle vom 12. Dezember 1991 (Amtsb!. EG Nr. L 377 vom 31. 12. 1991, S. 20) Rechtssache Sachsen-Anhalt Saarland Schleswig-Holstein Sammlung des bereinigten Gesetz- und Verordnungsblattes für das Land Nordrhrein-Westfalen Siebente Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Verbrennungsanlagen für Abfälle und ähnliche brennbare Stoffe - 17. BImSchV) vom 23. November 1990 (BGB!. I, S. 2545, ber. S. 2832) Sammlung (Entscheidungssammlung des EuGH) Richtlinie des Rates 911689/EWG über gefahrliche Abfälle vom 12. Dezember 1991 (Amtsb!. EG Nr. L 377 vom 31. 12. 1991, S. 20) Staatsanzeiger Schriften zum Umweltrecht Technische Anleitung Zweite allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz (TA Abfall) vom 12. März 1991 (GMBI., S. 139, ber. S. 469) Dritte allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Abfallgesetz (TA Siedlungsabfall), Technische Anleitung zur Verminderung, Verwertung, Behandlung und sonstigen Entsorgung von Siedlungsabfällen (Br-Drucks. 594/92) Thüringisches Thüringen Tierkörperbeseitigungsgesetz Richtlinie des Rates 78/176/EWG über Abfälle aus der Titandioxid-Produktion vom 20. Februar 1978 (Amtsbl. EG Nr. L 54 vom 25. 2. Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift) Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts (Schriftenreihe des Instituts für Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier) Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz Vynilchlorid Richtlinie des Rates 84/631/EWG vom 6. Dezember 1984 über die Überwachung und Kontrolle - in der Gemeinschaft - der grenzüberschreitenden Verbringung ge
20
Verbringungsverordnung
Verf. Verpackungsverordnung VG VGH 4. BImSchV
VO VR VwVfG WHG WiVerw WuR ZfU ZfW ZGR ZRP ZUR
Abkürzungsverzeichnis fälulicher Abfälle (Amtsbl. EG. Nr. L 326 vom 13. 12. 1984, S. 31) Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (Amtsbl. EG L 30 vom 6.2. 1993, S. 1) Verfasser Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung) vom 12. Juni 1991 (BGBI. I, S. 1234) Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV) vom 24. Juli 1985 (BGBI. III 2129-8-4-2) Verordnung Verwaltungsrundschau (Zeitschrift) Verwaltungsverfahrensgesetz Wasserhaushaltsgesetz i.d.F.d.Bek. vom 23.9.1986 (BGBI. I, S. 1529) Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) Zeitschrift für Umweltpolitik Zeitschrift für Wasserrecht Zeitschrift für Untemehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Umweltrecht
Einleitung: Inhalt und Ziel der Untersuchung Die vorliegende Arbeit befaßt sich mit den Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts auf die deutsche Abfallwirtschaft. Die Abfallentsorgung hat sich in den letzten Jahren zu einem der dringlichsten, wenn nicht dem dringlichsten Umweltproblem entwickelt. Im dichtbesiedelten mitteleuropäischen Raum wird die Deponiefläche zunehmend knapper, die Entsorgung toxischer Abfalle wird beständig schwieriger. Die tatsächlichen Probleme im Zusammenhang mit der Abfallentsorgung dürften mittlerweile nahezu jedem bekannt sein, denn die Presse berichtet über sie fast täglich. Die tatsächlichen Schwierigkeiten spiegeln sich auch in der normativen Bewältigung des Themas wieder. Der deutsche Gesetzgeber hat im Bereich des Abfallrechts - gezwungenermaßen - eine rege Tätigkeit entwickelt. Die vorhandenen Normen werden schon fast regelmäßig novelliert, vielfach werden neue Regelungen geschaffen. Dies alles wird begleitet von einer ebenso regen Tätigkeit des abfallrechtlichen Schrifttums. Gleichzeitig hat sich der europäische Binnenmarkt weiter entwickelt, die Gemeinschaft der Mitgliedstaaten hat sich - insgesamt gesehen - verfestigt und institutionalisiert, trotz einiger Rückschläge, wie bspw. der Weigerung der Mehrheit des dänischen Volkes in der ersten Volksabstimmung, den Maastrichter Verträgen die Billigung zu erteilen. Entsprechend hat sich parallel zu dieser politischen Entwicklung auch rechtlich eine Verdichtung und Festigung der abfallrechtlichen Regelungen auch auf Gemeinschaftsebene ergeben. Daher überrascht es, daß diese Entwicklung vom deutschen Gesetzgeber wenn nicht unbemerkt, so doch in den Auswirkungen der geänderten und neugeschaffenen Regelungen des nationalen Abfallrechts nahezu gänzlich unbeachtet geblieben ist. Auch das abfallrechtliche Schrifttum hat erstmals in den letzten Jahren den Auswirkungen des EG-Rechts auf die deutsche Abfallwirtschaft in Teilbereichen Aufmerksamkeit geschenkt! .
1 Siehe hierzu exemplarisch: Hoschüt'lJcy / Krejt, Recht der Abfallwirtschaft, § 1, Anm. 0.2. Dort wird zum Abfallbegriff (freilich im EG-Recht in seiner alten Fassung) bemerkt, die
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Die zunehmende Verknüpfung von nationaler und Gemeinschaftsrechtsordnung2 macht hingegen eine weitergehende Betrachtung des Themenkomplexes erforderlich. Mit der vorliegenden Arbeit wird deshalb erstmals der Versuch einer umfassenden Auseinandersetzung mit diesem Thema unternommen. Indessen verspricht der Titel mehr als er halten kann, denn eine wirklich umfassende Untersuchung dieses Gegenstandes hätte den üblichen Rahmen einer Dissertation erheblich überschreiten müssen. Dennoch glaube ich, die wesentlichen Aspekte des Abfallrechts beider Rechtsordnungen darstellen zu können, indem bezüglich der erörterten Regelungswerke die für die Praxis wichtigsten und gleichzeitig die für das Abfallrecht typischen ausgewählt wurden. Diese Auswahl sei im folgenden kurz dargestellt und erläutert: Die Untersuchung umfaßt in erster Linie die Regelungen der Abfallrichtlinie 75/442/EWG3, die im Rahmen der Neufassung durch die RL 91/156/ EWG umfangreiche und, in ihren Auswirkungen auf das nationale Recht, bedeutsame Änderungen und Erweiterungen erfahren hat. Das Gemeinschaftsrecht enthält weiter zahlreiche Richtlinien mit speziellen Regelungen für bestimmte Abfallarten. Von diesen werden namentlich behandelt die RL 91/689/EWG über gefährliche Abfälle (die sog. Sonderabfallrichtlinie); die RL 78/176/EWG über Abfälle aus der Titandioxid-Produktion; die RL 76/ 403/EWG über die PCB- und PCT -Beseitigung und die RL 75/439/EWG über die Altölbeseitigung. Von den Richtlinien, die die Entsorgung bestimmter Abfallarten regulieren, werden dagegen nicht behandelt die RL 91/157/EWG über Batterien und Akkumulatoren, die bestimmte gefährliche Stoffe enthalten und die RL 85/339/ EWG über Verpackung für flüssige Lebensmittel. Es existieren darüber hinaus noch weitere Richtlinien, die etwa bestimmte Verfahren oder Anforderungen an bestimmte Entsorgungsarten normieren4 .
Bestimmungen des nationalen und des Gemeinschaftsrechts enthielten "jeweils weitgehend ähnliche Regelungen". 2 Hierzu vergegenwärtige man sich nur, daß bis zum Jahr 2000 nach Aussage des Kommissionspräsidenten 80% der wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidungen von den Europäischen Gemeinschaften und nicht mehr von deren Mitgliedstaaten getroffen werden sollen (diese Angaben sind zitien nach Ehlers, DVBI. 1991, S. 605). Mag dieses konkrete Zahlenverhältnis wahrscheinlich übertrieben sein, so ist doch die in diese Richtung weisende Tendenz unübersehbar. 3 Zu den FundsteIlen der einzelnen Richtlinien siehe den Überblick mit entsprechenden Angaben im 1. Kapitel, A. I. ~ Hierzu zählen bspw. die RL 76/769/EWG für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefabrlicher Stoffe und Zubereitungen, die RL 86/278/EWG über den Schutz der Umwelt insbesondere der Böden bei der Verwendung von Klärschlamm in der
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Die Abfallrichtlinie 75/442/EWG, die Sonderabfallrichtlinie 911689/EWG, die Titandioxidrichtlinie 78/176/EWG, die PCB-Richtlinie 76/403/EWG und die Altölrichtlinie 75/439/EWG sind in ihrer Struktur und in ihren Regelungsgegenständen ähnlich, teilweise sogar identisch. Sie in einer Abhandlung gemeinsam zu behandeln, lag daher nahe. Die Verordnung (EWG) des Rates Nr. 259/93 vom 1. Februar 1993 (am 9. Mai 1994 in Kraft getreten) zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft muße wegen ihres Regelungsgegenstandes behandelt werden. Die grenzüberschreitende Abfallverbringung macht den europarechtlichen Bezug besonders deutlich, ist es doch auch der einzige Bereich, der unmittelbar die Warenverkehrsfreiheit der Art. 30 ff. EG-Vertrag5 berührt. Im Abschnitt über die grenzüberschreitende Abfallverbringung wird allerdings zunächst die RL 84/6311EWG über die Überwachung und Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle behandelt. Diese Richtlinie ist zwar durch die zuvor genannte Verbringungsverordnung abgelöst worden, so daß die Darstellung insoweit nur noch rechtshistorische Bedeutung hat; sie wurde jedoch auch technischen Gründen in der Arbeit belassen. Die Probleme, welche sich im Zusammenhang mit der Richtlinie für Verpackungen flüssiger Lebensmittel 85/339/EWG ergeben, hier zu behandeln, hätte dagegen den Rahmen dieser Untersuchung gesprengt. Der Grund hierfür liegt zum einen darin, daß auf EG-Ebene das "Verpackungsrecht" in grundlegendem Wandel begriffen ist, da eine Rahmenrichtlinie, die den gesamten Bereich des Verpackungsmülls zum Gegenstand hat, bereits in einem endgültigen Entwurf vorliegt, der in absehbarer Zukunft in Kraft treten wird6 . Hinzu kommt, daß auch im nationalen Recht der Bereich der Verpackungen durch
Landwirtschaft, die Richtlinien 89/369/EWG und 89/429/EWG über Verringerung der Luftverunreinigung durch bestehende bzw. neue Verbrennungsanlagen für Siedlungsmül!. Zu den FundsteIlen siehe abermals unten, 1. Kapitel, A. I. 5 Hier wie im folgenden wird entsprechend der Ausweitung der Gemeinschaftskompetenzen durch Art. G des Vertrages über die Europäische Union (BGB!. 1992 11, S. 1251 ff.) die Bezeichnung EG-Vertrag an Stelle von EWG-Vertrag gewählt. Da das dänische Volk und das englische Unterhaus seiner Geltung mittlerweile zugestimmt haben und auch das BVerfG die Vereinbarkeit des Vertrages mit dem Grundgesetz festgestellt hat, ist der Vertrag von Maastricht mittlerweile am 1. November 1993 in Kraft getreten. Soweit ich mich auf in der Vergangenheit liegende Sachverhalte und Richtlinien beziehe, muß es korrekterweise bei der herkömmlichen Bezeichnung, EWG, bleiben. 6 Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfall, Amtsb!. EG Nr. C 263 vom 12. Oktober 1992, S. 1; KOM (92) 278 endg. - SYN 436; dazu: Schliesser, EuZW 1993, S. 52 ff.
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eine gesonderte Verordnung geregelt ist7 , die - gerade auch in Verbindung mit dem Gemeinschaftsrecht - zahlreiche, bislang ungeklärte Probleme aufwirft. Die Richtlinien 89/369/EWG und 89/429/EWG über Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll regeln Fragen der Verringerung der Luftverunreinigung durch neue bzw. bereits bestehende Anlagen dieser Art. Sie betreffen damit einen Bereich, der an sich dem Immissionsschutzrecht zuzurechnen wäre, jedenfalls aber nicht "typische" abfallrechtliche Problematiken erfaßt. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesen Vorschriften wäre mithin aus dem Rahmen der übrigen Untersuchung gefallen. Ihre Vernachlässigung scheint daher gerechtfertigt. Gleiches gilt für die RL 86/278/EWG zum Schutz der Umwelt bei Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft. Sie befaßt sich, wie schon aus ihrem Titel hervorgeht, sowohl mit einer recht speziellen Materie als auch mit einer ganz spezifischen Art der Verwendung, so daß auch insoweit eine nähere Auseinandersetzung den ansonsten relativ einheitlichen systematischen Rahmen der Untersuchung gesprengt hätte. Auf eine Auseinandersetzung mit ihr wurde deshalb verzichtet. Die RL 761769/EWG über Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen enthält spezielle Regelungen für bestimmte Stoffe, trifft aber keine "grundlegenden" Aussagen zur Abfallentsorgung. Auch sie soll daher nicht Gegenstand der Erörterung sein. Ebenfalls nicht in die Arbeit aufgenommen wurden die zahlreichen Änderungsvorschläge und -entwürfe zu bestehenden Richtlinien sowie Vorschläge und Entwürfe neuer Richtlinien und Verordnungen im Bereich des Abfallrechts. Erfahrungsgemäß kann man sich auf die Endgültigkeit des Inhalts von Vorschlägen zu Gemeinschaftsrechtsakten nur in seltenen Fällen verlassen. Aber auch bei Entwürfen sind die Zeiträume zwischen Veröffentlichung des Entwurfs und Inkrafttreten des Rechtsaktes meist unüberschaubar. Dennoch soll hier aber zumindest ein kurzer Überblick über die geplanten Änderungen und Neuregelungen gegeben werden8 :
7 Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfallen (Verpackungsverordnung VerpackV) vom 12. Juni 1991, BGBI. I, S. 1234; dazu Thome-Kosmiensky, Die Verpackungsverordnung: Rechtmäßigkeit, "Duales System", Europarecht. 8 Ein Überblick über geplante Änderungen findet sich auch bei Hüwels, in: Lenz, EGHandbuch, S. 673 ff.
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Die RL 75/439/EWG über die Altölbeseitigung soll in Bezug auf eine verursachergerechte Preis bildung fortgeschrieben werden. Auch hierzu hat die Kommission bereits einen Vorschlag ausgearbeitet9 .
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Eine Fortschreibung der PCB- und PCT-Richtlinie 76/403/EWG ist in Planung. Einen entsprechenden Vorschlag hat die Kommission dem Rat vorgelegt 1O .
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Geplant ist außerdem eine Richtlinie, die die Deponierung von Abfällen in allen Einzelheiten regeltlI, wie auch eine sog. Abfallhaftungsrichtlinie 12 .
Die Vorschläge der Kommission werden momentan nur in geringem Umfang umgesetzt. Obwohl die ursprünglichen Vorschläge zeitgleich bzw. immerhin beinahe zeitgleich mit den Vorschlägen zur Änderung der Abfallrahmenrichtlinie 75/442/EWG von der Kommission vorgelegt wurden, ist bisher lediglich der letztgenannte Vorschlag sowie die den Sonderabfall betreffende Richtlinie in Kraft getreten. Dies, obgleich seit den Vorschlägen bereits einige Jahre verstrichen sind. Auch das deutsche Abfallrecht wird' bald in novellierter Fassung in Kraft treten. Es ist ein sog. Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz geschaffen worden, daß, wie bereits aus dem Titel hervorgeht, die derzeitigen Entsorgungsprobleme durch Etablierung einer sog. Kreislaufwirtschaft lösen will, indem praktisch alle Stoffe wiederverwendet werden 13 . Schon der erste Entwurf dieses Gesetzes war indes sowohl von Seiten der Umweltverbände als auch seitens der Vertreter der Industrie heftiger Kritik ausgesetzt 14 . Diese Kritik setzte sich in den nachgebesserten weiteren Entwürfen 15 fort und führte schließ-
9 Siehe Amtsbl. EG Nr. C 295 vom 19. November 1988, S. 17; KOM (88) 391 endg. SYN 145. 10 Siehe Amtsbl. EG Nr. C 319 vom 12. Dezember 1988, S. 57; KOM (88) 559 endg. SYN 161; auch abgedruckt in: BT-Drucks. 11/7821, S. 10 ff. 11 Siehe Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Abfalldeponien vom 22. Mai 1991, KOM (91) 102 endg. - SYN 335. 12 Siehe zu der Abfallhaftungsrichtlinie: v. Wilmowsky, NuR 1991, S. 253 ff. 13 Vgl. den ursprünglichen Entwurf in BT-Drucks. 245/93; auch: Umwelt, Nr. 1/1993,m S. 33 bis 36; "Der Spiegel", Nr. 14/47. Jahrgang vom 5. April 1993, S. 32 f. 14 Zur Kritik an diesem Entwurf siehe die Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drucks. 12/5672 vom 15. September 1993, S. 57 ff. sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung hierzu in BT-Drucks. 12/5672, S. 114 ff.; ferner: "Der Tagesspiegel" S. 19; TAZ, S. 6; FAZ, S. 15; Süddeutsche Zeitung, S. 19 jeweils vom 11. Mai 1993. Kritisch im Hinblick auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben äußert sich - wenn auch nur skizzenhaft - auch Fluck, DVBI. 1993, S. 590 g97 f.). 1 Vgl. BT-Drucks. 12/5672 vom 15. September 1993 sowie zuletzt BT-Drucks. 12/7240 mit Begründung in BT-Drucks. 12/7284 jeweils vom 15. April 1994.
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lich zum Scheitern des Gesetzes im Bundesrat l6 . Der Bundestag rief daraufhin den Vermittlungs ausschuß an, der am 16. Juni 1994 einen sowohl vom Bundestag als auch vom Bundesrat akzeptierten Entwurf17 vorlegte. Dieser Entwurf soll im Herbst 1994 verkündet werden und zwei Jahre nach seiner Verkündung, also im Herbst 1996, in Kraft treten. Zugleich wird das bis dahin fortgeltende Abfallgesetz von 1986 außer Kraft treten 18 . Inhaltlich drehte sich der Streit zwischen den beiden Gesetzgebungsorganen vor allem um Fragen des Abfallbegriffs. Die ursprünglichen Entwürfe unterschieden zwischen Rückständen und Abfall. Abfalle waren lediglich nicht verwertbare Rückstände. Rückstände sollten alle "im Sinne dieses Gesetzes [ ... ] beweglichen Sachen [sein], die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer entledigt. entledigen will oder entledigen muß". Soweit Rückstände verwertbar wären, sollten sie als Sekundärrohstoffe anzusehen sein 19 . Diese Regelung wäre von den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben abgewichen und hätte eine Überprüfung mit diesen Vorgaben erforderlich gemacht. Zudem wäre der Abfallbegriff des deutschen Rechts uneinheitlich gewesen. Einerseits hätten die Regelungen des KrW AbfG gegolten, andererseits die Bestimmungen der sog Abfallrahmemichtlinie der EG20 für die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen. Deren Abfallbegriff gilt nämlich über die sog Verbringungsverordnung21 unmittelbar im innerstaatlichen Bereich der Bundesrepublik22 . Der Entwurf des Vermittlungsausschußes enthält nunmehr eine Regelung, die inhaltlich mit der des EGRechts im wesentlichen übereinstimmt23 . Dies erscheint vernünftig, angesichts der aus der zuvor skizzierten Rechtslage folgenden rechtlichen wie praktischen Schwierigkeiten. Die ab Herbst 1996 geltenden Regelungen des KrWAbfG konnten für diese Arbeit noch in den Fußnoten berücksichtigt werden. An den entsprechenden 16 Vgl. FAZ vom 20.Mai 1994, S. 1. 17 Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz -KrWAbfG), soll 89im Herbst 1994 als BT-Drucks. 12/8084 veröffentlicht werden. 18 Vgl. Art. 19 des Entwurfs auf S. 133 der BT-Drucks. 12/8084. 19 Vgl. § 3 Abs. 1 des Entwurfs vom 14. April 1994, BT-Drucks. 1217240; zu diesen Entwürfen: Seibert, DVBI. 1994, S, 229 (236); Kersting, DVBI. 1994, S. 273 ff.; ders. DVBI. 1994, S. 511 ff.; sowie speziell zum Abfallbegriff: Helmig/Allkemper, DÖV 1994, S.229 (233 f.); Fluck, DVBI. 1993, S. 590 (597 ft); ferner: Bickel, NuR 1992, S. 361 (370 f.). 20 Richtlinie de Rates 74/442/EWG über Abfälle vom 15. Juli 1975 (Amtsbl. EG Nr. L 194 vom 25. Juli 1975, S. 47), in der Fassung der Richtlinie des Rates 911156/EWG vom 18. März 1991 (Amtsbl. EG Nr. L 78 vom 26. März 1991, S. 32). 21 Verordnung (EWG) Nr. 253/93 des Rates zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft vom 1. Februar 1993, Amtsbl. EG Nr. L 30 vom 6. Februar 1993, S. 1. 22 Siehe oben, 6. Kapitel, C. 23 Vgl. § 3 Abs. 1 KrWAbfG.
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Stellen im Text befmden sich nunmehr Hinweise, inwieweit die aufgrund der geltenden Rechtslage festgestellten Defizite bestehen bleiben bzw. ab Inkrafttreten des KrWAbfG 1996 entfallen24 . Dabei kann freilich nicht jedes sich künftig ergebende Problem in aller Ausführlichkeit dargestellt und erörtert werden. Die Anmerkungen werden sich in der Hauptsache auf Hinweise beschränken. Im übrigen ist der Arbeit die geltende Rechtslage aufgrund des Abfallgesetzes 1986 zugrundegelegt. Inhaltlich werden die jeweiligen Schwerpunkte der Vorschriftenwerke bearbeitet. Hierzu zählen neben den Grundprinzipien und Begrifflichkeiten namentlich das Planungs recht in der Abfallwirtschaft, die Genehmigung von Abfallentsorgungsanlagen und anderen abfallrechtlich relevanten Tätigkeiten sowie Kontroll- und Überwachungspflichten. Besondere Bedeutung kommt darüber hinaus der grenzüberschreitenden Abfallverbringung zu. Schließlich ist den Kosten der Abfallbeseitigung ein kurzer Abschnitt gewidmet, obwohl die Regelungen hierzu im europäischen Abfallrecht eher spärlich ausfallen. Eine Behandlung des Themenbereichs scheint aber wegen der großen Bedeutung der Finanzierung der Abfallentsorgung sinnvoll. Mit diesen Bereichen wird nahezu die Gesamtheit der in den untersuchten Richtlinien enthaltenen Vorgaben für das nationale Abfallrecht abgedeckt. Ebenso wird der allergrößte Teil der im Abfallgesetz des Bundes enthaltenen Vorschriften sowie zahlreicher hierzu ergangener Durchführungsvorschriften dargestellt und im Hinblick auf ihre Wirksamkeit angesichts der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erörtert. Das deutsche Abfallrecht enthält darüber hinaus zahlreiche Bestimmungen (man denke nur an die Abfallgesetze der Länder), die weitgehend unberücksichtigt bleiben müssen. Entsprechend dem Titel der Arbeit werden ausschließlich die Normen einer näheren Betrachtung unterzogen, welche durch die EG-rechtlichen Vorgaben in ihrem Anwendungsbereich betroffen sind. Der Untersuchung ist ein kurzer Überblick über die historische Entwicklung und die Zielsetzungen des Abfallrechts der jeweiligen Rechtsordnung vorangestellt. Dieser Überblick hat freilich lediglich darstellenden Charakter. Konkrete Auswirkungen des EG-Rechts lassen sich insoweit nicht feststellen.
24 Hierbei handelt es sich um folgende Fußnoten: Kapitel I, Fußnote: 78; Kapitel 3, Fußnoten: 14, 49, 50, 100, 152, 171, 183, 184, 191, 195, 204, 208, 211, 212, 219, 222, 229, 242; Kapitel 4, Fußnoten: 5, 38, 42, 44, 64, 70, 74, 130, 138; Kapitel 5: Fußnoten: 16, 20, 35, 49, 63,71,84, 108, 109, 111, 168,205,213,256; Kapitel 7, Fußnoten: 11, 15, 17,22,23,25,27, 31; Zusammenfassung/Ausblick, Fußnote: 1.
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Anschließend werden die dogmatischen Fragen des Europarechts, die sich im Zusammenhang mit Richtlinien (im Abfallrecht der Gemeinschaft das ganz überwiegend verwandte Rechtsinstrument) ergeben, kurz behandelt. Die Aufnahme dieses Teils erschien geboten, da im Verlauf der weiteren Untersuchung immer wieder Fragen allgemeiner europarechtlicher Natur auftauchen, deren Klärung jeweils an Ort und Stelle vom eigentlichen Abfallrecht wegführen würde. Ziel der Untersuchung ist es, die bestehenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts im Bereich der Abfallwirtschaft aufzuzeigen sowie die sich hieraus ergebenden Konsequenzen, vor allem also den gesetzgeberischen Handlungsbedarf, darzustellen. Daneben sollen zugleich grundsätzliche Unterschiede in Struktur und Aufbau des europäischen und des deutschen Umweltrechts deutlich gemacht werden.
1. Kapitel
Einführung in den Problemkreis Um das Ziel der vorliegenden Untersuchung zu erreichen, die Auswirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das deutsche Abfallrecht festzustellen, erscheint es sinnvoll, zunächst einen Überblick über Entwicklung und Ziele sowie der insoweit relevanten Rechtsvorschriften und ihres Verhältnisses zueinander in beiden Rechtsordnungen zu vermitteln.
A. Entwicklung und Ziele des europäischen Abfallrechts Die Entwicklung des Abfallrechts auf europäischer Ebene läßt sich nicht isoliert von der Entwicklung des übrigen europäischen Umweltrechts betrachten l . Die folgende Darstellung orientiert sich daher an der Entwicklung der gesamten Umweltpolitik. Die Umweltpolitik der Gemeinschaft nahm 1973 ihren Anfang, als das erste von bisher insgesamt vier Aktionsprogrammen zum Umweltschutz2 ,3 verabschiedet wurde. Diese Aktionsprogramme enthielten Zielfestlegungen zum Schutze der Umwelt, auf welche die Gemeinschaft dann ihre diesbezügliche Politik stützte4 • Bereits im Programm von 1973 war vorgesehen, daß ein Ab1 Zu den Rechtsgrundlagen der europäischen Umweltpolitik siehe Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 65 (70 ff.) vor Erlaß der EinheitlichenEuropäischen Akte von 1986 (EEA); Battis, NuR 1989, S. 365 (366) zu den Rechtsgrundlagen nach Erlaß der EEA. Battis setzt sich auch i.ü. kritisch mit der allgemeinen Umweltpolitik der Gemeinschaft auseinander. 2 1. Aktionsprogramm: Amtsbl. EG 1973 Nr. C 112, S. 1; 2. Aktionsprogramm: Amtsbl. EG 1977 Nr. C 139, S. 1; 3. Aktionsprogramm: Amtsbl. EG 1983 Nr. C 46, S. 1; 4. Aktionsprogramm: Amtsbl. EG 1987 Nr. C 70, S. 3; zum Inhalt der Programme im einzelnen: Kloepjer, Umweltrecht, § 6, Rn. 33 ff. Mittlerweile liegt der Entwurf eines 5. Aktionsprogramms vor, siehe KOM (92) 93 endg.; dazu wohl zu euphorisch, da er die praktische Bedeutung der Pro~ramme m.E. überschätzt: Wägenbaur, EuZW 1993, .241 ff. Pieper, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1910; Oppermann, Europarecht, Rn. 2000; Beutler, in: Beutier/Bieber/PipkornlStreil, S. 496; Versteyl, in: Kunig/SchwermerlVersteyl, AbfG, Ein!., Rn. 57. 4 Glaesner, NuR 1988, S. 166 (168); Oppermann, Europarecht, Rn. 2002; Pieper, a.a.O.; Kloepjer, Umweltrecht, § 6, Rn. 33; für Einzelheiten der Programme siehe Pieper, a.a.O., Rn. 1911.
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1. Kap.: Einführung in den Problemkreis
fallverzeichnis sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht erstellt wird, neue Abfalltechnologien entwickelt und Auskunftszentralen über vorhandene Abfälle errichtet werden sollten. Im 2. Aktionsprogramm von 1977 wurde dann erstmals die Abfallvermeidung als vorrangiges Ziel der Abfallpolitik erwähnt. Im übrigen wurden die Ziele des 1. Aktionsprogramms wiederholt5 • Die beiden folgenden Aktionsprogramme behielten diese Ziele bei6 • Ihrer Rechtsnatur nach waren diese Programme jedoch lediglich politische Zielfestlegungen ohne Rechtsverbindlichkeit. Dies ergibt sich daraus, daß der Rat die Programme lediglich als "Erklärungen" bzw. "Entschließungen" verabschiedet hat und nicht als eine der in Art. 189 Abs. 1-3 EG-Vertrag genannten, verbindlichen Rechtshandlungen7 • Obwohl rechtlich unverbindlich, sind die Aktionsprogramme nicht bedeutungslos. So darf man zum einen ihre politischen Auswirkungen nicht unterschätzen8 , wobei diese sich freilich einer rechtlichen Beurteilung entziehen. Darüber hinaus haben sie aber auch die Funktion einer Auslegungshilfe für die übrigen (verbindlichen) Rechtsakte 9 . Verbindliche Rechtsakte im Bereich des Abfall-rechts wurden erstmals in Form sog. Richtlinien im Jahre 1975 erlassen lO . Bis heute ist deren Zahl auf insgesamt folgende zwölf Richtlinien sowie einer Verordnung im Bereich des Abfallrechts angewachsen: 1. 2.
3.
Richtlinie des Rates 75/439/EWG über die Altölbeseitigung vom 16. 6. 1975 11 . Richtlinie des Rates 75/442/EWG über Abfälle vom 15. 7. 1975, geändert durch die Richtlinie des Rates 911156/EWG vom 18. 3. 1991 12 sowie durch die Richtlinie des Rates 911692/EWG vom 23. 12. 1991 13 (Rahmenrichtlinie). Richtlinie des Rates 76/403/EWG über die Beseitigung von PCB und PCT vom 4. 6. 1976, viermal geändert durch die Richtlinien 76/769/
5 Ojfe17T/ilM-Clas,OVBI. 1981, S. 1125 (1128); Kersting, Die Abgrenzung zwischen Abfall und Wirtschaftsgut, S. 153; ders., OVBI. 1992, S. 343. 6 Kloepfer, Umweltrecht, § 6, Rn. 35/36; Kersting, Abgrenzung, S. 153; ders., OVBI. 1992, S. 343. 7 Kloepfer, Umweltrecht, § 6, Rn. 23; Pieper, a.a.O., Rn. 1912; ferner Oppermann, Europarecht, Rn. 2001; Glaesner, NuR 1988, S. 166 (168). 8 So schon Everling, in: GS Constantinesco, S. 133 (144/145); Grabitz-Grabitz, Art. 189, Rn. 84; Schweitzer/Hummer, Europarecht, S. 119; allerdings jeweils für die ebenfalls unverbindlichen Rechtshandlungen Empfehlung und Stellungnahme nach Art. 189 Abs. 4 EG-Vertrag. 9 Kersting, Abgrenzung, S. 159; ähnlich: Everling, a.a.O., S. 153. 10 Ojfermann-Clas, OVBI. 1981, S. 1125 (1128); Zu Rechtsnatur und Wirkungen von Richtlinien vgl. Art. 189 Abs. 3 EG-Vertrag sowie unten: 2. Kapitel A., S. 15 ff. 11 Amtsbl. EG Nr. L 194 vom 25.7. 1975, S. 31. 12 Amtsbl. EG Nr. L 194 vom 25. 7. 1975, S. 47; für die Neufassung siehe Amtsbl. EG Nr. L 78 vom 26. 3. 1991, S. 32. 13 Amtsbl. EG Nr. L 377 vom 31. 12. 1991, S. 48. Die Richtlinie betrifft die Verenheitlichung und zweckmäßige Gestaltung der Berichte über die Durchführung bestimmter Umweltschutzrichtlinien.
A. Entwicklung und Ziele des europäischen Abfallrechts
4.
5.
6.
7.
8. 9.
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EWG, 83/478/EWG und 85/467/EWGI4 sowie durch die RL 91/ 692/ EWGI5. Richtlinie des Rates 761769/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen vom 27. 6. 1976 16 . Richtlinie des Rates 78/176/EWG über Abfälle aus der TitandioxidProduktion vom 20. 2. 1978 17 , dreimal geändert durch RL 82/883/ EWG vom 3. 12. 1982 und RL 83129/EWG vom 24. 1. 1983 18 , ausserdem durch die RL 91/692/EWG vom 23. 12. 1991 19 . Richtlinie des Rates 82/883/EWG über die Einzelheiten der Überwachung und Kontrolle der durch die Ableitung aus der Titandioxid betroffenen Umweltmedien vom 3. 12. 1983 20 . Richtlinie des Rates 84/631/EWG über die Überwachung und Kontrolle - in der Gemeinschaft - der grenzüberschreitenden Verbringung giftiger und gefährlicher Abfälle vom 6. 12. 1984, bisher fünfmal geändert, zuletzt durch RL 91/692/EWG21 . Richtlinie des Rates 85/339/EWG über Verpackung für flüssige Lebensmittel vom 27. 6. 1985 22 . Richtlinie des Rates 861278/EWG über den Schutz der Umwelt und insbesondere der Böden bei der Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft vom 12. 6. 198623 .
14 Amtsbl. EG Nr. L 108 vom 6. 4. 1976, S. 41; für die Änderungen siehe jeweils Amtsbl. EG Nr. L 262 vom 27.9. 1976, S. 201; Amtsbl. EG Nr. L 263 vom 24.9. 1983, S. 33; Amtsbl. EG Nr. L 269 vom 11. 10. 1985, S. 56. 15 Siehe Fußnote 13. 16 Amtsbl. EG Nr. L 262 vom 27. 9. 1976, S. 201; bisher elfmal geändert, zuletzt in: Amtsbl. EG 1991 Nr. L 186, S. 59 ff., 64 ff. 17 Die Richtlinie des Rates 89/428/EWG über die Modalitäten zur Vereinheitlichung der Programme zur Verringerung und späteren Unterbindung der Verschmutzung durch Abfälle in der Titandioxid-Industrie vom 21. 6. 1989, Amtsbl. EG Nr. L 201 vom 14.7. 1989, S. 56 ist durch Urteil des EuGH vom 11. Juni 1991 (Rs. 300/89 - Kommission! Rat), abgedruckt in: EuR 1991, S. 175 ff. für nichtig erklärt worden, da sie auf die verkehrte Rechtsgrundlage gestützt worden war. Der Rat hatte sie auf Art. 130 s EWG-Vertrag gestützt, die Kommission war der Ansicht, sie hätte auf Art. 100 a EWG-Vertrag gestützt werden müssen. Zu diesem Urteil siehe: Schröer, EuR 1991, S. 356 ff.; das Schicksal der Titandioxid-Richtlinie zeichnet Breier, EuZW 1993, S. 315 ff. nach. Zu den Folgen der Nichtigkeit einer Richtlinie siehe: Röttiger, EuZW 1993 S. 117 ff. 18 Amtsbl. EG Nr. L 54 vom 25. 2 1978, S. 19; für die Änderungen siehe jeweils Amtsbl. EG Nr. L 378 vom 3. 12. 1982, 1; Amtsbl. EG Nr. L 32 vom 3.2. 1983, S. 28. 19 Siehe Fußnote 13. 20 Amtsbl. EG Nr, L 378 vom 31. 12. 1982, S. 1. 21 Amtsbl. EG Nr. L 326 vom 13. 12. 1984, S. 31; für die letzte Änderung siehe Amtsbl. EG Nr. L 377 vom 31. 12. 1991, S. 48. 22 Amtsbl. EG Nr. L 176 vom 6.7. 1985, S. 18. 23 Amtsbl. EG Nr. L 181 vom 4.7. 1986, S. 6.
1. Kap.: Einführung in den Problemkreis
32
10. 11. 12.
13.
Richtlinie des Rates 89/369/EWG über die Verhütung der Luftverunreinigung durch neue Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll vom 8. 6. 198924 . Richtlinie des Rates 89/429/EWG über die Verringerung der Luftverunreinigung durch bestehende Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll vom 21. 6. 198925 . Richtlinie des Rates 91/689/EWG über gefährliche Abfälle vom 12. 12. 1991 26 (Sonderabfallrichtlinie). Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft27 (Verbringungsverordnung).
Wie sich bereits aus den Titeln ergibt, besteht das europäische Abfallrecht bisher aus der - nunmehr novellierten28 - Rahmenrichtlinie 75/442/EWG über Abfälle sowie aus speziellen Richtlinien für bestimmte Abfallarten bzw. über die Kontrolle und Überwachung bestimmter Tätigkeiten29 . Soweit Instrumentarien, Begriffe und Schutzziele in den speziellen Richtlinien geregelt sind, gehen diese den allgemeinen Regelungen der Rahmenrichtlinie 75/442/ EWG vor 30 . Die RL 75/442/EWG kann damit praktisch als Auffangrichtlinie bzw. als "Allgemeiner Teil" des europäischen Abfallrechts angesehen werden. Das Abfallrecht der EG hat damit eine Tendenz zur flächendeckenden Regelung 31 . Darüber hinaus hat die Gemeinschaft im Hinblick auf den geplanten Binnenmarkt eine sog. Gemeinschaftsstrategie für die Abfallwirtschaft verabschiedet32 . Kernstück dieses Programms ist die bereits zur Novellierung der RL 75/442/EWG verabschiedete RL 91/156/EWG33 . Die Ziele der Abfallpolitik der Gemeinschaft lassen sich wie folgt charakterisieren: Zunächst gilt die Trias der Abfallvermeidung, -verwertung und -beseitigung, wobei die Reihenfolge dieser Leitlinien zugleich die Folge der 24 Amtsbl. EG Nr. L 163 vom 14. 6. 1989, S. 32. 25 Amtsbl. EG Nr. L 203 vom 15. 7. 1989, S. 50. 26 Amtsbl. EG Nr. L 377 vom 31. 12. 1991, S. 20. Sie hat die RL 78/319/EWG über giftige und gefährliche Abfälle vom 20. 3 1978 (Amtsbl. EG Nr. L 84 vom 31. 3. 1978, S. 43) am 12. Dezember 1993 abgelöst (vgl. Art. 11 der RL 91/689/EWG). 27 Amtsbl. EG Nr. L 30 vom 6.2. 1993, S. 1. 28 Vgl. RL 91/156/EWG vom 18. 3. 1991, Amtsbl. EG Nr. L 78, S. 32 ff. 29 Lottermoser, Fortentwicklung, S. 132 f.; ferner Grabitz-Grabitz/Nettesheim, EWGVertrag, Art. 130 s, Rn. 217. 30 Insoweit bestehen zwischen den einzelnen Richtlinien durchaus Unterschiede, vgl. Lottermoser, Fortentwicklung, S. 133. 31 Schröder WiVerw 1990, S. 118 (123). 32 Siehe SEK (89) 934 endg.; Amtsbl. EG Nr. C 122 vom 18. Mai 1990. 33 Versteyl, in: Kunig/SchwermerlVersteyl, AbfG, Einl., Rn. 61; ferner: Grabitz, in: FS Sendler, S. 443 (463 f.).
A. Entwicklung und Ziele des europäischen Abfallrechts
33
Prioritäten wiedergibt34 . Der Vorrang der Abfallvermeidung ist allerdings über den Status eines politischen Leitsatzes bislang nicht wesentlich hinaus gekommen35 (inwieweit aus den die Abfallvermeidung postulierenden Bestimmungen des EG-Rechts Pflichten für die Mitgliedstaaten folgen, wird an anderer Stelle behandelt36 ). Es kann jedoch, zumindest in rechtspolitischer Hinsicht, durchaus davon ausgegangen werden, daß das Ziel der Abfallvermeidung im Gemeinschaftsrecht absoluten Vorrang genießt37 . Dies ergibt sich einmal bereits aus dem 4. Aktionsprogramm, in welchem die Förderung von Erzeugnissen festgelegt wurde, bei deren Beseitigung keine oder nur wenig Abfälle entstehen38 . Weiterhin sind in der zuvor genannten Gemeinschaftsstrategie zur Abfallwirtschaft in erster Linie Maßnahmen zur Verminderung des Abfallaufkommens geplant39 und schließlich enthält Art. 3 Abs. 1 der Neufassung der RL 75/442/EWG über Abfälle das ausdrückliche Gebot der Abfallvermeidung40 . Ziel des europäischen Abfallrechts bezüglich Vermeidung und Verwertung von Abfällen ist nach Auffassung des Rates der Schutz der menschlichen Gesundheit sowie der Natur41 . Damit ist oberstes Prinzip der Abfallpolitik der Umweltschutz. In den Begründungserwägungen zu den einzelnen Richtlinien erwähnt der Rat zwar auch "das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes"42, dies geschieht allerdings -insbesondere neuerdings43 - eher beiläufig bzw. überhaupt nicht. Dies ergibt sich schon aus einem rein quantitativen Vergleich. So beziehen sich von den dreizehn Begründungserwägungen zur Novellierung der RL 75/442/EWG sechs expressis verbis auf den Umweltschutz, drei beinhalten mittelbar Themen des Umweltschutzes, während der Binnenmarkt - und damit ein wirtschaftliches Motiv - nur in einer Begrün-
34 Pernice, NVwZ 1990, S. 414 (415); Schröder, WiVerw 1990, S. 118 (121). 35 Vgl. Kersting, Abgrenzung, S. 195, der vom "eher programmatischen Charakter" der Abfallvermeidung spricht. 36 Siehe unten: 3. Kapitel A. 11. 37 Ebenso: Kersting, Abgrenzung, S. 155; ders., DVBI. 1992, S. 343 (344).; vgl. auch: Schröder, WiVerw 1990, S. 118 (122). 38 Vgl. Offermann-Clas, DVBI. 1981, S. 1125 (1132); Kersting, DVBI. 1992, S. 343 f. 39 Grabitz, in: FS Sendler, S. 443 (464). 40 Siehe dazu auch unten, 3. Kapitel A. I. 41 Siehe die 3. Erwägung zur Begründung der RL 75/442/EWG a.F.; ferner das 4. Aktionsprogramm. 42 Vgl. die 5. Begründungserwägung der RL 75/442/EWG n.F.; ferner: 1. Begründungserwägung der RL 75/442/EWG alte Fassung; 3. Begründungserwägung der RL 78/176/EWG. 43 Also in den Begründungserwägungen der RL 75/442/EWG novellierte Fassung, bzw. in den Begründungserwägungen der RL 91/689/EWG und der Verordnung (EWG) Nr. 259/93. 3 Schreier
34
1. Kap.: Einführung in den Problemkreis
dungserwägung genannt wird44 . Auch von der Form her wird dieses Motiv nicht hervorgehoben, da lediglich darauf verwiesen wird, daß "unterschiedliche Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über Abfallbeseitigung und -verwertung die Umweltqualität und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen". Maßgebliches Ziel des Abfallrechts der Gemeinschaft ist damit der Schutz der Umwelr45 . Der Weg, der zur Sicherung und Erreichung dieses Ziels beschritten werden soll, wird vom Gemeinschaftsrecht in Form von konkreten Zielbestimmungen vorgegeben: Neben der bereits erwähnten Prioritätenfolge von Vermeidung vor Verwertung vor Beseitigung soll die Entsorgungsautarkie für die Gemeinschaft insgesamt angestrebt werden46 und das Verbringen von Abfällen soll soweit wie möglich verhindert werden47 . Außerdem sind zur Koordinierung und Organisation der abfallwirtschaftlichen Ziele sog. Abfallbewirtschaftungspläne von den Mitgliedstaaten zu erstellen48 . Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß das Abfallrecht der Gemeinschaft nicht nur primär auf Umweltverträglichkeit ausgelegt, sondern daß der Weg, wie dies zu erreichen sei, programmatisch auch relativ klar vorgezeichnet ist.
B. Sonderproblem: Die Rechtsgrundlage der Rechtsakte der Gemeinschaft Die Kommission hatte beim EuGH beantragt, die RL 91/156/EWG zur Änderung der RL 75/442/EWG über Abfälle für nichtig zu erklären. Bezugnehmend auf das sog. Titandioxid-Urteil49 des Gerichtshofes, in dem er die RL 89/428/EWG über die Modalitäten zur Vereinheitlichung der Programme zur Verringerung und späteren Unterbindung der Verschmutzung durch Ab44 Vgl. 1., 3., 4., 5., 9., 10., 11. Begründungserwägung, die explizit auf den Umweltschutz verweisen; vgl. die 6., 7. und 8. Begründungserwägung, die mittelbar auf den Umweltschutz verweisen. Dort wird auf die in den anderen Erwägungen genannten Ziele Bezug genommen, festgestellt, daß die Entsorgungsautarkie erreicht werden soll und, daß die Verwertung von Abfällen förderungswürdig ist. Für die Bezugnahme auf den Binnenmarkt siehe die 5. Begründungserwägung. 45 Für die Rahmenrichtlinie hat das der EuGH mit Urteil vom 17. März 1993 (Rs. C 155/91 - Kommission/Rat), EuZW 1993, S. 290 ff. mittlerweile ausdrücklich bestätigt; vgl. dazu die Ausführungen unten, unter III. 46 Vgl. Art. 5 Abs. 1 der RL 75/442/EWG. 47 Vgl. die 9. Begründungserwägung sowie Art. 8 Abs. 3 der RL 75/442/EWG. 48 Vgl. Art. 7 RL 75/442/EWG n.F. Die Abfallbewirtschaftungspläne werden unten (4. Kapitel) eingehender behandelt. 49 Vom 11. Juli 1991 (Rs. C-300/89 - Kommission/Rat), EuR 1991, 175 ff. = EuZW 1991, S. 473 ff.
B. Sonderproblem: Die Rechtsgrundlage der Rechtsakte
35
fälle der Titandioxid-Industrie, für nichtig erklärte, sei die Abfallrichtlinie aus den gleichen Gründen nichtig. Es ging um die Frage der Abgrenzung der Kompetenznormen Art. 100 a EG-Vertrag im Abschnitt über die Angleichung der Rechtsvorschriften zur Verwirklichung des Binnenmarkts einerseits, Art. 130 des EG-Vertrag im mit "Umwelt" betitelten Abschnitt andererseits. Der Unterschied zwischen beiden Rechtsetzungsermächtigungen liegt namentlich in den Verfahrensrechten des Parlaments beim Erlaß der Rechtsakte sowie in dem Erfordernis einer einstimmigen Entscheidung bei Art. 130 s, während im Rahmen des Art. 100 a eine qualifIZierte Mehrheit im Rat zum Erlaß eines Rechtsaktes genügt50 . Es ging folglich ausschließlich um formale Fragen, die Rechtmäßigkeit des Inhalts der RL 89/428/EWG blieb unbestritten. Der Gerichtshof entschied seinerzeit, daß, soweit ein Rechtsakt sowohl den Binnenmarkt als auch gleichermaßen den Schutz der Umwelt betreffe, allein Art. 100 a EWG-Vertrag einschlägig sei. Da der Rat die Richtlinie auf Art. 130 s EWG-Vertrag gestützt hatte, erklärten die Richter sie für nichtig. Da auch die Neufassung der RL 75/442/EWG aufgrund Art. 130 s EWGVertrag erlassen wurde, glaubte die Kommission, aus den im sog. Titandioxid-Urteil vom Gerichtshof genannten Gründen die Nichtigkeit auch dieser Richtlinie feststellen lassen zu können. Das Gericht lehnte in einer erst kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 17. März 199351 diesen Antrag der Kommission ab 52 . Die RL 91/156/EWG zur Änderung der RL 75/442/EWG über Abfälle diene ganz überwiegend dem Umweltschutz, die Verwirklichung des Binnenmarktes sei nur am Rande von Belang. Vielmehr sei die Richtlinie sogar darauf ausgelegt, den freien Warenverkehr der Art. 30 ff. EWG-Vertrag einzuschränken. Art. 130 s EWG-Vertrag sei daher die einschlägige Rechtsgrundlage. 50 Weitere Einzellieiten des Verfahrens sind Art. 149 EG-Vertrag zu entnehmen. Außerdem bestehen Abweichungen in den Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, den Geltungsbereich aufgrund der jeweiligen Ermächtigungsnorm einzuschränken (vg!. Art. 100 a Abs. 4 einerseits, Art. 130 t andererseits), darum wurde indes nicht gestritten; siehe zu Unterschieden beider Rechtsakte Jarass, EuZW 1991, S. 530 f. 51 EuGH (Rs. C-155/91 - Kommission/Rat), EuZW 1993, S. 290 ff. 52 Angemerkt sei der Vollständigkeit halber, daß das Europäische Parlament beiden Verfahren jeweils als Streithelfer beigetreten war. Es hatte jeweils im Vorfeld des Erlasses der Richtlinien bereits die Auffasung vertreten, die Rechtsakte seien je auf Art. 100 a zu stützen. Im Verfahren über die Rahmenrichtlinie beantragten sie darüber hinaus die Nichtigerklärung des Art. 18 der Richtlinie. Diese Vorschrift sieht die Einsetzung eines Ausschusses vor, der mit der Verfassung eines Entwurfs der aufgrund der Richtlinie zu erlassenden Maßnahmen betraut ist. Dieser Entwurf soll dann im Verfahren nach Art. 148 Abs. 2 EG-Vertrag erlassen werden. Das Parlament hielt das in Art. 18 vorgesehene Verfahren für unzulässig. Der EuGH erklärte den Zusatzantrag aufgrund des Art. 37 UAbs. 3 der Satzung des Gerichtshofs (vom 17. April 1957, BGB!. H, S. 1166) für unzulässig. Diese Norm beschränkt die Rechte des Streitbeitretenden ausdrücklich darauf, die Anträge der Verfahrenspartei zu unterstützen, Streithelfer dürfen also keine selbständigen Anträge stellen. 3*
36
1. Kap.: Einführung in den Problemkreis
Diese Problematik entstand erst mit Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986 am 1. 1. 1987. Es ergab sich aus der Ergänzung des EWG-Vertrages um die in den beiden skizzierten Urteilen streitigen Art. 100 a auf der einen, Art. 130 s auf der anderen Seite. Dementsprechend sind die vor 1987 erlassenen Richtlinien in dieser Hinsicht unproblematisch. Sie sind sämtlich auf Art. 100 i.V.m. 235 EWG-Vertrag gestützt. Dies waren nach h.M. die einzigen Normen, die seinerzeit der Gemeinschaft den Erlaß von umweltrechtlichen Normen ermöglichte. Für die vorliegende Untersuchung wird dies bedeutsam, da sowohl die RL 911689/EWG über gefahrliche Abfälle als auch die Verordnung (EWG) Nr. 259/93 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Gemeinschaft jeweils auf Art. 130 s EWG-Vertrag gestützt sind. Stellt sich heraus, daß die Rechtsakte auf Art. 100 a EWG-Vertrag hätten gestützt werden müssen, wäre mit ihrer Nichtigerklärung durch den Gerichtshof in absehbarer Zukunft zu rechnen. Es kann nämlich auch insoweit davon ausgegangen werden, daß die Kommission entsprechende Anträge stellen wird. Ohne auf das grundSätzliche Verhältnis beider Normen zueinander einzugehen53 , sei hier zur Beantwortung der Frage folgendes angemerkt: Man mag das Urteil aufgrund der massiven Kritik, der sich das Gericht im Anschluß an das Titandioxid-Urteil ausgesetzt sah, als eine Kurskorrektur verstehen54 , oder man mag es im Sinne einer kontinuierlichen Weiterentwicklung der schon in besagtem ersten Urteil entwickelten Grundsätze deuten55 . Für die hier in Frage stehende Richtlinie bzw. Verordnung ist entscheidend, inwiefern ihre jeweilige Zielsetzung derjenigen der Rahmenrichtlinie bzw. der Titandioxid-RL 89/428/EWG vergleichbar ist. Der Gerichtshof hat nämlich in beiden Urteilen dieses Kriterium zur Grundlage seiner Entscheidungsfmdung gemacht. Die Ziele des Sekundärrechts der Gemeinschaft ergeben sich - analog den Präambeln völkerrechtlicher Verträge - insbesondere aus den Begründungserwägungen. Für die RL 75/442/EWG wurde als nahezu einziges Ziel der Umweltschutz bereits dargelegt. Daß sowohl die Verbringungsverordnung als auch die Sonderabfallrichtlinie in gleichem Maße dasselbe Ziel verfolgen, 53 Siehe dazu ausführlich: Schröer, Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes, S. 97 ff.; sowie in kürzerer Form: ders., EuR 1991, S. 356 ff. 54 Insbesondere wurde ihm vorgeworfen, die Umweltkompetenzen des Art. 130 r ff. EWG-Vertrag gleichsam mit einem Handstreich praktisch ausgehebelt zu haben; siehe dazu: Everling, EuR 1991, S. 179 ff.; Schröer, EuR 1991, S. 356 ff., der aufgrund seiner Urteilsanalyse an sich auch mit einer Aufhebung der Abfallrahmenrichtlinie gerechnet hatte (S. 365). Zu dem Urteil außerdem: Middeke, DVBI. 1993, S. 769 ff. 55 Insoweit lassen die Urteile (auch in einer Gesamtschau) Raum für differierende Ansichten.
B. Sonderproblem: Die Rechtsgrundlage der Rechtsakte
37
folgt zunächst schon aus dem Charakter der RL 75/442/EWG als Rahmenrichtlinie. Darüber hinaus ergibt es sich auch aus den Begründungserwägungen der Rechtsakte selbst. Dafür läßt sich anführen, daß insofern bei der RL 911689/EWG in erster Linie auf die Regelungen und Zielsetzungen der Rahmenrichtlinie bzw. auf umweltpolitische Entschließungen sowie die Aktionsprogramme verwiesen wird56 . Deren Begründungserwägungen sind daher auch zur Ermittlung der Zielsetzung der Sonderabfallrichtlinie heranzuziehen. In den übrigen Erwägungen spricht die Richtlinie von einer effektiven Bewirtschaftung gefährlicher Abfälle, die gewährleistet sein müsse. Bei der Verwendung dieses Begriffs stehen nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht ökonomische Aspekte im Vordergrund. Vielmehr ist der Begriff gerade als Gegenbegriff zur Produktionswirtschaft gemeint und besagt, daß Waren so produziert werden müssen, daß man sie nach Gebrauch der Wiederverwendung oder -verwertung zuführen kann57 . Es geht also letztlich wiederum um denSchutz der Umwelt. Der Binnenmarkt wird dagegen mit keinem Wort erwähnt. Auch zur Begründung der Verbringungsverordnung wird auf die Zielsetzungen und Regelungen der Rahmenrichtlinie Bezug genommen58 . Auch insoweit gelten folglich deren Ziele zugleich für die Verordnung. Daneben verweist die Verbringungsverordnung auf einige internationale Umweltschutzabkommen und -beschlüsse59 . In den verbleibenden Erwägungen ist durchweg die Rede von einer verbesserten Kontrolle der grenzüberschreitenden Abfallverbringung zum Schutze der Umwelt oder auch allgemein von der Notwendigkeit, die Qualität der Umwelt zu schützen und zu verbessern60 . Auch hier fmdet der Binnenmarkt keinerlei Erwähnung. Die Ziele der Sonderabfallrichtlinie und die der Verbringungsverordnung sind denen der Rahmenrichtlinie mithin in einem solchen Maße vergleichbar, daß die Prognose gewagt werden kann, beide Rechtsakte würden einer Überprüfung durch den EuGH, im Hinblick auf die ihnen zugrundeliegende Ermächtigungsnorm, ohne weiteres standhalten. Von ihrer Rechtmäßigkeit wird daher in der folgenden Untersuchung ausgegangen.
56 57 58 59 60
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
die 1., 2., 3. und 7. Begründungserwägung. Lottermoser, Fortentwicklung, Einleitung, S. 2. die 7., 10. und 14. Begründungserwägung. die 1.,2.,3., 12., 13., 14. und 15. Begründungserwägung. die 5.,6.,9.,11.,12.,14.,16.,17. und 18. Begründungserwägung.
38
1. Kap.: Einführung in den Problemkreis
C. Entwicklung und Ziele des deutschen Abfallrechts61 Die Beseitigung von Abfallen im Recht der Bundesrepublik war lange Zeit von der gesetzgeberischen Tätigkeit ausgenommen. Bis zum Jahre 1972 war sie überwiegend lediglich auf der Ebene kommunaler Satzungen geregelt62 . Ende der sechziger Jahre gab es dann bereits einige Landesgesetze, die die Beseitigung von Abfällen zum Gegenstand hatten63 . Das schließlich am 7. Juli 1972 in Kraft getretene Abfallbeseitigungsgesetz64 enthielt zunächst nur Bestimmungen über die Beseitigung von Abfällen und damit verbundene Handlungen, wie deren Beförderung, Einsammlung, Lagerung etc. 65 . Bevor schließlich das heute geltende Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen vom 27. August 198666 (im folgenden: AbfG) in Kraft trat, erfuhr das Abfallgesetz von 1972 insgesamt drei Novellen, jeweils aufgrund "vertiefter Erkenntnisse über die Umweltgefährlichkeit bestimmter Abfälle"67. Das nunmehr geltende AbfG nahm - wie schon der Titel deutlich macht erstmals Elemente der sog. Abfallwirtschaft auf. Die im europäischen Abfallrecht bereits in der alten Fassung der RL 75/442/EWG enthaltenen abfallwirtschaftlichen Gebote (vgl. Art. 3 der RL 75/442/EWG a. F.) wurden damit erst neun Jahre später in das deutsche Recht integriert68 . Des weiteren sind von den Ländern Abfallgesetze erlassen worden69 . Hierbei handelt es sich sowohl um Ausführungsgesetze zum Abfallgesetz des Bundes als auch um eigenständige Regelungen. Darüber hinaus bestehen zahlreiche Duchführungsvorschriften für das AbfG des Bundes in Form von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften70 . 61 Die Entwicklung des deutschen Abfallrechts soll im Hinblick auf die Fülle der bereits vorhandenen, umfassenden Darstellungen nur skizziert werden. Für ausführliche Darstellung siehe bspw. Barteis, Abfallrecht, S. 4 - 14; Lottermoser, Fortentwicklung, S. 4 - 126. 62 Kloepfer, Umweltrecht, § 12, Rn. 9; Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 872. 63 Bender/Sparwasser, Umweltrecht, a.a.O. 64 BGBl. I, S. 873. 65 Kloepfer, Umweltrecht, § 12, Rn. 10; Barteis, Abfallrecht, S. 6. 66 BGBl. I, S. 1410 (1501). 67 Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 872; 1. Novelle: 1977 (BGBl. I, S. 41); 2. Novelle: 1982 (BGBl. I, S. 281); 3. Novelle: 1985 (BGBl. I, S. 204); vgl. dazu im einzelnen:. Backes, DVBl. 1987, S. 333 (334). 68 Hösel/v. Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, § 1 a, Rn. 11; Kersting, Abgrenzung, S. 153; ders., DVBl. 1992, S. 343. 69 Vgl. dazu den Überblick bei Kloepfer,Umweltrecht § 12, Rn. 5. 70 Vgl. dazu den Überblick bei, in: Kunig/SchwermerlVersteyl, AbfG, Einl., Rn. 46 ff. bzw. 52 ff.
C. Entwicklung und Ziele des deutschen Abfallrechts
39
Schließlich gibt es spezielle abfallrechtliche Regelungen in anderen Gesetzen, die neben dem AbfG Anwendung fmden71 . Hervorzuheben ist insoweit insbesondere das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)72 , da die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 ein Vorbild für das abfallwirtschaftliche Verwertungsgebot des § 3 Abs. 2 S. 3 AbfG war73 . Darüber hinaus enthält es neuerdings Bestimmungen über die Zulassung von AbfalientsorgungsanIagen74 . Die neben dem Abfallgesetz bestehenden Regelungen sollen nur insoweit behandelt werden, als dazu unter europarechtlichen Gesichtspunkten Anlaß besteht. Zunächst gilt auch nach dem deutschen AbfG die Trias der Abfallvermeidung, -verwertung und -beseitigung75 . Ob hierbei der Abfallvermeidung Vorrang vor der Verwertung zukommt, ist umstritten76 . Sich insoweit ergebende Abweichungen vom europäischen Abfallrecht werden an anderer Stelle eingehend behandelt77 . Weiteres Ziel ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 AbfG, Abfälle möglichst im Inland zu entsorgen78 . Dies gilt allerdings nur, soweit § 13 AbfG keine Ausnahme zuläßt. Hintergrund dieser Regelung ist die Vermeidung des sog. Mülltourismus. Die Vereinbarkeit des Grundsatzes mit europäischem Primär- und Sekundärrecht wird ausführlich im 6. Kapitel behandelt werden. Abweichend von der Terminologie im EG-Recht, nach der die Entsorgung von Abfällen im wesentlichen dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Natur dienen soll, soll die Entsorgung von Abfällen gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG "allgemeinwohlverträglich" sein. In dieser Hinsicht bestehende Differenzen zwischen nationalem und europäischem Recht sollen ebenfalls unten79 erörtert werden.
71
Bartels, Abfallrecht, S. 11; vg\. dazu die Darstellung bei Kloepjer, Umweltrecht, § 1~ Rn. 7. 2 Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge, vom 15. 3. 1974 (BGB\. I, S. 721), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. 12. 1990 (BGB\. I, S. 2634). 73 Bartels, Abfallrecht, S. 11. 74 Siehe unten, 5. Kapite\. 75 Vg\. § 1 a AbfG; ferner § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG und § 17 ChemG. 76 Klages, NVwZ 1988, 481; Versteyl, in: Kunig/SchwermerlVersteyl, AbfG, § 1 a, Rn. HoschütVcy/Krejt, Recht der Abfallwirtschaft, § 1 a, Anm. 1. 7 Siehe unten, 3. Kapitel, A. I. 2. 78 Eine entsprechende Regelung enthält § 10 Abs. 3 des KrWAbfG. Die Bestimmung läßt allerdings ausdrücklich die Bestimmungen u.a. der Verbringungsverordnung unberührt. 79 3. Kapitel, A. III.
i
2. Kapitel
Dogmatische Grundlagen der Richtlinien des EG-Rechts Da in der vorliegenden Arbeit die Rechtmäßigkeit der Umsetzung des europäischen Abfallrechts durch die innerstaatlichen Organe der Bundesrepublik untersucht werden soll und die Vorgaben des Europarchts auf diesem Gebiet nahezu ausschließlich durch Richtlinien erfolgt ist, erscheint es sinnvoll, zunächst einen kurzen Überblick über die Richtlinie als spezifisch europarechtliches Instrument sowie über die allgemein geltenden Anforderungen an deren Umsetzung durch die Mitgliedstaaten zu geben.
A. Funktion und Bedeutung der Richtlinie in der Rechtsordnung der Europäischen Gemeinschaften Die Richtlinie ist in Art. 189 Abs. 3 EG-Vertrag bzw. Art. 161 Abs. 3 EAG-Vertrag legaldefiniertl . Danach ist sie an die Mitgliedstaaten gerichtet und hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überläßt aber die Wahl der Form und Mittel zur Erreichung dieses Ziels den Möglichkeiten der nationalen Rechtsordnungen. Charakterisiert ist sie demnach durch ein zweistufiges Umsetzungsverfahren: Erstens ihr Erlaß durch den Rat oder die Kommission, und zweitens ihre Transformierung in innerstaatliches Recht. Allerdings enthält Art. 189 keine generelle Ermächtigung zum Erlaß von Richtlinien. Dies folgt aus Art. 189 Abs. 1 und Art. 4 UAbs. 2 EG-Vertrag, wonach die Organe der Gemeinschaft nur" ... nach Maßgabe dieses Vertrags" (d.h. nur bei besonderer Ermächtigung durch den Vertrag2 ) tätig werden dürfen. Im Bereich des Umweltrechts - und damit auch im Abfallrecht - folgt die Kompetenz zum Erlaß von Richtlinien seit Erlaß der Einheitlichen Europäischen Akte vom 28.2. 19863 aus Art. 130 r i.V.m. Art. 130 s4. Vor deren Erlaß 1 Da das europäische Abfallrecht ausschließlich aufgrund des EG-Vertrages erlassen wurde· (vgl. Art. 2 Abs. 1 Iit. b) i) der RL 74/442/EWG n.F. für die Ausnahme der radioaktiven Abfälle vom Anwendungsbereich des Abfallrechts), wird der EAG-Vertrag im folgenden vernachlässigt. 2 Statt aller: Daig/Schmidt, in: GroebenlThiesing/Ehlermann, EWG-Vertrag, Art. 189, Rn. 19. 3 Amtsbl. EG Nr. L 169 vom 29. 6. 1987, S. I.
A. Funktion und Bedeutung der Richtlinie
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wurden die Umweltrechtsakte im wesentlichen auf Art. 235 und Art. 100 EWG-Vertrag gestützt5 . Das mit der Einführung der Richtlinie verfolgte Ziel war in erster Linie das der Rechtsangleichung in den einzelnen Mitgliedstaaten6 . Adressaten der Richtlinie - also die von ihr Berechtigten und Verpflichteten - sind grundsätzlich nur die Mitgliedstaaten7 . Die innerstaatliche Geltung von Richtlinien ergibt sich daher erst durch einen Umsetzungsakt der zuständigen Organe der einzelnen Mitgliedstaaten. Zu dieser Umsetzung sind sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums, der in jeder einzelnen Richtlinie gesondert festgelegt ist, verpflichtet.
I. Unmittelbare Wirkung von Richtlinien Heute ist anerkannt, daß unter bestimmten Voraussetzungen Richtlinien sog. unmittelbare Wirkung entfalten können, d.h., sie bedürfen dann keines mitgliedstaatlichen Umsetzungsaktes mehr8 . Bislang gilt dies jedoch nur für den Fall, daß die betreffende Richtlinie den einzelnen gegenüber dem Staat begünstigt. Äußerst umstritten sind dagegen die Fälle, in denen sich einzelne untereinander auf unmittelbar wirkende Richtlinienbestimmungen berufen wollen (sog. horizontale Wirkung 9 ), sowie die Fälle, in denen staatliche
4 Scheuing, EuR 1989, S. 152 ff.; Seidel, DVBI. 1989, S. 441 (445 ff.); Oppermann, Europarecht, Rn. 2024 ff.; Pieper, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1921 ff.; Beutler, in: Beutler/Bieber/PipkornlStreil, Die Europäische Gemeinschaft, S. 495. Inwieweit die Kompetenzen aus den genannten Normen gemeinsam folgen oder aus ihnen einzeln herzuleiten sind, ist zwar umstritten (vgl. bspw. Grabitz-Grabitz!Nettesheim, EWG-Vertrag, Art. 130 s, Rn. 19 ff.), im Ergebnis für die vorliegende Untersuchung aber ohne Belang. 5 Seidel, DVBI. 1989, S. 441 (445 ff.); Behrens, DVBI. 1978, S. 462 (465 ff.); Grabitz!Sasse, Umweltkompetenz der Europäischen Gemeinschaften, S. 90 ff.; Pieper, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1913 ff.; Oppermann, Europarecht, Rn. 1996 ff.; Beutler, in: Beutier/Bieber/PipkornlStreil, Die Europäische Gemeinschaft, S. 495; sowie jüngst zu Änderungen durch den Vertrag von Maastricht: Breier, NuR 1993, S. 457 ff. 6 Dendrinos, Direktwirkung, S. 20; Grabitz-Grabitz, EWG-Vertrag, Art. 189, Rn. 51; Oppermann, Europarecht, Rn. 457. 7 Grabitz-Grabitz, EWG-Vertrag, Art. 189, Rn. 55 f.; Oppermann, Europarecht, Rn. 468; Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 140. 8 Siehe dazu die ausführliche Darstellung von Oldenbourg, Die unmittelbare Wirkung von EG-Richtlinien im innerstaatlichen Bereich; ferner: Beyerlin, EuR 1987, 126 (132) und Krämer, WiVerw 1990, S. 138 ff. speziell zu Umweltrichtlinien; außerdem aus dem neueren Schrifttum: Langen/eid, DÖV 1992, 955 ff.; Bach, JZ 1990, S. 1108 ff. Siehe dazu eingehend: Nicolaysen, EuR 1986, 370ff.; Bleckmann, RIW1AWD 1984, S. 774 ff.; ferner EuGH (Rs. 152/84 - MarshalI), EuR 1986, 265 ff.
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2. Kap.: Dogmatische Grundlagen der Richtlinien des EG-Rechts
Organe dem einzelnen nicht umgesetzte Richtlinienbestimmungen entgegenhalten wollen lO . Die Voraussetzungen für die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie lassen sich wie folgt beschreiben: • • •
•
Die Richtlinie muß eine Verpflichtung des Mitgliedstaats begründen, an den sie gerichtet ist, diese Verpflichtung muß nach "Rechtsnatur, Wortlaut und Systematik geeignet" sein, "unmittelbare Wirkungen in den Rechtsbeziehungen zwischen den Adressaten der Handlung und Dritten zu begründen" 11 , d.h. sie muß "unbedingt, hinreichend klar und präzise" formuliert sein 12 , schließlich muß die zur Umsetzung ins innerstaatliche Recht vorgesehene Frist fruchtlos verstrichen sein.
Diese Rechtsprechung wurde in zahlreichen Entscheidungen bestätigt und weiterentwickelt 13 . In der sog. Francovich-Entscheidung ging der EuGH nunmehr soweit, einzelnen einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den vertragsbrüchigen Mitgliedstaat zu gewähren, nachdem sie durch Richtlinienbestimmungen begünstigt wurden, welche mangels hinreichender Bestimmtheit nicht unmittelbar anwendbar waren 14 . ll. Konsequenzen rechtswidrigen innerstaatlichen Rechts
Werden im Verlauf der Untersuchung Defizite bei der Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben durch die innerstaatlichen Bestimmungen festgestellt, ist fraglich, welche Konsequenzen sich hieraus ergeben. Hierbei ist zwischen zwei möglichen Konstellationen zu unterscheiden: Einmal der Fall, daß das nationale Recht hinter den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts zurückbleibt, zum anderen der Fall, daß das innerstaatliche lO Siehe dazu: Richter, EuR 1988, 394 ff.; ferner EuGH (Rs. 80/86 - Kolpinghuis), Slg. 1987, Heft 9, S. 3969 ff.; Langen/eid, DÖV 1992, S. 955 (958 ff); Bach, JZ 1990, S. 1108 (1114 f.). 11 EuGH (Rs. 9170· Grad), Slg. 1970, S. 825 ff. 12 Dendrinos, Direktwirkung, S. 32. 13 Siehe die umfangreichen Nachweise hierzu bei Everling, in: FS Carstens, S. 95 (lOO) in Fußnote 27 sowie aus dem neueren Schrifttum: Langen/eid, DÖV 1992, 955 ff. und Bach, JZ 1990, S. 1108 ff. Speziell zur unmittelbaen Wirkung umweltrechtlicher Richtlinien: Krämer, WiVerw 1990, S. 138 ff. 14 Siehe EuGH (verbundene Rs. 6 und 9/90 - Francovich), EuGRZ 1992, S. 60. Dazu: Langen/eid, DÖV 1992, S. 955 (961 f.).
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Recht weitreichendere Folgen zeitigt, die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben also gleichsam übererfüllt. Im ersten Fall ist der nationale Gesetzgeber verpflichtet, das Umsetzungsdeflzit zu beseitigen. Unterdessen bleibt die rechtswidrige Vorschrift des nationalen Rechts anwendbar l5 . Sodann ist danach zu fragen, ob die nicht umgesetzte bzw. nicht genügend umgesetzte Richtlinienbestimmung unmittelbare Wirkung entfaltet. Regelmäßig dürfte hierbei die Frage der hinreichenden Bestimmtheit der Norm von entscheidender Bedeutung sein. Im letzteren Fall (Übererfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben) ist zunächst zu fragen, ob die EG-Vorschrift eine abschließende Regelung trifft. Ist dies der Fall, so ist wiederum zu differenzieren: Entscheidend ist dann nämlich die Rechtsgrundlage des in Frage stehenden Gemeinschaftsrechtsaktes. Hierbei bieten sich zwei Möglichkeiten. Zum einen kann der Rechtsakt auf Art. 130 s EG-Vertrag gestützt sein, zum anderen auf andere Normen, wie Art. 100 a EG-Vertrag oder, dies ist bei den vor Erlaß der Einheitlichen Europäischen Akte im Jahre 1986 ergangenen Rechtsakten regelmäßig der Fall, auf Art. 100 LV.m. 235 EWG-Vertrag. Der Unterschied beider Varianten ergibt sich aus Art. 130 t EWG-Vertrag. Ist eine Maßnahme auf Art. 130 s EG-Vertrag gestützt, sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 130 t EG-Vertrag nicht gehindert, verstärkte Maßnahmen zum Schutze der Umwelt beizubehalten oder zu ergreifen 16 . Die einzige Einschränkung ist, daß sie mit dem Vertrag vereinbar sein müssen. Wie diese Einschränkung zu deuten ist, ist streitig. Die wohl herrschende Meinung sieht in ihr einen Verweis auf sämtliche übrigen Vertragsbestimmungen, insbesondere auf die Art. 30, 36 EWG-Vertrag I7 . Eine Minderansicht deutet ihn "als Verweis auf die allgeinen Prinzipien des Gemeinschaftsrechts wie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Gemeinschaftstreue und insbesondere auch auf die Zielsetzungen des Art. 130 r EWGV"18. Falle eine Maßnahme in den 15 So der EuGH, sofern die gemeinschaftsrechtliche Bestimmung der unmittelbaren Wirkung nicht fähig ist in (Rs. 6/64 - Costa E.N.E.L.), Slg. 1964, S. 1251 (1269 ff.); ders. (Rs. 11170 - Internationale Handelsgesellschaft mbH gegen Einfuhr- und Verwaltungsstelle für Getreide und Futtermittel), Slg. 1970, S. 1125 ff.; ferner: BVerfGE 52, S. 187 ff. sowie Oppermann Europarecht, Rn. 527 ff.; Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 10, Rn. 40 ff.; Zuleeg, Das Recht der Europäischen Gemeinschaften im innerstaatlichen Bereich, S. 136 ff.; Steiger, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 65 175). Die Gegenansicht (= Unanwendbarkeit der nationalen Norm, sofern die Richtlinienbestimmung der unmittwelbaren Wirkung nicht fähig ist) wird - mit den m.E. überzeugenderen Argumenten - favorisiert von: Langen/eid, DÖV 1992, S. 955 (963); Bach, JZ 1990, S. 1108 (1112 f.); Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 835. 16 Hierzu: Zuleeg, NJW 1993, S. 31 (34); ferner: 11. Wilmowsky, EuR 1992, S. 414. 17 So Seidel, DVBI. 1989, S. 446 (448); Pieper, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 1939; Grabitz-Grabitz/Nettesheim, EWG-Vertrag, Art. 130 t, Rn. 14; Schweitzer/Hummer, Europarecht... S. 387; Oppermann, Europarecht, Rn. 2028. 1a So Epiney/Furrer, EuR 1992, S. 369 (402).
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2. Kap.: Dogmatische Grundlagen der Richtlinien des EG-Rechts
Anwendungsbereich des freien Warenverkehrs, sei der Bezug auf den Binnenmarkt so groß, daß sie sich auf Art. 100 a stützen müsse 19 . Dies ist unzutreffend. Eine Maßnahme kann Binnenmarkt- und gleichzeitig Umweltschutzbezug haben und dennoch auf Art. 130 r EG-Vertrag gestützt werden. Sie muß nur dann auf Art. 100 a EG-Vertrag beruhen, wenn der Binnenmarktbezug überwiegt. Bestes - und vorliegend naheliegendstes - Beispiel hierfür sind die Titandioxid-Richtlinie 49/428/EWG einerseits sowie die Abfallrahmenrichtlinie 75/442/EWG n.F. andererseits: Beide dienen dem Umweltschutz, während sie gleichzeitig Bezüge zum Binnenmarkt aufweisen. Die Titandioxid-Richtlinie hätte nach Auffassung des EuGH auf Art. 100 a EWG-Vertrag gestützt werden müssen, während die Abfallrahmenrichtlinie zulässigerweise Art. 130 r EWG-Vertrag zur Rechtsgrundlage hat20 . Die Einschränkung des Art. 130 t EG-Vertrag bezieht sich folglich - entsprechend seinem Wortlaut - auf sämtliche anderen Vertragsbestimmungen. Damit ergibt sich bei Übererfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben folgendes Bild: Ist die Maßnahme der Gemeinschaft auf eine andere Rechtsgrundlage als Art. 130 s EG-Vertrag gestützt, so ist die innerstaatliche Regelung rechtswidrig, wenn die Gemeinschaftsregelung sich als abschließend erweist. Ist sie dagegen auf Art. 130 s EG-Vertrag gestützt, so ist sie rechtmäßig, wenn sie einen effektiveren Umweltschutz bewirkt und nicht gegen andere Vertragsbestimmungen verstößt, insbesondere also die Grundfreiheiten. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß der EG-Gesetzgeber die Möglichkeit hat, die Geltung der Grundfreiheiten in größerem Maß zu beschränken als der nationale Gesetzgeber, dessen Regelungsspielräume im wesentlichen auf die Anwendungsbereiche der Art. 36, 55, 56 und 66 EG-Vertrag beschränkt sind.Auf all diese Fragen wird nachfolgend insoweit eingegangen, als sie konkrete Bedeutung für die Auswirkungen des Rechts der Europaischen Gemeinschaften auf das deutsche Abfallrecht erlangen.
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Epiney/Furrer, a.a.O. Einzelheiten hierzu oben, im 1. Kapitel unter A. III.
B. Die Anforderungen an die Umsetzung
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B. Die Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien durch die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung
des EuGH
J. Die Anforderungen im einzelnen Die Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien durch die Mitgliedstaaten werden vom EuGH in erster Linie nach deren Funktion bestimmt, eine Angleichung der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten herbeizuführen. Daraus folgt, daß entsprechend der Regelung des Art. 189 Abs. 3 EG-Vertrag die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Ziele einer Richtlinie gebunden sind, die Wahl der Mittel ihnen aber überlassen bleibt21 . Dabei ist heute anerkannt, daß hinsichtlich der Ziele - und u. U. sogar hinsichtlich der Mittel - Richtlinien bis ins Detail gehende Regelungen enthalten dürfen22 . Die Auswahl der Mittel verbleibt aber regelmäßig im Ermessen der Mitgliedstaaten. Die Mittel der Umsetzung dürfen deshalb auch nicht durch Auslegung der Richtlinie bestimmt werden, sofern diese nicht von der Richtlinie selber vorgeschrieben werden23 . Auch in diesen Fällen sind die Mitgliedstaaten aber dennoch verpflichtet, "innerhalb der ihnen nach Art. 189 belassenen Entscheidungsfreiheit, die Formen und Mittel zu wählen, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit (effet utile) der Richtlinie unter Berücksichtigung des mit ihnen verfolgten Zweckes am besten eignen"24. Richtlinien müssen deshalb so umgesetzt werden, daß sie den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit genügen25 . Demnach ist erforderlich, daß die Umsetzung der Richtlinien durch verbindliche Rechtsnormen erfolgt, deren Inhalt und Bedeutung eindeutig feststellbar ist, so daß eine "vollständige und wirksame Rechtsanwendung" im 21 Statt aller: Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 171. 22 Vgl. statt aller: Bleckmann, ZGR 1992, S. 365 (370); ders .. , in: Bleckmann, Europarechtj Rn. 143 ff. 2 EuGH (Rs. 14/83 - von Colson und KamannlLand Nordrhein Westfalen), Slg. 1984, S. 1891. 24 EuGH (Rs. 48175 - Royer), Slg. 1976, S. 497 (517); sowie Grabitz-Grabitz, EWG-Vertrag, Art. 189, Rn. 59; Beyerlin, EuR 1987, S. 126 (133). -25 So ausdrücklich: SchweitzerlHummer, Europarecht, S. 114; ferner: Nicolaysen, Europarecht I, S. 162, oder wie der EuGH es ausdrückt: "Die Umsetzung muß der Eindeutigkeit und Bestimmtheit des Rechtszustandes voll gerecht werden", vgl. EuGH (Rs. 102179 - KommissionlBelgien), Slg. 1980, S. 1473 (1479); außerdem: Bleckmann, in: Bleckmann, Europarecht, Rn. 162; Beyerlin, EuR 1987, S. 126 (133).
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2. Kap.: Dogmatische Grundlagen der Richtlinien des EG-Rechts
Sinne der Richtlinie gewährleistet ist26 . Ungenügend ist eine Umsetzung durch bloße Verwaltungspraxis, welche sich jederzeit wieder ändern kann27 . Nach neuerer Rechtsprechung genügt dazu ebenfalls nicht die rein faktische Umsetzung28 . Der EuGH begründet dies damit, daß für den einzelnen eine überschaubare Lage geschaffen werden müsse. Der einzelne müsse genaue Kenntnis seiner Rechte und Pflichten haben, um diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend machen zu können. Dies sei durch die rein faktische Umsetzung oder die Umsetzung durch lediglich verwaltungsintern wirkende Richtlinien nicht gewährleistet. Demnach ist der betreffende Mitgliedstaat zur Schaffung eines "eindeutigen gesetzlichen Rahmens auf dem betreffenden Gebiet" verpflichtet29 . Unter Umständen kann dies auch dazu führen, daß nur eine wörtliche Umsetzung der Richtlinienbestimmungen der mitgliedstaatlichen Verpflichtung gerecht werden kann. So hat der EuGH festgestellt, daß "die Umsetzung einer Richtlinie in innerstaatliches Recht nicht notwendigerweise [verlange], daß ihre Bestimmungen förmlich und wörtlich in einer ausdrücklichen besonderen Gesetzesvorschrift wiedergegeben werden; je nach Inhalt der Richtlinie kann ein allgemeiner rechtlicher Rahmen genügen, wenn er tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie [... ] gewährleistet,,30. Auf den ersten Blick scheint das Gericht hier davon auszugehen, daß sogar eine grundsätzliche Pflicht der Mitgliedstaaten zur wörtlichen Umsetzung besteht. Das ließe sich aus der Formulierung "nicht notwendigerweise" folgern. Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch, daß auf die einzelne 26 Nicolaysen, Europarecht I, S. 162. 27 Ständige Rechtsprechung, vgl. EuGH (Rs. 102/79 - Kommission/Belgien), Sig. 1980, S. 1473 (1486); (Rs. 96/81 - Kommission/Niederlande), Sig. 1982, S. 1791 (1804); (Rs. 97/81 Kommission/Niederlande), Sig. 1982, S. 1819 (1833); (Rs. 160/82 - Kommission/Niederlande), Sig. 1982, S. 4637 (4642); (Rs. 300/81 - Kommission/Italien), Sig. 1983, S. 449 (456); (Rs. 145/82 - Kommission/Italien), Sig. 1983, S. 711 (718); (Rs. 116/86 - Kommission/Italien), Sig. 1988, 1323 (1338); (Rs. 168/85 - Kommission/Italien), Sig. 1986, S. 2945 ff.; siehe ferner das insoweit einhellig zustimmende Schrifttum: Bleckmann in Bleckmann, Europarecht, Rn. 162; SchweitzerlHummer, Europarecht, S. 114; Zuleeg, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWGVertrag, Art. 5, Rn. 6; Nicolaysen, Europarecht I, S. 162; Beyerlin, EuR 1987, S. 126 (135). 28 EuGH, (Rs. 131/88 - KommissionIBundesrepublik Deutschland), EuZW 1991, S.405; (Rs. 361/88 - Kommission/Bundesrepublik Deutschland), S. 440 (442); GellermannISzcze-kalla, NuR 1993, S. 54 (57). 29 EuGH, EuZW 1991, S. 405; so (ausdrücklich) auch in EuZW 1991, S. 440 ff. und (Rs. 59/89 - Kommission/Bundesrepublik Deutschland), S. 442 ff. für die TA-Luft. Er führte an, daß die Bundesrepublik Deutschland den Nachweis schuldig geblieben sei, daß die TA-Luft als verwaltungsinterne Richtlinie den selben Rechtsschutz gewähre wie bspw. ein Gesetz oder eine Verordnung (S. 441). 30 Hervorhebungen vom Verf.; vgl. EuGH (Rs. 363/85 - Kommission/Italien), Sig. 1987, S. 1733 (Bd. 4); EuGH (Rs. 131/88 - Kommission/Bundesrepublik Deutschland), EuZW 1991, S. 405, 6. Entscheidungserwägung, sowie zuletzt (Rs. 361/88 - Kommission/Bundesrepublik Deutschland), EuZW 1991, S. 440, 441, 15. Entscheidungserwägung; vgl. insoweit auch: Oppermann, Europarecht, Rn. 461 und Zuleeg, NJW 1993, S. 31 (36).
B. Die Anforderungen an die Umsetzung
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Richtlinie abzustellen ist, da sich die Frage, ob für die Umsetzung einer Richtlinie bereits ein allgemeiner rechtlicher Rahmen genügt, "je nach dem Inhalt der Richtlinie" beurteilt. Entscheidend kommt es daher darauf an, ob die Auslegung einer Richlinie ergibt, daß den Mitgliedstaaten ein Spielraum verbleibt. Zu erwähnen ist insoweit, daß die letztlich maßgebliche Auslegung sowohl des Primär- als auch des Sekundärrechts der Gemeinschaften dem EuGH obliegt (Art. 164 EG-Vertrag)31 . Festzuhalten bleibt, daß sich die von Art. 189 Abs. 3 EG-Vertrag an sich postulierte Wahlfreiheit der Form und Mittel der Mitgliedstaaten bei der Richtlinienumsetzung auf die Entscheidung zwischen "Gesetz und Verordnung oder zwischen föderalem oder zentralem Vollzug und die Verteilung der Kompetenzen" beschränken kann32 . Zusammenfassend lassen sich die Anforderungen an die Umsetzung von Richtlinien durch die Mitgliedstaaten wie folgt beschreiben: Die nationalen Umsetzungsvorschriften bedürfen der Untersuchung im Hinblick auf die Effektivität der Erreichung der von der jeweiligen Richtlinie erstrebten Zwecke. Weiterhin muß durch die Umsetzungsnormen den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit genüge getan werden. Schließlich muß die Einhaltung und Durchführung der Normen gerichtlich kontrollierbar sein33 .
n. Richtlinienkonforme Auslegung34 Weiterhin ist fraglich, inwieweit bei innerstaatlichen Umsetzungsnormen eine richtlinienkonforme Auslegung in dem Sinne möglich ist, daß bei mehreren Möglichkeiten des Verständnisses einer Norm diejenige zu wählen ist, die mit der in Frage stehenden Richtlinie in Einklang zu bringen ist. Grundsätzlich ist die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung sowohl vom EuGH als auch im einschlägigen Schrifttum anerkannt35 . Unklar 31 Zur Erstreckung der Prüfungskompetenz auf das Sekundärrecht siehe statt aller: Krück, in: GroebenlThiesing/Ehlermann, EWG-Vertrag, Art. 164, Rn. 7; zur Kontrollfunktion des EuGH durch letztverbindliche Auslegung siehe Krück, a.a.O., Rn. 51; Grabitz-Pemice, Art. 164, Rn. 11. 32 Nicolaysen, Europarecht I, S. 162. 33 Vgl. zum ganzen Beyerlin, EuR 1987, S. 126 (134 f.); ferner: Everling, ZGR 1992, S.376 (377); ders., NVwZ 1993, S. 209 ff.; Gellermann/Szczekalla, NuR 1993, S. 54 (56); Lan~enfeld/Schlemmer-Schulte, EuZW 1992, S. 622 (624); Papier, DVBI. 1993, S. 809 ff. 4 Allgemein richtet sich die Auslegung des Gemeinschaftsrechts nach dem auch im deutschen Recht (vgl. dazu: Bydlinski, Juristische Methode und Rechtsbegriff, S. 428 ff.) gängigen Kanon: grammatikalische, historische, systematische und teleologische Auslegung; siehe dazu im einzelnen: Bleckmann, ZGR 1992, 364 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
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2. Kap.: Dogmatische Grundlagen der Richtlinien des EG-Rechts
ist aber, in welchem Verhältnis die richtlinienkonforme Auslegung zu dem vom EuGH aufgestellten Erfordernis der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit steht. Es ließe sich nämlich ein mehrdeutiger Begriff in einer innerstaatlichen Umsetzungsnorm gegenüber einer eindeutigen europäischen Regelung als europarechtswidrig ansehen, da er die vom EuGH aufgestellten Anforderungen an die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht hinreichend berücksichtigt. Ebensogut sind aber gerade mehrdeutige Regelungen einer richtlinienkonformen Interpretation am ehesten zugänglich. Das Erfordernis der Rechtsklarheit und die dogmatische Konstruktion der richtlinienkonformen Auslegung stehen somit in einem Spannungsverhältnis 36 . Da aber beide Möglichkeiten nebeneinander bestehen37 , beschränkt sich die zu erörternde Problematik auf die Frage, wo die Grenze zwischen beiden Rechtsfiguren zu ziehen ist. Mit anderen Worten: Welche abstrakten Kriterien lassen sich heranziehen, um zu bestimmen, ob eine Norm noch der richtlinienkonformen Auslegung fahig ist bzw., ab wann sie rechtlich als zu unklar eingestuft werden muß 38 . Sinnvoll erscheint es, hierfür eine Gesamtschau der oben dargelegten Umsetzungskriterien vorzunehmen. Dabei wird augenfällig, daß der EuGH zur Begründung dieser Kriterien immer wieder auf die Möglichkeit des einzelnen abstellt, die für ihn aus einer Richtlinie folgenden Rechte und Pflichten ohne weiteres erkennen und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen zu können39 . Rechtssicherheit und Rechts-
35 EuGH (Rs. 111/75 - MazzaleilRenon), Slg. 1976, S. 657 (666); ders. (Rs. 14/83 - von Colson und KamannlLand Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, S. 1891 (1909); ders. (Rs. 79/83 Harz/Deutsche Tradax), Sig. 1984, S. 1921 (1942); ders. (Rs. 31/87 - BeentjeslNiederlande), NVwZ 1990, S. 353 (355); Zuleeg, in: Groeben!Thiesing/Ehlermann, EWG-Vertrag, Art. I, Rn. 40; Nicolaysen, Europarecht I, S. 207 f.; Vi Fabio, NIW 1990, S. 947 ff.; Everling, in: FS Carstens, S. 95 (107) unter Hinweis auf die Parallele zu den im deutschen innerstaatlichen Recht geltenden Grundsätzen der verfassungskonformen Auslegung; ders., ZGR 1992, S. 376 (376 f.); lpsen, in: FS Ophüls, S. 67 (83) m.w.N.; Breuer, WiVerw 1990, S.79 (100); Ehlers, DVBI. 1991, S. 605 (609); Magnus, IZ 1990, S. 1100 (1101); ferner: Schulz, in: GS Constantinesco, S. 677 (683 f.); Bach, IZ 1990, S. 1108 (1112 f.); Jarass, EuR 1991, S. 211 ff.; Zuleeg, NIW 1993, S. 31 (37) m.w.N. Skeptisch gegenüber dieser Form der Auslegung ist offenbar die Kommission, vgl. insoweit die Darstellung bei Salzwedel, UPR 1989, S. 41 f. 36 Der einzige der - soweit ersichtlich - auf diese Frage bislang eingegangen ist, ist Everling ZGR 1992, S. 376 (382 f. und 388 f.). 37 So auch: Langenjeld/Schlemmer-Schulte, EuZW 1992, S. 622 (626). 38 Zu dieser Frage ließen sich freilich Ausführungen beträchtlichen Umfangs machen. Da sie jedoch vom eigentlichen Thema der Untersuchung wegführen würden, kann sie hier nicht abschließend geklärt werden. Die Ausführungen beschränken sich hier auf das, was für den Gang der Untersuchung unerläßlich ist. 39 EuGH (Rs. 29/84 - Kommission! Bundesrepublik Deutschland, Sig. 1985, S. 166lf.; ders. (Rs. 363/85 - Kommission!Italien), Sig. 1987, S. 1733 (1742); ders. (Rs. 338/87 -
B. Die Anforderungen an die Umsetzung
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klarheit der innerstaatlichen Umsetzungsvorschriften wird also vor allem dann gefordert, wenn eine Norm den einzelnen berechtigt oder verpflichtet«> . Daraus folgt, daß in dem Maße, in dem eine Richtlinie die rechtliche Situation einzelner beeinflußt, eine richtlinienkonforme Auslegung zugunsten der Klarheit einer Norm zurücktreten muß. Weiterhin gilt, je unbestimmter eine Umsetzungsvorschrift gefaßt ist, je mehr Auslegungsmöglichkeiten sie also bietet, desto eher muß sie im Hinblick auf die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit als europarechtswidrig angesehen werden, sofern sie dem einzelnen Rechte gewährt bzw. Pflichten auferlegt. Umgekehrt ist davon auszugehen, daß, sofern lediglich der Staat, nicht aber einzelne betroffen sind, gegen eine richtlinienkonforme Auslegung in der Regel keine Bedenken bestehen. Bei einer Prüfung ist daher folgendermaßen vorzugehen: Zunächst ist festzustellen, ob die in Frage stehende Norm einzelne berechtigen oder verpflichten will. Wird dies bejaht, ist zu erörtern, inwieweit die jeweils in Frage stehende Umsetzungsnorm dem einzelnen noch in hinreichender Form die Möglichkeit bietet, der Regelung seine Rechte und Pflichten zu entnehmen. Sind einzelne von der betreffenden Regelung dagegen nicht betroffen, ist, sofern dies als möglich erscheint, diejenige Auslegung zu wählen, die mit den Vorgaben der jeweiligen Richtlinie in Einklang steht. Abschließend soll zu den Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung folgendes angemerkt werden: Da der EuGH bei seiner Auslegung nach dem gemeinschaftsrechtlichen Sinn einer Bestimmung in sämtlichen sprachlichen Fassungen fragt, mißt er selbst dem Wortlaut der jeweils einzelnen sprachlichen Fassung die Funktion einer Auslegungsgrenze nicht zu41 . Für die Auslegung des nationalen Rechts bleibt der Rahmen, innerhalb dessen die Auslegung zulässig ist, aber erhalten. Die richtlinienkonforme Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften wird also durch die nationalen Auslegungsregeln begrenzt42 . Für den Anwender deutschen Rechts ist dies der mögliche Wortsinn einer Norm43 . Kommission!Niederlande), Slg. 1990, S. 851 (880); ders. (Rs. 131188 - Kommission! Bundesrepublik Deutschland), EuZW 1991, S. 405. 40 Vgl. insoweit auch: Zu/eeg, NJW 1993, S. 31 (37) sowie Gellermann/Szczekalla, NuR 1993 S. 54 (56). 41 EuGH (Rs. 6/72 - Europemballage u.a.lKommission), Slg. 1973, S. 216 (244 f.) = NJW 1973, S. 966 ff.; ders.· (Rs. 92/78 - Simmenthal (III)/Komrnission), Slg. 1979, S. 777 (800)' außerdem: Lutter, JZ 1992, S. 593 (599). 4~ EuGH (Rs. 14/83 - v. Colson!Kamann), Slg. 1984, S. 1891 (1909); ders. (Rs. 79/83 HarzIDeutsche Tradax), Slg. 1984, S. 1921 (1942); ders. (Rs. 80/86 - Kolpinghuis Nijmegen), Slg. 1987, S. 3969 (3986); Jarass, EuR 1991, S. 211 (217 f.). 43 Lutter, JZ 1992, S. 593 (596) m.w.N.
4 Schreier
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2. Kap.: Dogmatische Grundlagen der Richtlinien des EG-Rechts
Bei all dem ist es unerheblich, ob eine Norm speziell zur Ausführung einer Richtlinie erlassen wurde oder ob sie bereits vor Erlaß der Richtlinie bestand und nunmehr lediglich im Sinne der Richtlinie ausgelegt wird, da das Gemeinschaftsrecht nur daran interessiert ist, daß eine vollständige Umsetzung erfolgt, nicht aber daran, daß dies in speziell hierfür geschaffenen Normen geschieht« .
m. Gemeinschaftswidriges Gemeinschaftsrecht Ein besonderes Problem stellt die Frage nach dem sog. gemeinschaftswidrigen Gemeinschaftsrecht dar. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird sie relevant, wenn sekundärrechtliche Regelungen des Abfallrechts zwar ein bestimmtes mitgliedstaatliches Verhalten oder Vorgehen erlauben, hiervon aber der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten des EG-Vertrages berührt wird. Dann könnte diese Maßnahme nämlich ihrerseits rechtswidrig sein, da sie gegen Primärrecht verstößt. Dies hätte die Nichtigkeit der gemeinschaftsrechtlichen Maßnahme zur Folge, was zur Konsequenz der Rechtswidrigkeit auch der fraglichen nationalen Bestimmung führen würde. Fraglich ist aber zunächst, ob und inwieweit der Gemeinschaftsgesetzgeber überhaupt an die Grundfreiheiten des Primärrechts gebunden ist. Da die Grundfreiheiten gewissermaßen zu den verfassungsmäßigen Grundlagen der Gemeinschaft gehören, ist, ohne daß es näherer Begründung bedarf, eine Bindung der Gemeinschaftsorgane im Grundsatz anzunehmen. Fraglich ist allerdings, in welchem Maße diese Bindung besteht. Von einer Bindung in gleichem Umfang wie die Mitgliedstaaten wird man nur schwerlich ausgehen können. Die Vertragsartikel, die diese Grundfreiheiten konkretisieren und die auf staatliche Maßnahmen zugeschnitten sind, welche die Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihren jeweiligen nationalen Markt ergreifen, sind ausschließlich an die Mitgliedstaaten gerichtet. Adressat der Bestimmungen ist daher nicht der Gemeinschaftsgesetzgeber , sondern sind die Mitgliedstaaten. Maßnahmen der Gemeinschaft fallen daher schon tatbestandlich nicht unter die Grundfreiheiten, denn sie werden nicht einseitig von den einzelnen Mitgliedstaaten, sondern für die gesamte Gemeinschaft einheitlich und verbindlich erlassen. Zu fragen ist daher danach, wo die Grenzen zu ziehen sind, welche Modalitäten und Differenzierungen erlaubt bzw. verboten sind. 44 So auch Bach, JZ 1990, S. 1108 (1112); Salzwedel, UPR 1989, S. 41 f.; Oldenbourg, Unmittelbare Wirkung, S. 164 f.; vgl. aber Rambow, DVBI. 1968, S. 445 (453 f.), der darauf abstellt, ob der Gesetzgeber bei Normerlaß den Willen hatte, die Richtlinie umzusetzen.
B. Die Anforderungen an die Umsetzung
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Ungeeignet in diesem Zusammenhang sind Analogien zu den Ausnahmen, welche für die Mitgliedstaaten gelten, denn diese Ausnahmen "tragen zwingenden Erfordernissen Rechnung, für die noch keine Gemeinschaftsregelung besteht und für deren Erfüllung die Mitgliedstaaten die alleinige Verantwortung haben"45 . Hinzu kommt, daß es schließlich auch der Gemeinschaftsgesetzgeber ist, der befugt ist, die Verträge abzuändern. Grundsätzlich hat daher der Gemeinschaftsgesetzgeber die Befugnis, derartige Konflikte notfalls unter Einschränkung der Grundfreiheiten der Verträge zu regeln46 . "Derartige Maßnahmen müssen Anforderungen genügen, die aus den Grundsätzen der Gemeinschaftsverfassung abzuleiten sind: Gemeinsamer Markt, einheitliche Geltung, Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten, Verhältnismäßigkeit und Übermaßverbot"47 . Es lassen sich demnach für die Bindung des Gemeinschaftsgesetzgebers an die Grundfreiheiten des primären Gemeinschaftsrechts folgende Kriterien anführen: Eine Maßnahme muß • • •
im allgemeinen Interesse der Gemeinschaft liegen, verbindlich und einheitlich für alle Mitgliedstaaten gelten, das Gebot der Verhältnismäßigkeit beachten48 .
In diesem Zusammenhang ist namentlich zu fragen, was unter "allgemeinem Interesse der Gemeinschaft" zu verstehen ist. Man könnte zunächst daran denken, daß es sich hierbei um solche Interessen handelt, die die wirtschaftliche Integration der Mitgliedstaaten fördern. Dies wäre jedoch widersinnig, da es insoweit gerade nicht um die Förderung der Integration geht, sondern um die Grenzen ihrer Beschränkung. Bei Zugrundelegung des vorgenannten Verständnisses wären Beschränkungen der wirtschaftlichen Integration durch Sekundärrecht praktisch nie möglich. Auch der EuGH erkennt indessen grundSätzlich die Möglichkeit derartiger Beschränkungen an49 .
45 Matthies, in: GS Sasse, Bd. I, S. 115 (126), allerdings ausschließlich auf die Warenverkehrsfreiheit der Art. 30 ff. EG-Vertrag bezogen. Einer Anwendung dieser Grundsätze auf die übrigen Grundfreiheiten stehen jedoch keine ernsthaften Bedenken entgegen. 46 Siehe v. Wilmowsky, NVwZ 1991, S. 1 (6); ders., Abfallwirtschaft im Binnenmarkt, S. 95 ff.; Oliver, Free movement of goods in the E.E.C., Anm. 4.08 - 4.19. 47 Siehe Matthies, in: GS Sasse, Bd. I, S. 115 (129). 48 Diese Kriterien werden allgemein angeführt. Siehe z.B. EuGH (Rs. 46/76 - Bauhuis/Niederlande), Sig. 1977, S. 5 (17), oder aus dem Schrifttum mit zahlreichen weiteren Nachweisen: v. Wilmowsky, Abfallwirtschaft im Binnenmarkt, S. 161 ff. 49 Siehe EuGH (Rs. 10/73 - Rewe ZentrallHauptzollamt Kehl), Sig. 1973, S. 1175; ders. (Rs. 46/76 - Bauhuis/Niederlande), Sig. 1977, S. 5 (17).
4"
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2. Kap.: Dogmatische Grundlagen der Richtlinien des EG-Rechts
Matthies50 versucht, diese Frage zu beantworten, indem er fordert, eine Maßnahme müsse wenigstens ihrer Tendenz nach die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes fördern. Dieses Kriterium ist jedoch wenig hilfreich. Es ließe sich nämlich ohne weiteres argumentieren, daß jede, für alle Mitgliedstaaten geltende Maßnahme diese Tendenz aufweise, da sie die Einheitlichkeit der Regelungen in den Rechtsordnungen der einzelnen Gemeinschaftsländer fördere. Dann würde aber kein Unterschied mehr zu dem Kriterium der Einheitlichkeit der Maßnahme bestehen. Wesentlich sinnvoller erscheint es daher, das Merkmal des "Allgemeininteresses" zu verstehen als: im Interesse nicht nur eines oder mehrerer, als vielmehr aller Mitgliedstaaten. Dies kann bspw. der - für die vorliegende Untersuchung besonders relevante - Schutz der Umwelt sein. Dieser ist als Schutzgut der Verträge auch ausdrücklich genannt. Zudem sind die Erfordernisse des Umweltschutzes gemäß der sog. Querschnittsklausel des Art. 130 r Abs. 2 S. 2 Bestandteil der anderen Politiken, folglich auch der Grundfreiheiten der Gemeinschaft51 . Man wird also den Schutz der Umwelt stets als im "allgemeinen Interesse der Gemeinschaft" liegend ansehen können52 . Für die vorliegende Untersuchung bedeutet dies, eine Maßnahme des Gemeinschaftsgesetzgebers ist jedenfalls dann im "allgemeinen Interesse der Gemeinschaft", wenn sie Belangen des Umweltschutzes dient.
50 In GS Sasse, Bd. I, S. 115 (126). 51 Die Umweltpolitik wird durch Art. 130 r Abs. 2 S. 2 EG-Vertrag "lautlos hinein in sämtliche andere Handlungsermächtigungen integriert", so: Pemice, Die Verwaltung 1989, S. 1 (3); ebenso die herrschende Meinung, siehe: Jahns-BöhmIBreuer, EuZW 1992, S. 49 (51); GrabitzlZacker, NVwZ 1989, S. 297 (300). 52 So auch der EuGH (Rs. 240/83 - Procureur de la Republique/ADBHU), Slg. 1985, S. 531 (549 f.).
3. Kapitel
Grundprinzipien und Begrifflichkeiten des europäischen und des deutschen Abfallrechts Um die Auswirkungen des Rechts der Europäischen Gemeinschaften auf das deutsche Abfallrecht festzustellen, erscheint es notwendig, bereits bei den Grundprinzipien und Begrifflichkeiten anzusetzen. Zum einen können auf diesem Wege strukturelle Unterschiede deutlich gemacht werden, zum anderen kann die Verwendung unterschiedlicher Begriffe auch praktisch bedeutsam sein. Zu einem großen Teil sind es nämlich die den Begriffen beigelegten Inhalte, die den materiellen Gehalt einer Rechtsnorm ausmachen. Vorliegend ist es sogar ein einzelner Begriff, der einem ganzen Rechtsgebiet sein Gepräge gibt. Vom Abfallbegriff hängt die Anwendbarkeit sämtlicher abfallrechtlicher Normen sowohl des deutschen, als auch des europäischen Rechts ab. Der ganz überwiegende Teil dieses Kapitels ist dementsprechend diesem Begriff gewidmet. Zuvor werden allerdings die Grundprinzipien des Abfallrechts erörtert. Diese Reihenfolge wurde gewählt, da die den Regelungen - und damit auch den Begriffsbestimmungen - zugrundeliegenden Prinzipien in Zweifelsfällen als Auslegungshilfe dienen können.
A. Grundprinzipien des europäischen Abfallrechts und ihre Umsetzung durch das deutsche Abfallrecht I. Das Gebot der Abfallvermeidung Wie bereits erwähnt, ist oberstes Prinzip des Abfallrechts der Gemeinschaften die Vermeidung von Abfällen. 1. "Status" der Abfallvermeidung
Fraglich ist, inwiefern diesem Gebot konkrete rechtliche Vorgaben zu entnehmen sind. In der Literatur ist bspw. die Rede vom "eher programmati-
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3. Kap.: Grundprinzipien und Begrifflichkeiten
sehen Charakter" der Abfallverrneidung l , was auf das Fehlen jeglicher Vorgaben hindeutet. Für diese Auffassung läßt sich anführen, daß der Vorrang der Abfallvermeidung nicht durchgängig angeordnet wird2 . Zum anderen hat die Gemeinschaft selbst keine Vorschriften erlassen, welche konkrete Maßnahmen zur Abfallvermeidung vorschreiben. Immerhin verpflichten aber einzelne Bestimmungen die Mitgliedstaaten, "Maßnahmen" zur Förderung der Abfallvermeidung zu treffen3 . Hieraus läßt sich allerdings lediglich folgern, daß die Mitgliedstaaten überhaupt etwas im Bereich der Abfallvermeidung unternehmen müssen. Weiterhin ließe sich durch Auslegung des Begriffs "Maßnahmen" darauf schließen, welcher Rechtsnatur die Umsetzungs akte der Mitgliedstaaten sein müssen. Würde der Begriff "Maßnahmen" jede Art von Handlungen umfassen, so stünde die Form der Umsetzung im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaats. In diesem Fall dürften bereits bspw. Appelle an die Bevölkerung, möglichst wenig Abfälle zu erzeugen, zur Umsetzung genügen. Meint der Begriff jedoch ausschließlich rechtsverbindliche Handlungen, so ist das Ermessen zumindest hinsichtlich der Rechtsnatur der Umsetzungsakte eingeschränkt. Diese Frage kann für die Zwecke dieser Untersuchung jedoch offen bleiben, wenn die Bundesrepublik rechtsverbindliche Maßnahmen zur Abfallvermeidung getroffen hat. Die Abfallvermeidung wird in § 1 a AbfG als abfallrechtliches Ziel festgelegt. § 14 AbfG eröffnet dann die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen konkrete Rechtsakte in diesem Bereich zu erlassen. Da aufgrund dieser Norm bereits einige rechtsverbindliche Verordnungen erlassen wurden4 , liegen damit in jedem Falle Maßnahmen im Sinne der Anforderungen des EG - Rechts vor. Damit bleibt festzuhalten, daß das Gebot der Abfallvermeidung im wesentlichen noch immer ein bloßer politischer Leitsatz ist5 . Im deutschen Recht gilt mangels konkreter Aussagen des § 1 a AbfG dasselbe6 . Immerhin ist es damit aber europarechtskonform.
1 So Kersting, Abgrenzung, S. 195. 2 Die Anordnung des Vorrangs der Abfallvermeidung fehlt in Art. 2, 3 der RL 78/176/EWG über Abfälle aus der Titandioxid-Produktion; eingeschränkter: Art. 3 der RL 75/439/EWG über Altölbeseitigung; Art. 2 - 4, 5 der RL 76/403/EWG über die Beseitigung von PCB und PCT; vgl. dazu Schröder, WiVerw 1990, S. 118 (122). 3 Vgl. Art. 3 Abs. 1 a. RL 75/442/EWG n. F.; ferner Art. 3 Abs. 1 der RL 781176/EWG über die Titandioxid-Produktion; Art. 4 der RL 78/319/EWG über giftige und gefahrliche Abfalle. 4 Vgl. dazu den Überblick bei Versteyl, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 14, Rn.IO. 5 Allerdings ist insoweit aber der Erlaß von konkreteren Vorschriften i.R.d. Abfallwirtschaftsstrategie der Gemeinschaft geplant, vgl. Versteyl, in: Kunig/SchwermerlVersteyl, AbfG, Einl., Rn. 61; Grabitz, in: FS Sendler, S. 443 (463 f.).
A. Grundprinzipien des europäischen Abfallrechts
55
2. Prioritätenfolge
Das Verhältnis zwischen Abfallvermeidung und Abfallverwertung wird im europäischen Recht dadurch bestimmt, daß jene Vorrang vor dieser genießt? . Diese beiden Prinzipien gelten zwar im deutschen Abfallrecht gemäß § 1 a AbfG ebenfalls, jedoch enthält die Norm keine ausdrückliche, deren Rangfolge betreffende Regelung 8 . Dementsprechend ist die Frage, ob der Vermeidung Vorrang vor der Verwertung zukommt, umstritten. Während teilweise ein Vorrang der Vermeidung mit der Begründung abgelehnt wird, diese Priorität sei vom Innenausschuß bei der Gesetzesberatung gefordert, dann aber von der Mehrheit abgelehnt worden9 , wird von der entgegengesetzten Auffassung ein Vorrang der Abfallvermeidung vor der -verwertung bejaht lO . Begründet wird dies in der Regel mit der Reihenfolge, in der diese abfallwirtschaftlichen Gebote vom Gesetz genannt werden. Während die Abfallvermeidung bereits in § 1 a Abs. 1 AbfG geregelt wird, ist das Gebot der Abfallverwertung erst in Abs. 2 der Vorschrift niedergelegt. Da der Vorrang aber nicht ausdrücklich angeordnet wird, liegt insofern bereits eine Abweichung des deutschen vom europäischen Abfallrecht vor. Damit stellt sich die Frage, ob im Sinne einer richtlinienkonformen Auslegung letztgenannter Ansicht zu folgen ist, oder ob nicht insoweit das Gebot der Rechtsklarheit vorgeht ll . Hierfür ist zunächst darauf abzustellen, ob die Norm den einzelnen berechtigt oder verpflichtet und sodann im Hinblick auf die Erkennbarkeit dieser Rechte und Pflichten für den einzelnen abzuwägen 12 . 6 Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 28, Rn. 21; Prümm, Umweltschutzrecht, Umweltschutzrecht, S. 244; Backes, DVBI. 1987, S. 333 (335); Versteyl, in: Kunig/Schwermer/ Versteyl, AbfG, § 1 a, Rn. 11. 7 Vgl. Art. 3 Abs. llit. a RL 75/442/EWG n. F. 8 Klages, NVwZ 1988, S. 481; Versteyl, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 a, Rn. 7. 9 So Backes, DVBI. 1987, S. 333 (335) unter Hinweis auf den Antrag der SPD - Fraktion und der Grünen im Innenausschuß, vgl. dazu BT-Drucks. 10/5656, S. 56 ff.; ebenso dieser Ansicht ist Tettinger, GewArch 1988, S. 41 (44); Struß, Abfallwirtschaftsrecht, S. 47; Verstryl, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 a, Rn. 8; ähnlich auch Kloepjer, Umweltrecht, § 12, Rn. 57. 10 So Henselder-Ludwig, Abfallrecht, S. 38; Prümm, Umweltschutzrecht, S.244; Lottermoser, Fortentwicklung, S. 90; Barteis, Abfallrecht, S. 54 f.; ebenso wohl auch Hoschütlky/Krejt, Recht der Abfallwirtschaft, § 1 a, Anrn. 1; Klages, NVwZ 1988, S. 481 und Zimmermann, Der Landkreis 1986, S. 191. 11 Siehe oben, 2. Kapitel, B. 11. 12 Siehe oben, 2. Kapitel, B. 11.
56
3. Kap.: Grundprinzipien und Begrifflichkeiten
Vorliegend folgen aus dem Gebot der Abfallvermeidung keine unmittelbaren Rechte oder Pflichten für den einzelnen, da es sich dabei im wesentlichen um rein programmatische Aussagen handelt. Dementsprechend kann hier einer richtlinienkonformen Auslegung der Vorrang eingeräumt werden. Im Ergebnis ist daher der Ansicht 13 zu folgen, die einen Vorrang der Abfallvermeidung vor der Abfallverwertung annimmt, da nur so eine Europarechtskonformität des § 1 a AbfG erreicht werden kann. 3. Ergebnis
Im Hinblick auf das Abfallvermeidungsgebot entspricht das deutsche Abfallrecht den europarechtlichen Vorgaben, sofern man es richtlinienkonform auslegt l4 .
n. Das Gebot der Abfallverwertung Bezüglich der Verwertung ist zwischen stofflicher und thermischer Verwertung zu unterscheiden. Während bei der stofflichen Verwertung aus oder mit einem Stoff oder Gegenstand ein neues Produkt gewonnen wird, besteht die thermische (oder auch energetische) Verwertung in der Gewinnung von Energie (Strom oder Wärme) durch Verbrennung. 1. Das Abfallverwertungsgebot im europäischen Recht
Das allgemeine Gebot der Abfallverwertung ist in Art. 3 Abs. 1 lit. b) der RL 75/442/EWG n.F. niedergelegt. Danach sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Maßnahmen zur Förderung der Abfallverwertung zu ergreifen. Aus der Vorschrift ergibt sich weiter, daß die Abfallverwertung der Abfallbeseitigung vorrangig sein soll. Wie schon bei der Abfallvermeidung, fehlen allerdings bislang Vorschriften, welche konkrete Maßnahmen hierzu vorgeben. Insoweit kann daher auf die zur Abfallvermeidung gemachten Ausführungen 15 verwiesen werden. Das EG-Recht enthält außerdem keine Regelungen, welche der stofflichen Verwertung Vorrang vor der thermischen einräumen l6 . Vielmehr ergibt sich 13 Siehe die Nachweise oben, in Fußnote 10. 14 Eine richtIinienkonforme Auslegung wird nach dem Inkrafttreten des KrWAbfG im Herbst 1996 in dieser Hinsicht nicht mehr nötig sein. Gemäß § 4 Abs. 1 wird dann der Vermeidung ausdrücklich Vorrang vor der Verwertung haben (vgl. BT-Drucks. 12/8084, S. 7). 15 Siehe oben, A. I. 1. 16 Ebenso: Fluck, DVBI. 1993, S. 590 (593).
A. Grundprinzipien des europäischen Abfallrechts
57
aus Anhang 11 B der RL 75/442/EWG n.F., daß beide Verwertungsarten gleichberechtigt nebeneinander angewandt werden dürfen. Danach sind nämlich u.a. die Verwendung als Brennstoff oder andere Mittel der Energieerzeugung als Verwertungsverfahren zulässig. 2. Das Abfallverwertungsgebot nach deutschem Recht
Auch im deutschen Abfallrecht wird sowohl die stoffliche als auch die thermische Nutzung unter den Begriff der Verwertung gefaßt 17 . Allerdings geht das deutsche Abfallrecht von einem zwingenden Vorrang der Abfallverwertung zur bloßen Entsorgung aus, sofern sie technisch möglich ist, keine im Verhältnis zur sonstigen Entsorgung unzumutbaren Kosten verursacht und ein Markt für die gewonnenen Stoffe oder Energie vorhanden ist (§ 1 a Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 S. 3 AbfG)18 . Diese Maßnahmen genügen bereits für eine hinreichende Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben, da der EG-Gesetzgeber lediglich die Ergreifung von Maßnahmen vorschreibt, nicht aber, welcher Natur sie zu sein haben oder wie weit sie gehen müssen. Daß in rechtspolitischer Hinsicht insoweit sowohl im europäischen, als auch im deutschen Abfallrecht erhebliche Regelungsdefizite bestehen, liegt auf der Hand, ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.
ill. "Umwelt"- bzw. "Gemeinwohlverträglichkeit" der Abfallentsorgung Die Entsorgung von Abfällen im deutschen Recht muß so erfolgen, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird (§ 2 Abs. 1 S. 2 AbfG). Das europäische Abfallrecht verpflichtet die Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß Abfälle verwertet und beseitigt werden, ohne daß die menschliche Gesundheit gefährdet wird und ohne daß die Umwelt geschädigt werden kann (Art. 4 RL 75/442/EWG).
17 Bender/Sparwasser, Umweltrecht, Rn. 885; Ketteler, in: Ketteler/Kippels, Umweltrecht, S. 174; Hoppe/Beckmann, Umweltrecht, § 28, Rn. 26; Jung, in: BimlJung, Abfallbeseitigungsrecht, § 1, Anm. 2.2.; Versteyl, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 1 a, Rn. 1; Kloepjer, Umweltrecht, § 12, Rn. 67. 18 Vgl. zu den Voraussetzungen im einzelnen: VGH Mannheim, NVwZ 1990, S.482 (483); Mann, Anm. zum Urteil des Bay. VerfGH v. 27. 3. 1990, DVBI. 1990, S. 697 ff.; ders. auch ausführlich: Abfallverwertung als Rechtspflicht, S. 91 ff.; OjJermann-Clas, NVwZ 1985, S. 377 (380); Bothe, NVwZ, 1987, S.938 (942); Lottermoser, Fortentwicldung, S. 90; Bane/s, Abfallrecht, S. 62.
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3. Kap.: Grundprinzipien und Begrifflichkeiten
Beide .Regelungen lassen sich als das gesamte Abfallrecht beherrschende Prinzipien beschreiben, da die in ihnen enthaltenen Gebote bei jeder abfallrechtlich relevanten Handlung zu beachten sind. Um die Vereinbarkeit des Gemeinwohlbegriffs mit den Anforderungen des EG-Abfallrechts zu ermitteln, wird zunächst der gemeinschaftsrechtliche Begriff auf seine inhaltlichen Aussagen hin untersucht, sodann der Begriff der Gemeinwohlverträglichkeit des nationalen Rechts im Hinblick auf die EGrechtlichen Vorgaben erörtert. 1. Das europarechtliche Gesundheits-und Umweltverträglichkeitsgebot
Im einzelnen schreibt Art. 4 der RL 75/442/EWG vor, daß Abfalle so zu verwerten und beseitigen sind, daß die Gesundheit von Menschen nicht gefährdet wird und "ohne daß Verfahren und Methoden verwendet werden, welche die Umwelt schädigen können, insbesondere ohne daß Wasser, Luft, Boden und die Tier- und Pflanzenwelt gefahrdet werden; Geräusch- oder Geruchsbelästigungen verursacht werden; die Umgebung und das Landschaftsbild beeinträchtigt werden" . Die Verwertung und Beseitigung von Abfallen muß also in erster Linie umweltverträglich sein. Andere Aspekte treten dabei in den Hintergrund und spielen dementsprechend keine Rolle. Die Umwelt als solche und die menschliche Gesundheit sind dabei gleichrangige Güter, wobei eine gewisse Abstufung dadurch erfolgt, daß bereits eine "Gefahrdung" der Gesundheit unzulässig ist, während bezüglich der Umwelt lediglich eine "Schädigung" nicht erfolgen darf. Diese Abstufung wird aber wieder durch den jeweils erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit einer Schutzgutverletzung in der Aufzählung der einzelnen Umweltmedien relativiert. So genügt bezüglich Wasser, Luft, Boden, Tier- und Pflanzenwelt ebenfalls eine "Gefahrdung"; bei Geräuschen und Gerüchen ist eine "Belästigung" ausreichend. Bei Umgebung und Landschaftsbild ist dagegen eine "Beeinträchtigung" notwendig. Die Aufzählung ist nicht abschließend, wie sich aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt. Fraglich ist indes, wann eine "Gefahrdung" , "Belästigung", "Beeinträchtigung" oder "Schädigung" jeweils eingetreten ist.
A. Grundprinzipien des europäischen Abfallrechts
59
a) "Gefährdung"
Vom Wortverständnis her liegt eine "Gefährdung" bereits vor einer "Beeinträchtigung" von Rechtsgütern. Eine Gefahr besteht demnach, wenn die Möglichkeit einer Beeinträchtigung (also eines Schadeneintritts) besteht 19 . Wollte man die Vorschrift wörtlich verstehen und ließe man die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung genügen, so wäre die Abfallbeseitigung und -verwertung praktisch unmöglich. Es birgt bspw. jeder Schadstoffausstoß etwa bei der bloßen Abfallverbrennung oder der energetischen Verwertung die Möglichkeit einer Gesundheits- oder Luftgefährdung. Gleiches gilt für die übrigen Rechtsgüter . Die beispielhaft genannten Abfallbehandlungsarten sind aber auch nach europäischem Abfallrecht ausdrücklich zulässig20 . Ein wörtliches Verständnis führt mithin zu keinen praktikablen Ergebnissen21 . Der Begriff der "Gefährdung" ist deshalb so zu verstehen, daß "Gefährdungen" im wörtlichen Sinne soweit wie möglich zu vermeiden sind. Am sinnvollsten erscheint es, zu diesem Zweck eine Abwägung des in Frage stehenden Schutzgutes mit anderen Schutzgütern vorzunehmen. Bei der Abwägung darf jedoch nicht auf jedes beliebige andere Rechtsgut zurückgegriffen werden, sondern namentlich auf solche, die ebenfalls von der Richtlinie geschützt werden. Als abwägungsrelevante Güter kommen damit zunächst andere, in Art. 4 selbst genannte, entgegenlaufende Umweltgüter in Betracht, wobei die sich aus der oben erwähnten Abstufung ergebende Rangfolge der einzelnen Güter bei der Abwägung zu beachten ist. Des weiteren können die übrigen Ziele des europäischen Abfallrechts, wie sie in den Begründungserwägungen der Richtlinie zum Ausdruck kommen22 , in die Abwägung mit einbezogen werden. Dabei handelt es sich im wesentlichen um: eine effiziente Abfallbewirtschaftung (3. Begründungserwägung) , das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes (5. Begründungserwägung), das Erreichen der Entsorgungsautarkie (7. Begründungserwägung), die Verminderung der Verbringung von Abfällen (9. Begründungserwägung) sowie die Möglichkeit, die gesamte Abfallbewirtschaftung kontrollieren zu können (10. und 12. Begründungserwägung). Um aber dem Gebot der wortgetreuen Auslegung möglichst gerecht zu werden, ist den von Art. 4 der RL 75/442/EWG ausdrücklich genannten Umweltgütern im Zweifel der Vorrang einzuräumen. 19 Die englische und die französische Fassung entsprechen diesem Wortverständnis; dort ist die Rede von "endanger" bzw. "en danger" . 20 Vgl. D 10, D 11 des Anhang II A bzw. R 9 des Anhangs II B der RL 75/442/EWG. 21 So auch für die parallele Problematik im deutschen Abfallrecht: Kleinschnittger, Die abfallrechtliche Planfeststellung, S. 89. 22 Allgemein zur Bedeutung der Begründungserwägungen für die Auslegung siehe Lutter, JZ 1992, S. 593 (600).
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3. Kap.: Grundprinzipien und Begrifflichkeiten
b) "Belästigung" "Geräusch- oder Geruchsbelästigungen" dürfen nicht verursacht werden. Der Begriff ist in seinem Bedeutungsumfang sehr weit. So wird man schon jede Störung als "Belästigung" empfmden, sofern sie das Maß des Üblichen übersteigt. Ob eine Belästigung vorliegt, läßt sich daher abschließend auch immer erst am konkreten Fall entscheiden. Maßgeblich sind dabei vor allem die Nähe zu Wohngegenden sowie die Ortsüblichkeit. Im Rahmen dieser Kriterien ist der Begriff - seiner Wortbedeutung entsprechend - weit zu verstehen23 . Eine "Belästigung" ist vom Wortverständnis her früher gegeben denn eine "Gefährdung". Hieraus jedoch auf eine Rangfolge der im Zusammenhang mit diesen Begriffen genannten Rechtsgüter schließen zu wollen, in der Form, daß der menschliche Geruchs- und Gehörsinn gegenüber dem Schutz des Wassers, der Luft, des Bodens etc. nachrangig ist, wäre indes verfehlt. Es ist nämlich auch für die menschliche Gesundheit eine "Gefährdung" erforderlich (vgl. Art. 4 UAbs. 1 der RL 75/442/EWG), die aber gegenüber Gehör- und Geruchssinn den Oberbegriff darstellt, eine niedrigere Schwelle für die engeren Begriffe wären folglich nur dann sinnvoll, wenn gerade diese menschlichen Organe besonderen Schutzes bedürften, was aber kaum anzunehmen ist. Vielmehr ist von "Belästigungen" die Rede, weil eine Formulierung wie Geräusch- oder Geruchs-"Gefährdungen" nur wenig Sinngehalt hätte. Die Richtlinie stellt daher durch diese ausdrückliche Aufzählung vor allem klar, daß Lärm- und Geruchsschutz unbedingt zu den relevanten Zielen des Umweltschutzes zählt. c) "Beeinträchtigung"
Die Umgebung und das Landschaftsbild dürfen nicht "beeinträchtigt" werden. Dieser Begriff ist so zu verstehen, daß es sich um eine nachteilige Beeinflussung oder Umgestaltung handelt, die bereits stattgefunden hat, also in der Vergangenheit liegt. Umgebung und Landschaftsbild sind daher, in Abgrenzung zur Gefahr, nicht schon "beeinträchtigt", wenn eine nachteilige Umgestaltung wahrscheinlich oder überwiegend wahrscheinlich ist. Eine "Beein23 Auch in der englischen Fassung ist der Begriff ebenso weit gefaßt. Dort ist "Belästigung" als "nuisance" festgelegt, was u.a. mit "Störung", "Unzuträglichkeit", "Ärgernis", "Belästigung" übersetzt wird (vgl. Romain, Englisch - Deutsch, S. 503); das gleiche gilt für die französische Fassung. Für den Begriff der "Belästigung" wird der Begriff "Incommodite" verwendet, was u.a. mit "Unbequemlichkeit", "Beschwerlichkeit", "Belästigung" zu übersetzen ist (vgl. Weis, Wörterbuch der französischen und deutschen Sprache, S. 519).
A. Grundprinzipien des europäischen Abfallrechts
61
trächtigung" liegt immer erst dann vor, wenn eine Schutzgutverletzung bereits eingetreten ist. Die Anforderungen sind damit höher als die an eine "Gefährdung" und an eine "Belästigung". Eine "Beeinträchtigung" ließe sich dementsprechend umschreiben als eine Gefährdung, die sich verwirklicht hat. d) "Schädigung"
Alle übrigen Umweltmedien dürfen nicht "geschädigt" werden. Der Begriff der "Schädigung" ist mit dem der "Beeinträchtigung" gleichzusetzen. Dies ergibt sich daraus, daß schon im allgemeinen Sprachgebrauch beide Begriffe mit dem jeweils anderen umschrieben werden24 . 2. Das Gebot der Gemeinwohlverträglichkeit der Abfallentsorgung im deutschen Abfallrecht
Die allgemeinen Anforderungen an die Abfallentsorgung richten sich im deutschen Recht nach § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG. Danach sind sie "so zu entsorgen, daß das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird". Das "Wohl der Allgemeinheit" ist ein sog. unbestimmter Rechtsbegrif(25 . Dies bedeutet im wesentlichen, daß er nicht aus sich selbst heraus verständlich wird, sondern der Abwägung im Einzelfall bedar(26 . Für die Frage, wann eine Beeinträchtigung des Allgemeinwohls anzunehmen ist, bietet § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG Konkretisierungshilfen in Form bestimmter Rechtsgüter , die in den Nummern 1 bis 6 aufgezählt werden und die in die Abwägung einbezogen werden müssen. Es handelt sich dabei vor allem um Umweltgüter . Da die Aufzählung jedoch keineswegs abschließend ist, wie sich aus dem sie einleitenden Wort "insbesondere" ergibt, können in die Abwägung auch andere öffentliche und private Interessen einfließen. Dies erscheint im Hinblick auf die Vorgaben des Art. 4 der RL 75/442/EWG bedenklich, da die Vorschrift sich ausschließlich auf Schutzgüter der Umwelt bezieht.
24 Vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, S. 239 für "beeinträchtigen" und S. 1104 für "Schaden". 25 Kloepfer, Umweltrecht, § 12, Rn. 97; Bartels, Abfallrecht, S. 24. 26 Bartels, Abfallrecht, S. 24; Paetow, in: FS Sendler, 425 (432 f.); HösellY. Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, § 2, Rn. 4; Kunig, in: Kunig/SchwermerlVersteyl, AbfG, § 2, Rn. 20; VGH Mannheim, DVBI. 1988, S. 542 (543) = NuR 1988, S. 341 (342); siehe ferner allgemein zum Gebot der Abwägung bei unbestimmten Rechtsbegriffen: Zezschwitz, Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff, S. 33.
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3. Kap.: Grundprinzipien und Begriftlichkeiten
Diese Bedenken lassen sich jedoch ausräumen, wenn § 2 Abs. 1 S. 2 AbfG dennoch sicherstellt, daß die von Art. 4 der Richtlinie genannten Schutzgüter jeweils in hinreichendem Maße geschützt werden27 .
a) Prinzipieller Vorrang der Umweltbelange ? Ob die Beseitigung der genannten Bedenken gelingt, ist davon abhängig, ob den Umweltbelangen prinzipiell Vorrang vor den anderen abwägungsrelevanten Gütern zukommt. Das BVerwG hat dies in einer Entscheidung vom 10. 10. 198828 ausdrücklich verneint. Ein solcher Rechtsgrundsatz sei weder dem bundesrechtlichen Abfallrecht noch dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG zu entnehmen.
In der Literatur gibt es allerdings einige Stimmen, die in der Reihenfolge der Aufzählung eine gewisse Rangfolge ausmachen, die der Gesetzgeber den verschiedenen Schutzgütern beimißt. So soll zumindest dem Schutz der menschlichen Gesundheit Vorrang vor allen anderen Gütern zukommen, da der Gesetzgeber ansonsten seiner Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG nicht nachgekommen wäre29 . Darüber hinaus lassen sich auch für einen prinzipiellen Vorrang des Umweltschutzes allgemein Argumente fmden. Zunächst ist kein Grund ersichtlich, warum der Gesetzgeber nahezu ausschließlich Umweltgüter in die Liste der bei der Abwägung zwingend zu berücksichtigenden Schutzgüter aufgenommen hat, wenn nicht den, daß der Umweltschutz eine herausragende Rolle bei der Bestimmung einer Gemeinwohlbeeinträchtigung hat. Diese Umweltgüter sind auch vom Wortlaut der Norm her besonders zu berücksichtigen ("insbesondere"). Weiterhin hat die Regelung der Abfallentsorgung durch den Gesetzgeber überhaupt ihren Grund in der Gewährleistung einer möglichst hohen Umweitverträglichkeit30 .
27 Vgl. die Fonnulierung des Art. 4: "Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen ... ". 28 Abgedruckt in: NuR 1989, S. 85 = NVwZ 1989, S. 154 (155) = UPR 1989, S. 37. Eine ähnliche Ansicht vertreten wohl auch Hösel/v. Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, § 2, Rn. 7. 29 So Kunig, in: Kunig/SchwennerlVersteyl, AbfG, § 2, Rn. 24; änlich: HoschütVcy/Kreft, Recht der Abfallwirtschaft, § 2, Anrn. 1.2; Franßen, in: Salzwedel, Grundzüge des Umweltrechts, S. 399 (423 f.); Prümm, Umweltschutzrecht, S. 244; Peters/Schenk/Schlabach, Umweltrecht, S. 223. 30 Kloepfer, Umweltrecht, § 12, Rn. I; Lottermoser, Fortentwicklung, S. 126; Barteis, Abfallrecht, S. 1.
A. Grundprinzipien des europäischen Abfallrechts
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Die Vorschrift läßt sich mithin durchaus in einem Sinne verstehen, der den Belangen des Umweltschutzes prinzipiell Vorrang vor den anderen abwägungsrelevanten Belangen und Interessen einräumt31 . Da sich letztlich auch nur durch diese Auslegung ein richtlinienkonformes Ergebnis erzielen läßt, ist sie als maßgebend zugrundezulegen. Bedenken in Bezug auf die Rechtsklarheit als "Gegenpol" zur richtlinienkonformen Auslegung32 bestehen insofern nicht, als es sich hierbei lediglich um Prinzipien handelt, aus denen für den einzelnen unmittelbar keine Rechte und Pflichten folgen.
b) Die Schutzgüter im einzelnen Zu erörtern bleibt, inwieweit der Wahrscheinlichkeitsgrad in beiden Rechtsordnungen jeweils übereinstimmt, der feststehen muß, um die Betroffenheit der einzelnen Schutzgüter festzustellen. aa) Gesundheitsgefahr Bezüglich der menschlichen Gesundheit gehen beide Rechtsordnungen davon aus, daß eine "Gefahrdung" nicht eintreten darf. Sie stimmen daher überein. Bezüglich des Gesundheitsbegriffs ließe sich im Gemeinschaftsrecht fragen, ob hiervon lediglich der biologisch-physiologische oder auch der seelische Zustand erfaßt ist. Doch wie auch immer man diese Frage entscheiden wollte, wäre durch die gesonderte Aufzählung des "Wohlbefindens" im deutschen Recht sowohl bei der engen als auch bei der weiten Auslegungsmöglichkeit EG-rechtskonformität gewahrt, da der Begriff des "Wohlbefmdens" sich auf den seelischen Zustand bezieht33 .
31 Davon geht auch Kleinschnittger (die abfallrechtliche Planfeststellung, S. 88) aus (unter Berufung auf VGH Mannnheim, NVwZ 1990, S. 487 (489)). Zum selben Ergebnis kommt auch der VGH Kassel (NVwZ 1987, S. 987 (993)), mit der allerdings etwas vagen Begründung, der Gesetzgeber habe dies "durch die entsprechende Wortwahl" zum Ausdruck gebracht. In ihrer Ar!l!lmentation ähnlich wie hier: Kleinschnittger, Die abfallrechtliche Planfeststellung, S. 88. 32 Siehe dazu oben, 2. Kapitel B. 11. 33 Hösel/v. Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, § 2, Rn. 10; Jung, in: BirnlJung, Abfallbeseitigungsrecht, § 2, Anm. 1.3; HoschütVcy/Kreft, Recht der Abfallwirtschaft, § 2, Anm. 1.2.1; Kunig, in: Kunig/SchwermerlVersteyl, AbfG, § 2, Rn. 25; Peters/Schenk/Schlabach, Umweltrecht, S. 223.
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3. Kap.: Grundprinzipien und Begrifflichkeiten
bb) Gefährdung von Wasser, Luft, Boden, Tier- und Pflanzenwelt Während das EG-Recht Wasser, Luft, Boden, Tier- und Pflanzenwelt zusammenfaßt und konstatiert, diese Schutzgüter dürften durch die Abfallverwertung und -beseitigung nicht "gefährdet" werden, findet nach deutschem Recht eine Aufteilung statt: Nutztiere, Vögel, Wild und Fische dürfen auch nach innerstaatlichem Recht nicht "gefährdet" werden (Nr. 2), so daß bezüglich dieser Tiergattungen abermals Übereinstimmung mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben besteht. Alle übrigen Tiere fallen jedoch unter die Belange des Naturschutzes 34 , die "gewahrt" werden müssen (Nr. 5); Gewässer, Boden und Nutzpflanzen dürfen nicht "schädlich beeinflußt" werden (Nr. 3); während bezüglich der Luft "schädliche Umwelteinwirkungen" durch Verunreinigungen untersagt sind (Nr. 4). Die Belange des Naturschutzes (Nr. 3) werden dann als "gewahrt" angesehen, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BNatSchG35 erfüllt sind36 . Diese Vorschrift nennt ausdrücklich den Schutz, die Pflege und die Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt. Die Belange des Naturschutzes sind also dann "gewahrt", wenn Schutz, Pflege und Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt gewährleistet sind. Bei einem derart weiten Tatbestand37 kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß er den Erfordernissen an die Wahrscheinlichkeitsprognose einer "Gefährdung" entspricht. In welchen Fällen eine schädliche Beeinflussung von Gewässer, Boden und Nutzpflanzen angenommen werden kann, wird uneinheitlich beurteilt. Die Rechtsprechung und Teile des Schrifttums meinen, es genüge dafür, wenn der Gebrauchs- oder Verbrauchswert des jeweiligen Guts herabgesetzt werde 38 . Dieses weite Begriffsverständnis läßt sich ebenfalls ohne weiteres mit dem europarechtlichen Erfordernis einer "Gefährdung" in Einklang bringen.
34 Kloepjer, Umweltrecht, § 12, Rn. 98; für weitergehenden Schutz: Kunig, in: Kunig/ Schwermer/Versteyl, AbfG, § 2, Rn. 28. 35 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz) i.d.F. der Bekanntmachung vom 12. März 1987 (BGBI. I, S. 889). 36 Kunig, in: Kunig/Schwermer/Versteyl, AbfG, § 2, Rn. 36; Jung, in: BirnlJung, Abfallbeseitigungsrecht, § 2, Anm. 1.3 bei Nr. 5; HoschiillkylKrejt, Recht der Abfallwirtschaft, § 2, Anm. 1.2.6. 37 Vgl. zur umfassenden Bedeutung der Begriffe "schützen", "pflegen", "entwickeln": Bernat