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German Pages 328 Year 1989
PETER REIFF
Die Dogmatik der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und ihre Auswirkungen auf die Ergänzung des Pflichtteils und die Schenkungsteuer
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 120
Die Dogmatik der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und ihre Auswirkungen auf die Ergänzung des Pflichtteils und die Schenkungsteuer
Von Dr. Peter Reiff
Duncker & Humblot * Berlin
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Reiff, Peter: Die Dogmatik der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und ihre Auswirkungen auf die Ergänzung des Pflichtteils und die Schenkungsteuer / von Peter Reiff. - Duncker u. Humblot, 1989 (Schriften zum Bürgerlichen Recht; Bd. 120) Zugl.: Mannheim, Univ., Diss., 1989 ISBN 3-428-06743-6 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-06743-6
Vorwort Diese Arbeit lag der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Mannh e i m i m Wintersemester 1988/1989 als Dissertation vor. Sie wurde i m Juni 1988 abgeschlossen. Literatur u n d Rechtsprechung sind bis Juni 1989 berücksichtigt. M e i n e m akademischen Lehrer, H e r r n Prof. Dr. Egon Lorenz, danke ich herzlich für die Anregung des Themas u n d den großen Freiraum bei seiner Behandlung. M e i n Dank gilt auch Prof. D r . Karl Otto Scherner für wertvolle Hinweise z u m historischen Hintergrund. Frau Sibylle Schwertner-Platz danke ich für die stets professionelle Betreuung des Manuskripts. M e i n besonderer D a n k gilt der Stadtsparkasse Mannheim, die die Veröffentlichung dieser Arbeit durch die Verleihung eines Geldpreises großzügig unterstützte. M a n n h e i m , i m Juli 1989 Peter Reiff
Inhaltsübersicht Einleitung
23 Teil 1 Die Dogmatik der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes § 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" § 3 Gesamtergebnis
25 25 97 127
Teil 2 Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und Ergänzung des Pflichtteils
128
1. Kapitel Die Problematik
128
§ 4 Fragestellung
128
§ 5 Lokalisierung
129
§ 6 Relevanz
165
2. Kapitel Der ergänzungspflichtige Wert einer weniger als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
172
§ 7 Meinungsstand
172
§ 8 Rechtsvergleichung
187
§ 9 Kritik
206
§10 Lösungsvorschlag
230
3. Kapitel Der ergänzungspflichtige Wert einer mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt §11 Meinungsstand
261 262
§12 Rechtsvergleichung
269
§13 Kritik
273
§14 Lösungsvorschlag
287
Teil 3 Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und Schenkungsteuerrecht
289
§15 Zivilrechtliche Konstruktion und §25 ErbStG
289
Literaturverzeichnis
311
Inhaltsverzeichnis Einleitung
23 Teil 1 Die Dogmatik der Schenkung unter Nießbrauchsvoifoehalt
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes I. Mögliche Konstruktionen 1. Weg 1 : Bestellung des Nießbrauchs durch Vertrag nach der Übertragung
25 25 26
a) Grundstücke
26
b) Bewegliche Sachen
27
c) Rechte
28
2. Weg 2: Bestellung des (Eigen-)Nießbrauchs durch den Veräußerer vor der Übertragung 33 a) Grundstücke
33
b) Bewegliche Sachen
34
c) Rechte
35
3. Weg 3 : Übertragung des Gegenstandes „abzüglich" des Nießbrauchs durch einheitliches Rechtsgeschäft 39 II. Rechtsgeschichte
39
1. Altrömisches Recht
39
2. Vorklassisches und klassisches römisches Recht
40
3. Mittelalter
41
4. Gemeines Recht
42
5. Preußisches ALR
44
6. Zusammenfassung
45
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege 1. Weg 3
45 45
a) Sachen
45
b) Rechte
50
c) Ergebnis
53
nsverzeichnis
10 2. Weg 2
53
a) Grundstücke
53
aa) Meinungsstand
53
bb) Kritische Analyse
56
(1) Argumente gegen die Zulässigkeit (a) Allgemein gegen Eigentümerrechte (aa) Geltung der Rechtsregei „nemini res sua servit" . . (bb) Einigungserfordernis und Eigenrechte (b) Speziell gegen den Eigentümernießbrauch (aa) Definition des Nießbrauchs als Recht an fremder Sache (bb) Unübertragbarkeit des Nießbrauchs
56 56 56 61 62 62 63
(2) Argumente für die Zulässigkeit
64
(3) Zwischenergebnis (4) Besondere Voraussetzungen
65 65
(5) Ergebnis
68
b) Bewegliche Sachen
68
aa) Meinungsstand
68
bb) Kritische Analyse
69
(1) Publizität
70
(2) Rangwahrung
71
(3) Zwischenergebnis
72
(4) Besondere Voraussetzungen
72
(5) Ergebnis
73
c) Rechte
73
aa) Meinungsstand
73
bb) Kritische Analyse (1) Generelle Einwände gegen Zulässigkeit nießbrauchs (2) Objektspezifische Besonderheiten (a) Sparguthaben (b) Hypothek (c) Aktien (d) GmbH-Anteil (e) Anteil an einer Personengesellschaft (f) Unternehmen d) Ergebnis 3. Weg 1 IV. Eigennießbrauchsbestellung als typischer Vollzugsweg
74 des
Inhaber74 75 75 76 77 77 78 78 79 79 79
1. Übereinstimmung mit Parteiwillen des „Vorbehaltens"
80
2. Interessengerechte Ergebnisse
81
nsverzeichnis a) Schutzinteressen des Veräußerers
11 81
aa) Grundstücke
81
bb) Fahrnis und Rechte
85
b) Rationellere Lösung
86
c) Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und § 107 BGB
88
3. Ergebnis V. Das atypische Vorbehaltsgeschäft § 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" I. Isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt 1. Meinungsstand 2. Kritische Analyse a) Die Qualifikation als gegenseitigen Vertrag
95 95 97 98 98 100 100
b) Die Qualifikation als gemischte Schenkung
102
c) Die Qualifikation als Schenkung unter Auflage
103
d) Ergebnis: Reine Schenkung
107
II. Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt als gestreckter Erwerb
108
1. Dreistufige Wertbewegung
111
2. Zeitablauf und Wertsteigerung
112
III. Nießbrauchsfreie Sache als Schenkungsgegenstand 1. Schenkung des Hüllenwertes im Vollzugszeitpunkt 2. Schenkung der zweiten Stufe der Wertbewegung 3. Schenkung des Wertzuwachses durch den Wegfall des Nießbrauchs
114 115 115 . . 116
a) Wert aus dem Vermögen des Schenkers
116
b) Einwände aus § 1061 BGB
119
4. Ergebnis IV. Übertragungsvertrag mit Nießbrauchsvorbehalt
121 122
1. Praktische Fallgestaltungen
122
2. Besonderheiten
123
3. Qualifikation
125
a) Schenkung unter Auflage
125
b) Gemischte Schenkung
125
c) Entgeltlicher (Kauf-)Vertrag
126
d) Zusammenfassung
126
§ 3 Gesamtergebnis
127
nsverzeichnis Teil 2 Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und Ergänzung des Pflichtteils 1. Kapitel Die Problematik § 4 Fragestellung
128
§ 5 Lokalisierung
129
I. Das Pflichtteilsrecht des BGB
129
1. Funktion
129
2. Geldpflichtteil statt materielles Noterbrecht
131
3. Verfassungsrechtliche Verankerung, Reformdiskussion und aktueller rechtspolitischer Stellenwert 132 4. Schutz vor Beeinträchtigungen II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
138 139
1. Systemwidrigkeit
139
2. Rechtspolitische Notwendigkeit
141
3. Regelungsgrundsätze
142
4. Die Grundnorm des § 2325 BGB
144
a) § 2325 Abs. 1 BGB
144
b) Bewertungsregeln (§ 2325 Abs. 2 BGB)
150
c) Zeitliche Schranke (§ 2325 Abs. 3 BGB)
157
5. Faktische Besonderheiten der Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt 163 § 6 Relevanz
165
2. Kapitel Der ergänzungspflichtige Wert einer weniger als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt 7 Meinungsstand
172
I. Schrifttum
174
1. Wert des belasteten Gegenstandes bei der Schenkung oder Wert des unbelasteten Gegenstandes beim Erbfall 174 2. Wert des Gegenstandes bei der Schenkung abzüglich des Nießbrauchs oder Wert des Gegenstandes beim Erbfall abzüglich des Nießbrauchs 177
nsverzeichnis
13
a) Der Abzug des Nießbrauchs nach §2311 BGB
179
b) Der Abzug des Nießbrauchs als Gegenleistung
179
c) Der Abzug des Nießbrauchs als Wertminderung der Leistung
180
3. Wert des nießbrauchsfreien Gegenstandes beim Erbfall
180
4. Keine Pflichtteilsergänzung, sondern „großer Pflichtteil"
182
II. Rechtsprechung
184
1. Bundesgerichtshof: Abzug des Nießbrauchs neben § 2325 Abs. 2 BGB 184 2. L G Landau: Kein Abzug des Nießbrauchs neben § 2325 Abs. 2 BGB 186 III. Zusammenfassung § 8 Rechtsvergleichung I. Frankreich
186 187 190
II. Schweiz
197
III. Österreich
202
§ 9 Kritik
206
I. Hüllenwert bei der Schenkung oder Sachwert beim Erbfall 1. Verstoß gegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB
206 208
a) Normalfälle
210
b) Auszehrfälle
211
2. Verstoß gegen Gegenleistungsprämisse
213
3. Lösungsvariante, die den Nießbrauch ex-post berechnet
214
II. Niedererer Sachwert abzüglich Nießbrauch
216
1. Unrichtiger Ausgangspunkt
217
2. Unstimmige Ergebnisse in Auszehrfallen
218
3. §2311 BGB nicht einschlägig
219
4. Nießbrauch keine Gegenleistung
220
5. Nießbrauch beim Erbfall keine Wertminderung
221
III. Sachwert beim Erbfall 1. Vom Erbfall abweichende Schenkungszeit
222 223
2. Verstoß gegen §2325 Abs. 2 Satz 2 BGB
224
3. Verstoß gegen Grundsatz der Kräftigung in der Zeit
225
4. Verstoß gegen §2325 Abs. 3 BGB IV. §2301 Abs. 1 BGB V. Sachwert bei der Schenkung oder beim Erbfall § 10 Lösungsvorschlag I. Kein Abzug des Nießbrauchs
226 217 228 230 230
14
nsverzeichnis 1. Rechtsnatur der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
231
a) Gleiche Auswirkungen wie Schenkungen ohne Vorbehalt
231
b) Vergleich mit auf den Tod aufgeschobenen Schenkungen
232
c) Vergleich mit gemischten Schenkungen und Auflagenschenkungen 234 d) Vergleich mit Schenkungen mit Nießbrauch zugunsten Dritter 2. Systematik und Grundgedanken der Pflichtteilsergänzung
. . . 236 237
a) Grundgedanken
237
b) Systematik
238
3. Stimmige Ergebnisse in Auszehrfallen
239
4. Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt in anderen Teilgebieten der Rechtsordnung 240 a) Schenkungsteuerrecht
240
b) §2287 BGB
.
c) Höfeordnung
241 244
5. Rechtsgeschichte
247
6. Rechtsvergleichung
249
7. Zusammenfassung
250
II. Niederstwertprinzip
251
III. Ergebnis
252
IV. Die gemischte Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt
252
1. Begriff
253
2. Ergänzungspflichtiger Wert
253
a) Schenkungsgegenstand
253
b) Problematik beim gestreckten Erwerb
255
c) Ergebnis
257
V. Die Auflagenschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt
258
1. Begriff
258
2. Lösung
259
a) Schenkung mit Auflage zugunsten eines Dritten
259
b) Schenkung mit Auflage zugunsten des Schenkers
260
3. Kapitel Der ergänzungspflichtige Wert einer mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt §11 Meinungsstand I. Keine Ergänzungspflicht II. Ergänzungspflichtiger Sachwert beim Erbfall III. Ergänzungspflichtiger Zuwachs an Nutzungsbefugnis
262 263 265 267
nsverzeichnis
15
§ 12 Rechtsvergleichung
269
I. Schweiz
269
II. Österreich
271
§13 Kritik
273
I. Keine Ergänzungspflicht
274
1. Leistungserfolg wird erst beim Erbfall vollendet
274
2. Sinn und Zweck des §2325 Abs. 3 BGB
276
II. Volle Ergänzungspflicht
278
1. Begründungen nicht überzeugend
279
2. Leistungserfolg teilweise schon bei Übertragung erreicht
280
3. Sinn und Zweck des §2325 Abs. 3 BGB
280
4. Verstoß gegen §2325 Abs. 2 Satz 2 BGB III. Dieckmanns Mittellösung
281 282
1. Keine Zuwendung in zwei Teilakten
282
2. Kein Zuwachs eines Restwertes
283
3. Kein Zuwachs des Nießbrauchswertes
284
4. Geschätzter Schenkungswert kein geeignetes Kriterium
286
§14 Lösungsvorschlag
287
I. Anforderungsprofil
287
II. Grundsätzliche Ergänzungspflicht des niedereren Sachwertes III. Ergänzungsfester Hüllenwert 10 Jahre vor dem Erbfall IV. Ergebnis: Ergänzungspflicht der Differenz V. Die gemischte Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt VI. Die Auflagenschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt
288 288 290 295 296
1. Auflage zugunsten Dritter
296
2. Auflage zugunsten des Schenkers
297
Teil 3 Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und Schenkungsteuerrecht § 15 Zivilrechtliche Konstruktion und §25 ErbStG I. Norminhalt II. Maßgeblichkeit des Zivilrechts
298 299 303
III. Bereicherungsprinzip
306
IV. Beschränkung auf Erwerbe von Todes wegen
308
Literaturverzeichnis
311
Abkürzungsverzeichnis a. Α. a.a.O. ABGB Abs. Abt./Abtig. AcP a.E. a.F. AGB AgrarR AK AktG allg. M. ALR Alt. Anh. Anm. AO Art. AT Aufl. Aug. AZ BAföG BayObLG Bay Ζ BB BBauBl Bd. Bearb./bearb. BewG BFH BG BGB BGBl. BGE BGH 2 Reiff
anderer Ansicht; am Anfang am angegebenen Ort Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Absatz Abteilung Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Agrarrecht Alternativkommentar zum BGB Aktiengesetz allgemeine Meinung Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten Alternative Anhang Anmerkung Abgabenordnung Artikel Allgemeiner Teil Auflage August Aktenzeichen Bundesausbildungsförderungsgesetz Bayerisches Oberstes Landesgericht Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Betriebs-Berater Bundesbaublatt Band Bearbeiter / bearbeitet Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch (Deutschland) Bundesgesetzblatt Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts, Amtliche Sammlung Bundesgerichtshof
18 BStBl BT BVerfG BWNotZ bzw. ca. Cc civ. DB DDR ders. Dez. d.h. Diss. DJT DM DNotZ DRiZ DStR E
Abkürzungsverzeichnis = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =
EI
=
En
=
Einf. Einl. ErbbauVO ErbStG EStG f., ff. FamRZ Feb. Fn. FR Fr FS GBA GBO GG GmbH GmbHG GmbHRdsch / GmbHR GS GVG Halbbd.
= = = = = = = = = = = = = = = = =
= = = =
Bundessteuerblatt Besonderer Teil Bundesverfassungsgericht Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg beziehungsweise circa Code civil civile Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik derselbe Dezember das heißt Dissertation Deutscher Juristentag Deutsche Mark Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsche Richterzeitung Deutsches Steuerrecht Entscheidungen (amtliche Sammlung des BVerfG und BFH) Entwurf der Ersten Kommission zur Ausarbeitung eines Bürgerlichen Gesetzbuches (Netto-)Ertrag eines Nießbrauchs (in einem Jahr) Einführung Einleitung Verordnung über das Erbbaurecht Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Einkommensteuergesetz folgend(e) Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Februar Fußnote Finanz-Rundschau Francs, Franken Festschrift Grundbuchamt Grundbuchordnung Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz, betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz Halbband
Abkürzungsverzeichnis HGB h.M. HöfeO HRR hrsg. i.d.F. i.d.R. i.S./d. i.V.m. Jan. JB1. JFG JhJ. JR JuS Justiz JW JZ Κ KG KG KO KöSDI KostO LG/LGe LM LS LZ MDR MittBayNot MünchKomm m.w.N. NEhelG NJW NJW-RR Nov. Nr. OGH OGHBrZ OHG ÖJZ Okt OLG 2*
= = = = = = = = = = = =
=
= = = = = = = = = = = = = = = = = = = =
= = = = = = = = =
Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Höfeordnung Höchstrichterliche Rechtsprechung herausgegeben in der Fassung in der Regel im Sinne/ des in Verbindung mit Januar Juristische Blätter (Österreich) Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau Juristische Schulung Die Justiz Juristische Wochenschrift Juristen-Zeitung Kronen Kammergericht Kommanditgesellschaft Konkursordnung Kölner Steuer Dialog Kostenordnung Landgericht / Landgerichte Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des BGH Leitsatz Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit weiteren Nachweisen Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht November Nummer Oberster Gerichtshof (Österreich) Oberster Gerichtshof für die Britische Zone Offene Handelsgesellschaft Österreichische Juristen-Zeitung Oktober Oberlandesgericht
19
20 OLGE OLGZ Preuß. Privr. RAG RdA Rdnr. RdL Rech.Ber. Recht RG RGRK
RheinA RhNK RM rom. Abtlg. Rpfleger Rspr. Rz S. Sept. SeuffA. SeuffBl. sog. StGB SZ u.a. USA usw. u.U. Verf. vgl. Vorbem. VVG WarnR WH WN Ws
Abkürzungsverzeichnis = Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts = Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen = Preußisch/e/er = Privatrecht = Reichsarbeitsgericht = Recht der Arbeit = Randnummer = Recht der Landwirtschaft = Rechenschafts-Bericht des Obergerichtes an den Kantonsrath des Kantons Zürich = Das Recht = Reichsgericht = Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, Kommentar = Rheinisches Archiv für das Zivil- und Strafrecht = Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer = Reichsmark = romanistische Abteilung = Der Deutsche Rechtspfleger = Rechtsprechung = Randziffer = Seite = September = Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten = Seufferts Blätter für Rechtsanwendung = sogenannte/er/es = Strafgesetzbuch = Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs in Zivilsachen (Österreich) = und andere; unter anderem = United States of America = und so weiter = unter Umständen = Verfasser = vergleiche = Vorbemerkung = Gesetz über den Versicherungsvertrag = Die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts, hrsg. von Wameyer = Hüllenwert (=Verkehrswert eines Gegenstandes abzüglich des kapitalisierten Nießbrauchs) = Wert eines kapitalisierten Nießbrauchs = (Verkehrs-)Wert einer Sache oder eines sonstigen Gegenstandes
Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen in Zivilsachen (BGH; RG; BayObLG)
Ζ
=
z.B.
=
zum Beispiel
ZGB
=
Zivilgesetzbuch
ZGR
=
ZHR
=
Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht
ZPO
=
Zivilprozeßordnung
ZRP
=
Zeitschrift für Rechtspolitik
ZS
=
Zeitschrift
zug.
=
zugunsten
zust.
=
zustimmend
21
Einleitung Dieckmann
hat an exponierter Stelle ausgeführt, „Schenkungen unter Nieß-
brauchsvorbehalt" bereiteten i m Rahmen der Ergänzung des Pflichtteils nach § 2325 B G B „erhebliche Schwierigkeiten" 1 . Die nach seiner Ansicht „heiklen Fragen" 2 waren noch nicht Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Soweit man i n der Literatur Stellung nahm, herrschten knappe Äußerungen vor, die selten begründet wurden und eher Bekenntnischarakter hatten. Eine Diskussion der verschiedenen Vorschläge und Positionen, ein Abwägen der unterschiedlichen Konzepte fand nicht statt. Oft wurden abweichende Ansichten nicht einmal nachgewiesen. Dies gilt nahezu ohne Einschränkung auch für die wenigen einschlägigen Gerichtsentscheidungen. Diese bis heute herrschende Ruhe hatte Speckmann schon 1970 als „überraschend" bezeichnet, w e i l für die Beteiligten von der Lösung der Probleme sehr viel abhänge 3 . Sie zu brechen und die offenen Fragen zu beantworten, war ursprünglich die ausschließliche Zielsetzung der vorliegenden Arbeit. Bei der Sichtung des Materials ergab sich, daß viele Vorschläge, Ansätze oder Äußerungen widersprüchlich, mehrdeutig oder unklar waren. Sie mußten zu Ende gedacht oder ausgelegt werden, u m sie anschließend ordnen, zueinander i n Beziehung setzen und untereinander abwägen zu können. Hierbei geriet auch § 25 ErbStG ins Blickfeld, w e i l seine Regelung als Beleg angeführt wurde, daß es für die Probleme bei der Ergänzung des Pflichtteils „keine Ideallösung" geben könne 4 . V o r allem stellte sich heraus, daß für eine Aufarbeitung der Detailprobleme die gesicherten Grundlagen fehlten. A l s ungeklärt erwies sich zunächst der Inhalt des Begriffs „Schenkung unter Nießbrauchs vorbehält". Das B G B kennt ihn anders als das Schweizer Z G B oder der Code c i v i l nicht 5 . Vorbehaltsschenkungen sind jedoch schon für das römische Recht nachweisbar und noch heute weit verbreitet. Sie haben große praktische Bedeutung, wie sich an zahlreichen publizierten Gerichtsentscheidungen und ungezählten Stellungnahmen der Literatur ablesen läßt, die zu einzelnen Fragen, insbesondere des Einkommensteuer- und Erbschaftsteuerrechts, aber auch etwa des Gesellschafts-, des Minderjährigenund des Pflichtteilsergänzungsrechts abgegeben wurden. Trotz dieser Veröffentlichungsflut steht nicht fest, welche Verträge unter den Typus Schenkung unter ι 2 3 4 5
Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19. Dieckmann, FamRZ 1984, 882. Speckmann, NJW 1970, 1638. Soergel (U)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19. Vgl. Art. 761 Abs. 1 ZGB der Schweiz; Art. 949, 950 und 601 Code civil.
Einleitung
24
Nießbrauchsvorbehalt fallen. Sicher ist nur: E i n Vertrag, der ausschließlich bewirkt, daß nach seinem V o l l z u g ein Gegenstand des Veräußerers dem Erwerber gehört, der Veräußerer aber daran einen lebenslangen Nießbrauch innehat, ist Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. Wenn der Vertrag jedoch außerdem Verpflichtungen des Erwerbers enthält, Leistungen an Dritte oder den Veräußerer zu erbringen, ist dies sehr fraglich. A l s ungeklärt erwies sich auch die juristische Qualifikation der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. Hier ist nahezu alles umstritten. Für ihre sachenrechtliche Konstruktion werden verschiedene Wege erörtert, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Die schuldrechtliche Qualifikation w i r d v ö l l i g kontrovers diskutiert. Neben der überwiegend vertretenen Auflagenschenkung werden gemischte Schenkung, uneingeschränkte reine Schenkung, aber auch gegenseitiger Vertrag genannt. A l s Schenkungsgegenstand w i r d von manchen die nießbrauchsfreie, unbelastete Sache angesehen; man geht aber auch davon aus, geschenkt sei nur der „Hüllenwert", also die belastete Sache. Selbst der Schenkungszeitpunkt steht nicht fest. Manche nehmen den Zeitpunkt der Übertragung des belasteten Gegenstandes an, andere den T o d des Vorbehaltsnießbrauchers; man hat aber auch das Zuwendungsgeschehen i n zwei Teilakte zerlegt und auf diese beiden Zeitpunkte verteilt. Hieraus ergab sich: Diese Grundlagenarbeit mußte geleistet werden, bevor die Lösung der Einzelprobleme i n A n g r i f f genommen werden konnte. Dies machte eine neue Konzeption dieser Arbeit erforderlich. Sie besteht aus drei Teilen. Der erste T e i l entwickelt dogmatische Grundlinien der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. Der zweite T e i l beantwortet die Fragen, die dieser Schenkungstyp bei der Ergänzung des Pflichtteils aufwirft. Der abschließende dritte T e i l n i m m t zur Regelung des § 25 ErbStG Stellung, soweit sie Vorbehaltsschenkungen betrifft.
Teil
1
Die Dogmatik der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt Der erste T e i l der vorliegenden Arbeit untersucht die Dogmatik der „Schenkung unter Nießbrauchs vorbehält". Er muß wegen der Reichweite des Gegenstandes auf zwei besonders bedeutsame Schwerpunkte beschränkt werden. I n § 1 w i r d die ungeklärte Frage beantwortet, wie der V o l l z u g einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt sachenrechtlich zu konstruieren ist. Diese Untersuchung gilt einem allgemeinen Problem des Vorbehaltsgeschäfts, kann also nicht auf die schenkweise Vorbehaltsübertragung beschränkt werden. Gegenstand von § 2 ist die Frage, welche Verträge zu den „Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt" gehören und welche als „gemischte Schenkungen mit Nießbrauchsvorbehalt", „Auflagenschenkungen m i t Nießbrauchsvorbehalt" oder als „entgeltliche Verträge m i t Nießbrauchsvorbehalt" hiervon zu unterscheiden sind. Untersucht w i r d weiter, wie der schuldrechtliche Vertrag „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" zu qualifizieren ist, wie die Wertbewegung v o m Schenker zum Beschenkten verläuft und was Schenkungsgegenstand der Vorbehaltsschenkung ist.
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes Ausgangspunkt der Untersuchung des dinglichen Vollzugs einer Übertragung unter Nießbrauchs vorbehält ist ihr gesichertes und unstreitiges Ergebnis: Nach dem V o l l z u g ist der Veräußerer Nießbraucher der übertragenen Sache, der Erwerber Eigentümer der m i t dem Nießbrauch des Veräußerers belasteten Sache. V o r dem V o l l z u g war der Veräußerer Eigentümer der unbelasteten Sache, der Erwerber stand zu ihr i n keinerlei Beziehung. Der V o l l z u g einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt enthält also zwei sachenrechtliche Vorgänge, die Eigentumsübertragung und die Nießbrauchsbestellung. Sie sind logisch und begrifflich streng voneinander zu trennen.
I . Mögliche Konstruktionen Die dogmatische Konstruktion des Vollzugs der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist umstritten. Drei verschiedene Wege werden diskutiert. W e g
26
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
1 geht von einer Bestellung des Nießbrauchs durch Vertrag aus, die frühestens eine juristische Sekunde nach der Übertragung des Eigentums wirksam wird. W e g 2 beruht auf der Vorstellung, der Veräußerer bestelle sich durch einseitiges Rechtsgeschäft
einen (Eigentümer-)Nießbrauch, bevor er die belastete Sache
überträgt. Diese beiden Wege stehen heute nahezu ausschließlich i m Mittelpunkt der Erörterung 1 . Neben ihnen ist W e g 3 i n den Hintergrund gerückt. Er sieht den V o l l z u g der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt insgesamt als ein einziges, einheitliches
Rechtsgeschäft.
Der Veräußerer überträgt nur einen T e i l
seines Eigentums; die darin enthaltenen Nutzungsbefugnisse werden von der Übertragung gar nicht erfaßt.
1. Weg 1: Bestellung des Nießbrauchs durch Vertrag nach der Übertragung Nach Weg 1 liegen bei einer Verfügung unter Nießbrauchsvorbehalt zwei Verträge vor. Zunächst der, der zur Übertragung des unbelasteten Gegenstandes v o m Eigentümer auf den Erwerber oder zur Abtretung des unbelasteten Rechtes v o m Inhaber auf den Erwerber führt. Hinzu k o m m t der Vertrag, durch den der Erwerber dem Veräußerer den Nießbrauch an der Sache oder an dem Recht bestellt. a) Grundstücke Bei der Übereignung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt erfordert demnach Weg 1 zwei sachenrechtliche Einigungen gemäß § 873 Abs. 1 B G B . Die eine ist gemäß § 925 Abs. 1 B G B für den Eigentumsübergang v o m veräußernden Eigentümer, i m folgenden E, auf den Erwerber, i m folgenden S, notwendig. Die zweite ist nach § 873 B G B Voraussetzung der Bestellung des Nießbrauchs des E. Beide Einigungen können gleichzeitig und i n einer Urkunde erfolgen 2 , ebenso die grundbuchrechtlich erforderlichen Anträge gemäß § 13 G B O auf Eintragung des Eigentumsüberganges und des Nießbrauchs und die Bewilligung der Eintragung des Nießbrauchs durch S nach § 19 G B O i n der Form des § 29 G B O 3 .
1 Vgl. etwa—für den Vollzug von Grundstücksschenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt — das BayObLG, Beschluß vom 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff. Dies gilt aber für jede denkbare Ubereignung einer Sache oder Abtretung eines Rechtes unter Nießbrauchsvorbehalt. 2 So von Tuhr, I I 1, 72 bei Fn. 63 ff. und das RG, 10. Sept. 1935, Ζ 148, 323 f. 3 Da im Fall des Eigentumsübergangs nach § 20 GBO das materielle Konsensprinzip (Einigungsgrundsatz) gilt und nicht wie bei der Nießbrauchsbestellung das formelle (Bewilligungsgrundsatz nach § 19 GBO), kann insoweit nicht nur eine Bewilligung abgegeben werden, vielmehr muß die Auflassung der Form des § 29 GBO entsprechen.
I. Mögliche Konstruktionen
27
S ist zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs und der Abgabe der Eintragungsbewilligung nicht verfügungsberechtigt, da zu dieser Zeit nicht er, sondern noch E Eigentümer des Grundstücks ist. Seine Verfügungen sind daher als solche eines Nichtberechtigten unwirksam 4 . Eine E i n w i l l i g u n g des Eigentümers nach § 185 Abs. 1 B G B liegt nicht v o r 5 . Die E i n w i l l i g u n g ist ihrerseits eine Verfügung 6 . I m Zeitpunkt ihres Wirksam Werdens muß die Verfügungsmacht des Einwilligenden noch gegeben, er also noch Eigentümer sein. Die E i n w i l l i g u n g des E i n die Verfügung des S, durch die er i h m einen Nießbrauch bestellt, macht diese Verfügung folglich zu einer Eigentümernießbrauchbestellung auf dem U m w e g über die Erklärungen des S. Dies ist m i t der ausdrücklichen vertraglichen Bestellung des Nießbrauchs unvereinbar, da ein Eigentümernießbrauch, sofern man ihn anerkennt 7 , keinen Vertrag voraussetzt 8 . Die zwei unwirksamen Verfügungen des Nichtberechtigten werden aber nach § 185 Abs. 2, Satz 1, 2. Alternative B G B wirksam, wenn er das Grundstück erwirbt, also mit der Eintragung des Eigentums wechseis ins Grundbuch 9 . I m Anschluß daran k o m m t dann der Nießbrauch des E durch Eintragung ins Grundbuch zur Entstehung. Nach diesem ersten W e g w i r d also zunächst S Eigentümer des lastenfreien Grundstücks, danach entsteht der Nießbrauch des E als Belastung des Grundstücks des S. b) Bewegliche
Sachen
A u c h bei beweglichen Sachen sind für W e g 1 zwei sachenrechtliche Verträge erforderlich, nämlich einer m i t dem Inhalt des § 929 Satz 1 B G B und einer m i t dem des § 1032 Satz 1 B G B . Wiederum können beide Einigungen zur selben 4
Daß eine Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO eine Verfügung im Sinn des § 185 BGB ist, wird allgemein anerkannt; vgl. Palandt-Heinrichs, § 185 Anm. lb, aa und das BayObLG, Beschluß vom 26. Okt. 1970, NJW 1971, 514 m. w. N. 5 Vgl. hierzu von Lübtow, Schenkungen 19 f. 6 Nach dem Urteil des RG vom 25. Nov. 1936, Ζ 152, 380, 383 sind Einwilligung und Genehmigung zu der von einem Nichtberechtigten getroffenen Verfügung „unbestrittenermaßen" ihrerseits selbst Verfügungen; ebenso RG, 10. Okt. 1932, Ζ 137, 356, 357. Vgl. auch Staudinger (\2)-Dilcher, Einleitung zu §§ 104-185 Rdnr. 44 m. w. N., auch auf die — mittlerweile doch vorhandene — Gegenmeinung. 7 Zu seiner Zulässigkeit vgl. unten bei Fn. 158 ff. — Wenn man diese Möglichkeit nicht anerkennt, kann der Eigentümer auch nicht über den § 181 BGB umgehenden Weg der Einigung im Sinn von § 873 BGB mit seinem zur Verfügung ermächtigten Vertreter einen Nießbrauch an seiner eigenen Sache erlangen, so ausdrücklich von Tuhr, I I 1, 80 in Fn. 113 und von Lübtow, Schenkungen 19 a. E. 8 Vielmehr reicht eine einseitige Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt aus, vgl. unten bei Fn. 42 ff. und § 1196 BGB zur Eigentümergrundschuld. 9 Darüber herrscht wohl allgemein Einigkeit. Vgl. von Tuhr, I I 1, 72 in Fn. 65; von Lübtow, Schenkungen 20; RG, 10. Sept. 1935, Ζ 148, 321, 324 und BayObLG, Beschluß vom 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff.
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
28
Zeit und gegebenenfalls i n einer Urkunde erfolgen. Wirksam werden beide Verfügungen auch bei beweglichen Sachen nicht v ö l l i g gleichzeitig 1 0 . Zwar erfordert der Übergang des Eigentums auf S neben der Einigung keine Übergabe mehr. Vielmehr w i r d diese durch die Begründung eines Besitzkonstituts i n Gestalt der Vereinbarung eines Nießbrauchs gemäß §§ 930, 868 B G B ersetzt, so daß S sofort Eigentümer der beweglichen Sache wird. U n d die Nießbrauchsbestellung durch S erfordert nur die Einigung, da E bereits i m Besitz der zu belastenden Sache ist, §§ 1032 Satz 2 i n Verbindung m i t § 929 Satz 2 B G B 1 1 . D a aber die Einräumung des Nießbrauchs des E durch S begrifflich dessen Eigentum voraussetzt und S zur Zeit der Einigung über die Nießbrauchsbestellung nicht verfügungsberechtigt ist, muß S mindestens für eine „logische Sekunde" auch bei einer beweglichen Sache Eigentümer der unbelasteten Sache sein 1 2 . I n dieser logischen Sekunde w i r d die Bestellung des Nießbrauchs für E durch S gemäß § 1 8 5 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative B G B wirksam und der Nießbrauch entsteht. Der erste Weg führt also bei M o b i l i e n und Immobilien dazu, daß zunächst das Eigentum lastenfrei erworben w i r d und danach der Nießbrauch am Eigentum des Erwerbers entsteht. c) Rechte Entsprechend hat W e g 1 bei der Übertragung eines Rechtes unter Nießbrauchsvorbehalt zur Folge, daß der Erwerber zunächst Inhaber des unbelasteten Rechtes w i r d und erst danach dem Veräußerer den Nießbrauch am Recht bestellt. Für die praktisch bedeutsamsten Fälle soll dies i m folgenden näher erläutert werden. Die Übertragung eines Sparguthabens
unter Nießbrauchsvorbehalt stellt sich
folgendermaßen dar: E, Inhaber einer Forderung gegen die Bank und zwar einer auf Zinsen ausstehenden Forderung i m Sinne von §§ 1076 ff. B G B 1 3 , tritt diese durch formlosen Vertrag nach § 398 B G B an den Erwerber S ab. Ebenfalls durch formlosen Vertrag bestellt der Zessionar dem Zedenten nach §§ 1069 Abs. 1, 398 B G B einen Nießbrauch an der Forderung 1 4 . Zwar können beide Verträge 10
A.M. sind insoweit ausdrücklich von Tuhr, I I 1, 72 und das RG, a. a. O. („gleichzeitig" bzw. „in demselben Augenblick"). 11 Insoweit ist die Argumentation des RG, a. a. Ο., zutreffend. 12 So ausdrücklich Boehmer, Grundlagen I I 2, 61 und von Lübtow, Schenkungen 19. — Abraham, AcP 151 (1950/51) 374, 378, meint in seiner teilweise kritischen Besprechung der Schrift von von Lübtow, daß man die „letzte Folgerichtigkeit bewußt außer Acht lassen müsse", wenn man mit dem RG, a. a. Ο., annehme, Eigentumsübertragung und Nießbrauchsbestellung seien in der Tat gleichzeitig erfolgt. — Nach Staudinger (\2)-Dilcher, § 107 Rdnr. 16, ist die Auffassung, der Erwerber müsse für eine „juristische Sekunde" Eigentümer des unbelasteten Gegenstandes sein, von „logischer Korrektheit" gekennzeichnet, habe sich jedoch gegen die Auffassung von der Gleichzeitigkeit nicht durchzusetzen vermocht. 13 Vgl. dazu Staudinger (\2)-Promberger, § 1076 Rdnr. 3. 14 Vgl. Soergel (11 )-Baur, § 1069 Rdnr. 3, der daraufhinweist, daß eine Übergabe des Sparbuches weder bei der Abtretung noch bei der Nießbrauchsbestellung erforderlich
I. Mögliche Konstruktionen
29
gleichzeitig abgeschlossen werden und, falls die Schriftform gewählt wird, i n einer Urkunde erfolgen 1 5 . Wirksam können beide Verfügungen indes nicht v ö l l i g zeitgleich werden. Die Einräumung des Nießbrauchs an der Forderung setzt begrifflich voraus, daß S Rechtsinhaber ist. Zur Zeit der Bestellung ist S noch nicht Inhaber der Forderung. S muß also für eine logische Sekunde Inhaber des unbelasteten Sparguthabens sein, bevor die Bestellung des Nießbrauchs gemäß § 185 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative B G B wirksam wird. Bei der Abtretung einer Hypothek
16
,
genauer einer hypothekarisch gesicherten
Forderung, unter Nießbrauchsvorbehalt ist zwischen Buch- und Briefhypothek zu unterscheiden: Bei der Buchhypothek
gilt i m Grundsatz das Gleiche wie bei
der Übereignung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt. Erforderlich sind zwei Einigungen gemäß §§ 1154 Abs. 3, 873 Abs. 1 B G B und §§ 1069 Abs. 1, 1154 Abs. 3, 873 Abs. 1 B G B 1 7 . Die eine beinhaltet die Abtretung der Hypothek von E an S, die andere die Bestellung des Nießbrauchs für E. S ist aus den oben dargelegten Gründen zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs an der Hypothek nicht verfügungsberechtigt, da zu dieser Zeit nicht er, sondern noch E Inhaber der Hypothek ist. Die Verfügung des S w i r d daher erst wirksam, § 185 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative B G B , wenn S Inhaber der Hypothek wird, also m i t der Eintragung der Abtretung ins Grundbuch. Erst danach entsteht der Nießbrauch durch Eintragung ins Grundbuch. Liegt eine Briefliypothek
vor, muß die Abtretungserklärung des E an S nach
§§ 1154, 398 B G B schriftlich erfolgen 1 8 und E den Hypothekenbrief an diesen übergeben; allerdings kann nach §§ 1154 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz, 1117 Abs. 1 Satz 2 B G B auch ein Übergabeersatz nach §§ 930, 868 B G B vorgenommen werden 1 9 . Die gleichzeitig mögliche Bestellung des Nießbrauchs erfordert nach §§ 1069 Abs. 1, 1154 Abs. 1 B G B ebenfalls eine schriftliche Bestellungserklärung und grundsätzlich auch eine Übergabe des Briefes; diese wäre aber hier ist, der Nießbraucher aber wie der Zessionar die Übergabe verlangen könne, was sich u.a. aus §§ 402, 1154, 952 BGB ergebe. Bei einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt verbleibt das Sparbuch also bei dem, der unter Nießbrauchsvorbehalt abtritt. 15 Vgl. hierzu auch § 403 BGB, wonach ein Zedent verpflichtet ist, auf Verlangen und auf Kosten des Zessionars eine öffentlich beglaubigte Urkunde über die Abtretung auszustellen; § 403 BGB ist über § 1069 Abs. 1 BGB auf das Verhältnis Inhaber-Nießbraucher anwendbar; vgl. hierzu Motive bei Mugdan, I I I 302 = Motive, I I I 540 a. E.: „ . . . führt zur Anwendung der Vorschriften nicht nur über die rechtsgeschäftliche Form, sondern auch aller sonstigen Vorschriften." 16 Die folgenden Ausführungen gelten sinngemäß auch für die Grund- und Rentenschuldabtretung unter Nießbrauchsvorbehalt, vgl. Staudinger (12)-Promberger, § 1069 Rdnr. 3 und MünchKomm-Petzoldt, § 1069 Rdnr. 6 mit Hinweis auf §§ 1192,1199 BGB. 17 Zu den ebenfalls erforderlichen Eintragungsanträgen und Eintragungsbewilligungen nach §§ 13, 19, 29 GBO vgl. oben bei der Auflassung unter Nießbrauchsvorbehalt. ι» Vgl. § 1154 Abs. 1 Satz 1 BGB; nach Abs. 2 kann die Schriftform aber durch Eintragung der Abtretung ins Grundbuch ersetzt werden. 19 Die Übergabe wird durch ein Besitzkonstitut in Gestalt eines Nießbrauchs ersetzt, so daß S sofort Inhaber der Hypothek werden kann.
30
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
nach §§ 1154 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz, 1117 Abs. 1 Satz 2, 929 Satz 2 B G B entbehrlich, da E bereits, das heißt noch, i m Besitz des Hypothekenbriefs ist. W i e bei der Übertragung beweglicher Sachen unter Nießbrauchsvorbehalt können die Verfügungen von E und S nicht zeitgleich wirksam werden: S muß für eine logische Sekunde Inhaber der unbelasteten Hypothek sein, erst danach entsteht der Nießbrauch des E nach § 185 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative B G B . Die Übertragung von Inhaberaktien
20
unter Nießbrauchs vorbehält verläuft bei
W e g 1 ganz ähnlich wie die von beweglichen Sachen 2 1 . Erforderlich sind zwei sachenrechtliche Verträge nach § 929 B G B und nach §§ 1069 Abs. 1, 929 B G B . Für die grundsätzlich zweimal erforderliche Übergabe gelten die §§ 929, 930, 868 und 1069 Abs. 1, 929 Satz 2 B G B 2 2 . Aus den gleichen Gründen wie bei beweglichen Sachen muß der Erwerber eine logische Sekunde Inhaber der A k t i e n sein, bevor der Nießbrauch des Veräußerers nach § 185 Abs. 2 Satz 1,2. Alternative B G B entsteht. Bei einer Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen
unter Nießbrauchsvorbehalt
ist wegen § 1069 Abs. 2 B G B erste Voraussetzung, daß eine Abtretung zulässig ist. Dies ist nach § 15 Abs. 1 GmbH-Gesetz grundsätzlich der Fall; der Gesellschaftsvertrag kann aber etwas anderes bestimmen, § 15 Abs. 5 GmbH-Gesetz 2 3 . Sind i m konkreten Fall Abtretung und Nießbrauchsbestellung zulässig, dann müssen für den V o l l z u g des Vorbehaltsgeschäfts nach W e g 1 zwei Verträge geschlossen werden. Der Abtretungsvertrag, durch den E seinen Geschäftsanteil auf S überträgt und der nach § 15 Abs. 3 GmbH-Gesetz der notariellen Form bedarf, und der Vertrag, m i t dem S dem E einen Nießbrauch hieran bestellt und der nach §§ 1069 Abs. 1 B G B , 15 Abs. 3 GmbH-Gesetz ebenfalls notariell beurkundet werden muß. Beide Rechtsgeschäfte können i n einer Urkunde zusammen20 Ebenso verläuft eine Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt bei den übrigen Inhaberpapieren (etwa Schuldverschreibungen auf den Inhaber) und bei den mit Blankoindossament versehenen Orderpapieren (Wechsel, Schecks, Namensaktien, kaufmännische Orderpapiere), vgl. MünchKomm-Petzoldt, § 1069 Rdnr. 4 und Staudinger (12)Promberger, § 1069 Rdnr. 17. 21 Vgl. Baur, § 53 d I 2, bei und in Fn. 2 mit Hinweis auf den Merksatz „Das Recht aus dem Papier folgt dem Recht am Papier" und mit weiterführenden Nachweisen zu den rechtlichen Veränderungen infolge der in der Praxis häufigen Sammelverwahrung. 22 Eine Besonderheit enthält nur § 1081 Abs. 2 BGB, wonach die Einräumung von Mitbesitz ausreichend ist; der Nießbraucher soll wegen der hohen Verkehrsfähigkeit dieser Papiere nicht unbedingt Alleinbesitz beanspruchen können. § 1081 Abs. 2 BGB ist aber dispositiv, der Besteller kann also die Papiere dem Nießbraucher übergeben; vgl. Scharff, 15 bei und in Fn. 40 und 41. — Befinden sich die Papiere in einem Depot, genügt nach § 1081 Abs. 2 BGB Einräumung des mittelbaren Mitbesitzes; vgl. Scharff, 15 bei Fn. 42 m.w.N in Fn. 42. 2 3 Es ist streitig, ob die Übertragbarkeit des GmbH-Anteils generell ausgeschlossen werden kann. Vgl. etwa Soergel (11 )-Baur, § 1068 Rdnr. 8 m. w. N. auf den Streitstand. Selbst wenn man diese Frage aber verneint, ist eine solche Bestimmung im Gesellschaftsvertrag doch insoweit wirksam, als damit die Nießbrauchsbestellung nach §§ 1069 Abs. 2 BGB, 15 Abs. 5 GmbH-Gesetz ausgeschlossen wird. So ausdrücklich Soergel (11 )-Baur, § 1068 Rdnr. 8 und Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 83.
I. Mögliche Konstruktionen
31
gefaßt werden. Wirksam werden können sie nicht gleichzeitig: Erst eine logische Sekunde nach erfolgter Abtretung entsteht der Nießbrauch des E nach § 185 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative B G B . Sehr unübersichtlich und diffizil ist die Rechtslage, wenn die Beteiligung einer Personengesellschaft
an
2
* unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen werden soll.
Da nach § 1069 Abs. 2 B G B ein Nießbrauch nur an einem übertragbaren Recht bestellt werden kann, ist eine Nießbrauchsbestellung hier grundsätzlich ausgeschlossen. Denn nach §§ 717, 719 B G B 2 5 können Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis 26 und der A n t e i l am Gesellschaftsvermögen nicht übertragen werden; dies erfaßt über den Wortlaut dieser Normen hinaus auch die Gesamtheit der Rechte, also die Mitgliedschaft an der Personengesellschaft oder den Gesellschaftsanteil 27 . Dieser Ausschluß der Übertragung ist jedoch nach allgemeiner Meinung nicht zwingend 2 8 . Der Gesellschaftsanteil kann übertragen werden, wenn es der Gesellschaftsvertrag zuläßt oder wenn die Gesellschafter i m Einzelfall
der
Übertragung
im
voraus
zustimmen
oder
sie
nachträglich
genehmigen 2 9 . Streitig ist allerdings, i n welcher Form ein Nießbrauch an i h m bestellt werden kann. Nach der bisher w o h l herrschenden Lehre erfordert die Nießbrauchsbestellung am Gesellschaftsanteil, daß dem Nießbraucher die volle Rechtsstellung des Gesellschafters übertragen w i r d 3 0 . Der Nießbrauchsbesteller scheidet danach für die Dauer des Nießbrauchs aus der Gesellschaft aus, der Nießbraucher übernimmt die Beteiligung als Treuhänder. Dieser „Nießbrauch" ist damit etwas anderes als der Nießbrauch i m Sinn der §§ 1030 ff., 1068 ff. B G B 3 1 . Der Nießbrauchsbesteller ist für die Dauer des Nießbrauchs auf sein schuldrechtliches Innenverhältnis gegenüber dem Treuhänder angewiesen, er 24 Also ein Anteil an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, einer offenen Handelsgesellschaft und einer Kommanditgesellschaft. — Zu den zahlreichen Rechtsproblemen beim Nießbrauch an der Beteiligung an einer Personengesellschaft vgl. MünchKommPetzoldt, § 1068 Rdnr. 11 - 32; Soergel (11 )-Baur, § 1068 Rdnr. 7 und vor allem Staudinger (YiyPromberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 47-82, jeweils m. w. N. 25 Die nach §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB auch für die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft gelten. 26 Ausgenommen die in § 717 Satz 2 BGB genannten Ansprüche aus Geschäftsführung und insbesondere auf den Gewinnanteil und das Auseinandersetzungsguthaben. 27 Vgl. MiinchKomm-Petzoldt, § 1068 Rdnr. 11 und Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 48. 28 Vgl. Petzoldt und Promberger, jeweils a. a. O. 29 Vgl. Petzoldt und Promberger, jeweils a. a. Ο. 30 Vgl. etwa die Ausführungen bei MünchKomm-Petzoldt, § 1068 Rdnr. 14 m. w. N. Ausführliche Darstellung der herrschenden Lehre auch bei Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 53-55 und deren Kritik in Rdnr. 56-60. — Vgl. zu den verschiedenen Konstruktionen und ihren steuerrechtlichen Konsequenzen jüngst Bitz, DB 1987, 1506 und — mit ausführlichen Nachweisen — Petzoldt, GmbHR 1987, 381 ff. 31 Siehe etwa Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 54 m. w. N. Dies räumt auch Petzoldt (MünchKomm, a. a. Ο.) und GmbHR 1987, 383 ein: „Lediglich ein ähnliches Ergebnis".
32
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
behält nur sein sogenanntes „ S t a m m r e c h t " 3 2 , dessen W i r k u n g nach Ende des Nießbrauchs zwar streitig ist, das aber dem Besteller jedenfalls eine Anwartschaft auf Rückerwerb des Gesellschaftsanteils vermittelt 3 3 . Hiernach müßte bei einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 1 der Gesellschaftsanteil zweimal übertragen werden. Zunächst überträgt E seinen Gesellschaftsanteil durch Vertrag 3 4 auf S, dieser sodann zurück auf E, wobei E aber treuhänderisch gebunden wird. Damit beim Tode des E die Mitgliedschaft an S „zurückfällt", müssen die übrigen Gesellschafter diesem Wiedereintritt vorweg zugestimmt und E seinen A n t e i l aufschiebend bedingt auf S übertragen haben 3 5 . Eine i m Vordringen befindliche Gegenauffassung folgert aus § 1069 Abs. 2 B G B , daß auch die Mitgliedschaft i n einer Personengesellschaft als Recht m i t einem Nießbrauch i m eigentlichen Sinn belastet werden k a n n 3 6 . Danach ist eine Übertragung des Gesellschaftsanteils unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 1 dadurch möglich, daß E dem S seine Mitgliedschaft durch Vertrag 3 7 überträgt und dieser i h m daran nach §§ 1069 Abs. 1, 413, 398 B G B einen Nießbrauch bestellt. S bleibt Gesellschafter, Vorsorge für einen Wiedereintritt nach dem Tode des E muß also nicht getroffen werden. Nach beiden Auffassungen kann die Verfügung des S nicht gleichzeitig m i t der des E wirksam werden: Für eine logische Sekunde muß S Inhaber des unbelasteten Gesellschaftsanteils sein, erst danach w i r d die Nießbrauchsbestellung oder die treuhänderische Übertragung der Mitgliedschaft nach § 185 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative B G B wirksam. Der letzte Fall, auf den näher eingegangen werden soll, ist die Übertragung eines einzelkaufmännischen Erwerbsgeschäfts unter Nießbrauchsvorbehalt. Der Unternehmensnießbrauch
ist i m Gesetz nicht geregelt. A n seiner rechtlichen
Zulässigkeit bestehen aber keine Z w e i f e l 3 8 . Dies folgt aus den Motiven
39
und
32 Terminologie nach Sudhoff\ NJW 1971, 481 ff. und 1974, 2205 ff. Ihm folgend Staudinger (12)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 54. 33 So Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 54. Für „automatisches" Wiedereinrücken in die Gesellschafterstellung Sudhoff, NJW 1971, 482 und Petzoldt, GmbHR 1987, 385. 34 Nach §§413, 398 BGB. 35 So Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 54. 36 Vgl. etwa Teichmann, ZGR 1972, 1, 6 f. und Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 56. 37 Gemäß §§ 413, 398 BGB. 38 So auch MünchKomm-Petzoldt, § 1085 Rdnr. 7 und Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 24. 39 Aus ihnen ergibt sich nämlich, daß die Gesetzesverfasser von der Zulässigkeit des Nießbrauchs am Erwerbsgeschäft ausgingen und ihn nur deshalb nicht regelten, weil sehr zweifelhaft sei, ob man „durch Aufstellung dispositiver Rechtsregeln der Unvollständigkeit in der Erklärung des Parteiwillens zu Hülfe kommen" könne. Sicherer sei es, wenn die Parteien die Einzelheiten allein bestimmten „und bei verbliebenen Dunkelheiten deren Beseitigung im Wege der Willensauslegung" vorgenommen würde; vgl. Motive bei Mugdan, I I I 313 = Motive, I I I 559 f.
I. Mögliche Konstruktionen
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aus seiner Erwähnung i n § 22 Abs. 2 H G B und § 151 Abs. 2 Satz 1 V V G . Für die Bestellung des Nießbrauchs am Unternehmen ist wie beim Nießbrauch am V e r m ö g e n 4 0 erforderlich, daß der Nießbrauch an den einzelnen Sachen und Rechten des Unternehmens nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften bestellt w i r d 4 1 . Er kann also nicht durch einheitlichen Rechtsakt entstehen. Die Übertragung eines Unternehmens unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 1 erfordert daher, daß E dem S sämtliche zum Unternehmen gehörigen Sachen und Rechte nach den maßgeblichen Normen übereignet oder abtritt und S dem E daran jeweils den Nießbrauch bestellt. Da weder bei Sachen noch bei Rechten die Verfügungen von E und S gleichzeitig wirksam werden, kann dies folglich auch bei einem Unternehmensnießbrauch nicht anders sein.
2. Weg 2: Bestellung des (Eigen-)Nießbrauchs durch den Veräußerer vor der Übertragung Weg 2 geht anders als W e g 1 nicht von zwei Verträgen aus, sondern von einem einseitigen Bestellungsakt des Eigentümers oder Rechtsinhabers, durch den er sich selbst einen Nießbrauch an seiner Sache oder seinem Recht bestellt, und einem Vertrag, durch den er seine belastete Sache oder sein belastetes Recht auf den Erwerber überträgt. Bei W e g 2 erlangt also der Erwerber nie — auch nicht für eine logische Sekunde — einen unbelasteten Gegenstand. Eigentum oder Recht sind vielmehr — wenn auch nur für kurze Zeit — m i t einem Nießbrauch des Eigentümers oder Inhabers belastet, der sich mit der Übertragung auf den Erwerber in einen normalen Fremdnießbrauch umwandelt.
a) Grundstücke Für die Übereignung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 2 bestellt sich der Eigentümer an seinem Grundstück einen Eigentümernießbrauch und überträgt das so belastete Grundstück auf den Erwerber. Der erforderliche Vertrag ist hier also die Einigung gemäß §§ 873, 925 B G B über den Übergang des belasteten Eigentums. Der Nießbrauch des E entsteht vorher dadurch, daß E gegenüber dem Grundbuchamt einseitig erklärt, daß er die Bestellung eines Eigentümernießbrauchs w i l l , und durch die Eintragung dieses Eigentümernießbrauchs ins Grundbuch. Dies ergibt sich weniger aus einer „entsprechenden Anwendung" des § 1196 Abs. 2 B G B , der die Bestellung einer Eigentümergrundschuld regelt 4 2 , 40 Vgl. § 1085 Satz 1 BGB. MünchKomm-Petzoldt, § 1085 Rdnr. 9 und Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 25. 42 So aber von Lübtow, NJW 1962, 275, 276 und Abraham, AcP 151 (1950/51) 374, 377 f. 3 Reiff
34
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
als vielmehr aus einer modifizierten Anwendung des § 873 Abs. 1 B G B . Bei der Entstehung von Eigentümerrechten kann die Situation, die das Einigungserfordernis des § 873 B G B verhindern soll, das Aufdrängen von Rechten, nie eintreten. Nach der ratio dieser Vorschrift ist das Unmögliche — der Vertragsschluß m i t sich selbst — also gar nicht n o t w e n d i g 4 3 , ausreichend ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. A m Erfordernis der Eintragung ist hingegen festzuhalten. Es ist daher Weitnauer zuzustimmen, nach dem § 873 Abs. 1 B G B dahingehend zu lesen ist, daß „falls die Belastung zugunsten des Eigentümers selbst erfolgen soll, nur dessen Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt, daß das Recht eingetragen werden soll, und die Eintragung erforderlich s i n d " 4 4 . § 1196 Abs. 2 B G B bekräftigt also bei L i c h t gesehen nur, was sich ohne ihn schon aus § 873 B G B ergibt. Er kann allerdings zusätzlich für die Richtigkeit dieser Lesart ins Feld geführt werden. Materiellrechtlich erfordert die einseitige Bestellungserklärung des E keine Form, grundbuchrechtlich muß seine Eintragungsbewilligung gemäß § 19 G B O i n einer dem § 29 G B O entsprechenden Form sowie ein Eintragungsantrag nach § 1 3 G B O vorliegen. Einseitige Bestellungserklärung, B e w i l l i g u n g und Antrag können gleichzeitig und i n einer Urkunde m i t Auflassung und Eigentumsumschreibungsantrag erfolgen 4 5 . M i t der Eintragung des Nießbrauchs des E ins Grundbuch entsteht dann der Eigentümernießbrauch, der sich mit dem Eigentumsübergang auf S i n einen normalen Fremdnießbrauch umwandelt. Der Erwerber erhält also nur v o n Anfang an belastetes Eigentum.
b) Bewegliche
Sachen
Die Übereignung von Fahrnis unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 2 erfordert, daß der Eigentümer sich an seiner Sache den Nießbrauch bestellt und den belasteten Gegenstand übereignet. Der Nießbrauch entsteht gemäß § 1032 B G B durch einseitige Erklärung des Eigentümers 4 6 , daß er die Entstehung des Eigentü43
Vgl. dazu ausführlich unten bei Fn. 213 ff. Weitnauer, DNotZ 1958, 359. 45 Es ist also sowohl bei Weg 1 als auch bei Weg 2 möglich, den gesamten Vorgang „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" in einer einzigen Urkunde zusammenzufassen. Es ist daher Barth, DB 1987, 1164 zu widersprechen, der drei Fälle der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt unterscheidet. Der erste entspricht Weg 1, Barth spricht synonym von Schenkung unter Auflage, gemischter Schenkung und einheitlichem Austauschgeschäft. Fall 3 entspricht Weg 2, Barth nennt ihn Schenkung eines bereits mit einem (Eigen-)Nießbrauch belasteten Grundstücks. Als zweiten Fall bezeichnet Barth es, daß beide Vorgänge (Eigentumswechsel und Nießbrauchsbestellung) in einer einzigen Urkunde zusammengefaßt sind. Die möglicherweise zufällige Zusammenfassung in einer oder die Aufteilung auf mehrere Urkunden rechtfertigt jedoch keine differenzierende Behandlung. 4 6 Die Übergabe ist gemäß § 1032 Satz 2 i.V. m. § 929 Satz 2 BGB entbehrlich. Eine Einigung ist nicht möglich, da man keinen Vertrag mit sich selbst schließen kann. Sie ist aber auch nicht erforderlich; vgl. hierzu unten nach Fn. 278. 44
I. Mögliche Konstruktionen
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mernießbrauchs w i l l . I m Gegensatz zur Bestellung eines Eigentümernießbrauchs an einem Grundstück ist die Erklärung nicht empfangsbedürftig 4 7 , der Fahrniseigentümernießbrauch kann also „ i m Stillen konstituiert" werden 4 8 . Die Erklärung ist formfrei und muß nicht verkörpert werden 4 9 . Anschließend kann der Veräußerer seine belastete Sache gemäß §§ 929,930,868 B G B dem Erwerber übereignen. Denkbar ist zwar auch eine Übereignung nach § 929 Satz 1 B G B 5 0 . Davor müßte der Eigentümernießbraucher/Veräußerer — ebenso wie vor jeder Übergabe nach §§ 933, 929 Satz 1 B G B , die auf eine Übereignung nach §§ 929, 930, 868 B G B folgt — den Erwerber auf seinen Nießbrauch hinweisen, da dieser anderenfalls bei der Übergabe nach § 936 Abs. 1 Satz 1 B G B — oder nach Satz 3 - erlöschte 5 1 .
c) Rechte W i e bei der Übereignung von Sachen unter Nießbrauchsvorbehalt führt W e g 2 auch bei der Übertragung eines Rechtes dazu, daß sich der Inhaber zunächst einen Nießbrauch an seinem Recht bestellt. Soweit ersichtlich ist hierfür noch kein Begriff eingeführt. I n Parallele zum ,JEigentümernießbrauch" sollte man bei Rechten von Jnhabernießbrauch"
bei Sachen 5 2
sprechen. Für beide Formen
gemeinsam w i r d treffend der Oberbegriff „Eigennießbrauch" verwendet 5 3 . Nach Entstehen des Inhabernießbrauchs überträgt der Veräußerer das belastete Recht auf den Erwerber. Dies soll i m folgenden für die praktisch bedeutsamsten Fälle näher untersucht werden. 47
Daß die Erklärung in jenem Fall gegenüber dem Grundbuchamt abzugeben ist, hat nämlich nur die Funktion, die Eintragung ins Grundbuch als Voraussetzung einer Rechtsänderung (§ 873 Abs. 1 BGB) vorzubereiten. 48 Vgl. zum gemeinen Recht Grunwald, 48, und Freisen, 34. 4 9 Ausreichend ist der rein interne Willensakt, der nicht nach außen zu Tage treten muß, vgl. Staudinger ( YL)-Promberger, § 1030 Rdnr. 25 a.A. so In diesem Fall verliert der Veräußerer aber den Besitz; sein Nießbrauch wäre wirtschaftlich gemindert. 51 Vgl. Harder, DNotZ 1970, 271 in Fn. 42. § 936 Abs. 1 Satz 1 BGB spricht zwar nur vom Erlöschen der Rechte „eines Dritten"; die ebenfalls „unsichtbaren" Eigentümerrechte, an die der Gesetzgeber nicht denken konnte, müssen aber gleichbehandelt werden. § 936 Abs. 1 Satz 1 BGB korrigiert damit die für den Rechtsverkehr schwer erträglichen Folgen der Konstituierung beschränkter dinglicher Rechte an beweglichen Sachen „im Stillen". Diesbezügliche Befürchtungen von Freisen, 34, und Grunwald, 48, die diese bei einer Zulassung von Eigentümerservituten für das gemeine Recht hatten, sind damit seit Inkrafttreten des BGB überholt; für Mobilien eben wegen § 936 BGB, für Immobilien wegen der obligatorischen konstitutiven Eintragung ins Grundbuch nach § 873 Abs. 1 BGB. 52 Vgl. MünchKomm-Petzoldt, § 1030 Rdnr. 21 und Harder, DNotZ 1970, 267 ff., der diesen Terminus schon in der Überschrift seines Aufsatzes verwendet. 53 So von Staudinger (12)-Promberger, § 1030 Rdnr. 25 für den Eigentümernießbrauch und § 1069 Rdnr. 7 für den Inhabernießbrauch. — Nach Hirsch, 198 und von Tuhr, I I 1,79 Fn. 106 ist „Eigenrecht" eine Bezeichnung für jedes aus einem Mutterrecht abgeleitete und dem Subjekt des Mutterrechts zustehende Recht. 3*
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes Die Übertragung eines Sparguthabens
unter Nießbrauchsvorbehalt verläuft
nach W e g 2 wie folgt: E, der Inhaber der Forderung gegen das Kreditinstitut, bestellt sich selbst an dieser Forderung einen Nießbrauch. Die einseitige Bestellungserklärung ist nach §§ 1069, 398 B G B formfrei 5 4 , der Inhaber muß aber die Möglichkeit haben, über die Bestellung eine öffentlich beglaubigte Urkunde auszustellen, wie sich aus §§ 1069 Abs. 1, 403 B G B ergibt. Da die Erklärung auch nicht empfangsbedürftig ist, ist ein rein interner Willensakt ausreichend. M i t dessen Vollendung entsteht der Inhabernießbrauch an der Forderung und E tritt die belastete Forderung gegen das Kreditinstitut durch formlosen Vertrag gemäß § 398 B G B an S a b 5 5 . D a eine dem § 936 Abs. 1 B G B entsprechende Vorschrift für Forderungen f e h l t 5 6 , erwirbt S die Forderung stets nur belastet, unabhängig davon, ob er v o m Nießbrauch des E etwas weiß oder nicht. Ist der Veräußerer dem Erwerber gegenüber schuldrechtlich zur Abtretung der unbelasteten Forderung verpflichtet, so kann dieser gegen ihn als Rechtsinhaber auf Abgabe der Aufhebungserklärung gemäß §§ 1068 Abs. 2, 1064 B G B klagen 5 7 . Bei der Abtretung einer Hypothek
unter Nießbrauchsvorbehalt ist auch bei
W e g 2 zu unterscheiden, ob eine Buch- oder Briefhypothek vorliegt. Wiederum ist bei der Buchhypothek
eine weitgehende Verweisung auf die Ausführungen
zur Übertragung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt möglich. Der Hypothekar E bestellt sich an seiner Hypothek einen Nießbrauch. Dieser entsteht durch einseitige Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt gemäß §§ 1069 Abs. 1, 1154 Abs. 3, 873 Abs. 1 B G B , daß er die Bestellung eines Inhabernießbrauchs w i l l , und durch Eintragung ins Grundbuch 5 8 . Anschließend überträgt E die belastete Hypothek durch Vertrag gemäß §§ 1154 Abs. 3, 873 Abs. 1 B G B auf S. Die Abtretung w i r d m i t der Eintragung ins Grundbuch wirksam. Einseitige Erklärung und Einigung können i n einer Urkunde zusammengefaßt werden. Der Inhabernießbrauch des E besteht also nur für die kurze Zeit von seiner Eintragung bis zur Eintragung der Abtretung, durch die S Gläubiger der hypothekarisch gesichelten Forderung w i r d und E gewöhnlicher Fremdnießbraucher. Anders liegen die Dinge bei der Briefhypothek. Hier muß sich E, w i l l er die Hypothek nach W e g 2 unter Nießbrauchsvorbehalt abtreten, nach §§ 1069 Abs. 1, 1154 Abs. 1 B G B durch schriftliche einseitige Bestellungserklärung einen Eigennießbrauch bestellen 5 9 . Die Übergabe des Briefes ist nach §§ 1154 Abs. 1, 54 Ein Vertrag ist hier nicht möglich, aber auch nicht erforderlich, vgl. unten bei Fn. 313. 55 Zur nicht erforderlichen Übergabe des Sparbuchs vgl. oben Fn. 14. 56 Es gilt allgemein der Grundsatz, daß Rechte und Forderungen nicht gutgläubig erworben werden können, mit engen gesetzlichen Ausnahmen in §§ 405, 892, 1138 und 2366 BGB. 57 § 1064 BGB ist auf den Nießbrauch an Rechten nach § 1068 Abs. 2 BGB anwendbar; Ρ alandt-B assenge, § 1068 Anm. 2. Vgl. auch § 1072 BGB. 58 Bezüglich der grundbuchrechtlichen Voraussetzungen gilt das oben zum Eigentümernießbrauch am Grundstück Gesagte entsprechend.
I. Mögliche Konstruktionen
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1117 Abs. 1 Satz 2, 929 Satz 2 B G B nicht erforderlich. Anschließend tritt E die belastete Hypothek nach §§ 1154 Abs. 1,398 B G B durch Vertrag und schriftliche Abtretungserklärung an S a b 6 0 . Die Übergabe des Briefes an S w i r d nach §§ 1154 Abs. 1, 1117 Abs. 1 Satz 2, 930, 868 B G B durch die Vereinbarung ersetzt, daß E als Nießbraucher dem S als Gläubiger den Besitz mittelt. M i t dem Wirksamwerden der Abtretung an S wandelt sich der Inhabernießbrauch des E i n einen Fremdnießbrauch um. Die Übertragung von Inhaberaktien
unter Nießbrauchsvorbehalt verläuft auch
bei W e g 2 ganz ähnlich wie die von beweglichen Sachen. Zunächst bestellt sich E nach §§ 1069 Abs. 1, 929 B G B durch formlose, einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung einen Inhabernießbrauch; die Übergabe ist nach § 929 Satz 2 B G B entbehrlich 6 1 . I m Anschluß daran überträgt er die mit dem Nießbrauch belasteten A k t i e n durch Vertrag gemäß § 929 B G B auf S. Die Übergabe w i r d nach §§ 930, 868 B G B durch eine Vereinbarung zwischen E und S ersetzt, daß E dem S als Nießbraucher den Besitz mittelt. M i t diesen Vereinbarungen w i r d der Eigennießbrauch des E zum Fremdnießbrauch. Verschweigt E seinen Nießbrauch und erlangt S Alleinbesitz an den Aktien, erlischt der Nießbrauch nach § 936 Abs. 1 B G B 6 2 . Die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen
unter Nießbrauchsvorbehalt ver-
läuft nach W e g 2 wie folgt: E bestellt sich nach §§ 1069 Abs. 1 B G B , 15 Abs. 3 GmbH-Gesetz durch einseitige Erklärung, die notariell beurkundet werden muß, einen Eigennießbrauch an seinem Geschäftsanteil. Anschließend tritt er ihn durch notariell beurkundeten Vertrag nach § 15 Abs. 3 GmbH-Gesetz an S ab, wodurch der Inhabernießbrauch zum Fremdnießbrauch wird. Die Übertragung der Beteiligung an einer Personengesellschaft unter Nießbrauchsvorbehalt stellt sich auch nach W e g 2 als schwierig dar. Geht man m i t der herrschenden Lehre davon aus, daß der Nießbraucher für die Dauer des Nießbrauchs die Beteiligung an der Personengesellschaft insgesamt erwirbt, wenn auch treuhänderisch gebunden, so kann sich der Gesellschafter nach W e g 2 keinen Eigennießbrauch als Belastung seines Anteils bestellen. Denn dieser „Nießbrauch" ist kein Nießbrauch i m eigentlichen Sinn, sondern treuhänderischer Erwerb der Mitgliedschaft selbst. Z w e i Mitgliedschaften derselben Person i n einer Gesellschaft, eine ungebunden, eine treuhänderisch gebunden, sind logisch nicht vorstellbar. Mitgliedschaften können übertragen, aber nicht vervielfältigt 59 Die Schriftform kann nach § 1154 Abs. 2 BGB dadurch ersetzt werden, daß die Bestellung ins Grundbuch eingetragen wird. 60 Die Schriftform kann nach § 1154 Abs. 2 BGB durch Eintragung der Abtretung ins Grundbuch ersetzt werden. Zur Besonderheit nach § 1081 Abs. 2 BGB vgl. oben in Fn. 22. Bei Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt aufgrund einer Schenkung wird sich der Veräußerer in der Regel den Alleinbesitz einräumen. 62 Vgl. dazu oben bei Fn. 51 zur Übertragung von mit einem Eigentümernießbrauch belasteten beweglichen Sachen.
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
werden — ebensowenig wie etwa das Eigentum. V o m Standpunkt der herrschenden Lehre aus kann W e g 2 daher nur bedeuten, daß E dem S eine Rechtsstellung verschafft, die man mit der Übertragung des „Stammrechts" 6 3 umschreiben kann. M i t dem Ende des „Nießbrauchs" muß S automatisch M i t g l i e d der Personengesellschaft werden, für seine Dauer muß E dem S treuhänderisch gebunden sein. Dies kann dadurch geschehen, daß E seinen Gesellschaftsanteil aufschiebend bedingt auf das Ende des „Nießbrauchs", etwa auf seinen Tod, unter Zustimmung der übrigen Gesellschafter durch Vertrag nach § § 4 1 3 , 398 B G B auf S überträgt und sich für die Dauer des „Nießbrauchs", also etwa für die restliche Dauer seines Lebens, dem S gegenüber schuldrechtlich so verpflichtet, wie es sich aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis des B G B zwischen Nießbraucher und Rechtsinhaber ergibt 6 4 . Schließt man sich hingegen der Auffassung an, nach der auch der Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft m i t einem Nießbrauch i m eigentlichen Sinn belastet werden kann, ist auch die Bestellung eines Inhabernießbrauchs vorstellbar, W e g 2 also unmittelbar begehbar. E bestellt sich durch formlose, einseitige, nicht empfangsbedürftige Erklärung nach §§ 1069 Abs. 1, 413, 398 B G B einen Inhabernießbrauch an seinem Gesellschaftsanteil. Diesen A n t e i l überträgt er durch Vertrag, dem die übrigen Gesellschafter zustimmen, nach § § 4 1 3 , 398 B G B auf S, w o m i t der Inhabernießbrauch des E zum regulären Fremdnießbrauch wird. A u c h ein Unternehmen kann nach W e g 2 unter Nießbrauchs vorbehält übertragen werden. Da ein Unternehmensnießbrauch nicht durch einheitlichen Rechtsakt bestellt werden kann, muß E sich selbst nach den jeweils maßgeblichen Vorschriften an sämtlichen Sachen und Rechten, die zum Unternehmen gehören, einen Eigennießbrauch bestellen. Diese Sachen und Rechte überträgt er dann nach den maßgeblichen Bestimmungen dem Erwerber. Dadurch w i r d der Eigennießbrauch des E am Unternehmen, der mehr ist als die Summe der einzelnen Nutzungsrechte, nämlich ein einheitliches, gegenüber jedem wirksames Nutzungsrecht am ganzen Unternehmen 6 5 , zum Fremdnießbrauch.
63 Vgl. dazu Sudhoff, NJW 1974, 2205 und oben bei Fn. 32. 64 Zur schuldrechtlichen Verpflichtung des „Gesellschafters auf Zeit" (Sudhoff, NJW 1971, 482 und Handbuch 303) vgl. etwa RGRK-Rothe, § 1068 Rdnr. 7 und Staudinger (nyPromberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 54. 65 Vgl. dazu RGRK-Rothe, vor § 1085 Rdnr. 4 und Staudinger (12)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 29 m. w. N.
II. Rechtsgeschichte
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3. Weg 3: Übertragung des Gegenstandes „abzüglich" des Nießbrauchs durch einheitliches Rechtsgeschäft Nach W e g 3 erfolgt die Übertragung einer Sache oder eines Rechtes unter Nießbrauchsvorbehalt durch ein einziges dingliches Rechtsgeschäft, also „uno a c t u " 6 6 . D e m liegt die Vorstellung zugrunde, „Vorbehaltsgeschäfte" 6 7 seien nur eine Teilveräußerung. Der Eigentümer einer Sache überträgt nach W e g 3 also das Eigentum nur teilweise, nämlich unter Abzug der i n i h m enthaltenen Nutzungsbefugnisse. Entsprechend überträgt der Rechtsinhaber nur einen T e i l seiner Rechtsstellung. I n beiden Fällen führt die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nur zu einem Teilerwerb des Erwerbers.
I I . Rechtsgeschichte Bevor die Vereinbarkeit der drei Vollzugswege einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt m i t dem geltenden Recht untersucht wird, soll zunächst ein Überblick über die Geschichte des Rechtsinstituts „Vorbehaltsgeschäft" gegeben werden. 1. Altrömisches Recht I m altrömischen Recht stellte man sich vor, es gebe eine allgemeine rechtliche Sachherrschaft; eigenständige beschränkte dingliche Rechte waren noch unbekannt 6 8 . Diese Sachherrschaft faßte man schon sehr früh als real teilbar auf. Es war also möglich, daß derjenige, der eine Sache auf einen anderen übertrug, sich bestimmte Befugnisse als Teile seiner ehemals unbegrenzten Sachherrschaft zurückbehielt. Der Erwerber erhielt nach allgemeiner Auffassung nur die Befugnisse, die sich der Veräußerer vorher nicht „abgezogen" hatte. Z u dieser Zeit entstand w o h l auch die Bezeichnung der Veräußerung unter Nießbrauchsvorbehalt als Übertragung „deducto usu f r u c t u " 6 9 . Sie war für Geschäfte dieser A r t i m klassischen römischen Recht verbreitet 7 0 und wurde auch noch unter Justinian 7 1 und viel später i m gemeinen R e c h t 7 2 verwendet.
66
So die Terminologie von von Tuhr, I I 1, 72. So die Terminologie von Heck, 83 und von Lübtow, Schenkungen 62. 68 Vgl. von Lübtow, Schenkungen 26 f. 69 So von Lübtow, Schenkungen 26 f. Vgl. auch Dernburg, Pfandrecht 277 f.: „ . . . viele Jahrhunderte vor der Ausbildung der wissenschaftlichen Jurisprudenz ...". 70 Vgl. Käser, I § 106 bei Fn. 41 (451). 71 Vgl. Schulz, ZS Savigny Stiftung, rom. Abtlg. 50 (1930) 215 ff. und Schindler, 320 f. zu einem Legat deducto usu fructu zur Zeit Justinians. 72 Vgl. nur Sintenis, I § 64 bei Anm. 4, der allgemein von einer „deductio servitutis" spricht. 67
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes 2. Vorklassisches und klassisches römisches Recht A u c h für das vorklassische und klassische römische Privatrecht ist festzustel-
len, daß bei einer Übertragung deducto usu fructu der Erwerber nur das bereits m i t dem Nießbrauch des Veräußerers belastete Eigentum erhielt 7 3 . Es herrschte die Vorstellung vor, daß der Veräußerer den Nießbrauch nicht dem Erwerber verdanke, sondern sich selbst, w e i l der Erwerber nur einen einzigen Willensakt, gerichtet auf „beschränkten Erwerb", also auf den Erwerb der m i t dem Nießbrauch belasteten Sache, vollziehe 7 4 . Ungeklärt war nur, ob i n dem Vorbehalt des Veräußerers eine „lex dicta" zu sehen i s t 7 5 , also ein einseitiger Rechtssetzungsakt, durch den er der Sache bei der Übertragung den Nießbrauch auferlegte, oder ob auch die Klassiker das vorbehaltene Recht noch als Subtraktionsfaktor auffaßten, der v o m Eigentum zurückbehalten w u r d e 7 6 . Es wurde allerdings auch die Auffassung vertreten, bei der sogenannten Übertragung deducto usu fructu wie auch bei jeder anderen deductio eines dinglichen Rechts liege eine „Neuconstituirung" des dinglichen Rechtes vor, die nur der Erwerber der Sache, also nicht der Eigentümer, der den Vorbehalt ausspricht, vornehmen k ö n n e 7 7 . Diese Meinung sollte eine gleichgelagerte Auffassung für das gemeine Recht, die ebenfalls stark umstritten w a r 7 8 , m i t rechtshistorischen Argumenten untermauern. Es überschritte den Rahmen dieser Arbeit, diesen Meinungsstreit, der stark von der Beurteilung der überlieferten Quellen und ihren möglichen Interpolationen abhängt, i n allen Einzelheiten darstellen oder gar entscheiden zu w o l l e n 7 9 . Gleichwohl soll ein Argument gegen die Ansicht, bei einer Übertragung deducto usu fructu bestelle der Erwerber den Nießbrauch, vorgetragen werden, w e i l es soweit ersichtlich noch nicht i n die Diskussion eingeflossen ist. Die Bestellung des usus fructus durch Vorbehalt bei der Veräußerung trat i n drei Fällen auf, nämlich dadurch, daß der Eigentümer die Sache deducto usu fructu manzipierte, i n iure zedierte oder per vindicationem legierte 8 0 . Die Zulässigkeit eines Vindikationslegates deducto usu fructu heredis war für die Juristen des klassischen römischen Rechts nie zweifelhaft 8 1 . Das i n einem Testament zu bestellende 73 Käser, I § 106 in Fn. 41 (451). 74 Von Jhering, JhJ 10 (1869) 549 f. 75 So grundlegend von Lübtow, Schenkungen 83 ff. und GS Schmidt 413 ff.; von Jhering, a. a. O.; sowie Brini, I § 197 bei Anm. 4-7. 76 So von Jhering, Geist I I I 143 f. und Dirksen, 119: „Zurückhalten selbständiger Elemente des Eigentumsrechtes". Ebenso Schulz, ZS Savigny Stiftung, rom. Abtl. 50 (1930) 215 bei und in Fn. 4 und Puchta, I I § 256 bei Anm. n. 77 So Freisen, 56 und 77; Grunwald, 48; Dernburg, Pfandrecht I 279 und die bei von Lübtow, GS Schmidt 413 in Fn. 4 und 5 genannten ausländischen Autoren. 78 Vgl. dazu sogleich unter 4. 79 Vgl. nur die Ausführungen von von Lübtow, GS Schmidt 413 ff. so Vgl. Käser, I § 106 bei Fn. 41 (451).
II. Rechtsgeschichte
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Vindikationslegat deducto usu fructu heredis wirkte zu Lasten des Erben. Das Eigentum an der so legierten Sache fiel unmittelbar v o m Erblasser an den Legatar 8 2 . Der Erbe behielt nur den Nießbrauch, der m i t seinem T o d erlosch. Dabei enthielt ein solches Legat nicht etwa zwei Vermächtnisse, das der nuda proprietas zugunsten des Legatars und das des usus fructus zugunsten des Erben. Vielmehr erhielt der Erbe den usus fructus i m Wege der Erbfolge unmittelbar v o m verstorbenen Eigentümer, w e i l dieser das Eigentum insoweit nicht durch Legat vergeben hatte 8 3 . Wenn beim Vindikationslegat deducto usu fructu heredis der Legatar von vornherein nur mit dem Nießbrauch des Erben belastetes Eigentum erwirbt, ohne daß er selbst irgendwie rechtsgeschäftlich tätig werden mußte oder auch nur konnte, dann ist der Schluß daraus naheliegend, daß bei den eng verwandten, m i t ihm eine Einheit bildenden Instituten der mancipatio und i n iure cessio deducto usu fructu der Erwerber gleichfalls unmittelbar belastetes Eigentum erhält und nicht erst selbst den Nießbrauch für den Veräußerer bestellen m u ß 8 4 . Dafür spricht schon die gleichlautende Bezeichnung deducto usu fructu. Es ist auch kein Grund dafür erkennbar, warum der Eigentümer zwar die Macht haben soll, von Todes wegen das Eigentum durch einseitigen A k t i n die nuda proprietas und den usus fructus aufzuspalten 8 5 , aber unter Lebenden gehindert sein soll, das entsprechende Geschäft vorzunehmen, also die nuda proprietas zu veräußern, den usus fructus aber zu behalten 8 6 . Besonders unverständlich wäre diese Unzulässigkeit i m Falle des Damnationslegates deducto usu fructu heredis. D e m verpflichteten Erben wäre die Vorgehens weise seines Rechts Vorgängers, des Erblassers, verwehrt. Er könnte nicht wie dieser beim Vindikationslegat ohne M i t w i r k u n g des Bedachten den Nießbrauch abtrennen. Er wäre darauf verwiesen, die Sache dem Legatar zu übereignen und sich von diesem den Nießbrauch daran einräumen zu lassen.
3. Mittelalter A u c h i m Mittelalter, zur Zeit der Glossatoren und Postglossatoren, war i n Italien die Veräußerung unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs weit verbreitet. 81 Schulz, ZS Savigny Stiftung, rom. Abtlg. 50 (1930) 217 und Schindler, 320 f. Schulz (218) meint, das Vindikationslegat deducto usu fructu stamme aus der gleichen Zeit wie die mancipatio und die in iure cessio deducto usu fructu. 82 Vgl. Käser, Studienbuch § 76 I I 1 und 2. Demgegenüber erzeugte das Damnationslegat deducto usu fructu heredis nur eine Obligation des Erben, dem Legatar die vermachte Sache deducto usu fructu zu übereignen; vgl. auch Schulz, a. a. O. 222. 83 Vgl. dazu Schulz, a. a. O. 215. 84 In diese Richtung zielen auch die Bemerkungen von Schulz, a. a. O. 215 in Fn. 4 gegen die „geschichtlich unzureichende" gemeinrechtliche Literatur. 85 Genauer, seinem Erben als seinem Rechtsnachfolger den Nießbrauch an der legierten Sache zu bestellen. 86 Genauer, sich selbst den Nießbrauch an der zu veräußernden Sache zu bestellen.
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
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Sie diente wie schon vorher zur Umgehung von ungeliebten Formvorschriften und der körperlichen Übergabe 8 7 , da sie schon früh als ein Fall des constitutum possessorium anerkannt w u r d e 8 8 . Dabei sah man, daß bei einer Veräußerung unter Vorbehalt des Nießbrauchs der Nießbrauch des Veräußerers neu entsteht und zwar durch die Bestellung des verfügenden Eigentümers selbst. Diesem Befund stehe der Satz, daß niemandem seine eigene Sache dienen könne, nicht entgegen 8 9 . M a n erkannte also den K o n f l i k t m i t dem Satz „ n u l l i res sua servit", statuierte aber einfach eine fest umrissene Ausnahme von ihm, da man die praktischen Bedürfnisse höher einschätzte als die begriffliche Genauigkeit. A m Dogma „ n u l l i res sua servit" wurde formal festgehalten, für die Fälle gleichzeitiger Eigentumsübertragung, also für die Vorbehaltsgeschäfte, wurde es aber der Sache nach außer Kraft gesetzt und die Bestellung des Nießbrauchs durch den Noch-Eigentümer anerkannt.
4. Gemeines Recht I m gemeinrechtlichen Schrifttum wurde die Veräußerung unter Nießbrauchsvorbehalt vor allem als ein Beispielsfall des constitutum possessorium erwähnt 9 0 . Allgemein zweifelte man an der Zulässigkeit des Vorbehalts einer Servitut bei der Übereignung eines Grundstücks n i c h t 9 1 . M a n sah i n einem solchen Vorbehalt einen besonderen rechtsgeschäftlichen Entstehungsgrund der Dienstbarkeit neben deren Bestellung durch Vertrag 9 2 . Es herrschte zunächst auch darüber Einigkeit, daß nicht der Erwerber derjenige ist, der bei einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt den Nießbrauch zur Entstehung bringt, sondern der tradierende Veräußerer; sei es dadurch, daß er dem Gegenstand durch eine lex traditioni dicta den Nießbrauch m i t auf den W e g g i b t 9 3 , sei es dadurch, daß er den Nießbrauch als Element des Eigentums buchstäblich zurückbehält 9 4 . Jedenfalls enthalte die Veräußerung unter Vorbehalt einer Servitut keine Veräußerung des Erwer87 Vgl. Käser, I I § 242 bei und in Fn. 64 und 77 (281 ff.) sowie Wacke, 16 ff. Der Nießbrauchsvorbehalt war teilweise nur zum Schein vereinbart, etwa auf die Dauer von 5, 10, 15 oder 30 Tagen. 88 Biermann, 15 f. und 19 ff. sowie für das Mittelalter 58 upd 109 f. 89 So Biermann, 119 für die Postglossatoren. Zur Geltung der Rechtsregel im BGB vgl. unten bei Fn. 170 ff. 90 So etwa von Glück, V I I I (§ 580) 106 f. und von Savigny, Besitz § 27, 373 f.; ders., Geschichte I I § 66, 187; ders., System I V § 155, 107. 91 Glück, I X (§ 626) 70. 92 So das Badische Oberhofgericht in Mannheim in einem Erkenntnis aus dem Jahre 1836 zum Vorbehalt eines Schäfereirechts bei einer Gutsübertragung, SeuffA Bd. 1 Nr.
12.
93 So Brinz, I § 197 bei Anm. 4 - 7 sowie zum römischen Recht die oben in Fn. 75 Genannten. 94 So Puchta, I I § 256 bei Anm. η sowie zum römischen Recht die oben in Fn. 76 Genannten.
II. Rechtsgeschichte
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bers, da bei Reservationen von Dienstbarkeiten der Eigentumserwerb gleich nur unter einer Einschränkung erfolge, so daß der Erwerber nichts verliere 9 5 . Erst i n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde i n der gemeinrechtlichen Wissenschaft eine stark begrifflich geprägte, streng am Dogma „ n u l l i res sua servit" orientierte Auffassung immer stärker, wonach es „begriffsmäßig notwend i g " sei, daß bei Eigentumsübertragungen unter Vorbehalt einer Dienstbarkeit der Erwerber die Dienstbarkeit bestelle, w e i l der Eigentümer die Sache nicht m i t einer Dienstbarkeit zu seinen eigenen Gunsten belasten und auch nicht „für den einen A k t der Dienstbarkeitsbestellung als Eigentümer und Nichteigentümer gelten k ö n n e " 9 6 . Den Anhängern dieser Ansicht waren begriffliche Exaktheit und dogmatisch-konstruktive Unangreifbarkeit wichtiger als die Befriedigung praktischer Bedürfnisse. Doch noch bevor sich entscheiden konnte, ob sich diese Auffassung durchsetzen und auch die Praxis der Gerichte beeinflussen w ü r d e 9 7 , wurde diese gemeinrechtliche Streitfrage durch das Inkrafttreten des B G B obsolet 9 8 . Es ist aber anzunehmen, daß die Praxis dieser Ansicht jedenfalls i m Ergebnis nicht gefolgt wäre. Dies zeigt die Entwicklung der Gerichtsentscheidungen zum gemeinrechtlichen „Parallelstreit" u m die reservierte Kaufgeldhypothek. A u c h dort ging man zunächst davon aus, daß der Verkäufer derjenige sei, der die Hypothek bestelle. M a n war sich zwar darüber klar, daß der Eigentümer an seiner eigenen Sache kein Pfandrecht haben könne, glaubte aber „dieser Satz sei alsdann modificirt, wenn die Sache durch Verkauf i n das Eigenthum des Käufers überzugehen bestimmt i s t " 9 9 . Als dann die begrifflich geprägte Auffassung, daß der Erwerber derjenige sei, der das Pfand bestelle 1 0 °, immer stärker wurde, ließ man es zunächst dahinstehen, ob nach „römischem Recht" der Erwerber oder der Veräußerer die Hypothek bestelle; die Kaufpreishypothek habe jedenfalls Vorrang vor allen noch so privilegierten Hypotheken von Gläubi95 So das Ober appellations gericht zu Jena in einem Erkenntnis vom 22. Jan. 1839, SeuffA Bd. 4 Nr. 207, zum Baumpflanzungsrecht einer Gemeinde. 96 So Windscheid ! Kipp, I § 212 Anm. 12. Ebenso Dernburg, Pfandrecht I 279; Freisen, 56 und 77 und Grunwald, 48. 97 Sie wird soweit ersichtlich von keiner veröffentlichten Entscheidung angesprochen. 98 Für das BGB wurde zwar Vollzugs weg 2 zunächst — unausgesprochen — als unzulässig angesehen, so daß bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt stets der Erwerber den Nießbrauch bestellte; nach anfänglichem Zögern, OLG Colmar, 23. Jan. 1911, OLGE 22,160 wurde aber durch die — ungenaue — Annahme der Gleichzeitigkeit von Eigentumswechsel und Nießbrauchsbestellung und die — unzulässige — wirtschaftliche Betrachtungsweise doch den praktischen Bedürfnissen Rechnung getragen und das gewollte Ergebnis — § 107 BGB und Entbehrlichkeit der Pflegerbestellung — erzielt; OLG Colmar, 5. Sept. 1911, OLGE 24, 29 und RG, 10. Sept. 1935, Ζ 148, 321. 99 So das (vormalige) Oberappellationsgericht zu Wolfenbüttel in einem Decret vom 6. Feb. 1829 und das Ober gericht zu Wolfenbüttel in einem Erkenntnis vom 21. Jan. 1856, SeuffA Bd. 16 Nr. 199. Konsequenz: Vorrang der reservierten Hypothek vor Hypotheken, die vom Käufer stammen. 100 Vgl. nur Windscheid ! Kipp, I § 230 Anm. 11 und § 246 Anm. 11 m. w. N.
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
gern des Erwerbers, w e i l berechtigte „deutsche Rechtsansichten" zu diesem Gerichtsgebrauch geführt hätten und auch nicht verworfen werden dürften, w e i l sie einem wirklichen Bedürfnisse des Verkehrs Abhilfe gewährten 1 0 1 . Später räumte dann das Reichsgericht
ein, es sei „unzweifelhaft", daß nach römischem
Recht ein Pfandrecht nur an einer fremden Sache erworben werden könne und daher auch beim Vorbehalt der Erwerber und Käufer der eigentliche Pfandrechtsbesteller sei. Andererseits stehe aber „ebenso entschieden" fest, daß sich die Konstituierung gleichzeitig m i t dem Eigentumserwerb vollziehe, so daß das Eigentum nur m i t der Belastung durch die Hypothek auf den Käufer übergehe 1 0 2 . Die Hypothek des Verkäufers habe somit Vorrang vor allen anderen Hypotheken des Käufers, da letztlich die Tatsache, daß so die deutschen Gerichte „durch die Jahrhunderte" entschieden hätten, über alle theoretischen Bedenken die Oberhand behalte 1 0 3 . Dies zeigt, daß man am Dogma „ n u l l i res sua servit" zwar nicht rütteln konnte oder wollte, aber gleichwohl zu den Ergebnissen gelangte, die man für interessengerecht hielt und bei der Annahme, der Veräußerer bestelle bei Vorbehaltsgeschäften die dingliche Belastung, zwangloser erreicht hätte.
5. Preußisches ALR A u c h dem preußischen Recht waren Eigentumsübertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt bekannt 1 0 4 . Die Erklärung des veräußernden Eigentümers, daß er sich von seiner Sache nur den Nießbrauch vorbehalte, reichte zur Einräumung des Besitzes an den Erwerber aus 1 0 5 . Dabei ging man unbestritten davon aus, daß bei einem Verkauf unter Nießbrauchsvorbehalt der Verkäufer den Nießbrauch nicht erst erwerbe, sondern behalte. Seine Erklärung, nicht die des Käufers, bringe das Nießbrauchsverhältnis rechtlich zur Anerkennung 1 0 6 . Dies ist deshalb besonders bedeutsam, w e i l das A L R den Nießbrauch als ein Nutzungsrecht an einer fremden Sache definierte 1 0 7 . A u c h i n Preußen siegte m i t h i n das Bedürfnis nach einer dem Parteiwillen 1 0 8 entsprechenden Lösung über theoretisch-konstruktive Bedenken. ιοί So ein Erkenntnis des Obergerichtes zu Wolfenbüttel, 23. Feb./9. März 1866, SeuffA Bd. 21 Nr. 108. 102 RG, 26. Nov. 1880, Ζ 3, 174, 176 f. — Mit wörtlich fast gleicher Argumentation begründete mehr als 50 Jahre später das RG, daß die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt aufgrund einer Schenkung dem Minderjährigen rechtlich nur vorteilhaft sei; 10. Sept. 1935, Ζ 148, 324. 103 RG, Ζ 3, 178. 104 V g l . ALR, I 7 § 72. los Vgl. ALR, I 7 §§ 71 f. sowie Koch, Besitz 181 f. Wie im gemeinen Recht war also auch im ALR die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ein Fall des constitutum possessorium. 106 So das Königliche Geheime Ober-Tribunal in einem Erkenntnis vom 19. Juni 1876, Entscheidungssammlung Bd. 78, 30, 33 f. Vgl. dazu auch W. Meyer, 114 f. 107 Vgl. ALR, I 21 § 22.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
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6. Zusammenfassung Fragt man, welcher der drei Vollzugswege in der Geschichte des Vorbehaltsgeschäfts vorherrschte, so ist zu sagen: Die Vorstellung des Vorbehalts als einer Teilveräußerung, also W e g 3, lag der Auffassung des noch wenig entwickelten altrömischen Rechts zugrunde. I m klassischen römischen Recht ging man w o h l eher davon aus, daß der Vorbehalt eine „lex dicta" des Veräußerers war, also von einer W e g 2 ähnlichen Konstruktion. I m Mittelalter war das Vorbehaltsgeschäft eine fest umrissene Ausnahme v o m W e g 2 ausschließenden Satz „ n u l l i res sua servit". A u c h i m gemeinen Recht dominierte zunächst eine W e g 2 ähnelnde Vorstellung. Sie wurde später von einer streng begriffsjuristischen Gegenmeinung bedrängt. Sie hielt allein W e g 1 für zulässig, w e i l W e g 2 m i t dem Dogma, daß niemand seine Sache für sich selbst belasten könne, unvereinbar sei. Der Ausgang dieses gemeinrechtlichen Streites blieb wegen des Inkrafttretens des B G B offen. Es ist indes sehr unwahrscheinlich, daß die Praxis aus der dogmatischen Konstruktion dieser Auffassung, wenn sie sich durchgesetzt hätte, strenge Konsequenzen gezogen hätte. Anzunehmen ist, daß man auch dann zu den für richtig gehaltenen und schon immer erzielten Ergebnissen gelangt wäre. Unter dem preußischen A L R , das den Nießbrauch als Recht an fremder Sache definierte, ging man von einer W e g 2 ähnelnden Vorstellung des Vorbehaltsgeschäfts aus. Rechtsgeschichtlich ist also W e g 2 der V o l l z u g des Vorbehaltsgeschäfts. Er herrschte vor, auch wenn er wie i m Mittelalter oder i m gemeinen Recht „an sich" streng zu beachtenden Dogmen widersprach, oder wie i m preußischen A L R sogar m i t einer Legaldefinition unvereinbar war.
I I I . Zulässigkeit der drei Vollzugswege 1. Weg 3 a) Sachen Dieser von Heck vor allem aus wertungs- respektive interessenjuristischen Gründen gemachte Vorschlag der Teilveräußerung 1 0 9 ist auf den ersten B l i c k bestechend, hat er doch gegenüber den beiden anderen Möglichkeiten den Vor108 Vgl. dazu W. Meyer, 114. 109 Vgl. Heck, 83: „Der Form nach müssen (bei Vorbehaltsgeschäften) die beiden Änderungen getrennt vorgenommen werden. ... Aber es kann doch Fälle geben, in den die interessengemäße Lösung nur durch ... die Behandlung des Geschäfts als Teilerwerb möglich wird." (Klammerzusatz vom Verf.) — Ähnlich E. Wolf, § 12 A I I I f bei Fn. 3 und 4 und Wolff!Raiser, § 115 I Fn. 1 („einheitliches Rechtsgeschäft") sowie Raiser, NJW 1953, 217 („Dingliche Seite des Vorgangs läßt sich zu einem einheitlichen Akt verschmelzen"). — Im Anschluß an Raiser neuerdings auch, wenngleich nur beiläufig, Honseil, JuS 1981, 708 bei Fn. 33 und 34. — Für das gemeine und das späte römische Recht behauptet von Jhering bei Vorbehaltsgeschäften die Vorstellung eines Teilerwerbs
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
zug, daß er sich am nächsten am Alltagssprachgebrauch hält. N u r bei diesem Vorschlag „behält sich der Eigentümer etwas vor", was er schon vorher als Eigentümer hatte 1 1 0 . Heck verweist i n diesem Zusammenhang darauf, daß i m römischen Recht solche Vorbehaltsgeschäfte Eigentumsübertragungen „deducto usu fructu" genannt wurden, also Übertragungen des Eigentums, von dem sich der Veräußerer vorher den Nießbrauch „abgezogen" hatte 1 1 1 . Diese Konstruktion des Vollzugs von Vorbehaltsgeschäften ist m i t dem geltenden Recht nicht vereinbar 1 1 2 . Dies liegt aber nicht an der „engherzigen heutigen deutschen D o g m a t i k " 1 1 3 . Der Grund hierfür ist rechtsgeschichtlich viel älter. Von Lübtow hat i n einer eingehenden Untersuchung nachgewiesen, daß der Terminus „deducto usu fructu" i m römischen Recht i n einer Zeit entstanden ist, als dieses begrifflich noch gar keine selbständigen dinglichen Rechte an einer fremden Sache kannte, sondern noch die Vorstellung herrschte, es gebe eine einzige allgemeine rechtliche Sachherrschaft, die zwar schon Teilungen und Abstufungen kennt, durch diese aber nicht i n ihrem Wesen verändert w i r d 1 1 4 . Aus diesem „Generalbegriff 4 haben sich dann nach und nach die gesonderten Begriffe des Eigentumsrechtes und der beschränkten dinglichen Rechte entwickelt, die man sich als v o m Eigentum „wesensverschieden" vorstellte 1 1 5 . Widerspruchsfrei lassen sich solche begrifflich verselbständigte, „wesensverschiedene" beschränkte dingliche Rechte nicht mehr als losgelöste, umgebildete Eigentumsbestandteile vorstellen, sondern nur als qualitativ v o m Eigentum verschiedene Rechte 1 1 6 . Z u m einen können begrenzte dingliche Rechte, etwa Dienstbarkeiten, auch durch Ersitzung oder Gesetz entstehen, also ohne Bestellung des (vgl. JhJ 10 (1869) 549 f. und Geist, I I I 143 f.). Dagegen wenden sich Windscheid/ Kipp , I § 212 bei Anm. 10 ff., die eine Neubestellung der Dienstbarkeit durch den Eigentumserwerber annehmen. ho Bei Weg 2 „behält" er sich zwar den Nießbrauch vor. Dieser wurde aber eigens neu bestellt, der Veräußerer hatte vorher nicht den Nießbrauch als Teil seines Eigentums, sondern nur die Befugnisse, die dieser vermittelt, also in erster Linie das Besitz-, Gebrauchs- und Fruchtziehungsrecht; vgl. hierzu auch von Tuhr, I I 1, 73 in Fn. 67. — Bei Weg 1 wird gar nichts „vorbehalten": Der Veräußerer erhält den Nießbrauch vom Erwerber, mag es sich „wirtschaftlich" auch anders darstellen, worauf von Tuhr, I I 1, 73 bei und in Fn. 67 hinweist. 111 So Heck, 84. Nach von Lübtow, Schenkungen 56, gibt dieser altrömische Sprachgebrauch nicht mehr die Denkweise der Klassik wieder. 112 So von Tuhr, I I 1, 72 und von Lübtow, Schenkungen 61 f. Blomeyer, AcP 153 (1954) 251 f. führt aus, der Nießbrauch könne nicht vom Veräußerer vorbehalten werden; er müsse stets vom Erwerber bestellt werden, von diesem leite der Veräußerer seine dingliche Rechtsstellung ab. 113 So aber Boehmer, Grundlagen I I 2, 61. 114 Vgl von Lübtow, Schenkungen 26. Mit der Vorstellung einer nur funktionell teilbaren Sachherrschaft „Eigentum" war ein „Abzug" von Funktionen, die „Aufteilung" von Befugnissen logisch noch vereinbar; von Lübtow, Schenkungen 56. us Von Lübtow, Schenkungen 26 f. So von Lübtow, Schenkungen 52 und WindscheidIKipp, I § 200 in Anm. 3 zum gemeinen Recht. Vgl. auch Dernburg, Pfandrecht 125-127.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
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Eigentümers. I n diesen Fällen ist nicht ersichtlich, wie sie aus dem Eigentum ausgeschieden sein sollten 1 1 7 . Z u m anderen gibt es begrenzte Rechte, bei denen offensichtlich ist, daß sie keine verselbständigten „Eigentumssplitter" sein können, wie das beim Nießbrauch j a noch vorstellbar w ä r e 1 1 8 . So können etwa nach § 1018, 2. Alternative B G B Grundstücke zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks derart belastet werden, daß auf dem dienenden Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen. Darunter fallen etwa Baubeschränkungen aller A r t 1 1 9 . E i n solches Recht kann kein verselbständigter Eigentumsbestandteil, kein losgelöster Eigentumssplitter sein. Dieses Recht war i n den Eigentumsbefugnissen gar nicht enthalten. Zwar begibt sich der Eigentümer m i t der Bestellung etwa einer „servitus altius non tollendi" der Befugnis, auf seinem Grundstück höher zu bauen. Aber er hatte vorher nicht das Recht, sich selbst am Höherbauen zu hindern. U n d der Berechtigte erhält nicht die Befugnis, auf dem dienenden Grundstück höher zu bauen. V o n einer teilweisen Eigentumsbzw. Rechtsübertragung kann also nicht gesprochen werden 1 2 0 . Der bei Baubeschränkungen auf der Hand liegende Beweis für die Unvereinbarkeit der Vorstellung einer Teilveräußerung m i t dem Gesetz schlägt auch beim Nießbrauch durch. Der Dogmatik des B G B liegt eine einheitliche Konstruktion für die Entstehung sämtlicher beschränkt dinglichen Rechte zugrunde. Dies ergibt sich etwa aus § 873 B G B , der die rechtsgeschäftliche Entstehung aller Rechte an einem Grundstück regelt. Ist der Teilungsgedanke des Vorschlags von Heck für bestimmte Dienstbarkeiten undenkbar, kann er für den Nießbrauch also auch nicht
richtig
sein. Aus all dem folgt, daß die Befugnisse dinglich Berechtigter bei der Bestellung oder sonstigen Entstehung dieser Rechte neu gebildet w e r d e n 1 2 1 . Das „Mutteri n So Windscheid/Kipp, I a. a. O. us Vgl. Hirsch, 171: „Für das Verhältnis zwischen Nießbrauch und Eigentum hat der Teilungsgedanke den Schein des Richtigen, weil die Befugnisse zum Gebrauch und zur Fruchtziehung dem Eigentümer durch die Nießbrauchsbestellung anscheinend verloren gehen". 119 Vgl. MünchKomm-Falckenberg, § 1018 Rdnr. 30 ff., 35. 120 So von Lübtow, Schenkungen 53 und Freisen, 48. — A . M . von Tuhr, I I 1, 64: „Auch die negativen Servituten können aus dem Eigentumsinhalt abgeleitet werden. Die im Eigentum enthaltene Befugnis ... ist zwar nicht auf den Berechtigten übertragen, aber zu seinen Gunsten dem Eigentümer entzogen." Von Tuhr s Hinweis auf Hirsch, 225 geht fehl, da Hirsch unter Herleitung aus dem Eigentum etwas anderes versteht als von Tuhr. Hirsch ist insoweit jedenfalls der Sache nach Anhänger der hier vertretenen Auffassung. Vgl. nur Hirsch, 207: „Nießbrauch und andere abgeleitete Rechte können nicht 'Eigentumssplitter'sein" mit von Tuhr, I I 1, 63 Fn. 23: „Diese Rechte sind verselbständigte Eigentumssplitter". — Hirsch, 207 f., führt als weiteren Beleg die Ersitzung des Nießbrauchs an herrenloser Fahrnis an (§§ 1033, 937 ff. BGB). Denn wo gar kein Eigentum bestehe, könne es auch nicht geteilt werden. 121 Vgl. etwa Freisen, 11 („Neukonstituierung"); Grunwald, 48 („Neubestellung") und Dernburg, Pfandrecht 127 („Creierung einer bisher noch nicht existierenden Rechtsbefugnis").
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
recht" als Ursprungsrecht w i r d bei der rechtsgeschäftlichen Entstehung des „Tochterrechts" 1 2 2 nicht, auch nicht teilweise veräußert oder übertragen, vielmehr w i r d es lediglich belastet 1 2 3 . Diese Belastung besagt, daß die Ausübung des Mutterrechtes, solange das Tochterrecht besteht, insoweit zu unterbleiben hat, als dies v o m Inhalt des Tochterrechts gefordert wird. Denn das Tochterrecht hat i m Vergleich zum Mutterrecht zwar einen geringeren Inhalt, aber den besseren R a n g 1 2 4 . Der Inhalt des Mutterrechts w i r d durch die Bestellung des Tochterrechts unmittelbar nicht berührt. So verbleiben alle Befugnisse des Eigentums beim Eigentümer, auch nachdem dieser ein beschränktes dingliches Recht bestellt hat. Dieses stellt lediglich mittelbar eine Ausübungsschranke für das Mutterrecht d a r 1 2 5 . Der Inhalt des Mutterrechts w i r d also nicht geteilt, vielmehr w i r d er, soweit das Tochterrecht reicht, verdoppelt 1 2 6 . Inwieweit die Ausübung des M u t terrechts neben dem Tochterrecht möglich ist, hängt von dessen Natur a b 1 2 7 . So n i m m t der bessere Rang des Nießbrauchs dem Eigentümer für die Dauer des Rechts jede Möglichkeit, Nutzungen aus der Sache zu ziehen. Demgegenüber hindert ein Wegerecht oder ein Wasserschöpfrecht den Eigentümer des dienenden Grundstücks nicht, W e g oder Quelle zu benutzen 1 2 8 . W e n n Vorbehaltsgeschäfte etwas Neues schaffen, was vorher nicht existierte, und wenn Rechte durch Belastung vervielfältigt werden, dann können solche Geschäfte nicht m i t Hilfe der Vorstellung eines bloßen Teilerwerbs erklärt und uno actu konstruiert werden. Vielmehr müssen rein logisch zwei A k t e gegeben sein: Die Verdoppelung und die Übertragung. Denkbar ist, daß erst verdoppelt w i r d und dann übertragen, dann liegt W e g 2 vor, oder daß zunächst übertragen und dann verdoppelt wird, so daß W e g 1 vorliegt. Das haben auch die römischen Klassiker schon so gesehen. I n dem Zeitpunkt, als sich eigenständige dingliche Rechte entwickelt hatten, faßten sie ihre Entstehung nicht mehr als Vorbehalt oder Übertragung von verselbständigten Eigentumsteilen auf, sondern als Neugründung. Der Sprachgebrauch von der deductio ususfructus blieb aber erhalten, auch nachdem die römische Dogmatik den Ususfructus als selbständiges dingliches Recht an einer Sache begriff und nicht mehr als nur funktionalen T e i l des Eigentums i m Sinn von genereller Sachherrschaft 129 .
122 Terminologie nach Hirsch, 33 und von Tuhr, I I 1, 62. 123 So auch von Tuhr, Π 1, 62. 124 So von Tuhr, I I 1, 75 und Hirsch, 199. 125 Vgl. Hirsch, 174 f. 126 So Hirsch, 212. 127 Vgl. etwa von Tuhr, I I 1, 76. 128 Beispiele von Hirsch, 208. 129 So von Lübtow, Schenkungen 53 f. in Fn. 185 und 56 und ders., GS Schmidt 413 ff. Vgl. auch Käser , I § 106 bei Fn. 41. Auch Heck sieht, daß die Vorstellung einer Teilung aus einer älteren rechtshistorischen Schicht kommt als die der Begriffsverschiedenheit, die „nur ein Ergebnis späterer Differenzierung und Terminologie" sei; Heck, 80 mit Hinweis darauf, daß das alte deutsche Recht der Vorstellung der Gleichartigkeit
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A u c h Heck sieht, daß sein Vorschlag m i t dem B G B unvereinbar ist. Er glaubt aber, daß es bei den Vorbehaltsgeschäften Fallgestaltungen geben könne, i n denen die „interessengemäße Lösung" nur durch den Teilungsgedanken und die Behandlung des Geschäfts als Teilerwerb möglich ist. Daher meint er, Bedenken zurückstellen zu können, die sich daraus ergeben, daß nach geltendem Recht „der Form nach" von dem bisherigen Eigentümer das Eigentum übertragen und von dem Erwerber der Nießbrauch bestellt werden müsse 13 °. Es mag dahinstehen, ob Heck zu folgen wäre, wenn seine Annahme stimmte, daß das B G B keine „interessengerechte Lösung" zuläßt. Da aber, wie zu zeigen sein wird, i n sämtlichen von Heck angesprochenen Fällen mittels W e g 2 sowohl interessengerechte, als auch dogmatisch korrekte Lösungen möglich sind, ist sein Vorschlag abzulehnen 1 3 1 . Er liefe darauf hinaus, daß die „schon von den Römern herausgearbeitete Erkenntnis" von der Existenz selbständiger beschränkter Rechte ohne Not verwässert w ü r d e 1 3 2 . Einzuräumen ist allerdings, daß sich Hecks Vorschlag mit dem französischen Recht weitgehend deckt. Dort herrscht die Vorstellung vor, daß bei einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt das Eigentum unter Rückbehalt des Nießbrauchs übertragen w i r d 1 3 3 . Nach dem Code c i v i l ist der Nießbrauch aber anders als nach dem B G B tatsächlich abgespaltenes Recht, also Eigentumssplitter 1 3 4 . I m französischen Recht führt zudem die Konsolidation — ebenfalls i m Gegensatz zum B G B — regelmäßig zum Erlöschen des beschränkt dinglichen Rechts. Eigentümerrechte, auch Eigentümergrundpfandrechte, sind i h m grundsätzlich von Eigentum und begrenzten Rechten länger verhaftet geblieben sei als das römische, das früher die Wesensverschiedenheit betont habe. 130 Heck, 83. Vgl. auch Boehmer, Grundlagen, I I 2, 61, nach dem die Entscheidung des RG vom 10. Sept. 1935, Ζ 148,321 ff., die davon ausgehe, daß Eigentumsübertragung und Nießbrauchsbestellung ein einheitliches Rechtsgeschäft bildeten, zwar „rechtslogisch inkorrekt" sei, aber vom „wertungsjuristischen Standpunkt aus" Beifall verdiene. 131 Es ist verwunderlich, daß Heck im Zusammenhang mit Vorbehaltsgeschäften (83 f.) nicht selbst die Möglichkeit der Bestellung eines Eigentümerrechtes sieht, da er auf Seite 99 ausführt, daß das „Recht an eigener Sache" (Seite 96-100) einer analogen Ausdehnung „anstandslos" fähig sei, wenn die sonstigen Voraussetzungen der Analogie gegeben wären. 132 So von Lübtow, Schenkungen 62. Genau gegenteiliger Ansicht sind Wolff!Raiser, § 115 I Fn. 1. Sie bevorzugen die Lösung Hecks über das einheitliche Rechtsgeschäft (Weg 3) und erkennen für den Weg 2, die Bestellung des Eigentümernießbrauchs, nur bei Grundstücken ein „rechtliches Bedürfnis" an, bei denen Weg 3 auf grundbuchrechtliche Schwierigkeiten stoße. — Dem ist nicht zu folgen, weil Weg 3, wie gezeigt wurde, dem geltenden Recht widerspricht, während Weg 2, wie sogleich ausgeführt werden wird, zulässig ist und den beteiligten Interessen vollauf gerecht wird. 133 "reserve d'usufruit", vgl. Art. 918 und 949 Cc und Ferid!Sonnenberger, I I 789. Vgl. auch Art. 899 Cc, wonach eine (einheitliche) Verfügung gültig ist, durch welche der Eigentümer einem den Nießbrauch und dem anderen das nackte Eigentum an seiner Sache gibt, also auch jenseits des „Vorbehalts" aufspalten kann. 134 Ferid!Sonnenberger, I I 787. Die „Erkenntnis von der Existenz selbständiger beschränkter Rechte", die sich mit der Abspaltung nicht verträgt, ist also nicht so weit entwickelt wie im deutschen Recht, kann mithin auch nicht „verwässert" werden. 4 Reiff
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
unbekannt 1 3 5 . Nach dem Code c i v i l ist aus diesen Gründen der auf einem hohen dogmatischen Abstraktionsgrad aufbauende W e g 2, die Bestellung eines Eigentümernießbrauchs, nicht gangbar, aber auch nicht notwendig. Daß sich seine Regelung m i t Hecks Vorstellung eines uno actu Vollzugs weitgehend deckt, spricht also letztlich eher gegen als für dessen Zulässigkeit nach dem B G B .
b) Rechte Das Reichsgericht Übertragung
einer
bezeichnet i n einer Entscheidung aus dem Jahre 1915 die Hypothek
unter
Nießbrauchsvorbehalt
als
„Teilüber-
tragung" 1 3 6 . Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, es halte W e g 3 für zulässig. Es trifft diese Aussage nämlich nur beiläufig und ohne Begründung. I n einer späteren Entscheidung spricht das Reichsgericht Motive
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m i t Hinweis auf die
davon, die Bestellung eines Nießbrauchs an einem Recht sei eine
„teilweise Übertragung des R e c h t s " 1 3 8 . Für den Fall der Übertragung einer Hypothek unter Nießbrauchs vorbehält folgert es daraus, daß der Nießbrauch auch dadurch bestellt werden kann, daß der Gläubiger das Recht unter Ausschluß der den Nießbrauch ausmachenden Befugnisse an einen anderen abtritt 1 3 9 . I n diesem Fall entstehe der Nießbrauch nicht wie i m Regelfalle m i t der Übertragung der ihn bildenden Befugnisse, sondern mit der Übertragung des beschränkten Gläubigerrechts auf den neuen Gläubiger. Dies deutet zunächst daraufhin, das Reichsgericht halte W e g 3 für zulässig. Gegen diese Annahme bestehen aber erhebliche Bedenken. Das Reichsgericht
führt nämlich i n derselben Entscheidung auch aus,
„die Begründung des Nießbrauchs als eines Rechtes an einer fremden Sache oder einem fremden Rechte sei nur zugunsten eines anderen als des Eigentümers oder Gläubigers möglich". Daher könne Gegenstand der Vereinbarung der Parteien nicht die Übertragung der belasteten Hypothek sein, sondern nur die Übertragung und die gleichzeitige Belastung der H y p o t h e k 1 4 0 . Das Reichsgericht
verwirft
also W e g 2 und favorisiert W e g 1. A u c h die Entstehungsgeschichte des § 1069 Abs. 1 B G B spricht nicht für die Zulässigkeit von W e g 3 bei der Rechtsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt. Nach dieser Vorschrift erfolgt die Bestellung eines Rechtsnießbrauchs nach den 135 Feridl Sonnenberger, I I 522. 136 RG, 3. Juli 1915, JW 1915, 1015 a. E. 137 Vgl. Motive bei Mugdan, I I I 302 = Motive, I I I 540. 138 RG, 27. Okt. 1919, Recht 1920, Nr. 663 f. (dort nur LS ) = SeuffA Bd. 75 Nr. 27, 48 f = WarnR 1920 Nr. 111. 139 Diese Schlußfolgerung ist an sich auch naheliegend. Wenn die normale Fremdnießbrauchsbestellung eine Teilübertragung, nämlich der Nießbrauchsbefugnisse bei gleichzeitigem Verbleib der „Gläubigerrestbefugnisse" ist, dann ist die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ebenfalls eine Teilübertragung, nämlich der Gläubigerrestbefugnisse bei gleichzeitigem Verbleib der Nießbrauchsbefugnisse. 140 RG, 27. Oktober 1919, a. a. Ο.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
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für die Übertragung des jeweiligen Rechtes geltenden Vorschriften. I n den Motiven zu § 1023 des Ersten Entwurfs, der § 1069 Abs. 1 B G B entspricht, w i r d an der v o m Reichsgericht
angezogenen Stelle ausgeführt, der Vorschrift liege „der
Gedanke zu Grunde, daß der Nießbrauch an einem Rechte eine theilweise
und
eigenthümliche, den Besteller für gewöhnlich nicht ganz verdrängende Succession i n das belastete Recht b i l d e t " 1 4 1 . Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, die Zulässigkeit von W e g 3 sei bei Rechten anders zu beurteilen als bei Sachen. I m nächsten Satz sprechen die Motive nämlich davon, auch „die Fälle der Bestellung eines begrenzten Rechtes an einer Sache", etwa die Bestellung eines Sachnießbrauchs, könne man „aus einem gleichen Gesichtspunkte", also als teilweise Sukzession, betrachten 1 4 2 . Folglich darf der Begriff „teilweise Sukzession" nicht i m strengen Sinn als Teilrechtsnachfolge verstanden werden, denn bei der Bestellung dinglicher Rechte an Sachen liegt, wie dargelegt wurde, gerade keine Übertragung von Befugnissen vor, sondern eine Neubegründung. Richtig verstanden kann daher „teilweise" nur gleichbedeutend m i t „nicht v ö l l i g verdrängend" sein. U n d „Sukzession" bedeutet nicht Rechtsnachfolge, sondern drückt nur aus, daß der Erwerb des Nießbrauchs derivativer Natur ist, der Nießbraucher also seine Rechtsstellung v o m Gläubiger des Rechts ableitet 1 4 3 . Aus dem Begriff „teilweise Sukzession" kann m i t h i n nicht geschlossen werden, daß die Übertragung von Rechten unter Nießbrauchsvorbehalt uno actu möglich ist. Er bedeutet lediglich, daß durch die Nießbrauchsbestellung der Rechtsinhaber — genauso wie der Eigentümer — seine volle Rechtsstellung behält und nur i n ihrer Ausübung beschränkt i s t 1 4 4 . So läßt sich auch zwanglos erklären, daß nach dem Ende des Nießbrauchs, durch T o d oder durch Aufhebungserklärung des Nießbrauchers 1 4 5 , der Gläubiger wieder alle Befugnisse hat. So wenig wie der vergleichbare Vorgang beim
* 41 Motive bei Mugdan, I I I 302 = Motive, I I I 540 (Hervorhebungen vom Verf.). 142 Motive bei Mugdan, I I I 302 = Motive, I I I 540. Ähnlich auch schon der Redaktor Johow, der ebenfalls zunächst ausführt, daß man „ein Recht am Recht vermöge einer gewissen Art von Succession in das Recht erlange", sodann aber erwähnt, daß man auch „die Abzweigung von Rechten an fremder Sache aus dem Eigenthum", also etwa die Bestellung eines Nießbrauchs, „als eine partielle Succession in das Eigenthumsrecht" bezeichnen könne, Johow, I I 267. 143 Vgl. von Tuhr, I I 1, 62, der die Belastung eines Rechtes auch „konstitutive Sukzession" nennt, die Rechtsnachfolge im engen Sinn etwa infolge Übereignung oder Abtretung aber „translative Sukzession" (59 ff.). 1 44 Der Gläubiger einer verzinslichen Forderung, der einem Dritten an ihr einen Nießbrauch bestellt, überträgt damit nicht einen Teil seiner Gläubigerstellung, sondern begründet für dessen Dauer eine Ausübungsschranke, die seine Rechtsstellung als Gläubiger einschränkt, so daß er aus seinem Recht keine Nutzungen ziehen kann. So stehen für diese Zeit die Zinsen dem Nießbraucher zu; diese Ansprüche gegen den Schuldner gehen ohne Abtretung auf ihn über, er bezieht also die Zinsen vom Schuldner aus eigenem Recht; §§ 1068 Abs. 2, 1030 BGB. Vgl. hierzu Staudinger (\2)~Promberger, § 1076 Rdnr. 7 und § 1068 Rdnr. 11. 145 Nach §§ 1068 Abs. 2, 1061 BGB bzw. nach §§ 1068 Abs. 2, 1072, 1064 BGB. 4*
52
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
Eigentum auf dessen „Elastizität" beruht 1 4 6 , w i r d diese scheinbare Rückkehr von Befugnissen bei Rechten durch irgendeine „geheimnisvolle K r a f t " b e w i r k t 1 4 7 . Beide Vorgänge erklären sich vielmehr aus dem Wesen der Belastung als einer Ausübungsschranke durch ein rangbesseres R e c h t 1 4 8 . Durch den Fortfall des rangbesseren Rechts Nießbrauch kehren m i t h i n keine Befugnisse zum Gläubiger zurück; der Gläubiger sukzediert nicht i n die Befugnisse des Nießbrauchers, er verliert nur einen stärkeren Konkurrenten 1 4 9 . Die Entscheidung des Gesetzgebers, für die Bestellung des Sachnießbrauchs eigenständige Vorschriften, §§ 873 Abs. 1 und 1032 B G B , zu schaffen, bei der Bestellung des Rechtsnießbrauchs hingegen m i t § 1069 Abs. 1 B G B generell auf die Übertragungsvorschriften der jeweiligen Rechte zu verweisen, spricht nicht dafür, die Zulässigkeit von W e g 3 bei Rechten und Sachen unterschiedlich zu beurteilen 15 °. Die Bestellungsvorschriften weichen sachlich nämlich kaum voneinander ab. § 1032 B G B beinhaltet für bewegliche Sachen die gleiche Regelung, die sich ergäbe, wenn er wie § 1069 Abs. 1 B G B auf die Übertragungsvorschriften, §§ 929 ff. B G B , verwiese. Ä h n l i c h ist es bei Grundstücken. Nießbrauchsbestellung und Eigentumsübertragung erfordern beide nach § 873 Abs. 1 B G B Einigung und Eintragung. Der einzige Unterschied besteht darin, daß die Einigung über den Nießbrauch formfrei ist, während die Auflassung nach § 925 Abs. 1 B G B formgebunden ist
151
. Das hat zum einen historische G r ü n d e 1 5 2 ,
zum anderen folgt es aus der „hohen Wichtigkeit, welche der Eigenthumsübertragung für die Rechtsverhältnisse an Grund und Boden beizumessen i s t " 1 5 3 . Daß der Gesetzgeber sich dafür entschied, für die Bestellung des Rechtsnießbrauchs anders als beim Sachnießbrauch nur auf die Übertragungsvorschriften
146 So aber Dernburg, Pandekten I § 192 in Fn. 12 und die bei Hirsch, 200 in Fn. 1 Zitierten. Gegen diesen Begriff, der ein „Abbild ohne Urbild", ein „Gleichnis ohne Gleichheit" sei, Hirsch, 218 f. und auch von Tuhr, I I 1, 83 Fn. 132 sowie von Lübtow, Schenkungen 55 bei und in Fn. 195. 147 So mit Recht Hirsch, 217 f. 148 So von Tuhr, von Lübtow und Hirsch, jeweils a. a. O. 149 So plastisch Hirsch, 219. — Anklänge hierzu finden sich schon bei Johow, der ausführt, daß „vermöge dieser partiellen Succession (= Bestellung des Rechtsnießbrauchs; der Verf.) der ursprünglich und der abgeleitet Berechtigte konkurrieren" und daß das Recht am Recht diese „Konkurrenz" regelt, Johow, I I 267. 150 Für die Bestellung eines Nießbrauchs an Rechten an einem Grundstück bekräftigt § 1069 Abs. 1 BGB nur, was sich ohne ihn schon aus § 873 Abs. 1 BGB ergibt, der also „an sich" auch die Rechtsnießbrauchsbestellung regelt; vgl. die Motive bei Mugdan, I I I 302 = Motive, I I I 540 (§ 828 E I entspricht § 873 BGB). 151 Vgl. hierzu MünchKomm-Kanzleiter, § 925 Rdnr. 1 und MünchKomm-Wacke, § 873 Rdnr. 5 und 20. 152 Vgl. die Motive bei Mugdan, I I I 173 = Motive, I I I 313: Die Gründe für diese Norm „ergeben sich aus der Rücksicht auf das geltende Recht"; denn alle Partikularrechte, die überhaupt eine Eintragung von einer Einigung abhängig machten, verlangten für den Eigentums Wechsel eine besonders strenge Form. 153 So die Motive, a. a. O.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
53
zu verweisen, beruht allein auf Praktikabilitätserwägungen. Aus historischen G r ü n d e n 1 5 4 gaben die deutschen Partikularrechtsordnungen keine A n t w o r t auf die Frage, „ o b eine allgemeine Bestellungsform für den Nießbrauch an Rechten aller A r t zu geben sei oder ob der Gesetzgeber alle Rechte durchzugehen habe und bei jedem eine eigene Bestellungsform ersinnen s o l l e " 1 5 5 . Eine gemeinsame Form für alle Rechte kann indes nicht richtig sein, w e i l sie Wertungswidersprüche zu den Übertragungsvorschriften erzeugte. So wäre die formfreie Bestellung eines Nießbrauchs an einem G m b H - A n t e i l ebensowenig mit der Wertung des § 15 Abs. 3 GmbH-Gesetz vereinbar, wie das Erfordernis der notariellen Beurkundung der Nießbrauchsbestellung an einer einfachen Forderung m i t der des § 398 B G B . Den „ganzen Katalog denkbarer Rechte durchzugehen" und bei jedem einzelnen eine eigene Bestellungsvorschrift aufzustellen, erschien auch nicht ratsam, w e i l „bedenkliche Durchkreuzungen" und Schwierigkeiten drohten und w e i l noch „ k e i n Gesetzgeber j e den Versuch gemacht habe, i n dieser Beziehung vollständig zu s e i n " 1 5 6 . A l l diesen Schwierigkeiten wollte Johow, der Redaktor des Vorentwurfs zum Sachenrecht, ausweichen. Er meinte daher, es genüge völlig, „auf die gewöhnliche Übertragungsform für das zu nießbrauchende Recht zu verweisen" 1 5 7 . c) Ergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten: Die von Heck vorgeschlagene Lösung der Konstruktion der Vorbehaltsgeschäfte als Teilveräußerung und Teilerwerb ist dogmatisch nicht haltbar und auch wertungsjuristisch nicht geboten. Die Vorbehaltsgeschäfte erfordern zwei dingliche Rechtsgeschäfte. Sie können nicht uno actu vollzogen werden, unabhängig davon, ob eine Sache oder ein Recht unter Nießbrauchs vorbehält übertragen werden soll.
2. Weg 2 a) Grundstücke aa) Meinungsstand Es war und ist teilweise heute noch sehr bestritten, ob die für W e g 2 erforderliche Bestellung eines Eigentümernießbrauchs zulässig ist. Zunächst soll die Zuläs154
Im römischen Recht waren der gesetzliche Nießbrauch und der Nießbrauch aufgrund eines Vindikationslegates die Hauptfälle des Nießbrauchs an Rechten. Bei diesen stellt sich aber die Frage nach der Form der Bestellung nicht; so Johow, I I 270. 155 So Johow, I I 269. 156 Vgl. Johow, I I 268 ff. 157 S o a u s d r ü c k l i c h Johow, I I 270.
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
sigkeit eines Nießbrauchs am eigenen Grundstück untersucht werden 1 5 8 . Das B G B erwähnt die Möglichkeit eines Eigentümernießbrauchs i n den §§ 1030 ff. nicht. Vielmehr gehen diese Bestimmungen v o m Nießbrauch an einer fremden Sache aus 1 5 9 . E i n T e i l vor allem der älteren Rechtsprechung 1 6 0 und einige Stimmen aus dem S c h r i f t t u m 1 6 1 lehnen daher den Eigentümernießbrauch an Grundstücken generell und ausnahmslos ab. Demgegenüber w i r d seine grundsätzliche Zulässigkeit i m Schrifttum heute ganz überwiegend bejaht 1 6 2 . Umstritten ist allerdings, welche Voraussetzungen hieran zu knüpfen sind. Teilweise w i r d ein berechtigtes Interesse des Eigentümers verlangt 1 6 3 , teilweise soll ein wirtschaftliches Interesse 1 6 4 oder jedes Interesse 1 6 5 158 Da sich in der Diskussion um die Zulässigkeit des Eigentümernießbrauchs eine Unterscheidung zwischen beweglichen und unbeweglichen Sachen eingebürgert hat (vgl. Staudinger (12)-Promberger, § 1030 Rdnr. 21) folgt diese Untersuchung auch dieser Einteilung. Der Eigentümernießbrauch an beweglichen Sachen wird daher im Anschluß gesondert behandelt. 159 Staudinger (\2)-Promberger, § 1030 Rdnr. 22. 160 Ausdrücklich abgelehnt wurde der Eigennießbrauch, jeweils generell und nicht begrenzt auf Grundstücke, sondern ohne Einschränkung auf das Objekt der Belastung durch das RG, 27. Okt. 1919, SeuffA Bd. 75 Nr. 27, 47, 49 = Recht 1920, Nr. 664, dort nur LS (Hypothek); das RAG, 23. Jan. 1940, HRR 1940, Nr. 669 (Hotelzubehör) und den OGHBrZ, 18. Nov. 1948, Ζ 1, 258, 260 (Grundstück). — Auf dieser Auffassung beruhen aber auch das Urteil des RG, 10. Sept. 1935, Ζ 148, 321 ff. und der Beschluß des OLG München, 10. März 1942, HRR 1942, Nr. 544 a. E.; so mit Recht von Lübtow, NJW 1962, 276. 161 Staudinger (11 )-Spreng, § 1030 Rdnr. 3 a und Staudinger (ll)-Seufert, § 873 Rdnr. 38 a; E. Wolf, § 12 A I I I f. bei Fn. 3 und 4; von Tuhr, I I 1, 80 f.; Roth-Stielow, Justiz 1961, 322 f. und Eichler, 574 Fn. 31; jeweils ausdrücklich. — Stürner, AcP 173 (1973) 430 in Fn. 92 hält die Konstruktion eines Eigentümernießbrauchs „für doch immerhin fragwürdig". Die Unzulässigkeit des Eigentümernießbrauchs liegt auch den Auffassungen von Benkö, 37 f.; Blomeyer, AcP 153 (1954) 251 f. und W. Meyer, 115, zugrunde, die zur Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt betonen, sie könne nur nach Weg 1 vollzogen werden. — Boehmer, Grundlagen I I 2, 61, bedauert, daß „unsere engherzige heutige deutsche Dogmatik eine Eigentumsübertragung deducto usufructu, das heißt juristisch die Bestellung eines Nießbrauchs an eigener Sache, nicht anerkennt, auch nicht bei sofortigem Eigentumswechsel". — Als Beispiel aus der älteren Kommentarliteratur, als die generelle Ablehnung von beschränkten Eigentümerrechten noch h.M. war, sei hier Planck-Strecker, § 873 Anm. 13 und Vorbem. 4 a vor § 1018 jeweils m. w. N. angeführt. 162 Vgl. etwa MünchKomm-Petzoldt, § 1030 Rdnr. 21. Haegele, Rpfleger 1969, 266 stellt — resignativ, da er grundsätzlich gegen diese Rechte ist — fest, daß sich „die Anerkennung von Eigentümerrechten in Abt. I I des Grundbuchs anscheinend nicht mehr aufhalten läßt". 163 So grundlegend von Lübtow, Schenkungen 62, 89, 107 und NJW 1962, 275 ff. Ähnlich MünchKomm-Petzoldt, § 1030 Rdnr. 21: „begründetes rechtliches Interesse" und Erman-Ronke, § 1030 Rdnr. 6: „rechtliches Interesse". Ebenso Westermann, Sachenrecht § 121 I I und Wolff/Raiser, § 2 V 3 b und § 115 I Fn. 1. Dippel, 22 ff. fordert ein „berechtigtes Interesse". 164 So etwa RGRK-Rothe, § 1030 Rdnr. 5: „rechtsschutzwürdiges, wirtschaftliches Interesse des Eigentümers". 165 Etwa Soergel (11 )-Baur, § 1030 Rdnr. 3: „in bestimmten Fällen" und Soergel (11 )-Stürner, Nachtrag § 1030 Rdnr. 3: „besonderes Interesse großzügiger zu bejahen".
55
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
ausreichen. Es mehren sich aber auch die Stimmen, die für seine Zulässigkeit keine besonderen Voraussetzungen fordern 1 6 6 . Die neuere Rechtsprechung steht dem Eigentümemießbrauch an Grundstücken ebenfalls aufgeschlossener gegenüber. Das OLG Düsseldorf
ging 1960 noch
davon aus, daß die Bestellung eines Eigentümernießbrauchs an Grundstücken „ i m allgemeinen" unzulässig ist, ließ aber schon offen, „ o b i m Einzelfall aus dem praktischen Bedürfnis des Rechtsverkehrs sich ein rechtliches Interesse für seine Zulässigkeit ergeben k a n n " 1 6 7 . Mittlerweile sind mehrere (ober-)gerichtliche Entscheidungen ergangen, die jedenfalls bei „Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt" den W e g über die Bestellung eines Eigentümernießbrauchs ausdrücklich als gangbare Alternative bezeichnen 1 6 8 . Der Bundesgerichtshof
hat
diese Frage noch nicht entschieden. Er hat vielmehr ausdrücklich offen gelassen, ob bei der Übertragung eines vermieteten Grundstücks „unter Nießbrauchsvorbehalt" der Erwerber nach § 571 Abs. 1 B G B für eine juristische Sekunde i n die Mietverträge eintritt, bevor der Veräußerer als Nießbraucher nach §§ 577 Satz 1, 571 Abs. 1 B G B erneut die Vermieterstellung erlangt (Weg 1), oder ob sich die Mietverträge immer nur i n der Person des Veräußerers fortgesetzt haben und der Erwerber erst m i t dem Ende des Nießbrauchs eintritt (Weg 2 ) 1 6 9 . 166 Grundlegend Weitnauer, DNotZ 1958, 352, 359 und 1964, 316, 318. Ihm folgend Harder , NJW 1969, 278 f. und DNotZ 1970, 267, 274. Aus der Kommentarliteratur: Staudinger (12)-Ertl, Vorbem. zu §§ 873-902 Rdnr. 35 a. E. und Staudinger (12)Promberger, § 1030 Rdnr. 24 a. E.; MünchKomm-Wacke, § 873 Rdnr. 18; PalandtBassenge, § 1030 Anm. 3 mit Einleitung vor § 854 Anm. 2 e und Jauernig, § 1030 Anm. 3. Unklar Schwab, § 75 Π 3, der keine Interessen als Voraussetzung erwähnt, ι— Dieser Meinung sind auch Faber, BWNotZ 1978, 151, 153 sowie Joas, BWNotZ 1974, 146 f. und Pikalo, DNotZ 1971, 389,403, letztere zu Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt. — Aus der grundbuchrechtlichen Literatur sind Ηaegelei Schönerl Stöber, Rdnr. 1373 und HorberIDemharter, Anh. zu § 44 GBO, Anm. 13 g, dieser Auffassung. — Nach Staudinger (12)-Ertl, a. a. O. ist diese Meinung im Schrifttum bereits herrschend. 167 OLG Düsseldorf\ 28. Sept. 1960, NJW 1961, 561 f. 168 So vor allem BayObLG, 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff.; OLG Frankfurt, 9. Sept. 1980, OLGZ 1981, 32 ff. — Ebenso schon zur Übertragung eines Grundstücks „unter Vorbehalt eines dinglichen Wohnungsrechtes" das BayObLG, 14. Juni 1967, Ζ 1967, 245 ff. Vgl. auch LG Tübingen, 11. März 1971, BWNotZ 1971, 67 f. — Auch der BFH ging früher davon aus, daß zwar „bei der Veräußerung eines Grundstücks unter gleichzeitiger Bestellung eines Nießbrauchsrechts für den Veräußerer der Erwerber von vornherein nur das mit dem Nießbrauch belastete Eigentum erwirbt und der Veräußerer mit dem Nießbrauch die Nutzungsmöglichkeit zurückbehält, die ihm zuvor aufgrund seines Eigentums zustand", daß aber „die Bestellung des Nießbrauchs zivilrechtlich voraussetzt, daß der Besteller Eigentümer des belasteten Gegenstandes ist"; 28. Juli 1981, NJW 1982, 256. Der BFH hielt damals also nur Weg 1 für zulässig, kam aber aufgrund einer „wirtschaftlichen Beurteilung" zu einem Ergebnis, das Weg 2 entsprach. Mittlerweile hält der BFH aber Weg 2 ausdrücklich für zulässig, wenn er ausführt, „die Annahme, daß der neue Eigentümer von vornherein belastetes Eigentum erwirbt, erscheine insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil sich der frühere Eigentümer schon vor der Veräußerung den Nießbrauch am eigenen Grundstück hätte bestellen können"; 30. Juli 1985, NJW 1986, 605, 607. Ähnlich schon 7. Dez. 1982, BB 1983, 1196 ff. 169 BGH, 27. Okt. 1982, NJW 1983, 1780, 1781.
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes bb) Kritische Analyse
(1) Argumente gegen die Zulässigkeit Die Argumente, die gegen den Nießbrauch am eigenen Grundstück vorgebracht werden, lassen sich i m wesentlichen i n zwei Gruppen einteilen. Die einen haben zum Ziel, generell die Unmöglichkeit von Eigentümerrechten am Grundstück, soweit sie v o m Gesetz nicht ausdrücklich geschaffen wurden, nachzuweisen, die anderen wenden sich i m besonderen gegen die Zulässigkeit des Eigentümernießbrauchs. (a) Allgemein gegen Eigentümerrechte (aa) Geltung der Rechtsregel „nemini res sua servit" V o n den Gegnern der Zulässigkeit w i r d immer wieder betont, das B G B kenne zwar beschränkte dingliche Rechte am eigenen Grundstück. Es habe diese aber stets ausdrücklich angeordnet, diese Regelungen seien auf bestimmte, unabweisbare Bedürfnisse i m Rahmen der jeweiligen Rechtsinstitute zugeschnitten 1 7 0 . I m Grundsatz stehe das B G B noch ganz auf dem Standpunkt des gemeinen Rechts, das dem Dogma „ n u l l i res sua s e r v i t " 1 7 1 verpflichtet war, also von dem „allein der Rechtslogik entsprechenden Grundsatz" geprägt war, daß die eigene Sache niemandem dienen könne, w e i l die Dienstbarkeit begrifflich ein Recht an fremder Sache s e i 1 7 2 . Aus dieser Prämisse w i r d dann gefolgert, daß die Vorschriften des B G B , die diesem Standpunkt des gemeinen Rechts zuwiderlaufen, als spezifische Ausnahmeregelungen eng auszulegen seien und einer Analogie nicht oder nur in ganz besonderen Ausnahmefällen fähig w ä r e n 1 7 3 . Das B G B hat den gemeinrechtlichen Lehrsatz „ n u l l i res sua servit" indes zu oft durchbrochen, als daß man sagen könnte, es stehe insoweit mindestens i m Grundsatz noch auf dem „Standpunkt des gemeinen R e c h t s " 1 7 4 . Als Folge der 170 So Roth-Stielow, Justiz 1961, 322 f. Vgl. hierzu die gegen diese Auffassung polemisierenden Stellungnahmen von von Lübtow, Schenkungen 67 f. und Weitnauer, DNotZ 1958, 353. 17 1 Zu diesem Dogma („Niemandem dient seine eigene Sache") vgl. Liebs, 144 und zu seiner Geltung im gemeinen Recht WindscheidIKipp, I § 200 Anm. 4 und § 215 Anm. 9 sowie RG, 26 Jan. 1901, Ζ 47, 202, 205 und 208. Vgl. auch schon oben I I 3 und 4. 172 Für grundsätzliche Fortgeltung dieses Dogmas WindscheidIKipp, I § 200 a. E.; von Tuhr, I I 1, 81 bei Fn. 117 und RG, 26. Jan. 1901, Ζ 47, 202, 208. — Gegen diesen „mehr historisch begründeten" Scheingrund Wolff I Raiser, § 108 Fn. 5 und Westermann, Sachenrecht § 122 I I I 3. 173 So von Tuhr, I I 1, 81 bei Fn. 117 und Roth-Stielow, Justiz 1961, 322 f. — Für den Analogieschluß Heck, 99 und von Lübtow, Schenkungen 67 f. i™ So das RG, 14. Nov. 1933, Ζ 142, 231, 235: „ . . . daß im heutigen bürgerlichen Recht ... der Rechtssatz ,nulli res sua servit' nicht mehr gilt." — Mit diesem Beschluß gab das RG seine Ansicht im Beschluß vom 26. Jan. 1901, Ζ 47, 202 ausdrücklich auf und erklärte die Eigentümergrunddienstbarkeit für zulässig.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
57
Geltung dieses Lehrsatzes führte i m gemeinen R e c h t 1 7 5 der Erwerb des beschränkten Rechtes durch den Eigentümer oder der des Eigentums durch den beschränkt Berechtigten, also die V e r e i n i g u n g 1 7 6 des Eigentums und des beschränkten Rechtes in derselben Person, zum Erlöschen des Rechtes 1 7 7 . Das B G B hingegen ordnet i n § 889 an, daß ein beschränktes Recht an einem fremden Grundstück i n diesem Fall nicht erlischt, sondern als Recht am eigenen Grundstück weiterbesteht. Die Verfasser des B G B hatten erkannt, „daß der Grundsatz des Erlöschens der begrenzten Rechte in den Fällen der Vereinigung nicht durchgeführt
werden kann, ohne erhebliche Interessen zu schädigen" 1 7 8 .
Nach
§§ 1063 Abs. 1, 1256 Abs. 1 B G B erlöschen zwar Nießbrauch und Pfandrecht an beweglichen Sachen 1 7 9 , wenn sie m i t dem Eigentum i n derselben Person zusammentreffen. Absatz 2 dieser Vorschriften ordnet aber jeweils an, daß der Nießbrauch oder das Pfandrecht als nicht erloschen „gelten", soweit der Eigentümer ein rechtliches Interesse an ihrem Fortbestehen hat. Durch diese Bestandsfiktionen erhält der Eigentümer den gleichen Schutz, wie ihn ein Eigentümerrecht geben würde. Beide Gebilde unterscheiden sich nur dem Namen nach 18 °. Eine wesentliche Folgerung aus dem gemeinrechtlichen Grundsatz „ n u l l i res sua serv i t " , das Erlöschen bei der Vereinigung von Recht und Eigentum i n derselben Person, w i r d also i m B G B gerade nicht gezogen, wenn rechtliche Interessen des Eigentümers dem entgegenstehen. I m gemeinen Recht war wegen dieses Grundsatzes weiterhin zweifelhaft, ob einem einzelnen Miteigentümer ein begrenztes dingliches Recht an der ganzen Sache 1 8 1 begründet werden k a n n 1 8 2 . § 1009 B G B entscheidet diese Frage dahingehend, daß die gemeinschaftliche Sache zugunsten eines Miteigentümers belastet werden kann und läßt damit die rechtsgeschäftliche Begründung eines Rechtes 175
Dieser galt nicht nur im gemeinen Recht, sondern grundsätzlich in allen deutschen Partikularrechtsordnungen, vgl. Motive bei Mugdan, I I I 111 f. = Motive, I I I 201 f. m. w. N. 176 Die sogenannte Konfusion oder Konsolidation. 177 Vgl. die Motive a. a. O.; Windscheid/Kipp, I § 215 bei Fn. 10 und Dernburg, Pandekten I § 236 a. E. 178 So die Motive, a. a. Ο. — Schon Johow, der Redaktor eines Vorentwurfs zum Sachenrecht, führte in den Motiven zu § 252 seines Entwurfs, der § 889 BGB funktional und in etwa auch inhaltlich entsprach, aus, daß der Satz „nemini res sua servit" eine „Fessel" sei, die in Ansehung der Beendigung der Dienstbarkeiten „abgestreift" werden müsse; Johow, I 57 und Johow, I I 53 und 130, da ihre Konsequenzen wegen offenbarer Unbilligkeit nicht haltbar seien. 179 Nach §§ 1068 Abs. 2 und 1273 Abs. 2 BGB gilt dasselbe auch beim Nießbrauch und beim Pfandrecht an Rechten; Palandt-Bassenge, § 1068 Anm. 2 und § 1273 Anm. 2 a. 180 Vgl. Heck, 99 und 425 mit dem Vorschlag, die Bezeichnung „Nießbrauch an eigener Sache" bzw. „Eigentümerpfand" zu verwenden. 181
Die Belastung eines einzelnen Miteigentumsörtte//s zugunsten eines anderen Miteigentümers ist als selbstverständlich zulässig in § 1009 BGB nicht erwähnt; vgl. Staudinger (12)-Gursky, § 1009 Rdnr. 6; Baur, § 3 I I 1 b, bb und Westermann, Sachenrecht § 30 I I 1 b. 182 Vgl. Windscheid ! Kipp, I § 200 Anm. 4 und Weitnauer, DNotZ 1958, 354.
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
58
an der — teilweise — eigenen Sache z u 1 8 3 . Darüber hinausgehend bestimmt § 1196 B G B , daß durch eine Erklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt eine Grundschuld für den Eigentümer bestellt werden kann. § 1196 B G B enthält jedoch nicht die einzige i m Gesetz anerkannte rechtsgeschäftliche Begründung eines Rechts an — vollständig — eigener Sache 1 8 4 . Vielmehr lassen auch die §§ 1188 und 1195, 1188 B G B Neubegründungen von Eigentümerrechten z u 1 8 5 . Nach § 1188 Abs. 1 B G B kann eine Hypothek für die Forderung aus einer Inhaberschuldverschreibung durch Erklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt und Eintragung ins Grundbuch bestellt werden. Da der auch für die Wertpapierhypothek 1 8 6 des § 1187 B G B geltende Einigungsgrundsatz des § 873 B G B bei Inhaberschuldverschreibungen wegen der Unbestimmtheit des Gläubigers nicht durchführbar wäre, genügt i n diesem Fall die einseitige Bestellungserklärung 1 8 7 . Ist das Wertpapier zum Zeitpunkt der
Eintragung
ins
Grundbuch 1 8 8
noch
nicht
begeben,
entsteht
gemäß
§§ 1163 Abs. 1 Satz 1 und 1177 Abs. 1 Satz 1 B G B eine Eigentümergrundschuld 1 8 9 . Nach § 1195, 1192 Abs. 1, 1188 B G B entsteht durch einseitige Erklärung des Eigentümers gegenüber dem Grundbuchamt und Eintragung ins Grundbuch eine Inhabergrundschuld. Bei diesem Institut, das allerdings kaum praktische Bedeutung erlangt h a t 1 9 0 , ist der jeweilige Eigentümer des obligatorischen Grundschuldbriefs 1 9 1 , i m Regelfall also zunächst der Eigentümer des belasteten Grundstücks, Inhaber des Rechts am Grundstück 1 9 2 . Es entsteht also häufig zunächst eine Eigentümergrundschuld 1 9 3 . Die Inhabergrundschuld gelangt auch schon vor der Briefausstellung durch Erklärung und Eintragung zur Entstehung 1 9 4 , so daß bis zur Briefausstellung sogar immer eine Eigentümergrundschuld besteht.
183 So Planck-Strecker, § 1009 Anm. 1. 184 So aber von Tuhr, I I 1, 80. iss So auch Staudinger (U)-Seufert, § 873 Rdnr. 38 a. 186 Terminologie nach Baur, § 42 I V und Westermann, Sachenrecht § 112. Andere Bezeichnungen: Papier- bzw. Inhaberhypothek; Staudinger (11 )-Scherübl, § 1187 Rdnr. 1. 187 MünchKomm-Eickmann, § 1188 Rdnr. 1. 188 Wenn diese, wie in aller Regel, der Bestellungserklärung nachfolgt; sonst ist dieser Zeitpunkt maßgeblich. 189 So ausdrücklich Planck-Strecker, § 1187 Anm. 5 und § 1188 Anm. 1 a a. E.; Wolff I Raiser, § 152 Fn. 4 und Westermann, Sachenrecht § 112 I I 2. 190 MünchKomm-Eickmann, § 1195 Rdnr. 1. 191 MünchKomm-Eickmann, § 1195 Rdnr. 2. 192 Denn der Ersterwerb geschieht durch Einigung über den Eigentumsübergang des Briefes und dessen Übergabe, vgl. MünchKomm-Eickmann, § 1195 Rdnr. 3. 193 Neben diesem Fall entsteht auch dann eine — dauerhafte — Eigentümergrundschuld, wenn wegen fehlender Genehmigung (§ 795 BGB) das Papier nichtig ist; vgl. Wolff!Raiser, § 155 I I 1. 194 So Wolff!Raiser, § 155 I.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
59
Angesichts dieser zahlreichen Regelungen i m B G B , die ein Recht an eigener Sache zulassen oder voraussetzen, wäre es verfehlt, nur davon zu sprechen, der Satz „ n u l l i res sua servit" könne nach dem B G B „keine ausschließliche Geltung mehr beanspruchen" 1 9 5 . Diese Ansicht stützt sich darauf, dieser Satz sei i n den Motiven noch als Dogma herangezogen w o r d e n 1 9 6 . Dies ist unzutreffend. I n den Motiven
w i r d an der angezogenen Stelle zwar die Zulässigkeit der Bestellung
einer Grunddienstbarkeit „zugunsten eines eigenen Grundstücks an einem anderen eigenen Grundstück durch den Eigentümer beider Grundstücke verneint". Dabei w i r d aber nicht auf die Unmöglichkeit eines Rechtes an eigener Sache rekurriert, sondern allein darauf abgestellt, daß das geltende Partikularrecht einen Stiftungsakt des Eigentümers nicht kenne und ein solcher „auch durch ein praktisches Bedürfniß nicht erfordert" w e r d e 1 9 7 . A n anderer Stelle lassen die Motive demgegenüber wiederholt erkennen, daß für ihre Verfasser der gemeinrechtliche Grundsatz gerade kein Dogma war. So w i r d zu § 889 B G B ausgeführt, wie das m i t i h m „anerkannte Recht an der eigenen Sache zu konstruieren ist, entziehe sich der Bestimmung durch das Gesetz. Die Konstruktion sei Aufgabe der W i s senschaft". Jedenfalls sei es unzutreffend, daß der Eigentümer kein besonderes Recht an seiner Sache habe könne, w e i l das Eigentum alle Vorteile der begrenzten Rechte gewähre 1 9 8 . Z u § 1009 B G B heißt es i n den Motiven,
es könne nicht
behauptet werden, die Rechtslogik verlange die Unmöglichkeit einer Begründung eines begrenzten Rechtes zugunsten eines Miteigentümers der zu belastenden Sache 1 9 9 . Dieses Ergebnis w i r d auch dadurch bestätigt, daß schon 1880 der Redaktor Johow i n den M o t i v e n seiner Vorlage „Sachenrecht" für die Erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches davon ausging, daß die gemeinrechtliche Regel nemini res sua servit „sehr harmlos" sei, solange sie nur „die Zwecklosigkeit einer ferneren Unterscheidung der i n einer Person zusammentreffenden Rechte lehrt". Sobald man aus ihr aber rechtsgestaltende Wirkungen für die Praxis herleiten wolle, komme man „ z u einer Fülle v o n B e d e n k e n " 2 0 0 . Johow sieht, daß der Satz von der Unmöglichkeit der Rechte an eigener Sache dazu führt, daß „praktische Bedürfnisse einer vermeintlichen logischen Notwendigkeit zum Opfer gebracht werden". Daher hält er es für eine reine „Zweckmäßigkeitsfrage", ob der Gesetzgeber dem Eigentümer eine Rechtserzeugungsform zur Verfügung stellen solle, damit dieser für sich selbst die 195 So aber Staudinger (11 )-Seufert, § 873 Rdnr. 38 a. — Nach von Tuhr, I I 1, 81, ist der Satz ,nulli res sua servit 4 ein die Vereinfachung fördernder Grundsatz, von dem nur die fest abgegrenzten, vom Gesetzgeber statuierten Ausnahmen zulässig sind. 196 So Staudinger (11 )-Seufert, § 873 Rdnr. 38 a mit Hinweis auf Motive, I I I 480 = Motive bei Mugdan, I I I 267. 197 Vgl. Motive, a. a. O. 198 So Motive bei Mugdan, I I I 113 = Motive, I I I 205 zu § 835 E I. 199 Vgl. Motive bei Mugdan, I I I 245 = Motive, I I I 438 f. zu § 947 E I. 200 Vgl. Johow, I I 51 f.
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
60
Sache mit einer Dienstbarkeit belasten könne, „insbesondere zu dem Zwecke, nach Veräußerung der Sache die Dienstbarkeit zu behalten" 2 0 1 . Die Bejahung oder Verneinung dieser Zweckmäßigkeitsfrage hänge v o m Vorhandensein eines praktischen Bedürfnisses ab. Für persönliche Dienstbarkeiten, also auch den Nießbrauch, verneint Johow es letztlich. Bei Grunddienstbarkeiten bejaht er es und sieht deshalb i n § 244 seiner Vorlage — i m Gegensatz zum B G B 2 0 2 — vor, daß der Eigentümer sein Grundstück durch einseitiges Rechtsgeschäft zugunsten eines anderen i h m gehörenden Grundstücks m i t einer Grunddienstbarkeit belasten könne203. Dies erhellt, warum die Motive auf den Fall einer Grunddienstbarkeitsbegründung am eigenen Grundstücke besonders eingingen 2 0 4 . A u c h die Ablehnung dieses Instituts durch die Erste Kommission w i r d verständlich. Der Hinweis auf das Fehlen eines einseitigen Stiftungsaktes des Eigentümers i m geltenden Partikularrecht ist letztlich der Rückzug auf den Auftrag an die Kodifikation, der i n erster Linie Rechtsvereinheitlichung und weniger Reform lautete 2 0 5 . U n d die Frage des praktischen Bedürfnisses wurde von der Kommissionsmehrheit anders beantwortet als von Johow,
der i n diesem Punkt zumindest die tatsächliche
Entwicklung klarer voraussah 2 0 6 . A l l dies zeigt: Der gemeinrechtliche Satz „ n u l l i res sua servit" gilt i m B G B nicht m e h r 2 0 7 . Die erwähnten Regelungen des B G B , die ein Recht an der eigenen Sache anerkennen oder voraussetzen, sind also nicht eng auszulegende Ausnahmebestimmungen von einem „an sich geltenden Grundsatz" 2 0 8 . Vielmehr lassen sie erkennen, daß das Gesetz ein Recht am eigenen Grundstück und auch dessen rechtsgeschäftliche Bestellung durch den Eigentümer immer dann anerkennt und
201 Vgl. Johow, I I 52 f., der somit schon auf die Vorbehaltsgeschäfte als Hauptfall hinweist. 202 Dieses enthält keine solche Bestimmung. Das RG folgerte daraus zunächst, daß eine Eigentümergrunddienstbarkeit unzulässig sei, 26. Jan 1901, Ζ 47, 202 ff. Es gab diese Ansicht später ausdrücklich auf, 14. Nov. 1933, Ζ 142, 231 ff. Heute ist es allgemeine Meinung, daß die Bestellung einer Eigentümergrunddienstbarkeit zulässig ist; MünchKomm-Falckenberg, § 1018 Rdnr. 22 m. w. N. 203 Vgl. Johow , I 56 (Text der Vorschrift) und I I 108 f. (Motive zu § 244 seines Entwurfs). 204 in Motive, I I I 480 = Motive bei Mugdan, I I I 267, im Gegensatz etwa zum Fall des Eigentümernießbrauchs. Da dieser auch von Johow nicht empfohlen wurde, mußte seine Nichteinführung nicht weiter begründet werden. 205 Vgl. hierzu zum Erbrecht (Abschaffung des Pflichtteils) Motive bei Mugdan , V 202 f. = Motive, V 382. 206 Vgl. hierzu den Beschluß des RG vom 14. Nov. 1933, Ζ 142, 231, 238: „ I m Laufe der Zeit hat sich vielfach ein dringendes praktisches Bedürfnis gezeigt." 207 Vgl. Staudinger (12)-Ertl, Vorbem. zu §§ 873-902 Rdnr. 35: „ . . . weil das BGB das gemeinrechtliche Dogma nicht mehr kennt" und das RG, a. a. O., 235: „ . . . daß im heutigen bürgerlichen Recht ... der Rechtssatz ,nulli res sua servit' nicht mehr gilt." Ebenso RG, 30. März 1939, Ζ 160, 166, 178 (Eigentümerüberbau). 208 Dieses Argument gegen die Analogiefähigkeit dieser Normen ist also hinfällig.
61
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
gutheißt, wenn ein praktisches Bedürfnis dafür besteht. Dies ist der Grundsatz, von dem das B G B ausgeht. Entwickeln sich neue praktische Bedürfnisse, kann man sich nicht rein positivistisch auf das Fehlen einer Regelung zurückziehen 2 0 9 . I n diesem Fall ist vielmehr der Analogieschluß nicht nur zulässig, sondern zwingend geboten 2 1 0 . Sonst würden nicht nur „einer gesunden Rechtsfortbildung Hemmnisse i n den W e g g e l e g t " 2 1 1 , sondern die obersten Gerichtshöfe verkennten ihre Aufgabe zu „schöpferischer Rechtsfindung" und damit ihren gesetzlichen Auftrag zur „Fortbildung des R e c h t s " 2 1 2 . (bb) Einigungserfordernis und Eigenrechte Als weiteres Argument gegen die Zulässigkeit von Eigentümerrechten an einem Grundstück wurde vor allem früher immer wieder § 873 Abs. 1 B G B genannt 2 1 3 . Danach ist für eine dingliche Rechtsänderung an einem Grundstück neben der Eintragung ins Grundbuch die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung, also ein sachenrechtlicher Vertrag, erforderlich, „soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt". Es sei unmöglich, m i t sich selbst einen Vertrag zu schließen 2 1 4 . Die rechtsgeschäftliche Bestellung eines dinglichen Rechtes durch den Eigentümer allein sei daher nur in v o m Gesetz besonders gestatteten Ausnahmefällen zulässig 2 1 5 . Diese Argumentation ist nicht stichhaltig 2 1 6 . Bei
richtiger
Auslegung des
§ 873 Abs. 1 B G B ergibt sich, daß das Gesetz für die Bestellung von Eigentümerrechten „ein anderes vorschreibt". Neben den ausdrücklichen anderen Bestimmungen i m B G B ergibt sich diese anderweitige Anordnung für den Ausnahmefall Bestellung von Eigentümerrechten aus Sinn und Zweck des Erfordernisses einer Einigung. V o r der Schaffung des B G B erkannten einige Partikularrechtsordnungen die einseitige Erklärung des Veräußerers bei der Bestellung von Fremdrech209 So aber von Tuhr, I I 1, 81; E. Wolf, § 12 I I I e und Roth-Stielow, Justiz 1961, 322 f. 210 Vgl. etwa Staudinger (11 ySeufert, § 873 Rdnr. 38 a; Heck, 99 und Wolff/Raiser, § 108 I 1 b a. E. (bei Fn. 7). — Von Lübtow, Schenkungen 67 f., weist darauf hin, daß logisch sowohl Analogie- als auch Umkehrschluß möglich seien. Maßgeblich sei die Interessenlage. Der Umkehrschluß sei aber mit besonderer Vorsicht anzuwenden, da sonst leicht schutzwürdige Belange schutzlos blieben. 211 So von Lübtow, Schenkungen 68. 212 Vgl. § 137 GVG und den „Soraya"-Beschluß des BVerfG vom 14. Feb. 1973, E 34, 269, 286 ff. — Die Polemik von E. Wolf (zuletzt NJW 1987, 822) gegen die dort dargelegte Auffassung geht fehl. Der Richter des Grundgesetzes ist keine bloße „Subsumtionsmaschine". 213 So Planck-Strecker, § 873 Anm. I 3 und RG, 26. Jan. 1901, Ζ 47, 202, 208 f. 214 Vgl. das RG, a. a. O. und die Motive bei Mugdan, I I I 267 = Motive, I I I 480. 215 Vgl. das RG, a. a. Ο. und Planck-Strecker, a. a. Ο. 216 Ebenso das RG, 14. Nov. 1933, Ζ 142, 231, 235 ff. und 30. März 1939, Ζ 160, 166, 179 sowie der BGH, 11. März 1964, Ζ 41, 209, 210. Vgl. auch Heck, 99 f.; Wolff/ Raiser, § 108 in Fn. 5 („Scheingrund"); Staudinger (UyPromberger, § 1030 Rdnr. 22 und Staudinger (U)-Seufert, § 873 Rdnr. 38 a.
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
62
ten neben der Eintragung für die Rechtsänderung als ausreichend an. Darin sahen die Verfasser des B G B zu Recht eine „ A n o m a l i e " , durch die der Grundsatz durchbrochen werde, „daß niemand ohne seinen W i l l e n ein Recht erwerben k a n n " 2 1 7 . Daher statuierten sie das Konsensprinzip des § 873 Abs. 1 B G B , wobei sie nur an den Normalfall der Bestellung eines Fremdrechtes dachten. Bei Eigentümerrechten entfällt der Schutzanlaß, da Erwerber und Veräußerer identisch sind, so daß niemand vor aufdrängenden Initiativen geschützt werden muß. Die Zustimmungserklärung des Erwerbers und damit das Erfordernis der Einigung sind i n diesem Fall also sinnlos und damit entbehrlich 2 1 8 . Der Zweck des § 873 Abs. 1 B G B w i r d schon durch die einseitige Belastungserklärung des Eigentümers erreicht 2 1 9 . (b) Speziell gegen den Eigentümemießbrauch (aa) Definition des Nießbrauchs als Recht an fremder Sache Es bleibt zu prüfen, ob es Gründe gibt, die gegen die Zulässigkeit der Bestellung gerade eines Nießbrauchs am eigenen Grundstück sprechen. I n diesem Zusammenhang w i r d auf das „Wesen" des Nießbrauchs verwiesen. Z u ihm gehöre es, daß er für eine fremde Person begründet werde. Die sehr eingehende rechtliche Ausgestaltung dieses Instituts durch das B G B stelle zu eindeutig auf eine fremde Person als Berechtigten ab, als daß der Eigentümer, und sei es auch bei sofortigem Eigentumswechsel, sich selbst einen Nießbrauch am eigenen Grundstück bestellen k ö n n e 2 2 0 . Dieser Argumentation ist nicht zu folgen. Sie ist letztlich begrifflich geprägt 2 2 1 , indem sie den Nießbrauch als das Recht definiert, die Nutzungen einer fremden Sache zu ziehen. Sie verläßt damit den Boden des geltenden Rechts und fällt ins gemeine Recht zurück. Dort waren alle Dienstbarkeiten als Rechte an fremder Sache definiert, so daß die Möglichkeit einer Dienstbarkeit an eigener Sache schon begrifflich ausgeschlossen w a r 2 2 2 . Dies galt auch für den Nießbrauch, der als das Recht definiert war, „eine fremde Sache i n jeder Weise zu nützen, welche ohne Eingriff i n ihre Substanz möglich i s t " 2 2 3 . Ä h n l i c h definierte das preußische A L R den Nießbrauch als „das vollständige Nutzungsrecht, oder die Befugniß, eine fremde Sache nach der A r t eines guten Hauswirths, ohne weitere Einschrän217 So die Motive bei Mugdan, I I I 88 = Motive, I I I 160. 218 So Heck, 100. 219 So das RG, 14. Nov. 1933, Ζ 142, 231, 236 f. 220 So Staudinger (11 ySpreng, § 1030 Rdnr. 3. Ebenso Eichler, 574. 221 So auch Staudinger (\2)-Promberger, § 1030 Rdnr. 23. 222 Vgl. etwa Windscheid/Kipp, I § 200 a. Α.; Dernburg, Pandekten I § 235 a. Α.; Glück, I X § 620, 6 f. und die Ausführungen Johows, der von einer solchen „beengenden präjudizierenden" Begrifflichkeit Abstand nimmt; Johow, I I 51 ff. 223 So Windscheid/Kipp, I § 203 a. A. Ähnlich Dernburg, Pandekten I § 246 a. A. und Glück, IX § 631, 163 f.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
63
kung, zu nutzen oder zu gebrauchen" 2 2 4 . I m A B G B von Österreich ist noch heute die persönliche Dienstbarkeit der Fruchtnießung das Recht, „eine fremde Sache, m i t Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen" 2 2 5 . Dies ist aber nicht der Standpunkt des B G B . Es kennt den Oberbegriff „Dienstbarkeiten", wie die Überschrift des 5. Abschnitts des 3. Buchs beweist, enthält aber weder allgemeine Bestimmungen über diese Rechte noch eine Legaldefinition der Dienstbarkeit 2 2 6 . Seine Definition des Nießbrauchs i n § 1030 enthält nicht das W o r t f r e m d 2 2 7 . I n diesem Zusammenhang sind die M o t i v e des Redaktors Johow zu § 231 seines Vorentwurfs zum Sachenrecht zu beachten. Sie belegen, daß die Weglassung des Wortes „fremd" bewußt erfolgte. Dieser Entwurf enthält i m Gegensatz zum B G B i n § 231 noch eine Definition des Begriffs „Dienstbarkeit" 2 2 8 . Johow führt aus, daß die Dienstbarkeit herkömmlich als Konsequenz des Satzes „ n e m i n i res sua servit" als Recht an fremder Sache definiert werde, so daß die Dienstbarkeit an eigener Sache begrifflich ausgeschlossen sei. Dies sei aber i n den Fällen der Belastung einer Sache zugunsten eines ihrer Miteigentümer, der Belastung eines belastenden Rechtes 2 2 9 und der Konfusion sehr bedenklich. Die Bezeichnung der Dienstbarkeiten als Rechte an fremder Sache würde i n all diesen Fällen „beengend präjudizieren". Der Entwurf enthalte sich aus diesem Grund solcher Bezeichnung 2 3 0 . Der bloße Umfang der Regelung des Nießbrauchs i m B G B ist kein gewichtiges Differenzierungskriterium gegenüber den anderen beschränkten dinglichen Rechten. Diesem Argument ist entgegenzuhalten, daß ein Eigentümernießbrauch genauso schwer oder leicht vorstellbar ist wie jedes andere dingliche Recht an eigener Sache 2 3 1 . A u c h der nebulose Begriff des „Wesens" des Nießbrauchs hilft nicht weiter. E i n B l i c k auf §§ 889 und 1063 Abs. 2 B G B erhellt, daß es dem Fortbestand nicht i m Wege steht, wenn Nießbrauch und Eigentum sich nachträglich i n einer Hand vereinigen 2 3 2 . (bb) Unübertragbarkeit des Nießbrauchs Gegen die Zulässigkeit der Bestellung des Nießbrauchs durch den Eigentümer des Grundstücks w i r d weiter eingewandt, an ihr könne der Eigentümer kein 224 225 226 227 228 229 230 231 232 Sept.
Vgl. ALR, I 21 § 22. So § 509 ABGB. So auch die Motive , ΙΠ 475 = Motive bei Mugdan, I I I 265. Ebenso Art. 745 ZGB der Schweiz. Vgl. Johow, I 54 (Wortlaut der Vorschrift). So z.B. bei der Verpfändung eines Nießbrauchs. Vgl. Johow, 1151-53. So Staudinger (12)-Promberger, § 1030 Rdnr. 23. Ebenso Staudinger (12)-Promberger, § 1030, a.a.O. und OLG Düsseldorf, 1960, NJW 1961, 561.
28.
64
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
rechtliches Interesse haben, w e i l der Nießbrauch gemäß § 1059 Satz 1 B G B unübertragbar s e i 2 3 3 . Diese Argumentation ist ebenfalls nicht stichhaltig. Das Eigentum am Grundstück ist nach §§ 873,925 B G B übertragbar und der Eigentümer kann ein Interesse daran haben, sich den Nießbrauch durch Bestellung vor der Veräußerung zu sichern 2 3 4 . Zudem kann der vorher bestellte Nießbrauch des Eigentümers, wenn von i h m noch weitere Belastungen geplant sind, einen Vorrang wahren, der i h m später als Fremdnießbraucher zugute k o m m t 2 3 5 . (2) Argumente für die Zulässigkeit E i n Argument für die Zulässigkeit des Eigentümernießbrauchs an Grundstükken w i r d aus § 903 B G B herausgelesen, wonach der Eigentümer, soweit nicht das Gesetz entgegensteht, mit der Sache nach Belieben verfahren kann. Das dadurch normierte freie Verfügungsrecht des Eigentümers soll diesem nach Weitnauer „nicht nur die reale, sondern auch die rechtliche Teilung seines Eigentumsrechts —
d.h. die Aufspaltung
i n beschränkte dingliche Rechte
ermöglichen" 2 3 6 . Die nicht näher erläuterte Argumentation Weitnauers
—
ist nicht
überzeugend. Sie beinhaltet einen Zirkelschluß. Zwar begründen die i n § 903 B G B normierten positiven Befugnisse neben der tatsächlichen Herrschaft, die etwa durch Besitz, Benutzung, Veränderung, Verbrauch oder Vernichtung ausgeübt werden k a n n 2 3 7 , auch die rechtliche Herrschaft des Eigentümers. Dieser kann das Eigentum gemäß §§ 928, 959 B G B aufgeben, nach §§ 873, 925, 929 B G B auf einen anderen übertragen oder mit einem beschränkten dinglichen Recht belasten 2 3 8 .Ob er diese Rechte auch für sich selbst als Eigentümerrechte bestellen kann, wie Weitnauer meint, oder nur für D r i t t e 2 3 9 , läßt sich indes nicht aus § 903 B G B entnehmen. Das dort normierte Eigentumsrecht ermöglicht nur eine Herrschaftsausübung „ i n den Schranken der Rechtsordnung" 2 4 0 . Ob diese, genauer das Sachenrecht des B G B , beschränkte Eigentümerrechte und insbesondere den Eigentümernießbrauch zuläßt oder verbietet, ist gerade die streitige Frage, die außerhalb des § 903 B G B , gewissermaßen als Vorfrage, zu beantworten ist und für deren Lösung § 903 B G B nichts h e r g i b t 2 4 1 . 233 So Staudinger (11 )-Seufert, § 873 Rdnr. 38 a a. E. und das OLG Düsseldorf \ a. a. O. 234 So von Lübtow, NJW 1962, 275, 276 f. und der BGH, 11. März 1964, Ζ 41, 209, 211 f. zum insoweit gleichgelagerten Fall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Ebenso Barth, DB 1987, 1164, nach dem Weg 2 den Schenker „in entscheidender Weise sicher stellt", so daß er „keinerlei Risiko" eingeht. 235 Vgl. von Lübtow, NJW 1962, 275, 277 und Barth, DB 1987, 1164. 236 Weitnauer, DNotZ 1958, 359. Ihm folgt Harder, NJW 1969, 279 und DNotZ 1970, 273. Weitnauers Hinweis in Fn. 23 auf Westermann, BBauBl 1953, 19 f. ist nicht ergiebig. Westermann geht a. a. O. auf dieses Problem nicht ein. 237 Vgl. Ρalandt-Bassenge, § 903 Anm. 2 a. 238 So etwa Planck-Strecker, § 903 Anm. 2 a, ß. 239 So ausdrücklich Strecker, a. a. O. 240 So Soergel (11 )-Baur, vor § 903 Rdnr. 6 mit Hinweis auf Art. 641 Abs. 1 des Schweizer ZGB, dessen Formulierung gelungener wirkt als der „Soweit-Satz" des § 903 BGB.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
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Für die grundsätzliche Zulässigkeit der Bestellung eines Eigentümernießbrauchs am Grundstück spricht hingegen die folgende Überlegung: Es wäre einfach inkonsequent, wollte man diesen „letzten S c h r i t t " 2 4 2 nicht gehen. Die Rechtsprechung hat unter B i l l i g u n g der überwiegenden Mehrheit i m Schrifttum die gleichfalls
im
BGB
nicht
ausdrücklich
geregelten Fälle der
Eigen-
tümergrunddienstbarkeit 2 4 3 , des Eigentümerüberbaus 2 4 4 , der beschränkten persönlichen rechts
246
Dienstbarkeit
des
Eigentümers 2 4 5
und
des
Eigentümererbbau-
dahingehend entschieden, daß jedenfalls grundsätzlich ihre Bestellung
durch den Eigentümer zulässig ist. Für den Eigentümernießbrauch kann nichts anderes gelten, er muß ebenso zulässig sein wie die anderen Eigentümerrechte am Grundstück auch. Denn er weist keine Besonderheiten auf, die eine Differenzierung zu den anderen Eigentümerrechten sachlich rechtfertigen können. (3) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist festzuhalten: Die für W e g 2 notwendige Bestellung eines Eigentümernießbrauchs ist bei Grundstücken m i t der heute ganz herrschenden Meinung grundsätzlich als zulässig anzusehen. E i n Bedürfnis für dieses Institut kann nicht geleugnet werden 2 4 7 . Es liegt nicht nur dann vor, wenn der m i t der Bestellung verfolgte Zweck auf keinem anderen W e g erreichbar i s t 2 4 8 . Vielmehr ist es ausreichend, daß m i t Hilfe der Eigentümerbestellung gewisse Erleichterungen etwa der Art, wie sie i m Zusammenhang mit dem Sicherheitsinteresse des Eigentümers angeführt wurden, erzielt werden können. (4) Besondere Voraussetzungen M i t diesem Zwischenergebnis ist die rechtliche Zulässigkeit von W e g 2 für Grundstücke schon bewiesen. Der Streit darüber, ob die Bestellung eines Nieß241 Vgl. Dippel, 29, der die Argumentation aus § 903 BGB gleichfalls ablehnt, allerdings im Zusammenhang mit der Begründung eines Inhabernießbrauchs an einem Recht. 242 So die Formulierung von Raape, JR 1951, 159. 243 Vgl. den bereits mehrfach erwähnten Beschluß des RG vom 14. Nov. 1933, Ζ 142, 231 ff. und aus der Literatur etwa MünchKomm-Falckenberg, § 1018 Rdnr. 28 m. w. N. 244 Vgl. das Urteil des RG vom 30. März 1939, Ζ 160, 166 ff. und aus der Literatur etwa MünchKomm-Säcker, § 912 Rdnr. 50 m. w. N. Säcker spricht von „Eigengrenzüberbau". 245 Vgl. das Urteil des BGH vom 11. März 1964, Ζ 41, 209 ff. und aus der Literatur MünchKomm-Joost, § 1090 Rdnr. 24 m. w. N. 246 Vgl. das Urteil des BGH vom 11. Dez. 1981, NJW 1982, 2381; den Beschluß des OLG Düsseldorf vom 16. Mai 1957, NJW 1957, 1194 f. und aus der Literatur MünchKomm-von Oefele, § 1 ErbbauVO Rdnr. 61 m. w. N. 247 Vgl. nur Staudinger (\2)-Promberger, § 1030 Rdnr. 24. Vgl. auch BGH, 11. Dez. 1981, NJW 1982, 2381 zur Zulässigkeit des Eigentümererbbaurechts und hierzu noch OLG Düsseldorf, 16. Mai 1957, NJW 1957, 1194, 1195. 248 So auch der BGH, 11. März 1964, Ζ 41, 209, 211 zur beschränkten persönlichen Dienstbarkeit.
5 Reiff
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
66
brauchs am eigenen Grundstück immer oder nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen zulässig i s t 2 4 9 , könnte daher an sich dahinstehen. Immer wenn man für die Zulässigkeit der Bestellung eines Nießbrauchs am eigenen Grundstück eine besondere Interessenlage fordert, w i r d die geplante Veräußerung des Grundstücks unter Nießbrauchs vorbehält beispielhaft genannt 2 5 0 . Veräußerungen unter Nießbrauchsvorbehalt sind geradezu das Musterbeispiel dafür, daß es Fallkonstellationen gibt, die ohne Anerkennung von — mindestens kurzfristigen — Eigenrechten nicht interessengerecht gelöst werden können, w e i l dies W e g 2 und damit die Bestellung des Eigentümernießbrauchs voraussetzt 2 5 1 . Gleichwohl soll i m folgenden i n der gebotenen Kürze auf die umstrittene Frage eingegangen werden, ob für die Zulässigkeit der Bestellung eines Nießbrauchs am eigenen Grundstück bestimmte Voraussetzungen vorliegen müssen. Das Erfordernis eines wie auch immer gearteten „besonderen Interesses des Eigentümers" ist nur unter Berücksichtigung seiner entwicklungsgeschichtlichen Bezüge zu verstehen. Von Lübtow,
der zum ersten M a l die Veräußerung unter
Nießbrauchsvorbehalt als die Bestellung eines Eigentümernießbrauchs
kon-
struierte 2 5 2 , stand noch einer nahezu geschlossenen „Ablehnungsfront" gegenüber: Die ganz herrschende Meinung verneinte a priori die Zulässigkeit des Eigentümernießbrauchs 2 5 3 . Die Geschichte juristischer Meinungskämpfe lehrt, daß i n einem solchen Fall ein uneingeschränkter Angriff, also ein Vorschlag von Lübtows,
den Eigentümernießbrauch immer und ohne jedes zusätzliche
Erfordernis als zulässig anzusehen, ohne Durchsetzungschance gewesen wäre. Diese Radikalität mußte seinen Epigonen vorbehalten bleiben. Sie ließen nicht lange auf sich warten; standen aber zunächst genauso einsam wie vorher von Lübtow 254.
Mittlerweile ist die grundsätzliche Zulässigkeit des Eigentümernieß-
brauchs absolut herrschende M e i n u n g 2 5 5 . Die Zeit ist nunmehr reif, die Frage zu stellen, ob das „besondere Interesse", das die w o h l noch herrschende 249 Vgl. dazu die verschiedenen Stellungnahmen in Fn. 163-166. 250 Vgl. etwa von Lübtow, Schenkungen 62 f. und NJW 1962, 275 ff.; RGRK-Rothe, § 1030 Rdnr. 5; Soergel (11 )-Baur, § 1030 Rdnr. 3 und Soergel (11 )-Stürner, Nachtrag § 1030 Rdnr. 3. — Vgl. auch Schwab, § 75 I I 3. — Wie hier auch Barth, DB 1987, 1164: „Ein solches Interesse wird jedoch im Fall der Veräußerung unter Nießbrauchsvorbehalt ohne Einschränkung bejaht". 251 Vgl. unten unter I V 2 und Heck, 83 f., der aus diesem Grund seinen 3. Weg des Teilungsgedankens entwickelte (79-84). Dieser ist freilich im geltenden Recht nicht möglich (vgl. oben unter I I I 1). 252 in seiner 1949 erschienenen Schrift „Schenkungen der Eltern an ihre minderjährigen Kinder und der Vorbehalt dinglicher Rechte", vgl. dort S. 61 f. und S. 88 f. 253 Vgl. Planck-Strecker, § 873 Anm. I 3 und Vorbem. 4 a vor § 1018 als Vertreter der generellen Ablehnung von nicht ausdrücklich im Gesetz genannten Eigentümerrechten; vgl. weiter die umfangreichen Nachweise auf die den Eigentümernießbrauch ablehnende ältere Rechtsprechung und Literatur oben in Fn. 160 und 161. 254 Vgl. Weitnauer, DNotZ 1958, 352 ff. und DNotZ 1964, 716 ff. sowie Harder, NJW 1969, 278 f. und DNotZ 1970, 267 ff. 255 Vgl. die Nachweise oben in Fn. 163-166.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
67
M e i n u n g 2 5 6 für die Zulässigkeit des Eigentümernießbrauchs fordert, nicht aufgegeben werden sollte. Das Vorliegen eines besonderen Interesses ist nicht erforderlich. Eine Gefahr, daß so das Grundbuch durch eine Vielzahl beschränkter dinglicher Rechte unübersichtlich wird, besteht nicht. Die Tatsache, daß jede grundbuchrechtliche Eintragung dem Antragsteller nicht unerhebliche Kosten verursacht 2 5 7 , w i r d den Eigentümer davon abhalten, willkürlich, m u t w i l l i g oder grundlos Eintragungen zu beantragen. Schließlich hat ein Eigentümer keinerlei Veranlassung, seiner ohnehin allumfassenden Befugnis weitere Einzelrechte hinzuzufügen. Anders ist es nur i n besonderen Fällen, etwa bei einer geplanten Veräußerung unter Nießbrauchsvorbehalt 2 5 8 , zumal ein „belasteter" Gegenstand schwerer veräußerlich ist als ein unbelasteter 2 5 9 . Machte man m i t der Voraussetzung „besonderes Interesse" w i r k l i c h ernst, hieße das: Der Grundbuchbeamte wäre m i t der i h m obliegenden Prüfung, ob ein solches Interesse vorliegt, überfordert 2 6 0 . D e m Eigentümer wäre es oft nahezu unmöglich, sein Interesse i n grundbuchmäßiger Form (§ 29 G B O ) nachzuweisen 2 6 1 .
Letztlich
bestünde
die
Gefahr
einer
unerträglichen
Rechtsun-
sicherheit 2 6 2 . Stellte sich etwa lange nach einer Eigentumsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt, die nach W e g 2 vollzogen wurde, heraus, daß das „besondere Interesse" bei der Bestellung des Eigentümernießbrauchs nicht vorlag, wäre das Grundbuch unrichtig, denn es fehlte an einer materiellrechtlichen Eintragungsvoraussetzung des Nießbrauchs 2 6 3 . Diese Unrichtigkeit des Grundbuchs beeinträchtigte wegen der Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs die Rechtssicherheit. Zwar ist der Nießbrauch i m Grundsatz nach § 1059 Satz 1 B G B nicht übertragbar, sein gutgläubiger Erwerb nach § 892 Abs. 1 Satz 1 B G B also i m Regelfall nicht möglich. Nach § 1059 a Satz 1 Nr. 2 B G B kann jedoch der einer juristischen Person zustehende Nießbrauch unter bestimmten Voraussetzungen von einem anderen i m Wege rechtsgeschäftlicher Sonderrechtsnachfolge erwor256
Vgl. die Nachweise oben in Fn. 163-165. 57 So der BGH, 11. März 1964, Ζ 41, 209, 211 und Harder , DNotZ 1970, 273. 2 58 So Harder, a. a. Ο. 2 59 So Harder, a. a. Ο. 260 So Haegele/ Schöner/Stöber, Rdnr. 1373. Ähnlich Staudinger ( \2)-Promberger , § 1030 Rdnr. 24. 2 61 Darauf weist Weitnauer, DNotZ 1964, 718 zu Recht hin. 2 2 * So Weitnauer, DNotZ 1964, 718. Ähnlich Staudinger (\2)-Promberger, § 1030 Rdnr. 24. — Nicht nachvollziehbar ist die — nicht weiter begründete — Auffassung von Baur, der ein Bedürfnis verlangt, aber gleichwohl die wirksame Entstehung des Eigentümerrechtes bejaht, wenn es trotz fehlenden Bedürfnisses nach ordnungsgemäßer Bewilligung des Eigentümers eingetragen wird; Soergel (11 )-Baur, § 873 Rdnr. 15 a. E. Der Sache nach verlangt Baur damit das Bedürfnis gerade nicht als materiellrechtliche Entstehungsvoraussetzung, sein Festhalten an ihm ist bloßes Lippenbekenntnis. 263 Vgl. zu diesen MünchKomm-Wacke, § 894 Rdnr. 7. Fehlen sie, ist das Grundbuch stets — bis auf den Fall gutgläubigen Erwerbs — unrichtig. 2
5*
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
68
ben werden 2 6 4 . I n diesem Fall wäre daher auch ein gutgläubiger Erwerb des bloßen Buchnießbrauchs nach § 892 Abs. 1 Satz 1 B G B m ö g l i c h 2 6 5 . Darüberhinaus ist auch beim nicht übertragbaren Nießbrauch einer natürlichen Person die Möglichkeit gutgläubigen Erwerbs i m weiteren Sinn gegeben 2 6 6 . Zahlt beispielsweise der Eigentümer an den eingetragenen (Schein-)Nießbraucher einer Buchhypothek Zinsen, ist diese Zahlung an den Nichtberechtigten dem Berechtigten, etwa dem Hypothekar der i n Wahrheit unbelasteten Hypothek, gegenüber wirksam, w e i l zugunsten des Leistenden der Inhalt des Grundbuchs nach §§ 893, 1. Alternative, 892 Abs. 1 Satz 1 B G B als richtig g i l t 2 6 7 . Der Zahlende w i r d also von seiner dinglichen Schuld frei. Die Leistung an den Nichtberechtigten hat in diesem Fall i n jeder Hinsicht die gleiche W i r k u n g wie eine Zahlung an den Berechtigten 2 6 8 . Infolgedessen erleidet der Berechtigte einen Rechtsverlust, den er durch einen Anspruch aus § 816 Abs. 2 B G B 2 6 9 gegen den eingetragenen Nichtberechtigten möglicherweise nicht kompensieren kann. (5) Ergebnis A l s Ergebnis ist daher festzuhalten: Die Bestellung eines Nießbrauchs am eigenen Grundstück ist uneingeschränkt zulässig. Weg 2 ist somit bei Vorbehaltsgeschäften, die Grundstücke betreffen, gangbar.
b) Bewegliche
Sachen
aa) Meinungsstand Bei beweglichen Sachen w i r d die für W e g 2 notwendige Eigentümernießbrauchsbestellung viel zurückhaltender beurteilt als bei Grundstücken 2 7 0 . Neben den generellen Gegnern des Eigentümernießbrauchs 2 7 1 w i r d er auch von einigen, die dieses Institut bei Grundstücken befürworten, strikt abgelehnt 2 7 2 . Andere 264 Vgl. dazu umfassend Staudinger (\2)-Promberger, § 1059 a Rdnr. 14-22 und das OLG Köln, 2. Jan. 1958, DNotZ 1958, 488 f. 265 Nach dem OLG Köln, a. a. Ο. „spricht dafür sehr viel". 266
So zu Recht Kuntze! Erti / Herrmann! Eickmann, § 53 Rdnr. 4 und Eickmann, 279. 267 Vgl. MünchKomm-Wacke, § 893 Rdnr. 2 und 4. 268 So Staudinger (12)-Gursky, § 893 Rdnr. 14. 269 Vgl. Staudinger (12)-Gursky, § 893 Rdnr. 16. 270 Vgl. MünchKomm-Petzoldt, § 1030 Rdnr. 21: Die h.M. lehnt Eigentümernießbrauch an beweglichen Sachen grundsätzlich ab. 271 Vgl. oben in Fn. 160 und 161. 272 Etwa MünchKomm-Petzoldt, § 1030 Rdnr. 21 und wohl Soergel (11 )-Baur, § 1030 Rdnr. 3. Ebenso Abraham, AcP 151 (1950/51) 377 f. Die Ablehnung von Westermann, Sachenrecht § 121 II, Erman-Ronke, § 1030 Rdnr. 6 und Ρalandt-Bassenge, § 1030 Anm. 3 erhellt sich daraus, daß sie nur von der Zulässigkeit des Immobilien-Eigentümernießbrauchs sprechen. Neuestens behauptet Müller, Rdnr. 3017, die Unzulässigkeit des Eigentümernießbrauchs an der Fahrnis. Sie ergebe sich „bereits aus dem allgemeinen
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
69
wollen ihn bei der Fahrnis nur unter engeren Voraussetzungen als bei I m m o b i l i e n zulassen 2 7 3 . N u r wenige sprechen sich für eine unterschiedslose Gleichbehandlung beider Fälle aus 2 7 4 . Neuere Rechtsprechung, die zu diesem Problem ausdrücklich Stellung nimmt, ist nicht ersichtlich 2 7 5 . bb) Kritische Analyse V o n den Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt betreffen nur wenige bewegliche Sachen. Heute wirkt der Sachverhalt, der dem Urteil des Reichsgerichts v o m 10. September 1935 zugrunde l a g 2 7 6 , also die Schenkung einer W o h nungseinrichtung unter Nießbrauchs vorbehält an die minderjährige Tochter, fast schon anachronistisch. Die praktische Relevanz der Frage der rechtlichen Zulässigkeit des Eigentümernießbrauchs ist daher bei beweglichen Sachen geringer als bei I m m o b i l i e n 2 7 7 . Die Argumente, die gegen den Eigentümernießbrauch an Grundstücken ins Feld geführt werden, dort aber nicht stichhaltig sind, können gegen den Eigentümernießbrauch an beweglichen Sachen ebenfalls nicht überzeugen. Dies gilt auch für den Einwand aus dem Konsenserfordernis des § 873 B G B 2 7 8 . A u c h nach § 1032 Satz 1 B G B ist eine Einigung, also ein dinglicher Vertrag zwischen Eigentümer und Nießbrauchserwerber zur Bestellung des Nießbrauchs an einer beweglichen Sache erforderlich. Diese Anordnung des Gesetzgebers beruht auf dem Grundsatz, niemand solle ohne seinen W i l l e n ein Recht erwerben. Sie ist wie die des § 873 B G B sinnlos und damit entbehrlich, wenn ein Eigentümernießbrauch bestellt wird: Sich selbst drängt niemand etwas auf, vor sich selbst muß man niemanden schützen. Grundsatz, daß an einer beweglichen Sache eine beschränkt dingliche Rechtsposition nicht für den Eigentümer bestellt werden kann". 273 So will Staudinger (\2)-Promberger, § 1030 Rdnr. 25 „ i m Regelfall" den FahrnisEigentümernießbrauch verneinen; Bedeutung soll er nur bei Vorbehaltsgeschäften erlangen können. RGRK-Rothe, § 1030 Rdnr. 5, ist der Auffassung, daß für den Mobiliarnießbrauch des Eigentümers „zumeist" das Erfordernis der Rechtsschutzwürdigkeit fehlt. 274 So von Lübtow, Schenkungen 61 f., 88 f. und 107 a. E. und Harder, NJW 1969, 278 f. und DNotZ 1970, 267, 273. Dessen Hinweis auf Weitnauer, DNotZ 1958, 352 ff. und 1964, 716 ff. geht fehl, da jener sich nur mit Immobiliar-Eigentümerrechten befaßt. — Unklar ist die Stellungnahme von Jauernig, § 1030 Rdnr. 3, der die ablehnende h.M. referiert, aber einräumt, daß auch für den Fahrnisnießbrauch des Eigentümers ein Bedürfnis besteht. 275 Etwa seit 1945. Zur früheren Rspr. vgl. oben in Fn. 160. 276 z 148, 321 ff. 277 Mittelbare Relevanz erlangt das Problem dadurch, daß bei Inhaberpapieren die Nießbrauchsbestellung nach § 1069 Abs. 1 BGB wie bei beweglichen Sachen durch Einigung und Übergabe erfolgt — mit der Besonderheit, daß Einräumung des Mitbesitzes genügt (§ 1081 Abs. 2 BGB). Bedenken gegen den Eigentümernießbrauch an beweglichen Sachen könnten daher auch auf den — häufigeren — Fall der Übertragung von Inhaberpapieren unter Nießbrauchsvorbehalt durchschlagen. 278 Vgl. oben bei Fn. 213 ff.
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes Eingehende Prüfung verdienen die Einwände, die sich auf sachliche Unter-
schiede zwischen dem Eigentümernießbrauch an Grundstücken und an Fahrnis gründen. (1) Publizität Nach einer Ansicht verstößt der Eigentümernießbrauch bei beweglichen Sachen gegen das Erkennbarkeitsprinzip 2 7 9 . B e i m Immobiliarnießbrauch des Eigentümers sorge die obligatorische Grundbucheintragung für die Publizität des Vorgangs 2 8 0 , bei M o b i l i e n werde er hingegen nicht offengelegt 2 8 1 . E i n Verstoß gegen das Erkennbarkeitsprinzip 2 8 2 , genauer gegen dessen Teilfunktion „Übertragungswirkung" 2 8 3 , ist nicht zu leugnen. Grundsätzlich müssen rechtsgeschäftliche Vorgänge i m Sachenrecht nach außen i n Erscheinung treten. Sachenrechtsänderungen erfordern einen Doppeltatbestand: Rechtsgeschäftliches Element und tatsächlicher, äußerlich
sichtbarer V o r g a n g 2 8 4 . Die Bestellung des
Eigentümernießbrauchs an der Fahrnis erfolgt „ i m Stillen", allein durch internen W i l l e n s a k t 2 8 5 . E i n tatsächliches, den Vorgang offenlegendes Element fehlt. Seine Entstehung ist nicht erkennbar 2 8 6 . Der Verstoß gegen den Publizitätsgrundsatz wiegt nicht schwer. Er kann die Unzulässigkeit des Eigennießbrauchs an der Fahrnis nicht begründen 2 8 7 . Das Erkennbarkeitsprinzip ist auch sonst keinesfalls immer folgerichtig durchgeführt. Schon nach dem Gesetz sind bei der Übereignung beweglicher Sachen Ausnahmen „bis zur Grenze der Unkenntlichkeit" gemacht w o r d e n 2 8 8 , die durch die präter legem zugelassene Sicherungsübereignung als Hauptanwendungsfall des § 930 B G B 2 8 9 noch verschärft werden. Daher ist nicht von der Hand zu weisen, 279 So vor allem Abraham, AcP 151 (1950/51) 378. Ihm folgt Staudinger (ll)-Spreng, § 1030 Rdnr. 3. Ähnlich RGRK-Rothe, § 1030 Rdnr. 5 („Rechtssicherheit nicht gewährleistet") und Staudinger (\2)-Promberger, § 1030 Rdnr. 25 a. A. 280 Abraham, AcP 151 (1950/51) 377; Spreng und Rothe, jeweils a. a. O. 281 Abraham, AcP 151 (1950/51) 378 und Spreng, a. a. O. 282 Auch Offenlegungsprinzip oder Publizitätsgrundsatz genannt. 283 Terminologie nach Baur, § 4 II. 284 So Baur, a. a. O. 285 Vgl. oben bei Fn. 48. 286 So der Sache nach Abraham, AcP 151 (1950/51) 378. Ihm folgt Staudinger (11)Spreng, § 1030 Rdnr. 3. Ähnlich RGRK-Rothe, § 1030 Rdnr. 5 („Rechtssicherheit nicht gewährleistet") und Staudinger (YiyPromberger, § 1030 Rdnr. 25 a. A. — A.M., aber nicht überzeugend, Lange, NJW 1955, 1342 in Fn. 52; Harder, DNotZ 1970, 270 f., sowie Dippel, 25 in Fn. 3. 287 i m Ergebnis ebenso — beschränkt auf den Fall einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt — Staudinger (12)-Promberger, § 1030 Rdnr. 25 a. E. Er meint, in diesem Fall sei wegen der Gestaltung der Besitzverhältnisse infolge der nachfolgenden Veräußerung Erkennbarkeit gegeben. — Die eigentliche Bestellung bleibt indes auch hier „unsichtbar". 288 So Westermann, Sachenrecht § 3 II. 289 Vgl. hierzu Palandt-Bassenge, § 930 Anm. 4.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
71
daß das Erkennbarkeitsprinzip mehr eine „ F i k t i o n " ist, als daß es der tatsächlichen Rechts Wirklichkeit entspricht 2 9 0 . Gerade bei der Bestellung des Fremdnießbrauchs ist der Publizitätsgrundsatz nicht streng durchgehalten, w i e §§ 1032 Satz 2, 930, 931 B G B zeigen 2 9 1 . W e n n schon beim regulären Fremdnießbrauch die Bestellung nicht offenkundig sein muß, dann kann die mangelnde Publizität beim Eigentümernießbrauch kein Argument gegen dessen rechtliche Zulässigkeit sein. Entscheidend ist vor allem, daß ein Eigentümernießbrauch an beweglichen Sachen, dessen Bestellung allein auf die „interne Willensvorstellung" des Eigentümers reduziert i s t 2 9 2 , gerade nicht die Rechtssicherheit beeinträchtigt 2 9 3 . Er erlischt bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung der Sache nach § 936 Abs. 1 B G B 2 9 4 , es sei denn, der Erwerber kannte das Recht, § 936 Abs. 2 B G B 2 9 5 . I m letzteren Fall ist die Rechtssicherheit nicht berührt 2 9 6 . U n d i m ersten Fall verhindert die Tatsache, daß das Eigentümerrecht — wie ein Fremdrecht — erlischt, daß seine Zulässigkeit zu Beeinträchtigungen des Rechtsverkehrs führt. Der Eigentümernießbrauch an der Fahrnis ist also insoweit „ungefährlich". Der Eigentümer kann ihn zwar i m Stillen konstituieren; w i r d seine Existenz aber von einem Dritten bezweifelt, muß der Eigentümer den Eigennießbrauch und damit auch die Existenz seiner Bestellungserklärung beweisen 2 9 7 . Beweisbar ist aber nur ein Bestellungsakt, der nach außen i n Erscheinung getreten und dadurch sinnlich wahrnehmbar geworden ist. (2) Rangwahrung E i n weiterer Unterschied zum Eigentümernießbrauch an Grundstücken soll darin liegen, daß i m Fahrnisrecht die Wahrung der Rangstelle keine Rolle spiele. Dies sehe man daran, daß hier das dingliche Recht bei der Vereinigung m i t dem 290 So Lange, NJW 1955, 1342 nach Fn. 52. Von Lübtow, FS Lehmann 350 in Fn. 79 nennt den Besitz als Erkennbarkeitsmittel dinglicher Rechte ein „Phantom". 291 Vgl. zum ganzen von Lübtow, Schenkungen 89 in Fn. 330 und FS Lehmann 350 in Fn. 79. Ihm folgend Harder, DNotZ 1970,271 bei Fn. 44. — Bei der Pfandrechtsbestellung ist demgegenüber der Grundsatz folgerichtig durchgeführt; § 1205 BGB schließt das Besitzkonstitut aus; vgl. etwa Palandt-Bassenge, § 1205 Anm. I b . — § 1205 Abs. 2 BGB gestattet es zwar, die Übergabe entsprechend § 931 BGB zu ersetzen, wenn der Verpfänder mittelbarer Besitzer ist. Erforderlich ist hierbei aber anders als bei § 931 oder §§ 1032 Satz 2, 931 BGB auch eine Anzeige der Verpfändung an den unmittelbaren Besitzer; MünchKomm-Damrau, § 1205 Rdnr. 1. 292 So mit Recht Staudinger (12)-Promberger, § 1030 Rdnr. 25 a. A. 293 So aber wohl RGRK-Rothe, § 1030 Rdnr. 5. 294 i m gemeinen Recht hätten gewisse im Stillen konstituierte Belastungen einer Sache bei der rechtsgeschäftlichen Übertragung derselben auf einen bezüglich der Belastung gutgläubigen Erwerber Bestand gehabt; vgl. dazu Freisen, 34 und Grunwald, 48. 295 Der Kenntnis steht nach §§ 936 Abs. 2,932 Abs. 2 BGB grob fahrlässige Unkenntnis gleich. — § 936 Abs. 1 BGB bezieht sich trotz entgegenstehendem Wortlaut auch auf Eigentümerrechte, vgl. Harder, DNotZ 1970, 271 in Fn. 42. 296 Entweder kannte der Erwerber die Belastung positiv oder sie war erkennbar und wurde von ihm grob fahrlässig nicht erkannt. 297 Vgl. hierzu Dippel, 27 zum Fall des Eigennießbrauchs an einem Recht.
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
Eigentum i n einer Person untergehe, während es bei Grundstücken nach § 889 B G B bestehen bleibe. Daraus folge die Unzulässigkeit des Nießbrauchs an eigener Fahrnis 2 9 8 . Diese Argumentation ist nicht überzeugend 2 9 9 . W i e bereits ausgeführt wurd e 3 0 0 , erlischt der Nießbrauch an einer beweglichen Sache i m Fall der Konfusion dann nicht, wenn der Eigentümer ein rechtliches Interesse an seinem Fortbestehen hat. Diese Bestandsfiktion des § 1063 Abs. 2 B G B ist der Sache nach ein Eigentümerrecht. Der materiale Gehalt dieser N o r m ist insoweit der gleiche wie der des § 889 B G B bei Grundstücksrechten 3 0 1 . (3) Zwischenergebnis Aus alldem folgt: Der Eigentümernießbrauch ist grundsätzlich bei beweglichen Sachen ebenso zulässig wie bei unbeweglichen. Bedenken, bei der Zulassung des Eigentümernießbrauchs an der Fahrnis sei der Schutz des rechtsgeschäftlichen Verkehrs nicht ausreichend gewährleistet, sind nicht gerechtfertigt. Einer rechtsmißbräuchlichen Begründung und Ausübung von Eigentümerrechten steht § 226 B G B entgegen 3 0 2 . (4) Besondere Voraussetzungen Es kann daher nur fraglich sein, ob der Eigentümernießbrauch an Fahrnis anders als der an Grundstücken nur bei Vorliegen eines besonderen Interesses zulässig i s t 3 0 3 . Hierfür könnte sprechen, daß bei der Bestellung des Nießbrauchs an eigener Fahrnis keine Notar- und Grundbucheintragungskosten entstehen, so daß das Argument entfällt, das finanzielle Opfer verhindere Mißbrauch. Zudem fehlt bei der Fahrnis ein grundbuchähnliches staatliches Register. Das heißt, daß der Nießbrauch an eigenen beweglichen Sachen auch dann keine Gefahr für die Rechtssicherheit darstellt, wenn man mit dem Erfordernis „rechtliches Interesse" ernst macht. Während bei I m m o b i l i e n infolge einer unrichtigen Eintragung durch den m i t der Prüfung dieser Voraussetzung überforderten Registerrichter Rechtsscheingefahren entstehen 3 0 4 , ist m i t dem Eigentümernießbrauch an beweglichen Sachen keine vergleichbare Gefahr verbunden, etwa wenn ein Richter i m Prozeß seine Existenz verneint, w e i l bei der Bestellung das rechtliche Interesse des Eigentümers nicht vorgelegen habe.
298 So Lange, Sachenrecht § 3 I V c. 299 So auch Harder, DNotZ 1970, 270 f. 300 Vgl. oben bei Fn. 179. 301 So Heck, 94 f. mit Beispielsfällen. — Anders liegen die Dinge in bezug auf das »rechtliche Interesse" als Zulässigkeitsvoraussetzung, vgl. sogleich unten. 302 Harder, DNotZ 1970, 273. 303 Vgl. oben nach Fn. 251. 304 Vgl. dazu oben nach Fn. 262.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
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Ein gewichtiger Anhaltspunkt für die Zulässigkeitsvoraussetzung „rechtliches Interesse" ergibt sich aus dem Gesetz. Zwar regelt es die Entstehung des Eigentümernießbrauchs weder bei Fahrnis noch bei Grundstücken, w o h l aber das „rechtlich gleichwertige P r o b l e m " 3 0 5 seines Fortbestehens beim Zusammentreffen von Nießbrauch und Eigentum i n derselben Person. Während § 889 B G B , der für den Grundstücksnießbrauch gilt, ausnahmslos anordnet, daß dieser nicht erlischt, gilt der Nießbrauch an einer beweglichen Sache nach § 1063 Abs. 2 B G B nur dann als nicht erloschen, wenn der Eigentümer ein rechtliches Interesse an seinem Fortbestehen hat. Dies legt es nahe, auch bei der Bestellung des Eigentümernießbrauchs zu differenzieren: Er ist am Grundstück immer zulässig, an der beweglichen Sache nur bei Vorliegen eines besonderen Interesses 306 . E i n solches besonderes Interesse an einem Nießbrauch an eigener Fahrnis ist i m Zusammenhang m i t Veräußerungen unter Nießbrauchsvorbehalt zu bejahen, w e i l hierdurch nicht anders als bei Immobilien der Durchgang zum Fremdrecht erleichtert w i r d 3 0 7 . So kann die Annahme eines Eigentümernießbrauchs Schwierigkeiten vermeiden, die entstehen, wenn bei einer Übereignung unter Nießbrauchsvorbehalt der Erwerber nur beschränkt geschäftsfähig i s t 3 0 8 . (5) Ergebnis Zusammenfassend ist daher festzuhalten: Die Bestellung eines Eigentümernießbrauchs an Fahrnis ist jedenfalls i m Zusammenhang mit einer Veräußerung unter Nießbrauchsvorbehalt zulässig.
c) Rechte aa) Meinungsstand Während das Problem der Zulässigkeit des für W e g 2 erforderlichen Eigennießbrauchs vor allem bei Grundstücken, aber auch bei beweglichen Sachen i n Literatur und Rechtsprechung ausführlich diskutiert wird, hat es bei Rechten nur wenig Beachtung gefunden. Soweit ersichtlich, w i r d es nur von Promberger Dippel
angesprochen 309 . Prombergers
und
Stellungnahme ist nicht ganz klar. Er
305 So Harder , DNotZ 1970, 270. 306 Die Argumentation Härders, DNotZ 1970, 272, gegen diese Differenzierung (u.a. aus der Gesetzgebungsgeschichte) ist nicht überzeugend. 307 Harder, DNotZ 1970, 271 ff. mit Hinweis auf Weitnauer, DNotZ 1958, 358 f. und 1964, 718, der sich aber nur zum Nießbrauch am eigenen Grundstück äußert. 308 Vgl. Staudinger (\2)-Promberger, § 1030 Rdnr. 25 und ausführlich unten unter I V 2 c). 309 Etwas mehr Resonanz hat nur der Sonderfall der Abtretung einer Hypothek unter Nießbrauchsvorbehalt gefunden, vgl. etwa Staudinger (12)-Promberger, § 1069 Rdnr. 7 und RGRK-Rothe, § 1069 Rdnr. 1, die den Eigennießbrauch an der Hypothek in diesem Fall für zulässig halten, also Weg 2 bejahen, und die unklare Stellungnahme von Soergel
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
meint, i m Grundsatz könne der Gläubiger einer Forderung für sich selbst keinen Nießbrauch bestellen. Andererseits verweist er für den Fall der Abtretung unter Nießbrauchsvorbehalt auf seine Ausführungen zur Zulässigkeit des Eigennießbrauchs an der Fahrnis i m Fall der Übereignung unter Nießbrauchsvorbehalt 3 1 0 . Er hält also für den Fall der Abtretung unter Nießbrauchsvorbehalt W e g 2 w o h l für zulässig 3 1 1 . Dippel sieht grundsätzlich keine Bedenken gegen die Bestellung eines Eigennießbrauchs an Rechten. Er hält jedoch ein rechtliches Interesse für erforderlich. Daran fehle es i n aller Regel, auch i m Fall einer geplanten Übertragung des Rechts unter Nießbrauchsvorbehalt. I m Gegensatz zur Lage beim Grundstücksnießbrauch zwischen Bestellung des Nießbrauchs und seiner Eintragung ins Grundbuch bestehe nämlich hier kein Sicherungsinteresse, denn der Nießbrauch an Rechten entstehe unmittelbar m i t der Bestellung 3 1 2 .
bb) Kritische Analyse (1) Generelle Einwände gegen Zulässigkeit des Inhabernießbrauchs E i n denkbarer Einwand könnte darin liegen, daß die Vorschriften über die Übertragung der Rechte, auf die § 1069 Abs. 1 B G B für die Bestellung des Rechtsnießbrauchs verweist, etwa §§ 398, 413, 1154 B G B , 15 Abs. 3 G m b H Gesetz, alle einen Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber vorsehen. Der Inhabernießbrauch entsteht demgegenüber durch einseitiges Rechtsgeschäft des Rechtsinhabers. Dies spricht indes sowenig gegen seine Zulässigkeit, wie es gegen die Zulässigkeit des Eigentümernießbrauchs spricht, daß §§ 873 und 1032 B G B für den Sachnießbrauch einen Vertrag als Bestellungsakt vorschreiben. Das Vertragserfordernis beruht hier wie dort auf dem Grundsatz, niemand solle ohne seinen W i l l e n ein Recht erwerben 3 1 3 . Sich selbst drängt niemand etwas auf, auch keinen Rechtsnießbrauch. Für den Inhabernießbrauch ist das Vorliegen eines Vertrages also sinnlos und infolgedessen entbehrlich; ausreichend ist der einseitige Bestellungsakt i n der Form, die der Vertrag zu wahren hätte. (11 )-Baur, § 1069 Rdnr. 4 a. E. — Dies erklärt sich daraus, daß das RG in einer Entscheidung zur Übertragung einer Hypothek unter Nießbrauchsvorbehalt ausdrücklich Weg 2, also die Konstruktion eines Nießbrauchs an eigenem Recht mit anschließender Abtretung der belasteten Hypothek, für unzulässig erklärt hat; RG, 27. Okt. 1919, Recht 1920, Nr. 664 (dort nur LS) = SeuffA Bd. 75 Nr. 27 (S. 47, 49), in einer anderen aber scheinbar billigte; RG, 3. Juli 1915, JW 1915, 1015 f. Möglicherweise billigte das RG in dieser früheren Entscheidung nicht Weg 2 (so aber Promberger, a. a. O.), sondern hielt zu Unrecht Weg 3, also den Gedanken einer Teilübertragung, für zulässig, vgl. dazu oben bei Fn. 136 ff. 310 Staudinger (XiyPromberger, § 1069 Rdnr. 2. 311 Vgl. Staudinger (\2)-Promberger, § 1069 Rdnr. 7, wo er Weg 2 für den Fall der Abtretung einer Hypothek unter Nießbrauchsvorbehalt ausdrücklich bejaht. 312 So Dippel, 24-30. 313 Vgl. oben bei Fn. 213 ff. zu § 873 BGB.
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III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
E i n weiterer Einwand gegen den Inhabernießbrauch bei Forderungen könnte darin zu sehen sein, daß bei ihnen das Prinzip der Konfusion g i l t 3 1 4 . Es findet jedoch nur auf den Fall der Identität von Schuldner und Gläubiger Anwendung: Die Forderung erlischt. Etwas anderes gilt, wenn Rechtsnießbrauch und belastetes Recht i n einer Person zusammentreffen. Nach §§ 1072, 1068 Abs. 2, 1063 B G B ist hier die Rechtslage dieselbe wie beim Nießbrauch an beweglichen Sachen. Falls also der Inhaber ein rechtliches Interesse am Fortbestehen des Nießbrauchs an seinem Recht hat, gilt dieser als nicht erloschen, § 1063 Abs. 2 B G B . Der Sache nach ist diese Bestandsfiktion ein Inhabernießbrauch, spricht also nicht gegen, sondern — jedenfalls bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses — für dessen Zulässigkeit 3 1 5 . (2) Objektspezifische Besonderheiten (a) Sparguthaben Der Bestellung des Inhabernießbrauchs an einem Sparguthaben fehlt jede Offenkundigkeit. Dies spricht aber nicht gegen seine Zulässigkeit. B e i m Sparguthaben ist nämlich der Fremdnießbrauch genauso „unsichtbar" wie der Inhabernießbrauch: Zur Bestellung ist ein formloser Vertrag nach §§ 1069 Abs. 1, 398 B G B ausreichend, der Fremdnießbraucher muß nicht i n den Besitz des Sparbuches gelangen. Selbst die Abtretung eines Sparguthabens ist ohne jede Publizität durch formlosen Vertrag nach § 398 B G B möglich. Verlangt das Gesetz weder bei der Bestellung eines Fremdnießbrauchs noch bei der Abtretung Publizität, kann fehlende Publizität auch nicht gegen die Zulässigkeit eines Inhabernießbrauchs sprechen 3 1 6 . Der
Inhabernießbrauch
an einem
Sparguthaben
ist
also
grundsätzlich
zulässig 3 1 7 . Fraglich ist nur, ob wie beim Eigentümernießbrauch an Fahrnis ein berechtigtes Interesse des Gläubigers an seiner Bestellung zu verlangen ist. Dies ist aus den dort genannten G r ü n d e n 3 1 8 zu bejahen 3 1 9 . Insbesondere liegt wie bei beweglichen Sachen die v o m Gesetzgeber angelegte Differenzierung zum Grundstücksnießbrauch auch hier vor. Nach § 1068 Abs. 2 B G B ist die Regel des § 1063 Abs. 2 B G B anzuwenden. Der Nießbrauch am Sparguthaben erlischt i m Fall des Zusammentreffens m i t der Gläubigerstellung i n einer Person also nur
314 Vgl. hierzu Dippel, 24. 315 i m Ergebnis wie hier Dippel, 24. 316 So zu Recht auch Dippel, 25 f. Vgl. auch Baur, § 4 I I 1: Im Schuldrecht (§ 398 BGB) ist keine Publizität erforderlich. 317 Dippel, 27 (allgemein zum Nießbrauch an Rechten) und wohl Staudinger (12)Promberger, § 1069 Rdnr. 2 (für eine Abtretung unter Nießbrauchs vorbehält). 318 Vgl. oben bei Fn. 303 ff. 319 So wohl auch Staudinger (\2)-Promberger, § 1069 Rdnr. 2 und 7. Ebenso Dippel, 27 ff.
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
76
dann nicht, wenn der Gläubiger ein rechtliches Interesse an seinem Fortbestehen hat320. E i n solches rechtliches Interesse liegt bei einer Abtretung des Sparguthabens unter Nießbrauchsvorbehalt vor. Es w i r d durch die Erleichterung des Durchgangs zum schon geplanten Fremdrecht begründet 3 2 1 . Dippel, der es beim Inhabernießbrauch für fast nie gegeben hält, w e i l i m Gegensatz zum Immobiliarnießbrauch andere Wege gleichfalls sicher seien 3 2 2 , versteht diesen Begriff zu eng. „Rechtliches Interesse" bedeutet nicht, daß der verfolgte Zweck auf keinem anderen W e g erreicht werden darf; ausreichend ist ein praktisches, wirtschaftliches oder ideelles Bedürfnis 3 2 3 . (b) Hypothek Bei der Hypothek ist zwischen Buch- und Briefhypothek zu unterscheiden. Für die Buchhypothek
gilt in bezug auf die Zulässigkeit des Inhabernießbrauchs
das gleiche wie für den Eigentümemießbrauch am Grundstück. Die Publizität w i r d genau wie dort durch die erforderliche Eintragung ins Grundbuch gewahrt. A u f das Erfordernis eines rechtlichen Bedürfnisses kann aus den gleichen Gründen wie dort verzichtet werden. I m übrigen wäre es bei der Abtretung unter Nießbrauchs vorbehält jedenfalls zu bejahen 3 2 4 . Schwieriger liegen die Dinge bei der Briefhypothek.
Bei ihr w i r d der Nieß-
brauch i m Regelfall nicht ins Grundbuch eingetragen, seiner Bestellung fehlt also die Offenkundigkeit. Da auch die Briefübergabe unterbleibt, liegt eine Situation vor, die der beim Eigentümernießbrauch an beweglichen Sachen vergleichbar ist. Hier wie dort tritt die Bestellung des Eigennießbrauchs nicht nach außen i n Erscheinung. B e i m Eigentümernießbrauch an beweglichen Sachen ist entscheidend, daß dessen mangelnde Offenkundigkeit für die Rechtssicherheit unschädlich ist, w e i l er — nicht offen gelegt — bei einer rechtsgeschäftlichen Übertragung der Sache nach § 936 Abs. 1 Satz 1 B G B erlischt. B e i m Inhabernießbrauch an der Briefhypothek fehlt eine entsprechende Norm. W i r d die Hypothek nach §§ 398, 1154 Abs. 1 B G B übertragen, bleibt er an ihr haften. Er geht auch zugunsten des gutgläubigen Erwerbers nicht unter. Nach §§ 892, 893 B G B kann kein lastenfreier Erwerb eintreten, w e i l der Inhabernießbrauch an der Briefhypothek nicht ins Grundbuch eingetragen werden muß. U n d § 1155 B G B k o m m t deshalb nicht i n Betracht, w e i l diese N o r m nur eine personenbezogene Erweiterung des Gutglaubensschutzes des Grundbuches enthält; der rechtsbezogene 320 Anders § 889 BGB für den Nießbrauch an Grundstücken. Er erlischt im Fall der Konsolidation nie. 321 Vgl. dazu schon oben bei Fn. 307. 322 Dippel, 27 f. 323 Vgl. BGH, 11. März 1964, Ζ 41,209,211 zur beschränkten persönlichen Dienstbarkeit des Eigentümers. 324 So auch ausdrücklich Staudinger (12)-Promberger, § 1069 Rdnr. 7.
III. Zulässigkeit der drei Vollzugswege
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Schutz des Erwerbers vor Einreden oder vor Belastungen der Hypothek w i r d nur von §§ 892 f. B G B unmittelbar geregelt 3 2 5 . Die mangelhafte Publizität des Inhabernießbrauchs an der Briefhypothek könnte daher seine Unzulässigkeit begründen, w e i l sie Gefahren für die Rechtssicherheit hervorruft und die v o m Gesetzgeber g e w o l l t e 3 2 6 Verkehrsfähigkeit beeinträchtigt. Diese Argumentation griffe aber zu kurz. Die negativen Wirkungen sind keine spezifischen Folgen des Inhabernießbrauchs, sondern gelten auch beim Fremdnießbrauch, der bei der Abtretung der Hypothek ebenfalls nicht zugunsten des gutgläubigen Erwerbers untergeht. Die Gefahr für die Rechtssicherheit und die Verkehrsfähigkeit der Briefhypothek sind m i t h i n Folgen einer Gesetzeslücke 3 2 7 , die für den Fremd- wie den Inhabernießbrauch der Briefhypothek gleichermaßen gilt. Sie kann also die Zulässigkeit des Inhabernießbrauchs nicht i n Frage stellen. Der Inhabernießbrauch an der Briefhypothek ist also grundsätzlich zulässig. Seine Zulässigkeit ist aber — aus den gleichen Gründen wie beim Sparguthaben — an das Erfordernis des rechtlichen Interesses des Hypothekars an der Eigenrechtsbestellung zu binden. E i n solches ist jedoch zu bejahen, wenn der Hypothekar seine Hypothek unter Nießbrauchs vorbehält abtreten w i l l 3 2 8 . (c) A k t i e n Für den Eigennießbrauch an Inhaberaktien gilt das gleiche wie für den Eigentümernießbrauch an beweglichen Sachen. Er ist grundsätzlich zulässig 3 2 9 . W i e dort ist als Zulässigkeitsvoraussetzung ein rechtliches Interesse des Aktionärs an der Eigenrechtsbestellung zu fordern. Es liegt bei einer geplanten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt vor. (d) G m b H - A n t e i l Der Inhabernießbrauch am G m b H - A n t e i l ist zu beurteilen wie der am Sparguthaben. Zwar ist die Bestellung dort formfrei, während sie hier der notariellen 325 Vgl. hierzu MünchKomm-Eickmann, § 1155 Rdnr. 21 \ MünchKomm-Wacke, § 892 Rdnr. 3 und 10 und Staudinger (12)-Gursky, § 892 Rdnr. 181. 326 Vgl. dazu Baur, § 36 I V 2. 327 Die Beantwortung der Frage, ob und gegebenenfalls wie diese Gesetzeslücke zu schließen ist, sprengte den Rahmen dieser Arbeit. Vgl. dazu etwa Staudinger (12)Scherübl, § 1155 Rdnr. 19, der u.a. den Vorschlag macht, § 936 BGB analog anzuwenden. 328 Ebenso Staudinger (\2)-Promberger, § 1069 Rdnr. 7 und RGRK-Rothe, § 1069 Rdnr. 1. Unklar Soergel (11 )-Baur, § 1069 Rdnr. 4 a. E. 329 Α. M. Scharff, 14 in Fn. 36. Sein Hinweis auf Dippel, 24 ff. ist unzutreffend. Dippel lehnt Weg 2, also die Konstruktion eines Vorbehaltsgeschäftes über den Inhabernießbrauch, nur für OHG-Anteile ab und nur, weil es an einem rechtlichen Interesse des Inhabers im Regelfall fehle. Demgegenüber läßt er bei beweglichen Sachen — und ihnen stehen Inhaberaktien am nächsten, vgl. auch den Wortlaut des § 935 Abs. 2 BGB — für diese Konstruktion große Sympathien erkennen (25 in Fn. 3).
78
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
Beurkundung bedarf. Die Form sichert jedoch nur den Beweis ihrer Existenz; eine Übergabe des Anteilsscheins, der nur eine Beweisurkunde ist, ist i n der Regel nicht erforderlich 3 3 0 . Mangelnde Publizität kann indes schon deshalb nicht gegen die Zulässigkeit des Inhabernießbrauchs sprechen, w e i l das Gesetz für Fremdnießbrauchsbestellung oder Abtretung auch nicht mehr Offenkundigkeit verlangt. Voraussetzung des Inhabernießbrauchs am Geschäftsanteil der G m b H ist, daß der Gesellschafter ein rechtliches Interesse an der Bestellung des Eigenrechtes hat. Es ist bei einer Abtretung unter Nießbrauchsvorbehalt zu bejahen.
(e) Anteil an einer Personengesellschaft B e i m Nießbrauch am A n t e i l an einer Personengesellschaft ist zu differenzieren: Folgt man der herrschenden Lehre, gibt es keinen echten Nießbrauch am Gesellschaftsanteil. Infolgedessen ist auch die Bestellung eines Inhabernießbrauchs nicht m ö g l i c h 3 3 1 . Folgt man der Gegenauffassung, nach der es am Personengesellschaftsanteil einen Nießbrauch i m eigentlichen Sinn gibt, ist auch ein Inhabernießbrauch denkbar. Er ist grundsätzlich zulässig. Bedenken aus der fehlenden Publizität schlagen nicht durch, w e i l das Gesetz auch beim Fremdnießbrauch keine Offenkundigkeit verlangt. Zulässigkeitsvoraussetzung ist, daß der Gesellschafter an seiner Bestellung ein rechtliches Interesse h a t 3 3 2 . Es ist i m Zusammenhang mit einer Übertragung unter Nießbrauchs vorbehält regelmäßig zu bejahen 3 3 3 . (f) Unternehmen B e i m Nießbrauch am eigenen Unternehmen ergeben sich keine besonderen Probleme. Die Problematik des Eigennießbrauchs liegt i n der Zulässigkeit seiner Bestellung. Da nach dem Spezialitätsgrundsatz die Bestellung des Unternehmensnießbrauchs nur derart erfolgen kann, daß an allen zum Unternehmen gehörenden Sachen und Rechten ein Nießbrauch bestellt wird, ist die Bestellung des Unternehmensnießbrauchs unbedenklich zulässig, wenn die Einzelbestellungen zulässig sind. E i n besonderes Interesse des Unternehmensinhabers ist Voraussetzung, 330 Vgl. Soergel (11 )-Baur, § 1068 Rdnr. 8. Eine Ausnahme liegt vor, wenn der Gesellschaftsvertrag die Anteilsscheinübergabe zur Wirksamkeitsvoraussetzung macht, vgl. Petzoldt, GmbHR 1987, 387. — Zu beachten ist aber § 16 GmbH-Gesetz, wonach der GmbH gegenüber nur der als Erwerber gilt, dessen Erwerb durch Nachweis der Abtretung bei ihr angemeldet ist. Diese Vorschrift gilt auch für die Nießbrauchsbestellung; Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 84; MünchKommPetzoldt, § 1069 Rdnr. 39. 331 Der oben bei Fn. 63 vorgeschlagene Ersatz für Weg 2 besteht aus einer Reihe von Rechtsgeschäften, die jedes für sich unbedenklich zulässig sind. Die „Übertragung des Stammrechts" ist also zulässig. 332 Ebenso Dippel, 27 f. 333 Α. M. Dippel, 28. Er faßt den Begriff des rechtlichen Interesses aber zu eng, vgl. oben bei Fn. 322.
IV. Eigennießbrauchsbestellung als typischer Vollzugs weg
79
falls zum Unternehmen Rechte gehören, bei denen dieses Erfordernis zu bejahen ist. Es liegt vor, wenn der Unternehmensinhaber sein Unternehmen unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen w i l l , etwa i m W e g vorweggenommener Erbfolge auf seinen „Nachfolgersohn" 3 3 4 . d) Ergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Bestellung eines Nießbrauchs an eigener Sache oder eigenem Recht ist jedenfalls i m Zusammenhang m i t einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt zulässig. W e g 2 ist also bei Vorbehaltsgeschäften ausnahmslos eine zulässige Konstruktion.
3. Weg 1 Gegen die Zulässigkeit von W e g 1 bestehen keine Bedenken. Der V o l l z u g einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt durch vertragliche Bestellung des Nießbrauchs nach Wirksamkeit der Übertragung ist unproblematisch. Bedenken gegen die unmittelbar aus dem Gesetz folgende Konstruktion werden nicht erhoben.
I V . Eigennießbrauchsbestellung als typischer Vollzugsweg Die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt kann also auf zwei verschiedenen Wegen vollzogen werden. Zulässig ist W e g 1, der zwei sachenrechtliche Verträge erfordert. Der Erwerber ist hierbei mindestens für eine logische Sekunde Eigentümer der lastenfreien Sache oder Inhaber des unbelasteten Rechtes. Zulässig ist auch W e g 2, der einen sachenrechtlichen Vertrag und zusätzlich ein einseitiges sachenrechtliches Rechtsgeschäft umfaßt. Der Erwerber hat hier zu keinem Zeitpunkt lastenfreies Eigentum oder ein unbelastetes Recht inne. Die Zulässigkeit von W e g 1 und W e g 2 bedeutet noch nicht, daß beide rechtstechnischen Arten, ein Vorbehaltsgeschäft zu vollziehen, „gleichberechtigt" wären. Es ist vielmehr zu untersuchen, ob einer von beiden der „typische" Vollzugsweg eines Vorbehaltsgeschäftes ist. I n der Praxis gibt es nämlich häufig Fälle, i n denen die Parteien eines Vorbehaltsgeschäfts die von ihnen gewünschte Vollzugsart nicht klar bestimmen 3 3 5 . Der Rechtsanwender, der ihre mehrdeutigen Erklärungen auszulegen hat, muß dann entscheiden, welcher Vollzugsweg „ i m Z w e i f e l " gewollt i s t 3 3 6 . E i n maßgebliches Kriterium hierfür ist, welcher W e g 334 Vgl. hierzu Sudhoff, DB 1961, 1573 ff.; 1968, 648 ff. und 1971, 225 ff. 335 So im Fall, der dem Beschluß des BayObLG vom 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff. zugrunde lag. 336 So auch das BayObLG, a. a. Ο.
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
für die Parteien vorteilhafter ist. Bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt ist dabei insbesondere das berechtigte Schutzinteresse des Schenkers zu berücksichtigen. Er darf unter keinen Umständen Gefahr laufen, sein Eigentum oder sein Recht zu verlieren, ohne daß sein Nießbrauch an bester Rangstelle entsteht. Die Beantwortung der Frage nach der typischen und daher i m Zweifel gewollten Konstruktion fällt klar zugunsten von W e g 2 aus 3 3 7 . Die Bestellung eines Eigennießbrauchs und anschließende Übertragung des belasteten Gegenstandes ist der Weg, eine Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt zu vollziehen. Darauf deutet schon der rechtsgeschichtliche Befund hin, der zeigt, daß W e g 2 ähnliche Vorstellungen seit 2000 Jahren vorherrschten 3 3 8 . Für das geltende Recht ist entscheidend, daß eine Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt mittels dieses Vollzugsweges i m Vergleich m i t einer nach W e g 1 vollzogenen Übertragung sich nur vorteilhaft auswirkt: W e g 2 ist bei Vorbehaltsgeschäften nicht nur ein „leichterer Durchgangsweg zum geplanten Fremdrecht" als W e g 1 3 3 9 , sondern auch ein sichererer. E i n Vergleich der beiden Lösungswege hinsichtlich der relevanten Gesichtspunkte w i r d ergeben, daß nur W e g 2 dem i m schuldrechtlichen Vertrag geäußerten Parteiwillen des „Vorbehaltens" entspricht, während W e g 1 ihn ohne Not ignoriert. Ebenso w i r d festzustellen sein, daß W e g 1 den berechtigten (Schutz-)Interessen des Veräußerers nicht ausreichend Rechnung trägt, während W e g 2 insoweit keine Wünsche offenläßt.
1. Übereinstimmung mit Partei willen des „Vorbehaltens" Vergleicht man bei beiden Wegen den Grad der Übereinstimmung des jeweiligen sachenrechtlichen Vollzugs m i t dem i m schuldrechtlichen Vertrag geäußerten Parteiwillen des „Vorbehaltens" 3 4 0 , so ist festzustellen, daß nur W e g 2 diesem W i l l e n entspricht. W i r d der schuldrechtliche Vertrag mittels W e g 1 vollzogen, bestellt der Erwerber — nachdem er zumindest eine juristische Sekunde eine lastenfreie Rechtsstellung innehatte — dem Veräußerer den Nießbrauch. Der Veräußerer erwirbt den Nießbrauch derivativ v o m Erwerber. Er hat sich also nichts vorbehalten. Anders liegen die Dinge bei W e g 2. Bei dieser Konstruktion behält der Veräußerer die Stellung eines Nießbrauchers an seiner ehemaligen Sache oder seinem ehemaligen Recht, nachdem er sie sich selbst geschaffen hat. 337 Im Ergebnis ebenso das BayObLG, wenn es a. a. Ο. ausführt, „die Belastung des aufgelassenen Grundstücks mit dem Nießbrauch durch die Beteiligten zu 1 (= die Veräußerer) selbst biete diesen die beste Gewähr, daß das Grundstück nur mit dieser Belastung in das Eigentum der Beteiligten zu 2 (= die Erwerberin) übergeht" (Klammerzusätze vom Verf.). 338 Vgl. oben unter II. 33 9 So Weitnauer, DNotZ 1958, 358. 340 Vgl. die Formulierungen, die in den Sachverhalten veröffentlichter Entscheidungen mitgeteilt werden, RG, 10. Sept. 1935, Ζ 148, 321 und BayObLG, 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff.
IV. Eigennießbrauchsbestellung als typischer Vollzugsweg
81
Die Sache oder das Recht gehen belastet m i t dem Nießbrauch des Veräußerers auf den Erwerber über. N u r bei dieser A r t des Vollzugs der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt kann man also davon sprechen, daß der Veräußerer etwas zurückbehalten hat, beziehungsweise daß er etwas nur m i t Vorbehalt übertragen hat. 2. Interessengerechte Ergebnisse Ein weiteres, gewichtiges Argument für die Überlegenheit von W e g 2 über W e g 1 ist, daß nur diese Konstruktion den berechtigten Interessen des Veräußerers entspricht. a) Schutzinteressen
des Ver äußer er s
Der Veräußerer hat ein — oftmals vitales 3 4 1 — Interesse daran, davor geschützt zu sein, daß sein Nießbrauch gar nicht entsteht oder i h m ein anderes, v o m Erwerber herrührendes, beschränktes dingliches Recht, etwa ein Pfandrecht, i m Range vorgeht. Diesem Schutzinteresse des Veräußerers w i r d nur W e g 2 v o l l gerecht; nur diese Konstruktion gibt die Gewähr dafür, daß er keine empfindlichen Nachteile erleidet 3 4 2 . aa) Grundstücke Soll ein Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt übereignet werden, kann der Veräußerer sich bei W e g 1 wegen § 925 Abs. 2 B G B vor einem Eigentumswechsel ohne Nießbrauchsbestellung nicht durch eine Auflassung unter der auflösenden Bedingung sichern, daß i h m der Erwerber keinen Nießbrauch daran bestellt 3 4 3 . Der Schutz des § 161 B G B bleibt i h m also versagt. Der Erwerber w i r d allerdings nur selten die Möglichkeit haben, das Grundstück an einen Dritten zu übertragen, bevor der Nießbrauch des Veräußerers entsteht, 341 Besonders dann, wenn das unter Nießbrauchsvorbehalt übertragene Objekt die Existenzgrundlage des Veräußerers darstellt, etwa in der Landwirtschaft der Hof oder im gewerblichen Bereich das Unternehmen. Vgl. zum einen W. Meyer, 114 f., zum anderen das Urteil des OGHBrZ vom 18. Nov. 1948, Ζ 1, 258 ff. 342 Ähnlich auch der BGH zum vergleichbaren Fall der Zulässigkeit der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit für den Eigentümer; 11. März 1964, Ζ 41, 211: Berechtigtes Interesse des Eigentümers, die Zurückbehaltung des Rechts bei der Veräußerung auf alle Fälle zu sichern (Hervorhebung vom Verf.). — Ausdrücklich wie hier — für den Fall der Schenkung eines Grundstücks unter Nießbrauchs vorbehält — das BayObLG, 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff., wenn es ausführt, daß Weg 2 „die beste Gewähr bietet, daß das Grundstück nur mit dieser Belastung in das Eigentum" des Erwerbers wechselt, während Weg 1 „eine solche Gewähr" nicht geben könne. — Ähnlich Barth, DB 1987, 1164. 343 Darauf weist Harder, NJW 1969, 279 und DNotZ 1970, 274 mit Recht hin.
6 Reiff
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
82
da § 16 Abs. 2 G B O dem einen recht zuverlässigen Riegel vorschiebt 3 4 4 . Danach kann der Antragsteller mehrerer Eintragungen nämlich bestimmen, daß die eine Eintragung nicht ohne die andere vorgenommen werden soll. Diese Bestimmung bedarf keiner Form und kann auch stillschweigend erfolgen 3 4 5 . Es ist also ausreichend, wenn sich dieser Vorbehalt aus den Umständen ergibt. Eine solche stillschweigende Bestimmung liegt insbesondere vor, wenn zwischen den Anträgen ein innerer Zusammenhang rechtlicher oder wirtschaftlicher A r t besteht, so daß ihr gemeinsamer V o l l z u g als von den Parteien gewollt angesehen werden m u ß 3 4 6 . E i n solcher Zusammenhang liegt regelmäßig vor, wenn m i t der Eintragung der Auflassung gleichzeitig Eintragungen zugunsten des Veräußerers beantragt werden, also etwa ein Nießbrauch beim V o l l z u g einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 1 3 4 7 . Bevor das Grundbuchamt i m Fall einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt, die nach W e g 1 vollzogen wird, die Auflassung einträgt, ist es also nach § 16 Abs. 2 G B O verpflichtet, zu prüfen, ob es auch dem Antrag auf Eintragung des Nießbrauchs entsprechen kann. Es w i r d daher auch die Auflassung nur eintragen, wenn es diese Frage bejaht, anderenfalls w i r d es beide Anträge zurückweisen 3 4 8 . Dieser Schutz des § 16 Abs. 2 G B O für den Veräußerer ist indes nicht lückenlos 3 4 9 .
§ 16 Abs. 2
GBO
ist
nach
allgemeiner
Meinung
nur
eine
Ordnungsvorschrift 3 5 0 . Das hat zur Folge, daß i m Fall der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt die Eintragung des Eigentumsübergangs wirksam ist, auch wenn das Grundbuchamt entgegen § 16 Abs. 2 G B O nur den Antrag auf Eintragung des Nießbrauchs zurückweist 3 5 1 . Das Grundbuch w i r d durch den Verstoß gegen § 16 G B O auch nicht u n r i c h t i g 3 5 2 . Demgegenüber bietet W e g 2 absoluten 344 Insoweit ist die Kritik von Haegele, Rpfleger 1969,267 an Harder, a. a. Ο. berechtigt, dem aber das Verdienst zukommt, auf die Gefahr eines solchen Vorgehens hingewiesen zu haben. — Vgl. hierzu auch schon von Lübtow, Schenkungen 105 Fn. 378, der sowohl § 925 Abs. 2 BGB als auch § 16 Abs. 2 GBO sieht, und den Beschluß des BayObLG, a. a. O., das auf den nicht lückenlosen Schutz durch § 16 Abs. 2 GBO hinweist. 345 So die ganz h.M., vgl. nur Haegele/Schöner/Stöber, Rdnr. 92 m. w. N. 346 Vgl. OLG Hamm, 22. Mai 1973, DNotZ 1973, 615 m. w. N. 347 Vgl. hierzu aus der Rspr. die Beschlüsse des KG vom 30. März 1922, JFG 1, 335, 337; des OLG Hamm, a. a. Ο. und des BayObLG vom 20. Mai 1976, Rpfleger 1976, 302, 303 und aus der Literatur Kuntze/ Erti / Herrmann! Eickmann, § 16 Rdnr. 17 sowie MeikeUImhof! Riedel, § 16 Rdnr. 14. 348 So Horber ! Demharter § 16 Anm. 5 c. Möglich ist auch, daß das GB A eine Zwischenverfügung erläßt mit dem Hinweis, daß wegen des Antragsverbundes zur Zeit auch dem anderen Antrag nicht stattgegeben werden kann; Haegele!Schöner!Stöber, Rdnr. 92 a. E. 349 Α. M. wohl Haegele, Rpfleger 1969, 267. 350 MeikeUImhof!Riedel, § 16 Rdnr. 17. 351 Ganz h.M., vgl. nur Horber/Demharter, § 16 Anm. 5 c a. E.; Haegele!Schöner! Stöber, Rdnr. 92 a. E. und MeikeUImhof/Riedel, § 16 Rdnr. 17. 352 Haegele/Schöner/Stöber und MeikeUImhof/Riedel, jeweils a. a. O. — Das hat zur Folge, daß der Erwerber zunächst Eigentümer eines unbelasteten Grundstücks gewor-
IV. Eigennießbrauchsbestellung als typischer Vollzugsweg
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Schutz. Da sich der Veräußerer zunächst selbst einen Nießbrauch bestellt und gegebenenfalls erst nach dessen Eintragung die Eintragung der Auflassung beantragen wird, ist es denknotwendig ausgeschlossen, daß er das Eigentum an seinem Grundstück an den Erwerber verliert, ohne daß sein Nießbrauch zur Entstehung gelangt. W e g 2 ist W e g 1 aber nicht nur überlegen, soweit es gilt, für den Veräußerer der Gefahr vorzubeugen, das Grundeigentum zu verlieren, ohne daß der v o m Erwerber zu bestellende Nießbrauch entsteht. Seine Überlegenheit zeigt sich vielmehr auch dann, wenn es darum geht, welcher Vollzugsweg den Veräußerer besser davor schützt, daß seinem Nießbrauch andere, v o m Erwerber bestellte, beschränkte dingliche Rechte am übereigneten Grundstück i m Range vorgehen. A u c h insoweit bietet W e g 2 absoluten Schutz. Der Veräußerer kann zunächst die Nießbrauchseintragung bewilligen und erst nach dessen Eintragung die A u f lassung erklären und ihre Eintragung beantragen. I n diesem Fall kann die Eigentumsumschreibung auf den Erwerber und die wegen § 39 G B O erst danach möglichen Eintragungen sonstiger v o m Erwerber herrührender, beschränkter dinglicher Rechte erst nach Entstehen des Nießbrauchs vorgenommen werden 3 5 3 . Nach § 879 Abs. 1 B G B hat dann der Nießbrauch einen besseren Rang als alle v o m Erwerber herrührenden Rechte am übereigneten Grundstück. Das hat etwa zur Folge, daß bei einer Beschlagnahme des Grundstücks durch einen Gläubiger des Erwerbers der Nießbrauch des Veräußerers nach §§ 4 4 , 5 2 Z V G als bestehenbleibendes Recht von Amts wegen i n das geringste Gebot aufzunehmen ist und auch nach dem Zuschlagsbeschluß unverändert bestehen b l e i b t 3 5 4 . Allerdings gibt es auch bei W e g 1 vielfache Sicherungsmöglichkeiten 3 5 5 , die die Gefahr, daß andere, gleichfalls v o m Erwerber herrührende, beschränkte dingliche Rechte dem Nießbrauch des Veräußerers i m Range vorgehen, sehr unwahrscheinlich werden lassen. Geschützt w i r d der Veräußerer durch §§ 17, 45 G B O und § 879 B G B . Nach § 17 G B O darf von mehreren Anträgen, die dasselbe Recht betreffen, der später gestellte nicht vor dem früher gestellten durch Eintragung erledigt werden. Macht also der Veräußerer von seinem Antragsrecht nach § 13 Abs. 2 G B O Gebrauch, was schon deshalb ratsam ist, w e i l er so verhindert, daß der Erwerber durch Zurücknahme nur des Antrags auf Eintragung des Nieß-
den ist, und der Veräußerer weder einen Anspruch aus § 894 BGB hat, noch mit Aussicht auf Erfolg Beschwerde nach § 71 GBO einlegen kann. 353 Ebenso Barth, DB 1987, 1164. 354 Vgl. hierzu Staudinger (\2)-Promberger, Vorbem. zu §§ 1030 ff. Rdnr. 64 und MünchKomm-Petzoldt, vor § 1030 Rdnr. 34. 355 Die Möglichkeit, sich mittels eines Rangvorbehaltes nach § 881 BGB zu sichern, hat der Veräußerer nicht. Diese Möglichkeit hat der Eigentümer eines Grundstücks nur bei einer Belastung des Grundstücks, nicht bei der Übereignung. Im Gegenteil gehen nach § 881 Abs. 3 BGB früher vorbehaltene Befugnisse auf den Erwerber über; vgl. zu § 881 BGB und den Vorteilen, die ein Eigentümerrecht gegenüber dem Rangvorbehalt dieser Vorschrift bietet, von Lübtow, NJW 1962, 277.
6*
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
brauchs die isolierte Eintragung des Eigentumswechsels erreichen k a n n 3 5 6 , darf kein danach v o m Erwerber beantragtes Recht vor dem Nießbrauch eingetragen werden, so daß nach § 879 B G B i m Regelfall der Nießbrauch den besten Rang hat. § 17 G B O ist aber nur eine Ordnungsvorschrift, so daß bei einem Verstoß die Eintragung wirksam und das Grundbuch richtig i s t 3 5 7 . Zudem besteht die Gefahr, daß der Erwerber schon kurz vor den Anträgen auf Eigentumsumschreibung und Nießbrauchseintragung — noch als Nichtberechtigter und nicht Eingetragener — ein belastendes Recht, etwa eine Grundschuld, bewilligt. Hier kann zwar die Grundschuld trotz § 17 G B O nicht vor dem Eigentums Wechsel eingetragen werden, da § 39 G B O entgegenstünde 3 5 8 , w o h l aber vor dem Nießbrauch. Nach § 17 G B O müßte dies sogar so sein, w e i l der Antrag auf Eintragung der Grundschuld früher gestellt wurde. Allerdings läge i n einem solchen Fall nach w o h l zutreffender Ansicht eine Ausnahme zu § 17 G B O vor, denn die Eintragung der Auflassung, die der Grundschuldeintragung nach § 39 G B O zeitlich vorgehen muß, steht, wie ausgeführt, m i t dem Antrag auf Eintragung des Nießbrauchs zugunsten des Veräußerers unter einem Vorbehalt i m Sinn des § 16 Abs. 2 G B O . I n einem solche Fall sind alle durch § 16 Abs. 2 G B O verbundenen Anträge vor dem früheren zu erledigen 3 5 9 . Zudem ist bei Veräußerungen unter Nießbrauchsvorbehalt w o h l von einer stillschweigenden Rangbestimmung i m Sinn von § 45 Abs. 3 G B O als Inhalt der Eintragungsbewilligungen auszugehen. Danach geht der W i l l e der Beteiligten dahin, daß die Eintragungen Z u g um Z u g vorgenommen werden. Das bedeutet, daß der dem Veräußerer v o m Erwerber bestellte Nießbrauch die „bereiteste" Rangstelle und damit einen besseren Rang erhalten soll, als alle anderen v o m Erwerber für Dritte bestellte Rechte, mögen diese auch wie die Grundschuld bereits früher bewilligt und beantragt worden sein 3 6 0 . Diese Schlußfolgerungen aus §§ 16 Abs. 2 und 45 Abs. 3 G B O sind aber sehr bestritten 3 6 1 . Zudem hilft eine stillschweigende Rangbestimmung nicht weiter, 356
Vgl. Haegele, Rpfleger 1969, 267. — Zudem kann der frühzeitig gestellte eigene Antrag den Veräußerer davor schützen, daß der Eigentumserwerber vor der Eintragung des vorbehaltenen Nießbrauchs eine Verfügungsbeschränkung — z.B. gemäß § 6 KO — erleidet. Im einzelnen ist aber sehr bestritten, wie weit dieser aus §§ 873 II, 878 BGB herzuleitende Schutz reicht, vgl. von Tuhr, I I 1, 72 Fn. 66 und von Lübtow, Schenkungen 105 in Fn. 378 einerseits und von Lübtow, NJW 1962,277 m. w. N. andererseits. 3 57 So Horber/Demharter, § 17 Anm. 8. 358 Diese Ausnahme von § 17 GBO ergibt sich daraus, daß auf solche Fälle — früher beantragte Eintragung ist erst nach der später beantragten zulässig — der Zweck des § 17 GBO nicht zutrifft; so Horber/Demharter, § 17 Anm. 7 b und Bauch, Rpfleger 1983, 423. 35 9 So Horber/Demharter, und Bauch, jeweils a. a. O. 360 Vgl. zur stillschweigend gewollten Rangbestimmung Haegele/Schöner/Stöber, Rdnr. 317; Bauch, Rpfleger 1983, 423 und Bielau, Rpfleger 1983, 425. 561 Vgl. nur die von Bauch und Bielau, a. a. O. kritisierten Beschlüsse des BayObLG vom 20. Mai 1976, Rpfleger 1976, 302 und vom 7. Mai 1982, Rpfleger 1982, 334, die
IV. Eigennießbrauchsbestellung als typischer Vollzugsweg
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wenn der Erwerber dem Recht des Dritten die ausdrückliche Rangbestimmung „bester Rang" beigefügt h a t 3 6 2 . Für diesen Fall ist nämlich wiederum umstritten, wie das Grundbuchamt zu verfahren h a t 3 6 3 . Schließlich ist auch ungeklärt, was gelten soll, wenn das Grundbuchamt unter Verletzung dieser Grundsätze abweichende Rangbestimmungen eingetragen h a t 3 6 4 . Es sprengte den Rahmen dieser Arbeit, detailliert zu klären, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn bei einer nach W e g 1 vollzogenen Übertragung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt die Bestellung des Nießbrauchs m i t vorherigen, gleichzeitigen oder nachfolgenden Bestellungen dinglicher Rechte für Dritte durch den Erwerber kollidiert. Eine solche Klärung ist aber auch nicht erforderlich. Es reicht die Feststellung aus, daß bei W e g 1 die Rechtsfolgen einer K o l l i s i o n des Nießbrauchs m i t anderen v o m Erwerber herrührenden Rechten nicht geklärt sind. Dies allein begründet für den Veräußerer zumindest das prozessuale Risiko eines rangbesseren Fremdrechts. Aus diesem Grund ist W e g 2, bei dem diese Gefahr nicht besteht, vorzuziehen.
bb) Fahrnis und Rechte A u c h bei Übertragungen von Fahrnis und Rechten unter Nießbrauchsvorbehalt ist Weg 2 die Vollzugsart, die den Schutzinteressen des Veräußerers v o l l gerecht wird. Dies kann i m folgenden nicht näher ausgeführt werden. Nur soviel sei gesagt: Zwar können Fahrnisübereignungen und Zessionen i m Gegensatz zur Auflassung unter der auflösenden Bedingung „keine bestrangige Nießbrauchsbestellung für den Veräußerer durch den Erwerber" vorgenommen w e r d e n 3 6 5 , so
eine solche konkludente Rangbestimmung nicht erwähnen bzw. im zweiten Fall ausdrücklich ablehnen, weil wegen eindeutigen Wortlauts für Auslegung kein Raum sei. 362 w i e es in dem Sachverhalt, der dem zweiten Beschluß des BayObLG, a. a. O., zugrunde lag, der Fall war. Denn dann widersprechen sich die ausdrückliche und die konkludente Rangbestimmung. 363 Nach Bauch, Rpfleger 1983, 424, soll das GB A den Nießbrauch eintragen und dann eine Zwischenverfügung nach § 18 GBO erlassen. Nach Bielau, Rpfleger 1983, 426, sind beide Anträge nach § 18 GBO durch Zwischenverfügung zu beanstanden, um das Rangverhältnis zu klären. Unklar Horber / Demharter, § 45 Anm. 10 a. 364 Nach Bauch, Rpfleger 1983, 425 kann nach § 53 GBO ein Amtswiderspruch eingetragen werden und ist das Grundbuch unrichtig; nach wohl zutreffender Ansicht ist demgegenüber in einem solchen Fall das Grundbuch richtig und daher auch kein Amtswiderspruch nach § 53 GBO möglich, so Bielau, Rpfleger 1983, 427 und Haegele/ Schönerl Stöber, Rdnr. 324, letztere m. w. N. 365 Bestellt der Erwerber innerhalb des ausdrücklich oder durch die Umstände des Einzelfalls bestimmten Zeitraums keinen bestrangigen Nießbrauch, tritt die auflösende Bedingung ein. Die Übertragung ist ex nunc unwirksam. Das Eigentum an der Sache oder das Recht stehen wieder dem Veräußerer zu. — Die Übertragung ist hier von einem Ereignis abhängig gemacht, das seinerseits vom Willen des Erwerbers abhängt. Eine solche Potestativbedingung" ist im Gegensatz zur umstrittenen „Wollensbedingung die ausschließlich auf die Willensäußerung einer Partei gerichtet ist, das bedingte Ge-
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
daß der Veräußerer grundsätzlich nach § 161 B G B geschützt wird. Bei W e g 1 sind jedoch trotz § 161 B G B Kollisionen m i t Rechten, die v o m Erwerber stammen, denkbar. Hier ist der Fall zu bedenken, daß der Erwerber alle i h m gegenwärtig oder zukünftig zustehenden Geldforderungen mittels Globalzession an einen Gläubiger abgetreten hat. Erhält er nun ein Sparguthaben unter Nießbrauchsvorbehalt abgetreten, könnte dieses i n der juristischen Sekunde, i n der es unbelastet dem Erwerber zusteht, von der Globalzession erfaßt werden. B e i W e g 2 hingegen stünde die Forderung dem Erwerber nie ohne die Belastung m i t dem Nießbrauch z u 3 6 6 . Ä h n l i c h ist die Übertragung eines Aktiendepots unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 1 zu bewerten. I n der juristischen Sekunde, i n der der Erwerber Inhaber der unbelasteten A k t i e n ist, könnten diese v o m — nach den A G B der Banken vertraglich vereinbarten 3 6 7 — Pfandrecht der Depotbank des Erwerbers erfaßt werden, das dann nach dem Prioritätsgrundsatz dem Nießbrauch des Schenkers vorgehen könnte. Eine solche Situation ist bei W e g 2 nicht denkbar 3 6 8 .
b) Rationellere
Lösung
W e g 2 w i r d auch dem Interesse der Parteien an einem rationellen, einfachen und kostengünstigen V o l l z u g der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt besser gerecht als W e g 1. Rationeller ist W e g 2 vor allem dann, wenn der zu belastende Gegenstand unter mehreren Erwerbern aufgeteilt werden soll. I n einem solchen Fall w i r d der Veräußerer ein Interesse daran haben, die Bestellung des Nießbrauchs durch einheitlichen A k t für den ganzen Gegenstand vorzunehmen, danach den Gegenstand zu teilen und die belasteten Teile auf die Erwerber zu übertragen 3 6 9 . Dies ist nur bei einem V o l l z u g nach W e g 2 möglich. Bei W e g 1 müßte dem Veräußerer jeder Nießbrauch am T e i l durch den jeweiligen Teilerwerber einzeln bestellt werden 3 7 0 . W i l l beispielsweise ein Vater jedem seiner drei schäft zu wollen oder nicht zu wollen, unbedenklich gültig, vgl. MünchKomm-W ester mann, § 158 Rdnr. 19 ff. Schwierigkeiten kann im Einzelfall die Abgrenzung zum Rücktrittsvorbehalt bereiten, vgl. MünchKomm-Westermann, § 158 Rdnr. 57. 366 Dies erkennt auch der Gläubiger und Globalzessionar auf den ersten Blick. Er weiß, daß ihm nur eine belastete Forderung zustehen kann. 367 Vgl. hierzu etwa Nr. 21 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkassen (Fassung Januar 1986) und Nr. 19 (2) der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Commerzbank (Fassung 1. Januar 1986). 368 Auch der Depotbank ist es auf den ersten Blick klar, daß bei Weg 2 ihr Pfandrecht dem Nießbrauch des Schenkers im Range nachgeht, weil ihr Kunde, der Erwerber und Verpfänder, nie die Aktien ohne die Nießbrauchslast innehatte. 369 Vgl. hierzu auch das Urteil des BGH vom 11. März 1964, Ζ 41, 209, 211 zum vergleichbaren Fall der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit. Der damaligen Beklagten hatte ein sehr großes Grundstück gehört, das sie in mehrere Grundstücke aufteilte und einzeln zur Errichtung eines ganzen Villenviertels verkaufte. Zur Sicherung des Wohncharakters war für die Beklagte am ganzen Grundstück eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit mit dem Inhalt von Gewerbebetriebs- und ähnlichen Benutzungsbeschränkungen eingetragen worden.
IV. Eigennießbrauchsbestellung als typischer Vollzugs weg
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Kinder ein Drittel seines gewerblichen Grundstücks auflassen, sich selbst aber den lebenslangen Nießbrauch daran vorbehalten, kann er vor der Teilung des Grundstücks 3 7 1 sich selbst den Eigentümernießbrauch am ganzen Grundstück bestellen. Bei der anschließenden Parzellierung des Grundstücks i n drei selbständige Grundstücke setzt sich der Nießbrauch an jedem dieser drei Grundstücke f o r t 3 7 2 . Läßt der Vater anschließend j e ein Grundstück an jedes seiner drei Kinder auf, wandelt sich mit jedem Eigentumsübergang der Eigentümernießbrauch i n einen Fremdnießbrauch um. Die durch einheitlichen A k t vorgenommene Nießbrauchsbestellung ersetzt dann drei vertragliche Bestellungen, die bei W e g 1 erforderlich gewesen wären. Dieser Rationalisierungseffekt von W e g 2 muß von den Parteien des Vorbehaltsgeschäftes nicht m i t höheren Kosten erkauft werden. Dies folgt für die Kosten der Beurkundung
aus § 44 KostO. Diese Vorschrift bestimmt, daß meh-
rere Erklärungen, die denselben Gegenstand haben, nur einmal eine Gebühr auslösen, die sich nach dem Wert des Gegenstandes richtet. W i r d W e g 2 daher i n einer Urkunde vollzogen, fallen die gleichen Kosten an wie bei W e g l
373
.
Werden zwei Urkunden errichtet, etwa w e i l die Bestellung des Eigentümernießbrauchs aus Sicherungsgründen zeitlich vorgezogen wurde, werden allerdings höhere Gebühren fällig, als wenn die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 1 und i n einer Urkunde vollzogen worden wäre. Für die Gebühren des Grundbuchamtes
wegen der Eintragung ins Grundbuch
ergibt sich die Kostenneutralität aus §§ 62, 63 Abs. 2 KostO. Nach § 62 KostO bestimmt sich die Gebühr für die Eintragung eines Nießbrauchs nach seinem gemäß § 24 KostO zu berechnenden Wert, also nach dem Produkt eines v o m Alter des Nießbrauchers abhängigen Vervielfältigers m i t dem Wert der einjährigen N u t z u n g 3 7 4 . Eigentümernießbrauch und Fremdnießbrauch zugunsten des Übertragenden sind also auch grundbuchkostenrechtlich gleich zu behandeln. Wegen der Degression der Gebühren bei steigender Höhe des Geschäftswertes, die sich aus § 32 KostO ergibt, müßte sich bei W e g 2 sogar eine Gebührenerspar3 70 Der „Rationalisierungseffekt" von Weg 2 ist also um so größer, je größer die Zahl der Teilerwerber ist. Bei einer Fallgestaltung wie der des Sachverhalts der £G//-Entscheidung a. a. O. ist er demnach sehr hoch. 3 71 Die Teilung eines Grundstücks ist weder im BGB noch in der GBO geregelt. Die Befugnis des Eigentümers zur Teilung ergibt sich aus § 903 BGB. Erforderlich sind die Teilungserklärung des Eigentümers, die Eintragung der Teile im Grundbuch unter verschiedenen Nummern, sowie meist eine staatliche Genehmigung, vgl. MünchKommWacke, § 890 Rdnr. 16-18 und Horber! Demhar ter, § 7 Anm. 2 bis 5. 372 So MünchKomm-Wacke, § 890 Rdnr. 17 und Soergel (U)-Baur, § 890 Rdnr. 11 a. E. Weil die Belastungen des bisherigen Grundstücks an den Teilen bestehen bleiben, ist die Zustimmung der dinglich Berechtigten zur Grundstücksteilung nicht erforderlich, so Horber I Demhar ter, § 7 Anm. 3 a. 373 Es ist gleichgültig, ob der Veräußerer sich den Nießbrauch bewilligt oder der Erwerber ihm denselben bestellt und er diese Erklärung annimmt; vgl. auch KorintenbergReimann, § 44 KostO Rdnr. 109. 374 Vgl. Korintenberg-Lappe, § 62 KostO Rdnr. 5.
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
nis ergeben, wenn wie i m obigen Beispielsfall ein Grundstück dreigeteilt w i r d und dann jeder Erwerber einen selbständigen T e i l des Grundstücks erhält. Z i v i l rechtlich kann nämlich an drei Grundstücken nicht ein Nießbrauch bestellt werden, sondern es müssen drei unabhängige Nießbrauchsbestellungen erfolgen 3 7 5 . Während bei W e g 1 also nur die Möglichkeit bleibt, drei Bestellungen vorzunehmen, kann nach W e g 2 ein einziger Nießbrauch am noch ungeteilten Grundstück bestellt werden. Diese Kostenersparnis 3 7 6 w i r d aber durch das Kostenrecht m i t Hilfe der Fiktion des § 63 Abs. 2 Satz 2 KostO verhindert. Nach seiner von der materiell-rechtlichen Beurteilung abweichenden Regelung 3 7 7 gilt die Belastung mehrerer Grundstücke mit j e einem selbständigen, aber einheitlich begründeten Nießbrauch 3 7 8 als eine Belastung mehrerer Grundstücke m i t einem und demselben Recht. Erfolgt
die Eintragung aufgrund eines gleichzeitig
gestellten
A n t r a g s 3 7 9 w i r d die Gebühr nur einmal erhoben. Durch diese Abweichung von § 63 Abs. 1 Satz 1 KostO bleibt also auch i n dem Sonderfall der Übertragung eines aufzuteilenden Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt an mehrere Erwerber die W a h l des Vollzugswegs kostenrechtlich unerheblich.
c) Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
und §107
BGB
I m Sonderfall 3 8 0 der Grundstücksschenkung unter Nießbrauchs vorbehält von Eltern an ihre minderjährigen Kinder zeigt sich, daß W e g 2 die interessengerechtere, einfachere und hier auch kostengünstigere Vollzugsform ist. Entscheidend ist die Frage, ob bei diesem Geschäft die Willenserklärung des Minderjährigen i h m i m Sinn von § 107 B G B nur einen rechtlichen Vorteil bringt oder nicht. Ist 375 So mit Recht die ganz h. M., vgl. Staudinger (12yPromberger, § 1030 Rdnr. 15 und Hampel, Rpfleger 1962, 126 Fn. 4 und 130 Fn. 40 jeweils m. w. N. 376 Sie ergäbe sich aus § 62 Abs. 1 Satz 1 KostO i.V. m. der Gebührendegression. Danach wird für jedes von mehreren Rechten, das ein oder mehrere Grundstücke belastet, eine gesonderte Gebühr erhoben. Eine Gebühr beträgt für einen Geschäfts wert von D M 300 000 D M 560; drei Gebühren für je einen Geschäftswert von D M 100 000 belaufen sich hingegen zusammen auf D M 780. 377 So Hampel, Rpfleger 1962, 126 Fn. 4. 378 So müßte das Gesetz lauten, da es keine gleichzeitige „Belastung mehrerer Grundstücke mit einem Nießbrauch" geben kann, wie der Wortlaut von § 63 Abs. 2 Satz 2 KostO vorgibt, vgl. dazu Staudinger (\2)-Promberger, § 1030 Rdnr. 15. 37 9 Die zweite Voraussetzung, daß das Grundbuch über die Grundstücke beim selben GB A geführt wird, ist im Beispielsfall der Teilung eines Grundstücks selbstverständlich. 38 0 Unter den Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt stellen solche von Eltern an ihre minderjährigen Kinder nur einen — wenn auch nicht unbedeutenden — Sonderfall dar. Innerhalb der Übertragung von Eltern an ihre minderjährigen Kinder ist die Grundstücksschenkung die eindeutig bedeutsamste Fallgruppe, die von zahlreichen speziellen Beiträgen in der Literatur behandelt wird; vgl. nur Köhler, JZ 1983, 225 ff.; Jerschke, DNotZ 1982, 459 ff.; Klüsener, Rpfleger 1981, 258 ff. und Joas, BWNotZ 1974, 146 ff. Dies rechtfertigt es, im folgenden nur Grundstücksübertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt an Minderjährige zu betrachten. Im Grundsatz gilt aber für Übertragungen von Fahrnis oder Rechten dasselbe.
IV. Eigennießbrauchsbestellung als typischer Vollzugsweg
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sie zu bejahen, kann der Minderjährige den Schenkungsvertrag und die Auflassung selbst schließen, anderenfalls bedürfte er dazu der E i n w i l l i g u n g seiner Eltern als gesetzliche Vertreter nach § 1629 Abs. 1 B G B . Diese könnten nicht wirksam zustimmen, w e i l sie nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 1,1795 Abs. 2, 181 B G B von der Vertretung ausgeschlossen wären. Es müßte daher eigens nach §§ 1909, 1915, 1789 B G B v o m Vormundschaftsgericht ein Ergänzungspfleger bestellt werden, dessen ausschließliche Aufgabe die gesetzliche Vertretung bei oder die Zustimmung zur Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt der Eltern wäre und dessen A m t m i t der Erledigung dieser Aufgabe nach § 1918 Abs. 3 B G B ex lege endete. Für die Bestellung des Pflegers durch das Vormundschaftsgericht fielen obendrein nach §§ 9 3 , 3 2 KostO Gebühren an, hinzu kämen Aufwendungsersatzund unter Umständen Vergütungsansprüche des Pflegers nach §§ 1915, 1835, 1836 B G B . Eltern minderjähriger Kinder haben also ein berechtigtes Interesse daran, die Schenkung von Grundeigentum unter Nießbrauchsvorbehalt an ihre Kinder ohne Einschaltung eines Ergänzungspflegers vornehmen zu k ö n n e n 3 8 1 . V ö l l i g abgesehen von der Frage des Nießbrauchsvorbehalts ist umstritten, ob „Großgeschäfte" 3 8 2 wie Grundstücksschenkungen von Eltern an ihre Kinder ohne Einschaltung eines Ergänzungspflegers überhaupt zulässig s i n d 3 8 3 oder n i c h t 3 8 4 . § 107 B G B erklärt nur die Geschäfte für zustimmungsfrei, die dem Minderjährigen keinerlei rechtlichen Nachteil bringen. Da jedes Rechtsgeschäft für irgendeinen rechtlichen Nachteil kausal ist oder doch sein k a n n 3 8 5 , gäbe es außer der Annahme eines uneingeschränkten Schenkungsversprechens gar keine einwilligungsfreien Rechtsgeschäfte, wenn man § 107 B G B nicht einschränkend dahingehend auslegt, daß nur „relevante Nachteile" ein Rechtsgeschäft zustimmungspflichtig machen. N u r dieses Ergebnis kann v o m Gesetz gewollt sein. § 107 B G B w i l l dem Minderjährigen eine gewisse Bewegungsfreiheit lassen, u m i h m ein allmähliches Hineinwachsen i n die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit
zu
ermöglichen 3 8 6 . Die einschränkende Auslegung ist wegen dieses „Erziehungs-
381 A.M. offenbar Lange, NJW 1955,1342, der ausführt, der „Wunsch nach Ausschaltung eines Pflegers" könne kein rechtlich beachtenswertes Interesse begründen. 382 So die Terminologie von Lange, NJW 1955, 1343. 383 Wie das der ganz h.M. entspricht: Staudinger (\2)-Dilcher, § 107 Rdnr. 14 und 15; RGRK-Krüger-Nieland, § 107 Rdnr. 17; Soergel (12)-//eferme hl, § 107 Rdnr. 3 ff.; MünchKomm-Gitter, § 107 Rdnr. 7; Erman-Brox, § 107 Rdnr. 6; Palandt-Heinrichs, § 107 Anm. 2 b aa; Jauernig, § 107 Anm. 2 c.; Joas, BWNotZ 1974, 146; Klüsener, Rpfleger 1981, 264 und Klamroth, BB 1975, 526. Aus der Rspr. vgl. nur den Beschluß des BayObLG vom 15. Febr. 1979, Ζ 1979, 49 ff. m. w. N. 384 So Köhler, JZ 1983, 230 und Lange, NJW 1955, 1343. — Nach Scharff, 20 f. ist bei der Übertragung von Aktien unter Nießbrauchs vorbehält an minderjährige Kinder stets ein Ergänzungspfleger einzuschalten. Insoweit kritisch zu Scharff die Besprechung von Promberger, ZHR 149 (1985) 118 unter 2. 385 So ist etwa der Erwerb des Eigentums an einem Grundstück ursächlich für die Entstehung steuerlicher und polizeilicher Pflichten in der Person des Erwerbers. 386 Vgl. MünchKomm-Gitter, vor § 104 Rdnr. 3.
90
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
zwecks" des § 107 B G B zwingend geboten 3 8 7 . Diese „Grenzziehung" ist nur wertend durchführbar 3 8 8 . Solche Wertungen sind nur schwer eindeutig zu verifizieren oder zu falsifizieren. Es ist daher kaum zu widerlegen, wenn § 107 B G B so gelesen wird, daß er Grundstücksschenkungen an Minderjährige, auch solche von Eltern an ihre minderjährigen Kinder, generell nicht ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, gegebenenfalls also des Ergänzungspflegers, zulasse 3 8 9 . Die besseren Argumente sprechen aber dafür, diese Wertungsfrage m i t der herrschenden Meinung dahingehend zu beantworten, § 107 B G B räume grundsätzlich die Möglichkeit ein, Grundstücksschenkungen an Minderjährige, gerade solche von Eltern an ihre Kinder, zustimmungsfrei vorzunehmen, so daß Eltern ihren Kindern nach § 107 B G B auch ohne die „ l ä s t i g e " 3 9 0 , unpopuläre 3 9 1 und Kosten verursachende Bestellung eines Ergänzungspflegers ein Grundstück schenken können. So fehlt es zum einen bei Schenkungen von Eltern an ihre Kinder an einer Interessenkollision 3 9 2 ; das Erfordernis der Pflegerbestellung stellte daher nicht nur „eine grundlose Umständlichkeit" d a r 3 9 3 , sondern manifestierte ein in diesen Fällen nicht angezeigtes Mißtrauen des Staates gegenüber den E l t e r n 3 9 4 . Zudem ist gerade bei Schenkungen von Eltern die Pflegerbestellung auch meist wirkungslos, da i n den seltenen Ausnahmefällen einer Interessenkollision dem Pfleger das „Background"- und „Insiderwissen" fehlen dürfte, das er benötigte, u m das „Haar i n der Suppe der Schenkung" zu erkennen 3 9 5 . Bei der Auslegung des § 107 B G B muß man darauf bedacht sein, daß die Grenzziehung zwischen relevanten und irrelevanten Nachteilen ohne dogmatische oder logische Bruchstellen verläuft, was meist nicht ausreichend beachtet wird. Daher dürfen bei der Beantwortung der entscheidenden Frage, ob Grundstücksschenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt für die Minderjährigen rechtlich nachteilig sind oder nicht, keine wirtschaftlichen Argumente ins Feld geführt werden, da das Gesetz gerade nicht auf den unsicheren Maßstab des wirtschaftlichen Vorteils abstellt 3 9 6 . Die Gegenmeinung Stürner s397
widerspricht nicht nur
dem klaren Wortlaut des Gesetzes, sondern w i r d auch dem Normzweck des 387 Vgl. hierzu auch Jauernig, § 107 Anm. 2 a und Köhler, JZ 1983, 225. 388 Vgl. Jauernig und Köhler, jeweils a. a. O. 389 So Köhler, JZ 1983, 230 und Lange, NJW 1955, 1343. 390 Vgl. Jerschke, DNotZ 1982, 472 und Lange, NJW 1955, 1343 a. E. 391 Vgl. Lange, NJW 1955, 1343 a.E.: „nicht volkstümlich". 392 So Stürner, AcP 173 (1973) 403. 393 So Stürner, a. a. Ο. 394 Α. Α. Lange, NJW 1955, 1343 a.E., nach dem das Großgeschäft Mißtrauen, mindestens Überwachung verdient. 395 Vgl. Stürner, AcP 173 (1973) 403 und Jerschke, DNotZ 1982, 472 bei Fn. 67. Die ν on Lange, NJW 1955,1343 a. E. so vehement geforderte Überwachung der „Danaergeschenke" und „abschiebenden Schenkungen" ist also eher ineffektiv. 396 So zutreffend Erman-Brox, § 107 Rdnr. 3. 397 Stürner, AcP 173 (1973) 402 ff. Zu Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt insbesondere 430 f.
IV. Eigennießbrauchsbestellung als typischer Vollzugsweg
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§ 107 B G B nicht gerecht 3 9 8 . Entscheidend ist daher allein die Grenzziehung zwischen den relevanten rechtlichen
Nachteilen, die eine Willenserklärung des
Minderjährigen zustimmungspflichtig machen, und den insoweit irrelevanten. Hierfür ist bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt wie auch sonst zwischen Kausal- und Erfüllungsgeschäft zu unterscheiden 3 9 9 . Enthält die causa, der schuldrechtliche Schenkungsvertrag, wie in der Regel nur die Klausel, dem Minderjährigen werde das Grundstück geschenkt, der Schenker behielte sich aber daran den lebenslangen Nießbrauch vor, dann liegt eine reine Schenkung v o r 4 0 0 . Die Annahme eines reinen SchenkungsVersprechens ist unstreitig für den Minderjährigen zustimmungsfrei. Der Minderjährige erhält dadurch nur einen rechtlichen Vorteil, nämlich einen schuldrechtlichen A n s p r u c h 4 0 1 . E i n möglicher rechtlicher Nachteil der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt kann sich daher nur aus den dinglichen Erfüllungsgeschäften, also aus ihrem Vollzug, ergeben. Es kann hier dahinstehen, ob die Überprüfung auf rechtliche Nachteile m i t Hilfe einer „Gesamtbetrachtung" von schuldrechtlichem und dinglichem Geschäft erfolgen s o l l 4 0 2 oder das Erfüllungsgeschäft isoliert zu prüfen i s t 4 0 3 , denn i m Fall der eindeutigen Zustimmungsfreiheit der causa gelangen beide Auffassungen zu gleichen Ergebnissen 4 0 4 . Die Gesamtbetrachtung des Bundesgerichtshofs
hat
nämlich allein den Zweck, „das elegante Jonglierspiel m i t den Bällen des § 107 und des § 1 8 1 " 4 0 5 zu verhindern, das er früher selbst gebilligt hatte 4 0 6 , während die Gegenmeinung das gleiche Ergebnis durch eine teleologische Reduktion des 398 So MünchKomm-Gitter, § 107 Rdnr. 6. Ähnlich Köhler, JZ 1983, 228. Um so unverständlicher ist es, wenn Stürner die dogmatisch zutreffende Konstruktion von von Lübtow, also die Deutung einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt als Eigentümernießbrauchsbestellung mit anschließender Übertragung, für „immerhin fragwürdig" hält, a. a. O., 430 in Fn. 92. 399 Köhler, JZ 1983, 228; Jauernig, § 107 Anm. 2 a und Erman-Brox, § 107 Rdnr. 5 (Verpflichtungsgeschäfte) und 6 (Verfügungsgeschäfte). 400 Denn für den Minderjährigen werden durch diese Klausel allein noch keine Verpflichtungen, Auflagen oder Bedingungen begründet. Dies kann anders zu beurteilen sein, wenn man zu Unrecht nur Weg 1 für zulässig hält. Vgl. dazu ausführlich unten § 2 bei Fn. 17 f. mit Nachweisen auf die entgegenstehende h. M. und § 2 I 2 c) bei Fn. 38-55. 401 Nach Köhler, JZ 1983, 228 a. E., besteht insoweit „Einigkeit"; nach Jauernig, JuS 1982, 576 f., ist es sogar „unbestreitbar", daß bei isolierter Betrachtung das Schenkungsversprechen dem Minderjährigen einen lediglich rechtlichen Vorteil bringt. Ebenso der BGH, 10. Nov. 1954, Ζ 15, 168, 170. 402 So der BGH, 9. Juli 1980, Ζ 78, 28, 35. Ihm folgen GitterISchmitt, JuS 1982, 256 und Palandt-Heinrichs, § 107 Anm. 2 b dd a. E. m. w. N. 403 So Jauernig, § 107 Anm. 2 a und Köhler, JZ 1983, 229. 404 So auch Köhler, JZ 1983, 229. 405 So Lange, NJW 1955, 1339. Vgl. auch Jauernig, JuS 1982, 576 bei Fn. 2-4. Dieses „Spiel" führte durch die isolierte Beurteilung von Erfüllungs- und Verpflichtungsgeschäft dazu, daß auch eine rechtlich nachteilige Erfüllung gemäß § 181, 2. Halbsatz BGB als Erfüllung des zustimmungsfreien Schenkungsversprechens ohne Beteiligung eines Pflegers stattfinden konnte, vgl. Palandt-Heinrichs, § 107 Anm. 2 b dd. 406 BGH, 10. Nov. 1954, Ζ 15, 168, 170.
92
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
§ 181, 2. Halbsatz B G B e r z i e l t 4 0 7 , ohne wie der Bundesgerichtshof
m i t dem
Abstraktionsprinzip i n K o n f l i k t zu geraten. Bei der Prüfung, ob der V o l l z u g der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt für den Minderjährigen rechtlich nachteilig ist, ist unabhängig v o m Vollzugs weg zu prüfen, ob sich ein solcher Nachteil nicht schon aus der Auflassung des Grundstücks selbst ohne die Nießbrauchsbestellung ergibt. Dies könnte deshalb der Fall sein, w e i l m i t dem Erwerb des Grundeigentums öffentliche Pflichten des Erwerbers begründet werden, zum Beispiel polizeilicher und steuerlicher A r t 4 0 8 . Das w i r d aber von der ganz herrschenden Meinung zu Recht verneint, w e i l diese Pflichten keine nachteiligen Folgen des Erwerbs sind, sondern an den rechtsgeschäftsneutralen Tatbestand „Eigentum" geknüpft werden 4 0 9 . Bei Vollzugsweg 2 könnte sich der rechtliche Nachteil daraus ergeben, daß der Minderjährige ein m i t einem Nießbrauch belastetes Grundstück erwirbt. Dies ist für die Belastung m i t einem Nießbrauch wie für jede andere dingliche Belastung m i t Ausnahme der Reallast des § 1105 B G B 4 1 0 zu verneinen, w e i l diese Belastung den Minderjährigen zu nichts verpflichtet. Sie ruht nur auf dem Grundstück und mindert dessen W e r t 4 1 1 . Anders ausgedrückt erwirbt der Minderjährige nur „ e i n Grundstück ohne Nutznießungsrecht" und nicht „ e i n Grundstück und eine Verpflichtung, dem Nießbraucher die Nutzung zu überlassen" 4 1 2 . Demgegenüber ist bei Vollzugs weg 1 ein rechtlicher Nachteil des Minderjährigen zu bejahen 4 1 3 . Dieser ist darin zu sehen, daß der Minderjährige zunächst 407 Jauernig, JuS 1982, 577 und ders., § 107 Anm. 2 a sowie § 181 Anm. 4 b. Zustimmend Larenz, A T § 30 I I in Fn. 31. 408 Vgl. etwa BGH, 10. Nov. 1954, Ζ 15, 169. 409 Vgl. nur Jauernig, § 107 Anm. 2 c; Palandt-Heinrichs, § 107 Anm. 2 b aa; ErmanBrox, § 107 Rdnr. 6; Soergel (\2)-Hefermehl, § 107 Rdnr. 4; RGRK-Krüger-Nieland, § 107 Rdnr. 3 und 17; MünchKomm-Gitter, § 107 Rdnr. 7 und von Lübtow, Schenkungen 102 f. Einschränkend Larenz, A T § 6 I I I bei Fn. 21; Stürner, AcP 173 (1973) 427 und Staudinger (\2)-Dilcher, § 107 Rdnr. 15, die dabei allerdings wirtschaftliche Gesichtspunkte einfließen lassen. Zweifelnd auch Flume, Rechtsgeschäft 192 und AK-Kohl, § 107 Rdnr. 16. — Aus der Rspr. vgl. den Beschluß des BayObLG vom 14. Juni 1967, Ζ 1967, 245 ff. Der BGH hat allerdings diese Frage sowohl im Urteil vom 10. Nov. 1954, Ζ 15, 169 f. als auch im Beschluß vom 9. Juli 1980, Ζ 78, 31 ausdrücklich offengelassen. Wenn Köhler daraus den Schluß zieht, die Rechtsentwicklung sei insoweit wieder offen (JZ 1984, 18 bei Fn. 4), erscheint das aber übertrieben. 410 Bei dieser ist der Grundstückseigentümer nach § 1108 BGB auch persönlich zur Leistung verpflichtet, vgl. MünchKomm-Gitter, § 107 Rdnr. 11. 4i ι Ebenso Jauernig, Heinrichs, Brox, Η eferme hl, Krüger-Nieland und Larenz, jeweils a. a. O. (Fn. 409); Kohl, Rdnr. 20 und Gitter, Rdnr. 10 und 11; zweifelnd Dilcher, Rdnr. 16, jeweils a. a. O. (Fn. 409) — Aus der Rspr. vgl. das BayObLG, 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff. m. w. Ν. Der BGH hat mit seinem Beschluß vom 9. Juli 1980, Ζ 78, 31 allerdings auch diese Frage nicht entschieden (Grundschuldbelastung). Zu den Folgerungen Köhlers, JZ 1984, 18 gilt dasselbe wie oben Fn. 409. 412 So Pawlowski, Rdnr. 180 bei und in Fn. 131. Ähnlich Flume, Rechtsgeschäft 192. 413 Wie hier im Ergebnis auch das OLG Colmar, 23. Jan. 1911, OLGE 22, 160. A.M. aber das gleiche Gericht, 5. Sept. 1911, OLGE 24, 29 f. und das RG, 10. Sept. 1935,
IV. Eigennießbrauchsbestellung als typischer Vollzugs weg
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Eigentümer eines unbelasteten Grundstücks w i r d und erst danach durch die Eintragung des von i h m sachenrechtlich bestellten und grundbuchrechtlich bewilligten Nießbrauchs dieses Eigentum m i t dem Nießbrauch belastet, also eingeschränkt wird. Die entgegenstehende herrschende M e i n u n g 4 1 4 ist unhaltbar. Ihr immer wiederkehrendes Trumpfargument, die Gesamtwirkung sei entscheidend, es dürfe keinen Unterschied machen, auf welchem „rechtstechnischen W e g " sich die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt v o l l z i e h e 4 1 5 , beinhaltet i n Wahrheit die Hinwendung zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Wertbewegung. A u f wirtschaftliche Gesichtspunkte stellt § 107 B G B aber gerade nicht ab. A u c h sonst w i r d die rechtliche Lage nicht nach dem wirtschaftlich gewollten Ergebnis, sondern nach dem gewählten rechtstechnischen W e g beurteilt. So ist es beispielsweise nahezu unbestritten, daß der Schuldmitübernahmevertrag 4 1 6 nicht der Schriftform des § 766 B G B bedarf, auch wenn, was möglich ist, wirtschaftlich eine Bürgschaft gewollt i s t 4 1 7 . Es ist schlechterdings nicht zu begründen, warum ein Schenker, der seine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 1 vollzieht, v o m Recht so behandelt werden soll, als habe er den i h m günstigeren W e g 2 beschritten. M a g er sich wegen eventueller Schäden an den ihn falsch informierenden Berater halten. Daß die herrschende Meinung, die W e g 1 und W e g 2 i m Rahmen des § 107 B G B gleichbehandelt, nicht richtig sein kann, sehen auch Jauernig und von Lübtow. Jauernig 418 schränkt sie dahingehend ein, daß er beide Wege nur gleichbehandeln w i l l , wenn die B e w i l l i g u n g des Nießbrauchs durch den Minderjährigen bei W e g 1 vor dem Erwerb des Eigentums, also vor der Eintragung ins Grundbuch, erfolgte. Dann läge i n der Verfügung des Nichtberechtigten ein neutrales Rechtsgeschäft. Diese sind nach richtiger herrschender Meinung wegen entsprechender Anwendung des § 107 B G B einwilligungsfrei 4 1 9 . Dieser Rettungsver-
Z 148,321 ff. Alle drei Entscheidungen basieren — unausgesprochen — auf der Unzulässigkeit von Weg 2. 414 Vgl. nur Heinrichs, Krüger-Nieland, Hefermehl, alle a. a. O. (Fn. 409); MünchKomm-Gitter, § 107 Rdnr. 12; AK-Kohl, § 107 Rdnr. 21; Flume, Rechtsgeschäft 192; Joas, BWNotZ 1974, 146 und Klüsener, Rpfleger 1981, 263. Für die neuere Rspr. vgl. das BayObLG, 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff. m. w. Ν. 415 Vgl. etwa das BayObLG und Klüsener, jeweils a. a. O. Vgl. auch Flume, Rechtsgeschäft 192 und vor allem AK-Kohl, § 107 Rdnr. 21, nach dem die „Rechtsklarheit" dafür spricht, „einen rechtlichen Nachteil" anzunehmen; da aber für „die Position des Minderjährigen kein vernünftiger Unterschied ersichtlich sei, ob er ein belastetes oder zu belastendes Grundstück erwirbt", sei dieser Standpunkt zu „formalistisch" und daher sei der h.M. zu folgen. 416 Auch Schuldbeitritt oder kumulative Schuldübernahme genannt, der nach § 305 BGB zulässig ist; Palandt-Heinrichs, Überblick vor § 414 Anm. 2 a und allg. M. 417 Vgl. Erman-Seiler, § 766 Rdnr. 2 und Palandt-Thomas, § 766 Anm. 4 mit Einf. 3 vor § 765. 418 Jauernig, § 107 Anm. 2 c. 419 Vgl. hierzu Soergel (\2)-Hefermehl, § 107 Rdnr. 7; MünchKomm-Gitter, § 107 Rdnr. 16; Staudinger (\2)-Dilcher, § 107 Rdnr. 20; Larenz, A T § 6 I I I bei Fn. 25 und
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§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
such Jauernigs
zugunsten der herrschenden Meinung übersieht, daß unmittelbar
m i t der Eintragung des Eigentums des Minderjährigen seine Nießbrauchsbewilligung nach § 185 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative B G B wirksam wird, also zur Verfügung eines nunmehr Berechtigten. A l s solche ist sie aber kein neutrales Rechtsgeschäft mehr. Vielmehr führt die Konvaleszenz durch den nachträglichen Rechtserwerb gemäß § 185 Abs. 2 Satz 1, 2. Alternative B G B zur Zustimmungspflichtigkeit, da nunmehr die Bestellung und B e w i l l i g u n g des Nießbrauchs durch den Minderjährigen zu einer Belastung seiner Rechtsstellung und damit zu einem relevanten rechtlichen Nachteil führt. Von Lübtow
sieht, daß streng „analytisch gesehen" bei W e g 1 rechtliche
Nachteile für den Minderjährigen nicht zu leugnen s i n d 4 2 0 . Er meint aber, daß „die Betrachtung des Ganzen der Wertbewegung" dazu führt, daß auch bei W e g 1 ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Geschäft v o r l i e g t 4 2 1 , so daß beide Wege gleich zu behandeln seien 4 2 2 . Diese Sichtweise von Lübtows ist bedenklich. Sie führt dazu, daß die für die Prüfung der ausschließlichen rechtlichen Vorteilhaftigkeit des § 107 B G B erforderliche Trennung von Kausal- und Erfüllungsgeschäft aufgehoben wird. Dies zeigt sich daran, daß von Lübtow darauf abstellt, daß der Minderjährige das Eigentum belastet m i t dem Nießbrauch „ohne Gegenleistung" erhält, w o m i t er auf einen schuldrechtlichen Begriff und die Tatsache rekurriert, daß die Schenkung nur Pflichten für den Schenker begründet, nicht auch für den Beschenkten 4 2 3 . Daß nur die hier vertretene Auffassung richtig sein kann, nach der der V o l l z u g einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 1 nicht zustimmungsfrei ist, zeigt sich auch an dem ihr eng verwandten Fall, daß der Schenker nicht sich einen Nießbrauch vorbehalten w i l l , sondern eine dritte Person Nießbraucher der zu verschenkenden Sache werden s o l l 4 2 4 . Die Eltern könnten ihrem K i n d i n diesem Fall das Grundstück unter der Auflage übereignen, dem Dritten daran einen Nießbrauch zu bestellen. Schenkungen unter einer Auflage sind nach zutreffender herrschender Meinung für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, w e i l sie nicht nur einen Anspruch des Minderjährigen begründen, sondern auch eine V e r p f l i c h t u n g 4 2 5 . Für diese Schenkung des Grundstücks der schon von Tuhr, I I 1, 341 bei Fn. 49. Solche neutralen Geschäfte (Paradebeispiel: Verfügung eines Nichtberechtigten) wirken nicht für und gegen den Minderjährigen, können ihm also weder Vor- noch Nachteile bringen. 420 Von Lübtow, Schenkungen 90 und 19 ff. Ähnlich Klüsener, Rpfleger 1981, 263: „bei strikter isolierter Betrachtung". 421 Von Lübtow, Schenkungen 91. 422 Von Lübtow, Schenkungen 94 f. 423 Von Lübtow, Schenkungen 90. 424 Vgl. hierzu den Sachverhalt, der dem Beschluß des BGH vom 6. Juni 1957, Ζ 24, 372 ff. zugrunde lag, und den von Joas, BWNotZ 1974, 146 erwähnten Beispielsfall. In beiden Fällen sollten allerdings die Enkel beschenkt werden und die — erwachsenen — Kinder den Nießbrauch erhalten. Im folgenden soll das minderjährige Kind das Eigentum erhalten und ein Dritter den Nießbrauch.
V. Das atypische Vorbehaltsgeschäft
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Eltern an ihr minderjähriges K i n d wäre also die Einschaltung eines Pflegers erforderlich. Sie ist der nach W e g 1 vollzogenen Vorbehaltsschenkung, bei der der Minderjährige seinen Eltern den Nießbrauch bestellen muß, so ähnlich, daß beide i m Rahmen des § 107 B G B gleichbehandelt werden müssen. Aus der Sicht des Minderjährigen ist es gleichgültig, ob er das zunächst i n seinem lastenfreien Eigentum stehende Grundstück m i t einem Nießbrauch seiner schenkenden Eltern oder eines Dritten belasten muß. Die nach W e g 1 vollzogene Vorbehaltsschenkung ist also — anders als bei W e g 2 - rechtlich nicht lediglich vorteilhaft. Erfolgt sie von Eltern an minderjährige Kinder muß — wieder anders als bei W e g 2 - ein Pfleger eingeschaltet werden.
3. Ergebnis W e g 2, also die Bestellung eines Eigennießbrauchs m i t anschließender Übertragung des belasteten Gegenstandes, ist der rechtstechnische Weg, eine „ t y p i sche" Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt zu vollziehen. Dieses Ergebnis, das nach dem rechtsgeschichtlichen Befund nahelag, ergibt sich daraus, daß nur diese A r t des Vollzugs dem geäußerten Parteiwillen des „Vorbehaltens" entspricht und den Schutzinteressen des Veräußerers v o l l Rechnung trägt. Ist bei einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt der gewünschte Vollzugsweg von den Parteien nicht klar und eindeutig bestimmt, ist die Vereinbarung so auszulegen, daß das Vorbehaltsgeschäft nach W e g 2 zu vollziehen ist.
V . Das atypische Vorbehaltsgeschäft A u c h wenn das typische Vorbehaltsgeschäft nach W e g 2 vollzogen wird, sind die Parteien einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht gehindert, ausdrücklich den unbedenklich zulässigen W e g 1 für den V o l l z u g zu bestimmen. Ist die Parteivereinbarung insoweit eindeutig, muß sie respektiert werden. Es liegt dann ein „atypisches Vorbehaltsgeschäft" vor. I n einem solchen Fall darf der Rechtsanwender nicht etwa mit B l i c k auf die „wirtschaftliche B e u r t e i l u n g " 4 2 6 425 Für die Zustimmungspflichtigkeit einer Schenkung unter Auflage Jauernig, § 107 Anm. 2 b bb; Palandt-Heinrichs, § 107 Anm. 2 b dd; Erman-Brox, § 107 Rdnr. 5 a. E.; MünchKomm-Gitter, § 107 Rdnr. 18, Soergel (\2)-Hefermehl,§ 107 Rdnr. 3 und Staudinger (YiyDilcher, § 107 Rdnr. 14. Ebenso schon von Tuhr, I I 1, 340 bei Fn. 38. — Stürner, AcP 173 (1973) 423, 428 sowie Klüsener, Rpfleger 1981, 264 differenzieren zwischen „Belastungsauflagen" und sonstigen Auflagen: Erstere seien einwilligungsfrei. Vgl. hierzu auch AK-Kohl, § 107 Rdnr. 19 und 21 und Olzen, 187-194. — Wie man bei diesem Befund davon sprechen kann, es könne als fast unbestritten gelten, daß die Schenkung unter Auflage ohne Ergänzungspfleger möglich sei, ist kaum nachvollziehbar; so aber Klamroth, BB 1975, 526 bei Fn. 22. 426 Auf sie stützte sich der BGH, als er entschied, daß die Nießbrauchsbestellung durch einen Minderjährigen im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks nicht
§ 1 Der dingliche Vollzug des Vorbehaltsgeschäftes
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die sachenrechtliche Konstruktion W e g 2 unterstellen 4 2 7 oder die Konsequenzen von W e g 1 - vor allem die Tatsache des nießbrauchsfreien Erwerbs für mindestens eine juristische Sekunde — außer acht lassen 4 2 8 . Daß die ganz herrschende Meinung und vor allem die Praxis der Gerichte gleichwohl immer wieder gegen dieses Verbot verstößt 4 2 9 , ist nur vor dem geschichtlichen Hintergrund verständlich. Kurz vor dem Inkrafttreten des B G B gewannen diejenigen die Oberhand, die streng begriffsjuristisch aus dem Satz „ n u l l i res sua servit" die Unzulässigkeit von W e g 2 folgerten und daher meinten, bei Vorbehaltsgeschäften müsse der Erwerber dem Veräußerer das vorbehaltene dingliche Recht am übertragenen Gegenstand bestellen 4 3 0 . Zunächst ging man auch für das B G B — zu Unrecht — von der Gültigkeit dieses Dogmas aus 4 3 1 . Die Praxis der Gerichte löste dann diesen — vermeintlichen — K o n f l i k t zwischen „engherziger D o g m a t i k " 4 3 2 und sinnvollen Ergebnissen — etwa bei § 107 B G B — auf ihre Weise: Der unbelastete Erwerb des Gegenstandes für eine juristische Sekunde wurde ignoriert; Eigentumsübertragung und Nießbrauchsbestellung bildeten eine untrennbare Einheit und würden „ i n demselben Augenblick w i r k s a m " 4 3 3 . Mittlerweile ist die zutreffende Auffassung, daß W e g 2 jedenfalls grundsätzlich zulässig ist, i n Literatur der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf; 6. Juni 1957, Ζ 24, 372, 374. Das RG stellte bei seiner Entscheidung, die Schenkung von Fahrnis unter Nießbrauchsvorbehalt sei für den Beschenkten rechtlich lediglich vorteilhaft i.S. von § 107 BGB, darauf ab, daß Eigentumsübertragung und Nießbrauchsbestellung „sachlich untrennbar miteinander verknüpft seien"; 10. Sept. 1935, Ζ 148, 321, 323. Das OLG Colmar kam bei einer Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zum gleichen Ergebnis wie das RG, wobei es darauf abhob, daß „ i m Erfolg der Vertrag rechtlich dasselbe Ergebnis habe, als wenn das Eigentum von vornherein nur belastet übergegangen wäre"; 5. Sept. 1911, OLGE 24, 29, 30. — Bei allen Entscheidungen war nach Weg 1 vorgegangen worden, hatte also der erwerbende Minderjährige den Nießbrauch bestellt, nicht der Veräußerer. 427 Wie es das BayObLG in einem Fall, in dem die sachenrechtliche Vollzugsform nicht eindeutig war, zu Recht machte: Es kam im Weg der Auslegung zu dem Ergebnis, Weg 2 und nicht Weg 1 läge vor; 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff. 428 So aber das RG, der BGH und das OLG Colmar jeweils a. a. O. 429 Vgl. nur die drei Entscheidungen von RG, BGH und OLG Colmar, a. a. O. und die des BayObLG, 14. Juni 1967, Ζ 1967, 245 ff., in dem es ausführt, die Schenkung eines Grundstücks unter Vorbehalt eines dinglichen Wohnungsrechtes sei lediglich rechtlich vorteilhaft, auch wenn der Vollzug nach Weg 1 (Bestellung des Wohnungsrechtes durch die Beschenkte) vorgenommen werde. — Aus der Kommentarliteratur hierzu zustimmend Staudinger (12)-Dilcher, § 107 Rdnr. 16 und Palandt-Heinrichs, § 107 Anm. 2 b, aa). Vgl. auch Stürner, AcP 173 (1973) 402, 430, der Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt nach Weg 1 - Weg 2 hält er für eine „fragwürdige" Konstruktion — als „eigentlich" rechtlich nachteilhaft bezeichnet, aber aufgrund einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise zwanglos" zu dem Ergebnis kommt, das Rechtsgeschäft sei lediglich rechtlich vorteilhaft. 430
Vgl. hierzu oben nach Fn. 95. 431 Vgl. hierzu oben bei Fn. 170 ff. 432 Vgl. Boehmer, Grundlagen I I 2, 61. 433 RG, 10. Sept. 1935, Ζ 148, 321, 324.
§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" und Rechtsprechung herrschend 4 3 4 . Es besteht also gar kein K o n f l i k t zwischen dogmatischer Klarheit und Folgerichtigkeit einerseits und vernünftigen, interessengerechten Ergebnissen andererseits. Die Zeit ist dafür reif, der durch „logische Korrektheit gekennzeichneten Auffassung" 4 3 5 zum Durchbruch zu verhelfen, wonach Vorbehaltsgeschäfte nach W e g 2 zulässig sind und daher aus dem V o l l z u g nach W e g 1 alle Konsequenzen gezogen werden müssen. Es ist unrichtig, wenn immer wieder ausgeführt wird, es dürfe i m Ergebnis keine Rolle spielen, ob eine Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nach W e g 1 oder nach W e g 2 vollzogen w u r d e 4 3 6 . Aus der beschrittenen technischen Vollzugsform alle rechtlichen Konsequenzen zu ziehen, ist durchaus nicht „formalistisch" 4 3 7 , sondern dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. A m Fall der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und der Anwendung des § 1 0 7 B G B ist die gebotene rechtliche Differenzierung zwischen W e g 1 und W e g 2 schon beispielhaft aufgezeigt w o r d e n 4 3 8 . Wer, obwohl i h m W e g 2 offen steht, die Schenkung an seine Kinder nach W e g 1 vollzieht, muß einen Pfleger einschalten, ansonsten ist die Schenkung unwirksam. M i t anderen Worten: Das atypische Vorbehaltsgeschäft ist nicht deshalb, w e i l „wirtschaftlich" ein Vorbehalt gewollt war, besonders zu behandeln. Bei i h m liegt wegen des Vollzugs nach W e g 1 kein belasteter Erwerb vor, sondern ein m i t einer Verpflichtung verbundener Erwerb. A l l e i n dies ist für seine rechtliche Beurteilung maßgeblich.
§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" Nachdem nunmehr feststeht, daß die typische Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt dadurch vollzogen wird, daß sich der Veräußerer einen Eigennießbrauch an seinem Gegenstand bestellt und diesen anschließend belastet überträgt, ist zu prüfen, welche Rückschlüsse sich hieraus für die Qualifikation des schuldrechtlichen Vertrages ziehen lassen. Hierbei sind zwei Vertragstypen streng auseinander zu halten. Die erste Gruppe w i r d von solchen Verträgen gebildet, deren Inhalt ausschließlich darin besteht, die Übertragung unter Nießbrauchsvor434 Vgl. hierzu oben bei Fn. 162 ff. «s Vgl. Staudinger (\2)-Dilcher, § 107 Rdnr. 16. 436 So etwa die Beschlüsse des BayObLG vom 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff. und vom 14. Juni 1967, Ζ 1967, 245 ff. und des OLG Frankfurt vom 9. Sept. 1980, Rpfleger 1981, 20. Ebenso die des LG Tübingen vom 11. März 1971, BWNotZ 1971, 67 f. und des LG Augsburg vom 3. Mai 1966, Rpfleger 1967, 175. 437 So aber das LG Tübingen, a. a. O. und Coing, NJW 1949, 260, der meint, bei der Auslegung des einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt zugrunde liegenden Vertrages dürfe man der dinglichen Durchführung kaum Gewicht beimessen. 438 Vgl. oben unter I V 2 c). 7 Reiff
9
8
§
2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
behalt zu regeln. I m folgenden werden sie als „isolierte Nießbrauchsvorbehalt"
Übertragungen
unter
bezeichnet. Die zweite Gruppe besteht aus solchen Ver-
trägen, die neben der Regelung der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt noch weitere Bestimmungen treffen, insbesondere weitere (Leistungs-)Verpflichtungen vor allem des Erwerbers begründen. Solche „Übertragungsverträge Nießbrauchsvorbehalt'
mit
sind häufig sogenannte Übergabeverträge 1 .
Isolierte Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt kommen vor allem dann vor, wenn das Vorbehaltsgeschäft nicht das (nahezu) gesamte Vermögen des Veräußerers erfaßt, sondern nur einen Bruchteil, so daß er auf eine (Alters-) Versorgung durch den Erwerber nicht angewiesen ist. Häufig finden sie an Minderjährige statt. Sie beschäftigen daher vor allem i m Zusammenhang m i t § 107 B G B die Gerichte 2 . Aber auch aus anderen Gründen hatte die Rechtsprechung Gelegenheit, zu diesen Rechtsgeschäften Stellung zu nehmen 3 . V o n ihnen soll i m folgenden (zunächst) ausschließlich die Rede sein. A u f die komplexen Übertragungsverträge m i t Nießbrauchsvorbehalt und ihre differenzierte Qualifikation soll erst anschließend eingegangen werden 4 .
I . Isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt 1. Meinungsstand Die Qualifikation der meist als „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" bezeichneten isolierten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist umstritten. Das Spektrum der Meinungen reicht v o m gegenseitigen Vertrag i m Sinn der §§ 320 ff. B G B bis zur uneingeschränkten Schenkung gemäß § 516 B G B . Ausgehend von der — unzutreffenden — Prämisse, Vorbehaltsgeschäfte könnten nur nach W e g 1 vollzogen werden 5 , vertritt Benkö die Ansicht, die den isolierten Vorbehaltsübertragungen zugrunde liegenden Verpflichtungsgeschäfte seien gegenseitige Verträge i m Sinn der §§ 320 ff. B G B 6 . Dies begründet sie ι Vgl. hierzu Olzen, 21-26. Vgl. dazu oben § 1 bei Fn. 380 ff. Folgende Entscheidungen zu § 107 BGB haben „isolierte Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt" zum Gegenstand: RG, 10. Sept. 1935, Ζ 148, 321 ff.; BayObLG, 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff.; OLG Colmar, 5. Sept. 1911, OLGE 24, 29 f. und LG Tübingen, 11. März 1971, BWNotZ 1971, 67 ff. 3 Vgl. etwa das Urteil des RG vom 27. Okt. 1919, SeuffA Bd. 75 Nr. 22, zur Form bei der Abtretung einer Briefhypothek unter Nießbrauchsvorbehalt; die Urteile des BGH vom 27. Okt. 1982, NJW 1983, 1780 ff. zur Reichweite der §§ 1821, 1822 BGB und vom 10. Nov. 1983, Ζ 85, 274 ff. zu §§ 2325 ff. BGB; die Urteile des BFH vom 28. Juli 1981, NJW 1982, 256 und vom 24. Sept. 1985, NJW 1986, 1634, zur Anwendung der §§ 9 Abs. 1, 21 Abs. 1 EStG. 4 Vgl. unten unter IV. 5 Benkö, 37 f. 6 Benkö, 50-53. 2
I. Isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt
99
damit, daß die Einräumung des Nießbrauchs für den Veräußerer eine Leistung des Erwerbers sei 7 , und zwar eine Gegenleistung 8 . Sie sieht selbst, daß „das unausgewogene Äquivalenzverhältnis beider Leistungen" gegen die Annahme eines gegenseitigen Vertrages spricht 9 . Sie glaubt aber, die „Vorstellung der Parteien von der objektiven Gleichwertigkeit der Leistungen" gehöre nicht zum „Wesen des gegenseitigen Vertrages" 1 0 . Der Maßstab der Äquivalenz des Vertrages ergebe sich aus den besonderen Bedürfnissen der Parteien. Entscheidend sei also die „subjektive Äquivalenz" n ; sie sei bei der Verpflichtung zu einem Vorbehaltsgeschäft zu bejahen 1 2 . Vereinzelt w i r d auch die Qualifikation der isolierten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt als gemischte Schenkung erwogen 1 3 . Das bedeutet, daß die Einräumung des Nießbrauchs als eine — ungleichgewichtige — Gegenleistung des Erwerbers für die Übertragung des Gegenstandes durch den Veräußerer angesehen wird. Benkö prüft diese Qualifikation ausgiebig, lehnt sie aber a b 1 4 . Sie weist aber den Bundesgerichtshof
als Befürworter dieser Ansicht aus 1 5 . Er
hat bei einem Vertrag, der allerdings für den Erwerber noch eine geringe Zahlungspflicht an einen Dritten begründete, der also nicht die causa einer isolierten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt war, eine gemischte Schenkung für möglich gehalten 1 6 . Nach herrschender Auffassung i n Literatur 1 7 und Rechtsprechung 1 8 ist die isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt als Schenkung unter Auflage 7 Benkö, 38 f. β Benkö, 53. Die Qualifikation als gemischte Schenkung lehnt sie ab (45 ff., 48). 9 Benkö, 50. iö Benkö, 51. u Benkö, 52 bei Fn. 83. Die in Fn. 83 von ihr nachgewiesene Rechtsprechung ist unvollkommen zitiert und ergibt für Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt nichts. 12 Benkö, 52 f. 13 Zum Begriff vgl. nur Larenz, Schuldrecht BT § 62, 2 c. 14 Benkö, 45 ff., 48. 15 Benkö, 45. 16 BGH, 5. Juli 1972, Ζ 59, 343, 352 unter 6: „ A n einer Schenkung oder zumindest einer gemischten Schenkung dürfte kein Zweifel bestehen". 17 So MiinchKomm-Kollhosser, § 525 Rdnr. 5 und Palandt-Putzo, § 525 Anm. 2 c (letzterer mit unzutreffendem Hinweis auf OLG Bamberg, NJW 1949, 788, das a.a.O. insoweit reine Schenkung bejaht; so richtig Olzen, 26 Fn. 11). Ebenso Coing, NJW 1949, 260; Scharff, 161; Schulze zur Wiesche, GmbHR 1977, 157 und NJW 1975, 2090; Enders, MDR 1986, 724; Troll, BB 1984, 1290 und Winkeljohann, DB 1987, 353 und 355. Sehr weitgehend Petzoldt, GmbHR 1987, 434 bei und in Fn. 105 („einhellige Meinung des zivilrechtlichen Schrifttums"; „Prototyp einer Auflagenschenkung"). — Unklar Staudinger (12)-Reuss, § 525 Rdnr. 15 und Soergel (11 )-Mühl, § 525 Rdnr. 6, da deren Beispiele keine isolierte Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt betreffen. Vgl. aber Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 75 und 77, die den Wert des Nießbrauchs im Rahmen des § 2325 BGB abziehen wollen, den Wert einer Auflage aber nicht. Olzen, 31 und 191 faßt einen Übergabevertrag mit Nießbrauchsvorbehalt als Auflagenschenkung auf. 7*
100
§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
i m Sinn der §§ 525 ff. B G B zu qualifizieren. Dies bedeutet, daß die Bestellung des Nießbrauchs des Veräußerers durch den Erwerber erfolgt und sich als Einschränkung der Leistung des Veräußerers, also der Übertragung des Gegenstandes, darstellt. Schließlich w i r d die isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt noch als uneingeschränkte Schenkung i m Sinn des § 5 1 6 B G B qualifiziert 1 9 . Dies bedeutet, daß der Erwerber keinerlei Verpflichtungen eingeht. Die Bestellung des Nießbrauchs erfolgt vor der Übertragung des Gegenstandes durch den Veräußerer. Der Erwerber erhält nur den bereits m i t dem Nießbrauch des Übertragers belasteten Gegenstand.
2. Kritische Analyse a) Die Qualifikation
als gegenseitigen Vertrag
Die Qualifikation des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäftes einer isolierten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt als gegenseitigen Vertrag gemäß §§ 320 ff. B G B ist abzulehnen. Benkö hat für ihren Vorschlag zu Recht — soweit ersichtlich — kein Echo i n Literatur und Rechtsprechung gefunden. Er ist m i t den Erkenntnissen über den sachenrechtlichen V o l l z u g des Vorbehaltsgeschäfts unvereinbar. Bei einer typischen Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt stammt der Nießbrauch nicht v o m Erwerber, sondern v o m Veräußerer selbst. Der Erwerber erbringt gar keine Leistung, er bleibt rein passiv und erwirbt den schon belasteten Gegenstand. Fehlt es schon an einer Leistung des Erwerbers, kann erst recht keine für einen gegenseitigen Vertrag erforderliche „ d o ut des" Verknüpfung zwischen den Leistungen der beiden Parteien bestehen 20 . Benkös Vorschlag ist aber selbst dann abzulehnen, wenn man ihre unzutreffende Prämisse als richtig unterstellt, Vorbehaltsgeschäfte müßten nach W e g 1 vollzogen werden, so daß der Erwerber den Nießbrauch des Veräußerers bestellt. Objektiv können beide Leistungen nie gleichwertig sein, w e i l der Nutzungsweit einer Sache nicht so hoch sein kann wie ihr Substanzwert zuzüglich der Nutzungen 2 1 . Benkös Behauptung, für Erwerber und Veräußerer seien Übertra18 Vgl. etwa OGHBrZ, 18. Nov. 1948, Ζ 1, 258, 260; OLG München, 10. März 1942, HRR 1942, Nr. 544; OLG Frankfurt, 22. Aug. 1974, Rpfleger 1974, 429; BFH, 26. Feb. 1987, DB 1987, 2128 und 26. Nov. 1985, NJW 1986, 1009 (Wohnungsrecht). 19 So das OLG Bamberg, 3. Nov. 1948, NJW 1949, 788 f. Vgl. auch Olzen, 26 bei Fn. 11. Das OLG nimmt bei einem komplexen Vertrag eine Auflagenschenkung an. Aus dem Zusammenhang wird aber klar, daß es ohne die sonstigen Verpflichtungen des Erwerbers eine uneingeschränkte Schenkung angenommen hätte. 20 Vgl. zum gegenseitigen Vertrag Palandt-Heinrichs, Einführung vor § 320 Anm. 1 c sowie die Urteile des RG, 5. April 1935, Ζ 147, 340, 342 und des BGH, 21. Okt. 1954, Ζ 15, 102, 105. — Zu „do ut des" vgl. Liebs, 60. 2 1 Vgl. auch Schulze zur Wiesche, GmbHR 1977, 157.
I. Isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt
101
gung und Nießbrauchsbestellung subjektiv äquivalent, ist eine Unterstellung, die der psychologischen Realität nicht gerecht w i r d 2 2 . I m Gegensatz zu den von ihr i n diesem Zusammenhang angeführten Beispielsfällen des Kaufs von Antiquitäten oder K u r i o s a 2 3 glaubt bei der Übertragung des Eigentums unter Nießbrauchsvorbehalt kein Eigentümer, seine Leistung und die seines Vertragspartners seien gleichwertig. Jeder weiß, daß m i t der Übertragung des Eigentums und der Einräumung des Nießbrauchs auch subjektiv kein „gutes Geschäft" zu machen ist. Es fehlt überhaupt das Bewußtsein zum Austauschgeschäft. Der Veräußerer geht zu Recht davon aus, daß der Nießbrauch an einer Sache weniger wert ist als ihr unbelastetes Eigentum und daß i h m der Nießbrauch nichts gibt, was i h m nicht schon als Eigentümer zustand: Beides w i r d von einem Vergleich der §§ 903 und 1030 B G B eindrucksvoll bestätigt. Benkös Hauptargument für die subjektive Äquivalenz und damit den gegenseitigen Vertrag ist die Forderung, daß der Veräußerer das Recht haben müsse, den ganzen Vertrag rückgängig zu machen, wenn der Erwerber den Nießbrauch nicht bestelle. Dies sei i h m nur beim gegenseitigen Vertrag m ö g l i c h 2 4 . Sie übersieht, daß dies auch bei einer Schenkung möglich ist, wenn eine ausdrückliche Vereinbarung dahin geht 2 5 oder dem Vertrag — was naheliegend erscheint — eine solche Bestimmung i m W e g der ergänzenden Vertragsauslegung entnommen werden kann. Zudem schiebt sie i n diesem Zusammenhang § 530 B G B zu Unrecht achtlos beiseite 2 6 beziehungsweise übersieht i h n 2 7 . Ungeachtet dessen ist bereits ihre Forderung, der Veräußerer benötige i m Fall der Nichtbestellung des Nießbrauchs durch den Erwerber den Schutz des Rücktrittsrechtes, i n Zweifel zu ziehen. Bei W e g 2 und einer Qualifikation als reine Schenkung kann dieser Fall gar nicht eintreten. Qualifiziert man den Rechtsgrund der isolierten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt m i t der herrschenden Meinung als Schenkung unter Auflage, hat der Veräußerer gegen den Erwerber einen einklagbaren Leistungsanspruch auf die Bestellung des Nießbrauchs 2 8 . Entsprechendes gilt i m allein noch denkbaren Fall der Qualifikation als gemischte Schenkung 2 9 . Weigert 22 Vgl. Schulze zur Wiesche, GmbHR 1977, 157: Dem Beschenkten fehlt das Bewußtsein, seinerseits etwas geleistet zu haben. 23 Benkö, 52 in Fn. 82. 24 Benkö, 40-53. 25 Auf S. 43 nennt Benkö dafür selbst praktische Fälle, die sie aber (wohl) nicht mehr als Schenkungen ansieht. 26 Benkö, 43. 27 Benkö, 48. 28 Daß die Auflage eine vom Schenker einklagbare Leistungspflicht des Beschenkten begründet, folgt schon aus dem Wortlaut des § 525 Abs. 1 BGB und ist allgemeine Meinung. Vgl. nur Staudinger (\2)-Reuss, § 525 Rdnr. 4,6 und 29; Jauernig-Vollkommer, §§ 525-527, Anm. 1 a sowie MiinchKomm-Kollhosser, § 525 Rdnr. 6 und 7 und Soergel (11 )-Mühl, §525 Rdnr. 1. 29 Bei der gemischten Schenkung, die, soweit die Gegenleistung reicht, entgeltliches Geschäft ist, ist die Einklagbarkeit der Gegenleistung selbstverständlich.
102
§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
sich der Erwerber, den Nießbrauch zu bestellen, kann er v o m Veräußerer auf Abgabe der erforderlichen Willenserklärungen verklagt werden. M i t der Rechtskraft des klagstattgebenden Urteils gelten seine Erklärungen nach der Fiktion des § 894 Z P O als abgegeben. Der Nießbrauch gelangt ohne M i t w i r k u n g des Erwerbers zur Entstehung. Es ist bezeichnend, daß Benkö ihre Qualifikation als gegenseitiger Vertrag i m Ergebnis nicht durchhält. I m K o n f l i k t zwischen bindenden Verfügungen von Todes wegen und lebzeitigen Eigentumsübertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt wendet sie § 2287 B G B an, obwohl diese Vorschrift eine „Schenkung" voraussetzt. Benkö vermeidet das Ergebnis der Unanwendbarkeit dieser Vorschrift auf dem zweifelhaften Weg, sie als „allgemeine Mißbrauchsgrenze zu § 2286 B G B " einer „erweiternden Auslegung" zu unterwerfen 3 0 .
b) Die Qualifikation
als gemischte
Schenkung
Die Qualifikation als gemischte Schenkung ist ebenfalls abzulehnen. Nach der Untersuchung des Vollzugs der typischen Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt steht fest: Rechtsgrund kann keine gemischte Schenkung sein. Sie liegt nach allgemeiner Ansicht nur dann vor, wenn beide Parteien primäre Leistungspflichten treffen und der Parteiwillen bestimmt, daß der Mehrwert der Leistung des einen Teils dem anderen T e i l unentgeltlich zugewendet werden s o l l 3 1 . Der Erwerber w i r d beim V o l l z u g der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt überhaupt nicht aktiv. Das schuldrechtliche Grundgeschäft verpflichtet ihn zu nichts. M a n kann deshalb nicht sagen, die Leistung des Veräußerers übertreffe die des Erwerbers an Wert. A u c h unter der Prämisse, W e g 2 sei unzulässig, ist die Qualifikation einer isolierten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt als gemischte Schenkung abzulehnen. Dabei kann dahinstehen, ob sich der Bundesgerichtshof Benkö 32
an der von
angezogenen Stelle 3 3 für sie ausgesprochen hat. Dagegen spricht, daß
i n dem von i h m zu entscheidenden Fall der zu beurteilende Vertrag auch eine Zahlungspflicht des Erwerbers begründete, also gar keine isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt vorlag. Unabhängig hiervon wäre diese Auffassung zwar verglichen m i t der Annahme eines gegenseitigen Vertrages näherliegend. Wenn man nur Vollzugsweg 1 vor Augen hat, kann man immerhin fragen, ob 30 Benkö, 86. — Die Frage, ob Benkö auch § 2325 BGB in diesem Sinn erweiternd auslegt, so daß diese Vorschrift auch auf Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt anwendbar wäre, wird von ihr weder gestellt noch beantwortet. Sie müßte wohl bejaht werden, da sonst krasse Unbilligkeiten unvermeidbar wären. 31 Vgl. nur Staudinger (12)-Reuss, §516 Rdnr. 21 und Soergel (11 )-Mühl, §516 Rdnr. 21. 32 Benkö, 45. 33 BGH, 5. Juli 1972, Ζ 59, 343, 352.
I. Isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt
103
nicht die Leistung des Veräußerers, die Übertragung, nur teilweise unentgeltlich erfolgen soll, teilweise aber auch als Entgelt für die Leistung des Erwerbers, die Bestellung des Nießbrauchs, anzusehen i s t 3 4 . Die Qualifikation als gemischte Schenkung ist jedoch letztlich zu verwerfen. Der schlagendste Gegeneinwand ist psychologischer Natur: W e r einen Gegenstand unter Nießbrauchs vorbehält überträgt, empfindet den Nießbrauch regelmäßig nicht als (auch nur teilweises) Entgelt des Erwerbers für die Übertragung, sondern als ein Stück eigener Rechtsmacht, das er sich selbst zurückbehalten hat. M i t anderen Worten: Bei einer isolierten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt kann das Bewußtsein eines Leistungsaustausches „ i m Z w e i f e l " nicht angenommen werden 3 5 . So hat auch der Bundesgerichtshof
schon wiederholt betont, daß bei einer Übertragung unter
Nießbrauchsvorbehalt die Bestellung des Nießbrauchs „keine Gegenleistung" des Erwerbers sein k a n n 3 6 , was Voraussetzung für die Qualifikation als gemischte Schenkung wäre. Der Bundesfinanzhof
ist gleichfalls der Auffassung, daß der
vorbehaltene Nießbrauch keine Gegenleistung des (Grundstücks-)Erwerbers i s t 3 7 . Dieser Beurteilung durch den Bundesfinanzhof im
ersten
und
zweiten
(bundesweiten)
hat sich die Finanzverwaltung
„Nießbrauchserlaß"
ausdrücklich
angeschlossen 38 .
c) Die Qualifikation
als Schenkung unter Auflage
A u c h die Qualifikation der isolierten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt als Schenkung unter Auflage i m Sinn der §§ 525 ff. B G B ist abzulehnen. Sie ist mit den Erkenntnissen des Vollzugs der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt unvereinbar. Das typische Vorbehaltsgeschäft w i r d nach W e g 2 vollzogen. Bei der Bestellung des Eigennießbrauchs durch den Veräußerer vor der Übertragung w i r d der Erwerber überhaupt nicht tätig. Eine Auflage, die den Erwerber dazu verpflichtet, dem Veräußerer einen Nießbrauch zu bestellen, besteht also gerade nicht. Der Erwerber erwirbt uneingeschränkt, wenn auch belastet.
34 Was Voraussetzung für eine gemischte Schenkung wäre, vgl. Planck-Knoke, § 516 Anm. 6 A. 35 So Schulze zur Wiesche, GmbHR 1977, 157. Anderes soll nach ihm gelten, wenn der Nießbrauch neben anderen Leistungen (Bargeld etc.) als (Teil-)Entgelt eingeräumt wird (NJW 1975, 2090 und GmbHR 1977, 184), also nach der hier vorgeschlagenen Terminologie keine isolierte Übertragung unter Nießbrauchs vorbehält vorliegt; vgl. hierzu unten bei Fn. 110 ff., 118. 36 BGH, 29. März 1985, Ζ 94, 141 ff. und 28. Sept. 1983, NJW 1984, 121, 122 (insoweit in Ζ 88, 269 ff. nicht abgedruckt). Vgl. auch BGH, 13. März 1952, I V ZR 101/51, S. 6 (unveröffentlicht), wonach bei „wirtschaftlicher Betrachtungsweise" bei einer isolierten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ein „voll unentgeltlicher Erwerb" vorliegt. 37 BFH, 28. Juli 1981, NJW 1982, 256. 38 Vgl. die Erlasse vom 23. Nov. 1983, BStBl I 1983, 511 Rdnr. 36 und vom 15. Nov. 1984, BStBl I 1984, 564 Rdnr. 38.
104
§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
Die Einordnung als Auflagenschenkung hätte allerdings unter der Prämisse, daß Vorbehaltsgeschäfte nur nach Weg 1 vollzogen werden können, einiges für sich. Zwar enthält die übliche Formulierung i n einem Vorbehaltsgeschäft wörtlich genommen keine Auflage, sondern hat etwa folgenden Wortlaut: X überträgt Y schenkweise den Gegenstand Z , behält sich daran aber den lebenslangen Nießbrauch vor. Unterstellt, nur W e g 1 sei zulässig, ist es aber möglich, ihr i m Wege der Auslegung (§§ 157, 242 B G B ) die Auflage für den Erwerber zu entnehmen, dem Veräußerer den Nießbrauch zu bestellen. Das Vorbehaltsgeschäft müßte in diesem Fall nämlich auch Rechtsgrund der Bestellung des Nießbrauchs für den Veräußerer durch den Erwerber sein. Die Qualifikation als Auflagenschenkung ist dann der als gemischte Schenkung deutlich überlegen. Für die Parteien ist es — auch psychologisch — näherliegend, sich die Einräumung des Nießbrauchs als Minderung der Leistung des Veräußerers vorzustellen, denn als (auch nur teil weises) Entgelt des Erwerbers für die Übertragung durch den Veräußerer 3 9 . U n d eine reine Schenkung ohne Auflage oder andere Beschränkungen anzunehmen, ist i n diesem Fall deshalb möglicherweise zweifelhaft, w e i l der Erwerber dann nicht einklagbar verpflichtet wäre, den Nießbrauch des Erwerbers zu bestellen 4 0 . Das Vorbehaltsgeschäft beinhaltete eine bloße Rechtsgrundabrede für den Fall, daß der Erwerber vereinbarungsgemäß den Nießbrauch bestellt 4 1 , der i m Gegensatz zur Auflagenschenkung keine Verpflichtung zur Bestellung korrespondierte. I m Fall der Untätigkeit bliebe dem Veräußerer bei einer reinen Schenkung nur der Widerruf nach § 530 B G B . A u c h wenn man unterstellt, nur W e g 1 sei zulässig, könnte allerdings gegen die Qualifikation als Auflagenschenkung durch die herrschende Meinung vorgebracht werden, sie widerspreche dem historisch gewachsenen Verständnis des Rechtsinstituts der Schenkung unter Auflage. I m gemeinen Recht war die Auflagenschenkung unter dem Begriff „donatio sub m o d o " bekannt 4 2 . Die Verfasser des B G B griffen auf dieses „eingebürgerte" Rechtsinstitut zurück, ohne es inhalt39 Zu diesem — nicht unproblematischen — Abgrenzungskriterium vgl. Schulze zur Wiesche, NJW 1975, 2089, 2090; Planck-Knoke, § 525 Anm. 1 c und Jauernig-Vollkommer, §§ 525-527 Anm. 1 c aa. Aus der Rspr. vgl. OGHBrZ, 18. Nov. 1948, Ζ 1, 258, 261 = NJW 1949, 260, 261 mit zust. Anm. von Coing. Unklar Martin, BB 1981, 1324, 1325. Umfassend zur Abgrenzung beider Institute Olzen, 26 ff. — Bedenklich Barth, DB 1987, 1164, der beide Begriffe synonym gebraucht. 40 Im Gegensatz zur Schenkung unter Auflage, vgl. nur Soergel (11 )-Mühl, § 525 Rdnr. 1. 41 Wenn selbst dies nicht der Fall wäre, könnte der Erwerber, auch nachdem er den Nießbrauch bestellt hätte, gemäß §§ 812 ff. BGB jederzeit verlangen, daß der Veräußerer den Nießbrauch nach §§ 875, 1064 oder 1072 BGB aufhebt. 42 Vgl. hierzu Windscheid/Kipp, I I § 368 Anm. 12 ff.; Dernburg, Pandekten I I § 106 Anm. 16, der entgegen der herrschenden Meinung die donatio sub modo nicht als eigene „Art" von Schenkungen verstanden wissen will; Savigny, System I V § 175, 280 ff.; Sintenis, I § 21 bei Anm. 30 ff. und § 23 bei Anm. 12. Vgl. auch Windscheid, AcP 78 (1892) 161, 181 ff. und Lenel, AcP 79 (1892) 49, 75 ff. Aus der Rspr. vgl. etwa das Urteil des RG vom 4. Jan. 1887, Ζ 18, 176, 180 ff.
I. Isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt
105
lich-sachlich gegenüber dem gemeinen Recht verändern zu w o l l e n 4 3 ; die gemeinrechtliche Dogmatik ist also auch für das geltende Recht von Bedeutung. I m gemeinen Recht war die schenkweise Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt kein Fall der donatio sub modo. Dieser Schluß ist schon deshalb naheliegend, w e i l Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und unter Auflage zum T e i l unter dem Oberbegriff „Schenkungen unter Beschränkungen" gegenübergestellt werden 4 4 . Zudem w i r d die Schenkung unter Nießbrauchs vorbehält i n keinem Beitrag zum gemeinen Recht als Beispiel einer Auflagenschenkung genannt, auch dann nicht, wenn an anderer Stelle auf sie ausdrücklich eingegangen w i r d 4 5 . Verstärkt w i r d diese Folgerung noch durch die unterschiedliche Behandlung der Kautionspflicht. I m gemeinen Recht mußte der Nießbraucher dem Eigentümer auf dessen Verlangen für die richtige Erfüllung aller seiner Verpflichtungen Sicherheit bestellen 4 6 . Bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt war der Schenker von dieser Sicherheitsleistungspflicht befreit 4 7 . U m gekehrt war bei einer Schenkung unter Auflage sehr bestritten, ob der Beschenkte verpflichtet sei, dem Schenker auf dessen Verlangen vor Leistung des Schenkungsgegenstandes Sicherheit für die Erfüllung der Auflage zu bestellen 4 8 . Wäre die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt als Auflagenschenkung qualifiziert worden, wäre bei der Erörterung der Pflicht des Beschenkten, Kaution zu leisten, auf die Befreiung des Schenkers von der Kautionspflicht des Nießbrauchers 43 So die Motive bei Mugdan, I I 166 = Motive, I I 299: „Der Entwurf enthält keine allgemeinen Bestimmungen über den Modus. Die gewählte Bezeichnung Auflage ... ist ... dergestalt eingebürgert, daß sowohl ihre Aufnahme, als das Absehen von jeder Art von Definition keinen Bedenken unterliegt". 44 So Sintenis, I § 23 nach Anm. 24. 45 Vgl. die in Fn. 42 zitierten Autoren. Das Urteil des RG, Ζ 18, 176, steht zu dieser Aussage nicht im Widerspruch. Der von ihm beurteilte Sachverhalt betraf keine isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt, sondern einen sehr komplexen Übergabevertrag. — Das preußische Recht stellte die „donatio sub modo" den „lästigen Verträgen" gleich; vgl. ALR I 11 §§ 1053-1057 und Koch, ALR Anm. 22 zu § 1053. Auch zum ALR wurde nicht vertreten, daß die unentgeltliche Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt eine Auflagenschenkung sei (vgl. die Ausführungen von Förster/Eccius, I I § 122 bei Anm. 182 ff., Bornemann, ΠΙ § 210, 2 b und Koch, a.a.O.). 46 Die sogenannte cautio usu fructuaria; vgl. hierzu WindscheidIKipp, I § 204 Anm. 6 ff.; Dernburg, Pandekten I § 248 Anm. 8 ff.; Sintenis, I § 59 Anm. 36 ff. und Glück, IX § 654,475-484. Ebenso das Appellations gericht Celle, 21. Sept. 1875, SeuffA Bd. 31 Nr. 207. — Die Verfasser des BGB lehnten eine allgemeine Kautionspflicht des Nießbrauchers mit dem preußischen ALR und dem österreichischen ABGB ab, vgl. § 1051 BGB und Motive bei Mugdan, I I I 289 = Motive, I I I 518 f. Wie das gemeine Recht noch heute Art. 601 Ce, vgl. Ferid/Sonnenberger, I I 794 und — bei verbrauchbaren Sachen und Wertpapieren — Art. 760 Abs. 2 ZGB der Schweiz. Umfassend rechts vergleichend Rheinstein, Rechtsvergleichendes Handwörterbuch V 437 f. 47 So die genannten gemeinrechtlichen Autoren und das Appellations gericht Celle, a.a.O. Ebenso noch heute Art. 761 Abs. 1 des Schweizer ZGB und Art. 601, 2. Halbsatz Cc. Vgl. zum französischen Recht Ferid/Sonnenberger, I I 794 und Zachariä/ Crome , I 624 ff. 48 Für die Kautionspflicht des Beschenkten Glück, I V § 336,467 f.; hiergegen Sintenis, I § 21 Anm. 27.
106
§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
hingewiesen worden. Endgültig bestätigt w i r d die These, das gemeine Recht und i h m folgend die Verfasser des B G B hätten die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht als Auflagenschenkung aufgefaßt, schließlich durch einen Hinweis i n den Motiven.
Sie führen bei der Erörterung der Auflagenschenkung aus,
der Code c i v i l 4 9 enthalte keine besonderen Bestimmungen über die donatio sub m o d o 5 0 . Ausdrücklich erwähnt w i r d i m Code c i v i l aber i n Art. 949, 950 die Schenkung, „bei welcher sich der Geber die Nutznießung vorbehält" 5 1 . Hieraus erhellt zweifelsfrei, daß die Verfasser des B G B die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht als Anwendungsfall der donatio sub modo aufgefaßt haben 5 2 . Diese historische Argumentation ist indes nur bedingt geeignet, die herrschende Qualifikation der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt als Auflagenschenkung zu erschüttern. Es liegt auf der Hand, daß sie sich primär gegen die — dem gemeinen Recht widersprechende — Prämisse richtet, Vorbehaltsgeschäfte könnten nur nach W e g 1 vollzogen werden. Gegen die herrschende Meinung und ihre Qualifikation der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt als Auflagenschenkung ist weiter einzuwenden, sie verursache i m Zusammenhang mit § 107 B G B erhebliche Widersprüche und Schwierigkeiten.
Ist zu entscheiden, ob ein Rechtsgeschäft für einen Minderjährigen
rechtlich lediglich vorteilhaft ist, w i r d ganz überwiegend betont, daß eine Schenkung unter Auflage nicht nur rechtliche Vorteile bringe 5 3 . Demgegenüber w i r d nicht weniger verbreitet vertreten, eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sei für den Minderjährigen rechtlich nur vorteilhaft 5 4 . Für beide Schenkungsformen ergeben sich nach der herrschenden Meinung also aus § 107 B G B unterschiedliche Rechtsfolgen. 49
Zu dessen damaliger Geltung in Teilen Deutschlands vgl. unten § 8 vor I in Fn. 5. so Vgl. die Motive bei Mugdan, I I 166 = Motive, I I 299 f. in der Fn. * * * . 51 Zu Art. 949,950 Cc vgl. Ferid!Sonnenberger, I I 198 und Zachariä! Crome, I V 406. 52 Das gilt auch für den Code civil. Danach sind Auflagen im engeren Sinn (echte „charges") solche, die vom Beschenkten eine Leistung fordern (Ferid!Sonnenberger, I I 204). Bei der (schenkweisen) Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt geht jedoch das französische Recht von einem Vollzugsweg 3 ähnlichen Vorgang aus („constitution par voie de rétention"), das heißt einer Übertragung des Eigentums unter Rückbehalt des Nießbrauchs, so daß vom Beschenkten keine Leistung erbracht wird (vgl. Ferid! Sonnenberger, I I 789). Dies folgt auch aus Art. 899 Cc, wonach Verfügungen unter Lebenden oder durch Testament gültig sind, durch welche einer Person der Nießbrauch, der anderen das nackte Eigentum zugewandt wird (dazu Ferid!Sonnenberger, I I I 565 und Zachariä! Crome, I V 373 f.). Der Code civil kennt also eine dem römischen Vindikationslegat deducto usu fructu heredis gleichende Regelung. 53 Jauernig, § 107 Anm. 2 b bb; Palandt-Heinrichs, § 107 Anm. 2 b dd; Erman-Brox, § 107 Rdnr. 5 a.E.; MünchKomm-Gitter, § 107 Rdnr. 18; Staudinger (\2)-Dilcher, § 107 Rdnr. 14; Soergel (\2)-Hefermehl, § 107 Rdnr. 3 und AK-Kohl, § 107 Rdnr. 10. 54 Jauernig, § 107 Anm. 2 c; Palandt-Heinrichs, § 107, Anm. 2 b aa; Erman-Brox, § 107 Rdnr. 6; MünchKomm-Gitter, § 107 Rdnr. 10 f.; Staudinger (\2)-Dilcher, § 107 Rdnr. 16; Soergel (\2)-Hefermehl, § 107 Rdnr. 4; AK-Kohl, § 107 Rdnr. 21; Pawlowski, Rdnr. 180 und Flume, Rechtsgeschäft 192.
I. Isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt
107
U m dieser Diskrepanz die Schärfe zu nehmen und die differierenden Rechtslagen zu begründen, wurde angeregt, zwischen Schenkungen m i t Belastungsauflagen und solchen m i t sonstigen Auflagen zu unterscheiden 5 5 , wobei nur die ersteren als nicht rechtlich nachteilhaft zu qualifizieren seien. Dieser Vorschlag ist aber wenig hilfreich. Die Differenzierung findet i m Gesetz keinen Anhaltspunkt. A u c h erscheint es nicht einsichtig, daß trotz der Verpflichtung des Beschenkten, dem Schenker am geschenkten Grundstück i m Wert v o m
DM
1 000 0 0 0 , - einen Nießbrauch i m Wert von D M 380 800,— zu bestellen, die Schenkung rechtlich lediglich vorteilhaft bleiben soll, während die Verpflichtung des Schenkers, dem Beschenkten jedes Jahr 10% der Mieteinnahmen zu überlassen, das Rechtsgeschäft insgesamt rechtlich nachteilig mache. Das Beispiel zeigt: Die isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist keine Verpflichtung zur Belastung, sondern Rechtsgrund eines belasteten Erwerbs. Wäre es anders, dürfte i m Bereich des § 107 B G B nicht differenziert werden. Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt müßten dann wie andere Schenkungen unter Auflage behandelt werden. Daß nach der herrschenden Meinung Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt rechtlich nur vorteilhaft sein sollen, Schenkungen, die auch nur die geringste (Auflagen-)Verpflichtung des Beschenkten begründen, aber nicht, zeigt, daß Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt gar keine Verpflichtung des Beschenkten nach sich ziehen.
d) Ergebnis:
Reine Schenkung
Richtig ist allein die Qualifikation des Rechtsgrundes einer isolierten Übertragung unter Nießbrauchs vorbehält als uneingeschränkte Schenkung i m Sinn des § 516 B G B 5 6 . Die Untersuchung des Vollzugs hat ergeben, daß nur der Veräußerer etwas leistet, der Erwerber aber nicht. Daraus folgt zwingend, daß der zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag dem Erwerber keinerlei Leistungspflichten auferlegt. Die Schenkung ist ein sogenannter einseitig verpflichtender Vertrag 5 7 . Eine andere Qualifikation ist nicht mehr denkbar. A l s Ergebnis ist daher festzuhalten: E i n schuldrechtlicher Vertrag, der den einen T e i l zur isolierten Übertragung eines Gegenstandes unter Nießbrauchsvorbehalt an den anderen verpflichtet, ist reine Schenkung, unabhängig davon, auf welchem sachenrechtlichen W e g er vollzogen wird. Damit erweist sich der Gebrauch des für solche Geschäfte üblichen Terminus „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" als zutreffend.
55 Klüsener, Rpfleger 1981, 264 und Stürner, AcP 173 (1973) 423 und 428. Ähnlich AK-Kohl, § 107 Rdnr. 21 und Olzen, 187-194. 56 Wie hier anscheinend nur noch das OLG Bamberg, 3. Nov. 1948, NJW 1949, 788 f. (vgl. auch Olzen, 26 bei Fn. 11). 57 Hierzu Palandt-Heinrichs, Einführung vor § 320 Anm. l.a.
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§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" I I . Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt als gestreckter Erwerb
Zuwendungsobjekt einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist einmal der m i t dem Nießbrauch des Schenkers belastete Gegenstand. Sein Wert, also der Wert der Sachsubstanz ohne die Sachnutzungen 5 8 , w i r d i m folgenden als „Hüllenwert" (Wh) bezeichnet 5 9 . Er entspricht der Differenz aus dem Wert des unbelasteten Gegenstandes, das heißt des „Sachwertes" (W5), und dem kapitalisierten Nießbrauchswert (W N) Œ.
Der Hüllenwert fließt dem Beschenkten unmit-
telbar m i t der Übertragung des belasteten Gegenstandes v o m Veräußerer auf den Erwerber zu, durch die die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt vollzogen wird. Die einzige Leistungshandlung des Schenkers, die Übertragung der nießbrauchsbelasteten Sache, bewirkt also unmittelbar einen Leistungs(teil)erfolg, die Bereicherung des Beschenkten um den Wert W H. M i t der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt w i r d außerdem eine Anwartschaft des Beschenkten auf den Wegfall der Belastung seines Eigentums begründet 6 1 . M i t jedem abgelaufenen Lebensjahr 6 2 des Schenkers erhöht sich der Wert des i m Vermögen des Beschenkten befindlichen Gegenstandes „belastetes Eigentum" u m die Differenz aus dem alten Wert des kapitalisierten Nießbrauchs und dem neuen, aktualisierten Wert, der wegen des höheren Alters des Schenkers und der damit gesunkenen Lebenserwartung stets etwas niederer ist. Parallel dazu verliert der Wert des kapitalisierten Nießbrauchs des Schenkers m i t zunehmendem Lebensalter an Wert. Der Wertzuwachs auf der einen Seite entspricht betragsmäßig genau der Wertminderung auf der anderen Seite 6 3 . Es
ss Genauer: Der Wert der Sachsubstanz und der zukünftigen Sachnutzungen ohne die gegenwärtigen Sachnutzungen, vgl. Kessler, BB 1985, 1386 ff. und zu ihm sogleich unten bei Fn. 76 ff. 59 Mit Kesslers Ansatz, BB 1985, 1386 ff., ist die Vorstellung vereinbar, daß für die Dauer des Nießbrauchs der Eigentümer nur Inhaber einer mit dem Ablauf des Nießbrauchs dicker werdenden „Hülle" ist, so daß die Bezeichnung „Hüllenwert (Wh)" zulässig scheint. Zumindest unglücklich ist es, wenn Crezelius, 111, das nießbrauchsbelastete Eigentum generell als „leere Hülse" bezeichnet. Bei sehr hohem Alter des Nießbrauchers fehlt dem Eigentümer wertmäßig nur noch ein kleiner Kern. 60 Der Wert des Nießbrauchs wird dadurch kapitalisiert, daß man seinen jährlichen (Netto-)Ertrag (E N) mit einem, vom Lebensalter des Nießbrauchers abhängigen Vervielfältiger multipliziert. 61 Ähnlich wie hier auch Petzoldt, BB 1975, 37, wonach bis zur Beendigung des Nießbrauchs (§ 1061 BGB) bei einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt „der Erwerb der Nutzungen" mit einem Erwerb unter einer Befristung oder Bedingung verglichen werden kann. Bedingte und befristete Rechtsgeschäfte sind nämlich Hauptbeispiele für die Entstehung eines Anwaltschaftsrechtes, vgl. Jauernig, § 158 Anm. 3 und PalandtHeinrichs, Einf. vor § 158 Anm. 3 b. 62 Die Lebenserwartung sinkt tatsächlich nicht in jährlichen Schritten, sondern in der Tat „fließend", nämlich täglich. Statistisch erfaßt wird sie aber nur in von ganzen Lebensjahren ausgehenden Sterbetafeln, auf denen auch die Vervielfältiger, mit deren Hilfe der Nießbrauch kapitalisiert wird, basieren.
II. Schenkung unter Nießbrauchsvorbehlt als gestreckter Erwerb
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liegt ein „gestreckter Erwerb" vor, die Weitbewegung v o m Schenker zum Beschenkten erfolgt „fließend". Beendet w i r d der Erwerb des Beschenkten durch das Ende des Nießbrauchs, i n der Regel also durch den T o d des Schenkers. M i t dem Erlöschen des Nießbrauchs befindet sich der lastenfreie Gegenstand i m Vermögen des Beschenkten. Diesem ist m i t h i n der ganze Verkehrswert (Ws) des Gegenstandes ohne jede Gegenleistung zugeflossen. Der Leistungserfolg ist vollständig eingetreten. Vergleichbar ist dieser Fall m i t der Anwartschaft des Vorbehaltskäufers. Sie steigt m i t jeder (Kaufpreis-) Ratenzahlung des Käufers i m W e r t 6 4 . Parallel dazu verliert die Rechtsstellung des Vorbehaltsverkäufers m i t dem Erhalt jeder Rate v o m Käufer an Wert. A u c h hier entspricht der Wertzuwachs beim Käufer betragsmäßig genau der Wertminderung beim Verkäufer. Beendet w i r d der gestreckte Erwerb des Käufers durch die Zahlung der letzten Rate an den Verkäufer 6 5 . Der entscheidende Unterschied liegt darin, daß beim Vorbehaltskauf jeweils einer Leistung des Käufers, die Zahlung der Rate, ein Wertzuwachs entspricht, während bei der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sowohl die Übertragung des belasteten Gegenstandes als auch der danach einsetzende fortlaufende Wertzuwachs ohne Gegenleistung erfolgen. Betrachtet man nun allein die Zuwendung einer Vorbehaltsschenkung, also den gestreckten Erwerb, von ihrem Anfang, dem dinglichen V o l l z u g durch Übertragung des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes, bis zu ihrem Ende, dem T o d des Schenkers, so fällt auf, daß der Nießbrauch des Schenkers m i t steigendem Lebensalter immer weniger wert wird, bis er mit dem T o d den Wert „ N u l l " erreicht 6 6 . U n d i m gleichen Maße steigt der Wert des Gegenstandes i m Vermögen des Beschenkten, bis er m i t dem T o d des Schenkers wegen des Endes des Nießbrauchs den vollen Sachwert W s erreicht, w e i l die dingliche Last v ö l l i g weggefallen ist. Dieser eigentliche fließende Wertzuwachs setzt unmittelbar nach dem V o l l z u g der Schenkung ein und w i r d mit dem Erbfall beendet. Während sich der Wert des Nießbrauchs W N asymptotisch dem Wert „ N u l l " annähert 6 7 , 63 So auch der BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 286. Danach nimmt der Wert des Nießbrauchs mit der zurückgehenden Lebenserwartung des Nießbrauchers ab und im gleichen Maße nimmt der Wert des belasteten Gegenstandes zu. 64 Vgl. zum Eigentumsvorbehalt beim Kauf allgemein Baur, § 59. Zur „Bewegung der Wertverteilung" beachte besonders die anschauliche Graphik bei § 59 I 2 a, S. 590. Sie läßt sich auch für das verwandte Phänomen bei der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nutzen. 65 Vgl. Baur, § 59 I I 2 a. 66 Nach Petzoldt, GmbHR 1987, 381, löst sich der Nießbrauch mit dem Tod des Nießbrauchers „in ein wirtschaftliches Null" auf. 67 Es handelt sich um eine asymptotische Annäherung, weil ein Lebender nie eine Lebenserwartung von „Null" hat; ebensowenig kann sein Nießbrauch den Wert „Null" erreichen. So hat ein 50jähriger noch eine Lebenserwartung von 23 Jahren, gleichwohl hat ein 73jähriger noch eine von 8 Jahren; Schneider/Schlundf Haas, 137. Die Lebenserwartung wird also ständig „aktualisiert".
110
§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
den er dann m i t dem T o d des Schenkers abrupt erreicht, nähert sich der Hüllenwert W H auf gleiche Weise dem Wert W s an, den er beim Erbfall gleichfalls abrupt erreicht. Die fließende Wertbewegung aus dem Vermögen des Schenkers i n das des Beschenkten soll m i t Hilfe eines Beispielsfalles näher untersucht werden; dabei soll zunächst der Einfachheit halber davon ausgegangen werden, daß W s selbst während der Dauer des Nießbrauchs konstant bleibt: Der 50jährige E schenkt S fünf Jahre vor seinem T o d unter Nießbrauchsvorbehalt ein bebautes Grundstück i m Wert von D M 1 000 000 und m i t einem Jahresnettoertrag von D M 50 000. Der Vervielfältigungsfaktor ist bei einem 50jährigen M a n n 12,384 6 8 . Der kapitalisierte Nießbrauchs wert beträgt also D M 619 2 0 0 6 9 . V o r dem V o l l z u g der Schenkung ist i m Vermögen des Schenkers der Wert W s, also D M 1 000 000, i n dem des Beschenkten nichts. A m Tag der Eintragung des belasteten Erwerbs ins Grundbuch w i r d das Vermögen des Schenkers u m D M 380 800 gemindert, das des Beschenkten u m diesen Betrag, den Hüllen wert W H, vermehrt. 1 Jahr nach dem Schenkungsvollzug ist der Wert des Nießbrauchs W N nicht mehr D M 619 200, sondern nur noch D M 606 6 0 0 7 0 . Entsprechend beträgt W H i m Vermögen des Beschenkten schon D M 393 400. Wieder 1 Jahr später beträgt W N nur noch D M 593 650, i m Vermögen des Beschenkten befindet sich also ein Hüllenwert W H i n Höhe von D M 406 350. 3 Jahre nach der Schenkung beträgt W N nur noch D M 580 550, W H aber schon D M 419 450 und 4 Jahre später lauten die Werte für W N beim Schenker D M 567 200 und W H beim Beschenkten D M 432 800. Nach 5 Jahren beläuft sich der Wert des Nießbrauchs auf D M 553 750 und der Wert i m Vermögen des Beschenkten auf D M 446 250. Stirbt nun der Schenker, erlischt sein Nießbrauch, und der Wert von D M 553 750 fällt nicht i n den Nachlaß. Statt dessen w i r d i m Zeitpunkt des Erbfalles unmittelbar das Vermögen des Beschenkten größer, i n dem sich nun der unbelastete Gegenstand befindet. Sein Wert von D M 1 000 000 ist deckungsgleich m i t dem vor dem Erbfall innegehabten Wert W H von D M 446 250 zuzüglich des Wertes des erloschenen Nießbrauchs von D M 553 750. Der Wert des „abrupten" Erwerbs aufgrund des Todes und des Erlöschens des Nießbrauchs gemäß § 1061 B G B ist also i n diesem Fall infolge des statistisch „ z u frühen" Todes mit 55 Jahren sehr hoch. Der A n t e i l des abrupten Erwerbes an der Gesamtzuwendung verkleinert sich zugunsten des fließenden Erwerbs m i t fortlaufender Lebensdauer des E. W i r d E 70 Jahre alt, lebt also noch 20 Jahre nach der Schenkung, beträgt der Wert des Nießbrauchs nur noch D M 347 100, der Hüllenwert beim Beschenkten schon D M 652 900. Infolge des Todes beträgt die Wertsteigerung beim Beschenkten 68 Nach Anlage 9 zu § 14 BewG. 69 D M 50 000 χ 12,384. 70 D M 50 000 χ 12,132, dem Multiplikator nach Anlage 9 zu § 14 BewG für einen 51jährigen Mann. Auch im folgenden wird W N so berechnet.
II. Schenkung unter Nießbrauchs vorbehält als gestreckter Erwerb
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also nur noch D M 347 100. W i r d E 80 Jahre alt, beträgt W N und damit der Wertzuwachs infolge seines Todes bei S nur noch D M 214 200; erreicht er das Alter von 90 Jahren, beläuft sich W N nur noch auf D M 119 700.
1. Dreistufige Wertbewegung Die Wertbewegung bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt vollzieht sich in drei Schritten 7 1 . Durch den V o l l z u g der Schenkung w i r d dem Beschenkten sofort der Hüllenwert W H zugewendet, der aus dem Wert der Sache W s abzüglich des kapitalisierten Nießbrauchswertes W N besteht. Der zweite Schritt ist die fließende Wertbewegung zwischen Schenkungsvollzug und Erbfall, deren Höhe von der Dauer des Nießbrauchs abhängt. Sie besteht darin, daß W N m i t zunehmendem Lebensalter des Schenkers immer kleiner w i r d und dementsprechend W H i m Vermögen des Beschenkten immer größer, da beide zusammen stets W s ergeben. Dieser T e i l der Vermögensmehrung des S findet also fließend statt; er beginnt sofort nach dem V o l l z u g und endet unmittelbar vor dem Erbfall. Der letzte Schritt besteht schließlich darin, daß durch den Erbfall der Nießbrauch wegfällt. Dementsprechend befindet sich i m Nachlaß des Schenkers kein Wert, während i m Vermögen des Beschenkten die unbelastete Sache ist. Die letzte Vermögenswertsteigerung beim Beschenkten entspricht dem Wert W N vor dem Erbfall. M i t ihr ist der Leistungserfolg vollständig eingetreten. Das B i l d der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt als Ursache einer dreistufigen Weitbewegung ist kein Gleichnis ohne Gleichheit, vielmehr gibt allein diese Vorstellung die rechtliche und ökonomische Realität der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zutreffend wieder. W i l l der Beschenkte das belastete Grundstück unmittelbar nach der Übereignung verkaufen, w i r d er — läßt man Preisveränderungen auf dem Grundstücksmarkt einmal außer Betracht — einen geringeren Preis erzielen, als wenn er sich zehn oder zwanzig Jahre später zum Verkauf entschließt. Der Nießbrauch eines 50jährigen ist voraussichtlich von längerer Dauer und w i r d daher v o m Käufer mit einem größeren Preisabschlag berücksichtigt als der eines 70jährigen 7 2 . U n d ist der Nießbraucher 90 Jahre oder 71 Nach Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19 läßt sich die Zuwendung als aus zwei Teilakten bestehend begreifen. Der Schenker begebe sich zunächst nur des Eigentums ohne das dingliche Recht und füge später die Nutzungsbefugnis hinzu. 72 Dieser Preisabschlag resultiert daraus, daß der Kaufpreis sofort zu bezahlen ist, während der Dauer des Nießbrauchs aber aus dem gekauften Grundstück keine Einnahmen erzielt werden können. Zahlte der Käufer in beiden Fällen den gleichen Preis, wären im Fall des 50jährigen Nießbrauchers daher entweder seine Opportunitätskosten oder seine Finanzierungskosten höher als im Fall des 70jährigen, da der längere Nießbrauch einen längeren Einnahmenausfall zur Folge hat. Das Opportunitätskostenprinzip verlangt, daß man bei der Kostenrechnung einer Investition Zinsen in Höhe des Nutzenentgangs bei einer alternativen Anlage des Kapitals in Rechnung stellt, in der Regel den durchschnittlichen Zinssatz auf dem Kapitalmarkt, vgl. Götzinger ! Michael, 72 und 77.
112
§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
älter, w i r d sich der erzielbare Kaufpreis i n der Nähe des Verkehrswertes des unbelasteten Grundstücks befinden. Dementsprechend ist der Wertzuwachs, der unmittelbar durch den T o d des Nießbrauchers eintritt, von dessen Alter und damit auch von der Dauer des Nießbrauchs abhängig.
2. Zeitablauf und Wertsteigerung Die Abhängigkeit des Wertes des belasteten Eigentums W H von der jeweiligen Lebenserwartung des Nießbrauchers erhellt die überragende Bedeutung des Faktors Zeit. Es ist nämlich keineswegs so, daß der Hüllenwert W H deshalb i m Laufe der Zeit „fließend" steigt und i m Gleichschritt dazu der Nießbrauchswert W N deshalb sinkt, w e i l die Nutzungen der Sache allmählich übergehen. Nach § 1030 Abs. 1 B G B ist der Nießbraucher berechtigt, die Nutzungen der Sache zu ziehen. Das bedeutet soviel wie „ a l l e " Nutzungen während der Dauer des Nießbrauchs 7 3 , so daß der 90jährige Nießbraucher die gleichen Nutzungen zieht wie der 50jährige 7 4 . Vielmehr verändert sich durch den Zeitablauf nur die voraussichtliche Dauer des Nießbrauchs und damit der Zeitraum bis zum Eintritt der Lastenfreiheit. Was sich verändert ist die Nähe zum wahrscheinlichen Ende der Frist, während der der Nießbraucher das Nutzungspotential der Sache zur Verfügung h a t 7 5 . Anders ausgedrückt: Der Hüllenwert des belasteten Eigentums W H steigt nicht deshalb, w e i l das belastete Eigentum bei sinkender Lebenserwartung des Nießbrauchers schon ein Mehr an Rechten vermittelte als zu Beginn des Nießbrauchs. Er steigt vielmehr allein deshalb, w e i l der Zeitpunkt näherrückt, an dem der Wert des Eigentums wieder v o l l dem Wert der unbelasteten Sache W s entspricht, w e i l W N den Wert N u l l erreicht. Dieser Zusammenhang w i r d besonders deutlich, wenn man zum Verständnis des Nießbrauchs Kesslers ökonomischen Ansatz heranzieht 7 6 . Nach der gängigen Definition der herrschenden Meinung ist der Nießbrauch das „umfassende Nutzungsrecht", während beim Eigentümer nur die Substanz verbleibt 7 7 . Kessler weist demgegenüber daraufhin, daß der Nießbraucher nicht „ d i e " Nutzungen der Sache erwerbe. Vielmehr werde durch den Nießbrauch das gesamte Nutzungspotential der Sache „horizontal", nämlich zeitlich, geteilt 7 8 . Der Nießbraucher er-
73 Vgl. zu dieser rein zeitlichen Einschränkung sogleich unten bei Fn. 76 ff. 74 Im Beispielsfall hat der Nießbraucher ihm allein zustehende Einnahmen von D M 50 000 im Jahr, unabhängig davon ob er 50 oder 90 Jahre alt ist. 75 Zum Gesichtspunkt des Fristendes vgl. auch Petzoldt, BB 1975, 37, nach dem „der Erwerb der Nutzungen" bei einer Übertragung unter Nießbrauchs vorbehält bis zum Tod des Nießbrauchers mit einem Erwerb unter einer Befristung verglichen werden kann. 7 6 Vgl. Kessler, BB 1985, 1386 ff. 77 Vgl. etwa MünchKomm-Petzoldt, § 1030 Rdnr. 1. Ähnlich Staudinger (12)Promberger, Vorbem. zu §§ 1030 ff. Rdnr. 5: Recht, den Gegenstand „ohne Verfügung über seine Substanz umfassend zu nutzen".
II. Schenkung unter Nießbrauchsvorbehlt als gestreckter Erwerb
113
werbe nur ein zeitlich befristetes Segment des Gesamtnutzungspotentials. Nießbraucher und Eigentümer realisierten nacheinander und jeder für sich einen zeitlich begrenzten T e i l des gesamten Nutzungspotentials 7 9 . Die Überlegenheit von Kesslers Ansatz zeigt sich gerade i m Zusammenhang m i t dem Ende des Nießbrauchs gemäß § 1061 B G B nach einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. Hier vermeidet Kesslers M o d e l l Fehler in der Betrachtungsweise, die sich bei Vorstellungen, denen die Definition der herrschenden Meinung zugrunde liegt, nahezu zwangsläufig einstellen, und die zu unüberbrückbaren Widersprüchen zur realen Wertbewegung führen. A u c h v o m herkömmlichen Standpunkt aus w i r d zwar gesehen, daß das Erlöschen des Nießbrauchs durch den T o d des Nießbrauchers (§ 1061 B G B ) zum Untergang des dinglichen Rechtes führt und daher nicht von einem „Anwachsen des Nießbrauchs an das Eigentum" gesprochen werden k a n n 8 0 . A u c h w i r d allgemein erkannt, daß durch den Wegfall des Nießbrauchs direkt und unmittelbar niemand bereichert wird, auch nicht der Eigentümer 8 1 . Andererseits spricht man aber davon, daß nunmehr, nach dem Wegfall der dinglichen Last Nießbrauch, der Eigentümer um „den Restwert der kapitalisierten Nutzungen" bereichert werde, wenn und soweit der T o d des Nießbrauchers i m Vergleich zu dem nach den amtlichen Sterbetafeln zu erwartenden Todeszeitpunkt „zu früh" erfolgte 8 2 . Es kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, daß sich nach dem T o d des Schenkers i m Vermögen des Beschenkten die unbelastete Sache befindet, daß diese wertmäßig den Betrag W s ausmacht und daß Rechtsgrund für diese Vermögensverschiebung v o m Schenker zum Beschenkten allein die Schenkung zwischen beiden ist. Nach der zu erörternden Ansicht muß demgegenüber auf den Beschenkten der Wert W H und der „nicht verbrauchte" Wert des Nießbrauchs Wat-X übergehen. Diese Ansicht verkennt damit die Wertbewegung bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. Sie vermag nicht zu erklären, wie der „verbrauchte" Wert X ins Vermögen des Beschenkten kommt. Da der Beschenkte jedoch als Eigentümer einer lastenfreien Sache den Wert W s in seinem Vermögen hat und W s die Summe aus W H und W N ist, muß irgendwie auch der angeblich v o m Schenker verbrauchte Wert X übergegangen sein. Diese Auffassung krankt daran, daß sie zwar sieht, daß der Nießbrauch wegfällt, gleichwohl aber meint, es gingen Teile von dessen Nutzungen auf den Eigentümer über.
78 Die „vertikale" Teilung läge etwa bei Miteigentum vor, vgl. Abbildung 2 bei Kessler, BB 1985, 1388. 7 9 Kessler, BB 1985, 1389. 80 So noch die Ausdrucks weise des gemeinen Rechtes, vgl. etwa Windscheid I Kipp, I I I § 581 Anm. 7 und Dernburg, Pandekten I I I § 151 Anm. 1. 81 Vgl. Crezelius, 114 m.w.N. in Fn. 223. S2 So Crezelius, 114. Ähnlich auch Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19 a.E. („Restwert der kapitalisierten Nutzung"). Unklar Petzoldt, BB 1975, 39, nach dem „die" Nutzungen dem Beschenkten nach Nießbrauchsbeendigung kraft Gesetzes zufallen.
8 Reiff
114
§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
Demgegenüber ist nach der Betrachtungsweise Kesslers ohne weiteres einsichtig, daß durch den T o d des Nießbrauchers die i m voraus nicht genau
fixierbare
Frist konkretisiert wird, während der die Nutzungen der Sache dem Nießbraucher zustanden. Der T o d bestimmt das zeitliche Ende des Nutzungspotentialsegmentes des Nießbrauchers. Dieses ist i m gleichen Augenblick also v ö l l i g verbraucht. Es ist mithin gar nichts mehr vorhanden, was auf den Eigentümer übergehen könnte 8 3 . M i t dem T o d des Schenkers geht also kein einziger Vermögensgegenstand auf den Beschenkten über. Aber der Geldwert des Vermögens des Beschenkten steigt gleichwohl durch den Tod, w e i l eine lastenfreie Sache mehr wert ist als eine nießbrauchsbelastete. Kesslers
M o d e l l kann die dreistufige,
auch ökonomisch
nachweisbare
Wertbewegung 8 4 v o m Schenker zum Beschenkten widerspruchsfrei erklären. Durch die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt erhält der Beschenkte neben dem Eigentum ein, zeitlich noch mehr oder weniger weit i n der Zukunft liegendes, Nutzungspotentialsegment. Wertmäßig erhält er also noch nicht W Si da dies voraussetzte, daß sein Nutzungspotentialsegment zeitlich schon angefangen hat. Er erhält vielmehr zunächst nur die Differenz aus W s und W N. M i t dem Tode des Schenkers endet dessen Segment. W N ist daher „ N u l l " . Das Segment des Beschenkten beginnt. I m Vermögen des Beschenkten befindet sich wertmäßig nun W s. Festzuhalten gilt daher, daß der dreistufigen Wertbewegung v o m Schenker zum Beschenkten kein mehrstufiger Übergang, etwa erst der Substanz und dann der Nutzungen, zugrunde liegt. Vielmehr w i r d nur einmal, beim V o l l z u g der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, etwas auf den Beschenkten übertragen. Die einmalige Übertragung ist die einzige Leistungshandlung. Der Beginn des übertragenen Nutzungspotentials liegt aber i n der Zukunft. Es w i r d also durch bloßen Zeitablauf ohne weitere Übergänge von Vermögensgegenständen ständig wertvoller, w e i l der Verkehr ein i n der Zukunft liegendes Nutzungspotential als weniger wertvoll betrachtet als ein in der Gegenwart liegendes. Wegen der Opportunitäts- oder der Finanzierungskosten 8 5 stimmt es, daß für den Verkehr die reine Zeit Geldwert hat. Wertmäßig ist daher die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt erst m i t dem T o d des Schenkers beendet, obwohl nur einmal, beim Vollzug, Vermögensgegenstände auf den Beschenkten übergehen.
I I I . Nießbrauchsfreie Sache als Schenkungsgegenstand Es wurde bereits festgestellt, daß eine unvoreingenommene Bewertung der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ohne weiteres zu dem Ergebnis kommen 83 Vgl. Kessler, BB 1985, 1389 m.w.N. in Fn. 39. 84 Vgl. oben bei Fn. 72. 85 Vgl. oben Fn. 72.
III. Nießbrauchsfreie Sache als Schenkungsgegenstand
115
wird, daß sich nach dem T o d des Schenkers die unbelastete Sache i m Vermögen des Beschenkten befindet, daß dieser also ohne jede Gegenleistung wertmäßig u m den Betrag W s bereichert wurde. Es stellt sich des weiteren die Frage, ob der gesamte soeben bezeichnete Wertzufluß beim Beschenkten, der m i t dem dinglichen V o l l z u g der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt beginnt, m i t dem T o d des Schenkers endet und den Wert W s hat, „geschenkt" ist, oder nur der Wert der belasteten Sache i m Zeitpunkt des V o l l z u g s 8 6 .
1. Schenkung des Hüllen wertes im Vollzugszeitpunkt Daß der Wert des belasteten Gegenstandes, der Hüllenwert W H , bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt „geschenkt" ist, ist unproblematisch. U m diesen Wert w i r d der Beschenkte durch Hingabe des Schenkers aus dessen Vermögen bereichert. Schenkungs- und Bereicherungszeitpunkt ist der Schenkungsvollzug, also die erste Stufe der dreistufigen Wertbewegung. Beide Parteien sind sich auch darüber einig, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt, da eine Gegenleistung nicht erfolgen soll. I m Beispielsfall steht also fest, daß E dem S i m Zeitpunkt der Eintragung des S als Eigentümer des m i t dem Nießbrauch des E belasteten Grundstücks eine Schenkung i m Wert von D M 380 800 gemacht hat. Denn das Grundstück hatte zu diesem Zeitpunkt einen Wert W s von D M 1 000 000. Der Nießbrauch des E hatte einen kapitalisierten Wert W N von D M 619 200. Der dem S m i t dem V o l l z u g sofort zugewendete Hüllen wert W H belief sich also als Differenz aus W s und W N auf D M 380 800.
2. Schenkung der zweiten Stufe der Wertbewegung A u c h für die zweite Stufe, die fließende Weitbewegung, kann nicht bezweifelt werden, daß sie dem Beschenkten einen Vermögensvorteil verschafft, der ihn bereichert. Sie bewirkt, daß der i m Vermögen des Beschenkten befindliche Wert W H zunimmt, während gleichzeitig der Vermögensposten W N beim Schenker abnimmt. Beide Parteien waren sich bei Abschluß des Vertrages Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt darüber einig, daß die Zuwendung des Schenkers auch insoweit unentgeltlich erfolgen sollte. Eine Gegenleistung soll auch für diesen T e i l der Zuwendung nicht erfolgen. Die zweite Stufe des Wertzuwachses ist also Schenkung i m Sinn des § 516 B G B .
86 Die Differenz zwischen beiden Werten ist betragsmäßig genau W N im Zeitpunkt des Vollzugs. Denn mit dem Erbfall befindet sich W s im Vermögen des Beschenkten, bei der Übertragung hatte er nur W H erhalten. W N ist aber die Differenz aus W s und W H.
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§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" 3. Schenkung des Wertzuwachses durch den Wegfall des Nießbrauchs a) Wert aus dem Vermögen des Schenkers
Die dritte Stufe, der Wertzuwachs beim Beschenkten infolge des durch den T o d des Schenkers erfolgenden Wegfalls des Nießbrauchs, ist ebenfalls eine Bereicherung des Beschenkten. Sie verschafft ihm einen Vermögensvorteil in Höhe des Weites, den der Nießbrauch des Schenkers unmittelbar vor dessen Tode hatte. Zweifelhaft könnte aber sein, ob der Schenker insoweit entreichert wird. Er gibt diesen Wert nicht mehr zu seinen Lebzeiten aus seinem Vermögen ab. Vielmehr befindet sich unmittelbar vor seinem T o d der Wert W N noch in seinem Vermögen. Zeitgleich m i t seinem T o d erlischt der Nießbrauch nach § 1061 B G B . I m Nachlaß des Schenkers ist der Wert W N nicht mehr, auch nicht teilweise, vorhanden. Es könnte daher bezüglich der dritten Stufe der Weitbewegung an der für die Annahme einer Schenkung erforderlichen Zuwendung „aus dem Vermögen" des Schenkers fehlen. M a n könnte nämlich insoweit einwenden, bezüglich dieses Wertes habe die Zuwendung „den Zuwendenden, solange er überhaupt lebt, nicht ärmer" gemacht. Genau m i t dieser Begründung w i r d der Schenkungscharakter einer Zuwendung von Todes wegen verneint 8 7 . Diese unterschieden sich von Schenkungen dadurch, daß der Zuwendende, solange er Rechtssubjekt sei, nichts aus seinem Vermögen abgebe 8 8 . Dieser Einwand wäre unzutreffend. Dies folgt zum einen schon daraus, daß, wie soeben gezeigt wurde, nur beim V o l l z u g der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ein Vermögensgegenstand v o m Vermögen des Schenkers i n das des Beschenkten übergeht und die Wertsteigerung beim Beschenkten nach dem V o l l z u g nur auf einer v o m Faktor Zeit abhängigen Bewertung durch den Verkehr beruht. Wenn ein „Gegenstand" aus dem Vermögen des Schenkers ausgegliedert wird, der durch Zeitablauf von selbst ständig wertvoller wird, während ein anderer i m Vermögen des Schenkers gebliebener i n gleichem Maße zwangsläufig ständig sinkt, dann kann es nicht zweifelhaft sein, daß der ganze Wert einschließl i c h aller Steigerungen, auch der durch den T o d des Schenkers hervorgerufenen, dem Beschenkten „aus dem Vermögen" des Schenkers zugewendet wurde. Der Schenker hat den Vermögensgegenstand aus seinem Vermögen verloren und nur ein auf seine Lebensdauer befristetes Nutzungssegment behalten, das folglich ständig i m Wert fallen mußte und i n der Sekunde seines Todes v ö l l i g wertlos wurde. Er hat sich also noch zu Lebzeiten „ärmer" gemacht und den gesamten Wert „verschenkt". Unabhängig von dieser Betrachtung der Wertbewegung als allein v o m Faktor Zeit abhängiger gestreckter Erwerb ist einsichtig, daß sich der Schenker auch
87 RGRK-Mezger, § 516 Rdnr. 6 a.E.; ähnlich Staudinger (12)-Reuss, § 516 Rdnr. 11. 88 So Staudinger (12)-Reuss, § 516 Rdnr. 11.
III. Nießbrauchsfreie Sache als Schenkungsgegenstand
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bezüglich der 3. Stufe schon zu Lebzeiten „ärmer" gemacht hat. Dieses lebzeitige Vermögensopfer liegt darin, daß er diese Wertbewegung unter keinen Umständen mehr verhindern oder auch nur zeitlich oder sonstwie beeinflussen kann. Der V o l l z u g der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt verschafft dem Beschenkten die absolut unentziehbare Anwartschaft auf den lastenfreien Schenkungsgegenstand. Der Eintritt der Lastenfreiheit ist aufschiebend bedingt durch den T o d des Schenkers, also durch ein v o m W i l l e n des Schenkers unabhängiges Ereignis, dessen Eintritt dieser nicht verhindern oder verzögern kann, sondern höchstens beschleunigen. Zudem trifft auch diese Stufe der Weitbewegung nicht erst den Nachlaß. Vielmehr ist dieser Wert nie T e i l des Nachlasses geworden, er hört vielmehr m i t dem T o d des Schenkers auf, i n dieser Form zu existieren. Es besteht kein Nießbrauch mehr, der einen Wert hat, dafür entspricht der Wert des Eigentums wieder dem vollen Sachwert. Daß auch die dritte Stufe der Wertbewegung den Schenker schon zu Lebzeiten „ärmer" gemacht hat, zeigt gerade der Vergleich m i t den oben erwähnten Zuwendungen von Todes wegen, die keine „Schenkungen" i m Sinn des § 516 B G B sind, w e i l der Zuwendende, solange er lebt, kein Vermögensopfer bringt. A u f sie finden nach § 2301 Abs. 1 Satz 1 B G B die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung. Dies hat zum einen die i n diesem Zusammenhang nicht interessierende Konsequenz, daß die Voraussetzungen, unter denen Verfügungen von Todes wegen getroffen werden können, auf diese Zuwendungen Anwendung finden, insbesondere die Formvorschriften zu beachten sind 8 9 . Z u m anderen folgt aus § 2301 Abs. 1 Satz 1 B G B , daß Zuwendungen von Todes wegen i n ihren rechtlichen Wirkungen den Verfügungen von Todes wegen gleichgestellt s i n d 9 0 . Durch sie werden also lediglich erbrechtliche Rechtsverhältnisse begründet, i n der Regel durch die Anordnung eines Vermächtnisses 9 1 . Z u Lebzeiten des Zuwendenden sind sie daher unverbindlich und wirkungslos, erst m i t dem Erbfall tritt ihre Von-selbst-Wirkung e i n 9 2 . Der Empfänger einer Zuwendung von Todes wegen erhält also zu Lebzeiten des Zuwendenden weder einen A n spruch gegen diesen noch ein Anwartschaftsrecht. Seine Rechtsstellung ist vielmehr v ö l l i g ungesichert; selbst wenn der Zuwendende erbvertraglich gebunden ist, ist sein Recht, über den zugewandten Gegenstand durch Rechtsgeschäft unter
89 Vgl. etwa Soergel (11 )-M. Wolf, § 2301 Rdnr. 4. 90 So Soergel ( l l ) - M . Wolf, § 2301 Rdnr. 4. Ebenso MünchKomm-Musielak, § 2301 Rdnr. 14. Von Lübtow, Erbrecht I I 1224, spricht anschaulich davon, eine solche Zuwendung „sei logischerweise eine Verfügung von Todes wegen", da das Gesetz es in eine solche umdeute und dabei den Parteiwillen ignoriere. Vgl. auch von Tuhr, I I 1, 291 f. in Fn. 76 und 77. 91 Vgl. etwa Kipp! Coing, § 81 I I I a.E.; Lange/Kuc hinke, § 31 I 6 c; Strohal, I § 45 in Anm. 73 sowie Soergel ( l l ) - M . Wolf, § 2301 Rdnr. 5. — Brox, Rdnr. 727, meint, daß immer nur ein Vermächtnis in Frage komme, nie eine Erbeneinsetzung. 92 So LangeIKuchinke, § 31 I 6 b. Vgl. auch von Lübtow, Erbrecht I I 1228 bei Fn. 34 und 1230.
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§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
Lebenden zu verfügen, nicht beschränkt, wie § 2286 B G B zeigt 9 3 . Für die Zuwendungen von Todes wegen, die unter § 2301 Abs. 1 Satz 1 B G B fallen, gilt daher i n der Tat, daß sie den Zuwendenden zu dessen Lebzeiten „nicht ärmer" machen. Er kann es sich bis zu letzt „anders überlegen". E i n lebzeitiges Vermögensopfer erbringt er nicht. Der zugewendete Gegenstand fällt, wenn er beim Erbfall noch dem Zuwendenden gehörte und dieser auch nicht aufschiebend bedingt unter Lebenden über ihn verfügt hatte, i n den Nachlaß und unterliegt dem Z u g r i f f der Nachlaßgläubiger 9 4 . Zuwendungen von Todes wegen und die 3. Stufe der Wertbewegung einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt infolge Wegfalls des Nießbrauchs durch den T o d des Nießbrauchers sind daher nicht vergleichbar. Daß die vollzogene Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt auch i n bezug auf die dritte Stufe der Wertbewegung bereits ein lebzeitiges Vermögensopfer des Schenkers zur Folge hat, zeigt auch ein B l i c k auf § 2301 Abs. 2 B G B . Danach finden auf Zuwendungen von Todes wegen, die durch Leistung des zugewendeten Gegenstandes v o m Schenker zu dessen Lebzeiten vollzogen werden, die Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden Anwendung. E i n V o l l z u g i n diesem Sinn liegt dann vor, wenn noch der Zuwendende selbst, nicht erst sein Erbe, das Vermögensopfer bringt. Dabei genügt auch eine Verfügung, die aufschiebend oder auflösend v o m Überleben des Beschenkten abhängig gemacht wird, soweit sie nach allgemeinen Regeln zulässig i s t 9 5 . Die Vermögensminderung zu Lebzeiten des Schenkers liegt i n diesem Fall i n der nach § 161 B G B geschützten Anwartschaft des Beschenkten 9 6 . Wenn schon „die Einräumung einer Anwartschaft unter Überlebensbedingung" ausreicht, aus einer Zuwendung von Todes wegen eine Schenkung unter Lebenden zu machen 9 7 , dann muß eine vollzogene Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt auch bezüglich der Lastenfreiheit infolge des Erbfalls schon eine Zuwendung unter Lebenden beinhalten. Denn i m ersten Fall erhält der Beschenkte bezüglich des Eigentums an der Sache nur eine Anwartschaft. Gleichwohl liegt nach allgemeiner A n s i c h t 9 8 i n diesem Fall eine vollzogene Schenkung unter Lebenden vor und zwar bezüglich des Wertes der ganzen Sache, nicht nur des Wertes der Anwartschaft. I m Vergleich hiermit bringt der Schenker, der eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt vollzieht, ein viel größeres Vermögensopfer, solange er noch lebt, so daß i n diesem Fall 93 Vgl. etwa MünchKomm-Musielak, § 2301 Rdnr. 14. Crome, § 657 V, spricht anschaulich davon, daß sich durch eine solche Zuwendung von Todes wegen „in den realen Verhältnissen der Betheiligten bis zum Tode des Schenkers gar nichts verändert". 94 Vgl. Kipp/Coing, § 81 I I I 2 b a.E. 95 Unzulässig ist etwa die Beifügung einer Bedingung bei der Auflassung von Grundstücken, vgl. § 925 Abs. 2 BGB. Als Ersatz bietet sich ein obligatorischer Rückauflassungsanspruch des Schenkers an, der durch Vormerkung gesichert werden kann. Vgl. von Lübtow, Erbrecht I I 1229 m.w.N. 96 Vgl. etwa Kipp/Coing, § 81 I I I 1 c a.E. und MünchKomm-Musielak, § 2301 Rdnr. 19. 97 So Kegel, 47. 98 Vgl. Kegel, 46 m.w.N. in Fn. 188.
III. Nießbrauchsfreie Sache als Schenkungsgegenstand
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erst recht eine Zuwendung des ganzen Sachwertes W s „aus seinem Vermögen" vorliegen m u ß " . Der Beschenkte w i r d sofort unbedingter Eigentümer der — allerdings belasteten — Sache (erste Stufe) und j e länger der Schenker lebt, desto geringer w i r d der Wert des auf der Sache lastenden Nießbrauchs (zweite Stufe). Lediglich bezüglich des Eintritts der Lastenfreiheit (dritte Stufe) hat der Beschenkte zu Lebzeiten des Schenkers nur eine Anwartschaft, die i h m aber unter keinen Umständen mehr entzogen werden kann. D a die Begründung einer Anwartschaft für ein lebzeitiges Vermögensopfer ausreicht, ist auch der Wertzuwachs, der beim Beschenkten erst m i t dem T o d des Schenkers erfolgt, diesem „aus dem Vermögen des Schenkers" zugewendet.
b) Einwände
aus § 1061 BGB
Gegen die Feststellung, auch der Wertzuwachs i m Vermögen des Beschenkten durch den Wegfall des Nießbrauchs sei „geschenkt", könnten sich noch m i t B l i c k auf § 1061 B G B Bedenken ergeben. M a n könnte einwenden, der Wegfall des Nießbrauchs sei nach dieser Vorschrift zwingende Folge des Todes des Schenkers. Dieser Wertzuwachs beim Beschenkten trete also unabhängig v o m Parteiwillen ein, könne m i t h i n nicht geschenkt sein. Dieser Einwand wäre unzutreffend. Das Ergebnis des § 1061 B G B w i r d ausnahmslos auch v o m Parteiwillen, insbesondere dem maßgeblichen des Schenkers, getragen. Wer eine Sache unter dem Vorbehalt, sie — noch — Zeit seines Lebens kraft dinglichen Rechtes nutzen zu dürfen, an einen anderen unentgeltlich übereignet, der weiß, daß dieser m i t seinem T o d unbeschränkter Eigentümer der Sache wird. Will er diesen Erfolg nicht, w i r d er anders übereignen, etwa sich und seiner Frau oder sich und seinen Kindern den Nießbrauch vorbehalten. Macht er das nicht, dann w i l l er, daß dieser Personenkreis bezüglich des unter Nießbrauchsvorbehalt übertragenen Gegenstandes leer ausgeht. Die Rechtsfolge des § 1061 B G B tritt also gar nicht unabhängig v o m Parteiwillen ein. Sie deckt sich v ö l l i g mit diesem. Es besteht gar keine Divergenz zwischen gewolltem und gesetzlich eintretendem Rechtserfolg. Selbst wenn der infolge des § 1061 B G B beim Beschenkten eintretende Wertzuwachs unabhängig v o m Parteiwillen einträte, spräche das nicht dagegen, daß er i m Sinn des § 516 B G B geschenkt ist. Die für das Vorliegen einer Schenkung erforderliche Verschaffung eines Vermögens V o r t e i l s , die Zuwendung, geschieht zwar meist durch Rechtsgeschäft, kann aber auch durch tatsächliche Handlungen, Realakte, erfolgen 1 0 °. Nach herkömmlicher Auffassung unterscheiden sich diese von Willenserklärungen dadurch, daß sie kraft Gesetzes eine Rechtsfolge auslö-
99 Vgl. Kegel, 46 vor Fn. 190. 100 So etwa MünchKomm-Kollhosser, § 516 Rdnr. 2; Palandt-Putzo, § 516 Anm. 2 und Jauernig-Vollkommer, § 516 Anm. 2a, aa.
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§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
sen, während jene eine Rechtsfolge herbeiführen, w e i l sie gewollt i s t 1 0 1 . Es liegt also selbst dann eine Schenkung i m Sinn des § 516 B G B vor, wenn jemand auf dem Grundstück des „Beschenkten" m i t dessen W i l l e n , aber ohne vertraglich hierzu verpflichtet zu sein, unentgeltlich ein Haus errichtet 1 0 2 . U n d das, obwohl sich nach § 946 B G B das Eigentum des Beschenkten am Grundstück zwingend auf das Gebäude erstreckt, unabhängig davon, ob die Parteien diesen Eigentumserwerb wollen oder nicht. Wenn schon i n diesem Fall eine Schenkung vorliegt, obwohl die gesamte Bereicherung des Beschenkten auf einem zwingenden gesetzlichen Erwerb beruht, dann könnte man bei einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht deshalb das Vorliegen einer Schenkung bezweifeln, w e i l ein Teil der Bereicherung des Beschenkten nicht auf dem Rechtsgeschäft beruht, sondern auf der zwingenden gesetzlichen Anordnung, daß der Nießbrauch m i t dem Tode des Nießbrauchers erlischt und das Eigentum infolgedessen lastenfrei wird. W o l l t e man § 1061 B G B so verstehen, daß er wie die § § 9 4 6 - 9 5 0 B G B Veränderungen der dinglichen Rechtslage begründet, könnte er gleichwohl als zwingende sachenrechtliche N o r m allein diese Verschiebung i m Vermögensbereich v o m Erblasser auf den Beschenkten nicht rechtfertigen 1 0 3 . Die dritte Stufe der Wertbewegung einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, der Wertzuwachs beim Erwerber, der m i t dem Erbfall eintritt, muß also „geschenkt" sein. Anderenfalls erlangte der Erwerber diesen Wert „ohne rechtlichen Grund" i m Sinn der §§ 812 ff. B G B . W e n n die Parteien des Schenkungsvertrages nur die Wertbewegung der Stufe 1 und 2 „ g e w o l l t " hätten, müßte der Erbe also von dem Beschenkten den „ i n sonstiger Weise" erlangten Wert der dritten Stufe nach § 8 1 2 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative B G B heraus verlangen können, wobei aber nach dem Rechtsgedanken des analog heranzuziehenden § 951 Abs. 1 B G B nur 101
Vgl. etwa Jauernig, vor § 104 Anm. 1 a und 4 b; Palandt-Heinrichs, Überblick vor § 104 Anm. 1 b und 2 d; RGRK-Krüger-Nieland, vor § 104 Rdnr. 2 und 14 sowie Soergel (\2)-Hefermehl, vor § 104 Rdnr. 18 und vor § 116 Rdnr. 2. 102 Vgl. hierzu Jauernig-Vollkommer, § 516 Anm. 2 a, aa mit Hinweis auf § 946 BGB und RGRK-Mezger, § 516 Rdnr. 5 mit Hinweis auf die Reparatur eines Hauses als Zuwendung, die nicht durch Rechtsgeschäft erfolgt. 103 § 1061 BGB soll mit der zwingenden Unvererblichkeit des Nießbrauchs den vom Gesetzgeber nicht gewollten „ewigen Nießbrauch" verhindern, da dieser faktisch Eigentum vermittelte, vgl. Motive, I I I 531 = Motive bei Mugdan, I I I 296 und Kessler, BB 1985, 1389 Fn. 34. Diese Vorschrift besteht also überwiegend im öffentlichen Interesse. Vgl. schon Johow, I I 64, wonach ohne die „Schranke der Unvererblichkeit" die Bahn für eine unübersehbare Reihe von Rechtsgestaltungen geöffnet sei. Damit weist § 1061 BGB zu den §§ 946-950 BGB, die sachenrechtliche Zuordnungsänderungen aus Gründen des allgemeinen Interesses anordnen, immerhin Parallelen auf. Solche Gründe können nur die Veränderung der dinglichen Rechtsstellung, nicht die Veränderungen im Vermögensbereich rechtfertigen, vgl. MünchKomm-Quack, § 951 Rdnr. 1. Ebensowenig könnte §1061 BGB rechtfertigen, warum nicht einmal der Wert des Nießbrauchs unmittelbar vor dem Tode als Rechnungsposten in den Nachlaß fällt. Diese Vermögensverschiebung müßte ausgeglichen werden, wenn sie neben § 1061 BGB keinen anderen Grund hätte, vgl. zu §§ 946-950 den § 951 und Quack, a.a.O.
III. Nießbrauchsfreie Sache als Schenkungsgegenstand
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eine Vergütung i n Geld verlangt werden könnte, während die Herstellung des früheren Zustandes ausgeschlossen w ä r e 1 0 4 . A u c h § 9 4 6 B G B , auf dem der Eigentumserwerb des Grundeigentümers beruht, gibt nämlich für sich allein keinen rechtfertigenden Grund für die Vermögensverschiebung. W i e sich aus § 951 Abs. 1 Satz 1 B G B e r g i b t 1 0 5 , hat derjenige, der nach dieser Vorschrift, aber sonst ohne Grund, einen Rechtsverlust erleidet, gegen den Eigentümer nach §§ 951 Abs. 1,812 Abs. 1 Satz 1,2. Alternative B G B einen Anspruch auf Vergütung des Eigentumsverlustes i n Geld. Hieraus folgt: Eine Auffassung, die den Wertzuwachs beim Beschenkten infolge des Wegfalls des Nießbrauchs als „nicht geschenkt" ansieht, käme zu dem absurden, v o m Vorbehaltsschenker sicherlich nicht gewollten Ergebnis 1 0 6 , daß der Beschenkte für diesen Wertzuwachs dessen Erben Wertersatz leisten müßte. Die durch den Erbfall und § 1061 B G B eintretende Vermögensverschiebung wäre wertmäßig nicht von Bestand und müßte wirtschaftlich ausgeglichen werden. E i n anderer Rechtsgrund als der Schenkungsvertrag k o m m t nicht i n Betracht. Es gibt daher i n diesem Fall keinen Mittelweg, nach dem dieser T e i l der Bereicherung des Erwerbers zwar „nicht geschenkt" ist, aber doch „ m i t Rechtsgrund" erfolgt. Vielmehr gilt: Entweder der Wegfall des Nießbrauchs erfolgt „ m i t Rechtsgrund" 1 0 7 . Dann ist auch dieser Wertzuwachs beim Erwerber des unter Nießbrauchsvorbehalt übertragenen Gegenstandes „geschenkt". Oder dieser T e i l der Bereicherung des beschenkten Erwerbers ist „nicht geschenkt". Dann erfolgt er auch ohne Rechtsgrund und ist nach §§ 812 ff. B G B a b z u g l e i chen. 4. Ergebnis Nach allem ist festzuhalten: Bei einer vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist auch der Wertzuwachs der dritten Stufe, die völlige Lastenfreiheit infolge des Erbfalls, eine Zuwendung aus dem Vermögen des Schenkers, die den Beschenkten bereichert. Diese Zuwendung ist nach dem W i l l e n der Parteien ebenfalls unentgeltlich; der Beschenkte soll nach dem Vertrag auch für diesen Wert keine Gegenleistung erbringen. Die Zuwendung aufgrund einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist daher i n allen drei Teilen oder Stufen Schenkung i m Sinne des § 516 B G B . Das Ergebnis dieser dreistufigen Wertbewe104 Soweit dies nicht schon direkt aus § 818 Abs. 2 BGB folgt, denn die Bestellung dieses Nießbrauchs ist unmöglich, da der Nießbraucher tot ist. los So der BGH, 11. Jan. 1971, Ζ 55, 176, 178 mit insoweit zustimmender Anm. von Ehmann, NJW 1971, 613 unter a. Ebenso Soergel (11 )-Mühl, § 951 Rdnr. 1. 106 Der Schenker und Erblasser will ja nur für sich und nur für die Dauer seines Lebens den Nießbrauch zurückbehalten, mit seinem Tod soll der beschenkte Eigentümer die Sache nutzen dürfen; vgl. zum Parteiwillen soeben oben nach Fn. 99. 107 Rechtsgrund ist dann der schuldrechtliche Vertrag, der der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt zugrunde liegt. Dieser ist aber, wie ausführlich gezeigt wurde, ein reiner Schenkungsvertrag.
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§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
gung ist damit, daß sich i m Vermögen des Beschenkten der unbelastete Schenkungsgegenstand befindet; i n der Vermögensmasse, die dem Schenker zustand, dem Nachlaß, befindet sich nichts mehr, weder ein Restwert der verschenkten Sache noch eine dafür v o m Beschenkten erhaltene Leistung i m weitesten Sinn. Nach dem Erbfall ist die Lage so, als ob der Schenker dem Beschenkten die Sache ohne Nießbrauch zum Zeitpunkt seines Todes geschenkt hätte. Wertmäßig ist der gesamte Wert der unbelasteten Sache W s „geschenkt" 1 0 8 . Es ist deshalb ungenau, zu sagen, eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt habe nur die Schenkung der Substanz zur Folge, das Nutzungs- und Fruchtziehungsrecht verbleibe beim Schenker 1 0 9 . Vielmehr w i r d bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sowohl die formale Rechtsposition als auch das durch sie vermittelte Nutzungspotential übertragen. Während der Beschenkte den Rechtstitel Eigentümer sofort erhält, steht i h m das Nutzungspotential erst ab dem Erbfall zu, bis dahin bleibt es beim Schenker.
I V . Übertragungsvertrag mit Nießbrauchsvorbehalt Die isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist reine Schenkung i m Sinn des § 516 B G B . Ihr Schenkungsgegenstand ist die zunächst unter Nießbrauchsvorbehalt übertragene Sache, die sich nach dem Wegfall des Nießbrauchs, also am Ende des gestreckten Erwerbs, lastenfrei i m Vermögen des Beschenkten befindet. Z u klären ist nunmehr die zuvor ausgeklammerte 1 1 0 Frage, was gilt, wenn die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht isoliert erfolgt, sondern T e i l eines mehr oder weniger komplexen Vertragswerks ist.
1. Praktische Fallgestaltungen Solche Fälle kommen i n der Praxis häufig vor. Es handelt sich u m Verträge, die neben der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt noch weitere (Leistungs-) Verpflichtungen, meist solche des Erwerbers, begründen 1 1 1 . Häufig liegt dann los Der verschenkte Gegenstand befindet sich unbelastet im Vermögen des Beschenkten, einen Restwert beim Schenker/Erblasser gibt es nicht. Dieser hat vom Beschenkten auch nichts erhalten. Es ist zwar möglich, daß der Erblasser mit den Nutzungen der verschenkten Sache während der Dauer des Nießbrauchs der verschenkten Sache neues Vermögen erworben hat (sogenannter Sparfall), wenn er nicht alles zum Lebensunterhalt ausgegeben hat (sogenannter Konsumfall, Terminologie nach Sigloch!Mayr, FR 1974, 569, 572 f.). Doch diese Vermögensgegenstände befänden sich auch dann im Nachlaß, wenn der Schenker die Sache unmittelbar vor seinem Tod ohne Nießbrauchsvorbehalt verschenkt hätte. 109 So aber Schulze zur Wiesche, GmbHR 1977, 157. no Vgl. oben vor I. m Vgl. etwa die Sachverhalte der Urteile des RG vom 4. Jan. 1887, Ζ 18, 176 ff. und vom 22. Feb. 1940, Ζ 169, 257 ff.; des OLG Bamberg vom 3. Nov. 1948, NJW
I . Übertragunger
ießbrauchsvorbehalt
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ein sogenannter Übergabevertrag v o r 1 1 2 . Typische Pflichten des Erwerbers sind außer der Zahlung von G e l d 1 1 3 etwa, dem Veräußerer „Pflege und Wart bei Alter und Krankheit" zu gewähren 1 1 4 oder „Abfindungszahlungen" an Dritte, beispielsweise die Geschwister des Erwerbers, zu leisten 1 1 5 .
2. Besonderheiten I n all diesen Fällen w i r d die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt sachenrechtlich genauso vollzogen, wie i n § 1 dieser Arbeit ausgeführt wurde, also typischerweise nach W e g 2; denkbar ist aber auch der Vollzug nach W e g 1 1 1 6 . A u c h der gestreckte Erwerb und die dreistufige Wertbewegung v o m Veräußerer zum Erwerber sind bei isolierten und komplexen Vorbehaltsgeschäften g l e i c h l l 7 . Das entscheidende Differenzierungskriterium zwischen beiden ist, daß der Vermögenswertfluß bei den komplexen Vorbehaltsgeschäften anders als bei den isolierten keine Einbahnstraße ist. Bei ihnen treffen auch den Erwerber des unter Nießbrauchsvorbehalt veräußerten Gegenstandes Leistungspflichten. Aus seinem Vermögen findet gleichfalls ein Abfluß von Vermögenswerten statt. Damit ist die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht mehr per se unentgeltlich. A u c h i n diesen Fällen ist der vorbehaltene Nießbrauch freilich kein (Teil-) Entgelt des Erwerbers,
also nicht etwa T e i l des von diesem
gezahlten
Kaufpreises 1 1 8 . Diese Betrachtungsweise widerspricht klar dem sachenrechtlichen V o l l z u g und dem maßgeblichen Parteiwillen. A u c h i n komplexen Verträgen glaubt der Veräußerer nicht, den Nießbrauch v o m Erwerber zu erhalten. I m Gegensatz zu isolierten Übertragungen darf der Nießbrauch allerdings auch nicht außer Betracht gelassen werden. Das war dort möglich, w e i l sich die Vereinbarung der Parteien nur auf die Unentgeltlichkeit der einseitigen Zuwendung des zunächst noch nießbrauchsbelasteten Gegenstandes bezog. I m Rahmen dieser Zuwendung wirkte sich der vorbehaltene Nießbrauch nur als zeitliche Verzöge1949, 788; des OGHBrZ vom 18. Nov. 1948, Ζ 1, 258 ff. = NJW 1949, 260 ff. mit Anm. von Coing und des BGH vom 5. Juli 1972, Ζ 59, 343 ff., vom 27. Mai 1981, NJW 1981, 2458 f., vom 28. Sept. 1983, Ζ 88, 269 ff. und vom 9. Nov. 1983, Ζ 89, 24 ff. 112 Vgl. dazu Olzen, 21-26. us Vgl. RG, 22. Feb. 1940, BGH, 28. Sept. 1983 und 9. Nov. 1983, jeweils a.a.O. H 4 Vgl. RG, 4. Jan. 1887 und OLG Bamberg, 3. Nov. 1948, jeweils a.a.O. us Vgl. RG, 22. Feb. 1940 und OGHBrZ, 18. Nov. 1948, jeweils a.a.O. 116 Also durch Eigennießbrauchsbestellung und Übertragung des schon belasteten Gegenstandes oder durch Übertragung des lastenfreien Gegenstandes und Nießbrauchsbestellung durch den Erwerber. Folgerichtig differenziert § 1 auch noch nicht zwischen beiden Vertragsgestaltungen. 117 Das unter I I zum gestreckten Erwerb Gesagte gilt also auch für komplexe Vertragswerke. us So aber Esch/Schulze zur Wiesche, 469; Schulze zur Wiesche, NJW 1975, 2090 und GmbHR 1977, 184.
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§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
rung der Vollendung des Leistungserfolges aus. Bei komplexen Verträgen erhält der Veräußerer meist ein E n t g e l t 1 1 9 . Der Nießbrauch ist zwar kein T e i l davon, w o h l aber eine zeitliche Einschränkung der Leistung des Veräußerers. Der Veräußerer weiß, daß er wegen seines Vorbehalts weniger leistet, als wenn er die Sache unbelastet übertragen würde. I m Gegensatz zur unentgeltlichen Schenkung sind solche zeitlichen Leistungsverzögerungen bei (teil-)entgeltlichen Geschäften selbstverständlich zu beachten. Bei ihnen gilt i n voller Schärfe: Zeit ist Geld. Der gestreckte Erwerb und seine Dauer w i r d nämlich i m Rahmen der Äquivalenzvereinbarung der Parteien wertend berücksichtigt. Dies soll ein Beispiel zeigen 1 2 0 : Zahlt ein Erwerber für ein Grundstück, dessen Wert D M 1 000 000 beträgt, dessen Nettonutzungen jährlich D M 50 000 betragen und das m i t dem Nießbrauch eines 50jährigen Mannes belastet ist, D M 380 800, ist dies i m Regelfall ein vollentgeltliches Geschäft, ein Kaufvertrag 1 2 1 . Dies könnte überraschen, w e i l für den Fall der isolierten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt m i t dem Ende des Nießbrauchs der gesamte Wert W s „geschenkt" ist. Zahlt der Erwerber also gar nichts, erhält er das Grundstück i m Wert von D M 1 000 000 geschenkt 1 2 2 ; zahlt er für es D M 380 800, soll er nichts geschenkt erhalten, sondern ein Kaufvertrag zu bejahen sein. Das Ergebnis leuchtet indes ein, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der 50jährige Nießbraucher noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 23 Jahren h a t 1 2 3 . Sein Nießbrauch hat einen kapitalisierten Wert von D M 619 2 0 0 1 2 4 . Mehr als den Wert von D M 380 800 erhält der Erwerber i m Zeitpunkt der Übertragung des belasteten Grundstücks zunächst gar nicht, mehr ist die Hülle des Eigentums nicht w e r t 1 2 5 . Daß der Nießbrauch i m Laufe der Zeit allmählich seinen Wert verliert und der Hüllenwert i m Vermögen des Erwerbers entsprechend zunimmt, wurde schon von der synallagmatischen Äquivalenzvereinbarung der Parteien berücksichtigt. Der Betrag von D M 380 800 ist nämlich am Ende der mutmaßlichen Lebensdauer des Veräußerers, hat dieser ihn verzinslich angelegt, ebenfalls enorm angewachsen; bei einer Verzinsung von 5% m i t Zinseszinsen auf D M 1 169 6 3 5 , 6 0 1 2 6 . Hätte der Erwerber also den von i h m gezahlten Kaufpreis behalten und verzinslich angelegt, könnte er am mutmaßlichen Ende des Nießbrauchs auch den Wert des unbelasteten Gegenstandes damit bezahlen.
H9 Denkbar sind auch bloße Auflagen. 120 Vgl. auch schon oben bei Fn. 68. 121 Etwas anderes gilt etwa, wenn die Parteien davon ausgehen, daß der Übergeber wegen seines Krebsleidens nur noch 1 Jahr lebt. 122 Vgl. oben I I 1 und I I I 1, 2, 3. 123 Vgl. Schneider/Schlund/Haas, 137 : 23,05 Jahre. 124 E n χ Faktor gemäß Anlage 9 zu § 14 BewG = D M 50 000 χ 12,384. 125 Vgl. oben I I vor 1 und I I I 1. 126 Nach der Formel Kapital χ Prozentsatz potenziert mit Anzahl der Jahre, also bei D M 380 800, 23 Jahren und 5 % : D M 380 800 χ 1,05 23 = D M 1 169 635,60.
IV. Übertragungs vertrag mit Nießbrauchs vorbehält
125
3. Qualifikation I m Gegensatz zu isolierten Vorbehaltsgeschäften, die immer reine Schenkungen gemäß § 516 B G B sind, können komplexe Verträge, die eine Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt enthalten, nicht einheitlich qualifiziert werden. Dies ist nicht verwunderlich, weil die unter diesem Begriff zusammengefaßten Verträge höchst unterschiedlich sind. Ihre einzige Gemeinsamkeit besteht darin, daß sie (auch) eine Übertragung eines Gegenstandes unter Nießbrauchsvorbehalt beinhalten. Ihre Qualifikation reicht daher von der Schenkung unter Auflage über die gemischte Schenkung bis zum v o l l entgeltlichen Geschäft. Eine reine Schenkung liegt grundsätzlich nie vor, w e i l den Erwerber auch (Leistungs-) Verpflichtungen treffen. Etwas anderes kann bei rein symbolischen Kaufpreisen etwa von D M 1 gelten oder bei verschleierten Schenkungen, wenn die Leistungen des Erwerbers nicht ernstlich gewollt s i n d 1 2 7 .
a) Schenkung unter Auflage Handelt es sich bei den Verpflichtungen des Erwerbers u m keine auch nur teilweise Gegenleistung, sondern nur u m eine Einschränkung der Leistung des Veräußerers 1 2 8 , liegt eine Auflagenschenkung gemäß § 525 B G B vor. Soll beispielsweise der Erwerber nach dem T o d des Vaters, der i h m die Sache unter Nießbrauchsvorbehalt übereignet hatte, seinen Geschwistern einen knapp bemessenen Abfindungsbetrag zahlen, liegt darin kein auch nur teilweises Entgelt für die Leistung des Vaters. Zwischen der Übertragung durch den Vater und den Abfindungszahlungen des Sohnes an seine Geschwister besteht kein „ d o ut des"Verhältnis. Diese Zahlungen sind vielmehr aus dem erhaltenen Grundstück zu leisten. Dies zeigt sich auch daran, daß sie nicht Z u g u m Z u g gegen die Übereignung erfolgen sollen, sondern erst nach dem E r b f a l l 1 2 9 .
b) Gemischte
Schenkung
Erbringt der Erwerber Leistungen, die als teilweise Gegenleistung für die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt durch den Veräußerer zu qualifizieren sind, liegt regelmäßig eine gemischte Schenkung vor. Voraussetzung ist, daß sich die Parteien darüber einig sind, daß der von der Gegenleistung nicht abgegol127 Vgl. BGH, 21. Juni 1972, Ζ 59, 132 ff., wo die neben einem Wohnrecht des Übertragers vereinbarte Leibrente von monatlich D M 100 unstreitig nie gezahlt worden war (133), so daß nahe lag, daß sie dem Erwerber gleich erlassen worden (138) bzw. daß sie gar nicht ernstlich gewollt war. 128 Vgl. zu diesem problematischen Abgrenzungskriterium zwischen gemischter Schenkung und Schenkung unter Auflage die Nachweise oben in Fn. 39. 129 Vgl. OGHBrZ, 18. Nov. 1948, Ζ 1, 258 ff. = NJW 1949, 260 ff. mit hierzu beipflichtender Anm. von Coing.
126
§ 2 Die Qualifikation der „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt"
tene Leistungsteil unentgeltlich zugewendet werden soll. Berührt die Frage, ob eine solche Teilunentgeltlichkeitsvereinbarung vorliegt, Drittinteressen, etwa von Pflichtteilsberechtigten, spricht nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung dafür, daß eine solche Einigung bei einem auffallend groben Mißverhältnis der Werte der beiderseitigen Leistungen v o r l a g 1 3 0 . Dies ist bei komplexen Vorbehaltsgeschäften dann der Fall, wenn der Wert der Leistungen des Erwerbers deutlich hinter dem Hüllenwert bei der Übertragung zurückbleibt. Zahlt der Erwerber i n dem oben genannten Beispielsfall an den Veräußerer nicht D M 380 800, also den vollen Hüllenwert, sondern nur D M 100 000, liegt eine gemischte Schenkung vor. Der genaue Wert des Schenkungsanteils ist allerdings nicht leicht zu ermitteln, da er der Differenz entspricht, die die Parteien bei einer (noch) vertretbaren, verständigen Beurteilung ihrer gegenseitigen Leistungen selbst angenommen hätten 1 3 1 . Er muß also nicht D M 280 800 betragen, sondern beispielsweise nur D M 100 0 0 0 1 3 2 .
c) Entgeltlicher
(Kauf-)Vertrag
Sind die Leistungen von Erwerber und Veräußerer gleichwertig, erreichen) die Leistungen des Erwerbers also nach dem maßgeblichen Parteiwillen den Wert W H, liegt ein v o l l entgeltliches Geschäft vor, i n der Regel ein Kaufvertrag. I m schon eingeführten Beispielsfall ist dies sicher der Fall, wenn der Erwerber D M 380 800 an den Veräußerer zahlt, also den vollen Hüllen wert W H i m Zeitpunkt der Übertragung. I n Anbetracht der Unwägbarkeiten kann jedoch auch bei einer deutlich kleineren Summe, etwa D M 200 000, durchaus noch ein rein entgeltliches Geschäft vorliegen, ohne daß der Parteiwillen m i t Rücksicht auf Drittinteressen korrigiert werden dürfte.
d) Zusammenfassung Die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt, die Bestandteil eines komplexen Vertragswerkes ist, macht dieses nicht zur „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt". Es kann sich u m ein vollentgeltliches Geschäft m i t Nießbrauchs vorbehält handeln, es kann aber auch eine „gemischte Schenkung m i t Nießbrauchsvorbehalt" oder eine „Auflagenschenkung m i t Nießbrauchsvorbehalt" vorliegen 1 3 3 . 130 Vgl. BGH, 21. Juni 1972, Ζ 59, 132, 136. 131 BGH, 27. Mai 1981, NJW 1981, 2458 f. 132 Angesichts der großen Unwägbarkeiten und der langen „Laufzeit" (Lebenserwartung im Beispiel: 23 Jahre) muß den Parteien bei der Leistungsbewertung von Vorbehaltsgeschäften ein großer Spielraum gegeben werden. 133 Die Terminologie „mit Nießbrauchsvorbehalt" vermeidet Verwechslungen mit der reinen Schenkung „unter Nießbrauchsvorbehalt", die meist nur als Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt bezeichnet wird.
§ 3 Gesamtergebnis
127
§ 3 Gesamtergebnis 1. Eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt liegt vor, wenn der Vertrag ausschließlich zur Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt führt, insbesondere keine Leistungspflichten des Erwerbers begründet. 2. Die „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt" ist uneingeschränkte, reine Schenkung i m Sinn von § 516 B G B . Insbesondere liegt weder eine sogenannte gemischte Schenkung noch eine Schenkung unter Auflage gemäß § 525 B G B vor. 3. Der V o l l z u g der „typischen" Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt erfolgt dadurch, daß sich der Schenker am Schenkungsgegenstand einen Eigennießbrauch bestellt und ihn belastet auf den Erwerber überträgt. 4. Eine „atypische" Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt liegt vor, wenn ihr Vollzug dadurch erfolgt, daß der Erwerber mindestens für eine juristische Sekunde die Sache oder das Recht ohne Belastung durch den Nießbrauch innehat und er dem Schenker den Nießbrauch daran vertraglich bestellt. Sie ist unbedenklich, darf aber nicht ohne weiteres m i t der „typischen" Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt gleichbehandelt werden. Die rechtlichen Konsequenzen aus der technischen Konstruktion müssen gezogen werden, insbesondere daraus, daß hier der Beschenkte den unbelasteten Gegenstand erhält. 5. Der Leistungserfolg der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt tritt als zeitlich gestreckter Erwerb in drei Stufen ein, obwohl nur mit dem Vollzug, der Übertragung des belasteten Gegenstandes, ein Vermögensgegenstand auf den Erwerber übergeht. Bewegungsmomente sind das (sich durch Zeitablauf nähernde) Ende des Nießbrauchs und die dadurch bedingte höhere Geldbewertung des (belasteten) Gegenstandes i m Vermögen des Beschenkten. 6. „Geschenkt" ist bei der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt der volle Wert der Sache ohne Berücksichtigung des Nießbrauchs. 7. Begründet der Vertrag neben der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt Pflichten des Erwerbers, liegt keine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt vor. Eine einheitliche Qualifikation ist ausgeschlossen. Je nach Fallgestaltung liegt eine Schenkung unter Auflage m i t Nießbrauchsvorbehalt, eine gemischte Schenkung m i t Nießbrauchsvorbehalt oder ein Kaufvertrag m i t Nießbrauchsvorbehalt vor.
Teil
2
Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und Ergänzung des Pflichtteils l.
Kapitel
Die Problematik § 4 Fragestellung Der zweite T e i l dieser Arbeit untersucht die „heiklen und vertrackten Fragen" 1 , die sich stellen, wenn wegen Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt Pflichtteilsergänzung gefordert wird. Nach § 2325 Abs. 1 B G B kann ein Pflichtteilsberechtigter als Ergänzung seines Pflichtteils den Betrag verlangen, u m den sich sein Pflichtteil erhöht, wenn „der Wert des verschenkten Gegenstandes" dem Nachlaß hinzugerechnet wird. Die Bestimmung dieses Wertes bereitet bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt insbesondere wegen § 2325 Abs. 2 B G B „erhebliche Schwierigkeiten" 2 . Danach ist der Wert zur Zeit des Erbfalls in Ansatz zu bringen; war er „zur Zeit der Schenkung" allerdings niederer, gilt dieser Wert. B e i einer Vorbehaltsschenkung ist umstritten und problematisch, welcher Wert dem Nachlaß hinzuzurechnen ist. M a n könnte nämlich daran denken, ergänzungspflichtig sei nicht der volle Wert des Gegenstandes, sondern nur der Hüllenwert als Differenz aus Sachwert und kapitalisiertem Nießbrauch, w e i l der Beschenkte „zur Zeit der Schenkung" nur diesen Wert erhalten habe. Bei einer Leistung des belasteten Gegenstandes durch die Übertragung von Eigentum oder Rechtsinhaberschaft innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B , also weniger als 10 Jahre vor dem Erbfall (1. Problem), ergeben sich m i t h i n folgende Fragen: Welcher Wert
ist für
die Berechnung
des Ergänzungsbetrages
gemäß
§ 2325 Abs. 1 B G B als Wert des „verschenkten Gegenstandes" dem Nachlaß hinzuzurechnen? Ist es der Wert des Gegenstandes W s abzüglich des kapitalisierten Nießbrauchs W N oder ist es der Wert des Gegenstandes W s ohne Berücksichti1 Vgl. Dieckmann, FamRZ 1984, 882: „...mußte der BGH zu der heiklen Frage Stellung nehmen, wie Grundstücksschenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt vom Wertansatz her zu behandeln sind Hoffentlich hat der BGH bald Anlaß,... zu den vertrackten und schwer zu lösenden Fragen... Stellung zu nehmen" (Hervorhebungen vom Verf.). 2 Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19 a.E.
I. Das Pflichtrechtsteilrecht des BGB
129
gung des Nießbrauchs? U n d weiter: Ist der Wert des Gegenstandes zur Zeit der Übertragung W s 1, der zur Zeit des Erbfalls W s2 oder der jeweils niedrigere maßgeblich? Besonders zweifelhaft ist, was gilt, wenn die Vorbehaltsschenkung 10 Jahre oder mehr vor dem Erbfall vollzogen wurde 3 . Nach § 2325 Abs. 3 B G B löst eine Schenkung keine Pflichtteilsergänzungsansprüche mehr aus, wenn beim Erbfall 10 Jahre „seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes" verstrichen sind. Bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt tritt der vollständige Leistungserfolg unabhängig von der Dauer des Nießbrauchs erst beim Erbfall ein, w e i l der Beschenkte vor diesem Zeitpunkt den zugewendeten Gegenstand nur nießbrauchsbelastet innehat. Hier (2. Problem)
stellen sich also folgende Fragen:
Bleibt die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt v ö l l i g unberücksichtigt oder ist doch ein Wert ergänzungspflichtig? U n d wenn ja, welcher Wert ist anzusetzen, der des Gegenstandes ohne Berücksichtigung des Nießbrauchs, der Zuwachs an Nutzungsbefugnis beim Beschenkten infolge des Wegfalls des Nießbrauchs oder ein anderer?
§ 5 Lokalisierung I . Das Pflichtteilsrecht des B G B 1. Funktion Das deutsche Erbrecht kennt zwei Grundsätze materialer Natur 1 . Der erste ist der Grundsatz der Familienerbfolge. Gesetzliche Erben sind die Verwandten des Erblassers und sein Ehegatte 2 . Diese Regelung der Intestaterbfolge entspricht auch heute noch den vorherrschenden Anschauungen über das Wesen der Familie 3 . Der zweite Grundsatz ist der der Testierfreiheit. Danach ist es allein Sache des Erblassers, frei darüber zu bestimmen, w e m sein Vermögen beim Erbfall, sein Nachlaß, zufallen soll. Der Erblasser kann durch Testament, also durch einseitige Verfügung von Todes wegen, grundsätzlich frei seinen Erben 3 Vgl. Dieckmann, FamRZ 1984, 882: „Im Streitfall entschärfte sich diese Frage allerdings etwas, weil die Grundstücks Veräußerung in die ergänzungserhebliche Frist des § 2325 I I I fiel" (Hervorhebung vom Verf.). 1 Vgl. Kipp/Coing, § 1 I I 2; von Lübtow, Erbrecht 554. 2 §§ 1924-1935 BGB. 3 Vgl. hierzu Coing, Gutachten A 23, der darauf hinweist, daß die Familie über den Rahmen der engsten Kleinfamilie hinaus auch in der Industriegesellschaft als „Solidaritätsgruppe" noch eine gesellschaftliche Realität ist. — Darauf aufbauend will Goetz de lege ferenda das gesetzliche Erbrecht bei jeder „Solidaritätsgruppe" eingreifen lassen, insbesondere bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften, FamRZ 1985, 987, 989.
9 Reiff
§ 5 Lokalisierung
130
bestimmen 4 ; einen gesetzlichen Erben isoliert enterben 5 ; seinen Erben oder Vermächtnisnehmer m i t einem Vermächtnis
beschweren 6 ; oder eine
Auflage
7
anordnen . Darüberhinaus hat er auch die Möglichkeit, durch einen Erbvertrag einen Erben einzusetzen sowie Vermächtnisse und Auflagen anzuordnen 8 . Infolge der Testierfreiheit kann also durch ein- oder zweiseitige Verfügungen von Todes wegen eine gewillkürte Erbfolge statuiert werden. Beide Grundsätze sind unvereinbar. Der erste verlangt, daß der Nachlaß den Angehörigen zufällt, der zweite, daß der Erblasser die freie, ungebundene Entscheidung darüber hat, wer sein Erbe werden soll 9 . Das B G B gibt dem Grundsatz der Testierfreiheit den Vorrang. Die gesetzliche Erbfolge ist gegenüber der gewillkürten subsidiär, tritt also nur ein, wenn und soweit der Verstorbene keine abweichende Regelung durch wirksame Verfügung von Todes wegen getroffen h a t 1 0 . A u c h die Testierfreiheit gilt jedoch nicht schrankenlos. Sie w i r d durch die gesetzliche Ausgestaltung i m Einzelnen wesentlich eingeschränkt. Dies geschieht einmal durch besonders hohe Anforderungen an das Zustandekommen einer Verfügung von Todes wegen. So bestehen besondere Vorschriften über Wirksamkeitshindernisse i n der Person dessen, der von Todes wegen verfügen w i l l , die teilweise wesentlich strenger sind als die des Allgemeinen Teils n . Hierher gehören auch der Ausschluß jeder Stellvertretung, der Verfügungen von Todes wegen zu höchstpersönlichen Rechtsgeschäften erhebt 1 2 , und sehr strenge Formerfordernisse 1 3 . Daneben treten Vorschriften über die Bindungswirkung eines Erbvertrages und eines bindend gewordenen gemeinschaftlichen Testamentes, die einerseits die Testierfreiheit voraussetzen, sie aber andererseits für die Zukunft ausschließen beziehungsweise stark einschränken 1 4 . Die stärkste Einschränkung erfährt die Testierfreiheit durch das Pflichtteilsrecht der §§ 2303 -2338a B G B . Dieses bezweckt einen Ausgleich für das Zurück4 5 6 7 s
§§ 1937, 2229 ff. BGB. § 1938 BGB. §§ 1939, 2147 ff. BGB. §§ 1940, 2192 ff. BGB. §§ 1941, 2274 ff. BGB. 9 Staudinger (\\)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., bezeichnet diesen Konflikt in der Überschrift des 3. Kapitels zutreffend als eines von fünf Grundproblemen des Erbrechts. 10 §§ 1937, 1938, 1941, 2088, 2089, 2104, 2105 BGB. Vgl. hierzu aber mchLeipold, AcP 180 (1980) 194 f. Er weist darauf hin, daß die Mehrheit der Bevölkerung in einer Enterbung nächster Angehöriger einen ungerechten Eingriff sieht, wenn sie ohne vernünftigen sachlichen Grund vorgenommen wird. Da mindestens 70 % der Bevölkerung es bei der gesetzlichen Erbfolge beließen, komme diesen Vorschriften keine bloße „Lükkenbüßerfunktion" zu, sondern die Rolle eines „Weitmaßstabs". h §§ 2229, 2247 Abs. 4, 2275 BGB. 12 §§ 2232, 2233, 2247 Abs. 1, 2274 BGB. 13 §§ 2231-2233, 2247, 2249-2252, 2276 BGB. 14 §§ 2289, 2271 Abs. 2 BGB.
I. Das Pflichtrechtsteilrecht des BGB
131
treten der Familienerbfolge hinter die Testierfreiheit und korrigiert deren Folgen, indem es den nächsten Angehörigen des Verstorbenen eine durch ihn nicht entziehbare Beteiligung am Nachlaßwert, den Pflichtteil, gewährt 1 5 . Hierin tritt das Verständnis des B G B von der Testierfreiheit zutage. Sie ist dem Erblasser nicht als „Freiheit nach Belieben" zugestanden, sondern um eine „gerechte Modifizierung" seiner Erbfolge zu ermöglichen, die dem Gesetzgeber, der notwendigerweise abstrakt und generalisierend entscheiden muß, also die Umstände des Einzelfalles gesetzestechnisch nicht erfassen kann, verwehrt i s t 1 6 . Die Gesetzesverfasser gingen m i t h i n davon aus, daß den Erblasser die Rechtspflicht treffe, seine Testierfreiheit nicht zu mißbrauchen, und daß die Pflichtteilsberechtigung die Kehrseite dieser Verpflichtung sei 1 7 .
2. Geldpflichtteil statt materielles Noterbrecht Das B G B gewährt mittels eines Rechtsverhältnisses, des abstrakten Pflichtteilsrechtes, den Abkömmlingen des Erblassers, seinen Eltern und seinem Ehegatten schon zu seinen Lebzeiten ein „Anrecht" auf einen Ausgleich für den Fall, daß dieser durch eine Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge zu ihren Ungunsten ändert 1 8 . Aus diesem Rechtsverhältnis kann m i t dem T o d des Erblassers ein konkreter Pflichtteilsanspruch entstehen, § 2 3 1 7 B G B 1 9 . Nach § 2303 B G B können die Kinder und der Ehegatte des Verstorbenen und — soweit sich aus § 2309 B G B nichts anderes ergibt — auch seine entfernteren Abkömmlinge und seine Eltern von den Erben den halben Wert des gesetzlichen Erbteils, den Pflichtteil, verlangen, wenn sie durch eine Verfügung von Todes wegen wirksam von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Das Pflichtteilsrecht des B G B sieht m i t h i n i m Gegensatz zu den meisten ausländischen Rechtsordnungen keine dingliche Rechtsgemeinschaft der Pflichtteilsberechtigten mit den Testamentserben v o r 2 0 , sondern gibt ihnen nur einen schuldrechtlichen Anspruch, eine bloße Geldsummenforderung 2 1 , gegen jene. Die Verfasser des B G B mußten zwischen z w e i 2 2 gegensätzlichen Systemen 15 Vgl. Kipp/Coing, § 1 I I 4. 16 So Leipold, AcP 180 (1980) 195. Vgl. hierzu auch Papantoniou, AcP 173 (1973) 394. Er hält die Möglichkeit zu testieren für „eine Befugnis", die vom Gesetz in der Erwartung verliehen wird, daß der Erblasser einen wirtschaftlich geeigneten Nachfolger ernennt, und will den Begriff „Testierfreiheit" nicht mehr verwenden. π Motive bei Mugdan , V 205 = Motive, V 387. 18 So etwa von Lübtow, Erbrecht 545 f. 19 BGH, 1. Okt. 1958, Ζ 28, 177, 178. 20 Vgl. Boehmer in Neumann/Nipperdey/Scheuner, 417. — Rechtsvergleichend zu diesem Aspekt, insbesondere zur Entwicklung nach 1900, Neumayer, FS Ferid 665 f. 21 BGH, 1. Okt. 1958, Ζ 28, 177, 178. 22 Neben diesen beiden Formen des Noterbrechts gibt es noch ein völlig anders strukturiertes und unterhaltsrechtlich orientiertes Noterbrecht vor allem im neueren engli9*
§ 5 Lokalisierung
132
wählen, die beide seit langem weit verbreitet waren 2 3 . Sie entschieden sich vor allem aus praktischen Erwägungen 2 4 gegen ein materielles Noterbrecht und für ein System des Geldpflichtteils, so daß die Pflichtteilsberechtigten keine Teilhaber des Nachlasses sind, sondern nur dessen Gläubiger 2 5 . Ob diese Entscheidung des Gesetzgebers richtig war, war lange Zeit sehr bestritten 2 6 . Mittlerweile dürfte dieser Streit endgültig zugunsten der Befürworter der Regelung des B G B entschieden sein 2 7 .
3. Verfassungsrechtliche Verankerung, Reformdiskussion und aktueller rechtspolitischer Stellenwert Die historischen Gesetzesverfasser glaubten sich i n der Entscheidung frei, die Testierfreiheit so zu erweitern, daß das Pflichtteilsrecht als „der Sache nach der letzte Rest des deutschen Familienerbrechtsgedankens" 28 v ö l l i g beseitigt würde. Sie hielten allerdings die Argumente der Befürworter einer solchen radikalen L ö s u n g 2 9 , die politisch vor allem aus den (Groß-)Agrarkreisen unterstützt wurd e 3 0 , für nicht stichhaltig. Dabei war ausschlaggebend, daß eine Beschränkung des Erblassers durch ein wie auch immer i m einzelnen ausgestaltetes Pflichtteilsrecht nicht nur i n allen damals in Deutschland gültigen Rechtsordnungen existierte 3 1 , sondern auch fast zu allen Zeiten bei fast allen Völkern bestand 3 2 . sehen Recht, vgl. Hanisch, Mélanges Guy Flattet 478 f. und Staudinger (\l)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., § 14 Rdnr. 23 und § 15 Rdnr. 3 bis 7. 23 Vgl. hierzu die ausführliche und weiterführende Darstellung bei Staudinger (11)Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., §§ 14 und 15 sowie Endemann, Erbrecht I I §§ 156 und 157. 24 Vgl. von Lübtow, Erbrecht 555; Motive bei Mugdan, V 204 ff. und Protokolle bei Mugdan, V 763 ff = Motive, V 385 ff. und Protokolle, V 493 ff. 25 Unklar Parr, 45 f. Er geht davon aus, daß das Pflichtteilsrecht des BGB zwar in formeller Hinsicht als schuldrechtlicher Anspruch ausgestaltet ist, „seinem Wesen nach" aber ein materielles Noterbrecht sei. Diese „besondere Stellung" der Pflichtteilsberechtigten sei bei ihrem Rechtsschutz zu berücksichtigen. 26 Vgl. etwa Staudinger (ll)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., §§ 12 ff. (für materielles Noterbrecht) und Staudinger (11 )-Ferid, Vorbemerkung zu § 2303 Rdnr. 21 ff. (für Geldpflichtteil), jeweils mit weiteren Nachweisen. Der Erbrechtsausschuß der Akademie für Deutsches Recht hatte sich 1938 unter Führung seines Vorsitzenden Lange mehrheitlich für einen — wenn auch verstärkten — Geldanspruch entschieden und damit gegen seinen Berichterstatter Boehmer gestellt, der die Einführung eines materiellen Noterbrechts forderte, Lange, Denkschrift 211 ff. 27 So auch Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, Einleitung zu §§ 2303 ff. Rdnr. 57 f. Vgl. auch Coing, Gutachten A 24, wonach sich die Frage heute nicht mehr stellt. 28 Von Schmitt, I 172. 29 Vgl. etwa Bruns und Meyersburg in ihren Gutachten für den 14. DJT 1878, Bd. 1, 72 ff. und 50 ff. Diese Vorschläge konnten sich auf dem DJT nicht durchsetzen. Er empfahl vielmehr die Beibehaltung des Pflichtteilsrechts, Bd. 2, 86. 30 Mertens, 87 f. 31 Von Schmitt, 1172 und Mertens, 86; letzterer mit Nachweisen auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen.
I. Das Pflichtrechtsteilrecht des BGB
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A u c h glaubte man, daß diese vor allem sozialpolitische Frage „nicht spruchreif 4 sei, zumal die Hauptaufgabe der Kodifikation durch das B G B i n der Rechtsvereinheitlichung und nicht i n der Reform bestehe 33 . Heute wäre nach allgemeiner Auffassung ein Gesetz, das Ehegatten und A b kömmlingen jedes Pflichtteilsrecht verweigerte und die unbeschränkte Testierfreiheit einführte, nicht nur rechtspolitisch verfehlt 3 4 , sondern auch verfassungsw i d r i g 3 5 . Streitig ist lediglich, ob die Ansprüche der engsten Familienangehörigen auf einen T e i l des Nachlasses von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 G G geschützt werden, der neben dem Eigentum auch das Erbrecht gewährleistet 3 6 , oder von Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen 3 7 . Jedenfalls beläßt die Gewährleistung der Verfassung dem Gesetzgeber für die Ausgestaltung dieser Nachlaßbeteiligung nach Umfang und rechtlicher Konstruktion einen weiten Gestaltungsspielraum 38 . V o r diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund muß auch die lebhafte 3 9 , wenngleich nicht sehr breitenwirksame 4 0 Diskussion um eine Reform des Pflichtteilsrechtes gesehen werden, die hierdurch an Brisanz verliert 4 1 . Sie zeigt indes, welchen Stellenwert das Pflichtteilsrecht i n unserer Rechtsordnung heute hat. Der Rang einer Rechtsnorm und der durch sie geschützten Interessen und Rechtsgüter innerhalb der Gesamtrechtsordnung bestimmt entscheidend ihre Anwendung und Auslegung 4 2 . 32 Von Schmitt , I 171. 33 Motive bei Mugdan , V 3 f. und 202 f. = Motive , V 7 und 382. Vgl. hierzu auch Kipp, Referat auf dem 21. DJT 1890, Bd. 3, 87, der diese Begründung für mager und negativ hält. 34 Vgl. hierzu Coing, Gutachten A 46 f.; Dieckmann, Referat Κ 28; Leipold, AcP 180 (1980) 189 f. 35 Staudinger (U)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., § 23 Rdnr. 14-16; MünchKomm-Leipold, Einleitung vor §§ 1922 ff. Rdnr. 18; Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, Einleitung zu §§ 2303 ff. Rdnr. 21 f.; Lange/Kuchinke, § 2 I V 3 c; teilweise abweichend Soergel (11 )-Stein, Einleitung vor §§ 1922 ff. Rdnr. 4-8. — Das BVerfG hatte diese Frage bisher nicht zu beantworten. Vgl. seinen Beschluß vom 16. Okt. 1984, E 67, 329, 341. Nach dem BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98,226,233 steht das „Interesse der Pflichtteilsberechtigten in einem gewissen Umfang auch unter dem Schutz des Art. 14 GG." 36 Staudinger (11 )-Boehmer, a. a. O.; Boehmer in Neumann/ Nipper dey / Scheuner, 416 f.; Leisner, 48 f. 37 So Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, a.a.O. und Brox, Rdnr. 24. Unklar insoweit Papier in Maunz/Dürig, Art. 14 Rdnr. 244 und 246, der erst auf Art. 6 Abs. 1 GG abstellt (Rdnr. 244), dann aber das Pflichtteilsrecht unter Hinweis auf Boehmer und Leisner als von der Institutsgarantie des Art. 14 GG umfaßt ansieht (Rdnr. 246). 38 Vgl. Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, Einleitung zu §§ 2303 ff. Rdnr. 23; Lange/ Kuchinke, § 2 I V 3 c und Schlüter, § 2 I I 3. 39 Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, Einleitung zu §§ 2303 ff. Rdnr. 36 mit umfangreichen Nachweisen auf die zahlreiche Reformliteratur. 40 Vgl. Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, a.a.O. Rdnr. 34, wonach die technische Materie nicht sehr publizitätsträchtig sei. 41 So auch Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, a.a.O. Rdnr. 39.
134
§ 5 Lokalisierung
Die 1938 von Heinrich
Lange als Vorsitzendem des Erbrechtsausschusses der
Akademie für Deutsches Recht vorgelegten Reformvorschläge 4 3 liefen auf einen verstärkten Geldpflichtteilsanspruch hinaus 4 4 . Zwar sollte der Kreis der Pflichtteilsberechtigten und die Höhe des Pflichtteilsanspruchs unverändert bleiben 4 5 . Sowohl der Pflichtteilsberechtigte als auch der Erbe erhielten aber ein Recht auf Abfindung i n konkreten Nachlaßgegenständen, wenn der Geldanspruch für sie i m Verhältnis zum jeweils anderen eine unbillige Härte darstellte 4 6 . Z i e l dieser nie Gesetz gewordenen Bestrebungen war, den Stellenwert des Pflichtteils anzuheben, nicht aber ihn i n Frage zu stellen. Ausgangspunkt der jüngeren Reformdiskussion war ein von allen Fraktionen getragener Beschluß des V . Deutschen Bundestages v o m 14. M a i 1969, worin die Bundesregierung ersucht wurde, „einen Entwurf für eine Reform des Erbrechts
des Bürgerlichen
Gesetzbuchs"
i n der nächsten
Legislaturperiode
vorzulegen 4 7 . Gedacht war jedoch nur an eine Reform der gesetzlichen Erbfolge und des Pflichtteilsrechts 4 8 . Die zivilrechtliche Abteilung des 49. Deutschen Juristentages 1972 diskutierte deshalb die Frage: „Empfiehlt es sich, das gesetzliche Erbrecht und Pflichtteilsrecht neu zu regeln?" 4 9 . I m Ergebnis wurde unterstrichen, daß das Pflichtteilsrecht auch heute noch gerechtfertigt i s t 5 0 und für eine grundlegende Reform kein Anlaß besteht 5 1 . Ernsthafte Bestrebungen, das Pflichtteilsrecht v ö l l i g abzuschaffen, können nicht konstatiert werden 5 2 . A u c h Bestrebungen, das Pflichtteilsrecht inhaltlich 42 Beispielhaft sei hier § 1300 BGB genannt. Die Literatur hält ihn vereinzelt für verfassungswidrig, verbreitet will sie die Vorschrift de lege ferenda abschaffen, Gernhuber, 83 m. w. N. Die Rechtsprechung reagiert auf diese Stimmungslage auf ihre Weise, nämlich mit immer niedriger werdenden Geldbeträgen, Gernhuber, 84. 4 3 Lange, Denkschrift 207 ff. Vgl. zu den Reformbestrebungen im Dritten Reich umfassend Hütte, 197-234. 44 Firsching, JZ 1972, 449, 450. 45 Lange, Denkschrift 237 ff. (Personenkreis) und 239 ff. (Höhe des Pflichtteils). 46 Lange, Denkschrift 223 ff. 47 Wortlaut bei Bosch, FamRZ 1969, 506 bei Fn. 14. 48 So Bosch, FamRZ 1969, 506. 49 Vgl. dazu die Verhandlungen des 49. Deutschen Juristentages Band I, Seiten A 7 - A 82 (Gutachten von Coing und rechtsvergleichender Überblick von Reichert-Facilides) und Band I I Seiten Κ 6 - Κ 167 (Referat von Dieckmann, Sitzungsberichte, Beschlüsse). — Auch der 19. Deutsche Notartag 1973 befaßte sich mit dieser Reformfrage. Der Schwerpunkt lag dort auf einer Reform des gesetzlichen Erbrechts des Ehegatten (vgl. das Referat von Dumoulin, 84,89 ff.). Diese Diskussion ist daher für die vorliegende Untersuchung weniger relevant. so So auch Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, Einleitung zu §§ 2303 ff. Rdnr. 51. Ähnlich Dieckmann, Referat Κ 28 („auch heute noch nicht überholt"). 51 So MünchKomm-Frank, § 2303 Rdnr. 2; ähnlich Coing, Gutachten A 46, dem die Lösung des BGB „erhaltenswert" erscheint und Dieckmann, Referat Κ 28, wonach „zur Zeit von grundstürzenden Änderungen abzusehen" sei. Auch die beschlossenen Thesen des Juristentages enthielten nur Randkorrekturen des geltenden Pflichtteilsrechts (K 165 167; vgl. dazu auch Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, a.a.O. Rdnr. 26-34. 52 So auch MünchKomm-Frank, § 2303 Rdnr. 1.
I. Das Pflichtrechtsteilrecht des BGB
135
einzuschränken, haben sich zu Recht nicht durchsetzen können. Das gilt zum einen für eine Verengung des Kreises der Pflichtteilsberechtigten, wobei vor allem die Abschaffung des elterlichen Pflichtteilsrechts gefordert w u r d e 5 3 . Hiergegen spricht entscheidend der Gedanke der Reziprozität, wonach das Pflichtteilsrecht keine Einbahnstraße sein darf 5 4 . Es gilt auch für die Forderung, den Pflichtteilsanspruch oder seine Höhe v o m Bedarf des Berechtigten abhängig zu machen. Gegen eine solche Regelung, durch die das Pflichtteilsrecht letztlich „unterhaltsrechtlichen Charakter" erlangen w ü r d e 5 5 , sprechen vor allem Bedenken der praktischen Durchführbarkeit 5 6 . Es ist einzuräumen, daß sich seit Inkrafttreten des B G B ein großer T e i l der Grundlagen des Erbrechts gewandelt h a t 5 7 . Besondere Bedeutung für den Sinngehalt des Pflichtteilsrechts könnten dabei drei Entwicklungen haben: Der noch andauernde Trend von der Großfamilie hin zur K l e i n - oder K e r n f a m i l i e 5 8 , der Ausbau der sozialen Sicherheit 5 9 und die deutlich gestiegene Lebenserwartung der Bevölkerung 6 0 . Aus diesem Wandel der „sozialen Verhältnisse" folgt aber kein Funktions- oder Sinnverlust des Pflichtteilsrechtes 6 1 . Der Wandel der Fami53
So etwa Stöcker, FamRZ 1971, 618 („kaum erhaltungswürdiges Rechtsinstitut"). Zweifelnd auch Steffen, DRiZ 1972, 267 („gerät erneut in die Diskussion"). 54 Vgl. hierzu Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, Einleitung zu §§ 2303 ff. Rdnr. 56 und 47 und Dieckmann, Referat Κ 29. 55 Dafür vor allem Kühne, JR 1972, 225 f.; MünchKomm-Frank, § 2303 Rdnr. 4, bezweifelt, ob de lege ferenda „das deutsche Recht sich dieser Entwicklung auf die Dauer verschließen kann". 56 So Coing, Gutachten A 47, mit eindringlichen Argumenten und Dieckmann, Referat Κ 30. Steffen, DRiZ 1972,267, hat gegen eine solche Änderung sogar verfassungsrechtliche Bedenken ( „ für Art. 14 GG untragbar"). Besonders scharf attakiert von Lübtow, FS Bosch 600, diesen Vorschlag, der ihn aus grundsätzlichen gesellschaftspolitischen Überlegungen heraus für völlig verfehlt hält. 57 Grundlegend hierzu Leipold, AcP 180(1980) 160-211. Vgl. auch Coing, Gutachten A 12 - A 34. Zur Schweiz vgl. Schaer, 72-85. 58 Hierzu Leipold, AcP 180 (1980) 173 und Coing, Gutachten A 23. Ausführlich und mit umfangreichen familiensoziologischen Literaturnachweisen Βuchholz, FamRZ 1985, 871, 878 ff. 59 Zur gesetzlichen Altersversorgung der Rentner vgl. Leipold, AcP 1980 (1980) 187190; Coing, Gutachten A 14 f. und Jung, FamRZ 1976, 134 f.; zur Kostentragung der Berufsausbildung vgl. Coing, Gutachten A 15. Er verweist sowohl auf die staatliche Ausbildungsfürsorge (Wegfall von Schul- und Hochschulgeldern; Leistungen nach dem BAföG) als auch auf die diesbezügliche Entwicklung des Unterhaltsrechts — auch — durch die Rechtsprechung. 60 Vgl. Leipold, AcP 180 (1980) 182-187 und Coing, Gutachten A 15. 61 Mit diesem Argument hat der BGH im Urteil vom 21. Juni 1972, Ζ 59, 210 begründet, daß die Ehefrau eines Erblassers keinen Anspruch aus § 2325 BGB habe, wenn dieser die Schenkung vor der Eheschließung gemacht habe. Im Zusammenhang mit der Reformdiskussion ist hierbei vor allem auf Reinicke hinzuweisen, der bei seiner Kritik am BGH zu Recht feststellt, daß das Urteil bei genauer Analyse belege, daß der BGH die Regelung nicht für veraltet, sondern für von vornherein verfehlt hält, NJW 1973,598. Bemerkenswert auch die schneidende Kritik von von Lübtow, der dem Begriff „Wandel der sozialen Verhältnisse" jede inhaltliche Schärfe abspricht und ihn als „Nebel-
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§ 5 Lokalisierung
lienstruktur hin zur Klein- und Kleinstfamilie betrifft in erster Linie das gesetzliche Erbrecht 6 2 und nicht das Pflichtteilsrecht, das nur den allerengsten Familienangehörigen Ansprüche einräumt. A u c h die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland zum Sozialstaat hat keine solchen Auswirkungen auf das Pflichtteilsrecht. Es erscheint schon zweifelhaft, ob „die Maschen der Sozialversicherung" w i r k l i c h „so eng sind, daß praktisch niemand mehr hindurchfallen k a n n " 6 3 . Zudem stellt sich schon jetzt die Frage nach der Finanzierbarkeit des Sozialstaats heutiger Ausprägung. Erste „Schnitte ins soziale Netz" wurden vorgenommen. Weitere könnten folgen. Sicherte der Sozialstaat infolge einer solchen Entwicklung i n Zukunft wieder nur das Existenzminimum, hätte das Erbrecht und damit auch das Pflichtteilsrecht den erlittenen „Funktionsverlust" 6 4 teilweise wettgemacht. Doch auch heute ist das Pflichtteilsrecht nicht ohne Versorgungsfunktion. N u r daß es nicht mehr das tägliche Brot, sondern die Butter darauf sichert, also nicht das „nackte Überleben", sondern die Aufrechterhaltung des Lebensstandards 65 . Diese Funktion w i r d ferner nicht dadurch beeinträchtigt, daß infolge der stark gestiegenen Lebenserwartung die A b k ö m m l i n g e des Erblassers bei dessen T o d sehr viel älter sind als Ende des vorigen Jahrhunderts 66 . Gegen eine schrankenlose Testierfreiheit und damit für ein Pflichtteilsrecht spricht wesentlich die „Erfahrung, daß namentlich ältere Erblasser bei der letztw i l l i g e n Verfügung leicht beeinflußbar" sind und auch immer wieder Beeinflussungsversuchen ausgesetzt werden 6 7 . Die völlige Verfügungsfreiheit von Todes wegen würde i m Ergebnis weniger zu „berechtigten Fürsorgemaßnahmen" des Testators führen, als vielmehr zu sehr subjektiven und wandelbaren Entscheidungen 6 8 . Die Schranke des Pflichtteilsrechts dient somit dem Familien- und Rechtsfrieden, w e i l sie den Anreiz für den „ K a m p f u m das Erbe", der gerade unter Abkömmlingen häufig noch zu Lebzeiten des Erblassers ausbricht, immerwand" bezeichnet, hinter der die Regelung des § 2325 „manipulatorisch verzeichnet" wird, FS Bosch, 575 ff. 62 Hier wird in der Tat de lege ferenda erwogen, die Grenze des Verwandtenerbrechts hinter der dritten Parentele zu ziehen, so etwa Coing, Gutachten A 39 und Dieckmann, Referat Κ 11; ebenso der Beschluß des 49. DJT, Verhandlungen Bd. II, Κ 165. 63 So aber Groß, 135. 64 So z.B. Jung, FamRZ 1976, 135. Schaer, 84 spricht davon, daß (in der Schweiz) „mehrere Momente dem Pflichtteilsrecht seine Berechtigung weitgehend entzogen haben", darunter das „Sozialvermögen" (82). Zu Recht sprechen Coing, Gutachten A 15, und Leipold, AcP 180 (1980) 188 zurückhaltender nur davon, daß diese Entwicklung die Versorgungsfunktion des Erbrechts „entlastet" habe. 65 So Leipold, AcP 180 (1980) 189 f., Gotthardt, FamRZ 1987, 761 bei Fn. 70, und vor allem Buchholz, FamRZ 1985, 880 in Fn. 112: Das Erbrecht soll im Vergleich zum „sozialen Netz" das „Mehr" sichern. 66 Nach Schippel, 83, beträgt das Alter eines Kindes beim Tod des letztversterbenden Elternteils heute durchschnittlich 48 Jahre, 1900 dagegen 32 Jahre. Weitere Zahlenangaben bei Leipold, AcP 180 (1980) 184 Fn. 59, der zutreffend ausführt, daß solche Durchschnittswerte letztlich nicht sehr aussagekräftig sind. 67 Hanisch, Mélanges Guy Flattet 481 f. und Coing, Gutachten A 47. 68 Coing, a.a.O.
I. Das Pflichtrechtsteilrecht des BGB
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hin begrenzt 6 9 . Diese Funktion hat aufgrund der deutlich gestiegenen Lebenserwartung der Bevölkerung gegenüber 1900 sogar an Bedeutung gewonnen, da die Beeinflußbarkeit des Erblassers und die W i l l k ü r l i c h k e i t seiner Entscheidungen m i t zunehmendem Alter größer w i r d 7 0 . Hinzu kommt, daß das Pflichtteilsrecht als „harter Kern der Sippenbindung des Erblassers" 7 1 noch eine weitere, v o m Wandel seit 1900 nicht entscheidend veränderte Funktion hat. Es soll als Zwangsmittel zur Durchsetzung der „Gleichberechtigung der Kinder i n der E r b f o l g e " 7 2 auch die Entstehung wirtschaftlicher Oligokratien hindern 7 3 . Dies ist zwar bestritten. Der K r i t i k ist aber entgegenzuhalten, daß diese Funktion dem Erbrecht nicht erst „neuerdings" oder i n „neuerer Z e i t " zugewiesen w i r d 7 4 . Schon das Bürgertum des 18. Jahrhunderts hatte gegen ein „aristokratisches", Machtstrukturen zementierendes und für ein liberales, bürgerliches Erbrecht gekämpft 7 5 . A u c h der Redaktor von Schmitt, dessen Vorentw u r f des Erbrechts zum B G B i m Ergebnis fast unverändert von der Ersten Kommission übernommen w u r d e 7 6 , hatte diese Funktion des Pflichtteilsrechts i m A u g e 7 7 , wie seine M o t i v e eindrucksvoll belegen 7 8 . Der Einwand, ein starkes, effizientes Pflichtteilsrecht bewirke unter den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen sogar das Gegenteil, w e i l es kleinere Unternehmenseinheiten zerschlage
69 Vgl. Coing und Hanisch jeweils a.a.O. 70 So auch Coing , a. a. Ο. 71 So die anschauliche Formulierung von Kühne, JR 1972, 225. 72 So Kipp! Coing, § 1 I 3. 7 3 So Reuter, JuS 1971, 293 f. Ähnlich auch Kipp/Coing, § 1 I 3. 74 So aber Dänzer-Vanotti, JZ 1981, 434 und Stöcker, FamRZ 1971, 617. Kritisch zu Reuter auch Flume, FS Schilling 60 Fn. 85 und Personengesellschaft § 18 V I Fn. 92. 7 5 Vgl. hierzu Kipp/Coing, § 113 und Papantoniou, AcP 173 (1973) 399 mit Hinweis auf das vorrevolutionäre Frankreich. 76 Siehe hierzu Mertens, 37. 77 Dies wird auch von Gotthardt, FamRZ 1987, 761 in Fn. 66 gesehen; ebenso von Coing, Gutachten A 45 und Däubler, ZRP 1975, 138 bei Fn. 21. Kipp/Coing, § 8 II, verweisen in Fn. 19 diesbezüglich ausdrücklich auf die „Redaktor-Vorlage". — Nach Großfeld, JZ 1968,119, wohnt der Testierfreiheit „die Tendenz zur Vermögenskonzentration inne". Jede Einschränkung von ihr sei das wichtigste Mittel, „um vermögenden Familien ihren die Generationen überdauernden Einfluß zu nehmen". — Nach Hanisch, Mélanges Guy Flattet 481, „wird seit langem schon ... ins Feld geführt, durch die Verfügungsfreiheit zugunsten einer einzigen Person" werde eine Vermögenskonzentration bei wenigen gefördert. 78 So etwa, wenn er in seiner Argumentation gegen völlige Testierfreiheit und für ein Pflichtteilsrecht zunächst auf England hinweist, wo infolge der unbeschränkten Testierfreiheit die Gegensätze zwischen wenigen Reichen und vielen Armen besonders krass seien und der — staatstragende — Mittelstand fehle; ferner wenn er auf den Nachteil hinweist, den die — erbrechtlich geförderte — „Ansammlung von Vermögen in den Händen weniger" dem Staat Frankreich in Gestalt der Revolution gebracht habe. Nach diesem Einschnitt habe Frankreich dank der Regelung des Code civil und seines Pflichtteilsrechts ökonomischen Wohlstand entwickelt, von Schmitt, I 172 f. Vgl. hierzu auch Mertens, 84 f. Erinnert sei auch daran, daß es die (Groß-)Agrarkreise waren, die politisch gegen jede Art von Pflichtteilsrecht kämpften, Mertens, 87 f.
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und so zur Konzentration der Wirtschaft beitrage, geht fehl 7 9 . In diesem Zusammenhang ist auf die von der Rechtsprechung entwickelte „Beinahe-Sondererbfolge" kraft Gesellschafts Vertrags 80 und auf die Möglichkeiten des Erben nach § 2331 a B G B hinzuweisen. Zudem sei daran erinnert, daß der vorausschauende Erblasser zu seinen Lebzeiten auch insoweit Vorsorge treffen kann 8 1 . Das Pflichtteilsrecht des B G B deckt sich somit in seinen Grundzügen auch heute noch mit den vorherrschenden Auffassungen der Bevölkerung 8 2 . Eine etwaige Reform dieses Instituts, „das so schlecht doch gar nicht i s t " 8 3 , sollte jedenfalls behutsam und in „konservativem Geist" angegangen werden, da es als Teil eines „statischen Rechtsgebietes" i m Rechtsbewußtsein der Allgemeinheit besonders verankert sein m u ß 8 4 . Eine Verschlechterung des Stellenwerts des Pflichtteilsrechts in der Gesamtrechtsordnung kann somit nicht festgestellt werden 8 5 .
4. Schutz vor Beeinträchtigungen Der Gesetzgeber mußte Regelungen schaffen, die eine wertungsmäßig nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung des Pflichtteilsanspruchs weitgehend ausschließen. Diese Vorschriften lassen sich systematisch in drei Gruppen einteilen 8 6 . Die erste Gruppe (§§ 2305-2308 B G B ) regelt den Einfluß von Zuwendungen von Todes wegen auf den Pflichtteilsanspruch 87 . Die zweite Gruppe (§§2315 und 2316 B G B ) regelt den Einfluß von Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden an einen Pflichtteilsberechtigten 88 . Sie w i l l eine Besserstellung eines Pflichtteilsberechtigten zu Lasten anderer Pflichtteilsberechtigter verhindern 8 9 . Die dritte Gruppe (§§ 2325-2331 B G B ) soll die mögliche Beeinträchtigung von 79 So aber Dänzer-Vanotti,
22.
JZ 1981, 435 und auch Däubler, ZRP 1975, 138 bei Fn.
80 Vgl. hierzu Däubler, ZRP 1975, 145 f. und Leipold, AcP 180 (1980) 210, beide mit weiteren Nachweisen. Grundlegend waren die Urteile des BGH vom 10. Feb. 1977, Ζ 68, 225 ff. und vom 22. Nov. 1956, Ζ 22, 186 ff. si Siehe hierzu etwa Sudhoff, DB 1961, 1573 ff.; 1968, 648 ff. und 1971, 225 ff. und umfassend Schramm, BWNotZ 1959, 227 ff. 82 So auch Coing, Gutachten A 47. 83 Von Lübtow, FS Bosch 600. 84 So zutreffend Leipold, AcP 180 (1980) 211 und ähnlich auch Buchholz, FamRZ 1985, 882 bei Fn. 153: Einschnitte „nur mit Bedacht". 85 Für eine restriktive Handhabung des Pflichtteilsrechtes besteht daher — anders etwa als bei § 1300 BGB — keine Veranlassung. A.A. aber wohl Gotthardt, FamRZ 1987, 761 f., nach dem „die soziale Legitimität des Pflichtteilsrechts im Vergleich zur Testierfreiheit" seit 1900 stetig zurückgegangen ist. 86 So Brox, Rdnr. 529. 87 Vgl. Kipp/Coing, § 10. 88 Vgl. Kipp/Coing, § 11. 89 So Brox, Rdnr. 534.
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
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Pflichtteilsansprüchen durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers an Dritte verhindern 9 0 . Sie regelt, inwieweit das Pflichtteilsrecht die lebzeitige Verfügungsfreiheit des Erblassers beschränkt 9 1 . Das B G B beläßt es grundsätzlich bei dieser Freiheit des Erblassers 92 und trifft nur für Schenkungen m i t seinen Vorschriften über die Pflichtteilsergänzung eine Sonderregelung, die allerdings erst nach dem Tode des Erblassers Wirkungen entfaltet 9 3 . A u f sie ist i m folgenden näher einzugehen.
I I . Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen 1. System Widrigkeit Die Verfasser des B G B standen bei der Abfassung der Vorschriften über die Pflichtteilsergänzung und ihrer Einfügung in das Pflichtteilsrecht vor einem Problem grundsätzlicher Natur. M a n war sich durchaus bewußt, daß diese „Pflichtteilsergänzung" oder i n der D i k t i o n des Ersten Entwurfes dieser „außerordentliche P f l i c h t t e i l " 9 4 regelwidrig und m i t den übrigen Vorschriften über den Pflichtteil nur schwer vereinbar i s t 9 5 . Die Entscheidung gegen ein zwingendes Familienerbrecht und für die Testierfreiheit bedeutete nämlich zugleich, daß die Freiheit des Erblassers, unter Lebenden über sein Vermögen zu verfügen, durch wie auch immer geartete Erb- oder Erbenrechte nicht berührt w i r d 9 6 . Sie Schloß eine geschichtliche Entwicklung weg v o m Familieneigentum und hin zum Individualeigentum a b 9 7 . N u r solange das Eigentum die Rechtsform des Familieneigentums hatte, war ohne weiteres der Ausschluß der Verfügungsfreiheit des einzelnen Familienmitglieds gegeb e n 9 8 . M i t der Ablehnung der dinglichen Verhaftung des Vermögens an das K o l l e k t i v Sippe oder Familie und der Bejahung der völligen Verfügungsfreiheit des einzelnen Rechtsträgers beschränkt sich das Erbrecht auf die Regelung der
90 So Brox, Rdnr. 537. 91 Staudinger (ìì)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., Überschrift des 4. Kapitels, sieht in dem Konflikt Familienerbrecht und Verfügungsfreiheit unter Lebenden zu Recht ein weiteres „Grundproblem" des Erbrechts. 92 Vgl. Crome , § 708 Anm. 1. 93 Siehe etwa Staudinger (\\)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., § 20 Rdnr. 3. 94 Siehe § 2010 des 1. Entwurfs und zur Begründung dieser Terminologie Motive bei Mugdan, V 245 = Motive, V 460. Die sprachliche Änderung hatte keinen sachlichen Hintergrund, Crome, § 708 Anm. 4. Kritisch zu beiden Termini: von Lübtow, Erbrecht 595. 95 So Crome, § 700 Anm. 13. 96 So schon von Schmitt, I 781. 97 Siehe Staudinger (ll)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., § 18 Rdnr. 2. 98 Darauf weist Boehmer, a.a.O., zutreffend hin.
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§ 5 Lokalisierung
Frage, w e m das Vermögen des Erblassers nach dessen T o d zufallen s o l l " . Die Aufgabe des Pflichtteilsrechts beschränkt sich dann seiner rechtspolitischen Begründung nach darauf, die Testierfreiheit des Erblassers dahingehend einzuschränken, daß es seinen nächsten Familienangehörigen ein unentziehbares A n recht am Nachlaß sichert. Dementsprechend sind auch die Vorschriften über den Pflichtteil so ausgestaltet worden, daß sie die Sicherung dieser Anrechte der Pflichtteilsberechtigten gegen Verfügungen des Erblassers von Todes wegen bewirken. Nach § 2317 Abs. 1 B G B entsteht der konkrete Pflichtteilsanspruch erst m i t dem T o d des Erblassers. Davor haben die Pflichtteilsberechtigten nur eine v ö l l i g ungesicherte und schwache Aussicht 10 °. V o r diesem Zeitpunkt besteht der Pflichtteilsanspruch noch nicht einmal als bedingter Anspruch. Er kann daher vor dem Erbfall weder durch Arrest noch durch einstweilige Verfügung gesichert w e r d e n 1 0 1 .
Die
§§ 2305-2307 B G B regeln den Schutz vor nicht v ö l l i g enterbenden Verfügungen von Todes wegen. A u c h die §§ 2315 und 2316 B G B sind insoweit nicht „regelw i d r i g " . Sie behandeln zwar den Einfluß von Zuwendungen unter Lebenden auf den Pflichtteilsanspruch. Sie regeln aber nur die Höhe der Pflichtteilsansprüche am w i r k l i c h bestehenden Nachlaß des Erblassers, können also i n ihren Auswirkungen allenfalls die Testierfreiheit des Erblassers beeinträchtigen, aber nicht seine lebzeitige Verfügungsfreiheit. § 2315 B G B kann sich sogar nur als Abzugsposten von einem Pflichtteilsanspruch auswirken, erhöht also noch die Testierfreiheit des Erblassers. U n d § 2316 B G B betrifft nur die interne Ausgleichung ohnehin bestehender Pflichtteilsansprüche von Abkömmlingen. Seine W i r k u n g ist also aus der Sicht des Erblassers neutral, da sie den Wert der Summe aller Pflichtteilsansprüche, die sich gegen den Nachlaß richten und so die Testierfreiheit beschränken, nicht verändert.
99 Sehr anschaulich Kegel, 34 ff., 39 f.: „Die Nachfolge ergreift nur das was übrig ist, den 'Nach-laß 4 . D.h.: Alle Rechtsgeschäfte unter Lebenden gehen der Ernennung des Nachfolgers vor". 100 Diese kann noch nicht als „Anwartschaftsrecht" bezeichnet werden, insoweit gilt das gleiche wie für das gesetzliche Erbrecht schlechthin, vgl. Staudinger (12)-FeridCieslar, Einleitung zu §§ 2303 ff. Rdnr. 67; Schlüter, § 46 I 3a, bb und zum schweizerischen Recht Hanisch, Mélanges Guy Flattet 479 m.w.N. in Fn. 35. Vgl. auch Schulz, AcP 105 (1909) 286, der feststellt, „die Anwartschaft... des Pflichtteilsberechtigten auf die Nachlaßgegenstände genießt keinen rechtlichen Schutz". ιοί Vgl. Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, Einleitung zu §§ 2303 ff. Rdnr. 66 und Lange/ Kuchinke, § 39 I I I 1. Hingegen ist das abstrakte Pflichtteilsrecht ein bereits zu Lebzeiten des Erblasser bestehendes Rechtsverhältnis, auf dessen Feststellung schon geklagt werden kann; BGH, 1. Okt. 1958, Ζ 28, 177, 178. Vgl. hierzu auch BGH, 1. März 1974, NJW 1974, 1084 ff., wonach auch die Klage des Erblassers auf Feststellung des Rechts, einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil gemäß §§ 2333 ff. BGB zu entziehen, zulässig ist.
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
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2. Rechtspolitische Notwendigkeit Wegen der Regelwidrigkeit der §§ 2325 ff. B G B hätte es nahegelegen, auf jede über die §§2315 und 2316 B G B hinausgehende Regelung des Einflusses von lebzeitigen Verfügungen des Erblassers auf die Pflichtteilsansprüche und damit auf jede Beschränkung seiner Freiheit, unter Lebenden über sein Vermögen nach Belieben zu verfügen, zu verzichten. Der historische Gesetzgeber erkannte jedoch, daß die Pflichtteilsberechtigten bei einer schrankenlosen lebzeitigen Verfügungsfreiheit des Erblassers nicht ausreichend geschützt werden. Die allgemeinen Schranken der § § 1 3 8 Abs. 1 und 826 B G B schaffen nämlich nur in krassen Ausnahmefällen Abhilfe und laufen wegen ihrer strengen Voraussetzungen meist ins Leere 1 0 2 . A u c h die §§ 2315 und 2316 B G B bieten aufgrund ihres begrenzten Anwendungsbereiches nur unzureichend Schutz. Z u m einen, w e i l sie nur den Ausgleich von Freigebigkeiten zugunsten von Pflichtteilsberechtigten, nicht aber zugunsten anderer Personen bezwecken. V o r allem aber, w e i l sie nur die Feststellung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs regeln, der sich gegen den Nachlaß richtet, also bei dürftigem Nachlaß ohne Auswirkungen bleiben 1 0 3 . Die Verfasser des B G B waren aus diesen Gründen der Auffassung, daß die gesetzgeberische „ K o n s e q u e n z " 1 0 4 es gebiete, regelwidrig wenigstens den U m fang des unter Lebenden verschenkbaren Vermögens zu beschränken 1 0 5 . Hierin sah man sich dadurch bestärkt, daß alle Rechtsordnungen, welche ein Pflichtteilsrecht i m weitesten Sinn kennen, die Umgehung desselben durch Freigebigkeiten unter Lebenden beschränkt hatten 1 0 6 . I m Vordergrund stand indes die Befürchtung, daß das Institut des Pflichtteilsrechtes ohne eine solche Beschränkung „ k a u m eine materielle B e d e u t u n g " 1 0 7 erlangen könnte, j a sogar „wertlos" w ä r e 1 0 8 . 102 Vgl. etwa Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, Vorbem. zu §§ 2325-2330 Rdnr. 5 und § 2325 Rdnr. 22 und 24; Palandt-Edenhofer, § 2325 Anm. 1 und Erman-Schlüter, vor §§ 2325-2331 Rdnr. 2. 103 So schon von Schmitt, I 863, zu den Vorschriften seines Vorentwurfes, die — funktionell — den §§ 2315 und 2316 BGB sowie den §§ 2325 ff. BGB entsprechen. 1 04 Dies erkannte schon von Schmitt, I 863, in der Begründung zu § 282 seines Vorentwurfes, der funktionell dem späteren § 2325 BGB entspricht. 105 Vgl. auch Motive bei Mugdan, V 240 = Motive, V 451 f. — Vgl. zum Schweizer ZGB Escher, ZGB I I I 1, 156: Verfügungen unter Lebenden sind keine Verfügung über den Nachlaß. Der Pflichtteilsschutz erscheint ihnen gegenüber als „Anomalie". Aber er ist ein „praktisches Gebot" (Hervorhebungen vom Verfasser). 1 06 So begründete schon von Schmitt, 1781, die Regelung seines Vorentwurfs. Ebenso die Motive bei Mugdan, V 240 = Motive, V 452. Vgl. auch Mertens, 110, alle mit Nachweisen auf die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. In diesem Zusammenhang ist aber zu erwähnen, daß das heutige Pflichtteilsrecht der DDR, das wie das gesamte Erbrecht der DDR allerdings sehr kurz gefaßt ist (§§ 396-398 ZGB der DDR), keine Bestimmungen über die Ergänzung des Pflichtteils wegen Schenkungen (entsprechend §§2325-2331 BGB) kennt (ebensowenig wie Vorschriften über Anrechnung, Ausgleichung oder Pflichtteilsentziehung), Mampel, NJW 1976, 599; Staudinger (12)Ferid-Cieslar, Einleitung zu §§ 2303 ff. Rdnr. 15. 107 So die Motive bei Mugdan, V 240 = Motive, V 452.
142
§ 5 Lokalisierung
M a n gelangte daher „ z u dem Grundsatze, daß der Berechtigte Schenkungen des Erblassers nicht gegen sich gelten zu lassen braucht, wenn i h m nicht soviel hinterlassen ist, als der Pflichtteil betragen würde, wenn das Verschenkte sich zur Zeit des Erbfalles noch i m Nachlasse befände" 1 0 9 . Diese Vorstellungen des historischen Gesetzgebers sind heute noch genauso einleuchtend und zutreffend wie vor hundert Jahren. Sie werden i m Schrifttum der Sache nach auch uneingeschränkt geteilt. Ohne die Vorschriften über die Pflichtteilsergänzung „unvollständiger"
111
sei das Pflichtteilsrecht eine „stumpfe W a f f e " 1 1 0 , ein oder „unzureichender" Schutz 1 1 2 . Ohne sie sei das ganze
Pflichtteilsrecht „ i l l u s o r i s c h " 1 1 3 . Anderenfalls könnte der Erblasser vor seinem T o d durch Schenkungen die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten
„umge-
h e n " 1 1 4 , „aushöhlen" 1 1 5 , „zerstören" 1 1 6 oder „ v e r e i t e l n " 1 1 7 . Dieser Einhelligkeit liegt die Vorstellung zugrunde, daß man auch heute noch davon ausgehen muß, daß es die unausgesprochene, aber eindeutige Zielsetzung des ganzen Instituts der Pflichtteilsergänzung ist, einen Mißbrauch der lebzeitigen Verfügungsfreiheit durch den Erblasser weitgehend auszuschalten 118 .
3. Regelungsgrundsätze M i t der Bejahung der rechtspolitischen Notwendigkeit von Vorschriften zum Schutze der Pflichtteilsberechtigten gegen Schenkungen unter Lebenden ist noch nicht die Frage beantwortet, wie dieser „praktische K e r n " 1 1 9 des Pflichtteilsrechts los So von Schmitt, I 781. 109 Motive bei Mugdan, V 240 = Motive, V 451. Siehe auch Endemann, Gutachten 59 ff., der bedauert, daß dieser richtige Grundsatz in den einzelnen Vorschriften des 1. Entwurfs nicht genügend Ausdruck gefunden habe. no Staudinger (l\)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., § 18 Rdnr. 1. in Kipp/Coing, § 13 vor I. 112 Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, Vorbem. zu §§ 2325-2330 Rdnr. 4. 113 So Crome, § 700 bei Anm. 13; von Lübtow, Erbrecht 591 und Mertens, 110. So auch schon Reatz, 74 in seinem Gutachten für den 20. Deutschen Juristentag 1889. 114 So Ruffing, 1. h 5 MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 1; Brox, Rdnr. 537 und Heinemann, KÖSDI 6/84, 5511. 116 So Leonhard, § 2325 Anm. I. i n So RGRK-Johannsen, § 2325 Rdnr. 1; Planck-Greiff, § 2325 Anm. 1; Schönfeldt, 58 und Schulte, 74. 118 Vgl. hierzu die Motive bei Mugdan, V 244 = Motive, V 458. Ähnlich äußert sich der BGH, 21. Juni 1972, Ζ 59, 210, 214, wonach der Zweck der'§§ 2325 ff. BGB darin bestehe, „den Erblasser zu hindern, die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten dadurch zu verkürzen, daß er Teile seines Vermögens zu seinen Lebzeiten verschenkt." Der Kritik hieran (Reinicke, NJW 1973,598 bei Fn. 12) ist aber zuzugeben, daß die potentielle Mißbrauchsmöglichkeit nicht Voraussetzung für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch ist, da auch noch andere legislatorische Zwecke existieren (vgl. dazu und zur Kritik am Urteil des BGH, der zu Unrecht diese Schlußfolgerung zieht, unten bei Fn. 147 ff.).
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
143
gesetzestechnisch auszugestalten ist. V o r dem Inkrafttreten des B G B gingen die deutschen Partikularrechte fast ausnahmslos so vor, daß Schenkungen des Erblassers, die ein Pflichtteilsrecht verletzten, unter bestimmten, i m einzelnen zum T e i l erheblich differierenden Voraussetzungen für anfechtbar erklärt wurden und der Pflichtteilsberechtigte (nur) einen Anspruch gegen den Beschenkten hatte 1 2 0 . Noch der Vorentwurf des Redaktors von Schmitt von 1879 gewährte i n seinen §§ 282-285 dem Pflichtteilsberechtigten gegen „freigebige Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden", soweit sie seinen Pflichtteil verletzten, nur ein Anfechtungsrecht gegen den Beschenkten 1 2 1 . Von Schmitt ging aber insoweit schon neue Wege, als er für die Beantwortung der Frage, ob eine Schenkung ein Pflichtteilsrecht verletzt oder nicht, i m A n schluß an den französischen Code civil, der i n Baden und dem linksrheinischen Rheinland bis zum Inkrafttreten des B G B geltendes Recht w a r 1 2 2 , die Berechnung des Pflichtteils nach dem Bestand des Nachlasses zuzüglich aller Schenkungen vornahm und nicht wie die meisten anderen Partikularrechte nach dem Stand des Vermögens zur Zeit der Schenkung 1 2 3 . Das B G B 1 2 4 folgt i n diesem Punkt von Schmitt und damit dem Code civil. M a n verkannte nicht, daß diese Regelung des Code c i v i l erheblich von der v ö l l i g anderen Struktur des französischen Pflichtteilsrechts als eines materiellen Noterbrechtes beeinflußt war und daher nicht ohne weiteres i n das B G B m i t seinem System des Geldpflichtteils passte. Aber nur der Code c i v i l verwirklichte den von der Mehrheit der Kommissionsmitglieder allein für richtig erachteten, bereits erwähnten Grundsatz, „daß der Berechtigte Schenkungen des Erblassers nicht gegen sich gelten zu lassen braucht, wenn i h m nicht soviel hinterlassen ist, als der Pflichtteil betragen würde, wenn das Verschenkte sich zur Zeit des Erbfalles noch i m Nachlasse befände" 1 2 5 . I n einem anderen Punkt gehen aber beide Entwürfe und das B G B über den Vorentwurf von Schmitts hinaus. Der „außerordentliche Pflichtteil" des Ersten H9 So einprägsam Orth, 1. 120 Vgl. etwa Motive bei Mugdan , V 239 und 242 = Motive , V 449 und 454 mit Nachweisen auf das gemeine Recht, das österreichische AB GB, das sächsische Gesetzbuch und das preußische ALR; letzteres spricht von einem „Widerruf der Schenkung. 121 Von Schmitt , I 8 f. (Wortlaut) und 863 ff. (Motive). In seinem geänderten Entwurf von 1886 verließ von Schmitt bereits den Gesichtspunkt der Anfechtbarkeit und räumte dem Pflichtteilsberechtigten wegen „Schenkung des Erblassers unter Lebenden" einen Anspruch gegen den pflichtwidrig Beschenkten auf Herausgabe der Bereicherung ein, von Schmitt, I I 614 f. (Vorschriften) und 757 ff. (Begründung). 122 Boehmer, AcP 151 (1950/51) 289, 299. 123 Vgl. vor allem § 283 seines Vorentwurfs, von Schmitt, I 58 f. und 866 ff. (1879) sowie I I 614 und 758 (1886). 124 §§ 2325-2331 BGB, ebenso schon §§ 2009-2018 E I = Mugdan, V L I X — L X I und §§ 2190-2196 E I I = Mugdan, V L I X - L X I und LV. 125 Motive bei Mugdan , V 240 = Motive, V 451. Etwas später (243 bzw. 456) führen die Motive aus, es sei der Hauptgrundsatz des Entwurfs, daß der Erblasser verpflichtet sei, „den Pflichtteil so zu hinterlassen, wie wenn die Schenkung nicht erfolgt wäre".
144
§ 5 Lokalisierung
Entwurfs und die „Pflichtteilsergänzung" des Zweiten Entwurfs und des B G B geben dem Pflichtteilsberechtigten nicht nur einen Anspruch gegen den Beschenkten mittels einer „Anfechtung der Schenkung". I m Anschluß an den Code c i v i l
126 g e h e n sie davon aus, daß sich das Recht des Pflichtteilsberechtigten
zunächst gegen den richtet, gegen den sich der regelmäßige Pflichtteilsanspruch richtet,
also gegen den oder die Erben. Der Beschenkte soll nur haften, wenn
der primär Haftende fehlt, etwa w e i l der Berechtigte selbst der Alleinerbe ist oder w e i l der Nachlaß dürftig i s t 1 2 7 .
4. Die Grundnorm des § 2325 BGB a) § 2325 Abs. 1 BGB Voraussetzung
für
einen
Pflichtteilsergänzungsanspruch
ist
es
gemäß
§ 2325 Abs. 1 B G B , daß der Erblasser unter Lebenden einem Dritten eine Schenkung gemacht hat. „ Dritter " kann dabei jede Person 1 2 8 außer dem Anspruchsinhaber
selbst
berechtigter
sein, insbesondere 130
der E r b e 1 2 9
oder
ein
anderer
Pflichtteils-
.
Der Erblasser muß eine Schenkung gemacht haben; das der Verminderung seines Vermögens zugrunde liegende schuldrechtliche Rechtsgeschäft muß echte 126 So besonders deutlich Dernburg/Engelmann, § 117 IV. In der Denkschrift des Reichsjustizamtes zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches von 1896, die die Reichstagsvorlage begleitete, heißt es insoweit lapidar: „Der Entwurf schließt sich im Wesentlichen dem französischen Rechte an", Mugdan, V 875. Vgl. hierzu weiter von Lübtow, Erbrecht 592; MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 3; Staudinger (12)-FeridCieslar, Vorbem. zu §§2325-2330 Rdnr. 2; Planck-Greiff, §2325 Anm. 1; Lange/ Kuchinke, § 39 IX in Fn. 323; Kipp/Coing, § 13 I 3; Endemann, Gutachten 58 und Reatz, 73. 127 So die Motive bei Mugdan, V 242 = Motive, V 454. Vgl. auch RG, 9. Mai 1904, Ζ 58, 124, 127. 128 Also auch eine juristische Person, etwa eine Familienstiftung. Von dem Umstand, daß eine Familienstiftung Beschenkte sein kann, ist die Frage zu trennen, ob die Errichtung einer Stiftung im Wege der Analogie als eine Schenkung anzusehen ist, was — jedenfalls für den Regelfall — mit der h.M. zu bejahen ist (Staudinger (\2)-FeridCieslar, § 2325 Rdnr. 19 mit umfangreichen weiteren Nachweisen). In den Beratungen der 2. Kommission wurde die Aufnahme einer Vorschrift, wonach die Normen über die Pflichtteilsergänzung entsprechende Anwendung finden sollten, „wenn der Erblasser sein Vermögen durch die Errichtung einer Stiftung vermindert hat", mit der Begründung abgelehnt, „daß man vertrauen dürfe, die Praxis und Wissenschaft werde im Wege der Analogie zur Anwendung der Bestimmungen über die Schenkung von selbst gelangen" (Protokolle bei Mugdan, V 796 und 798 = Protokolle, V 596 und 598). 129 So etwa in dem Fall, der dem Urteil des BGH vom 29. Mai 1974 zugrunde lag, NJW 1974, 1327 f. Nach dem BGH (a.a.O.) unterbricht die Zahlungsklage aus § 2325 BGB auch die Verjährung des Duldungsanspruchs aus § 2329 BGB gegen denselben Verpflichteten, also wenn Erbe und Beschenkter identisch sind. 130 w i e etwa im Fall, der dem Urteil des RG vom 2. Nov. 1908 zugrunde lag, Ζ 69, 389 ff.
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
145
Schenkung i m Sinn des § 516 B G B sein. Die Parteien müssen sich bei Abschluß des Vertrages darüber geeinigt haben, daß die Zuwendung aus dem Vermögen des Erblassers, die den Dritten bereichert, unentgeltlich erfolgen s o l l 1 3 1 . Schenkung i n diesem Sinn ist auch die Auflagenschenkung nach §§ 525-527 B G B 1 3 2 . Sie begründet also ebenso wie eine uneingeschränkte Schenkung eine Ergänzungspflicht des Erben nach § 2325 B G B 1 3 3 . Erfaßt w i r d auch die gemischte Schenkung 1 3 4 . Sie liegt vor, wenn die Vertragsparteien sich dahingehend einig gewesen sind, daß nur ein T e i l der Leistung des Erblassers durch die Gegenleistung des Dritten abgegolten sein soll, der andere T e i l aber unentgeltlich erf o l g t 1 3 5 . Sie ist, soweit diese Einigung reicht, Schenkung. I n diesem Fall begründen also Austauschverträge, bei denen Leistung und Gegenleistung objektiv i n einem MißVerhältnis stehen, einen Pflichtteilsergänzungsanspruch 136 . Das Vorliegen einer (Teil-)Unentgeltlichkeitsvereinbarung und damit einer gemischten Schenkung bereitet oft Probleme, w e i l i m Rahmen der Privatautonomie der Erblasser und der Dritte den Wert ihrer Leistungen selbst bestimmen können. Daher steht es ihnen grundsätzlich frei, von einem rein entgeltlichen Geschäft auszugehen, obwohl zwischen ihren Leistungen bei Anlegung eines objektiven Maßstabes eine Wertdifferenz besteht 1 3 7 . Dieser privatautonomen Befugnis sind i m Rahmen des § 2325 B G B allerdings Grenzen gesetzt, w e i l hier die Interessen des nicht am Vertrag beteiligten Pflichtteilsberechtigten berührt werden. I h m darf es nicht zum Nachteil gereichen, wenn i n einem Prozeß u m einen Pflichtteilsergänzungsanspruch das auffallend grobe Mißverhältnis zwischen dem Wert der Leistung des Erblassers und dem der Leistung des Dritten feststeht, der tatsächliche W i l l e der Vertragspartner aber nicht ermittelt werden kann. Vielmehr spricht nach der Lebenserfahrung i n einem solchen Fall eine tatsächliche Vermutung dafür, daß sich die Parteien über die unentgeltliche Zuwendung der Wertdifferenz einig w a r e n 1 3 8 . 131 BGH, 9. Nov. 1960, NJW 1961, 604 f. und 19. März 1981, FamRZ 1981, 655 ff.; Kipp! Coing, § 13 I I 2. Nicht erfaßt werden also z.B. unentgeltliche Gebrauchsüberlassungen oder das Unterlassen eines Vermögenserwerbs (Ausschlagung einer Erbschaft), vgl. Crome, § 708 Anm. 9. 132 So MiinchKomm-Kollhosser, § 525 Rdnr.l und Staudinger {\2)-Reuss, § 525 Rdnr. 1. Nach dem Urteil des RG vom 7. März 1905, Ζ 60, 238, 242 bilden die §§ 525-527 BGB mit § 516 BGB „ein zusammengehöriges Ganzes". 133 Dies w i r d — w o h l weil es als selbstverständlich erscheint—nur selten ausdrücklich gesagt; so von Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 10 und 77 sowie von PlanckGreiff, § 2325 Anm. 2 a. Vgl. auch Kipp/Coing, § 13 I V in Fn. 22. 134 Zum Begriff vgl. Larenz, Schuldrecht BT, § 62, 2 c und Staudinger (12)-Reuss, § 516 Rdnr. 21-31. Vgl. auch das Urteil des RG vom 27. Juni 1935, Ζ 148, 236, 238 ff., das auch auf den gemeinrechtlichen Vorgänger der gemischten Schenkung, das „negotium mixtum cum donatione" eingeht. 135 RG, Urteil und Beschluß vom 22. Feb. 1940, Ζ 163, 257 ff., 259. 136 So das RG bereits im Urteil vom 4. Dez. 1905, Recht 1906, Nr. 1179. 137 BGH, 9. Nov. 1960, NJW 1961, 604 f. 138 BGH, 21. Juni 1972, Ζ 59, 132 ff.; Soergel (\\)-Dieckmann, §2325 Rdnr. 6 m. w. N. Nach einer neueren Entscheidung des BGH entspricht der Wert der Schenkung 10 Reiff
146
§ 5 Lokalisierung
Ausgenommen von der Regelung des § 2325 Abs. 1 B G B ist nur die Schenkung, die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entspricht, § 2330 B G B . Ob eine solche Anstands- oder Pflichtschenkung vorliegt, was insbesondere bei belohnenden, sogenannten „remuneratorischen" Schenkungen denkbar i s t 1 3 9 , muß nach objektiven Kriterien bestimmt werden. Es ist unschädlich, wenn diese Schenkung i m Einzelfall einen sehr hohen Wert hat oder gar den Nachlaß nahezu erschöpft. Ist ihr Wert höher, als durch die sittliche Pflicht oder den Anstand geboten, so ist sie wie bei der gemischten Schenkung nur i n Höhe dieses Mehrwertes ergänzungspflichtig 1 4 0 . Die Anwendbarkeit des § 2325 B G B hängt nicht davon ab, ob der Erblasser durch die Schenkung den Pflichtteilsberechtigten absichtlich benachteiligen w o l l te oder n i c h t 1 4 1 . Unerheblich ist auch die Höhe der Schenkung 1 4 2 und die Tatsache, ob der Erblasser sie aus dem Stamme seines Vermögens oder aus seinen Einkünften machte 1 4 3 . A u c h das nichterfüllte Schenkungsversprechen 144 und die vollzogene Schenkung von Todes w e g e n 1 4 5 können Pflichtteilsergänzungsansprüche der Differenz derjenigen Bewertungen von Leistung und Gegenleistung durch die Vertragspartner, die bei einer verständigen Beurteilung (noch) vertretbar waren, 27. Mai 1981, NJW 1981, 2458 f. 139 Vgl. Staudinger (12)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 6 und § 2330 Rdnr. 4 bis 6 m.w.N. 140 MünchKomm-Frank, § 2330 Rdnr. 2 und BGH, 26. April 1978, W M 1978, 905 f. und 27. Mai 1981, NJW 1981, 2458 f. 141 Vgl. etwa Crome, § 708 bei Anm. 7 und Staudinger (12)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 37. Im Gesetzgebungsverfahren wurde daraufhingewiesen, daß eine solche Voraussetzung einen Beweisnotstand des Klägers zur Folge hätte, also unpraktikabel wäre, Motive bei Mugdan, V 241 f. = Motive, V 453 f.; Protokolle bei Mugdan, V 792 = Protokolle, V 588. Dies kann deswegen nicht ganz überzeugen, weil in § 2287 BGB eine Benachteiligungsabsicht des Erblassers erforderlich ist (anders noch § 1952 E I, der Vorläufer zu § 2287 BGB, der bewußt die Anlehnung an die Sicherung des Pflichtteilsrechtes vornahm; Motive bei Mugdan, V 173 f. = Motive, V 329). Bei § 2287 BGB wurde nämlich der gleiche Einwand mangelnder Praktikabilität ausdrücklich als nicht erheblich zurückgewiesen, Protokolle bei Mugdan, V 743 = Protokolle, V 392 f. 142 Vgl. Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 36. Demgegenüber kannte noch das gemeine Recht das Erfordernis der Übermäßigkeit der Schenkung; vgl. Windscheid ! Kipp, I I I § 586 Anm. 5-7. Die Gesetzesverfasser des BGB lehnten es mit der einleuchtenden Argumentation ab, dieses Erfordernis führe wegen zwangsläufiger Beweisschwierigkeiten zu praktischen Unzuträglichkeiten, Motive bei Mugdan, V 240 f. = Motive, V 450 bis 453. Dabei wurde auch daraufhingewiesen, daß ganz geringfügige Schenkungen in aller Regel von § 2330 BGB erfaßt oder der Vergessenheit anheimfallen werden. 143 Eine solche Bestimmung, wie sie annähernd auch § 785 Abs. 2 des österreichischen ABGB trifft, wurde erst im Zweiten Entwurf eingefügt, Protokolle bei Mugdan, V 788 = Protokolle, V 582, aber vom Bundesrat wieder gestrichen; Planck-Greiff, § 2325 Anm. 2 b. 144 RGRK-Johannsen, § 2325 Rdnr. 18. Die Gesetzesverfasser sahen das als selbstverständlich an und lehnten daher eine besondere Vorschrift ab, Motive bei Mugdan, V 243 = Motive, V 456. 145 § 2301 Abs. 2 BGB; danach gelten für solche Schenkungen die allgemeinen Vorschriften; vgl. Crome, § 708 Anm. 14 und die Motive bei Mugdan, V 243 = Motive, V 456. Ebenso MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 11; RGRK-Johannsen, § 2325 Rdnr. 11.
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
147
auslösen; etwas anderes gilt hingegen für nichtvollzogene Schenkungen von Todes w e g e n 1 4 6 . Unbeachtlich ist weiterhin, ob das rechtliche Verhältnis, das den Pflichtteilsanspruch begründet oder aus dem der Pflichtteilsberechtigte hervorgegangen ist, schon bestand, als der Erblasser die Schenkung vornahm, oder nicht. Die entgegenstehende Entscheidung des Bundesgerichtshofs gend zurückgewiesen
148
147
w i r d zurecht ganz überwie-
. Ihr Ergebnis ist schon rechtspolitisch sehr umstritten 1 4 9 .
Sie überschreitet jedenfalls eindeutig die Grenze verfassungsrechtlich zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung
15
°. Sie weicht v o m klaren Wortlaut des § 2325
B G B ab und ist keine Auslegung mehr. Der Erste Entwurf sah i n § 2009 noch ausdrücklich eine Regelung vor, die derjenigen fast entsprach, die das Urteil jetzt i n § 2 3 2 5 B G B hineinliest 1 5 1 . Die Zweite Kommission hielt sie für zu kasuistisch. Zudem widerspreche sie dem Leitgedanken des Pflichtteilsergänzungsrechtes, wonach der Erblasser einen bestimmten T e i l seines Vermögens seinen Pflichtteilsberechtigten zu hinterlassen habe 1 5 2 . Der historische Gesetzgeber wollte also, daß jeder zur Zeit des Erbfalles vorhandene
Pflichtteilsberechtigte
wegen aller Schenkungen Ergänzungsansprüche haben sollte. Er brachte diesen W i l l e n durch die Streichung der Einschränkungen des § 2009 E I eindeutig zum Ausdruck. Die Zweite Kommission hätte sonst die von ihr gewollte Regelung
146 § 2301 Abs. 1 BGB; genügt sie den Formerfordernissen, geht sie als Vermächtnis im Rang dem Pflichtteilsrecht nach; MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 11 und Langel Kuchinke, § 39 I X 2a sowie die Motive bei Mugdan, V 243 = Motive, V 456. 147 BGH, 21. Juni 1972, Ζ 59, 210 ff. 148 Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, §2325 Rdnr. 31 ff.; Soergel (U)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 2; MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 6; Erman-Schlüter, vor §§ 23252331, Rdnr. 3; Kippt Coing, § 13 I I I 2; LangeIKuchinke, § 39 I X 2 c; Schlüter, § 47 I I 2 b; Brox, Rdnr. 537; von Lübtow, FS Bosch 573 ff.; Reinicke, NJW 1973, 597 ff.; Bosch, FamRZ 1973,90 f. Hingegen stimmen der Entscheidung zu: Johannsen in RGRK, § 2325 Rdnr. 5 und in seiner Anm. L M Nr. 8 zu § 2325; Jauernig-Stürner, § 2325 Anm. 1 a und Kühne, JR 1973, 289 f. 149 De lege ferenda beurteilen KippI Coing und MünchKomm-Frank (jeweils a.a.O.) die vom BGH gefundene Lösung positiv. Ebenso schon Schulz, AcP 105 (1909) 291 in Fn. 790 und die These 20 des 49. DJT 1972 (Verhandlungen, Bd. II, Sitzungsberichte, Κ 167). Auch de lege ferenda negativ äußern sich Reinicke, NJW 1973,600; von Lübtow, FS Bosch 588 und Staudinger (Yl)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 33. Zweifelnd Bosch, FamRZ 1973, 90 bei Fn. 7. 150 Ebenso von Lübtow, FS Bosch 597 ff. und Reinicke, NJW 1973, 600. Insoweit hält selbst Kühne, JR 1973, 289 f. die Bedenken Reinickes für „nicht ganz unbegründet". Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der richterlichen Rechtsschöpfung auf dem Gebiet des Privatrechts siehe auch den „Soraya-Beschluß" des BVerfG vom 14. Feb. 1973, E 34, 269, 286 ff. 151 Mugdan, V L I X und Motive bei Mugdan, V 244 f. = Motive, V 458 f. Ähnlich auch schon § 284 des Vorentwurfs des Redaktors von Schmitt, der sich in dieser Frage damit gegen das gemeine Recht (Windscheid/Kipp, I I I § 586 Anm. 3 b) und den Code civil (Art. 921) entschied und an das österreichische ABGB anschloß, das eine ähnliche Regelung noch heute in § 785 Abs. 2 trifft, von Schmitt, I 59 und 873. 152 Protokolle bei Mugdan, V 790 f. = Protokolle, V 586 f. 1*
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§ 5 Lokalisierung
nur dadurch „eindeutig" treffen können, daß sie die Fassung des § 2009 E I i n negativer Form beibehielt 1 5 3 . Dies ist auch dem Bundesgerichtshof
bewußt, was
sich daran zeigt, daß er am Ende des Urteils wie ein Gesetzgeber eine dem § 2009 E I sehr ähnliche Regelung i n Kraft setzt 1 5 4 . Er spricht nur deshalb von „Auslegung", w e i l die Voraussetzungen für eine Rechtsschöpfung contra legem offensichtlich nicht vorliegen. Die Regelung des § 2325 B G B ist nicht so unbillig und unerträglich, daß hinter der erforderlichen Korrektur alle anderen Bedenken zurückstehen m ü ß t e n 1 5 5 . Die Ausführungen i m Urteil, die „andere Auslegung" führe i n bestimmten Fallgruppen zu unbilligen Ergebnissen, beweisen insoweit nichts. A u c h bei der Regelung des Bundesgerichtshofs
bleiben Unbilligkeiten
und Ungereimtheiten nicht aus 1 5 6 . Zudem gilt für den Wert solcher Argumentationen m i t B l i c k auf den Einzelfall, was Endemann
1889 konstatierte: „ D i e harte
W i r k u n g i n einzelnen Fällen aber beweist n i c h t s " 1 5 7 . Wer durch den Pflichtteilsergänzungsanspruch des § 2325 Abs. 1 B G B verpflichtet
wird, ist i n dieser Vorschrift nicht gesagt. Es ergibt sich aber aus der
Anwendung der Vorschriften über den Pflichtteilsanspruch, daß der Erbe oder i m Fall der Erbengemeinschaft die Erben Anspruchsgegner des Ergänzungsberechtigten s i n d 1 5 8 . Ist dieser selbst ein Miterbe, so richtet sich sein Anspruch gegen die übrigen M i t e r b e n 1 5 9 . Zweifelhaft könnte sein, was gelten soll, wenn der Erbe als Schuldner des Ergänzungsanspruchs selbst—abstrakt—pflichtteilsberechtigt ist. Nach der allgemeinen Regel des § 2319 B G B gilt, daß kein Miterbe, der selbst pflichtteilsberechtigt ist, seinen — ordentlichen — Pflichtteil zur Befriedigung von Pflichtteilsansprüchen verwenden muß. Die Einrede des § 2328 B G B gibt gegenüber dem Ergänzungsanspruch 1 6 0 einen darüber hinausgehenden Schutz. Danach kann der ergänzungspflichtige Miterbe — oder Alleinerbe — die Leistung soweit verweigern, daß i h m sein eigener Pflichtteil einschließlich der Pflichtteilsergänzung verbleibt. Für den Ergänzungsanspruch haften dann 153
Etwa dadurch, daß folgender Halbsatz an § 2325 Abs. 1 BGB angehängt worden wäre: ..., auch wenn er (der Pflichtteilsberechtigte) zur Zeit der Schenkung noch nicht vorhanden war. 154 Er legt dort Rechtsfragen fest, die für die Entscheidung nicht erheblich sind, vgl. hierzu von Lübtow, FS Bosch 589 und 599; Reinicke, NJW 1973, 600 und Kühne, JR 1973, 290. 155 So vor allem von Lübtow, FS Bosch 597. 156 Vgl. etwa Erman-Schlüter, vor §§ 2325-2331 Rdnr. 3 und Reinicke, NJW 1973, 600. 157 So Endemann, Gutachten 65. 158 So Planck-Greiff, § 2325 Anm. 6 b. 159 Daß dies möglich ist, ergibt sich aus § 2326 BGB. Danach kann der Pflichtteilsberechtigte die Ergänzung des Pflichtteils auch dann verlangen, wenn ihm die Hälfte des gesetzlichen Erbteils hinterlassen wurde, er also Miterbe ist. Die Rechtsfolge ergibt sich aus § 2305 BGB. 160 § 2328 BGB schützt nur vor dem Pflichtteilsergänzungsanspruch, vor dem ordentlichen Pflichtteilsanspruch schützt allein § 2319 BGB, Soergel (\\)-Dieckmann, § 2328 Rdnr. 1.
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
149
nur seine Miterben. Ist die Haftung aller Miterben gemäß § 2328 B G B ausgeschlossen oder schützt § 2328 B G B den Alleinerben, kann sich der Ergänzungsberechtigte nur noch gemäß § 2329 B G B an den Beschenkten halten; dies auch dann, wenn der Beschenkte zugleich der Erbe i s t 1 6 1 . I m Ergebnis bevorzugt § 2328 B G B damit den pflichtteilsberechtigten Erben als „beatus possidens" gegenüber den anderen Pflichtteilsberechtigten 1 6 2 . Inhaber des Pflichtteilsergänzungsanspruches ist nach § 2325 Abs. 1 B G B der ,,Pflichtteilsberechtigte".
Das bedeutet jedoch nicht, daß dieser i m konkreten
Fall einen „ordentlichen" Pflichtteilsanspruch gemäß §§ 2303, 2305 B G B haben muß. Vielmehr ist der Ergänzungsanspruch v o m regulären Pflichtteilsanspruch unabhängig 1 6 3 . Voraussetzung für einen Ergänzungsanspruch ist m i t h i n lediglich, daß der Berechtigte zum Personenkreis der „abstrakt" Pflichtteilsberechtigten gehört und daher bei völliger Enterbung den Pflichtteil fordern k ö n n t e 1 6 4 . Der Pflichtteilsergänzungsanspruch kann daher auch bei gesetzlicher Erbfolge bestehen, also wenn der Erblasser von seiner Testierfreiheit gar keinen Gebrauch gemacht hat und keine Verfügung von Todes wegen errichtete 1 6 5 . Ebensowenig ist der Ergänzungsanspruch ausgeschlossen, wenn dem Pflichtteilsberechtigten durch Verfügung von Todes wegen die Hälfte oder mehr als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils hinterlassen w i r d oder er sogar Alleinerbe i s t 1 6 6 . Als Rechtsfolge bestimmt § 2325 Abs. 1 B G B , daß der Pflichtteilsberechtigte den Betrag verlangen kann, u m den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlaß hinzugerechnet wird. Die Ausdrucksweise des Gesetzes, das hier von einer „Ergänzung" des Pflichtteils spricht, ist insoweit ungenau, als wie gesehen das Bestehen eines ordentlichen Pflichtteils keine Voraussetzung des Ergänzungsanspruchs ist. Ebensowenig w i r d vorausgesetzt, daß der Nachlaß i m berechnungserheblichen Zeitpunkt aktiv i s t 1 6 7 . Anders ist freilich zu entscheiden, wenn bereits ein Bruttonachlaß fehlt und der Erbe wie i m Regelfall noch nicht unbeschränkt haftet: Wegen der Unzulänglichkeitseinrede des Erben gemäß § 1990 B G B entfällt der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen diesen, in Betracht k o m m t nur ein Ergänzungsanspruch gegen den Be161 So Erman-Schlüter, § 2328 Rdnr. 2. 162 MünchKomm-Frank, § 2328 Rdnr. 2. Diese Bevorzugung wird teilweise als rechtspolitisch verfehlt bezeichnet, MünchKomm-Frank, a. a. O., m. w.N., vgl. aber auch Endemann, Erbrecht I I § 164 Anm. 30; sie ist aber geltendes Recht und dient zudem der Prozeßökonomie, Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2328 Rdnr. 8. 163 So Planck-Greiff, § 2325 Anm. 6 b. 164 So Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 38. 165 So der BGH, 21. März 1973, NJW 1973, 995 f. und das RG, 9. Mai 1904, Ζ 58, 124, 126. Dies gilt auch, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Erbschaft ausgeschlagen hat; BGH, a.a.O. 166 Dies ergibt sich zum einen aus § 2326 Satz 1 und 2 BGB, zum anderen (Fall des Alleinerben) aus § 2329 Abs. 1 Satz 2 i.V. m. § 2326 BGB. 167 Vgl. BGH, 8. Feb. 1961, FamRZ 1961, 272 ff. = NJW 1961, 870 (nur LS). Ebenso Dieckmann, FS Beitzke 401.
150
§ 5 Lokalisierung
schenkten gemäß § 2329 B G B 1 6 8 . Unmittelbar aus § 2325 Abs. 1 B G B ergibt sich hingegen, daß gar kein Pflichtteilsergänzungsanspruch, weder gegen den Erben noch gegen den Beschenkten, besteht, wenn der Nachlaß auch bei Hinzurechnung des Geschenkes nicht aktiv w i r d 1 6 9 . Denn der Pflichtteil erhöht sich nicht, sondern bleibt wertmäßig „ N u l l " , wenn nach A d d i t i o n des Geschenkwertes immer noch kein aktiver Nachlaß feststellbar ist. Dies entspricht allein der Billigkeit. Der Pflichtteilsberechtigte hätte auch dann keinen Pflichtteilsanspruch, wenn der Erblasser nichts verschenkt hätte. Wollte man i h m wegen der Schenkung einen Anspruch etwa gegen den Beschenkten geben, stünde er sich besser, als wenn der Erblasser nichts verschenkt hätte. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten geht auf Zahlung eines Geldbetrages, dessen Höhe der Differenz zwischen dem Wert des ordentlichen Pflichtteils und dem des nach A d d i t i o n des Schenkungswertes errechneten Pflichtteils entspricht. Die Berechnung dieses Betrages erfolgt in vier Stufen. Zunächst w i r d der Wert des „Ergänzungsnachlasses" durch A d d i t i o n des Schenkungsweites zum realen Nachlaßwert festgestellt. Hieraus w i r d dann der Wert des „Ergänzungserbteils" des Anspruchstellers nach seiner gesetzlichen Erbquote errechnet und durch Halbierung dieses Wertes der Wert des Ergänzungspflichtteils. V o n diesem Betrag w i r d der Wert des ordentlichen Pflichtteils subtrahiert. Die Differenz ist der Ergänzungsbetrag 1 7 0 .
b) Bewertungsregeln
(§ 2325 Abs. 2 BGB)
I n der Diskussion um den ergänzungspflichtigen Wert einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt hat § 2325 Abs. 2 B G B besondere Bedeutung erlangt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift werden verbrauchbare Sachen 1 7 1 m i t dem Wert i n Ansatz gebracht, den sie zur Schenkungszeit hatten. A l l e anderen Gegenstände werden nach Satz 2 grundsätzlich m i t dem Wert veranschlagt, den sie zur Zeit des Erbfalls hatten; hatten sie aber „zur Zeit der Schenkung" einen geringeren Wert, dann ist nach dem sogenannten Niederstwertprinzip dieser maßgeblich 1 7 2 . 168 So BGH (a.a.O.) und 16. Nov. 1967, FamRZ 1968, 150 ff. 169 Vgl. RG, 16. Juni 1927, L Z 1928, Sp. 53 ff. = Recht 1927, Nr. 1990 = JR 1927 Nr. 1655 und Dieckmann, FS Beitzke 401 und 417. Zu Recht weist Dieckmann darauf hin, daß dieser Satz eine Präzisierung in bezug auf den Zeitpunkt der Überschuldung und auf die Art der Schulden bedarf: Ein Ergänzungsanspruch besteht danach nur dann nicht, wenn der Wert des Nachlasses trotz des hinzugerechneten Geschenks im für die Berechnung gemäß § 2311 BGB erheblichen Zeitpunkt des Erbfalls diejenigen Nachlaßverbindlichkeiten nicht übersteigt, die bei der Pflichtteilsberechnung den Nachlaß schmälern, vgl. auch Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 1. 170 Vgl. Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 55. 171 § 92 BGB enthält eine Legaldefinition dieses Begriffs. Neben tatsächlich verbrauchbaren Sachen wie Lebensmitteln und Brennstoffen fällt vor allem auch Geld darunter, Palandt-Heinrichs, § 92 Anm. 1. 172 Den Ausdruck „Niederstwertprinzip" gebrauchen z.B. MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 21; Palandt-Edenhofer, § 2325 Anm. 4 und der BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274,
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
151
Der Pflichtteilsberechtigte soll also nur „den bösen, nicht den guten Tropfen" genießen 1 7 3 . Diese „nicht ohne weiteres einleuchtende R e g e l u n g " 1 7 4 begründeten die Gesetzesverfasser damit, daß nur sie einen Wertungswiderspruch verhindere: Eine Ergänzung entfalle bei einem Untergang des Schenkungsgegenstandes ganz, daher müsse bei einer nur teilweisen Entwertung auf diesen Wert abgestellt werden, nicht auf den Wert zur Zeit der Schenkung. A u f eine Erhöhung des Wertes habe der Pflichtteilsberechtigte aber keinesfalls einen Anspruch, w e i l er nur verlangen könne, daß der Erblasser Schenkungen unterlasse, die sein Pflichtteilsrecht illusorisch machten 1 7 5 . Fraglich könnte sein, was unter der „ Z e i t der Schenkung" i n § 2325 Abs. 2 B G B zu verstehen ist. Weitgehende Einigkeit besteht heute über diese Frage, soweit sie Schenkungen betrifft, die zur Zeit des Erbfalles schon vollzogen
sind.
I n diesem Fall ist für die Bewertung der Zeitpunkt des Schenkungsvollzugs entscheidend, also der der Leistung und nicht der des Versprechens 1 7 6 . Sehr strittig ist aber, was gelten soll, wenn das Schenkungsversprechen zur Zeit des Erbfalles noch nicht vollzogen
ist. Einig ist man sich noch darüber, daß auch
das nicht vollzogene Schenkungsversprechen eine „Schenkung" i m Sinn des § 2325 Abs. 1 B G B 1 7 7 ist. I n diesem Fall ist der „verschenkte Gegenstand", der 283 und 9. Nov. 1983, Ζ 89, 24, 33. Demgegenüber sprechen Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19 und Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 75 von „Prinzip des niedrigsten Bemessungsansatzes". Ein sachlicher Unterschied verbirgt sich hinter dieser sprachlichen Differenzierung nicht. 173 So Endemann, Erbrecht I I § 164 bei Anm. 23. 174 MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 21. 175 Vgl. die Protokolle bei Mugdan, V 788 f = Protokolle, V 583 f. — Nach § 283 des Vorentwurfs von von Schmitt war noch stets die Zeit der Schenkung maßgebend; dies sei allein billig, weil das zur Schenkungszeit Weggegebene verschenkt worden sei, nicht das beim Erbfall noch Vorhandene (von Schmitt, I 58 f. und 871). Nach § 2009 E I kam es hingegen bei nicht verbrauchbaren Sachen stets auf den Wert zur Zeit des Erbfalls an; der Pflichtteilsberechtigte könne nur verlangen, so gestellt zu werden, als ob der Erblasser nichts geschenkt hätte. (Motive bei Mugdan, V 243 = Motive, V 457). Die Divergenz allein zeigt, daß es für diese Frage wohl keine Patentlösung gibt. Mit der Entscheidung des Gesetzgebers kann man aber leben, vgl. auch Dieckmann, FS Beitzke 403 Fn. 11. — Der französische Code civil ließ in Art. 922 Abs. 2 zunächst den Wert zur Zeit des Erbfalles maßgeblich sein, Zachariä! Crome, I V 326. Seit einer Gesetzesänderung vom 7. Feb. 1938 war dann bis 1971 der Wert zur Zeit der Schenkung entscheidend, Ferid, I I (1971) 1461. Seit 3. Juli 1971 - erneute Gesetzesänderung — gilt wieder die ursprüngliche Regelung, Ferid / Sonnenberger, I I I 579. Auch in Frankreich besteht also keine „ohne weiteres einleuchtende" Bewertungsregel. 176 So grundlegend Planck-Greiff, § 2325 Anm. 3 a und b mit Nachweisen auf die — heute nicht mehr vertretenen — Gegenmeinungen sowie Staudinger (\2)-FeridCieslar, § 2325 Rdnr. 66 und 69; Kipp/Coing, § 13 I V und Lange/Kuchinke, § 39 IX 2 d in Fn. 308. Ebenso der BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 282. Nach BGH, 4. Juli 1975, Ζ 65,75 ist bei einer Grundstücksschenkung der Tag der Eintragung ins Grundbuch der maßgebliche Stichtag. 177 Vgl. hierzu oben Fn. 144 mit Nachweisen. A.M. ist wohl nur W. Meyer, 324, wonach § 2325 BGB Schenkungsvollzug voraussetzt, was er aus dem Wortlaut schließt (Hat... einem Dritten eine Schenkung gemacht). Dieser Schluß ist aber nicht zwingend und widerspricht den Gesetzesmaterialien.
§ 5 Lokalisierung
152
nach § 2325 Abs. 1 B G B dem Nachlaß hinzuzurechnen ist, nicht die versprochene Sache selbst, sondern der schenkweise begründete Anspruch auf s i e 1 7 8 . Maßgebend ist für die Bewertung nach § 2325 Abs. 2 B G B also allein der Wert dieses Anspruchs 1 7 9 . Für seine Berechnung werden drei Auffassungen vertreten. Die Ansicht, die bei nicht vollzogenen Schenkungen den Wert zur Zeit des Erbfalles oder, falls dieser niedriger ist, den Wert zur Zeit der — dem Erbfall nachfolgenden — Leistung maßgeblich sein läßt, ist abzulehnen 1 8 0 . Sie widerspricht dem Gesetz, w e i l sie Veränderungen nach dem Erbfall zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten berücksichtigt.
Nach einem Grundsatz des Pflichtteilsrechts,
der den
§ § 2 3 1 7 Abs. 1 und 2311 Abs. 1 B G B entnommen werden kann, ist die Sachlage zur Zeit des Erbfalls für die Rechtsstellung des Pflichtteilsberechtigten maßgeblich. Veränderungen, die nach diesem Zeitpunkt eintreten, können seine Lage weder verbessern noch verschlechtern. Das gilt auch für die Pflichtteilsergänzung des § 2325 Abs. 1 B G B . Die fiktive Hinzurechnung des Schenkungsweites zum Nachlaßwtrt des Erbfalls,
verlangt grundsätzlich die Hinzurechnung m i t dem Wert zur Zeit weil
diese Zeit
für
den Nachlaßwert
gilt
(§2311
BGB).
§ 2325 Abs. 2 B G B schafft für Veränderungen, die vorher eintreten, unter eng gefassten und genau begrenzten Voraussetzungen eine Ausnahme, indem er den Bewertungszeitpunkt unter Umständen auf die „Zeit der Schenkung" vorverlegt. Daß nur eine Vorverlegung
gewollt
ist, zeigt
schon der Wortlaut
des
§ 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B . Der Wert, den der Gegenstand beim Erbfall „hat", soll m i t dem verglichen werden, den er zur Zeit der Schenkung „ h a t t e " 1 8 1 . Z u entscheiden ist daher zwischen der Ansicht, nach der auch bei zur Zeit des Erbfalls nicht vollzogenen Schenkungen § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B eingreift, also entweder der Wert des Anspruchs zur Zeit des Erbfalls oder, wenn er niederer ist, der Wert zur Zeit des Versprechens maßgeblich i s t 1 8 2 , und der Auffassung, nach der i n diesem Fall stets der Wert beim Erbfall entscheidet, w e i l § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B für nicht vollzogene Schenkungen nicht g i l t 1 8 3 . 178 Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 5 und Planck-Greiff, § 2325 Anm. 2 c. Ihnen folgend der BGH in seinem Urteil vom 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 282 f. 179 So Planck-Gr eiff\ § 2325 Anm. 3 b a.E.; Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 66 sowie der BGH in seinem Urteil vom 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 282 f. Dem BGH folgt Palandt-Edenhofer, § 2325 Anm. 4. 180 So aber Olzen, 79 f. Die von Olzen in Fn. 120 angegebenen Nachweise stützen seine Ansicht nicht, da sie sich auf vollzogene Schenkungen (Planck-Greiff, § 2325 Anm. 3 a) oder nur auf verbrauchbare Sachen (Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 66) beziehen. 181 Dazu, daß nur eine Vorverlegung gemeint sein kann, vgl. auch Crome, § 708 in Anm. 30. Danach ist immer der Vollzug, nie das Versprechen gemeint, wenn das Gesetz überhaupt einen Zeitpunkt vor dem Erbfall bestimmt. 182 So der BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 282. 183 Vgl. Planck-Gr eiff, § 2325 Anm. 3 b a.E. und Soergel (\\)-Dieckmann, Nachtrag § 2325 Rdnr. 19 (und 4); letzterer allerdings für den Fall zweifelnd („ist zu erwägen"),
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
153
Die letztgenannte Auffassung ist vorzuziehen; unabhängig davon, ob zwischen Erben und Beschenktem Personenidentität besteht oder n i c h t 1 8 4 . Grundsätzlich ist der Zeitpunkt Erbfall maßgeblich. Hiervon macht § 2325 Abs. 2 B G B zwar Ausnahmen, aber nur für vollzogene Schenkungen. Dies ergibt die Gesetzgebungsgeschichte. Der Erste Entwurf ließ i n § 2009 Abs. 1 Satz 1 stets den Wert zur Zeit des Erbfalls maßgeblich sein, nur verbrauchbare Sachen wurden in Satz 2 ausgenommen 1 8 5 . Dabei wurde daraufhingewiesen, daß m i t der Formulierung „Zeit der Schenkung" die „Schenkung" i m Sinn von „Verschenkung", also „die Hingabe des Gegenstandes gemeint s e i " 1 8 6 . Das bedeutet, daß bei nicht vollzogenen Schenkungen verbrauchbarer Sachen deren Wert zur Zeit des Erbfalls maßgeblich sein sollte. Als man i m Zweiten Entwurf das Niederstwertprinzip für nicht verbrauchbare Sachen einführte und damit alternativ den Wert zur Zeit des Erbfalls oder den zur Zeit der Schenkung maßgeblich sein ließ, wurde der Begriff „Zeit der Schenkung" ohne sachliche Änderung aus dem Ersten Entwurf übernommen 1 8 7 . Dies hat zur Folge, daß bei nicht vollzogenen Schenkungen nicht verbrauchbarer Sachen stets der Wert zur Zeit des Erbfalls maßgeblich ist, w e i l bei ihnen vor dem Erbfall keine „Hingabe eines Gegenstandes" erfolgt 1 8 8 . Für die Maßgeblichkeit des Wertes zur Zeit des Erbfalls spricht auch der systematische Zusammenhang m i t §§ 2055 Abs. 2 und 2315 Abs. 2 Satz 2 B G B . Nach § 2055 B G B ist bei der Durchführung der Ausgleichung von Zuwendungen i m Rahmen der Auseinandersetzung der Miterben der Wert „der Zeit, zu der die Zuwendung erfolgt ist", maßgeblich. Gemäß § 2315 Abs. 2 Satz 2 B G B bestimmt sich der Wert der anzurechnenden Zuwendungen nach „der Zeit, zu welcher die Zuwendung erfolgt ist". Für diese beiden Bewertungsvorschriften, bei denen schon der Wortlaut auf die enge Verwandtschaft m i t § 2325 Abs. 2 B G B h i n w e i s t 1 8 9 , ist ebenfalls nahezu unbestritten, daß — bei vollzogener Zu-
wenn zwischen Erbe und Beschenktem keine Personenidentität besteht. Auch nach Harder, FamRZ 1976, 619, betrifft § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB nur den Fall, „daß zum (früheren) Zeitpunkt der Schenkung der Leistungsgegenstand völlig in das Vermögen des Beschenkten gelangt". Es sollten nur die Wertsteigerungen für den Pflichtteilsergänzungsanspruch unberücksichtigt bleiben, die erst im Vermögen des Beschenkten eintreten; d.h. nur die, die nach Vollzug der Schenkung auftreten. 184 Anderer Meinung ist bezüglich des Nachsatzes Dieckmann, a.a.O.. Dies deshalb, weil seine Kritik an der Ansicht des BGH ihren Ausgang an einer „schwerlich einzusehenden Begünstigung des Beschenkten" nimmt. Nach dem hier vertretenen Ansatz ist diese Differenzierung hingegen gegenstandslos. iss Der § 2009 E I ist abgedruckt bei Mugdan, V LIX. Daß es auf den Wert zur Zeit des Erbfalls ankam, ergeben die Motive bei Mugdan, V 243 f. = Motive, V 457. 186 So die Motive, a.a.O. 187 Dies läßt sich aus dem Schweigen der Protokolle der Zweiten Kommission entnehmen, V 583 f. = Mugdan, V 788 f. Ebenso Planck-Greiff, § 2325 Anm. 3 a. 188 Nur im Ergebnis ebenso Planck-Greiff, § 2325 Anm. 3 b a.E. und Soergel (11)Dieckmann, Nachtrag § 2325 Rdnr. 19 (und 4). 189 Einen Zusammenhang zwischen § 2325 Abs. 2 BGB und §§ 2055 Abs. 2, 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB stellen auch her Planck-Greiff, § 2325 Anm. 3 a und Crome,
154
§ 5 Lokalisierung
wendung — unter der Zeit der Zuwendung der Zeitpunkt der Leistung zu verstehen ist, also der des Vollzugs und nicht der des Versprechens 1 9 0 . Für nicht vollzogene Schenkungen bleibt es auch hier beim Wert des Anspruchs zur Zeit des Erbfalls. Dies folgt nicht daraus, daß noch nicht vollzogene Schenkungsversprechen gar keine Zuwendungen i m Sinn dieser Vorschriften s i n d 1 9 1 . Allerdings sind die versprochenen Gegenstände noch Nachlaßbestandteile, so daß ihr Wert bei der Ermittlung des Nachlaßwertes berücksichtigt w i r d 1 9 2 . Dies steht aber einer nochmaligen Hinzurechnung des Wertes des Versprechens zum Nachlaß i m Rahmen der Durchführung der Ausgleichung oder der Anrechnung nicht entgegen 1 9 3 . Denn auf der anderen Seite stellt das formgültige Schenkungsversprechen eine Nachlaßverbindlichkeit dar; sein Wert ist also bei der Bewertung des Nachlasses als Abzugsposten, also wertmindernd, zu berücksichtigen 1 9 4 . Die Richtigkeit dieser Auffassung ergibt sich indes aus der ratio legis der §§ 2055, 2315 B G B . Die Gesetzesverfasser hatten nicht verkannt, daß der Wert zum Zeitpunkt der Zuwendung häufig schwieriger zu ermitteln ist, als der Wert zur Zeit der Erbteilung oder zur Zeit des Erbfalls. Sie entschieden sich gleichwohl für diese Regelung, w e i l nur sie dem Umstand Rechnung trägt, daß der Zuwendungsempfänger „sofort Eigentümer wird, daher fortan Wertminderungen oder Wertvermehrungen ihn allein angehen" 1 9 5 . Sie glaubten sich also an die alte
§ 708 Anm. 30 mit Verweisen auf § 685 Anm. 71 und § 707 Anm. 12. Rujfing, 59 bezeichnet §§ 2055 und 2315 BGB im Verhältnis zu § 2325 Abs. 2 BGB als „analoge Fälle". 190 Zu § 2055 Abs. 2 BGB vgl. etwa MünchKomm-Dütz, § 2055 Rdnr. 12; Soergel ( l l ) - M . Wolf; § 2055 Rdnr. 3 und Kipp/Coing, § 120 V I 2. Zu § 2315 Abs. 2 Satz 2 BGB vgl. Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, §2315 Rdnr. 72; Soergel (11)-Dieckmann, § 2315 Rdnr. 4; Planck-Gr eiff, § 2315 Anm. 4 und Crome, § 707 Anm. 12. 191 So noch Planck-Gr eiff, § 2315 Anm. 3 a und Staudinger (11 )-Ferid, § 2315 Rdnr. 24. Wie hier jetzt aber Staudinger (12)-Ferid-Cieslar, § 2315 Rdnr. 23; Staudinger (12)Werner, § 2050 Rdnr. 18 und RGRK-Johannsen, § 2315 Rdnr. 4: Auch bloße Schenkungsversprechen sind Zuwendungen i.S. der §§ 2315 Abs. 2 Satz 2 und 2055 Abs. 2 BGB. 192 Insoweit zutreffend Planck-Gr eiff, a. a. O. 193 Anders nur Planck-Gr eiff, a. a. O. 194 Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, §2315 Rdnr. 23 und RGRK-J ohannsen, §2315 Rdnr. 4. Vgl. auch BGH, 26. Mai 1965, Ζ 44,91 ff., wonach ein Ausstattungsversprechen im Hinblick auf § 2050 BGB nicht entfällt, wenn es vor dem Tod des versprechenden Elternteils nicht erfüllt worden ist. 195 Siehe hierzu die Motive zu § 1989 E I (Mugdan, V LV), der § 2315 BGB entspricht, und zu § 2163 E I (Mugdan, V XCI), der § 2055 BGB entspricht (Motive, V 413 und 708 f. = Motive bei Mugdan, V 219 und 381). — Daß dieser Grund den Ausschlag gab, ergibt sich mit aller wünschenswerten Klarheit auch aus den Motiven des Redaktors von Schmitt. Nach § 409 Abs. 1 seines Vorentwurfs war bei der Ausgleichung der Wert zur Zeit der Zuwendung maßgeblich, nach Abs. 2 befreite der Untergang nicht von der Anrechnung, von Schmitt, I 88. Dies begründet er damit, daß „der Eigentümer das günstige und das widrige Schicksal zu tragen habe", dies sei auch gerechtfertigt, wenn der zufällige Untergang „nachweislich auch beim Erblasser eingetreten wäre", von Schmitt, I I 373. In den Motiven zu § 264 seines Vorentwurfs, von Schmitt, I 55, der für
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
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Rechtsregel „casum sentit dominus" gebunden 1 9 6 . Sie trifft indes nur auf vollzogene Schenkungen zu, die bereits eine dingliche Rechtsänderung bewirkt haben. Nur wenn bei nicht vollzogenen Zuwendungen der Wert zur Zeit des Erbfalls Maß gibt, erhält man vertretbare Ergebnisse. W o l l t e man anders entscheiden, fühlten Ausgleichung und Anrechnung zu willkürlichen Konsequenzen, und zwar sowohl zu Lasten als auch zugunsten des Zuwendungsempfängers. Dies mag ein Beispiel verdeutlichen: Gegenstand des Schenkungsversprechens ist ein Grundstück m i t dem Wert 100. Zur Zeit des Erbfalls hat dieser Anspruch den Wert 1000 1 9 1 . Anrechnungs- oder ausgleichungspflichtig nach § 2055 Abs. 2 B G B oder § 2315 Abs. 2 Satz 2 B G B wäre gleichwohl nur 100, ein die Miterben oder den Erben als Träger der Pflichtteilslast (§ 2303 Abs. 1 B G B ) i n unbilliger Weise belastendes Ergebnis. Hätte der Anspruch hingegen beim Erbfall den Wert
1 0 1 9 8 , wäre nach dieser Ansicht dennoch nach §§ 2055 Abs. 2 bzw.
2315 Abs. 2 Satz 2 B G B der Wert 100 anrechnungs- bzw. ausgleichspflichtig, obwohl der Zuwendungsempfänger diesen Wert nie erhalten hat. Er war zwar Inhaber eines Anspruchs i n dieser Höhe; dieser verringerte aber infolge Wertverlustes des verschenkten Gegenstandes seinen Wert, bevor er erfüllt wurde. Es wäre gegenüber dem Zuwendungsempfänger unbillig, den höheren Wert maßgeblich sein zu lassen. Dieser Wertverlust darf ihn nicht belasten. Es gibt dafür keinen rechtfertigenden Grund, da der Zuwendungsempfänger bei Eintritt des Wertverlustes diesen nicht verhindern konnte, w e i l er nicht der Eigentümer, der „dominus" des Gegenstandes w a r 1 9 9 . Demgegenüber kommt die hier vertretene Auffassung, nach der bei zur Zeit des Erbfalls noch nicht vollzogenen Schenkungen allein der Wert des Anspruchs beim Erbfall maßgeblich sein kann, zu angemessenen Ergebnissen: I n der ersten Variante ist 1000 anrechnungs- bzw. ausgleichspflichtig, i n der zweiten nur 10. Die §§ 2055 Abs. 2, 2315 Abs. 2 Satz 2 B G B sind somit nur auf vollzogene Zuwendungen anwendbar. Aus der Gesetzessystematik ergibt sich, daß das Gleiche für die verwandte Bewertungsregel des § 2325 Abs. 2 B G B gilt. Die Gegen-
die Pflichtteilsanrechnung ebenfalls den Zuwendungszeitpunkt maßgeblich sein läßt, verweist er nur auf diese Erwägungen, von Schmitt, I 799 f. 196 Darauf wird von Kipp! Coing, § 120 V I 2 hingewiesen. Dies sei auch gerechtfertigt, denn der Empfänger trage nicht nur das Risiko der Wertminderung, sondern auch den Nutzen, die Zuwendung schon vor dem Erbfall zu erhalten. — Diese Regel, die soviel besagt wie „einen Zufall trägt der Eigentümer", bedeutet, daß der Eigentümer den Verlust oder den Schaden zu tragen hat, wenn eine Sache zufällig zerstört oder beschädigt wird, vgl. Liebs, 36. 197 Etwa weil aus dem Ackerland Bauland geworden ist. 198 Etwa weil das ursprünglich als „Bauerwartungsland" eingestufte Grundstück zum Bestandteil eines Naturschutzgebietes geworden ist. 199 Als „weitsichtiger" Eigentümer hätte er das Grundstück noch als Bauerwartungsland verkauft, bevor es zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. — Auch der von Kipp/ Coing, § 120 V I 2 angeführte Rechtfertigungsgrund fehlt bei nicht vollzogenen Schenkungen: Der Empfänger kann in diesem Fall vor dem Erbfall keine Nutzungen ziehen.
156
§ 5 Lokalisierung -
ansieht, die den niedereren Wert zur Zeit des Versprechens oder des Erbfalls maßgeblich sein läßt, kann zudem nicht erklären, warum der Zeitpunkt des Versprechens, der bei vollzogenen Schenkungen unerheblich ist, bei nicht vollzogenen Bedeutung erlangen soll. Für ein solches Vorgehen fehlt jeder rechtfertigende Grund. Zudem hat die Gegenmeinung den Nachteil, m i t dem Wortlaut weniger vereinbar zu sein als die hier vertretene Auffassung 2 0 0 . Denn während nach ihr „ Z e i t der Schenkung" die Bedeutung hat „Zeit des Schenkungsvollzugs, i n Ermangelung eines solchen vor dem Erbfall Zeit des Schenkungsversprechens", bedeutet dieser Ausdruck nach der hier vertretenen Auffassung stets „ Z e i t des Schenkungsvollzugs" 2 0 1 . Zusammenfassend läßt sich damit folgendes konstatieren: Der Wert des „verschenkten Gegenstandes", der nach § 2325 Abs. 1 B G B dem Nachlaß hinzugerechnet wird, bestimmt sich bei Schenkungen, die zur Zeit des Erbfalls bereits vollzogen sind, nach § 2325 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 B G B . Bei Schenkungen, die zur Zeit des Erbfalls noch nicht vollzogen sind, aber auch nicht unter § 2301 Abs. 1 B G B fallen, ist hingegen nach dem Grundsatz des § 2311 B G B allein der Wert zur Zeit des Erbfalls entscheidend. § 2325 Abs. 2 B G B ist auf diese Schenkungen nicht anwendbar. Die Schwierigkeiten des Wertansatzes sind damit weitgehend ausgeräumt. A u f den dogmatisch bedenklichen Vorschlag Dieckmanns 202,
der eine Prüfung anregt, ob man nicht besser „der Einfachheit
halber" das nicht erfüllte Schenkungsversprechen aus pflichtteilsrechtlicher Sicht wie ein Vermächtnis behandeln s o l l t e 2 0 3 , braucht daher nicht zurückgegriffen zu werden. Bei der Normierung des Niederstwertprinzips i n § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B ging der Gesetzgeber davon aus, daß der Wert des Geschenkes zu den beiden i n Betracht kommenden Zeitpunkten mit dem selben Wertmesser gemessen wird. Dies ist heute nicht mehr gewährleistet, da der Wertmesser D - M a r k wegen des langjährigen
Kaufkraftschwundes
nicht
mehr
konstant
ist.
Beim
nach
§ 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B erforderlichen Wertvergleich — und bei der Bewertung verbrauchbarer Sachen nach Abs. 2 Satz 1 - muß dieser Kaufkraftschwund berücksichtigt werden, u m das v o m Gesetz gewollte Ergebnis herbeizuführen. Dazu ist der Wert des Geschenkes zur Zeit der Zuwendung umzurechnen i n den DM-Betrag, der diesem Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls entsprach. Für diese 200 A.M. aber Soergel (\\)-Dieckmann, Nachtrag § 2325 Rdnr. 19 (und 4), der der Gegenmeinung, die er anzweifelt, den Vorzug der (besseren) Wortlautentsprechung zugesteht. 201 Wenn die Schenkung beim Erbfall nicht vollzogen ist, ist § 2325 Abs. 2 BGB nicht anwendbar. 202 in Soergel( 11), Nachtrag § 2329 Rdnr. 6 und § 2325 Rdnr. 19 (und 4). 203 Bedenklich deshalb, weil damit eine Gleichstellung mit Schenkungen von Todes wegen nach § 2301 BGB erreicht würde, die ebenfalls — wenn sie der Form genügen — als Vermächtnis angesehen werden (MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 11 a.E.). Der Sache nach läuft Dieckmanns Vorschlag damit auf eine Ausdehnung des Anwendungsgebietes des § 2301 Abs. 1 BGB hinaus.
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
157
Umrechnung kann man von dem i m Statistischen Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland enthaltenen Preisindex für die Lebenshaltung i n langjähriger Übersicht ausgehen. Der für die Zeit der Schenkung ermittelte DM-Betrag ist m i t dem für die Zeit des Erbfalls geltenden Index zu multiplizieren und das Produkt durch den für die Schenkungszeit geltenden Index zu dividieren 2 0 4 .
c) Zeitliche
Schranke (§ 2325 Abs. 3 BGB)
I m Mittelpunkt der Überlegungen, ob bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, die 10 Jahre oder mehr vor dem Erbfall vollzogen wurde, noch ein Wert ergänzungspflichtig ist, steht § 2325 Abs. 3 B G B . Nach dessen 1. Halbsatz bleiben Schenkungen unberücksichtigt, „ w e n n zur Zeit des Erbfalles zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen sind". Diese Vorschrift, insbesondere die Frage, wann die „Leistung des verschenkten Gegenstandes" erfolgt ist, hat jahrzehntelang weder Wissenschaft noch Praxis beschäftigt 2 0 5 . Reuter nannte diese Frage noch 1971 zu Recht ein „weißes Feld auf der zivilrechtlichen L a n d k a r t e " 2 0 6 . Die fehlende Problematisierung wurde als „überraschend" bezeichnet 2 0 7 . Einige erklärten sie m i t der vor dem 2. Weltkrieg stabileren familiären Struktur der besitzenden K r e i s e 2 0 8 . I n der vor allem i m Anschluß an ein Urteil des Bundesgerichtshofs
aus dem
Jahre 1 9 7 0 2 0 9 heftig entbrannten wissenschaftlichen Diskussion werden i m wesentlichen drei Positionen vertreten 2 1 0 . Nach der erblasserfreundlichsten ist m i t 204 So der BGH, 4. Juli 1975, Ζ 65, 75, 78 mit — nur — im Ergebnis zustimmender Anm. von von Löbbecke, NJW 1975,2293; 14. Nov. 1973, Ζ 61, 385 ff. Diese Rechtsprechung ist zwar nicht unbestritten. Ihr ist aber zu folgen, weil in der Tat uneinsichtig ist, daß der Pflichtteilsberechtigte auch das Risiko der Geldentwertung tragen soll, MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 23 m.w.N. auch auf abweichende Ansichten. Nur so kann nämlich verhindert werden, daß sich Schenkungen innerhalb der 10-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB über die Regelung des Abs. 2 hinaus schon pflichtteilsmindernd auswirken. Vgl. Schramm, BWNotZ 25 (1959) 227 f., der empfiehlt, „Gegenstände, bei denen mit Sicherheit mit Wertsteigerungen gerechnet werden kann", zu verschenken, weil der Erblasser dann auch ohne Fristablauf schon eine Pflichtteilsminderung durch die Nichteinbeziehung der Wertsteigerung erreiche; ähnlich Sostmann, RhNK 1976,518; Wieser, MittBayNot 1970, 137 f. und Bengel in Dittmann!Reimann/Bengel, Teil D Rdnr. 75. § 2325 Abs. 2 BGB ist für den Pflichtteilsberechtigten hart genug und darf daher nicht auch noch auf unechte, weil inflationsbedingte Wertsteigerungen angewandt werden. — Der BGH hat seine Ansicht mit Urteil vom 10. Nov. 1982, Ζ 85, 275, 282 f. bestätigt, ohne auf die daran geäußerte Kritik auch nur einzugehen. Ebenso BGH, 22. Okt. 1986, NJW 1987, 1260, 1262. 205 Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 25. 206 Reuter, JuS 1971, 291. 207 Speckmann, NJW 1970, 1638. 208 Ferid und desiar, a.a.O. 209 BGH, 25. Mai 1970, NJW 1970, 1638 ff. 210 So Paulus, Rpfleger 1986,206. Sturm!Sturm, FS von Lübtow 601 fassen (ungenau) Position zwei und drei unter dem Topos Leistungserfolg zusammen.
158
§ 5 Lokalisierung
„Leistung" i n § 2325 Abs. 3 B G B die Leistungshandlung gemeint. Es genüge, wenn der Schenker von seiner Seite alles getan habe, was für den Erwerb des Schenkungsgegenstandes erforderlich sei, insbesondere also die Begründung eines Anwartschaftsrechts des Beschenkten 2 1 1 . Die pflichtteilsfreundlichste Position vertreten die Autoren, für die „Leistung" i m Sinn des § 2325 Abs. 3 B G B m i t Leistungserfolg gleichzusetzen ist. Danach beginnt die Frist erst zu laufen, wenn der Beschenkte den Gegenstand erworben hat, also Eigentümer der Sache oder Inhaber des Rechts geworden i s t 2 1 2 . Daneben w i r d noch ein M i t t e l w e g beschritten. M a n w i l l für die „Leistung" nicht den — bei Immobilien von den Parteien zeitlich nicht beeinflußbaren — vollständigen Eigentumserwerb des Beschenkten verlangen, ebensowenig aber die für den Erblasser meist gar nicht spürbare Begründung eines Anwartschaftsrechts ausreichen lassen. Erforderlich sei daher neben der Leistungshandlung ein spürbares wirtschaftliches Opfer des Schenkers, u m die Frist der § 2325 Abs. 3 B G B i n L a u f zu setzen 2 1 3 . Die lange i m Fluß befindliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
zu
dieser Frage wurde tendenziell von dem Z i e l eines effektiven Pflichtteilsschutzes geleitet 2 1 4 . Der für das Erbrecht zuständige I I I . Zivilsenat hatte 1970 entschieden, die Frist des § 2325 Abs. 3, 1. Halbsatz B G B beginne nicht erst m i t dem Eintritt des Leistungserfolges, sondern bereits, wenn der Schenker alles getan hat, was von seiner Seite für den Erwerb des Schenkungsgegenstandes durch den Beschenkten erforderlich i s t 2 1 5 . Der frühere I V . Zivilsenat, auf den die Zuständigkeit 211 Dänzer-Vanotti, JZ 1981, 435 (auf den Tod bedingte Übertragung [eines Gesellschaftsanteiles] setzt Frist in Lauf). Ebenso Damrau, FamRZ 1969, 131; Heinzenberg, 201; Küster, 76; Schneider!Martin, 426; Sostmann, RhNK 1976,499 (Begründung eines Anwartschaftsrechts genügt); Sudhoff, DB 1971,226 f. und Handbuch 167 f.; Wiedemann, 111 f. Wohl auch Behmer, Rpfleger 1986, 422 f. 212 Borrmann, 99 f. (Leistungserfolg); Flume, FS Schilling 59-62 und Personengesellschaft 411 f. (bei bedingter Schenkung Fristbeginn erst mit Erbfall); Frank, JR 1987, 244 (mit Vorverlegung bei Grundstücksschenkungen) und in MünchKomm, § 2325 Rdnr. 24; Hinke, 55 (rechtlich und wirtschaftlich in das Vermögen des Beschenkten übergegangen); Lange iKuchinke, § 39 I X 2 b in Fn. 353 (rechtlicher Leistungserfolg); Nieder, DNotZ 1987,320 (rechtlicher Leistungserfolg); Paulus, Rpfleger 1986,208 (Frist beginnt erst mit letztem Erwerbsakt) und JZ 1987, 154 (Eintritt des Leistungserfolges); Reuter, JuS 1971, 294 (vollständiger Eintritt des Leistungserfolges); RGRK-Johannsen, § 2325 Rdnr. 24 (Vollzug des Rechtsübergangs muß beendet sein); Rüthers!Henssler, JuS 1984, 956 f.; Soergel (\\)-Dieckmann, §2325 Rdnr. 20 (Leistungserfolg). Vgl. auch OLG Hamm, 25. April 1969, NJW 1969, 2148 f. (Vollzug bei Grundstücksschenkungen erst mit Eintragung ins Grundbuch). 2 13 Heckelmann, 256 (wirtschaftlicher Leistungserfolg); Speckmann, NJW 1970, 1638 und 1978, 358 f. (wirtschaftliche Entäußerung); Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 27 (endgültiges Vermögensopfer aus dem... wirtschaftlichen Bereich). Wohl auch Finger, JZ 1981, 828 (Belastung, die Erblasser sich selbst noch auferlegt hat). Vgl. auch OLG Schleswig, 18. Sept. 1974, NJW 1975, 315 f. (wirtschaftliches Opfer) und OLG Hamm, 20. Dez. 1984, FamRZ 1985, 967 ff. (wirtschaftliche Wirkung) sowie das LG Marburg, 8. Mai 1987, NJW-RR 1987, 1290 f. Vgl. auch das Revisionsurteil zu OLG Hamm a.a.O., BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98,233: Jedenfalls" ist „wirtschaftliche Ausgliederung" erforderlich. 214 Sie war daher nicht „schwankend", so aber Sturm!Sturm, FS von Lübtow 602.
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
159
für das Erbrecht überging, distanzierte sich von dieser Entscheidung 1974 d e u t l i c h 2 1 6 , wenngleich er eine Abweichung i m Tatsächlichen zwischen beiden Entscheidungen in den Vordergrund rückte, u m einen offenen Bruch
zu
vermeiden 2 1 7 . Eine Entscheidung aus dem Jahre 1975 setzte diese Entwicklung fort 218. Der nunmehr für das Erbrecht zuständige IVa. Senat hat in drei Entscheidungen innerhalb kurzer Zeit die vollständige Abkehr vollzogen. I n einem Grundsatzurteil entschied er unter ausführlicher Auseinandersetzung m i t der K r i t i k aus Wissenschaft und Praxis an der Entscheidung aus dem Jahre 1970, es sei für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B erforderlich, daß der Erblasser einen Zustand schaffe, dessen Folgen er selbst noch zehn Jahre lang zu tragen habe, und der ihn deshalb von einer „böslichen" Schenkung abhalten könne. Dazu bedürfe es „jedenfalls" einer „wirtschaftlichen Ausgliederung des Geschenks aus dem Vermögen des Erblassers" 2 1 9 . Dabei ist, wie der
Bundesgerichtshof
später klarstellte, bei mehreren Zuwendungen aufgrund eines einheitlichen Schenkungsvertrages für jeden Schenkungsgegenstand der Leistungszeitpunkt gesondert festzustellen 2 2 0 . Für die Grundstücksschenkung hat der IVa. Senat nunmehr dezidiert festgestellt, daß die Frist erst m i t der Eintragung ins Grundbuch, also der Vollendung des Eigentumserwerbs, beginne 2 2 1 . Die geänderte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zutreffend. V o n den drei denkbaren Positionen zur Frage des Fristbeginns vermag nur die pflichtteilsfreundlichste zu überzeugen, nach der der verschenkte Gegenstand erst geleistet ist, wenn und soweit der rechtliche Erfolg der versprochenen Leistung eingetreten ist. Daß die bloße Begründung eines Anwartschaftsrechts noch nicht die „ L e i stung des verschenkten Gegenstandes" ist, ergibt sich zwar nicht aus dem W o r t s i n n 2 2 2 , aber m i t aller Klarheit aus der ratio des § 2325 Abs. 3 B G B . Sie besteht nicht i n erster L i n i e darin, zu verhindern, daß auf Vorgänge zurückgegriffen wird, die jahrelang zurückliegen und daher schwer aufzuklären beziehungsweise zu beweisen s i n d 2 2 3 . Beweisschwierigkeiten begründen nur tatsächliche, nicht
aber rechtliche Hindemisse 2 2 4 .
Dies folgt
nicht nur aus
215 BGH, 25. Mai 1970, NJW 1970, 1638. 216 BGH, 16. Okt. 1974, NJW 1974, 2319 („diese Rechtsgrundsätze, selbst wenn man ihnen folgt"). 217 So zu Recht Finger, NJW 1975, 535. 218 BGH, 4. Juli 1975, Ζ 65,75,76: Der BGH führte aus, daß die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB auch nach der Auflassung beginnen könne; hierzu von Löbbecke, NJW 1975,2293. 219 BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98, 226, 233. 220 BGH, 6. Mai 1987, NJW 1988, 138. 221 BGH, 2. Dez. 1987, NJW 1988, 821 mit zust. Anm. von Dieckmann, FamRZ 1988, 712. 222 So zu Recht BGH, 25. Mai 1970, NJW 1970, 1639. 223 So aber BGH, 25. Mai 1970, a.a.O. 224 Finger, JZ 1981, 828.
§ 5 Lokalisierung
160
§ 2325 Abs. 3, 2. Halbsatz B G B , wonach bei Schenkungen an den Ehegatten die Frist erst m i t der Auflösung der Ehe b e g i n n t 2 2 5 , sondern auch aus § 2287 B G B , wonach der Vertragserbe gegen den v o m Erblasser ohne lebzeitiges Eigeninteresse Beschenkten einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes hat, unabhängig davon, ob die Schenkung ein, zehn, zwanzig oder mehr Jahre zurückliegt 2 2 6 . Bei der Einführung der Zehnjahresfrist ging der Gesetzgeber vielmehr von der einleuchtenden Überlegung aus, daß kein Erblasser die i h m eingeräumte Befugnis Testierfreiheit mißbraucht, wenn er selbst noch zehn Jahre lang die Folgen dieses „sich ärmer machens" 2 2 7 zu spüren h a t 2 2 8 . Dies hat der IVa. Senat den Protokollen
zutreffend entnommen 2 2 9 .
Paulus ist demgegenüber der Auffassung, für die Frage des Fristbeginns gebe die Gesetzgebungsgeschichte nichts her, w e i l die Äußerungen i n den Protokollen „ad hoc und ohne Einbettung i n das U m f e l d erfolgten". Sie könne daher nur mittels des „objektiv formulierten Wortlauts" und einer „Interessenanalyse" beantwortet w e r d e n 2 3 0 . Paulus ist zu widersprechen. Für die Frage nach der richtigen Auslegung des § 2325 Abs. 3 B G B ist die Gesetzgebungsgeschichte entgegen Paulus ein wertvolles Hilfsmittel. Der von den Protokollen richtshof
herangezogenen
Stellen
genannte
Zweck
an den v o m Bundesgewurde
der
Frist
des
§ 2325 Abs. 3 B G B nicht, wie Paulus meint, ad hoc und ohne durchdacht zu sein beigelegt. Nach dem preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 konnten Pflichtteilsberechtigte, „jede von dem Erblasser innerhalb Dreyer Jahre vor seinem Tode gemachte Schenkung widerrufen", wenn der Nachlaß weniger als die Hälfte des Geschenkes wert w a r 2 3 1 . Hierzu bemerkte Suarez 1793 in seinen amtlichen Vorträgen bei der Schlußrevision, die Fristenregelung solle zum einen „Schwierigkeiten und Weitläufigkeiten bei der Ausmittelung" vermindern, zum
22 5 Diese Norm wird von Peters mit beachtlichen Gründen für verfassungswidrig gehalten, FamRZ 1973, 169 ff., der einen Verstoß gegen Art. 6 GG bejaht. Ebenso Schelter, 95; Soergel (\\)-Dieckmann, §2325 Rdnr. 21; Hülsheger, 26 und die LGe Braunschweig, 16. März 1988, NJW 1988, 1857; Mönchengladbach, 30. Okt. 1984, FamRZ 1985, 428 f. und Wiesbaden, 20. Aug. 1975, FamRZ 1975, 654 f. — MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 26 hält sie für verfehlt, aber noch nicht für verfassungswidrig. 226 Zur Ähnlichkeit der durch §§ 2325 und 2287 BGB geregelten Konflikte vgl. unten § 10 bei Fn. 51 ff. 227 Sudhoff, DB 1968, 649. 228 Daneben spielt eine Rolle, daß der Erblasser mit zunehmendem Alter und heranrükkendem Tod leichter beeinflußbar ist und oft spontane, emotional hervorgerufene Entscheidungen trifft. 229 BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98,231 f. mit Hinweis auf Protokolle, V 587 f. = Protokolle bei Mugdan, V 791 f. Der E I hatte noch keine Zeitschranke vorgesehen, vgl. Motive bei Mugdan, V 241 f. = Motive, V 453 f. Schon von Schmitt, I 871 lehnte die Einführung einer Zeitschranke als zwar im Verkehrsinteresse zweckmäßig, dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber aber unbillig ab, der sein Recht nicht bei Lebzeiten des Erblasser wahren könne. 230 Paulus, JZ 1987, 153 f. (sowie Rpfleger 1986, 206 und 423). 231 ALR I 11 § 1113.
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
161
anderen beruhe sie auf der Erfahrung, daß „je weiter der Zeitpunkt der geschehenen Donation zurückgeht, desto weniger sich gedenken läßt, daß dabei eine Absicht, die Kinder i m Pflichttheile zu verkürzen, zum Grunde gelegen habe 4 ' 2 3 2 . Der in den Protokollen
genannte Zweck der Fristenregelung des § 2325 Abs. 3
B G B war also schon rund 100 Jahre vorher mit einer vergleichbaren Regelung verfolgt w o r d e n 2 3 3 . Paulus wendet sich auch gegen das „subjektive Tatbestandselement" einer „böslichen Schenkung", das der IVa. Senat eingeführt habe 2 3 4 . I h m ist darin beizupflichten,
daß
ein
solches
Element
im
objektiv
zu
verstehenden
§ 2325 Abs. 1 B G B nicht am Platze ist. Diese Vorschrift begründet eine Ergänzungspflicht für jede Schenkung, deren V o l l z u g weniger als zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgte, unabhängig von ihrer subjektiven Z w e c k r i c h t u n g 2 3 5 . Das hat der Bundesgerichtshof
i n seinem Urteil aus dem Jahre 1986 indes nicht bezwei-
felt. Trotz dieser objektiven Ausrichtung kann die Einführung einer (Zehnjahres-) Frist jedoch durch die Erfahrung begründet sein, daß „bösliche Schenkungen" für die eigentlich jede Frist unangemessen i s t 2 3 6 , (zehn) Jahre vor dem Erbfall w o h l kaum vorkommen werden, w e i l niemand so lange seinen gewohnten Lebensstandard einschränkt, u m einen A b k ö m m l i n g vor einem anderen zu bevorzugen. Objektive Ausrichtung der Schenkung i n § 2325 B G B und Sinn und Zweck der Fristenregelung nach Meinung des Bundesgerichtshofs
sind also vereinbar 2 3 7 .
Dieser Zweck ist nur erreichbar, wenn die Leistung des verschenkten Gegenstandes „mindestens" 2 3 8 zu einer wirtschaftlichen Ausgliederung desselben aus dem Vermögen des Schenkers führt, wie der IVa. Senat mit Hinweis auf die Ausnutzung der Entscheidung des I I I . Senats von 1970 durch die Kautelarpraxis 232 Suarez, Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung 41 (1833) 25. Vgl. auch Koch, ALR Anm. 58 zu I 11 § 1113. 233 Das gilt übrigens auch für das andere in den Protokollen, V 587 f. = Protokolle bei Mugdan, V 791 f. genannte Motiv für die Fristenregelung, die „billige Rücksicht" auf den Beschenkten; auch sie wurde sinngemäß schon als Grund der ALR-Regelung genannt, vgl. Königliches Geheimes Obertribunal, 25. Juni 1847, Entscheidungen, Bd. 15 (1848) 175, 179. 234 Paulus, JZ 1987, 153. 23 5 Vgl. oben bei Fn. 141. 23 6 So die Motive bei Mugdan, V 241 = Motive, V 453. — Vgl. hierzu auch Art. 527 Schweizer ZGB, der in Nr. 3 Schenkungen der Herabsetzung unterwirft, die der Erblasser „während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat"; in Nr. 4 aber Verfügungen „zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung" ohne Fristbestimmung für herabsetzbar erklärt. 237 Vgl. zu diesem Gegensatz zwischen der objektiven Fassung der Norm und dem Kontext der Gesamtregelung, die nur unter Zuhilfenahme auch subjektiver Momente zu verstehen ist (zum gleichgelagerten österr. ABGB) grundlegend Raber, JB1. 1988, 137, 142 ff. 238 Das ist der Sinn der Formulierung, „jedenfalls" sei eine „wirtschaftliche Ausgliederung" erforderlich, BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98, 233. Es handelt sich um eine von der ratio legis geforderte Mindesteoraussetzung.
11 Reiff
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§ 5 Lokalisierung
eindrucksvoll belegt 2 3 9 . V o n der durch dieses Urteil eingeleiteten Gleichbehandlung von unbedingt und b e d i n g t 2 4 0 vollzogenen Schenkungen i n bezug auf die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B ist der Bundesgerichtshof
zu Recht abgerückt. Sie
ist m i t dem Zweck der Regelung unvereinbar. Die mittlere Position, nach der zur Begründung eines Anwartschaftsrechts noch die (teilweise?) wirtschaftliche Ausgliederung des Geschenks hinzukommen muß, damit die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B zu laufen beginnt, wäre zwar m i t Sinn und Zweck der Regelung (noch) vereinbar. Sie ist aber schon kaum mehr v o m Wortlaut gedeckt. „Leistung" kann „Leistungshandlung" oder „ L e i stungserfolg" bedeuten, aber nicht „Leistungshandlung und (zusätzlich) wirtschaftliche Ausgliederung" 2 4 1 . Das „Zauberwort" wirtschaftliche Betrachtungsw e i s e 2 4 2 ist zudem (auch) hier problematisch: Das Abstellen auf „konturenlose wirtschaftliche A s p e k t e " 2 4 3 lenkt von der einzig entscheidenden rechtlichen A r gumentation unzulässig ab. Gegenstand einer Schenkung ist meist die Übereignung einer Sache oder die Übertragung eines Rechts. Die Leistung des versprochenen Gegenstandes erfolgt erst durch den sachenrechtlichen V o l l z u g der Schenkung, mag der Beschenkte auch schon vorher irgendwie i n den Genuß der Sache gekommen sein 2 4 4 . Der mittleren Position fehlen somit eindeutige Kriterien. Verläßliche Vorhersagen über den Ausgang eines Rechtsstreits wären kaum mehr möglich. Sie ist daher m i t dem Z i e l Rechtsklarheit nicht zu vereinbaren 2 4 5 . Die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B beginnt daher erst, wenn und soweit der rechtliche Erfolg einer Schenkung eingetreten ist. Dies ist bei der Übereignung von Sachen der Eigentumserwerb des Beschenkten, bei Immobilien also die Eintragung ins G r u n d b u c h 2 4 6 ; bei der Übertragung von Rechten der Erwerb des Rechts. Diese Lösung hat den Vorteil von Rechtssicherheit und -klarheit. Sie besticht zudem dadurch, daß nach ihr „ Z e i t der Schenkung" und „Leistung des verschenkten Gegenstands" i n § 2325 Abs. 2 und 3 B G B die gleiche Bedeutung haben 2 4 7 .
239 BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98,232 f.: „Dieser Weg wird von den Erläuterungsbüchern offen gewiesen und nicht selten genutzt". 240 Etwa aufschiebend bedingt auf den Tod des Schenkers. 241 Vgl. Paulus, JZ 1987, 154. 242 Paulus, Rpfleger 1986, 207. 243 Frank, JR 1987, 244. 244 Paulus, Rpfleger 1986, 207 (mit Hinweis auf „Trennungs- oder Abstraktionsprinzip"; beide sind aber von einander zu unterscheiden, Baur, § 5 I V 1) und JZ 1987, 154. 245 So auch Nieder, DNotZ 1987, 320 f. und Frank, JR 1987, 244. 246 BGH, 2. Dez. 1987, NJW 1988, 821 f. mit zust. Anm. von Dieckmann, FamRZ 1988,712. Vgl. hierzu auch einerseits Frank, JR 1987,244, andererseits Paulus, Rpfleger 1986, 208. 247 BGH, 2. Dez. 1987, a.a.O.
II. Die Pflichtteilsergänzung wegen Schenkungen
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5. Faktische Besonderheiten der Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt Neben den eingangs in § 4 aufgezeigten Problemen, die Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt i m Rahmen des § 2325 B G B bereiten, und die diese Arbeit untersuchen w i l l , weisen diese Schenkungen i m Vergleich zu vorbehaltslosen Schenkungen auch einige tatsächliche 2 4 8 Besonderheiten auf, die die praktische Anwendbarkeit des § 2325 B G B sogar tendenziell erhöhen. Die erste erleichtert es dem Pflichtteilsberechtigten, seiner Beweispflicht für Vorliegen und Wert der Schenkung 2 4 9 nachzukommen. Viele „Normalschenkungen" erfolgen als Handschenkungen, also ohne vorangegangenes notariell beurkundetes Schenkungsversprechen und auch sonst ohne schriftliche Verkörperung, etwa häufig Schenkungen von Bargeld, Schmuck, Antiquitäten oder sonstigen beweglichen Wertgegenständen. Ihre Vornahme ist naturgemäß nach A b l a u f von mehreren Jahren in einem Rechtsstreit nur sehr schwer zu beweisen. I m Gegensatz dazu sind Vereinbarungen über Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt in aller Regel selbst nach Jahren noch leicht nachweisbar. Sie werden gewöhnlich erst nach fachkundiger Beratung durch Steuerberater, Rechtsanwalt und/oder Notar getroffen. Sie sind also klar und präzise und werden urkundlich festgehalten. M a n wählt (mindestens) die Schriftform, w e i l die Bestellung eines Nießbrauchs meist steuerliche Erwägungen zum M o t i v h a t 2 5 0 . Dies gilt auch für den bei einer Schenkung vorbehaltenen Nießbrauch 2 5 1 . Er ermöglicht dem Erblasser, die Nutzungen aller seiner Vermögensgegenstände bis zu seinem T o d zu behalten, aber einige Gegenstände schon zu seinen Lebzeiten i m Wege vorweggenommener Erbfolge i n ihrer Substanz auf seine zukünftigen Erben zu übertragen 2 5 2 . Diese Vorgehensweise w i r d nachdrücklich empfohlen 2 5 3 , w e i l sie sich erbschaftsteuerlich günstig auswirken k a n n 2 5 4 . Die Finanzbehörden erkennen nur eine klare, beweisbare und
24
8 Tatsächlich, nicht rechtlich, weil die Besonderheit weder bei allen Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt vorliegen muß, noch bei allen anderen Schenkungen fehlt. 249 Allgemeine Meinung, vgl etwa Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 48 und Planck-Greiff, § 2325 Anm. 6a a. E. Wendet der beklagte Erbe ein, die — nicht verbrauchbare — Sache habe zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert gehabt als zur Zeit des Erbfalls (§ 2325 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz BGB), so muß er dies beweisen, BGH, 23. Nov. 1962, W M 1963, 290,292 und RGRK-J ohannsen, § 2325 Rdnr. 23. 250 So Scharff, 1 m.w.N. 251 Vgl. hierzu Weber, ZGR 1972, 25 ff., 28 f. 252 Siehe hierzu MünchKomm-Petzoldt, vor § 1030 Rdnr. 24 und Scharff, 161. 253 So z.B. von Esch!Schulze zur Wiesche, 448 f. Rdnr. 497 f.; Halmburger, 290 f. und Sudhoff, Handbuch 381. Vgl. auch Strobel, 5 in Fn. 2. — Ebenso schon zum alten Recht (ErbStG 1959) Schneiderl Martin, 248 und Krollmann IRinsche, Rdnr. 254. Diese Empfehlungen wurden besonders von Unternehmern befolgt, vgl. Klunzinger, JuS 1971, 283 unter 3. und Crezelius, 106 bei Fn. 188. 254 Unentgeltliche Zuwendungen können zwischen den gleichen Personen alle zehn Jahre in Höhe des Freibetrages vorgenommen werden, ohne daß Erbschaft- oder Schenkungsteuer fällig wird, §§14 und 16 ErbStG. Beispielsweise kann jeder Elternteil jedem 11*
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§ 5 Lokalisierung
rechtlich wirksame Vereinbarung an. Zudem werden unter Nießbrauchsvorbehalt fast nur Gegenstände von relativ hohem Wert verschenkt, die nennenswerte Nutzungen abwerfen. Sonst wäre der Vorbehalt, auch weiterhin die Früchte und Gebrauchsvorteile des Schenkungsgegenstandes ziehen zu dürfen, entweder wert- oder gegenstandslos 255 . Bei diesen „typischen" Gegenständen sind für die Übertragung und die Bestellung des Nießbrauchs häufig strenge Formerfordernisse zu wahren 2 5 6 . Die zweite Eigenart ermöglicht es dem Pflichtteilsberechtigten unter Umständen erst, Ansprüche aus § 2325 B G B überhaupt geltend zu machen. Sie liegt darin, daß der Schenker auch nach dem Schenkungsvollzug Besitzer der Sache b l e i b t 2 5 7 . Der Schenkungsgegenstand bleibt so r ä u m l i c h 2 5 8 m i t den anderen Gegenständen des späteren Nachlasses verbunden und bildet m i t ihnen bis zum Erbfall eine Einheit. Das bewirkt, daß er i m Gegensatz zu Normalschenkungen dem Pflichtteilsberechtigten „ v o r Augen bleibt". So w i r d verhindert, daß die Schenkung i n Vergessenheit gerät, w e i l sich niemand mehr des Schenkungsgegenstandes erinnert, der schon jahrelang v o m Vermögen des Erblassers separiert ist259. Eine weitere Eigenart der Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt ist es, daß sie ihrer Intention nach schon zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen w e r d e n 2 6 0 , w e i l der Nießbrauch spätestens m i t dem T o d des Nießbrauchers Kind alle zehn Jahre den Wert von D M 90 000 erbschaft- bzw. schenkungsteuerfrei zuwenden, vgl. MünchKomm-Leipold, Einleitung vor §§ 1922 ff. Rdnr. 168. 255 So wäre der Nießbrauch an nur einer Aktie mit einer Dividende von 3 D M per anno wirtschaftlich wertlos. Rechte, die weder unmittelbar noch mittelbar Nutzungen abzuwerfen vermögen, etwa Vorkaufsrechte, scheiden nach allgemeiner Meinung als Gegenstand eines Nießbrauchs völlig aus, MünchKomm-Petzoldt, § 1068 Rdnr. 3. 256 Diese folgen bei Grundstücken aus den §§ 873, 925 und 873 BGB, bei GmbHGeschäftsanteilen aus §§ 15 GmbHG und 1069 Abs. 1 BGB, 15 GmbHG, bei Namensaktien aus §§68 AktG und 1069 Abs. 1 BGB, 68 AktG. Bei den zahlenmäßig vorherrschenden Inhaberaktien und bei nicht vinkulierten, mit Blankoindossament versehenen Namensaktien ist die Form leichter zu wahren, vgl. § 1081 BGB und Staudinger (12)Promberger, § 1069 Rdnr. 17. — Zu weiteren Vermögensgegenständen, an denen häufiger ein Nießbrauch bestellt wird, vgl. Rosenau, DB 1969, Beilage 3, S. 2 und Staudinger (nyPromberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 8 bis 105. 257 Das folgt aus § 1036 Abs. 1 BGB für den Nießbrauch an Sachen und aus § 1068 Abs. 2 i.V. m. § 1036 Abs. 1 BGB für den Nießbrauch an Rechten. Zu beachten ist aber § 1081 BGB, der bei bestimmten Wertpapieren Mitbesitz von Eigentümer und Nießbraucher anordnet. 258 Unmittelbar trifft das zwar nur auf bewegliche Sachen zu. Grundstücke werden aber weiterhin vom Erblasser verwaltet, er zieht deren Nutzungen, trägt aber auch deren Lasten (§ 1047 BGB). Aktien verbleiben in seinem Depot, die Dividende wird seinem Konto gutgeschrieben. Auch hier besteht also eine „funktionale Nähe" zum Erblasservermögen, die es erschwert, daß die Schenkung in Vergessenheit gerät. 259 Bei normalen Schenkungen hingegen „bringt es das Leben von selbst mit sich, daß die einer fernliegenden Zeit angehörenden geringfügigen Schenkungen" nicht zur Pflichtteilsergänzung herangezogen werden; so die Motive bei Mugdan , V 241 = Motive, V 453.
§ 6 Relevanz
165
endet 2 6 1 . Nach dem Erbfall kann eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt also nicht mehr vollzogen werden. Der V o l l z u g zu Lebzeiten des Schenkers bringt zwei rechtliche Vereinfachungen m i t sich: Wegen § 2301 Abs. 2 B G B ist auch bei einer Überlebensbedingung stets eine Schenkung i m Sinn des § 2325 B G B zu bejahen 2 6 2 . Zudem w i r d die oben erörterte Frage, welcher Wert bei nicht vollzogenen Schenkungen anzusetzen ist, bei Vorbehaltsschenkungen nicht praktisch 2 6 3 .
§ 6 Relevanz Hinter der zu erörternden Problematik verbirgt sich ein besonders gelagerter Interessenkonflikt. Er ist brisant, weil er fast ausschließlich innerfamiliärer Natur ist, was zu besonderer Heftigkeit des Disputes und stärkster Verbitterung der Kontrahenten führt 1 . Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt sind nämlich vor allem Instrumente einer — untechnisch verstandenen 2 — „vorweggenommenen Erbfolge" 3 . Sie sind geeignet, frei von den Beschränkungen des egalitären Erb260 Allerdings kann es im Einzelfall vorkommen, daß bei der Schenkung eines Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt der Nießbrauch zwar bestellt wird, aber nicht ins Grundbuch eingetragen werden soll, so im Fall des BFH, 30. Juli 1985, NJW 1986, 605. Es entsteht dann wegen § 873 BGB kein Nießbrauch, aber ein wirksames obligatorisches Nutzungsrecht mit dem Inhalt eines Nießbrauchs, das auch steuerrechtlich anzuerkennen ist. 261 § 1061 BGB. Diese Norm ist zwingendes Recht, MünchKomm-Petzoldt, § 1061 Rdnr. 2. 262 Vgl. oben Fn. 145; demgegenüber fällt die nicht vollzogene Schenkung von Todes wegen nicht unter § 2325 BGB. Anderer Meinung freilich Wache, 85 f., der auch vollzogene Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt als nichtvollzogene Schenkungen von Todes wegen ansieht und damit nicht als Schenkung i.S. von § 2325 BGB. Waches Ausgangspunkt, die Betrachtung von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt als „unseriös", ist aber zu emotional, vgl. unten § 9 IV. 263 Vgl. dazu oben bei Fn. 179 ff. Nach der hier vertretenen Auffassung ist immer der Wert des Anspruchs zur Zeit des Erbfalls anzusetzen. ι Vgl. hierzu Stötter, DB 1970, 573 bei Fn. 40, der von einer „sonst nicht zu beobachtenden Erbitterung" berichtet, wenn Prozesse um Pflichtteilsergänzungsansprüche infolge vorweggenommener Erbfolge geführt werden. 2 Nach Westhoff, DB 1972, 809 ist „vorweggenommene Erbfolge" kein gesetzestechnischer Begriff, sondern erfaßt alle lebzeitigen Zuwendungen, die mit Blick auf die Erhaltung eines Vermögens nach dem Tode vorgenommen werden. — Zur Rechtsnatur des Übergabevertrages als technisches Mittel einer vorweggenommenen Erbfolge und zu seinen wesentlichen Bestandteilen vgl. Olzen, 21-43. 3 Nach Rosenau, DB 1969 Beilage Nr. 3 Seite 2, ist die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt an die eigenen Abkömmlinge sogar der wichtigste und häufigste Fall einer Nießbrauchsbestellung aufgrund einer Schenkung unter Lebenden. Ebenso Halmburger, 130. — Vgl. auch Stürner, AcP 173 (1973) 403 f., der das Motiv „vorweggenommene Erbfolge" noch höher als das der Erbschaftsteuerersparnis einstuft. Nach Scharff, 161 tritt die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt „insbesondere im Zusammenhang mit
166
§ 6 Relevanz
rechts die wunschgemäße Verteilung des Vermögens und i m Fall eines Unternehmens die Bestimmung des Nachfolgers schon unter Lebenden vorzunehmen, w e i l der Schenker über den Ertrag der übergebenen Vermögenswerte noch frei verfügen kann, so daß die materielle Sicherung des eigenen Lebensabends gewährleistet ist 4 . Schenkungen unter Nießbrauchs vorbehält sind m i t h i n ein Mittel, u m das Spannungsverhältnis zwischen den Grundsätzen der Familienerbfolge und der Testierfreiheit, das v o m Gesetz durch den Kompromiß der Anerkennung der Testierfreiheit bei gleichzeitiger Einschränkung durch das Pflichtteilsrecht gelöst wurde 5 , weiter zugunsten schrankenloser Testierfreiheit zu verschieben. Der hierdurch verursachte Streit betrifft die (Kern-)Familie, w e i l der Erblasser meist einen A b k ö m m l i n g oder den Ehegatten zu Lasten der anderen bevorzugen w i r d und nicht einen Extraneus. So gehen Empfehlungen an Unternehmer, ihre Unternehmen unter Nießbrauchsvorbehalt zu übertragen, zumindest stillschweigend davon aus, daß der Nachfolger einer von mehreren A b k ö m m l i n g e n sein w i r d 6 . Daher wurden diese Empfehlungen auch als Propagierung einer „rücksichtslosen Benachteiligung" der Ehefrau und der übrigen Kinder zugunsten des Nachfolgersohnes gebrandmarkt 7 . Schon vor mehr als hundert Jahren wurde insoweit festgestellt, daß „die Versuche, das Pflichttheilsrecht zu verletzen, sich regelmäßig innerhalb des Kreises verschiedener Notherben selbst bewegen" 8 . Dies zeigt die lange Geschichte des Konfliktes. So berichtet Meyersburg,
der auf dem 14. Deutschen
Juristentag 1878 für die volle Testierfreiheit und gegen jedes Pflichtteilsrecht eintrat, daß die deutschen Bauern i n der preußischen Rheinprovinz, i n der seit Beginn des 19. Jahrhunderts der Code c i v i l galt, gegen die ihnen unverständlichen Konsequenzen des französischen Pflichtteilsrechtes ankämpften. Sie versuchten durch „verschleierte Verträge" unter Lebenden das zu erreichen, was „ l e t z t w i l l i g nicht geschehen könne", die Bestimmung eines Abkömmlings zum von Pflichtteilslasten freien Hofnachfolger 9 . A u c h i m Geltungsbereich des gemeinen Rechtes, i n Niedersachsen, sei es fast unmöglich, „deutschen Vätern klarzumachen",
der Regelung von vorweggenommenen Erbfolgen a u f . Ebenso Klüsener, Rpfleger 1981, 262 und — für das französische Recht — Ferid!Sonnenberger, I I 789. 4 Vgl. hierzu auch Olzen, 17 f. 5 Vgl. hierzu oben § 5 I. 6 Ausdrücklich etwa (Hervorhebungen vom Verf.) Sudhoff, DB 1968, 650: ... den vorgesehenen Nachfolger ... am väterlichen Unternehmen teilnehmen zu lassen; DB 1971, 226: Überträgt nämlich der Senior sein ganzes Unternehmen auf den Nachfolgersohn, behält er sich aber ... den Nießbrauch vor; und ähnlich im Handbuch 16. 7 So Stötter, DB 1962, 264. 8 So Meyersburg, 52 in seinem Gutachten für den 14. DJT 1878. — Dieser Gedanke der „familia suspecta" liegt auch § 785 Abs. 3 ABGB zugrunde, wonach (nur) Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte auch dann (noch) dem Nachlaß hinzuzurechnen sind, wenn sie mehr als zwei Jahre vor dem Erbfall gemacht wurden. Vgl. Welser, FS Kralik, 587 f. und unten § 8 in Fn. 124. 9 Meyersburg, 64.
§ 6 Relevanz
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welche Konsequenzen das Pflichtteilsrecht für sie m i t sich bringe, so daß denn „sehr häufig auf Umwegen versucht werde, was m i t offenem V i s i r nicht geschehen d a r f 4 , namentlich m i t Hilfe verschleierter Kauf- und sonstiger Übertragungsgeschäfte 1 0 . M i t dem Inkrafttreten des B G B und seines Pflichtteilsrechtes am 1. Januar 1900 wurde der K o n f l i k t — bezeichnenderweise gegen den erbitterten Widerstand der Agrarkreise 1 1 — weitgehend entschärft. Die klare Regelung der §§ 2303 ff. B G B und insbesondere der §§ 2325 ff. B G B schien das Ausschalten oder Umgehen von Pflichtteilsansprüchen jedenfalls durch Handlungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall stark zu erschweren, wenn nicht unmöglich zu machen. Der K o n f l i k t hat indes nach 1945 erneut stark an Aktualität gewonnen, wie sich an der Zunahme der Entscheidungen zu den §§ 2325 ff. B G B eindeutig ablesen läßt 1 2 . Dies w i r d damit begründet, daß nach dem zweiten Weltkrieg die gesellschaftlichen Strukturen starken Veränderungen unterworfen gewesen wären und sich gerade i n den „besitzenden Kreisen" der Bevölkerung die Persönlichkeitsstrukturen der Vermögensinhaber und potentiellen Erblasser soziologisch bedingt stark verändert hätten. Dies bedinge den sprunghaften Anstieg der Zahl der gescheiterten Ehen und zerrütteten Eltern-Kind-Beziehungen und damit der (Erb-)Streitigkeiten. Jedenfalls sei festzustellen, daß die Versuche, die Pflichtteilsansprüche durch technisch ständig verfeinerte Geschäfte zu umgehen, zahlenmäßig stetig zugenommen hätten 1 3 . Durch das Reformgesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen K i n d e r 1 4 erhielt der K o n f l i k t
1969 zusätzlichen
Zündstoff 1 5 . Es räumt auch dem nichtehelichen K i n d , das bis zu diesem Zeitpunkt gemäß § 1589 Abs. 2 B G B als m i t seinem Vater nicht verwandt galt, einen Pflichtteilsanspruch gegen dessen Erben ein; entweder nach §§ 1924 Abs. 1, 2303 Abs. 1 B G B unmittelbar oder, wenn wie i m Regelfall neben dem nichtehelichen K i n d noch eheliche A b k ö m m l i n g e seines Vaters oder dessen Ehegatte vorhanden sind, nach §§ 1934 a Abs. 1, 2338 a und 2303 Abs. 1 B G B . Da von Seiten des Vaters zu nichtehelichen Kindern häufig keinerlei familiäre Bindungen bestehen, die immerhin tendenziell eine Gleichbehandlung aller Abkömmlinge veranlassen könnten, fehlt diesen Vätern gleichsam eine „Hemmschwelle", den nichtehelichen Kindern wenigstens den Pflichtteil zu belassen 16 . Neben die regelio So Meyersburg, 61 f. π Vgl. Mertens, 87 f. 12 So Dieckmann, FS Beitzke 400 und Staudinger (12)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 25. 13 So Ferid und desiar, a.a.O. 14 NEhelG, Gesetz vom 19. Aug. 1969, BGBl I, 1243. is Nach Zimmermann, BB 1969, 965 wirft das NEhelG für das Pflichtteilsrecht bei Unternehmernachfolge „zusätzliche Probleme" auf. Nach Wieser, MittBayNot 1970, 135, 140 bleibt es abzuwarten, ob die Rechtsprechung „in Anbetracht der durch das NEhelG entstandenen Aktualität" ihre Erkenntnisse zu den §§ 2325 ff. BGB neu überdenkt. 16 Ähnlich Damrau, FamRZ 1969, 130 f., der ergänzend darauf hinweist, daß die Ehegatten und die ehelichen Kinder den Vater häufig zu diesem Schritt drängen werden.
§ 6 Relevanz
168
mäßig ausgesprochenen Enterbungen 1 7 tritt daher in diesen Fällen seit 1970 sehr häufig der Versuch, das Vermögen schon zu Lebzeiten auf die ehelichen Kinder zu übertragen, vorzugsweise befristet auf den T o d des Schenkers oder unter Nießbrauchsvorbehalt, um so auch den Pflichtteilsanspruch des nichtehelichen Abkömmlings ins Leere laufen zu lassen 1 8 . Die Aktualität des Interessenkonflikts verschafft der Problematik des Wertansatzes von Vorbehaltsschenkungen i m Rahmen des § 2325 B G B hohe praktische Relevanz 1 9 . D e m scheint die Tatsache entgegenzustehen, daß bislang keine Gerichtsentscheidung
bekannt geworden ist, die ausführlich zu dem einen oder dem
anderen Problem Stellung bezieht 2 0 . Die praktische Bedeutung der ersten Frage ergibt sich aber daraus, daß i n mehreren Urteilen die Lösung dieses Problems —
Schenkungen
unter
Nießbrauchsvorbehalt
innerhalb
der
Frist
des
§ 2325 Abs. 3 B G B — für die Entscheidung erheblich w a r 2 1 . Die Gerichte waren sich der Problematik jedoch nicht bewußt. Sie haben den Wert des Nießbrauchs v o m Wert des Schenkungsgegenstandes abgezogen, ohne diese Vorgehensweise zu hinterfragen 2 2 . Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des LG Wiesbaden
23
. Aus dessen Sachverhalt ergibt sich, daß der Pflichtteilsberechtigte
schon in seiner Klage einen Abzug für den Wert des Nießbrauchs vorgenommen hatte 2 4 . Dieses Vorgehen w i r d also selbst von den Anwälten der betroffenen Pflichtteilsberechtigten kaum mehr in Frage gestellt 2 5 . Z u m zweiten Problem — 17 Damrau, FamRZ 1969, 130 Fn. 15 spricht von „häufiger" Enterbung; Knur, DB 1969, 206, davon, daß es „der Regel entsprechen wird", daß das nichteheliche Kind auf den Pflichtteil angewiesen ist. 18 Durch die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB soll wenn möglich auch der Pflichtteilsergänzungsanspruch ausgeschaltet werden. Vgl. hierzu Damrau, FamRZ 1969, 131 und BB 1970, 469; Wieser, MittBayNot 1970, 136 und 138 sowie Ebert, 50. Nach Stürner, AcP 173 (1973) 403 f., ist die Schenkung an Minderjährige, gerade die unter Nießbrauchs vorbehält, „kein akademisches Problem", sondern „von großer praktischer Bedeutung". 20 Soweit ersichtlich macht diesbezüglich nur das LG Landau eine Ausnahme, das in seinem Beschluß vom 27. Nov. 1911, SeuffBl Bd. 77, 235 f. = BayZ 1912, 175 f., die Ansicht vertrat, „daß nach richtiger Auslegung des § 2325 Abs. 2 BGB unter dem Werte des verschenkten Gegenstandes zur Zeit der Schenkung im Gegensatze zu dem Werte beim Erbfalle nur der wirkliche Wert ohne Rücksicht auf irgendeinen persönlichen Vorbehalt des Schenkgebers verstanden werden kann." 21 Vgl. etwa BGH, 27. Mai 1981, NJW 1981, 2458 f.; 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274 und 9. Nov. 1983, Ζ 89, 24 ff. mit Anm. Dieckmann, FamRZ 1984, 880 ff. Ebenso etwa das — unveröffentlichte — Urteil des LG Mannheim vom 18. Aug. 1982, AZ: 9-0-14/
82.
22 Vgl. die Urteile des BGH vom 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 283; und vom 9. Nov. 1983, Ζ 89, 24, 33. Ebenso LG Mannheim, a.a.O. 23 LG Wiesbaden, 20. Aug. 1975, FamRZ 1975, 654. 24 Das LG nahm dazu nicht Stellung, weil es die Klage wegen Ablaufs der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB als unbegründet abwies. 25 Auch der Kläger des Rechtsstreits vor dem LG Mannheim, 18. Aug. 1982, A Z 90-14/82, unveröffentlicht, hatte den Wert des Nießbrauchs als „Gegenleistung" abgezogen.
169
§ 6 Relevanz Vorbehaltsschenkungen außerhalb
der Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 B G B
— sind allerdings soweit ersichtlich bis auf eine Ausnahme 2 6 keine Urteile bekannt, bei denen die Lösung dieser Frage entscheidungserheblich war. Die praktische Relevanz beider Probleme zeigt sich indes an dem Stellenwert, den die Kautelarpraxis ihnen einräumt. So w i r d beispielsweise dem Unternehmer m i t Nachdruck empfohlen, er solle zur Vermeidung oder Verringerung von Pflichtteilsansprüchen seinen Betrieb oder Teile davon schon zu Lebzeiten durch Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt auf seinen Nachfolgererben übertragen 2 7 . Aus dem gleichen Grund w i r d auch dem Privatmann geraten, Vermögensgegenstände, beispielsweise Grundstücke, schon durch Rechtsgeschäft inter vivos unter Nießbrauchsvorbehalt zu übertragen 2 8 . Der Bundesgerichtshof
spricht i n diesem
Zusammenhang davon, daß „die Erläuterungsbücher" offen den W e g zeigen, wie ein Erblasser unter Benachteiligung des oder der Pflichtteilsberechtigten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden sein Vermögen am Nachlaß vorbeileiten könne. Dieser W e g würde von den Erblassern auch häufig beschritten 2 9 . Dabei w i r d mit B l i c k auf § 2325 Abs. 3 B G B geraten, die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt so rechtzeitig vorzunehmen, daß noch mehr als 10 Jahre bis zum Erbfall vergehen, w e i l dann die Schenkung v ö l l i g ergänzungsfest sei 3 0 . Die zu erörternden Fragen sind auch deshalb relevant, weil ihre Beantwortung für die Konfliktparteien ganz erhebliche finanzielle Auswirkungen hat. Rechtsstreite u m Regelungen der vorweggenommenen Erbfolge mit Hilfe von Vorbehaltsschenkungen werden i n der Regel u m recht beträchtliche Vermögenswerte geführt 3 1 . Dies folgt daraus, daß Schenkungen unter Nießbrauchs vorbehält meist auf den Rat eines Steuerberaters, Rechtsanwalts oder Notars hin erfolgen. U n d der Rat dieser Fachleute w i r d nur selten von Inhabern kleiner Vermögen beansprucht. Hinzu kommt: Ein Nießbrauchsvorbehalt ist nur sinnvoll, wenn der 26 LG Wiesbaden, 20. Aug. 1975, FamRZ 1975, 654. 27 So etwa von Sudhoff, DB 1961, 1573; 1968, 649 f.; 1971, 226 und Handbuch 16. Stötter, DB 1970, 576, berichtet von der Tendenz der Kautelarjuristen, den OHG-Anteil „wie einen Fideikommiß" am Nachlaß vorbeizusteuern. Nach Olzen, 17 ist die Übertragung von Betrieben und Gesellschaftsanteilen die „eigentliche Domäne" der vorweggenommenen Erbfolge. Vgl. auch Eccher, 19 bei Fn. 11-14 und 35 bei Fn. 105 m.w.N. 28 Sostmann, RhNK 1976, 516 ff. 29 BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98, 226, 233. 30 Vgl. die Ausführungen Sudhoffs, DB 1961, 1573; 1968, 649 f.; 1971, 226 und Handbuch 16. Vgl. auch Eccher, 19 bei Fn. 13, Sostmann, RhNK 1976, 516 ff. und Strobel, 5 bei und in Fn. 2. 31 Zu weitgehend aber Knur, FamRZ 1967, 256, nach dem durch das NEhelG ein „Sonderrecht" für einen kleinen Kreis einkommensstärkerer Personen geschaffen würde. Auch nach Damrau, BB 1970, 467 ist Knur s Ansicht teilweise unzutreffend. Der hier vertretenen Auffassung steht er nahe, wenn er ausführt, „gerade der Unternehmer" sei den Ansprüchen des nichtehelichen Abkömmlings ausgesetzt. Ebenso Ebert, 50, der es für eine Realität hält, daß vermögende Väter nichtehelicher Abkömmlinge diese zugunsten der Familie durch lebzeitige Vermögensübertragungen von einer ins Gewicht fallenden Nachlaßbeteiligung fernhalten wollen.
§ 6 Relevanz
170
Gegenstand nennenswerte Nutzungen abwirft, so daß i n der Praxis ein nicht ganz unbedeutendes Wertpapierdepot oder eine Eigentumswohnung beziehungsweise ein Einfamilienhaus der geringwertigste Gegenstand einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sein dürfte 3 2 . Rechtstatsächlich kommen Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt als M i t t e l für eine vorweggenommene Erbfolge häufig i m landwirtschaftlichen und i m unternehmerischen Bereich v o r 3 3 , betreffen also überdurchschnittlich wertvolle Vermögensgüter. Letztlich ist auch zu bedenken, daß die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ihre Vornahme häufig steuerlichen Gründen verdankt 3 4 . Insbesondere die i n diesem Zusammenhang immer wieder genannte Erbschaftsteuer weist hohe Freibeträge a u f 3 5 . E i n Anreiz, die Erbschaftsteuerpflicht dadurch zu vermeiden oder zu verringern, daß man Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt tätigt, kann also nur bei großen Vermögenswerten vorliegen. Es kann daher auch ohne neue empirische Daten konstatiert werden, daß der Streit, ob der kapitalisierte Wert des vorbehaltenen Nießbrauchs bei Schenkungen innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B v o m Wert des Gegenstandes abzuziehen ist, wenn der Pflichtteilsergänzungsanspruch berechnet wird, i n aller Regel u m ganz erhebliche (Streit-)Werte geführt w i r d 3 6 . Gleiches gilt für den entsprechenden Bewertungsstreit bei Schenkungen außerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB. Däubler
meint demgegenüber zu Unrecht, die These, die Übertragung des
Vermögens schon unter Lebenden finde nur in den begüterten Kreisen statt, lasse sich nur durch umfangreiche empirische Untersuchungen verifizieren 3 7 . Sein Hinweis auf Renner 38
wiegt nicht schwer. Das Zitat stammt aus einem
Werk von 1904 beziehungsweise 1929 3 9 und ist somit ungeeignet, etwas über A r t und Wert des Nachlasses des heutigen Bundesbürgers auszusagen 40 . 32 Ein Sachverhalt wie der, der dem Urteil des RG vom 10. Sept. 1935, Ζ 148, 321 ff. zugrundelag, daß nämlich Eltern ihre Wohnungseinrichtung ihrer minderjährigen Tochter unter Nießbrauchsvorbehalt schenken, dürfte heute wohl nicht mehr vorkommen. 33 Vgl. Pikalo, DNotZ 1971, 389, 399 f. zur Landwirtschaft und Eccher, 35 bei Fn. 105 zum unternehmerischen Bereich. Vgl. auch Olzen, 15 ff. zu beiden Bereichen. 34 Vgl. Weber, ZGR 1972, 28 f. und allgemein zum Nießbrauch Scharff, 1 m.w.N. 35 Nach § 16 ErbStG beträgt der Freibetrag des Ehegatten D M 250 000 , der jedes Abkömmlings D M 90 000 . Hinzu kommt gegebenenfalls noch gemäß § 17 Abs. 1 ErbStG ein besonderer Versorgungsfreibetrag des Ehegatten von bis zu D M 250 000 und gemäß § 17 Abs. 2 ErbStG ein solcher für Kinder von bis zu D M 50 000 je Kind, vgl. näher MünchKomm-Leipold, Einleitung vor §§ 1922 ff. Rdnr. 161 ff. 36 So verlangten die Klägerinnen des Rechtsstreits, der dem Urteil des BGH vom 10. Nov. 1982, Ζ 85,274 vorausging, je D M 110 000 als Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung. Olzen, 71 spricht allgemein davon, daß bei § 2325 BGB „hohe Streitwerte" die Regel sind und daher „beträchtliches Kostenrisiko mit sich bringen". 37 Däubler, ZRP 1975, 144 bei Fn. 87. 38 Renner, 169 führt für den proletarischen Erblasser aus: „Die Konsumhabe ... wird zumeist durch Verfügung unter Lebenden auf die nächste Umgebung übertragen, wenn sie nicht ... längst aufgezehrt ist."
§ 6 Relevanz
171
Abschließend sei noch kurz auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund der Problematik hingewiesen, der gleichfalls ihre Bedeutung unterstreicht. Der Kern des Pflichtteilsrechtes w i r d durch Grundrechte des Pflichtteilsberechtigten, nämlich durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und/oder Art. 6 Abs. 1 G G geschützt 4 1 . A u f der anderen Seite genießt aber auch die Testierfreiheit des Erblassers grundrechtlichen Schutz. Das Grundrecht der Erbrechtsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 G G gewährleistet auch die positive und negative Freiheit des Vererbens, also die Testierfreiheit 4 2 . Somit sind die Rechtspositionen beider Konfliktparteien i n ihrem Kernbereich grundrechtlich absolut geschützt. Jede Entscheidung, die i n ihrem Ergebnis eine materielle Änderung des Umfangs der Testierfreiheit oder des Pflichtteilsrechtes einschließlich des Pflichtteilsergänzungsrechtes bewirkt, führt also zu einer Neubestimmung von Inhalt und Schranken grundrechtlicher Positionen 4 3 . Dies darf nur der Gesetzgeber; der Rechtsanwender ist hier noch stärker als sonst gehalten, dessen W i l l e n zu ermitteln und zu vollziehen. Schöpferische Rechtsfindung und Lückenschließung sind nur mit allergrößter Zurückhaltung anzuwenden, contra legem sind sie v ö l l i g unzulässig 4 4 .
39 Die Ausgabe von 1965 ist eine Neuausgabe des Werkes von 1929 (vgl. die Bibliographie von Renner, S. 289), das seinerseits nur eine Überarbeitung einer Abhandlung aus dem Jahre 1904 darstellt (vgl. das Vorwort Renners, S. 45 ff. und die Bibliographie, S. 287). 40 So schreibt auch Otto Kahn-Freund in seinem Vorwort zur Ausgabe von 1965, Renners Buch sei schon im Jahre 1949 „infolge der Entwicklung der gesellschaftlichen Verhältnisse" teilweise nicht mehr anwendbar gewesen, was 1965 noch mehr gelte. 41 Vgl. oben § 5 bei Fn. 35. 42 So etwa Maunz-Dürig-Papier, Art. 14 Rdnr. 241 und Boehmer in Neumann/ NipperdeylScheuner, 418. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verdrängt insoweit die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG als lex specialis, vgl. Leisner, 50 f. 43 Vgl. den Wortlaut von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. 44 Auch aus diesem Gesichtspunkt ergeben sich Bedenken gegen das schon mehrfach angeführte Urteil des BGH vom 21. Juni 1972, Ζ 59, 210 ff., vgl. oben § 5 Fn. 147 ff.
2. Kapitel
Der ergänzungspflichtige Wert einer weniger als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt § 7 Meinungsstand Betrachtet man die Äußerungen i n Literatur und Rechtsprechung zu der Frage, wie bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, die innerhalb der ZehnJahresfrist des § 2325 Abs. 3 B G B vor dem Erbfall vollzogen wurde, der ergänzungspflichtige Schenkungswert zu ermitteln ist, so drängt sich der Eindruck auf, die Antwort sei noch v ö l l i g offen. Soweit eine Diskussion der differierenden Vorschläge überhaupt stattfindet, erscheint sie ungeordnet und ohne klare Linie. Die fehlende argumentative Durchdringung der Materie zeigt sich an drei U m ständen. Erstens gibt es eine große Zahl unbegründeter, unklarer und mehrdeutiger Aussagen und Stellungnahmen, deren substantiierte K r i t i k nahezu unmöglich ist. Zweitens werden fremde Auffassungen mehrfach zu Unrecht zur Bestätigung der eigenen Auffassung herangezogen. Drittens werden manche Äußerungen gar nicht zur Kenntnis genommen. V o m Ergebnis her lassen sich die Äußerungen des Schrifttums in zwei Hauptgruppen einteilen: Die nach Zahl und Bedeutung ihrer Vertreter stärkere Gruppe gelangt mit differierenden und teilweise sich widersprechenden Begründungen sowie Unterschieden i n Einzelheiten zu dem Ergebnis, daß bei der Ermittlung des ergänzungspflichtigen Wertes der Vorbehaltsschenkung der Wert des Nießbrauchs W N v o m Wert des Gegenstandes W s abgezogen wird, so daß nur der Hüllenwert W H ergänzungspflichtig ist. Sie n i m m t einen für den Pflichtteilsberechtigten ungünstigen Standpunkt ein, bevorzugt also den Erben und den Beschenkten. Demgegenüber lehnt eine Mindermeinung den Abzug des Nießbrauchs ab. Für sie ist der ergänzungspflichtige Wert der Schenkung der Wert des unbelasteten Gegenstandes W s. Sie begünstigt somit den Pflichtteilsberechtigten zu Lasten des Erben oder des Beschenkten. Innerhalb der stärkeren Gruppe ist umstritten, wie der Wert des abzuziehenden Nießbrauchs W N zu berechnen ist. Ganz überwiegend w i r d davon ausgegangen, daß es dabei auf die Lebenserwartung des Schenkers i m Zeitpunkt des Schenkungsvollzugs ankomme. Entscheidend soll also eine ex-ante Betrachtung sein. Vertreten w i r d aber auch, der Berechnung des Nießbrauchswertes die wirkliche
§ 7 Meinungsstand
173
Lebensdauer des Schenkers zugrunde zu legen. Maß geben soll die ex-post Betrachtung. Die Auffassung der Rechtsprechung ist unklar. Es liegt keine obergerichtliche Entscheidung vor, die sich dezidiert zur Problematik äußert. Überwiegend neigen die Gerichte dazu, bei ihren Entscheidungen den Nießbrauchswert W N v o m Sachwert W s abzuziehen. Sie lassen also wie die vorherrschende Meinung i m Schrifttum nur den Hüllenwert W H eine Ergänzungspflicht auslösen. Einzig das LG Landau hat vor fast 80 Jahren die offene Frage detailliert erörtert. Es k o m m t zum gegenteiligen Ergebnis: Ergänzungspflichtig ist der Sachwert W s, der Abzug des Nießbrauchswertes w i r d abgelehnt. Bei der folgenden Darstellung des Meinungsstandes diene zur Verdeutlichung der praktischen Auswirkungen der verschiedenen Lösungsansätze folgender Sachverhalt: Der 1916 geborene, verwitwete Erblasser E schenkt 1966 \ also i m Alter von 50 Jahren, seinem einzigen Sohn S ein m i t einem Geschäftshaus bebautes Grundstück i m Wert von D M 1 000 000 unter dem Vorbehalt seines lebenslangen Nießbrauchs. Der jährliche Nettoertrag des Grundstücks 2 und damit auch des Nießbrauchs beträgt D M 50 000. A stirbt 1971 m i t 55 Jahren. Z u dieser Zeit' hat das Grundstück nur einen Wert von D M 900 0 0 0 3 . Der Nachlaß des E beläuft sich auf D M 1 000 000. S ist sein testamentarischer Alleinerbe. Welche Ansprüche hat die einzige Tochter T 4 ?
1 Der Einfachheit halber soll — wenig realistisch — davon ausgegangen werden, daß die Schenkung, die Auflassung und die Eintragung ins Grundbuch sehr schnell hintereinander und alle im Jahre 1966 erfolgten. 2 Also nach Abzug aller Kosten wie Steuern und andere öffentliche Abgaben, Versicherungen, Instandsetzungsarbeiten und Rücklagen für außergewöhnliche Reparaturen. Nur dieser sogenannte „Reinertrag" ist maßgeblich, vgl. W. Meyer, 328. 3 Vgl. zum Wert eines Grundstücks auch Kraker, BWNotZ 1966, 37 ff., der auf die Unterschiede zwischen Ertrags-, Verkehrs- und Sachwert hinweist (39). Bei einem Landgut ist nach §§ 2312,2049 BGB der Ertrags wert maßgeblich (40), für andere Grundstücke der Verkehrswert (41). In dieser Arbeit ist daher stets der Verkehrswert gemeint, wenn vom „Wert" eines Grundstücks die Rede ist. 4 Zusammenfassend zur Abkürzungsterminologie: Der Wert der verschenkten Sache im Zeitpunkt der Schenkung, im Ausgangsfall also D M 1 000 000, wird mit W sx bezeichnet; der im Zeitpunkt des Erbfalls, im Ausgangsfall also D M 900 000, wird W S2 genannt. Für den Ertrag des Nießbrauchs je Jahr, im Beispiel also D M 50 000, steht E D e r kapitalisierte Wert des Nießbrauchs heißt W N. Der Wert der mit dem Nießbrauch belasteten Sache wird Hüllenwert, abgekürzt W H, genannt. Für W H gilt: W H = W S- W N. Für den gesuchten ergänzungspflichtigen Wert der Schenkung steht Y, für den Betrag, der als Pflichtteilsergänzung verlangt werden kann, steht Z.
174
§ 7 Meinungsstand I . Schrifttum 1. Wert des belasteten Gegenstandes bei der Schenkung oder Wert des unbelasteten Gegenstandes beim Erbfall
Nach Dieckmann 5
soll bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, deren
V o l l z u g innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B erfolgt ist, zur Berechnung des ergänzungspflichtigen Wertes ein Wertvergleich vorgenommen werden. Z u vergleichen seien nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B der Wert des verschenkten Gegenstandes zur Zeit des Erbfalls — da der Nießbrauch zu dieser Zeit bereits erloschen ist, § 1061 B G B , bleibt er v ö l l i g außer Betracht — m i t dem Wert des Gegenstandes zur Zeit der Schenkung abzüglich des Wertes des kapitalisierten Nießbrauchs. Dieckmann
stellt also W S2 und W H (als Differenz aus W S\ und W N)
gegenüber. Für die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs soll dann — daher nennt er seinen Vorschlag „Prinzip des niedrigsten Bemessungsansatzes"
—
nach dem Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B der niedrigere Wert von beiden maßgeblich sein. Diese Lösung führt in der Praxis fast immer dazu, daß für die Pflichtteilsergänzung (nur) der Differenzwert aus dem Wert des Gegenstandes zur Zeit der Schenkung und dem Wert des kapitalisierten Nießbrauchs herangezogen wird. Maßgeblicher Wert ist danach also i n aller Regel W H als Differenz aus W S\ und W Ni der Wert des Nießbrauchs w i r k t somit nahezu stets als Abzugsposten v o m ergänzungspflichtigen Schenkungswert 6 ; nur i m Fall eines extremen Wertverlustes ist W S 2 maßgeblich. „Moderate" Wertverluste des Gegenstandes vermindern den Ergänzungsanspruch also nicht 7 . Dieckmann begründet seine Lösung i n erster Linie m i t der Anwendung des § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B . Zusätzlich erklärt er sie m i t der Grundvorstellung, bei der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt handele es sich u m ein Wagnisgeschäft, wobei die Bestellung des Nießbrauchs die Gegenleistung des Beschenkten sei 8 . D e m Lösungsansatz Dieckmanns folgen Ferid und desiar 9, Sostmann 10 11 und Olzen . 5 Erstmals in Soergel (\0)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 17 a.E.; später wesentlich erweitert und modifiziert in Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19 und Nachtrag § 2325 Rdnr. 19 a.E. 6 So auch Soergel (\\)-Dieckmann, §2325 Rdnr. 19. —Ausnahmsweise wäre bei extremen Wertverlusten des verschenkten Gegenstandes dessen Wert zur Zeit des Erbfalls W S2 maßgeblich, nämlich dann, wenn die Wertverluste den Wert W N des kapitalisierten Nießbrauchs übertreffen. Je geringer W N ist, also je älter der Erblasser bei Schenkungsvollzug war, desto eher tritt dieser Fall ein. 7 Wenn gilt W S2 < W Si und Ws2 > W S\ - W N\ der ergänzungspflichtige Wert ist dann nämlich W Si - W N. β Soergel (U)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19. 9 Staudinger (12)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 75 f. 10 Sostmann, RhNK 1976, 503 bei Fn. 134. Sostmann weist ergänzend darauf hin, daß der ohnehin seltene Fall hoher Wertverluste, die zur Ergänzungspflicht von W S2 führen würden, bei Grundstücksschenkungen nahezu nie vorkommen dürfte.
I. Schrifttum
175
Umstritten ist innerhalb dieser Ansicht lediglich, wie der Wert W Ni der von Wsi abgezogen werden soll, zu berechnen ist. Überwiegend geht man davon aus, daß es bei der Berechnung von W N auf die Lebenserwartung des Schenkers i m Zeitpunkt des Schenkungsvollzugs ankomme 1 2 . Entscheidend sei eine ex-ante Betrachtung. Anhaltspunkte für die Lebenserwartung könnten die Regelung des § 24 Abs. 2 KostO oder die genauere des § 14 Abs. 1 B e w G in Verbindung m i t Anlage 9 zu diesem Gesetz geben 1 3 . Denkbarer Ausgangspunkt sei auch die i m Statistischen Jahrbuch enthaltene Sterbetafel 14 . Der Tatrichter müsse bei der Ermittlung der Lebenserwartung i m Vollzugszeitpunkt alle Besonderheiten des Einzelfalls
und
damit
auch
die
Vorstellungen
der
Vertragsparteien
berücksichtigen 1 5 . Demgegenüber hält es Sostmann für besser, der Berechnung des Nießbrauchswertes die wirkliche Lebensdauer des Schenkers zugrunde zu legen 1 6 . Die Höhe von W N soll also von der tatsächlichen Lebens- und damit Nießbrauchsdauer abhängen. Diese ex-post Betrachtung sei möglich, w e i l der Pflichtteilsergänzungs- wie der Pflichtteilsanspruch nach § 2 3 1 7 Abs. 1 B G B erst mit dem Erbfall entstehe, so daß die tatsächliche Lebensdauer des Schenkers bei seiner Entstehung bereits feststehe. Sie sei auch gerechter, w e i l die Gegenauffassung zu ungerechtfertigten Nachteilen für den Pflichtteilsberechtigten führe, wenn der Schenker unvorhergesehen früh sterbe. 11
Olzen, 80 in Fn. 126. — Dieckmann selbst benennt noch — wenn auch zweifelnd —Johannsen (vgl. Soergel (11 )-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19: „ . . . und wohl auch RGRKJohannsen, Rz 22 a.E.") und ein Urteil des Bundesgerichtshofs (vgl. Dieckmann, Nachtrag § 2325 Rdnr. 19 a.E.: „Der BGH hat damit (zumindest im Ansatz) die in diesem Kommentar vertretene Ansicht bestätigt" zu BGH, 9. Nov. 1983, Ζ 89,24) als Bestätigung seiner Ansicht. Beide Aussagen sind freilich unzutreffend, vgl. dazu unten Fn. 25 und Fn. 57. 12 So Dieckmann, Ferid und desiar, sowie Olzen, jeweils a. a. Ο. Für die Maßgeblichkeit der Lebenserwartung und nicht der tatsächlichen Lebensdauer bei der Ermittlung des Wertes eines Nießbrauchs oder eines Altenteils spricht sich auch der BGH in drei unveröffentlichten Urteilen vom 26. Nov. 1964, I I I ZR 2/63, S. 11, vom 18. März 1964, V ZR 197/61, S. 10 und 11 und vom 8. April 1968, I I I ZR 49/66, S. 13, aus. 13 So Staudinger (\2)-Ferid-deslar, § 2325 Rdnr. 76. Sostmann, RhNK 1976, 503 bei Fn. 129, weist auch auf Kraker, BWNotZ 1966, 42 hin. Kraker stellt fest, daß Gegenleistungen des Erwerbers, die in wiederkehrenden Leistungen bestehen, nach dem BewG zu kapitalisieren sind. Ebenso der BGH, 17. Dez. 1952, Ζ 8, 213, 221 zum Jahresbzw. Kapitalwert eines Altenteils. Damals waren die entsprechenden Vorschriften noch §§16 BewG und 22 KostO. ι 4 Darauf weist Sostmann, RhNK 1976, 503 bei Fn. 133 hin. Entgegen Sostmann erwähnt auch der BGH diese Möglichkeit und zwar in seinem unveröffentlichten Urteil vom 18. März 1964, V ZR 197/61, S. 11. ι 5 Eine solche Besonderheit ist etwa der den Parteien bekannte angegriffene Gesundheitszustand des Nießbrauchers, der eine kürzere als die allgemeine Lebenserwartung wahrscheinlich macht, vgl. BGH, 4. Juli 1975, Ζ 65, 75, 77. Sollen solche Umstände ins Gewicht fallen, werden an ihre Substantiierung sehr hohe Anforderungen gestellt, vgl. die unveröffentlichten BGH-Urteile vom 26. Nov. 1964, I I I ZR 2/63, S. 12 und vom 8. April 1968, I I I ZR 49/66, S. 13 f. 16 Sostmann, RhNK 1976, 503. Der Sache nach ebenso schon Schopp, Rpfleger 1956, 120 f.
§ 7 Meinungsstand
176 Nach der Lösung Dieckmanns
ergibt sich für den Ausgangsfall folgendes Er-
gebnis: Unproblematisch
und daher
im
folgenden
zu vernachlässigen
ist
die
unstreitige 1 7 Tatsache, daß Τ gegen S einen Pflichtteilsanspruch auf Zahlung von D M 250 000 gemäß §§ 2303 Abs. 1, 1924, 1930 B G B hat. Problematisch ist, ob und i n welcher Höhe Τ gegen S auch Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. B G B zustehen. Laut Sachverhalt ist der Wert W S2 des unbelasteten Grundstücks beim Erbfall D M 900 000, während beim Eigentumsübergang 1 8 der Wert W S\ D M 1 000 000 war. V o n W sl ist nun der Wert des kapitalisierten Nießbrauchs W N abzuziehen. Maßgebend ist der ex-ante Wert des Nießbrauchs. Der Ertragswert E N ist D M 50 000 je Jahr. Der Vervielfältigungsfaktor beträgt für den zur Schenkungszeit fünfzigjährigen M a n n E nach der Anlage 9 zu § 14 B e w G 12, 3 8 4 1 9 . Das Produkt hieraus, D M 619 200, ergibt den kapitalisierten Nießbrauchswert W N aus ex-ante Sicht. Die Differenz aus W S\ und W N, der Hüllenwert W H, beläuft sich also auf D M 380 800. Da W S\ abzüglich W N einen geringeren Wert als W S2 hat, ist gemäß § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B D M 380 800 der maßgebliche Wert Y der ergänzungspflichtigen Schenkung. Dieser Wert ist dem Nachlaßwert von D M 1 000 000 nach § 2325 Abs. 1 B G B hinzuzurechnen. Bei einem fiktiven Nachlaßwert von D M 1 380 800 betrüge der Pflichtteil der Τ D M 345 200. Nach § 2325 Abs. 1 B G B kann Τ daher nach Dieckmanns
Lösung
von S die Differenz aus D M 345 200 und D M 250 000, also D M 95 200, als Ergänzung ihres Pflichtteils verlangen. Abstrakt: Y = W H = Wsi - W N {weil (Wsi ~ W N) < Hfe} = D M 1 000 000 - ( D M 50 000 x 12,384) = D M 1 000 000 - D M 619 200 = D M 380 800 Ζ = D M 95 200 Nach der bei der Berechnung von W N abweichenden Ansicht Wöstmanns löst sich der Ausgangsfall wie folgt: W N beträgt nach seiner Lösung D M 250 000 als Produkt aus E N = D M 50 000 und der tatsächlichen Nießbrauchsdauer t von 5 Jahren. Die Differenz aus W S\ und W N beträgt danach D M 750 000. Da dieser Betrag kleiner ist als W S2, könnte 17 Nach einer vereinzelt gebliebenen Äußerung Wackes beträgt der Pflichtteilsanspruch nicht D M 250 000 sondern D M 475 000, vgl. dazu unten Fn. 44 ff. is Für § 2325 Abs. 2 BGB ist der Tag der Eintragung ins Grundbuch der maßgebliche Stichtag der „Zeit der Schenkung", BGH, 4. Juli 1975, Ζ 65, 75. ι 9 Die Anlage 9 zu § 14 BewG gibt bedeutend genauere Vervielfältiger als § 24 Abs. 2 KostO. Da der Ausgangsfall keine Besonderheiten aufweist, die bei der tatrichterlichen Einzelfallwürdigung die Lebenserwartung des E in einem anderen als dem statistischen Licht erscheinen lassen könnten, wird hier und im folgenden bei der Berechnung des ex-ante Wertes des Nießbrauchs der Vervielfältiger aus der Anlage 9 zu § 14 BewG entnommen.
177
I. Schrifttum
Τ von S wegen einer Schenkung i m Wert von D M 750 000 Pflichtteilsergänzung verlangen. Bei einem fiktiven Nachlaß von D M 1 750 000 wäre der Pflichtteil der Τ D M 437 500. Τ kann von S als Ergänzung ihres Pflichtteils die Differenz von D M 437 500 und D M 250 000, also D M 187 500, verlangen. Abstrakt: Y = W H = W sl- W N {weil (W s, - W N) < W 5 2 } = D M 1 000 000 - (DM 50 000 χ t) = D M 1 000 000 - (DM 50 000 x 5) = D M 750 000 Ζ = D M 187 500
2. Wert des Gegenstandes bei der Schenkung abzüglich des Nießbrauchs oder Wert des Gegenstandes beim Erbfall abzüglich des Nießbrauchs Nach Dippel 20
und W. Meyer
21
ist der ergänzungspflichtige Wert Y der niede-
rere Wert aus W S\ - W N und W S2 ~ W N. Ob auch Johannsen
dieser Ansicht ist,
ist unklar. Nach i h m ist bei einer gemischten Schenkung für den Wertansatz bei § 2325 B G B der Kapitalwert der „Gegenleistung" zu berechnen, soweit sie i n der „Einräumung eines Nießbrauchs" besteht 2 2 . Es erscheint zunächst zweifelhaft, ob Johannsen überhaupt zum Problem Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt Stellung n i m m t oder nicht. Es ist durchaus naheliegend, daß Johannsen
bei
seiner Äußerung gar nicht den Fall einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt vor Augen hatte, sondern andere Fallgestaltungen. Darauf deuten Äußerungen Johannsens
zur Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt an anderer Stelle hin,
w o er sie nicht als gemischte Schenkungen
qualifiziert, und ausführt, daß der
vorbehaltene Nießbrauch „ k e i n eigentliches Entgelt" ist, also keine stung,
Gegenlei-
sondern „wirtschaftlich gesehen" aus dem Vermögen des Schenkers
stammt 2 3 . Denkbar wäre daher auch, er meine nur Fälle, in denen der Veräußerer einer Sache X als Entgelt v o m Erwerber den Nießbrauch an der Sache Y erhält. Ist dessen Kapitalwert weniger wert als X , liegt unzweifelhaft eine ungleichwertige Gegenleistung vor. Wenn sich die Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung der Wertdifferenz einig sind, handelt es sich um eine gemischte Schenkung. Gleichwohl w i r d i m folgenden unterstellt, Johannsen
habe seine
Äußerung auch auf Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt bezogen 2 4 . Dann 20 Dippel, 38 und 41. 21 W. Meyer, 328 f. Meyer beruft sich hierzu auf mehrere Urteile des OLG Hamm aus der Zeit von 1911 -1930, die sämtlich unveröffentlicht sind. 22 RGRK-J ohannsen, § 2325 Rdnr. 22 a.E. 23 Vgl. RGRK-J ohannsen, § 2113 Rdnr. 29 f. 24 Hiervon gehen aus: Soergel (M)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19, dessen Zweifel („und wohl auch") sich auf das Wie, nicht auf das Ob einer Stellungnahme Johannsens zu Vorbehaltsschenkungen beziehen. Vgl. auch Olzen, 80 in Fn. 126, der Johannsens Äußerung allerdings druckfehlerhaft als „flGRK-Kregel, § 2325 Rz 22" zitiert. 12 Reiff
§ 7 Meinungsstand
178
führt sein Ansatz aber zu denselben Ergebnissen wie die Vorschläge von Dippel und Meyer. Nach dieser Ansicht soll bei der Berechnung des Wertes der ergänzungspflichtigen Schenkung immer nur der Betrag zu berücksichtigen sein, der sich nach Abzug des Wertes des Nießbrauchs ergibt; auf den Wert des Nießbrauchs können die Pflichtteilsberechtigten also unter keinen Umständen zurückgreifen. Ob der Nießbrauchswert v o m Wert der Sache zur Zeit des Erbfalls W S2 oder von dem zur Zeit der Schenkung W si abgezogen werde, hänge gemäß § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B davon ab, welcher Wert niedriger ist. Anders als nach der Lösung Dieckmanns
wird
hier
also
der
Nießbrauchswert
nicht
aufgrund
von
§ 2325 Abs. 2 B G B i n Abzug gebracht. Diese Vorschrift tritt vielmehr neben den Abzug des Nießbrauchs 2 5 . Über die Berechnung des Wertes des Nießbrauchs herrscht grundsätzlich Einigkeit: Der Nießbrauch sei nach der Lebenserwartung des Schenkers zu kapitalisieren, entscheidend soll also eine ex-ante Betrachtung sein 2 6 . W. Meyer betont hierbei besonders stark das individuelle Element und verschiebt dadurch die Akzente hin zu einer subjektiven Betrachtungsweise. Nach i h m ist W N das Produkt aus jährlichem Reinertrag und der Lebenserwartung, die der Schenker nach der Ansicht der Parteien i m Zeitpunkt der Schenkung hatte. Sie richte sich unter anderem nach Alter, Gesundheitszustand und Lebensweise des Nießbrauchsvorbehaltsschenkers 27 . Meyer betont, daß die steuerrechtlichen Vorschriften etwa des B e w G nur einen ganz groben Anhaltspunkt geben können und der Berechnung keinesfalls einfach zugrunde gelegt werden dürfen 2 8 . 25 So ausdrücklich Dippel, 38. Für Meyers Ansatz folgt dies daraus, daß er nicht § 2325 Abs. 2 BGB als Begründung für den Abzug nennt, für Johannsens Meinung aus seiner Qualifikation des Nießbrauchs als Gegenleistung. Gegenleistungen sind vom niedereren Gegenstands wert abzuziehen, das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Dieckmanns zweifelnde Benennung von Johannsen als Anhänger seiner Lösung („wohl auch") ist also unrichtig; vgl. Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19. 26 Dippel, 38 mit Fn. 4; RGRK-Johannsen, § 2325 Rdnr. 22 a.E.; W. Meyer, 328 f. 27 W. Meyer, 329. 28 W. Meyer, 328. Seine 1935 geäußerten Bedenken gegen die Anwendung des BewG sind heute weitgehend überholt. Denn 1930 lagen dem BewG noch die Sterbetafeln von 1870 zugrunde und laut Meyer hatte sich in diesen sechzig Jahren die Lebenserwartung Neugeborener von 37 auf 57 Jahre um weit mehr als ein Drittel erhöht. Eine auch nur annähernd vergleichbare Veränderung hat es zwischen 1960/62 - die Sterbetafeln dieser Jahre liegen der Anlage 9 des BewG zugrunde — und heute nicht gegeben. So beträgt der Multiplikator nach der Anlage 9 zum BewG für einen 60jährigen Mann 9,705 und für eine gleichaltrige Frau 11,026; die entsprechenden Multiplikatoren nach den Leibrententabellen von Schneider/ Schlundl Haas, 390 und 401, denen die Sterbetafeln von 1970/72 zugrunde liegen, betragen 9,675 und 11,290. Es sind also nur noch ganz geringfügige Veränderungen ohne klare Tendenz — beim Mann nach unten, bei der Frau nach oben — festzustellen; ebenso Rössler/ Troll/Langer, 191. Vgl. hierzu auch BGH, 22. Januar 1986, Ζ 97, 52 ff., 57 f., wonach die Abweichungen zwischen den einzelnen Sterbetafeln so geringfügig sind, daß sie bei der Berechnung des Kapital wertes einer Schadensersatzrente vernachlässigt werden können.
I. Schrifttum
179
Nach diesem Lösungsansatz ergibt sich i m Ausgangsfall folgendes Ergebnis: Der Wert der ergänzungspflichtigen Schenkung ist die Differenz aus WS2 und W N, w e i l W S2 kleiner ist als W sx (§ 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B ) . Y ist somit die Differenz aus D M 900 000 und D M 619 200, also D M 280 8 0 a Dieser Wert ist nach § 2325 Abs. 1 B G B dem Nachlaß hinzuzurechnen. Bei einem Nachlaßwert von D M 1 280 800 beliefe sich der Pflichtteil der Τ auf D M 320 200. Τ kann daher von S Zahlung von D M 70 200 als Ergänzung ihres Pflichtteils verlangen. Abstrakt: Y = W H = W S2- W N (weil W$2 < W S1) = D M 900 000 - ( D M 50 000 x 12,384) = D M 900 000 - D M 619 200 = D M 280 800 Ζ = D M 70 200 Die Begründungen dieser Lösung durch Dippel,
Johannsen
und W. Meyer
differieren erheblich. Sie werden daher getrennt vorgestellt.
a) Der Abzug des Nießbrauchs Dippel
nach § 2311 BGB
begründet den Abzug des Nießbrauchs m i t § 2 3 1 1 B G B 2 9 . Er hat
soweit ersichtlich keine Anhänger gefunden. Dippel verweist auf zwei Kommentarstellen zu § 2311 B G B 3 0 , nach dessen Abs. 1 Satz 1 bei der Berechnung des Pflichtteils Bestand und Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrundezulegen sind. Die angezogenen Kommentarstellen führen aus, daß hierfür Verbindlichkeiten, die auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sind, m i t ihrem Kapitalwert anzusetzen seien. Bei Renten seien versicherungstechnische Grundsätze anzuwenden. Dieser Vorschrift und den Ausführungen über wiederkehrende Leistungsverbindlichkeiten entnimmt Dippel,
daß bei einer Schenkung unter
Nießbrauchsvorbehalt, in concreto bei der formlos möglichen Übertragung von OHG-Anteilen unter Nießbrauchs vorbehält 3 1 , der Nießbrauchs wert W N nicht ergänzungspflichtig ist, sondern nur der Hüllenwert W H. b) Der Abzug des Nießbrauchs Unterstellt man, Johannsen
als
Gegenleistung
äußere sich auch zu Schenkungen unter Nieß-
brauchsvorbehalt, ergibt sich aus seiner Stellungnahme für die Problemlösung 29 Dippel, 38 und 41. 30 Dippel, 38 in Fn. 4 verweist auf Palandt (\912)-Keidel, § 2311 Anm. 3 a.E. (von Palandt-Edenhofer, § 2311 Anm. 2 a a.E. übernommen) und auf Staudinger (11 )-Ferid, §2311 Rdnr. 38 und 51 (ebenso noch Staudinger (12)-Ferid-Cieslar, § 2311 Rdnr. 22 und 63). 31 Vgl. Dippel, 21 bei Fn. 2. 12*
§ 7 Meinungsstand
180
folgende Begründung: Die Einräumung des Nießbrauchs ist eine „Gegenleistung" des Erwerbers der verschenkten Sache. Der Schenker leistet danach zwar den vollen Sachwert W s, der auch den Nutzungswert umfaßt, an den Beschenkten. I m Gegenzug leistet der Erwerber aber dafür den Nießbrauch, also den Wert des Rechtes, die Nutzungen des verschenkten Gegenstandes lebenslang ziehen zu dürfen. Gegenstand der Schenkung ist damit nur W H als Differenz aus W s und W N. Es liegt eine gemischte Schenkung 3 2 vor. Der Wert des kapitalisierten Nießbrauchs muß also abgezogen werden, w e i l nur der Hüllenwert geschenkt ist.
c) Der Abzug des Nießbrauchs
als Wertminderung
der Leistung
W. Meyer m e i n t 3 3 , der Nießbrauch sei v o m Sachwert abzuziehen, w e i l der Beschenkte auf Jahre hinaus die Nutzungen entbehren müsse. Dadurch vermindere sich für ihn nämlich der Wert des verschenkten Gegenstandes auf Dauer. Der Sache nach geht damit auch Meyer davon aus, daß nur der Wert W H geschenkt ist. Der Nießbrauch ist nach i h m aber keine Gegenleistung i n einem Wagnisgeschäft, sondern mindert nur den Wert des Geschenkes.
3. Wert des nießbrauchsfreien Gegenstandes beim Erbfall I m Gegensatz zu den bisher vorgestellten Auffassungen lehnen und Hinke
35
Speckmann 34
bei der Ermittlung des ergänzungspflichtigen Wertes einer Schen-
kung unter Nießbrauchsvorbehalt einen Abzug des Nießbrauchswertes W N v o m Gegenstandswert W s ab. Dies w i r d von ihnen nicht ausdrücklich ausgeführt, ist aber eine zwingende Konsequenz ihrer Ansicht zum Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B . Sie meinen nämlich, daß bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt „die Leistung des verschenkten Gegenstandes" i m Sinne des 32 Für die erforderliche Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung der Differenz aus W s und W N spricht eine tatsächliche Vermutung, da zwischen beiden Leistungen generell ein grobes Mißverhältnis festzustellen ist; zur Vermutung bei grobem Mißverhältnis vgl. BGH, 21. Juni 1972, Ζ 59, 132. — Dies gilt auch, wenn der Kapitalwert des Nießbrauchs im Einzelfall — wegen geringen Alters des Schenkers — sehr hoch ist: Der Nießbrauch an einer Sache ist immer weniger wert als das unbelastete Eigentum an ihr. 33 W. Meyer, 328 f. Meyer beruft sich hierzu auf mehrere Urteile des OLG Hamm aus der Zeit von 1911 -1930, die sämtlich unveröffentlicht sind. 34 Speckmann, NJW 1978, 358 f. Speckmann verlangt für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB neben bestimmten rechtlichen Kriterien auch, daß sich der Schenker endgültig des wirtschaftlichen Wertes des geschenkten Gegenstandes entäußert. Bei Schenkungen unter Nießbrauchs vorbehält sei das erst beim Tod des Schenkers der Fall. 35 Hinke, 55 ff., 57 f., 81 f. Hinke verlangt für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB, daß der verschenkte Gegenstand rechtlich und wirtschaftlich aus dem Vermögen des Erblassers ausgeschieden und in das des Beschenkten übergegangen ist. Bei Schenkungen unter Nießbrauchs vorbehält sei das erst beim Tod des Schenkers der Fall.
I. Schrifttum
181
§ 2325 Abs. 3 B G B erst m i t dem Erbfall erfolgt. Vorher erbringe der Schenker kein nennenswertes Vermögensopfer. Das bedeutet indes, daß auch die „Zeit der Schenkung" i m Sinn des § 2325 Abs. 2 B G B m i t dem Erbfall zusammenfällt. Die Begriffe der „Zeit der Schenkung" und der „Leistung des verschenkten Gegenstandes" sind nämlich inhaltsgleich 3 6 . Nach Speckmann und Hinke ist also bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt für die Ermittlung des ergänzungspflichtigen Wertes einzig und allein auf die Verhältnisse i m Zeitpunkt des Erbfalles abzustellen 3 7 . W S\ scheidet also von vornherein aus. M i t dem Erbfall erlischt der Nießbrauch des Schenkers gemäß § 1061 B G B . I m Vermögen des Beschenkten befindet sich der unbelastete Schenkungsgegenstand. Für einen Abzug von W N fehlt also jede Rechtfertigung, so daß als ergänzungspflichtiger Wert nur W s2 in Betracht k o m m t 3 8 . Die Auffassung von Hinke und Speckmann teilen auch von Koch 39 ter 40.
und Reu-
Sie konstatieren, die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B beginne erst, sobald
auch der Nutzen des Gegenstandes auf den Erwerber übergegangen sei oder sobald der Veräußerer die Nutzungsmöglichkeiten aufgegeben habe. Bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt geschieht dies erst beim T o d des Schenkers. Dann ist aber auch die „ Z e i t der Schenkung" nach Absatz 2 erst der Erbfall. Maßgeblich kann also allein W S 2 sein. U n d zu diesem Zeitpunkt ist der Nießbrauch bereits erloschen, so daß W N nicht abgezogen werden kann. 36 So ausdrücklich Hinke, 82. Der BGH hatte diese Frage zunächst ausdrücklich offengelassen, 4. Juli 1975, Ζ 65, 75, 76 mit in diesem Punkt unklarer Anm. von von Löbbecke, NJW 1975, 2293. Aus den Urteilsgründen ergibt sich aber mit Sicherheit, daß der Zeitpunkt des § 2325 Abs. 2 BGB jedenfalls nicht vor dem des § 2325 Abs. 3 BGB liegt. Denn während für Abs. 2 bei der Schenkung eines Grundstücks der Zeitpunkt des Eigentumserwerbs, also der der Eintragung ins Grundbuch, entscheidend ist, ist es für Abs. 3 frühestens der der Auflassung, möglicherweise aber auch ein späterer. Ebenso Johannsen in seiner Anm. zu diesem Urteil, L M Nr. 12/13 zu § 2325 BGB, wonach es sich nicht rechtfertigen läßt, für Abs. 2 einen früheren Zeitpunkt als den des Eigentumsübergangs maßgeblich sein zu lassen (unter I. a.E.). Und der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs ist der späteste, der für Abs. 3 diskutiert wird, vgl. Paulus, Rpfleger 1986, 206 ff. m.w.N. und oben § 5 I I 4c). Wenn man also mit Speckmann und Hinke der Auffassung ist, daß der Zeitpunkt des § 2325 Abs. 3 BGB bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt mit dem Erbfall zusammenfällt, muß er auch mit dem Zeitpunkt von § 2325 Abs. 2 BGB identisch sein. Denn die „Zeit der Schenkung" kann nicht vor dem Erbfall liegen, weil sie nach dem soeben Gesagten nicht vor dem Zeitpunkt des § 2325 Abs. 3 BGB liegen darf. Und nach dem Erbfall kann dieser Zeitpunkt schon nach dem Wortlaut des § 2325 Abs. 2 BGB nicht liegen („hatte er zur Zeit der Schenkung). — Mittlerweile stellt auch der BGH für § 2325 Abs. 2 und Abs. 3 BGB auf den gleichen Stichtag ab, 2. Dez. 1987, NJW 1988, 821. 37 Eine weitere Folge der Lösung Speckmanns und Hinkes besteht darin, daß es nach ihr ein Problem 2 als eigenständiges Problem nicht gibt. Wenn die Leistung erst beim Erbfall erfolgt, kann sie nie mehr als 10 Jahre vor diesem Termin liegen. Beide Probleme fallen daher bei dieser Lösung zusammen und reduzieren sich auf ein Problem. 38 Vgl. auch Soergel (11 )-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19, nach dem sich „die Rückverlegung des Fristenlaufes" durch Speckmann auch in der Wertberechnung auswirken muß. 3 9 Von Koch, MittBayNot 1975, 122, 123. 40 Reuter, JuS 1971, 289, 292 f.
182
§ 7 Meinungsstand
Andere Autoren, die allgemein zum Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B die Auffassung vertreten, die „Leistung des verschenkten Gegenstandes" erfordere eine „wirtschaftliche Einbuße" des Schenkers 4 1 , sind nicht (notwendig) der Meinung von Speckmann und Hinke, daß bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt immer WS2 ohne Abzug des Nießbrauchs ergänzungspflichtig ist. A u c h bei einer wirtschaftlichen Betrachtung erleidet der Schenker nämlich schon beim V o l l z u g einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt eine „ E i n b u ß e " 4 2 und w i r d der verschenkte Gegenstand teilweise aus seinem Vermögen ausgegliedert 43 . Nach diesem Lösungsansatz ergibt sich für den Ausgangsfall: Maß gibt der Zeitpunkt des Erbfalls; W S2 beträgt D M 900 000. E i n Abzug von W N erfolgt nicht. Der Wert von D M 900 000 ist also dem Nachlaßwert von D M 1 000 000 nach § 2325 Abs. 1 B G B hinzuzurechnen. I n diesem fiktiven Fall beliefe sich der Pflichtteil der Τ auf D M 475 000. Nach § 2325 Abs. 1 B G B kann Τ also von S als Pflichtteilsergänzung wegen einer Schenkung i m Wert von D M 900 000 den Betrag von D M 225 000 verlangen. Abstrakt: Y = W S2 (weil W Si ebenso unbeachtlich wie W N) = D M 900 000 Ζ = D M 225 000 4. Keine Pflichtteilsergänzung, sondern „großer Pflichtteil" V ö l l i g abweichend von allen anderen Vorschlägen ist der Ansatz von Wacke. Er stuft Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt pauschal als „ i n besonderem Maße unseriös" ein, w e i l das wirtschaftliche Opfer nicht der Schenker, sondern erst sein Erbe erbringe. Er qualifiziert sie daher als nicht vollzogene Schenkungen von Todes wegen 4 4 . Er unterstellt also Schenkungen unter Nießbrauchs vorbehält,
Dieser Auffassung ist die wohl noch h. M. im Schrifttum, die aber nach der Rechtsprechungsänderung des BGH in Bedrängnis geraten wird, vgl. oben § 5 I I 4 c) und Paulus, Rpfleger 1986, 206. 42 Die Einbuße läßt sich auch wertmäßig bestimmen. Die sofortige Einbuße ist W H> die Differenz aus W S\ und W N. Im Ausgangsfall beträgt sie also D M 380 800. Vgl. hierzu auch BGH, 5. Juli 1972, Ζ 59, 343, 347. Dort heißt es, daß selbst „eine wirtschaftliche Betrachtung nicht daran vorbeikommt, daß der Erblasser auch bei Vorbehalt von Sicherungs- und Nutzungsrechten den Vermögensgegenstand schon vor seinem Tode weggegeben und damit ein Vermögensopfer erbracht hat". — Zu bedenken ist weiter, daß die Einbuße des Schenkers noch während er lebt immer größer wird. Der Wert seines Nießbrauchs nimmt mit der Zeit mehr und mehr ab, weil seine Lebenserwartung mit steigendem Alter zurückgeht. Im gleichen Maße nimmt aber der Wert des belasteten Gegenstandes zu; BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 286. 43 Der Schenker darf als Nießbraucher die Sache zwar noch nutzen, aber als Nichteigentümer kann er sie weder veräußern noch belasten, noch darf er sie nach § 1037 BGB umgestalten oder wesentlich verändern. 44 Wacke, 85 f.
I. Schrifttum
183
die sachenrechtlich schon vollzogen wurden, dem § 2301 Abs. 1 B G B . Dies hat nicht nur zur Folge, daß solche Schenkungen „zumindest der Bestätigung durch Testament bedürfen" 4 5 . Vielmehr finden nach § 2301 Abs. 1 Satz 1 B G B dann auf Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt „die Vorschriften über Verfügungen von Todes wegen Anwendung". Dies hat zur Folge, daß Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt nach Wacke gar keine Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 ff. B G B auslösen können 4 6 . Dies ist für den Pflichtteilsberechtigten allerdings kein Nachteil. Er ist durch seine regulären Pflichtteilsansprüche geschützt. Entweder wahrt die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ausnahmsweise die Form der Verfügung von Todes wegen 4 7 . Dann geht sie gleichwohl als Vermächtnis 4 8 i m Range dem Pflichtteilsrecht nach, kann dieses also nicht schmälern 4 9 . Oder die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt wahrt — wie i n der Regel — die Form der Verfügung von Todes wegen nicht. Dann ist sie v ö l l i g unwirksam und kann daher den Pflichtteilsanspruch nicht beeinträchtigen. Die Ansicht von Wacke bedeutet für die Lösung des Ausgangsfalles, daß Τ keine Ansprüche aus §§ 2325 ff. B G B gegen S hat. Ihr Pflichtteilsanspruch beläuft sich aber i m Gegensatz zu allen anderen Vorschlägen nach ihr nicht auf D M 250 000, sondern auf D M 475 000. Unabhängig davon, ob das Schenkungsversprechen die Form einer Verfügung von Todes wegen wahrt oder n i c h t 5 0 , gehört das Grundstück jedenfalls i m Verhältnis Erbe — Pflichtteilsberechtigter zum Nachlaß. Der Nachlaß hatte also zur Zeit des Erbfalls ( § 2 3 1 1 B G B ) den Wert von D M 1 900 000. Nach §§ 2303 Abs. 1,1924,1930 B G B kann Τ demnach von S die Hälfte des Wertes ihres gesetzlichen Erbteils, also ein Viertel des Nachlaßwertes und damit D M 475 000 als Pflichtteil verlangen. I m Ergebnis besteht also zwischen der Ansicht Wackes und der Speckmanns und anderer 5 1 , wenn man nur auf den Geldwert der Ansprüche der Τ sieht, kein Unterschied.
45 So Wacke, 86. 46 Vgl. oben § 5 in Fn. 146. 47 Dabei ist streitig, ob nur die Aufrechterhaltung als Erbvertrag zulässig ist (Staudinger (12)-Kanzleiter, § 2301 Rdnr. 3 und 4) oder auch jede zulässige Form eines Testaments für die Schenkung von Todes wegen ausreicht (MünchKomm-Musielak, § 2301 Rdnr. 13 a.E.; jeweils m.w.N. auch auf die Gegenmeinung). Vgl. auch Lange/Kuchinke, § 31 I I 1 a Fn. 46 und 47 mit Beispielen. 48 Nach Lange/Kuchinke, § 31 I 6 c, liegt das Schwergewicht von Schenkungen von Todes wegen wegen §§310 und 925 Abs. 2 BGB auf der Einzelzuwendung beweglicher Sachen und Forderungen; sie seien daher das Gegenstück zum Vermächtnis, nicht zur Erbeinsetzung (Hervorhebungen vom Verf.). 4 9 Vgl. oben § 5 in Fn. 146. so Das hängt auch von dem soeben erwähnten Streit ab (Fn. 47). Da aber eine Grundstücksschenkung vorliegt, kann auch nach der engeren Meinung die Form gewahrt sein, weil notarielle Beurkundung vorliegt. Vgl. Lange /Kuchinke, § 31 I I 1 a Fn. 46. 5i Vgl. oben bei Fn. 34 ff. Nach dieser Ansicht hat Τ Ansprüche auf Zahlung von D M 250 000 und D M 225 000 gegen S.
184
§ 7 Meinungsstand I I . Rechtsprechung 1. Bundesgerichtshof: Abzug des Nießbrauchs neben § 2325 Abs. 2 BGB
I n drei neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs,
die alle Ansprüche
nach §§ 2325 ff. B G B wegen Schenkungen betrafen, war die Beantwortung der Frage, wie sich bei Vorbehaltsschenkungen der Wert des Nießbrauchs auf die Ergänzungspflicht auswirke, entscheidungserheblich 52 . I n einer dieser Entscheidungen geht der Bundesgerichtshof
jedoch in den Gründen auf die Tatsache des
Nießbrauchsvorbehalts überhaupt nicht e i n 5 3 . I n den beiden anderen Urteilen problematisiert der Bundesgerichtshof
nicht weiter, daß es sich bei den Schenkun-
gen, deretwegen Pflichtteilsergänzungsansprüche erhoben wurden, u m Vorbehaltsschenkungen handelte. Er bezieht auch keine Stellung zu den i n der Literatur vertretenen Meinungen zu diesem Problem. Vielmehr spricht er sich beiläufig, ohne dies irgendwie zu begründen, w o h l dafür aus, daß bei der Ermittlung des Wertes Y der ergänzungspflichtigen Schenkung der Wert des Nießbrauchs W N v o m Wert des verschenkten Gegenstandes W s abzuziehen sei 5 4 . M i t letzter Sicherheit kann diese Frage nicht beantwortet werden. Die klarere Äußerung betraf nämlich eine gemischte Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt, bei der der vorbehaltene Nießbrauch der Äquivalenzvereinbarung zugrunde lag, also den Wert des Schenkungsgegenstandes berührte 5 5 . U n d die Aussage zur Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, der vorbehaltene Nießbrauch sei „ z u berücksichtigen" 5 6 , ist vielsagend. Unterstellt, der Bundesgerichtshof
tritt für den Abzug des Nießbrauchswertes
ein, kann seinen Formulierungen jedenfalls entnommen werden, daß er ihn nicht auf § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B stützt 5 7 , so daß ein möglicher Wertverlust des 52 BGH, 27. Mai 1981, NJW 1981,2458 f.: Schenkung unter Auflage mit Nießbrauchsvorbehalt; 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274 ff.: Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt; 9. Nov. 1983, Ζ 89, 24 ff.: gemischte Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt. 53 BGH, 27. Mai 1981, a.a.O. 54 Undeutlich in BGH, Ζ 85, 283: „Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, daß der Erblasser sich den Nießbrauch vorbehalten hatte", deutlich in BGH, Ζ 89,33: „vermindert um den Wert des Nießbrauchs". — Die Beiläufigkeit mag auch darin begründet liegen, daß häufig selbst die klagenden Pflichtteilsberechtigten schon den Wert des kapitalisierten Nießbrauchs vom Wert des Gegenstandes abziehen, § 308 ZPO. Vgl. zum Phänomen des „Nicht-in-Frage-Stellens" durch die Pflichtteilsberechtigten oben § 6 bei Fn. 23 ff. 55 BGH, 9. Nov. 1983, Ζ 89, 24 ff. Zur gemischten Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt vgl. oben § 2 I V 3 b) und unten § 10 IV. 56 BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 283. Vgl. aber auch BGH, 13. März 1952, I V ZR 101/ 51, S. 6 (unveröffentlicht), wo er zu einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ausführt, es liege bei „wirtschaftlicher Betrachtungsweise" ein „voll unentgeltlicher Erwerb" vor (zu § 2113 BGB, nicht zu § 2325 BGB) . 57 So aber Dieckmann in Soergel{ 11), § 2325 Rdnr. 19. Daher ist seine Beurteilung dieser Entscheidung als Bestätigung der eigenen Auffassung (Soergel( 11), Nachtrag § 2325 Rdnr. 19 a.E., vgl. auch ders., FamRZ 1984, 882) fraglich.
185
II. Rechtsprechung Gegenstandes zwischen Schenkungsvollzug und Erbfall zusätzlich
zum Abzug
des Nießbrauchswertes W N über § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B erfaßt wird. Zwar ist die Formulierung i m ersten Urteil auch insoweit noch relativ u n k l a r 5 8 . Nach ihr läßt sich nicht v ö l l i g ausschließen, daß der Abzug des Nießbrauchswertes im Rahmen des Niederstwertprinzip, also der Anwendung des § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B , erfolgen soll. Das zweite Urteil läßt aber klar erkennen, daß die Anwendung des § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B neben den Abzug des Nießbrauchswertes treten s o l l 5 9 . Das Vorgehen des Bundesgerichtshofs
gleicht damit i m
Ergebnis den Vorschlägen Johannsens y Dippels und Meyers. A u c h der Bundesgerichtshof
vertritt nämlich die Auffassung, der Wert des Nießbrauchs sei aus ex-
ante Sicht, also abhängig von der Lebenserwartung des Vorbehaltsschenkers zu kapitalisieren 6 0 . Nach dem Bundesgerichtshof
g ilt also für den Ausgangsfall: Der Grundstücks-
wert ist beim Erbfall geringer als bei der Schenkung, also ist der Wert W S2 nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B maßgeblich. V o n den D M 900 000 ist der Nießbrauchswert W N abzuziehen. Aus ex-ante Sicht beträgt W /y als Produkt aus E^ und dem Vervielfältiger gemäß Anlage 9 zu § 14 B e w G D M 619 200. Y beläuft sich daher auf D M 280 800. Nach § 2325 Abs. 1 B G B ist daher eine Schenkung i m Wert von D M 280 800 zum Nachlaß hinzuzurechnen. Bei diesem fiktiven Nachlaß betrüge der Pflichtteil der Τ D M 320 000. Τ kann daher von S nach § 2325 Abs. 1 B G B Zahlung von D M 70 200 verlangen. Abstrakt: Y =W H = W S2- W N (weil W 5 2 < Wsi) = D M 900 000 - D M 619 200 = D M 280 800 Ζ = D M 70 200
58 Vgl. BGH, Ζ 85, 283: „Maßgebend ist der nach dem Niederstwertprinzip ermittelte Wert. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, daß sich der Erblasser den Nießbrauch vorbehalten hatte." 59 Vgl. BGH, Ζ 89,33: „Bei der gemischten Schenkung ist der nach dem Niederstwertprinzip (§ 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB) zu ermittelnde Überschuß des Wertes der Sache (vermindert um den Wert des Nießbrauchs) über den Wert der Gegenleistung maßgeblich". Das LG Mannheim zog in seinem unveröffentlichten Urteil vom 18. August 1982, AZ: 9-0-14/82, ebenfalls den Wert des Nießbrauchs vom niedereren Wert der Sache (dort der zur Schenkungszeit) ab. 60 Für die Maßgeblichkeit der Lebenserwartung und nicht der tatsächlichen Lebensdauer bei der Ermittlung des Wertes eines Nießbrauchs oder eines Altenteils spricht sich der BGH in drei unveröffentlichten Urteilen vom 26. Nov. 1964, I I I ZR 2/63, S. 11, vom 18. März 1964, V ZR 197/61, S. 10 und 11 und vom 8. April 1968, I I I ZR 49/66, S. 13, aus. — Zweifel daran, ob der BGH insoweit festgelegt sei, äußert Dieckmann, FamRZ 1984, 882.
§ 7 Meinungsstand
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2. L G Landau: Kein Abzug des Nießbrauchs neben § 2325 Abs. 2 BGB Das LG Landau
vertrat bei einer unentgeltlichen Übereignung eines Wohn-
hausgrundstückes unter dem Vorbehalt des lebenslänglichen Wohnungsrechtes, also i n einem der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt fast gleichen Fall, die Auffassung, daß beim nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B erforderlichen Vergleich der Werte des Gegenstandes zur Zeit der Schenkung und zur Zeit des Erbfalls der Wert zur Zeit der Schenkung nicht der Sachwert abzüglich des Wertes des Wohnrechtes sei, sondern „der objektive wahre Wert ohne Rücksicht auf irgendeinen persönlichen Vorbehalt des Schenkers" 6 1 . Das LG Landau vergleicht also W Si und W S2. Das Landgericht lehnt den Abzug des Weites W N v o m Wert W S\ beim Wertvergleich mit W S2 deshalb ab, w e i l es anderenfalls für den Schenker ein leichtes wäre, durch Vorbehalte aller A r t den Pflichtteilsberechtigten direkt „kalt zu stellen". Nach der Ansicht des LG Landau hat der Pflichtteilsberechtigte das Recht, so gestellt zu werden, wie er ohne die Schenkung stünde 6 2 . Damit ist nur eine Lösung vereinbar, nach der Y als Wert der zur Ergänzung verpflichtenden Schenkung stets W S\ oder W S2 ist. Für einen wie auch immer begründeten Abzug des Wertes W N kann bei diesem Ansatz kein Raum sein. Der Ausgangsfall löst sich nach den Ansatz des LG Landau wie f o l g t 6 3 : W Si ist größer als W S2, also ist nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B W S2 maßgeblich. E i n Abzug des Nießbrauchswertes W N erfolgt nicht. Y ist also D M 900 000. Bei einem fiktiven Nachlaß von D M 1 900 000 hätte Τ gegen S einen Pflichtteilsanspruch von D M 475 000. Sie kann daher von S Zahlung von D M 225 000 zur Ergänzung ihres Pflichtteiles nach § 2325 B G B verlangen. Abstrakt: Y = W S 2 (weil WS2 < Wsi) = D M 900 000 Ζ = D M 225 000
I I I . Zusammenfassung Ordnet man die verschiedenen vorgeschlagenen Lösungen nach ihren praktischen Auswirkungen, so erkennt man drei erheblich differierende Konzepte. Das 61 LG Landau, 27. Nov. 1911, SeuffBl. Bd. 77, 235 f. = BayZ 1912, 175 f. 62 Den Grundsatz, nach dem die ganze Schenkung hypothetisch zu eliminieren sei und diese Lage des Pflichtteilsberechtigten als Maßstab für dessen Ansprüche aus §§ 2325 ff. BGB zu gelten habe, hatten auch die Gesetzesverfasser vor Augen, vgl. Motive bei Mugdan , V 240 = Motive , V 451 a.E. 63 Nach dem LG Landau ist anders als nach Speckmann W Si oder W S2 maßgeblich, nicht immer W S2. Dieser Unterschied kommt aber bei der Lösung des Ausgangsfalls nicht zum Ausdruck, weil dort der Wert zwischen Erbfall und Vollzug fällt, so daß nach beiden Ansätzen W s2 maßgeblich ist.
§ 8 Rechtsvergleichung
187
erste von Johannsen, Dippel und Meyer vertretene, dem auch der Bundesgerichtshof i m Ergebnis f o l g t 6 4 , begünstigt zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten eindeutig den ergänzungspflichtigen Erben 6 5 . Es führt nämlich immer zu einem Abzug des kapitalisierten Nießbrauchswertes W N vom S a c h w e r t . O b W N von W S1 oder WS2 abzuziehen ist, hängt davon ab, welcher Wert niedriger ist. Das zweite Konzept, das von Dieckmann
begründet w u r d e 6 6 , ist für den Pflichtteilsberechtig-
ten trotz des regelmäßigen Nießbrauchsabzugs etwas günstiger, w e i l sich Wertverluste zwischen Schenkung und Erbfall nicht anspruchsmindernd auswirken. Das dritte Konzept ist für den Pflichtteilsberechtigten am günstigsten. Es w i r d von Speckmann 67
mit einer Rückverlegung des Fristenlaufs begründet, v o m LG
Landau m i t einer spezifisch pflichtteilsergänzungsrechtlichen Argumentation 6 8 . Nach diesem Konzept ist der kapitalisierte Nießbrauch W N kein Abzugsposten bei der Berechnung des Wertes der ergänzungspflichtigen Schenkung. Der Wert Y der zur Ergänzung verpflichtenden Schenkung ist entweder W S269, der niedrigere Wert aus W S\ und W s210.
oder er ist
Wertmäßig zum gleichen Ergebnis wie
das dritte Konzept k o m m t die Lösung Wacke s71, die daher nur als Abwandlung erwähnt werden soll. Danach begründen vollzogene Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt keine Ansprüche nach den §§ 2325 ff. B G B . Der Pflichtteilsanspruch aus § 2303 B G B ist jedoch aus dem u m den Wert des verschenkten Gegenstandes beim Erbfall vergrößerten Nachlaß zu berechnen.
§ 8 Rechtsvergleichung W i e das B G B kennen nahezu alle Rechtsordnungen ein Pflichtteilsrecht i m weiteren S i n n l . Sie alle beantworten die Frage, ob und wie der dem Pflichtteilsberechtigten gewährte A n t e i l am Nachlaß beziehungsweise an dessen Wert vor 64
Vgl. dazu oben unter I 2 und I I 1. 65 Im Fall des § 2329 BGB den ergänzungspflichtigen Beschenkten. 66 Vgl. dazu oben unter I 1. 67 Vgl. oben unter I 3. 68 Vgl. oben unter I I 2. 69 Nach Speckmann u.a., vgl. oben I 3. 70 Nach dem LG Landau, oben I I 2. 71 Vgl. dazu oben unter I 4. ι Vgl. die rechtsvergleichenden Überblicke bei Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, Einl. zu §§ 2303 ff. Rdnr. 194-203; bei Kipp/Coing, § 8 I I I (knapper) und Staudinger (11)Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., § 14 Rdnr. 27 ff., § 15 (teilweise veraltet). Nach Neumayer, FS Ferid 665, besteht mit Ausnahme „der Länder mit den Traditionen des Common Law, in Quebec, Mexiko (unter Einschluß anderer mittelamerikanischer Staaten) und Südafrika" überall ein Pflichtteilsrecht. Zur allmählichen Entwicklung des englischen Rechts hin zu einem unterhaltsrechtlich orientierten Noterbrecht von Kindern und Ehegatten, vgl. Siehr, FamRZ 1972, 424 ff. und Hanisch, Mélanges Guy Flattet
188
§ 8 Rechtsvergleichung
freigebigen Rechtsgeschäften des Erblassers unter Lebenden zu schützen ist. Fast alle von ihnen sehen bei Schenkungen irgendeinen Schutz v o r 2 . Wenngleich für die vorliegende Arbeit nur ein B l i c k auf die Lösung einer ganz bestimmten, eng begrenzten Sachfrage geworfen werden muß, ist, auch wenn man hier von „ M i k r o v e r g l e i c h u n g " 3 spricht, nicht etwa nur eine einzelne positive N o r m zu betrachten, sondern die ganze A r t und Weise, wie die zu vergleichenden Rechtsordnungen das „Lebensverhältnis mit seinen innewohnenden Interessengegensätzen" regeln 4 . Der Vergleich des Schutzes des Noterbrechts gegen Schenkungen des späteren Erblassers erfordert demgemäß eine Betrachtung des gesamten Pflichtteilsrechtes der betreffenden Rechtsordnungen. Die sehr große Zahl von Rechten, die für einen Vergleich herangezogen werden könnten, müssen auf einige wenige reduziert werden. Z u viele Vergleichsrechte sprengten den Rahmen der Untersuchung. Die Einbeziehung des französischen Rechtes ist zwingend. Die Regelung des Code c i v i l 5 übte für einen ganzen Rechtskreis Vorbildfunktion aus 6 . Gerade bei dem „statischen Rechtsgebiet" 7 Erbrecht ist damit gewährleistet, daß die Aussagen für Frankreich auch für die meisten Tochterrechte Geltung beanspruchen können 8 . Die Motive belegen, daß der Code c i v i l als ein i n Deutschland geltendes
478 f. — In den USA gibt es nur in Louisiana und Puerto Rico ein Pflichtteilsrecht der Verwandten, Rheinstein in Rheinstein u.a., 11. — Zum Pflichtteilsrecht in den sozialistischen Ländern vgl. Knapp in Rheinstein u.a., 22 ff.; zu ihrem ideologischen „Dilemma" ders., a.a.O., 24 ff. 2 Orth, 1 stellte 1927 fest, daß „alle fortgeschrittenen Rechte", die ein Pflichterbrecht kennen, als „praktischen Kern" auch ein Institut zum Schutz gegen Schenkungen des Erblassers aufweisen. — Dies liegt daran, daß ohne eine solche systemwidrige Regelung der Pflichtteil materiell leer liefe, vgl. oben § 5 II. 2. — Zur Rechtslage in Schweden und Finnland vgl. Sundberg in Rheinstein u.a., 45: „For computation purposes, however, some advancements and gifts by the deceased will also be taken into consideration. As a result, it may happen that the net estate will not be sufficient to cover all the legal portions. ... Those who have received an advancement or gift may be liable to meet the deficit in the share of the protected heir from the value of the property received." (Hervorhebung vom Verf.) — Zur Ausnahme des ZGB der DDR, das kein Pflichtteilsergänzungsrecht kennt, vgl. Mampel, NJW 1976, 599 und Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, Einl. zu §§ 2303 ff. Rdnr. 15 a.E. 3 ZweigertlKötz, 5. 4 Gamillscheg, RdA 1987, 31. 5 Auch deutsche Gerichte haben den Code civil angewandt, der in Baden und dem linksrheinischen Rheinland bis 1900 galt. Die Fortbildung des französischen Rechts in Deutschland wurde vom 2. Zivilsenat des Reichsgerichts übernommen, dessen Entscheidungen bis zum 60. Band der Entscheidungen in Zivilsachen unter „Rheinisches Recht" zusammengestellt wurden; Boehmer, AcP 151 (1950/51) 289,299,303. Beim Schrifttum zum Code civil ist auch an deutsche Literatur zu denken. Boehmer, AcP 151 (1950/51) 289, 301 ff. weist besonders auf das Werk von Zachariä hin, das zwischen 1808 und 1894 in acht Auflagen erschien und auch ins Französische übersetzt wurde. 6 Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, Einl. zu §§ 2303 ff. Rdnr. 198 und Rie g in Rheinstein u.a., 85 f. und 90 (Mit Hinweis auf die Niederlande, Belgien, Italien, Spanien). 7 Leipold, AcP 180 (1980) 211.
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Partikularrecht bei der Schaffung der §§ 2325 ff. B G B weitgehend zum V o r b i l d genommen wurde, obwohl man sich der grundsätzlich anderen Konzeption der französischen réserve gegenüber dem deutschen Pflichtteil durchaus bewußt war9. A u c h das Schweizer Recht ist vergleichend zu betrachten. Der Redaktor der Ersten Kommission, von Schmitt, hatte bei der Erstellung seines Vorentwurfs ein besonderes Augenmerk auf die damals geltenden Schweizer Partikularrecht e 1 0 . Eugen Huber,
der „unbestrittene geistige Lenker" bei der Schaffung des
am 1. Januar 1912 i n Kraft getretenen Schweizer Zivilgesetzbuchs 1 1 , hat sie i n seinem Werk „System und Geschichte des Schweizerischen Privatrechts" zusammenfassend und vergleichend dargestellt 1 2 . Die teilweise divergierenden Wertungen einerseits der v o m Code c i v i l beeinflußten Rechte der französischen Kantone, andererseits der auf alten deutschrechtlichen Vorstellungen beruhenden Rechte deutscher Kantone sind ins Z G B eingeflossen und dort eine eigenständige Symbiose eingegangen 1 3 . Einzubeziehen ist schließlich auch das österreichische A B G B . Seine Regelung wurde von den Verfassern des B G B als deutsches Partikularrecht ebenfalls stets herangezogen 14 . Die Pflichtteilsrechte von B G B und A B G B sind zudem sehr ähnlich ausgestaltet 15 . Bei der 1916 erfolgten Änderung der § § 7 8 5 und 951 A B G B , durch die erst ein wirksamer Schutz der Pflichtteilsberechtigten gegen Schenkungen des Erblassers erreicht w u r d e 1 6 , war die Regelung der §§ 2325 ff. B G B ihrerseits
richtungsweisendes
Vorbild17.
Bereits vorliegende Monographien, die diese Rechtsordnungen insgesamt vergleichen, machen diesen U m b l i c k nicht entbehrlich. Gmür, der das Z G B der Schweiz mit dem B G B vergleicht, behandelt das Pflichtteilsrecht auf nur einer Seite 1 8 . Die Bestimmungen zum Schutz des Pflichtteils erwähnt er n i c h t 1 9 . Das 8 Auch wenn sei 1960 eine „weltweite Welle der Reformen" beim Pflichtteilsrecht diese Aussage etwas relativiert; vgl. Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, Einl. zu §§ 2303 ff. Rdnr. 194. 9 Motive bei Mugdan, V 240 = Motive, V 451 f. Vgl. auch das LG Landau, das bei seiner Lösung der Problematik tragend auf die Regelung des französischen Rechtes abgestellt; LG Landau, 27. Nov. 1911, SeuffBl Bd. 77, 235 f. 10 Vgl. von Schmitt, I 752 f., 862, 866, 868f., 872, 874 und passim. h Tuor/Schnyder, 6. ι 2 E. Huber, 304-314 zur Reduktion pflichtwidriger Verfügungen unter Lebenden. 13 Schaer, 34-39. 14 Vgl. Motive bei Mugdan, V 203 = Motive, V 382 f. zum Pflichtteil und a.a.O., 240 = 450 zur Pflichtteilsergänzung. 15 Kipp/Coing, § 8 I I I 3. 16 Ehrenzweig, I I 2, 592 f.: „Das Pflichtteilsrecht ist nun überfein ausgebaut". — Zum Rechtszustand bis 1916 vgl. Unger, 362 ff. π Klang-Weiß, I I I 905. is Gmür, 103 f. 19 Weder §§ 2325 ff. BGB noch Art. 475, 527 ZGB.
§ 8 Rechtsvergleichung
190
Werk des Reichsgerichtsrats Förtsch
aus dem Jahre 1899, das Code c i v i l und
B G B vergleicht, geht zwar auf einer Seite auf diese Bestimmungen e i n 2 0 . Förtsch erwähnt aber weder Art. 918 Cc noch den Fall, daß der Erblasser unter Nießbrauchsvorbehalt verfügt hat. Die durchweg älteren Dissertationen von Orth
22
,
23
Souchon ,
24
von Lepel ,
Schönfeldt
25
26
und Schulte ,
Roller
21
,
die speziell den
Schutz des Pflichtteilsberechtigten gegen Freigebigkeiten des Erblassers rechtsvergleichend darstellen, gehen auf den Fall, daß der Erblasser unter Nießbrauchsvorbehalt Vermögensstücke übertragen hat, überwiegend ebenfalls nicht ein. Lediglich Orth und Schönfeldt
stellen fest, daß das B G B i m Gegensatz zum
Code c i v i l 2 7 keine Sonderregelung für Veräußerungen gegen eine Leibrente oder unter Vorbehalt des Nießbrauchs enthält. Ob und wieweit hier eine Schenkung vorliege, sei „nach allgemeinen Regeln" zu beurteilen 2 8 . Das „ O b " einer Schenkung kann indes bei einer isolierten Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt von niemandem ernsthaft bestritten werden, kritisch ist nur das „ W i e " , also die Höhe des Wertes der Schenkung. A u c h Orth und Schönfeldt
meinen also nicht den
primären Gegenstand dieser Arbeit, die „isolierten Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt", sondern (Übergabe-)Verträge, bei denen zusätzlich zu Leistungen des Erwerbers auch ein Nießbrauchsvorbehalt des Veräußerers vereinbart wurde29. I . Frankreich Das Erbrecht des französischen Code c i v i l kennt i m Gegensatz zum deutschen B G B i n Anlehnung an uralte germanische Rechtsanschauungen nur die gesetzliche Erbfolge als Berufungsgrund zur Erbschaft. Einsetzungen durch Verfügungen von Todes wegen begründen nur Vermächtnisse, auch wenn sie sich auf den gesamten Nachlaß des Erblassers erstrecken 30 . A u c h das Pflichterbrecht des Code c i v i l ist stärker deutschrechtlichen Vorstellungen verhaftet als das deutsche BGB
und
das
österreichische
ABGB
mit
ihrem
System
des
bloßen
Geldforderungspflichtteils 3 1 . Es ist als materielles Noterbrecht ausgestaltet. Es 20 Förtsch, 129. 21 Aus dem Jahr 1918. Vergleich mit ABGB, Code civil, ZGB. 22 Aus dem Jahr 1927. Vergleich mit Code civil. 23 Aus dem Jahr 1928. Vergleich mit ABGB, Code civil, ZGB. 24 Aus dem Jahr 1932. Vergleich mit ABGB und ZGB. 25 Aus dem Jahr 1940. Vergleich mit Code civil. 26 Aus dem Jahr 1948. Vergleich mit ABGB. 27 Art. 918 Cc. Vgl. dazu unten bei Fn. 51 ff. Er betrifft aber nicht den Fall isolierter Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt. 28 Orth, 42 und Schönfeldt, 68 f. 29 Nur diesen Fall regelt nämlich Art. 918 Cc; vgl. sogleich unten bei Fn. 63 ff. 30 Hubrecht, 145; Zachariä/ Crome, IV 3; Ferid/Sonnenberger, I I I 487. 31 Ferid!Sonnenberger, I I I 573; Staudinger (ll)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., § 14 Rdnr. 28.
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beschränkt die Fähigkeit des Erblassers, durch Schenkungen oder Verfügungen von Todes wegen über sein Vermögen zu verfügen, auf einen bestimmten T e i l desselben, den Freiteil 3 2 , dessen Höhe von der Anzahl und der Gradnähe der vorhandenen Noterben abhängt. Hingegen ist der andere Teil, der Vorbehalt 3 3 , Freigebigkeiten des Erblassers entzogen und für die Pflichtteilsberechtigten bestimmt. Überschreitet der Erblasser durch Schenkungen oder Vermächtnisse den Freiteil, können die Pflichterben durch eine „Herabsetzungsklage" 3 4 bewirken, daß die Vermächtnisse verhältnismäßig und erforderlichenfalls auch die Schenkungen unter Lebenden gekürzt werden 3 5 . Das französische Recht löst also das generelle Problem, wie das Pflichterbrecht der nächsten Angehörigen vor Beeinträchtigungen durch lebzeitige Verfügungen des Erblassers zu schützen i s t 3 6 , indem es Vermächtnisse und Schenkungen unter Lebenden unter dem Begriff Freigebigkeiten 3 7 zusammenfaßt und damit beide gleich stellt. I m einzelnen gilt: Pflichterben sind nach Art. 913 Cc diejenigen A b k ö m m l i n g e des Erblassers, die zur gesetzlichen Erbfolge berufen sind, also insbesondere die Kinder; andere Deszendenten nur, soweit sie nicht durch ihre Eltern repräsentiert werden. Pflichtteilsberechtigt sind auch die Aszendenten des Erblassers, soweit sie zur gesetzlichen Erbfolge berufen sind, insbesondere w e i l der Erblasser keine Abkömmlinge hat, Art. 914 C c 3 8 . Nach diesen beiden Vorschriften ergibt sich auch die Höhe des Vorbehalts. Die Freigebigkeiten des Erblassers dürfen die Hälfte seines Vermögens nicht übersteigen, wenn er bei seinem T o d einen A b k ö m m l i n g hinterläßt. Der Pflichterbteil des Einzelkindes beträgt also die Hälfte des gesamten Vermögens, Vorbehalt und Freiteil sind gleich groß. Hinterläßt der Erblasser zwei Kinder, darf er nur über ein Drittel seines Vermögens freigebig verfügen, j e ein Drittel ist der Vorbehalt der beiden Kinder. W i r d der Erblasser schließlich von drei oder mehr Kindern beerbt, beträgt der Freiteil ein Viertel; drei Viertel des Vermögens sind der Vorbehalt der Kinder. Der Pflichtteil der Aszendenten beträgt j e ein Viertel für mütterliche und väterliche L i n i e 3 9 . Soweit Schenkungen und Vermächtnisse des Erblassers den nach Art. 913, 914 Cc bestimmten Freiteil übersteigen und dadurch den Vorbehalt schmälern, steht den Pflichterben das Recht zu, die Herabsetzungsklage zu erheben, Art. 920 32
Die sog. „quotité disponible"; Ferid! Sonnenberger, I I I 574. Die sog. „réserve"; Ferid/Sonnenberger, I I I 574. 34 Die sog. „action en réduction"; Hubrecht, 149. 3 5 Vgl. zum ganzen Hubrecht, 148 f.; Ferid/Sonnenberger, I I I 572 ff.; Ferid/Firsching, I I Frankreich Rdnr. 207 ff. 3 6 Vgl. Staudinger (W)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., §§ 18 ff. 37 Die sog. „les libéralités"; vgl. Art. 913 Cc, Text und Übersetzung bei Ferid! F ir sc hing, I I Frankreich Texte B. 3 » Nicht pflichtteilsberechtigt ist also der Ehegatte, der u.a. durch eine Unterhaltsforderung gesichert ist. Vgl. insgesamt Ferid/Sonnenberger, I I I 573; Ferid/ Fir sching, I I Frankreich Rdnr. 208 f. 39 Ferid! Sonnenberger, I I I 575 ff.; Ferid! F ir sching, I I Frankreich Rdnr. 210 ff. 33
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bis 930 Cc; solange bleiben das i n den Vorbehalt eingreifende Testament und die Schenkungen w i r k s a m 4 0 . Die für den Klageerfolg erforderliche Feststellung, daß der Erblasser i n den Vorbehalt des Pflichterben eingegriffen hat, erfordert die Berechnung des konkreten Freiteils. Hierzu ist zunächst der Wert des Vermögens zur Zeit des Erbfalls festzustellen. V o n dieser realen Nachlaßmasse werden die Schulden des Erblassers abgezogen und dann w i r d — rein rechnerisch — der Wert der v o m Erblasser unter Lebenden gemachten Schenkungen hinzugezählt, Art. 922 C c 4 1 . Dieser Rechenoperation, der fiktiven A d d i t i o n der Schenkungen zum Nettonachlaßwert, entspricht i m deutschen Pflichtteilsergänzungsrecht funktional die Ermittlung des fiktiven „Ergänzungsnachlasses" i m Rahmen des § 2325 Abs. 1 B G B durch A d d i t i o n des Schenkungswertes zum realen Nachlaß w e r t 4 2 . Der durch A d d i t i o n der Schenkungs werte erhaltene Wert W ist durch die Zahl zu teilen, die sich aus Art. 913, 914 Cc ergibt; hinterläßt der Erblasser etwa ein K i n d , also durch zwei. Dieser Betrag W / 2 ist der konkrete Freiteil. Hat der Erblasser diesen Wert schon durch Schenkungen unter Lebenden erreicht oder überschritten, sind alle testamentarischen Verfügungen hinfällig, Art. 925 Cc; die Zuwendungen von Todes wegen sind also vor den Schenkungen unter Lebenden zu kürzen, und zwar mangels anderer Anordnung des Testators alle i m gleichen Verhältnis, Art. 923, 926, 927 C c 4 3 . Überschreiten schon die Schenkungen unter Lebenden den Freiteil, sind auch sie zu kürzen, und zwar die jüngeren vor den älteren, Art. 923 C c 4 4 . Durch die Kürzung werden die den Vorbehalt verletzenden Verfügungen ex tunc vernichtet, die Beschenkten haben also grundsätzlich die Geschenke i n natura herauszugeben 45 ; die Pflichterben „brauchen sich nicht m i t dem blossen Geldwert der ihnen rechtswidrig entzogenen Güter abspeisen zu lassen" 4 6 . Etwas anderes gilt unter anderem nach Art. 866 Cc, wenn die Schenkung an einen gesetzlichen Erben erfolgte. Er kann das Geschenk behalten, muß allerdings die Miterben in Geld entschädigen 4 7 .
40 Ferid! Sonnenberger, I I I 574; Mazeaud, Nr. 924. 41 Ferid!Sonnenberger, I I I 579; Zachariä! Crome, IV 322; Mazeaud, Nr. 917-923. 42 Vgl. oben § 5 I I 4 a) a.E. — Während dieser fiktiven Addition nach Art. 922 Cc stellt sich also das entscheidende Problem, wie Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt anzusetzen sind. Auf diese Vorschrift wird daher nach Beendigung des Überblicks einzugehen sein. 43 Zachariä /Crome, IV 329 f.; Ferid!Sonnenberger, I I I 581 (Druckfehler bei Rdnr. 5 C 224: Statt „Zuwendungen von Todes wegen" muß es „Schenkungen unter Lebenden" heißen; vgl. Vorauflage (1971) Ferid, I I 1463 bei Rdnr. 5 C 172); Ferid/ Fir sching, I I Frankreich Rdnr. 220. 44 Anders als bei Vermächtnissen (Art. 927 Cc) ist die gesetzliche Reihenfolge bei den Schenkungen zwingendes Recht, vgl. Mazeaud, Nr. 936: „une régie d'ordre public"; Ferid/Sonnenberger, I I I 581 f. 45 Insoweit hat die Klage dinglichen Charakter; Ferid/Sonnenberger, I I I 582. 46 Zachariä /Crome, I V 330; vgl. auch Ferid/ Fir sching, I I Frankreich Rdnr. 222 f.; Ferid/Sonnenberger, I I I 582 f.; Mazeaud, Nr. 942-948 zum Prinzip der „réduction en nature"; Nr. 949-956 zu „les exceptions". 47 Ferid! Sonnenberger, I I I 582.
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Entscheidend für die Fragestellung, wie das französische Recht die Beeinträchtigung des Pflichterbrechts durch Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt beurteilt 4 8 , ist mithin, mit welchem Wert die Schenkungsgegenstände rechnerisch dem Nettonachlaß nach Art. 922 Cc zugeschlagen werden. Art. 922 Cc selbst enthält insoweit nur die § 2325 Abs. 2 B G B funktional entsprechende, inhaltlich aber abweichende Regelung, daß der Zustand der Sache zur Zeit der Schenkung und der Wert zur Zeit des Erbfalls entscheidend sein s o l l 4 9 . Für die Bewertung einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt folgt aus dieser Vorschrift sowenig wie aus § 2325 Abs. 2 B G B und dem Niederstwertprinzip 5 0 . Sedes materiae für diese Frage scheint Art. 918 Cc zu sein. Diese Vorschrift besagt, daß nach Veräußerungen von Vermögensstücken an Pflichtteilsberechtigte gegen eine Leibrente oder m i t Vorbehalt des Nießbrauchs der Wert des vollen, also lastenfreien Eigentums auf den Freiteil angerechnet w i r d und ein Überschuß zur Masse auszugleichen ist. Nach Satz 2 kann diese Anrechnung und Ausgleichung nur von Pflichtteilsberechtigten verlangt werden und auch nur dann, wenn sie selbst der Veräußerung nicht zugestimmt haben 5 1 . Art. 918 Cc beruht auf der Vorstellung, daß der Erblasser den Pflichterben, an den er „ à fonds perdu" veräußert hat, vor seinen Miterben begünstigen w o l l t e 5 2 . Er enthält zwei unwiderlegliche Vermutungen 5 3 : Z u m einen w i r d vermutet, daß die angeblich lästigen Verträge verschleierte Freigebigkeiten des Erblassers zugunsten des pflichtteilsberechtigten Erwerbers enthalten. Daher ist der volle Wert der veräußerten Gegenstände bei der Berechnung des Freiteils nach Art. 922 Cc dem Nettonachlaß hinzuzurechnen, also ohne irgendeinen Abzug für den vorbehaltenen Nießbrauch und/oder die vereinbarten (Leibrenten-)Zahlungen 5 4 . Der Gesetzgeber wurde 4 8 Eine sog. „donation limitée à la nue propriété" bzw. „donation avec réserve d'usufruit", vgl. Kassationshof, Chambre civ., 24. August 1874, Dalloz 1875 I 129 ff. 49 Diese Bestimmung enthielt so schon die Urfassung des Code civil, Zachariä! Crome, I V 326. Zwischen 1938 und 1971 war der Wert zur Zeit der Schenkung maßgeblich, Ferid, I I 1461, seit 1971 ist wieder der Wert zur Zeit des Erbfalls maßgeblich, Ferid!Sonnenberger, I I I 579. Vgl. auch Mazeaud, Nr. 922. 50 Vgl. dazu unten § 9 nach Fn. 11 ff. — Gerade die Aufspaltung in Zustand und Wert zeigt ganz deutlich, daß Art. 922 Cc nur echte Wertveränderungen der Sache erfassen will, keine Zustandsveränderungen, Zachariä! Crome, IV 326. Der Wegfall einer dinglichen Belastung erhöht zwar den Wert des Eigentums an der Sache, also die Position im Vermögen des Eigentümers, aber nicht den Wert der Sache, da im Vermögen des vormals dinglich Berechtigten eine Position entfällt. 51 Vgl. die Übersetzungen der Vorschrift bei Heinsheimer-Illch, Code civil 266 f. und Ferid! F ir sching, I I Frankreich Texte B, die leicht divergieren. Vgl. zu Art. 918 Cc noch Ferid!Sonnenberger, I I I 579; Mazeaud, Nr. 919; Zachariä! Crome, IV 323 f. und besonders ausführlich zu Geschichte und ratio legis Heinsheimer, Zeitschrift für Französisches Civilrecht 3 (1873) 208-223. 52 Zachariä /Crome, I V 323; Heinsheimer-Illch, Code civil 266; Appellationsgericht Zweibrücken, 12. Nov. 1872, Zeitschrift für Französisches Civilrecht 4 (1874) 73, 79 f. 53 Kassationshof, Chambre civ., 24. Aug. 1874, Dalloz 1875 I 130: „une double présomtion légale". 54 Vgl. Appellationsgericht Zweibrücken, a.a.O., 79 f.; OLG Colmar, 27. Jan. 1888, Zeitschrift für Französisches Civilrecht 19 (1889) 682, 684: „ohne Abzug des angeblich
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bei dieser Bestimmung von der Erfahrung geleitet, „daß derartige anscheinend onerose Verträge m i t einem i n directer L i n i e Erbberechtigten i n der Regel eine verdeckte Bevorzugung des angeblich leistungspflichtigen Erben enthielten und zur Verheimlichung der Zuwendung eines die verfügbare Quote überschreitenden Vortheils gewählt w u r d e n " 5 5 . Solche Verträge seien, wenn sie m i t A b k ö m m l i n gen geschlossen würden, „zumeist nicht ernst gemeint" und enthielten „häufig auch über Zahlungen des Kaufpreises unrichtige A n g a b e n " 5 6 . Die anderen Pflichterben sollen also durch Art. 918 Cc ihrer sonst kaum zu vermeidenden unverschuldeten Beweisnot enthoben werden 5 7 . Veräußert der Erblasser dagegen Vermögensstücke „ à fonds perdu" an einen Seitenverwandten oder an einen Familienfremden, müssen die Noterben das Vorliegen einer Schenkung und deren Höhe i m Einzelfall beweisen 5 8 . Diese unwiderlegliche Vermutung einer Schenkung bedeutet eine Härte für den pflichtteilsberechtigten Erwerber, wenn er den Vertrag ernstlich als gegenseitigen gewollt und seine Verpflichtungen stets erfüllt hat. Daher bestimmt Art. 918 Cc ebenfalls mittels unwiderleglicher Vermutung, daß der Wert des so veräußerten Gegenstandes abweichend von Art. 843, 919 Cc, nach denen Schenkungen an Erben beim Erbfall stets zur Ausgleichung unter den Miterben zu bringen sind, es sei denn, der Erblasser hätte zweifelsfrei und offensichtlich 5 9 Befreiung davon angeordnet 6 0 , als auf den Freiteil geschenkt angesehen w i r d 6 1 . Art. 918 Cc ist als teilweise nur vor dem historischen Hintergrund der Revolutionsgesetzgebung zu verstehende 62 Ausnahmevorschrift eng auszulegen 63 . Diese Vorschrift betrifft nicht den Fall einer echten, isolierten Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, den die vorliegende Untersuchung primär behandelt. Sie beruht bezahlten Kaufpreises". Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich auch der Nichtabzug eines zusätzlich vorbehaltenen Nießbrauchs. — Ebenso Zachariä! Crome, I V 324 in Anm. 10: „Soweit der Vertrag à fonds perdu ist, kann der Donatar nicht abziehen, was er periodisch gezahlt hat." 55 Appellationsgericht Zweibrücken, a.a.O. 56 OLG Colmar, a.a.O. 57 OLG Colmar, a.a.O.; Mazeaud, Nr. 919 a.A.: „La preuve du déguisement d'une donation sous l'apparence d'un acte onéreux est souvent difficile". 58 Heinsheimer, Zeitschrift für Französisches Civilrecht 3 (1873) 211 f. 59 Ferid! Sonnenberger, I I I 632 f.: Durch eine sogenannte „clause de préciput et hors part." Die Wendung „expressément" in Art. 843, 919 Cc bedeutet nicht „ausdrücklich", eine stillschweigende Befreiung von der Ausgleichungspflicht ist also möglich. 60 Also ein zu § 2050 Abs. 3 BGB genau umgekehrtes Regel-Ausnahme-Verhältnis. 61 Heinsheimer, a.a.O. 211. — Eine gleichwohl verbleibende Härte (Erblasser hatte Freiteil bereits vorher erschöpft) hat sich der Pflichterbe selbst zuzuschreiben: Er hätte sich die Zustimmung der übrigen Pflichterben einholen sollen, Appellations gericht Zweibrücken, a.a.O. 80 f. 62 Heinsheimer, a.a.O. 208 ff. 63 Mazeaud, Nr. 919 a. Α.: „caractère exceptionnel"; Zachariä /Crome, I V 323; Kassationshof, Chambre civ., a.a.O. (Fn. 53): „la disposition exorbitante"; Reichsgericht, 18. März 1887, Ζ 18, 322 f.: „enthält eine doppelte Anomalie... ist daher auf das engste auszulegen".
I. Frankreich
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nämlich darauf, daß Veräußerungen unter Vorbehalt des Nießbrauchs „erfahrungsmäßig zu verschleierten Begünstigungen, denen das Gesetz entgegenwirken w i l l , benutzt w e r d e n " 6 4 . Isolierte Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt, die offen als Schenkungen ausgewiesen werden, enthalten keine verdeckten Freigebigkeiten. Die Parteien erwecken nicht den Eindruck eines gegenseitigen Vertrages. Daß der Erblasser den vollen Wert der so übertragenen Gegenstände ohne jede Gegenleistung dem späteren Nachlaß entzieht, ist offensichtlich, muß also nicht vermutet werden. Einer Beweisnot der übrigen Pflichterben bezüglich des Vorliegens einer Schenkung muß nicht mittels einer Vermutung abgeholfen werden. Dann besteht auch kein Grund, dem beschenkten Pflichtteilsberechtigten die Wohltat der zweiten Vermutung des Art. 918 Cc, daß die Schenkung auf den Freiteil erfolgte, also gegenüber den Miterben nicht auszugleichen ist, zugute kommen zu lassen. Aus diesem Grund entschied der Kassationshof,
daß eine reine Schenkung
des nackten Eigentums beziehungsweise unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs, die dem Beschenkten sonst keinerlei Auflage m a c h t 6 5 , den Veräußerungen, die i n Art. 918 Cc genannt sind, nicht gleichzusetzen ist, so daß auch dessen Vermutung der Befreiung von der Ausgleichung 6 6 für sie nicht g i l t 6 7 . Dies kann für den Erwerber einen gewichtigen Unterschied bedeuten. I n dem v o m Kassationshof entschiedenen Fall hatte eine W i t w e ihrem ältesten Sohn 20 000 Francs unter Nießbrauchsvorbehalt geschenkt, die anderen vier Kinder hatten nichts erhalten. Als sie starb, begehrten die Geschwister des Beschenkten m i t ihrer Klage die Ausgleichung nach Art. 843 Cc. Es kam zu der auf den ersten B l i c k paradoxen Konstellation, daß der unter Nießbrauchsvorbehalt beschenkte Sohn die N/c/ifanwendung der grundsätzlich den Schutz seiner Geschwister bezwekkenden Vorschrift, eben des Art. 918 Cc, rügte. E i n Erfolg der Klage bedeutete, daß der unter Nießbrauchsvorbehalt verschenkte Betrag von 20 000 Francs dem Nachlaß (Wert X ) hinzuzurechnen wäre, so daß er dann X + 20 betrüge und daß der älteste Sohn bei der (Auf-)Teilung des Nachlasses unter die 5 A b k ö m m l i n g e dann einen u m 20 000 Francs geringeren T e i l erhielte als seine Geschwister, nämlich ( X + 20) : 5 - 2 0 6 8 . I n diesem Sinn entschied die zweite Instanz, la Cour de Riom;
das Gericht erster Instanz, le Tribunal
du Puy, wendete hingegen
Art. 918 Cc a n 6 9 . Dies hätte zur Folge, daß der Beschenkte j e nach Größe des w RG, a.a.O. 323. 65 Kassationshof, Chambre civ., 24. Aug. 1874, Dalloz 1875 I 129 f.: „une donation pure et simple limitée à la nue propriété ou faite avec réserve d'usufruit sans imposer, d'ailleurs, aucune charge quelconque au donataire". 66 Kassationshof, a.a.O. 130: „présomtion légale de dispense de rapport établie par cet article". 67 Ebenso: Mazeaud, Nr. 919; Zachariä! Dreyer, I V 307 in Anm. 11 mit Hinweis auf das Urteil des Kassationshofes; Heinsheimer-Illch, Code civil 266 f. 68 Vgl. Ferid!Sonnenberger, I I I 635. Beträgt X weniger als 80 000 Francs, erhält der Älteste also gar nichts. 69 Vgl. den Tatbestand des Urteils des Kassationshofs, a.a.O. 13*
196
§ 8 Rechtsvergleichung
Nachlasses das Geschenk ungeschmälert behalten dürfte und v o m Nachlaß einen gleich großen A n t e i l erhielte wie seine Geschwister. Bei 5 Kindern beträgt nämlich der Freiteil der W i t w e nach Art. 913 Cc ein Viertel ihres Vermögens. Ist ihr Nettonachlaß ohne die Schenkung also 60 000 Francs oder mehr, ergibt sich ein fiktiver Nachlaß nach Art. 922 Cc von 80 000 Francs oder mehr, woraus sich ein Freiteil von 20 000 Francs oder mehr errechnet, so daß die Schenkung nicht den Vorbehalt der vier Geschwister beeinträchtigte. Der
Kassationshof
bestätigte aus den genannten Gründen die zweite Instanz und lehnte die Anwendung des Art. 918 Cc a b 7 0 . Wenn Art. 918 Cc tatbestandlich isolierte Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt überhaupt nicht erfaßt, sagt er unmittelbar auch nichts darüber aus, mit welchem Wert Gegenstände, die der Erblasser auf diese A r t weggegeben hat, dem Nettonachlaß nach Art. 922 Cc hinzuzurechnen sind. Er kann aber für die Beantwortung dieser Frage i m Wege des Erst-Recht-Schlusses argumentativ herangezogen werden. Es ist zwingend, daß bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt für die Hinzurechnung zum Nachlaß gemäß Art. 922 Cc der Nießbrauch nicht abgezogen werden darf, wenn bei Verträgen des Erblasser m i t einem Pflichterben, die außer dem Nießbrauchsvorbehalt auch Geldzahlungen und sonstige Leistungen des Erwerbers beinhalten, der Nießbrauch auch nicht abgezogen wird, obwohl diese Verträge nur möglicherweise eine Schenkung verschleiern 7 1 . Bezeichnend ist, daß i n dem v o m Kassationshof
entschiedenen Fall nicht einmal
der Beschenkte einen Abzug für den Nießbrauchswert verlangt hatte. Entsprechend wurde auch i n allen drei Instanzen der volle Wert der 20 000 Francs für maßgeblich gehalten 7 2 . Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt sind also bei der Ermittlung des Freiteils nach Art. 922 Cc m i t dem vollen Wert des lastenfreien Eigentums ohne Abzug des Nießbrauchs dem Nachlaß zuzuschlagen. Ob ein Vorbehalt des Nießbrauchs gemacht wurde oder vorbehaltslos verschenkt wurde, macht keinen Unterschied. A l s Ergebnis ist somit festzuhalten: Der Code c i v i l unterscheidet beim Schutz des Vorbehalts der Pflichterben gegen Schenkungen des Erblassers nicht danach, ob die Schenkung m i t oder ohne Vorbehalt des Nießbrauchs gemacht wurde. A u c h bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt ist also der Wert des lastenfreien Eigentums bei der Bestimmung des Freiteils nach Art. 922 Cc dem Nettonachlaß hinzuzurechnen.
70
Kassationshof\ a.a.O. Nach Art. 918 Cc werden weder die angeblichen oder tatsächlichen Zahlungen noch der Wert des Nießbrauchs irgendwie wertmindernd berücksichtigt. 72 Kassationshof, a.a.O.
II. Schweiz
197
I I . Schweiz Nach dem Schweizer Z G B geht die Testaterbfolge dem gesetzlichen Erbrecht grundsätzlich vor, w i r d aber v o m Pflichtteilsrecht entscheidend eingeschränkt. Der Pflichtteil des Z G B verschafft als materielles Noterbrecht anders als der des B G B dem Pflichtteilsberechtigten nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Erben, sondern eine echte Erbenstellung und folglich auch Mitsprache bei der Erbteilung 7 3 . Ä h n l i c h wie nach dem Code c i v i l ist ein bestimmter T e i l des Vermögens des Erblassers, die Vorbehaltsquote, der Verfügungsfreiheit des Erblassers zwingend entzogen; nur m i t dem Rest, der verfügbaren Quote oder dem Freiteil, kann er nach Belieben verfahren. Dabei ist die Summe der Pflichtteile die gesamte Vorbehaltsquote; addiert man hierzu den Freiteil, erhält man den Gesamtnachlaß 7 4 . I m einzelnen gilt: Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen, die Eltern und der Ehegatte des Erblassers, Art. 471 Z G B 7 5 . Die Größe des Pflichtteils hängt v o m Verwandtschaftsgrad ab. Er beträgt für A b k ö m m l i n g e drei Viertel des gesetzlichen Erbanspruches 76 , für die Eltern und den Ehegatten die Hälfte, Art. 471 Z G B 7 7 . Für die Ermittlung des konkreten Freiteils ist das Vermögen, auf das sich die genannten Bruchteile beziehen, genau zu bestimmen, sowohl hinsichtlich der dazugehörigen Gegenstände als auch deren Werte. Ausgangspunkt dieser Berechnung ist der Stand des Vermögens zur Zeit des Todes des Erblassers abzüglich der Schulden und gewisser Auslagen aufgrund des Erbfalls, Art. 474 Abs. 1 und 2 Z G B . Diesem Nettonachlaß sind die Zuwendungen des Erblassers unter Lebenden soweit hinzuzurechnen, als sie nach Art. 527 Z G B der Herabsetzungsklage unterstellt sind, Art. 475 Z G B 7 8 . Diese zunächst rein rechnerische Hinzufügung entspricht damit funktional der Ermittlung des Ergänzungsnachlasses nach § 2325 Abs. 1 B G B und der nach Art. 922 Cc vorzunehmenden Rechenoperation 7 9 . Nach Art. 527 Z G B unterliegen vier Arten von unentgeltlichen Verfügungen unter Lebenden wie Verfügungen von Todes wegen der Herabsetzung 8 0 . Es sind 73 Vgl. nur Gmür, 103 in Fn. 5; Escher, ZGB I I I 1, 150-153. 74 TuorJS chnyder, 438 f. — Zu „augenfälligen Systemunterschieden" zwischen den Noterbrechten von ZGB und BGB vgl. auch Hanisch, Mélanges Guy Hattet 488 f. 75 Tuor/Schnyder, 440. Das Pflichtteilsrecht der Geschwister wurde durch Aufhebung des Art. 472 ZGB und Änderung der Art. 470, 471 ZGB für Erbfälle nach dem 31. 12. 1987 beseitigt. Zum — komplizierten und kantonal differierenden — Recht für Erbfälle vor diesem Datum vgl. Escher, ZGB I I I 1, 172-179. 76 Nach Art. 457 Abs. 2 ZGB erben Kinder zu gleichen Teilen, nach Abs. 3 werden vorverstorbene Kinder durch ihre Kinder nach Stämmen ersetzt. Enkel haben also kein Pflichtteilsrecht, solange der sie repräsentierende Elternteil noch lebt, Tuor, ZGB I I I 1, 125. 77 Für den Ehegatten gilt diese — einfache — Regelung erst für Erbfälle ab dem 1.1. 1988. Zum — komplizierten — bisherigen Recht vgl. Tuor/Schnyder, 442 ff. 78 Escher, ZGB I I I 1, 188 ff.; Tuor, ZGB I I I 1, 152 f.; Tuor/Schnyder, 445 ff. 79 Auf sie wird daher nach Beendigung des Überblicks näher einzugehen sein.
§ 8 Rechtsvergleichung
198
dies neben Zuwendungen auf Anrechnung an den E r b t e i l 8 1 und Erbabfindungen sowie Auskaufsbeträgen 8 2 vor allem bestimmte Schenkungen 8 3 und Zuwendungen i n Umgehungsabsicht 8 4 . Hat ein Erblasser die konkrete verfügbare Quote, die sich aus seinem so berechneten maßgeblichen Vermögen abzüglich der Pflichtteile ergibt, überschritten, so kann m i t der Herabsetzungsklage die Minderung seiner Verfügungen „auf das erlaubte Mass" verlangt werden, Art. 522 Z G B 8 5 . Zunächst werden die Verfügungen von Todes wegen gekürzt und erst, wenn nach deren voller Beseitigung der Pflichtteil noch nicht hergestellt wurde, die Zuwendungen unter Lebenden, und zwar die jüngeren vor den älteren, Art. 532 Z G B 8 6 . Gleichzeitige Zuwendungen werden verhältnismäßig gekürzt und zwar bei Nichterben und nichtpflichtteilsgeschützten
Erben
im
Verhältnis
des Gesamtbetrages
der
Zuwendungen 8 7 , bei Pflichtteilsberechtigten i m Verhältnis der Beträge, die ihnen über den Pflichtteil hinaus zugewendet w u r d e n 8 8 . Der gutgläubige Empfänger einer Zuwendung unter Lebenden, der weder wußte noch wissen konnte, daß die Zuwendung voraussichtlich einen Pflichtteil verletzen werde, ist aufgrund der Herabsetzungsklage nur insoweit zu Rückleistungen zu verpflichten, als er beim Erbfall aufgrund der Zuwendung noch bereichert ist, Art. 528 Z G B 8 9 . Bei der nach A i t . 4 7 4 , 4 7 5 , 5 2 7 Z G Β vorzunehmenden Berechnung des pflichtteilsrechtlich relevanten Erblasservermögens sind Schenkungen dem Nachlaß hinzuzurechnen, wenn der Erblasser sie frei widerrufen konnte oder wenn er sie „während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat"; von Gesetzes wegen ausgenommen sind die üblichen Gelegenheitsgeschenke, Art. 527 Nr. 3 Z G B . Unter die Hinzurechnung fallen auch sogenannte verschleierte Schenkungen 9 0 , die remuneratorischen Schenkungen 9 1 sowie die gemischten Schenkungen 9 2 , nicht aber Schenkungen von Todes wegen 9 3 . „Ausgerichtet" ist eine so Und sind folglich nach Art. 475 ZGB dem Nettonachlaß hinzuzufügen. 81 Art. 527 Nr. 1 ZGB; Tuor, ZGB I I I 1, 444 ff.; Escher, ZGB I I I 1, 534 ff. 82 Art. 527 Nr. 2 ZGB; Tuor, ZGB I I I 1, 447; Escher, ZGB I I I 1, 538. 83 Art. 527 Nr. 3 ZGB: „Die Schenkungen, die der Erblasser frei widerrufen konnte, oder die er während der letzten fünf Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat, mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke". Vgl. hierzu Tuor, ZGB I I I 1, 447 f.; Escher, ZGB I I I 1, 538 ff.; Tuor/Schnyder, 447. 84 Art. 527 Nr. 4 ZGB: „Die Entäusserungen von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat". Vgl. hierzu Piotet, 442 ff.; Tuor, ZGB I I I 1, 448 ff.; Escher, ZGB I I I 1, 541 ff. 85 Vgl. dazu nur Tuor, ZGB I I I 1, 415 ff. 86 Vgl. Tuor, ZGB I I I 1, 466 ff. 87 Art. 525 ZGB; Tuor/Schnyder, 451. 88 Art. 523 ZGB; TuoriSchnyder, 452. 89 Escher, ZGB I I I 1, 546 ff. 90 Escher, ZGB I I I 1, 540; Tuor, ZGB I I I 1, 447. 91 Escher, ZGB III, 1 541; Tuor, ZGB I I I 1, 447. 92 Escher, ZGB I I I 1, 540 f.; Tuor, ZGB I I I 1, 449 f.
II. Schweiz
199
Schenkung m i t ihrem Vollzug; eine Schenkung, die 7 Jahre vor dem Erbfall versprochen, 3 Jahre vorher vollzogen wurde, unterliegt also der Herabsetzungsklage; ihr Wert ist daher bei der Berechnung nach Art. 474, 475 Z G B hinzuzurechnen 9 4 . Die für diese Arbeit entscheidende Frage, m i t welchem Wert bei dieser Berechnung Schenkungen des Erblassers unter Vorbehalt der „ N u t z n i e ß u n g " 9 5 angesetzt werden, w i r d für das Schweizer Recht soweit ersichtlich nicht problematisiert 9 6 . Es ist gleichwohl nicht zweifelhaft, daß grundsätzlich der Wert des unbelasteten Eigentums ohne Abzug für den vorbehaltenen Nießbrauch zum Nettonachlaß zu addieren ist, daß also der Vorbehalt keine Differenzierung erfordert oder ermöglicht. Dies folgt noch nicht aus Art. 537 Abs. 2 Z G B , wonach für die Bewertung der Schenkungen nicht der Zeitpunkt der Zuwendung, sondern der des Erbfalls maßgebend i s t 9 7 . Diese Vorschrift erfaßt wie § 2325 Abs. 2 B G B und Art. 922 Abs. 2 C c 9 8 nur die Fälle echter Wertveränderungen; der Pflichtteilsberechtigte soll wie i m französischen, aber abweichend v o m deutschen Recht zwar die Gefahr einer Entwertung tragen, von einer Wertsteigerung aber profitieren 9 9 . M i t ihr kann daher der Nichtabzug des Nießbrauchswertes nicht belegt werden. A u c h aus den Sonderbestimmungen für den Wertansatz von Zuwendungen unter Lebenden ergibt sich für diese Frage nichts, weder aus der für zugewendete Versicherungsansprüche 100 noch aus der für zugewendete Nutznießungsansprüche und Renten 1 0 1 . Aus Art. 528 Z G B , der die Haftung des gutgläubigen Empfängers auf die beim Erbfall vorhandene Bereicherung beschränkt, folgt ebenfalls nicht, daß nur dieser Wert bei der Berechnung hinzuzufügen i s t 1 0 2 . 93 Escher, ZGB I I I 1, 538. 94 Escher, ZGB ΠΙ 1, 539; Tuor, ZGB I I I 1,447. 95 "Nutznießung" ist der Begriff des ZGB für den „Nießbrauch", Art. 745 ff. ZGB, vgl. Leemann, ZGB I V 2, 462. 96 Das Stichwort „Vorbehalt der Nutznießung" fehlt bei den Erörterungen zu Art. 527 Nr. 3 ZGB völlig, sowohl in den Kommentaren von Tuor, Escher und Curti-Forrer, als auch im Handbuch von Piotet und bei Tuor/Schnyder, 447. 97 Vgl. Tuor/Schnyder, 448. 98 Vgl. Fn. 50 und unten § 9 nach Fn. 11 ff. 99 In erster Linie dachten die Verfasser des ZGB an Wertveränderungen, die aufgrund einer Veränderung des Zustandes der Sache eintreten, nur in zweiter Linie an die davon unabhängigen, marktbedingten Wertschwankungen, vgl. Escher, ZGB I I I 2, 4 f. 100 Art. 529 ZGB: Herabsetzung mit dem Rückkaufs wert; vgl. zu diesem Problem im deutschen Recht, das diese Frage nicht ausdrücklich regelt, für die h.M. (geschenkt sind nur die aufgewendeten Prämien) Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 18 und für die Mindermeinung (geschenkt ist der erworbene Anspruch) Harder, FamRZ 1976, 617 ff.; jeweils m.w.N. ιοί Art. 530 ZGB, vgl. Escher, ZGB I I I 1, 554 ff. i° 2 Sehr streitig, wie hier Escher, ZGB I I I 1, 199 unter Aufgabe seiner früheren Ansicht und m.w.N.: Berechnungsfaktor ist der volle Wert zur Zeit des Erbfalls; a.M. Tuor, ZGB I I I 1, 413 f.: Auch für die Berechnung ist nur der Wert der Bereicherung maßgebend. Die Gegenansicht überzeugt nicht, weil Art. 528 ZGB ersichtlich nur den gutgläubigen Empfänger schützen will, dazu ist seine Berücksichtigung schon bei der
200
§ 8 Rechtsvergleichung
Daß nach Schweizer Recht bei der Hinzurechnung des Wertes von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt der Nießbrauch nicht abzuziehen ist, folgt aus der Grundkonzeption des Pflichterbrechts durch das Z G B . Es verschafft dem Pflichtteilsberechtigten eine stärker geschützte Position als das B G B . Dies folgt einmal aus seiner dinglichen Erbenstellung, ist aber auch daran zu sehen, daß er nicht nur gegen Schenkungen, sondern auch gegen einige andere unentgeltliche Zuwendungen geschützt wird. W o l l t e man den Abzug des Nießbrauchs begründen, könnte man das konsequenterweise nur, indem man die Bestellung des Nießbrauchs als v o m Erwerber geleistetes (teilweises) Entgelt i m weitesten Sinn auffaßt 1 0 3 . E i n Ausschluß der entgeltlichen Rechtsgeschäfte von der Herabsetzung w i r d von der schweizerischen Literatur damit erklärt, daß durch sie „ein Gegenwert" i n das Vermögen des Erblassers gelange 1 0 4 , w o m i t eine „Minderung des Vermögens und somit des Nachlasses" 105
ausgeschlossen sei. Bei einer
Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist unabhängig von ihrer schuldrechtlichen Qualifikation und ihrem sachenrechtlichen V o l l z u g festzustellen, daß kein Gegenwert i n das Vermögen des Erblassers gelangt und der Nachlaß zwangsläufig u m den vollen Wert des unbelasteten Gegenstandes gemindert wird. Stellt das Schweizer Recht, wie die angeführten Zitate belegen, entscheidend auf die Verminderung des Nachlasses ab, kann ein Abzug des Wertes des vorbehaltenen Nießbrauchs nicht i n Betracht kommen. Der Nachlaß w i r d von Schenkungen m i t und ohne Vorbehalt gleich getroffen, eine Differenzierung zwischen beiden widerspräche der Maßgeblichkeit des Kriteriums Nachlaßminderung. E i n Abzug ties Nießbrauchs bei Vorbehaltsschenkungen widerspräche auch dem Mißtrauen, das dieser Schenkungsart an anderer Stelle entgegengebracht w i r d 1 0 6 . Diese Schenkungen unterliegen nämlich auch dann der Herabsetzungsklage, wenn sie mehr als fünf Jahre vor dem Erbfall vollzogen wurden. Zwar ist ihre Herabsetzung beziehungsweise zunächst ihre Hinzurechnung nach Art. 527 Nr. 3, 475 Z G B wegen des Zeitablaufs ausgeschlossen. Der Vorbehalt Berechnung des Freiteils nicht erforderlich. Gegen sie spricht auch, daß nach ihr in diesem Punkt der Pflichtteilsberechtigte schlechter steht, als nach dem BGB, wo die Entreicherung auch erst bei § 2329 BGB, nicht bei § 2325 BGB Auswirkungen hat, vgl. den Text nach dieser Fn. 103 Denn das ZGB kennt das Niederstwertprinzip (§ 2325 Abs. 2 BGB), das Dieckmann zur Begründung des Abzugs anführt, vgl. unten § 9 I, gerade nicht. Nach Art. 537 Abs. 2 ZGB soll der Pflichterbe von Wertsteigerungen profitieren. Es bleibt also nur die „Gegenleistungsprämisse' 4. 104 Escher, ZGB I I I 1, 500; TuorISchnyder, 448. 105 Tuor, ZGB I I I 1, 412 (Hervorhebung vom Verf.). Tuor weist ausdrücklich darauf hin, daß doch eine Minderung eintrete, wenn der „Gegenwert in einer mit dem Tode des Erblassers erlöschenden Leistungspflicht, wie Rente, bestand." 106 Die Abrede, „daß sich der Schenker die Nutznießung an der geschenkten Sache bis zu seinem Tode vorbehält", genügt noch nicht zur Annahme einer Schenkung von Todes wegen, mit der Konsequenz, daß sie als Verfügung von Todes wegen vor allen Schenkungen unter Lebenden herabzusetzen wäre; vgl. Guhl/Merz/Kummer, 347 und Escher, ZGB I I I 1, 538 .
II. Schweiz
201
des Nießbrauchs ist aber ein gewichtiges Indiz für die pflichtwidrige Absicht des Erblassers bei Vornahme der Verfügung, so daß regelmäßig Art. 527 Nr. 4 Z G B eingreift, der Zuwendungen i n Umgehungsabsicht ohne zeitliche Begrenzung der Herabsetzung unterstellt 1 0 7 . M i t dem Vorbehalt bewirkt der Erblasser nämlich, daß der vermögensmindernde Effekt der-Schenkung primär nicht schon ihm, sondern erst seinem Erben fühlbar wird. Nach § 982 Privatrechtliches Gesetzbuch für den Kanton Z ü r i c h 1 0 8 , der für Art. 527 Nr. 4 Z G B V o r b i l d war, so daß die Rechtsprechung hierzu auch heute noch Anhaltspunkte geben k a n n 1 0 9 , war diese Fühlbarkeit der Vermögensminderung für den Erben — neben der freien Widerruflichkeit bis zum T o d des Schenkers 1 1 0 und der Schenkung „ i m Angesicht des bevorstehenden Todes" — einer von drei Fällen, i n denen auf die pflichtwidrige Absicht der Schenkung „insbesondere zu schließen" war. Dieser Fall wurde etwa bejaht, wenn der Schenker „zinsbare Kapitalien so verschenkt, daß er sich den vollen Zinsgenuß derselben auf Lebenszeit sichert". Zwar verliere er so noch zu Lebzeiten sein Kapital, aber es bleibe i h m doch der regelmäßige Fruchtgenuß desselben 1 1 1 . E i n Abzug für den vorbehaltenen Fruchtgenuß wurde nicht vorgenommen 1 1 2 . Nach alledem vermag es nicht zu überraschen, daß das Bundesgericht
i n einem
Urteil aus dem Jahre 1 9 2 4 1 1 3 , dem eine gemischte Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zugrunde lag, einen Abzug des Nießbrauchs nicht einmal prüfte, sondern wie die Vorinstanz der Nachlaßberechnung nach Art. 475, 537 Abs. 2 Z G B den Wert des unbelasteten Gegenstandes zugrundelegte und die Beklagte zur Zahlung eines Bruchteils dieses Wertes verurteilte. Eine W i t w e „verkaufte" i m Juni 1916 ein Grundstück i m Wert von 105 000 Fr für 70 000 Fr an ihre einzige Tochter, die den „Kaufpreis" i m wesentlichen durch Übernahme der Grundpfandschulden von mehr als 68 000 Fr tilgte. Sie behielt sich auf Lebenszeit das Nutznießungsrecht daran vor, trug aber solange dessen Lasten, auch die Zinsen auf die Hypotheken. Ende September 1921 starb sie mittellos. M i t seiner Klage verlangte ihr einziger Sohn die Feststellung, daß ihr Kaufvertrag m i t seiner
107 So Leemann, ZGB I V 2, 507; Tuor, ZGB I I I 1, 449; Escher, Erbrecht (1912) 130; Escher, Erbrecht (1937) 457; (Escher, ZGB I I I 1, 543 erwähnt diese Indizwirkung nicht mehr, lehnt sie aber auch nicht ab); Curti-Forrer, 434. Vgl. auch BG, 20. Nov. 1924, BGE 50 II, 450, 456. io« Text bei Schneider, 81. 109 Tuor, ZGB I I I 1, 449. no Entspricht Art. 527 Nr. 3, 1. Alt. ZGB; die frei widerruflichen Schenkungen sind deshalb auch heute ohne Fristbegrenzung der Herabsetzung unterworfen, weil hier die Umgehungsabsicht sehr nahe liegt, Tuor/Schnyder, 447. m Schneider, 81. 112 Vgl. das Urteil des Obergerichtes Zürich vom 19. Feb. 1887, Rech.Ber. 1887, No. 30, wo der Ehemann seiner Frau Wertpapiere für 30 000 Fr übereignete, aber dafür gesorgt hatte, daß sie zu seinen Lebzeiten keinen Zugriff auf die Zinsen hatte. Sie mußte die gesamten Wertpapiere ohne Abzug „in die Hinterlassenschaft einwerfen". 113 BG, 20. Nov. 1924, BGE 50 II, 450 ff.
202
§ 8 Rechtsvergleichung
Schwester der Herabsetzung unterliege und deren Verurteilung zur Zahlung des Betrages, u m welchen sein Pflichtteil verletzt wurde. W e i l die Schenkung mehr als fünf Jahre vor dem T o d der W i t w e vollzogen worden war, schied Art. 527 Nr. 3 Z G B aus. Die Anwendung des Art. 527 Nr. 4 Z G B durch die Vorinstanz, das Obergericht
des Kantons Luzern, wurde aber v o m Bundesgericht
gebilligt.
Der Wert des Grundstücks habe den Kaufpreis erheblich überstiegen, dies sei der Mutter auch bewußt gewesen. Da durch den Nießbrauchsvorbehalt die Vermögensverschiebung auf ihren T o d hinausgeschoben worden sei, lasse sich in Verbindung mit dem angespannten Verhältnis zu ihrem Sohn auf die Absicht der Umgehung der Verfügungsbeschränkung schließen 1 1 4 . Daher rechnete das Bundesgericht
den Wert des Grundstücks zur Zeit des Erbfalls, er war von
105 000 Fr auf 136 000 Fr gestiegen, abzüglich des Kaufpreises von 70 000 Fr, also 66 000 Fr, nach Art. 475, 537 Abs. 2 Z G B dem Nachlaß, der „ N u l l " betrug, h i n z u 1 1 5 . W e i l der Pflichtteil des Klägers drei Viertel seines gesetzlichen Erbanspruchs betrug, dieser aber die Hälfte des gesamten Vermögens der Erblasserin ausmachte, wurde die Beklagte zur Zahlung von 3 / 8 der 66 000 Fr, also von 24 750 Fr, verurteilt. Der Vorbehalt der Nutznießung spielte bei der Wertbestimmung durch das Gericht keine Rolle. A l s Ergebnis ist somit festzuhalten: W i e der Code c i v i l differenziert auch das Schweizer Z G B beim Schutz des Pflichtteilsberechtigten nicht danach, ob die den Pflichtteil beeinträchtigende Schenkung des Erblassers m i t oder ohne Vorbehalt des Nießbrauchs erfolgte. A u c h bei der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist also bei der Hinzurechnung zum Nachlaß nach Art. 475 Z G B der Wert des lastenfreien Eigentums des verschenkten Gegenstandes i n Ansatz zu bringen.
I I I . Österreich Das Pflichtteilsrecht des A B G B 1 1 6 ist dem des B G B sehr ähnlich. Dies gilt für die Natur des Pflichtteilsanspruchs, er ist i n beiden Rechtsordnungen ein auf Geldzahlung gerichtetes Forderungsrecht 1 1 7 ; für die pflichtteilsberechtigten Personen, nach § 762 A B G B wie nach § 2303 B G B Kinder, Eltern und Ehegatten 1 1 8 ; Π4 BGE 50 II, 456. us Insoweit hat sich die Rechtsprechung des BG geändert; es folgt nicht mehr der Subtraktionsmethode, sondern der Quoten- bzw. Proportionalmethode. Das BG würde heute also nicht mehr 66 000 Fr (136 000-70 000) ansetzen, sondern 45 000 Fr (105 000:70 000 = 33 %; 33 % von 136 000 = ca. 45 000 Fr); vgl. hierzu Tuor/Schnyder, 448 und BG, 13. Juli 1972, BGE 98 II, 352, 359 ff. ne §§762-796 ABGB. 117 Vgl. zum ABGB Kralik, 277 und Rummel-Welser, vor § 762 Rdnr. 3 und § 762 Rdnr. 6. ne Ins ABGB wurde der Pflichtteilsanspruch der Ehegatten erst am 1. Juli 1978 durch das Eherechtsänderungsgesetz eingefügt (Österreichisches BGBl 1978, 280). Ehrenzweig, I I 2, 573 f. sagte noch 1937, man sei bei der Novelle 1916 „glücklicherweise davon abgekommen", den Ehegattenpflichtteil einzufügen. — Zu Schenkungen an Ehe-
III. Österreich
203
und weitgehend auch für den Umfang des Pflichtteilsanspruchs, der gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 B G B stets i n der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils besteht, während er nach §§ 765, 766 A B G B bei Kindern und Ehegatten die Hälfte, bei Eltern ein Drittel dessen beträgt, was ihnen nach der gesetzlichen Erbfolge zugefallen wäre. Besonders ähnlich ist i n beiden Rechten der Schutz des Pflichtteils gegen unentgeltliche lebzeitige Zuwendungen des Erblassers 1 1 9 . Nach § 2 3 2 5 B G B kann der Pflichtteilsberechtigte wegen Schenkungen des Erblassers als Ergänzung des Pflichtteils v o m Erben den Betrag verlangen, u m den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlaß hinzugerechnet wird. Nach § 785 A B G B kann ein pflichtteilsberechtigtes K i n d oder der pflichtteilsberechtigte Ehegatte 1 2 0 verlangen, daß bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers i n Anschlag zu bringen sind. Allerdings steht dieses Recht abweichend v o m B G B den Kindern nur wegen solcher Schenkungen zu, die der Erblasser machte, als er ein pflichtteilsberechtigtes K i n d hatte, dem Ehegatten nur wegen solcher Schenkungen, die zur Zeit seiner Ehe mit dem Erblasser gemacht w u r d e n 1 2 1 . Während das deutsche Recht nur Schenkungen, die mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall vollzogen w u r d e n 1 2 2 , und solche, die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen 1 2 3 , nicht hinzurechnet, bleiben nach § 785 Abs. 3 A B G B neben den Pflicht- und Anstandsschenkungen auch Schenkungen zu gemeinnützigen Zwecken und solche, die der Erblasser „aus Einkünften, ohne Schmälerung seines Stammvermögens" machte, unberücksichtigt. Die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 B G B ist auf zwei Jahre verkürzt, ausgenommen sind zudem Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte 1 2 4 . Der Mehrbetrag, der sich durch die Berücksichtigung gatten vor dem 1. 7. 1978 bei Erbfällen nach diesem Datum vgl. Schwind, FS Firsching 264 f. Π9 Vgl. Klang-Weiß, I I I 905. 120 Also anders als nach BGB nicht die pflichtteilsberechtigten Eltern. 121 § 785 Abs 2 ABGB. Zum Standpunkt des BGH, der die Regelung des BGB zu Unrecht im gleichen Sinne auslegt, vgl. oben § 5 bei Fn. 147 ff. 122 § 2325 Abs. 3 BGB. 123 §2330 BGB. 124 § 785 Abs. 3 ABGB. Damit ist die „praktische Bedeutung dieser Einschränkung" durch die Zweijahresfrist sehr gering, Ehrenzweig, I I 2, 595. Dies folgt aus der Natur der Konfliktlage. Meist wird ein Pflichterbe den anderen vorgezogen und nicht ein Familienfremder allen Pflichterben, vgl. oben § 6 nach Fn. 5. Erhöht wird die Bedeutung der Zweijahresfrist allerdings dadurch, daß nach h.M. Schenkungen an Pflichtteilsberechtigte nur dann nicht von ihr erfaßt werden, wenn dieselben beim Erbanfall „ k o n k r e t " pflichtteilsberechtigt sind, was etwa bei einem Verzicht auf das Noterbrecht nicht der Fall ist (vgl. OGH, 15. März 1988, JB1. 1988, 646 f. m.w.N. und Welser, FS Kralik 586 ff., der ausführlich auf die beiden rationes legis — „familia suspecta" und „Ausgleichsgedanke" — eingeht). — Die Frist beginnt nach § 785 Abs. 3 ABGB, wenn der Erblasser die Schenkung „gemacht" hat. Nach h.M. erfordert dies — anders als nach BGB — nicht die Leistung, sondern nur den Vertragsschluß, das Versprechen, Ehrenzweig, I I 2, 595; Klang-Weiß, I I I 914 (mit unzutreffenden Hinweisen auf die deutsche
§ 8 Rechtsvergleichung
204
der Schenkung(en) nach § 785 Abs. 1 A B G B i m Vergleich zum „Nachlaßpflichtteil" ergibt, heißt „Schenkungspflichtteil", beide zusammen bilden den „erhöhten Pflichtteil" 125. Z u der Frage, m i t welchem Wert Schenkungen des Erblassers, die unter dem Vorbehalt der „Fruchtnießung" 1 2 6 vorgenommen wurden, bei der Berechnung des Nachlasses nach § 785 Abs. 1 A B G B i n Anschlag zu bringen sind, w i r d soweit ersichtlich i m österreichischen Schrifttum nirgends Stellung genommen 1 2 7 . Veröffentlichte Entscheidungen, die sie erörtern oder jedenfalls erörtern müßten, w e i l sie Schenkungen unter Fruchtnießungsvorbehalt i m Zusammenhang m i t Pflichtteilsansprüchen behandeln, fehlen ebenfalls 1 2 8 . Aus dem Gesetz ergibt sich für ihre Beantwortung unmittelbar nichts. Dies gilt insbesondere für die gesetzlichen Bewertungsvorschriften. Nach §§ 785 Abs. 1 Satz 2, 794 A B G B sind verschenkte Immobilien m i t dem Wert zur Zeit des Empfangs, verschenkte bewegliche
Sachen m i t
dem Wert
zur Zeit
des Erbfalls
dem
Nachlaß
hinzuzurechnen 1 2 9 . Hieraus w i r d besonders deutlich, daß diese Bewertungsvorschrift nicht so verstanden werden kann, daß Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt bei der Anordnung „zur Zeit der Schenkung" nur abzüglich des Nießbrauchs, bei der „zur Zeit des Erbfalls" stets ohne Abzug des —
bereits
erloschenen — Nießbrauchs i n Ansatz zu bringen sind. Bezüglich des Abzugs des Nießbrauchs ist eine Differenzierung zwischen Fahrnis und Grundstück ohne jeden inneren G r u n d 1 3 0 . Hinzu kommt: Die Bestimmung, daß Fahrnis mit dem Literatur; in den angezogenen Stellen wird nur gesagt, daß das Schenkungsversprechen eine Schenkung im Sinn des § 2325 BGB ist; das BGB verlangt nach § 2325 Abs. 3 „die Leistung des verschenkten Gegenstandes"); OGH, 26. Juni 1980, JB1 103 (1981) 593 f. und 19. Nov. 1986, ÖJZ 1987, 753 f.; a.M. mit beachtlichen Gründen Kralik, 304. 125 KozioU Welser, I I 350. 126 Die „Fruchtnießung", auch Fruchtgenuß, ist „das Recht eine fremde Sache, mit Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen", § 509 ABGB. Sie ist also der Begriff des ABGB für den „Nießbrauch" des BGB, geregelt in §§ 509-520 ABGB. 127 Vgl. die Kommentare von Klang und Rummel und die Lehrbücher von KozioU Welser, Kralik und Ehrenzweig. Ebensowenig im Lehrbuch von Unger zum bis 1916 geltenden Recht. 128 Im Urteil des OGH vom 23. März 1976, SZ 49, 192 ff. war zwar eine, für § 785 ABGB ausreichende, gemischte Schenkung zu beurteilen, bei der auch ein lebenslängliches Wohnungsrecht an einem Haus des Ubergebers vereinbart wurde. Da dieses aber noch vor dem Beginn des Bewohnens im Einverständnis der Parteien an einen Dritten veräußert wurde, macht der OGH keine Ausführungen dazu, wie das Recht zu bewerten gewesen wäre. — Dazu, daß eine gemischte Schenkung für §§ 785,951 ABGB ausreicht, vgl. Klang-Weiß, I I I 910 und Klang-Stanzl, I V 1, 626. 129 Geldwertminderungsbedingte Wertveränderungen sind „herauszurechnen", schleichende Inflation darf den Pflichtteilsberechtigten nicht belasten, OGH, 11. März 1971, SZ 44, 112, 114 m.w.N.; Rummel-Welser, 684. 130 Daher erscheint ein derartiges Verständnis der Bewertungsvorschriften des ABGB als schlechthin mit der Gerechtigkeit unvereinbar. — Auch rechtsvergleichend spricht also nichts dafür, die Lösung des Problems mit Dieckmann in § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB suchen zu wollen, vgl. unten § 9 I bei Fn. 11 ff.
III. Österreich
205
Wert beim Erbfall hinzuzurechnen ist, sollte den Erben zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten begünstigen. Letzterer sollte die „typischen Wertverluste" tragen 1 3 1 . Hätte sie zur Folge, daß der — sonst abzugspflichtige — Nießbrauch nicht abgezogen wird, würde dadurch der Pflichtteilsberechtigte bevorzugt. Es spricht indes viel dafür, daß nach dem österreichischen A B G B Schenkungen unter Fruchtnießungsvorbehalt
i m Rahmen der Pflichtteilserhöhung
wegen
Schenkungen ohne A b z u g des Nießbrauchs anzusetzen sind. § 785 A B G B erhielt seine heutige Gestalt erst 1 9 1 6 1 3 2 , vorher kannte das A B G B nach dem V o r b i l d des gemeinen Rechts nur die Anfechtung übermäßiger Schenkungen durch i n ihrem Pflichtteil beeinträchtigte Kinder nach § 951 A B G B a.F. 1 3 3 . V o r b i l d für die Reform war § 2325 B G B , geschichtliche Voraussetzung das „auf germanischer Grundlage beruhende Recht des Code civil, Art. 913, 922 f f " 1 3 4 . Für das französische Recht steht der Nichtabzug des vorbehaltenen Nießbrauchs fest 1 3 5 . Der Sinn der Zwei-Jahresfrist des § 785 Abs. 3 A B G B liegt darin, daß gerade i n der letzten Zeit vor dem T o d besonders viele bösliche Schenkungen i n der Absicht der Pflichtteilsumgehung gemacht werden 1 3 6 . Dies auch deshalb, w e i l es i m Bewußtsein, nicht mehr lange zu leben, leichter fällt, auf den Genuß verschenkter Gegenstände zu verzichten. Aus diesem Grund betrachtet die herrschende Meinung in Österreich Schenkungen auf den Todesfall i m Sinn des § 956 Satz 2 A B G B 1 3 7 nicht als Schenkungen i m Sinn des § 785 A B G B , sondern legt sie der Berechnung des Pflichtteils wie Vermächtnisse (§ 786 A B G B ) auch dann zu Grunde, wenn die Zwei-Jahresfrist bereits abgelaufen i s t 1 3 8 . I m Unterschied zur gewöhnlichen Schenkung unter Lebenden bleibt der Erblasser bei der Schenkung auf den Todesfall bis zu seinem Ableben i m Genuß des verschenkten Gegenstandes, seine tatsächlichen Verfügungsmöglichkeiten werden zu Lebzeiten nicht geschmälert 1 3 9 . Schenkungen unter Vorbehalt des Fruchtgenusses sind keine Schenkungen auf den Todesfall, sondern Schenkungen unter Lebenden 1 4 0 . 131 Ehrenzweig, I I 2, 593, 516; Rummel-Welser, § 794 Rdnr. 3. 132 Ehrenzweig, I I 2, 592 f. 133 Vgl. hierzu Unger, 362-368. 134 Klang-Weiß, I I I 905. 135 Vgl. oben I bei Fn. 71. 136 Klang-Weiß, I I I 915. 137 Nach § 956 Satz 1 ABGB ist eine Schenkung, „deren Erfüllung erst nach dem Tode des Schenkenden erfolgen soll", bei Formwahrung ein gültiges Vermächtnis. Nach Satz 2 ist sie „als ein Vertrag" nur anzusehen, wenn „der Beschenkte sie angenommen, der Schenkende sich des Befugnisses, sie zu widerrufen, ausdrücklich begeben hat, und eine schriftliche Urkunde darüber dem Beschenkten eingehändigt worden ist". Vgl. Kralik, 165 ff.; KoziollWelser, I I 338 f. 138 Kozioll Welser, I I 350; Ehrenzweig, I I 2, 566 Fn. 32; Klang-Weiß, I I I 910; OGH, 6. Juni 1980, JB1 103 (1981) 593 f. und 19. Nov. 1986, ÖJZ 1987,753 f. Vgl. umfassend hierzu neuestens Grabenwarter, ÖJZ 1988, 558-560. 139 Vgl. die beiden Urteile des OGH, a.a.O. 140 Ehrenzweig, I I 2, 563; Klang-Stanzl, I V 1, 630 und 586; OGH, 7. Juli 1971, SZ 44, 412 ff.
206
§ 9 Kritik
Gleichwohl nehmen sie zwischen diesen und gewöhnlichen vorbehaltslosen Schenkungen unter Lebenden eine gewisse Mittelstellung ein. Bei ihnen behält der Schenker zwar nicht den ganzen Wert bis zum T o d zurück, aber er gibt ihn auch nicht sofort auf. Er entäußert sich vielmehr zunächst eines Teilwertes, der nach und nach dem Beschenkten zur Gänze anwächst. M i t dieser Mittelstellungsfunktion, die auch daraus zu entnehmen ist, daß ernsthaft diskutiert wurde, ob nicht eine Schenkung auf den Todesfall v o r l i e g t 1 4 1 , wäre der Abzug des Nießbrauchs i m Rahmen des § 785 A B G B nicht zu vereinbaren, w e i l bei der Schenkung auf den Todesfall ebenso wie bei der vorbehaltslosen Schenkung unter Lebenden der volle Wert des lastenfreien Eigentums zugunsten des Pflichtteilsberechtigten i n die Berechnung seines Anspruchs einbezogen w i r d 1 4 2 . Dieser Schluß w i r d noch dadurch verstärkt, daß nach österreichischem Recht Schenkungen unter Vorbehalt des Fruchtgenusses nicht als gemischte Schenkungen oder Schenkungen unter Auflage angesehen werden, sondern als reine Schenkungen 1 4 3 . A l s Ergebnis läßt sich daher festhalten: Die Frage, ob nach dem A B G B Schenkungen unter Vorbehalt der Fruchtnießung bei der Berechnung des erhöhten Pflichtteils wegen Schenkungen m i t dem Wert des unbelasteten Gegenstandes oder m i t diesem Wert abzüglich des Fruchtnießungswertes i n Ansatz zu bringen sind, läßt sich nicht m i t letzter Sicherheit beantworten. V i e l spricht aber für die Ablehnung des Abzugs, also für die Gleichbehandlung von Schenkungen m i t und ohne Vorbehalt.
§ 9 Kritik I . Hüllenwert bei der Schenkung oder Sachwert beim Erbfall Die von Dieckmann
entwickelte Lösung 1 macht i m Ergebnis den Abzug des
Nießbrauchs von der Wertentwicklung der Sache abhängig. Nach ihr ist i n den meisten Fällen nur der Wert des Gegenstandes zur Zeit der Schenkung abzüglich des Weites des kapitalisierten Nießbrauchs ergänzungspflichtig 2 . Nur bei extremen Wertverlusten gilt etwas anderes, nämlich dann, wenn der Wert des Gegen141 Vgl. die in Fn. 140 Genannten und die von ihnen angeführten weiteren Nachweise. 142 Das ergibt sich für die Schenkung auf den Todesfall daraus, daß sie die h.M. wie Vermächtnisse behandelt. Diese werden nach § 786 ABGB bei der Berechnung des Pflichtteils außer Acht gelassen. 143 Vgl. Klang-Stanzl, I V 1, der sie nicht unter „Schenkungen unter Auflage" (608 f.) oder „gemischte Schenkungen" (590 ff.), sondern unter „Schenkungsbegriff 4 (586) aufführt. Ebenso wohl der OGH, 7. Juli 1971, SZ 44, 412 ff. ι Vgl. oben § 7 I 1. 2 Also W H als Differenz aus W sl und W N. — Vgl. Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19.
I. Hüllenwert bei der Schenkung oder Sachwert beim Erbfall
207
standes beim Erbfall geringer ist als der Wert derselben Sache zur Zeit der Schenkung abzüglich des Nießbrauchs wertes 3 . Diese Lösung vermag nicht zu überzeugen. Sie verknüpft 4 zu Unrecht die von § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B geregelte Frage, wie sich eine Wertveränderung des Geschenkes, die i m Vermögen des Beschenkten eintritt, auf den Ergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten auswirkt, m i t der Frage, ob bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt nur die Differenz aus Sachwert und Wert des Nießbrauchs ergänzungspflichtig sein soll oder der volle Wert der Sache 5 . Bei den meisten Objekten eines Nießbrauchs hat ein Wertverlust der Sache m i t der Dauer und dem Ende des Nießbrauchs nichts zu tun. E i n Gegenstand, etwa ein bebautes Grundstück oder ein Aktiendepot, w i r d durch den Nießbrauch normalerweise
nicht
in
seiner
Substanz
angegriffen,
weil
dieser
gemäß
§ 1036 Abs. 2 B G B nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft auszuüben ist. Der Nießbraucher muß für die Erhaltung der Sache in ihrem Bestand sorgen (§ 1041 B G B ) , er muß sie versichern (§ 1045 B G B ) und anderes mehr (§§ 1036 ff. B G B ) . Idealtypisch hat der Gegenstand nach dem Ende des Nießbrauchs den gleichen Wert wie vor dessen Beginn. Treten doch Wertveränderungen auf, sind sie auf äußere Umstände zurückzuführen, die mit der Ausübungsdauer des Nießbrauchs und seinem Ende i n keinem Zusammenhang stehen 6 . Wenn kein kausaler Zusammenhang zwischen Wertverlust und Nießbrauch besteht, ist es nicht einsichtig, den Nießbrauchswert abzuziehen, wenn er den Verlust am Sachwert betragsmäßig übertrifft, aber unberücksichtigt zu lassen, wenn er betragsmäßig diese Differenz nicht erreicht. Hier ist ein Bruch i n der Lösung Dieckmanns.
Dieckmann
geht von zwei
unterschiedlichen Schenkungsgegenständen aus; einmal v o m Hüllen wert W Hi einmal v o m Sachwert W s. I m Fall der „normalen" Wertentwicklung der Sache 7 sieht er nämlich nur den Wertzuwachs, der mit dem V o l l z u g der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt beim Beschenkten eintritt, als ergänzungspflichtig 3 Wenn also gilt: W S2 < W S\ - W N, dann gibt W S2 den Wert der ergänzungspflichtigen Schenkung an. 4 Die konditionale Verknüpfung liegt darin, daß sich Wertverluste nur auswirken, wenn sie den Wert des vorbehaltenen Nießbrauchs übertreffen: W S\ - W S2 > W N. Das bedeutet: Es ist nur W S2 ergänzungspflichtig: W S\ -W N> W S2. 5 Das ist wohl auch die Betrachtungsweise des BGH, der den Abzug des Nießbrauchswertes W N zusätzlich zur Anwendung des § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB vornehmen will, vgl. BGH, Ζ 89, 24, 33 und dazu oben § 7 I I 1. 6 Z.B. ein Crash an der Börse, Wertveränderungen des Grundstücks nach oben (Bauland) oder unten (Industrieneuansiedlung). Anders ist das nur bei den Nießbrauchsobjekten, die durch die Ausübung des Nießbrauchs in ihrer Substanz angegriffen und tendenziell ausgezehrt werden. Man denke etwa an eine Kiesgrube, ein Bergwerk oder eine Ölquelle. In diesen „Auszehrfällen" führt der Nießbrauch bei im übrigen gleichbleibenden Faktoren (Preisstabilität für Kohle bzw. Kies) zum Wertverlust der Sache. Vgl. dazu ausführlich unten bei Fn. 16 ff. 7 Wertkonstanz und alle Wertveränderungen, außer Verluste, die so groß sind, daß gilt: W sl-W N>W s2.
208
§ 9 Kritik
an. Die Tatsache des „gestreckten Erwerbs" nach dem V o l l z u g bewirkt keine Erhöhung der Ergänzungspflicht. § 2325 B G B ordnet für Schenkungen indes Ergänzungspflicht an. Dieckmanns
Vorschlag muß also hier (zu Unrecht) 8 davon
ausgehen, daß dieser Wertzuwachs beim Beschenkten nicht „geschenkt" ist. I m seltenen Fall eines Wertverlustes, der betragsmäßig W N übertrifft, soll für die Pflichtteilsergänzung der Wert zur Zeit des Erbfalls maßgeblich sein, ohne daß ein Betrag für den m i t dem Erbfall erloschenen Nießbrauch abgezogen wird. Jetzt ist also auch der v o m Wertverlust der Sache unabhängige Wertzuwachs beim Beschenkten infolge des gestreckten Erwerbs ergänzungspflichtig 9 . Dies bedeutet, daß der Lösungsvorschlag Dieckmanns
hier (zu Recht) davon ausgehen
muß, daß auch dieser Wertzuwachs „geschenkt" ist. Diese unterschiedliche Behandlung des nach dem Schenkungsvollzug einsetzenden gestreckten Erwerbs ist nicht nachvollziehbar 1 0 . Entweder auch er ist „geschenkt", dann muß er immer eine Ergänzungspflicht auslösen, unabhängig davon , wie sich der Wert der Sache W s zwischen Schenkungsvollzug und Erbfall entwickelt. Ergänzungspflichtig müßte also wegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B der niedrigere Wert von W S\ und W S2 sein. Oder er ist „nicht geschenkt", dann darf er nie eine Ergänzungspflicht auslösen. Ergänzungspflichtig müßte also wegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B die Differenz aus dem niedrigeren Wert von W Si oder W S2 und W N sein. Falls W N größer als dieser niedrigere Wert wäre, bestünde keine Ergänzungspflicht mehr. Ob der Wertzuwachs infolge gestreckten Erwerbs „geschenkt" ist oder nicht, ist unabhängig davon, wie sich der Sachwert W s entwickelt und kann daher nur einheitlich beantwortet werden.
1. Verstoß gegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB § 2325 Abs. 2 B G B , auf den sich Dieckmann von
ihm
vorgenommene
Differenzierung
primär stützt 1 1 , rechtfertigt die nicht.
Nach
Dieckmann
ist
§ 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt so zu lesen, daß m i t „ d e m Wert des Gegenstandes zur Zeit der Schenkung" nicht der s Vgl. dazu oben § 2 III. 9 Daß der Wert W s stark sinkt, ändert nichts daran, daß W H im Vermögen des Beschenkten wertvoller wird, als er wäre, wenn der Nießbraucher nicht älter wird, und daß nach dem Erbfall W S2 mehr wert ist, als kurz davor W S2 - W N wert war. 10 Sie steht übrigens auch im Widerspruch zu Dieckmanns Lösung von Problem 2 (vgl. dazu unten § 11 III). Denn dort soll dieser Wertzuwachs infolge gestreckten Erwerbs stets als ergänzungspflichtige Zuwendung behandelt werden. — Dadurch, daß er bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt innerhalb der 10 Jahresfrist seine alte Lösung beibehalten zu können glaubt, bei solchen, die mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogen wurden, aber Konsequenzen aus erkannten Mängeln zieht, bleibt Dieckmann bildlich gesprochen im Verhältnis zur Vorauflage auf halbem Wege stehen (vgl. Soergel (1 l)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19 mit Soergel (10)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 17). 11 Denn das „Prinzip des niedrigsten Bemessungsansatzes4', wie Dieckmann seine Lösung nennt, ist in § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB normiert.
I. Hüllenwert bei der Schenkung oder Sachwert beim Erbfall
209
Sachwert W S\ gemeint ist, sondern (nur) die Differenz aus W Si und W N. „ W e r t des Gegenstandes zur Zeit des Erbfalls" bedeutet nach i h m hingegen W s2> w e i l der Nießbrauch mit dem Tode des Nießbrauchers erloschen ist. Das Erlöschen des Nießbrauchs ist indes für § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B unerheblich, w e i l es keine Wertveränderung des verschenkten Gegenstandes i m Sinn dieser Vorschrift i s t 1 2 . Der „verschenkte Gegenstand" muß beim Vergleich seines Wertes zur Zeit der Schenkung m i t seinem Wert zur Zeit des Erbfalls den gleichen „Bezugspunkt" haben. Bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt muß man wegen des gestreckten Erwerbs zunächst bestimmen, was der Schenkungsgegenstand ist, und dann dessen Wert i m Zeitpunkt des Schenkungsvollzugs und des Erbfalls miteinander vergleichen. M a n darf demgegenüber nicht wie Dieckmann
nur darauf schauen, welcher Vermögenswert dem Beschenkten
beim V o l l z u g und welcher beim Erbfall zustand, w e i l der zeitlich gedehnte Wertzufluß beim Beschenkten infolge des gestreckten Erwerbs gerade keine Wertveränderung des Schenkungsgegenstandes ist. B e i einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt heißt das: „Verschenkter Gegenstand" ist entweder die unbelastete oder die belastete Sache. Gegen die letztgenannte Alternative könnte man einwenden, W N könne man nie von W S2 abziehen, w e i l es beim Erbfall keinen Nießbrauch mehr gebe. Dies wäre jedoch unbegründet. Der Nießbrauchswert sinkt zwar v o m Wert W N bei der Übertragung stetig bis auf den Wert „ N u l l " beim Erbfall. Der Nießbrauch ist aber auf keinen Fall der „verschenkte Gegenstand" i m Sinn des § 2325 Abs. 1 B G B 1 3 . Die besonderen Bewertungsvorschriften des § 2325 Abs. 2 B G B gelten für ihn daher nicht. Ist man der Auffassung, der Nießbrauchswert sei bei der Berechnung des Wertes der ergänzungspflichtigen Schenkung ein Abzugsposten, ist er daher stets m i t dem Wert anzusetzen, den er beim Schenkungsvollzug hatte, also mit W N. Ist der „verschenkte Gegenstand" zwischen Schenkung und Erbfall i m Wert gesunken, so daß nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B der Wert beim Erbfall W S2 i n Ansatz zu bringen ist, ist es also nur konsequent, den Nießbrauch in der Höhe W N von diesem Wert abzuziehen, obwohl i m Zeitpunkt des Erbfalls nach § 1061 B G B kein Nießbrauch mehr auf der Sache lastet. Z u m Ausgangsfall könnte man also entweder sagen, der Wert des „verschenkten Gegenstandes" sei zwischen Übertragung und Erbfall von D M 1 000 000 auf D M 900 000 gefallen, oder man kann sagen, er sei von D M 380 800 auf D M 280 800 gefallen. M a n kann aber nicht wie
Dieckmann
davon ausgehen, dieser Wert habe sich nicht verändert, er betrage D M 380 800. 12 Im Ergebnis ebenso das LG Landau, 27. Nov. 1911, SeuffBl Bd. 77, 235 f. = BayZ 1912, 175 f. Hierfür sprechen auch die Erkenntnisse der Rechtsvergleichung. Die verglichenen Rechte haben Bewertungsregeln, die funktional § 2325 Abs. 2 BGB entsprechen, die aber inhaltlich davon (und untereinander) abweichen, so daß bei diesen Vorschriften augenfälliger wird, daß das Erlöschen einer Belastung von ihnen nicht erfaßt wird; vgl. oben § 8 bei und in Fn. 49-50 (zu Art. 922 Cc), 97-99 (zu Art. 537 Abs. 2 ZGB) und 129-131 (zu §§ 785 Abs. 1 Satz 2, 794 ABGB). !3 Unabhängig davon, ob man ihn als Gegenleistung, Auflage oder Eigentümernießbrauch qualifiziert. 14 Reiff
210
§ 9 Kritik a) Normalfälle
Dieckmanns Auffassung verstößt i m „ N o r m a l f a i r eines nicht auszehrenden Nießbrauchs gegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B . Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift sollen sich Wertsteigerungen, die der verschenkte Gegenstand i m Vermögen des Beschenkten erleidet, nie zugunsten des Pflichtteilsberechtigten auswirken, Wertverluste aber immer zu seinen Lasten 1 4 . Der Pflichtteilsberechtigte soll das Risiko des Wertverlustes tragen, w e i l sein Anspruch auf Pflichtteilsergänzung beim Untergang des Geschenks, also bei totalem Wertverlust, ganz entfiele 1 5 . Diese v o m Niederstwertprinzip gewollte W i r k u n g w i r d für Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt m i t der Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift durch Dieckmann
verhindert, der den Wegfall des Nießbrauchs als Wert-
steigerung auffaßt und gewissermaßen m i t echten Wertverlusten verrechnet. Dies zeigt die Lösung des Ausgangsfalls: Nach Dieckmann
ändert sich am Anspruch
der Τ aus § 2325 B G B nichts, wenn W S2 nicht D M 900 000, sondern noch wie W sι D M 1 000 000 oder mehr beträgt, wenn also gar kein Wertverlust oder sogar eine Wertsteigerung stattgefunden hat. U n d auch bei einem stärkeren Wertverlust als angenommen ändert sich nichts. Selbst wenn das Grundstück 60 % seines Wertes verliert, also beim Erbfall nur noch D M 400 000 wert ist, hat Τ einen Anspruch auf Zahlung von D M 95 200 gegen S, also i n gleicher Höhe wie i m Ausgangsfall. Erst ein Wertverlust von mehr als D M 619 200, also von fast 62 %, w i r k t sich auf den Anspruch der Τ aus § 2325 B G B aus. Erst ab diesem Wert übertrifft der Verlust den Wert des kapitalisierten Nießbrauchs. Nach Dieckmanns Vorschlag sind entgegen dem W i l l e n des Gesetzgebers selbst starke Wertverluste des verschenkten Gegenstandes für den Pflichtteilsberechtigten nicht nachteilig, wenn es sich u m eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt handelt. Er hat also die bedenkliche Konsequenz, daß sich § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B auf Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt i m Vergleich zu Normalschenkungen ungleich auswirkt. Der Pflichtteilsberechtigte hat nach Dieckmann i m Fall einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt das Risiko eines Wertverlustes der verschenkten Sache nicht i n gleichem Maß zu tragen wie bei einer Normalschenkung. Hier gibt bei Wertverlusten nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B W S2 Maß, bei Wertkonstanz und bei Wertsteigerungen W Si. Demgegenüber ist bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt nach Dieckmanns Vorschlag i n all diesen Fällen immer W Si - W N ergänzungspflichtig. Erst wenn der Wert der Sache sehr stark fällt, unterscheidet Dieckmann gar nicht mehr zwischen Normalschenkungen und solchen unter Nießbrauchsvorbehalt. Ergänzungspflichtig ist i n beiden Fällen W S2. Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt werden also nach Dieckmann i m Gegensatz zu Normalschenkungen bei Wertverlusten von den Auswirkungen des § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B so 14 Vgl. oben § 5 I I 4 b). Vgl. auch Harder , FamRZ 1976, 619. 15 So die Protokolle bei Mugdan, V 788 f. = Protokolle, V 583 f.
I. Hüllenwert bei der Schenkung oder Sachwert beim Erbfall
211
lange nicht getroffen, bis beide Schenkungsarten dieselbe Ergänzungspflicht begründen. V o n diesem Punkt an werden sie gleichbehandelt. Dieckmanns
Vorschlag weist demnach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B eine „egali-
sierende Funktion" für die Anwendung des Abs. 1 auf Schenkungen m i t und ohne Nießbrauchsvorbehalt zu. Die Ungleichbehandlung durch § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B , die erst bei extremen Wertverlusten entfällt, ist nicht zu rechtfertigen, w e i l Wertverluste einerseits, Ausübungsdauer und Ende des Nießbrauchs andererseits nicht kausal miteinander verknüpft sind und w e i l Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und Normalschenkungen v o m Phänomen „Wertverlust des verschenkten Gegenstandes" auf gleiche Weise getroffen werden. Zusammenfassend ist zu sagen: Echte Wertveränderungen der verschenkten Sache sind nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B immer und in gleicher Weise zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt oder eine Normalschenkung vorliegt, aber auch unabhängig davon, ob man bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt der (irrigen) Meinung anhängt, der kapitalisierte Wert des Nießbrauchs sei bei der Berechnung des Ergänzungsbetrages v o m Sachwert abzuziehen, oder ob man (zu Recht) meint, er sei nicht abzuziehen, w e i l auch sein Wert „geschenkt" sei. b) Auszehrfälle Dieckmanns
Vorschlag ist auch dann bedenklich, wenn die Wertverluste aus-
nahmsweise von der Ausübung des Nießbrauchs — und nur von ihr — verursacht wurden, Verluste und Nießbrauch also kausal verknüpft sind. Ein solcher seltener Fall liegt dann vor, wenn die Ausübung des Nießbrauchs die Substanz der belasteten Sache tendenziell auszehrend angreift 1 6 . Als Beispiel diene der Ausgangsfall 1 7 m i t zwei Abwandlungen. Bei dem Grundstück handele es sich u m eine Kiesgrube 1 8 und ihr Restwert sei nach der völligen Ausbeutung so gering, daß er der Einfachheit halber m i t „ N u l l " angenommen w i r d 1 9 . Ihre Substanz ist also nach 20 Jahren v ö l l i g aufgezehrt, denn das Zwanzigfache des jährlichen Reinertrages E N von D M 50 000 ergibt den Wert W S\ der Grube von D M 1 000 0 0 0 2 0 . Wenn E nach 5 Jahren stirbt, ist das Grundstück also noch D M 750 000 wert. W S2 beträgt m i t h i n D M 750 000. !6 Etwa der Nießbrauch an einer Kiesgrube, einem Bergwerk oder einer Ölquelle. 17 Vgl. oben § 7 bei Fn. 1. 18 Ein „exotischeres" Beispiel wäre etwa eine Goldmine. In gewissem Umfang könnte selbst ein Nießbrauch an Goldminenaktien als Beispiel dienen, da die Dividenden der Goldminengesellschaften teilweise den Charakter verdeckter Kapitalrückzahlung haben. Ein anderes Beispiel wäre der Nießbrauch an einem zeitlich befristeten Recht. 19 Etwa weil die Kiesgrube in einem Naturschutzgebiet liegt, so daß nach dem Ende der — bestandsgeschützten — Ausbeutung als Kiesgrube eine andere profitable Nutzungsart ausscheidet. 20 Dabei werden allerdings der Einfachheit halber und zur Verdeutlichung der Besonderheit der Auszehrfälle hier und im folgenden die mit dem jährlich erwirtschafteten 14*
212
§ 9 Kritik
A u c h i m Auszehrfall führt Dieckmanns
Lösung dazu, daß bei der Berechnung
des ergänzungspflichtigen Wertes einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt die tatsächlich
eingetretenen (Auszehr-)Wertverluste der Sache sich nicht zum
Nachteil des Pflichtteilsberechtigten auswirken. Solange sie noch nicht den Wert W N, i m Beispiel also D M 619 200, erreicht haben und W S2 daher noch größer ist als W sι - W N, schmälern sie nicht unmittelbar
den Anspruch des Ergänzungs-
berechtigten, w e i l § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B auch hier nicht zur (für den Pflichtteilsberechtigten nachteiligen) Anwendung kommt. Die Auszehrverluste werden allerdings mittelbar
und aufgrund einer geschätzten ex-ante Betrachtung dadurch
berücksichtigt, daß der Wert des Nießbrauchs v o m Wert der Sache abgezogen wird. I n den Auszehrfällen (und nur bei ihnen) gibt der kapitalisierte Nießbrauch nicht nur die geschätzten Einnahmen des Nießbrauchers an, sondern zugleich den Auszehrwertverlust der Sache während der geschätzten Dauer des Nießbrauchs. M i t jedem Jahresgewinn, i m Beispiel m i t jeden D M 50 000, fällt der Wert der Sache um den gleichen Betrag, i m Beispiel i m ersten Jahr von D M 1 000 000 auf D M 950 000. So w i r d i m Beispiel ex-ante davon ausgegangen, daß E während der Dauer des Nießbrauchs Kies i m Wert von D M 619 200 gewinnt, so daß die Grube bei seinem Tode noch D M 380 800 wert i s t 2 1 . Erst wenn die Wertverluste den Wert W N übertreffen, so daß W S2 geringer ist als W$\ - W N, werden sie nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B unmittelbar, i n ihrem tatsächlichen Umfang und aufgrund einer ex-post Betrachtung erfaßt. Der Wert zur Zeit des Erbfalls W S2 beläuft sich i n diesem Fall auf die Differenz aus W S\ und dem Produkt aus Dauer des Nießbrauchs (t) und seinem Ertrag ( E N ) 2 2 . Der Lösung Dieckmanns
ist demnach bei der Anwendung auf Auszehrfälle
entgegenzuhalten: Der nach ihr v o m Schenkungswert abzuziehende kapitalisierte Nießbrauchswert W N beinhaltet eine ex-ante Schätzung der (Auszehr-) Wertverluste zwischen Schenkung und Erbfall. Für Wertverluste der Sache zwischen Schenkung und Erbfall ordnet das Gesetz aber i n § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B eine ex-post Betrachtung, Dieckmann
nämlich eine exakte Berechnung
an. Z u ihr k o m m t
erst, wenn die Dauer des Nießbrauchs die geschätzte Dauer übertrifft,
so daß das Produkt aus E N und t größer ist als der Wert W N als Produkt aus E N und dem Vervielfältigungsfaktor gemäß Anlage 9 zu § 14 BewG. Hierin liegt ein Verstoß gegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B , wonach Wertverluste den Pflichtteilsberechtigten nur so stark belasten sollen, wie sie bis zum Erbfall tatsächlich eintreten, nicht in der Höhe, in der sie (statistisch) hätten eintreten sollen. Zugunsten von Dieckmanns
Vorschlag könnte man i n den Auszehrfällen daran
denken, daß hier die Wertbewegung v o m Schenker zum Beschenkten bei einem Kapital zu erzielenden Zinsen, die auch bei der Erstellung der Vervielfältiger-Tabelle in Anlage 9 zu § 14 BewG berücksichtigt wurden (vgl. dort), außer Betracht gelassen. 21 Da Zinsen etc. außer Betracht bleiben, gibt der Faktor — stark vereinfacht — nur die Dauer des Nießbrauchs, also die Lebenserwartung des Schenkers an. Im Beispiel hätte E danach noch eine Lebenserwartung von 12,384 Jahren. 22 Es gilt also: W S2 = W SÌ - (t x E N).
I. Hüllenwert bei der Schenkung oder Sachwert beim Erbfall
213
„ z u frühen T o d " des Schenkers „nicht geschenkt" sei, w e i l insoweit keine Einigung über die Unentgeltlichkeit des Vermögensübergangs vorliege. Der Schenker habe damit gerechnet, daß der Beschenkte nur eine stärker wertgeminderte Sache zu lastenfreiem Eigentum erhalte. I m Beispielsfall sei jeder Wert, der dem Beschenkten über D M 380 800 (= W S\ - W N) hinaus zufließe, daher „nicht geschenkt" und somit nicht ergänzungspflichtig 2 3 . Diese Argumentation wäre deshalb falsch, w e i l es lebensfremd ist, bei einem Auszehrfall nur eine Einigung über die Unentgeltlichkeit des Übergangs des Restwertes nach A b l a u f der statistischen Lebenszeit des Schenkers zu unterstellen. Die Parteien einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sind sich auch hier darüber einig, daß der (Rest-) Wert des Gegenstandes i m Zeitpunkt des Todes des Schenkers, wie hoch er auch immer sei, dem Beschenkten unentgeltlich zugewandt sein s o l l 2 4 .
2. Verstoß gegen Gegenleistungsprämisse A u c h Dieckmann selbst scheint zu spüren, daß m i t § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B nicht vereinbar ist, wenn nach seiner Lösung „ i n den meisten Fällen" — aber eben nicht immer—gerechnet wird: „ W e r t des Gegenstandes zur Schenkungszeit abzüglich kapitalisierter dinglicher L a s t " 2 5 . Daher stützt er seine Lösung zusätzlich mit dem Argument, sie beruhe auf der Grundvorstellung, der Beschenkte erbringe m i t dem Nießbrauch eine Gegenleistung 2 6 . Er nähert sich damit dem Vorschlag Johannsens a n 2 7 , der auf diese Eigenschaft der Bestellung des Nießbrauchs abstellt. Konsequenterweise behauptet Dieckmann daher auch — wenngleich zweifelnd — eine Übereinstimmung beider Vorschläge 2 8 . Dies ist aber unzutreffend, wie schon die unterschiedlichen Ergebnisse bei der Lösung des Ausgangsfalls gezeigt haben 2 9 . A u c h wenn Dieckmanns Vorschlag auf der — falschen 3 0 — Gegenleistungsprämisse beruhte, wären seine Ergebnisse i n sich unstimmig. Wenn der Nießbrauch die Gegenleistung des Beschenkten i n einem Wagnisgeschäft ist, muß sein aus ex-ante Sicht ermittelter Kapitalwert immer v o m Wert des Schenkungsgegenstands abgezogen werden, unabhängig davon, wie sich der Wert der Sache 23 Im Beispielsfall also die Differenz aus D M 750 000 (W s bei Tod des E) und D M 380 800 (W H = W Si - W N). 24 Im Beispielsfall also D M 750 000. 25 Soergel (l\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19. Dieckmann rechnet W S\ -W N, es sei denn, diese Differenz sei größer als W S2. 26 Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19. 27 RGRK-Johannsen, § 2325 Rdnr. 22 a.E. 28 Soergel(\\)-Dieckmann, §2325 Rdnr. 19: „So auch ... und wohl auch RGRKJohannsen Rz 22 aE". 29 Vgl. dazu oben § 7 nach Fn. 17 und nach Fn. 28. 30 Der Nießbrauch ist keine Leistung des Erwerbers, vgl. oben § 2 bei Fn. 20 und passim.
214
§ 9 Kritik
i m Zeitraum zwischen Schenkungsvollzug und T o d des Schenkers entwickelt 3 1 . Zusätzliche „echte" Wertverluste müssen dann kumulativ zum Abzug des Nießbrauchs immer über § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B erfaßt werden. Die Ermittlung des Schenkungsanteils bei einem gemischten Geschäft und die Berücksichtigung von Wertverlusten zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten sind von einander unabhängig. Dieser Anforderung w i r d Dieckmanns
Lösung nicht gerecht, w e i l sie
nicht immer zum Abzug des Nießbrauchswertes führt und sich nach ihr Wertverluste erst ab extremer Höhe zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten auswirken. Nach allem ist daher festzuhalten: Dieckmanns
Lösung ist abzulehnen. Sie
führt zu Ergebnissen, die sich m i t § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B , der Norm, auf die er sie gründet, nicht vereinbaren lassen. A u c h unter der — unzutreffenden — Prämisse, der Nießbrauch sei die Gegenleistung des Beschenkten in einem Wagnisgeschäft, lassen sich die Ergebnisse seiner Lösung nicht halten. Er selbst räumt ein, daß seine Lösung noch „nicht bedenkenfrei" i s t 3 2 . Er glaubt, den Bedenken nur bei der Lösung von Problem 2 Rechnung tragen zu müssen, bei Problem 1 aber sein Konzept beibehalten zu können 3 3 . D e m ist entgegenzuhalten: Wenn schon bei den Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, bei denen die Zuwendung des belasteten Gegenstandes nicht mehr i n die 10-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 B G B fällt, „die m i t dem Erbfall einsetzende Lastenfreiheit" als „ergänzungspflichtige Zuwendung" behandelt werden s o l l 3 4 , dann erst recht bei denen, bei denen der V o l l z u g noch i n diese Frist fällt. Zuwendungen innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B dürfen nicht in einem Punkt ergänzungsfest sein, der bei einer Zuwendung außerhalb der Frist eine Ergänzungspflicht auslöst.
3. Lösungsvariante, die den Nießbrauch ex-post berechnet Sostmann folgt prinzipiell dem Lösungsansatz 35 Dieckmanns.
Er ermittelt aber
W N nicht ex-ante nach der Lebenserwartung des Schenkers, sondern ex-post nach der tatsächlichen Nießbrauchsdauer. Die meisten Kritikpunkte gegen die Lösung Dieckmanns gelten auch hier. Lediglich die Auszehrfälle werden nach der Variante Sostmanns zutreffender gelöst. Hier würde nach Sostmann die Differenz aus W S\ und W N immer genauso groß sein wie W s236. Es wäre also immer W S\ - W N 31 Das dürfte unbestreitbar sein, da ja überhaupt nur in Höhe der Differenz aus Wj] und W N, im Ausgangsfall also in Höhe von D M 380 800, eine unentgeltliche Zuwendung vorläge. Denn W Ny im Ausgangsfall also D M 619 200, wäre kompensierende Gegenleistung des Erwerbers. 32 Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19. 33 Dieckmann, a.a.O. 34 So Dieckmann, a.a.O. 35 Sostmann, RhNK 1976, 503. 36 Es gilt nach der Variante Sostmanns wie bei Dieckmann auch: Y = W sι - W N oder Y = Ws2· Mit jedem Jahr, das der Erbfall später eintritt, ist W S2 um E N gemindert, W N
I. Hüllen wert bei der Schenkung oder Sachwert beim Erbfall
215
maßgebend 3 7 . Es würde also stets, wie das auch von § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B angeordnet wird, eine exakte Berechnung der zu berücksichtigenden Wertverluste vorgenommen und nicht wie bei der Lösung Dieckmanns
bis zu einem gewissen
Punkt eine ex-ante Schätzung 3 8 . I n diesem Punkt ist die Variante Sostmanns also der Lösung Dieckmanns
überlegen.
Trotz der aufgezeigten Überlegenheit des Vorschlags Sostmanns ist allein die Auffassung der herrschenden Meinung in sich geschlossen und konsequent. Rechtfertigen läßt sich ein Abzug des Nießbrauchs wertes W N v o m Sachwert W s nur, wenn W N nicht geschenkt wurde, da sonst auch insoweit Ansprüche nach § 2325 B G B begründet sein müßten. Unter der Annahme, die Parteien hätten W N nicht als geschenkt angesehen, sondern als Abzugsposten von W s39,
muß
man m i t der herrschenden Meinung von derjenigen Lebenserwartung des Schenkers ausgehen, die nach der übereinstimmenden Ansicht der Parteien des Schenkungsvertrages bei dessen Abschluß gegeben w a r 4 0 . Denn die Parteien müssen den Wert ihrer Leistungen vereinbaren 4 1 . Das können sie nur bis zum Schenkungsvollzug, nicht mehr beim Erbfall des Schenkers. Bei der Vereinbarung kennen sie also nicht die tatsächliche Lebensdauer des Schenkers, sondern müssen von einer bestimmten Lebenserwartung ausgehen. Sostmann verkennt das entscheidende Gewicht des Parteiwillens bei der Wertbestimmung der vertraglichen Leistungen 4 2 . Ob und was „geschenkt" ist, bestimmen weitgehend die Parteien. Wenn die tatsächliche Entwicklung davon abweicht, darf das den Vertragstypus nicht berühren. Dieses Erfordernis verlangt, aber um E N erhöht. Das Verhältnis zwischen - W N) und W S2 bleibt also stets gleich. Vgl. die Variante Kiesgrube des Ausgangsfalls: Zunächst ist W s D M 1 000 000 und W N 0. Bei einem Erbfall nach 1 Jahr ist W S2 D M 950 000 und W sl - W N ebenfalls, da W N ex-post D M 50 000 beträgt. Beim Erbfall nach 2 Jahren belaufen sich W S2 und W Si - W N jeweils auf D M 900 000 usw. 37 Da W s2 nie kleiner wäre als W S\ - W N, sondern immer gleich groß. 38 Da gilt: W S\-W N = W S2, sind stets die gleichen Ergebnisse gewährleistet, die eine reine Anwendung des § 2325 Abs. 2 BGB ohne jeden Abzug von W N auch erzielte. 39 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, mit welcher Argumentation man diese Annahme begründet, ob mit der von Dieckmann oder mit einer anderen; vgl. zu ihnen oben § 7 I 1 und 2. 40 So von den oben § 7 Fn. 12 und 26 Genannten besonders deutlich W. Meyer, 329. — Nach einem Urteil des OLG Breslau vom 19. Nov. 1906, SeuffBl. Bd. 72 (1907) 18; zustimmend H. Meyer ebenda, kann nicht von einer Schenkung ausgegangen werden, wenn ein 77jähriger ein Haus auf Leibrentenbasis verkauft, die in 9 Jahren den ganzen Wert abdecken würde, selbst wenn er bereits nach 23A Jahren stirbt und dies der Tabelle des Erbschaftsteuergesetzes entspricht. Denn es sei „das Natürlichste, daß der Veräußerer gehofft habe, noch recht lange zu leben". Für eine Schenkungsabsicht sei daher nichts erkennbar. — Heute ist der Multiplikator nach Anlage 9 zu § 14 BewG 5,028; die Lebenserwartung nach der Sterbetafel 1970 ist 6,4 Jahre, Schneider/Schlund/Haas, 137. Vgl. oben § 5 nach Fn. 130. 42 So auch der BGH, 8. April 1968, I I I ZR 49/66; S. 12 (unveröffentlicht): „Diese Betrachtungsweise ist indessen zu eng und wird zumindest in aller Regel dem Partei willen nicht gerecht".
§ 9 Kritik
216
daß bereits bei Vertragsschluß feststeht, inwieweit bei einer gemischten Schenkung ein entgeltliches Geschäft vorliegt und inwieweit ein unentgeltliches. Unvereinbar hiermit wäre es, wenn erst Jahre nach dem V o l l z u g des Vertrages, beim Erbfall des Schenkers, entschieden werden könnte, ob nun ein entgeltlicher Vertrag vorlag oder eine gemischte Schenkung 4 3 . Zudem sind die Ergebnisse der herrschenden Meinung von ihrem Ansatz aus auch billig. Nach § 2325 B G B kann Pflichtteilsergänzung nur wegen einer „Schenkung" verlangt werden. Damit erkennt das Gesetz an, daß die Privatautonomie der Parteien und ihre Wertbestimmung innerhalb gewisser Grenzen 4 4 Vorrang vor den objektiven Wertverhältnissen haben. Sonst müßte es Pflichtteilsergänzungsansprüche immer dann gewähren, wenn bei einem Geschäft zwischen dem Erblasser und einem Dritten objektiv eine Wertdifferenz besteht. So gesehen führt die auf die Lebenserwartung abstellende herrschende M e i nung auch dann nicht zu Ergebnissen, die mit dem Gerechtigkeitsgedanken der §§ 2325 ff. B G B unvereinbar sind, wenn der Schenker überraschend ganz kurz nach dem V o l l z u g stirbt 4 5 . Der Wert des Nießbrauchs ist zwar i n diesem Fall objektiv geringer, als die Parteien bei Vertragsschluß annahmen. Diese Differenz zum angenommenen Wert des Nießbrauchs erhöht aber nicht den Wert der Schenkung, da insoweit keine Einigung der Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung vorliegt. Es wäre i m Gegenteil unbillig, die außergewöhnlich kurze — oder lange — Nießbrauchsdauer ergänzungserhöhend — oder ergänzungsmindernd — zu berücksichtigen 4 6 . Es bestünde ein WertungsWiderspruch i m Vergleich zu den Fällen, i n denen sich ebenfalls nach Vertragsvollzug und unvorhersehbar für die Parteien deren Bewertungen als falsch erweisen, w e i l neue Umstände — aus der Sicht der Parteien zufällig oder schicksalhaft — eintreten.
I I . Niedererer Sachwert abzüglich Nießbrauch Nach Dippel, Meyer und Johannsen 47 sowie dem Bundesgerichtshof 48 w i r d der ex-ante ermittelte Kapitalwert des Nießbrauchs W N v o m Sachwert W s des unter Nießbrauchs vorbehält verschenkten Gegenstandes abgezogen. Ob der 43 So aber Schopp, Rpfleger 1956, 120 f. 44 Vgl. hierzu oben § 5 nach Fn. 137. 4 5 So aber Sostmann, RhNK 1976, 503. 4 6 Auf dieses Ergebnis läuft aber die Ansicht von Sostmann, RhNK 1976, 503 und Schopp, Rpfleger 1956, 120 f. hinaus. — Etwas anderes gilt freilich, wenn die — verglichen mit der statistischen — außergewöhnlich lange oder kurze Nießbrauchsdauer von den Parteien erwartet worden war, etwa wegen einer schweren Krankheit des Schenkers. Das berücksichtigt die h.M. aber schon mittels der tatrichterlichen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls, vgl. oben § 7 I bei und in Fn. 15. 47 Vgl. oben § 7 I 2. 4 « Vgl. oben § 7 I I 1.
II. Niedererer Sachwert abzüglich Nießbrauch
217
Sachwert bei der Schenkung W Si oder beim Erbfall W S2 Minuend ist, entscheidet § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B : W N w i r d v o m niedrigeren Wert subtrahiert. Diese Lösung kann nicht überzeugen. Sie muß zu Unrecht davon ausgehen, daß bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nur der Hüllenwert W H „geschenkt" ist (1.). Sie führt in den Auszehrfällen zu v ö l l i g uneinsichtigen Ergebnissen (2.). Die für sie vorgebrachten, untereinander abweichenden Begründungen überzeugen nicht (3.-5.).
1. Unrichtiger Ausgangspunkt Gegen diese Auffassung spricht, daß sie unabhängig von ihrer Begründung davon ausgehen muß, nur W H als Differenz aus W s und W N sei geschenkt. W s kann nach ihr hingegen nicht geschenkt sein, w e i l dann nach § 2325 B G B wegen einer Schenkung i m Wert von W s Pflichtteilsergänzungsansprüche begründet würden, nicht nur wie nach dieser Auffassung wegen einer i m Wert W s - W N. Dieser Ausgangspunkt ist unzutreffend. Infolge der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt fließt der gesamte Sachwert W s aus dem Vermögen des Schenkers ab und ist i m Zeitpunkt des Erbfalls i m Vermögen des Beschenkten. Geschenkt ist also W s, nicht nur W H. I m Zeitpunkt des Vollzugs geht zwar zunächst nur W H über, dieser Wert w i r d aber i m Laufe der Zeit ständig größer und erreicht beim Erbfall den Wert W s49. Für die Pflichtteilsergänzung ist der Zeitpunkt des Erbfalls der entscheidende, wie die §§ 2311 und 2317 B G B sowie § 2325 Abs. 1 B G B und sein häufig erwähnter Grundsatz 5 0 zeigen. Die von § 2325 Abs. 1 B G B angeordnete hypothetische Eliminierung der Schenkung vergleicht nämlich die reale Lage zur Zeit des Erbfalls mit der Lage, die zur Zeit des Erbfalls bestünde, wenn die Schenkung nicht erfolgt wäre. Eine Ausnahme hiervon macht nur der hier nicht zu beachtende § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B für Wertsteigerungen der Sache, die (erst) erfolgen, wenn die Sache (schon) i m Eigentum des Beschenkten steht. Wenn die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt eine Schenkung des gesamten Sachwertes W s ist, kann entgegen der zu kritisierenden Auffassung bei der Berechnung des ergänzungspflichtigen Weites Y W N nicht von W s abgezogen werden.
49 Vgl. dazu oben § 2 I I und III. so Vgl. Motive bei Mugdan , V 240 = Motive , V 451 a.E.: Es gilt der Grundsatz, „daß der Berechtigte Schenkungen des Erblassers nicht gegen sich gelten zu lassen braucht, wenn ihm nicht so viel hinterlassen ist, als der Pflichtteil betragen würde, wenn das Verschenkte sich zur Zeit des Erbfalls noch im Nachlasse befände.
§ 9 Kritik
218
2. Unstimmige Ergebnisse in Auszehrfällen Unabhängig davon ist dieser Ansatz aber auch aus einem anderen Grund abzulehnen. Die Normalfälle werden nach i h m zwar konsequent gelöst. Unter der Prämisse, bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sei nur W H geschenkt, ist es bei ihnen folgerichtig, für die Berechnung des Wertes der ergänzungspflichtigen Schenkung den Kapitalwert des Nießbrauchs W N v o m Wert des Gegenstandes abzuziehen und dabei zusätzlich Wertveränderungen des Gegenstandes über § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten zu berücksichtigen. Bei den seltenen Auszehrfällen führt dieser Vorschlag aber zu unstimmigen Ergebnissen. Hier bewirkt er, daß ein und dieselbe Folge der Ausübung des Nießbrauchs, der Wertverlust infolge Substanzauszehrung, zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten doppelt erfaßt wird. Die tatsächlich erfolgte Auszehrung durch den beendeten Nießbrauch w i r d zum einen unmittelbar über § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B , also mittels einer ex-post Betrachtung, berücksichtigt, w e i l die Sache durch sie an Wert verliert, so daß W S2 kleiner ist als
Darüber hinaus w i r d mit
dem Wert des kapitalisierten Nießbrauchs W N auch der Wert v o m Wert des Schenkungsgegenstandes W s abgezogen, der i m Zeitpunkt des Schenkungsvollzugs die geschätzte Auszehrung der Sache durch den Nießbrauch angibt 5 1 . Die Auszehrung w i r d also sowohl m i t dem Wert berücksichtigt, den sie aufgrund einer ex-ante Betrachtung bis zum Erbfall wahrscheinlich erreicht hätte, als auch m i t dem Wert, den sie tatsächlich aus ex-post Sicht erreichte. Diese Auswirkungen soll das bereits eingeführte Beispiel des Nießbrauchs an einer Kiesgrube 5 2 verdeutlichen. Hier führt diese Lösung dazu, daß einmal der Kapitalwert des Nießbrauchs W N, also D M 619 200, v o m Wert der Kiesgrube W s abgezogen wird. Z u m anderen w i r d auch der Wertverlust der Kiesgrube infolge der Auszehrung durch den Nießbrauch nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B berücksichtigt. Da der Wert der Grube mit jedem Jahr der Nießbrauchsausübung um D M 50 000 fällt, wäre bereits nach acht Jahren keine ergänzungspflichtige Zuwendung mehr feststellbar. Nach acht Jahren beträgt W S2 D M 600 000. U n d von diesem Wert müßte noch W N i also D M 619 200, abgezogen werden. Für die Lösung des Falls gilt also: B e i m T o d des E fünf Jahre nach der Schenkung beträgt der Wert der Kiesgrube W S2 noch D M 750 000. V o n diesem Wert ist der Wert des Nießbrauchs W N i n Höhe von D M 619 200 abzuziehen. Der Wert der ergänzungspflichtigen Zuwendung beträgt daher D M 130 800. Τ kann also nach § 2325 Abs. 1 B G B von S wegen einer Schenkung i m Wert von D M 130 800 Zahlung von D M 32 700 verlangen. Das ist ein den Pflichtteilsberechtigten unbillig benachteiligen51
In Auszehrfällen gibt W N nicht wie sonst nur die geschätzten Einnahmen des Nießbrauchers an, sondern stellt spiegelbildlich hierzu zugleich die geschätzten Wertverluste während des Nießbrauchs dar. 52 Vgl. dazu schon oben bei Fn. 17 ff. Die dortigen (Fn. 20) vereinfachenden Annahmen gelten auch hier.
219
II. Niedererer Sachwert abzüglich Nießbrauch
des Ergebnis. Dies zeigt sich besonders deutlich, wenn man den Wert des Nießbrauchs, wie von Sostmann vorgeschlagen, ex-post nach der tatsächlichen Dauer des Nießbrauchs berechnet 5 3 . Hier w i r d die unbillige Belastung des Pflichtteilsberechtigten offensichtlich, w e i l ein und dieselbe Tatsache — Wertverlust infolge Substanzauszehrung — zu seinen Ungunsten auch betragsmäßig exakt doppelt erfaßt w ü r d e 5 4 . 3. § 2311 BGB nicht einschlägig Nicht nur Ausgangspunkt und Ergebnisse, sondern auch die für diese Lösung vorgebrachten Begründungen überzeugen nicht. Dippel verweist auf zwei K o m mentarstellen zu § 2311 B G B 5 5 . V o n dieser Vorschrift kann allenfalls Abs. 1 Satz 1 den Abzug des Kapitalwertes des Nießbrauchs begründen. Danach ist bei der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrundezulegen. Da zum Nachlaß auch die Nachlaßverbindlichkeiten gehören, muß also der Aktivbestand festgestellt werden. Nach dessen Umrechnung i n einen Geldbetrag ist dieser u m den Betrag der Passiven zu kürzen. Bei dieser Kürzung sind, worauf die beiden von Dippel
angezogenen
Kommentarstellen hinweisen, Verbindlichkeiten, die auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sind, m i t ihrem Kapitalwert abzusetzen. Bei Renten sollen insoweit versicherungstechnische Grundsätze zum Tragen k o m m e n 5 6 . Dippels Hinweis auf zwei Kommentarstellen zu § 2311 B G B muß so gedeutet werden, daß er m i t § 2311 Abs. 1 Satz 1 B G B und den danach geltenden Grundsätzen bei Verbindlichkeiten, die auf wiederkehrende Leistungen gerichtet sind, begründen w i l l , daß bei der Ermittlung des ergänzungspflichtigen Schenkungs53 Sostmann, RhNK 1976, 503. Vgl. oben § 7 bei Fn. 16 und soeben oben bei Fn. 35 ff. 54 Nach der ex-post Variante würde wie sonst auch gelten: Y = W S2 - W N. Mit jedem Jahr, das der Erbfall später eintritt, sinkt aber hier W S2 um E N und erhöht sich W N um E N. Die Differenz sinkt also mit jedem Jahr um 2 E N. Vgl. die Variante Kiesgrube des Ausgangsfalls: Erbfall nach 1 Jahr: Y = W S2-W N = D M 900 000. Erbfall nach 2 Jahren γ = W S2-W N = D M 800000 usw.; der Auszehrverlust beträgt D M 50000 per anno. 55 Dippel, 38 in Fn. 4 verweist auf Palandt(\912)-Keidel, § 2311 Anm. 3 a.E. (von Palandt-Edenhofer, § 2311 Anm. 2 a a.E. übernommen) und auf Staudinger (11 )-Ferid, § 2311 Rdnr. 38 und 51 (ebenso noch Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, § 2311 Rdnr. 22 und 63). 56 In dem von beiden Kommentaren erwähnten Urteil des RG vom 10. Januar 1910, Ζ 72, 379 ff., 382 war der Nachlaß zugunsten der Witwe des Erblassers mit einer auf deren Lebenszeit zu gewährenden Rente belastet. Das RG führte aus, daß bei dieser Belastung nur die Dauer des Rentenbezugs ungewiß sei, nicht auch das Recht selbst. Sei mithin die Ungewißheit nur eine tatsächliche, könne dies dadurch behoben werden, daß der Wert der Rente nach versicherungstechnischen Grundsätzen durch Schätzung ermittelt werde. Der Rentenwert sei daher nach der vermutlichen Lebenszeit der Witwe zu berechnen, wobei individuell nach den bekannten Gesundheits- und Lebensverhältnissen zu schätzen sei und nur aushilfsweise nach den Schätzungsvorschriften des Erbschaftsteuergesetzes.
§ 9 Kritik
220
wertes Y bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt W N von W s abzuziehen ist. Dies ist indes unhaltbar. Dippel
verkennt, daß die Situation beim Erbfall
nach dem lebzeitigen V o l l z u g einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt von der von den Ausführungen zu § 2311 B G B gemeinten v ö l l i g verschieden ist. Bei § 2311 B G B geht es u m die Frage, welchen Wert ein Nachlaß mit dem Wert X hat, der m i t einer bestehenden Nachlaßverbindlichkeit i n Form etwa einer Leibrente oder einer anderen Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen belastet ist. Hier w i r d zutreffend der Kapitalwert dieser Verbindlichkeit gebildet. Er ist von X abzuziehen. Die Differenz ergibt den nach § 2311 B G B maßgeblichen Nachlaßwert. Der Nießbrauch, der durch eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt entsteht, ist demgegenüber beim Erbfall des Schenkers und Nießbrauchers nach § 1061 B G B erloschen, kann also gar keine Nachlaßverbindlichkeit mehr darstellen. § 2311 Abs. 1 Satz 1 B G B und die von Dippel
angefühlten Zitate
können somit bei der Lösung des Problems von Vorbehaltsschenkungen i m Rahmen der Pflichtteilsergänzung nicht weiterhelfen.
4. Nießbrauch keine Gegenleistung Johannsen begründet den Abzug des Nießbrauchs damit, daß bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt die Einräumung des Nießbrauchs eine, wenn auch ungleichwertige, synallagmatische Gegenleistung des Beschenkten sei 5 7 . Es läge somit bei einer Einigung über die unentgeltliche Zuwendung der Differenz aus W s und W N, für deren Vorliegen eine tatsächliche Vermutung streite, eine gemischte Schenkung vor. Der Wert des Nießbrauchs w i r d also v o m Wert der Sache abgezogen, weil sich beide Werte als — ungleichgewichtige — Leistungen gegenüberstehen und nur die Wertdifferenz unentgeltlich zugewendet wird. Diese Argumentation ist indes nur eine besondere Ausprägung des allgemeineren Ausgangspunktes, bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sei nur der Hüllenwert geschenkt. Dieser ist, wie gezeigt wurde, unzutreffend 5 8 . Die Einräumung des Nießbrauchs bei einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt w i r d nicht v o m Erwerber vorgenommen, sondern v o m Veräußerer. Sie kann daher keine Leistung des Erwerbers
sein, erst recht keine teilweise
synallagmatische
Gegenleistung 5 9 . Die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist keine gemischte 57 Vgl. RGRK-Johannsen, § 2325 Rdnr. 22 a.E. und oben § 7 I 2. 58 Vgl. oben unter 1. 59 Vgl. oben § 2 bei Fn. 20 und passim. — Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß Johannsen an anderer Stelle selbst sieht, daß bei einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt der Nießbrauch „kein eigentliches Entgelt" ist, sondern „wirtschaftlich gesehen" aus dem Vermögen des Übertragenden stammt, weil das Eigentum „nicht im vollen Umfang auf den Erwerber übergeht", vgl. RGRK-Johannsen, § 2113 Rdnr. 29 zu unentgeltlichen Verfügungen eines Nacherben. Dort wertet er isolierte Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt auch nicht als gemischte Schenkungen, die er an anderer Stelle behandelt, a.a.O., Rdnr. 30, sondern als (voll) unentgeltliche Verfügungen (ebenso der BGH, 13. März 1952, IV ZR 101/51, S. 6 - unveröffentlicht -).
II. Niedererer Sachwert abzüglich Nießbrauch
221
Schenkung, sondern reine Schenkung nach § 516 B G B 6 0 , so daß nichts für einen Abzug des Nießbrauchswertes spricht.
5. Nießbrauch beim Erbfall keine Wertminderung W. Meyer
61
begründet die Lösung damit, daß der vorbehaltene Nießbrauch
für den Beschenkten zu einer dauernden Wertminderung des verschenkten Gegenstandes führe. A u c h diese Begründung vermag nicht zu überzeugen. Sie hat nur isoliert den Zufluß ins Vermögen des Beschenkten i m Zeitpunkt der Übertragung i m Auge. Bezogen auf diesen Zeitpunkt trifft Meyers Begründung für den Abzug des Nießbrauchswertes W N zu, daß die Entbehrung der Nutzungen des Gegenstandes den Wert der übertragenen Sache für den Erwerber mindert. M i t dem V o l l z u g der Schenkung, der Übertragung des belasteten Gegenstandes, fließt zunächst w i r k l i c h nur der Wert W H aus dem Vermögen des Schenkers in das des Beschenkten; der Wert W N verbleibt noch beim Schenker. Den Grundwertungen des Pflichtteilsergänzungsrechtes w i r d jedoch nur eine Lösung gerecht, die auf den Zeitpunkt des Erbfalls und auf den Abfluß aus dem Vermögen des Schenkers abstellt. Bei § 2325 B G B , der dem Pflichtteilsberechtigten wegen Schenkungen des Erblassers gegen den Erben einen Anspruch gibt, kann es schon von der ratio legis her nicht auf die Bereicherung des Beschenkten ankommen, sondern muß die Entreicherung des Nachlasses durch die Schenkung Maß geben 6 2 . Daß grundsätzlich i m gesamten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsrecht der Zeitpunkt des Erbfalls entscheidend ist, zeigen die §§ 2311, 2317 und § 2325 Abs. 1 B G B , von denen § 2325 Abs. 2 B G B nur eng begrenzte'Ausnahmen zuläßt. Der Gesetzgeber wollte m i t Hilfe des § 2325 B G B den Pflichtteilsbe60 Vgl. oben § 2 I 2 d). 61 W. Meyer, 328 f. und zu ihm vgl. oben § 7 I 2 c). 62 Ebenso Giesen, 139: „Der Umfang des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wird allein durch die Werte bestimmt, die tatsächlich den Nachlaß vermindert haben". Vgl. auch Staudinger (11 )-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff. § 27 Rdnr. 12 a.E. zum (umgekehrten) Fall, daß der Zufluß beim Beschenkten größer ist als der Abfluß aus dem Nachlaß (Lebensversicherung): „Ob für die aufgeopferten Nachlaßgüter dem Dritten ... höhere Werte zufließen", geht die Pflichtteilsberechtigten nichts an. Auf diese Werte „steht ihnen kein Anrecht zu, denn diese ... haben den Nachlaß nicht gemindert." — Aus diesem Grund mindern die Kosten des Geschenkes für den Beschenkten nicht den Anspruch aus § 2325 BGB gegen den Erben, sondern nur seine — beim nach § 2329 BGB gegen ihn selbst gerichteten Anspruch maßgebende — Bereicherung, so bereits ausdrücklich das RG mit Urteil vom 3. Feb. 1908, Recht 1908, Nr. 994 = WarnR 1908, Nr. 205. A.M. (auch bei § 2325 BGB Abzug der Aufwendungen) soweit ersichtlich nur W. Meyer, 330. Sein Hinweis auf Planck-Greiff, § 2325 Anm. 3 b geht aber fehl. Dieser ist unter Hinweis auf das /?G-Urteil der hier vertretenen Auffassung. Ebenso MünchKomm-Frank, § 2329 Rdnr. 10; Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2329 Rdnr. 23 und § 2325 Rdnr. 71; Soergel (U)-Dieckmann, § 2329 Rdnr. 5 und RGRK-Johannsen, § 2329 Rdnr. 9 und 12, der zutreffend darauf hinweist, daß der Beschenkte sich insoweit aus dem bei der Zwangsvollstreckung in das Geschenk erzielten Erlös vorweg befriedigen kann.
222
§ 9 Kritik
rechtigten so stellen, wie er ohne die Schenkung stünde 6 3 . Dies kann aber nur durch einen Vergleich des wirklichen Nachlaßwertes zur Zeit des Erbfalls mit dem fiktiven Nachlaß, wie er ohne die Schenkung wäre, erreicht werden. Stellte Meyer auf den zutreffenden Zeitpunkt des Erbfalls ab, müßte er konstatieren, daß sich zu diesem Zeitpunkt als Folge der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt i m Nachlaß nichts mehr v o m verschenkten Gegenstand m i t dem Wert W s befindet und daß auch nichts anderes dafür hineingelangt ist, das ohne die Schenkung nicht auch i m Nachlaß wäre. I m Ausgangsfall ist der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls D M 1 000 000. Ohne die Schenkung wäre er genauso h o c h 6 4 , zusätzlich befände sich aber auch das Grundstück m i t dem Wert W s2 von D M 900 000 i m Nachlaß. Meyers Begründung ist also unzutreffend, w e i l die festgestellte Wertminderung durch den vorbehaltenen Nießbrauch i m maßgeblichen Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr zutrifft.
I I I . Sachwert beim Erbfall Nach Speckmann, Hinke, von Koch und Reuter 65
w i r d bei einer Schenkung
unter Nießbrauchsvorbehalt der verschenkte Gegenstand i m Sinn des § 2325 B G B erst i m Zeitpunkt des Erbfalls geleistet. Einen v o m Erbfall abweichenden Schenkungszeitpunkt kann es nach dieser Ansicht also nicht geben. B e i m Erbfall ist der Nießbrauch bereits erloschen (§ 1061 B G B ) . Nach dieser Meinung ist somit immer der Wert der Sache zur Zeit des Erbfalls W S2 ohne irgend einen Abzug für den Nießbrauch ergänzungspflichtig. A u c h diese Lösung vermag nicht zu überzeugen. Ihr ist darin zuzustimmen, daß sie die Lage zur Zeit des Erbfalls als grundsätzlich maßgeblich erachtet. Ihre Befürworter erkennen die Möglichkeiten, m i t Hilfe von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt die Rechtsstellung des Pflichtteilsberechtigten zu entwerten 6 6 , die die anderen Auffassungen m i t dem Abzug des Nießbrauchs v o m Sachwert einem geschickten und rücksichtslosen Erblasser einräumen. Sie schie63 Vgl. die Motive bei Mugdan , V 240 = Motive, V 451: „Der Entwurf gelangt zu dem Grundsatz, daß der Berechtigte Schenkungen des Erblassers nicht gegen sich gelten zu lassen braucht, wenn ihm nicht so viel hinterlassen ist, als der Pflichttheil betragen würde, wenn das Verschenkte sich zur Zeit des Erbfalls noch im Nachlasse befände." Den Blick auf die Sachlage, die bei einer hypothetischen Eliminierung der Schenkung bestünde, wählt auch das LG Landau als Methode, 27. Nov. 1911, SeuffBl. Bd. 77, 235 ff. 64 Das gilt sowohl im Konsum- wie im Sparfall, vgl. dazu oben § 2 Fn. 108. Gab der Nießbraucher die Einnahmen der Nutzung für seinen Unterhalt aus, hätte er das im Nichtschenkungsfall als Eigentümer auch getan. Und sparte er sie zur Vermögensbildung, hätte er das als Eigentümer auch getan. 65 Vgl. zu ihnen oben § 7 I 3. 66 So ausdrücklich Speckmann, NJW 1970, 1638 und 1978, 359 sowie Hinke, 58. Auf die Verhinderung der Benachteiligungsabsicht stellen aber auch von Koch, MittBayNot 1975, 123 und Reuter, JuS 1971, 293 für ihre Auffassung ab.
III. Sachwert beim Erbfall
223
ßen aber über ihr Ziel, einen angemessenen Schutz des Pflichtteilsberechtigten durch den Nichtabzug des Nießbrauchswertes sicherzustellen, hinaus, wenn sie meinen, die Leistung erfolge bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt erst m i t dem Wegfall des Nießbrauchs, vorher erbringe der Schenker „ k e i n ins Gewicht fallendes Vermögensopfer" 6 7 .
1. Vom Erbfall abweichende Schenkungszeit Diese Ansicht w i r d der juristischen und ökonomischen Realität der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht gerecht. Besonders letzteres muß überraschen, da sich ihre Anhänger gerade auf den wirtschaftlichen Aspekt berufen 6 8 . Es ist aber nicht so, daß nach einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt erst beim Erbfall eine Wertbewegung v o m Schenker/Erblasser zum Beschenkten stattfindet und vor diesem Zeitpunkt alles beim alten bleibt. W i e aufgezeigt w u r d e 6 9 , fließt unmittelbar mit der Übertragung des belasteten Gegenstandes der Wert W H der belasteten Sache als Differenz aus dem Wert der Sache W S\ und dem Wert des Nießbrauchs W N aus dem Vermögen des Schenkers in das des Beschenkten. U n d dieser Wert ist in aller Regel ein nennenswertes Vermögensopfer 7 0 . Er kann bei hohem Alter des Schenkers oder bei Gegenständen, die einen hohen Substanz-, aber niedrigen Nutzungswert haben 7 1 , durchaus nahe an den Wert der Sache W Si herankommen 7 2 . Da zudem nach der Übertragung sofort 67 So wörtlich Speckmann, NJW 1970, 1638 und 1978, 359. Ganz ähnlich Hinke, 58: „ . . . ohne daß für ihn hiermit eine besondere Belastung verbunden ist. Denn wirtschaftlich verbleibt der Gegenstand in seinem Vermögen". 68 Speckmann, NJW 1978, 358 f. und Hinke, 58. — Daß der gestreckte Erwerb auch wirtschaftliche Realität ist, dazu vgl. oben § 2 bei Fn. 72. 69 V g l . o b e n § 2 .
70 So beträgt der Hüllenwert im Ausgangsfall D M 380 800, etwa 2/s des Sachwertes, obwohl der Nießbrauch des erst 50jährigen E einen hohen Wert hat. — Vgl. auch BGH, 5. Juli 1972, Ζ 59, 343, 347, der zu § 2287 BGB ausführt, daß auch eine „wirtschaftliche Betrachtung nicht daran vorbeikommt, daß der Erblasser auch bei Vorbehalt von Schenkungs- und Nutzungsrechten den Vermögensgegenstand und damit ein Vermögensopfer erbracht hat". Nach Damrau, JR 1984, 113, hindert ein vorbehaltener Nießbrauch nicht die Anwendung des § 419 BGB, der die Übernahme des Vermögens eines anderen voraussetzt. Der Vorbehalt sei „vielmehr Ausdruck dafür, daß das wesentliche Vermögen . . . übergegangen ist". 71 Zu denken ist etwa an unbebaute, aber bebaubare Grundstücke in Innenstadtlagen, die als entgeltliche Parkplätze genutzt werden, oder an sehr niedrig verzinsliche langfristige Anleihen, deren Nominalwert in Hochzinszeiten weit über dem aktuellen Kursniveau liegen. 72 Ist E im Ausgangsfall nicht 50 sondern 90 Jahre alt, beträgt W N nicht D M 619 200, sondern nur D M 119 700. Vom Wert W sι von D M 1 000 000 fließen somit D M 880 300 sofort als W H in das Vermögen des S ! Und ist der jährliche Ertrag des Grundstücks E N nicht D M 50 000, sondern nur D M 5 000, dann beträgt W N nicht D M 619 200, sondern nur D M 61 920. Von dem Verkehrswert von D M 1 000 000 fließen also D M 938 080 als W H sofort in das Vermögen des S !
224
§ 9 Kritik
eine fließende Wertbewegung einsetzt, kann bei hohem Alter des Schenkers und Übertreffen der statistischen Lebenserwartung der Wert, der kurz vor dem Erbfall noch in seinem Vermögen ist, sehr gering sein. Dieses v o m Schenker vor dem Erbfall erbrachte Vermögensopfer nicht zur Kenntnis zu nehmen, macht die zu erörternde Lösung angreifbar. Sie stellt hierdurch die Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt den auf den T o d des Schenkers
aufschiebend
befristeten,
vorbehaltslosen
Schenkungen
völlig
g l e i c h 7 3 . Dies ist aber nicht richtig, da sich beide Schenkungstypen nur i n ihren Auswirkungen beim Erbfall gleichen. Bei den Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt gibt es anders als bei aufschiebend auf den T o d befristeten Normalschenkungen eine v o m Erbfall verschiedene Schenkungszeit. Es ist der Zeitraum v o m V o l l z u g bis zum Erbfall, über den sich der dreistufige gestreckte Erwerb des Beschenkten nach einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt vollzieht. Die Befürworter der Rückverlegung des Fristenlaufs auf den Erbfall verkennen somit das Phänomen des gestreckten Erwerbs bei Vorbehaltsschenkungen.
2. Verstoß gegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB Infolge dieser Fehleinschätzung geht dieser Vorschlag davon aus, daß Schenkungszeit und Erbfall bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt identisch sind. Dies führt dazu, daß § 2325 Abs. 2 B G B bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt nie zur Anwendung kommt, sondern immer der Wert des Gegenstandes zur Zeit des Erbfalls W S2 Maß gibt. Dies verstößt gegen Sinn und Zweck des § 2325 Abs. 2 B G B und führt so bei Wertsteigerungen zwischen Übertragung und Erbfall zu unrichtigen Ergebnissen 7 4 . Nach § 2325 Abs. 2 B G B 7 3 Vgl. dazu oben § 2 bei Fn. 90 ff. Die teilweise Gleichheit in den Auswirkungen begründet den Nichtabzug des Nießbrauchswertes, nicht aber die Nichtanwendung des § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB (vgl. unten § 10 bei Fn. 10. ff. und 118 ff.). 74 Dieser Fehler kommt beim Ausgangsfall im Ergebnis nicht zum Tragen, weil dort keine Wertsteigerung, sondern ein Wertverlust vorliegt, so daß auch nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB W S2 maßgeblich ist. Bei Wertsteigerungen wirkt sich die fehlerhafte Nichtanwendung von § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB aber aus und bevorzugt den Pflichtteilsberechtigten zu Unrecht. Hätte beispielsweise im Ausgangsfall der Wert des Grundstücks zwischen Schenkungsvollzug und Erbfall von D M 1 000 000 auf D M 1 100 000 zugenommen, so ist nach dieser Lösung W S2, also D M 1 100 000, der Wert der ergänzungspflichtigen Zuwendung, so daß Τ von S deswegen nach § 2325 BGB Zahlung von D M 275 000 verlangen kann. Demgegenüber ist, wendet man § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB an, W sl, also D M 1 000 000, der ergänzungspflichtige Schenkungswert, so daß Τ von S wegen der Schenkung nach § 2325 BGB nur Zahlung von D M 250 000 verlangen kann. Zwar entspricht die zu kritisierende Lösung dem schon mehrfach angesprochenen Grundsatz der Pflichtteilsergänzung besser, vgl. Motive bei Mugdan, V 240 = Motive, V 451, denn ohne die Schenkung wäre im Nachlaß des E ein Grundstück im Wert von D M 1 100 000. Nach dem klaren Willen des Gesetzgebers sollte der Pflichtteilsberechtigte aber von Wertsteigerungen, die das Geschenk im Eigentum des Beschenkten erfährt, als Ausnahme zum Grundsatz der hypothetischen Eliminierung der Schenkung nicht profitieren,
III. Sachwert beim Erbfall
225
ist nur der niederere Wert der Sache zur Zeit der Schenkung oder des Erbfalls ergänzungspflichtig. Dies soll den Pflichtteilsberechtigten von Wertsteigerungen der Sache nach deren Ausgliederung aus dem Vermögen des Schenkers ausschließen 75 . Das muß auch gelten, wenn wie bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt der eigentliche Schenkungsvollzug zunächst nur zu einer Teilausgliederung führt und der Zeitpunkt der Schenkung den Zeitraum v o m V o l l z u g bis zum T o d des Schenkers umfaßt. Entscheidend ist, daß der Beschenkte Eigentum erhält 7 6 . A u c h bei Schenkungen unter Nießbrauchs vorbehält muß daher bei Wertsteigerungen zwischen Schenkungsvollzug und Erbfall der Wert zur Schenkungszeit W Si 77 und nicht der zur Zeit des Erbfalls W S2 den ergänzungspflichtigen Schenkungswert angeben.
3. Verstoß gegen Grundsatz der Kräftigung in der Zeit Nach § 2329 Abs. 3 B G B haftet unter mehreren Beschenkten der früher Beschenkte nur insoweit, als der später Beschenkte nicht verpflichtet ist. Für die zeitliche Reihenfolge der Schenkungen kommt es auf ihren V o l l z u g a n 7 8 . Die von den Anhängern der zu kritisierenden Ansicht propagierte Rückverlegung des Fristenlaufs für Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt müßte auch für die Haftung der Beschenkten untereinander Maß geben. Sie w i r k t sich damit nicht nur zugunsten des Pflichtteilsberechtigten und zu Lasten von Erben und Beschenkten aus, sondern verschiebt i n bedenklicher Weise auch die Gewichte zwischen mehreren Beschenkten. Überträgt der Erblasser neun Jahre vor seinem T o d ein Hausgrundstück unter Nießbrauchsvorbehalt und ein Jahr vor seinem T o d ein Aktiendepot ohne Vorbehalt, so müßte, wenn der Erbe „nicht verpflich§ 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB. Diesem Gesetzeszweck widerspricht diese Lösung. Sie bevorzugt den Pflichtteilsberechtigten mithin unbillig. 75 Vgl. dazu oben § 5 I I 4 b). 76 Dem Erwerb des Eigentums kommt entscheidendes Gewicht zu. Mit dem Niederstwertprinzip lehnte sich der Gesetzgeber an die Regel „casum sentit dominus" an, soweit er Werterhöhungen der Sache im Eigentum des Beschenkten für ergänzungsneutral erklärte (vgl. oben § 5 bei Fn. 195 ff.). Er wich zugleich davon ab, soweit er Wertverluste der Sache im Eigentum des Beschenkten für ergänzungsschädlich erklärte. Diese Ausnahme von casum sentit dominus beweist aber nur, daß genau mit dem Eigentumswechsel die entscheidende Ausgliederung vorgenommen wird, nach der Wertsteigerungen dem Pflichtteilsberechtigten nicht mehr zugute kommen sollen. 77 Genauer: Der Wert zu Beginn der Schenkungszeit, die bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt den Zeitraum vom Vollzug bis zum Tod des Schenkers erfaßt. Dies ist der Wert zur Zeit der Übertragung. 78 Nahezu allgemeine Meinung, vgl. etwa Soergel (\\)-Dieckmann, § 2329 Rdnr. 6 m.w.N. und — grundlegend — das OLG Hamm, 25. April 1969, NJW 1969, 2148 f. A.M. soweit ersichtlich nur das OLG Köln, 6. Nov. 1906, RheinA 104, I, 62, 65, das auf den Zeitpunkt der Abgabe des Versprechens abstellt. — Etwas anderes soll nach dem BGH aber dann gelten, wenn die Schenkung erst nach dem Erbfall vollzogen wurde, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 283 f. 15 Reiff
§ 9 Kritik
226
tet" ist, nach dem Grundsatz des § 2329 Abs. 3 B G B , nach dem sich die Schenkungen zunehmend m i t ihrem Alter kräftigen, bis sie nach zehn Jahren unangreifbar s i n d 7 9 , primär der Inhaber des Aktiendepots zur Ergänzung herangezogen werden und nicht der Hauseigentümer. Aufgrund der Rückverlegung des Fristenlaufs bei Vorbehaltsschenkungen, die zu einer Identität von Schenkungszeit und Erbfall führt, ist die Schenkung des Aktiendepots die „früher vollzogene" Schenkung. Der Hauseigentümer, der vor neun Jahren das Grundeigentum erworben hat, muß also die Zwangsvollstreckung i n das Grundstück dulden, während der Inhaber der A k t i e n unbehelligt bleibt, obwohl er sie erst vor einem Jahr erhalten hat. Diese Konsequenzen der Lösung können durch das Ziel, den Pflichtteilsberechtigten zu schützen, schon deshalb nicht gedeckt sein, w e i l sie auch die Rangfolge der Verpflichteten untereinander gegen den W i l l e n des Gesetzes neu festlegen. Sie müssen gleichfalls zur Ablehnung dieses Ansatzes führen.
4. Verstoß gegen § 2325 Abs. 3 BGB Schließlich verstößt diese Ansicht auch gegen § 2325 Abs. 3 B G B . Ihren Anhängern geht es primär u m den L a u f der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B bei Vorbehaltsschenkungen. Nach dieser Vorschrift ist eine Schenkung ergänzungsfest, wenn beim Erbfall „zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen sind". Die Befürworter der Rückverlegung des Fristenlaufs meinen, bei Vorbehaltsschenkungen erfolge die Leistung erst beim Erbfall, w e i l erst
dann der
Nießbrauch
erlischt.
Diese
Auffassung
widerspricht
aber
§ 2325 Abs. 3 B G B . Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte. A l s die Zweite Kommission abweichend v o m Ersten Entwurf die Einführung einer Zeitgrenze beschloß, wurde neben der Gesetz gewordenen Ausnahmeregelung für Schenkungen unter Ehegatten 8 0 auch beantragt, bei Schenkungen, bei denen „der Erblasser s i c h . . . das Recht vorbehalten hat, Nutzungen des verschenkten Gegenstandes zu ziehen", die Ausschlußfrist „erst m i t dem Erlöschen des vorbehaltenen ... Rechtes des Erblassers" beginnen zu lassen 8 1 . Der Antrag bezweckte also, genau die Regelung Gesetz werden zu lassen, die die Anhänger der hier zu kritisierenden Lösung i m Wege der Auslegung § 2325 Abs. 3 B G B entnehmen. Der Antrag wurde von der Mehrheit der Zweiten Kommission abgelehnt 8 2 . Er sei „ohne genügenden inneren Grund und ohne Beispiel i n den sonstigen Bestimmungen des Entwurfs" und hätte „eine unnötige Verwickelung des Gesetzes" zur Folge. 79 Vgl. Staudinger (12)-Ferid-Cieslar, § 2329 Rdnr. 46. so § 2325 Abs. 3, 2. Halbsatz BGB: Frist beginnt erst mit Eheauflösung. Zur Vereinbarkeit dieser Bestimmung mit Art. 6 GG vgl. die Nachweise oben § 5 I I 4 c in Fn. 225. si Vgl. die Protokolle bei Mugdan, V 787 f. = Protokolle, V 581. 82 Vgl. die Protokolle bei Mugdan, V 792 = Protokolle, V 588. Entgegen Borrmann, 99 Fn. 2 hat der Gesetzgeber also Fälle des „Auseinanderfallens von Leistungserfolg und Leistungshandlung" bedacht.
IV. § 2301 Abs. 1 BGB
227
I V . § 2301 Abs. 1 B G B Wacke
83
unterstellt vollzogene Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt als
nicht vollzogene Schenkungen von Todes wegen nur § 2301 Abs. 1 B G B . Er hält diesen Schenkungstyp für in besonderem Maße unseriös, w e i l er davon ausgeht, nicht der Schenker erbringe das wirtschaftliche Opfer, sondern erst sein Erbe. Wackes Vorschlag ist abzulehnen. Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt unterscheiden sich in ihren Auswirkungen ganz erheblich von den Schenkungsversprechen unter einer Überlebensbedingung i m Sinn des § 2301 Abs. 1 B G B 8 4 ; eine Analogie k o m m t also nicht in Frage. Wackes Aussagen über die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, die ihn zur Qualifikation der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt als einer nicht vollzogenen Schenkung von Todes wegen führen, sind unzutreffend. Er verkennt den gestreckten Erwerb, wenn er ausführt, bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt gebe der Schenker m i t dem „nackten Eigentum" nur ein „nudum ius" auf, erbringe aber kein wirtschaftliches Opfer. Das ist unzutreffend. W i e gezeigt wurde, geht bereits beim V o l l z u g der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt der Wert W H v o m Schenker auf den Beschenkten über. Dieser stellt — j e nach Fallgestaltung — ein unterschiedlich hohes, stets jedoch ein nennenswertes Vermögensopfer des Schenkers dar. Zudem w i r d der beim Schenker verbleibende Wert W N m i t jedem abgelaufenen Lebensjahr des Schenkers kleiner und erhöht sich in gleichem Maß der Wert der Vermögensposition des Beschenkten, so daß das lebzeitige Vermögensopfer des Schenkers sich m i t jedem Lebensjahr erhöht 8 5 . Dies unterscheidet vollzogene Vorbehaltsschenkungen von nichtvollzogenen Schenkungen von Todes wegen erheblich, da bei diesen vor dem Erbfall aus dem Vermögen des Schenkers kein Abfluß und i n das des Beschenkten kein Zufluß feststellbar i s t 8 6 . Zudem ist der Vorschlag Wackes bedenklich, w e i l er den Beschenkten übermäßig belastet. Der Pflichtteilsberechtigte hat nämlich statt der Ergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. B G B höhere reguläre Pflichtteilsansprüche nach §§ 2303 ff. B G B . Wendet man § 2301 Abs. 1 B G B auf Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt an, bedeutet das zugleich, daß die durch ihren V o l l z u g erfolgten Eigen83 Vgl. zu ihm oben § 7 I 4. 84 Bei einer nicht vollzogenen Schenkung von Todes wegen kann es sich der Schenker bis zu seinem Tod „anders überlegen". Er kann über den „verschenkten" Gegenstand unter Lebenden verfügen (vgl. § 2286 BGB), ohne daß der „Beschenkte" etwas unternehmen kann. Das Vermächtnis ist dann beim Erbfall in der Regel unwirksam (vgl. § 2169 Abs. 1 BGB). Demgegenüber wird der Beschenkte beim Vollzug der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt Eigentümer, zwischen ihm und dem Schenker entsteht das gesetzliche Rechtsverhältnis Nießbraucher — Eigentümer. 85 So auch der BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 286. 86 Kein Abfluß beim Schenker, da der ungekürzte Sachwert in dessen Nachlaß fällt. Kein Zufluß beim Beschenkten, da er als Vermächtnisnehmer vor dem Erbfall keine Anwartschaft auf den Gegenstand hat. 15*
§ 9 Kritik
228
tumsänderungen alle rechtsgrundlos sind. Wahrt die Vorbehaltsschenkung i m Einzelfall nicht die erforderliche Form, fällt der Anspruch des Erblassers gegen den Beschenkten aus § 812 A b s . l Satz 1 , 1 . Alternative B G B in den Nachlaß. Der Nachlaß hat somit wertmäßig i n der Regel keine Einbuße erlitten, so daß der Pflichtteilsanspruch (§§ 2303, 2311 B G B ) gegen den Erben i n der gleichen Höhe besteht wie ohne die Schenkung. Der Pflichtteilsberechtigte geht indes v ö l l i g leer aus, wenn der Anspruch des Nachlasses gegen den Beschenkten rechtlich nicht durchgreift ( § 8 1 8 Abs. 3 B G B ) oder wirtschaftlich wertlos ist ( § 2 3 1 3 Abs. 2 Satz 1 m i t Abs. 1 Satz 1 B G B ) . Der Vorschlag verschiebt also die Haftung für Schenkungen des Erblassers für den Bereich der Vorbehaltsschenkungen entgegen der Absicht der Gesetzesverfasser v o m Erben auf den Beschenkten. Er nähert sich damit dem überholten gemeinrechtlichen Standpunkt der Schenkungsanfechtung a n 8 7 . Der Gesetzgeber bewertet die Interessen des Beschenkten hoch; die „billige Rücksicht" auf sie war ein wichtiger Grund für die Schaffung des § 2325 Abs. 3 B G B 8 8 . Primär soll der Erbe für die lebzeitigen Schenkungen des Erblassers haften, erst sekundär und beschränkt auf seine Bereicherung der Beschenkte 8 9 . Wackes Ansicht führt bei vollzogenen Vorbehaltsschenkungen dazu, daß nur der Beschenkte, der möglicherweise jahrelang gutgläubig Eigentümer war, haftet, der Erbe aber nie. Selbst wenn Wacke so zu verstehen wäre, daß der Wert des Anspruchs gegen den Beschenkten immer dem Nachlaß hinzuzurechnen ist, so daß auch i m Fall des § 818 Abs. 3 B G B oder der Mittellosigkeit des Beschenkten der Pflichtteilsberechtigte den „großen" Pflichtteil erhielte 9 0 , spricht gegen seine Ansicht immer noch, daß sie i n diesem Fall die „Haftungsreihenfolge" des Gesetzes umkehrte, nämlich der Erbe i m Ergebnis nur haftet, wenn der Beschenkte nicht leisten muß oder kann.
V . Sachwert bei der Schenkung oder beim Erbfall Nach dem LG Landau 91 ist der Wert der ergänzungspflichtigen Schenkung Y bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt entweder der Sachwert zur Zeit der Schenkung W S\ oder der zur Zeit des Erbfalls W S2, j e nach dem, welcher Wert niedriger ist. Die Maßgeblichkeit des niedrigeren Wertes ergibt sich aus § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B . Der mangelnde Abzug des Nießbrauchsweites W N w i r d damit begründet, daß zum einen anderenfalls Mißbrauchsmöglichkeiten für 87 Vgl. oben § 5 bei Fn. 120. 88 Vgl. die Protokolle bei Mugdan , V 791 = Protokolle , V 587. 89 Vgl. § 2329 Abs. 1 BGB und die Motive bei Mugdan , V 242 f. und 249 = Motive, V 454-456 und 466 f. 90 So daß der Pflichtteilsberechtigte keinen Nachteil erlitte, wenn der Anspruch des Nachlasses gegen den Beschenkten „leer läuft". 91 Vgl. dazu oben § 7 I I 2.
.
wert bei der Schenkung oder beim Erbfall
229
den Erblasser bestünden und zweitens i m Fall der gedachten Eliminierung der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt der Nachlaß m i t dem Wert X genau den Wert X + W s hätte. Folgt man der Ansicht des LG Landau,
k o m m t man zu einsichtigen, wider-
spruchsfreien Ergebnissen. Sie führt bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt i n den Normalfällen nicht zur partiellen Folgenlosigkeit von Wertverlusten der Sache zwischen V o l l z u g und Erbfall 9 2 . Vielmehr senkt jeder noch so kleine Wertverlust W S2 unter W sι und damit sinkt auch der ergänzungspflichtige Schenkungswert Y . Sie hat auch nicht zur Folge, daß der Pflichtteilsberechtigte i n den Auszehrfällen durch die doppelte Berücksichtigung der Auszehrverluste unbillig belastet w i r d 9 3 . Die Auszehrverluste der Sache werden wie andere Verluste auch über § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B erfaßt, sonst aber nicht. Der Pflichtteilsberechtigte w i r d auch nicht dadurch begünstigt, daß Wertsteigerungen der Sache, die i m Eigentum des Beschenkten erfolgen, entgegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B zur Erhöhung seines Pflichtteilsergänzungsanspruchs führen 9 4 . I m Fall der Wertsteigerung ist nach dem LG Landau
nämlich nicht W S2 der ergänzungspflichtige
Schenkungswert, sondern W S\. Die Begründung des LG Landau
spricht verdienstvollerweise einige bei der
Lösung der pflichtteilsergänzungsrechtlichen Probleme von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt zu beachtende Gesichtspunkte an. Sowohl das „ M i ß brauchsargument" als auch der Hinweis auf den Grundgedanken des Pflichtteilsergänzungsrechts, entscheidend sei der Vergleich der Höhe des Pflichtteilsanspruchs m i t der Höhe, die er ohne die Schenkung hätte, geben wertvolle Hinweise darauf, daß das LG Landau
den pflichtteilsrechtlichen Interessenkonflikt i m
Ergebnis richtig entscheidet. Die Argumentation greift aber letztlich für die Lösung der Problematik zu kurz. Der allein i n pflichtteilsergänzungsrechtlichen Kategorien verlaufende Gedankengang des LG Landau vermag eine eigenständige, nicht nur i m Pflichtteilsrecht verhaftete Begründung nicht zu ersetzen. Der Schlüssel zu ihr liegt i n der Antwort auf die — vorgreifliche — Frage, was bei einer Vorbehaltsschenkung eigentlich geschenkt ist. Sie w i r d jedoch v o m LG Landau nicht gestellt. Die Lösung des Gerichts kann nur richtig sein, wenn Gegenstand einer Vorbehaltsschenkung die unentgeltliche Zuwendung des (Wertes des) unbelasteten Gegenstandes ist, nicht nur die des belasteten, w e i l die Verpflichtung des Erben nach § 2325 B G B nicht weiter gehen kann als die Schenkung des Erblassers.
92 Vgl. zu diesem Kritikpunkt an der Lösung (W^i - W N) oder W S2 ausführlich oben bei Fn. 14 ff. 93 Vgl. zu diesem Vorwurf gegen den Vorschlag (W Si - W N) oder (W S2 - W N) ausführlich oben vor Fn. 51. 94 Vgl. zu diesem Nachteil der Lösung W S2 ausführlich oben bei Fn. 74.
230
§ 10 Lösungsvorschlag
§ 10 Lösungsvorschlag A l s Ergebnis der kritischen Überprüfung ist festzuhalten: Keine der vorgeschlagenen Lösungen zur Frage, wie Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, die weniger als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogen wurden, i m Rahmen des § 2325 Abs. 1 B G B zur Berechnung der Pflichtteilsergänzung i n Ansatz zu bringen sind, vermag v o l l zu überzeugen. Die deshalb zu entwickelnde eigene Lösung muß der i m Rahmen dieser Arbeit herausgearbeiteten Rechtsnatur der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und ihres Vollzuges ausreichend Rechnung tragen. Sie muß aber auch den Grundwertungen des Pflichtteils(ergänzungs)rechts und seiner Systematik gerecht werden. Schließlich muß sie zu stimmigen und für den Rechtsanwender praktikablen Ergebnissen führen.
I . Kein Abzug des Nießbrauchs Die erste Folgerung aus diesem Anforderungsprofil ist, daß der Wert des Nießbrauchs V^v kein Abzugsposten bei der Berechnung des ergänzungspflichtigen Schenkungswertes sein darf. Stirbt der Schenker nach einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt innerhalb eines Zeitraums von weniger als 10 Jahren, so ist für den Wert der Schenkung, deretwegen der Pflichtteilsberechtigte nach § 2325 Abs. 1 B G B v o m Erben als Ergänzung seines Pflichtteils einen Geldbetrag verlangen kann, der Wert des nießbrauchsfreien Gegenstandes W s maßgeblich. Wegen des vorbehaltenen Nießbrauchs ist keinerlei Abzug vorzunehmen, er w i r k t sich nicht aus. Die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt w i r d i m Rahmen des § 2325 B G B nahezu wie eine Normalschenkung behandelt 1 . Die Entscheidung für den Nichtabzug des Nießbrauchs beinhaltet für die Lösung die größte Sprengkraft. M i t ihr setzt sich der hier vorgeschlagene Ansatz nicht nur i n Widerspruch zum nach Zahl und Bedeutung herrschenden Schrifttum 2 sowie zum Bundesgerichtshof 3. M i t ihr ist zugleich eine weitgehende Vorentscheidung des Interessenkonfliktes zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigtem gefallen, denn der Abzug des vorbehaltenen Nießbrauchs bewirkt die größten Veränderungen bei den Ergebnissen praktischer Fälle. Verneint man ihn mit der Mindermeinung, senkt sich die Waagschale deutlich zugunsten des Pflichtteilsberechtigten.
1
Ausnahmen ergeben sich aus § 2325 Abs. 2 BGB, vgl. unten II., und aus § 2325 Abs. 3 BGB, vgl. die Behandlung von Problem 2 unten §§11-14. 2 Vgl. oben § 7 I 1 und 2. 3 Vgl. oben § 7 I I 1.
I. Kein Abzug des Nießbrauchs
231
1. Rechtsnatur der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt Die Richtigkeit der Entscheidung gegen den Abzug des Nießbrauchs liegt nach den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung schon fast auf der Hand. Nur der Nichtabzug ist m i t den Ergebnissen der Untersuchung zur Rechtsnatur der schenkweisen Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt 4 zu vereinbaren. Danach ist die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt eine reine Schenkung i m Sinn des § 516 B G B . Schenkungsgegenstand ist die unbelastete Sache, deren Wert W s in einer in drei Stufen erfolgenden Wertbewegung aus dem Vermögen des Schenkers i n das des Beschenkten gelangt. Der gesamte von der Übertragung unter Vorbehalt bis zum Erbfall i m Vermögen des Beschenkten eintretende Wertzuwachs ist also Schenkung. W e n n dem so ist, dann muß sie nach § 2325 Abs. 1 B G B auf der Grundlage ihres gesamten Wertes ohne Abzüge irgendwelcher A r t für den vorbehaltenen Nießbrauch einen Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Ergänzung seines Pflichtteils auslösen.
a) Gleiche Auswirkungen
wie Schenkungen ohne Vorbehalt
Diese weitgehende Gleichbehandlung m i t einer Schenkung des gleichen Gegenstandes ohne Vorbehalt des Nießbrauchs ist geboten. Beide Schenkungsarten unterscheiden sich nur i m Zeitmoment des Wertzuflusses beim Beschenkten. Die vorbehaltslose Schenkung führt i m Zeitpunkt der Übertragung des Gegenstandes auf den Erwerber zu einem Wertzuwachs m i t der Höhe W s i n dessen Vermögen; ein Abfluß daraus zum Schenker oder ein sonstiger Zufluß beim Schenker findet nicht statt. Die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt bewirkt i m Übertragungszeitpunkt die Zuwendung des Wertes W H als Differenz aus W s und W N v o m Schenker an den Beschenkten. Da W N i n der Folgezeit stetig i m Wert fällt, w i r d W H ständig an W s angenähert. B e i m Erbfall erreicht W N den Wert N u l l , so daß W H und W s identisch sind. Abflüsse aus dem Vermögen des Beschenkten oder Zuflüsse beim Schenker sind auch bei der Vorbehaltsschenkung nicht feststellbar. Beide Schenkungsformen sind i n ihren Auswirkungen also bis auf den Zeitpunkt der Vollendung der Wertbewegung gleich 5 . Der ist aber abgesehen von der Zeitgrenze des Abs. 3 i m Rahmen des § 2325 B G B ohne jede Bedeutung. Es ist für die Pflichtteilsergänzung bei vorbehaltslosen Schenkungen unerheblich, ob der Erblasser dem Beschenkten 9 Jahre und 11 Monate oder 2 Wochen vor seinem T o d den Gegenstand überträgt 6 . Warum es anders sein soll, wenn der Erblasser denselben Gegenstand 9 Jahre und 11 Monate vor 4 Vgl. oben § 2. 5 Bei einer Vorbehaltsschenkung erbringt der Schenker ein späteres und damit kleineres Vermögensopfer als bei der vorbehaltslosen Schenkung derselben Sache zur gleichen Zeit. 6 Solange der Wert der Sache konstant bleibt, anderenfalls sind noch die Auswirkungen des § 2325 Abs. 2 BGB zu beachten.
232
§10 Lösungsvorschlag
seinem T o d unter Nießbrauchsvorbehalt
verschenkt, also wie i m ersten Fall 9
Jahre und 11 Monate vor dem Erbfall das Eigentum überträgt und doch wie i m zweiten Fall die Nutzungen bis zu seinem T o d erhält, ist nicht nachvollziehbar. Daß die weitgehende Gleichbehandlung beider Schenkungsformen richtig sein muß, zeigt auch folgendes B i l d : M a n spaltet zunächst die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt gedanklich in viele kleinere Teilzuwendungen auf. I n diesem M o d e l l erfolgt die erste Zuwendung m i t dem Wert W s - W m i m Zeitpunkt der Übertragung des belasteten Gegenstandes auf den Erwerber. Die zweite i m Wert W m - W N2 findet nach einem Jahr statt, wenn der Wert des Nießbrauchs wegen der geringeren Lebenserwartung des Schenkers von W m auf W N2 gefallen ist 7 . Dasselbe geschieht in den folgenden Jahren. Stirbt der Schenker nach X Jahren 8 , erfolgt die letzte Zuwendung i m Wert W NX m i t dem Erbfall. Insgesamt sind X + 1 Zuwendungen zu verzeichnen. Jede einzelne muß nach § 2325 Abs. 1 B G B ohne Abzug Grundlage eines Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Ergänzung seines Pflichtteils sein. Die Summe der Werte der X + 1 Zuwendungen beträgt genau W s9. Die Zusammenfassung der Teilzuwendungen zu einer Gesamtzuwendung i m Wert W s bliebe also ohne Auswirkung auf die Höhe des dem Pflichtteilsberechtigten nach § 2325 Abs. 1 B G B zustehenden Anspruchs. Es wäre i n beiden Fällen der gleiche Bruchteil von W s. Genauso hoch ist auch der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten aus § 2325 Abs. 1 B G B wegen einer schenkweisen Zuwendung des Wertes W s ohne Vorbehalt.
b) Vergleich
mit auf den Tod aufgeschobenen
Schenkungen
Die Behauptung, daß Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und vorbehaltslose Schenkung nach § 2325 Abs. 1 B G B gleiche Rechtsfolgen auslösen, kann auch durch einen Vergleich mit der Behandlung zweier Sonderfälle vorbehaltsloser Schenkungen unter Lebenden belegt werden. Gemeint ist die — mangels einer Überlebensbedingung nicht unter § 2301 Abs. 1 B G B fallende 1 0 — auf den Todestag des Schenkers aufschiebend befristete Schenkung und die aufschiebend bedingt vollzogene Schenkung von Todes w e g e n 1 1 , für die nach § 2301 Abs. 2 B G B die Vorschriften über Schenkungen unter Lebenden Anwendung finden. Beide sind Schenkungen i m Sinn des § 2325 B G B und lösen Pflichtteilsergänzungsansprüche aus 1 2 , und zwar i n beiden Fällen den gleichen, ι Die Lebenserwartung sinkt real nicht in Jahresschritten, sondern täglich. Erfassbar ist sie statistisch mittels der Sterbetafeln nur nach Lebensjahren. s Wegen § 2325 Abs. 3 BGB und dem eigenständigen Problem 2 muß gelten: X < 10. 9 Σ = W S-W m + W m-W N2 + W N2-W NX + W NX = W S 10 Soergel ( l l ) - M . Wolf § 2301 Rdnr. 3 und Leipold, Rdnr. 423. h MünchKomm-Musielak, § 2301 Rdnr. 21. ι 2 Dies folgt für die aufschiebend befristete Schenkung schon daraus, daß auch ein noch nicht vollzogenes Schenkungsversprechen „Schenkung" i.S.d. § 2325 ist, vgl. oben § 5 bei Fn. 144 und Staudinger (12)-Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 5; für die aufschiebend
I. Kein Abzug des Nießbrauchs
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wie eine vorbehaltslose Schenkung derselben Sache, auch wenn diese Jahre zurückliegt . Dies muß als unstreitig gelten, da diese Frage soweit ersichtlich nirgends erörtert wird. Es ist auch nicht erkennbar, m i t welcher Begründung ein Abzug von W S bei der Bestimmung des für § 2325 Abs. 1 B G B maßgeblichen Schenkungswertes vorgenommen werden könnte. Bei beiden „aufgeschobenen" Schenkungsformen bringt der Schenker vor dem Erbfall ein geringeres Vermögensopfer, als wenn er zur selben Zeit statt der aufschiebend befristeten oder bedingten Übertragung eine Übertragung des gleichen Gegenstandes unter Nießbrauchsvorbehalt vorgenommen hätte. Bei der Vorbehaltsschenkung w i r d der Beschenkte durch die Übertragung Eigentümer des belasteten Gegenstandes; bei den beiden bis zum Todestag des Schenkers aufgeschobenen Schenkungen erwirbt er hierdurch nur ein Anwartschaftsrecht 1 3 auf den Eigentumserwerb, das zwar auch einen Vermögenswert hat, aber einen niedereren als das belastete Eigentum 1 4 . Der „Vorbehalt des Eigentums" auf Lebenszeit wiegt schwerer als der der Nutzungen. Wenn i m Zeitpunkt X 1 5 vor dem Erbfall vorgenommene, auf den T o d aufschiebend bedingte oder befristete Übertragungen eines Gegenstandes die gleichen Rechtsfolgen nach § 2325 Abs. 1 B G B auslösen wie eine ebenfalls zur selben Zeit X erfolgte, sofort wirksame Übertragung des lastenfreien Eigentums, dann kann bei einer i m Zeitpunkt X vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nichts anderes gelten. Bei ihr ist das Vermögensopfer des Schenkers i m Zeitpunkt X zwar kleiner als bei der sofort wirksamen vorbehaltslosen Übertragung, aber größer als bei beiden aufgeschobenen Schenkungsformen, so daß die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt insoweit eine „Mittelstellung" e i n n i m m t 1 6 . Bei den Rechtsfolgen des § 2325 Abs. 1 B G B zwischen vorbehaltslosen Schenkungen und Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt zu differenzieren, läßt sich auch nicht damit begründen, die Vorbehaltsschenkung berühre den Pflichtteilsberechtigten weniger stark i n seiner Rechtsstellung àls eine i m übrigen gleichgelagerte Schenkung ohne Nießbrauchsvorbehalt, w e i l der Vorbehalt bewirke, daß der Erblasser bis zu seinem Tode noch die den Nachlaßwert erhöhenbedingt vollzogene Schenkung von Todes wegen aus § 2301 Abs. 2 BGB, vgl. oben § 5 bei Fn. 145 und MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 11. 13 Vgl. hierzu MünchKomm-Musielak, § 2301 Rdnr. 19 und allgemein Palandt-Heinrichs, Einf. vor § 158 Anm. 3 b. 14 Daher ist auch der Schutz durch das Strafrecht geringer. Im Fall des Nießbrauchsvorbehalts begeht der Besitzer (=Nießbraucher) durch die — im Regelfall wirksame (§ 932 BGB) — Ubereignung an einen Käufer eine Unterschlagung zu Lasten des Eigentümers, § 246 StGB, vgl. Dreher-Tröndle, § 246 StGB Rdnr. 15. Bei Verkauf und Übereignung des (Noch-)Eigentümers bei der aufgeschobenen Schenkung greift i.d.R. kein Straftatbestand ein. 15 Wegen § 2325 Abs. 3 BGB muß der Zeitraum von X bis zum Erbfall weniger als zehn Jahre betragen. '6 Ähnlich Sudhoff \ Handbuch 166 und Flick, Handelsblatt, 25. 6. 1987, S. 8 („Mittelweg").
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§ 10 Lösungsvorschlag
den Nutzungen des verschenkten Gegenstandes ziehen könne. Dieser Umstand trifft auf die i n ihrer W i r k u n g bis zum Erbfall aufgeschobenen Schenkungen ebenfalls zu, die gleichwohl denselben Anspruch aus § 2325 Abs. 1 B G B auslösen wie eine sofort wirksame vorbehaltslose Schenkung.
c) Vergleich
mit gemischten Schenkungen und
Auflagenschenkungen
So wenig das — abgesehen v o m Zeitmoment — gleichstarke Vermögensopfer eine differenzierende Anwendung des § 2325 B G B bei sofort wirksamen vorbehaltslosen Schenkungen, Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und aufgeschobenen Schenkungen erlaubt, so sehr gebietet der Unterschied i m Vermögensopfer, bei der Anwendung des § 2325 B G B zwischen Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt einerseits und gemischten Schenkungen und Auflagenschenkungen andererseits zu differenzieren. Bei der gemischten Schenkung fließt der Wert des (teilweise) verschenkten Gegenstandes nicht ohne Kompensation aus dem Vermögen des Schenkers i n das des Beschenkten. N u r wegen des Differenzbetrages kann v o m Erben nach § 2325 Abs. 1 B G B Ergänzung des Pflichtteils verlangt werden. Bei der Auflagenschenkung ist zu differenzieren, ob die Auflage zugunsten eines Dritten oder des Schenkers selbst erfolgte 1 7 . Erfolgt sie zugunsten eines Dritten, bleibt der Abfluß aus dem Vermögen des Schenkers und damit dem Nachlaß davon unberührt. Überträgt E einen Gegenstand i m Wert W s auf S und macht diesem zur Auflage, er solle dem X schenkweise Geld i m Wert von Vi W s übertragen, so fließt W s ohne jede Kompensation i m Schenkungszeitpunkt aus dem Schenkervermögen ab. Daran ändert sich auch bis zum Erbfall nichts. Verschenkter Gegenstand ist W s. Wegen dieses Betrages kann nach § 2325 Abs. 1 B G B Pflichtteilsergänzung verlangt werden. Der Erbe kann die Auflage also nicht i n Abzug bringen, entscheidend ist der Bruttowert 1 8 . Dies ist deshalb richtig, w e i l es für die Haftung des Erben nicht auf die Bereicherung des Beschenkten ankommt, sondern allein auf die Entreicherung des Nachlasses. Aus der Sicht des Pflichtteilsberechtigten ist es einerlei, ob der gesamte Wert bei S ist oder Teile davon auch bei X . Es liegen in diesem Fall zwei Schenkungen vor. Die Auflage des Schenkers an den Beschenkten, einem Dritten etwas zuzuwenden, beinhaltet eine Schenkung des Schenkers an den Dritten. I m Beispiel ist also 17 Die ebenfalls denkbare Auflage zugunsten des Beschenkten selbst (RGRK-Mezger, § 525 Rdnr. 3: Schenkung eines Geldbetrages mit Auflage, ein bestimmtes Studium zu ergreifen) mindert den Wertzufluß beim Beschenkten überhaupt nicht und kann daher hier außer Betracht bleiben. Sie ist wie eine reine Schenkung zu behandeln. So Kipp/Coing, § 13 I V Fn. 22, ausdrücklich beschränkt auf den Fall der Auflage zugunsten eines Dritten; und das OLG Köln, dessen Urteil, 6. Nov. 1906, RheinA 104 I 62 ff., eine Auflage zugunsten Dritter zugrunde lag. — Bedenklich Staudinger (12)Ferid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 10 und 77: ohne Einschränkung für jede Art von Auflagenschenkungen.
I. Kein Abzug des Nießbrauchs
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auch zwischen E und X eine Schenkung zu bejahen 1 9 . Dies w i r k t sich aber erst bei § 2329 B G B aus, wenn jeder Beschenkte nur i n Höhe seiner Bereicherung haftet 2 0 . Anders ist zu entscheiden, wenn die Auflage zugunsten des Schenkers besteht. Eine solche Auflage berührt den Abfluß aus dem Vermögen des Schenkers und damit die Höhe des Nachlasses. Sie i m Rahmen des § 2325 B G B unberücksichtigt zu lassen 2 1 , bevorzugte den Pflichtteilsberechtigten über Gebühr 2 2 . Durch die Schenkung fließt zwar zunächst W s aus dem Vermögen des Schenkers ab, dieser Verlust w i r d aber durch den Wert der Auflage zum (geringen) T e i l wieder kompensiert. Daher ist diese Auflage anders als die zugunsten Dritter aus der Sicht des Pflichtteilsberechtigten auch nicht unbeachtlich. Zudem ist ihr Abzug deshalb geboten, w e i l die Abgrenzung der Schenkung unter Auflage zugunsten des Schenkers von der gemischten Schenkung äußerst schwierig und umstritten i s t 2 3 . Bei der gemischten Schenkung ist ein Abzug der Gegenleistung unstreitig vorzunehmen. Lehnte man den Abzug der Auflage zugunsten des Schenkers v o m Schenkungswert ab, führte dies i n der Grauzone beider Institute zu m i t dem Gerechtigkeitsgedanken nicht mehr zu vereinbarenden Differenzierungen. A l l e i n konsequent ist es daher, dem Erben den Abzug der Auflage zugunsten des Erblassers v o m Schenkungsweit zuzugestehen. Zur Pflichtteilsergänzung berechtigt i n diesem Fall nur der Nettowert der Schenkung 2 4 . Dieser Auffassung war auch der historische Gesetzgeber. Die Motive
zum
B G B gehen auf die Auflagenschenkung i m Rahmen des Pflichtteilsergänzungsrechtes nicht ein. Zur gemischten Schenkung führen sie aus, daß die §§ 2009 ff. des Ersten Entwurfs, die den §§ 2325 ff. B G B entsprechen, „selbstverständlich" eingreifen, „soweit eine Schenkung v o r l i e g t " 2 5 . Der Redaktor der Ersten K o m mission, von Schmitt, führt i n den M o t i v e n zu § 282 seines „Entwurfes eines Rechtes der Erbfolge", der die Anfechtbarkeit von pflichtteilsverletzenden Schenkungen regelt 2 6 , aus: ,JZum Vortheil
des Schenkgebers
belastete Schenkungen
(Auflage z.B. eines Auszugs,...) enthalten, insoweit die Belastung reicht, keine Freigebigkeit, und sind daher nicht anfechtbar" 2 7 . Damit unterstellt er sie denselSo ausdrücklich das OLG Köln, a.a.O., 65. Vgl. allgemein hierzu Pruskowski, 179. 20 So auch das OLG Köln, a.a.O., 65. 21 So aber Staudinger ( 12)-F erid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 10 und 77 für jede Art von Auflagenschenkungen. 22 Er stünde sogar besser da als ohne die Schenkung: Der Nachlaß betrage 10, das Geschenk 5, die Auflage 1. Ohne die Schenkung betrüge sein Pflichtteil 15/X. Mit der Schenkung beträgt er 11 /X, zudem hätte er einen Ergänzungsanspruch von 5/X, zusammen also 16/X. 23 Vgl. oben § 2 I 2 c) bei und in Fn. 39. 24 Die Ausführungen von Staudinger (\2)-F erid-Cieslar, § 2325 Rdnr. 10 und 77 sind also für Auflagen zugunsten des Schenkers falsch. 25 Motive bei Mugdan, V 240 = Motive, V 450. 26 Wortlaut der Vorschrift bei von Schmitt, I 59. 27 Von Schmitt, I 864; Hervorhebungen vom Verf.
§ 10 Lösungsvorschlag
236
ben Grundsätzen wie gemischte Schenkungen, von denen er i m Einklang m i t den bereits zitierten Motiven
zum B G B feststellt, sie seien „nur anfechtbar,
soweit die Unentgeltlichkeit r e i c h t " 2 8 .
d) Vergleich
mit Schenkungen mit Nießbrauch
zugunsten
Dritter
Die Behauptung, der von der herrschenden Meinung befürwortete Abzug des Nießbrauchs W N v o m Sachwert W s könne nicht richtig sein, läßt sich ferner durch den Vergleich m i t dem Fall, daß der Schenker nicht für sich, sondern für einen Dritten auf die Dauer von dessen Leben den Nießbrauch „vorbehält", begründen 2 9 . Hier ist nicht zu bestreiten, daß der Erblasser den ganzen Gegenstand, also sowohl die Substanz als auch das Nutzungspotential überträgt. Rechtsgrund der Übertragungen sind zwei Schenkungen, die beide nach § 2325 B G B Ergänzungspflicht auslösen 3 0 . Durch die erste Schenkung w i r d dem Dritten das Nutzungspotential des Gegenstandes zeitlich segmentiert für die Dauer seines Lebens unentgeltlich zugewendet, durch die zweite dem Erwerber die Substanz und das Nutzungspotentialsegment nach dem Tode des D r i t t e n 3 1 . Der Wert der ersten Schenkung beträgt W N, die zweite hat den Wert W H, also Sachwert W s abzüglich des Wertes des Nießbrauchs des Dritten W N. Der Wert der Schenkung des Nießbrauchs an den Dritten n i m m t mit dessen zurückgehender Lebenserwartung immer mehr ab. Der Wert des belasteten Gegenstandes beim Erwerber n i m m t i m gleichen Maße z u 3 2 . Die genaue Wertverteilung zwischen beiden Beschenkten ist für den Pflichtteilsberechtigten unerheblich, solange zwischen Übertragung und Erbfall weniger als 10 Jahre liegen 3 3 und der Nachlaß nicht überschuldet i s t 3 4 . Beide Schenkungen haben zusammen auf jeden Fall den Wert W s. Der Pflichtteilsberechtigte kann wegen beider Schenkungen zusammen v o m Erben Zahlung des seiner Pflichtteilsquote entsprechenden Bruchteils von W s, also W s/X als Pflichtteilsergänzung verlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Dritte (=Nießbraucher) vor dem Schenker stirbt, beim T o d des Schenkers also der Erwerber schon Eigentümer des lastenfreien Gegenstandes i s t 3 5 . I n diesem
28 Von Schmitt , I 865. 29 Es handelt sich hierbei um eine Schenkung mit einer Auflage zugunsten eines Dritten. — In der Praxis häufig ist der Sonderfall, daß zugunsten des Schenkers und seiner Ehefrau der Nießbrauch vorbehalten wird, der nach dem Tod des einen dem Längstlebenden allein zustehen soll, vgl. die Sachverhalte zu BayObLG, 15. Feb. 1979, Ζ 1979, 49 ff. und OLG München, 10. März 1942, HRR 1942, Nr. 544. 30 Ebenso der BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 283 für die Schenkung eines Grundstücks an zwei nichteheliche Kinder und des Nießbrauchs daran an deren Mutter. 31 Vgl. hierzu auch Kessler, BB 1985, 1386 ff. 32 Ebenso der BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 286. 33 Sonst greift § 2325 Abs. 3 ein, vgl. zu Problem 2 unten §§11-14. 34 Weil es dann um Ansprüche aus § 2329 BGB geht; dies war die Sachlage beim Urteil des BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274 ff.
I. Kein Abzug des Nießbrauchs
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Fall hat der Pflichtteilsberechtigte auch nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs gegen den Erben des Schenkers aus § 2325 Abs. 1 B G B einen Anspruch auf Zahlung des Betrages W s/X als Pflichtteilsergänzung. Das gleiche muß gelten, wenn nicht der Nießbrauch eines Dritten vor dem Erbfall, sondern der Nießbrauch des Schenkers m i t dem Erbfall erlischt. Aus der maßgeblichen Sicht des Pflichtteilsberechtigten macht es keinen Unterschied, ob der v o m Wert des Gegenstandes W s abgespaltene Wert des Nießbrauchs W N auf dem U m w e g über einen stetig seinen Wert verringernden Nießbrauch eines gleichfalls beschenkten Dritten oder unmittelbar v o m — demselben Wertverlust unterliegenden — Nießbrauch des Schenkers zum Erwerber gelangt, w o er zusammen m i t dem Hüllenwert W H wieder zum Sachwert W s wird. Das Phänomen des gestreckten Erwerbs ist i n beiden Fällen das gleiche. E i n sachlicher Grund, bei der Anwendung des § 2325 Abs. 1 B G B zu differenzieren, existiert nicht.
2. Systematik und Grundgedanken der Pflichtteilsergänzung Es widerspricht indes nicht nur der Rechtsnatur der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, sondern auch der Systematik und den Grundgedanken des Pflichtteilsergänzungsrechtes, m i t der herrschenden Meinung den vorbehaltenen Nießbrauch v o m ergänzungspflichtigen Schenkungswert abzuziehen.
a) Grundgedanken Bei Schaffung der §§ 2325 ff. B G B ging der Gesetzgeber von dem Grundsatz aus, daß der Pflichtteilsberechtigte mit Hilfe dieser Vorschriften i m wirtschaftlichen Ergebnis so gestellt werden soll, wie er ohne die Schenkung des Erblasser stünde 3 6 . Das bedeutet: Die Summe seiner Ansprüche aus §§ 2303 und 2325 B G B müßte den gleichen Wert haben, den ohne die Schenkung sein Anspruch aus § 2303 B G B hätte. Ob der Anspruch aus § 2325 B G B i n diesem Sinn „ r i c h t i g " ermittelt wird, ergibt sich, wenn man die reale Lage des Pflichtteilsberechtigten m i t der bei einer hypothetischen Eliminierung der Schenkung vergleicht. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch aus § 2325 Abs. 1 B G B sollte die Differenz zwischen fiktivem und realem Pflichtteilsanspruch genau ausgleichen. Hat ein Nachlaß den realen Wert 1, hätte er ohne die Nießbrauchsvorbehaltsschenkung den 35 Dieser Umstand ändert an der für § 2325 BGB relevanten Sachlage nichts. — Anders bei § 2329 BGB. Hier hat der Pflichtteilsberechtigte jetzt nur noch einen Anspruch gegen den beschenkten Eigentümer; die Erben des Beschenkten (Nießbraucher), gegen die sich der Anspruch aus § 2329 BGB grundsätzlich richtet, BGH, 19. März 1981, Ζ 80, 205, 209 ff., haften in der Regel mangels Bereicherung nicht, da der Nießbrauch erloschen ist, § 1061 BGB. Der Anspruch aus § 2329 BGB gegen den Beschenkten (Eigentümer) ist aber u.U. in voller Sachwerthöhe (Wy möglich. 3 6 Vgl. oben § 5 I I und die Motive bei Mugdan, V 240 = Motive, V 451.
238
§10 Lösungsvorschlag
Wert 1 + W s37. Der Pflichtteilsanspruch beläuft sich auf einen bestimmten Bruchteil des Nachlaßwertes, beträgt also 1/X, fiktiv betrüge er l/X
+ W s/X.
Soll
§ 2325 B G B also i m Sinn des Grundsatzes richtig angewendet werden, muß der dem Pflichtteilsberechtigten
durch diese Vorschrift
eingeräumte
Anspruch
W s/X betragen. Dieser Anforderung w i r d § 2325 B G B nur gerecht, wenn man wie hier vorgeschlagen den Abzug des Nießbrauchs ablehnt. Demgegenüber kommt die herrschende Meinung, die den Abzug des Nießbrauchs befürwortet, zum Ergebnis, § 2325 B G B räume einen Anspruch i n Höhe von (W s - W N)/X ein. Der Pflichtteilsberechtigte steht danach i m Ergebnis u m W N/X
schlechter,
als er ohne die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt stünde. Die herrschende Meinung widerspricht damit dem Grundgedanken der §§ 2325 ff. B G B . Für den Anspruch aus § 2325 B G B wegen einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist unerheblich, wie der Erblasser die vorbehaltenen Nutzungen verwendete. Die Verwendung der Nutzungen berührt die Rechtsstellung des Pflichtteilsberechtigten nicht, es sei denn, der Erblasser verschenkt sie. Denkbar sind drei Fälle, die m i t den Begriffen Sparfall, Konsumfall und Investitionsfall umschrieben werden können 3 8 . I m ersten Fall spart der Erblasser die geldwerten Nutzungen, sie fallen daher i n den Nachlaß. Verwendet der Erblasser die Nutzungen zum erhöhten Konsum, fallen sie nicht mehr i n den Nachlaß. Der Investitionsfall liegt vor, wenn der Erblasser während des Nießbrauchs wertsteigernde Maßnahmen am verschenkten Gegenstand v o r n i m m t 3 9 . Dann ist zu unterscheiden: Entweder die Ansprüche des Erblassers aus § 1049 B G B auf Wegnahme der Einrichtung und Ersatz seiner Aufwendungen fallen i n den Nachlaß. Oder die Beschaffung der Gegenstände und die Vornahme der Aufwendungen wurde v o m Erblasser m i t Schenkungswillen vorgenommen. Dann liegen insoweit weitere Schenkungen des Erblassers an den Beschenkten vor, die ihrerseits Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten aus § 2325 B G B begründen 4 0 .
b) Systematik E i n Abzug des Nießbrauchs bei der Ermittlung des nach § 2325 Abs. 1 B G B ergänzungspflichtigen Schenkungswertes widerspricht auch der Gesetzessystematik. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch entsteht wie jeder Pflichtteilsanspruch 37 Der Gegenstand mit dem Wert W s ist nicht im Nachlaß, der Nießbrauch ist erloschen, irgendeine Kompensation ist nicht erfolgt. 38 Die Begriffe Sparfall und Konsumfall wurden von Sigloch und Mayr eingeführt, FR 1974, 569, 572 f. In Anlehnung hieran bot sich für die dritte Gruppe der Begriff „Investitionsfair an. 39 Etwa wenn er neue Maschinen für das Unternehmen anschafft, dem Gebäude einen Anbau zufügt oder mit Zinsen bzw. Dividenden für das Depot des Eigentümers neue Wertpapiere kauft. Vgl. zum — von ihm nicht eigens benannten — Investitionsfall bei einem landwirtschaftlichen Hof auch W. Meyer, 330 f. 40 So auch W. Meyer, 331, der zutreffend daraufhinweist, daß für diese Schenkungen in bezug auf § 2325 Abs. 3 BGB eigene Fristen laufen.
I. Kein Abzug des Nießbrauchs
239
nach § 2317 Abs. 1 B G B erst m i t dem Erbfall 4 1 . Hieraus, aus § 2311 B G B und aus § 2325 Abs. 1 B G B selbst 4 2 ist zu entnehmen, daß grundsätzlich die Lage beim Erbfall entscheidet, nicht eine frühere, etwa bei der Schenkung. V o n dieser allgemeingültigen Grundregel läßt § 2325 Abs. 2 B G B für den Wert, m i t dem der verschenkte Gegenstand i n Ansatz zu bringen ist, zwei enge Ausnahmen zu: Die nicht weiter interessierenden „verbrauchbaren Sachen" 4 3 werden von Satz 1 dem Wert zur Zeit der Schenkung unterstellt; die übrigen Gegenstände nur dann, falls sie i m Vermögen des Beschenkten 4 4 Wertsteigerungen erfahren haben. B e i m Erbfall hat die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt des Erblassers bewirkt, daß sich der unbelastete Gegenstand i m Vermögen des Beschenkten befindet, i m Nachlaß nichts. Daß i m Zeitpunkt der Übertragung des Gegenstandes zunächst nur der Wert des belasteten Gegenstandes ins Vermögen des Beschenkten flöß, ist von diesem Standpunkt aus unerheblich. Aus § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B folgt insoweit nichts anderes. Der „verschenkte Gegenstand" ist die unbelastete Sache. Sie ist nicht i m Vermögen des Beschenkten wertvoller geworden. Vielmehr ist ihr Wert erst allmählich bis zum Erbfall in dieses Vermögen gelangt. Die herrschende Meinung, die den Wert des Nießbrauchs v o m Schenkungswert abzieht, verstößt somit gegen die Systematik des Gesetzes.
3. Stimmige Ergebnisse in Auszehrfällen Nur eine Lösung, die wie hier vorgeschlagen bei Vorbehaltsschenkungen innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B jede A r t von Abzug für den Nießbrauch ablehnt, sie insoweit vorbehaltslosen Schenkungen also gleichstellt, vermeidet i n den außergewöhnlich gelagerten Auszehrfällen unstimmige Ergebnisse. Der entgegenstehenden herrschenden Meinung, wie auch immer sie den Abzug des vorbehaltenen Nießbrauchs begründet, ist vorzuwerfen, daß sie i n diesen Fällen zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten ein und dasselbe tatsächliche Geschehen, die allmähliche Entwertung des Schenkungsgegenstandes durch den Schenker infolge der auszehrenden Ausübung des Nießbrauchs, zweimal ergänzungsmindernd berücksichtigt 4 5 .
41 Soergel (\\)-Dieckmann, vor § 2325 Rdnr. 2. 42 Diese Vorschrift ordnet nämlich einen Wertvergleich des realen mit dem hypothetischen Nachlaß (ohne Schenkung) an. Dies impliziert den Erbfall als grundsätzlichen Bewertungszeitpunkt für das hinzuzurechnende Geschenk. 43 An ihnen wird sich niemand den Nießbrauch vorbehalten. 44 Vgl. dazu oben § 5 Fn. 183 und bei Fn. 195 f. sowie Harder, FamRZ 1976, 619. 45 Vgl. dazu oben § 9 I I 2. Eine Ausnahme macht insoweit der Vorschlag Dieckmanns, § 9 I 1 b), nach dem aber die Normalfälle im Widerspruch zu § 2325 Abs. 2 BGB gelöst werden, § 9 I 1 a).
240
§ 10 Lösungsvorschlag 4. Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt in anderen Teilgebieten der Rechtsordnung
Wenn man entgegen der hier vorgeschlagenen Lösung bei § 2325 B G B den Wert des vorbehaltenen Nießbrauchs v o m Wert der ergänzungspflichtigen Zuwendung abzieht, sind WertungsWidersprüche zur Behandlung der Vorbehaltsschenkungen in anderen Rechtsgebieten unausweichlich. Das Pflichtteilsrecht und damit auch die §§ 2325 ff. B G B sollen den v o m Erblasser übergangenen nächsten Angehörigen auch gegen dessen W i l l e n einen billigen Ausgleich schaffen. Deren Beteiligung am Nachlaß soll, wenn auch nur i n Gestalt einer Geldforderung, unangreifbar sein 4 6 . Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof
in zwei neueren
Urteilen ausdrücklich hervorgehoben, daß das Gesetz den Schutz der Pflichtteilsberechtigten durch die §§ 2303 ff., 2325 ff. B G B „hoch einstuft" 4 7 . Zieht man bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt i m Rahmen des § 2325 B G B den Nießbrauch ab, würde der Pflichtteilsberechtigte bei Erblasserschenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt weniger geschützt als die Interessen anderer gegen eine Beeinträchtigung durch solche Schenkungen, auch wenn diese Interessen nicht denselben hohen Rang einnehmen. I n diesem Fall wäre nämlich die Lage des Pflichtteilsberechtigten nach einer Vorbehaltsschenkung schlechter als nach einer Schenkung ohne Vorbehalt. I n anderen Rechtsbereichen ist diese Verböserung demgegenüber nicht festzustellen.
a) Schenkungsteuerrecht Erwähnt sei in diesem Zusammenhang das Erbschaftsteuergesetz. Seit der Abschaffung der Abzugsfähigkeit eines vorbehaltenen Nießbrauchs durch § 25 ErbStG 1974 w i r d der Steueranspruch des Fiskus i n seiner Höhe nicht davon berührt, ob die steuerpflichtige Zuwendung eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt oder eine vorbehaltslose Schenkung ist. Diese Vorschrift ist verfassungskonform und geltendes Recht 4 8 . Sie ist entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nach wie vor auf Vorbehaltsschenkungen unter Lebenden anwendb a r 4 9 . Die Interessen des (Erbschaftsteuer-)Fiskus sind keinesfalls höher zu werten als die des Pflichtteilsberechtigten. W e n n der Anspruch des Fiskus gegen den Erwerber 5 0 auf Zahlung der Schenkungsteuer bei einer Schenkung unter 46 47 48 49
Kipp/Coing, § 1 I I 4 und BGH, 17. Dez. 1952, Ζ 8, 213, 220 f. BGH, 13. Juli 1983, Ζ 88, 102, 106; 28. Sept. 1983, Ζ 88, 269, 272. Vgl. BVerfG, 15. Mai 1984, E 67, 70 ff. Vgl. unten Teil 3, § 15 IV. 50 Nach § 20 Abs. 1 ErbStG ist bei einer Schenkung neben dem Erwerber auch der Schenker Steuerschuldner. Aus der Natur der Schenkungsteuer als Bereicherungsteuer folgt aber, daß sich die Finanzbehörde in erster Linie an den Beschenkten halten muß, vgl. Kapp, Kommentar § 20 ErbStG Rdnr. 4, es sei denn, es liegt ein Fall des § 10 Abs. 2 ErbStG vor (Übernahme der Steuer durch den Schenker).
241
I. Kein Abzug des Nießbrauchs
Nießbrauchsvorbehalt grundsätzlich genauso hoch ist wie bei einer Schenkung ohne Vorbehalt, muß dies auch für den Pflichtteilsberechtigten gelten, der seinen Anspruch auf Ergänzung seines Pflichtteils nach § 2325 B G B geltend macht. Sonst bestünde ein Wertungswiderspruch zwischen der Anwendung des Erbschaftsteuerrechts und der des Pflichtteilsergänzungsrechts auf Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, der schwer einsichtig wäre.
b) § 2287 BGB Die
gleiche
Folgerung
ergibt
ein
Blick
auf
die
Rechtsstellung
des
Vertragserben 51 . Dieser kann, nachdem i h m die Erbschaft angefallen ist, von einem Beschenkten Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wenn der Erblasser die Schenkung „ i n der Absicht gemacht hat, ihn zu beeinträchtigen" 5 2 . Der Vergleich m i t der Lage des Vertragserben ist besonders aufschlußreich, w e i l nach der Vorstellung der Gesetzesverfasser die Interessenlage des Pflichtteilsberechtigten große Ähnlichkeit mit der des Vertragserben aufweist. Nach den Motiven
beruhen die §§ 2287 und 2325 B G B auf „demselben Gesichtspunkte",
daß Schenkungen nicht eine so endgültige Wirksamkeit haben, „daß sie nicht unter Umständen i m Interesse von Personen, welche darunter zu leiden haben, entkräftet werden k ö n n e n " . 5 3 Sowohl das Vertragserbrecht als auch das Pflichtteilsrecht seien „der Regel nach nämlich unentziehbar" 5 4 . Aus dieser Ähnlichkeit ziehen die Motive
den Schluß, daß „das vertragsmäßige Erbrecht hinsichtlich
der Unentziehbarkeit und der Sicherung dem Pflichttheilsrecht angenähert werden s o l l " 5 5 und daher sowohl der Vertragserbe als auch der Pflichtteilsberechtigte 51 Bzw. auf den Schlußerben eines gemeinschaftlichen Testaments, da § 2287 BGB auf bindend gewordene Verfügungen eines solchen Testamentes anwendbar ist, vgl. Soergel ( l l ) - M . Wolf, § 2287 Rdnr. 1. 52 Nach der Ansicht des BGH kann „die Anwendung der Vorschrift eigentlich nicht zweifelhaft sein", wenn der Erblasser „kein lebzeitiges Eigeninteresse" an der Verfügung hatte, 5. Juli 1972, Ζ 59, 343, 350. Der BGH folgte damit einer Formulierung Spellenbergs, FamRZ 1972, 349, 355. Vgl. hierzu jüngst Spellenberg, NJW 1986, 2531 ff., der die seit 1972 ergangene Rechtsprechung nach Fallgruppen ordnet. 53 Motive bei Mugdan, V 241 = Motive, V 452. Die Ähnlichkeit der Interessenlagen und die Nähe der Zweckrichtungen beider Vorschriften wird auch von der Literatur ganz überwiegend gesehen. Einen Zusammenhang zwischen § 2287 BGB und § 2325 BGB stellen u.a. her Kipp/Coing, § 13 a.A.; Staudinger ( 12)-Ferid-Cieslar, Vorbem. zu §§ 2325-2330 Rdnr. 4; Staudinger (ll)-Boehmer, Einleitung vor §§ 1922 ff., § 20 Rdnr. 2; Strohal, I § 58 nach Anm. 6; Spellenberg, FamRZ 1974, 350, 357 ff. und NJW 1986, 2531 ff. mit Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH u.a. bei Fn. 20, 21 und 43. Einschränkend Schönfeldt, 67. 54 Motive, a.a.O. 55 Motive bei Mugdan, V 174 = Motive, V 329. Schon 1886 hielt es von Schmitt in den Bemerkungen zu den Änderungsvorschlägen an seiner eigenen Vorlage von 1879 für richtig, daß die Fassungen der §§211 und 282 seiner Vorlage, die funktional den §§ 2287 und 2325 BGB entsprechen, „thunlichst in Einklang gebracht" wurden, von 16 Reiff
242
§ 10 Lösungsvorschlag
gegen Umgehung durch den Erblasser mit Hilfe von Schenkungen unter Lebenden zu schützen seien 5 6 . Letztlich hält der Gesetzgeber den Pflichtteilsberechtigten sogar für schutzwürdiger als den Vertragserben. Dies erhellen die Motive zur Notwendigkeit der §§ 2009 bis 2018 des Ersten Entwurfs, die den §§ 2325 bis 2330 B G B entsprechen. Danach könne sich der Entwurf „ u m so weniger der Aufgabe entziehen, dem Berechtigten gegen Freigebigkeiten des Erblassers unter Lebenden einen Schutz zuzubilligen, als er i m § 1952 sogar dem Vertragserben einen Schutz gegen Schenkungen des Erblassers gewährt" 5 7 . W i r d der Vertragserbe durch eine Schenkung ohne lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers beeinträchtigt, kann er gemäß § 2287 B G B nach A n f a l l der Erbschaft v o m Beschenkten Herausgabe des Geschenkes nach den §§ 812 ff. B G B verlangen. Es w i r d nicht danach unterschieden, ob die beeinträchtigende Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt vorgenommen wurde oder nicht. I m Normalfall fehlender Entreicherung des Beschenkten 5 8 kann der Vertragserbe aufgrund des § 2287 B G B i n beiden Fällen also Übereignung der Sache oder Übertragung des Rechtes verlangen. Der Anspruch aus § 2287 B G B verschafft i h m lastenfreies Eigentum der Sache beziehungsweise lastenfreie Inhaberschaft des Rechtes; i m Fall des nicht nach § 818 Abs. 3 B G B entreichernden Untergangs erhält er nach § 8 1 8 Abs. 2 B G B Wertersatz i n Höhe des vollen Wertes des lastenfreien Schenkungsgegenstandes. Bezeichnenderweise w i r d i n Rechtsprechung und Literatur i m Rahmen des § 2287 B G B für den Fall, daß der Erblasser die beeinträchtigende Schenkung nicht vorbehaltslos gemacht hat, sondern nur unter Nießbrauchsvorbehalt, ein Abzug des Nießbrauchswertes v o m Anspruch des Vertragserben gegen den Beschenkten nicht einmal diskutiert 5 9 .
Schmitt, I I 758; die Vorschriften sind abgedruckt bei von Schmitt , I 44 und 58 (1879) und von Schmitt, I I 598 und 614 (1886). 56 Den Schenkungen wohne „kraft des Gesetzes die Voraussetzung inne, der Erblasser werde dem Pflichttheilsberechtigten (bzw. dem Vertragserben; der Verf.) so viel hinterlassen, wie letzterer erhalten haben würde, wenn das Geschenkte zur Zeit des Erbfalls im Nachlasse vorhanden wäre;" vgl. Motive bei Mugdan, V 241 = Motive, V 452. 57 Motive bei Mugdan , V 239 = Motive, V 449; § 1952 E I entspricht § 2287 BGB. — Vgl. zur höheren Wertigkeit des Pflichtteils- gegenüber dem Vertragserbrecht auch BGH, 28. Sept. 1983, Ζ 88, 269 ff., wonach der Anspruch aus § 2287 BGB auf das beschränkt ist, was nach Begleichung des Pflichtteils des Beschenkten übrig bleibt. Ähnlich Soergel (11 )-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 5 und Nachträge hierzu. — Dies übersieht Ludewig, MDR 1985,372 f., der die These vertritt, der erbvertraglich gebundene Erblasser könne den Pflichtteil dadurch verkürzen, daß er dem Pflichtteilsberechtigten ein Geschenk mache, das ihm später vom Vertragserben nach § 2287 BGB entzogen werde, bei der Berechnung des Pflichtteils nach § 2311 BGB aber nicht in Ansatz komme. 58 Vgl. §818 Abs. 3 BGB. 59 Der BGH geht in seinem Urteil vom 28. Sept. 1983, Ζ 88, 269 ff., in dem die klagende Vertragserbin Übereignung einer der Beklagten vom Erblasser unter Nießbrauchsvorbehalt geschenkten Wohnung auf sich im Klagewege begehrte, und in dem er die diesem Begehren voll — also ohne Abzug des Nießbrauchs — stattgebenden Urteile erster und zweiter Instanz stark kritisierte, auf diesen Punkt nicht ein. Er hält also das Vorgehen des LG und OLG insoweit für richtig.
I. Kein Abzug des Nießbrauchs
243
Bis 1972 hatte der vorbehaltene Nießbrauch demgegenüber sogar die Wirkung, daß eine solche Schenkung des gebundenen Erblassers i m Regelfall als insgesamt nichtig angesehen wurde. Nach der Rechtsprechung zur „Aushöhlungsnichtigk e i t " 6 0 , die der Bundesgerichtshof
erst durch ein Grundsatzurteil v o m 5. Juli
1972 aufgab 6 1 , waren Verfügungen eines gebundenen Erblassers unter Lebenden trotz § 2286 B G B dann nichtig, wenn sie ihrem Wesen nach eine letztwillige Verfügung darstellten und daher eine Umgehung des Testierverbots begründeten. Dies war dann der Fall, wenn sie die Erbenstellung i m wesentlichen aushöhlten und das Vermögensopfer des Erblassers gleichwohl erst m i t seinem Tode zum tragen k a m 6 2 . Nach der damaligen Rechtsprechung war der vorbehaltene Nießbrauch in diesem Zusammenhang zunächst ein Indiz unter mehreren für das Vorliegen einer Verfügung von Todes wegen 6 3 , zuletzt sogar der entscheidende Gesichtspunkt für die Annahme der N i c h t i g k e i t 6 4 . Der Nießbrauchsvorbehalt war also nicht nur kein Abzugsposten v o m Schenkungswert zum Nachteil des Vertragserben, sondern gereichte i h m sogar zum Vorteil, w e i l er qua Aushöhlungsnichtigkeit erst die Möglichkeit gab, den sonst verlorenen Vermögensgegenstand i n den Nachlaß zurückzuholen. Daß i m Rahmen des § 2287 B G B ein Abzug des Nießbrauchs nicht diskutiert wird, kann daran liegen, daß der Anspruch des Vertragserben regelmäßig auf Herausgabe des Geschenkes i n Natur geht, also auf Auflassung, Übereignung, Abtretung, Übertragung. W i e sollte man hier einen Abzug des Nießbrauchs begründen, wie ihn berechnen? I m Rahmen des § 2325 B G B , w o ohnehin eine Umrechnung in Geldwerte vorzunehmen ist, ist die Sinnwidrigkeit eines Abzugs für den vorbehaltenen Nießbrauch dagegen nicht so offensichtlich. Eine Rolle mag auch spielen, daß die Motive
zu § 1952 E I, der § 2287 B G B entspricht,
ausdrücklich auf den Fall einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt eingeh e n 6 5 . Eine dahingehende Verdeutlichung des Gesetzes W o r t l a u t s , daß sich diese Vorschrift auch auf Schenkungen beziehe, „bei welchen der Erblasser die Nutzun60 Vgl. zu ihr zusammenfassend Staudinger (\2)-Kanzleiter, §2286 Rdnr. 13-15 sowie Speckmann, NJW 1968, 2222 ff. und NJW 1971, 176 ff. 61 Ζ 59, 343 ff. mit umfangreichen Nachweisen auf die frühere Rechtsprechung und den damaligen Meinungsstand. 62 Speckmann, NJW 1971, 176 und BGH, 14. März 1968, NJW 1968, 2052 ff. 63 BGH, 14. März 1968, NJW 1968, 2052, 2054 f. 64 BGH, 20. April 1970, NJW 1971, 188, 189 und Speckmann, NJW 1971, 177. Grundsätzlich ebenso Teichmann, MDR 1972, 1, 6 ff., der für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise eintrat. 65 Motive bei Mugdan, V 174 = Motive, V 330: „Schenkungen, bei welchen der Erblasser die Nutzungen der geschenkten Gegenstände bis zu seinem Lebensende sich vorbehalten hat". Demgegenüber gehen die Motive zu §§ 2009 ff. des E I (= §§ 2325 ff. BGB) nicht auf Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt ein; lediglich die Protokolle erwähnen sie kurz im Rahmen der Diskussion der Einführung der Frist des § 2325 Abs. 3, Protokolle bei Mugdan, V 787 und 792 = Protokolle, V 581 und 588 (Modifikation des Fristbeginns, wenn der Erblasser sich das Recht vorbehalten hat, „Nutzungen des verschenkten Gegenstandes zu ziehen" und Ablehnung dieses Antrags).
16*
'244
§ 10 Lösungsvorschlag
gen der geschenkten Gegenstände bis zu seinem Lebensende sich vorbehalten hat", wurde dort nämlich als „selbstverständlich" verworfen. I n diesem Zusammenhang ist zu sehen, daß von Schmitt, der Redaktor der Ersten Kommission, i n § 211 seiner Vorlage i m dritten Absatz ausdrücklich anordnete, daß Schenkungen, „ b e i welchen sich der Schenkende die Nutzungen des geschenkten Gegenstandes bis zu seinem Lebensende vorbehält" auch der Anfechtung durch den Vertragserben unterlägen 6 6 . Daß von Schmitt und ihm folgend die Motive Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt ausdrücklich nur i m Zusammenhang mit dem Schutz des Vertragserben, nicht auch des Pflichtteilsberechtigten, erwähnten, hat indes keine sachlichen, sondern nur historische Gründe. I n diesem Zusammenhang hatte nämlich bereits der preußische Entwurf Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt erwähnt 6 7 . Das B G B wertet die Interessen des Pflichtteilsberechtigten höher als die des Vertragserben. Daher darf er wie dieser von einer Schenkung des Erblassers unter Nießbrauchsvorbehalt nicht härter getroffen werden als von einer vorbehaltslosen Schenkung.
c) Höfeordnung Schließlich ergibt ein B l i c k auf die Rechtsstellung der Pflichtteilsberechtigten bei der Vererbung oder Übertragung eines Hofes nach der Höfeordnung, daß bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt i m Rahmen des § 2325 B G B der Nießbrauch nicht abzuziehen ist. Nach diesem Gesetz fallen Höfe i m Sinn des § 1 HöfeO kraft Gesetzes nur einem Erben, dem Hoferben, z u 6 8 . I m Verhältnis der Miterben tritt dabei an die Stelle des Hofes dessen Wert. Der Hofeigentümer kann den Hoferben durch Verfügung von Todes wegen frei bestimmen oder ihm den H o f i m Wege der vorweggenommenen Erbfolge durch Übergabevertrag übergeben 6 9 . „ D e n Miterben, die nicht Hofçrben geworden s i n d " 7 0 , steht vorbehaltlich einer anderen Regelung durch Übergabevertrag oder Verfügung von Todes wegen an Stelle eines Hofanteils ein Anspruch auf Geldabfindung gegen den Hoferben z u 7 1 . Dabei gilt i m Fall der Übergabe des Hofes an einen hoferbenberechtigten A b k ö m m l i n g der Erbfall hinsichtlich des Hofes zugunsten der „anderen A b k ö m m l i n g e " als eingetreten 7 2 . Als Wert des Hofes i m Zeitpunkt des
66 Vgl. von Schmitt , 144 (Wortlaut der Vorschrift) und 633 (Begründung): „Schenkungen, bei welchen sich der Schenkende die Nutzungen des geschenkten Gegenstandes bis zu seinem Lebensende vorbehält, werden zu den in Abs. 2 bezeichneten Verfügungen gerechnet." 67 Von Schmitt, I 633 68 Vgl. § 4 HöfeO. 69 Vgl. § 7 Abs. 1 HöfeO i.V. m. §§ 16, 17 HöfeO. 70 Gemeint sind mit dieser Formulierung des § 12 Abs. 1 HöfeO die durch die Hoferbfolge benachteiligten Personen; BGH, 7. Okt. 1958, Ζ 28, 194, 199; 15. Mai 1962, Ζ 37, 122, 124. 71 § 12 Abs. 1 HöfeO.
I. Kein Abzug des Nießbrauchs
245
Erbfalls „ g i l t " nach § 12 Abs. 2 HöfeO das Eineinhalbfache des zuletzt festgesetzten Einheitswertes. V o n diesem ganz erheblich unter dem Verkehrswert liegenden Betrag 7 3 werden nach § 12 Abs. 3 HöfeO „die Nachlaßverbindlichkeiten abgezogen, die i m Verhältnis der Erben zueinander den H o f treffen und die der Hoferbe allein zu tragen hat". Hierunter fallen abweichend von § 1967 Abs. 2 B G B nicht Vermächtnisse, Pflichtteils- und Erbersatzansprüche 74 . Abzusetzen sind aber Altenteile 7 5 und sonstige lebenslängliche Nutzungsrechte, die hierfür kapitalisiert werden müssen 7 6 . Stirbt der Nutzungsberechtigte während des Berechnungsverfahrens der Abfindung, steht die dingliche Last ihrer tatsächlichen Höhe nach fest, so daß eine Schätzung entbehrlich w i r d 7 7 . V o r allem i m Rheinland und in Westfalen enthalten zahlreiche Übergabeverträge einen Nießbrauchsvorbehalt zugunsten des übergebenden Altbauern 7 8 . Häufig ist daher auch ein vorbehaltener Nießbrauch zu kapitalisieren und v o m Hofwert abzuziehen 7 9 , bevor der Abfindungsanspruch der einzelnen Miterben
ermittelt wird.
Nach § 2303 Abs. 1 Satz 2 B G B ist der Pflichtteil der halbe Wert des gesetzlichen Erbteils. § 12 Abs. 10 und 3 Satz 2 HöfeO nehmen für Pflichtteilsansprüche auf das allgemeine Recht Bezug. Daher ist grundsätzlich der höferechtliche Abfindungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten
halb so groß wie der des
M i t e r b e n 8 0 . Hierbei ist aber die Besonderheit zu beachten, daß Verbindlichkeiten aus Altenteilsrechten bei der Berechnung des Abfindungsanspruchs des Pflichtteilsberechtigten i m Gegensatz zur Lage beim Miterben nicht in Ansatz gebracht werden, so daß der Pflichtteilsanspruch bei hohen Altenteilsleistungen höher sein kann als der Abfindungsanspruch der M i t e r b e n 8 1 . I n diesem Fall kann der 72 So § 17 Abs. 2 HöfeO. Nach Wöhrmann!Stöcker, § 17 HöfeO Rdnr. 62 beruht die Beschränkung nur auf Abkömmlinge auf einem rechtshistorischen Zufall. Sie sei wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 1 GG nichtig. Die Fiktion gelte daher zugunsten aller Pflichtteilsberechtigten. Ausführlich zur Rechtsgeschichte des § 17 Abs. 2 HöfeO Stöcker, AgrarR 1982, 169 f. 73 Nach Faßbender, DNotZ 1976, 408 entspricht einem Einheitswert von D M 30 000 ein Ertrags wert von D M 120 000 und ein Verkehrswert von fast D M 500 000 ! 74 Dies ergibt sich aus § 12 Abs. 10 i.V. m. Abs. 3 Satz 2 HöfeO; vgl. Wöhrmann! Stöcker, § 12 HöfeO Rdnr. 27, 28. 75 Zum Begriff, Inhalt, Beginn und Ende eines Altenteils vgl. Wöhrmann!Stöcker, § 14 HöfeO Rdnr. 38-80. 76 So Wulff, RdL 1952, 116 f.; Wöhrmann!Stöcker, § 12 HöfeO Rdnr. 29 und der BGH, 17. Dez. 1952, Ζ 8, 213 ff. Als Anhalt dient auch hier § 14 BewG. 77 Wöhrmann!Stöcker, § 12 Rdnr. 29 mit umfangreichen Nachweisen. — Dies steht nicht im Widerspruch zu der oben verteidigten h.M. zur Lage bei § 2325 BGB (§ 9 bei Fn. 39 ff.). Dort geht es um die subjektive Unentgeltlichkeitsvereinbarung, die im voraus feststehen muß, hier um die objektiv zu bestimmende Höhe einer Belastung, die nicht im voraus bestimmt sein muß. 78 Wöhrmann!Stöcker, § 17 HöfeO Rdnr. 53 ff. und Pikalo, DNotZ 1971, 389 ff., insbesondere 399 in Fn. 31. 79 Der vorbehaltene Nießbrauch ist sicherlich ein lebenslängliches Nutzungsrecht. so Wöhrmann!Stöcker, § 12 HöfeO Rdnr. 37. si Wöhrmann!Stöcker, § 12 HöfeO Rdnr. 37, 38 und § 17 HöfeO Rdnr. 66 ff.
246
§10 Lösungsvorschlag
pflichtteilsberechtigte Miterbe nach § 2305 B G B die höhere Abfindung verlangen 8 2 . Nicht anders ist die Lage zu beurteilen, wenn der Hofübergeber statt ein Altenteilsrecht zu vereinbaren den H o f unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übergeben hat. Dies folgt mittelbar aus § 13 Abs. 2 HöfeO. Danach ist der lebenslange „übliche Altenteil" der gesetzliche Anspruch des überlebenden Ehegatten des Hofeigentümers, wenn i h m die Verwaltung und Nutznießung am H o f nicht oder nicht mehr zusteht. Der Altenteil ist also ein Minus zur „Nutzverwaltung", die ein dem Nießbrauch eng verwandtes absolutes Recht sui generis ist, auf das die Vorschriften der §§ 1030 ff. B G B sinngemäß angewandt werden können 8 3 . W e n n schon dieses gesetzliche M i n i m u m bei der Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs nicht v o m Hofwert abgezogen werden kann, dann ist der Erst-RechtSchluß unabweislich, daß die m i t dem Altenteilsrecht eng verwandten, es ersetzenden, über es wertmäßig hinausgehenden, sonstigen lebenslänglichen Nutzungsrechte, zu denen auch der vorbehaltene Nießbrauch des Altbauern gehört, bei der Berechnung des Abfindungsanspruchs der Pflichtteilsberechtigten ebenfalls nicht v o m Wert des Hofes abgezogen werden dürfen. Ob ein Altenteil, ein Nießbrauchsvorbehalt oder ein sonstiges Nutzungsrecht auf dem H o f lastet, ist nämlich ebenso wie die Höhe des jeweiligen Rechtes von der Vereinbarung der Parteien des Übergabevertrages abhängig, also letztlich v o m W i l l e n des Erblassers. Für den Pflichtteil als die unentziehbare Teilhabe der nächsten Angehörigen des Erblassers gibt indes der gesetzliche Erbteil Maß, dessen Höhe v o m W i l l e n des Erblassers unabhängig sein m u ß 8 4 . Dieser Befund i m Höferecht spricht i m Wege eines argumentum a majore ad minus für den Nichtabzug des vorbehaltenen Nießbrauchs i m allgemeinen Z i v i l recht. Wenn schon nach der Höfeordnung, die ihrer Grundkonzeption nach zum Zweck der Erhaltung wirtschaftlich lebensfähiger bäuerlicher Betriebseinheiten sicherstellt, daß nur ein Erbe den H o f bekommt und die Abfindungsansprüche der „weichenden Erben" erheblich geringer sind, als sie nach den allgemeinen Vorschriften wären 8 5 , der vorbehaltene Nießbrauch des Hofübergebers die A n spruchshöhe der Pflichtteilsberechtigten nicht beeinflußen kann, dann muß das erst recht bei Schenkungen eines Erblassers unter Nießbrauchsvorbehalt i m allgemeinen bürgerlichen Erbrecht für die Ergänzungsansprüche der Pflichtteilsberechtigten nach den §§ 2325 ff. B G B gelten. I m Erbrecht des B G B steht nämlich nicht wie in der Höfeordnung die Privilegierung eines Haupterben i m
82 Wöhrmann!Stöcker, § 12 HöfeO Rdnr. 69. 83 Wöhrmann!Stöcker, § 14 HöfeO Rdnr. 11. 84 BGH, 17. Dez. 1952, Ζ 8, 213, 220. 85 Zu dieser Grundkonzeption des bäuerlichen Anerbenrechts und der Höfeordnung vgl. Kipp/Coing, § 131 A und Wöhrmann/Stöcker, Einleitung Rdnr. 1-14. Nach Faßbender, AgrarR 1982, 314, bestehen „unerbittliche Sachzwänge", da der reelle Pflichtteil vom Verkehrswert des Hofes den Betrieb ruinieren würde.
247
I. Kein Abzug des Nießbrauchs
Vordergrund, sondern die Gleichheit der Kinder in der Erbfolge 8 6 . Sie erfordert zwingend, Schenkungen mit und ohne Vorbehalt i m Rahmen des § 2325 Abs. 1 B G B gleich zu behandeln.
5. Rechtsgeschichte Anders als bei der Beantwortung der Fragen nach der Rechtsnatur der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und der Zulässigkeit ihres Vollzugs m i t Hilfe
eines
Eigentümernießbrauchs 87
gibt
„der
Blick
zurück"
bei
der
Frage, welcher Betrag ergänzungspflichtig ist, wenn der Erblasser einen Gegenstand unter Nießbrauchsvorbehalt verschenkte, keine entscheidenden Fingerzeige. Für die Rechtsinstitute, die dem Pflichtteilsberechtigten vor Schenkungen des Erblassers Schutz gewährten, ist weder für das gemeine R e c h t 8 8 noch für das preußische A L R 8 9 das Problem einer Schenkung des Erblassers unter Nießbrauchsvorbehalt nachweisbar 9 0 . Die Rechtsgeschichte weist gleichwohl eher i n Richtung der hier vertretenen Auffassung. Schon konstruktiv bedingt konnten gemeines Recht und preußisches A L R beim Schutz des Pflichtteilsberechtigten nicht zwischen Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und solchen ohne Vorbehalt differenzieren. Nach gemeinem Recht konnte der Pflichtteilsberechtigte bei Verletzung seines Pflichtteils durch eine pflichtwidrige Schenkung dieselbe m i t der „querella inofficiosae donationis" anfechten, wobei bestritten war, ob die W i r k u n g der Durchführung des Anfechtungsrechtes die Zuwendung nur bis zum Betrage des Pflichtteils 9 1 oder insgesamt 9 2 aufhob. Jedenfalls wurde durch die erfolgreiche Anfechtungsklage die Wirksamkeit der betroffenen Schenkung ex tunc besei-
86 Vgl. Kipp/Coing, § 1 I 3. 87 Vgl. hierzu oben §§ 1 I I und 2 I 2 c). 88 Vgl. zur Anfechtungsklage des Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschenkten im gemeinen Recht (sog. „querella inofficiosae donationis") und ihren Voraussetzungen (u.a. objektive Pflichtteilsverletzung zur Zeit ihrer Vornahme infolge pflichtwidriger Übermäßigkeit, die später nicht ausgeglichen wurde): Windscheid/Kipp, I I I § 586; Dernburg, Pandekten I I I § 156; Sintenis, I I I § 200 I I 1; Brini, I I I § 405, 4; Glück, V I I § 550, 156 ff. 89 Vgl. zum Widerrufsrecht der „nothwendigen Erben", wenn der reine Betrag des Nachlasses nicht die Hälfte der Schenkung ausmacht, ALR I 11 §§1113-1116 und hierzu Koch, ALR I 869 ff.; Dernburg, Preuß. Privr. I I I § 212; Förster/ Eccius, I V § 248 IX; Bornemann, I I I § 211, 2. 90 Vgl. neben den in Fn. 88 Genannten zum gemeinen Recht noch Breidenbach, AcP 27 (1844) 338-360 und AcP 28 (1846) 28-53 sowie Fitting, AcP 50 (1867) 56-79. Die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt wird in diesem Zusammenhang nirgendwo erwähnt. 91 So die wohl h.M., vgl. Windscheid/Kipp, I I I § 586 Anm. 13; Dernburg, Pandekten I I I § 156 Anm. 11; Sintenis, I I I § 202 I I 1 Anm. 14. 92 So u.a. Breidenbach, Fn. 90.
§ 10 Lösungsvorschlag
248
t i g t 9 3 , sei es nur partiell 9 4 , sei es i n t o t o 9 5 . Die Anfechtung 9 6 machte auch den Vorbehalt als T e i l der Schenkung rückwirkend ungeschehen. Sie hatte zur Folge, daß, soweit sie reichte, der Schenkungsgegenstand als vor dem E r b f a l l 9 7 weder i m belasteten 98 noch i m unbelasteten E i g e n t u m 9 9 des Beschenkten stehend angesehen wurde. Das Eigentum galt insoweit als niemals übergegangen, sondern als dem Pflichtteilsberechtigten zustehend 1 0 0 . Für den Pflichtteilsberechtigten war es daher unerheblich, ob die ihn beeinträchtigende Schenkung des Erblassers unter Nießbrauchsvorbehalt vorgenommen wurde oder nicht. Für eine Differenzierung beider Schenkungsformen etwa i n Form eines Abzuges für den Vorbehalt bestand kein Ansatzpunkt. Nach dem preußischen A L R konnte der Pflichtteilsberechtigte Schenkungen, die der Erblasser i n den letzten drei Jahren vor seinem T o d gemacht hat, widerrufen, wenn der reine Nachlaß nicht die Hälfte des Wertes der verschenkten Sachen hatte 1 0 1 . Schenkungen unter einer Auflage waren von diesen Vorschriften ausgenommen, unabhängig davon, ob die Auflage zugunsten eines Dritten oder des Schenkers w a r 1 0 2 . Sie wurden v o m preußischen A L R abweichend v o m gemeinen Recht wie lästige Verträge behandelt 1 0 3 . Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt wurden von diesem Ausschluß aber nicht betroffen 1 0 4 , unterfielen also auch dem Widerruf.
Dieser bewirkte,
soweit er reichte, die Ungültigkeit
der
Schenkung 1 0 5 . Der Widerruf fand seine Grenze in der Erreichung des halben Schenkungsweites durch den u m den „Widerrufswert" ergänzten Nachlaß 1 0 6 . 93 Windscheid/Kipp, I I I § 586 bei Anm. 13 („Aufhebung der Zuwendung"); Dernburg, Pandekten I I I § 156 bei Anm. 11 („Rescission"); Sintenis, I I I § 202 I I 1 bei Anm. 14 („Aufhebung"); Glück, V I I § 550, 158 („umgestossen"). — Zur ex tunc Wirkung (der Anfechtung allgemein) Windscheid/Kipp, I § 82 Anm. 7; Dernburg, Pandekten I § 120 a. E. 94 N a c h d e r h. M . , F n . 9 1 .
95 Nach der Mindermeinung Breidenbachs, Fn. 90. 96 Anfechtung oder Rescission oder Infirmation, vgl. hierzu Sintenis, I § 24 I I Β nach Anm. 30. 97 Nach dem Erbfall konnte der Nießbrauch als persönliche Dienstbarkeit nicht mehr bestehen. 98 Im Fall der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. 99 Im Fall der vorbehaltslosen Schenkung. 100 So ausdrücklich Fitting, AcP 50 (1867) 71 für den Fall einer wegen Verletzung des Pflichtteils nichtigen Schenkung des Erblassers an seine Frau. Daß die „querella inofficiosae donationis" eine dingliche Klage und daher nicht nur gegen den Beschenkten, sondern jeden dritten Besitzer gerichtet werden konnte, so Glück, V I I § 550, 175 f.; Brini, I I I § 405 Anm. 52, war allerdings bestritten, a.M. Windscheid/Kipp, I I I § 586 Anm. 12. ιοί Vgl. ALR I 11 §§ 1113-1116 und dazu die oben Genannten (Fn. 89). 102 Vgl. Anhang § 28 zu A L R I, 11 § 1113; abgedruckt bei Koch, ALR I 870 und hierzu ders., a.a.O. in Anm. 60. 103 Vgl. ALR I 11 § 1053 und hierzu Koch, ALR I 855 f. und 870 Anm. 60. ι 0 4 Sie wurden nicht als Schenkungen unter Auflage aufgefaßt, vgl. oben § 2 in Fn. 45. los Bornemann, I I I § 211, 2. 106 Vgl. ALR I 11 § 1114.
I. Kein Abzug des Nießbrauchs
249
Zudem war die Größe des Pflichtteils des Widerrufenden die Grenze seines Widerrufsrechtes, da er nicht mehr zu beanspruchen hatte 1 0 7 . Dabei wurden fiktiv alle Schenkungen, also alle verschenkten Gegenstände, der letzten drei Jahre vor dem Erbfall als zum Nachlaß gehörig angesehen und der Pflichtteil danach berechnet 1 0 8 . Nach dem Erbfall stehen sich Schenkungsgegenstände, die unter Nießbrauchsvorbehalt und solche die vorbehaltslos verschenkt wurden, v ö l l i g g l e i c h 1 0 9 . Es ist also anzunehmen, daß das A L R i m Rahmen des Schutzes des Pflichtteilsberechtigten
nicht
zwischen
renzierte 1 1 0 . So mißt auch das Reichsgericht
beiden
Schenkungsformen
diffe-
für den ganz ähnlich strukturierten
Anspruch des Pflichtteilsberechtigten i m Fall des Leibrentenkaufs seitens des Erblassers 111 der Tatsache, daß sich der Erblasser an einigen verkauften Gegenständen den Nießbrauch vorbehalten hatte, keinerlei Bedeutung z u 1 1 2 .
6. Rechtsvergleichung I m Gegensatz zur Rechtsgeschichte, der „vertikalen Rechts vergleichung", vermag der B l i c k auf moderne Rechtsordnungen, die „horizontale Rechtsverg l e i c h u n g " 1 1 3 , für die Frage, ob i m Rahmen der Pflichtteilsergänzung bei der Wertberechnung zu differenzieren ist, wenn die Schenkung des Erblassers unter Nießbrauchsvorbehalt erfolgte, ganz entscheidende Hinweise zu geben. Besonderes Gewicht kommt hier dem französischen
Recht nA
zu, w e i l die Verfasser des
B G B sich bei der Schaffung des Pflichtteilsergänzungsrechtes die Regelung des Code c i v i l zum V o r b i l d nahmen 1 1 5 . Für den Code c i v i l gilt: Er unterscheidet 107 Förster Œccius, I V § 248 IX. io« Förster Œccius, I V § 248 IX. 109 Sie sind nicht mehr im Nachlaß, eine Kompensation fand nicht statt. no Denn fiktiv hinzugerechnet wird der Wert der weggegebenen Gegenstände; für einen Abzug des Vorbehalts bleibt kein Raum, da nach dem ALR der Vorbehalt keine Leistung des Erwerbers war, sondern vom Veräußerer von der Veräußerung ausgeschlossen wurde, vgl. Königliches Geheimes Ober-Tribunal, 19. Juni 1876, E 78 (1877) 30, 33 f. Auch das RG ging in einem zum ALR ergangenen Urteil vom 1. Juli 1889, Ζ 24, 256, 262, davon aus, daß bei einem Verkauf einer Forderung sowie von beweglichen Sachen, letztere unter Nießbrauchsvorbehalt, gegen eine Leibrente der Erwerber nur die Verpflichtung zur Zahlung der Rente übernommen habe, keinerlei andere Gegenleistung (Hervorhebung vom Verf.). m Vgl. ALR I 11 §§ 637-639 und hierzu FörsterI Eccius, I V § 248 IX a.E. sowie Motive bei Mugdan, V 240 = Motive, V 450: „Diese Vorschriften sind ohne Vorgang und Nachfolge in den übrigen geltenden Rechten; ... sie entbehren der inneren Berechtigung". 112 Das RG erwähnte in seinen rechtlichen Ausführungen die Tatsache des Vorbehaltes nicht einmal (RG, 1. Juli 1889, Ζ 24, 256 ff.). 113 Zu den Begriffen ZweigertlKötz, 10, die aber zugleich auf die teilweise fließenden, ständig kleiner werdenden Unterschiede zwischen rechtsgeschichtlicher und rechtsvergleichender Wissenschaft hinweisen. 114 Vgl. oben § 8 I. us Motive bei Mugdan, V 240 = Motive, V 451 f.
§ 10 Lösungsvorschlag
250
beim Schutz des Vorbehalts der Pflichterben gegen Schenkungen des Erblassers nicht danach, ob die Schenkung m i t oder ohne Vorbehalt des Nießbrauchs gemacht wurde. A u c h bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt ist also der Wert des lastenfreien Eigentums bei der Bestimmung des Freiteils nach Art. 922 Cc dem Nettonachlaß hinzuzurechnen. Der Nießbrauch w i r d nicht abgezogen. Dies spricht dafür, wie hier vorgeschlagen, auch i m Rahmen des § 2325 B G B grundsätzlich keinen Unterschied zwischen Schenkungen m i t und ohne Vorbehalt zu machen. I n die gleiche Richtung weist auch das Schweizer Recht 116,
das einerseits v o m
Code civil, andererseits von alten Regelungen deutschsprachiger Kantone stark beeinflußt ist. Für das Schweizer Z G B gilt: W i e der Code c i v i l differenziert es beim Schutz des Pflichtteilsberechtigten nicht danach, ob die den Pflichtteil beeinträchtigende Schenkung des Erblassers m i t oder ohne Vorbehalt des Nießbrauchs erfolgte. A u c h bei der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist also bei der Hinzurechnung zum Nachlaß nach Art. 475 Z G B der Wert des lastenfreien Eigentums des verschenkten Gegenstandes i n Ansatz zu bringen. Der Vergleich m i t çlem Schweizer Recht weist also ebenfalls darauf hin, daß i m Rahmen der Bildung des Ergänzungsnachlasses nach § 2325 Abs. 1 B G B entgegen der herrschenden Meinung bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt kein Abzug für den Wert des Nießbrauchs vorzunehmen ist. Jedenfalls nicht gegen die hier vorgeschlagene Lösung spricht schließlich das österreichische
Recht 117,
dessen Regelungen sich stark am V o r b i l d des B G B
und des Code c i v i l orientieren. Für das A B G B ist nämlich festzuhalten: Die Frage, ob nach i h m Schenkungen unter Vorbehalt des Nießbrauchs bei der Berechnung des erhöhten Pflichtteils wegen Schenkungen m i t dem Wert des unbelasteten Gegenstandes oder mit diesem Wert abzüglich des Nießbrauchs i n Ansatz zu bringen sind, läßt sich nicht m i t letzter Sicherheit beantworten. V i e l spricht aber auch hier für die Ablehnung eines Abzugs, also für die Gleichbehandlung von Schenkungen m i t und ohne Vorbehalt.
7. Zusammenfassung A l l dies zeigt: Für einen Abzug des vorbehaltenen Nießbrauchs v o m Wert des verschenkten Gegenstandes ist bei der Ermittlung der nach § 2325 Abs. 1 B G B ergänzungspflichtigen Schenkung kein Raum. Vorbehaltsschenkungen sind insoweit wie vorbehaltslose Schenkungen zu behandeln. I n den Normalfällen folgt dies daraus, daß die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt i m entscheidenden Zeitpunkt des Erbfalls die gleichen Auswirkungen hat wie eine Schenkung ohne Vorbehalt. Durch sie ist der ungeschmälerte Gegenstandswert aus dem 116 Vgl. oben § 8 II. 117 Vgl. oben § 8 III.
251
II. Niederstwertprinzip
Vermögen des Schenkers ohne irgendeine Kompensation am Nachlaß vorbei i n das Vermögen des Beschenkten geflossen. Eine Wertminderung infolge des Nießbrauchs findet nicht statt. Letzteres ist i n den seltenen Auszehrfällen
anders.
Daher hat dort eine Vorbehaltsschenkung beim Erbfall nicht die gleichen Auswirkungen wie eine Schenkung ohne Vorbehalt. Bei letzterer gelangt der Wert W S \ i n das Vermögen des Beschenkten, bei ersterer nur der substantiell
verminderte
Wert W s2- Eine differenzierende Behandlung beider Schenkungsformen ist daher geboten. Sie w i r d jedoch schon durch § 2325 Abs. 2 B G B erreicht. Danach w i r d bei Vorbehaltsschenkungen die Wertminderung durch den Nießbrauch v o m Schenkungswert abgezogen, indem nur der um diesen Wert niederere Gegenstandswert zur Zeit des Erbfalls bei der Ermittlung des ergänzungspflichtigen Schenkungswertes i n Ansatz gebracht wird.
I I . Niederstwertprinzip Neben der (Nicht-)Abzugsfähigkeit des Nießbrauchs ist ein weiteres Problem der Bewertung von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt i m Pflichtteilsergänzungsrecht, welcher Zeitpunkt für die Bewertung des lastenfreien Schenkungsgegenstandes entscheidend sein soll. Nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B ist das entweder der Tag des Erbfalls oder des Schenkungsvollzugs. Da die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt durch die Übertragung des belasteten Gegenstandes, nicht erst durch den Erbfall vollzogen wird, ist bei ihr, je nachdem welcher Wert niedriger ist, der Wert der Sache am Übertragungstag oder am Tag des Erbfalls für die Pflichtteilsergänzung maßgeblich. Bei Wertsteigerungen während der Dauer des Nießbrauchs ist also W Si i n Ansatz zu bringen, bei Wertverlusten oder -konstanz hingegen W S2. Insofern werden Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und „aufgeschobene Schenkungen" 1 1 8 unterschiedlich von § 2325 Abs. 2 B G B betroffen. Bei letzteren sind Schenkungszeit 1 1 9 und Erbfall identisch. Wertsteigerungen der Sache zwischen aufgeschobener Übertragung und Bedingungseintritt infolge des Erbfalls kommen dem Pflichtteilsberechtigten also zugute. Diese Ungleichbehandlung ist aber v o m Gesetzgeber gewollt, da § 2325 Abs. 2 B G B nur bei einem Eigentumswechsel als Folge des Satzes „casum sentit dominus" eingreifen s o l l 1 2 0 .
us Vgl. oben unter I 1 b). 119 Schenkungszeit im Sinn von Vollzug der Schenkung. 120 Vgl. oben § 5 bei Fn. 195 ff.
§ 10 Lösungsvorschlag
252
I I I . Ergebnis M i t der Ablehnung des Nießbrauchsabzugs und der Klarstellung der Auswirkungen des § 2325 Abs. 2 B G B steht die Lösung fest. Sie ist wie folgt zu formulieren: Nach § 2325 Abs. 1 B G B ist wegen einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, bei der die Übertragung des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes weniger als zehn Jahre vor dem Erbfall des Schenkers liegt (§ 2325 Abs. 3 B G B ) , der volle Wert der unbelasteten Sache ohne Rücksicht auf den Nießbrauch ergänzungspflichtig. Nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B ist für den unbelasteten verschenkten Gegenstand der Wert i n Ansatz zu bringen, den er zur Zeit des Erbfalls hatte, es sei denn, er hatte zur Zeit der Übertragung einen geringeren Wert; dann kommt dieser i n Ansatz. I n einer abstrakten Formel ausgedrückt lautet die Lösung: Y = W S2 (solange gilt: W S2 ^ W Si; sonst W sl) Die hier vorgeschlagene Lösung deckt sich nur m i t der des LG völlig. Der Unterschied zur Lösung von Speckmann, Reuter 122
Hinke,
Landau 121
von Koch
und
k o m m t allerdings dann nicht zum Tragen, wenn W s2 kleiner ist als
W S\. Ist W s2 größer als Wsi, ist nach ihnen gleichwohl W S2 i n Ansatz zu bringen, w e i l Erbfall und Schenkungsvollzug nach ihrer Auffassung bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt zeitlich zusammenfallen. Nach der hier vorgeschlagenen Lösung und der des LG Landau k o m m t i n diesen Fall hingegen W Si i n A n satz.
I V . Die gemischte Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt Nach der A n t w o r t auf die „heikle F r a g e " 1 2 3 , welcher Betrag wegen einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ergänzungspflichtig ist, steht noch offen, was gilt, wenn keine isolierte Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt vorliegt, sondern ein komplexer Vertrag m i t einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt. Sind die gegenseiten Leistungsverpflichtungen objektiv gleichwertig oder stehen sie doch wenigstens nach den noch vertretbaren subjektiven Vorstellungen der Parteien i n einem äquivalenten do-ut-des-Verhältnis, liegt ein entgeltlicher Vertrag v o r 1 2 4 , der i m Rahmen der §§ 2325 ff. B G B , die nur wegen Schenkungen Ansprüche gewähren, keine Probleme aufwerfen kann. Probleme bestehen indes, 121 Vgl. oben § 7 Π 2 und § 9 V. 122 Vgl. oben § 7 I 3 und § 9 III. 123 Dieckmann, FamRZ 1984, 882. 124 Vgl. oben § 2 I V 3 c).
IV. Die gemischte Schenkung mit Nießbrauchs vorbehält
253
wenn eine gemischte Schenkung vorliegt, w e i l gemischte Schenkungen Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen 1 2 5 .
1. Begriff Ein komplexer Vertrag, der eine Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt beinhaltet, kann eine gemischte Schenkung sein 1 2 6 . Er ist es, wenn die Verpflichtung des Erwerbers eine Gegenleistung für die Übereignung der Sache unter Nießbrauchsvorbehalt durch den Veräußerer ist, die objektiv einen geringeren Wert hat als die belastete Sache, und die Parteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung des nicht abgegoltenen Teils der Leistung einig sind. Für solche Verträge wurde i n dieser Arbeit die Bezeichnung „gemischte Schenkung m i t Nießbrauchsvorbehalt" gewählt. Als B e i s p i e l 1 2 7 diene eine Abwandlung des Ausgangsfalls: E erhält von S für die Übertragung des Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt einen Kaufpreis von D M 190 400, also von l/iW
H.
Beide sind
sich darüber einig, daß E „an sich" D M 380 800 erhalten sollte und daß der nicht abgegoltene T e i l „geschenkt" sei.
2. Ergänzungspflichtiger Wert a)
Schenkungsgegenstand
Die Antwort auf die Frage, welche Ergänzungspflicht nach § 2325 Abs. 1 B G B eine gemischte Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt auslöst, hängt wesentlich davon ab, was ihr Schenkungsgegenstand ist. Denkbar wäre die Differenz zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung, also ein Geldbetrag; die übereignete Sache selbst abzüglich der erbrachten Gegenleistung oder ein entsprechender Bruchteil dieser Sache. I m Beispiel ist also denkbar, daß S i m Zeitpunkt der Übertragung m i t Nießbrauchsvorbehalt, also 1 9 6 6 1 2 8 , D M 190 400 geschenkt erhielt, die belastete Sache i m Wert von D M 380 800 abzüglich D M 125 Vgl. oben § 5 bei Fn. 134 ff. 126 Vgl. oben § 2 I V 3 b). 127 Zum Sachverhalt des Ausgangsfalls vgl. oben § 7 bei Fn. 1. — Fälle aus der Rechtsprechung, die nach der hier gebrauchten Terminologie „gemischte Schenkungen mit Nießbrauchsvorbehalt" zum Gegenstand haben, sind RG, 22. Feb. 1940, Ζ 163, 257: Verkauf eines Grundstücks im Wert von Κ 80 000 mit Vorbehalt des Nutznießungsrechtes im Wert von Κ 15 000 gegen Zahlung von Κ 28 000; BGH, 28. Sept. 1983, Ζ 88, 269: Verkauf einer Eigentumswohnung mit Nießbrauchs vorbehält gegen D M 60 000; 9. Nov. 1983, Ζ 89, 24: Verkauf eines Grundstücks mit Nießbrauchsvorbehalt gegen Zahlung von D M 100 000. 128 Also nicht, was S 1971 im Zeitpunkt des Todes des E geschenkt erhalten hat. Dann könnte nämlich auch der gestreckte Erwerb zu beachten sein; vgl. hierzu sogleich unter b).
254
§ 10 Lösungsvorschlag
190 400 oder die halbe belastete Sache i m Wert von D M 190 400. „ L o g i s c h " lassen sich alle Annahmen begründen 1 2 9 . Sieht man die unentgeltliche Bereicherung des S i n der Wertdifferenz, hat man primär Wertgesichtspunkte vor Augen. Hält man das belastete Grundstück abzüglich des Kaufpreises für die unentgeltliche Vermögensmehrung des S, folgt man damit mehr einer Kausal Verläufe i n den Vordergrund rückenden S i c h t 1 3 0 . Ist man der Auffassung, die Bereicherung des S sei ein Bruchteil des belasteten Grundstücks 1 3 1 , befindet man sich i m Einklang mit der Ansicht des täglichen Lebens, dem der Begriff „halb geschenkt" w o h l vertraut i s t 1 3 2 . Der Bundesgerichtshof
hat ohne Abwägung der unterschiedlichen Positionen
entschieden, daß die „überschüssige Bereicherung", die „Wertdifferenz"
der
miteinander zu vergleichenden Leistungen geschenkt s e i 1 3 3 . Er konnte sich dabei auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts die Motive berief
135
stützen 1 3 4 , das sich seinerseits auf
. Danach ist ein „negotium m i x t u m cum donatione", i n dem
m i t Schenkungswille eine den Wert der Gegenleistung übersteigende Leistung vereinbart wird, „soweit der Werth der Leistung den der Gegenleistung übersteigt, als Schenkung zu beurtheilen" 1 3 6 . Diese Auffassung findet i n der Literatur verbreitet ausdrückliche Anhänger 1 3 7 . Es gibt aber auch viele unklare Stellungnahmen 1 3 8 .
129 Vgl. hierzu auch OGHBrZ, 19. Mai 1949, Ζ 2, 160, 165. 130 OGHBrZ, 19. Mai 1949, a.a.O. 131 Planck-Knoke, § 516 Anm. 6. 132 Vgl. hierzu Esser/Weyers, 114; Staudinger (12)-Reuss, § 516 Rdnr. 23. 133 BGH, 21. Juni 1972, Ζ 59, 132, 139; 27. Mai 1981, NJW 1981, 2458, 2459. Ähnlich 16. Okt. 1963, FamRZ 1964, 429, 431: „Bereicherung um den Wertunterschied mit Schenkungswille". Vgl. aber auch 23. Mai 1959, Ζ 30, 120, 122: „Einzelgegenstand, der teils entgeltlich und teils unentgeltlich zugewendet wird". 134 RG, 27. Juni 1935, Ζ 148, 236, 239 f. und 22. Feb. 1940, Ζ 163, 257, 259. 135 RG, 27. Juni 1935, Ζ 148, 238 mit Hinweis auf Motive, I I 287 = Motive bei Mugdan, I I 159. 136 Motive, a.a.O. Dieses Zitat besagt jedoch nicht eindeutig, von welchem Schenkungsgegenstand die Gesetzesverfasser ausgingen. Es ist mit allen drei Auffassungen vereinbar; ähnlich MiinchKomm-Kollhosser, § 516 Rdnr. 30. — Die Berufung des RG auf die angezogene Stelle erscheint jedoch vertretbar, weil im gemeinen Recht der „überschießende Betrag", die „Differenzsumme" als Schenkungsgegenstand angesehen wurde; vgl. Sintenis, I § 23 bei Anm. 9; Staudinger (12)-Reuss, § 516 Rdnr. 22. 137 Vgl. RGRK-Mezger, § 516 Rdnr. 11 und MünchKomm-Kollhosser, § 516 Rdnr. 26: Zuwendung des Mehrwerts; Palandt-Putzo, § 516 Anm. 7 a: Der überschießende Wert unentgeltlich gegeben; Crezelius, 134: Der Differenzbetrag soll als unentgeltliche Zuwendung gelten. 138 Staudinger ( 12)-Reuss, § 516 Rdnr. 22, der die erhebliche Bedeutung der Streitfrage betont, sie aber dann in der mit ihr nicht deckungsgleichen Auseinandersetzung von Trennungs- und Einheitstheorie nicht mehr aufgreift. Unklar auch Esser/Weyers, 114 und Larenz, Schuldrecht BT, § 62 I I c). Die Schenkung eines Teils der Sache favorisiert (wohl) Planck-Knoke, § 516 Anm. 6.
IV. Die gemischte Schenkung mit Nießbrauchsvorbehlt b) Problematik
255
beim gestreckten Erwerb
Die Entscheidung zwischen den verschiedenen Auffassungen v o m Schenkungsgegenstand einer gemischten Schenkung bleibt regelmäßig ohne praktische Auswirkungen für das Pflichtteilsergänzungsrecht 139 . § 2325 Abs. 1 B G B gibt dem Pflichtteilsberechtigten ohnehin nur einen Geldanspruch. A u c h wenn man die Sache abzüglich der Gegenleistung oder einen T e i l der Sache als „geschenkt" ansieht, ist eine Geldwertbestimmung des Geschenks für die Hinzurechnung zum Nachlaß erforderlich 1 4 0 . Sie führt zum gleichen Betrag „ W e r t der Sache abzüglich Gegenleistungswert", den die Auffassung, die den Differenzwert als „geschenkt" ansieht, als Schenkungswert bestimmt. Dies zeigt auch das Beispiel: 1966 belief sich nach allen drei Auffassungen der Wert der unentgeltlichen Bereicherung des S auf D M 190 400. Erhebliche praktische Bedeutung erhält die Frage des Schenkungsgegenstandes indes bei einer gemischten Schenkung m i t Nießbrauchsvorbehalt, w e i l das Phänomen des gestreckten Erwerbs hinzukommt. Dies soll zunächst am Beispiel gezeigt werden. Welcher Wert ist dem Nachlaß hinzuzurechnen, wenn E 1971 5 Jahre nach der Übertragung stirbt? Geht man davon aus, geschenkt sei die Wertdifferenz
zwischen Leistung und Gegenleistung, so w i r d man sagen müssen:
D e m Nachlaß sind D M 190 400 hinzuzurechnen. Diesen Geldbetrag, die Differenz zwischen Hüllen wert und Kaufpreis, hat E 1966 S geschenkt. Geld ist eine verbrauchbare Sache i m Sinn des § 92 B G B 1 4 1 . Für verbrauchbare Sachen gilt das Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B nicht. Sie kommen vielmehr nach Satz 1 dieser Vorschrift immer „ m i t dem Werte i n Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung" hatten 1 4 2 . Hiernach hätte Τ gegen S einen Pflichtteilsergänzungsanspruch i n Höhe von D M 47 600. Hält man die m i t Nießbrauchsvorbehalt übertragene Sache selbst des Wertes der Gegenleistung
abzüglich
des Erwerbers für den Schenkungsgegenstand,
k o m m t man zu einem anderen Ergebnis. I n diesem Fall ist Ausgangspunkt der nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B ermittelte niederere Wert der Sache, also D M 900 000 i m Beispiel. Hiervon ist die Gegenleistung des S abzuziehen, also D M 190 400. Geschenkt und damit dem Nachlaß hinzuzurechnen wären D M 709 600. Hiernach hätte Τ gegen S einen Ergänzungsanspruch in Höhe von D M 177 400. Z u wieder einem anderen Ergebnis k o m m t man, wenn man einen bestimmten Bruchteil
der Sache für geschenkt hält. Er beläuft sich i m Beispielsfall auf die
139 Vgl. auch MünchKomm-Kollhosser, § 516 Rdnr. 26 a.E. 140 Anders als bei den Herausgabeansprüchen nach §§ 528, 531, 2287 BGB. Dort ist sehr entscheidend, ob Geld oder die Sache oder ein Teil der Sache geschenkt ist. Vgl. zum Streitstand MünchKomm-Kollhosser, § 516 Rdnr. 33 f. und BGH, 23. Mai 1959, Ζ 30, 120 ff. 141 Vgl. Staudinger (12)-Dilcher, § 92 Rdnr. 2. 142 Vgl. zur Anwendung des § 2325 Abs. 2 BGB bei einer Geldschenkung Soergel (U)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19 und MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 20.
256
§10 Lösungsvorschlag
Hälfte, w e i l bei der Auflassung des belasteten Grundstücks von E an S die Leistung des S, Zahlung von D M 190 400 an E, halb so viel wert war wie das belastete Grundstück. Hätte S das doppelte gezahlt, hätte ein v o l l entgeltlicher Kaufvertrag vorgelegen. Der nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B maßgebliche Wert des Grundstücks beträgt D M 900 000. Geschenkt ist die Hälfte, also D M 450 000, die dem Nachlaß hinzugerechnet werden müßten. Der Anspruch der Τ gegen S betrüge dann D M 112 500. Trotz der unterschiedlichen praktischen Auswirkungen der Auffassungen zur Frage, was bei einer gemischten Schenkung m i t Nießbrauchsvorbehalt geschenkt ist, muß der Streit i m Rahmen dieser Arbeit nicht generell entschieden werden. Dies u m so weniger, als auch der Bundesgerichtshof
keine allgemeinen Aussagen
zum Wesen der gesetzlich nicht geregelten gemischten Schenkung macht. M i t Unterstützung aus der Literatur unternimmt er nicht einmal den Versuch, ihre Probleme aus einem einheitlichen dogmatischen Ansatz heraus zu lösen, sondern bemüht sich in jedem einzelnen Problemfeld um eine sachgerechte, interessenorientierte Ausfüllung der Gesetzeslücke 1 4 3 . Orientiert man sich hieran, sind i m Rahmen des § 2325 B G B die Ergebnisse der unterschiedlichen Auffassungen v o m Schenkungsgegenstand der gemischten Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt m i t den Rechtsfolgen zu vergleichen, die nach dieser Vorschrift bei einer reinen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und bei einem reinen Kaufvertrag m i t Nießbrauchsvorbehalt eintreten. Die Auffassung, deren Ergebnis am besten hiermit harmoniert, ist vorzugswürdig. I m ersten Fall, wenn S also gar keine Leistungsverpflichtung hat, ist nach dem Ergebnis dieser Arbeit der niederere Sachwert ergänzungspflichtig, also i m Beispiel D M 900 000. I m zweiten Fall, wenn S eine Leistung i n Höhe des Hüllenwertes erbringt, also i m Beispiel D M 380 800 zahlt, ist nichts ergänzungspflichtig, w e i l keine Schenkung vorliegt. Bei der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist der gesamte gestreckte Erwerb, der zeitlich verzögerte Wertfluß von E zu S, geschenkt. B e i m K a u f m i t Nießbrauchsvorbehalt ist derselbe Vorgang insgesamt i m Rahmen der Entgeltlichkeitsvereinbarung berücksichtigt. V o r diesem Hintergrund vermag die Auffassung, nach der der gesamte Sach- % wert abzüglich
der Leistung
des Erwerbers geschenkt ist, nicht zu überzeugen.
Nach ihr liegt i m Beispiel eine Schenkung von D M 709 600 vor. Diese Meinung geht damit davon aus, daß bei einer gemischten Schenkung m i t Nießbrauchsvorbehalt nicht anders als bei einer reinen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt der gesamte gestreckte Erwerbsvorgang nach der Übertragung „geschenkt" ist. Dies ist unrichtig. Soweit das Geschäft entgeltlich ist, ist die fließende Wertbewegung v o m Veräußerer zum Erwerber Teil der Entgeltlichkeitsvereinbarung. Die Unrichtigkeit dieser Auffassung w i r d besonders offenbar, wenn man annimmt, S habe 90 % des Hüllenwertes bezahlt, also D M 342 720. Folgt man ihr, liegt 143 Vgl. MünchKomm-Kollhosser,
§ 516 Rdnr. 29 und 30.
IV. Die gemischte Schenkung mit Nießbrauchsvorbehlt
257
nach dem T o d des E eine ergänzungspflichtige Schenkung i m Wert von D M 557 280 v o r 1 4 4 , hätte S indes nur 10 % mehr gezahlt, ein reiner Kaufvertrag. Nicht überzeugend ist auch die Auffassung, nach der nur die Wertdifferenz aus Leistung und Gegenleistung geschenkt ist. Hiernach liegt i m Beispiel eine Schenkung von D M 190 400 vor. Nach dieser Meinung ist bei einer gemischten Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt genauso w i e bei einem Kaufvertrag m i t Nießbrauchsvorbehalt der gesamte gestreckte Erwerb T e i l der Entgeltlichkeitsvereinbarung. Auch dies ist unrichtig. Soweit das Geschäft Schenkung ist, ist auch die fließende Wertbewegung v o m Schenker zum Beschenkten „geschenkt". Die Unrichtigkeit dieser Auffassung w i r d besonders offenbar, wenn man annimmt, S habe 10 % des Hüllen wertes bezahlt, also D M 38 080. Folgt man ihr, liegt nach dem Erbfall eine Schenkung des E vor, deren ergänzungspflichtiger Wert nur D M 342 720 beträgt 1 4 5 , hätte S nichts bezahlt, wären D M 900 000 ergänzungspflichtig. M i t den Rechtsfolgen von § 2325 B G B bei reinen Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und Kaufverträgen m i t Nießbrauchsvorbehalt harmonieren nur die Ergebnisse der Auffassung, nach der ein bestimmter
Bruchteil
der teils
verschenkten, teils verkauften Sache Schenkungsgegenstand ist. Hiernach liegt i m Beispiel eine Schenkung des halben Grundstücks i m Wert von D M 450 000 vor. Diese Meinung sieht den gestreckten Erwerb bei einer gemischten Schenkung m i t Nießbrauchsvorbehalt zu Recht als teils „geschenkt", teils von der Entgeltlichkeitsabrede erfaßt an. Maß gibt hier das Verhältnis des Hüllen wertes zum Wert der Leistung des Erwerbers. Beträgt der Kaufpreis ViW
Hy
i m Beispiel
D M 190 400, ist der halbe Sachwert W s, i m Beispiel D M 450 000, geschenkt. Diese Auffassung führt daher auch in den Extremfällen zu stimmigen Ergebnissen. Zahlt S nur 10 % von W H, also D M 38 080, sind 90 % von W s ergänzungspflichtige Schenkung, also D M 810 000. Zahlt er 90 % von W H, also D M 342 720, sind nur 10 % von W s ergänzungspflichtig, also D M 90 000.
c) Ergebnis Bei einer gemischten Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt, die innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall vollzogen wurde, ist bei der Bestimmung des ergänzungspflichtigen Weites Ausgangspunkt der nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B maßgebliche Wert des nießbrauchsfreien Gegenstandes. Hiervon ist der Bruchteil ergänzungspflichtig, der dem Verhältnis des Hüllenwertes W H zum Wert der Gegenleistung des Erwerbers entspricht.
144 Wert der Sache, also D M 900 000, abzüglich Wert der Gegenleistung, also D M 342 720 ergibt D M 557 280. 145 Wert der Leistung Hüllen wert, also D M 380 800, abzüglich Wert der Gegenleistung, also D M 38 080, ergibt D M 342 720. 17 Reiff
258
§ 10 Lösungsvorschlag γ = W S2 - (Gegenleistungswert x W S2 : W H) (so lange gilt: W S2 - W s i ; sonst
Lösung des Beispiels 1 4 6 (S hat D M 190 400 gezahlt): γ = W S2 - (Gegenleistungswert x W S2 : W H) Y = D M 900 000 - D M (190 400 x 900 000 : 380 800) = D M 450 000 Ζ = D M 112 500
V . Die Auflagenschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt 1. Begriff Begründet ein komplexer Vertrag die Verpflichtung einer Partei, einen Gegenstand unter Nießbrauchsvorbehalt zu übertragen, während der anderen Partei Pflichten auferlegt werden, die sich als bloße Einschränkungen der Leistung des Übertragers darstellen, besteht also zwischen beiden Verpflichtungen kein auch nur teil weises Synallagma, liegt eine Auflagenschenkung gemäß § § 5 2 5 - 5 2 7 B G B m i t Nießbrauchsvorbehalt vor. W i e bei der Auflagenschenkung ohne Nießbrauchsvorbehalt ist bei ihr für die Ansprüche aus §§ 2325 ff. B G B danach zu unterscheiden, ob die Auflage zugunsten des Schenkers oder eines Dritten besteht 1 4 7 . Besteht die Auflage zugunsten eines Dritten, ist sie aus der Sicht des Pflichtteilsberechtigten ohne Belang, entscheidend ist für § 2325 Abs. 1 B G B der Bruttowert der Schenkung. Letztlich liegen nämlich zwei Schenkungen des Erblassers vor, eine an den primär Beschenkten, eine an den durch die Auflage Begünstigten 1 4 8 . Besteht die Auflage zugunsten des Schenkers, ist sie für den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten ein Abzugsposten, da der Wert der Auflage den Abflußwert der Schenkung aus dem Nachlaß mindert. Diese Auflagenschenkungen sind daher wie gemischte Schenkungen zu behandeln, von denen sie auch schwer abzugrenzen sind. Bei Auflagenschenkungen m i t Nießbrauchsvorbehalt sind solche Auflagen zugunsten des Schenkers freilich konstruktiv schwierig. Z u Lebzeiten des Schenkers kann der Beschenkte „aus der Sache" wegen des Nießbrauchs keine Leistungen erbringen, nach dem Wegfall des Nießbrauchs, wenn er es könnte, ist der Schenker, dem die Auflage zugute kommen soll, schon tot. A l s Beispiele 1 4 9 dienen erneut zwei Varianten des Ausgangsfalls: 146 Vgl. zu ihr schon oben nach Fn. 145. Vgl. zur Auflagenschenkung ohne Nießbrauchsvorbehalt im Rahmen von §§ 2325 ff. BGB oben I 1 c) bei Fn. 17 ff. 148 Vgl. oben I 1 c). 149 Fälle aus der Rechtsprechung, die nach der hier verwendeten Terminologie „Auflagenschenkungen mit Nießbrauchsvorbehalt" zum Gegenstand haben, sind: RG, 4. Jan. 1887, Ζ 18,176: Schenkung des ganzen Vermögens mit teilweisem Nießbrauchsvorbehalt 147
V. Die Auflagenschenkung mit Nießbrauchsvorbehalt
259
1. E überträgt S das Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt, S verpflichtet sich, dem jüngeren Bruder des E, seinem Onkel O, ein Wohnrecht i n der Mansarde zu bestellen, wenn E vor Ο stirbt. D e m k o m m t S 1971 nach. Wert des Wohnrechts: D M 20 000. 2. E überträgt S das Grundstück unter Nießbrauchsvorbehalt. S schließt einen auf 50 Jahre gültigen Grabpflegevertrag für E ab, den er sofort bezahlt; er zahlt hierfür an U D M 20 000.
2. Lösung a) Schenkung mit Auflage zugunsten eines Dritten W e i l i m Rahmen des § 2325 B G B die Auflage zugunsten Dritter unbeachtlich ist, ist die Schenkung unter Auflage zugunsten Dritter m i t Nießbrauchsvorbehalt genauso zu beurteilen wie eine „Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt". Ergänzungspflichtig ist also, wenn sie innerhalb von 10 Jahren vor dem Erbfall vollzogen wurde, der nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B ermittelte Sachwert ohne Berücksichtigung des vorbehaltenen Nießbrauchs und der A u f l a g e 1 5 0 . Y = W s2 (so lange gilt: W S2 - W sl; sonst W Si) Das Beispiel, i n dem Ο ein Wohnrecht eingeräumt wird, löst sich danach wie folgt: Ergänzungspflichtig ist der Wert des lastenfreien Grundstücks; der Nießbrauchsvorbehalt und das Wohnrecht für Ο werden bei § 2325 Abs. 1 B G B nicht berücksichtigt 1 5 1 . Das Grundstück ist zwischen V o l l z u g und Erbfall i m Wert gefallen, nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B ist also der Wert von D M 900 000 ergänzungspflichtig. Τ kann daher von S D M 225 000 als Pflichtteilsergänzung verlangen.
und Pflicht, Schenker zu verköstigen, verpflegen, aufzuwarten, medizinische Versorgung und Beerdigung zu zahlen (Auflage zug. Schenker); OGHBrZ, 18. Nov. 1948, Ζ 1, 258 = NJW 1949, 260 mit Anm. Coing: Ubergabe eines Grundstücks im Wert von R M 24 000 mit Wohnung und Werkstatt mit Nießbrauchsvorbehalt und Verpflichtung, bei Tod des Übertragers Abfindungen an Geschwister von insgesamt R M 9 000 zu zahlen (Auflage zug. Dritter); BGH, 27. Mai 1981, NJW 1981, 2458: „Verkauf 4 von mehreren Grundstücken zu D M 75 000, Kaufpreis sollte verrechnet werden mit: lebenslangem Nießbrauchsvorbehalt, Verpflichtung zur Pflege in gesunden und kranken Tagen, Grabpflege über den Tod hinaus (Auflage zug. des Schenkers). 150 Vgl. oben unter III. 151 Anders wenn der Nachlaß dürftig ist und S als Erbe nicht haftet. Dann haftet er nach § 2329 BGB als Beschenkter nur auf seine Bereicherung; der Auflagenwert ist also absetzbar. Denkbar ist dann aber auch ein Anspruch gegen O, der auch Beschenkter ist, vgl. oben I 1 c). 17*
§ 10 Lösungsvorschlag
260
Y = D M 900 000 Ζ = D M 225 000
b) Schenkung mit Auflage zugunsten des Schenkers Die Auflage zugunsten des Schenkers stellt wie die Gegenleistung bei der gemischten Schenkung einen Abzugsposten v o m ergänzungspflichtigen Schenkungswert dar. Die Schenkung unter einer Auflage zugunsten des Schenkers mit Nießbrauchsvorbehalt ist also wie die gemischte Schenkung m i t Nießbrauchsvorbehalt zu beurteilen 1 5 2 . Ist sie weniger als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogen, ist bei der Berechnung der ergänzungspflichtigen Schenkung der Wert des nießbrauchsfreien Gegenstandes, ermittelt nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B , Ausgangspunkt. Hiervon ist der T e i l ergänzungspflichtig, der dem Verhältnis des Hüllenwertes W H zum Wert der Auflage entspricht. Y = W S2- (Auflagenwert x W S2 : W H) (so lange gilt: W S2 - W Si; sonst W^) Das Beispiel, i n dem S die Grabpflege für E übernimmt, löst sich danach wie folgt: V o m maßgeblichen Grundstückswert von D M 900 000 ist der Teil ergänzungspflichtig, der dem Verhältnis des Wertes der Auflage von D M 20 000 zum Hüllen wert W H von D M 380 800 entspricht. Ergänzungspflichtig sind also D M 852 732. S kann von Τ den Betrag von D M 213 183 verlangen. Y =W Sι- (Auflagenwert x W S2 : W H) Y = D M 900 000 - D M (20 000 χ 900 000: 380 800) = D M 900 000 - D M 47 268 = D M 852 732 Ζ = D M 213 183.
152 V g l . o b e n u n t e r I V .
3. Kapitel
Der ergänzungspflichtige Wert einer mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt V o n den beiden schwierigen Fragen, die Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt i m Rahmen der Pflichtteilsergänzung aufwerfen, ist die, ob der Erwerb eines nießbrauchsbelasteten Gegenstandes mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall trotz § 2325 Abs. 3 B G B noch Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen kann, w o h l die heiklere 1 . Rechtsprechung zu dieser Frage ist bis auf eine Ausnahme 2 soweit ersichtlich nirgendwo auffindbar. A u c h ihre Behandlung i m Schrifttum ist dürftig. Die wenigen ausdrücklichen Stellungnahmen sind meist ohne jede Begründung und haben eher Bekenntnischarakter. Oft ist die Frage nicht einmal ausdrücklich aufgeworfen. Ihre Beantwortung durch den Autor folgt vielmehr aus dessen Ausführungen zu anderen Fragen, vor allem zum Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B . Lediglich Dieckmann
macht i n diesem Punkt eine Ausnahme 3 . Er ist soweit
ersichtlich der einzige, der alle drei theoretisch denkbaren Lösungswege — völlige Ergänzungsfreiheit, völlige Ergänzungspflicht, Mittelweg — nebeneinander stellt und untereinander abwägt. Seine kurze Stellungnahme ist die einzige wissenschaftliche Auseinandersetzung m i t diesem Problem. Er erkannte als erster, daß diese Frage eigenständigen Charakter hat und selbständig beantwortet werden muß, also nicht mit der praktisch noch bedeutsameren allgemeinen Frage nach dem Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B verquickt werden darf 4 . Ohne diese Erkenntnis drohte jetzt die unreflektierte Bejahung der völligen Ergänzungsfreiheit einer mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt. I m Rahmen jener Fragestellung w i r d nämlich der Fristbeginn mehr und mehr als m i t dem Eintritt des Leistungserfolgs zusammenfallend erkannt und Ansichten, die auf wirtschaftliche Einbuße oder (Teil-)Ausgliederung abstellen, werden i n den Hintergrund gedrängt 5 . Der rechtliche Erfolg ι Vgl. Dieckmann, FamRZ 1984, 882. 2 LG Wiesbaden, 20. Aug. 1975, FamRZ 1975, 654. Auch von dieser Entscheidung ist im Schrifttum, das sich mit dieser Frage beschäftigt, keinerlei Notiz genommen worden; sie ist diesbezüglich nirgendwo nachgewiesen. 3 Soergel (U)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19 und der Nachtrag hierzu. 4 Vgl. zu dieser Frage oben § 5 I I 4 c). 5 Vgl. dazu oben § 5 I I 4 c).
262
§ 11 Meinungsstand
bei einer Vorbehaltsschenkung trete, so könnte man argumentieren, bei ihrem V o l l z u g ein, also zum gleichen Zeitpunkt wie bei vorbehaltslosen Schenkungen 6 . Zudem w i r d die extreme Gegenmeinung, die eine Ergänzungspflicht des gesamten Sachwertes bejaht, vor allem mit einer Rückverlegung des Fristbeginns bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt auf den Erbfall begründet, die ihrerseits aus einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise gefolgert w i r d 7 .
§ 11 Meinungsstand A l l e drei logisch möglichen Antworten auf die Frage, ob eine Schenkung unter Nießbrauchs vorbehält, deren V o l l z u g mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall erfolgte, noch eine Ergänzungspflicht auslöst, werden i m Schrifttum gegeben. Zur Verdeutlichung der praktischen Auswirkungen der verschiedenen Standpunkte diene erneut ein Ausgangsfall 8 : Der 1916 geborene, verwitwete Erblasser E schenkt 1966, also i m Alter von 50 Jahren, seinem einzigen Sohn S ein m i t einem Geschäftshaus bebautes Grundstück i m Wert von D M 1 000 000 unter dem Vorbehalt seines lebenslangen Nießbrauchs. Der jährliche Nettoertrag des Grundstücks und damit auch des Nießbrauchs beträgt D M 50 000. A stirbt 1987 m i t 71 Jahren. Z u dieser Zeit hat das Grundstück nur einen Wert von D M 900 000. Der Nachlaß des E beläuft sich auf D M 1 000 000. S ist sein testamentarischer Alleinerbe. Welche Ansprüche hat die einzige Tochter T? Der Vorschlag von Wacke 9, wonach Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt keine Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen, sondern vielmehr echte Pflichtteilsansprüche, w e i l die verschenkten Gegenstände noch zum Nachlaß zählen, kann schon von seinem Ansatz her i m Zeitablauf zwischen belasteter Übertragung und Erbfall keinen Differenzierungsgrund sehen. Die zum ersten Problem erhobenen Einwände gegen den Lösungsvorschlag Wackes behalten daher ihre Gültigkeit 1 0 . A u f ihn w i r d deshalb i m folgenden nicht mehr eingegangen.
6 In diese Richtung geht etwa die Stellungnahme von Nieder, DNotZ 1987, 320 und wohl auch die von Frank, JR 1987, 244. 7 Vgl. sogleich unter § J1 II. s Es ist der gleiche Fall, der im zweiten Kapitel bei der Problematik von Schenkungen unter Nießbrauchs vorbehält, die innerhalb der Zehnjahresfrist vollzogen wurden, verwendet wurde; vgl. oben § 7 bei Fn. 1. Nur der Todeszeitpunkt des E ist verändert. 9 Wacke, 85 f. Vgl. dazu oben § 7 I 4 und 9 IV. 10 Vgl. oben § 9 IV.
I.
e
263
Ergänzungspflicht
I . Keine Ergänzungspflicht Die Mehrzahl der Autoren, die sich m i t der „heiklen Frage" des Wertansatzes von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, die mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogen wurden, beschäftigen, meinen, diese lösten keinerlei Ergänzungspflicht nach § 2325 Abs. 1 B G B mehr aus. Sie stellen also Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und vorbehaltslose Schenkungen beim L a u f der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B v ö l l i g gleich. Die Frist beginnt m i t der Übertragung des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes auf den Beschenkten und endet 10 Jahre später endgültig in bezug auf den gesamten Vorgang. Daß der Gegenstand zur Zeit der Übertragung m i t einem Nießbrauch belastet war, erfordert danach keine Differenzierung. Herrschend ist die vorgestellte Ansicht allein aufgrund der Zahl ihrer Befürworter. I m Zusammenhang m i t ihr von einer „herrschenden M e i n u n g " zu sprechen, erscheint indes verfehlt. Einer solchen Bewertung steht entgegen, daß die unbegründeten Stellungnahmen überwiegen und noch kein Anhänger dieser Auffassung eine Auseinandersetzung mit den Gegenmeinungen geführt hat; wissenschaftlich ist diese Position also nie gegen seit langem vorgebrachte Angriffe verteidigt worden. Befürworter dieser Auffassung ist Sudhoff.
Zur Begründung 1 1 seiner Meinung
verweist er auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs
aus dem Jahre 1970, wonach
bereits die bloße Leistungshandlung des Schenkers, etwa die Begründung eines Anwartschaftsrechts durch eine aufschiebend auf den T o d des Schenkers befristete Schenkung, den L a u f der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B in Gang setzt 1 2 . Die vollzogene Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist gegenüber der befristet auf den Todesfall vollzogenen Schenkung oder einer sonstigen Anwartschaftsrechtsbegründung sicherlich ein „ M e h r " 1 3 . Der Sache nach enthält Sudhoffs Hinweis auf diese Entscheidung also ein argumentum a majore ad minus. Ebeling 14,
Bengel 15
und Wieser
16
auf das Urteil des Bundesgerichtshofs
teilen seine Ansicht. A u c h sie beziehen sich aus dem Jahre 1970.
Weitere Vertreter dieser Meinung sind Damrau 11, w o h l auch Frank und Flick
20
.
Sostmann 18,
Nieder
19
und
Keiner von ihnen begründet seine Ansicht. Hinzu
h Ohne Begründung nimmt er Stellung in: Sudhoff, DB 1961, 1573 und DB 1968, 649 f. 12 Sudhoff, DB 1971, 226 und Handbuch 16 und 165-168. Hingewiesen wird dort auf BGH, 25. Mai 1970, NJW 1970, 1638. ι 3 Der Nießbrauchsvorbehalt ist weniger einschränkend für den Erwerber als der „Eigentumsvorbehalt" auf Lebenszeit, vgl. oben § 10 I 1 b). i4 Ebeling, BB 1976, 1073. ι 5 Bengel in Dittmann/ReimannIBengel, Teil D Rdnr. 75. 16 Wieser, MittBayNot 1970, 137 f. 17 Damrau, BB 1970, 469. is Sostmann, RhNk 1976, 517 f. 19 Nieder, DNotZ 1987, 320 f.
§11 Meinungsstand
264
kommen diejenigen, die bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt innerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B stets den Wert des Nießbrauchs v o m nach § 2325 Abs. 2 B G B ermittelten Sachwert abziehen, also Dippel 21, und W. Meyer
Johannsen 22
23
. Ausdrücklich führt dies nur Dippel für die Vorbehaltsschenkung
eines Unternehmensanteils aus 2 4 . Für Johannsen und W. Meyer kann aber nichts anderes gelten. Johannsen
begründet den Abzug des Nießbrauchs m i t dessen
Gegenleistungscharakter. Danach ist nur die Differenz aus Sachwert und Hüllenwert geschenkt; die Zuwendung dieser Differenz ist jedoch m i t dem V o l l z u g der belasteten Übertragung beendet. 10 Jahre später muß eine solche Schenkung daher nach § 2325 Abs. 3 B G B ergänzungsfest sein. Für W. Meyer
gilt das
gleiche. Er hält den Nießbrauchswert für einen Abzugsposten v o m Sachwert, w e i l er den Schenkungswert für den Beschenkten auf Dauer mindere. Die Zuwendung dieses geminderten Wertes ist gleichfalls m i t der Übertragung unter Vorbehalt abgeschlossen, darf also zehn Jahre danach keine Pflichtteilsergänzungsansprüche mehr auslösen. A u c h das LG Wiesbaden ist dieser Auffassung, wenn es ausführt, daß sich der Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B nicht durch den Umstand hinauszögere, „daß sich der Erblasser den lebenslangen Nießbrauch an dem verschenkten Grundstück vorbehält" 2 5 . Zur Begründung führt das Gericht aus, die unentgeltliche Übertragung des Eigentums sei das gewollte erhebliche Vermögensopfer, das für den Erblasser sofort und nicht erst mit seinem Tode eintrete. I m zu entscheidenden Fall — eine Ehegattenschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt — war nach Auffassung des Gerichts die Leistung des verschenkten Gegenstandes bereits zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt 2 6 . § 2325 Abs. 3, 2. Halbsatz B G B wendete die Kammer wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 G G 2 7 nicht an. Es wies daher die Klage insgesamt als unbegründet ab.
20 Frank, JR 1987, 244; Flick, Handelsblatt, 25. 6. 1987, S. 8. 21 Vgl. zu Dippel, 38 und 41 schon oben § 7 bei Fn. 29 ff und § 9 bei Fn. 55. 22 Vgl. zu RGRK-Johannsen, § 2325 Rdnr. 22 a.E. schon oben § 7 bei Fn. 22 und § 9 bei Fn. 57. 23 Vgl. zu W. Meyer, 328 f. schon oben § 7 bei Fn. 33 und § 9 bei Fn. 61. 24 Dippel, 8 und 41. 25 LG Wiesbaden, 20. Aug. 1975, FamRZ 1975, 654. 26 Die Kammer stellte entgegen der heute vorherrschenden und richtigen Ansicht, BGH, 2. Dez. 1987, NJW 1988, 821 und oben § 5 I I 4 c), nicht auf den Leistungserfolg, die Eintragung ins Grundbuch, ab, sondern auf die Leistungshandlung, also Auflassung und Eintragungsbewilligung sowie -antrag. Ob auch nach der zutreffenden Ansicht bereits zehn Jahre bis zum Erbfall verstrichen gewesen wären, kann nicht beantwortet werden, weil der Zeitpunkt der Eintragung ins Grundbuch bestritten war und nicht aufgeklärt wurde. 27 Wegen dieses Umstandes erlangte das Urteil einige „Berühmtheit", nicht deswegen, weil es die einzige Entscheidung ist, die zu § 2325 Abs. 3 BGB bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt Stellung bezieht. — Zur Frage der Verfassungswidrigkeit vgl. die Nachweise oben § 5 in Fn. 225.
II. Ergänzungspflichtiger Sachwert beim Erbfall
265
Nach diesem Lösungsansatz löst sich der Ausgangsfall wie folgt: Τ hat gegen S einen Pflichtteilsanspruch auf Zahlung von D M 250 000 nach §§ 2303 Abs. 1,1924,1930 B G B . Pflichtteilsergänzungsansprüche nach §§ 2325 ff. B G B wegen der 21 Jahre vor dem Erbfall erfolgten Schenkung des bebauten Grundstücks unter Nießbrauchsvorbehalt stehen der S nicht zu. Dieser Vorgang ist i n toto nach § 2325 Abs. 3 B G B ergänzungsfest. 7 = 0 Ζ = 0
I I . Ergänzungspflichtiger Sachwert beim Erbfall Speckmann und Hinke vertreten die Auffassung, daß bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt die „Leistung des verschenkten Gegenstandes" i m Sinn des § 2325 Abs. 3 B G B m i t dem T o d des Schenkers zusammenfällt 2 8 . Dies hat zur Folge, daß bei solchen Schenkungen § 2325 Abs. 3 B G B nie zu beachten wäre. Ob die Übertragung des belasteten Gegenstandes ein, zehn oder zwanzig Jahre zurückliegt, ist danach v ö l l i g unerheblich 2 9 . Infolge der „Rückverlegung des Fristenlaufs" 3 0 ist immer der Wert des unbelasteten Gegenstandes i m Zeitpunkt des Erbfalls W S2 ergänzungspflichtig. Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt werden also auf den T o d des Schenkers aufgeschobenen Schenkungen hinsichtlich des Fristenlaufs des § 2325 Abs. 3 B G B v ö l l i g gleichgestellt. Speckmann begründet seinen Ansatz damit, vor dem Erbfall habe sich der Schenker 3 1 i m Fall eines Nießbrauchs Vorbehalts noch nicht „endgültig des wirtschaftlichen Werts des geschenkten Gegenstandes entäußert", was für den Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B neben rechtlichen Kriterien erforderlich sei. Anderenfalls hätten Erblasser die Möglichkeit, die Position ihrer Pflichtteilsberechtigten durch frühzeitige Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt zu verkürzen oder auszuhöhlen, „ohne selbst ein ins Gewicht fallendes Vermögensopfer zu erbringen" 3 2 . A u c h Hinke begründet seine Ansicht m i t wirtschaftlichen Erwägungen. Die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B beginne von dem Zeitpunkt an zu laufen, von dem an sich die Schenkung wirtschaftlich für den Schenker auswirke. Bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt verbleibe der Gegenstand bis zum T o d des Schenkers i n dessen Vermögen. Ließe man die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B 28 Speckmann, NJW 1978, 358 f. und Hinke, 57 f. und 81 f. 29 Daher kommt diese Auffassung auch in beiden Ausgangsfällen zum gleichen Ergebnis, vgl. oben § 7 I 3 a.E. (Fall 1) und sogleich unten (Fall 2). 3° So die Formulierung von Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19. 31 Speckmann, NJW 1978, 359 a.E. schreibt „Beschenkter"; mit Sicherheit liegt hier ein Druckfehler vor. 32 Speckmann, NJW 1978, 359 und angedeutet schon NJW 1970, 1638.
266
§ 11 Meinungsstand
gleichwohl m i t der Übertragung des belasteten Gegenstandes beginnen, könnte der Erblasser durch rechtzeitige
Schenkungen unter
Nießbrauchsvorbehalt
Pflichtteilsergänzungsansprüche leicht vermeiden und so § 2325 Abs. 3 B G B ausnutzen, ohne daß für ihn hiermit eine besondere Belastung verbunden sei 3 3 . Der gleichen Auffassung wie Speckmann
und Hinke
ist auch Reuter 34.
Er
erwähnt i n seiner Stellungnahme Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt nicht ausdrücklich. Er verlangt aber von einer „Leistung des verschenkten Gegenstandes", daß durch sie die Nutzungsmöglichkeit des Schenkers aufgegeben wird. Das ist bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt erst beim T o d des Schenkers der Fall, wenn der Nießbrauch gemäß § 1061 B G B erlischt. Reuter begründet seine Ansicht m i t § 2325 Abs. 3, 2. Halbsatz B G B . „Normale" Geschenke und Schenkungen an den Ehegatten unterschieden sich allein i n der Auswirkung auf die zukünftige Nutzungsmöglichkeit des Schenkers, die bei Ehegattenschenkungen auch nach dem V o l l z u g zu bejahen sei. Habe der Gesetzgeber i m Interesse des Pflichtteilsberechtigten Ehegattenschenkungen deshalb einer Ausnahmeregelung unterworfen, müsse i m übrigen für die Leistung die Aufgabe der Nutzungsmöglichkeit vorliegen, da sonst ein Wertungswiderspruch zwischen beiden Halbsätzen des § 2325 Abs. 3 B G B bestünde. E i n weiterer Anhänger des vorgetragenen Lösungsansatzes ist w o h l von Koch 35. Er meint, ohne Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt ausdrücklich zu erwähnen, die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B beginne erst zu laufen, „ w e n n auch der Nutzen des Vermögensgegenstandes auf den Erwerber übergegangen ist". Er begründet seine Ansicht mit der ratio des § 2325 Abs. 3 B G B . Diese N o r m beinhalte eine materielle Gerechtigkeitserwägung. Sie wolle dem Erblasser ein Vermögensopfer über längere Zeit abverlangen, u m Schenkungen aus Benachteiligungsabsicht auszuschließen. Dieses Z i e l werde nur erreicht, wenn die Frist nicht vor dem Übergang der Nutzungen des Gegenstandes zu laufen beginne. Nach diesem Lösungsansatz ergibt sich für den Ausgangsfall folgende Lösung: Τ hat gegen S nicht nur einen Pflichtteilsanspruch auf Zahlung von D M 250 000, sondern auch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 B G B wegen der Schenkung des bebauten Grundstücks 21 Jahre vor dem Erbfall. Maßgeblich ist der Sachwert zur Zeit des Erbfalls, da nach dieser Auffassung Schenkungszeit und Erbfall zusammenfallen. Der Wert des Grundstücks beträgt D M 900 000. Τ hat also gegen S wegen einer Schenkung i m Wert von D M 900 000 einen Anspruch auf Zahlung von D M 225 000. = D M 900 000 Ζ = D M 225 000 33 Hinke, 58. 34 Reuter, JuS 1971, 293. 35 Von Koch, MittBayNot 1975, 123.
III. Ergänzungspflichtiger Zuwachs an Nutzungsbefugnis
267
I I I . Ergänzungspflichtiger Zuwachs an Nutzungsbefugnis Dieckmann 36
hält beide soeben vorgestellten Lösungsansätze für verfehlt. Die
völlige Ergänzungsfestigkeit der mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt könne nicht überzeugen, w e i l bei einer solchen Schenkung die Zuwendung aus zwei Teilakten bestehe. Die Nutzungsbefugnis erwerbe der Beschenkte erst m i t dem Erbfall. Diese (Teil-)Zuwendung könne daher nicht nach § 2325 Abs. 3 B G B ergänzungsfest sein. Die andere Extremlösung, nach der der gesamte Wert des lastenfreien Gegenstandes ergänzungspflichtig ist, sei gleichfalls bedenklich. Sie berücksichtige nicht, daß bei der belasteten Übertragung auf den Beschenkten mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall „wesentliche Eigentümerbefugnisse" des Schenkers bereits auf den Beschenkten übergegangen seien und daß diese erste (Teil-)Zuwendung daher nach § 2325 Abs. 3 B G B ergänzungsfest sein müsse. Als Ausweg schlägt Dieckmann
eine „Mittellösung" vor. Ergänzungspflichtig
soll danach bei einer außerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt „wenigstens die m i t dem Erbfall einsetzende Lastenfreiheit und der damit verbundene Zuwachs an Nutzungsbefugnis" sein. Dieckmann,
der m i t seinem Vorschlag soweit ersichtlich (noch) v ö l l i g allein
steht 3 7 , sieht, daß man über den Wert des Zuwachses an Nutzungsbefugnis „endlos streiten" k a n n 3 8 . Alternativ schlägt er daher den „Restwert der kapitalisierten Nutzung", den „Kapitalisierungswert selbst" oder einen „geschätzten Schenkungswert" vor, „der aber den Wert der Zuwendung aus der Schenkungszeit nicht übersteigen sollte". Diese drei Vorschläge Dieckmanns
zur Berechnung
des ergänzungspflichtigen Wertes differieren indes sehr stark, wie ihre Anwendung auf den Ausgangsfall zeigt. E i n „Restwert der kapitalisierten
Nutzung"
ist nur vorhanden, wenn die tat-
sächliche Lebensdauer des Schenkers und Nießbrauchers kürzer war als seine Lebenserwartung i m Zeitpunkt des Schenkungs Vollzugs, w e i l der Nießbraucher sonst nicht nur „einen T e i l des Nutzungswertes", sondern den ganzen Nutzungswert „bereits verbraucht" hat. I m Ausgangsfall w i r d der zur Zeit der Schenkung 36 Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19. 37 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch eine kurze Stellungnahme von Finger, NJW 1975, 535. Finger äußert sich zwar nicht zu Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, aber zu dem verwandten Problem, ob die Begründung einer Anwartschaft außerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 BGB den gesamten Sachwert ergänzungsfest machen könne. In diesem Zusammenhang bezeichnet es Finger als „sich aufdrängende Folgerung, allein den Wert der früher 'übertragenen' Anwartschaft aus der Entschädigung qua Pflichtteilsergänzung herauszunehmen". Finger zerlegt also wie Dieckmann eine zeitlich gestreckte Zuwendung in Teilakte und sucht—gleichfalls wie jener—einen Mittelweg. 38 Soergel (\\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19 a.E. — Folgerichtig räumt auch Finger, a. a. Ο. ein, daß für seinen Weg „Berechnungsschwierigkeiten auf der flachen Hand liegen".
§11 Meinungsstand
268
50jährige E 71 Jahre alt, lebt also noch 21 Jahre. Seine statistische Lebenserwartung betrug 23 Jahre 3 9 . E lebt also 2 Jahre „ z u kurz", der „Restwert" ist also der Nutzungswert für 2 Jahre. Es wäre aber inkonsequent, wollte man ihn deshalb m i t dem doppelten Jahresertrag 2 E N , also m i t D M 100 000, ansetzen. „Restwert" kann nur sein, was E von „seinem" Nießbrauch nicht aufgezehrt hat. Dessen Wert belief sich aber wegen der Abzinsung bei der Kapitalisierung trotz einer Lebenserwartung von 23 Jahren auf (nur) D M 619 2 0 0 4 0 . Der 23. T e i l hieraus ist der Betrag, der hiervon auf ein Jahr entfällt, rund D M 27 0 0 0 4 1 . Für zwei nicht verbrauchte Jahre sind daher D M 54 000 anzusetzen. B e i dieser Alternative Dieckmanns
ergibt sich für den Ausgangsfall somit folgende Lösung: Τ hat
gegen S wegen einer Schenkung i m Wert von D M 54 000 einen Anspruch aus § 2325 Abs. 1 B G B auf Zahlung von D M 13 500. Y = Restwert von W N = D M 54 000 Ζ = D M 13 500 Nach dem zweiten Vorschlag Dieckmanns zur Wertberechnung des Zuwachses an Nutzungsbefugnis ist der „Kapitalisierungswert
selbst"
ergänzungspflichtig.
Gemeint ist damit w o h l der ex-ante ermittelte kapitalisierte Wert des vorbehaltenen Nießbrauchs W N. I m Ausgangsfall wäre also der Nießbrauch des E ergänzungspflichtig. Der Fall wäre wie folgt zu lösen: Τ hätte gegen S wegen einer Schenkung i m Wert von D M 619 200 einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auf Zahlung von D M 154 8 0 0 4 2 . = D M 619 200 Z = D M 154 800 Beide Alternativen Dieckmanns
unterscheiden sich i m konkreten Ergebnis
also u m mehr als das Zehnfache. Schließlich schlägt Dieckmann noch vor, einen „ geschätzten Schenkungswert " als ergänzungspflichtig zu betrachten, der aber geringer sein müßte, als der Zuwendungswert zur Schenkungszeit 4 3 . Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung 4 4 , aber auch nach Dieckmanns Prinzip des niedrigsten Bemes-
39 Genau 23,05 Jahre; vgl. Schneider/Schlund/Haas, 137. 40 E n χ 12,384 (Faktor nach Anlage 9 zu § 14 BewG) = D M 50 000 x 12,384. 41 Genau: D M 26 921, 74. 42 Bei dieser Alternative hätte Τ einen größeren Ergänzungsanspruch als in Ausgangsfall 1, wo sie nach Dieckmanns Lösung nur D M 95 200 verlangen kann, vgl. oben § 7 bei Fn. 17. Ein überraschendes Ergebnis, das mit § 2325 Abs. 3 BGB kaum vereinbar sein kann. 43 Der Zusatz ist erforderlich, weil es überraschend wäre, wenn Τ in Ausgangsfall 2 besser steht als in Ausgangsfall 1. 44 Vgl. oben § 2 I I und III.
I. Schweiz
269
sungsansatzes 45 w i r d „zur Schenkungszeit", also unmittelbar durch die Übertragung des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes, nur der Hüllenwert W H als Differenz aus Sachwert W s und Nießbrauchsweit W N zugewandt. Also wäre der höchste denkbare „geschätzte Schenkungswert" der Betrag W H, m i t h i n die Differenz aus W sι und W N. I m Ausgangsfall ist danach der ergänzungspflichtige Schenkungswert zu schätzen, er darf aber nicht größer sein als D M 380 800. Τ hat also gegen S wegen einer Schenkung von maximal D M 380 800 einen Pflichtteilsergänzungsanspruch von maximal D M 95 200. Y = Geschätzter Schenkungswert ^ D M 380 800 Ζ ^ D M 95 200
§ 12 Rechtsvergleichung Für die Probleme, die mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogene Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt i m Rahmen der Pflichtteilsergänzung aufwerfen, ist naturgemäß der B l i c k auf die Rechtsordnungen am interessantesten, die eine dem § 2325 Abs. 3 B G B vergleichbare (Fristen-)Regelung kennen. V o n den i n den Vergleich einbezogenen Rechten 1 trifft das auf das Schweizer Z G B und das österreichische A B G B zu. Der französische Code c i v i l kennt hingegen weder für die fiktive Zurechnung nach Art. 922 noch für die Kürzung nach Art. 923 eine zeitliche Begrenzung der einzubeziehenden Schenkungen. Betroffen hiervon sind alle Schenkungen, die der Erblasser jemals gemacht hat 2 . Das gleiche gilt für die Folgerechte des Code c i v i l 3 . I n diesen Rechtsordnungen kann sich die Frage also gar nicht stellen, ob zwischen Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und vorbehaltslosen Schenkungen i n Anbetracht des Fristenlaufs differenziert werden soll. I . Schweiz Nach Art. 527 Nr. 3 Z G B unterliegen frei widerrufliche Schenkungen und solche Schenkungen, die der Erblasser während „der letzten fünf Jahre vor 45
Vgl. oben § 7 I 1. Daß Dieckmann eine Ergänzungspflicht des Wertes W S2 bejaht, wenn dieser kleiner ist als W S\ - W N, ist seine Konsequenz aus § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB und ändert nichts daran, daß zur Schenkungszeit W S\-W N zugewandt wurde. 1 Vgl. oben § 8 vor I. 2 Hallstein, Rechtsvergleichendes Handwörterbuch V 633; Orth, 28; Schönfeldt, 66 und Souchon, 39 und 41. — Bei der Entscheidung des Kassationshofs, 24. Aug. 1874, Dalloz 1875 I 129, ging es um 3 Vorbehaltsschenkungen, die 27, 22 und 15 Jahre vor dem Erbfall vollzogen worden waren, vgl. oben § 8 bei Fn. 65 ff. 3 Hallstein, a.a.O.; insbesondere also für Italien, Spanien, Belgien und die Niederlande, vgl. Rie g in Rheinstein u.a., 90.
270
§12 Rechtsvergleichung
seinem Tode ausgerichtet hat", wie die Verfügungen von Todes wegen der Herabsetzungsklage des Art. 522 Z G B . „Ausgerichtet" ist eine Schenkung, wenn sie vollzogen ist 4 . Das Schweizer Z G B weist damit eine dem § 2325 Abs. 3 B G B ganz ähnliche Regelung auf. Für die Schweiz stellt sich m i t h i n ebenfalls die Frage, ob Schenkungen unter dem Vorbehalt der Nutznießung — anders als vorbehaltslose Schenkungen — fünf Jahre nach ihrem V o l l z u g noch ganz oder teilweise der Herabsetzung unterliegen oder nicht. Z u beachten ist jedoch, daß nach Art. 527 Nr. 1 Z G B „Zuwendungen auf Anrechnung an den Erbteil, als Heiratsgut, Ausstattung oder Vermögensabtretung, wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind", ohne Zeitschranke der Herabsetzung unterliegen. Solche Zuwendungen können gleichzeitig auch Schenkungen sein; für diese Fälle ist Nr. 1 eine Ausnahme von Nr. 3, das heißt, die zeitliche Beschränkung ist auf sie nicht anwendbar 5 . Die herrschende Meinung versteht die Worte „ a u f Anrechnung" objektiv und gelangt damit zu einer extensiven Auslegung des Art. 527 Nr. 1 Z G B 6 . Diese „Ausnahme" hat also eine große praktische Bedeutung. Nach ihr unterliegen viele Schenkungen ohne Zeitschranke der Herabsetzung, die nach § 2325 Abs. 3 B G B für die Pflichtteilsergänzung unberücksichtigt blieben. Das Problem der Behandlung von Vorbehaltsschenkungen i n Anbetracht der Fristenregelung ist daher nicht so drängend wie für das B G B . I n der Schweiz w i r d die Frage, was für Schenkungen unter Vorbehalt der Nutznießung gelten soll, wenn sie mehr als fünf Jahre vor dem Erbfall „ausgerichtet wurden", soweit ersichtlich nicht problematisiert. Grundsätzlich dürften sie nach Art. 527 Nr. 3 Z G B nicht mehr der Herabsetzung unterliegen. Die Praxis scheint das nicht zu befriedigen. Sie beschreitet daher einen pragmatischen, i n seinen Auswirkungen recht extremen Weg. Nach Art. 527 Nr. 4 Z G B ist eine „Entäußerung von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat", ohne Zeitschranke der Herabsetzung unterworfen. Diese Vorschrift findet insbesondere auf Schenkungen Anwendung, die vor den letzten fünf Lebensjahren des Erblassers in Umgehungsabsicht ausgerichtet worden sind 7 . Nach verbreiteter Ansicht ist der Vorbehalt der Nutznießung ein gewichtiges Indiz für diese pflichtwidrige Absicht des Erblassers bei der Schenkungsvornahme 8 . Vorbehaltsschenkungen unterfallen danach i n der Regel zeitlich unbeschränkt der Herabsetzung. Diese Problembewältigung für das Z G B ist dem Lösungsansatz von Speckmann und anderen ähnlich, die für das B G B die zeitlich unbeschränkte Ergän4 Escher, ZGB I I I 1, 539; Tuor, ZGB I I I 1, 447. 5 Escher, ZGB I I I 1, 536; Tuor, ZGB I I I 1, 445 f. 6 Escher, ZGB I I I 1, 534-536 m.w.N.; Tuor, ZGB I I I 1, 444 f. 7 Tuor, ZGB I I I 1, 449. s So Leemann, ZGB I V 2, 507; Tuor, ZGB I I I 1, 449; Escher, Erbrecht (1912) 130; Escher, Erbrecht (1937) 457; Curti-Forrer, 434. Vgl. hierzu ausführlich — mit historischen Grundlagen — oben § 8 bei Fn. 106 ff. Vgl. auch BG, 20. Nov. 1924, BGE 50 II, 450, 456.
II. Österreich zungspflicht
von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt
271 bejahen 9 .
Die
Schweizer Praxis wird, auch hierin dem Vorschlag Speckmanns ähnlich, damit begründet, bei einer Vorbehaltsschenkung werde der vermögensmindernde Effekt der Schenkung nicht schon dem Erblasser, sondern erst dessen Erben fühlbar 1 0 . Daß diese Begründung rechtlich und wirtschaftlich fehl geht, w e i l sie zu pauschal urteilt, ist für das B G B bereits dargelegt worden 1 1 . Für das Schweizer Recht gilt insoweit das gleiche. Die Lösung der Schweizer Praxis kann daher keine Vorbildfunktion haben. Bei L i c h t gesehen zeigt sie immerhin, daß die i m deutschen Schrifttum überwiegend vertretene völlige Nichtberücksichtigung einer 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Vorbehaltsschenkung einer „natürlichen Betrachtung" der Dinge widerspricht, daß anders gesprochen, „Handlungsbedarf 4 für eine Sonderregelung der Vorbehaltsschenkungen besteht.
I I . Österreich Nach § 785 Abs. 1 A B G B sind „auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers i n Anschlag zu bringen". Die Schenkungen werden dem reinen Nachlaß hinzugerechnet und der Pflichtteil erneut ermittelt. Die Differenz zwischen dem so erhöhten Pflichtteil und dem niedrigeren Nachlaßpflichtteil ist der „Schenkungspflichtteil" 1 2 . Nach § 785 Abs. 3 A B G B bleiben jedoch Schenkungen unberücksichtigt, „die früher als zwei Jahre vor dem T o d des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht worden sind". Das A B G B hat damit eine dem § 2325 Abs. 3 B G B ähnliche Regelung. Es besteht allerdings ein gewichtiger Unterschied: Die Zeitgrenze von zwei Jahren w i r d v o m Gesetz selbst einer „auffälligen Einschränkung" 1 3 unterzogen. Sie gilt nur für Schenkungen, die „an nicht pflichtteilsberechtigte Personen" gemacht worden sind. Der K o n f l i k t u m den Pflichtteil ist in aller Regel ein innerfamiliärer, ein A b k ö m m l i n g oder der Ehegatte w i r d den anderen vorgezogen 1 4 . Die Zeitschranke der Zwei-Jahres-Frist des § 785 Abs. 3 A B G B hat daher geringe praktische Bedeutung 1 5 . Sie ist m i t der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B , die alle Schenkungen außer die an den Ehegatten betrifft, von daher nur schwer zu vergleichen. Viele Schenkungen werden nach § 785 Abs. 1 A B G B i n A n schlag gebracht, die nach § 2325 Abs. 3 B G B unberücksichtigt blieben. Das 9 Vgl. oben § 11 II. 10 So vor allem Tuor, ZGB ΙΠ 1, 449 und Escher, Erbrecht (1912) 130. h Vgl. oben § 9 I I I 1 bei Fn. 68 ff.. 12 KozioU Welser, I I 350. 13 Hallstein, Rechtsvergleichendes Handwörterbuch V 633. 14 Vgl. oben § 6 bei Fn. 6 ff. 15 Ehrenzweig, I I 2, 595. Vgl. hierzu aber auch die Einschränkung auf Grund des Erfordernisses „konkrete Pflichtteilsberechtigung" oben § 8 in Fn. 124.
272
§12 Rechtsvergleichung
Problem der Sonderbehandlung von Vorbehaltsschenkungen beim A b l a u f der Zwei-Jahres-Frist ist also auch hier lange nicht so drängend wie für das B G B . Die Frage, ob Schenkungen unter Fruchtnießungsvorbehalt an nicht Pflichtteilsberechtigte, die mehr als zwei Jahre vor dem Erbfall gemacht worden sind, noch pflichtteilserhöhende Auswirkungen haben können, w i r d soweit ersichtlich in Österreich nicht problematisiert. Für ihre Verneinung spricht, daß nach herrschender Lehre und Rechtsprechung die „gemachte" Schenkung schon das Schenkungsversprechen ist; anders als nach § 2325 Abs. 3 B G B setzt also nicht erst der Eintritt des Leistungserfolges die Frist i n L a u f 1 6 . U n d gerade die unterschiedliche „AbschreckungsWirkung 44 des Vollzugs
vorbehaltsloser Schenkungen und
von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt begründet für das B G B mit Rücksicht auf Sinn und Zweck des § 2325 Abs. 3 B G B die Sonderstellung und Sonderbehandlung von Vorbehaltsschenkungen 1 7 . Dieser Einwand greift letztlich jedoch zu kurz. Wenn der herrschenden Auffassung zu folgen i s t 1 8 , dann hat sie nur deshalb Berechtigung, w e i l i m Regelfall vorbehaltsloser Schenkungen, an den das Gesetz m i t der Wendung „gemacht" denkt, das Schenkungsversprechen einen sofort fälligen und v o m Beschenkten i m eigenen Interesse alsbald geltend zu machenden Anspruch auf Leistung begründet, dessen Erfüllung dann dem Schenker „den Genuß des geschenkten Gegenstandes sofort entzieht 4 4 1 9 . Der Sinn der Frist des § 785 Abs. 3 A B G B ist nämlich m i t dem des § 2325 Abs. 3 B G B identisch. Er ergibt sich aus der Erwägung, daß gerade Schenkungen zur Umgehung des Pflichtteils „ i n der letzten Zeit vor dem Tode" gemacht werden 2 0 . Erforderlich ist also jedenfalls i m Regelfall eine alsbaldige „de facto Ausgliederung aus dem Vermögen des Schenkers", um die Frist i n Gang zu setzen 2 1 . Fehlt sie schon typischerweise,
kann die Frist
nicht ohne Modifikation ablaufen. Für Schenkungen auf den Todesfall i m Sinn von § 956 Satz 2 A B G B 2 2 hat die herrschende Auffassung diese Konsequenz gezogen. Wegen der erheblichen Unterschiede zwischen der gewöhnlichen 16 Ehrenzweig, I I 2,595; Klang-Weiß, I I I 914, der aber die deutsche Literatur unzutreffend heranzieht; OGH, 26. Juni 1980, JB1. 103 (1981) 593, 594 a.E. ("Abschluß des Vertrages 44) und 19. Nov. 1986, ÖJZ 1987, 753, 754 a.E. Vgl. schon oben § 8 Fn. 124. 17 Vgl. unten § 13 I 2 und I I 3. is Vgl. die beachtlich begründete, auf Sinn und Zweck der Fristenregelung ( 44 Abschreckungswirkung 44) eingehende Gegenmeinung von Kralik, 304. Auch er bleibt freilich auf halbem Wege stehen: Nicht, wie Kralik meint, einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise44 ist vor der juristischen der Vorrang zu geben, so daß das tatsächliche Vermögensopfer die Frist in Gang setzt, sondern entscheidend kann allein der Eintritt des rechtlichen Leistungserfolges sein; vgl. zum deutschen Recht oben § 5 I I 4 c). 19 Vgl. hierzu auch OGH, 26. Juni 1980 und 19. Nov. 1986, jeweils a.a.O. (Fn. 16). 20 Vgl. Klang-Weiß, I I I 915. 21 Im Ergebnis ebenso der OGH, 26. Juni 1980, JB1 103 (1981) 593 f. und 19. Nov. 1986, ÖJZ 1987, 753 f.: Ziel des Pflichtteilsrechtes ist es, den Pflichtteilsberechtigten an dem Vermögen mit bestimmtem Bruchteil partizipieren zu lassen, das Erblasser beim Ableben zur Verfügung stand. 22 Vgl. zu ihnen Kozioll Welser, I I 338 f. und Kralik, 165 ff.
§ 13 Kritik
273
Schenkung unter Lebenden, die dem Schenker den Genuß der Sache sofort entzieht, und der Schenkung auf den Todesfall, bei der das Geschenk faktisch i m Vermögen des Schenkers verbleibt, ist bei letzterer der Wert der Schenkungsgegenstände bei der Berechnung des Pflichtteils i n Ansatz zu bringen, auch wenn der Abschluß des Schenkungsvertrages mehr als zwei Jahre vor dem Erbfall erfolgte 2 3 . Rechtstechnisch w i r d das erreicht, indem man diese Schenkungen wie Vermächtnisse ansieht 2 4 . Nach § 786 A B G B w i r d nämlich der Pflichtteil ohne Rücksicht auf Vermächtnisse berechnet. Schenkungen unter Vorbehalt der Fruchtnießung nehmen zwischen vorbehaltslosen Schenkungen unter Lebenden und Schenkungen auf den Todesfall eine Mittelstellung e i n 2 5 . Hiermit ist nicht vereinbar, sie bezüglich der Frist des § 785 Abs. 3 A B G B genauso zu behandeln wie normale Schenkungen unter Lebenden. A u f Vorbehaltsschenkungen treffen die tragenden Gründe, die für die Berücksichtigung der Schenkung auf den Todesfall bei der Pflichtteilserhöhung sprachen, auch wenn der Vertrag mehr als zwei Jahre vor dem Erbfall erfolgte, weitgehend ebenfalls zu. A u c h bei ihnen kann der Schenker das Geschenk zu seinem Nutzen verwenden, der Genuß verbleibt i h m bis zu seinem Tode. Die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit w i r d durch sie nicht beeinträchtigt. Es widerspricht dem Zweck des Pflichtteilsrechts, diesen Gemeinsamkeiten nicht Rechnung zu tragen. Er liegt nach dem Obersten Gerichtshof
darin, den
Noterben einen bestimmten Bruchteil am Vermögen des Erblassers bei dessen T o d zu sichern 2 6 . Unmittelbar vor dem T o d hatte der Erblasser noch die Fruchtnießung, der Beschenkte hatte nur einen Hüllenwert. Konsequent wäre daher für das A B G B eine Mittellösung, nach der die Differenz aus Sachwert und Hüllenwert zwei Jahre vor dem Erbfall bei der Berechnung des Nachlasses i n Anschlag zu bringen ist.
§ 13 Kritik Die kritische Auseinandersetzung m i t den v o m Schrifttum vorgeschlagenen Lösungen w i r d ergeben, daß keine zu überzeugen vermag. Dies gilt ohne Einschränkung für die beiden „Extremlösungen": Sowohl die uneingeschränke Ergänzungsfreiheit als auch die volle Ergänzungspflicht sind dogmatisch verfehlt und inhaltlich bedenklich. Richtig kann nur wie von Dieckmann vorgeschlagen ein „ M i t t e l w e g " sein. Dieckmanns verschiedene, untereinander stark differierende Lösungsansätze sind jedoch ebenfalls nicht bedenkenfrei.
23 Koziol/Weiser, I I 339; OGH, 26. Juni 1980 und 19. Nov. 1986, a.a.O. (Fn. 21). 24 Vgl. die beiden Entscheidungen des OGH, a.a.O. (Fn. 21) 25 Vgl. hierzu oben § 8 I I I bei Fn. 140 ff. 26 Vgl. die beiden Entscheidungen des OGH, jeweils a.a.O. (Fn. 21). 18 Reiff
274
§ 13 Kritik I. Keine Ergänzungspflicht
Gegen die überwiegend vertretene Auffassung, die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt sei 10 Jahre nach der Übertragung des nießbrauchsbelasteten Gegenstandes ergänzungsfest 1 , bestehen erhebliche Bedenken. Ihre Befürworter begründen sie mehrheitlich nicht. Der einzige Begründungsversuch, die völlige Ergänzungsfreiheit sei notwendige Konsequenz einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs,
nach der sogar die Entstehung eines Anwartschaftsrechts bereits
für die gesamte Zuwendung die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B i n L a u f setze, ist jedenfalls mittlerweile obsolet. Diese Entscheidung 2 ist nämlich ihrerseits unrichtig; an ihr hält der Bundesgerichtshof
nicht mehr fest 3 .
1. Leistungserfolg wird erst beim Erbfall vollendet Die überwiegend vertretene Auffassung
führt beim L a u f der Frist des
§ 2325 Abs. 3 B G B zu einer völligen Gleichstellung von Schenkungen m i t und ohne Nießbrauchsvorbehalt. Ihre Befürworter müssen also stillschweigend unterstellen, daß bei beiden Schenkungsformen der gleiche rechtliche Erfolg eintritt, wenn der Gegenstand auf den Beschenkten übertragen w i r d 4 . Nach § 2325 Abs. 3 B G B bleibt eine Schenkung unberücksichtigt, wenn seit der „Leistung des verschenkten Gegenstandes" zehn Jahre bis zum Erbfall verstreichen. Nach richtiger und w o h l schon herrschender Ansicht erfolgt diese „Leistung" mit dem Eintritt des rechtlichen Leistungserfolges 5 . Schenkung ist nach § 516 Abs. 1 B G B eine bestimmte unentgeltliche Zuwendung; Zuwendung ist die beabsichtigte Schaffung eines Vermögensvorteils für einen anderen 6 . § 2325 Abs. 3 B G B ordnet demnach an, daß v o m Erblasser stammende, grundsätzlich ergänzungspflichtige Vermögensvorteile eines Dritten ergänzungsfest sind, wenn — und soweit — sie mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall als Ergebnis des Leistungserfolges i n das Vermögen des Beschenkten gelangen. Bei einer vorbehaltslosen Schenkung tritt m i t der Übertragung des verschenkten Gegenstandes auf den Beschenkten der volle rechtliche Leistungserfolg ein. Der Vermögensvorteil, der m i t der Übertragung i n das Vermögen des Beschenkten fließt, ist der Wert des unbelasteten Gegenstandes W s. Er ist also nach ι Vgl. oben § 11 I. 2 BGH, 25. Mai 1970, NJW 1970, 1638. 3 BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98, 226 ff. Vgl. auch oben § 5 I I 4 c). 4 Besonders nahe kommt dem das LG Wiesbaden, 20. Aug. 1975, FamRZ 1975, 654, wenn es ausführt, „die unentgeltliche Übertragung des Eigentums war das gewollte erhebliche Vermögensopfer, das für den Erblasser sofort (mit der belasteten Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt) und nicht erst mit seinem Tod eintrat" (Hervorh. und Klammerzusatz vom Verf.). s Vgl. oben § 5 I I 4 c). 6 RGRK-Mezger, § 516 Rdnr. 5.
I. Keine Ergänzungspflicht
275
§ 2325 Abs. 3 B G B zehn Jahre später ergänzungsfest. Bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
liegen die Dinge anders. M i t der Übertragung des m i t
einem Eigennießbrauch belasteten Gegenstandes auf den Beschenkten ist allerdings unleugbar auch ein rechtlicher Erfolg eingetreten. Der Beschenkte erwirbt den belasteten Gegenstand. Sein Vermögen w i r d m i t der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt um den Wert des belasteten Gegenstandes W H vermehrt. Nach dem soeben ausgeführten kann dann auch nur dieser Wert zehn Jahre später ergänzungsfest sein. Die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt bewirkt nämlich eine dreistufige, zeitlich gestreckte Zuwendung 7 . Der gleiche rechtliche Erfolg wie bei einer vorbehaltslosen Schenkung — der Erwerb des lastenfreien Gegenstandes — tritt bei ihr nicht wie dort schon bei der Übertragung, sondern erst beim Erbfall ein. Es ist hervorzuheben, daß hier nicht einer, an anderer Stelle kritisierten 8 , „wirtschaftlichen Betrachtungsweise" das Wort geredet wird. Die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B beginnt nach zutreffender Ansicht m i t dem Eintritt des rechtlichen Leistungserfolges 9 . Diese Regel gilt auch für Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt. Eine Modifizierung ist nicht erforderlich. Bei ihnen erfordert der Erfolgseintritt allerdings nicht nur einen Zeitpunkt, Umständen jahrzehntelangen Zeitraum.
sondern einen unter
Ergänzungsfest kann dann nur sein, was
bereits zehn Jahre i m Vermögen des Beschenkten vorhanden ist, also der jeweilige Wert des belasteten Gegenstandes. Die Schenkung ist wie der K a u f oder der Tausch ein Veräußerungsgeschäft. Z i e l eines solchen Geschäfts ist der Rechtserwerb als solcher 1 0 . Er ist erst vollendet, wenn der Gegenstand dem Erwerber frei von Rechten anderer zusteht. V o n allen denkbaren Belastungen ist die m i t dem umfassenden Nutzungsrecht Nießbrauch am weitesten von der geschuldeten Lastenfreiheit entfernt; ewiger Nießbrauch ist sogar faktisches Eigentum 1 1 . Übereignet der Verkäufer eines Gegenstandes diesen entgegen seiner vertraglichen Verpflichtung nur belastet, so kann der Käufer nach §§ 434, 440 Abs. 1, 325 B G B v o m Vertrage zurücktreten oder, falls sich aus § 440 Abs. 2 B G B nichts anderes ergibt, Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen 1 2 . M i t der Übertragung unter Nießbrauchs vorbehält ist 7 Vgl. oben § 2 II. s Vgl. oben § 5 bei Fn. 241 ff. 9 Vgl. oben § 5 nach Fn. 245. 10 Mit diesem Hinweis wendet sich Frank, JR 1987, 244 gegen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise als Interpretationshilfe im Rahmen des § 2325 Abs. 3 BGB. π Kessler, BB 1985, 1389 Fn. 34; Motive bei Mugdan, I I I 296 = Motive, I I I 531. 12 Dies muß auch bei der Belastung mit einem Eigenrecht gelten, obwohl § 434 BGB nur von Rechten Dritter spricht. Der Gesetzgeber konnte aber Eigenrechte nicht bedenken, § 434 BGB gilt analog; vgl zum gleichen Problem bei § 936 BGB; Harder, DNotZ 1970, 271 Fn. 42. Die h.M. versteht unter Rechten, „die von Dritten gegen den Käufer geltend gemacht werden können" mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien auch Rechte des Verkäufers oder des Käufers; RG, 28. Jan. 1905, Ζ 88, 400, 403 f. und Staudinger (12)-Köhler, § 434 Rdnr. 4. — Natürlich kann der Käufer auch auf Erfüllung klagen, 18*
276
§ 13 Kritik
also der geschuldete rechtliche Erfolg, Verschaffung lastenfreien Eigentums, noch nicht eingetreten. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für die Schenkung, wenngleich dort das Gesetz davon ausgeht, daß der Schenker den Gegenstand nur so gewähren w i l l und soll, wie er ihn h a t 1 3 , so daß der Schenker für Mängel i m Rechte nur unter ganz besonderen Umständen haftet, § 523 B G B . Das ändert jedoch nichts daran, daß die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zunächst, also vor dem Wegfall des Nießbrauchs durch den T o d des Schenkers, einen anderen rechtlichen
Erfolg herbeiführt als eine vorbehaltslose Schenkung, durch
die ein Gegenstand lastenfrei zugewendet w i r d 1 4 .
2. Sinn und Zweck des § 2325 Abs. 3 BGB Die Auffassung, nach der Schenkungen m i t und ohne Nießbrauchsvorbehalt zehn Jahre nach der Übertragung des Gegenstandes unterschiedslos ergänzungsfest werden, führt nicht nur zu einer dogmatisch-konstruktiv bedenklichen A n wendung des § 2325 Abs. 3 B G B i m Fall von Vorbehaltsschenkungen. Sie führt vielmehr hier auch zu Ergebnissen, die nach Sinn und Zweck der Zehn-JahresFrist des § 2325 Abs. 3 B G B verfehlt sind. Er besteht primär darin, den Erblasser von „böslichen" Schenkungen abzuhalten. Daher beginnt die Frist erst zu laufen, wenn der Erblasser einen Zustand geschaffen hat, dessen Folgen ihn, muß er sie noch zehn Jahre ertragen, vor böslichen Schenkungen zurückschrecken lassen 15 . Dieser Zustand ist bei vorbehaltslosen Schenkungen nach zutreffender M e i nung (erst) der Eintritt des Leistungserfolges, also die Übertragung des unbelasteten Gegenstandes 16 . Die Übertragung des m i t einem lebenslänglichen Nießbrauch des Schenkers belasteten Gegenstandes ist offensichtlich nicht gleichermaßen geeignet, den Schenker von Schenkungen i n schlechter Absicht abzuhalten. I m Zusammenhang m i t der „Abschreckungseignung" wurde immer wieder ein „ins Gewicht fallendes Vermögenssopfer" verlangt 1 7 , das bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt angeblich nicht gegeben sei 1 8 . Letzeres wurde schon an anderer Stelle als falsch zurückgewiesen. Die Übertragung des Eigentums ist stets ein gewichtiges Vermögensopfer, unabhängig von der Lebenserwartung des Schenkers, der sich den Nießbrauch vorbehält; i n Extremfällen erreicht die sofortige Vermögenseinbuße fast den Wert des Gegenstandes 19 . hier also auf Aufhebung des Nießbrauchs durch den Verkäufer nach §§ 1064 bzw. 875 BGB, vollstreckbar nach § 894 ZPO; vgl. auch Palandt-Putzo, § 434 Anm. 3. 13 Planck-Knoke, § 523 Anm. 1 a. 14 Das verkennt insbesondere das LG Wiesbaden, 20. Aug. 1975, FamRZ 1975, 654. 15 BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98, 226. Vgl. auch oben § 5 bei Fn. 227 ff. 16 Vgl. oben § 5 nach Fn. 245. 17 Vgl. die Nachweise oben § 5 in Fn. 212 und 213. is Vgl. Speckmann, NJW 1970, 1638 und 1978, 359 sowie Hinke, 58.
I.
e
Ergänzungspflicht
277
Entscheidend für die AbschreckungsWirkung des Zustandes, den der Schenker schafft, ist indes nicht allein das Vermögensopfer und seine Höhe. Es gibt viele Fälle, i n denen die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt für den Schenker i n der Tat kaum fühlbar wird, unabhängig davon, wie hoch das Vermögensopfer i n concreto ist. Eigentum und Nießbrauch unterscheiden sich primär darin, daß der Nießbraucher nicht über den Gegenstand verfügen kann. Das B G B kennt keinen „Dispositionsnießbrauch" 2 0 . Scheidet eine Verfügung für den Eigentümer ohnehin aus rechtlichen 2 1 , wirtschaftlichen 2 2 oder sonstigen Gründen 2 3 aus, erfährt er durch die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt faktisch keinerlei Einschränkung, auch wenn das Vermögensopfer, die Differenz aus Sachwert und Nießbrauchswert, sehr hoch ist. E i n Beispiel zeigt dies. W i t w e r E hat zwei Söhne A und B. Er ist Inhaber von 50 % des Stammkapitals einer aus 2 Stämmen bestehenden Familien-GmbH. Ihr Gesellschaftsvertrag bestimmt, daß die Geschäftsanteile nur an Familienmitglieder des jeweils eigenen Stamms veräußert werden dürfen 2 4 . E kann sie also nur an A oder Β veräußern. Können weder A noch Β den Kaufpreis aufbringen, sind sie für E nicht verkäuflich. Überträgt E die Anteile unter Nießbrauchsvorbehalt auf A , spürt er keinerlei Unterschied zu vorher. Dies auch dann, wenn E wegen seines hohen Alters ein Vermögensopfer erbringt, das weit mehr als die Hälfte ihres Wertes ausmacht. Er bleibt nämlich bis zu seinem Tode „Herr i m Haus", i h m stehen die Gewinnansprüche zu, er nimmt faktisch die Gesellschafterstellung e i n 2 5 . M u ß der Erblasser sich nicht einschränken, schafft er keinen Zustand, der ihn von böslichen Schenkungen abhält. Die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt kann daher 10 Jahre nach der belasteten Übertragung nicht v ö l l i g ergänzungsfest sein. Für Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt trifft auch nach ihrem V o l l z u g in weitem Umfang zu, was für vorbehaltslose Schenkungen nur gilt, wenn sie noch nicht endgültig vollzogen wurden, etwa dem Beschenkten nur ein Anwartschaftsrecht eingeräumt wurde. Beide Fälle sind für den freigebigen Erblasser kaum fühlbar. Setzten sie die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B in Lauf, ermöglichten sie ihm, durch rechtzeitiges Tätigwerden vor seinem Tode sein Vermögen am Nachlaß vorbei zu steuern und so seine Pflichtteilsberechtigten zu benachteiligen. 19 Vgl. oben § 9 I I I 1 bei Fn. 68 ff. 20 Westermann, Sachenrecht § 121 I I I 3; Wolff!Raiser, § 116 IV. 21 Veräußerungsverbote; vgl. etwa das Beispiel sogleich im Text. 22 Der erzielbare Kaufpreis läge bei weitem unter dem wahren Wert; vgl. auch dazu das Beispiel sogleich im Text. 23 Vor allem emotionaler Natur. Nur wenige bringen es fertig, ein Unternehmen, ein Stück Land, ein Haus, das seit Generationen in Familienbesitz ist, ohne Not an Fremde zu verkaufen. 24 Vgl. § 15 V GbmHG und Rowedder, § 15 GmbHG Rdnr. 92 und 93. Solche Vinkulierungsklauseln werden für die „Abschottung der Familien-GmbH" empfohlen; vgl. Hennerkes/May, NJW 1988, 2767. 25 Vgl. nur Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 84-91 und unten bei Fn. 41 ff.
§ 13 Kritik
278
W e i l der IVa. Senat des Bundesgerichtshofs
diese Möglichkeit für eine „schwer-
wiegende Fehlentwicklung" hielt, hat er unter ausdrücklicher Aufgabe einer Entscheidung des I I I . Senats aus dem Jahre 1970 2 6 entschieden, daß die ZehnJahres-Frist des § 2325 Abs. 3 B G B nicht schon dann i n L a u f gesetzt wird, wenn der Schenker alles getan hat, was für den Erwerb durch den Beschenkten erforderlich ist. Voraussetzung sei viel mehr „jedenfalls eine wirtschaftliche Ausgliederung des Geschenks aus dem Vermögen des Erblassers" 2 7 . Der Sache nach fordert der Bundesgerichtshof
nunmehr den vollen Eintritt des rechtlichen Leistungs-
erfolgs 2 8 . Die gleichen Sachgründe machen es unbedingt erforderlich, daß eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt auch zehn Jahre nach der belasteten Übertragung nicht — jedenfalls nicht i n toto — ergänzungsfest ist. A u c h dieser Weg, mühelos Pflichtteilsergänzungsansprüche zu vereiteln, w i r d „ v o n den Erläuterungsbüchern offen gewiesen" und w o h l auch häufig genutzt 2 9 . Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt schaffen oftmals keinen Zustand, dessen Folgen den Erblasser von böslichen Schenkungen abhalten. Die Auffassung, die belastete Übertragung setze gleichwohl die Frist des § 2325 Abs. 3 B G B für die gesamte Schenkung i n Lauf, w i r d daher dem Interesse der Pflichtteilsberechtigten nicht gerecht 3 0 . Sie ist m i t § 2325 Abs. 3 B G B unvereinbar und daher abzulehnen.
I I . Volle Ergänzungspflicht Mehrere Autoren kommen aufgrund einer Rückverlegung des Fristenlaufs bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt zum Ergebnis, die Zehn-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 B G B beginne erst mit dem Erbfall. Die Frist könnte also bei Vorbehaltsschenkungen nie ablaufen 3 1 . Diese Auffassung ist gleichfalls abzulehnen. Ihren Befürwortern k o m m t zwar das unbestreitbare Verdienst zu, die nunmehr auch v o m Bundesgerichtshof
32
erkannte „schwerwiegende Fehlentwick-
lung" zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten frühzeitig aufgespürt zu haben. 26 BGH, 25. Mai 1970, NJW 1970, 1638. 27 BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98, 226 ff. 28 BGH, 2. Dez. 1987, NJW 1988, 821 mit zust. Anm. von Dieckmann, FamRZ 1988, 712. Vgl. oben § 5 I I 4 c). 29 Zu den „Erläuterungsbüchern" i.S.d. BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98, 226, 233, wären etwa die Beiträge von Flick, Sudhoff, Bengel, Damrau und Sostmann, jeweils a.a.O., oben § 11 Fn. 12 bis 20 zu zählen. 30 Dies auch deshalb, weil die Zehn-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB sich ohnehin mit Rücksicht auf die gestiegene Lebenserwartung der Bevölkerung immer häufiger als unzureichend erweist, so Däubler, ZRP 1975, 144. 31 Vgl. oben § 11 II. 32 BGH, 17. Sept. 1986, Ζ 98, 226, 233. Der BGH sieht diese allerdings nicht im Zusammenhang mit Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, sondern mit der Frage, ob die Begründung eines Anwartschaftsrechtes schon ausreiche, die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB in Lauf zu setzen. Die Problematik ist aber weitgehend deckungsgleich.
II. Volle Ergänzungspflicht
279
Ihnen ist aber entgegenzuhalten, daß sie über ihr Ziel, den Pflichtteilsberechtigten angemessen zu schützen, hinausschießen.
1. Begründungen nicht überzeugend Die von einigen Autoren gegebene Begründung, vor dem Erbfall erbringe der Schenker und Erblasser wirtschaftlich kein ins Gewicht fallendes
Vermö-
gensopfer 3 3 , ist bereits an früherer Stelle dieser Arbeit als unrichtig zurückgewiesen worden, w e i l die Übertragung auch des nießbrauchsbelasteten Eigentums stets ein rechtlich und wirtschaftlich nennenswertes Vermögensopfer nach sich zieht 3 4 . A u c h Reuters Begründung, die Frist des § 2325 Abs. 3, 1. Halbsatz B G B beginne erst nach einer „Leistung unter Aufgabe der Nutzungsmöglichkeit" zu laufen,
weil
sonst
ein
Wertungswiderspruch
zur
Ehegattenregelung
des
§ 2325 Abs. 3, 2. Halbsatz B G B bestünde 3 5 , ist nicht überzeugend. Diese Regelung w i r d verbreitet für verfassungswidrig gehalten 3 6 . Jedenfalls ihre „Zeitgemäßheit" ist sehr fraglich geworden 3 7 . Sie ist daher als Auslegungsmaßstab wenig geeignet. Zudem ist die Behauptung Reuters, der einzige Unterschied zwischen „ N o r m a l - " und Ehegattenschenkungen liege i n ihren Auswirkungen auf die zukünftige Nutzungsmöglichkeit des Schenkers und dies habe den Gesetzgeber zur Sonderregelung des § 2325 Abs. 3, 2. Halbsatz B G B veranlaßt, nur bedingt richtig. Die Protokolle
belegen, daß der Gesetzgeber bei Schaffung dieser
N o r m vor allem auch von einem „alten Mißtrauen gegen Schenkungen unter Ehegatten" 3 8 geleitet wurde. Die Mitglieder der Zweiten Kommission begründeten diese Sonderregelung unter anderem damit, daß bei Schenkungen unter Ehegatten „auch aus anderen Gründen der Verdacht arglistigen Verhaltens besonders nahe l i e g e " 3 9 .
33 Speckmann, NJW 1978, 359; Hinke, 58 und von Koch, MittBayNot 1975, 123. 34 Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Ausführungen, oben § 9 I I I 1 bei Fn. 68 ff. verwiesen. 35 Reuter, JuS 1971, 293. 36 Grundlegend Peters, FamRZ 1973, 169 ff. Ebenso Schelter, 95; Soergel (11)Dieckmann, § 2325 Rdnr. 21 und Hülsheger, 23 ff., 26 sowie die LGe Braunschweig, 16. März 1988, NJW 1988, 1857; Mönchengladbach, 30. Okt. 1984, FamRZ 1985, 428 und Wiesbaden, 20. Aug. 1975, FamRZ 1975, 654. 37 So Herrmann, 123 und ähnlich („verfehlt") MünchKomm-Frank, § 2325 Rdnr. 26. — Ebenso schon Tecklenburg, 208 f., der de lege ferenda auch die Ergänzung wegen Zuwendungen an Abkömmlinge an keine zeitliche Begrenzung gebunden sehen will, wie das in § 785 Abs. 3 Satz 2 Österreichisches ABGB der Fall ist. Ähnlich W. Meyer, 336, der § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB um den Zusatz erweitern will: „Es sei denn, daß der Erblasser das Geschenk mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht gemacht hat." 38 So treffend Lange ! Kuchinke, § 39 I X 2 b in Fn. 362. 39 Protokolle bei Mugdan, V 792 = Protokolle, V 588.
280
§ 13 Kritik 2. Leistungserfolg teilweise schon bei Übertragung erreicht
Die zu kritisierende Auffassung verstößt gegen § 2325 Abs. 3 B G B . Sie führt beim Beginn der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B zu einer Gleichstellung von vollzogenen Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt und aufschiebend auf den T o d des Schenkers vollzogenen Schenkungen. Nach § 2325 Abs. 3 B G B sind Schenkungen ergänzungsfest, wenn und soweit sie mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall i m Vermögen des Beschenkten als Ergebnis eines Leistungserfolgs einen Vermögensvorteil hervorgerufen haben. Der Leistungserfolg, bei einem Veräußerungsgeschäft wie der Schenkung der Eigentumserwerb, tritt bei einer aufgeschobenen Schenkung erst m i t dem Tode ein. Vorher liegt nur die Leistungshandlung des Schenkers vor, die ein bloßes Anwartschaftsrecht des Beschenkten begründet. Bei diesen Schenkungen n i m m t also die mittlerweile ganz herrschende Meinung zu Recht an, daß Fristbeginn und Erbfall zusammenfallen, die Frist also nie ablaufen k a n n 4 0 . M i t Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt ebenso zu verfahren, wäre nur richtig, wenn auch bei ihnen vor dem Erbfall kein rechtlicher Erfolg zu einer Vermögensmehrung beim Beschenkten führte. Das ist aber gerade der Fall. Der V o l l z u g der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt durch die Übertragung des belasteten Gegenstandes führt unmittelbar zu einem Leistungserfolg und einer daraus resultierenden Vermögensmehrung beim Beschenkten. Dieser w i r d Eigentümer des verschenkten Gegenstandes, der Erfolg des Veräußerungsgeschäfts ist eingetreten, wenn auch wegen des „Rechtsmangels" Nießbrauch des Schenkers zunächst nur teilweise. Soweit der Beschenkte dadurch mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall bereichert wurde, muß diese Zuwendung auch ergänzungsfest sein.
3. Sinn und Zweck des § 2325 Abs. 3 BGB A u c h Sinn und Zweck des § 2325 Abs. 3 B G B erfordern nicht die Gleichstellung von Vorbehaltsschenkungen und aufgeschobenen Schenkungen. Die „ A b schreckungseignung" des zehnjährigen Eigentumsverlustes bei gleichzeitig vorbehaltenem Nießbrauch ist zwar geringer als bei einer unbedingten, vorbehaltslosen Schenkung 4 1 , aber doch höher als bei einer aufschiebend auf den T o d bedingten Übertragung. A u c h bezüglich der „Abschreckungseignung" n i m m t die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt also eine Mittelstellung zwischen den beiden anderen Schenkungsarten ein. Beispielhaft sei die Übertragung von GmbH-Geschäftsanteilen angeführt. Überträgt der Erblasser sie aufschiebend bedingt auf seinen Tod, bleibt er rechtlich und wirtschaftlich Zeit seines Lebens Herr i m Haus. Er ist Gesellschafter und hat das Stimmrecht. Nach einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt liegen die Dinge anders. Zwar kann auch hier 40 Vgl. oben § 5 I I 4 c). 41 Vgl. hierzu oben unter I 2 nach Fn. 19 ff.
281
II. Volle Ergänzungspflicht
der Schenker als Nießbraucher „faktisch" Gesellschafter bleiben. Ohne jedes Risiko ist die Vorbehaltsschenkung gleichwohl nicht. Nach überwiegender A u f fassung hat der Nießbraucher kein Stimmrecht i n der Gesellschafterversammlung; es steht allein dem Gesellschafter z u 4 2 . Dieser kann sich zwar dem Nießbraucher
gegenüber
im
Innenverhältnis
binden,
unter
Verstoß
hiergegen
vorgenommene Rechtshandlungen des Gesellschafters sind jedoch i m Außenverhältnis und gegenüber der Gesellschaft w i r k s a m 4 3 . Die Rückverlegung des Fristenlaufs ist auch deshalb nicht v o m Sinn und Zweck des § 2325 Abs. 3 B G B gefordert, w e i l ihre Auswirkungen zu pauschal und vergröbernd sind. Zwar sind, wie oben ausgeführt 4 4 , manche Übertragungen unter Nießbrauchsvorbehalt für den Schenker kaum spürbar, so daß der Eigentumsverlust für zehn Jahre ohne große Abschreckungswirkung ist. Andererseits sind auch Fälle denkbar, bei denen die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt annähernd so stark von „böslichen Schenkungen" abzuhalten vermag wie eine vorbehaltslose. Dies ist etwa der Fall, wenn einem sehr hohen Substanzwert ein sehr niedriger Nutzungswert gegenübersteht 45 . Neben dem unmittelbaren Verstoß gegen § 2325 Abs. 3 B G B hat die Rückverlegung des Fristenlaufs noch weitere bedenkliche Konsequenzen. Nach dieser Auffasung hat der Zeitablauf nach dem V o l l z u g einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt keinerlei Einfluß auf die Höhe der Pflichtteilsergänzung. Ob der Schenker 1 Tag oder 20 Jahre nach der Übertragung stirbt, ist v ö l l i g bedeutungslos 46 . Damit verstößt diese Vorschrift gegen den den §§ 2329 Abs. 3, 2325 Abs. 3 B G B zu entnehmenden Grundsatz, daß sich Schenkungen m i t zunehmendem Alter kräftigen, bis sie v ö l l i g ergänzungsfest werden 4 7 . Dies ist bereits an anderer Stelle aufgezeigt w o r d e n 4 8 . Hierauf w i r d zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
4. Verstoß gegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB Diese Auffassung verstößt auch gegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B . Nach ihr sind Schenkungszeit und Erbfall identisch. Daher kann für sie immer nur der 42 Staudinger (\2)-Promberger, Anh. zu §§ 1068, 1069 Rdnr. 87 ff.; RowedderKoppensteiner, § 47 Rndr. 17. 43 Staudinger (\2)-Promberger, a.a.O. 44 Vgl. oben unter I 2 nach Fn. 19. 45 Zu denken ist an ein unbebautes Citygrundstück, das als Parkplatz genutzt wird, oder an Aktien, die auf längere Zeit keine Dividende abwerfen, gleichwohl aber einen hohen, möglicherweise spekulativen Wert haben. 46 Daher kommen Speckmann, Hinke, Reuter und von Koch auch in beiden Ausgangsfällen zum exakt gleichen Ergebnis, vgl. oben § 7 I 3 a.E. mit § 11 Π a.E. 47 Vgl. dazu Staudinger (12)-Ferid-Cieslar, § 2329 Rdnr. 46. 48 Vgl. oben § 9 I I I 3 bei Fn. 78.
§ 13 Kritik
282
Wert des Gegenstandes zur Zeit des Erbfalls entscheidend sein. Entgegen dem Niederstwertprinzip wirken sich also Wertsteigerungen der Sache, die sich ereignen, wenn diese schon i m Eigentum des Beschenkten steht, zugunsten des Pflichtteilsberechtigten aus. A u c h hierauf ist an anderer Stelle schon hingewiesen worden 4 9 . I I I . Dieckmanns Mittellösung Dieckmanns
L ö s u n g 5 0 ist gegenüber den beiden Extremlösungen Vorzugs wür-
dig, w e i l sie berücksichtigt, daß bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt die Zuwendung weder m i t der Übertragung des belasteten Gegenstandes abgeschlossen ist, noch m i t dem Wegfall des Nießbrauchs durch den T o d des Schenkers zusammenfällt. Dieckmann
lehnt daher zu Recht die Gleichstellung m i t
vorbehaltslosen Schenkungen, die zehn Jahre nach der Übertragung des Gegenstandes v ö l l i g ergänzungsfest sind, ebenso ab wie m i t aufschiebend auf den T o d des Schenkers vollzogenen Schenkungen, die nie nach § 2325 Abs. 3 B G B ergänzungsfest werden können. A l l e i n Dieckmanns
Vorschlag trägt somit der M i t t e l -
stellung der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zwischen diesen beiden Formen des Schenkens Rechnung 5 1 .
1. Keine Zuwendung in zwei Teilakten Dieckmann meint, bei einer Vorbehaltsschenkung bestehe das Zuwendungsgeschehen aus zwei Teilakten. Der Schenker „begebe sich zunächst nur des Eigentums m i t Ausschluß des dinglichen Rechts" und „füge die Nutzungsbefugnis später hinzu". Da er von zwei Teilakten ausgeht, von denen der zweite erst beim Erbfall erfolgt, also noch ergänzungspflichtig ist, befürwortet er folgerichtig, daß „wenigstens die m i t dem Erbfall einsetzende Lastenfreiheit und der damit verbundene Zuwachs an Nutzungsbefugnis" beim Beschenkten zugunsten des Pflichtteilsberechtigten noch eine Ergänzungspflicht auslöst. Diese Vorstellung ist nicht ganz korrekt. W i e gesehen besteht die Zuwendung bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nur aus einem einzigen Übertragungsakt, der zu einer dreistufigen, sich über einen möglicherweise sehr langen Zeitraum erstreckenden Wertbewegung führt 5 2 . Infolge dieser nicht ganz präzisen Grundvorstellung trifft Dieckmann auch nicht genau den richtigen Ansatzpunkt 49 Vgl. oben § 9 I I I 2 bei Fn. 74. 50 Soergel (l\)-Dieckmann, § 2325 Rdnr. 19. 51 Vgl. hierzu oben § 10 I bei Fn. 13 ff. und Sudhoff, Handbuch 166. — Auch in der „Abschreckungswirkung", der von § 2325 Abs. 3 BGB geforderten Einbuße, die den Erblasser von böslichen Schenkungen abhalten kann, steht die vollzogene Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zwischen den beiden anderen, vgl. oben nach Fn. 41. 52 Vgl. oben § 2 I I und III.
III. Dieckmanns Mittellösung
283
dafür, was zehn Jahre nach der belasteten Übertragung noch eine Ergänzungspflicht auslösen kann. Dieckmanns Lösung führt zu einer Vertauschung des v o m Gesetz angeordneten Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Nach § 2325 Abs. 1 B G B sind grundsätzlich alle Schenkungen ergänzungspflichtig. Nach § 2325 Abs. 3 B G B bleiben nur Schenkungen unberücksichtigt, soweit zur Zeit des Erbfalls zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen sind. Es darf also nicht gefragt werden, was noch ergänzungspflichtig ist, sondern was ausnahmsweise unberücksichtigt bleibt. Schenkungsgegenstand einer Vorbehaltsschenkung ist der Wert der unbelasteten Sache oder des unbelasteten Rechts W s. Er befindet sich beim Erbfall i m Vermögen des Beschenkten und müßte grundsätzlich die Ergänzungspflicht auslösen 5 3 . V o n diesem Wert ist abzuziehen, was wegen § 2325 Abs. 3 B G B unberücksichtigt bleiben muß, also der Vermögenswert, der sich zehn Jahre vor dem Erbfall als Ergebnis eines Leistungserfolges i m Vermögen des Beschenkten befand. Das ist der Hüllenwert W H i m Zeitpunkt zehn Jahre vor dem Erbfall, also der Sachwert W s abzüglich des Wertes des Nießbrauchs W N zu diesem Z e i t p u n k t 5 4 . Die ergänzungspflichtige Zuwendung ist die Differenz aus Sachwert W s55 und diesem Hüllenwert W H.
2. Kein Zuwachs eines Restwertes Die erste von Dieckmann ins Auge gefaßte Möglichkeit zur Berechnung des ergänzungspflichtigen „Zuwachses an Nutzungsbefugnis", „der Restwert der kapitalisierten Nutzung", ist sehr bedenklich. Der (Nutzungs-)Wert eines Gegenstandes w i r d von einem Nießbrauch außer i n den seltenen Auszehrfällen, denen § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B Rechnung trägt 5 6 , nicht berührt 5 7 . Der Nießbraucher „verbraucht" nicht das Nutzungspotential der Sache, es steht i h m nur ein zeitliches Segment davon zur Verfügung. Nach dem Wegfall des Nießbrauchs hat der Eigentümer ein anderes Segment desselben Nutzungspotentials 5 8 . Dem Nießbraucher stehen auch nicht „ d i e " Nutzungen der Sache zu, die nach seinem T o d nur noch teilweise auf den Eigentümer übergehen könnten. Wäre es so, dürfte beim Erbfall nicht der Sachwert i m Vermögen des Beschenkten sein, was aber unleugbar der Fall ist, sondern nur die Differenz aus Sachwert 53 Vgl. oben § 2 III. 54 Also nicht abzüglich des Wertes des Nießbrauchs im Schenkungszeitpunkt ! Das kann einen großen Unterschied machen, wenn die Übertragung erheblich länger als 10 Jahre zurückliegt, vgl. unten § 14 I I I bei Fn. 9. 55 Und zwar wegen § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB der niederere Wert aus Wert zur Schenkungszeit und Wert beim Erbfall. 56 Vgl. oben § 10 I 7 nach Fn. 117. 57 Vgl. oben § 9 I bei und in Fn. 6. 58 Vgl. zum folgenden insgesamt oben § 2 bei Fn. 73 ff.
§ 13 Kritik
284
und Wertverbrauch durch den Nießbraucher. Durch die Übertragung gelangt nämlich zunächst nur der Hüllenwert i n sein Vermögen, also die Differenz aus Sachwert und Nießbrauchswert. W i e der „verbrauchte" Wert ins Vermögen des Beschenkten kommt, kann diese Auffassung nicht erklären. Gerade wenn man der Grundvorstellung Dieckmanns
von der streng zweiaktigen
Zuwendung folgt,
kann „der Restwert der Nutzungen" nicht die richtige Berechnungsform für den ergänzungspflichtigen „Zuwachs an Nutzungsbefugnis" sein, w e i l die Summe aus ergänzungsfester und ergänzungspflichtiger (Teil-)Zuwendung weniger als 100 % des Sachwertes ergäbe. Ergänzungsfest wäre die erste Zuwendung zur Schenkungszeit, also der Hüllenwert W H als Differenz aus W s und W N. Ergänzungspflichtig wäre die zweite Zuwendung zur Zeit des Erbfalls, also ein Restwert von W N. Die Summe aus beidem ergäbe aber nicht W s, sondern W s-X.
Im
Vermögen des Beschenkten befindet sich indes der Wert W s. Dies zeigt auch die Lösung des Ausgangsfalls nach dieser Alternative Dieckmanns 59.
Die erste,
ergänzungsfeste (Teil-)Zuwendung zur Schenkungszeit beträgt danach
DM
380 800 als Differenz aus D M 1 000 000 und D M 619 200. Die zweite, ergänzungspflichtige (Teil-)Zuwendung beim Erbfall soll danach nur D M 54 000 betragen. Beide Zuwendungen ergeben die Summe von D M 434 800. I m Vermögen des S ist aber — wegen des Wertverlustes — ein Grundstück i m Wert von D M 900 000. Richtig ist demgegenüber, daß der Nießbrauch nur zu einer „horizontalen", zeitlichen Teilung des Nutzungspotentials der belasteten Sache zwischen Eigentümer und Nießbraucher f ü h r t 6 0 . Durch den T o d des Nießbrauchers geht also gar nichts auf den Eigentümer über. Vielmehr konkretisiert er nur das vorher nicht feststehende zeitliche Ende des dem Nießbraucher zustehenden Nutzungspotentialsegmentes. Gleichzeitig beginnt m i t i h m das dem Eigentümer schon seit der Übertragung zustehende Nutzungspotential, das dadurch für diesen i m Wert steigt. 3. Kein Zuwachs des Nießbrauchswertes Als zweite Alternative zur Berechnung des „Zuwachses an Nutzungsbefugnis" nennt Dieckmann „den Kapitalisierungswert" selbst, weil die „so bewertete Nutzungsbefugnis nunmehr dem Beschenkten endgültig anwächst." Danach soll also der Wert des Nießbrauchs zur Schenkungszeit W N ergänzungspflichtig sein. Der auffälligste Einwand hiergegen scheint das zumindest überraschende Ergebnis zu sein, daß die Ergänzungspflicht nach A b l a u f von zehn Jahren seit der Übertragung höher sein kann als vorher, nämlich immer dann, wenn W N größer ist als làWs 6 1 - Dieses Ergebnis beruht aber nur darauf, daß Dieckmann zu Unrecht i m 59 Vgl. oben § 11 III. 60 Vgl. Kessler, BB 1985, 1386 ff. 61 Vgl. die Lösungen von Ausgangsfall 1 und 2 (oben § 7 I 1 und § 11 III). Im ersten Fall — zwischen Vollzug und Erbfall liegen fünf Jahre — hält Dieckmann nur D M
III. Dieckmanns Mittellösung
285
Regelfall den Wert des Nießbrauchs v o m Wert der Sache abzieht, wenn er die Ergänzungspflicht einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt innerhalb der Zehn-Jahres-Frist bestimmt 6 2 . Nach dem Ergebnis dieser Arbeit ist jedoch i n diesem Fall der Sachwert ohne jeden Abzug ergänzungspflichtig 6 3 . Richtigerweise ist also die Ergänzungspflicht bei Schenkungen außerhalb der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B — wenn man sie m i t der hier kritisierten Alternative Dieckmanns m i t W N annimmt — immer kleiner als bei solchen innerhalb dieser Frist 6 4 . Einzuwenden ist gegen diesen Vorschlag aber, daß W N der Wert des Nießbrauchs des Erblassers ist.Seine Höhe ist also abhängig von der Lebenserwartung des Schenkers i m Zeitpunkt der Schenkung 6 5 . Er geht nicht auf den Eigentümer über, sondern erlischt m i t dem T o d des Nießbrauchers ersatzlos, während das Nutzungspotentialsegment des Eigentümers beginnt. Aus diesem Grund den kaptialisierten Wert der Nutzungen des Beschenkten, der von dessen Lebenserwartung beim Erbfall des Schenkers abhängig wäre, als anwachsende Nutzungsbefugnis aufzufassen, verbietet sich bei Annahme eines zweiaktigen Erwerbs gleichfalls. Die Summe aus ergänzungsfestem und ergänzungspflichtigem Zuwendungsteil könnte i n diesem Fall nämlich mehr als 100 % des Sachwertes ergeben 6 6 . Ergänzungsfest wäre nämlich jedenfalls die erste (Teil-)Zuwendung durch die Übertragung, also der Hüllen wert W H als Differenz aus Sachwert W s und Wert des Nießbrauchs des Schenkers W N. U n d ist der Beschenkte beim Erbfall jünger als der Schenker bei der Schenkung, wären seine ergänzungspflichtigen Nutzungen W NU mehr wert als W N. Geht man von Dieckmanns
Grundvorstellung des zweiaktigen Erwerbs aus 6 7 ,
kann zwar allein W N die ergänzungspflichtige Zuwendung sein. Der erste A k t ist dann die Übertragung des Hüllenwertes als Differenz aus Sachwert und Nießbrauchswert. Er ist ergänzungsfest. Der zweite A k t kann nur noch die Zuwendung von W N sein, sollen beide A k t e zusammen 100 % des Sachwertes W s ergeben. Gegen diese Lösung sprechen indes zwei weitere Einwände. I m Ergebnis w i r k t sich bei ihr der Faktor Zeit nicht zugunsten von Erben und Beschenkten aus. Sie verstößt damit gegen den Grundsatz der §§ 2325 ff. B G B , wonach sich die Schenkungen durch Zeitablauf kräftigen 6 8 . Sieht man m i t dieser Alternative Dieckmanns
nämlich den Wert des Nießbrauchs des Schenkers zur
380 800 für ergänzungspflichtig, im zweiten — zwischen Vollzug und Erbfall liegen 21 Jahre — D M 619 200. 62 Vgl. oben § 7 I 1 und § 9 I. 63 Vgl. oben § 10 III. 64 Weil W N immer kleiner ist als W s. 65 W N ist das Produkt aus dem jährlichen Ertrag E N und einem lebenserwartungsabhängigen Multiplikator gemäß Anlage 9 zu § 14 BewG. 66 Es läge also im Verhältnis zur Alternative „Restwert" eine genau entgegengesetzte Fehlerquelle vor, vgl. soeben unter 2. 67 Sie wurde bereits als unrichtig verworfen; vgl. oben unter 1 nach Fn. 51. 68 Vgl. Staudinger (\2)-Ferid-Cieslar, § 2329 Rdnr. 46.
286
§ 13 Kritik
Schenkungszeit als ergänzungspflichtige Zuwendung an, ist es unerheblich, ob die Übertragung des belasteten Gegenstandes zehn Jahre und einen Tag vor dem Erbfall erfolgte oder zwanzig Jahre vor diesem Zeitpunkt. Immer ist der Wert des Nießbrauchs des Schenkers zur Zeit der Schenkung als Produkt aus einem von seiner damaligen Lebenserwartung abhängigen Faktor und dem jährlichen Ertrag der Sache ergänzungspflichtig. Hinzu kommt: Nach dem i n § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B normierten Niederstwertprinzip müssen sich Wertverluste der Sache, die sie i m Eigentum des Beschenkten erleidet, zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten auswirken 6 9 . A u c h gegen diesen Grundsatz verstößt die Alternative Dieckmanns, die bei Schenkungen unter Nießbrauchs vorbehält, die mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogen wurden, stets den Wert des Nießbrauchs des Schenkers zur Schenkungszeit als noch ergänzungspflichtige Zuwendung betrachtet. Denn dieser Wert ist v o m Wert der Sache zur Zeit des Erbfalls v ö l l i g unabhängig.
4. Geschätzter Schenkungswert kein geeignetes Kriterium A l s dritten Berechnungsweg für den nach seiner Meinung ergänzungspflichtigen „Zuwachs an Nutzungsbefugnis" zieht Dieckmann einen „geschätzten Schenkungswert" i n Betracht, der „allerdings den Wert der Zuwendung aus der Schenkungszeit nicht übersteigen sollte". Der einschränkende Nachsatz soll w o h l das widersinnige Ergebnis verhindern, daß Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, die innerhalb der Zehn-Jahres-Frist erfolgten, eine geringere Ergänzungspflicht auslösen, als solche außerhalb dieser Frist. Sollte m i t i h m indes ausgedrückt werden, daß der Hüllenwert stets 50 % des Sachwertes betragen muß, könnte er nicht gebilligt werden. Bei einem relativ jungen Schenker ist es sehr leicht möglich, daß der Nießbrauchs wert mehr als 50 % des Sachwertes ausmacht 7 0 . Gegen die Alternative „geschätzter Schenkungswert" spricht die Unschärfe dieses Begriffs. A l s ein Berechnungsweg für den „Zuwachs an Nutzungsbefugnis" ist er ungeeignet. Gäbe man ihn der Praxis als Leitschnur an die Hand, hätte dies große Rechtsunsicherheit zur Folge. Feste Kriterien müßten i m Laufe der Zeit v o m Bundesgerichtshof entwickelt werden, eine ureigenste Aufgabe der Wissenschaft. Dieser Vorschlag Dieckmanns ist also ebenfalls abzulehnen.
69 Vgl. oben § 5 I I 4 b) bei Fn. 195 ff. 70 Vgl. nur den Ausgangsfall. Der Nießbrauch des 50jährigen Schenkers E beläuft sich auf D M 619 200, also auf fast 62 % des ursprünglichen Sachwertes.
I. Anforderungsprofil
287
§ 14 Lösungsvorschlag I . Anforderungsprofil Keine der i m Schrifttum vorgeschlagenen Lösungen kann überzeugen. Die beiden extremen Lösungswege sind als von vornherein verfehlt abzulehnen 1 . Die Entwicklung einer überzeugenden Lösung muß daher bei den Vorstellungen Dieckmanns
von einer „Mittellösung" ansetzen 2 , w e i l nur sie der Mittelstellung
vollzogener Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt zwischen vollzogenen Schenkungen ohne Vorbehalt und vollzogenen Schenkungen, aufgeschoben auf den T o d des Schenkers — bei jeweils gleichem Vollzugsdatum — gerecht werden kann. Die gesuchte Lösung muß i m Einklang m i t der Rechtsnatur der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und ihres Vollzugs stehen 3 . Sie hat entgegen Dieckmann zu berücksichtigen, daß es sich u m eine einzige Zuwendung handelt, die i n drei Stufen erfolgt und sich über einen möglicherweise langen Zeitraum erstreckt, der erst mit dem T o d des Schenkers fixiert ist. Sie hat — ebenfalls i m Gegensatz zu Dieckmann
— das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Abs. 1 und
3 des § 2325 B G B zu beachten. Ihre Aufgabe ist also nicht, die ergänzungspflichtige Zuwendung zu ermitteln, sondern den nach § 2325 Abs. 3 B G B ergänzungsfesten Zuwendungsteil, der dann von der „an sich" ergänzungspflichtigen Gesamtzuwendung abzuziehen ist. Ergänzungspflichtiger und ergänzungsfester T e i l müssen zusammen 100 % der Gesamtzuwendung ausmachen. Die richtige Lösung muß ferner den Grundsätzen der Pflichtteilsergänzung entsprechen. Sie hat also der Stärkung der Schenkungen durch Zeitablauf Rechnung zu tragen. Eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, die 30 Jahre vor dem Erbfall vollzogen wurde, darf nur einen kleineren Ergänzungsbetrag nach sich ziehen als eine nur 10 Jahre und 1 Tag vor diesem Datum vollzogene. Die Lösung muß darüberhinaus auch m i t dem Grundsatz des niedrigsten Bemessungsansatzes des § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B harmonieren. Wertsteigerungen des unter Nießbrauchsvorbehalt verschenkten Gegenstandes nach der Übertragung dürfen den Ergänzungsbetrag nicht erhöhen, Wertverluste nach diesem Zeitpunkt müssen ihn vermindern. Letztlich muß die gesuchte Lösung auch praktikabel sein. Der Rechtsanwender soll auf klarem, von allen Betroffenen nachvollziehbarem und damit auch überprüfbarem W e g den ergänzungspflichtigen Betrag ermitteln können. Z i e l ist daher ein einfacher Berechnungsmodus, eine mathematische Gleichung, die ohne unbestimmte, formelhafte Etikettbegriffe auskommt.
ι Vgl. oben § 11 I und I I und § 13 I und II. 2 Vgl. oben § 11 I I I und § 13 III. 3 Vgl. oben § 1 und § 2.
288
§ 1 Lösungsvorschlag I I . Grundsätzliche Ergänzungspflicht des niedereren Sachwertes
Ausgangspunkt des Lösungswegs muß, läßt man zunächst § 2325 Abs. 3 B G B außer Betracht, die „an sich" ergänzungspflichtige Zuwendung sein. Schenkungsgegenstand bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist die übereignete Sache, das übertragene Recht, ohne Berücksichtigung des Nießbrauchs 4 . Der Ergänzungsbetrag ist also ein Bruchteil des Wertes des unbelasteten Gegenstandes W s. Verändert sich dieser Wert zwischen V o l l z u g und Erbfall, ist nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B der niedrigere Wert maßgeblich. Ausgangspunkt ist m i t anderen Worten der Wert, der Maß gäbe, wäre die Vorbehaltschenkung weniger als zehn Jahre vor dem Erbfall vollzogen worden. Dies ist der Wert der unbelasteten Sache, des unbelasteten Rechts zur Zeit des Erbfalls W S 2, solange der Wert zur Zeit der Übertragung W sl nicht niederer ist; i n letzterem Fall gilt dieser Wert. Für den Ausgangsfall hat dies zur Folge, daß v o m Wert des Grundstücks beim Erbfall auszugehen ist, w e i l der Wert bei der Übereignung größer war. Der Wert W S 2, also D M 900 000, ist damit Ausgangspunkt und zugleich Obergrenze der möglicherweise ergänzungspflichtigen Zuwendung. Letzteres kann nicht überraschen. Der Ergänzungsbetrag darf keinesfalls höher sein als i m m i t Ausnahme des Zeitablaufs zwischen V o l l z u g und Erbfall — dort 5 Jahre, hier 21 Jahre — gleichgelagerten Ausgangsfall bei Problem 1. Dort belief sich die ergänzungspflichtige Zuwendung auf D M 900 0 0 0 5 .
I I I . Ergänzungsfester Hüllenwert 10 Jahre vor dem Erbfall V o n diesem Ausgangspunkt führt der W e g zur richtigen Lösung über die Berechnung der (Teil-)Zuwendung, die nach § 2325 Abs. 3 B G B „unberücksichtigt bleibt". Das ist der Wert, der sich zehn Jahre vor dem Erbfall bereits als Ergebnis des Leistungserfolges „Eigentumsverschaffung" i m Vermögen des Beschenkten befand. Maß gibt m i t anderen Worten der Stand der Wertbewegung v o m Schenker zum Beschenkten zehn Jahre vor dem Erbfall. Z u diesem Datum ist einmal die erste Stufe des Wertabflusses, die Übertragung des belasteten Gegenstandes, seit (mindestens) 10 Jahren beendet. Ergänzungsfest ist also jedenfalls der Hüllenwert W H, der unmittelbar m i t dem Schenkungsvollzug übergeht. Er beträgt i m Ausgangsfall D M 380 800. Sie sind auf jeden Fall ergänzungsfest. Dieser Wert kann jedoch noch nicht das Ende des Weges zum ergänzungsfesten Zuwendungsteil markieren. Bliebe man hier stehen, widerspräche die Lösung dem Grundsatz, daß der ergänzungspflichtige T e i l einer Zuwendung m i t dem 4 Vgl. oben § 2 III. 5 Vgl. oben § 10 I I I und 7 I I 2.
III. Ergänzungsfester Hüllenwert 10 Jahre vor dem Erbfall
289
A b l a u f der Zeit nach dem Eintritt des (teilweisen) Leistungserfolges kleiner w i r d 6 . Es wäre nämlich unerheblich und ohne Auswirkungen auf den Ergänzungsbetrag, daß E i m Ausgangsfall nicht 10 Jahre nach dem Eigentums Wechsel starb, sondern erst 21 Jahre. Diese Lösung widerspräche zudem der Erkenntnis, „daß der Wert des Nießbrauchs des Schenkers i m Laufe der Zeit mehr und mehr abnimmt, w e i l seine Lebenserwartung zurückgeht, und i m gleichen Maße der Wert des mit dem Nießbrauch belasteten Gegenstandes des Beschenkten z u n i m m t " 7 . Wenn der Schenker nicht 10 Jahre, sondern 11 oder mehr Jahre nach der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt stirbt, ist nicht nur die erste Stufe der Wertbewegung mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall erfolgt, sondern auch ein mehr oder weniger großer T e i l der zweiten, fließenden Stufe, die unmittelbar nach der Übertragung des belasteten Gegenstandes einsetzt und erst durch die dritte Stufe, den Erbfall und Wegfall des Nießbrauchs, beendet w i r d 8 . Zehn Jahre vor dem Erbfall befindet sich als Ergebnis des Leistungserfolges Eigentumsverschaffung i m Vermögen des Beschenkten nicht (nur) der Hüllenwert zum Zeitpunkt des Schenkungsvollzugs, W H, sondern der größere Wert der Hülle zu eben diesem Zeitpunkt „ 1 0 Jahre vor dem T o d des Schenkers", Wht-
io· Dieser Hüllenwert ist die Differenz aus dem Sachwert zur Zeit der
Schenkung 9 und dem Wert des Nießbrauchs zehn Jahre vor dem Erbfall. Lebt der Schenker nach der Übertragung noch 11 Jahre, ist also der Wert der Hülle 1 Jahr nach diesem Datum entscheidend. Lebt er noch zwanzig Jahre, ist der Hüllenwert 10 Jahre nach dem V o l l z u g maßgeblich. Die Berechnung des ergänzungsfesten Teils der Zuwendung Ψ HT- io erfordert also zunächst die Ermittlung des Nießbrauchswertes 10 Jahre vor dem T o d des Schenkers, W/vr-io· Er ist das Produkt aus dem Ertragsweit des Gegenstandes E N und dem von Alter und Geschlecht des Nießbrauchers abhängigen Multiplikator der Anlage 9 zu § 14 BewG. W NT_
10
w i r d von W S\ abgezogen, die Differenz ist der ergänzungsfeste
Zuwendungsteil Ψ Η Τ _ λ 0 . Für den Ausgangsfall, i n dem E den Vollzug der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nicht nur 10, sondern 21 Jahre überlebt, ergibt sich damit, daß nicht nur D M 380 800 ergänzungsfest sind. Entscheidend ist nicht, was sich 1966 unmittelbar nach dem Eigentumswechsel i m Vermögen des S befand, sondern welcher Wert 1977, 10 Jahre vor dem T o d des E, dorthin geflossen war. Der Hüllenwert W HT.
10
des Jahres 1977 ist die Differenz aus D M 1 000 000 als
dem Wert des Grundstücks zur Zeit der Schenkung W S\ und dem Nießbrauchs wert des 61jährigen E W NT_ i 0 . W W -
ΐ 0
ist das Produkt aus E N, also D M 50 000, und
6 Vgl. dazu oben § 9 I I I 3 bei Fn. 78 ff. 7 Vgl. BGH, 10. Nov. 1982, Ζ 85, 274, 286 und oben § 2 II. 8 Im Ausgangsfall 2 dauert die fließende Wertbewegung 21 Jahre. Davon fallen 11 Jahre in die Zeit „10 Jahre vor dem Erbfall". 9 § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB ist schon bei der Ermittlung des Ausgangspunkts berücksichtigt (soeben oben unter II.). 19 Reiff
§1
290
Lösungsvorschlag
dem Vervielfältiger 9,43 nach Anlage 9 zu § 14 BewG, also D M 471 500. Ergänzungsfest sind also D M 528 500.
I V . Ergebnis: Ergänzungspflicht der Differenz Das Ende des Weges auf der Suche nach der ergänzungspflichtigen (Teil-) Zuwendung einer mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt ist erreicht. Ergänzungspflichtig ist die Differenz aus dem nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B ermittelten Sachwert und dem nach § 2325 Abs. 3 B G B unberücksichtigt bleibenden Zuwendungsteil, also dem Hüllenwert zur Zeit 10 Jahre vor dem Erbfall. Ergänzungspflichtig ist also die Differenz aus dem niedereren Wert von W S\ und W S2 und der Differenz aus W SI und WUT-
io· Y = W S2-W HT. 10 Y= W S2-(W SI-W NT, 10) (so lange gilt: W S2 -W S\\
sonst immer W SI)
Der Ausgangsfall ist danach wie folgt zu lösen: Τ hat gegen S wegen der 1966, also 21 Jahre vor dem Erbfall, vollzogenen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt noch einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung nach § 2325 Abs. 1 B G B . Für seine Berechnung ist v o m — nach dem Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B ermittelten — Sachwert von D M 900 000 der nach § 2325 Abs. 3 B G B ergänzungsfeste Zuwendungsteil, der Hüllenwert 10 Jahre vor dem T o d des Schenkers W HT_
i0
, abzuziehen. W HT_ io ist die Differenz aus
Wsi, also D M 1 000 000, und H W - i o , also D M 471 5 0 0 1 0 , beträgt also D M 528 500. Ergänzungspflichtig ist also noch der Wert von D M 371 500. Τ hat danach gegen S einen Anspruch auf Zahlung von D M 92 875. Y = W S2 - Wsi - WNT- io) Y = D M 900 000 - (DM 1 000 000 - D M 471 500) = D M 900 000 - D M 528 500 = D M 371 500 Z = D M 92 875 Diese Lösung erfüllt die an sie gestellten Anforderungen. Sie stellt einen Mittelweg dar. Bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, die mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogen wurden, läßt sie weder die ganze Zuwendung nach § 2325 Abs. 3 B G B unberücksichtigt, noch ist der gesamte Sachwert nach § 2325 Abs. 1 B G B ergänzungspflichtig. Sie entspricht der einheitlichen Zuwendung in drei Stufen, indem sie die erste Stufe stets ergänzungsfest, die letzte immer ergänzungspflichtig sein läßt, und die mittlere, fließende Stufe aufteilt: 10
WW-
10
= E N χ Faktor des 61jährigen E = D M 50 000 χ 9,43 = D M 471 500.
IV. Ergebnis: Ergänzungspflicht der Differenz
291
Ergänzungsfest ist der Teil, der mehr als 10 Jahre vor dem T o d des Schenkers in das Vermögen des Beschenkten abgeflossen ist, ergänzungspflichtig der Teil, der auf die letzten 10 Jahre entfällt. Sie beachtet das Regel-Ausnahme-Verhältnis der Absätze 1 und 3 des § 2325 B G B , indem sie den ergänzungsfesten Teil positiv bestimmt und v o m „an sich" ergänzungspflichtigen Gesamtzuwendungswert substrahiert, wodurch ergänzungspflichtiger und ergänzungsfester Zuwendungsteil immer 100 % der Gesamtzuwendung ausmachen. Die hier vorgeschlagene Lösung trägt auch den Grundsätzen der Pflichtteilsergänzung, Niederstwertprinzip und abnehmende Ergänzungspflicht m i t zunehmendem Zeitablauf, Rechnung. Der Sachwert, von dem der ergänzungsfeste Zuwendungsteil abgezogen wird, w i r d nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B bestimmt; der Pflichtteilsberechtigte k o m m t also, wie es das Niederstwertprinzip verlangt, nicht in den Genuß des guten Tropfens Wertsteigerung zwischen V o l l z u g und Erbfall, w o h l aber in den des bösen Tropfens Wertverlust i m gleichen Zeitraum. Der ergänzungsfeste Zuwendungsteil ist nach dieser Lösung der Hüllen wert 10 Jahre vor dem Erbfall. Hierdurch w i r d sowohl der Fließbewegung des Vermögenswertes v o m Schenker zum Beschenkten Rechnung getragen, als auch der Stärkung der Schenkung durch Zeitablauf. Je länger der Zeitraum zwischen Schenkungsvollzug und T o d des Schenkers ist, desto größer ist der ergänzungsfeste T e i l der Zuwendung und desto geringer daher auch die Ergänzungspflicht. Dies zeigt der Ausgangsfall sehr deutlich, in dem zwischen V o l l z u g und Erbfall 21 Jahre liegen. Wäre E 10 Jahre nach dem V o l l z u g gestorben, wären nur D M 380 800 ergänzungsfest gewesen, so waren es immerhin D M 528 500. Der Betrag, den S der Τ als Pflichtteilsergänzung schuldet, senkt sich dadurch von D M 129 8 0 0 1 1 auf D M 92 875. Würde E 81 Jahre alt, lebte also noch 10 Jahre mehr (bis 1997), dann betrüge der ergänzungsfeste T e i l schon D M 667 000. S schuldete der Τ nur noch D M 58 2 5 0 1 2 . Die gefundene Lösung ist auch praktikabel. Z u ermitteln sind nur die Werte des Gegenstandes zur Zeit der Übertragung und des Erbfalls sowie der durchschnittliche jährliche Nettoertrag E N. M i t diesen Angaben ist jede denkbare Fallkonstellation lösbar. Die Weitberechnungen sind nachprüfbar und nachvollziehbar, Entscheidungen damit vorhersehbar. Das Recht ist damit genauso klar, die Rechtssicherheit genauso hoch wie bei den Extremlösungen des „alles oder n i c h t s " 1 3 . Die hier entwickelte Lösung ist jedoch die einzige, die m i t der materiellen Gerechtigkeit vereinbar ist. Nur sie löst den K o n f l i k t Erblasser/Pflichtteilsberechtigter/Erbe und Beschenkter i n Übereinstimmung m i t der rechtlichen und wirtschaftlichen Realität der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt und der durch sie hervorgerufenen Wertbewegung. n D M 900 000 - D M 380 800 = D M 519 200; davon V A : D M 129 800. 12 Wnt- io betrüge dann D M 50 000 x 6,66, also D M 333 000; W HT_ 1 0 also D M 667 000; D M 900 000 - D M 667 000 = D M 233 000; davon VA : D M = D M 58 250. 13 Vgl. oben § 11 I und II. 19*
292
§1
Lösungsvorschlag
I m Vergleich m i t der Lösung von Problem 1 1 4 kann die jetzt für Problem 2 gefundene Lösung, welche Ergänzungspflicht eine mehr als 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogene Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt nach sich zieht, weniger stark durch Hinweise auf Untersuchungen anderer Rechtsgebiete, früherer Rechtsepochen oder ausländischer Rechtsordnungen argumentativ untermauert und damit abgesichert werden. Dies kann nicht überraschen. Dort handelte es sich vor allem um die Frage, ob der Nießbrauch v o m Schenkungswert abzuziehen ist, also u m ein generelles Problem der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt, dessen Lösung davon abhängt, was bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt „geschenkt" ist. Es stellt sich so oder jedenfalls ähnlich immer dann, wenn Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt zu bewerten sind. Dies kann beim Widerruf einer Vorbehaltsschenkung nach §§ 530-532 B G B ebenso der Fall sein wie bei ihrer Rückforderung nach §§ 528 f. B G B 1 5 . Es stellt sich dem (Schenkung-)Steuerfiskus genauso wie dem durch eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt beeinträchtigten Vertragserben oder den durch eine Hofübergabe unter Nießbrauchsvorbehalt benachteiligten Personen. A u c h fremde Rechtsordnungen haben das Problem geregelt, welche Auswirkungen Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt auf das Noterbrecht haben, insbesondere ob sie anders zu behandeln sind als vorbehaltslose Schenkungen. Das zweite Problem ist hingegen eine dem deutschen Pflichtteilsergänzungsrecht eigentümliche Frage. Seine Lösung hängt entscheidend von der Auslegung der Regelung des § 2325 Abs. 3 B G B ab. N u r dessen Zweck, von böslichen Schenkungen abhalten zu sollen, und die Besonderheit, daß der Erbfall als maßgeblicher Fristberechnungszeitpunkt und der T o d des Vorbehaltsschenkers als endgültige Erledigung der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt identisch sind, führt überhaupt zu der Frage, ob und wenn j a welche Sonderbehandlung Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt verglichen m i t Normalschenkungen beim L a u f der Frist des § 2325 Abs. 3 B G B erfahren sollen. Sie stellt sich weder beim Ausschluß des Widerrufs nach § 532 Satz 1 B G B noch beim Ausschluß des Rückforderungsanspruchs nach § 529 Abs. 1 B G B . Zwischen dem maßgeblichen Fristzeitpunkt (Kenntniserlangung v o m Widerrufsrecht bzw. Eintritt der Bedürftigkeit) und der endgültigen Erledigung der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt durch Wegfall der dinglichen Last besteht i n diesen Fällen i m Gegensatz zu § 2325 Abs. 3 B G B , w o beide identisch sind, kein Zusammenhang 1 6 . Sie stellt sich auch nicht i m (Schenkung-)Steuerrecht. Es kennt keine dem
14 Vgl. oben § 10 I 4, 5, 6. ι 5 Zu Nießbrauchsvorbehaltsschenkungen und § 530 BGB vgl. die Fälle, die durch die Urteile des OGHBrZ vom 18. Nov. 1948, Ζ 1, 259 ff. = NJW 1949, 260 ff. mit Anm. Coing und des BGH vom 9. Juli 1982, FamRZ 1982, 1066 f. mit Anm. Bosch entschieden wurden. — Zu § 528 BGB vgl. die Urteile des BGH vom 29. März 1985, Ζ 94, 141 ff. und vom 20. Dez. 1985, Ζ 96, 380 ff. 16 Damit fehlt gewissermaßen der Ansatzpunkt für eine Sonderbehandlung von Vorbehaltsschenkungen .
IV. Ergebnis: Ergänzungspflicht der Differenz
293
§ 2325 Abs. 3 B G B vergleichbare (Fristen-)Regelung. Sie stellt sich ferner nicht beim Vertragserben, der durch eine Schenkung des Erblassers ohne ein lebzeitiges Eigeninteresse beeinträchtigt wird. Er kann seinen Anspruch aus § 2287 B G B geltend machen, unabhängig davon, wie lange die Zuwendung vor dem Erbfall erfolgte. Sein Schutz gegen diese Schenkungen ist anders als der des Pflichtteilsberechtigten nach § 2325 B G B zeitlich nicht begrenzt. Das gleiche gilt schließlich für den durch einen Hofübergabevertrag unter Nießbrauchsvorbehalt benachteiligten Pflichtteilsberechtigten. A u c h wenn dieser Vertrag eine (gemischte) Schenkung i s t 1 7 , findet § 2325 B G B , und damit auch Absatz 3 dieser Vorschrift, keine Anwendung. I m Verhältnis zwischen dem Übergeber und seinen Pflichtteilsberechtigten liegt keine Schenkung unter Lebenden vor, was § 2325 B G B voraussetzt. § 17 Abs. 2 HöfeO bestimmt nämlich, daß zugunsten der anderen A b k ö m m linge m i t der Übertragung auf einen hoferbenberechtigten A b k ö m m l i n g der Erbfall hinsichtlich des Hofes als eingetreten gilt. M i t diesem Zeitpunkt entstehen somit die Abfindungs- und Pflichtteils-, nicht Pflichtteilsergänzungsansprüche. Der Erwerb des Hofes w i r d also als ein Erwerb von Todes wegen angesehen 18 . Die Rechtsgeschichte vermag die hier entwickelte Lösung nicht abzustützen. V o n den deutschen Partikularrechten vor Schaffung des B G B kannte nur das preußische A L R eine zeitliche Beschränkung des Schutzes der Pflichtteilsberechtigten gegen beeinträchtigende Schenkungen des Erblassers 19 . Der Widerruf der v o m Erblasser gemachten Schenkungen durch seine „ n o t w e n d i g e n Erben" wegen Verkürzung ihres Pflichtteils betraf nur die „innerhalb Dreyer Jahre vor seinem Tode gemachten" Schenkungen 2 0 . I m preußischen Recht ist eine Diskussion darüber, ob bezüglich dieser Drei-Jahres-Frist Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt anders zu behandeln sind als vorbehaltslose Schenkungen, nicht geführt worden, so daß eine Gleichbehandlung eher wahrscheinlich ist als eine Sonderstellung der Vorbehaltsschenkungen. Dies bedeutete, daß 3 Jahre vor dem Erbfall vollzogene Vorbehaltsschenkungen v ö l l i g außer Betracht blieben 2 1 . Aus heutiger Sicht ist jedoch immerhin auch die hier für das B G B entwickelte Lösung vorstellbar. Die Drei-Jahres-Frist des A L R verfolgte dieselben Zwecke wie § 2325 Abs. 3 B G B und diese legen eine Modifizierung des Fristenlaufs für Vorbehaltsschenkungen nahe 2 2 . 17 Zum Meinungsstand zu der Frage, ob ein Übergabevertrag Elemente einer Schenkung enthält oder nicht, vgl. Wöhrmann!Stöcker, § 17 HöfeO Rdnr. 42-44, die sie mit der Rechtsprechung gegen eine starke Literaturmeinung bejahen. is Vgl. Hessler, AgrarR 1976, 260 und Wöhrmann!Stöcker, § 17 HöfeO Rdnr. 45. 19 Vgl. Motive bei Mugdan, V 241 = Motive, V 453 und von Schmitt, I 871. In allen anderen Partikularrechten konnte sich also die Frage nach einer Sonderbehandlung von Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt beim Fristenlauf gar nicht stellen. Dies gilt auch für das gemeine Recht. Es kannte keine Frist; vgl. nur Windscheid ! Kipp, I I I § 586. A.M. Raber, JB1. 1988, 143 in Fn. 68, der (irrtümlich?) eine Frist von 5 Jahren nennt. 20 ALR I 11 § 1113. 21 Dies wäre eine Lösung wie die für das BGB überwiegend vertretene Auffassung, vgl. oben §111, die in dieser Arbeit abgelehnt wurde, vgl. oben § 13 I.
294
§1
Lösungsvorschlag
Die Rechtsvergleichung kann für die Richtigkeit der vorgeschlagenen Lösung nur schwache Fingerzeige geben. Aufschlußreich kann hier letztlich nur der B l i c k auf Rechtsordnungen sein, die eine dem § 2325 Abs. 3 B G B ähnliche Fristenregelung aufweisen. V o n den i n den Vergleich einbezogenen Ländern 2 3 kennen die Schweiz und Österreich solche Vorschriften. I n beiden Staaten ist die Frage, ob Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt i n Ansehung dieser Bestimmungen anders zu behandeln sind als Normalschenkungen, praktisch weniger bedeutsam als für das B G B . I n der Schweiz gibt es neben der Bestimmung des Art. 527 Nr. 3 Z G B , wonach Schenkungen der letzten fünf Jahre vor dem T o d der Herabsetzungsklage unterliegen, weitere Vorschriften, nach denen bestimmte Zuwendungen des Erblassers, die gleichzeitig Schenkungen sein können, ohne zeitliche Beschränkung der Herabsetzungsklage unterliegen, insbesondere Art. 527 Nr. 1 und 4 Z G B 2 4 . I n Österreich gilt die Zwei-Jahres-Frist
des
§ 785 Abs. 3 A B G B nur für Schenkungen, die „an nicht pflichtteilsberechtigte Personen" gemacht worden sind. Diese Zeitgrenze hat daher geringe praktische Bedeutung 2 5 . I n beiden Staaten w i r d die Frage, was gelten soll, wenn die außerhalb der jeweiligen Frist erfolgte Schenkung des Erblassers unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs erfolgte, soweit ersichtlich nicht problematisiert. Die Schweizer Praxis sieht i m Vorbehalt der Nutznießung ein gewichtiges Indiz für eine pflichtwidrige Absicht des Erblassers bei der Schenkungsvornahme 2 6 . Nach Art. 527 Nr. 4 Z G B ist eine „Entäußerung von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung der Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat", ohne Zeitschranke der Herabsetzung unterworfen. Vorbehaltsschenkungen unterfallen also i n der Regel zeitlich unbeschränkt der Herabsetzung. Diese Praxis w i r d damit begründet, bei einer Vorbehaltsschenkung werde der vermögensmindernde Effekt der Schenkung nicht schon dem Erblasser, sondern erst dessen Erben fühlbar 2 7 . Diese Begründung ist für das B G B bereits abgelehnt worden 2 8 . Für das Schweizer Recht gilt das gleiche. Diese Lösung der Schweizer 22 Ein Zweck bestand wie bei § 2325 Abs. 3 BGB in der Abschreckung von böslichen Schenkungen, vgl. Suarez, Jahrbücher für die Preußische Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Rechtsverwaltung 41 (1833) 25: „ . . . je weiter der Zeitpunkt der geschehenen Donation zurückgeht, desto weniger sich gedenken läßt, daß dabei eine Absicht, die Kinder im Pflichttheile zu verkürzen, zum Grunde gelegen habe." Vgl. auch Koch, ALR Anm. 5 8 z u l l l § 1113. — Dieser Zweck erfordert eine Sonderbehandlung für Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt, vgl. oben § 13 bei Fn. 15 ff. und bei Fn. 41 ff. 23 Vgl. oben § 8 vor I. 24 Vgl. oben § 12 I. 25 Vgl. oben § 12 II. 26 So Leemann, ZGB I V 2, 507; Tuor, ZGB I I I 1, 449; Escher, Erbrecht (1912) 130; Escher, Erbrecht (1937) 457; Curti-Forrer, 434. Vgl. hierzu ausführlich — mit historischen Grundlagen — oben § 8 bei Fn. 106 ff und BG, 20. Nov. 1924, BGE 50 II, 450, 456. 27 So vor allem Tuor, ZGB I I I 1, 449 und Escher, Erbrecht (1912) 130. 28 Vgl. oben § 9 I I I 1 bei Fn. 68 ff.
295
V. Die gemischte Schenkung mit Nießbrauchsvorbehlt
Praxis kann daher keine Vorbildfunktion haben. Immerhin zeigt sie, daß die i m deutschen Schrifttum überwiegend vertretene völlige Nichtberücksichtigung einer 10 Jahre vor dem Erbfall vollzogenen Vorbehaltsschenkung einer „natürlichen Betrachtung" zuwiderläuft und „Handlungsbedarf 1 für eine Sonderregelung bei Vorbehaltsschenkungen besteht. Für das österreichische A B G B ist festzuhalten: Hier kann nur die i n dieser Arbeit für das B G B entwickelte Lösung richtig sein. N u r sie w i r d der Mittelstellung gerecht, die Schenkungen unter Fruchtnießungsvorbehalt nach dem A B G B zwischen Normalschenkungen und Schenkungen auf den Todesfall einnehmen 2 9 . Wenn eine Vorbehaltsschenkung mehr als zwei Jahre vor dem Erbfall gemacht wurde, ist also bei der Berechnung des Nachlasses die Differenz aus Sachwert — Immobilien: Wert zur Zeit des Empfangs; Fahrnis: Wert zur Zeit des Erbfalls; §§ 785 Abs. 1 Satz 2, 794 A B G B — und Hüllenwert zwei Jahre vor dem Erbfall i n Anschlag zu bringen 3 0 .
V . Die gemischte Schenkung mit Nießbrauchsvorbehalt Die Frage, welcher Wert (noch) ergänzungspflichtig ist, wenn eine gemischte Schenkung m i t Nießbrauchs vorbehält 3 1 mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall vollzogen wurde, ist nunmehr leicht zu beantworten. Ausgangspunkt ist der Wert, der bei einer reinen Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt noch ergänzungspflichtig ist, also die Differenz aus dem nach § 2325 Abs. 2 Satz 2 B G B ermittelten Sachwert W s abzüglich des Hüllenwertes, den die nießbrauchsbelastete Sache 10 Jahre vor dem Erbfall für den Beschenkten hatte, W HT_
10.
Er ist
die Differenz aus Sachwert bei V o l l z u g W Si und Wert des kapitalisierten Nießbrauchs des Schenkers 10 Jahre vor dem Erbfall W ^ r - io· Hiervon ist wie bei der gemischten Schenkung innerhalb der 10 Jahresfrist der Bruchteil ergänzungspflichtig, der dem Verhältnis des Hüllenwertes W H zum Wert der Gegenleistung des Beschenkten entspricht 3 2 . Y = Ws2 - (Wsi - WNT- io) - Gegenleistungswert χ (W
S2
- WS244 Wenn also beim Tod des Schenkers gilt: W s2 > Wsi. 45 Vgl. zu diesem Punkt bei der Aussetzungsalternative, bei der umgekehrt Wertsteigerungen der Besteuerung unterliegen, Wertminderungen sich aber zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, Kapp, Kommentar § 25 Rdnr. 51. 46 So vor allem von Crezelius, 112 f. Ebenso MünchKomm-Kollhosser, § 516 Rdnr. 78 (1. Aufl. 1980) und Kapp, Kommentar § 25 Rdnr. 5. 47 Vgl. Crezelius, 27 f.
III. Bereicherungsprinzip
307
des Zivilrechts. Beide müssen kumulativ gewahrt sein 4 8 . Der V o r w u r f gegen § 25 ErbStG lautet nun, daß das in i h m enthaltene Abzugsverbot der Belastung für den Beschenkten dazu führe, daß ein und derselbe rechtliche Vorgang zu zwei sich überschneidenden, schenkungsteuerlich isoliert ermittelten Bereicherungstatbeständen führe. Die Belastung mit dem Nießbrauch habe jedoch eine Verminderung des Verkehrswertes des Gegenstandes zur Folge, dem auch das Schenkungsteuerrecht Rechnung tragen müsse. Diesem Erfordernis entspreche § 25 ErbStG und das darin enthaltene Abzugsverbot n i c h t 4 9 . Diesen Ausführungen ist für Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt aufgrund des gewonnenen zivilrechtlichen Befundes zu widersprechen. Die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt bewirkt eine Mehrung des Vermögens des Beschenkten u m den Verkehrswert W s des unbelasteten Gegenstandes. Der einzige Unterschied gegenüber einer (Normal-)Schenkung des unbelasteten Gegenstandes besteht darin, daß diese Bereicherung nicht sofort in vollem Umfang eintritt. Vielmehr w i r d der Beschenkte beim V o l l z u g zunächst u m den Hüllenwert W H bereichert. Die Bereicherung u m die Differenz zu W s, also u m den Betrag, der wertmäßig W N entspricht, vollzieht sich teilweise fließend in der Zeit zwischen V o l l z u g und Erbfall und w i r d mit dem Erbfall des Schenkers abgeschlossen. Dieser Besonderheit trägt § 25 ErbStG mit der Stundungsregelung — bis 1980 auch m i t der Aussetzungsregelung — ausreichend Rechnung 5 0 . § 25 ErbStG erfaßt also in der Tat bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt die beim Beschenkten eingetretene Bereicherung zur richtigen Zeit und in ihrem richtigen Umfang 51. Das Trumpfargument der Gegenmeinung, § 25 ErbStG führe dazu, daß ein und derselbe Rechtsvorgang schenkungsteuerlich doppelt erfaßt werde 5 2 , trifft für Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt ohnehin nicht z u 5 3 . Damit soll der vermeintliche Mißstand gegeißelt werden, daß nach § 25 ErbStG i m Fall, daß A den Nießbrauch seinem Ehegatten Β schenkt, die Sache selbst aber dem C, sowohl Β als auch C den Nutzungswert der Sache versteuern müßten. Das trifft zwar zu, ist aber nicht auf die Mißachtung der zivilrechtlichen Rechtslage durch § 25 ErbStG zurückzuführen und bedeutet auch nicht die doppelte Besteuerung ein und desselben Tatbestandes 54 . Denn Β w i r d u m W NB bereichert, C aber 48
So ausdrücklich Crezelius, 38. 9 So Crezelius, 112 m.w.N. 50 So auch das BVerfG, 15. Mai 1984, E 67, 70, 85 ff. 51 So schon der BFH, 25. Feb. 1981, E 132, 486, 488 und ihm folgend auch das BVerfG , E 67, 85 ff. Die Ausführungen des BFH billigt auch Schellenberger, DStR 1981,403. 52 So Crezelius, 112 und Kapp, BB 1984, 1414. Dazu das BVerfG, E 67, 85 ff. 53 Sondern nur bei Nießbrauchsvermächtnissen oder Schenkungen, die den Nießbrauch dem A, das Eigentum dem Β zuwenden. Denn bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt entsteht beim Schenker kein schenkungsteuerlicher Tatbestand, er erwirbt ja den Nießbrauch nicht, sondern „behält ihn sich vor". 54 So aber Crezelius, 112 und Kapp, BB 1984, 1414. 4
20*
308
§ 15 Zivilrechtliche Konstruktion und § 25 ErbStG
m i t dem T o d des Β um W s. Die Gegenansicht verkennt, daß C beim T o d des Β nicht „die Nutzungen des B " oder „den Rest der Nutzungen, die Β wegen zu frühen Todes nicht verbrauchen konnte", erhält 5 5 . Vielmehr erhalten sie v ö l l i g Unterschiedliches, es liegen also zwei Bereicherungstatbestände vor. Β w i r d m i t der Bestellung seines Nießbrauchs durch A u m das gegenwärtige tialsegment
Nutzungspoten-
des Gegenstandes m i t dem Wert W NB bereichert. Dieser Vorgang
w i r d also zu Recht sofort m i t der Bestellung schenkungsteuerlich erfaßt. Diese Besteuerung des Β hat m i t § 25 ErbStG nichts zu t u n 5 6 . Unabhängig davon w i r d C durch die Übertragung des Eigentums am zugunsten des Β belasteten Gegenstandes — zunächst nur — um eine formale Rechtsposition bereichert, den Rechtstitel Eigentum. Dieser hat den Wert W H als Differenz aus W s und W NB. Gleichzeitig erhält er aber eine Anwartschaft auf ein zukünftiges tialsegment.
Nutzungspoten-
Seine Vermögensposition w i r d durch Zeitablauf immer wertvoller.
M i t dem Erbfall des Β ist C insgesamt u m W s bereichert. Zwar w i r d nach § 25 ErbStG in der Fassung von 1980 der Erwerb des C sofort in Höhe von W s besteuert. Die Tatsache, daß die Bereicherung erst beim T o d des Β vollendet wird, w i r d indes m i t der Stundungsregelung ausreichend berücksichtigt 5 7 . Daß die Erwerbe zweier zeitlich hintereinander liegender Nutzungspotentialsegmente beide besteuert werden, ist ebensowenig die doppelte Besteuerung nur eines Vorgangs wie die Besteuerungen des Übergangs eines Gegenstandes v o m Vater auf den Sohn und v o m Sohn auf den E n k e l 5 8 . Es ist daher zusammenfassend festzuhalten: § 25 ErbStG entspricht bei Schenkungen unter Nießbrauchs vorbehält nicht nur dem Grundsatz der Maßgeblichkeit des Zivilrechts, sondern auch dem Bereicherungsprinzip.
I V . Beschränkung auf Erwerbe von Todes wegen Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes zu gemischten Schenkungen und Schenkungen unter einer Auflage setzte ursprünglich als Bereicherung i m Sinn des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG den Unterschied zwischen dem (Steuer-)Wert des übertragenen Gegenstandes und dem (Steuer-)Wert der Auflage oder der übernommenen Gegenleistung a n 5 9 . Dies führte häufig zu dem Ergebnis völliger 55
Dieser Auffassung ist aber Crezelius, 112 und 114. Vgl. zur Besteuerung der Zuwendung eines Nießbrauchs nach dem ErbStG Staudinger ( 12)-Promberger, Vorbem. zu §§ 1030 ff. Rdnr. 166-168. 57 Auch die bis 1980 bestehende Aussetzungsalternative war insoweit unbedenklich, da sie erst beim Zustand nach dem Tode des Β ansetzte. 58 Vgl. dazu etwa die Regelung des § 27 ErbStG, der bei rasch aufeinanderfolgenden Erbfällen innerhalb der engsten Familie für den zweiten Erbfall eine Steuervergünstigung gewährt. 59 Vgl. hierzu den bundeseinheitlichen Erlaß vom 10. Feb. 1983, BStBl I, 238 und Tipke, § 12, 2. 2, 375, der die frühere Rechtsprechung als „herkömmliche Ansicht" bezeichnet. 56
IV. Beschränkung auf Erwerbe von Todes wegen
309
Steuerfreiheit. Hatte nämlich der übertragene Gegenstand einen erheblich unter dem Verkehrswert liegenden Steuerwert (etwa Grundstücke und Betriebsgrundstücke gemäß § 121a B e w G mit 140 % ihres Einheitswertes von 1964), die Gegenleistung aber nicht, war der steuerliche Wert der Schenkung meist „ N u l l " . Verkaufte etwa A seinem Sohn Β ein Grundstück m i t dem Verkehrswert von D M 500 000, dem Einheitswert von D M 100 000 und dem Steuerwert von D M 140 000 zum Preis von D M 140 000, lag schenkungsteuerlich keine Bereicherung vor60. V o r allem aus diesem Grund änderte der Bundesfinanzhof
seine Recht-
sprechung 6 1 . Nunmehr gilt bei einer gemischten Schenkung der Unterschied zwischen dem Verkehrswert der Leistung und dem Verkehrswert der Gegenleistung als zivilrechtliche Bereicherung. Der entsprechende Teil des Steuerwerts der Leistung ergibt dann den Steuerwert der Bereicherung 6 2 . I m Beispielsfall des Verkaufs zum Preis von D M 140 000 beträgt die zivilrechtliche Bereicherung des Β D M 360 000. Der schenkungsteuerliche Wert der Bereicherung ist daher D M 100 8 0 0 6 3 . Die Finanzverwaltung erklärte diese neue Rechtsprechung auch für Schenkungen unter einer Auflage i m Sinn des § 525 B G B für anwendbar 6 4 . Sie zog aus ihr in einem bundesweiten Erlaß gleichzeitig die Folgerung, daß § 25 ErbStG nur noch i n Erbfällen Anwendung f i n d e 6 5 . § 25 ErbStG setze einen belasteten Erwerb voraus. Diese Voraussetzung liege bei der jetzigen Auslegung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht mehr vor. Das Schrifttum ist dieser Auffassung weitgehend gefolgt 6 6 . Es finden sich allerdings auch sehr zurückhaltende und kritische Äußerungen 6 7 .
60 Vgl. auch das Beispiel bei Tipke, § 12, 2. 2, 375. 61 Vgl. das Urteil des BFH vom 21. Okt. 1981, E 134, 357 = BStBl I I 1982, S. 83 ff. und dazu den Erlaß, BStBl 1983 I, 238 und Tipke, § 12, 2. 2. Besonders sorgfältig nachgezeichnet ist diese Rechtsprechungswende, die sich in mehreren vorhergehenden Urteilen angekündigt hatte, bei Witteler, DB 1985, 75 f. 62 Troll, BB 1984, 1290, spricht treffend von einer „Anwendung der Aufteilungsmethode". 63 Denn D M 100 800 stehen zu D M 140 000 im gleichen Verhältnis wie D M 360 000 zu D M 500 000. Vgl. auch die Beispiele bei Tipke und im Erlaß jeweils a.a.O. 64 Vgl. den Erlaß, a.a.O., 238. 65 Vgl. den Erlaß, a.a.O., 239. 66 Vgl. etwa Winkeljohann, DB 1987, 355; Troll, BB 1984, 1290 und Kommentar § 25 Rdnr. 1 sowie Michel, DStR 1986, 468 in Fn. 41. Petzoldt sieht in der Ausweitung der /^//-Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung einen Konflikt zwischen BFH und Verwaltung, GmbHR 1987, 434. 67 Vgl. etwa MünchKomm-Petzoldt, vor § 1030 Rdnr. 37 („entgegen dem Wortlaut des § 25 ErbStG"); Martin, BB 1981, 1326-1328, die schon vor dem Erlaß vor einer mit dem Willen des Gesetzgebers unvereinbaren weiteren Eingrenzung des § 25 ErbStG warnte, und Kapp, Kommentar § 25 Rdnr. 12. 1. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, daß ausgerechnet Kapp als kompromißlosester Gegner des § 25 ErbStG die Finanzverwaltung dafür kritisiert, daß sie diese Vorschrift „zum zahnlosen Tiger" mache und
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§ 15 Zivilrechtliche Konstruktion und § 25 ErbStG
Die Auffassung, § 25 ErbStG sei nur noch auf Erbfälle anwendbar, ist falsch. Zumindest auf Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt muß § 25 ErbStG nach wie vor angewendet werden. Dabei kann dahinstehen, ob die neue Rechtsprechung zu gemischten Schenkungen und Schenkungen unter Auflage richtig ist oder abgelehnt werden m u ß 6 8 , wofür immerhin ihre klare Unvereinbarkeit mit § 25 E r b S t G 6 9 sowie der Umstand spricht, daß sie auf konstruktiv sehr zweifelhaftem W e g die Ungerechtigkeiten etwa des § 121a B e w G erträglicher machen w i l l . Jedenfalls ist nach den Ergebnissen dieser Untersuchung die Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt weder eine gemischte Schenkung noch eine Schenkung unter Auflage. Der Nießbrauch des Schenkers ist keine Gegenleistung des Beschenkten und keine v o m Schenker dem Beschenkten zur Vollziehung auferlegte Auflage. Eine Differenzierung zwischen einer zivilrechtlichen und einer schenkungsteuerlichen Bereicherung ist also gar nicht möglich. Vielmehr w i r d der Beschenkte u m den vollen Steuerwert des Gegenstandes bereichert. Diese Bereicherung ist allerdings erst beim T o d des Schenkers vollendet. Überträgt also i n dem Beispiel A dem Β das Grundstück m i t dem Verkehrswert von D M 500 000 und dem Steuerwert von D M 140 000, behält sich daran aber einen Nießbrauch i m Wert von D M 100 000 v o r 7 0 , w i r d nach § 25 ErbStG der Erwerb i m Wert von D M 140 000 sofort versteuert. Soweit diese Steuer aber auf den Wert von D M 100 000 fällt, w i r d sie bis zum T o d des A zinslos gestundet 7 1 . Entgegen dem bundeseinheitlichen Erlaß der Finanzverwaltung und den meisten Literaturstimmen ist daher festzuhalten: Der Anwendungsbereich des § 25 ErbStG ist nicht auf Erwerbe von Todes wegen beschränkt 7 2 . Jedenfalls bei Schenkungen unter Nießbrauchsvorbehalt kann und muß diese Vorschrift angewendet werden, unabhängig davon, welcher schenkungsteuerlichen Betrachtung von gemischten Schenkungen und Schenkungen unter Auflage man folgt.
dem BFH vorwirft, er biege das Gesetz auf eine rechtsstaatlich unvertretbare Weise um. Unklar Enders, MDR 1986, 725. 68 Vgl. dazu etwa Schild, DB 1983, 1066 f. und Tipke, § 12, 2. 2, 375 m.w.N. in Fn. 29 sowie MünchKomm-Kollhosser, § 516 Rdnr. 63 c, 73 und 78 a. 69 Vgl. Martin, Petzoldt und Kapp, alle a.a.O. (Fn. 67) sowie Schild, DB 1983, 1067. 70 Der schenkungsteuerliche Wert des kapitalisierten Nießbrauchs kann anders als der einer Leibrente oder einer sonstigen wiederkehrenden Leistung nie höher sein als der Steuerwert des Gegenstandes. Dies ergibt sich aus § 16 BewG, vgl. Troll, BB 1985, 2099 f. mit Beispielsfall. Vgl. zur Bewertung des Nießbrauchs nach § 12 ErbStG, §§13 ff. BewG auch Staudinger (\2)-Promherger, Vorbem. zu §§ 1030 ff., Rdnr. 166 f. und zum alten Recht nach ErbStG 1959 BögerUech, DStR 1970, 756 f. 71 Für Erwerbe vor dem 1. Sept. 1980 besteht daneben noch die Aussetzungsalternative. 7 2 Ebenso (zu einer Auflagenschenkung) FG Schleswig-Holstein, 18. Dez. 1986, BB 1989, 546, 548 f. mit zust. Anm. von Jelinek .
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