244 102 106MB
German Pages 392 Year 1991
Linguistische Arbeiten
268
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Heinz Vater und Richard Wiese
Connexiones Romanicae Dependenz und Valenz in romanischen Sprachen
Herausgegeben von Peter Koch und Thomas Krefeld
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1991
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Connexiones Romanicae : Dependenz und Valenz in romanischen Sprachen / hrsg. von Peter Koch und Thomas Krefeld. - Tübingen : Niemeyer, 1991 (Linguistische Arbeiten ; 268) NE: Koch, Peter [Hrsg.]; GT ISBN 3-484-30268-2
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1991 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt Einband: Heinr. Koch, Tübingen
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Discorso o Dialogo intorno alia nostra lingua
VII
Inhaltsverzeichnis I.
.
Vorwort
l
Einleitung
3
P. KOCH/Th. KREFELD Dependenz und Valenz in romanischen Sprachen
5
Dependenzgrammatlk und Noematik
39
K. HEGER Vom Stemma zum Aktantenmodell
41
. Translation Th. LAMBERTZ Kritische Anmerkungen zu Tesnieres Translationstheorie Th. KREFELD Wirter und ihre (Un-)Arten: zum unmarkierten Wechsel der Konnexionsebene im Französischen IV. Aktanten und Zirkumstanten G. WOTJAK Einige Ergänzungen, Modifikationen und Angaben zu "Ergänzungen" und "Angaben" Th. KOTSCHI Zirkumstanten und komplexe Prädikate V. Semantlsche Typisierung von Aktanten J. WÜEST Die Valenz sprechaktbezeichnender Verben im Französischen D. JAKOB Dativ im Französischen? Zur Funktionsweise und Semantik der Ergänzungsklasse 'ä + NP* M. SELIG Inhaltskonturen des "Dativs". Zur Ablösung des lateinischen Dativs durch ad und zur differentiellen Objektmarkierung C. HERNANDEZ SACRISTAN Reflexiones sobre Valencia estativa. Con especial atencion al espanol y el catalän
51 53 81
107 109
129
139 141 157
187
213
VIII VI. Verbvalenz zwischen Syntagmatik, Phraseologie und Bedeutungswandel E. GÄRTNER Probleme der valenztheoretischen Beschreibung propositionaler Argumente und ihrer syntaktischen Ausdrucksmöglichkeiten im Portugiesischen U. DETGES Französische Funktionsverbfügungen vom Typ Stre Präp N. Zum Verhältnis von lexikalischer Kategorie und propositionaler Funktion P. KOCH Semantische Valenz, Polysemie und Bedeutungswandel bei romanischen Verben VII. Valenz - Diathesen - Informationsstruktur L. MELIS Les tours pronominaux en fran?ais moderne: diathese recessive ou couplage des marques pronominales? W. THIELEMANN Operativität von Prädikatskernen zwischen 'proposition und 'enonce': Diathesen W. OESTERREICHER Verbvalenz und Informationsstruktur
235 237
253
279
307 309
329
349
Vorwort Der vorliegende Sammelband ist aus der Sektion Dependenz und Valenz in romanischen Sprachen des Deutschen Romanistentages 1989 in Aachen hervorgegangen. Er macht alle dort besprochenen Vorlagen in ihrer überarbeiteten Fassung zugänglich und enthält außerdem einen Beitrag von Thomas Kotschi, der durch die Diskussion in der Sektion mit angeregt wurde. Wir haben einer Reihe von Personen zu danken, die tatkräftig zur Fertigstellung der Druckvorlage beigetragen haben: Bettina Bosold, Barbara Hans-Bianchi, Beatrice Jurick, Joachim Klenter, Stefanie Pabst, GUnay San, Erika Vogt, ganz besonders aber Theresia Saame und Mechthild Gegenwart. Wertvoll waren uns auch die kritischen Anregungen von Wulf Oesterreicher (Freiburg). Den Herausgebern danken wir für das Angebot, den Sammelband in die Reihe 'Linguistische Arbeiten* aufzunehmen. Peter Koch Thomas Krefeld
I. EINLEITUNG
Peter Koch A > E). Unschwer läßt sich erkennen, daß für die konstruierten Zwischenstufen der 'translations multiples ein echter Formenklassenwechsel gar nicht in Betracht kommt. Die Annahme "unechter" Formenklassenwechsel, durch die ein real vorliegender Funktionsklassenwechsel aus rein beschreibungstechnischen Gründen in einen Formenklassenwechsel umgedeutet wird, belastet den Tesniereschen Translationsbegriff unnötigerweise. Wir würden sogar vorschlagen19, den Begriff Translation (ersten Grades)' für Bildungen wie Partizipien (I > A; z.B. fr. fatiguant) oder das romanische Gerundium (I > E; z.B. fr. en fatiguant) zu reservieren, da sie zusätzlich zum Funktionsklassenwechsel folgende Merkmale aufweisen: - Es findet ein echter Formenklassenwechsel statt (im Unterschied zu Fällen wie de Pierre in le livre de Pierre). - Der Transferend bewahrt sein kategoriespezifisches "Konnexionspotential" nach unten (z.B. fatiguant les enfants-, vgl. etwa demgegenüber das französische 'adjectif verbal' des Typs (tres) fatigant). - Es handelt sich nicht um Wortbildungsphänomene. Zwar gibt es Derivativa, die sich diachronisch letztlich auf Translationen im Sinne Tesnieres zurückführen lassen. Aber solche von ihm als 'translations figees' bezeichneten Bildungen (vgl. dazu kritisch auch LAMBERTZ) sind eher marginale Fälle dessen, was wir als Derivation bezeichnen. 20 Synchronisch gesehen sind auch diese 'translations figees' reine Wortbildungsprodukte (so etwa das oben genannte 'adjectif verbal' des Typs fr. fatigant). 19
Vgl. Koch/Krefeld (im Druck).
20
Vgl. auch Lemar^chal 1989, 74.
10
Einer kritischen Sichtung bedarf auch Tesnieres dichotomische Unterscheidung zwischen Translationen ersten Grades und solchen zweiten Grades. LAMBERTZ zeichnet in seinem Beitrag den graduellen Übergang zwischen Translationen zweiten Grades (z.B. fr. Bien qu'il craigne Je chStiment ...) und Nominalisierungen im engsten Sinne nach (Malgre sä crainte du chätiment ...). An irgendeinem Punkt dieser Skala muß sich der libergang von Translationen zweiten Grades zu solchen ersten Grades vollziehen. LAMBERTZ macht deutlich, daß hier die Finitheit des abhängigen Verbs eine herausragende Rolle spielt. Man könnte sich dann aber auch fragen, ob dieses - rein dependenziell-valenziell allerdings nicht erfaßbare - Kriterium nicht einen qualitativen Sprung markiert und insofern zum zentralen Bestimmungsstück des Begriffs Translation zweiten Grades' gemacht werden sollte. Dieser wäre damit als sinnvoll und nützlich erwiesen und deutlich vom Begriff Translation ersten Grades' geschieden.21
2. Wir hatten oben darauf hingewiesen, daß das begriffliche Instrumentarium Tesnieres unter der unentschiedenen - bald universalistischen, bald einzelsprachlichen - Ausrichtung der 'Syntaxe structurale' leidet. Während die außereinzelsprachlich-noematische Auslegung der Eloments sich vor allem daran stößt, daß bei Tesniere manche Konzepte der kontingenten Organisation bestimmter historischer Einzelsprachen verpflichtet bleiben (s.o. II.), erweisen sich die syntaktischen Kategorien Tesnieres in der einzelsprachlichen Anwendung oft als zu starr und unspezifisch. In der Umsetzung des Translationsbegriffs führt dieser unklare Status der Kategorien zu offenkundigen Widersprüchen. Denn die Kasuistik der 'translations du premier degre' stellt letztlich den Versuch dar, genuin einzelsprachliche syntaktische Distributionsklassen auf ein vorgegebenes hierarchisches Gefüge übereinzelsprachlicher lexikalischer Kategorien abzubilden; d.h. Tesnieres vorgegebene Wortartenhierarchie, die jede Wortart prototypisch auf eine bestimmte "Konnexionsebene" festlegt, läßt keinen Raum für die einzelsprachspezifische Interpretation, aus der hervorgeht, welche Translationsmechanismen in einer gegebenen Sprache vorgesehen sind und welche gerade nicht. Geht man einmal den umgekehrten Weg und sichtet die für eine Einzelsprache charakteristischen Möglichkeiten, Wörter auf eine andere Konnexionsebene zu verschieben, so drängt sich nämlich, wie Thomas KREFELD in seinem Beitrag "Wörter und ihre (Un-)Arten" am Beispiel des 21
Vgl. Koch/Krefeld (im Druck).
11
Französischen zeigt, folgender Schluß auf: lexikalische Kategorien wie I, O, A, E sind zwar grundsätzlich interlingual vergleichbar; ihre syntaktische Hierarchisierung ist jedoch nicht identisch, sondern muß je einzelsprachspezifisch bestimmt werden. Besonders aufschlußreich ist unter diesem Aspekt die Analyse derjenigen Lexeme bzw. derjenigen lexikalischen Kategorien, die - ohne einer bestimmten morphologischen Markierung zu bedürfen (bei Tesniere: "translation sans marquant" 22 ) - auf verschiedenen Konnexionsebenen gebraucht werden können (vgl. z.B. coiffe(e) mode; un pull tres mode). Hier ergibt sich für das Französische eine grundsätzliche Opposition zwischen den Verben auf der einen und den Nicht-Verben auf der anderen Seite. Im Vergleich zu den Verben zeichnen sich Substantive, Adjektive und Adverbien durch eine bedeutend größere syntaktische Plastizität aus, wodurch im Französischen die syntaktische hierarchische Prominenz des Verbs unterstrichen wird: ein Wechsel der Konnexionsebene ist bei dieser Wortart eo ipso ein "Herabsteigen" in der Hierarchie, das einer eindeutigen morphologischen Markierung bedarf. Nach KREFELD handelt es sich hier um eine einzelsprachliche Option des Französischen (und wohl auch typologisch ähnlicher Sprachen). Schon die romanischen Kreolsprachen verhalten sich deutlich anders, da ihre Lexeme eine auch im Übergang von Verben zu Nicht-Verben eine relativ große Plastizität aufweisen (z.B. hai't- kreol. chita: 1. 'sich setzen'; 2. 'das Sitzen'; 3. 'stehend (vom Wasser)').
IV. Aktanten und Zirkumstanten Wie Welke zurecht feststellt, ist das "Verhältnis von Ergänzungen und Angaben [...] das meistdiskutierte Problem der Valenzforschung" (1988, 21). Tesniere selbst hat die erbitterte Diskussion über diesen Punkt ausgelöst durch seine letztlich inkonsistente Abgrenzung von 'actants' und 'circonstants', bei der formale und semantische Kriterien vorschnell als dekkungsgleich erachtet werden.23 In die Annalen der Valenzforschung sind die Einsichten aus dem Umkreis von Heibig 24 eingegangen, nach denen 1) zwischen obligatorischen und fakultativen Ergänzungen (Aktanten) sowie freien Angaben (Zirkumstanten) unterschieden werden muß;
22
Tesniere 1959, 38O.
23
Vgl. Tesniere 1959, chap. 57, §§ 1-4.
24
Vgl. etwa Heibig 1971 b. 36-38; Heibig/Schenkel 11969. 25-33. 38-41.
12
2) die Grenzlinie zwischen Aktanten und Zirkunistanten 25 nicht mit der Grenzlinie zwischen Objekten und adverbialen Bestimmungen zusammenfällt. Gegenstand der einschlägigen Diskussion war seitdem immer wieder die Operationalisierung der intuitiv einleuchtenden Unterscheidung zwischen (fakultativen) Aktanten und Zirkumstanten 26 , eine Diskussion, die im Übrigen auch durch romanistische Beiträge27 mit einzelsprachlich durchaus überzeugenden Ergebnissen bereichert wurde. So kann seit Busse 1974 (96-98) das Problem fUr die besonders frequenten französischen ä- und deAktanten als gelöst gelten. 1. Gerd WOTJAK packt das Problem in seinem Beitrag "Einige Ergänzungen, Modifikationen und Angaben zu 'Ergänzungen* und 'Angaben' " von einer ganz anderen Seite an. Im Rahmen eines ausdrücklich Ubereinzelsprachlich-begriffliehen Ansatzes, zu dem von ihm schon eine ganze Reihe anderer Arbeiten vorliegt28, geht er von der Verbsemantik aus, die mittels einer Sachverhalte widerspiegelnden "denotativen Basisproposition" (S. 112) beschrieben wird.29 Den Hintergrund für die bei VerblexemenX-sememen möglichen "Aktantifizierungen" (von Ergänzungen) und "Vertextungen" (von Angaben) bildet hier eine Typisierung von Alltagserfahrungen, wie sie in letzter Zeit auch unter Stichwörtern wie 'frame', 'scene', 'script' usw. erfaßt wird. 30 Unter diesen Prämissen entsprechen den "sememindizierten" Mitspielern nicht nur die obligatorischen und fakultativen Ergänzungen (zusammengefaßt als "Maximalaktanz"), sondern auch bestimmte Angaben, die teils fakultativ, teils aber sogar obligatorisch sind (z.B. dt. gut/schlecht beim Verb riechen). Sememindizierte Mitspieler müssen jedoch in der sprachlichen Realisierung nicht als eigene Satzglieder expliziert erscheinen: dies
Wir verwenden im folgenden die Termini 'Aktant' Sinne von Helbigs 'Ergänzung' und 'freie Angabe'.
und 'Zirkumstant* im
26
Vgl. etwa Zifonun 1972; Arbeitsgruppe Marburg 1973; Kotschi 1974, 15-22; Pasch 1977, 8-2S; Vater 1978, Korhonen 1977, 129-2O3; Tarvainen 1981, 24-36, 87-98; Welke 1988, 21-52; vgl. auch den Beitrag von HEGER in diesem Band und ausfuhrlicher 199O; ferner die in Anm. 33 und 34 zitierte Literatur.
27
Vgl. Busse 1974, 86-1OO; Kotschi 1981, 11O-12O.
28
Vgl. Wotjak 1984, 1989
29
Trotz mancher Gemeinsamkeiten liegt hier ein wichtiger Unterschied zu HEGERs Noematik, die ein ontisch und/oder kognitiv nicht festgelegtes Tertium sein w i l l . Vgl.
dazu auch unten Anm. 46.
13
kann kontextuell oder textsortenspezifisch bedingt31 oder auch lexematisch/ semematisch vorgegeben sein (vgl. zu letzterem die lexematisch festgeschriebene Inkorporierung eines "Modifikators" eilig bei eilen u.a.m. 3 2 ).
2. Der soeben vorgestellte Beitrag zielt auf eine onomasiologisch-außersprachlich fundierte Differenzierung des Feldes 'Aktanten/Zirkumstanten'. Nun hat aber auch die stärker semasiologisch-einzelsprachlich ausgerichtete Forschung in diesem Bereich gute Fortschritte gemacht. Insbesondere Metis (1983) hat uns anschaulich vor Augen geführt, daß der Zirkumstantenstatus gerade nicht generell dadurch definierbar ist, daß die betreffenden Satzglieder zu jedem Verb beliebig hinzugefügt werden können, also außerhalb der Reichweite verbaler Selektionsbeschränkungen liegen (ein gegen alle - schon frühzeitig beigebrachten33 - Evidenzen zählebiger Irrtum 34 . Melis konnte sogar zeigen, daß eine bestimmte Gruppe von Zirkumstanten ('complements du naeud actantiel') per definitionem in ganz besonders enger Interaktion mit der Verbbedeutung stehen. 35 Genau dieser Gruppe von Zirkumstanten gilt Thomas KOTSCHIs Beitrag "Zirkumstanten und komplexe Prädikate"; er grenzt sie, angeregt durch Melis' Typisierung als K(ern)-Zirkumstanten von dem P(ropositionalen)-Zirkumstanten (z.B. demain; en France usw.) ab. Beide Zirkumstantengruppen sind wiederum von den Satzkomplementen/modalen Satzadverbialen (z.B. probablement; heureusement) zu unterscheiden. KOTSCHI beschäftigt sich in seinem Beitrag speziell mit den K-Zirkumstanten und macht hier die interessante Beobachtung, daß sie in die prädikative Struktur (Verb plus Aktanten) prinzipiell vor dem Subjekt (Ej) integriert werden und so die Selektion von E. mitsteuern können. Intern unterteilt er die Gruppe der K-Zirkumstanten - wiederum analog zu Melis in - attitudinale: (disperser) avec brutaiite-, (conduire) prudemment usw. - instrumentale: (deraciner) avec une pioche·, (peindre) ä la brosse usw. An diesem Punkt ergeben sich - bei allen Unterschieden in der Betrachtungsweise - interessante Berührungspunkte mit der Thematik von THIELEMANN und OESTERREICHER. 32
Vgl· zum Französischen Bogacki 1978 und zum Spanischen auch B. Wotjak 199O.
33
Helbig/Schenkel 2 1973,4O; Busse 1974, 95;
34
Vgl. etwa Tarvainen 1981, 87 f.; Varnhorn 1986, 9f. ; Salvi 1988, 32; Engel 1988, 183, 219; unzureichend auch noch Welkes Einschätzung der Zirkumstanten (als "relativ beliebig hinzufligbar" (1988, 4O; Hervorhebung von uns; v g l . auch 36, 51).
3S
Vgl. Melis 1983,
31-13O.
14
- aspektuelle: (manger) en dix minutes-, (dormir) huit heures usw. - verbmodifizierende: (surveiller) etroitement; (blesser) mortellement?** KOTSCHI diskutiert ausführlich die Untergruppe der verbmodifizierenden K-Zirkumstanten, die sich dadurch auszeichnen, daß sie nicht nur vor Er sondern vor allen Aktanten in die prädikative Struktur integriert werden: sie stehen mit dem Verb in so enger semantischer Relation, daß sie mit ihm zusammen eine Art "neues, komplexes Prädikat" (S. 133) bilden. Die Beiträge von WOTJAK und KOTSCHI zeigen, daß sich hinter dem Satzgliedtyp 'Zirkumstant', der lange Zeit in der Valenzforschung als "Restkategorie" abgetan wurde, ein fruchtbares Forschungsfeld verbirgt, das überraschende Einblicke gerade auch in die Verbsemantik eröffnet.
V. Semantische Typisierung von Aktanten Die Begriffe 'Valenz' und 'Aktant' sind bei Tesniere untrennbar miteinander verbunden. Wenn man aber der ihnen zugrundeliegenden Metaphorik nachgeht, so stößt man auf zwei Sehweisen, die sich bis in die zentrale Begrifflichkeit hinein Überlagern: einerseits der "technisch"-syntaktische Aspekt, der sich in der Anleihe bei der Terminologie der Chemie ausdrückt 37 , andererseits der inhaltlich-semantische Aspekt, der sich in der Konzeption vom Satz als "petit drame"38 niederschlägt. Dieser Ambivalenz begegnet man in der 'syntaxe structurale' auf Schritt und Tritt, etwa bei der Definition von Aktanten: Du point de vue semantlque, le prime actant est celui qui fait l'actlon. A ce titre, le prime actant est connu dans la grammaire traditionelle sous le nom de sujet, que nous lui conserverons. Ainsi, dans la phrase fr. Alfred parle L...1, Alfred est structuralement le prime actant et semantiquemant le sujet de parle. (Tesniere, chap. 51, §§ 6-8)
Es war nur naheliegend, daß beide im Valenzkonzept angelegten Richtungen weiterverfolgt und verfeinert wurden. Die eine Richtung der Tesniere-Rezeption beschränkte sich zunächst auf die exhaustive syntaktisch-formale Beschreibung der verbzentrierten Satzstruktur: so entstanden Inventare syntaktischer Aktantenfunktionen in
36
Bei Melis: - complements
37
semiematiques' (vgl. 1983, 87-1O2).
Vgl. Tesniere 1959, chap. 97, § 3.
38
0p. cit., chap. 48, § 1.
IS
paradigmatischer und Satzbaupläne in syntagmatischer Hinsicht; 39 schließlich erstellte man Valenzwörterblicher, in denen die Konstruktionsmöglichkeiten einer mehr oder weniger großen Anzahl lexikographisch erfaßter Verben exhaustiv aufbereitet sind.40 Die andere Richtung der Tesniere-Rezeption konzentrierte sich auf den semantischen Gehalt der Theorie. Die - bei Klaus Heger - ab den sechziger Jahren (s.o. II.) einsetzenden Bemühungen in Richtung auf ein semantisches Valenzkonzept konvergierten zum einen mit prädikatenlogischen und generativ-semantischen Ansätzen, 41 zum anderen mit der sich von der TG abspaltenden Kasusgrammatik Charles J. Filimores. 42 Tiefenkasus(-rollen)/semantische Kasus/Aktantenfunktionen/Aktantenrollen/thematische Rollen/Theta-Rollen 43 und entsprechende semantische "Satzmodelle" werden mittlerweile als zusätzliche valenzielle Beschreibungsebene neben derjenigen der rein syntaktischen 39
Seit den sechziger Jahren in der Germanistik (s.o. An m. 2). In der Romania tik wandte man sich der syntaktischen Verbvalenz erst ab den siebziger Jahren zu (vgl. auch Perl 1976). FUr das Französische erarbeiteten Busse (1974, 67-126; Busse/Dubost 1983, XIV) und Kotschi (1974, 2S-3S; 1981, 91-1O6) Inventare syntaktischer Aktantenklassen und Satzbaupläne; vgl. auch Willems 1981, 28-SO. FUr das Portugiesische vgl. u.a. Busse/Vilela 1986, 35-43, SO-S4; auch Heringer/Pinto de Lima 1987, S9-7O. FUr das Italienische vgl. Bianco 1986/87; insbesondere Schwarze 1988, 1O2-148. Eher am Deutschen orientiert, wenn auch mit Ausblicken auf das Spanische vgl. Bäez San Jos6 1988.
4O
Vgl. fUr das Deutsche: Helbig/Schenkel »1969 ( 7 1983); Engel/Schumacher 1976 ( 2 1978); ein althochdeutsches Valenzwörterbuch wird in Greule 1988 angekündigt. Das erste französische und damit romanische Valenzwörterbuch 1st Busse/Dubost 41977 (31983); vgl. ferner Greidanus 199O; zu Lewicka/Bogackl s.u. Anm. 41. FUr das Portugiesische in Vorbereitung: Busse u.a. Zum Italienischen vgl. die Skizze in Sprissler 1982; zum Spanischen: Wotjak 1979; Baez San Jose/Penades 199O. - Die lexikographische Beschäftigung mit der Verbvalenz schloß freilich neben der ausgeprägt syntaktischen Komponente von Anfang an einen Aspekt der Semantik ein, dessen Behandlung aber nicht von Tesniere, sondern eher von Entwicklungen im Rahmen der TG angeregt wurde: die Selektionsbeschränkungen fUr Aktanten, die sich mit Merkmalen wie Hum, Anim, Abstr usw. beschreiben lassen (vgl. etwa Chomsky 1965, 9O-97, 113-12O; Helbig/Schenkel »1969, 36 f. und passim; Busse/Dubost 4 1977, XIX und passim).
1
41
Vgl. auf generativistischer Seite etwa McCawley 1968; Lakoff 197O; auf valenztheoretischer Seite etwa Bondzio 1971; vgl. auch Welke 1988, 13 f., 89-96. Ein umfangreiches Valenzklexikon fUr französische Verben, das sowohl eine syntaktische als auch eine (logisch-)semantische Beschreibung enthält, ist Lewicka/Bogacki 1983.
42
Vgl. Fillmore 1968; Beiträge in Abraham 1978 und Dlrven/Radden 1987; Cook 1989; vgl. aber auch die verwandten, an die Valenztheorie gut anschließbaren Ansätze von Halliday (1967/68, I, 39-81, III, 179-2O4) und Chafe (197O, 98-1O4); ferner Dik 1978, 15-54. Zu den Korrespondenzen zwischen Hegers Aktantenfunktionen und Filimores Tiefenkasus vgl. Heger 1976, 111-114. - Als Überblick: Koch 1981, 14O-148; Welke 1988, 163-172, 175 ff. Es ist bemerkenswert, daß unter diesem Etikett kasusrollenartige Konzepte inzwischen auch in die neuere generative Theorie Chomskys ('Government and Binding') Eingang gefunden haben ( v g l . Chomsky 1988, 35-48; 112-117).
16
Valenz gesehen. 44 Häufig werden derartige Rollen auch in die der Prädikatenlogik verpflichteten, als zu "dürr" empfundenen Beschreibungen von Verbbedeutungen integriert. 45 Das Rolleninventar, das einer semantisch-valenziellen Beschreibung zugrunde gelegt werden soll, bleibt jedoch im einzelnen nach wie vor umstritten. Einer der Wege, die hier in den letzten fünfzehn Jahren eingeschlagen wurden, besteht in einer konsequent onomasiologischen Orientierung, die die Aktantenrollen (und überhaupt die verbsemantischen Strukturen) an /ra/ne'-Konzepte anbindet, wie wir sie in der Kognitiven Psychologie und in der Forschung zur Künstlichen Intelligenz antreffen (die hier ihrerseits letztlich von der Kasusgrammatik beeinflußt wurde) ,46 Ein anderer Zugang ergibt sich, wenn man Aktantenrollen als integrale Bestandteile von Verblexemen ansieht, 47 wobei die Bestimmung dieser Rollen als - klassifikatorisch relevante - semantische Merkmale der betreffenden Lexeme in letzter Konsequenz natürlich zumindest partiell eine semasiologische Vorgehensweise erforderlich macht. Der kognitiv-onomasiologische und der lexematisch-semasiologische Ansatz haben eines gemeinsam: sie eruieren die semantischen Aktantenrollen unabhängig von den syntaktischen Aktantenfunktionen, da sie nicht grundsätzlich eine l:l-Beziehung zwischen beiden ansetzen. 48 Dies steht im Gegensatz zu traditionellen und besonders klassisch-strukturalistischen Kasustheorien, die von einem einheitlichen Systemwert morphologischer Kategorien bzw. syntaktischer Funktionen ausgehen. 49
44
Vgl. etwa Koch 1981, 85 f., 1O7-113; Heibig 1983; Busse/Vilela 1986, 94-117; Polenz 1988, 1SS-18O; Welke 1988. 14-2O, 97-1O6.
45
Vgl. etwa LUdi 1983; Wotjak THIELEMANN in diesem Band.
1984 und die
Beiträge von
WOTJAK und
46
So Fillmore selbst (1977; 1986; 1987); ferner etwa Heringer 1984; Wotjak 1988; insgesamt Welke 1988, 172-174, 188-193; kritisch Heibig 1987. Zum kognitionspsychologischen Aspekt z.B. K l i x 1984; zum Bereich der Kunstlichen Intelligenz etwa: Minsky 198O; Schank/Abelson 1977; Winograd 1983; aus l i n g u i stischer Sicht insbesondere Metzing 1981.
47
Vgl. schon Chafe 197O, bes. 98-1O2, 1OS ff.; Cook 1979, SO-81, 134-143, 2OO-1O4; Dik 1978, IS f., 53 f.; Koch 1981, 99-1O4, 152 ff.; LUdi 1983, S7-6O; allgemein auch Welke 1988, 181-188. - Skeptische Folgerungen aus der Annahme einer totalen Lexemabhängigkeit der Aktantenrollen zieht Seyfert (1979, 196 f f . , 214 f.; 1981).
48
So schon Fillmore (1968, 3-5, 32 f . ) ; vgl. Seyfert 1979, 292-3O7; Koch 1981, 124-134, 363-365; Heibig 1982, 9-18, 69-76; allgemein Welke 1988, 99-1O2, 2O6-21O.
4 je pense lui: ä-/u/-Aktant). JACOB schlägt fUr dieses Phänomen eine Erklärung auf der Basis semantischer Rollen vor. Er stützt sich auf die drei außereinzelsprachlich-noematischen Rollenkonzepte 'Prädikativfunktion', 'Kausalfunktion' und 'Finalfunktion' im Sinne Hegers. Ferner setzt er für das Französische als eine "akkusativische" Sprache bestimmte, typologisch relevante Entsprechungsmuster (aber eben nicht l:l-Beziehungen) zwischen diesen Rollen und den drei syntaktischen Aktantenfunktionen 'Subjekt', 'direktes Objekt' und '/i/i-Aktant' vpraus:56 - Bei einwertigen Verben können alle drei Rollen als Subjekt ausgedruckt werden. - Bei zweiwertigen Verben wird die Prädikativfunktion in der Regel als direktes Objekt ausgedruckt (dann erscheint die Kausalfunktion bzw. die Finalfunktion als Subjekt); wird die Prädikativfunktion hingegen als Subjekt ausgedruckt, so muß die Finalfunktion als 7w/-Aktant erscheinen. - Das gängige Muster bei dreiwertigen Verben ist: Kausalfunktion-Subjekt; Prädikativfunktion-direktes Objekt; Finalfunktion-lui-Aktant. Hieraus ergibt sich nach JACOB, daß die normale Realisierung der Finalfunktion ein /u/'-Aktant ist: z.B. je lui parle (im Unterschied zu anderen Autoren vermeidet JACOB es, im Falle des Französischen eine Kategorie 'Dativ 1 zu bemUhen). Seine These ist nun: immer, wenn der durch ä angeschlossene Aktant zwei- oder dreiwertiger Verben nicht die Finalfunktion einnimmt, ist er ein ä-/u/-Aktant und weicht dann gewissermaßen von der fUr Finalaktanten 54
Vgl. etwa auch Wlerzblcka 1988 391-433; ferner Sgall 198O. Als wenig Überzeugend, weil im Grunde kontraintuitiv, hat sich das kasusgrammatische "Rollback" in Starostas Lexicase-Modell erwiesen, weil hier eindeutige Vorteile der Fillmoreschen Trennung von syntaktischer Funktion und semantischer Rolle verspielt werden (vgl. Starosta 1978 und noch extremer: 1982; zur Kritik Koch 1983, 232-236, 242).
SS
Vgl. etwa Gaatone 1984 und zuletzt Kristol 1987. Selbstverständlich stellt sich das Problem in dieser Welse nur bei Aktanten, deren Referenten als handlungsfähige Personen eingeschätzt werden, da sonst die Pronominal!— sierung durch y erfolgt (vgl. genauer Thun 1986, 3O f., 133-135, 18O-183).
S6
Vgl. auch Heger I98S, bes.
113,120.
19
reservierten Position auf eine andere aus: z.B. je pense ä lul, wo nach JACOB die Finalfunktion eher von je ('Wahrnehmender') als von ä lui ausgefüllt wird.
3. Der "Sprung" zwischen syntaktischen Aktantenfunktionen und semantischen Rollen läßt sich bei rein einzelsprachlich-synchronischer Betrachtung auch durch Spekulation kaum Überbrücken. Eine Möglichkeit empirischer Absicherung besteht darin, Zuordnungen vorzunehmen, die durch typologisch-iibereinzelsprachliche Evidenzen gestutzt werden (so das eben geschilderte Vorgehen bei JACOB). Den anderen Weg hat die Valenzforschung wohl aufgrund gewisser Berührungsängste bisher nicht beschritten: die Auswertung des reichen Schatzes an diachronischen Evidenzen. Es sind ja gerade diachrone Prozesse, die uns vor Augen führen, wie sich bestimmte sprachliche Fakten im Bewußtsein der Sprecher darstellen, welche Kategorien, Oppositionen, Assoziationen usw. beim Sprechen relevant sind und wirksam werden können. In diesem Sinne untersucht Maria SELIG in ihrem Beitrag die "Inhaltskonturen des 'Dativs'". Sie beschäftigt sich mit zwei klassischen Themen der diachronischen romanischen Morphosyntax: 1) mit der Ablösung des lateinischen Dativs durch die Präposition lat. acf/rom. a/fr, ä ;57 2) mit der Entstehung des ebenfalls mit a markierten sogenannten präpositionalen Akkusativs in einer Reihe romanischer Sprachen ("differentielle Objektmarkierung").58 Was den lat. Dativaktanten und den mit a/a angeschlossenen Aktanten romanischer Sprachen betrifft, so überrascht die Tatsache, daß die faktisch zu beobachtende Kontinuität zwischen beiden Ausdrucksformen bislang nie durch den überzeugenden Nachweis einer inhaltlich-funktionellen Kontinuität gestützt wurde. SELIG sieht diese Kontinuität nicht etwa in der isomorphischen Abbildung einer "Grundbedeutung" oder "Gesamtbedeutung" auf eine bestimmte morphosyntaktische Form, sondern in den "Inhaltskonturen" des lat. Dativs. Sie kommen diesem Kasus zwar nicht per se zu, stellen aber Bedeutungskomponenten von Verblexemen dar, die bei bestimmten Verbgruppen typischerweise mit ihm assoziiert werden (dabei ist vorausgesetzt, daß einer einzelnen Leerstelle eines Verbs durchaus mehr als eine Aktantenrolle zugeordnet sein kann 59 ). In einer lexematisch-semasiologisch angelegten Analyse der lat. Verbgruppen des 'Gebens', 'Nehmens' und 'Sagens' (im weitesten Sinne) stellt 57
Vgl. etwa Vidos 1968, TekavCia 198O, § 444; Agard 1984,175.
58
Vgl. etwa Rohlfs 1971; MUller 1971; Bossong 1982, 24-34.
59
Vgl. schon Fillmore 1969, 377 f.; auch 152-156, 324-333; LUdi 1983, 56, 63 f.
Seyfert 1979, 2O7-2O9; Koch 1981,
20 SELIG heraus, daß den drei Verbgruppen die Rolle des 'Interaktionspartners' flir den Dativaktanten gemeinsam ist. Daß die Präposition ad, die insbesondere die lokal-direktionale Bedeutung 'Zielpunkt einer Bewegung' hat, als eine "Trabantenkonstruktion" 60 in Konkurrenz zum Dativ treten konnte, ist auf eine metaphorische Deutung der Relation Agens-Interaktionspartner als einer gerichteten Bewegung zurückzuführen. In der Ersetzung des lat. Dativs durch den romanischen a-Aktanten sieht SELIG nun auch die Grundlage der Entstehung des weiteren von ihr behandelten Problems, der Wahl eines Ausdrucksmittels für die differentielle Objektmarkierung. Insofern der a-Aktant (ebenso wie der ehemalige lat. Dativ-Aktant) bei den Verben des 'Gebens', 'Nehmens' und 'Sagens' typischerweise das Merkmal 'menschlich' bzw. 'Person', d.h. auch 'agensfähig', aufweist, bot es sich an, die Markierung a auch innerhalb der Aktantenfunktion 'direktes Objekt' zur differentiellen Markierung derjenigen Aktanten einzusetzen, die das Merkmal 'agensfähig' aufweisen. 4. Während in den beiden in 2. und 3. vorgestellten Ansätzen die semantischen Rollen als relativ fest umrissen konzipiert sind (so daß ihre Zuordnung zu den syntaktischen Aktantenfunktionen typologisch oder diachronisch gerechtfertigt werden muß), wählt Carlos HERNANDEZ SACRISTAN in seinem Beitrag "Reflexiones sobre Valencia estativa" einen ganz anderen Zugang: er dynamisiert die Rollenkonzepte selbst bzw. ihre Konfigurationen im Rückgriff auf Vorstellungen der Gestaltpsychologie. Gestaltpsychologie und Phänomenologie61 standen, gleichsam als Paten, an der Wiege des europäischen Strukturalismus; nachhaltig beeinflussen konnten sie die Entwicklung der jüngsten "Struktur"-Wissenschaft freilich nicht. 62 Bald setzte eine Verselbständigung der methodologischen Grundlagen der Linguistik ein: schon der Gestaltpsychologe Karl Bühler beklagt die fehlende RUckbindung der sprachwissenschaftlichen Methodologie an die sich weiterentwickelnden ganzheitlichen Vorstellungen in der Psychologie. 63 Mit der zunehmenden Dominanz der distributionalistisch ausgerichteten Linguistik amerikanischer Provenienz wurden "mentalistische" Anleihen bei der Gestaltpsychologie schließlich vollends verpönt. Erst seitdem kognitive Diesen Begriff prägen wir in Anlehnung an Begriff des 'Trabantenwortes' (197O, 154 f f . ) .
Wartburgs
61
Vgl. Holenstein 1957; Stempel 1988, 16, 187 f f . , 193.
62
Vgl. die sehr zurückhaltende Einschätzung in Oesterreicher
63
2
1978; Löpez-Garcia
Vgl. BUhler 1936 und 196S, 271-29O; speziell zur "Die Phonologie von heute löst die Aufgabe einer Diakrisenlehre nur im ersten Schritt" (283); seiner zur Gestaltpsychologie in die Lehre [zu] gehen" bis heute nicht nachgekommen.
199O,
lexikologischen
2O f f . ;
Albrecht
1982, 164-17O.
Phonologie heißt es dort: systematisch aufgebauten Forderung, "beim zweiten (ebd.), ist diese Disziplin
21
und perzeptive Aspekte des Sprechens verstärkt Berücksichtigung in der sprachwissenschaftlichen Theoriebildung finden - SchlUsselbegriffe sind hier 'Natürlichkeit' und 'Prototypikalität' 64 - sind phänomenologische 65 und gestaltpsychologische66 Erkenntnisse für die Sprachwissenschaft wieder attraktiv geworden. Eine konstitutive Bedeutung hat der Gestaltbegriff neuerdings in der Konzeption der sog. 'gramätica Jiminar' erlangt, wie sie seit Ende der 70er Jahre im Umfeld von Angel Lopez-Garcia (Valencia) entwickelt wurde.67 Einen exemplarischen Eindruck von der Vorgehensweise in syntacticis dieser als umfassendes Sprachbeschreibungsmodell konzipierten Grammatik vermittelt der Beitrag von HERNANDEZ SACRISTAN. Semiotische Grundeinheit seiner Syntax ist die 'Argument' genannte Verbindung aus "syntaktischer Funktion" (= Signifikant) und "aktantieller Bedeutung" (= Signifikat; entspricht der semantischen Rolle). Er unterscheidet sodann "monorhematische" und komplexe Prädikate. Letztere werden als gestalthafte "Argumentenkonfigurationen", d.h. als Verbindung aus einer "syntaktisch-funktionalen Konfiguration" (= Signifikant) mit einer zugrunde liegenden "aktantiellen Konfiguration" (= Signifikat) aufgefaßt.68 Das Verhältnis zwischen funktionaler und aktantieller Ebene wird als ikonisch in dem Sinn gesehen, daß formal-syntaktische Unterschiede immer auch semantischen Unterschieden entsprechen. Als konstant angesehen werden dabei nicht die beteiligten Kategorien selbst, sondern gerade ihr Kontrast in der jeweiligen Konfiguration. Dies setzt ein dynamisches prototypikalisches69 Verständnis der Aktantenrollen und ihrer Konfigurationen voraus: In der praktisch unbegrenzten Menge der möglichen Konfigurationen lassen sich begrifflich zusammenhängende Gruppen ("Familien") und Untergruppen ("Subfamilien") abgrenzen. Entscheidend ist dabei, daß die einzelnen Familien weder in sich homogen noch hermetisch gegeneinander abgeschlossen sind; innerhalb jeder Gruppe existieren neben "prototypischen" stets auch perzeptiv weniger naheliegende, marginale Lösungen. Gerade diese marginalen Konfigurationen weisen 64
Vgl. dazu schon Rösch 1973; dann Givon 1984, 11-23; Taylor 1989. Vgl. die Aktualisierung und Weiterentwicklung der Husserlschen Lehre von den Ganzen und den Teilen im Rahmen der linguistischen Universalienforschung in Raible 198O.
66
Vgl. Lakoff 1973, bes. 246 f.; der Autor verzichtet leider auf jegliche wissenschaftsgeschichtliche Diskussion seiner Quellen. Er begnUgt sich mit dem globalen Hinweis, daß "the term 'gestalt' as I am using it bears some relation to the concept of the same name used by the gestalt psychologists of two generations ago, but obviously differs In many respects" (247).
67
Vgl. Lopez-Garcia 198O.
68
Vgl. Hernandez Sacristan 1989, 36.
69
Vgl. auch Givön 1984, 96 f f . , 126 f. und passim.
22
immer schon eine Verwandtschaft mit "benachbarten" Familien auf. Zu drei wichtigen "Großfamilien" kann man etwa die Verb-Nomen-Konfigurationen zusammenfassen, die in einer bestimmten Sprache dem Ausdruck von 'Zustand', 'Prozeß' und 'Handlung' dienen. HERNANDEZ wendet sich der erstgenannten Gruppe zu; er illustriert seine Konzeption durch die einheitliche Erklärung folgender iberoromanischer Besonderheiten aus dem Bereich der "stativen Valenz": - Bedeutungsentwicklung von lat. tenere ('halten* > 'haben'); - komplementärer Gebrauch von sp./kat. ser « lat. essere) vs. sp./kat. estar « lat. stare); - suppletiver Gebrauch bestimmter, auf lat. sedere zurückgehender Formen (sido) im Paradigma von span. ser. Die genannten Phänomene sind Ausdruck einer perzeptiv wichtigen Polarität zwischen rein Stativen und "dynamisch Stativen" Konfigurationen, eine Polarität, die auch diachrone Übergänge bestimmter Verben nachvollziehbar macht: z.B. von dem individuell kontrollierten 70 'Halten* (lat. tenere) über das kontrollierbare 'Haben' ('Besitzen') einer Person (sp. Juan tiene una casa) bis zum nichtkontrollierbaren 'unveräußerlichen Besitz' (sp. La casa tiene una chitnenea).
VI. Verbvalenz zwischen Syntagmatik, Phraseologie und Bedeutungswandel Wer bereit ist, das Verb als im Satz zentral anzuerkennen und dieses Konzept von Zentralität valenztheoretisch zu füllen, der sieht auch zahlreiche Probleme in neuem Licht, die traditionellerweise in anderen linguistischen Sparten erörtert werden. Das Valenzkonzept bietet eine Fülle von Anschlußflächen. Vier davon sind in unserer Sektionsarbeit besonders deutlich dokumentiert: Valenz und verbale Syntagmatik allgemein (s.u. 1.); Valenz und Phraseologie (Funktionsverbfügungen; s.u. 2.); Valenz und verbaler Bedeutungswandel (s.u. 3.); Valenz, Diathese und Informationsstruktur des Satzes (s. dazu den separaten Teil VII.). 1. Ein entschiedenes Plus der Valenztheorie ist ihre praktische Anwendbarkeit, die nicht zuletzt in der Lexikographie71 sichtbar wurde und zu Neuorientierungen in der Grammatikographie 72 geführt hat. In den Rahmen eines grammatikographischen Projekts gehört auch Eberhard GÄRTNERs Aufsatz "Probleme 7O 71
Vgl. Dik 1978,
33 f., 37.
S.o. Anm. 4O.
72
Vgl. etwa Helbig/Buscha 198O, 249-255; GrundzUge, 124-128; 182-218; Weinrich 1982, 1O7-1S1; Schwarze 1988. 1O1-166.
Engel
1988,
23
der valenztheoretischen Beschreibung propositionaler Argumente und ihrer syntaktischen Ausdrucksmöglichkeiten im Portugiesischen". Es ist ein Beitrag zur detaillierten Beschreibung der Syntagmatik bei Verben und anderen prädikativen Ausdrucken mit propositionalen Argumenten (wie ... que os amigos partiram', ... terem os amigos partido; ... o reunir de tanta beleza-, usw.). 7 3 GÄRTNER zeigt hier zum einen Bedingungsfaktoren auf, die aus der Inhaltsstruktur der Lexeme heraus deren Syntagmatik steuern: Selektionsbeschränkungen hinsichtlich des abhängigen Verbs und seines Subjekts, modale und pragmatische Komponenten des übergeordneten Verbs usw. Zum anderen führt er im Blick auf die Ausdrucksstrukturen die Palette syntagmatischer Möglichkeiten und die Zwänge vor, die bei der Realisierung propositionaler Argumente bestehen. Besondere Beachtung verdienen hier das Verfahren der Argumentenhebung (z.B. As colsas parecem marchar para uma solugao gegenüber Parece que äs colsas marcham para uma so/ucao) und typisch für das Portugiesische - die vielfältigen Möglichkeiten des flektierten ("persönlichen") Infinitivs (z.B. E verdade terem os amigos partido; A tristeza da Maria resulta de os amigos terem partido).
2. Einen Objektbereich, der schon sehr früh in den Gesichtskreis der Valenztheorie rückte, stellen die von Heringer (1968) so genannten Funktionsverbfligungen des Typs fr. dtre en vente, mettre en marche usw. dar. Für die Syntax- und die Semantikforschung sind sie in dreifacher Hinsicht eine Herausforderung, die gerade von der Valenztheorie angenommen werden kann. Erstens verdient der besondere Charakter der Funktionsverben des Typs fr. itre, rester, mettre, tenir usw. Beachtung: sie führen ein nominales Syntagma bei sich, das keinen Aktantenstatus hat (z.B. en marche bei mettre; vgl. *je l'y mets). Zweitens entsteht aus dem Funktionsverb und dem zugehörigen nichtaktantiellen nominalen Syntagma eine neue phraseologische Einheit (Lexie), deren Bedeutung zwar ohne weiteres aus der Bedeutung ihrer Komponenten ableitbar bleibt, 74 die aber nur als Ganzes mit einer Valenz ausgestattet ist (z.B. JeE1 mets Ja voitureE2 en marche). Drittens geht in eine solche verbale Lexie ein Substantiv ein, das dabei seinen nominalen Charakter aufgibt. Hier stellt sich die Frage, ob diese Position einer bestimmten Klasse von Substantiven, nämlich den Verbalabstrakta, vorbehalten ist.
Vgl. die analogen Überlegungen zum Spanischen in Gärtner 199O. l
Im Unterschied etwa zu den Verhältnissen bei FUgungen des Typs casser lm Untt sä pipe.
24 Es Überrascht, daß ein romanistisches Pendant zu der grundlegenden Arbeit von Heringer (1968) bisher fehlt. 75 Erfreulich ist vor diesem Hintergrund, daß sich Ulrich DETGES des Themas "Französische Funktionsverbfllgungen vom Typ 6tre Präp N" annimmt, wobei es ihm insbesondere um den ersten und den dritten der oben angesprochenen Punkte geht. Er sieht in den Funktionsverben eine deutlich abgrenzbare Gruppe, da sie bestimmte Elemente der lexikalischen Kategorie 'Substantiv' nicht als Aktanten annehmen, sondern an der prädikativen Funktion im Satz partizipieren lassen. Er arbeitet heraus, in welcher Weise sich Funktionsverb und Substantiv die semantischen "Aufgaben" innerhalb der Lexie teilen: während die Funktionsverben markieren, wie der Sachverhalt dargestellt wird (z.B. als Vorgang oder als Handlung: se mettre en marche vs. mettre en marche), drücken die Substantive aus, um was flir einen Sachverhalt es sich handelt (örtliches Befinden: z.B. $tre en däpJacement, Wissen: z.B. $tre dans l Ignorance de usw.). 76 DETGES präzisiert diese Erkenntnis dann, indem er zeigt, daß in Funktionsverbfligungen des Typs etre e/i deplacement auch das Verbalabstraktum eine bestimmte Sicht des Sachverhalts "mitbringt" (bei deplacement etwa: Handlung), die aber durch die Art der Sachverhaltsdarstellung des Funktionsverbs Überlagert wird (Stre = Zustand). Diese semantische Binnenstruktur ist ein Spezifikum derjenigen Funktionsverfügungen, die als Substantiv ein Verbalabstraktum enthalten. Sie unterscheiden sich damit von Fügungen wie Stre en feu, @tre en retard und natürlich $tre amoureux, die ansonsten durchaus einige distributioneile Ähnlichkeiten mit den aus Verbalabstrakta gebildeten Funktionsverbfügungen aufweisen. 3. Wie die Diskussion in Teil V. zeigt, gibt es gute Gründe, der syntaktischen Valenz eine erhebliche Autonomie im Verhältnis zu den semantischen Valenzstrukturen (insbesondere den Aktantenrollen) zuzubilligen. 77 Läßt
Vgl. allerdings die sogar in die Diachronie ausgreifenden Bemerkungen bei Heringer selbst (1968, 1O6-117); ferner Busse 1974, 138 f.; Busch 1987. Selbst in der germanistischen Valenzbetrachtung findet das Problem nicht Überall die gebührende Beachtung: Welke (1988) geht bemerkenswerterweise gar nicht darauf ein. Vgl. zu einer derartigen zweidimensionalen Analyse Valenz einfacher Verben: Koch 1981, 2O7-276.
der Bedeutung
und
Unberührt davon bleibt die Möglichkeit, eine Motivation der syntaktischen Aktantenfunktionen auf anderen Ebenen der Satzsemantik, und zwar vor allem im Bereich der Informationsstruktur zu suchen: vgl. den Beitrag von OESTERREICHER. Erst von dieser Warte aus lassen sich dann wiederum bestimmte Affinitätsbeziehungen zwischen semantischen Rollen und syntaktischen Funktionen verstehen (z.B. 'Agens' - 'Subjekt' wegen hoher Thematizität des 'Agens').
2S
man sich auf diese Denkrichtung ein, so wird der Blick frei für die Valenz als Element der Verbbedeutung. Man muß dann freilich noch einen Schritt weitergehen und sagen: eine adäquate semantische Beschreibung von Verben ist nicht möglich ohne ein umfassendes Verständnis der Verbbedeutung, das nicht nur leerstellenunabhängige, sondern auch leerstellenbezogene (aktantielle) sowie typische zirkumstantenbezogene Merkmale des Verbs erfaßt und diese Schichten der Bedeutung ausreichend differenziert. 78 Was für die Verbsemantik allgemein gilt, darf aber auch in der diachronischen Verbsemantik nicht vernachlässigt werden. In den Rahmen solcher Überlegungen stellt Peter KOCH seinen Beitrag "Semantische Valenz, Polysemie und Bedeutungswandel bei romanischen Verben", der anhand romanischer Beispiele (vor allem aus dem Französischen, Italienischen, Spanischen) eine spezifische Systematik des verbalen Bedeutungswandels entwickelt. Es zeigt sich, daß die traditionelle Typik des Bedeutungswandels, die implizit wortartneutral konzipiert ist,79 den Besonderheiten des Verbs bei weitem nicht gerecht wird. Bedeutungsveränderungen wie Verstärkung/Abschwächung, Erweiterung/Verengung, Metapher und Metonymie haben je nach Schicht der Verbbedeutung ein ganz eigenes Profil. Dies läßt sich am Beispiel der Bedeutungserweiterung aufzeigen: etwa lat. AMBULARE > fr. aller (Verlust leerstellenunabhängiger Merkmale wie 'zu Fuß'); lat. TENERE > sp. tener (Rolle des Subjektaktanten: 'jemand, der etwas in der Hand hat' > 'jemand, der etwas hat'); it. noleggiare (Selektionsbeschränkung 'Schiff beim direkten Objektaktanten erweitert zu 'Fahrzeug, beweglicher Gegenstand'); vlat. "ADRIPARE > fr. arr/Ver/it. arrivare (Selektionsbeschränkung 'mit dem Schiff beim Instrumentalzirkumstanten aufgegeben). Weiterhin wird erkennbar, daß das, was man bei anderen Wortarten als Ellipse bezeichnen kann, beim Verb genauer als Inkorporation zu fassen ist: zirkumstantielle Elemente werden in die aktantielle oder gar leerstellenunabhängige Schicht, aktantielle Elemente in die leerstellenunabhängige Schicht "aufgenommen" (letzteres z.B. beim Aktanten lait maternel im Falle von fr. sevrer). Schließlich stellt sich heraus, daß die Verben einen Typ von Bedeutungswandel kennen, der anderen Wortarten fremd ist: Verschiebungen auf der Ebene der Informationsstruktur durch Konversion (z.B. lat. locare 'vermieten' > fr. Jouer auch 'mieten'). Insbesondere bei der Inkorporation und der Konversion ergeben sich hier aus diachronischer Sicht Anknüpfungspunkte an klassische valenztheoretische 78
Vgl. Koch KOTSCHI.
79
Vgl. beispielsweise Breal 1921, 99-142; U l l m a n n 1962, 193-235.
1981, 99-1O3;
Melis
1983. 1O2-13O; ferner
hier
den
Beitrag
von
26
Problemstellungen wie Takultativität von Aktanteri oder 'Valenzvariation', aber auch an die Thema-Rhema-Problematik. 80
VII. Valenz - Diathese - Informationsstruktur Eine der auffälligsten Divergenzen zwischen der traditionellen Grammatik und den Elements de syntaxe structuraJe ergibt sich aus Tesnieres Konzeption der Diathese.81 Wenngleich er diesen Terminus aus der griechischen Grammatik entlehnt, gewinnt der dahinterstehende Begriff im Kontext des verbzentrierten Ansatzes einen völlig anderen Stellenwert. Die Fruchtbarkeit dieses Diathesenmodells geht noch weit über das hinaus, was bei Tesniere erkennbar ist82. Es lassen sich einerseits klassische Probleme der verbalen Morphosyntax (Hilfsverben, Pronominalformen usw.), andererseits Aspekte der Informationsstruktur des Satzes (Thema-Rhema-Gliederung) direkt anschließen. Tesnieres Modell der Diathesen ist prononciert onomasiologisch-übereinzelsprachlich angelegt, stellt also erst in zweiter Linie die Frage nach den einzelsprachlichen morphosyntaktischen Realisierungen. 83 Es wäre nun umgekehrt zu fragen, ob bestimmte Phänomene der Morphosyntax einer gegebenen Einzelsprache auf der Folie des Tesniereschen Diathesenbegriffs transparenter werden. Gerade in dem Bereich, den Tesnieres Termini 'diathese raflechie', 'diathese reciproque' und 'diathese recessive' anvisieren, stößt man in den romanischen Einzelsprachen auf reflexivisch-pronominale Ausdrucksverfahren, deren Polyvalenz aus der traditionellen Grammatik zwar hinreichend bekannt ist,84 aber durchaus noch einer semasiologischen Differenzierung 85 bedarf.
1. Ludo MELIS zeigt in seinem Beitrag "Les tours pronominaux en fran£ais moderne", daß die Tesniereschen Kategorien keineswegs ausreichen, um die un8O
81
Vel. Welke 1988, 22-32; ferner hier die REICHER und THIELEMANN.
Vgl. Tesniere 1959, chap. 1OO-119.
82
Vgl. Karasch 1982.
83
Vgl. auch Busse 1974, 169.
84
Beiträge von WOTJAK, OESTER-
Grevisse,
OC
12
1986, § 749; kritisch
schon Tesniere
1959, chap.
115, §§ 11-16.
Diese Betrachtungsweise weicht grundlegend von Busses an Coseriu orientierter Einschätzung ab, nach der "reflexiv und reziprok C . . . 3 funktionell gesehen Manifestationen ein und derselben Konstruktionsbedeutung" sind, "die in anderen Kontexten als rein medial oder als passivisch interpretiert wird" (1974, 175).
27
terschiedlichen semantischen Werte reflexivischer Bildungen im Französischen, die ja keineswegs alle diathetisch-rezessiver Natur sind, vollständig zu erfassen. Er geht aus von einer Grundstruktur der Argumente bzw. Aktanten, die bei einem mindestens zweiwertigen Verb die Rollen 'Agens' für die eine und 'Patiens' flir die andere Leerstelle vorsieht (beim aktivischen Verb syntaktisch realisiert durch Subjekt und direktes Objekt). Das Erscheinen eines reflexivischen Klitikums in einer dieser Leerstellen oder einer weiteren Position wird nun in einem semasiologischen Zugriff daraufhin befragt, welche Besonderheiten der Interpretation es erzeugen kann. Für MELIS kristallisieren sich hier fünf Typen heraus: 86 (a) reflexivisches Klitikum in der Patiensstelle mit den Interpretationsmöglichkeiten 'Agens = Patiens' (echte Reflexivität: z.B. Jean se lave) oder 'pluralischer Agens und Patiens wechselseitig identisch' (Reziprozität: Us se donnent des cadeaux). (b)reflexivisches Klitikum in der Patiensstelle mit metonymischer Interpretation 'Kontiguität zwischen Patiens und Agens': z.B. Pierre se mouche. Dieser Fall war bei Tesniere nicht erfaßt. (c) reflexivisches Klitikum neben einem als Subjekt realisierten Patiens mit den Interpretationsmöglichkeiten 'Agens vorhanden, aber nicht spezifiziert/nicht spezifizierbar' (z.B. La question se discutera) oder 'unspezifizierte/nicht spezifizierbare Ursache statt Agens' (z.B. L'ätoffe se dechire). (d) reflexivisches Klitikum zusätzlich zur besetzten Agens- und Patiensstelle mit der Interpretation 'Patiens = Teil von Agens' (z.B. // se mord les doigts). Die Besonderheit dieses wie auch des folgenden Mechanismus' kann im Rahmen von Tesnieres Ansatz nicht gewürdigt werden. (e) reflexivisches Klitikum zusätzlich zur besetzten Agens- und Patiensstelle mit der Interpretation 'Agens zugleich Benefaktiv' (z.B. Elle s'enfile un pull). Melis versucht sogar, bestimmte Verben, die traditionell als 'verbes essentiellement pronominaux' eingestuft werden, an einzelne dieser Typen anzubinden. Es wird evident, daß sich die Gesamtheit der "reflexivischen" Konstruktionen keinesfalls auf den gemeinsamen Nenner 'Valenzreduktion' bringen läßt. Zugleich deutet sich an bestimmten Punkten die Relevanz informationsstruktureller Aspekte an (etwa: "actant patiens C...] thematise comme sujet" bei den Fällen unter (c)). 2. Bei Tesniere bewegt sich die Theorie der Diathesen noch ganz im Umkreis der syntaktischen (und allenfalls semantischen) Valenz. In den sechziger und siebziger Jahren vertiefte sich, nicht zuletzt durch Anregungen aus der Prager 86
Vgl. auch GeniuSiene 1987; Mells 199O.
28
Schule, die Einsicht in die Komplexität der Organisation des Satzes. Viele Linguisten (auch solche, die der Valenztheorie ferner stehen) gehen seitdem von mindestens drei Schichten der Satzstruktur aus:87 - syntaktische Ausdrucksstruktur - rollensemantische Struktur - Informationsstruktur (Thema/Rhema). Dies ist auch der Ausgangspunkt des Beitrags "Operativität von Prädikatskernen zwischen 'Proposition' und ' Diathesen" von Werner THIELEMANN. Er beschreibt Diathesen als Operationen, die es gestatten, die (rollen)semantische Struktur eines bestimmten Verbs durch syntaktische Mittel in informationsstruktureller Hinsicht unterschiedlich zu perspektivieren. Anhand französischer, portugiesischer und spanischer Beispiele illustriert er einschlägige Verfahren: Passiv, Benefizienten-Diathese (z.B. M. Bofill se voit conf'ier un important projetaa), reflexivische Bildungen (s.o. 1.), kausative Diathese mit fr. faire, pg. iäzer, sp. hacer u.a.; auch Ressourcen des Wortschatzes wie lexikalische Konversen und Kausativa werden angesprochen. Die Leistungen dieser Verfahren bestimmt THIELEMANN als: "Umkehrung" (lexikalische Konversen, Passiv, Benefizienten-Diathese), 89 "Ausblendung" (Agens beim Passiv, aber auch bei pronominalen Bildungen, jedoch mit Unterschieden) und "Anlagerung" von Aktanten (kausative Diathese und lexikalische Kausativa90. In der Anschließbarkeit einer semantisch orientierten Valenztheorie an Probleme der Informationsstruktur sieht THIELEMANN einen entscheidenden Vorteil dieses Ansatzes.91
3. Noch entschiedener in diese Richtung geht Wulf OESTERREICHER in seinem Beitrag "Verbvalenz und Informationsstruktur". Er interpretiert nämlich die verbspezifischen Konstellationen von Prädikat und semantischen Rollen 92 von vornherein im Sinne einer informationsstrukturell gewichteten, unmarkierten Grundkonfiguration, auf die alle Abwandlungen und Modifika87
88
Vgl. F. Danes 1964; Halllday 197O; Chafe 197O, 21O-233; Dik Koch 1981, 36-52.
1978, 13 f.;
Zukunftsweisend hier schon Stimm 1957; vgl. ferner Weinrich 1982, 139-141.
89
S.u. Anm. 95. 9O . auch Thielemann 1987, 3-44; ferner aus dem romanistischen Bereich noch: Busse 1974, 169-174; Weinrich 1982, 125-127; Schwarze 1988, 166-169. 91
Von einer ganz anderen Warte aus kommt Sornlcola (1986) zu dem Ergebnis, daß eine dependenzielle Beschreibung der Syntax besser auf die Beschreibung der Thema-Rhema-Gliederung abbildbar 1st als eine konstltuenziell angelegte Beschreibung.
92Verstanden als prototypische Größen; s.o.
Anm. 64.
29
tionen der Satzbedeutung notwendig bezogen bleiben. Auch für OESTERREICHER ist daher die Konzeption einer "geschichteten" Satzstruktur grundlegend. Er unterscheidet: - eine ausdrucksstrukturelle Ebene, die die morphosyntaktischen und intonatorischen Bezeichnungsmittel umfaßt; - eine semantisch-sachverhaltsdarstellende Ebene, die den propositionalen Gehalt eines Satzes betrifft, also das Prädikat und die Aktantenrollen, aber auch die Zirkumstantenrollen; - eine semantisch-kontextuelle Ebene, auf der die Informationsstruktur oder Thema-Rhema-Gliederung eines Satzes bestimmt wird, die sich in Abhängigkeit vom außersprachlichen und sprachlichen Kontext konstituiert. - Einen Sonderfall stellen sekundäre Modifikationen der Informationsstruktur dar (Kontrastierung); - eine semantisch-pragmatische Ebene, auf der es primär um die Sprechakte geht, die mit semantisch-kontextuell bestimmten Propositionen vollzogen werden. - Daneben ist aber eine optionale, ebenfalls pragmatisch fundierte, semantisch-expressive Komponente der Satzbedeutung anzusetzen (Emphase).93 Die mit Verblexemen gegebenen spezifischen Thema- bzw. Rhemahierarchien, also die genannten Grundkonfigurationen, führen auf der kontextuellen Ebene zu unmarkierten oder konformen bzw. zu markierten oder nicht-konformen Thematisierungen und Rhematlsierungen (z.B. sp. El experimento fracaso oder Salio el sol (konform) vs. Fracaso el experimento oder El sol salio (nicht-konform), Juan saco el libro de la mesa (konforme Rhematisierung) vs. Juan saco de la mesa el libro (nicht-konforme Rhematisierung), usw.). Die optionalen expressiven Inhaltswerte, die weder die Sachverhaltsdarstellung noch die kontextuell determinierte Informationsstruktur verändern, werden als Weiterthematisierungen und Weiterrhematisierungen gefaßt (z.B. fr. L'abeille, eile a pique mon doigt (Weiterthematisierung eines konformen Themas); sp. FRACASO el experimento und EL EXPERIMENTO fracaso (Weiterrhematisierung eines konformen und eines nicht-konformen Rhemas), usw.). OESTERREICHER fragt nun, wie diese verschiedenen Inhaltsaspekte der Satzbedeutung in einer Satzgestalt zum Ausdruck gebracht werden. In seiner semantisch zentrierten Sicht zeigt sich, daß eine Reihe von auf den
Insofern die Emphase zum 'plan du dit' gehört, unterscheidet sie sich von der Sprechaktkomponente als eines Bestandteils des 'plan du dire' im Sinne Moignets 1974, 9O-96. Innerhalb des 'dit' unterscheidet sie sich als nicht unmittelbar kontextuell bedingt auch deutlich von der semantisch-kontextuellen Ebene.
30 ersten Blick "disparaten", unverbundenen Phänomenen aus dem Umkreis der Verb- und Satzsyntax einheitlich perspektiviert werden kann: Passivkonstruktionen, reflexive und pseudoreflexive Konstruktionen 95 , Segmentierungserscheinungen und Cleftkonstruktionen, "verkürzte" Äußerungen und Satzfragmente, aber auch die Fakultativität von Aktanten 96 , werden nämlich eingesetzt zum Ausdruck der markierten Inhaltswerte bei nicht-konformen Thematisierungen und Rhematisierungen sowie bei Weiterthematisierungen und Weiterrhematisierungen, wobei diese Verfahren - bei allen Unterschieden - interessante Uberschneidungsbereiche aufweisen.
Beim Schreiben der Einleitung unterliegen Herausgeber von Sammelbänden vor allem zwei Gattungszwängen: einem heilsamen zur Systematisierung, einem fatalen zur Harmonisierung. Auch wenn die vorliegende Einleitung die Dynamik der Sektionsarbeit nicht widerspiegeln kann, so sei doch verraten, daß es, insbesondere bei der Schlußdiskussion, sehr lebhaft zuging. Und bei aufmerksamer Lektüre des Bandes werden die Divergenzen wohl auch nicht verborgen bleiben. Sie regen zum Weiterdenken an. Unsere Absicht war es eben, Verbindungen herzustellen, und dies letztlich doch auf einem gemeinsamen Fundament - daher:
CONNEXIONES ROMANICAE
Hier ergeben sich unmittelbare Anknüpfungspunkte, aber auch Unterschiede zu den Beiträgen von MELIS und THIELEMANN. Vgl. zu dieser Thematik auch schon neuere romanische Grammatiken wie Weinrich 1982, 136-139; Schwarze 1988, 159-166. 96
Vgl. in diachronischer Abschnitt 4.
Perspektive hierzu auch den
Beitrag von
KOCH,
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II. DEPENDENZGRAMMATIK UND NOEMATIK
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Klaus Heger (Heidelberg)
Vorn Stemma zum Aktantenmodell 0. Einleitung Der im folgenden unternommene Versuch, die im Titel genannten Phänomene in einer präziseren Weise als bislang zu erfassen, verdankt seine entscheidenden Anregungen der Beschäftigung mit Lucien Tesnieres. /nents de ayntaxe structuraJe. Unter Anregungen sind dabei nicht nur die neuen Gedankengänge zu verstehen, die wir von Tesniere Übernehmen - so vor allem die aus der Chemie stammende Metapher der Valenz oder Wertigkeit selbst und die Rolle, die der Kausativität bei ihrer Erklärung zukommt. Das gleiche g i l t vielmehr auch von denjenigen Problemen, bei deren Behandlung die kritische Auseinandersetzung mit Tesniere uns den Ausgangspunkt liefert. Zu ihnen gehören in erster Linie die Fragen, ob die Valenz als Ceinzelsprachliche] formale oder als begriffliche C= außereinzelsprachliche noematische] Kategorie zu verstehen ist, und wo die fUr ihre Beurteilung wichtige Grenze zwischen 'actant' und 'circonstant' zu ziehen ist. Auch in diesen und ähnlich gelagerten F ä l l e n stellen die vorliegenden Ausführungen eine Art Dialog mit dem posthum veröffentlichten Lebenswerk Lucien Tesnieres dar. (Heger 1966. 139)
Mit diesen Worten - an denen ich heute lediglich die präzisierenden Umwandlungen von 'formal' in 'einzelsprachlich formal' und von 'begrifflich' in 'außereinzelsprachlich noematisch' anzubringen habe - habe ich vor rund 25 Jahren einen Aufsatz eingeleitet, der am Anfang des Weges gestanden hat, der zur Entwicklung des für den Übergang von den lexikalischen zu den propositionalen Rängen der von mir vorgeschlagenen Signemrang-Hierarchie entscheidenden Darstellungsmittels führen sollte: als Aktantenmodell hat eine Neuformulierung der damals in Heger 1966 vorgelegten Überlegungen zur Valenz, Diathese und Kasus in die weiteren Stationen dieses Weges (vgl. Heger 1971, 2; Heger 1976, 2; Heger/Mudersbach 1984, 11; Heger 1985) Eingang gefunden. Von dieser Neuformulierung ebenso wie von weiteren im Verlauf dieses Weges hinzugekommenen Präzisierungen unbeeinträchtigt gilt weiterhin das vor 25 Jahren Gesagte insofern, als - einerseits die beiden Fragen nach dem einzelsprachlichen oder außereinzelsprachlichen Charakter der Valenz und anderer Kategorien und nach der Abgrenzung zwischen 'actant' und 'circonstant' mich heute nicht weniger als vor 25 Jahren grundsätzlich von den Stemmata Lucien Tesnieres abweichen lassen, und - andererseits ich auch heute nicht zögere, in sehr vielen Komponenten des Aktantenmodells ein unmittelbares oder mittelbares Nachwirken der in Lucien Tesnieres Lebenswerk - das seinerseits im gleichzeitigen fruchtbaren Kontakt mit der Prager und den französischen Schulen des europäischen Strukturalismus entstanden ist - entwickelten Gedanken, die mir vor
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25 Jahren die entscheidenden Anregungen gegeben haben, dankbar anzuerkennen.
1. Divergenzen 1.1. Einzelsprachlichkeit oder Außereinzelsprachlichkeit Die Frage, ob das, was Lucien Tesnieres Stemmata darstellen, einzelsprachlich gebundene oder außereinzelsprachliche Kategorien sind, ist nicht etwa ein von außen herangetragener und Tesnieres eigene Zielsetzung vernachlässigender Ausgangspunkt billiger Kritik, sondern ergibt sich vielmehr sowohl aus eben seiner Zielsetzung, zum Aufbau des "futur edifice de la syntaxe structurale" beizutragen - und wesentlich mehr als "sä modeste pierre" beigetragen zu haben (Tesniere 1959, 278.151) - , als auch aus den Nutzanwendungen der Stemmata auf verschiedene Sprachen, wie sie sich ebenso wie in den Elements de syntaxe structurale auch schon 25 Jahre zuvor in der seine Petite grammaire russe (Tesniere 1934) abschließenden Syntaxe dynamique finden. Wenn die Stemmata eine Abbildung unterschiedlicher Einzelsprachen sollen ermöglichen können, dann muß das von ihnen Dargestellte den Anspruch erheben können, als tertium comparationis im Sprachvergleich geeignet zu sein; dann aber ist auch nicht nur die Frage nach der Legitimierung dieses Anspruchs berechtigt, sondern darüberhinaus gegebenenfalls auch der Versuch, diese Legitimierung Überall dort nachzutragen, wo sie eventuell fehlen sollte. Ein solches Fehlen schien und scheint mir liberal! dort vorzuliegen, wo die Stemmata und das durch sie Dargestellte gar zu deutlich ihre Abhängigheit von einer oder einigen bestimmten Einzelsprache(n) erkennen lassen. Daß auch dieser Beobachtung noch von Tesniere selbst kaum widersprochen worden wäre, zeigt das Schlußkapitel der Elements de syntaxe structurale (vgl. Tesniere 1959, 278) in eindrucksvoller Deutlichkeit. Es lag somit nicht nur im Interesse einer Integration in die von mir angestrebte SignemrangHierarchie, sondern entsprach meines Erachtens auch Tesnieres eigener Intention, wenn ich den Versuch unternommen habe, das von den Stemmata Dargestellte und Darzustellende ausschließlich als noematische, d.h. als außereinzelsprachliche Kategorien zu definieren.
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Auf die betreffenden Stellen in den Elements de syntaxe structurale wird mit der Nummer des Kapitels und - falls erforderlich - des zugehörigen Paragraphen verwiesen.
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1.2. Wortarten Der Punkt, an dem ein Fehlen nicht nur einer Legitimierung, sondern Überhaupt der Legitimierbarkeit des Anspruchs der Stemmata, als tertium comparationis im Sprachvergleich geeignet zu sein, besonders deutlich sichtbar wird, scheint mir ihre Bezugsetzung auf die sogenannten Wortarten zu sein. Auch hier hat schon Lucien Tesniere selbst den richtigen Weg gewiesen, Widerspriiche oder Schwierigkeiten entstanden. Trotzdem läßt sich kaum leugnen, daß es sich auch bei diesen vier letztlich nur um Relikte einer griechisch-lateinisch bestimmten Grammatik-Tradition handelt. Daß eine Unterscheidung zwischen Verb und Adjektiv auf viele Sprachen nicht mehr sinnvoll anwendbar ist, hat auch Tesniere verschiedentlich gesehen; und schon für das Deutsche ließe sich die Frage stellen, ob nicht der wortart-internen Unterscheidung zwischen attributivem und prädikativem Adjektiv der Vorrang vor der angeblich wortarten-konstitutiven Unterscheidung zwischen letzterem und Adverb der Vorrang einzuräumen ist. Es war daher naheliegend, bei der außereinzelsprachlichen Definition des von den Stemmata beziehungsweise von dem aus ihnen entwickelten Aktantenmodell Darzustellenden auf jegliche Bezugnahme auf wie auch immer definierte oder tradierte Wortarten zu verzichten und sie durch die Bezugnahme auf die Gegenüberstellung von identifizierbaren Eigenschaftsträgern (= 'Aktanten') und spezifizierbaren Eigenschaften (= 'Relatoren') (vgl. unten 2.1.) zu ersetzen. Daß dieser Verzicht auf als noematisch eingestufte Wortarten keineswegs den Verzicht auf ein Operieren mit je einzelsprach-spezifischen Wortarten, ja nicht einmal den Verzicht auf die Frage, ob eine an einer Einzelsprache beobachtete und wohldefinierte Wortartenopposition auch auf eine bestimmte andere Einzelsprache mit Nutzen übertragen werden kann, impliziert, glaube ich inzwischen hinreichend deutlich gemacht zu haben, (vgl. Heger 1985, bes. 3.5.1.)
1.3. 'actant' und 'circonstant' Die zweite einleitend aufgegriffene Frage nach der Abgrenzung von 'actant' und 'circonstant' ist seit dem Erscheinen der Elements de synta\e structurale so hinreichend oft gestellt und so hinreichend widersprüchlich beantwortet worden, daß sich eine neuerliche Begründung für sie hier erübrigen würde, wenn Tesnieres Dreizahl von 'actants' nicht eine besondere grammatik-historische Delikatesse enthielte. Daß diese Dreizahl nicht ganz frei von der Erinnerung an die aus der lateinischen Grammatik bekannte Unterscheidung von Subjekt, Akkusativ-Objekt und Dativ-Objekt ist, ist leicht zu er-
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kennen. Wenn aber schon lateinisch, warum gibt es dann keinen vierten 'actant', der - beispielsweise als sogenannte 'Täterangabe beim Passiv* - dem Ablativ des Lateinischen entspräche? Vermutlich wohl nur deshalb, weil die viel beschworene lateinische Grammatik in Wirklichkeit gar nicht lateinisch, sondern eine dem Latein Übergestülpte griechische Grammatik ist und es im Griechischen keinen Ablativ gab. Zu meinen bislang eher nebenbei entstandenen Beobachtungen zu diesem Thema (vgl. Heger 1976, 129-132; Heger 1985, 88-92) ist zur Zeit eine Präzisierung in Vorbereitung (vgl. inzwischen Heger 1990), deren Ziel es ist zu zeigen, daß die Unterscheidung von 'actant' und 'circonstant' - erstens von dem abhängt, was eine semasiologische Analyse dem Semem einer je einzelsprachlichen - und in den uns geläufigen Sprachen: vorzugsweise, aber nicht ausschließlich, verbalen - Vokabel zuordnet, - zweitens nicht auf einer binären Opposition, sondern auf einem beliebig unterteilbaren Kontinuum beruht, das von dem "inkorporierten" Aktanten (wie z.B. dem "inkorporierten" Aktanten in Instrumental-Funktion in dt. erdolchen) bis zu einem Aktanten reicht, der nur mehr Über die transferierte Assertion (vgl. Heger 1985, 50), die von einem übergeordneten Gliedsatz auf das gesamte diesen Gliedsatz enthaltende Satzgefüge Übertragen ist, mit dem Prädikat dieses übergeordneten Gliedsatzes verbunden ist (wie z.B. Karl in Der Hans ist aufgewacht, weil der Karl die Tür geöffnet hatte in Relation zu ist aufgewacht), und - drittens nur partiell und indirekt mit der oft mit ihr vermengten Frage nach dem obligatorischen oder fakultativen Charakter der entsprechenden Aktantenbezeichnung zusammenhängt. Das einzige unter diesen Voraussetzungen verbleibende Kriterium für eine wenigstens noch partiell mit den herkömmlichen Zuordnungen übereinstimmende Gegenüberstellung von 'actant' und 'circonstant' läßt sich aus dem von Tesniere (vgl. Tesniere 1959, 97.4) angedeuteten Zusammenhang zwischen Valenz und Diathese gewinnen: die je einzelsprachliche Bezeichnung der Aktantenfunktion ist beim 'actant' diathesen-abhängig, beim 'circonstant' hingegen diathesen-unabhängig (vgl. auch Heger 1985, bes. 2.3.S. und 2.6.2.). So wertvoll dieses Kriterium für semasiologische Analysen einzelsprachlicher Gegebenheiten sein mag, so wenig scheint es mir innerhalb eines noematischen tertium comparationis am Platz zu sein; ich ziehe es daher vor, weiterhin ohne Unterschied von Aktanten zu sprechen, die gegebenenfalls in solche mit 'acta/it'-Status und solche mit 'circonstant'-Status unterteilt werden können.
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2. Übereinstimmungen 2.1. 'connexion' Eine grundlegende Übereinstimmung zwischen Stemma und Aktantenmodell besteht hinsichtlich der in Tesniere (1959, 1.5.) enthaltenen Bestimmung des einfachsten Satzes als eines nicht zwei-, sondern dreielementigen Gebildes: die dort am einzelsprachlichen Beispiel des französischen Satzes Alfred parle vorgenommene Dreiteilung in den 'actant' Alfred, den 'noeud verbal' parle und die 'connexion', die die beiden anderen erst zum Satz vereint, ist in die noematische Definition des Aktantenmodell s in Form von dessen drei Grundkomponenten 'Aktanf (A), 'Relator' (R) und Trädikator1 (P) (Heger/Mudersbach 1984, 2.2. sowie oben 1.2.) Übernommen worden. Die in dieser Form vielleicht reichlich abstrakt erscheinende Gleichsetzung der zwei Dreiteilungen wird in dem Moment augenfällig, in dem je einzelsprachliche Gegebenheiten auf das Aktantenmodell abgebildet werden; so lassen beispielsweise die in Heger 1985, 2.6.1. zur Illustration der Abbildung von Sememen finiter verbaler Flexionsformen des Deutschen benutzten Modelle deutlich die Parallelen erkennen, die - zwischen 'actants' und/oder 'circonstants' einerseits und Aktanten (A) andererseits, - zwischen dem semantischen Inhalt des 'noeud verbal' einerseits und dem (den) im Semem der verbalen Flexionsform enthaltenen Relator(en) (R) andererseits, und - zwischen der die Uberordnung des 'noeud verbal' begründenden 'connexion einerseits und dem (den) ebenfalls in dem Semem der verbalen Flexionsform enthaltenen Prädikator(en) (P) und/oder aus ihm (ihnen) entwikkelten Funktor(en), der (die) überdies die Aktantenfunktion des (der) jeweiligen Aktanten festlegt (festlegen), andererseits bestehen. Auf die verbleibenden Arten von 'connexion im Fall der Verbindung zwischen 'noeud verbal' und 'adverbe' sowie aller nicht-verbalen 'nosuds' wird im Zusammenhang der 'translation (vgl. unten 2.4.) zurückzukommen sein.
2.2. Kausativität Nicht zufällig war in den eingangs zitierten Worten schon vor 25 Jahren den Anregungen, die ich aus der Darstellung der 'diathäse causative' in Tesniere (1959, 107 ff.) gewonnen habe, ein besonderer Platz eingeräumt. Obschon ich heute ausschließlich von der dank den von Klaus Mudersbach beigesteuerten Präzisierungen verbesserten Fassung (vgl. Heger/Mudersbach 1984, 2.6.4.)
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ausgehe und mir keineswegs manche Schwächen meiner älteren Äußerungen zu dem mit Kausal- und Final-Funktion verbundenen Themenbereich verberge, so waren es eben doch von Anfang an in besonderem Ausmaß jene Anregungen gewesen, die mich immer wieder zu einer Weiterführung der von Lucien Tesniere vorgelegten Analysen eingeladen haben. An prominenter Stelle stand dabei die erstmals in Heger (1966, 1.2.2.) vorgeschlagene Überlegung, daß dann, wenn die Einführung des an der nicht-spezifizierten Ursache eines Vorgangs V beteiligten Aktanten so nützlich ist, wie es Lucien Tesniere an der angegebenen Stelle gezeigt hat, es auch lohnend sein müßte, umgekehrt nach dem Nutzen der Einführung eines an der nicht-spezifizierten Wirkung eines Vorgangs V beteiligten Aktanten zu fragen. Alles, was sich bei der Suche nach Antworten auf diese Frage ergeben hat - von der Gegenüberstellung von Kausal- und Final-Funktion sowie parallel dazu Instrumentalund Telos-Funktion zu der auf die erstere bezogenen Definierbarkeit einer Unterteilung 'transitiver' Verben in kausative einerseits und die altbekannten 'verba sentiendj sive possessions' andererseits, zu deren Nutzbarmachung in einem umfassenden Sprachvergleich (vgl. Heger 1983/85) und zu manchem anderen mehr -, ist somit als ein Weiterwirken der von Tesniere empfangenen Anregungen einzustufen.
2.3. 'jonctlon' Daß die von Tesniere (1959, 134-150) in das Stemma eingeführte 'jonction in Form der Junktion in das Aktantenmodell Eingang gefunden hat, ist schon in der Terminologie und bis in notationelle Einzelheiten so augenfällig, daß es hier keiner eigenen Vertiefung bedarf, (vgl. Heger 1976, 4.2.9.; Heger/Mudersbach 1984, 2.3.) Gewiß hat die Einbeziehung aller sechzehn Junktoren manche zusätzliche Darstellungsmöglichkeit eröffnet, die über das in den genannten Kapiteln der Elements de syntaxe structurale Enthaltene hinausgeht; aber auch hierbei handelte es sich lediglich um ein Weiterschreiten auf dem von Lucien Tesniere eröffneten Weg.
2.4. 'translation' Wesentlich mehr als zur 'jonction ist zur 'translation zu sagen, auf die schon oben abschließend zu 2.1. verwiesen wurde. Für Lucien Tesniere hatten die 'translations du premier degre' die Aufgabe, Wortarten-gebundene Elemente so zu verändern, daß sie in der Funktion einer anderen als ihrer eigenen Wortart in ein Stemma integriert werden können, und die 'translation du
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second degre' eine analoge Aufgabe für den in ein ihm übergeordnetes Stemma zu integrierenden 'naeud verbal' selbst. Da es sich somit um wortartenspezifische Aufgaben handelt, könnte die Frage naheliegen, ob es sich dann auf Grund des oben in 1.2. Gesagten nicht erübrigt, nach einem Analogon der 'translation' im Aktantenmodell zu fragen. Diese Frage ist jedoch sehr leicht zu verneinen, denn zwar ist die Art und Weise, wie bestimmte Probleme in der 'translation' behandelt werden, an Wortarten gebunden, die von Tesniere in ihr behandelten Probleme hingegen sind es keineswegs. Gewiß könnten Stichworte wie 'infinitif ' (Tesniere 1959, 180), 'participe (Tesniere 1959, 198) oder 'gerondif ' (Tesniere 1959, 206) auch hier noch den Eindruck erwecken, als ginge es ausschließlich um altbekannte Schwierigkeiten, die aus der Heterogeneität traditioneller Wortart-Bestimmungen resultieren. Spätestens bei dem Stichwort 'subordination (Tesniere 1959, 164 u. 239) dürfte jedoch klar sein, daß es um wesentlich mehr geht und daß die von Tesniere unter diesen Stichworten behandelten Probleme auch von dem Aktantenmodell müssen dargestellt werden können - gleichviel wie. Auch die scheinbar schwierigere Frage, wie ich aus Tesnieres Vorbild nützliche Anregungen für dieses 'gleichviel wie' beziehen wollte, war nicht so schwer zu beantworten: da Tesniere nicht zufällig eine Art Hierarchie zwischen der einfacheren 'translation du premier degre' und der komplexeren 'translation du second degre' etabliert hatte, brauchte ich den von ihm eingeschlagenen Weg nur in umgekehrter Richtung zu durchlaufen, um zu nützlichen Resultaten zu gelangen. Am Beginn meines Weges hatten somit die drei von ihm unterschiedenen Arten der 'translation du second degre' zu stehen: (1) Die 'translation du second degre', die einen 'nosud verbal' in der Funktion eines 'substantif erscheinen läßt, fuhrt zur 'proposition actancielle', die den 'Subjektsätzen* und Objektsätzen' der traditionellen Grammatik entspricht, (vgl. Tesniere 1959, 241.6-12) Ihr Äquivalent im Aktantenmodell ist die linksrekursive Einsetzung des Prädikators oder ihn enthaltenden Funktors (vgl. Heger/Mudersbach 1984, 2.2.1. u. 2.2.3.). (2) Die 'translation du second degre', die einen 'nosud verbal' in der Funktion eines 'adjectif erscheinen läßt, führt zur 'subordonnee adjective', die dem 'Relativsatz' der traditionellen Grammatik entspricht, (vgl. Tesniere 1959, 245-246) Ihr Äquivalent im Aktantenmodell ist die rechtsrekursive Einsetzung des Prädikators oder ihn enthaltenden Funktors (vgl. Heger/Mudersbach 1984, 2.2.1. u. 2.4.). (3) Die 'translation du second degre', die einen 'nosud verbal' in der Funktion eines 'adverbe' erscheinen läßt, führt zur 'proposition circonstancielle', die dem 'Umstandssatz* der traditionellen Grammatik entspricht, (vgl.
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Tesniere 1959, 254) Da sich die 'proposition circonstancielle' zur 'proposition actancielle' genau so verhält wie der 'actant' zum 'circonstant' (vgl. Tesniere 1959, 241.13), besteht nach dem oben in 1.3. Gesagten auch kein Anlaß, sie im Aktantenmodell anders als durch die auch flir die 'translation du second degre', die zur 'proposition actancielle' führt, vorgesehene linksrekursive Einsetzung des Prädikators oder ihn enthaltenden Funktors (vgl. oben (D) wiederzugeben. Die durch die beiden Techniken der linksrekursiven und der rechtsrekursiven Einsetzung des Prädikators oder ihn enthaltenden Funktors eröffneten Möglichkeiten gewährleisten somit, daß das Aktantenmodell über gleichwertige Darstellungsmittel flir die von Tesniere mit Hilfe der 'translation du second degre' dargestellten Phänomene verfügt. Darliberhinaus aber sind sie dank der Tatsache, daß die 'translation du premier degre' und erst recht die bislang nicht berücksichtigten (vgl. oben 2.1.) 'connexions' zwischen 'nosud verbal' und 'adverbe' und zwischen 'substantif und 'adjectif jederzeit in die komplexere Notation der 'proposition actancielle', der 'subordonnee adjective' oder der 'proposition circonstancielle' übersetzt werden können, gleichzeitig auch äquivalente Darstellungsmittel für die von Tesniere mit Hilfe dieser Stemma-Notationen dargestellten Phänomene. Der mit einer solchen Übersetzung in eine komplexere Notation notwendig verbundene Verlust an Ökonomie wäre für ein Modell, das je einzelsprachliche Gegebenheiten so strukturgetreu wie möglich abzubilden bestrebt ist, gewiß ein Nachteil; für das noematische Aktantenmodell hingegen ist dieser Verlust nicht nur kein ernstzunehmender Nachteil, sondern dank der mit ihm verbundenen größeren Explizitheit sogar ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Wie diese expliziten Darstellungen in konkreten Fällen auszusehen haben, kann und braucht hier nicht im einzelnen vorgeführt werden; für die meisten der von Tesniere als 'translations du premier degre' behandelten Fälle kann auf die in Heger 1985, 3.2.-3.4. in Aktantenmodell-Notation vorgeführten Beispiele verwiesen werden.
49 3. Conclusio Abschließend sei mir ein weiteres Selbstzitat gestattet. In einer Würdigung der Axiomatik der Sprachwissenschaften und der Sprachtheorie Karl Bühlers habe ich vor fünf Jahren geschrieben: BUhlers spezifischem 'Wortsatzverhältnis' entspricht Cin der von mir vorgeschlagenen Signemrang-Hierarchie] der Übergang von den ohne zu den nur mehr mit Hilfe des Aktantenmodells darstellbaren Signemrängen, und es ist nur natürlich, daß ich gerade in diesem Zusammenhang unter anderem auf eben dieselben Kasusprobleme gestoßen bin, die er in § 15 der 'Sprachtheorie' als 'Beispiel eines Feldgerätes' ausfuhrlich behandelt. An dieser Stelle allerdings mUßte in meiner Rechenschaftslegung ein neues Kapitel beginnen, das dann nicht mehr Karl BUhler, sondern einem anderen bedeutenden Toten zu widmen wäre: Lucien Tesniere. (Heger 1984, 115)
Dieses Kapitel nachzuliefern, war nicht das unbedeutendste Ziel des vorliegenden Beitrags.
Bibliographie Heger, Kl. (1966): "Valenz, Diathese und Kasus", in: ZRPh 82, 138-170. (1971): Monem, Wort und Satz, Tübingen. - (21976): Monem, Wort, Satz und Text, Tübingen. - (1983): "Akkusativische, ergativische und aktivische Bezeichnung von Aktantenfunktionen", in: Arbeiten des Kölner Universalien-Projekts 54, Köln; auch in: F. Plank (Hrsg.), Relational Typology, Berlin usw. 1985, 109-129. - (1984): "'Zeigfeld' und 'Symbolfeld'", in: C. Fr. Graumann/Th. Herrmann (Hrsg.), Karl Bühlers Axiomatik - Fünfzig Jahre Axiomatik der Sprachwissenschaften, Frankfurt, 105-116. - (1985): Flexionsformen, Vokabeln und Wortarten, Heidelberg (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Jahrgang 1985, 1). - (1990): "Überlegungen zur Gegenüberstellung von 'Actant* und 'Circonstant'", in: R. Liver/I. Werlen/P. Wunderli (Hrsg.), Sprachtheorie und Theorie der Sprachwissenschaft - Geschichte und Perspektiven. Festschrift fUr Rudolf Engler zum 60. Geburtstag, Tübingen (TBL, 355), 118-133. - /Mudersbach, Kl. (1984): Aktantenmodelle - Aufgabenstellung und Aufbauregeln, Heidelberg (Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Jahrgang 1984, 4). Tesniere, L. (1934): Petite grammaire russe, Paris. - (1959): ilements de syntaxe structurale, Paris.
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III. TRANSLATION
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S3
Thomas Lambertz (Nürnberg)
Kritische Anmerkungen zu Tesnieres Translationstheorie* 0. Einleitung In der Rezeptionsgeschichte des Tesniereschen Syntaxmodells stießen die Dependenz und die Valenz auf ein breites Interesse, weil sie nach Belieben in andere Modelle und Konzepte integrierbar sind. Da dies auf die Translation nicht zutrifft, wurde sie bisher eher stiefmütterlich behandelt. Dabei ist letztere eine für Tesnieres Modell unverzichtbare Komponente; denn sprachliche Äußerungen ohne Translation sind nur in ziemlich einfachen Strukturen möglich, wie z.B.: (1) Mon vieil ami chante tres souvent cette fort jolie chanson (STEMMA 1).
chante
—-- souvent rnon
vieil
cette
jolie
l
tres
fort STEMMA l Dies ist darauf zurUckzuflihren, daß Tesniere die sprachlichen Einheiten, zwischen denen er Abhängigkeitsbeziehungen ('rapports de dependence bzw. 'connexions structurales', ESS 2 , 1 l ) annimmt, in vier Arten von "Vollwörtern" Cespeces de mots pleins', ESS 32,21) einteilt, ohne diese jedoch genau zu definieren 2 , jede dieser vier "Wortarten" als für eine bestimmte syntaktische
*FUr die Erstellung dieses Beitrags verdanke ich viele wertvolle Hinweise den Diskussionen mit Friedrich Heberlein (Eichstätt). Auf die betreffenden Stellen in den Elements de syntaxe structural^ wird durch ESS + Nummer des Kapitels und - f a l l s erforderlich - des (brw. der) dazugehörigen Paragraphen verwiesen. 2
Zu diesem Manko vgl. Vergote I960, 484-486; Klein 1971, 28 f f . , Baum 1976, 62, 73, 77 f., 84 f.; Holtus 1979, 83; 198O, 132 f.
73, 78;
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Funktion primär zuständig ansieht3 und eine Hierarchie der "Wortarten" bzw. der ihnen entsprechenden syntaktischen Funktionen ansetzt. Das Basisstemma, das diese Hierarchie ausdruckt und zugleich den Schlüssel flir den Bau der einzelnen Sätze liefert, hat folgende Gestalt (STEMMA 2): (Verb) 0 (Substantiv)
E (Adverb)
l l
A (Adjektiv)
E (Adverb)
E (Adverb) E (Adverb)
STEMMA 2 Während ein Satz wie (1) nach dem Basisstemma unmittelbar analysierbar ist, ist flir die Beschreibung komplexerer Strukturen die Translation erforderlich.
1.
Auseinandersetzung mit der theoretischen Fundierung des Tesniereschen Translationsbegriffes 1.1. Ambiguität des Translationsbegriffes 1.1.1. Nach Tesniere (ESS 152,1) ist Translation die Überfuhrung eines Lexems Cmot plein') aus einer 'cat gorie grammatical^ in eine andere 'categorie grammatical^. Er erläutert dies an folgendem Beispiel (ESS 152,2): in der Verbindung (2) le llvre de Pierre
werde das Substantiv (O) Pierre in das Adjektiv de Pierre verwandelt (O>A), weil de Pierre in (2) syntaktisch ein Adjektiv sei wie rouge in (3) le livre rouge,
obwohl Pierre morphologisch ebenso ein Substantiv sei wie rouge ein Adjektiv. Unter 'morphologisch' versteht Tesniere hier offenbar die Zugehörigkeit einer sprachlichen Einheit zu einer der vier von ihm als 'mots pleins be3
Ähnlich verfahren Bally 196S, § 176 u. Kury4owicz 1936, 8O, 82, 87. Zu einer nach Prototypen organisierten Grammatik vgl. Givon 1984, 12-23.
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zeichneten Formenklassen4 Substantiv (O), Adjektiv (A), Verb (I), Adverb (E); in diesem Sinn bedeutet 'categoric grammaticale' 'Formenklasse'. Unter 'syntaktisch* versteht Tesniere in seiner 'syntaxe structurale primär die Position, die ein Lexem im Stemma als der Repräsentation der der gesprochenen Kette Cordre lineaire': ESS 5,8) zugrundeliegenden strukturellen Ordnung Cordre structuraf: ESS 4,1-3) einnimmt; in diesem Sinn bedeutet 'categoric grammaticale' 'Klasse aller Lexeme mit der gleichen strukturellen Funktion', kurz 'Funktionsklasse'. Da in Tesnieres Modell jedes Lexem durch die Zugehörigkeit zu seiner Formenklasse zugleich eine strukturelle Funktion hat, liegt eine Translation dann vor, wenn ein Lexem in der strukturellen Funktion von Lexemen einer anderen Formenklasse, d.h. in derjenigen eines anderen archetypischen Lexems auftritt. Dies ist in (2) der Fall: Pierre wird aus der seiner Formenklasse (Substantiv) im Basisstemma (STEMMA 2) zugewiesenen strukturellen Funktion 'actant' (Verbdependens) in die der Formenklasse Adjektiv zugewiesene strukturelle Funktion 'epithote' (Substantivdependens) überführt. Während rouge ein (genuines) Adjektiv ist, fungiert de Pierre in (2) als Adjektiv bzw. ist ein "Adjektiv". Die strukturelle Gleichwertigkeit von de Pierre in (2) und rouge in (3) hinsichtlich ihrer "oberen" Beziehungen, d.h. ihrer Beziehungen zum strukturell Übergeordneten Term, kann mit Hilfe des Deletionstestes aufgezeigt werden: (2a)
Le livre de Pierre est sur la table. de Pierre est sur la table.
E (markiert durch -ant) sein. Daß Tesniere die -ant-Form in (S) zunächst als I>A auffaßt, liegt wieder daran, daß ihm ein anderer syntaktischer Kontext vorschwebt, nämlich das 'participe present' als Substantivdependens wie in (6) un livre racontant la mythologie aux enfants.
(ESS 198,22)
Tesniere (ESS 224,9-13) betrachtet sogar das 'gerondif ' als Ergebnis einer I>A>E-Translation (wobei -ant = t von I>A und en = t von A > E 19), obwohl es - im Unterschied zum 'participe present' - niemals 'epithete' sein kann und die direkte Translation I>E durch das diskontinuierliche Translativ en ... -ant eindeutig markiert ist20. Offenbar ordnet Tesniere jeder (unveränderlichen) -ant-Form prinzipiell die Translation I>A zu, weil er das 'participe present' (und das Partizip überhaupt) flir den Prototyp der deverbal-adjektivischen Translation 1. Grades hält (vgl. ESS 198,2).
2.3. Die Pseudotranslation wird auf die Spitze getrieben dort, wo Tesniere Syntagmen als Resultat einer mehrfachen deverbalen Translation (1. Grades) darstellt, in denen weder ein Funktionsklassen- noch ein Formenklassenwechsel stattfindet, nämlich die zusammengesetzten Tempora, z.B. (Albert vient) de partir. !>0>E, wobei t von I>0 = -ir und t von 0>E = de (ESS 223,4), (Albert) va (bientot) partir. !>0>I, wobei t von 0>I = va (ESS 225,6), (Albert) est part/: I>A>I, wobei t von A>I = est (ESS 225,1l).21
3. Unterschiedliche Berücksichtigung des 'plan semantique' bei der Darstellung von Translationen 3.1. Tesniere ordnet dem Ausdruck avant le mariage in (7) la solitude d'avant le mariage
(worin d'avant le manage: 0>E>A, wobei t von 0>E = avant und t von E>A = d') die Translation 0>E zu (vgl. ESS 229,11). Dies ist nur nachvollziehbar, Tesniere (ESS 224,11) setzt die Translation A>E beim 'garondif ' in Analogie zu der von noir (A) zu en noir (E) in £tre hablll* 0/1 noir (ESS 222,9), Übersieht dabei aber, daß er fUr en noir die Über das Zwischenglied O verlaufende Translation A ( » O > E (wobei en = t von O>E!) angesetzt hat. Mit einem diskontinuierlichen Translativ operiert Tesniere selbst bei der 'translation attänuoe', z.B. lat. cum ... -o als t von O>E in cum amico (ambulare): ESS 168, speziell 168,5-8. 21
Zur Kritik an diesen Translationen vgl. Lambertz 1982, 2O8.
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wenn man annimmt, daß Tesniere in der strukturellen Ordnung ein - in der "Oberflächenstruktur" nicht erscheinendes - Verb (I) ansetzt, dem avant le manage als 0>E-'circonstant', und zwar als 'adverbe de temps' (E temp ), subordiniert ist; andernfalls wäre die Translation 0>E hier ebenso willkürlich wie die Translation 0>A für de gloire in (4) (s. 2.1.). Dem Ausdruck d'avant Je manage in (7) entspräche dann strukturell ein attributiver Relativsatz, dessen oberstes Regens (bzw. strukturelles Zentrum) aus einer deverbal-adjektivischen Translation 2. Grades (I»A) resultiert22, z.B. (7a) la solitude qui regne avant le mariage.
Damit entspräche der Gruppe 'Relativpronomen + Verb' (qui regne) in (7a) strukturell in (7) das Morphem d' als t von E>A. 23 Nun ordnet Tesniere (ESS 220, speziell 220,11-13) die zweifache, über das Zwischenglied E verlaufende desubstantivisch-adjektivische Translation auch dem Ausdruck vor Reims in (8) zu: (8) die Schlacht vor Reims,
worin vor Reims: 0>E(>)A, wobei t von 0>E = vor. Die Relativsatzparaphrase für (8) (8a) die Schlacht, die vor Reims stattfindet
(worin vor Reims: 0>E-'adverbe de Heu' = 0>E lok (vgl. ESS 201,4)) zeigt, daß dem Präpositionalausdruck vor Reims in (8a) der Präpositionalausdruck avant le mariage in (7a) entspricht und daß wie avant in (7a) die Translation 0>E temp , so vor in (8a) die Translation 0>Ei 0 fc markiert. Folglich ist vor Reims in (8) ebenso ein 'adjectif circonstanciel (de lieu)' wie d'avant le mariage in (7) ein 'adjectif circonstanciel (de temps)'. Aber während der Gruppe qui regne in (7a) in (7) ein Morphem entspricht - nämlich das d' -, entspricht der Gruppe die stattfindet in (8a) in (8) kein Morphem; daher die nullmarkierte zweite Translation in Tesnieres Formel 0>E (lok )(>)A für vor Reims in (8), Tesniere setzt also für den strukturell als Substantivdependens (A) fungierenden Präpositionalausdruck in die Schlacht vor Reims eine zweifache Translation an, um seiner semantischen Funktion ('circonstanciel': E) in der Zum Relativsatz in Tesnieres Modell vgl. ESS 245 ff., insbesondere 246,4-17; v g l . Lambertz 1982, 434 ff. - Das Symbol fUr Translation 2. Grades ist » bzw. im Stemma ein T mit doppeltem Querbalken. (Bei dem einfachen Querbalken an der zitierten Stelle (ESS, S. 561) handelt es sich um einen Druckfehler.) Tesnieres Denkweise in diesem Punkt läßt sich wohl illustrieren durch Bally (1965, § 162; vgl. S. 124, Anm. 1): "... tout ligament grammatical d'un sy n tag me deriv£ de la phrase se laisse ramener a un verbe. 'La maison de mon pere' est une maison qui apparUent a mon pere, et rappeile la phrase 'Cette maison appartient a mon pere'; le rapport d'appartenance est contenu implicitement dans de = 'qui appartient a'; de est un lien verbal, un ligament, echangeable avec une copule (appartenir, Stre ä), et qui relie le determinant au determine."
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Translationsformel Rechnung zu tragen, obwohl von den in dieser Formel enthaltenen Translationen eine - und zwar die zweite - morphologisch nicht markiert ist. Andererseits erklärt Tesniere (ESS 167,5; 167,8), de Paris in (9) le train de Paris
resultiere aus der (einfachen!) Translation 0>A und sei ein 'adjectif de rapport circonstancieJ'. Damit ordnet er de Paris in (9) den gleichen strukturellen und semantischen Status zu wie vor Reims in (8), bringt aber die semantische Funktion 'circonstanciel' in der Formel 0>A für de Paris in (9) nicht zum Ausdruck. Daß er de Paris in (9) als 'circonstanciel' bezeichnet, läßt darauf schließen, daß er diesen Präpositionalausdruck - ebenso wie vor Reims in (8) - in der strukturellen Ordnung einem Verb als Lokal-"Adverb" subordiniert. Die diese "Tiefenstruktur" repräsentierende(n) Relativsatzparaphrase(n) deutet er selbst an (ESS 151,9-10; 167,13): (9a)
le train qui va ä Paris,
worin ä Paris·. 0>E lok> 'wohin?' (t = a, vgl. ESS 201,4 und 37,8), und (9b)
le train qui vient de Paris,
worin de Paris: 0>E,ok 'woher?' (t = de- v§!· ESS 201·2 und 37,15). (9a) und (9b) zeigen, daß das de in (9) le train de Paris der Gruppe 'Relativpronomen + Verb ·*·(!) Präposition' in der Relativsatzparaphrase, also den Ausdrücken qui va ä bzw. qui vient de entspricht. Die Tatsache, daß das de in (9) sowohl 'qui va ä' als auch 'qui vient de' bedeuten kann, läßt sich damit erklären, daß die Präposition (ä bzw. de), die in (9a) und (9b) die erste Translation (0>E) markiert, nach de als Kennzeichen der zweiten Translation (E>A, vgl. Satz (7)) wegfällt, so daß die Opposition 0>E 'wohin?' vs. 0>E 'woher?' nach de in Richtung auf 0 (Substantiv: Paris) neutralisiert wird. 24 Infolgedessen könnte Tesniere dem Ausdruck de Paris in (9) ebenso die zweifache Translation 0(>)Ei ok >A zuordnen, wie er dem Ausdruck vor Reims in (8) die zweifache Translation 0> 0 ^(>) zuordnet. Tesniere verfährt insofern inkonsequent, als er in dem einen Fall - (9) - auf eine Translation verzichtet, weil sie morphologisch nicht markiert ist (0(>)E), in dem anderen - (8) - eine Translation trotz Nullmarkierung ansetzt (E(>)A), obwohl man im Dt. ebensowenig *die Schlacht von vor Reims sagt wie im Fr. *le train d'ä Paris bzw. *le train de de Paris. Folglich ordnet er zwei formal gleichen Präpositionalausdrlicken mit der gleichen strukturellen und semantischen Funktion eine unterschiedlich komplexe Translation zu, da er die semantische Funktion in dem einen Fall besonders berücksichtigt und im anderen nicht. Die von Tesniere angesetzte Zwischenstufe E für vor Reims in (8) die Schlacht vor Reims ist in rein struktureller (dependenzieller) Hinsicht ver24
Vgl. Rothe 1967, 47, Anm. 254.
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zichtbar, da vor in (8) ebenso ein Relator ist wie de in le livre de Pierre, le train de Paris oder wie von in das Edikt von Nantes und daher die direkte Translation 0>A, nämlich den Funktionsklassenwechsel von Reims (0) zu vor Reims (A), markieren könnte. Im Unterschied zu de, von (in den genannten Beispielen) kommt durch vor in (8) die semantische (nämlich die lokale) Funktion des präpositionalen Attributs nur deutlicher zum Ausdruck. Auch d'avant le manage in (7) läßt sich in struktureller Hinsicht ohne weiteres als Ergebnis der einfachen Translation 0>A darstellen, wenn man d'avant als ein kontinuierliches Translativ betrachtet25.
3.2. Tesniere läßt den 'plan semantique' außer acht, wenn er dem Ausdruck de quand (]') otais (enfant) in (1O) (parle familier) des souvenirs de quand j'etais enfant
die Translation I»E>A zuordnet, wobei t von I»E (deverbal-adverbiale Translation 2. Grades) = quand und t von E>A = de (ESS 269,13).' Damit teilt er dem de-'epithete' in (10) - abgesehen von dem Transferenden der ersten Translation - die gleiche Translationsformel zu wie dem Ausdruck d'avant le manage in (7). Jedoch läßt sich das Substantivdependens in (10) nicht durch einen attributiven Relativsatz paraphrasieren, in dem der quand-Satz als temporaler Zirkumstant fungiert: (lOa) des souvenirs qui existaient/que j'avais quand j'etais enfant
(anderer Sinn als (10)). Folglich ist I»E für den quand-Satz in (10) eine Pseudotranslation, die aus der Analogie zu dem formal gleichen Syntagma in einem anderen Kontext, etwa zu dem echten Temporalsatz in quand j'etais enfant, j'aimais les contes de fees, resultiert. Das Versagen der Relativsatzparaphrase in (10) ist darauf zurückzuführen, daß zwischen dem Regens souvenirs und dem Dependens de quand j'etais enfant eine rektionale Dependenzrelation besteht (vgl. Anm. 13): Das Verbalsubstantiv souvenir eröffnet kraft der Valenz des ihm zugrundeliegenden Verbs eine syntaktische Leerstelle, die normalerweise ebenso von einem nominalen Ausdruck besetzt wird wie die entsprechende Arguments teile (Präpositionalobjekt) des zugrundeliegenden Verbs.26 Das synonyme Nominalsyntagma, an dessen Stelle der quand-Satz in (10) steht, lautet mon enfance, vgl. des souvenirs de mon enfance/de quand j'etais enfant. Wenn Tesniere für de quand (]') otais (enfant) in (10) überhaupt eine zweifache Translation ansetzt, müßte sie demnach Präpositionen sind historisch betrachtet häufig Verschmelzungen aus 'Präposition ·*· Präposition oder Adverb', z.B. fr. avant aus lat. ab ante, dans aus de intus, vgl. dedans, dessous. 26
Vgl. Seiler 1983, 52, 11; Lehmann 1982a, 25.
67
I»0>A lauten, wobei t von 1»0 = quand und t von 0>A = de.27 - Daß z.B. die Substantivdependentien in (7) und (8) durch Relativsätze paraphrasierbar sind, hängt damit zusammen, daß die zwischen ihnen und ihrem Regens bestehende Dependenzrelation eine Modifikationsrelation ist (sog. endozentrische Konstruktion) und der attributive Relativsatz (bei Tesniere: I»A) genauso ein Modifikator ist wie das attributive Adjektiv, und zwar als Prototyp das 'adjectif qualificatif ,28 Die Mehrfachtranslation erübrigt sich, wenn man de quand in (10) als ein kontinuierliches Translativ für I»A ansieht. Natürlich kommt dann in der Translationsformel der Argumentstatus des quand-Satz.es in (10) nicht mehr zum Ausdruck. Jedoch ist zu beachten, daß ohnehin die Translation I»0>A in Tesnieres Modell nicht auf von Substantiven abhängige Argumentsätze beschränkt ist.29 Das Dilemma ist in der herkömmlichen Satzgliedgrammatik das gleiche: Sie muß sich entscheiden zwischen der Kennzeichnung des 'Valenzstatus' (Argument vs. Nicht-Argument) oder des Satzgliedstatus (Attribut etc.). Ein Ergebnis dieses Abschnitts ist, daß die Berechtigung der mehrfachen Translation einer kritischen Überprüfung bedarf.
3.3. Es lassen sich auch Beispiele - vor allem aus dem Lat., wo die Inkongruenz zwischen Oberflächenausdruck und zugrundeliegender Struktur ein häufiges Phänomen ist - daflir anführen, daß Tesniere infolge einer Vernachlässigung des 'plan semantique' den 'plan structural' unangemessen darstellt: (Ncl-Konstruktion:) (11)
Bibulus nondum audiebatur esse in Syria.
(Cic. Att. 5,18,1)
BibuJus = Subjekt (0,) zu audiebatur nach ESS 185,6; 27
Der qua/id-Satz in (1O) ließe sich aber auch als ein Relativsatz interpretieren, dessen fehlendes Bezugsnomen ein lexikalisch fast leeres Substantiv wie temps 1st und innerhalb dessen der anaphorische Bestandteil des Relativpronomens als temporales Adverbial fungiert. Danach wäre quand in (1O) aufzulösen in le temps und noch weiter in Je temps pendant lequel, wobei -qu- als translativer Bestandteil (t) des Relativpronomens die Translation I»A markiert und pendant le-...-el als O>E^temp) -'circonstant' fungiert (vgl. Heger 1985, 33 f., 1O4; Lehmann 1984, 318-322). Der so interpretierte qua/id-Satz könnte nach Tesniere (vgl. ESS 269,3-5; 27O.12) als ein Relativsatz ohne Bezugsnomen, d.h. als ein substantivierter Adjektivsatz 2. Grades (I»A(»O) dargeteilt werden, so daß der ganze Ausdruck cfe quand (]') etais (enfant) in (1O) als valenzgebundenes Substantivdependens mit der Bedeutung 'du temps pendant lequel j'etais enfant' aus der dreifachen Translation I»A(»O>A resultieren wUrde.
28
Vgl. Lehmann 1984. 44.
OQ
Ein Beispiel fUr einen nicht-valenzgebundenen l»O>A-Satz (attributiver Substantivsatz) findet sich in ESS 269,12: sp. (con la dlferencla) de que (en ei o ton o los dias) son (los que van acortandose, al paso que crecen las noches).
68 stattdessen herzuleiten aus Ad: (lla) Bibulum nondum audiebatur esse in Syria.
esse = Subjekt (I>0j) zu audiebatur, Bibulum = Ot zu esse;30 ('Gerundivkonstruktion' und 'prädikatives Partizip anstelle eines Verbalsubstantivs':) (12)
Ab urbe oppugnanda Poenum absterruere conspecta moenia. (Liv. 23,1,10)
oppugnanda = I>A-Attribut nach ESS 128,13 und 231,9, conspecta I>A-Attribut nach ESS 128, 10-12; stattdessen: (12a)
ab oppugnanda.
I>0 (Präpositionalobjekt zu absterruere) mit abhängigem urbe (herzuleiten aus ab urbem oppugnando), conspecta: I>0j (Subjekt zu absterruere) mit abhängigem moenia (entsprechend conspectus moenium).
4. Das Problem der Unterscheidung von Translation 1. Grades und Translation 2. Grades 4.1. Sämtliche Translationen, deren Transferend ein 0, A oder E ist, sind nach Tesniere Translationen 1. Grades. Ist aber der Transferend ein Verb (I), so unterscheidet Tesniere zwischen 'translation du premier degro' und 'translation du second degre'. Als deverbale Translationen 1. Grades betrachtet er die infiniten Verbformen (Infinitiv, Partizip, Gerundium, Gerundivum, Supinum), als Translationen 2. Grades die Nebensätze im Sinne der traditionellen Grammatik. Jedoch läßt die Abgrenzung von Translation 1. Grades und Translation 2. Grades die gewünschte Eindeutigkeit vermissen. In ESS 164,14 erklärt Tesniere, die Translation 2. Grades zeichne sich dadurch aus, daß ihr Transferend ein "noeud verbal avec tous ses subordonnes eventuels, c'est-ädire une phrase entiere" sei; ferner habe die Translation 2. Grades notwendigerweise einen "changement d'etage syntaxique" zur Folge, da ein "noeud regissant" (d.i. der Verbknoten: I) infolge seiner Unterordnung unter einen strukturell höheren Knoten in eine "Wortart" transferiert und damit zu ei-
3O
31
Zur NcI-Konstruktion vgl. Lambertz 1982, SO4-5O9, und umfassender ( m i t Berücksichtigung pragmatischer Faktoren) Bolkestein 1981a, 64, 9O-1O6.
Zur Gerundivkonstruktion vgl. Lambertz 1982, 34-39, 51O-S32; 1987, 158-167; Heberlein 1989. Zur ab urbe co/icMta-Konstruktion (entspricht der Konstruktion conspecta moenia in (12)) vgl. Bolkestein 1981b; Lambertz 1982, 34-39, 568-581.
69 nem gewöhnlichen Element des Satzes (0, A oder E) reduziert werde (ESS 164,15; ebenso 164,17 und 239,1).
4.2. Das erste Mißverständnis, zu dem Tesnieres eigene Darstellung verleitet, besteht darin, jeden "subordinierten Satz" - genauer jede eingebettete Prädikation - fUr das Ergebnis einer Translation 2. Grades zu halten. So wird in Abraham 1988(Bd. 2, 916) sowohl (das Kind), das reist als auch (das) reisende (Kind) als Beispiel einer Translation 2. Grades angeführt. Gegen die Auffassung, im zweiten Fall liege eine Translation 2. Grades vor, spricht aber schon der äußere Umstand, daß Tesniere das Partizip bzw. den Partizipial"Satz" im Rahmen der Translation 1. Grades behandelt (vgl. ESS 199,4). Der Grund für das Mißverständnis liegt in Tesnieres zweideutiger Formulierung, bei der Translation 2. Grades werde "ein Satz" (und nicht bloß eine "Wortart") in eine "Wortart" transferiert. Ein Satz ist aber in Tesnieres Syntaxmodell nichts anderes als ein I und die von ihm abhängigen Elemente. Daher ist die "Verwandlung eines Satzes in eine Wortart" zunächst nichts anderes als die Überführung seines strukturell höchsten Elementes, nämlich des I, in eine andere Funktionsklasse, da allein das transferierte I den unmittelbaren Anschluß der eingebetteten Prädikation an den strukturell übergeordneten Term (Knoten) herstellt. Genau dies trifft aber auf die deverbalen Translationen 1. Grades nicht weniger zu als auf die Translationen 2. Grades, wie der Vergleich der eingebetteten Prädikationen in (13) und (14) beispielsweise zeigt: (13) II savait y revoir la belle institutrice. (A. Maurois; ap. Grevisse 19
, § 26OO b)
worin revoir. deverbal-substantivische Translation 1. Grades: I>0 (STEMMA 5a und 5b32); (14) II savait qu'il y reverrait la belle institutrice.
worin qu ... reverrait: deverbal-substantivische (STEMMA 6).
Translation 2. Grades: I»0
Oj = 1. Aktant bzw. (grammatisches) Subjekt; O2 = 2. Aktant bzw. direktes Objekt. - Es ist nicht klar, ob Tesniere dort, wo das vom Verb der eingebetteten Prädikation fUr die Oj-Position vorgesehene Argument bei Referenzidentität (symbolisiert durch die gestrichelte Linie) mit einem Konstituenten des einbettenden Satzes nicht ausgedruckt wird, in der "Tiefenstruktur" ein Oj ansetzt, das dann in der "Oberflächenstruktur" getilgt wird (vgl. ESS 188, 9-18, bes. Stemma 3O9); daher die Varianten bei der Stemmatisierung von (13). Es muß aber gesagt werden, daß die Translation, so wie sie von Tesniere konzipiert ist, keine Tilgungen vorsieht (ebenso Klein 1971, SO).
70
savait (I) i! (Oj)
l(a) institutrice (02) belle (A) STEM M A 5a
savait (I) il (0,)
rev(errait)(I)
oir
institutrice (02) belle (A) STEMMA 5b
savait (I)
il
y (E lok )
l(a) institutrice (02) belle (A)
STEMMA 6
71
Da sowohl bei einer deverbalen Translation 1. Grades als auch bei einer Translation 2. Grades ein Verb (I) der Transferend ist, nämlich im ersten Fall ein Verbstamm bzw. der lexematische Bestandteil eines Verbs, im zweiten eine finite Verbform, trifft es nicht zu, daß - wie z.B. Rothe (1967, 46) und Baum (1976, 114, 124) behaupten - alle Translate, die aus einem verbalen Kern hervorgegangen sind, das Ergebnis einer Translation 2. Grades sind.
4.3. Das zweite Mißverständnis besteht darin, Tesnieres Formulierung "ein Verbknoten mit all seinen möglichen Dependentien, d.h. ein ganzer Satz" [Hervorhebung vom Verfasser] so auszulegen, als liege eine Translation 2. Grades liberall dort und nur dort vor, wo von dem in eine deverbale Translation verwickelten Nukleus in der "Oberflächenstruktur" ein Element abhängt, das in der "Tiefenstruktur" von dem verbalen Transferenden als dessen Subjekt (Oj), d.h. als dasjenige Nomen, mit dem das I kongruiert, abhängt 33 . So setzt Klein (1971, 47, S3, 55 (3.51), 59 (3.54)) sowohl für den außerhalb der Klammer stehenden Ausdruck in (15) Weil (er langsam) arbeitet, (fliegt er)
als auch für den in (16)
Wegen (seines langsamen) Arbeitens (fliegt er)
eine Translation 2. Grades an, da den eingebetteten Prädikationen beidesmal die Struktur er arbeitet langsam (worin er = Oj, arbeitet = I) zugrunde liegt und das in dieser als Oj enthaltene Element auch in der "Oberflächenstruktur" erscheint, sei es als Dependens (Oj = er) des finiten Verbs (15), sei es als Dependens (A = seines) des substantivierten Infinitivs (16). Jedoch liegt nach Tesniere in (16) ebensowenig eine Translation 2. Grades vor wie in (13). Dies geht daraus hervor, daß er auch Fälle, in denen der verbale Transferend einer infiniten Verbform ein in der "Oberflächenstruktur" präsentes Subjekt regiert, zu den Translationen 1. Grades rechnet. Hierzu gehören die Acl- und die sog. absolute Partizipialkonstruktion, z.B. (17) bzw. (18); in (17a/18a) wird jeweils die der eingebetteten Prädikation zugrundeliegende Struktur angegeben: (17)
Credo Deum esse sanctum.
(17a) Deus (Oj) est sanctus. (18)
Pythagoras Superbo regnante in Italiam v e n i t .
(18a)
Superbus (Oj) regnabat.
(ESS 182,7-11) (Cic. Tusc. 1,38) (vgl. ESS 224,24; 231,17)
Folglich findet der von Tesniere beschriebene 'changement d'etage syntax/33
Das Subjekt (Oj) kann freilich in der finiten Verbform enthalten sein, wie etwa im Lat., z.B. tibi dlco, ut venias.
72
que auch bei den deverbalen Translationen 1. Grades (oder zumindest bei einem Teil von ihnen) statt.
4.4. Obgleich Tesniere selbst den Unterschied zwischen Translation 1. Grades und Translation 2. Grades nicht eindeutig formuliert, durften seine Ausführungen in ESS 239,4-13 dennoch die folgende Abgrenzung nahelegen: Translationen 2. Grades sind alle und nur diejenigen Translationen, bei denen sowohl der Transferend ein Verb (I) als das strukturelle Zentrum einer eingebetteten Prädikation ist, als auch - im Gegensatz zu den deverbalen Translationen 1. Grades - das I nach Durchlaufen der Translation als finite Verbform, d.h. mit den für die Formenklasse Verb charakteristischen Merkmalen (Person, Modus, Tempus usw.) in der "Oberflächenstruktur" erscheint, wie z.B. in (14): I»0, (15): I»E und (7a): I»A. Nur sie sind es, die Tesniere auch im Rahmen der Translation 2. Grades behandelt.
4.5. Wenn nur der morphosyntaktische Status des Prädikats der eingebetteten Prädikation das Kriterium für die Unterscheidung von deverbaler Translation 1. Grades und Translation 2. Grades ist, erhebt sich die Frage, ob diese Unterscheidung und damit die zwischen Translation 1. und 2. Grades Überhaupt sinnvoll ist. Zur Beantwortung dieser Frage vergleichen wir die folgenden Beispiele für deverbal-substantivische Translationen: (19) I believed he wrote a letter.
(vgl. ESS 242.1O)
worin wrote: I(»)0; (20) I believed that he wrote a letter.
( v g l . ESS 242,11)
worin that wrote: I»0; (21)
Do you mind me using your telephone?
worin using: I>0; (22) She objected to his constantly reading magazines.
(Lehmann 1982b, 73)
worin reading: I>0; (23) She objected to his constant reading of magazines. (Lehmann 1982b, 73)
worin reading: I>0; (24) desperatio omnium salutis
(Caes. BCiv. 1,5,3)
worin desperatio: I*>0 (vgl. Anm. 16). Der schwächste Grad der Nominalisierung 3 * liegt vor, wo die Prädikation ohne Translativ (19), der 34
Nominalisierung wird hier im Anschluß an Lehmann 1982b in einem weiteren Sinn verstanden als in der herkömmlichen 'Wortbildungslehre.
73
stärkste, wo sie mithilfe eines Derivationssuffixes (24) eingebettet wird. Mit dem Übergang von der Translation 2. Grades zur Translation 1. Grades und bei fortschreitender Nominalisierung - auch von der einen zur anderen Stufe innerhalb der unter die Translation 1. Grades fallenden Einbettungsverfahren treten Veränderungen ein, welche die interne Struktur des eingebetteten Komplexes als eines ganzen betreffen 35 . Gewisse in der zugrundeliegenden Prädikation vom verbalen Transferenden abhängige Elemente werden zugleich mit dem Übertritt des I in eine infinite Verbform oder in ein Verbalsubstantiv selbst formal verändert, ggf. einer Translation oder gar einem Formenklassenwechsel unterzogen.36 In (21) behält der verbale Transferend zwar seine gesamte verbale Rektion, aber das von ihm abhängige Ot erscheint nicht mehr im Subjekts-, sondern im Objektskasus (me)37. In (22) wird die verbale Rektion teilweise, in (23)-(24) vollständig zugunsten der nominalen aufgegeben: Die vom verbalen Transferenden abhängigen Oj und 02 (direktes bzw. Akkusativobjekt) treten über in ein vom 0-Translat abhängiges Genitivattribut - 0>A, sog. Genitivus subiectivus (omnium) bzw. Genitivus obiectivus (saJutis) - oder präpositionales 0>A-Attribut (of magazines) oder "Possessivadjektiv" (A: his); das vom verbalen Transferenden abhängige Adverb wird in ein vom 0-Translat abhängiges Adjektiv überführt (constant). Während die vom verbalen Transferenden in (19)-(20) eröffneten Leerstellen durch Argumente besetzt werden mUssen, damit das Verb referieren kann, ist das relationale Substantiv, insbesondere das Nomen Actionis (24), auch dann referenzfähig, wenn seine Leerstellen nicht besetzt sind;30 und während die eingebetteten Prädikationen in (19)-(20) eine "semantisch-sachverhaltsdarstellende Struktur" haben, gilt dies für das "einen Sachverhalt nur nennende" nominalisierte Syntagma in (24) nicht. Somit spiegeln die Stufen Translation 2. Grades *· deverbale Translation 1. Grades * erstarrte deverbale Translation (1. Grades) und der mit ihnen korrelierende Komplexitätsgrad der eingebetteten Prädikationen den schrittweisen Übergang von der Prädikation (Satz) zum Begriff (Substantiv) wider. Die Unterscheidung von deverbaler Translation 1. Grades und Translation 2. Grades ist insofern sinnvoll, als sie die eingebetteten Prädikationen in zwei große Gruppen teilt, je nachdem ob mit der Wahl des Einbettungsverfahrens sekundäre Prozesse, z.B. morphosyntaktische Veränderungen in der Binnenstruktur der eingebetteten Prädikation, Abbau von Argumentstellen (Derelationierung) oder UnterLehmann (1982b, § 2.2.) spricht in diesem Zusammenhang von "sekundären Nominalisierungsprozessen"; v g l . auch Lehmann 1988, § 3.1. 36 Ebenso Klein 1971, 47, S3-S6. 37
Auch in der Acl- und der absoluten Partizipialkonstruktion - v g l . Sätze (17), (18) - tritt das O| in einen obliquen Kasus.
38
Vgl. Lehmann 1982b, 73, 82.
39
Vgl. Oesterreicher (in diesem Band), § 1.1.
74
schiede in der Art der Mitteilung des Sachverhalts, gekoppelt sind, die den Grad der Einbettung bzw. das Stadium des verbalen Transferenden auf seinem Weg zum Translat mitsignalisieren, wodurch die deverbale Translation insgesamt als etwas Dynamisches charakterisiert wird.
5. Grenzen der Darstellung syntaktischer Strukturen mithilfe des Tesniereschen Translationssystems 5.1. Nach den Ausführungen in 4.5. ist einem Ausdruck wie (23) his constant reading of magazines in Tesnieres Modell folgendes Stemma zuzuordnen:
his (A)
constant (A) of
magazines (0)
STEMMA 7 STEMMA 7 zeigt, daß die als A fungierenden Elemente von dem (substantivischen) Translat des sie regierenden Nukleus (reading) abhängen. Dies widerspricht aber dem von Tesniere in ESS 156,2 (vgl. Anm. 11) formulierten Prinzip, daß sich ein in eine Translation verwickelter Nukleus gegenüber den von ihm abhängigen Elementen gemäß den strukturellen Eigenschaften des Transferenden (das ist in (23) read-) verhält.40 Dieser Widerspruch läßt sich aber auch nicht dadurch vermeiden, daß man das nominalisierte Syntagma in (23) aus dem zugrundeliegenden Satz (he constant!}' reads magazines) ableitet, da in Tesnieres Translationssystem dieselben Elemente nicht zugleich von dem (verbalen) Transferenden und dem (substantivischen) Translat abhängen können. Außerdem gibt es unter den Tesniereschen 0>A- bzw. E>ATranslationen keine, die der Überführung von he zu his bzw. von constantly zu constant entsprechen. Hierin zeigt sich ein gravierender Nachteil der Tesniereschen Translation gegenüber der Transformation der TG und auch 40Tesniere selbst verstößt gegen dieses Prinzip an mehreren Stellen, z.B. in ESS 164,8-10 (Stemma 295 fUr un /mbec/7e de marmiton bzw. Stemma 314, S. 45O) und ESS 179,4 (Stemma 3OS fUr peil d'eau).
75
gegenüber Benvenistes 'transposition'*1: Bei der ersteren läßt sich immer nur ein einzelnes Lexem (als Teil eines Syntagmas oder Satzes) in ein anderes (archetypisches) Lexem überführen, bei den letzteren dagegen eine ganze "suite d'elements syntaxiques minimaux enchalnes" (Ruwet 1968, 366) in eine andere. M.a.W.: Die Tesnieresche Translation kann nicht den Ersatz von Konstruktionen durch Konstruktionen, sondern nur den einzelner Elemente einer Konstruktion durch Elemente einer anderen Konstruktion beschreiben. 42
5.2. Ein besonderes Problem für Tesnieres Translationstheorie stellt sich bei Syntagmen wie den in (25) und (26) außerhalb der Klammern stehenden: (25) (Le signal vert indique) la voie libre (26)
Natura duce (errari nullo pacto potest)
(Cic. Leg. 1.2O)
Tesniere (ESS S. 41, Stemma 19) betrachtet libre in (25) als ein dem Substantiv voie subordiniertes Adjektiv. Obwohl dieses Adjektiv dadurch, daß es sich im Numerus und Genus nach dem "Bezugs"-Substantiv richtet, so aussieht wie ein gewöhnlicher Substantiv-Modifikator, ist es hier keiner, da es nicht mit einem attributiven Relativsatz kommutiert. Vielmehr läßt sich das gesamte Syntagma la voie libre durch einen als 02 fungierenden que-Satz ersetzen, in dem das Adjektiv als Prädikatsnomen und das "Bezugs"-Substantiv als Subjekt fungiert: (2Sa)
*Le signal vert indique la voie qui est
(2Sb)
*Le signal vert indique la voie, qui est libre. 4.3 Le Signal vert indique que la voie est libre.
(2Sc)
libre.
Folglich ist la voie libre in (25) eine eingebettete Prädikation mit Argumentstatus. Die zwischen ihren Konstituenten einerseits und zwischen ihr und dem einbettenden Satz andererseits bestehende Abhängigkeitsrelation kann in Tesnieres Modell - wenn Überhaupt - nur durch das Ansetzen eines I in der "Tiefenstruktur" dargestellt werden. Das gleiche gilt für die "Ablativus absolutus"-Konstruktion in (26): Keines der beiden im Ablativ stehenden Nomina
41
Vgl. Benveniste 1966, 146 f.; 1969, 51-59. Benvenistes Analyse von Syntagmen des Typs un bon marcheur, a heavy smoker (1969, 51 f f . ) deckt sich mit der von Marchand 1967, 26.
42
Vgl. Worthington 1967/68, 1969, 4O; Klein 1971, 59.
43
Vgl. Ruwet 1968, 372. Aufgrund der Nicht-Weglaßbarkeit kann ein Adjektiv wie libre in (25) m.E. nicht als Attribut betrachtet werden; das gleiche g i l t fUr das Partizip in einer absoluten Partizipialkonstruktion, v g l . (18) Superbo reg na n te. Deswegen stimme ich nicht mit Oesterreicher (in diesem Band), § 1.1., Anm. 13, darin Uberein, das "verbale" Element in einer solchen Konstruktion sei attributiv gebraucht.
31S f.; Ruwet 1968, 228-232
u. 247-249;
Arriv*
76
kann ohne das andere eine syntaktische Beziehung zum Rest des Satzes aufnehmen, sondern nur das aus beiden gebildete Syntagma als ganzes. Auch dieses kann durch einen - als 'circonstant' (E) fungierenden - Kopulasatz paraphrasiert werden: (26a)
Si natura dux est, errari nullo pacto potest.
Tesniere (ESS 231,16) ordnet dem Abi.-Ausdruck, dem in (26a) das als Prädikatsnomen fungierende Substantiv (dux) entspricht, die Translation 0(>)A(>) I>E zu, wobei die Verwandlung des A (Prädikatsnomen) zum "Verb" aufgrund der nicht ausgedrückten Kopula nullmarkiert sei und die des I zum "Adverb" durch den Ablativ markiert werde. Damit fuhrt Tesniere die Abi. abs.-Konstruktion in (26) zwar auf eine Struktur mit verbalem Zentrum zurlick, aber die von ihm aufgestellte Translation fällt dadurch aus dem Rahmen seiner Theorie, daß er als Translativ der hier angenommenen deverbalen Translation einen (obliquen) Kasus einsetzt: Kasussuffixe mit t-Funktion dienen in Tesnieres Translationssystem prinzipiell zur Markierung desubstantivischer Translationen (0>E oder 0>A). 44 Eingebettete Prädikationen, die in der "Oberflächenstruktur" kein verbales Element aufweisen, deren Binnenstruktur aber in Tesnieres Syntaxmodell nur durch den Rückgriff auf ein I in der "Tiefenstruktur" darstellbar ist, fallen weder unter die Translation 1. Grades noch unter die Translation 2. Grades und sind daher kaum mehr mit den Mitteln der Tesniereschen Translationstheorie darstellbar.4"5 Hierin zeigt sich ganz deutlich ein grundsätzlicher Nachteil dieser Theorie: Da sie eine syntaktische Funktion immer nur mit einer bestimmten (archetypischen) Lexem-Kategorie - und nicht mit einem Syntagma als ganzem - verbindet, gelangt sie dort vollends an ihre Grenzen, wo die von der Theorie her erforderliche Lexem-Kategorie "materiell" nicht greifbar ist. Sobald man diese archetypische Zuordnung aufgibt, wird Tesnieres Translationstheorie obsolet.
44
Vgl. ESS 176,8 (Tabelle auf S. 4O9).
4S
Vgl. Lambertz 1982, 582-586, 598 f.
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Thomas Krefeld (Mainz)
Wörter und ihre (Un-)Arten: zum unmarkierten Wechsel der Konnexionsebene im Französischen Les categories lexicales n'ont d'existence dans une langue que si elles sont caracterisees par des signes l i n g u i s t i q u e s internes ou externes. Charles Bally
1. Lexikalische Kategorien und syntaktische Funktionen Zur Kenntnis der Wörter gehört ein intuitives Sprecherwissen um die semantische und morphosyntaktische Steuerung ihrer Kombinierbarkeit. Es hat sich in den traditionellen Bezeichnungen der Redeteile niedergeschlagen 1 , die in auffälligen, als paradigmatisch empfundenen, semantischen, morphosyntaktischen oder syntaktischen Eigenheiten motiviert sind. Dabei kann das erste (Substantiv), zweite (Präposition) oder dritte (Adverb, Adjektiv) Kriterium zum klassendefinierenden Merkmal erhoben werden. In den beiden letztgenannten Bezeichnungen spiegelt sich im übrigen schon ein Verständnis für das hierarchische Gefüge der Redeteile. Eine konsistente, durchgängig auf der Trennung zwischen semantischer und strukturaler Organisationsebene begründete Wortartentheorie entwirft in neuerer Zeit erst Bally 2; Tesniere 3 schließlich legt seiner strukturalen Syntax eine in der Konzeption verwandte Auffassung der Redeteile zugrunde: auf dem 'plan structural' unterscheidet er die autonomen 'mots constitutifs' von den nicht autonomen, nicht konnexionsbildenden 'mots subsidiaires'; dieser Zweiteilung entspricht auf dem 'plan semantique' die Trennung von 'mots vides' und 'mots pleins'·, wobei letztere semantisch und kategoriell "gefüllte" 'mots particuliers' oder nur kategoriell "gefüllte" 'mots generaux' (wie die sog. Indefinitpronomina) sein können: - plan structural
-* {
mots constitutifs mots subsidiaires
, - plan semant.que -»
mots vides
particuliers
{
mots pleins
_j. { generaux
Zur Geschichte der Wortartbezeichnung vgl. Robins 1966. 2
Vgl. Bally
3
4
Vgl. Tesniere
1965, bes. 113-127. 2
1976, 51-94.
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Mischformen werden von Tesniere als 'mots composites' bezeichnet. Unter diesen Bausteinen sind die vier Kategorien der 'mots pleins' (Verb, Substantiv, Adjektiv, Adverb mit den Siglen I, O, A, E) die "pierres angulaires" (1976,63) der Rede, weil sie gewöhnlich gleichzeitig auf strukturaler Ebene als 'mots constitutifs' mit spezifischem Konnexionspotential fungieren. In der strengen syntaktischen Hierarchisierung (I regiert O und E, O regiert A, A regiert E) unterscheidet sich Tesniere von Bally, der neutraler vom Prinzip der 'complementariete' (41965, §§ 176, 190) spricht. Tesnieres Hierarchie der vier 'mot p/e/'n'-Kategorien kann sicherlich keine universale Gültigkeit beanspruchen; sie beschreibt - durchaus nicht verallgemeinerungsfähige - typologische Züge, wie sie in den meisten europäischen Sprachen erkennbar sind. 4 Etwa im Französischen, das hier keine Ausnahme macht, korrelieren in einem beliebigen "einfachen" Satz die lexikalischen Kategorien der jeweiligen Wörter in der Regel mit den hierarchischen Ebenen seiner Konnexionstruktur: "quand il y a un verbe, celui-ci est toujours le nceud central de la phrase" (Tesniere 1976, 103); gibt es kein Verb, bildet ein Substantiv den 'regissant', fehlt auch dieses, ein Adjektiv. Adverbien können nur andere Adverbien regieren. Ihre Rechtfertigung findet die zweidimensionale (lexikalisch-kategoriale und syntaktisch-dependenzielle) Wortartentheorie darin, daß ein beliebiges Element einer der vier lexikalischen Kategorien in der syntaktischen Aktualisierung keineswegs an die jeweils affine Konnexionsebene gebunden ist: zahlreiche, einzelsprachlich sehr verschiedene Verfahren gestatten den Übergang auf eine "niedrigere" bzw. "höhere" Ebene.5 Die überaus heterogenen Möglichkeiten, Wörter auf einer anderen als der primär kategorietypischen Ebene zu aktualisieren ("substantivischer" Gebrauch von Verben und In diesem Sinn auch Lemarechal 1989, 59f.: «c'est sur ce theorie de la translation doit etre redefinie et elargie» (6O).
point
que
sä
Eine ausschließlich semantisch fundierte Theorie der Wortarten skizziert Moignet 1961 in Anlehnung an Guillaume; sie fUhrt zu ganz anderen, u.E. verzerrten Ergebnissen Moignet (und Guillaume) unterscheiden zwischen 'parties de langue' und 'parties du discours'. Die 'parties de langue' setzen sich wie folgt zusammen: 1) 'parties predicatives'; unter diesem Oberbegriff werden ganz ähnlich wie bei Bally und Tesniere Substantive, Adjektive, Verben und Adverbien vereinigt; 2) 'parties a-predicatives' (Präpositionen und Konjunktionen); 3) 'parties trans—predicatives' (Pronomen und — tikel). Übergänge zwischen den 'parties de langue' gibt es nicht; lediglich auf der Ebene des 'discours' ist es möglich, ein Wort in eine andere als seine ursprungliche Kategorie zu Überfuhren; substantivisch gebrauchte Adjektive, adjektivisch gebrauchte Substantive etc. werden als 'parties du discours' aufgefaßt. Die "prädikativen Wortarten" (Substantiv, Adjektiv, Verb und Adverb) bilden eine hierarchische Ordnung, an deren Spitze das Substantiv steht: "Le substantif possede une incidence purement interne: il se refere uniquement ä son contenu notionnel; 11 assigne seulement ce qu'il designe. C . . . 3 Les autres parties, outre qu'elles designent des notions, possedent une incidence externe ä d'autres parties de langue, qu'elles assignent. C . . . 3 Le verbe, lui aussi, doit etre refere a un substantif", 817f.).
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Adjektiven, "adjektivischer" Gebrauch von Verben und Substantiven usw.), werden von Tesniere unter dem Begriff der Translation' zusammengefaßt. 6 (Bally spricht von 'Transposition'.) Leider hält Tesniere selbst seine grundsätzliche Trennung zwischen syntaktisch dependenzieller Hierarchie und lexikalisch-kategorialer Realisierung nicht konsequent durch. Da er einerseits die semantisch entwickelten Etiketten I, O, A, E in terminologisch unglücklicher Verallgemeinerung für die syntaktische Leistung und das semantisch-kategoriale Profil setzt, impliziert der primär syntaktische Translationsbegriff für Tesniere andererseits stets auch einen Wechsel der lexikalischen Kategorie (vgl. Lambertz in diesem Band). Um diese Mehrdeutigkeiten zu vermeiden, werden wir terminologisch wie folgt verfahren: mit den Begriffen 'Verb' (I), 'Substantiv' (O), 'Adjektiv' (A), 'Adverb* (E) bezeichnen wir die lexikalische Kategorie; im Blick auf die Dependenzstruktur sprechen wir von der ersten ("Verb"), zweiten ("Substantiv"), dritten ("Adjektiv") und vierten ("Adverb") 'Konnexionsebene' (mit den Siglen K 1-4). Werden Lexeme auf einer anderen als der jeweils affinen Konnexionsebene aktualisiert, sprechen wir von 'Wechsel' der Ebene oder schlicht von "Verschiebung*. Den Begriff der Translation' reservieren wir, wie in Koch/Krefeld (im Druck) vorgeschlagen, für den besonderen Fall, daß ein Wort trotz Wechsels der Ebene sein ursprüngliches Konnexionspotential behält (Typ un voyage fatiguant les enfants). Nun fällt jedoch ins Auge, daß der Wechsel der Konnexionsebene oft nicht spezifisch oder gar überhaupt nicht markiert ist und insofern einen Verlust an syntaktischer Eindeutigkeit mit sich bringt. Einschlägige unmarkierte Wechsel sind im Französischen alles andere als marginale Erscheinungen 7 und eine dependenzielle Analyse darf sich keineswegs mit der Beschreibung der (für Ausgangskategorie und/oder Konnexionsebene) spezifischen Übergänge begnügen; gerade die Frage, welche lexikalischen Kategorien unmarkiert auf mehreren Ebenen aktualisiert werden können, ist heuristisch wertvoll. Sie ist geeignet, das starre, aus der prototypischen Konstellation der vier lexikalischen Kategorien (I, O, A, E) entwickelte Abhängigkeitsgefüge zu relativieren und so zum angemesseneren Verständnis der Dependenzhierarchie des Französischen entscheidend beizutragen. Zur Revision des Translationsbegriffs und zur Abgrenzung von Translationen ersten und zweiten Grades vgl. Koch/Krefeld (im Druck). Skeptisch in Bezug auf die Annahme von "ad hoc-Umsetzungen" mit "Nulltranslativ" ist Wunderli (1989, lO7f.); er zieht es vor, die einschlägigen Beispiele von Fall zu Fall als Komposita, bzw. als appositionelle oder elliptische Konstruktionen zu interpretieren. 8
Wie gebrauchen den Begriff im Sinn von Weinrich 1982, 263ff. als Oberbegriff fUr alle fUr alle nominalen Begleiter (bestimmter/unbestimmter Artikel, Possessiva, Demonstrative, Numeralia, Indefinitpronomina).
84 2. Moi, je Plagne completement: die erste Konnexionsebene Zur syntaktischen Kennzeichnung der beiden hierarchisch höchsten Konnexionsebenen stehen im Französischen exklusiv "verbale" (Personal- und Tempusmorpheme etc.) und "nominale" (Artikel ) Begleitmorpheme zur Verfügung. Die beiden Reihen von Begleitern sind auch dort, wo semantische Übereinstimmungen (etwa zwischen Pers. und Possessivpronomina) bestehen, deutlich voneinander geschieden. Abwesenheit von verbalen Begleitern wird im Frz., insbesondere im gesprochenen Frz. als auffällig empfunden. Dies zeigt sich eben dort, wo sie eigentlich grammatisch "normal" ist: im Gebrauch der endungslosen Präsensformen der Verben auf -er. Der fundamentale und an der Standardgrammatik gemessen vollkommen unauffällige Satzbauplan des Typs 1. Aktant + Verb in der "Nullform" (Jean mange) kommt im gesprochenen Frz. praktisch nicht vor9. Die Regel ist hier die pronominale Wiederaufnahme zumindest des 1. Aktanten. Gerade diese segmentierenden Verfahren, die ja auch konzeptionell weniger mündlichen Texten durchaus nicht fremd sind, zeigen nachdrucklich, wie stark das Bedürfnis nach eindeutiger Kennzeichnung der ersten Konnexionsebene im Gegenwartsfr. ist. Begleiterlose Verben sind - Reihungen ausgenommen - selten. Zu erinnern ist etwa an den fixierten Gebrauch von faut/faudra im /ranca/s parle: -
... un vrai sale type, faut smefier, faut smefier, faut smefier (Zazie, 50); ah ben
non quand j'aurai
fini
oe
faudra
que je revienne ... (Ludwig, 2o, 20).
Das Begleitmorphem ist häufig einziges Kennzeichen des Verbs, dessen Morphologie, insbesondere die der großen Gruppe auf -er , zahlreiche Nullformen (Präsens, Imperativ Sing.) vorsieht. Diese guten Voraussetzungen für die Funktionalisierung nicht-verbaler Lexeme auf dieser Ebene bzw. für die Translation lexikalischer Verben werden jedoch durchaus nicht ausgeschöpft. Lediglich zwischen Substantiven und Verben besteht eine gewisse Durchlässigkeit; Wirklich produktiv ist die Funktionalisierung von Verben auf der zweiten, bzw. von Substantiven auf der ersten Konnexionsebene nur im konzeptionell eher gesprochenen Französisch, speziell im diastratisch markierten fran$ais populaire oder dem Argot, d.h. in den Registern, die o
Eine Stichprobe anhand eines transkribierten konzeptionell mUndlichen Gesprächs (Transkript I aus Ludwig 1988, 14-42) brachte folgendes Ergebnis: von 522 flektierten Verben regieren nur 6 einen rein substantivischen 1. Aktanten, ohne ihn pronominal wiederaufzunehmen; in 4 Fällen (unpersönliche Konstruktionen) wird der 1. Aktant implizit ausgedruckt (davon 3 mal falloir, einmal faire; fait chaud). Bei allen anderen Verben ohne Personalpronomen (19 mal) handelt es sich um Imperative, wovon die meisten zudem partikelhaft (tiens) gebraucht werden.
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sich durch obligatorische Personalpronomina auszeichnen (vgl. je/tu/il/on casse vs. la casse; je/tu/il/on blaire vs. le bJair; je/tu/il/on drague vs. la drague; je/tu/iJ/on frime vs. la frime; je/tu/il/on bile vs. la bile; je/tu/ il/on bise vs. la bise; je/tu/il/on gueule vs. la gueule u.v.a; Beispiele aus Caradec 1977). Immerhin finden sich auch im geschriebenen Fr. gelegentlich Spontanbildungen: der Skiort La Plagne etwa wirbt (in einem Prospekt vom Sommer 1989) mit dem Slogan: " Moi, je Plagne completement". In einer Werbeannonce für die Wollmarke Berger du Nord wird einer dort abgebildeten Frau die Aufforderung "Berger du Nord, laine-moi" (Marie Ciaire ll-nov.-1986, 92) in den Mund gelegt. Für die Stellung des Verbs im standardfranzösischen System der Wortarten ist es jedoch charakteristisch, daß die genannten Fälle des Typs (O > K 1) nur eine marginale Rolle spielen; ausschließlich durch das Personalpronomen markierte Verschiebungen des Typs A/E > K l kommen gar nicht vor. Dazu stimmt, daß auch der Übergang von Verben auf die Konnexionsebenen 2, 3, 4 im Unterschied zu den anderen lexikalischen Kategorien auffällig klar durch spezifisch grammatikalisierte Translations verfahren geregelt ist: Inifinitiv, Partizip und sog. gerondif steuern gewöhnlich und ausschließlich die Zielfunktionen K 2, K 3 bzw. K 4 an. Die Funktionsklasse besitzt also nur geringe Durchlässigkeit, d.h. sie besitzt eine große Affinität zur lexikalischen Kategorie Verb und gestattet gleichzeitig nur in beschränktem Maße die Aktualisierung nicht-verbaler Lexeme; hinzu kommt das hohe Maß syntaktisch eindeutiger Kennzeichnung; beide Besonderheiten lassen die Verben gewissermaßen als eine "Monade" unter den Wortarten erscheinen. Ein Vergleich mit den in diesem Punkt typologisch vollkommen verschiedenen Kreolsprachen ist aufschlußreich; er zeigt, wie nah das Französische hier dem Romanischen geblieben ist. FUr die französisch basierten Kreolsprachen ist es kaum noch sinnvoll, von einer eigenständigen, dem Romanischen vergleichbaren Kategorie 'Verb' auszugehen: bestimmte semantische Mermale, z.B. die Person, werden trotz sehr verschiedener syntaktischen Funktionalisierung gleich kodiert. Ein Personalmorphem wie z.B. zot (2./3. Pers.Pl.) aus dem Kreol von Maurice Beispiel in Valdman 1978, 196f.) kann sowohl in Syntagmen des Typs zot lakaz 'votre/leur maison* auftreten, als auch in Konstruktionen wie zot res isi 'vous restez ici'10; Syntagmen wie lakle i an didan (Kreol von Dominique; Beispiel in Valdman 1978, 159) können deshalb a) 'sä de est a l'interieur' oder b) 'enferme-le ä l'interieur* bedeuten. Andererseits kann dasselbe Lexem durch funktionsgebundeDie französisch basierten Kreolsprachen von Louisiana, Guyana und den Inseln des Indischen Ozeans differenzieren in der dritten Person Sg. zwischen Possessivum und Personalpronomen. Im Kreolischen von Haiti und den Kleinen Antillen gibt es keinerlei Unterschiede zwischen den beiden Funktionen (vgl. Valdman 1978, 196f.).
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ne Morpheme syntaktisch sehr unterschiedlich festgelegt werden (Beispiele aus dem Kreol von Haiti in Bentolila 1978, 68): loraj ap [Kontinuativpartike!3 gronde Torage gronde' vs. m'ap bay on Cunbest. Artikel] gronde 'je vais chanter un "gronde"'; auch zwischen der Ebene der Verben und Aktanten auf der einen und der Ebene der Expansionen von Verben und Aktanten auf der anderen Seite besteht keine scharfe Trennung (Beispiel aus dem Kreol von Haiti ebd.): //' chita sou tab la "\\ se met ä table' vs. m'ap on ti chita 'je vais m'assoir un peu' vs. dlo chita fe moun malad Teau stagnante rend malade'.
3. Du qui porte: die zweite Konnexionsebene In der Konditionierbarkeit durch spezifische Morpheme ähnelt die zweite der ersten Konnexionsebene. Ganz anders steht es jedoch um ihre Durchlässigkeit: Artikel sind in weitaus geringerem Maße als die Personalpronomen an eine bestimmte lexikalische Kategorie (in diesem Fall O) gebunden und dienen häufig der Markierung des Ebenenwechsels, wenngleich sie im Französischen nicht frei verfügbar sind. Die vielseitigsten Möglichkeiten bietet zweifellos der sog. Teilungsartikel, der es gestattet, Adjektive (Partizipien) aber auch längere Nominalsyntagmen oder verbale Knoten zu transferieren. Manche Ausdrücke sind bereits fixiert, so z.B. du pareil: «Seulement lä, c'est plus du pareil» (Cinoche 82). Der folgende kleine Ausschnitt aus Boris Vian (Chroniques du menteur, 45) vereinigt unterschiedliche Typen: En falt, si veut ecrire n'importe quo! dans le· Temps modernes, on ne peut pas. II faut du serieux, du qui porte, de l'article, de fond, du resuce, du concentre, du revendicatif, du denonciateur d'abus, de l'antityrannique, du libre, du degage de tout. Du vent du large et du souffle d'air pur dans la gehenne d'ici-bas. Ce n'est pas assez. Place aux autres.
Der (Teilungs-)Artikel ist zwar ein hinreichender, aber kein notwendiger Marker, denn die Abwesenheit von Artikeln bedeutet keineswegs automatisch die ("desubstantivische") Verschiebung von Substantiven auf die dritte oder vierte Konnexionsebene. Das Dogma von der Obligatorietät des Artikels im Französischen dürfte einer breiten empirischen Analyse kaum standhalten. Da diese Auffassung jedoch weitreichende Konsequenzen für die Abgrenzung des unmarkierten Ebenenwechsels der Substantive hat, müssen wir kurz darauf eingehen. Stellvertretend geben wir die Ansicht von Dubois 1965, 150) wieder: L'absence de l'article supprime l'existence du syntagme nominal. En francais moderne, ce dernier n'existe pas sans l'article ou le numeral (ou certains termes de la m6me classe), ou sans un adjectif pronominal; si le mot de la classe des substantifs est employe seul, il cesse de pouvoir former un syntagme nominal.
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Recht geben muß man Dubois zweifellos für die Typen Pierre est medecin (vs. Pierre est un medecin) bzw. den Typ avoir peur etc. (s.u.). Mit der möglichen Expansion durch ein Gradadverb (z.B. tres) führt er ein für die genannten Fälle überzeugendes Argument an. Es lassen sich allerdings nicht alle Beispiele auf diesen gemeinsamen Nenner bringen, da die Konstruktion nicht auf fixierte Fügungen beschränkt ist. Es gibt durchaus Syntagmen, in denen ein artikelloses Substantiv als nominales Subjekt bzw. als direktes Objekt aufgefaßt werden muß. Einige Beispiele: 1.
... il arrive toujours malheur ä John Wayne.
2.
S'il y a elements d'instabilite, j'observe avec satisfaction que... ; (Express 7-julllet-1989. 49)
3.
Ainsi bien qu'il adorät generate ä la maison,
4.
... tu n'as pas idee, ma bonne, de ce qu'ils sont cornichons au theStre. (Emmene-moi 32)
femme
et
enfants,
(Cinema,76)
la
reprobation etait (Vol 34)
Weder malheur (Beisp. 1) und elements (Beisp. 2) noch femme (Beisp. 3) oder idee (Beisp. 4) wären hier durch tres, si o.a. erweiterbar - wohl aber ließe sich cornichons (Beisp. 4) in Ausdrücken wie ils etaient tres/assez etc. cornichons au theatre verwenden; doch auch in Verbindung mit Kopulaverben sind artikellose Nomina nicht immer adverbial determinierbar: Le bluff a l'americaine ne prend pas Cen Chine; Th.K.3 parce que beaucoup trop grossier, car ici tout est nuances. (Vol,17)
Auch alternierender Gebrauch des Artikels begegnet: Que ce soit pour affaires ou pour l'agrement, en Europe ou dans le monde entler, voyager en tout confidence avec votre carte VISA. (Express 28-oct.-1988)
Entscheidendes Argument gegen eine automatische Verschiebung bei fehlendem Artikel sind jedoch einige andere in letzter Zeit, speziell in der Presse häufig zu beobachtende Verwendungsweisen begleiterloser Substantive Der folgende Abschnitt zeigt einige charakteristische Beispiele; er bildet einen inhaltlich abgeschlossenen Teiltext (Biographie des Protagonisten) einer längeren Reportage: Fils de proprietaire terrien hongrois, pendant sä jeunesse, a Budapest, il ae gave de partitions et de films francais. Täte du piano - un peu du droit international - beaucoup - et, la guerre venue, s'ingenie, dans une gare de triage, ä faire derail ler les trains de ravitaillement allemands. De quoi se retrouver journaliste a la radio hongroise. Puis, quand les Sovietiques matent le pays, ä Paris. Rencontres - Ferre, Piaf. Tournee· de bridge. Et, au passage, coup de foudre pour le parvis Saint-Michel, ä Menton. II creera la «son» festival. Sans ramasser le jackpot: la premiere monture tombe en pleine guerre de Coree, qui occupe les ondes et vides les gradins. (Express 3O-juln-1989, 63; wir heben hervor).
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Die hervorgehobenen begleiterlosen Substantive prägen gemeinsam mit text-funktional verwandten Verfahren (fehlende Personalpronomina, Nominal- bzw. Infinitivsätze) den stark nominalen Charakter des Abschnitts und verleihen ihm eine klare stilistische Eigenständigkeit innerhalb des Textganzen 11 . Syntaktisch dependenziell interpretiert: der fehlende Artikel markiert hier keine "Denominaliserung", sondern er kennzeichnet die Selbständigkeit der hervorgehobenen nominalen Knoten, d.h. die Abwesenheit übergeordneter Konnexionen der ersten Ebene. Diese syntaktische Funktion kann textsemantisch unterschiedlich ausgenutzt werden: zur komprimierten, verknappten Darstellung, so im genannten Beispiel, zur thematischen Zusammenfassung, so bei Über- bzw. Unterschriften, zum thematischen textinternen Resümee, zum textinternen rhematischen Kommentar. Dazu einige Belege. Charakteristisch für Modezeitschriften (Beispiele aus Marie Claire sept. 1987) sind Photokomentare wie: -
Confort d'un pardessus crois^ et ne...;
-
Dynamlsme des rayures vertes et noires pour jupe droite et p u l l assort! en lambswool a petit col montant [...]. Accessoires Georges Rech. (221) Sobrlete
court
en velours de
laine mari(220)
d'une robe bleu marine....
(218)
Sehr verbreitet, man kann sagen en vogue, ist der Gebrauch im thematischen, pointierten Resümee (wir heben hervor): Elle Cla couture; Th.K.D fait trlompher le court court, pour le soir aussi, Jeu de Jambe· aedulsant; (Marie Claire sept. 1987, 22O) line chemise blanche, une jupe: version sublimee du smoking; (ebd. -
quelques mois dages pour la presenter aux dan· le· rang·.
195)
plus tard, Coluche plafonnait a 12% dans les sonpresidentielle de 1981, sans autre ambition que de politiques un miroir deforme d'eux-memes. Panlque Mais le phenomene n'etait pas insignifiant; (Express 31-mars-1989, 7)
Bref, on assiste aujourd'hui au triomphe - syndicat en moins - de la social-democratic. Douloureux spectacle pour un precurseur nomme Valery Giscard d'Estaing! (ebd. 11) -
On veut bien de union C . . . 3 . Mais se remettre sous la coupe de Giscard: attention, danger pour la suite. (Express 28-oct.-1988, 9)
Im wenig formellen Französisch ist question zu einem präpositionsähnlichen Themasignal auf Satzebene geworden; es verschmilzt mit dem, ebenfalls Dies sind auch Merkmale des sog. "Telegrammstils"; der zitierte Abschnitt ist jedoch, wie die zahlreichen Segmentierungen zeigen, stilistisch anders markiert. Im Übrigen ist es mißlich, eine Texttypenbezeichnung auf den untypischen, stilistisch markierten Gebrauch der jeweils charakteristischen sprachlichen Mittel innerhalb eines anderen Texttyps zu Übertragen.
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ohne Artikel angeschlossenen substantivischen Thema zu einem selbständigen Knoten der zweiten Konnexionsebene, der gewöhnlich anaphorisch (Beispiele 1-4) wieder auf- bzw. kataphorisch (Beispiel 5) vorweggenommen wird (Belege aus Cinoche; wir heben hervor): 1.
De ma piaule j'ai une vue sur le lac, mais question proprete, con for t, apres l'hötel des Princes c'est degringolade; (176)
2.
Question spectacle, ca vaut le coup d'oeil je reconnais;
(83)
3.
Question complexes, certes, lls en etaient debarasses;
(42)
4.
Question clnoche, c'etait k l f ,
(47)
5.
Au club il pouvait les semer tous question descente... .
11 s'entichait d'un dernier f i l m . . . ;
(53)
Eine letzte Bestätigung dafür, daß der Nullartikel zur Markierung eines nicht verbal auf der ersten Konnexionsebene eingebetteten nominalen Knotens taugt, bietet seine Verwendung in Appositionen und absoluten Partizipialkonstruktionen: -
On les CExpress, les Jours de France; Th.K..] feuillette en attendant, molalre lancinante, chez le dentiste; (Cinoche 51; wir heben hervor)
-
Margerit avait ecrit, il y a un quart de siede, ce monument, roman hlstorlque de plus de 2ooo pages...: (Express 7-juillet-1989, 69; wir heben hervor)
4. Les garcons Etaient tr6s filles: die dritte Konnexionsebene Die beiden noch zu besprechenden mot plein-Kategor'ien bilden in mehrfacher Hinsicht eine Gruppe: 1) Abgesehen von den Adverbien auf -ment stehen weder flir die Funktionalisierung auf der dritten noch auf der vierten Konnexionsebene syntaktisch spezifische Morpheme zur Verfügung. 2) Sowohl auf der dritten als auch auf der vierten Ebene aktualisierte Lexeme lassen sich durch dieselbe Gruppe von Wörtern, die sog. Schätz- und Vergleichsadverbien 12 , erweitern. In der adjektivischen Numerus- und Genuskongruenz findet die syntaktische Dependenz ihre morphologische Entsprechung; freilich gilt: «Gut die Hälfte aller Adjektive der frz. Sprache ist jedoch gegenüber dem Genus neutral» (Weinrich 1982, 52). Es besteht also auch keine kategoriell-morphologische Barriere gegen die entsprechende Aktualisierung nicht, oder nur teilweise kongruenzfähiger Vertreter anderer lexikalischer Kategorien. 13 In 12 13
Die Bezeichnung
prägt Weinrich 1982, 4S2ff.
Elne interessante Randerscheinung bilden Fälle, in denen attributiv gebrauchte Substantive ihr Genus dem des Determinatums angleichen: "ou qu'il est barre ce putaln de möme?" (Combattants 23); zur semantischen Funktion von putain v g l . auch die bUndnerrom. Beispiele in Anmerkung 14.
90
der Tat ist unmarkierter "adjektivischer" Gebrauch von Substantiven sehr weit verbreitet. In vielen Fällen entspricht er der Standardnorm (vgl. Grevisse § 377), etwa beim attributivischen Anschluß von Eigennamen (Typ: des pneus Michelin) oder bei der Präzisierung von Farbwörtern (Typ: bleu del), die ja im Übrigen auch nicht kongruiert werden (une robe vert olive). Entsprechende Bildungen treten im Französischen verstärkt in bestimmten Texttypen (Katalog, Anzeigenwerbung) und mit deutlicher Affinität zu bestimmten semantischen Bereichen auf1*. In der Modesprache, aber auch bei der Bezeichnung von Kosmetika etc. scheint der präpositionslosen Komposition keine Grenze gesetzt; wir geben einige Beispiele aus Elle (E) und Marie Ciaire (MC; beide Hefte vom Sept. 1987): -
le tailleur etole (MC 167), u n tailleur pantalon (MC 184), une veste etole (MC 166), une jupe-culotte (MC 165), une robe trompe 1'oeil (MC 163), un col style cheminee (MC 16O), un col tailleur (MC 189), un col chemise (MC 179), un col off Icier (MC 176), un pull col roule (MC 188), Je vest o/i confort (MC 187), un veston passion (MC 2O8), les robes— man tea ux (MC 178), une robe chemisier (MC 157), les combinaisorts pantalona (MC 179), une Jambe portefeuille (MC 179), une manche-gant (MC19O), une robe style Renoir (MC 2O8), le chapeau vertige (MC 2o7), le man tea u couleur (MC 2o7), l'lmper-trench (MC 199), escarpins croco grls (MC 184), trotteurs-ville (E 26), un petit blouson a emplacement tallle haute (MC 198), des bottillons-guetres (MC 14O), mode petit budget (E 11), mode maquillage automne—hiver (E 12), l'effet coup de soleil (E 22), le soin-maquillage ( E 27), le soin-beaut.& (E 27), le soin creme karite (E 133), l'avenir beautä (E 23), 7es produitscheveu\ (E 147), des coiffeurs-conseil (E 55), une vie longue duree (E 27), les boissons-bronzage (MC 242), une creme apres-solell (MC 242), creme protection continue (MC 255), des Pasteis Joues/Paupieres (MC 276), Pastel Teint (MC 276), une invention-creation (MC 195), l'ceilseduction (MC 197), la bouche-passion (MC 197), une grande nouvautä soin (MC 146).
Die kleine Zufallsauswahl bestätigt, daß sich manche Bildungen zu quasiderivationellen Mikroprogrammen zusammenstellen lassen (col-, robe-, creme-, effet- etc.), was den bekannten Typen auf -pilots, -choc, -de, -maison, -miracle, -oclair, -idee etc. (vgl. Gauger 1971, 157) entspricht. Doch gilt dies längst nicht für alle belegten Formen: die asyndetische Komposition, bzw. der attributive Gebrauch nicht aktualisierter Substantive hat im Gegenwartsfranzösischen auch über die genannten Bereiche hinaus eine erstaunliche Produktivität entfaltet, die sich kaum noch semantisch oder lexikalisch (derivationell) eingrenzen läßt. Wir geben deshalb noch einige Beispiele aus zeitgenössischen Romanen von Philippe Sollers (Femmes), Alphonse Boudard (Cinoche) und Blaise Cendrars (Vol ä voile und Emmenemoi au bout du monde): l'homme bordel (Femmes 259), un esprit-chagrin Zu den vergleichbaren Möglichkeiten des BUndnerrom. vgl. Liver 1989, 788f.; hier können Substantive als semantische Modifikatoren gebraucht werden: v g l . z.B. surs. Elative des Typs in belleiia di 'ein strahlend schöner Tag' bzw. surs. KraftausdrUcke des Typs /na stria lavur 'eine verflixte Arbeit' bzw. in stoda cumpogn 'ein Mordskerl' (stoda ursprUnglich 'Stute') u.a.
91
(ebd. 118), positions-postures (ebd. 259), l'oiseau-roc (ebd. 260), la trappe-abces (ebd. 196), la nausee-racine (ebd. 191). Auch mehr als zweigliedrige Zusammensetzungen begegnen; dabei können einzelne oder mehrere Kompositionsglieder ihrerseits erweitert werden: la decouverte-tarte-ä-la-creme (Femmes 45), un cheval demi-cirque (ebd. 19), Reagan parle dans son style serie B cow-boy (ebd. 113), le grand-petit-monde editions-media (ebd. 207), // s'enfermait dans sä caroe avec Gloria ... le gros dodo deux heures minimum (Cinoche 48). Es gibt sogar viergliedrige asyndetische Zusammenrükkungen: -
Le tout est nult;
enveloppe dans
une
feuille
de papler
feutre
couleur (Vol 17)
... chacun de ses mouvements decouvrait ses jambes maigrichonnes de vieille femme enfilees dans des bas Illusion couleur chalr... . (Emmene-moi 28)
Die genannten Formen zeigen, wie schwer sich die Syntax von der Wortbildung abgrenzen läßt; wir brauchen hier nicht zu diskutieren, ob es Überhaupt notwendig ist, jede Zusammenrückung von Substantiven kategorisch entweder als Komposition oder als syntaktische Fügung aus Substantiv + attributiv gebrauchtem Substantiv einzuordnen. 15 Aus dependenzieller Sicht ist eine scharfe Trennung ungerechtfertigt, denn die Erweiterbarkeit des jeweils an zweiter Stelle stehenden Substantivs hängt nicht von syntaktischen, sondern ausschließlich von semantischen Kriterien ab. Zahlreiche auf der dritten Konnexionsebene gebrauchte Substantive lassen sich analog zu den Adjektiven durch Schätz- und Vergleichsadverbien (tres, assez, plus etc.) erweitern.16 1.
VIVIS. La plus regime des confitures; (Werbeannonce fUr kalorienarme Konfitüre; MC nov. 1986,33f.)
2.
A Bakou, lors des manifestations de l'automne 1988, l'imam Khomeini - Symbole plus que modele - est moralement present; (Express 7-juillet-1989,42)
3.
Les femmes ont envie d'etre classiques aussi, un jour ou l'autre, en contrepoint de la mode tres mode; (MC sept. 1987, 186)
Vgl. dazu Gauger 1971: "Die Grenze zwischen Wortgruppe und 'Wortzusammensetzung ist fließend» (136). «Ob eine Zusammensetzung von Wörtern zu einer Wortzusammensetzung , zu einem Wort also, sich k r i s t a l l i siert, hängt letztlich von demjenigen ab, worauf es intendiert und von der Rolle, welche diesem Intentum im Bewußtsein des Sprechenden zukommt. Erscheint es, wie bei voiture-restaurant, als ein unter anderen Dingen vorkommendes und von anderen Dingen - als ein besondere· Ding - zu unterscheidendes Etwas, dann ist die Bildung in jedem Fall nicht mehr bloß eine Verbindung von Substantiv und (substantivischem) "Adjektiv", sondern eine Zusammensetzung C . . . J . Ob eine Verbindung ein Wort ist, oder nicht, ist somit letzten Endes durch außersprachliche Faktoren bedingt" (149). So schon Hermann Paul 9197S, 3S6f., der französischen Beispielen griechische, lateinische und deutsche, bzw. mittelhochdeutsche Parallelen zur Seite stellt.
92 4.
... un jeu de coupe tres etonnant, tres couture;
(ebd.191)
5.
Fidele a son style, il [ein Modeschöpfer; Th.K. 3 les a voulues [gemeint sind Schuhe; Th.K.] elegantes, feminines et un peu sport. (ebd. 140)
Daneben gibt es auch asyndetische Substantivfügungen (etwa soin beaute), deren nachgestelltes Nomen nicht durch ein entsprechendes Adverb erweiterbar ist. Dies ist der Fall bei allen Zusammensetzungen, die keine Determinans-Determinatum-Struktur haben. In einen Übergangsbereich gehören nun z.T. gerade Formen, die nicht als Spontanbildungen anzusehen sind, sondern zu den oben erwähnten Mikroprogrammen (auf -modele, -maison, -choc etc.) gehören und insofern gerade produktiven Wortbildungsmustern folgen. Reduziert man etwa die Apposition des Beispiels 2, ergibt sich das "Kompositum" symbole modele (ähnlich ließe sich aus dem Slogan in Beispiel l unschwer die Gattungsbezeichnung confiture regime ableiten). Auch Formen wie une tarte vraiment maison neben tarte maison, un prix tres choc neben prix choc, oder mit leicht karikierendem Unterton un projet vraiment pilote neben projet pilote scheinen akzeptabel, Formen wie »une maison vraiment temoin oder *un roman tres de jedoch nicht. Analog zum attributiven Gebrauch können Substantive auch in prädikative Funktion verschoben werden. Die Norm ist hier allerdings komplizierter, wie ein Vergleich einschlägiger Syntagmen zeigt. In Verbindung mit etre erfordern Prädikatsnomina, die durch artikellose Substantive gebildet werden, einen personalen 1. Aktanten, d.h. sie sind auf einen fest umrissenen semantischen Bereich beschränkt. Bei allen Berufs- und manchen anderen Personalbezeichnungen ist der Ausfall des nominalen Begleiters obligatorisch (Typen il est prof und il est devenu pere). Syntaktisch verhalten sich Substantive in solchen Konstruktionen eindeutig wie Adjektive 17 ; sie haben nicht die spezifischen Konnexionsmöglichkeiten der zweiten Ebene (*il est medecin que je prefere), sind aber ohne weiteres adverbial erweiterbar. Sätze wie // est tres prof sind vollkommen akzeptabel - auf die Bedeutungsverschiebung kommen wir zurück. Merkwürdigerweise sind jedoch Syntagmen dieses Typs durchaus nicht immer um das erweiternde Adverb reduzierbar, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen: C . . . 3 les garcons etaient tres femmes;
(Femmes, 131)
Lui est photographe de presse. Tree enfant de caractere, rnais avec un cote tres seduisant, actif, sain gai . (Cinema 187) Vgl. die noch recht zurückhaltende und einschränkende Formulierung in Wartburg/ Zumthor 219S8, 277f. : "Ordinalrement seuls les adjectifs qualificatifs (ou les participes de valeur adjectivale) sont susceptible d'etre affectes des signes de degres de comparaison. Pourtant, les noms, sui— tout ceux qui designent des £tres animes, peuvent prendre, en emploi predicatif, une valeur adjectivale: en ce cas, on peut les rencontrer au comparatif ou au superlatif".
93
Dies gilt in besonderem Maße flir die Prädikation von Substantiven, die nicht das Merkmal 'persönlich' tragen. Den wenigen fixierten Ausnahmen (Typen: // est vache oder c'est chouette) isolierter Substantive steht die uneingeschränkte prädikative Verwendbarkeit adverbial erweiterter Substantive gegenüber: Pompon est cette petite Francaise d'etre le plus pur, le plus transparent, le plus fragile, l· plus porcelain« que je connaisse) qui se tira un coup de revolver dans le ventre— (Vol 96; wir heben hervor)
Die dependentielle Erklärung für diese auffällige Asymmetrie (eingeschränkter prädikativer Gebrauch isolierter Substantive vs. nicht eingeschränkter Gebrauch adverbial erweiterter Substantive) liegt auf der Hand: die Adverbien begünstigen die Konstruktion deshalb, weil sie die Konnexionsebene des verschobenen Substantivs deutlicher markieren; negativ ausgedruckt: es bestätigt sich die o.g. Vermutung, daß der Nullartikel nur bedingt als Marker fiir Aktualisierungen des Typs O > K 3 angesehen werden darf. Am Rande bemerkt sind Konstruktionen des Typs H est tres famllle (vs. *H est familJe) auch für die Analyse des plan somantique hochinteressant; die traditionelle semantische Auffassung des Adjektivs als eines Eigenschaftsworts bestätigt sich gerade in der Prädikation von Begriffen, die nicht für Akzidenzien ('rot', 'lieb' etc.) im herkömmlichen Sinn stehen: während eine substantivische Prädikation eine Identifikation bedeutet, prädiziert adjektivischer Gebrauch nur bestimmte, typische Qualitäten; ein gargon kann nicht mit einer fille identifiziert werden (*/7 est fiJJe), sehr wohl kann ein Junge jedoch - sogar in hohem Maße - mädchenhaft sein und insofern als tres fille bezeichnet werden. Konvers hierzu ist es selbstverständlich möglich, daß ein substantivischer Begriff, der eine qualifizierende Bedeutung, also eine Kernbedeutung der lexikalischen Kategorie Adjektiv trägt, semantisch identifizierend auf der Konnexionsebene 3 (+ tout/toute) aktualisiert werden kann: Prenez le patriarche de la plus riche dynastie americaine C...3; faites -lui rencontrer ä un vernissage un ex-mannequin touta Intelligence et beaute. (Express 7-julllet-1989, 68; wir heben hervor)
Nach dem Gesagten wird auch klar, warum die für die Verbindung von etre * Substantiv geltenden Einschränkungen nicht für die Konstruktion Faire + Substantiv zutreffen: durch die Verbbedeutung (analog zu Faire Harpagon, \O Faire le mort etc. ) ist eine Identifikation hier ausgeschlossen. Ein Ausruf wie ca Fait Paris! kann nur eine Similar!tätsbeziehung ausdrücken und muß deshalb auf eine andere Stadt referieren; im Bezug auf die französische 40
Väänänens Einschätzung, er spricht vom "manlere de ce neologisme (1967. 363) paßt nicht recht zur hohen Frequenz und zur Volkstümlichkeit der Wendung im gesprochenen Französisch.
94
Hauptstadt selbst (Kontiguität) ist er sinnlos. (Dem kleinen Paradigma atmosphärischer Bezeichnungen [// fait froid/jour etc.] liegt eine andere Verbbedeutung zugrunde - es gehört nicht hierher).
S. Un garcon coiffe derniere mode: die vierte Konnexions ebene Das Adverb ist zweifellos die heterogenste der vier mot p/e/n-Kategorien des Französischen. Spezielle Morpheme benötigen die unveränderlichen Adverbien zur Funktionalisierung auf der ihnen affinen vierten Konnexionsebene nicht, doch gibt es, ähnlich wie bei der Translation von Verben (Infinitiv: I > K 2; Partizip: I > K 3; 'gerondif ': I > K 4) ein spezifisches Morphem (-ment), das die Überführung von Adjektiven (A > K 4) markiert. 19 Wegen der Existenz des homonymen Nominalsuffixes (vgl. le supploment, le firmament etc.) ist diese Endung freilich kein eindeutiger Indikator. Nicht sehr produktiv ist die adverbiale Translation von -ment-Adverbien aus Substantiven (O > K 4; vgl. diablement, bougrement etc.2°) oder gar aus Verben (vgl. isoliertes vivement). Offensichtlich wird die Markierung der untersten (vierten) Konnexionsebene vom Sprecher eher als 'servitude grammatical' denn als wichtiges syntaktisches Konstruktionsprinzip angesehen: auch die normative französische Grammatik sieht die "adverbiale" Verwendung mancher Adjektive vor (parier haut/bas/franc/fort, tenir/sentir bon, voir clair etc.). Die Wortlänge spielt hier offensichtlich eine entscheidende Rolle; schon zweisilbige Wörter sind eher selten in dieser Funktion, jedoch auch im geschriebenen Französisch keineswegs ausgeschlossen, wie der gutgemeinte Ratschlag Apprenez ä manger leger... (Marie Claire sept. 1987, 248) zeigt. Weinrich (1982, 418f.) resümiert wie folgt: Man findet diesen Adverb-Typus hauptsächlich in mehr oder weniger lexikalisierten Wendungen. In ihnen ist die Bedeutung dieser Adverbien, verglichen mit der Bedeutung der formal entsprechenden Adjektive, stark eingeschränkt und zur Morphem-Bedeutung reduziert.
Dieser Interpretation liegt ein sehr weiter Morphem-Begriff zugrunde. Weinrich unterscheidet "Adverbial-Morpheme" und "Adverbial-Lexeme"; in einigen Fällen stehen unmarkierte Verwendung des maskulinen Adjektivs und suffigiertes Adverb auf -ment nebeneinander, wobei beide semantisch differenziert werden können (er zitiert /'/ l'a dit tout has 'leise' vs. // a agi 4
Zum besonderen, der Wortbildung bereits sehr nahestehenden Status dieses Typs der romanischen Adverbialbildung vgl. Koch/Krefeld (im Druck). Vgl. Bildungen wie die ZeitungsUberschrift "Tractionnement!" fUr einen Artikel Über ein älteres, abkürzend traction avant genanntes Modell der Firma Citroen (Sud Ouest, 29 juillet 199O, 3O).
95
bassement 'niedrig'). Weinrich versucht daraus einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen Adverbial-Morphemen (Adjektiv) und Adverbial-Lexemen (-ment) zu entwickeln (Reduktion der semantischen Merkmale bei Morphematisierung). U.E. ist dieser Vorschlag weder morphologisch und noch syntaktisch Überzeugend: warum soll man bas in parier bas als Morphem klassifizieren (als welches?), wenn gleichbedeutendes hasse in parier ä voix hasse jedoch ohne Frage ein adjektivisches Lexem ist? Auch semantisch ist Weinrichs Erklärung nicht einsichtig; hat adverbiales sec etwa in le type freine sec (Zazie 47) wirklich eine andere Bedeutung als das «formal entsprechende Adjektiv» etwa in un coup sec? Die adverbiale Bedeutung läßt sich kaum grundsätzlich durch Mermalreduktion aus der adjektivischen gewinnen. Verwendungen wie /'/ vaut mieux filer doux (Femmes 177) oder en tissu d'homme gris anthracite raye fin (Marie Claire sept. 1987,185) zeigen vielmehr, daß die Abgrenzung zwischen der dritten und vierten Konnexionsebene auch im /ranca/s icr/£ stark bedroht ist: obwohl sich doux21 und fin im Beispiel auch semantisch eindeutig auf das Verb beziehen, wird das synonyme Adverb vermieden. Im gesprochenen Französisch und in wenig formeller schriftlicher Verwendung wird man dem unmarkierten Gebrauch von Adjektiven auf der vierten Konnexionsebene mit dem Begriff der Lexikalisierung gewiß nicht gerecht. Entsprechende Verwendung auch mehrsilbiger Adjektive hat hier nichts Außergewöhnliches: (£a serait pas drÖle, clit Gabriel, fauclrait alerter les roussins, probab.
(Zazie 39)
Im francais populaire ist das Adverbial suffix weitgehend aufgegeben worden. Wir geben einige Beispiele aus einem, dem Argot nahestehenden Roman von Alphonse Boudard (Les combattants du petit bonheur): Son service aux reel po»ltlf;
bataillons
d'infanterie legere
d'Afrique,
ca
c'etait (19)
De quoi se faire serrer Immedlat si le chleus avaient eu un peu de flair; (145) -
H s'ameliore pas exceaelf depuis trois piges;
(146)
Slnon il serait plus que probable en Allemagne embarbele;
(172)
-
Aux Trois Chemins, ca c'etait deroul£ tres different;
(199)
K 4 läßt sich deshalb nur schwer mit komplexen Konnexionsgefügen der ersten Ebene vereinbaren; sie werden allenfalls mit Kopulaverben und einwertigen bzw. einwertig oder reflexiv gebrauchten mehrwertigen Verben verbunden. Manche sind sogar auf die Erweiterung von Partizipien, d.h. auf die Bildung adjektivischer Knoten beschränkt Dazu ein Beispiel. In einer Werbekampagne, die zum Stricken anregen wollte (das Plakat zeigt ein von einer Stricknadel durchbohrtes rotes Herz), wurde der Slogan Tricote main, tricote cceur geprägt. Der Ausdruck, der sich deutlich an den Anglizismus fait main anlehnt, zeigt die Funktionstüchtigkeit aber auch die Restriktion der Verfahrens: zwar lassen sich Syntagmen wie un pull fait/tricoto main oder ce pull est fait/tricote main bilden. Ein personaler Aktant erfodert jedoch die Markierung der adverbialen Funktion: eile travail le/tricote ä Ja main, eile a tricote ce pull ä la main (vs. *elle a tricotä/fait ce pull main). In Beispielen wie "eile me regarde, encore plus velours" (Femmes 176) zeigt das segmentierende Komma, daß velours hier als Aktualsierung desTyps O > K 3 (d.h. als "Adjektiv") und nicht als O > K 4 (d.h. "adverbiale Erweiterung eines transitiv gebrauchten Verbs") aufzufassen ist.
Wir geben Beispiele fUr den präpositionalen Gebrauch von direction, cöte, genre, in Verbindung mit einem begleiterlosen Substantiv: - je retourne me coucher. U s'oriente direction plumard; (Zazie 39) - on distinguait a peine [...] mal dissimules dans le fond de la salle et par-ci par-lä dans les fauteuils, au bas des rangs, c6t* jardl n, des habitues du theatre; (Emmene-moi 47) - un garcon C . . . 3 coiffe derniere mode genre Bonaparte au Pont d'Arcole. (Cinoche 177)
98
6. Verben, Nicht-Verben und die Hierarchie der Konnexionen Die folgenden Synopsen zeigen in zwei Spalten die angeführten nicht markierten Wechsel der Konnexionsebene für jede der vier Kernwortarten im Zusammenhang mit den anderen möglichen Funktionalisierungen. Die lexikalische Kategorie und die jeweils affine, primäre Konnexionsebene werden in einer Zeile nebeneinander gestellt; im Fall der primären Funktionalisierung wird durch Asterisk gekennzeichnet, ob sie - durch funktionsspezifische Begleitmorpheme (Konjugationsmorpheme, Artikel, Kongruenz- und Steigerungsmorpheme), - durch unspezifische Markierungen (z.B. de) oder - unmarkiert erfolgen kann. Im Fall der sekundär aktualisierbaren Konnexionsebenen zeigt der Asterisk: - ob die jeweilige Verschiebung durch Verfahren markiert werden muß, die für die (Ausgangs-)Kategorie spezifisch sind (Partizipien, 'gerondif, Infinitivendungen ), - ob der Wechsel unspezifisch markiert wird, (z.B. durch de), - ob verschobene Lexeme ebenso wie Lexeme der jeweils affinen Kategorie funktionalisiert werden oder - ob die Funktionalisierung eben gänzlich unmarkiert erfolgen kann. Belegte aber nicht produktive Verschiebungen werden durch (?) markiert.
99
Schema I: Ausgangskategorie Verb
Lexikali sehe Kategorie
aktualisierbare Konnexionsebenen
primär Verb
sekundär
K 1 Funktional i sierung
[?)
morph. unmarkiert morph. unspezifisch markiert
*
morph. spezifisch markiert K 2 Funktional isierung
£
durch kategoriesper. Wechselmarker durch unspezifische Wechselmarker
*
wie genuine Substantive morph. u n m a r k i e r t K 3 Funktionali sierung
g
durch kategoriespez. Wechsel marker durch unspezifische 'Wechselmarker
*
wie genuine Adjektive morph. unmarkiert K 4 Funktionalisierung
£
durch kategoriespez. Wechselmarker durch unspezifische Wechsel marker morph. unmarkiert
100
Schemall: Ausgangskategorie Substantiv
Lexikalische Kategorie
aktualisierbare
Konnexionsebenen
primär
sekundär
K l Funktional is ierung durch kategoriespez Wechsel marker durch unspezifische Wechselmarker *
wie genuine Verben morph. unmarkiert
Substantiv
K 2 Funktionalisierung morph. unmarkiert morph. unspezifisch markiert morph. spezifisch markiert K 3 Funktionalisierung
durch kategoriespez. Wechselmarker durch unspezifische Wechselmarker wie genuine Adjektive morph. unmarkiert K 4 Funktionalisierung
durch kategoriespez Wechselmarker durch unspezifische Wechselmarker *
morph. unmarkiert
101
Schema III: Ausgangskategorie Adjektiv Lexikalische Kategorie
aktualisierbare Konnexionsebenen
primär
sekundär K 1 Funktionalisierung
durch kategoriespez. Wechsel marker durch unspezifische Wechselmarker *
wie genuine Verben morph. unmarkiert K 2 Funktionalisierung
durch kategoriespez. Wechsel marker *
durch unspezifische Wechsel marker
$
wie genuine Substantive morph, u n m a r k i e r t
Adjektiv
K. 3 Funktionalisierung
*
morph. u n m a r k i e r t
£
morph. unspezifisch markiert
*
morph. spezifisch markiert K 4 Funktionalisierung
*
durch kategoriespez. Wechsel marker
*
durch unspezifische Wechsel marker
*
morph. unmarkiert
102
Schema IV: Ausgangskategorie Adverb Lexikalische Kategorie
aktualisierbare
Konnexionsebenen
primär
sekundär
K 1 Funktionalisierung durch kategoriespez. Wechsel marker durch unspezifische Wechsel marker wie genuine Verben morph unmarkiert
K 2 Funktionalisierung durch kategoriespez. Wechselmarker *
durch unspezifische Wechselmarker
(?) wie genuine Substantive morph. unmarkiert
Funktionalisierung
23
durch kategoriespez. Wechsel marker durch unspezifische Wechselmarker wie genuine Adjektive * Adverb
morph. unmarkiert
K 4 Funktionalisierung morph. unmarkiert morph. unspezifisch markiert morph. spezifisch markiert
23*Auf K. 3 lassen sich freilich nur stammhafte, nicht bereits aus ven mittels -ment abgeleitete Adverbien aktualisieren.
Adjekti-
103
Wir resümieren unseren Überblick in vier Thesen: 1. Dem großen Konnexionspotential und der hierarchisch dominierenden Rolle der Verben entspricht ihre bis in die Translationen hinein hochspezifische Markierung. Demgegenüber lassen sich die drei anderen mot-pleinKlassen als Nicht-Verben zusammenfassen. 2. Die Gemeinsamkeiten der drei nicht-verbalen Klassen überwiegen, auch wenn zur Markierung der zweiten und dritten Konnexionsebene analog zu den Verben spezielle Begleiter (Artikel, Derivationssuffix -ment) zur Verfügung stehen. Zunächst fällt eine im Vergleich zu den Verben deutlich schwächere Affinität zu einzelnen lexikalischen Kategorien ins Auge; Lexeme der drei Kategorien O, A, E können auf verschiedenen Ebenen aktualisiert werden, wobei die Morpheme, die den Wechsel der Ebene markieren jedoch weder fUr die Ausgangskategorie noch für die angesteuerte Funktion spezifisch sind . 3. Die einfachste Art unspezifischer Aktualisierung ist die schlichte Verwendung eines Lexems ohne die funktionsspezifischen Begleitmorpheme. Auch hier verhalten sich die Verben grundlegend anders: die (seltene) Abwesenheit eines Personalpronomens ist syntaktisch bedeutungslos. Anders im Bereich der drei nicht-verbalen Funktionskiassen, wo die fehlende Markierung der syntaktischen Leistung oft gleichzeitig einen unmarkierten Wechsel der Konnexionsebene bedeutet und deshalb einen Verlust an syntaktischer Eindeutigkeit mit sich bringt. Etwa ein artikelloses Substantiv kann ebenso gut auf der zweiten, dritten, oder vierten Konnexionsebene aktualisiert werden (vgl. das Nebeneinander von avoir grand faim und avoir tres faim). Besonders charakteristisch ist der unmarkierte Ebenenwechsel für den Gebrauch nicht-verbaler Lexeme auf der dritten und vierten Konnexionsebene. Im konzeptionell eher gesprochenen Französisch scheint dem lexikalisch-kategoriellen Unterschied zwischen Adjektiv und Adverb keine klare Abgrenzung der dritten und vierten Konnexionsebene mehr zu entsprechen; zwischen Adverb und Adjektiv besteht nur mehr ein lexikalischer Unterschied: ihre strikte Trennung ist aus dependenzieller Sicht obsolet. 24
Universalmarker par excellence ist folgenden Aktualisierungen: lex.
Kategorie
die
Präposition
de;
sie
erlaubt
die
Konnexionsebene
de
+
0
> K 2 > K 3 > K 4
(il n'y a pas de pain) (la maison de mon pere) (Je suis part/ de bonne heure)
de
+
A
> K 2 > K 3 > K 4
( ce qu'il y a de vrai) ( une place de //fare) (// a telephone de nouveau)
de
+
E
> K 2
(ce qu'il y a de mieux)
104
Schema V: lex. Kategorie O E
O A
>
Markierung
Konnexionsebene
&
>
K 3 (un pull mode/une femme
0
>
K 4
(habillo mode/ree/ positif
bien)
(fort bjen)
4. Die vier lexikalischen Kategorien lassen sich also keineswegs auf vier ebenso klar geschiedene, gleichförmige Ebenen der syntaktischen Konstruktion abbilden. Gemessen an den unmarkierten Verschiebungen erweist sich die Affinität einer Konnexionsebene zu einer lexikalischen Kategorie vielmehr als um so schwächer, ihre Durchlässigkeit für andere Wortarten als um so grosser, je niedriger ihr Rang in der Dependenzhierarchie ist. Dies soll im abschließenden Schema durch die unterschiedliche Strichelung verdeutlicht werden: lexikalische Kategorie
Konnexionsebene
I
1
O
2
A
3
E
4
Abkürzungen:
-
I = 'Verb' O = 'Substantiv* A = 'Adjektiv' E = 'Verb' K 1-4 = 'Konnexionsebenen 1-4' m = Markierung für den Wechsel der Konnexionsebene
105
Bibliographie
1. -
Quellen Elle (verschiedene, jeweils angegebene Ausgaben) Express (verschiedene, jeweils angegebene Ausgaben) Marie-Claire (verschiedene, jeweils angegebene Ausgaben) Sud Ouest. Grand quotidien republicain regional d'information (Bordeaux; Ausgabe vom 29.7.1990) Chroniques = Boris Vian, ChronJques du menteur, Paris, 1974. Cinema = Boris Vian, Cinema science-fiction, Paris, 1978. Cinoche = Alphonse Boudard, Cinoche, Paris, o.J. (erstmals 1974). Combattants = Alphonse Boudard, Les combattants du petit bonheur. Paris, 1977. Emmene-moi = Blaise Cendrars, Emmene-moi au bout du monde, Paris, 1979 (erstmals 1956). Femmes = Philippe Sollers, Femmes, Paris, 1983. Ludwig = Ralph Ludwig, Texte des gesprochenen Französisch, Materialien I, Tübingen, 1988 (ScriptOralia 8). Vol = Blaise Cendrars, Vol ä voile, Paris, o.J. (erstmals 1960). Zazie = Raymond Queneau, Zaz/e dans le metro, Paris, 1972 (erstmals 1959).
2. Wissenschaftliche Literatur Bally, Ch. (*1965): Linguistique generale et linguistique /ranca/se, Bern. Bentolila, A. (1978): "Creole d'Ha'iti - nature et fonction naturelle", in: Etudes Creoles I, 65-76. Caradec, F. (1977): Dictionnaire du francais argotique et populaire, Paris. Dubois, J. (1965): Grammaire structurale du francais: nom et pronom, Paris. Gauger, H.-M. (1971): Untersuchungen zur spanischen und französischen Wortbildung, Tübingen. Grevisse, M. (1O197S): Le bon usage, Gembloux. Koch, P./Krefeld Th. (im Druck): "Gibt es Translationen?", in: ZrPH Lambertz, Th. (in diesem Band): "Kritische Anmerkungen zu Tesnieres Translationstheorie". Liver, R. (1989): "Blindnerromanisch: Interne Sprachgeschichte II. Lexik", in: Holtus/Metzeltin/Schmitt (Hrsg.), Lexikon der romanistischen Linguistik.
Bd. III, Tübingen, 786-803. Lemarechal, A. (1989): Les parties du discours. Semantique et syntaxe, Paris. Moignet, G. (1961): L'adverbe dans la locution verbale. Etude de psychosystematique fran$aise, Quebec (Cahiers de psychomechanique du langage, S). Paul, H. (q1976): Prinzipien der Sprachgeschichte, Tübingen.
106
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IV AKTANTEN UND ZIRKUMSTANTEN
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Gerd Wotjak (Leipzig)
Einige Ergänzungen, Modifikationen und Angaben zu 'Ergänzungen* und 'Angaben' 0. Die vorgegebene Limitierung machte gegenüber dem vorgelegten Positionspapier eine Reihe von Veränderungen, im wesentlichen Verkürzungen, erforderlich. Leider konnte der eingesparte Raum nicht zu einer detaillierteren Positionierung des eigenen Ansatzes im Verhältnis zu den interessanten Ausführungen der übrigen Teilnehmer gebracht werden, die ungeachtet unterschiedlicher theoretischer Grundansätze und Auffassungen - insbesondere hinsichtlich der Dialektik von Einzelsprachspezifischem und Übereinzelsprachlichem in den Bedeutungen lexikalischer Einheiten (LE) wie auch der Interrelation von Syntax und Semantik - wie aber auch abweichender Terminologie (Argumente bei uns entsprechen den Aktanten bei Pottier 1974, Heger 1976, Heger/ Mudersbach 1984, Lamiquiz 1985) z.T. überraschend weitgehende Übereinstimmungen aufweisen. So stimmen wir beispielweise sehr weitgehend mit den Ausführungen von Jacob und Wüest (beide in diesem Band) zur Zweckmäßigkeit wie Problematik von Intuitions- bzw. Introspektionsanalysen Uberein, scheint ein weitgehender Konsens - auch paradigmenübergreifend über die Valenztheorie und Dependenzgrammatik hinaus - dahingehend zu bestehen, daß syntaktische Phänomene nicht losgelöst von semantischen und - so würden wir im Einklang mit Vertretern der "pragmatischen Valenz" (dazu Ruzicka 1978 und Thielemann (in diesem Band)) sagen - auch kommunikativ-situativen, pragmatischen Faktoren beschrieben werden können. Tendenziell läßt sich sogar die von uns nachdrücklich vertretene Annahme als dominierend herausstellen, daß eine jede Lexikbeschreibung systemorientiert, modular und semantikzentriert erfolgen sollte, wobei der Beschreibung der Bedeutung von Systemeinheiten/LEtype (= Sememen) eine zentrale Stellung einzuräumen wäre. Dabei wird Semantik als sozialisierte, usualisierte Pragmatik und Produkt intertextuellen Gebrauchs, wird das Semem als geordnete Menge eingefrorener Gebrauchsbedingungen unterschiedlicher Art (vgl. schon Leisi 1961 - Aktbedingungen = konstitutive Sachverhaltsbedingungen nach Koch 1981 sowie weitere Verwendungsbedingungen, so etwa Modalisationen als "Art der Sachverhalte") verstanden. Das Semem als Systembedeutung enthält in Gestalt der in seinem Kern, seiner Basisproposition, anteilig eingefrorenen und synchron relativ invarianten Sachverhaltswiderspiegelung (dazu Lorenz/Wotjak 1977; Wotjak 1986), deren virtuell übereinzel-/ja außersprachlicher Charakter als denotatsnahe prototypische Sachverhaltsbeschreibung (Darstellung des 'shared knowledge') sie
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in eine noch im einzelnen zu untersuchende enge Beziehung zu den abstrakten kognitiven Aktantenmodellen Hegers bringt, eine sememisch indizierte Handlungsanleitung für die syntagmatische Kombinatorik der betreffenden LEtype (im folgenden hier nur Verben).
1. Es würde zu weit führen, wollten wir an dieser Stelle ausfuhrlicher dem Für und Wider der zur Begründung der eingeführten und nur scheinbar festbegründeten Unterscheidung in Ergänzungen und Angaben nachgehen; dies erübrigt sich nicht zuletzt auch mit dem Hinweis auf Welkes detaillierte Bestandsaufnahme (1988), einschließlich Helbigs kritischer Kommentare dazu (1990). Wir wollen vielmehr im folgenden unseren eigenen, semantikbasierten Ansatz (dazu B. Wotjak/G. Wotjak 1983; G. Wotjak 1984; 1986; 1987a) auf seinen Aufschlußwert hinsichtlich der tradierten Unterscheidung befragen, wohl wissend, daß mit semantischen wie gar pragmatischen BegrUndungsversuchen sich die Grenzen eher verwischten und das ursprüngliche, "griffige" Valenzkonzept einer minimal ausgestatteten Satzkonfiguration überdehnt und damit in seinem metalexikographischen Grundanliegen verwässert, ja zumindest tendenziell wirkungslos gemacht zu werden schien. Es liegt auf der Hand, daß zur Charakterisierung unseres eigenen Ansatzes kontrastierend sowohl das von Welke unter Bezugnahme auf finnische Valenztheoretiker detaillierter erörterte Konzept der 'Grundvalenz' wie aber auch solche Charakterisierungen von Ergänzungen als absolut - wie relativ - obligatorisch (in Anlehnung an Pasch 1977) und von Angaben als obligatorisch (vgl. schon bei Heibig/Schenkel 1975 bestimmte Adverbien - dazu B. Wotjak 1982) herangezogen werden.1 Unsere nachstehenden Betrachtungen sind bewußt stärker generischen, allgemein methodologischen Aspekten mit virtuell Übereinzelsprachlicher Gültigkeit (und teilweise idiosynkratischer sprachspezifischer Ausgestaltung - Wotjak 1987a; 1988) gewidmet, sollen sie doch eine möglichst allgemeingültige Beschreibungsgrundlage Über die je spezifischen romanischen Sprachen hinaus etwa auch für das Deutsche liefern, indem sie in der Basisproposition der Bedeutung einen denotativen, virtuell Ubereinzelsprachlichen "begrifflich-noetischen" Kern als virtuelles Tertium comparationis (Tc) für den innerromanischen wie romanisch-deutschen Sprachvergleich nachzuweisen versuchen. Die vor allem dem Deutschen entnommenen, ohnehin nur illustrativen Nachstehende Ausführungen stellen im wesentlichen eine Fortfuhrung des von uns in Ansätzen bereits 197O ff., später dann aufbauend auf B. Wotjak (1981; 1982) ohne Kenntnis der Untersuchungen von Gerling/Orthen 1979 entwickelten semantikbasierten Grundansatzes dar, wie er besonders detailliert von G. Wotjak (1984; 1986; 1987a; 1989) dargestellt wurde, gehen aber in nicht wenigen Punkten nicht nur im Sinne einer vertiefenden Differenzierung und Problematisierung weit darUber hinaus.
Ill
Charakter tragenden Beispiele sollen weniger einer Validierung als vielmehr einer Exemplifizierung der theoretischen Grundannahmen dienen und wurden aufgrund der für solche Untersuchungen zur kommunikativen Kompetenz notwendigen (möglichst muttersprachigen) hohen Anforderungen an die Beurteilung der ohnehin graduierten Zulässigkeit von Verbmitspielerbelegungen (von übereinstimmend akzeptierten bis zu als problematisch gekennzeichneten oder gar eindeutig als unkorrekt abgelehnten Kollokationen; vgl. WUest (in diesem Band)) gewählt.
1.1. Bei unseren Überlegungen zur Unterscheidung von Ergänzungen und Angaben gehen wir davon aus, daß es wenig Sinn macht, das Valenzkonzept Über die Syntax hinaus auf semantische und pragmatische Sachverhalte auszudehnen (dazu detaillierter Wotjak 1990). Vielmehr sollte es darum gehen, nunmehr von Valenz wieder ausschließlich unter Bezugnahme auf syntaktische Aspekte, also Fragen der Wertigkeit, der Aktantifizierung wie Vertextung in unserer Terminologie, zu sprechen. Damit wird nicht die heuristische Nützlichkeit des Valenzkonzepts flir die Beschreibung der Bedeutung wie der kommunikativ-situativen Verwendung von LE in Abrede gestellt - im Gegenteil. Doch bringt ein Sprechen von semantischer (und pragmatischer) Valenz keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, der nicht auch ohne Rekurs auf diesen Terminus allein durch eine entsprechende propositionalsemantische, an der Prädikatenlogik orientierte semantische Mikrostruktur-(Semem-) analyse erbracht werden könnte, wohl aber eine Reihe von Problemen wegen einer Überladung bzw. Überstrapazierung des "handlichen" und spontan einleuchtenden Konzepts der aus der Chemie entlehnten Valenz = Bindefähigkeit von LE. Dabei beschränken wir unsere Darlegungen im wesentlichen auf eine systemzentrierte Beschreibung der Bindefähigkeit, lexikalisch-semantischen Kombinatorik (Sememo- wie Lexemotaktik) wie Belegbarkeit von in den LEtype als Potenz, als Virtualität, vorangelegten Kontextleerstellenbelegungen. Wir wlirden also auch 'Valenz' immer als systembezogene Größe verstehen und von den textsortenpräferenten wie kommunikativ-situativ spezifisch aktualisierten Textbelegungen der LEtoken unterschieden wissen wollen. Dabei ist uns bewußt, daß die konkreten Aktantensequenzen/LEtoken-Kollokationen angesichts der dialektischen Interrelation von Text und System bei Usualisierung wie Sozialisierung auch flir die lexikographische Wiedergabe zunehmend an Relevanz gewinnen können.
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1.2. Des weiteren gehen wir davon aus, daß die syntaktisch-lexematische Belegbarkeit, mithin die konkreten satzwertigen Textvorkommen der jeweiligen LEtoken mit ihren konkreten LE-belegten Mitspielern, - im Rahmen minimaler Satzkonfigurationen oder auch darliber hinaus - nicht arbiträr, sondern im wesentlichen sememisch und in zweiter Linie kommunikativ-pragmatisch hinsichtlich Anzahl wie Beschaffenheit prädeterminiert ist. Dabei erscheinen gegenüber einer sememisch vorgegebenen maximalen Aktantiflzlerung (Maximalaktanz) und maximaler Vertextung kommunikativ usuelle wie situativ-illokutiv spezifizierte Abweichungen (Reduktionen) jederzeit möglich, so etwa im Sinne einer usualisierten "Grundvalenz" bis hin zur Minimalvalenz (= Minimalaktanz und Vertextung). Letztere darf im Hinblick auf die betreffende Sememvorgabe nicht mehr unterschritten werden, ohne daß ein anderes Semem als Bezugsgröße aus der Mediostruktur der betreffenden polysemen LEtype als aktualisiert angenommen werden muß (vgl. (D). (1) Lo han comprado (al arbitro).
Comprar 2 erscheint hier mit der gleichen Aktantensequenz wie comprar 1 'kaufen, allerdings mit einem als +Anim (*Hum) gekennzeichneten Sa-Aktanten wie bei bestechen/sobornar, wobei hier dem y-Argument abweichend zu comprar l ein ADRESSAT statt PATIENS/+-Anim/-Hum zugeordnet ist.2
1.3. Ganz im Sinne der lexikalischen Semantik, insbesondere romanistischer Prägung3, gehen wir davon aus, daß Sememe Bestandteil einer libergeordneten paradigmatischen semantischen Makrostruktur (eines Feldes) sind und mit anderen Sememen von gleichfalls diesem Feld zugehörigen LE einen gemeinsamen, letztlich feldkonstituierenden Durchschnitt aufweisen, wobei dieses Archisemem als Feldoberbegriff (gegebenenfalls auch als felduntermengendifferenzierendes Archisemem ersteren untergeordnet) als gemeinsamer Hauptnenner sowie anteilig eingefrorene "Adresse" den Kern der jeweiligen feldkonstitutiven Sememe bildet. Wir haben in der Folge (1984; 1986; 1987a) im Hinblick auf die Sememe von der Existenz einer archisemformelhaften bzw. -angenäherten, denotativen Basisproposition gesprochen, die als Kern der Bedeutung primär über ihre Argumentvorgaben valenzkonstituierend wirkt. In der Tat gehen wir davon aus, daß die durch eine denotatszentrierte o
Vgl. die entsprechende Argumentation bei Baez/Penades 199O; fUr comprar l als der konkreten Kaufszene zugeordnetes Semem l 1st die cd/Sa- Aktantlfizierung als Person nicht möglich in unserer Gesellschaftsordnung/unserem gesellschaftlichen Sein und Bewußtsein - in der Sklavenhalterordnung wäre ein Kauf/Verkauf von Menschen eher denkbar; vgl. aber den Kauf von Babys. . z.B. Pottier 1964; Coseriu 1964; Baidinger 1966; Heger 1971; Hilty 1983; Trujillo 197O; 1976; 1981.
1976; Geckeier
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Beschreibung mit hohem Feinauflösungsgrad beschriebene Basisproposition als Gesamtprädikation aus i.d.R. mehreren Teil- bis hin zu mehr oder weniger rekurrenten Elementarpropositionen (hier ergeben sich gewisse Parallelen zu den 'verbes vicaires' von Koch) und letztere jeweils aus wenigstens einem semantischen Prädikat (Funktor) und l...n Argumentvorgaben (= Argumentenpotential = Stelligkeit; dazu vor allem Lüdi 1975; 1983) - zu betrachen ist. (2) Basisproposition von comprar l (Gesamtproposition bestehend aus 5 Elemental—/Teilpropositionen): C(Argl POSS Arg2)/»(Arg3 POSS Arg4)3 ti _ k ~C(Argl OPER CiArgl CAUS (Argl POSS Arg4)~(Arg3 POSS Arg2))3 t|+k
Arg2)] ti ~
Spezifikation der Argumente und Funktoren/semantischen Prädikate: Argl = AGENS/Hum; Arg2 = INSTRUMENT/Summe Geldes; Arg3 = LOCSource/Hum; Arg4 = PATIENS/phys. Obj. vs. Belebt (-Hum) = Ware Funktoren: POSS = Besitzen; CAUS = Verursachen
Dabei wären in spezifischer Weiterentwicklung von Bondzio 1971 zwar nicht direkt die Funktoren, wohl aber die von ihnen in Anzahl wie Beschaffenheit prädeterminierten Argumente (von Leerstellen sollte man wohl nur bei Argumentvariablen, kaum dagegen bei Argumentkonstanten sprechen), als valenzrelevant zu betrachten, während die Modifikatoren im Sinne Bondzios dagegen als für die Valenz irrelevant gelten sollten.
2. Wiewohl wir die von Bondzio eingeführte, semantisch begründete Unterscheidung in valenzrelevante (Funktoren, wir würden präzisierend sagen Argumentvorgaben) und valenzirrelevante Aspekte der MikroStruktur prinzipiell akzeptieren, so würden wir (a) generell nicht von semantischer Valenz sprechen und (b) im Hinblick auf die Modifikatoren die Möglichkeit nicht generell ausschließen, daß zumindest einige als Vorgaben für obligatorische bzw. auch alternative Vertextungen (vgl. die alternierenden Valenzen nach Welke 1988) für die Valenzbeschreibung neben den Aktantifizierungen, die stets auf Argumenten basieren, mit herangezogen werden (vgl. 3.). (3) riechen gut/schlecht essen - Brot/gern (vgl. Welke 1988)
Dabei zählen die Modifikatoren zu den synonyme LE differenzierenden Bedeutungskonstituenten (= Differentiaseme) gegenüber den identifizierenden Genussemen der Basisproposition als archisemformelhafter gemeinsamer Hauptnenner, wird eine semantische MikroStrukturanalyse erst vollständig bei Beachtung der in dialektischer Wechselbeziehung stehenden denotativen und i.e.S. signifikativen Bedeutungskonstituenten (vgl. Wotjak 1987a; 1989).
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2.1. Unter Rückgriff auf die Argumentvorgaben des Semems, genauer seiner Basisproposition, sowie auf die spezifischen kommunikativ-illokutiven Sinngebungserfordernisse wie -möglichkeiten (Kommunikationssituationsbedingungen) wird die kontextuell-situative, textuelle Belegung, die Aktantifizierung, vollzogen, wobei die sememische Stelligkeit die maximale - morphosyntaktische - Aktanz/Wertigkelt bestimmt, i.d.R. aber tatsächlich weniger Argumente aktantifiziert erscheinen als aktantifizierbar wären bzw. - was nicht dasselbe ist - als Argumente in der Basisproposition angelegt, präsupponiert und/oder assertiert sind (vgl. 'Argumentkonstante' unter 4.). (4) a) Er kUßte sie auf die Stirn. (Lippen = INSTRUMENT = sememisch implizierte Argumentkonstante/AKl) b) Er köpfte den Ball ins Tor. (Kopf = INSTRUMENT = lexematisch explizite, assertierte Argumentkonstante/AK2)
Mit anderen Worten: nach unserem Verständnis ist die Anzahl der Aktanten höchstens gleich, nie aber größer als die Zahl der ihnen korrelierten Argumente der Basisproposition. Es gibt zwar auch sememisch-semantisch bedingte mögliche Reduktionen (etwa bei lexematisch assertierten Argumentkonstanten AK2/(4)b)); solche Reduktionen gegenüber dem maximal möglichen Aktantenpotential gehen aber auf spezielle, kommunikativ-situative Verwendungsbedingungen wie kommunikativ begründete Kodierungsentscheidungen zurück. Gründe fUr entsprechende Nichtaktantifizierungen mitverstandener generischer Argumentvorgaben der MikroStruktur wären z.B. kontextuelle Vorerwähntheit, textuelles, situatives wie allgemein enzyklopädisches Vorwissen, aus dem implizite, d.h. nur kognitiv nachvollziehbare und nicht vertextete, Leerstellenbelegungen vorgenommen werden, wenn nicht auf solche Belegungen - etwa bei Fokussierung habitueller Vorgänge, Prozesse, Handlungen etc. - vgl. (5) - auf die textuelle Erwähnung/Versprachlichung/Kodierung von koaktivierten bzw. koaktivierbaren Partizipanten/Mitspielern ohnehin ganz verzichtet wird. (5) Er malt. (= ist Maler)
Bislang sind im allgemeinen weder die konkreten Aktantensequenzen noch gar die Gründe, die zur präferenten Aktantifizierung aller oder auch nur ausgewählter Argumente der Basisproposition geführt haben, hinreichend beschrieben, um u.a. etwa auch textsortenspezifische Bevorzugungen als spezifische Untermenge kommunikativ angemessener Sprachverwendung/kommunikativ-situativer Verwendungs-XKodierungsbedingungen herausstellen zu können. So kommt es im Telegrammstil, aber auch in umgangssprachlichen Dialogen zu Ellipsen der ansonsten im Deutschen trotz zusätzlicher morphematischer Indikation nicht eliminierbaren Subjektaktanten (vgl. 6); dagegen stellt bekanntlich im Spanischen die Ellipse des Personalpronomens in Subjektposition die Regel, dessen Nennung bei konjugiertem, d.h. morphematisch indiziertem Verb dagegen die Ausnahme dar. (6) Komme gleich! Ankomme morgen; weiß nicht.; no do) s6 ...
us 2.2. Im Hinblick auf die Basisproposition kann nur von einem mehr oder minder komplett erfaßten, nicht aber von einem minimalen oder maximalen Argumentenpotential gesprochen werden. Zugleich muß eingeräumt werden, daß die präferente Aktantifizierung bestimmter Argumente als Reflex eine deutlichere Relevanzgebung von Argumenten in der Basisproposition zur Folge haben kann, über der die virtuell weiteren, u.U. nur in Sonderfällen aktantifizierbaren Argumentvorgaben der Basisproposition jedoch nicht vergessen werden dlirfen. Gerade in diesem Sinne haben wir die prinzipielle "Gleichwertigkeit" aller Argumente, auch der nicht durch Hinweise zur Fakultativität/Obligatheit auszuzeichnenden Argumentvorgaben, eingangs so akzentuiert, wiewohl bzw. gerade weil wir konzedieren, daß Systemhaftes letztlich vergesellschaftete, usualisierte Textvorkommensokkurenzen (Aktantensequenzen) in sich aufheben kann und somit u.U. auch prototypische Thema-/Rhema-Spezifizierungen des LEtoken-Gebrauchs für die Systembeschreibung relevant sein könnten (vgl. Oesterreicher (in diesem Band)).
2.3. Wir wollen alle Aktantifizierungen, die im Sinne der Maximalaktanz für ein sememinhärentes Argumentenpotential als kommunikativ-situativ je selektierte Versprachlichungen/Kodierungen möglich erscheinen, als sememindizierte, sememgeleitete, im engeren Sinne "valenz"notwendige Ergänzungen betrachten. Damit erscheinen Ergänzungen als zuallererst sememisch (semantisch) bestimmte Erscheinungen; erst in zweiter Linie erfolgt kommunikativ (situativ) eine weitere Selektion in obligatorische und fakultative Aktanten (vgl. auch die Interpretationsmöglichkeit und tatsächliche Interpretation des "vagen" Terminus Sinnotwendigkeit).* Mit anderen Worten: 'Ergänzungen' wären immer auf Aktantifizierungen als Belegungen von sememischen Argumentvorgaben auf der syntaktischen Oberflächenstruktur mit notwendiger konkreter LE-Belegung und morphosyntaktischer Distributionsangabe bezogen und über diese auf Argumente der Basisproposition beziehbar. Dabei wären neben Obligatorischen Ergänzungen' (als Konstituenten der Minimalaktanz, u.U. auch der prototypischen Grundvalenz) 'fakultative Ergänzungen' als die bis zur zulässigen Maximalzahl komplettierbaren Belegungsmöglichkeiten innerhalb des maximalen Aktantenpotentials, aber u.U. auch 'alternative Ergänzungen* denkbar. *Vgl. die auf diese Weise zugleich dialektisch näher bestimmten Konzepte 'Determination' und 'Subklassenspezifik· bei Welke 1988 - 'Determiniertheif bei uns = sememisch/semantisch ~* maximale Aktanz; kommunikativ - situativ -> jeweils konkrete textuelle Aktantifizierungen, einschließlich Grundvalenz; 'Subklassenspezifik' = vom vorgegebenen Interpretations- genauer Argumentenpotential abhängig subspezifizierter Aktantifizierungsrahmen/ Wertigkeit wie semantlsch-f unktionale und semantisch-klassematische Bestimmung.
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2.4. 'Angaben' dagegen wären im Sinne einer konsequent semantischen (sememischen) Festlegung der Termini nicht auf die Argumentvorgaben, wohl aber auf die Modlflkatoren der (signifikativen) Bedeutungsstruktur zu beziehen. Dabei wäre im Einklang mit Welkes Überlegungen (1988; vgl. B. Wotjak schon 1981; 1982) auch im Hinblick auf 'Angaben* zwischen obligatorischen und fakultativen (alternativen) zu unterscheiden. Die 'Angaben' sind dabei ähnlich wie die 'Ergänzungen' sememindiziert, d.h. als semantisch (sememisch) stets einzubringende Informationen mit kommunikativ erforderlich erachteten Spezifikationen flir hyperonyme oder auch kohyponyme sememinhärente Modifikatorvorgaben, zu verstehen. Die - fakultativen wie obligatorischen - Angaben als sememindizierte Größen sind bislang im allgemeinen noch weniger beschrieben als die flir die Satz- wie Textbildung (Minimalkonfiguration, Isotopie) zweifellos bedeutsameren Aktantifizierungen; welche spezifische Neuinterpretation in diesem Gesamtzusammenhang Bondzios Konzept einer Valenz 2. Stufe (1977) erfahren könnte, soll an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Sicher wäre es von Nutzen, wllrden vertiefte Überlegungen angestellt zu einer verfeinerten Beschreibung der bislang relativ unspezifiziert als Modifikatoren bezeichneten Differentiaseme, zu denen u.a. auch - konnotative - Einstellungs- wie Bewertungsseme hinzuzurechnen wären (vgl. Wotjak 1986; 1987; Zybatow 1989 - vgl. z.B. -intentional/-vol: treffen, begegnen', -»-intentional: sich treffen mit).
3. Daß es keinen Sinn macht, im Hinblick auf das Argumentenpotential der Basisproposition der semantischen MikroStruktur von fakultativen und obligatorischen Argumenten zu sprechen5, bedeutet nicht, daß die einzelnen Argumente semantisch gleichwertig bzw. von gleicher Relevanz im Hinblick auf ihre Aktantifizierung sind. Worin entsprechende, letztlich flir die syntagmatische Kombinatorik im Sinne einer gewissen Graduierung der Vorgaben, des "Gefordertseins", relevante semantische Faktoren bestehen, soll in nachstehenden stark tentativen Untersuchungen nachgegangen werden. Dabei ist sorgfältig zu unterscheiden zwischen systemhaften (intralexematischen wie intrasememischen) Argumentvorgaben (= Argumentenpotential mit extrinsischem Charakter, den internen wie externen Argumenten bei Chomsky vergleichbar) und deren dominant kontext- wie situations- und intentionsabhängigen Aktantifizierungen als obligatorische respektive fakultative Ergänzungen (= Aktantensequenzen bzw. Aktantenpotential). Diese Unterscheidung wird wohl auch noch nicht auf der Ebene der signifikativen Brechung/Stufe II relevant (wie dies Welke 1988 anzunehmen scheint), sondern erst im Hinblick auf die Aktantifizierung im Textganzen/ Äußerungsbedeutung = syntagmatische semantische Makrostruktur mit der aktuellen Gliederung/TRG wie der kommunikativ-situativen Relevanzge'Foregrounding' in den kommunikativen Makrostrukturen.
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Unter Bezugnahme auf Welke 1988, 88, könnte als Zusammenfassung unserer bisherigen Überlegungen und Ausgangsbasis flir weiterführende Detailbetrachtungen beiliegende schematische Darstellung angeführt werden. Verbkomplemente = sememindizierte, sememotaktisch "geforderte", vorgegebene - valenzabhängige und kompatible - Mitspieleraktualisierungen
basispropositionsdeterminierte Faktoren = Argumentenpotential, das die ERGÄNZUNGEN qualitativ und quantitativ prädeterminiert (Maximalaktanz)
r
Argumentkonstante -variable
intralexematische konstante Argumentvorgabe AK2 als Lexeminkorporierung z.B. hämmern, schultern...
intrasememische Argumentvorgabenkonstanvariabte AK1 le AVI Lippen
Verbadjunkte = sememinduzierte, sememotaktisch kompatible valenzzulässige - Modalisationen/Freie Angaben FA II (Lokal-XTemporalbestimmungen ...) - AV2 basispropositionsdeterminierende Faktoren = Modifikatorenpotential der signifikativen Brechung, das ANGABEN des Typs FA I prädeterminiert (Vertextungen)
r
Modifikatorkonstante
intralexematisch als Lexeminkorporierung enthaltene MK2 z.B. eilen...
hyperokohyponyminymische sehe Aktantifizierungen z.B.: Belebt-Hum vs. Animal
schwach restringierte Zahl/Art von Aktanten
-variable
intrasememische Modifikatorvorgabe konstante MK1 variab•schnell' le MV1 in: rasen...
hypero- kohyponymi- nymische sehe Vertextungen/ Angaben FA I
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3.1. Bevor wir uns der Frage nach der Belegung der einzelnen Subgruppen von Argumenten und Modifikatoren durch Ergänzungen und Angaben (FA I) im einzelnen zuwenden und dabei u.a. auch der Frage nach der Sinnotwendigkeit im Umfeld von Fakultativität/Obligatheit als letztlich kommunikativen Kategorien nachgehen, sei ergänzend und resümierend herausgestellt: Das Argumentenpotential der Basisproposition wie das Modifikatorenpotential der semantischen MikroStruktur als Ganzes können in analoger Weise in Konstante (Argumentkonstante AK1 und AK2 sowie Modifikatorkonstante MK1 und MK2) und Variable (Argumentvariable AVI und AV2 sowie Modifikatorvariable MV1, MV2 etc.) subspezifiziert werden, wobei sich durchaus nicht in allen Sememen beide Unterarten von sememisch indizierten konstanten und variablen Bedeutungskonstituenten finden. Hinzu kommt - wie noch zu zeigen sein wird -, daß AK/AV wie MK/MV sich in durchaus unterschiedlichem Maße als prädeterminierend erweisen für die Verbkomplementierung (Ergänzungen bzw. Angaben/Aktantifizierung bzw. Vertextung), also für die syntagmatisch-kombinatorische Potenz der LE. Dabei scheint es zweckmäßig, beispielsweise neben systemhaft intralexematischen AK2/MK2 (= Inkorporierungen in das Lexem selbst wie bei hämmern, salzen ... bzw. eilen, hasten) auch solche lexematisch im Prätext (anaphorisch), seltener im Posttext (kataphorisch) assertierten, d.h. durch eine spezifische LE-Ergänzung bzw. -Angabe belegten, konkretisierten Vorgaben zu beachten, die im Ergebnis einer "normalen" Leerstellenbesetzung, also bei spezifizierender LE-Belegung von AV wie MV entstanden sind. Bei den intrasememisch implizierten, assertierten Argumentwie Modifikatorkonstanten (AK1, MK1) sind u.E. zwei Unterarten möglich: (i) eindeutig sememisch als Argument-XModifikatorkonstante vorbestimmte und zudem als Basismorphem intralexematisch signalisierte Bedeutungskonstituenten (Inkorporierungen = AK2/MK2 - hämmern) und (ii) eindeutig sememisch und nur so, also nicht zugleich auch intralexematisch signalisierte AK1/MK1 (Lippen, 'schnell* in rasen). Beiden Unterarten von Argument- bzw. Modifikatorkonstanten ist als Sememvorgabe gemeinsam, daß sie bei Verwendung des LEtoken systemhaft akontextuell stets mitverstanden (z.T. auch formal lexematisch direkt signalisiert) werden, was zur Folge hat, daß ihre Belegung kommunikativ keinen Gewinn bringen würde. Diese Argument-XModifikatorkonstanten gehen automatisch und selbstverständlich in die syntagmatische semantische Makrostruktur von Satz wie Text ein; sie sind in einem spezifischen Sinne als lexikalisch-sememisch involvierte thematische Vorgaben für den Text/Satz zu betrachten. Sollten sie aus kommunikativer Sicht hervorgehoben, zu "Rhemata" gemacht werden, so kann zumindest die Belegung von AK2 und MK2, in Sonderfällen auch die von AK1/MK1 (letztere mit identischen LE-Komple-
119 menten) immer dann erfolgen, wenn eine kommunikativ relevante Spezifikation der Argument-XModifikatorkonstanten vorgenommen wird (als Spezifikation wäre beispielsweise auch eine antonymische Belegung denkbar vgl. (7), (8)). (7) Er läuft (= auf FUßen/INSTRUMENT-Argument Pars AGENS); aber: auf Leisen Sohlen/auf den Händen (8) Er kUßte sie mit seinen aufgesprungenen, blutigen Lippen. Er schulterte den Sack auf die rechte Schulter.
(Lippen ist als AK1-INSTRUMENT ohne Spezifizierung intraphrastisch nicht aktantifizierbar; vgl. aber die Übliche transphrastische Aktantifizierung einer AK1 in (9)). (9) Er kUßte sie. Seine Lippen fühlten sich rauh und rissig an.
Die Beziehungen zwischen Bedeutung als gefrorenem, sozialisiertem Gebrauch (kristallisierter Intertextualität) und Denotats-XSachwissen lassen sich sehr gut am Beispiel von solchen Argumentkonstanten aufzeigen. Dabei kann man davon ausgehen, daß die Argumentkonstanten (i) auf Sachverhalte zurückgeführt werden können, in denen der von der betreffenden LE nominierte Partizipant (z.B. Lippen als INSTRUMENT-Argument) eindeutig als einzig möglicher entsprechender mitaktivierter Mitspieler erscheint (vgl. die wesenhaften Bedeutungsbeziehungen Porzigs (unter 7,8)); dabei weist die betreffende VerbLE i.d.R. nur dieses Semem auf; wir sprechen in diesem Fall von mikrostruktureller Argumentkonstante; (ii) die Argumentkonstante wie unter (i) auf einen ganz spezifischen Sachverhalt zurückgeführt werden kann, indem nur der betreffende Partizipant (z.B. Karte bei geben und Eier bei legen-, vgl. (10)) als möglicher mitverstandener "Mitspieler" erscheint, mit der gleichen VerbLE aber noch weitere Sememe koaktiviert werden können, wobei uns die Interrelation zwischen den betreffenden Sememen der Mediostruktur hier ebenso wenig interessieren soll wie die eventuelle Herleitung des einen Semems aus dem (einen) anderen. Bei den betreffenden Sememen muß (unabhängig davon, daß sich hier ganz spezifische, durchaus von den Sachverhaltsdarstellungen durch andere Sememe von legen, geben abweichende Sachverhalte/ Handlungen kristallisiert/lexikalisiert/sememisiert finden) von jeweils gesonderten Sememen mit einer sememisch und nicht nur generisch klassematisch spezifizierten Argumentkonstante, von einem spezifischen Assertionsargument ausgegangen werden (= Ellipse des Systems; vgl. unter (10)), schiene es nicht abwegig, eine gesonderte LE-Eintragung im Wörterbuch vorzunehmen (vgl. aber auch (11)). (10) geben poner
- (Karten) - Wer gibt? - (huevos) - La gallina pone.
(11) abheben - (a) Telefonhörer - (b) Geld - (c) Karten
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In diesen Fällen soll verkürzt von mediostrukturellen Argumentkonstanten gesprochen werden.
3.2. Mit solchen spezifizierenden "Kontextmitspielerangaben" wie unter (11) werden sachverhaltsdifferenzierende Kernkonzepte ins Spiel gebracht, die um sich herum 'frames' wie Szenen/Szenarien, kurzum Alltagserfahrungszusammenhänge als reproduzierbare, eingespeicherte Wissensrepräsentationen eröffnen. Dabei handelt es sich um zum Grundbestand des Alltagswissens des normalen Durchschnittssprechers zählende Erfahrungen, Handlungsmuster wie Verhaltensstereotypwissen, die bei Evokation im Text (also sprachlich, letztlich lexikalisch indiziert) oder aus der Begleitsituation heraus (also virtuell außersprachlich - visuell, taktil, olfaktil etc. induziert) zur eindeutigen Rekonstruktion/Koaktivierung der mitverstandenen Argumentkonstante wie des spezifischen Denotatswissensrahmens, in den diese eingebettet ist, beitragen. FUr ein polysemes Verb wie abheben, das wie legen und geben eine Minimalaktanz zuläßt und zwar im Unterschied zu legen, geben für mehr als nur ein bestimmtes Semem/mehr als nur eine Verbvariante, scheint die oben erwähnte monosemierende Funktion des Denotatswissensrahmens sicher wichtiger als flir legen und geben, die mit ihren Minimalaktantifizierungen eine kontextfreie Aktualisierung der einen AK1 wie auch des Über und mit ihm signalisierten denotativ-enzyklopädischen Einbettungshintergrunds ermöglichen (vgl. die filr andere Sachzusammenhänge vorgeschlagene Generelle Einordnungsinstanz GEI bei Lang 1977). FUr eine lexikographische Beschreibung erscheint in jedem Fall eine gesonderte Herausstellung des Semems von Nutzen, dessen fest bestimmte mikrostrukturelle AK1 (so bei geben, legen in (10)) zu dessen präferenter Nichtaktantifizierung führt. Dies gilt gleichermaßen, ja noch mehr für die Fälle mediostruktureller Argumentkonstanten, wo einer LE mehrere Sememe mit jeweils unterschiedlichen, fest umreißbaren AK und Denotatswissensrahmen/GEI zugeordnet sind, die ihrerseits jeweils zu präferenten Nichtaktantifizierungen flihren (vgl. abheben a-c).
3.3. Der alles in allem noch unzureichende Kenntnisstand läßt gegenwärtig noch keine Aussage dariiber zu: (a) welche Arten von (semantisch-funktional spezifisch ausgezeichneten) Argumenten insgesamt bevorzugt als Argumentkonstante der Typen AK1 oder AK2 fungieren bzw. ob es bestimmte Argumentarten (= kasusrollenspezifizierte Argumente) gibt, die nie oder dominant nicht als Argumentkonstante erscheinen;
121
(b) ob sich präferente Relationen von Funktoren und Argumentkonstanten (also Teilpropositionen bzw. Elementarpropositionen; dazu Wotjak 1987d) bzw. von Sememen als gesamte Basispropositionen und Argumentkonstanten ermitteln lassen; (c) ob es in mehrstelligen Sememen auch mehrere Argumentkonstanten gibt, die gleichzeitig eliminiert, eventuell aber auch selektiv/alternierend aktantifiziert werden; in thematischer Funktion, also nicht mit dem Ziel eines kommunikativen foregrounding und im Verein mit zusätzlichen spezifizierenden Mitteln müßte dabei eine Aktantifizierung prinzipiell immer denkbar sein (vgl. abheben (b); mit dem assertierten Argument 'Geld', wo die GEI-Spezifikation bei/auf der Bank (also ein LOCSource-Argument) ebenfalls sehr weitgehend vorbestimmbar erscheint, wenn immer der Kontext die Auswahl der AK1 (b) von abheben hinlänglich plausibel erscheinen läßt). Eine Aktantifizierung des LOCSource-Arguments schiene also nicht relevant, wobei der Vorgang prinzipiell auch einen weniger "prototypischen" Ort des Geschehens/LOCSource als Bank zuläßt, weshalb eine Aktantifizierung von LOCSource als Post in (12) durchaus kommunikativ relevant, rhematisch wäre. (12) Er hat auf der Post abgehoben.
Daß eine solche Spezifizierung zugleich auch die Szene/Szenarium (GEI Geldtransferaktion) eindeutig mitspezifiziert, so daß also 'Summe Geldes* als weiteres Argument i.d.R. nur bei näherer Quantifizierung oder Qualifizierung aktantifiziert wird, erscheint in Anbetracht der Koexistenz unterschiedlicher Argumentkonstanten in unterschiedlichen Sememen, also der mediostrukturellen Argumentkonstanten, durchaus erwähnenswert. Während bei legen, geben nur eine - mikrostrukturelle - Argumentkonstante vorliegt, 6 kommen aus semasiologischer Sicht beim polysemen abheben mehrere unterschiedliche AK1 in Frage. Wenn der Äußerungskontext (die GEI als Situations-, Sach- bzw. Textwissen) nicht hinreichend verdeutlicht, welches Semem aktualisiert und demzufolge welche der mediostrukturellen AK1 mitverstanden erscheint, kann im Unterschied zu den AK1 bei legen, geben die AK1 auch ohne nähere kommunikative Qualifizierung lexikalisiert, d.h. durch die entsprechende LE belegt werden. Wird eine solche LEAktantifizierung und kommunikative Rhematisierung bei mitverstandenen AK1 unterlassen (bei AK2 wäre sie ja ohnehin unvermeidbar lexematisch mitgeliefert), so wird kommunikativ der durch die Funktoren abgedeckte Sachverhalt In onomaslologischer, sememzentrierter Sicht gilt dies auch FUr abheben, wo allerdings bei (b) ein zweites - mikrostrukturelles - Assertionsargument /LOCSource = Bank/ neben dem PATIENS-Argument 'Summe Geldes' vorhanden zu sein scheint.
122
fokussiert, etwa eine habituelle Tätigkeit wie bei (13) signalisiert, wo als AK1 cuadros mitverstanden erscheinen dlirfte, wobei auch spezifische Modalisierungen des Sachverhalts möglich sind. (13) Pinta (bien). Er malt (gut). je pense ä lui). Das Problem mag auf den ersten Blick marginal erscheinen, insbesondere angesichts der kleinen Zahl (und - mit Ausnahme von penser - auch geringen Frequenz) der Verben, für die diese Restriktion gilt. Bedenkt man aber, daß gerade in der Dependenzgrammatik die pronominalen Realisierungen das Hauptargument bei der Einteilung der Ergänzungsklassen sind, durch die die obsoleten Kategorien 'Subjekt', 'direktes' und 'indirektes Objekt' abgelöst werden sollen, gewinnt diese Frage einiges an Bedeutung. Die Primarität der pronominalen Strukturen gegenüber den substantivischen, die besonders von Kotschi 1981, § 3.1., hervorgehoben wird, läßt sich auch ganz allgemein rechtfertigen durch die textbedingte Rolle der Personalpronomina als hochfrequentes und kommunikativ effizientes Mittel beim Referieren und bei der Rollenmarkierung gegenüber der eher auf den komplizierteren "Sonderfall" ausgerichteten Funktion der Substantive (vgl. auch Jacob 1990, bes. 98). Angesichts dieser Priorität wäre die obige Frage eigentlich adäquater umgekehrt zu stellen, nämlich, warum dem klitischen Pronomen lui etc. bei substantivischer Realisierung des Aktanten die gleiche morphologische Markierung ä entspricht wie dem mit ä markierten freien Pronomen. Dennoch soll die Angaben der Anm. 2, 9, 12, 13 sowie weitere bei Dunbar 1981, 14O ff. 2
Raupach 1976; Seelbach 1983, 98 ff.; Grammaire Larousse 1964. § 359-, Grevisse 1988, § 638, sowie die Diskussionen in French Review 197O und Über mehrere Bände in Praxis 197O et passim.
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die Frage im folgenden so angegangen werden, wie sie Üblicherweise in der Literatur gestellt wird. Zunächst ist unsere Ausgangsbeobachtung abzugrenzen von den anderen bekannten Faktoren bzw. Regeln, die ebenfalls die Pronominalisierung solcher Aktanten/Zirkumstanten bestimmen, die als Substantive mit ä an das Verb anzuschließen wären. Diese Faktoren seien hier kurz in Erinnerung gerufen: Zur Pronominalisierung von Aktanten/Zirkumstanten, die mit ä an das Verb angeschlossen sind (im folgenden 'ä-Aktanten'), gibt es 3 Formen: proklitisches 'pronom conjoint' (me, te, lui, se, nous, vous, leur, also je parle ä Pierre > je lul parle), nachgestelltes 'pronom disjoint' mit der Präposition (je pense ä Pierre > je pense ä lui) und das ebenfalls proklitische Pronominaladverb y (je pense ä Ja voiture > j'y pense). Wenn ich im folgenden von 'Personalpronomen* spreche, meine ich nur die ersten beiden Formen im Gegensatz zu y, wenn ich von 'klitischer Pronominalisierung' spreche, nur die Reihe der 'pronoms conjoints' ohne y. Es gibt nun verschiedene Faktoren, die die Wahl zwischen diesen Formen bedingen, von denen ich aber im folgenden für unsere Frage abstrahieren möchte: a. Die Frage, ob y oder Personalpronomen zu wählen ist, wird traditionell mit den semantischen Eigenschaften des Aktanten erklärt (± menschlich) oder besser mit der Perception des Aktanten durch den Sprecher als Person oder als Sache. Subtilere Analysen ersetzen diese Merkmalsopposition durch Konzepte wie t potentiell handlungsfähig 3 , t subjektfähig 4 u.a. Die Wahl von y oder Personalpronomen nach einer binären Merkmalsopposition des Aktanten, welcher Art diese auch sei, kann allerdings nicht mehr sein als eine vage Faustregel.5 Da mich aber (a) hier nicht die Frage interessiert, wann y und wann das Personalpronomen zu setzen ist, sondern die, wann proklitisches und wann präpositional nachgestelltes Personalpronomen zu setzen ist, und da ich (b) davon ausgehe, daß jene Frage mit dieser nur sekundär verknüpft ist, möchte ich im folgenden die Frage, wann y und wann ein Personalpronomen zu verwenden ist, ausschalten, indem ich auf diese grob vereinfachende Faustregel zurückgreife und mich auf solche Fälle beschränke, in
3
Thun 1986, bes. 133 f f . , 169. Körner 1987, bes. 14, 21, allerdings in anderem Zusammenhang.
S
Vgl. u.a. Sandfeld 1928, 52 f.; Seelbach 198O, 264 ff.; Kayne 1975, ISO f.
197S, 2O9 ff.; 1983, 1O1 f f . ;
Barnes
159
denen ein "menschlicher" Aktant mit dem Personalpronomen zu pronominalisieren ist. Nur in diesen Fällen stellt sich (im Prinzip) unsere Frage.6 b. Ebenfalls abstrahieren möchte ich von der Frage des fakultativen Gebrauchs des 'pronom tonique' zum Zwecke der Kontrastierung, Rhematisierung oder Thematisierung. Dieser Gebrauch ist ohnehin im Normalfall mit dem zusätzlichen Merkmal einer 'cleft construction' (c'est ä toi que je parle) oder einer Topic-Verschiebung* (je te parle, ä toi) markiert.7 c. Und schließlich interessieren uns hier auch nicht die Fälle, in denen das 'pronom conjoint' allein aufgrund seines Charakters als verb-gebundene Form nicht benutzt werden kann, weil eine freie Form benötigt wird (vgl. Sandfeld 1928, 80):
- in Fällen der Koordination (je te parle, et ä lui; je ne parle ni toi ni ä lui), - bei Verbellipse (ä qui tu paries? - ä lui), - bei Adverbien, die das Pronomen in den Skopus nehmen, und nach ne ... que ... (je parle seulement/uniquement ä lui; je ne parle qu'ä lui), - nach attributiven Partizipien (vgl. *un cadeau lui destine). d. Eine weitere Bedingung syntagmatischer Natur, die die klitische Pronominalisierung des ä-Aktanten verhindert, ist die bekannte Einschränkung der Kombinatorik der 'pronoms conjoints' untereinander: die 'pronoms conjoints' für den ä-Aktanten dürfen nur mit le, la, les, nicht aber mit den übrigen Formen für das "direkte Objekt" verknüpft werden. Es dürfte sich bei dieser Restriktion um eine rein morphologisch motivierte Regel handeln. Sicherlich ist es kein Zufall, daß hier genau die Formen betroffen sind, bei denen Homonymie zwischen der Form des "direkten Objektes" und der des ä-Aktanten vorliegt. Zudem ist zu fragen, ob diese Regel nicht eher präskriptiver als deskriptiver Natur ist, wie etwa die Gegenbeispiele aus Damourette/Pichon (III, §§ 939, 942) vermuten lassen. Auch dieses Problem soll uns hier nicht interessieren. Ich weise aber darauf hin, daß die Verteilung nach y oder Pronomen durchaus mit unserer Frage korreliert ist: bei Verben, die klitisch pronominalisierbar sind, ist die Anwendung von lul auf Unbelebtes häufiger anzutreffen, während bei den "ä-Jui-Verben" die Anwendung von y auf Belebtes häufiger ist. Seelbach 1975, 216 f f . , 1983, 1O2 ff.. Blanche-Benveniste 1975, 78 ff. und Couquaux 1976, 32-35, fuhren deshalb diese doppelte Unterscheidung auf die einfache Frage 'lui oder y7' zurUck. Vgl. dazu auch Barnes 198O, 264 ff.; Kayne 1975, ISO ff.; Dunbar 1981, 22 f. 7
Vgl. z.B. Klein 1983.
8
Vgl. Blanche-Benveniste 1975, 42-45, bes. 44 f., die von einer defect!vite du Systeme morphologlque des affixes ausgeht. Couquaux 1978 sieht das Problem als identisch mit der von uns gestellten Frage an.
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e. Aus der unter d. angesprochenen Regel ergibt sich, daß grundsätzlich auch alle reflexiven Verben die klitische Pronominalisierung des ä-Aktanten verbieten. Gaatone 1984, 124, weist zwar m.E. mit Recht darauf hin, daß man hier sicherlich zwischen Fällen wie (a) *je me lui präsente und (b) *je me lui fie unterscheiden muß, daß nämlich die Agrammatikalität von (a) allein mit der Kombinatorik der 'pronoms conjoints' zu begründen sei, die von (b) dagegen eher etwas mit der Verbbedeutung zu tun habe. Da dies aber im Einzelfall schlecht voneinander zu unterscheiden ist, möchte ich auch die reflexiven Verben zunächst außer acht lassen (s. aber noch unten 3.2.). f. Neben diesen systematischen syntagmatischen Bedingungen gibt es eine Reihe von Lexemen (vornehmlich Verbal-, aber auch Adjektiv- und Nominallexeme), die unabhängig davon den Gebrauch der klitischen Pronomina flir den ä-Aktanten nicht zulassen. Da ist zum einen die große Gruppe von Verben, bei denen aus Grlinden, die sich kontingent zu unserer Frage verhalten, eine Pronominalisierung mit dem Personalpronomen ohnehin nicht auftritt, weil sie als Aktanten nur die Bezeichnung unbelebter Gegenstände oder Abstrakte zu sich nehmen (reduire, participer, inscrire, gouter a ...), oder, wenn sie in besonderen Kontexten doch eine Personenbezeichnung nehmen, dieser den Status der Unbelebtheit sekundär zuweisen (je goute/participe ä Pierre > j'y goute/participe). Auch dieser Gruppe gilt also zunächst nicht unser Interesse (s. aber noch kurz unten in 3.2.). g. Unter den Verben schließlich, bei denen der ä-Aktant nur entweder mit y oder mit präpositional nachgestelltem 'pronom disjoint' pronominalisierbar ist, läßt sich eine weitere Gruppe relativ leicht aus semantischen Erwägungen ausschließen: alle diejenigen, bei denen der ä-Aktant eine Lokalergänzung oder -angäbe bezeichnet. Hier hat das proklitische y den klassischen Wert eines lokalanaphorischen Adverbs. Es verbleibt schließlich die Gruppe von Verben, die uns hier eigentlich interessiert. Bei diesen Verben ist die Unmöglichkeit, das 'pronom conjoint' zu setzen, mit keiner der bisher aufgeführten Bedingungen zu motivieren. Die Liste dieser Verben ist so klein, daß sie in den Abhandlungen zu diesem Thema zumeist explizit aufgeführt wird, allerdings mit z.T. erheblichen Unterschieden.9 Folgende Verben werden genannt: accoutumer, adapter, 9
Diese Unterschiede sind z.T. durch unterschiedliche Gesichtspunkte, z.T. durch den Beispielcharakter der Listen bedingt. Vgl. Barnes 198O, 27S; Blinkenberg I960, 246 f.; Blanche-Benveniste 1975, 164; Couquaux 1976, 68, -Anm. 4; Grevisse 1988, § 638, 3°; Grammalre Larousse 1964, § 359; Seelbach 1975, 217-219, die Listen VH; 1983, 1OS f., und am vollständigsten Gaatone 1984, 128, bzw. Dunbar 1981, 1O f.
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a/outer, aJlier, appliquer, assimiler, associer, attacker, comparer, croire, exposer, fiancer, habituer, identifier, interesser, joindre, jumeler, Her, marier, mSler, penser, reagir, recourir, renoncer, r§ver, songer, tenir, toucher, unir, Ke///er.10 Hinzu kommen die folgenden Wendungen bzw. prädikativ konstruierten Adjektive: en appeler/reforer, avoir affaire/recours/trait, faire allusion/ appel/attention/reference, prendre inter$t/garde, @tre pareil/semblable/attentif/relatif/indifferent." Einige dieser Lexeme befinden sich sicherlich in dem fließenden Übergangsbereich zu den oben angesprochenen lokalen Verben (etwa ajouter, toucher, attacher, joindre, meler ...) oder zu denen, bei denen man eher eine Sachverhalts- als eine Personenbezeichnung als Aktant erwarten wiirde (etwa accoutumer, veiller, reduire, recourir ...). Auf diese fließenden Übergänge werde ich noch zu sprechen kommen. Bei einigen dieser Verben ist man eher die reflexive Konstruktion gewöhnt (s'habituer, se mSler, se fiancer, s'intaresser, s'allier ...). Auch hierauf wird noch einzugehen sein. Zunächst ist aber festzustellen, daß auch diese Verben durchaus in der transitiven Konstruktion auftreten können und hier keine klitische Pronominalisierung erlauben. Um diese Lexeme soll es im folgenden also gehen. Die Abhängigkeit unseres Phänomens von den Verballexemen bedeutet, daß es sich bei der Frage weniger um ein Problem der Pronominal-Morphologic als vielmehr um ein Problem der Verbal-Syntax handelt, das somit prädestiniert ist fiir eine dependenzielle bzw. verb-grammatische Beschreibung. Tatsächlich aber begnügen sich die dependenziellen Beschreibungen des Französischen damit, das Phänomen zu konstatieren und ihm gegebenenfalls durch das Ansetzen einer
Nicht einbezogen habe ich das sog. "possessive" e"tre. M.E. handelt es sich bei Konstruktionen wie la volture est Pierre nicht um ein Vollverb mit -Aktanten, sondern um eine prädikative Konstruktion, In der @tre durchaus als Kopula mit einem prapositionalen Prädikatsnomen fungiert und die letztlich rUckfUhrbar ist auf die attributive Quelle la volture ä Pierre, an der die Äquivalenz des Präpositlonalausdruckes mit einem Adjektiv deutlich wird. Daß dies nicht nur fUr das "possessive" , sondern fUr die meisten Präpositionen gilt, zeigen Ausdrucke wie l'arbre (est) en fleurs, Hans (ist) im Glück, die im Übrigen auch die Annahme eines lokalen e*tre als Vollverb ebenso in Frage stellen wie die eines possessiven. Indifferent und appliquer nur in bestimmten Bedeutungen; bei einigen dieser Formen ist die Zugehörigkeit zu dieser Liste umstritten oder sie nehmen das klitische Pronomen unter bestimmten Bedingungen (s. bes. Barnes 198O, 277): ajouter, attacher, associer, Her, assimiler, alller, Joindre, jumeler, unir, semblable. Auch kann diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder absolute Korrektheit im Detail erheben. Weggelassen habe ich hier alle die Lexeme, die nach meiner Auffassung zu den oben unter e., f. und g. ausgeschlossenen Fällen gehören und von denen sich zahlreiche in den Listen bei Gaatone und Dunbar finden.
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eigenen Ergänzungs- oder Valenzklasse Rechnung zu tragen.12 Hingegen wird in traditionelleren Ansätzen genauso wie in zahlreichen Beiträgen, die eher als generativistisch einzustufen sind, öfter gefragt, ob dieser Opposition nicht eine tiefergehende Systematik zugrundeliegt. Oder anders gefragt: gibt es ein gemeinsames Merkmal für die Lexeme der obigen Liste, das es erlaubt, deren Verhalten mittels einer einzigen gemeinsamen Regel zu beschreiben?
2. 7ii/' als 'Dativ'? Die gängigste Beschreibung für den Sachverhalt ist die, daß es sich bei dem ä-Aktanten dieser Verben um einen Präpositionalausdruck oder eine Präpositionalphrase handele, bei den Verben, die die klitische Pronominalisierung zulassen, dagegen um eine Dativ-Konstruktion. 13 Eine Variante dieser Beschreibung ist die des klitisierbaren Aktanten als ein "indirektes Objekt" bzw. eine "NP"14, im Gegensatz zum präpositionalen Charakter des nichtklitisierbaren Aktanten. Diese Sichtweise hat einen Pluspunkt für sich: sie erlaubt es, das morphosyntaktisch gleiche Verhalten der ä-Aktanten unserer Verben, der lokalen ä-Aktanten und anderer präpositionaler Ausdrücke (besonders solcher, die auch durch y ersetzbar sind) mit einer gemeinsamen Regel zu beschreiben. Problematischer ist diese Darstellung allerdings bezüglich der klitisierbaren ä-Aktanten. Was erlaubt es eigentlich, eine Form wie ä Pierre in je parle ä Pierre, die doch so offensichtlich zu bestehen scheint aus einer Präposition ä und einem Nomen, als Dativ-Aktant oder -Objekt aufzufassen? Ch. Mullers Urteil zu der oben referierten Sichtweise ist eindeutig: "le datif n'existant pas en francais, on ne saurait utiliser cette notion etrangere comme critere de classement" (Praxis 1970, 100-102). In der Tat muß man sich 12
Vgl. Kotschi 1981, §§ 3.2.4. f., bes. den Klassifikationsbaum S. 96 (im Gegensatz dazu steht die Einteilung in Ergänzungsklassen S. 94, wo Kotschi die beiden Arten von Aktanten zwei völlig verschiedenen Uberklassen zuweist). Vgl. ferner Koch 1981, 58 (die Ergänzungsklasse E 3*) und Busse/ Dubost 1983, XIII. 13 Um nur einen Eindruck von der Verbreitung dieser Sichtweise zu vermitteln: Ledere 1978, 7O; Klein 1983, 329; Seelbach 1975, 219 ff.; 1983, 1OO ff.; Martinet et al. 1979, § 4.2O e; Barnes 198O; Kayne 197S, 149 f.; Couquaux 1976, 36 ff.; Monreal-Wickert 1975, 144; die Diskussion in Praxis 197O; 1972; 1973; Raupach 1976, I14a, 116; vgl. auch Dunbar 1981, S ff. 14
Seelbach 1983, 1OO ff., spricht von "NP"; die Beiträge in Praxis, bes. 1973, 319 ff., und Müller in French Review 197O, 813. von indirektem Objekt. Vgl. aber die umgekehrte Argumentation {'indirect object complement' bei penser, 'circonstantial complement' bei parier) bei Dunbar 1981, bes. 55.
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fragen, was, im Hinblick auf das Französische, mit 'Dativ' eigentlich gemeint sein soll. Es ist überraschend, mit welcher Selbstverständlichkeit manche, durchaus nicht aus dem Rahmen fallende Arbeiten von der Existenz eines Dativs im Französischen ausgehen, einer Sprache, von der man doch gelernt hat, daß sie die Kasusflexion ihrer Vorgängersprache Latein durch eine Kombination aus Stellungsregeln und Präpositionen ersetzt hat. Zwar findet der Terminus 'cas/Kasus' des öfteren in französischen Grammatiken Verwendung, einen systematischen Platz aber hat diese Kategorie in der französischen Grammatik nicht. Die Schulgrammatik, zumindest die neuere, steht hier ausnahmsweise einmal nicht auf der Seite des Lateinischen, während gerade solche Arbeiten, die sich um eine möglichst unkonventionelle Darstellung bem'ühen, den Terminus 'Kasus* für ihre Beschreibung heranziehen, wie Damourette/Pichon (bes. I, § 65, Anm. 1) oder K. Togeby (2196S, 137 ff.). Togeby fügt den vier Kasus 'nominatif ', 'accusatif ', 'datif ' und 'gonitJf ' noch weitere hinzu, wie einen 'cas disjoint' (für moi, toi etc.) oder verschiedene "Adjektiv-Kasus" wie 'neutre', 'adverbial' etc. Togeby versteht 'Kasus' ganz offensichtlich noch etwas stärker im Sinne der eigentlichen Bedeutung von , nämlich einfach als Position des flexionalen Paradigmas (der nominalen Wortklassen).15 Im Gegensatz zu dieser Auffassung, die ja auch einen teilweisen Verzicht auf eine interne Strukturierung der Nominalflexion darstellt, möchte ich den Begriff 'Kasus' hier doch eingeschränkt lassen auf solche morphologischen Kategorien, die in irgendeiner Weise die Verbindung zwischen dem Nomen und seinem Bezugselement (im Normalfall das Verb) herstellen (womit auch der Vokativ den Kasus höchstens als Negativ-Position zuzuordnen ist). Die Unterscheidung zwischen einer Präposition ä und einem Dativmorphem a im Französischen und die Frage, was damit eigentlich intendiert ist, münden natürlich in die generelle Frage nach dem Unterschied zwischen Kasus und Präposition. Hier sind nun einige Präzisierungen erforderlich:
2.1. Kasus vs. Präposition Grundlage dieser Frage ist die Gemeinsamkeit in der Funktion dieser beiden Kategorien. Nicht erst seit Ch. Fillmore 1968, bei dem sich die tiefenstrukturelle Kategorienklasse 'case gleichermaßen auf das bezieht, was man klassisch als 'Kasus' auffaßt, wie auf die Präpositionen (vgl. bes. Fillmore 1968, 15 f.; das gleiche gilt für Filimores Oberflächenkategorie 'case form), besteht eine sehr weitgehende Einigkeit darüber, daß "au point de vue fonctionnel les deux Zur m.E. berechtigten Kritik an Togeby vgl. Frei 1954, 32 ff.
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moyens d'expression [d.h. "les prepositions" und "les desinences casuelles de cas dits 'synthetiques'"] se trouvent sur le me"me niveau" (Kury4owicz 1949, 132). Diese häufig hervorgehobene funktionale Identität zwischen Kasus und Präpositionen16 ist dahingehend zu präzisieren, daß Präpositionalsyntagmen die gleiche syntaktisch-semantische Funktion Übernehmen wie Nominalsyntagmen, die allein mit einem Kasus an das Verb angeschlossen sind. Man 'kann in der Tat sagen, daß die Präposition ebenso dazu beiträgt, die "Rolle" des Aktanten/Zirkumstanten (bzw. die Art und Weise, wie sich das nominal ausgedruckte Konzept in das verbal ausgedruckte einfligt) zu bezeichnen, wie der Kasus, und damit indirekt auch das Kasusmorphem.17 So läßt denn auch Jakobson, der eigentlich betont, daß "das System der präpositionalen FUgungen (...) nicht mit dem der flektierenden Deklination zu verwechseln" sei (1971, 28), gelten, daß die Frage, ob eine Sprache überhaupt ein Kasussystem neben den Präpositionen besitzt, primär eine Frage des synthetischen oder analytischen Baus sei. Was nun die semantischen Rollen betrifft, auf die Kasus und Präpositionen sich also gleichermaßen beziehen, so hat besonders die semantisch orientierte Dependenzgrammatik, klarer noch als die "Kasusgrammatik", herausgearbeitet, was darunter eigentlich zu verstehen ist: aufbauend auf dem Valenzkonzept, das für die Kasusgrammatik nicht so zentral war wie fUr die Tesniere-Nachfolge, und geschult in der Sichtweise der komponentiellen Semantik haben Vertreter dieser Schule dargestellt, daß solche Rollen nicht etwa zu verstehen sind als Eigenschaft oder Bedeutungskomponente des Nominalaktanten. Ebensowenig sind sie, zumindest was Nominalausdrücke mit 'actan t '-Status betrifft, aufzufassen als Relation, die sich etabliert zwischen dem nominalen Konzept und dem verbalen Konzept.18 Vielmehr kann man die Rolle ansehen als Teil der Bedeutung des Verbs, als relationales Element, das in der lexikalischen Bedeutung des Verbs enthalten ist.19 Das Hjelmslev 1972, 1O7, spricht von einer "categoric double qul se manifeste a la fois dans le Systeme grammatical et dans le Systeme lexicologique"; vgl. auch Hjelmslev 1972, 76 ff.; Koch 1981, 125. 17
Vgl. bes. Kury4owlcz 1949, 132 f.
18
So etwa bei Fillmore 1968, 21; eine solche Relation wäre angesichts der Prädikat-Argument-Idee, die von der Dependenzgrammatik Über die VerbAktant-Bezlehung gelegt wird, widersinnig: die einzige Relation eines Argumentes zu seinem Prädikat ist die, Argument zu sein, und den Terminus 'Relation' sollte man lieber auf das Verb selbst anwenden.
19
Am explizitesten bei Ballweg/Hacker/Schumacher 1972, Heger 1976, Seyfert 1976, 1981, Koch 1981, 1983; was den Status der Rollen betrifft eher implizit Bondzio 1971 oder Wotjak (zuletzt in diesem Band). Auch die Beschreibungen von Kasusbedeutungen, die A. Wlerzbicka in neuerer Zeit vorgelegt hat (z.B. Wierzbicka 1988, 339-461), sind letztlich komponentlelle Beschreibungen der Prozesse/Zustände, die durch die beteiligten Verben oder Verbtypen ausgedruckt werden. Aber auch bei Wierzbicka bleibt diese "fremdbestimmte" Eigenschaft der Kasus letztlich implizit.
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heißt z.B., daß der Nominativ bei einem Verb wie töten nicht die kausale oder "handelnde" Funktion des entsprechenden Aktanten ausdruckt, sondern daß er den Aktanten nur an die Leerstelle des Tötenden' anschließt, die von dem Verb eröffnet wird, während die Rolle als solche, also die Idee des 'Handelns' oder 'Bewirkens' ebenso der Verb-Bedeutung inhärent ist wie die Idee des Todes'. Der formalen morphosyntaktischen Kategorie, sei dies nun ein Kasus oder eine Präposition, kommt damit allein die Funktion zu, diesen Teil (unter gegebenenfalls mehreren relationalen Bedeutungskomponenten des Verbs) zu lokalisieren, an den sich das nominale Konzept anschließt. Lediglich bei Nominalausdrücken mit 'circonstant'-Status, bei denen man ja nicht von einer im Verb vorhandenen relationalen Komponente ausgehen kann, wird auch das Ausdrücken der Relation selbst zu den Aufgaben des Kasus/der Präposition gehören. Soviel zu der Aufgabe, die den Kategorien 'Kasus' und 'Präposition' gleichermaßen zukommt. Bei der Frage nach dem Unterschied zwischen den beiden Kategorien sind die folgenden Dinge sorgfältig voneinander zu trennen: 1. 'actant' vs. 'circonstant'·. d.h., die semantische Rolle ist entweder, wie oben beschrieben, ein Teil der Bedeutung des Verbs, auf die der Kasus/die Präposition nur verweist, oder sie ist ein Bedeutungselement, das von dem Kasus/der Präposition mitgebracht, ausgedruckt wird. Während bei Tesniere diese Unterscheidung zumindest tendenziell gleichgesetzt wird mit der Unterscheidung zwischen Kasus und Präposition (vgl. Anm. 20), kennt die heutige Dependenzgrammatik ebensogut kasuelle Zirkumstanten (allen voran den sog. 'freien Dativ* und die 'accusative temporis, mensurae etc.) wie präpositionale Aktanten (etwa den Lokalaktanten des vieldiskutierten Verbs wohnen). 2. bestimmte relationale Konstanten: die genannten Kasusverwendungen veranschaulichen auch, daß der Unterschied zwischen Kasus und Präpositionen ebensowenig mit bestimmten Rollen kurzgeschlossen werden darf, etwa in dem Sinne, daß Zeit- und Ortsbestimmungen immer prepositional, Rollen wie Agens und Patiens dagegen immer rein kasuell ausgedruckt wUrden. 20 Man denke besonders auch an die Funktion von dt. von, lat. ab und fr. par beim Passiv. 3. "abstrakte" vs. "konkrete" Markierung: hierbei geht es darum, ob die semantische Rolle, auf die der Kasus/die Präposition verweist, dieser Form unabhängig von einer bestimmten Verbbedeutung zukommt (etwa beim 20 Die
Verquickung der Kriterien l, 2 untereinander und mit der Opposition Kasus/Präposition tritt deutlich hervor bei Tesniere 1969, chap. 48.7, 51.6, 51.9, 57.3, 57.7.
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'freien Dativ* oder beim 'accusativus temporis') oder in Abhängigkeit von ihr (wie etwa die Patiensrolle des Nominativs bei sterben und die Agensrolle des Nominativs bei töten).21 Besonders Kury-lowicz (v.a. 1949, 136-140) hat klar herausgearbeitet, daß die Unterscheidung zwischen einer "rein syntaktischen Funktionsweise" der angesprochenen Kategorien und einer "semantischen" Funktionsweise nicht nur nicht der Grenze zwischen Kasus und Präpositionen entspricht (innerhalb der Kasus gibt es primär abstrakte, wie den Nominativ, den Genetiv und den Akkusativ und primär konkrete, wie den Ablativ und den Dativ), sondern daß jeder einzelne Kasus sowohl "rein syntaktisch" als auch "semantisch" funktionieren kann. 22 Freier Dativ und 'accusativus temporis' belegen ja die Existenz von verbunabhängigen Kasusverwendungen, ebenso, wie die unter 2 angesprochenen Präpositionsverwendungen verbabhängig sind. Der Mechanismus der abstrakten Markierung beruht also auf der Valenz des Verbs und setzt damit 'actant '-Status voraus. Dies darf jedoch nicht dazu verleiten, 'abstrakte Markierung' und 'actant'-Status gleichzusetzen. Umgekehrt ist es nämlich nicht so, daß 'actant'-Status auch notwendig abstrakte Markierung impliziert. Die Rolle eines 'actant' kann auch nach dem Mechanismus der konkreten Markierung markiert sein, wie z.B. im Fall des schon erwähnten Verbs wohnen: zwar hat der Lokalaktant hier 'actant'-Status, die Lokalität aber, ebenso wie die spezifische Ausprägung derselben (in, auf, an etc.), sind valenzunabhängige Inhalte der Präposition, die den Aktanten markiert. Es würde nun zu weit gehen, herauszuarbeiten, welche der Unterscheidungen 1-3 jeweils implizit und mehr oder weniger bewußt mitverstanden werden, wenn in den am Anfang von Kap. 2 genannten Arbeiten auf den Unterschied zwischen Kasus-Markierung und Präpositionen oder auf den Unterschied zwischen indirektem Objekt und Präpositionalphrase verwiesen wird. Betrachtet man jedoch die Sprache, anhand derer der Terminus 'Kasus' ja entstanden ist, das Griechische, die Sprache, aus der das Französische, wenn Überhaupt, die Kategorie 'Dativ' oder 'Kasus' allgemein ererbt hätte, das LaWas hier als 'abstrakte' vs. 'konkrete' Markierung angesprochen wird, wird anderweitig häufig mit den Terminipaaren 'grammatisch* vs. 'semantisch' oder 'syntaktisch' vs. 'adverbial* belegt; letzteres z.B. bei Kury-lowicz 1949, der, in etwas anderer Bedeutung, auch von "grammatical/eoncret" (vgl. auch Jespersen 1963, 185) bzw. "syntaxique/semantique" spricht (138 f., Anm. 8). 22
Vgl. auch Jespersen 1963, 185. Kury4owicz unterscheidet dann allerdings immer noch zwischen "grammatischen" und "konkreten** Kasus, je nachdem, welche der beiden Funktionsweisen, die "syntaktische" oder die "adverbiale", bei einem Kasus jeweils primär sei (die andere kommt ihm dann sekundär zu). Der uns interessierende Dativ steht dabei dann allerdings zusammen mit den Präpositionen, von denen wir ihn ja zu unterscheiden suchen, auf Seiten der "primär adverbialen" Kategorien.
167
teinische, oder auch nur Sprachen, in denen die Existenz dieser Kategorie unumstritten ist, wie das Deutsche, so erweist sich der Unterschied zwischen Kasus und Präpositionen als wesentlich banaler: Der vordergründigste Unterschied ist - wenn man einmal von der Suffigierung der Kasusmorpheme gegenüber der tendenziellen Voranstellung und der Separierbarkeit der Präpositionen absieht -: jeder Nominalausdruck hat einen Kasus, aber nicht jeder hat eine Präposition. Des weiteren besteht bei den Kasusendungen eine starke Allomorphie, Präpositionen sind eingestaltig. Man kann diesen Sachverhalt auf zwei Weisen beschreiben: entweder als das Nebeneinander eines flektierenden und eines agglutinierenden Paradigmas (wobei man noch, etwa mit Fillmore (1968, 15) die in den meisten Fällen gegebene Absenz der Präposition als 0-Morphem des Präpositionenparadigmas interpretieren könnte, womit die beiden Kategorienklassen obligatorisch und miteinander kookkurrent wären). Unter der Eigenschaft 'flektierend' kann man dann auch noch verbuchen, daß bei den Kasus die Kategorien 'Genus' und 'Numerus* mit in das Paradigma verwoben sind. Oder aber man beschreibt die Situation so, daß Präpositionen Morpheme sind, während Kasus Eigenschaften von Nominalausdrücken sind23, wobei diese Eigenschaften dann die gleiche Funktion erfüllen wie die Präpositionen, nämlich die Kennzeichnung von Relationen. Nirgends ist festgelegt, daß Zeichenausdrucksseiten immer lautlicher Natur sein mUssen. Die zweite Sichtweise erlaubt es besser, das Phänomen der Kasuskongruenz der anderen Elemente (Artikel, Attribute) zu den Nomina zu beschreiben. Zu den drei genannten Unterschieden kommt also als viertes die Unterscheidung zwischen flexivisch-allomorphischem und agglutinierendem Paradigma hinzu. Es erscheint mir sinnvoll, diese vier Eigenschaftsgruppen nicht zu gegenseitigen Definitionen oder gar gemeinsam zur Definition einer weiteren Kategorienopposition heranzuziehen, sondern sie jeweils getrennt auf ihr Vorhandensein in einer Verb-Nomen-Konstruktion oder aber auf ihre systematische oder statistische gegenseitige Kombinatorik hin zu untersuchen. Für die Unterscheidung zwischen Kasus und Präpositionen bietet es sich an, angesichts der Verhältnisse im Lateinischen allein das vierte Kriterium, die Flexivität, als Beschreibungsmerkmal heranzuziehen. Während die vier Gruppen also sowohl logisch als auch empirisch keine notwendigen Zusammenhänge untereinander aufweisen, sondern nur mehr oder weniger starke Korrelationen, ist das Zusammenfallen der Opposition 'flexivisch' vs. 'agglutinierend' mit der Vor-/Nachstellung, der Separierbarkeit und der Obligatorik der Morpheme zwar ein (fast) durchgängiges Faktum im 23 Auf der Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen 'case' und 'case marking' insistiert besonders Wierzblcka 1988, 435-461.
168 Lateinischen, bleibt aber im Prinzip eine kontingente Konstellation einer Einzelsprache. Das Ansetzen einer so charakterisierten Kategorienklasse 'Kasus' und noch viel mehr innerhalb dieser Klasse das Ansetzen einzelner Kasus wie 'Dativ' als Uberelnzelsprachliche Kategorie ist daher nur vorstellbar im Sinne einer historischen Tradierung einer im Prinzip kontingenten Bündelung von Phänomenen und damit allenfalls denkbar als Kategorie eines mehrere Einzelsprachen und Sprachzustände als Diasysteme zusammenfassenden ranghöheren Systems. Nicht umsonst kommen die großen Abhandlungen zu den Kasussystemen ja aus dem Bereich der Indogermanistik, die ein solches Diasystem bearbeitet. Im Zusammenhang mit dem Französischen, das sich gerade hier durch seinen Strukturwandel gegenüber seiner Vorgängersprache auszeichnet, ist die Verwendung dieser Kategorie inadäquat.
2.2. Konsequenzen fUr die Annahme eines "Dativs" im Französischen Es bleibt, wie gesagt, ungeklärt, ob nun jeweils die Eigenschaft 'abstrakt', die Eigenschaft 'flexivisch', die Eigenschaft 'actant' oder eine spezifische semantische Rolle angesprochen sein soll, wenn der /u/'-Aktant des Französischen als "Dativ", als "Nominalphrase" oder als "indirektes Objekt" von einer Präpositionalphrase unterschieden wird. Will man tatsächlich das Kriterium 'flexivisch' vs. 'agglutinierend' als konstitutiv für die Unterscheidung von Kasus und Präpositionen ansehen, so kann man in der Tat sagen, daß es sich bei dem ä, das bisweilen allomorphisch in den Formen lui/leur etc. aufgeht, um ein Kasusmorphem handele (wobei man diesen Kasus dann zweckmäßigerweise 'Dativ' nennen kann), während es sich bei dem ä, das durchgehend und ohne Allomorphie für eine bestimmte syntaktische Klasse steht, um eine Präposition handele. Es bleibt aber dann festzuhalten, daß sich damit die Annahme eines 'Dativs' im Französischen allein auf die Existenz der Formen me, te, se, lui, nous, vous, leur bzw. auf deren besondere morphologische Gestalt stutzen läßt. Und in der Tat fehlt diese Bezugnahme auch nie, wenn in den Grammatiken oder Analysen des Französischen von 'Dativ' die Rede ist: "C'est done, beaucoup plus que sä valeur, les formes pronominales datives lui et leur qui fönt l'unite de la fonction."24 24
Martinet 1979, § 428c; ähnlich explizite Definitionen auch bei MonrealWlckert 1975, 144, und Couquaux 1978, 211. Daß die Definition von 'Kasus' im Französischen sich sozusagen von Amtes wegen ausschließlich auf die morphologische Ausprägung der Pronomina bezieht, belegt das Zitat aus dem 'A/vSte du 25 juillet 191O' bei Frei 1954, 3O: "On entend par cas les formes que prennent certains pronoms selon qu'ils sont sujets ou complements."
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Unter dieser Voraussetzung allerdings ist die Aussage, daß Dativaktanten (oder -objekte) im Französischen mit dem 'pronom conjoint' pronominalisiert werden, eine reine Tautologie, und der Charakterzug 'Dativität' kann, so definiert, nicht zur Formulierung einer Regel für die Wahl des Pronominalisierungsverfahrens herangezogen werden. Schon gar nicht kann er zur Erklärung unseres Phänomens eingesetzt werden.25 So versuchen denn auch die ausführlicheren Arbeiten, die zur Beschreibung des Phänomens auf den Terminus 'Dativ' rekurrieren, diesen Terminus semantisch zu definieren oder ihn zumindest mit semantischen Argumenten zu unterlegen: "one might attempt to show, that the assignment of the feature -dative to the a-complements is always, or almost always predictable from their semantics - in other words, that there is some semantic content to the notion 'dative'."26
3. Der semantische Zugang 3.1. Das semantische 'Dativ'-Verständnis Unter den Versuchen, dem Problem mit einer semantischen Dativ-Definition beizukommen, ist der interessanteste zweifellos der von Barnes 1980. Sie argumentiert nicht, wie man erwarten könnte, auf der Ebene der Aktantenrollen, also auf der semantisch-sachverhaltsdarstellenden ("propositionalen") Ebene27, sondern auf der funktional-satzperspektivischen. Unter Rückgriff auf die bekannte und dem Fillmorianismus teure semantische wie formal-transformative Verwandtschaft zwischen dem Subjekt von haben und dem Dativ (bzw. dem /u/'-Aktanten im Französischen) definiert sie den Dativaktanten als "theme", wobei "theme" durchaus zu verstehen ist im Sinne von "what the sentence is about" (252 ff.) und weiter bestimmt wird in Begriffen
25
Wie es etwa bei Seelbach 197S u. 1983 der Fall ist. Das Problem wird genau erkannt von Kayne 197S, der sich fragt, ob denn die Bezeichnung 'dative Überhaupt mehr sei, als eine Nomenklatur flir seine Kategorie a* ('unechte, da zu lui verwandelbare Präposition'). Kayne zeigt zwar die Nützlichkeit einer Kategorie 'Dativ' (als Eigenschaft gegenüber dem Morphem a») FUr die Formulierung seiner Pronominalisierungsregel, sieht aber klar, daß jeder weitergehende Rekurs auf das 'feature' 'Dativ' eine "universelle", z.B. eine semantische Definition von Dativ voraussetzen wUrde ( 1 4 9 ) .
*7
27
Kayne 1975, ISO, der aber letztlich "in Absenz einer genUgend präzisen Hypothese" auf diesen Weg verzichtet. Ich benutze hier das seit langem formulierte und in den letzten Jahren vor allem unter dem Namen 'functional grammar' zunehmend in das Blickfeld gerUckte 3-Ebenen-Konzept der Beschreibung syntaktischer Relationen, unter Rückgriff auf die bei Koch 1981, 36 f f . , verwendete Terminologie. V g l . u.v.a. auch Dik 31981 oder Oesterreicher und Thielemann (in diesem Band).
170
wie "saliency" und "centrality".28 So interessant dieser Ansatz auch ist, halte ich es doch flir zweifelhaft, ob es gerechtfertigt ist, damit dem 'Subjekt* (dessen funktional-satzperspektivische Sonderstellung man ja auch aus dependenzieller Sicht mit seiner kongruenzbedingten und positionellen Besonderheit motivieren kann) einen zweiten "Sonderaktanten" dieser Art an die Seite zu stellen. Es ist die Frage, was gerade den Dativ- oder ä-Aktanten zu diesem Privileg erhebt. Es ist auch zu bedenken, daß das Subjekt immer auch gleichzeitig Nominativ-Aktant ist und neben seiner Thematizität eine Rolle auf der semantisch-propositionalen Ebene trägt, was für den Dativ-Aktanten gleichermaßen gelten sollte. Es fragt sich überhaupt, ob dieser funktionalsatzperspektivische Zugang dem offensichtlich lexikalischen Phänomen gerecht wird, mit dem wir es zu tun haben; ob es sinnvoll ist, bei den mindestens 235 (so viele erscheinen bei Seelbach 1975, 217 ff.) französischen Verben, die per Valenz einen klitisch pronominalisierbaren ä-Aktanten zu sich nehmen, schon auf 'langue-Ebene einen bestimmten Aktanten über deren Subjekt hinaus zum "theme" zu bestimmen. Daß es sich bei unserer Frage nach der klitischen Pronominalisierbarkeit des ä-Aktanten um ein lexikalisches Phänomen handelt, darüber besteht Einigkeit: "im Grunde entscheidet das Lexikon" (Klein 1983, 329); dabei gibt es auch Stimmen, die die semantische Begründbarkeit des Phänomens anzweifeln: "c'est un trait de lexique, mais dont la motivation semantique n'est pas tres claire" (Muller in Praxis 1970, 101); "aucune distinction semantique n'est associee ä la nature syntaxique des complements ä GN" (Couquaux 1978, 212; vgl. auch Raupach 1976, 112a). Wie sehr jedoch die Frage in der lexikalischen Bedeutung, eher als in einer abstrakten grammatischen Klassenzugehörigkeit der Verben verankert ist, zeigt die Tatsache, daß in der oben (Ende von Kap. 1.) gegebenen Liste die gleichen Lexeme in verschiedenen Wortklassen mehrfach auftauchen (recourir - avoir recours, interesser - avoir Interet etc.). Leclere (1978, 70) definiert das 'verbe datif als "celui qui implique l'echange de quelque chose entre deux humains", womit er aber nicht sehr weit entfernt ist von der Semantik nicht-"dativischer" ä-/u/-Verben H.-W. Kleins, für den die Präposition dort "noch den Wert einer Richtungsangabe hat" (Klein 1972, 329; zur Kritik an lokalistischen Erklärungsversuchen wie 'Hinwendung zu ..." etc. vgl. auch Raupach 1976, § 3.1.).
28
Barnes interpretiert damit die Wahl des Dativs analog zu Filimores Konzept der Subjektivierung und bezieht sich bei ihrer Dativ-Definition explizit auf Chafes funktional-satzperspektivisch basierte Subjektdefinition (253).
171
3.2. Rollen und Formen Es stellt sich also die Frage nach einer semantischen Konstanten, welche die 'ä-lui-Verben' gegenüber den Verben ausweist, die das klitische Pronomen zulassen, oder welche umgekehrt die semantische Bedingung für die klitische Pronominalisierung darstellt. Eine gewisse introspektive Spekulativität, die die Beantwortung dieser Frage mit sich bringt, wird sich auch in meinen folgenden Überlegungen nicht vermeiden lassen. Eine Kategorie 'Dativ' wird dabei, entsprechend dem bisher Gesagten, nicht im Spiel sein. Vielmehr werde ich versuchen, die Situation zu beschreiben als Interaktion zwischen drei grundlegenden semantischen Rollen, die auszudrücken oder besser zuzuweisen sind, und drei formal-morphosyntaktischen Oberflächenkategorien, die diese Zuweisung der Aktanten an die Leerstellen des Verbs oder Rollen zu leisten haben. D.h., ich werde zurückgreifen auf ein Beschreibungsprinzip, das zwar besonders in seiner Version als "Kasusgrammatik" in den 70er Jahren Höhen und Tiefen erlebt hat, das aber als reines Prinzip nicht nur schon viel älter ist und schon immer seine Dienste geleistet hat, sondern sich bis heute als nützliches Verfahren insbesondere bei vergleichenden Fragestellungen, sei es sprachintern, sei es sprachtypologisch, erwiesen hat.29 Wenig Probleme bietet dabei die Aussonderung der formal-morphosyntaktischen Oberflächenkategorien, die die semantischen Rollen bezeichnen sollen. Aus Bequemlichkeit werde ich im folgenden die Termini 'Nominativ', 'Akkusativ* und 'ä-Aktant' benutzen. Nach dem bisher Gesagten dürfte klar sein, daß dabei nichts über einen eventuellen Kasus- oder Präpositionalcharakter der angesprochenen Kategorien präjudiziert sein soll. 'Nominativ' und 'Akkusativ' sind definiert entsprechend den Ergänzungsklassen El und E2 bei Kotschi (1981, 94 ff.) und Koch (1981, 57 f.), der ä-Aktant als die Kategorie, die am Substantiv mit ä markiert ist. Von Vu/'-Aktant' rede ich da, wo sich der ä-Aktant als klitisch pronominalisierbar erweist, von 'ä-/u/-Aktant' da. wo dies nicht möglich ist. OQ
Ich folge damit im Prinzip der Auffassung von K. Heger (1976 und in diesem Band; Heger/Mudersbach 1984) und G. Wotjak ( v g l . u.a. Wotjak und Gärtner (in diesem Band», daß es möglich ist, im Sinne einer komponentiellen Semantik, die von komplexen, in hierarchischen Prädikat-Argumentstrukturen organisierten Verbbedeutungen ausgeht. Über die einzelnen Lexeme hinweg rekurrente Sememkomponenten zu definieren, aus denen sich stereotype Argumentpositionen ergeben (eine Annahme, die von den in Anm. 3O genannten Arbeiten in Zweifel gezogen wird). Es ist eine Frage der oberflächensyntaktischen Realisierung, inwieweit diese Argumentstellen dann Überhaupt als Leerstellen der Verben auftauchen und durch Substantive besetzt werden, und welche oberflächensyntaktische Kategorie die Besetzung jeweils realisiert ( v g l . Wotjaks Begriff der 'Aktantifizierung').
172 Hingegen ist das große Problem bei rollensemantischen Ansätzen die Bestimmung eines Inventars von zugrundeliegenden Rollen und der Status, den man solchen Rollen zuweisen soll. Es ist hier nicht der Platz für eine Auseinandersetzung mit der Kritik an den verschiedenen Konzepten solcher Rollen und an den Versuchen, Inventare davon aufzustellen. 30 Mit nur 3 (+ x) semantischen Rollen, deren Unterscheidung ich im folgenden brauche, sollte aber das Raster grob genug sein, um im Prinzip konsensfähig zu sein. Die im folgenden verwendeten Rollen (in etwa 'Agens', 'Patiens', 'Experiencer'), tauchen grosso modo auch in allen Inventaren immer wieder auf. Problematisch bleibt bei meinem Versuch also nur eines: die Identifikation der Rollen bei den einzelnen Verben. Obwohl es für unser Anliegen nicht wichtig ist, ob die Formulierung der Rollen dem Anspruch auf Außereinzelsprachlichkeit genligt oder nicht, möchte ich hier für die drei grundlegenden Rollen auf das Inventar der "Aktantenfunktionen" von K. Heger (bes. 1976, 102 ff.) zurückgreifen, der den Anspruch auf Universalität dadurch zu erfüllen sucht, daß die Kategorien nicht wie in der Kasusgrammatik mehr oder weniger induktiv gewonnen sind, sondern deduktiv aus zwei Prämissen abgeleitet sind: dem Strukturelement 'Prädikation', sowie der Annahme einer zweistelligen Relationskonstante 'Grund-Folge-Relation'. Aufgrund dieser Prämissen lassen sich die folgenden grundlegenden Aktantenfunktionen definieren: 'Prädikativfunktion' als die Argumentstelle, die sich an das nicht weiter festgelegte Basisprädikat, d.h. das in der rekursiven Prädikationshierarchie zuunterst stehende Prädikat, anschließt (vgl. etwa Object/Factitive' bei Fillmore 1968). 'Kausalfunktion' als die Argumentstelle, die im Bereich 'Grund' der GrundFolge-Relation zu besetzen ist (vgl. etwa 'agent' bei Fillmore 1968). Gegenüber den meisten anderen Ansätzen, die versuchen, die Agentivität auf eine Kausalrelation zurückzuführen, ist dies zu präzisieren: als Grund wie als Folge kann logisch kein Aktant, sondern nur eine Prädikation stehen.31 Der Kausativaktant tritt also letztlich in die Argumentstelle einer nicht weiter spezifizierten Prädikation ein, die ihrerseits als Grund fungiert, während als Folge die Prädikation fungiert, durch welche die Prädikativfunktion definiert ist. 'Finalfunktion' als die Argumentstelle einer unspezifizierten Prädikation, die ihrerseits als Argument 'Folge' einer ebenfalls übergeordneten Grund-FolgeRelation fungiert (vgl. etwa 'dative bei Fillmore 1968). Man kann die Final3O
Vgl. bes.
Finke 1974; Seyfert 1976; 1981; Koch 1981; 1983; Fillmore 1971; 1977.
Dieser Denkfehler, der sich aus der induktiven Herkunft der Rolle 'Kausalität* ergibt, wird zumeist mit dem Terminus 'Kau sä l Instanz' verwischt (bes. Deines 1976, insbesondere 55 f f . , 32 f f . , dort auch weitere Verweise).
173
funktion paraphrasieren als 'Aktant, der von dem primär ausgedruckten Zustand/Vorgang betroffen ist, wobei der Zustand/Vorgang nicht über ihn prädiziert ist' (vgl. ähnlich Wierzbicka 1988 zur Dativbedeutung, bes. 426 f.). Er ist also nicht wie der Prädikativaktant Träger dieses Zustandes/Vorganges, sondern Träger eines Zustandes, der mit dem ersteren ursächlich zusammenhängt. Diese Definition wird auch der allgemeinen Intuition von Peripherität oder Indirektheit gerecht, die sich in der Charakterisierung "Randkasus" (z.B. Jakobson 1971, 46) für den Dativ bzw. in dem Terminus 'indirektes Objekt' ausdrückt. Dativ und indirektes Objekt sind die einzelsprachlich-formalen Oberflächenkategorien, die primär dem Ausdruck der Finalfunktion dienen. Zudem beschreibt die Herleitung der Kausal- und Finalfunktion aus der Grund-Folge-Relation auch die lokalistischen Intuitionen, die in der Idee der Transitivität', und zwar der direkten wie der indirekten, impliziert sind, und reflektiert die begriffliche Nähe solcher Kategorien wie Agentivität, Betroffenheit zu solchen Instanzen wie 'Ausgangspunkt' und 'Ziel der Handlung' etc.: die Grund-Folge-Relation wird erfahrungsgemäß leicht uminterpretiert in eine Ursache-Wirkung-Relation mit zeitlichem Vorher-nachher-Bezug ("post hoc ergo propter hoc"). Dieser letztere wiederum ist die Voraussetzung für das Verständnis von Bewegung und Richtung im Raum. Die Kausalrelation bzw. die Agentivität steht damit weniger in metaphorischer als in metonymischer Beziehung zur lokalen Richtungsrelation und zum Transitivitätsgedanken. Die Definition dieser drei Aktantenfunktionen dürfte den höchsten Abstraktionsgrad darstellen, der möglich ist, um überhaupt noch verschiedene Funktionen voneinander zu unterscheiden. Schwieriger als die deduktive Herleitung ist allerdings bei dieser abstrakten Formulierung die Zuordnung der Funktionen im konkreten Einzelfall der Verben, ohnehin die Achillesverse des rollensemantischen Ansatzes. Das Verfahren, die Einzelbedeutungen der Verben den abstrakten Verständniskategorien mit Hilfe sog. 'verbes vicaires oder 'verbes de reference' zuzuordnen, wie es Koch (1981) vorschlägt 32 , ist bei solchermaßen a priori definierten Kategorien nicht möglich. Allein das Verb avoir, in seiner generischsten wie in seinen spezifischen Gebrauchsweisen, abgesehen natürlich von seinem temporalen Hilfsverbgebrauch, scheint die Eigenschaft zu besitzen, seinem "Subjekt" oder Nominativaktanten grundsätzlich die Finalfunktion zuzuweisen. 33 D.h., ich gehe davon aus, daß die 'haverelation', die Barnes (1980) mit der Dativbedeutung identifiziert (vgl. oben 3.1.), im Sinne der hier zugrundegelegten Finalfunktion zu verstehen ist.
32
17O ff., bes. 186 ff.; vgl. auch Bondzio 1971, 92 ff. Vgl., natürlich mit anderem Verständnis der Bedeutungskategorie, um die es dabei geht, Fill more 1968, 61 ff.
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Vielleicht kann das Verb avoir helfen, bei verschiedenen Verben oder Verbklassen die Unterstellung einer Finalfunktion, wenn schon nicht zu beweisen oder zu rechtfertigen, so doch zumindest plausibel zu machen, zu veranschaulichen. Zunächst also unterstelle ich die Finalfunktion bei jeder Art von Besitzverhältnissen (abstrakter und konkreter, "alienabler" und "inalienabler" Art) dem Besitzer. Die konverse Beziehung, die zwischen dem 'haben'-Subjekt und dem Dativ-Aktanten bzw. im Fr. dem /i//-Aktanten zahlreicher Verben des Besitzes und Besitzwechsels besteht, ist ja bekannt (Pierre a une voiture, la voiture tui appartient, on lui a offert/vendu/donne la voiture). Ein possessives Verhältnis, als Sonderfall der Finalfunktion, ist insbesondere auch bei dem sog. 'Pertinenzdativ' zu unterstellen. Ferner unterstelle ich die Finalfunktion in Fällen der Modalität, auch epistemischer und vor allem deontischer Art, und zwar flir den Aktanten, "flir den die Notwendigkeit/Möglichkeit/Unmöglichkeit bzw. die Pflicht/Erlaubnis/das Verbot besteht": avoir la possibilite/le devoir/le permis ..., und damit auch für die Verben/Adjektive, die eine solche Modalität prädizieren. Die 'Betroffenheit' von modalen Bedingungen, als Sonderfall der Finalfunktion, ist dem 'haben'-Subjekt schließlich auch in all den Fällen zu unterstellen, wo avoir eigentlich schon modalen Hilfsverbcharakter hat: avoir ä faire qch. Schließlich implizieren auch sämtliche Verhältnisse mentaler Präsenz (avoir en memoire, avoir connaissance, avoir le sentiment que, avoir /une idee (de, que) ...) und der Wahrnehmung (avoir vue sur, avoir en vue qn., avoir l'impression/le sentiment ...) die Finalfunktion. 3 4 Dies heißt, daß auch bei allen 'kausativen Wahrnehmungsverben', also solchen der Mitteilung und des Zeigens, eine Finalfunktion anzusetzen ist. Ich habe in all diesen Fällen35 versucht, die Unterstellung einer Finalfunktion des jeweils von dem Zustand/Vorgang Betroffenen dadurch plausibel zu machen, daß dieser Aktant leicht auch als Subjekt von 'haben' auftaucht. Angesichts des fast grammatikalischen Charakters von avoir in den Beispielen, in denen nicht gerade Possession ausgedrückt wird, und der Tatsache, daß es sich bei den Akkusativobjekten meist um auf grammatischem Wege transferierte Verben handelt, könnte man, ganz im Sinne Tesnieres, diese Kommutation als eine Art der Diathese auffassen, die dazu dient, den Aktanten in Die begriffliche Verwandtschaft, die zwischen Possession und Wahrnehmung besteht und die m.E, in dem gemeinsamen Sem 'Finalfunktion' liegt, zeigt sich in der Ubereinzelsprachlich verbreiteten Verwendung possessiver Verben zur Bezeichnung von Wahrnehmung: hafaere + dopp. Akk., halten flir, gern/lieb haben, prendre/tenlr pour ... Zum inhaltlichen Zusammenhang der hier aufgeführten "Rollen" v g l . auch Thielemann (in diesem Band).
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Finalfunktion zum Nominativ ("Subjekt", "Erstaktant") zu machen. Dafür spräche auch die bekannte Nicht-Passivfähigkeit von 'haben': als DiatheseForm unterliegt es keiner weiteren Diathese. Leider funktioniert diese Kommutation bei weitem nicht in allen Fällen und bringt z.T. Ergebnisse, die meiner Annahme widersprechen (j'ai confiance en toi tu äs ma confiance). Der Hinweis auf den "diathetischen" Charakter des Verbs avoir soll aber veranschaulichen, daß die Konstruktion, in der der Finalaktant an Subjektstelle auftaucht, nicht nur nicht die einzige, sondern vor allem nicht die grundlegendste oder "normalste" Konstruktionsweise für die Finalfunktion im Französischen ist. Vielmehr ergibt sich schon aus meinen Hinweisen auf die Verben des Besitzwechsels und der Mitteilung, sowie auf den Pertinenzdativ, worauf ich hinaus will: der "Normalfall", die Standardform zur Besetzung der Finalfunktion ist im Französischen der lui-Aktant (in anderen Sprachen der Dativ). Er ist aber, wie gesagt, nicht die einzige mögliche Form. Auf den verschiedenen Möglichkeiten, die in einer Sprache fiir die Zuordnung zwischen den auftretenden Aktantenfunktionen und den zur Verfügung stehenden Oberflächenkategorien gegeben sind, beruht nun meine Beschreibung des Problems der klitischen Pronominalisierung von ä-Aktanten. Die Zuordnung der drei unterschiedenen Aktantenfunktionen, die ich hier einmal als die drei grundlegenden ansehen will, zu den zur Verfügung stehenden formal-morphosyntaktischen Oberflächenkategorien (also Kasus/Präpositionen) ist nach dem Valenzgedanken, der hier zugrundegelegt ist, im Prinzip eine individuelle Eigenschaft jedes Verballexems.36 Dennoch gibt es dabei bekanntlich starke Systematizitäten und Gemeinsamkeiten zwischen den Verben bzw. Adjektiven. Das Französische weist, wie alle Sprachen, hier ganz bestimmte bevorzugte Zuordnungsschemata auf. Die wichtigste dieser Regularitäten ist die, die das Französische, zusammen mit den anderen indogermanischen Sprachen, als 'akkusativische' Sprache ausweist: 1. Bei einer einzigen zu besetzenden Aktantenfunktion steht der Aktant bei den weitaus meisten Verben/Adjektiven im Nominativ, d.h., der Nominativ kann im Prinzip jede Aktantenfunktion übernehmen da voiture existe/est intacte/est visible, Pierre tnarche). 2. Eine Restriktion besteht hingegen beim Akkusativ: der bei mehrstelligen Verben hinzutretende Akkusativ ist im Normalfall der Prädikativfunktion reserviert. L
Der Terminus 'Aktantenkarussell' von W. Thielemann (in diesem Band) beschreibt glücklich die prinzipielle Offenheit bei der Zuordnung zwischen den wenigen möglichen Oberflächenkategorien und den zu besetzenden semantischen Argumentpositionen, allerdings nicht bezogen auf lexikalische Oppositionen, sondern auf diathetische.
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Die Bedeutung, die diesem Prinzip in der Sprachtypologie beigemessen wird, ist gerechtfertigt: die Auswirkungen dieses Prinzips auf die Organisation der Aktantenmarkierung insgesamt sind komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint. Die Primarität der Akkusativ-Regel beeinflußt nämlich auch die anderen Aktantenfunktionen und Oberflächenklassen und ist damit auch bestimmend für die Verhältnisse bei der klitischen Pronominalisierung des ä-Aktanten: das Prinzip Nr. 2 hat nämlich zur Folge, daß 3. bei zweistelligen Verben die jeweils andere zu realisierende Aktantenfunktion (kausal oder final) im Nominativ erscheint: Pierre construit/repare Ja voiture bzw. Pierre a la voiture, Pierre voit la voiture-, 4. bei zweistelligen Verben, bei denen die Prädikativfunktion als Nominativ realisiert ist, die jeweils andere Funktion, da der Akkusativ ja blockiert ist, auf eine andere Form ausweichen muß: flir die Finalfunktion ist dies der ä-Aktant: la voiture appartient ä Pierre, Ja voiture lui est visible. Dies ist nun der Normalfall für die zweistelligen lui-Verben: nuire, plaire, in co m her, apparaitre etc. 5. Bei drei zu besetzenden Funktionen ist die "normale" Verteilung klar: der Nominativ übernimmt die Kausalfunktion, der Akkusativ die ihm angestammte Prädikativfunktion und der ä-Aktant die ihm angestammte Finalfunktion: Jean offre/montre la voiture ä Paul. Von dieser Ordnung abzuweichen besteht im Normalfall der dreistelligen Verben keine Veranlassung, solange das Verb tatsächlich diese 3 Grundfunktionen beinhaltet und solange nicht aus funktional-satzperspektivischen Gründen die Prädikativ- oder die Finalfunktion in die thematische (weil präverbal stehende und verbkongruenzfähige) Subjekt- oder NominativPosition gerückt werden soll. Hierzu bestehen im übrigen die notwendigen Diathesen: das "normale" Passiv und se voir/se faire, um die Prädikativfunktion in den Nominativ zu rücken, se voir/se faire auch, um die Finalfunktion in den Nominativ zu rücken (Pierre s'est fait /vu montrer/offrir la voiture). Als Beispiel der "Standardkonstellation" 5 kann man die immense Liste der dreistelligen kausativen Verben der Wahrnehmung (besonders des 'Sagens'), der kausativen Verben der deontischen und epistemischen Modalität und der Verben des Besitzwechsels (des 'Gebens') anführen: Paul montre Ja voiture ä Pierre, Paul lui dit un poeme, Paul lui permet/interdit/ordonne de venir, Paul offre/donne/prend la voiture ä Pierre. Meine Annahme ist nun, daß die klitische Pronominalisierung dann nicht möglich ist, wenn die normale Zuordnungsregel ä-Aktant = Finalfunktion durchbrochen ist, dann also, wenn der Aktant keine Finalfunktion, sondern
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etwas anderes bezeichnet (d.h. also ganz banal, daß ich das, was andere als Dativität oder als Dativbedeutung beschreiben, mit der semantischen Kategorie 'Finalfunktion' zu beschreiben versuche). Diese Bedingung trifft zunächst einmal zu für alle lokativen Verben, die ich oben (l.g) ja ausgeschlossen hatte, bei denen der ä-Aktant keine Finalfunktion, sondern die Bezeichnung einer ganz anderen Beziehung, eben der lokalen, übernimmt. Bei diesen Verben ist der ä-Aktant natürlich auch nicht mit dem klitischen Personalpronomen pronominalisierbar. Welche Bedingungen liegen dagegen bei den nicht lokativen ä-lui-Verben vor, also denen aus unserer Ausgangsiiste? Es erscheint zunächst adäquat, wenn die Grammaire Larousse (§ 359) und Kotschi (1981, 97) annehmen, daß die Unterscheidung zwischen /u/-Verben und ä-/u/'-Verben nur bei zweistelligen Verben gegeben sei: nach dem gegebenen Schema wird ja die Dreistelligkeit im Normalfall dann benötigt, wenn die drei grundlegenden Aktantenfunktionen vorliegen, wobei die Zuordnung nach dem Schema 5 gewährleistet ist. Es gibt nun allerdings in Abweichung zu der von der Grammaire Larousse und Kotschi formulierten Regel in unserer Liste eine ganze Reihe dreistelliger Verben (assimiler, me"ler, marier, habttuer, ajouter, attacher, appJiquer, Her, exposer, associer, allier, joindre, unir, comparer, adapter, fiancer, interesser). An diesen Verben fällt sofort eines auf: es handelt sich, mit Ausnahme von ajouter, comparer, exposer um Verben, bei denen man eher gewohnt ist, sie in ihrer rezessiv-diathetischen Form als reflexive Verben anzutreffen. Hingegen wirken die nicht-diathetischen Formen, die hier aufgeführt sind, fast wie markierte Sonderformen zur Kausativierung. Dies ist bereits ein Indiz für die "Fehlbesetzung" von Aktantenpositionen, die hier vorliegt: die Verben vermitteln in ihrer nicht-diathetischen Form den gleichen Eindruck verschobener "unnormaler" Aktantenfunktionsbesetzungen, den wir normalerweise von der kausativen Verschiebung kennen, wogegen erst die diathetische Reflexivkonstruktion gewohnte Verhältnisse einfuhrt. Auch die Passivdiathese ist bei den meisten dieser Verben häufiger anzutreffen und erscheint bei den meisten dieser Verben "normaler" als das nicht-diathetische Aktiv: $tre habitue, attache, Interesse, alJie, associe, marie a... Barnes (1980, 276) sondert innerhalb der dreistelligen ä-/i//'-Verben zwei Bedeutungsgruppen aus: zum einen die, deren Bedeutung sie als "changement (...) in the attitude of the D.O. with respect to the I.O." umschreibt (vgl. auch Dunbar 1981, 55-60). Zu nennen sind hier attacher, habituer, interesser (weitere Verben dieses Typs finden sich unter den zweistelligen), die ich zu
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den Verben der mentalen Präsenz oder Wahrnehmung zählen würde.37 Hier steht also der Finalaktant, nämlich der Wahrnehmende, nicht als Nominativ oder als ä-Aktant, wie es den bisher gegebenen "normalen" Schemata entspräche, sondern als Akkusativ. Dies widerspricht jedoch der Akkusativregel, die den Akkusativ ja der Prädikativfunktion vorbehält. In der Reflexiv- oder Passivdiathese ist diese "UnnatUrlichkeit" wieder behoben: der Finalaktant rlickt in den ihm gemäßeren Nominativ, weshalb die reflexive oder die passivische Form uns vielleicht als normaler erscheint. Dem ä-Aktanten kommt bei diesen Konstruktionen die Prädikativfunktion (Objekt der Wahrnehmung') zu, er ist somit nicht mit dem klitischen Personalpronomen pronominalisierbar. Diesem Schema entsprechen auch viele der von Hause aus (d.h. vom Lexikon her) reflexiven Verben, die ich oben in l.e) ja zunächst von der Betrachtung ausgeschlossen habe, und es wird klar, daß sie damit virtuell zu unserer Gruppe der ä-lui-Verben gehören, wie ich es auch schon angedeutet hatte. Die zweite Bedeutungsgruppe, die Barnes unter den dreistelligen ä-luiVerben ausmacht, sind die von der Kasusgrammatik so genannten 'symmetric verbs' (Barnes 1980, 275 f.). Man wird mir (oder Barnes) darin folgen können, daß den Verben marier, fiancer, Her, associer, aJlier, joindre, unir, assimiler als gemeinsamer Zug zu eigen ist, daß sie in irgendeiner Weise eine reziproke Beziehung zwischen den Argumenten implizieren, die durch den Akkusativ und durch den ä-Aktanten bezeichnet werden. Bezogen auf die herangezogenen Definitionen aber heißt dies, daß bei diesen verbalen Konzepten auf der untersten Ebene der Prädikationshierarchie, da, wo die Prädikativfunktion definiert ist, eine zweistellige Prädikation steht, die gewissermaßen einer "Verdoppelung" der Prädikativfunktion gleichkommt und bei der nur willkürlich zu entscheiden ist, welchem der beiden Aktanten man nun die Prädikativfunktion unterstellen soll. Nicht umsonst wird häufig darauf hingewiesen, daß bei diesen Konstruktionen eine "quasi-diathetische"38 Abwandlung darin besteht, die betreffenden Aktanten im Akkusativ zu koordinieren, wo sie dann gemeinsam die Prädikativfunktion einnehmen: je marie Pierre ä Pauline > Leider funktioniert der *haben'-Test hier nur beschränkt: Marie habitue Pierre a aea folles > Pierre a l'habitude de aea folles Marie Interesse Paul A son travail > Paul a de I'interBt pour son travail > Paul prend de I'lnteret son travail (vgl. aber auch: le travail n'm. pas d'inter&t pour Paul, allerdings bei abweichender Bedeutung des Lexems inter&t) Ces experiences attache n t Paul a Marie > *Paul a de l'attachement ... 38 Quasi-diathetisch", weil es sich hier wohl doch nicht um eine diathetische Transformation handelt, die auf der Ebene der semantisch-propositionalen Beziehungen bedeutungsneutral wäre, sondern letztlich um bedeutungsvei— schiedene Sätze, deren sachliche Äquivalenz erst auf der Ebene der Ontologie gegeben ist. Vgl. dazu auch Starosta 1978, 468 f.
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je marie Pierre et Pauline, je les marie. D.h., statt einer Finalfunktion liegt bei diesen Verben eine zusätzliche Argumentstelle vor, die semantische Gemeinsamkeiten hat mit der Argumentstelle, welche als Prädikativfunktion definiert ist. Gegenüber der "Standardkonstellation" nur mit einer Prädikativfunktion ist also eine Argumentstelle zu viel da. Diese weicht auf den ä-Aktanten aus. Somit bezeichnet auch bei diesen Verben der ä-Aktant keine Finalfunktion und ist auch nicht klitisch pronominalisierbar. Bei diesen Verben ist die Tendenz zur reflexiven Konstruktion sicherlich auch motivierbar damit, daß sie sich die Reziprozität zunutze machen, die die Reflexivkonstruktion ausdrucken kann. Sie sind sozusagen die Kandidaten für reziproke Reflexivität par excellence. Bei den noch verbleibenden dreistelligen ä-/u/-Verben (adapter, appliquer, exposer) wage ich, bei aller Bereitschaft zur spekulativen Argumentation, nicht, eine Zuordnung von Aktantenfunktionen vorzunehmen. Plausibel erscheint mir jedoch, daß das durch den ä-Aktanten bezeichnete Argument jedenfalls eher als Ausgangspunkt denn als Endpunkt einer kausalen Verknüpfung anzusehen ist und ihm damit entweder eine Kausal- oder eine Prädikativfunktion, nicht jedoch eine Finalfunktion zu unterstellen ist.
Somit komme ich zurUck zu den zweistelligen ä-/u/-Verben penser, croire, renoncer, rBver, songer, tenir, veiller, toucher, reaglr, recourir, en appeler, en referer. Ausgehend von der Prämisse, daß der Akkusativ der Prädikativfunktion vorbehalten ist, habe ich oben (Konstellationen 3 u. 4) folgende Möglichkeiten der Zuordnung als "Normalfälle" ins Auge gefaßt: Norn
Akk
ä-Aktant
a)
kaus.
präd.
(Pierre construit/repare
b)
fln.
präd.
(Pierre a une voiture)
c)
präd.
fin.
(Ja voiture appartient
la voiture)
a Pierre)
Wenn man mir darin folgen mag, die Verben rever, songer, penser, croire, tenir, veiller als Verben der mentalen Präsenz oder der Wahrnehmung einzuordnen und dem Wahrnehmenden dabei die Finalfunktion zuzuweisen, ergäbe sich die folgende Zuordnung, Nom.
ä-Aktant
fin.
präd.
die damit von den obigen Schemata b) und c) abweicht. Diese Interpretation harmoniert auch mit der Beobachtung Seelbachs (1975, 225) und Kotschis (1981, 99; vgl. auch Blinkenberg 1960, 84 f.), daß bei der Paraphrasierung von ä-/u/-Verben durch andere Verben der dem ä-Aktanten entsprechende Aktant zumeist im Akkusativ steht, wie es das Schema b) verlangt.
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Letztlich aber reicht auch bei den zweistelligen ä-7u/-Verben der allgemeinere Hinweis, daß, abgesehen vielleicht von toucher, in allen Fällen das Argument, das der ä-Aktant bezeichnet, eher auf der Seite 'Grund' als auf der Seite 'Folge' einer kausalen Relation gesehen werden kann und ihm somit keinesfalls eine Finalfunktion, sondern entweder eine Prädikativfunktion oder eine Kausalfunktion zu unterstellen ist. Es stellt sich die Frage, warum die Verteilung der Aktanten bei diesen Verben nicht nach den obigen Schemata a) - c) erfolgt. Ein Abweichen von der Struktur a) könnte man mit der "Subjektwahl" (Fillmore 1968; Dik 1981, 69 ff.) begründen, d.h., die Zuweisung einer beliebigen Aktantenrolle an die Subjektposition, um die speziellen Eigenschaften des Subjektes/Nominativs (Verbkongruenz, Anfangsstellung, Primarität in der gegenseitigen Implikationshierarchie der Kasus) bei der funktionalen Satzperspektive oder ähnlichem für diesen Aktanten zu nutzen. Diese Begründung erklärt aber nicht das Abweichen von den Schemata b) und c), das ich ja den meisten unserer Verben unterstelle. Die Alternative b) - c) erlaubt ja bereits freie Subjektwahl.. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, daß die meisten dieser Verben tatsächlich eine akkusativische Variante haben: penser qch, croire qn/qch, renoncer qn/qch, river qch/de qch, songer qch, tenir qch, veiller qn, toucher qn/qch, appeler qn. Man könnte das Ausweichen auf die "ungewöhnliche" Konstruktion mit nicht finalfunktionalem ä-Aktanten durch die distinktive Funktion der Valenzrahmen erklären: die zwei (bei rever und croire sogar drei) Konstruktionstypen dieser Verben unterscheiden jeweils zwei verschiedene Bedeutungen der Verben, die so eng beieinander liegen, daß sie ohne dieses distinktive Merkmal kaum zu unterscheiden wären. Zu betonen ist, daß die Aktantenfunktionen von den unterschiedlichen Verbbedeutungen nicht betroffen sind: so sind die Aktantenfunktionen abstrakt genug definiert, um bei allen drei Bedeutungen von rBver (reVer qch/de qch/ä qch), bei denen es offensichtlich um drei verschiedene Prozesse geht, den Aktanten jeweils die Finalfunktion und die Prädikativfunktion zuzuweisen. Rein formale Bedingungen sind es, die die Realisierung der Prädikativfunktion als Akkusativ (und damit die Anwendung der Schemata a) oder b)), bei den "zweistelligen Wendungen" avoir affaire/recours/trait, faire allusion/appel/attentjon/raference, prendre interet/garde verhindern: die Akkusativposition wird hier bereits von dem Substantiv besetzt, das die Valenz des Ausdruckes überhaupt erst eröffnet. Bei den prädikativ konstruierten Adjektiven etre pareil/semblable/relatif finden wir die schon bei dreistelligen Verben aufgefundene Reziprozität vor, bei der Nominativaktant und ä-Aktant in einer symmetrischen Relation stehen. Eine Organisation, die einem dieser beiden Aktanten den Akkusativ
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zuweist, ist auch bereits aus formalen Gründen nicht möglich: einen Akkusativ sieht die Adjektivvalenz im Neufranzösischen nicht vor. Ein interessanter Fall ist das Adjektiv indifferent: dieses Adjektiv ist nach den Bedeutungsdefinitionen des Petit Robert ambig, und zwar so, daß die beiden Bedeutungen genau konvers zueinander sind: Pierre est indifferent
a Marie
heißt entweder (1) 'Peter (nom.) ist Maria (dat.) egal' oder (2) 'Peter (nom.) ist Maria gegenüber gleichgültig', was bezogen auf die semantisch-propositionale Ebene, auf der Aktantenfunktionen oder Rollen ja anzusetzen sind, so viel ist wie 'Maria (nom.) ist Peter (dat.) egal*. Die Finalfunktion ist dabei jeweils dem Wahrnehmenden (bzw. hier dem gerade nicht Wahrnehmenden) zu unterstellen, die Prädikativfunktion dem Wahrgenommenen (bzw. eben gerade nicht Wahrgenommenen). 39 D.h., je nach Lesart liegt hier entweder das Standardkonstruktionsschema c) vor (Lesart 1) oder eine Abweichung (Lesart 2). Nur die "Standardkonstruktion", in der der ä-Aktant die Finalfunktion markiert, also die Lesart l, erlaubt die klitische Pronominalisierung: (1) Pierre lui est
indifferent
(2) Pierre est indifferent
a eile
Der Organisation der Lesart 2 entspricht, sozusagen als Antonym, das Adjektiv attentif, das ebenfalls keine klitische Pronominalisierung zuläßt. Verbleiben unter den zweistelligen Konstruktionen, die die klitische Pronominalisierung des ä-Aktanten nicht erlauben, noch die Verben reagir, recourir und en referer. Auch hier traue ich mir eine nachvollziehbare Zuordnung von Aktantenfunktionen nicht mehr zu.4°
3.3. Zusammenfassung und ergänzende Bemerkungen Zusammengefaßt lautet meine Regel für die Klitisierungsbedingungen des äAktanten also folgendermaßen: so wie die Akkusativität, also das Zusammenfallen von Akkusativ und Prädikativfunktion, ein Standardschema der OQ
Vgl.:
(t) Marie a de l'indifference (2) Pierre a de l'indifference
pour Pierre pour Marie
Bei recourir und en referer könnte man von einer modalen Bedeutung ausgehen, die den ä-Aktanten in Kausalfunktion (der, der die Möglichkeit schaffen soll), den Nominativaktanten in Finalfunktion sieht (der, der die Möglichkeit bekommen soll, vgl. auch mvoir recours). Sicherlich kommt hier aber auch dem Nominativaktanten eine gewisse sekundäre Kausalität zu, was auch dessen Nominativstellung begründen könnte. Hingegen entspricht eigentlich der Nominativaktant von reagir der ursprunglichsten Definition der Finalfunktion: der Aktant, bei dem durch einen Vorgang/ Zustand ein nicht weiter spezifizierter Zustand bewirkt wird.
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Valenz französischer Verben ist, Übernimmt der ä-Aktant standardmäßig die Finalfunktion. Nur in diesem Fall ist der Aktant mit den klitischen Pronomina der Reihe me, te, se, lui, nous, vous, leur pronominalisierbar. Einzelne Verben können selbstverständlich in ihrer Valenz von diesem Schema abweichen und eine andere Funktion mit dem ä-Aktanten besetzen. Diese Fälle habe ich als Komplikationen beschrieben, bei denen die Abweichung vom Standardschema zumeist motivierbar ist. In diesen Fällen ist die klitische Pronominalisierung des ä-Aktanten nicht möglich. Diese Beschreibung harmoniert auch mit der Beobachtung Seelbachs (1985, 103), daß die /u/-Aktanten, im Gegensatz zu den ä-/u/-Aktanten, nie durch Infinitive oder Kompletivsätze ersetzbar sind. Infinitive und Kompletivsätze sind Prädikationen bzw. Darstellungen von Sachverhalten. Diese eignen sich schlecht flir die Rolle des von einem Prozeß mittelbar Betroffenen oder gar Wahrnehmenden, Besitzenden etc.*1 D.h., daß auch die große Mehrzahl der Verben, die ich oben (l.f) ausgeschlossen habe, weil sie nur Abstrakta und besonders Infinitive, Kompletivsätze und nominalisierte Verben zu sich nehmen, und die deshalb die Frage nach lui oder ä lui gar nicht aufkommen lassen, virtuell zur Gruppe der ä-Iui-Verben gehören (aboutir, participer, reduire ...).42 Nicht verschwiegen sei zum Schluß eine Gruppe von Verben, die meiner Darstellung widersprechen: bei denen nämlich der ä-Aktant mit klitischem Personalpronomen pronominalisierbar ist, aber nach meinem Verständnis keine Finalfunktion bezeichnet: aus den umfangreichen Listen zweistelliger /u/'-Verben bei Seelbach (1975, 217 ff.) sind das die folgenden: correspond™, obeir, resister, succomber, substituer, ressembler, preferer, succeder*3; hinzuzufügen wären auch equivaloir, preexister, survivre, faire face (Gaatone 1984, 136) sowie en vouloir, ferner eine große Zahl von Adjektiven: contigu, conforme, Interieur, exterieur, prealable, consecutif, posterieur, anterieur, superieur, inferieur (Gaatone); (in)fidele, reconnaissant. Die semantische Parallelität der genannten Verben zu verschiedenen ä-/u/-Verben ist evident. Es ist zu beachten, daß die Finalfunktion nicht einfach als die Argumentsteile 'Folge' der Kausalrelation definiert ist (da wäre eine Prädikation und damit eine Sachverhaltsdarstellung nicht nur am Platze, sondern die einzige Möglichkeit), sondern als die Argumentstelle einer unspezifizierten Prädikation, die ihrerseits als Folge eingesetzt ist. 4·2 "Pro to typ l sehe" Aktanten der /u/'-Verben, bzw., in anderen Sprachen, prototypische Dativaktanten sind natürlich Personenbezeichnungen. Zu dem Zusammenhang zwischen Dativbedeutung und Belebtheit und den diachronischen Funktionsverschiebungen der Kasusmorphologie, die dadurch ausgelöst werden, verweise ich ausdrücklich auf den Beitrag von M. Selig (in diesem Band). Couquaux 1976, 68, gibt succomber zusammen mit den ä-./u j-Verben. Zu obolr ist zu bemerken, daß dieses Verb in gewissen anderen Eigenschaften mit den ä-./u/-Verben zusammengeht (vgl. Raupach 1976, 113a).
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Bei den vergleichenden Verben und Adjektiven fällt a u f , daß sie sich fast ausschließlich im lokativen und temporalen Bereich befinden: /'/ lui est anterieur/extärieur vs. *// lui est meilleur/plus grand .... Für diese "Ausnahmen" meiner Regel habe ich keine Erklärung. Zumindest kann man feststellen, daß diese Verben in der immensen Liste der /u/'-Verben nur einen verschwindenden Anteil ausmachen. Bezüglich der vergleichenden Verben/Adjektive, die, wie Gaatone bemerkt, die Mehrzahl dieser Ausnahmen bilden, bleibt mir an dieser Stelle der impressionistische Hinweis darauf, daß die oben gezogene Verbindungslinie zwischen Finalfunktion und Possession bzw. zwischen avoir und klitischem lui noch weiter läuft: Possession spielt eine entscheidende Rolle bei der Nennung eines Referenzpunktes bei relationalen und speziell komparativen Ausdrücken (vgl. mon premier jour en France, mein letztes Stündlein, son successeur > i l lui succede). Man muß also entweder die Nennung eines Referenzpunktes in semantischem Zusammenhang mit der Finalfunktion sehen oder aber für klitisches Jui und die Possession doch noch eine andere Funktion 'Nennung des Referenzpunktes' zulassen.*4 Damit wäre auch der Gebrauch des klitischen Pronomens in Kombination mit den aus Präpositionen abgeleiteten Adverbien zu beschreiben (H lui court apres/tape dessus/rentre dedans etc.).
4. Schluß Resümieren kann ich die hier vorgetragenen Überlegungen als den Vorschlag, die Annahme von "Dativität" des ä-Aktanten bei Verben, die eine klitische Pronominalisierung zulassen, zu ersetzen durch das, was normalerweise die "Standardbedeutung" der Oberflächenkategorie 'Dativ' ist: die semantische Aktantenrolle 'Finalfunktion' (oder wie immer man diese Rolle auch nennen mag). Diese Präzisierung ist nicht "gratuite" oder kleinlich: wenn man bereit ist, meinen semantischen Zuordnungen zu folgen, erlaubt sie m.E. eine klarere Darstellung des Zusammenhanges, der zwischen der Pronominalisierbarkeit und anderen syntaktischen Eigenschaften der nicht klitisch pronominalisierbaren Verben besteht. Schließlich wird, durch die Negativdefinition ("keine Finalfunktion"), unserer Verbklasse eine einheitliche semantische Definition gegeben, welche dennoch der semantischen Vielfalt Rechnung trägt, die D. Gaatone (1984, 134, vgl. auch 135, 137) in mehreren resignierenden Stoßseufzern konstatiert: "Autrement dit, 11 n'est pas possible, quol qu'on fasse, de trouver un seme commun a tous les verbes indativables ( . . . ) . " 44
Vgl. die Rolle 'Locus' bei Starosta 1978, 464 f.
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Maria Selig (Freiburg)
Inhaltskonturen des "Dativs" Zur Ablösung des lateinischen Dativs durch ad und zur differentiellen Objektmarkierung 0. Einleitung In den letzten Jahren ist die auf langer Tradition beruhende Analyse von morphosyntaktischen Kategorien der Aktantenmarkierung, den "Kasus", in Zusammenhang mit Inhaltskategorien etwas in Vergessenheit geraten. Neuere Grammatiktheorien haben das in früheren Ansätzen vertretene Postulat, Inhalts- und Ausdrucksstrukturen im Bereich der Aktantenmarkierung seien isomorph, aufgegeben. Statt die "Kasus" in jedem Fall als genaue Abbildungen von semantischen Kategorien zu interpretieren, weisen sie ihnen statt dessen in einer Vielzahl ihrer Verwendungen eine syntagmatisch kontrastierende Funktion zu. Diese neueren Betrachtungsweisen der "Kasus" scheinen auch zu implizieren, daß man bei ihrer inhaltlichen Analyse a l l e n f a l l s auf distributioneile Phänomene stoßen kann, die sich kontingent aus dem idiosynkratischen syntaktischen Valenzrahmen der Verben ergeben, bei denen die "Kasus" auftreten. Ich will mich im folgenden gerade mit solchen kontingenten Distributionsphänomenen beschäftigen. Ausgangspunkt sind dabei der lat. Dativ und die rom. Präposition a, formale Markierungskategorien, die eine distributionelle Gemeinsamkeit aufweisen und aufgrund dieser Gemeinsamkeit unter dem Namen "Dativ" zusammengefaßt werden können: sie markieren den Drittaktanten der Verbklassen 'Geben/Nehmen' und 'Sagen'. Ich will für den Kasus und die Präposition Inhaltskonturen herausarbeiten, die sich aus der Verwendung der Morpheme als Aktantenmarkierung bei den oben genannten Verbklassen ergeben. Diese Inhaltskonturen, die sich als sekundäre Assoziationen der formalen Kategorien mit den von diesen Verbklassen eröffneten semantischen Aktantenrollen bestimmen lassen, bilden den Ausgangspunkt von diachronischen Entwicklungen: sie motivieren den Ersatz des lat. Dativs durch die Präposition ad und sie ermöglichen die Funktionsausweitung der rom. Präposition a bei der differentiellen Objektmarkierung, bzw., in traditioneller Terminologie, beim "präpositionalen Akkusativ".
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1. Kasus und Präposition Bevor ich auf die Inhaltskonturen des tat. Dativs und der rom. Präposition a näher eingehe, will ich, um Mißverständnissen vorzubeugen, zunächst einige knappe Anmerkungen zu den beiden Begriffen 'Kasus' und 'Präposition' machen. Ich werde, der Einfachheit halber, die Argumentation zunächst auf den Kasusbegriff beschränken. Dies ist aber, da die Unterschiede zwischen Kasus und Präposition allein formaler Natur sind und nicht die Funktionsweise der beiden Kategorien betreffen, nicht weiter von Bedeutung. Wenn ich, bezogen auf den lat. Dativ, von Inhaltskonturen spreche, ziele ich damit keineswegs auf "Bedeutungen" des Dativs oder gar auf eine "Gesamt-" oder "Grundbedeutung" dieses Kasus. Wie die dependenzgrammatischen oder andere neuere verbzentrierte Grammatikansätze gehe ich von einer zunächst nur formal abzugrenzenden Kategorie 'Dativ' aus: 'Dativ' ist definiert als eine Position im Paradigma der lat. Nominalflexion, als einer der sechs lateinischen Kasus Nominativ, Genitiv etc.1 Wenn die formal abgegrenzten Kasusmorpheme auf ihre inhaltlichen Funktionen hin Überprüft werden, lassen sich drei Inhaltsaspekte erkennen, deren Kodierung in den Morphemen kumuliert ist. Die lat. Kasusmorpheme markieren Genus und Numerus der NP und sie markieren die syntaktische Relation der NP zum (verbalen oder nominalen) 'head'. Der letzte Inhaltsaspekt kann dabei unter syntaktischen Gesichtspunkten als der wichtigste angesehen werden (und entsprechend kommt dem Vokativ als nicht-relationalem "Kasus" eine Sonderstellung zu). Es könnte sich nun in einem nächsten Schritt die Frage stellen, ob diesen Kasus auch entsprechend viele Inhaltseinheiten zugeordnet werden können, ob sich also die Strukturen der Ausdrucks- und Inhaltsebene als isomorph erweisen. Ich will hier nicht weiter darauf eingehen, daß alle Versuche, die lat. Kasus auf jeweils eine "Grundbedeutung" oder "Gesamtbedeutung" zurlickzuführen, zu wenig befriedigenden Ergebnissen geführt haben. Die Verwendungskontexte eines Kasus sind so disparat, daß jeder Ansatz, einem Kasus eine Bedeutung zuzuschreiben, entweder zu unzulässigen Verallgemeinerungen einer speziellen Verwendung fuhrt oder äußerst abstrakte und letztendlich als Einheiten des Sprecherbewußtseins kaum annehmbare Inhaltseinheiten postulieren muß. 2 Anstelle einer Kasusdefinition, die aus einem auf Ich will hier nicht weiter auf die Problematik der formalen Abgrenzung dieser sechs Positionen, d.h. der Ausgrenzung von Allomorphien und Synkretismen, eingehen. Die Problematik des Nachweises der formalen Einheit der lat. Kasus wurde Übrigens bereits in der Antike gesehen (vgl. Serbat 1981, 11-13, zu Varros Kasustheorien). o
Zu den Versuchen, derartige "Grundbedeutungen" der Kasus zu bestimmen, vgl. Serbat 1981, 75-144.
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die Spitze getriebenen Isomorphiepostulat resultiert, soll hier ein "dynamisiertes" Verständnis der Ausdrucks- und Inhaltsbeziehung vertreten werden, wie es für die oben genannten dependenziellen und verbzentrierten Grammatikansätze charakteristisch ist. "Dynamisiert" in zweierlei Hinsicht. Zum einen in Richtung einer von Polysemie ausgehenden Kasusdefinition: ein Kasusmorphem kann eine Vielzahl von inhaltlich äußerst unterschiedlichen Relationen bezeichnen, die nicht in einem Systemwert des Kasus aufgehen mlissen. Der jeweilige Verwendungskontext leistet dabei die notwendige Desambiguierung des polysemen Kasusmorphems. "Dynamisiert" jedoch auch in einer zweiten Hinsicht: es lassen sich zwei Typen von Kasusverwendung unterscheiden, die zwei unterschiedliche Funktionsweisen des Kasus, eine bedeutungstragende und eine distinktive, bedingen.3 Zum einen werden Kasus, wie oben beschrieben, relationsstiftend eingesetzt. Die Spezifizierung der Relation der NP CZirkumstant') zum umgebenden Kontext ist allein Aufgabe des Kasusmorphems, dessen Funktion hierbei als bedeutungstragend charakterisiert ist. In einer zweiten Verwendungsweise treten die Kasusmorpheme bei NPs auf, deren Auftreten valenzbedingt ist CAktanten'), die also in eine von der ungesättigten Bedeutung eines übergeordneten Lexems eröffnete Leerstelle eintreten. In diesem Fall wird die Spezifizierung der Relation in der Bedeutung des übergeordneten (Verbal- bzw. Nominal-)Lexems geleistet. Das Kasusmorphem braucht also nicht bedeutungstragend eingesetzt zu werden. Es signalisiert zunächst nur, daß eine Relation vorliegt. Falls die Bedeutung des übergeordneten Lexems mehrere Leerstellen eröffnet, sichert es außerdem den syntagmatischen Kontrast zwischen den valenzbedingten NPs und schließt die von ihm gekennzeichnete NP an die semantische Rolle an, die mit dem betreffenden Kasus im syntaktischen Valenzrahmen des Verbs "indiziert" ist. Mit einem solchen "dynamisierten" Kasusverständnis wird die verwirrende Vielfalt der "Bedeutungen", die ein einziger lat. Kasus auf weist, verständlich. Ein Kasus, z.B. der Dativ, kann in mehreren Verwendungskontexten auftreten. Er kann adnominale und adverbale NPs4, valenzbedingte und nicht valenzbedingte NPs markieren und er kann dabei eine Vielzahl von unterschiedlichen Relationen abdecken: der jeweilige Kontext leistet die genaue inhaltliche Eingrenzung der vom Kasus gestifteten oder ihm überhaupt erst in Zur Unterscheidung beider Funktionsweisen von Kasus vgl. etwa Jacob 199O, 83-84 ("konkret'Vabstrakt"); Koch 1981, 13O-134 ("bedeutungstragend'Vbedeutungsunterscheidend"); Pinkster 1988, 57-99 ("identifizierend'Vdiskriminierend"). Die Unterscheidung zwischen valenzbedingten und nicht valenzbedingten NPs liegt quer zur Unterscheidung zwischen adnominalen und adverbalen NPs. Auch im adnominalen Bereich liegen valenzbedingte NPs vor (vgl. etwa adversarlus alicul, fau tor alicui). Zur nominalen Valenz vgl. etwa Happ 1976, 169-179; Tarvainen 1981, 72-86.
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diesem Kontext zukommenden Relation. Die Positionen des lat. Kasusparadigmas müssen daher keineswegs mit der Abbildung einer analogen inhaltsseitigen Struktur in Verbindung gebracht werden. Die interne Strukturierung des Kasusparadigmas läßt sich sinnvoller mit kodierungsökonomischen Prinzipien begründen. Für die vor allem bei der Aktantenmarkierung eingesetzten Kasus Nominativ, Akkusativ und Dativ sind solche Prinzipien bereits formuliert worden. 5 Kasusmorpheme lassen sich also auf der Inhaltsseite zwei Typen von Semen zuordnen: a) die dem Kasusmorphem "primär" zukommenden relationalen Seme.· es sind die vom Kasus bei der Zirkumstantenmarkierung selbständig und unabhängig vom Kontext gestifteten Relationen. b) die dem Kasusmorphem "sekundär" zugeordneten Seme: es sind die Seme, die primär Komponenten der Bedeutung der Übergeordneten (Verbal- und Nominal-)Lexeme sind und dem Kasusmorphem bei der Aktantenkennzeichnung nur im Kontext dieser Lexeme assoziiert sind. Auf die gleiche Art kann aber auch die lat. Präposition ad (und analog die rom. Präposition a) inhaltlich gekennzeichnet werden. Die Funktionsweisen beider morphosyntaktischen Kategorien unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht grundlegend. Genauso wie der Kasus wird auch die Präposition ad in den unterschiedlichsten Kontexten eingesetzt (adnominale/adverbale NPs; valenzbedingte Aktanten/nicht valenzbedingte Zirkumstanten). 6 Auch in Bezug auf Präpositionen können die gleichen kontextuellen Mechanismen festgestellt werden: Desambiguierung der polysemen Bedeutung der Präposition bzw. "Verleihen" einer Bedeutung an die Präposition ausschließlich in dem betreffenden Kontext. Die Unterschiede zwischen Kasus und Präposition sind allein formaler Art: die lat. Kasus sind Resultat einer grammematischflexivischen Organisation der Relationsanzeige im Nominalbereich, die durch folgende ausdrucksseitige Kodierungsprinzipien bestimmt ist: Postposition der Morpheme, hoher Fusionsgrad Morphem-Lexem, starke Allomorphie der Morpheme und das Prinzip, mehrere Inhaltsaspekte amalgamiert in einem Morphem zu kodieren. Präpositionen resultieren dagegen aus einer grammematisch-agglutinierenden Organisation der Relationsanzeige. Die betreffenden Kodierungsprinzipien sind: Präposition der Morpheme, geringer Fusionsgrad
5
Vgl. dazu Bossong 198O, 36O-363; 1982a, 2O4-2O6; Pinkster 1988? 6S-7O. Pinkster geht auch auf die zahlreichen "Verstöße" gegen das Ökonomieprinzip im Lateinischen ein. Zu den einzelnen Verwendungen von lat. ad vgl. 219-221; KUhner-Stegmann 1988, 518-523.
Hofmann-Szantyr 1965,
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Morphem-Lexem, Fehlen von Allomorphie bei den Morphemen und das Prinzip, Inhaltsaspekte separat zu kodieren.7 Wenn ich also im folgenden von Inhaltskonturen des lat. Dativs bzw. der rom. Präposition a spreche, ist dies folgendermaßen zu verstehen: ich bezeichne damit Inhaltskategorien, die dem Kasus und der Präposition bei ihrer Verwendung als Aktantenmarkierung zugeordnet sind. Diese Inhaltskonturen sind im Unterschied zu den Bedeutungen der Morpheme primär Bedeutungskomponenten der Verblexeme und nur sekundär durch die Verwendung bei den Verben den beiden Markierungskategorien assoziiert. Ich will im folgenden nun zeigen, wie solche Inhaltskonturen zum Ausgangspunkt diachronischen Wandels werden können. Mit der Tatsache, daß der lat. Dativ bzw. die rom. Präposition a bei den dreiwertigen Verben des 'Gebens/Nehmens* und 'Sagens' den Drittaktanten markiert, lassen sich bestimmte diachronische Prozesse in Verbindung bringen: die mit dem Dativ bzw. der Präposition a sekundär assoziierte Bedeutung 'Interaktionspartner' gibt zu Ablösungsprozessen (Dativ > ad) und zu Ausdeutungen (a als Markierung des dir. Objekts) Anlaß.
2. Inhaltskonturen des "Dativs" - die semantischen Rollen der Drittaktanten bei den Verben des 'Gebens/Nehmens' und des 'Sagens' Um die Inhaltskonturen herauszuarbeiten, die für die diachronische Entwicklung des Dativs und der Präposition a relevant sind, analysiere ich im folgenden die von den Verben des 'Gebens/Nehmens' und den Verben des 'Sagens' eröffneten Sachverhaltsdarstellungsrahmen und die in diesen angelegten sem. Aktantenrollen und bestimme so die sem. Rollen, die dem Dativbzw. a-Aktanten zugeordnet sind. Ich stütze mich dabei auf eine lateinische Verbliste, gehe aber davon aus, daß die ermittelten sem. Rollen auch für die rom. a-Aktanten gültig sind, die die dem Dativaktanten analoge Position bei diesen Verbklassen im Romanischen besetzen.8
Zur Unterscheidbarkeit bzw. zur funktioneilen Äquivalenz von Kasus und Präposition vgl. Jacob (in diesem Band). Verfahren steht nicht Im Widerspruch zu der Auffassung, sem. Aktantenrollen seien Komponenten der Bedeutung der einzelsprachlichen Verblexeme und somit nur Über eine Bedeutungsanalyse dieser Lexeme zu ermitteln. Bei den hier zur Debatte stehenden sem. Rollen handelt es sich um Rollen, die einer Verbklasse gemeinsam sind, also um Rollen auf einem höheren Abstraktionsniveau. Da sich beide hier untersuchten Verbklassen auch im Romanischen (und in zahlreichen anderen Sprachen) finden, können die ermittelten abstrakteren sem. Rollen ohne weiteres Übertragen werden. (Zur Unterscheidung von konkreten und abstrakten sem. Rollen vgl. Koch 1981, 152-169.)
192
Hier zunächst die Liste der lat. Verben des 'Gebens/Nehmens* und des 'Sagens', die in ihrem syntaktischen Valenzrahmen einen Dativaktanten aufweisen. 9 •Geben'10 (alicui, aliquid/aliquem) commendare
anvertrauen
I eg are
vermachen
committere
anvertrauen
mandare
schicken
co/nparere
verschaffen
mitter e
schicken
concedere
Überlassen
offerre
anbieten
credere
anvertrauen
praestare
erweisen
dare
geben
reddere
zurllckgeben
debere
schulden
relinquere
Überlassen
dedere
geben
aa crifJcare
opfern
donare
schenken,11
tradere
Übergeben
immolare
opfern
tribuere
zuteilen
impertire
zuteilen
vendere
verkaufen
induere
anziehen
Es muß betont werden, daß mit dieser Liste keineswegs der Anspruch vei— bunden ist, die sem, Verbklasse 'Geben/Nehmen' bzw. 'Sagen' vollständig zu erfassen. FUr die Aufstellung der Liste waren ja zwei Kriterien bestimmend: ein semantisches - die Liste umfaßt Verben m i t . jeweils gleichen Konfigurationen (abstrakter) sem. Rollen -, und ein syntaktisches - die Liste erfaßt nur diejenigen unter den Verben des 'Gebens* etc., die in ihrem syntaktischen Valenzrahmen einen Dativaktanten aufweisen. Durch dieses zweite syntaktische Kriterium können durchaus Verben ausgeschlossen werden, die aufgrund ihrer sem. Rollen diesen Klassen zugeordnet werden mUßten. Man denke etwa an accipere allquld ab aliquo. l O,Grundlage der Verbliste waren die Untersuchungen von Happ 1976 und Heilig 1978 zur Valenz lat. Verben. Die Liste wurde mit Hilfe der einschlägigen Grammatiken ergänzt. In der Liste ist zusätzlich bei jeder Verbklasse der syntaktische Valenzrahmen mit möglichen Allokonstruktionen und eventuellen Selektionsbeschränkungen bei der Besetzung der Aktantenstellen angegeben. 11 Donare und Impertlre haben zwei Kasusrahmen: neben der Konstruktion allcut aliquid auch den Typus aliquem aliqua re. Nach KUhner-Stegmann 1988, 334, kodiert der Wechsel des syntaktischen Valenzrahmens auch einen sem. Unterschied, der darin besteht, daß im Dativ "die Person als bei der Handlung beteiligt", im Akkusativ "als bloßes Objekt der Handlung" dargestellt werden soll. Pinkster 1988, 75-76, weist darauf hin, daß im Akkusativ bestimmte Lexeme wie rex oder deus nicht auftreten können, was mit der These von KUhner-Stegmann in Einklang steht. Bolkesteln 1985 schlägt eine andere Motivierung des Wechsels vor: die unterschiedlichen Funktionen des dir. und Indlr. Objekt· im Hinblick auf die semantisch-kontextuelle Ebene der Satzbedeutung begründeten diesen Wechsel. Zu den Beziehungen zwischen den Funktionen der semantisch-kontextuellen Ebene und den syntaktischen Funktionen vgl. auch Oesterreicher (in diesem Band).
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'Nehmen' (alicui/ab/ex aliquo, aliquid) ad i mere
nehmen
eximere
wegnehmen
demere
wegnehmen
extorquere
entwinden
de traft ere
wegnehmen
intercipere
rauben
er/pere
rauben
aubtrahere
entziehen
erccipere
entreißen
'Sagen' (alicui, aliquid/Acl/lnd. Fragesatz/Inf./ut) abnuere
verweigern
nun tiare
melden
abrogare
aberkennen
ostendere
zeigen
ad i u di care
zusprechen
permittere
versprechen
affirmare
versichern
persnadere
Überreden
commendare
empfehlen
polllceri
versprechen
concedere
einräumen
praecipere
vorschreiben
denegare
abschlagen
praescrJbere
vorschreiben
denun tiare
melden
probare
beweisen
dlcere
sagen
promittere
versprechen
explicare
erläutern
respondere
antworten
imperare
befehlen
sacrare
weihen
Kurare
schwören
apondere
anverloben
monstrare
zeigen
a u ädere
Überreden
narrare
erzählen
vovere
geloben
negare
verweigern
Bevor ich zur Analyse der von den Verben eröffneten Sachverhaltsdarstellungsrahmen und der darin begründeten sem. Aktantenrollen Übergehe, ist noch anzumerken, daß sich die Bestimmung der Rollen auf die prototypische Verwendung der Verblexeme bezieht. Bei der Analyse orientiere ich mich an dem von Peter Koch vertretenen Ansatz, der bei der Bestimmung von sem. Aktantenrollen zwei Inhaltsdimensionen unterscheidet:12 zunächst eine Inhaltsdimension 'dargestellte konstitutive Sachverhaltsbedingungen'13. In ihr sind "fundamentale Eigenschaften und Relationen" wie etwa 'örtliches Befinden', 'Verfügung', 'Wahrnehmung" erfaßt, auf die die von den Verben eröff12 Vgl. dazu Koch 1981, 271-276. Vgl. dazu auch Koch (In diesem Band). 13 Vgl. dazu Koch 1981, 194-199, 26O-271.
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neten Sachverhaltsdarstellungsrahmen bezogen sind. Die zweite Inhaltsdimension, 'Art der Sachverhaltsdarstellung'14", erfaßt die Art und Weise, wie Verben einen Sachverhalt darstellen, ob als 'Vorgang', 'Handlung', 'Interaktion ' etc. Die (konkreten) sem. Aktantenrollen der Verben des 'Gebens/Nehmens' und des 'Sagens' können dann als Kombination zweier (abstrakterer) Rollen bestimmt werden, die in den Inhaltsdimensionen begründet sind, die sich durch diese analytische Aufspaltung der Verbbedeutung ergeben. Beginnen wir zunächst mit der Analyse der Rollen, die in der Inhaltsdimension 'dargestellte konstitutive Sachverhaltsbedingungen' begrllndet sind.16 Die erste Verbklasse 'Geben/Nehmen' erweist sich in dieser Inhaltsdimension als Klasse von 'Verfligungs'-Verben, von Verben, die auf die "fundamentale Relation" 'Verfügung' bezogen sind. Im Sachverhaltsdarstellungsrahmen dieser Verben ist ein Sachverhalt der 'Verfügungsänderung' dargestellt: eine 'VerfUgungsperson' gibt einen 'VerfUgungsgegenstand' aus ihrer Verfügungsgewalt einer anderen 'Verfügungsperson'. Die drei im Sachverhaltsdarstellungsrahmen der Verben eröffneten Rollen können damit folgendermaßen bestimmt werden: 'Verfügungsänderungsperson-amissiv', ' Verfügungsänderungsgegenstand', ' Verfügungsänderungsperson-akzeptiv'. Im syntaktischen Valenzrahmen der Verben ist dabei dem Dativaktanten bei den Verben des 'Gebens' die Rolle 'Verfügungsänderungsperson-akzeptiv' zugewiesen. Bei den Verben des 'Nehmens' kommt dem Dativaktanten die Rolle 'VerfUgungsänderungsperson-amissiv' zu. Für die zweite Verbgruppe, die Verben des 'Sagens', ist hinsichtlich der Inhaltsdimension 'dargestellte konstitutive Sachverhaltsbedingungen' zu präzisieren, daß die Verben auf drei unterschiedliche "fundamentale Relationen" im Sinne von Peter Koch bezogen sind, die Klasse also dreigeteilt werden müßte: zunächst in 'Wahrnehmungs'-Verben (monstrare, ostendere), dann in 'Wissen'-Verben (dicere mit Acl), schließlich in 'Handeln'-Verben (dicere ut).17 Zur gemeinsamen Klassifizierung hat mich veranlaßt, daß diese Verben eine gemeinsame Inhaltsstruktur aufweisen: ein Aktant - in der zweiten Inhaltsdimension 'Art der Sachverhaltsdarstellung* ist er als 'Agens' charakterisiert -, "stiftet" durch (sprachliche oder nicht sprachliche) Kommunikation in Bezug auf zwei andere Aktanten die Relation 'Wahrnehmung', 14
Vgl. dazu Koch 1981, 188-194, 2O7-2S9. Es wird im folgenden sichtbar werden, daß es durch die analytische Trennung mehrerer Inhaltsdimensionen möglich ist, Gemeinsamkeiten zwischen den Drittaktanten der beiden Verbklassen zu erfassen, ohne damit gleichzeitig Unterschiede verdecken zu mUssen, wie es in den häufigen Benennungen der gemeinsamen sem. Rolle wie 'Beneficiary' oder 'Recipient' zum Ausdruck kommt.
!6
Zum Folgenden vgl. Koch 1981, 299-314.
l7
Vgl. dazu Koch 1981, 26O-267.
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'Wissen', 'Handeln', er veranlaßt einen zweiten Aktanten, etwas wahrzunehmen, etwas zu wissen, etwas zu tun. Ich will die Aktantenrollen in Hinblick auf dieses gemeinsame Inhaltsmoment bestimmen: da die Relationsstiftung bei allen Verben durch Kommunikation zustandekommt, ergeben sich folgende Rollen: 'Kommunikationsperson-initiativ', 'Kommunikationsgegenstand' und 'Kommunikationsperson-reaktiv'. Im syntaktischen Valenzrahmen der Verben ist dabei dem Dativaktanten die Rolle 'Kommunikationsperson-reaktiv' zugewiesen. Wenden wir uns nun der zweiten Inhaltsdimension, der 'Art der Sachverhaltsdarstellung* und den in dieser Inhaltsdimension begründeten semantischen Rollen zu.18 Die Kategorisierung von Verben nach der Art und Weise, in der sie den Sachverhalt konzipieren, will ich, abweichend von Peter Koch, anhand zweier Kriterien vornehmen, die ich mit Dik 1981, 32-3619, vorläufig 'dynamism' und 'control' nennen will. Der Parameter 'dynamism' begründet eine Zweiteilung der Verben: a) Verben, die einen Sachverhalt darstellen, für den das Element 'Zeitverlauf' irrelevant ist CZustands*-Verben), und b) Verben, in deren Sachverhaltsdarstellung 'Zeitverlauf' als relevantes Inhaltsmerkmal eingebunden ist CVorgangs'-Verben). Der zweite Parameter 'control' erlaubt eine Weiterkategorisierung der Verben danach, ob die Aktantenstellen einen bestimmten Typ von Sachverhaltsbeteiligten verlangen oder nicht. Zu fragen ist also, ob die Verben intentionale Prozesse darstellen, die die Selektionsbeschränkung {-»-hum} bei der Besetzung von Aktantenstellen begründen. Wenn Intentionalität als Bedeutungskomponente der Verben vorliegt, ergeben sich beispielsweise für die 'Vorgangs*-Verben Unterkategorien wie 'Handlungs'- oder 'Interaktions'-Verben. In einer aus den beiden Parametern konstituierten Matrix sind die Verben des 'Gebens/Nehmens' und die Verben des 'Sagens* in gleicher Weise zu kategorisieren. Bezüglich der Inhaltsdimension 'Art der Sachverhaltsdarstellung' gehen also beide Verbklasen in einer Klasse auf, nämlich der Klasse 'Interaktions'-Verben: hinsichtlich des ersten Parameters 'dynamism' sind die Verben als 'Vorgangs' -Verben einzustufen. Hinsichtlich des zweiten Parameters 'control' ergeben sich Selektionsbeschränkungen für zwei der drei eröffneten Aktantenstellen. Die erste Stelle, die durch die Selektionsbeschränkung {+hum> charakterisiert ist, ist die 'Agens' -Stelle: einem der Sachverhaltsbeteiligten ist die Rolle eines den 'Vorgang' willentlich einleitenden und kontrollierenden Sachverhaltsbeteiligten zugewiesen. Von hier aus wird auch die 18 19
Zum Folgenden vgl. Koch 1981. 284-299.
Ich will hier nicht weiter auf die Frage eingehen, inwieweit die vier Kategorien von Verben, die sich aus der Matrix von Dik 1981, 32, ergeben, ausreichend sind. Vgl. dazu etwa die Subkategorisierung der {+dyn>-Verben in 'Vorgangs'- und 'Zustandsänderungs'-Verben bei Koch 1981, 284-299.
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Selektionsbeschränkung bei der Besetzung der Aktantenstelle verständlich. Das Vorliegen des Merkmals {+hum} bei einer NP ist die Bedingung der Möglichkeit der Zuweisung der 'Agens'-Rolle: die in der 'Agens' -Rolle aktualisierte Fähigkeit zu intentionalem und sich selbst kontrollierendem Handeln kommt als Bedeutungskomponente nur Nominallexemen mit dem sem. Merkmal {+hum} zu. Das intrinsische20 semantische Merkmal {+hum} der NP ist also, unter dem Aspekt möglicher Rollenzuweisungen, mit dem Merkmal {•••agensfähig} identisch. Die Verben des 'Gebens/Nehmens' und des ' Sagens' weisen außerdem noch hinsichtlich einer zweiten Aktantenstelle die Selektionsbeschränkung {-t-hum} auf. Einem Sachverhaltsbeteiligten ist die Rolle 'Interaktionspartner' zugewiesen. Die Rolle 'Interaktionspartner' ist zunächst dadurch charakterisiert, daß sie den Träger dieser Rolle als Bezugspunkt der Handlungsintention des 'Agens' spezifiziert, ihn also dem handlungseinleitenden und handlungskontrollierenden 'Agens' nachordnet. Dieses Element ist der Rolle 'Interaktionspartner' gemeinsam mit der dritten sem. Rolle, die die genannten Verben in der Inhaltsdimension 'Art der Sachverhaltsdarstellung' eröffnen und die ich vorläufig als 'Patiens' bestimmten will. 21 Während jedoch hinsichtlich der 'Patiens'-Stelle bei diesen Verben keinerlei Selektionsbeschränkungen vorliegen,22 ist die 'Interaktionspartner'-Stelle weiter spezifiziert und kann nur mit NPs mit dem Merkmal {+hum} besetzt werden. Die Selektionsbeschränkung ist dabei anders als bei der 'Agens'-Stelle nicht in der Inhaltsdimension 'dargestellte konstitutive Sachverhaltsbedingungen' begründet. Wir können die Verben des 'Gebens/Nehmens' und die Verben des 'Sagens' als "kausative"23 Verben bestimmen: ein 'Agens' hat die Intention, die "fundamentale Relation" 'Verfügung' bzw. 'Wahrnehmung', 'Wissen' oder 'Handeln' in Bezug auf zwei weitere Aktanten zu stiften. Um Bezugspunkt einer solchen Handlungsintention sein zu können, muß aber einer der Aktanten - und dies ist der 'Interaktionspartner' -, das Merkmal {+hum} aufweisen: die durch die "fundamentalen Relationen" begründeten Rollen 'Wahrnehmender', 'WisUnterscheidung Intrlncischer und extrlnelacher sem. Merkmale, also zwischen Merkmalen, die der NP, die in eine Aktantenstelle eintritt, bereits vor ihrem Eintreten in die Stelle zukommen, und Merkmalen, die der sem. Rolle inhärent sind, die sie mit dem Eintritt In die Aktantenstelle Übernimmt, vgl. Koch 1981, 99-1O2. 21
Zu 'Patiens'-Definltionen vgl. etwa Comrie 1983, 52-53; Dik 1981, 41; Givön 1984, 88.
22
Auf die Selektionsbeschränkungen bei den Akkusativaktanten der Verben des 'Sagens' (kein Eigenname etc.) kann ich in diesem Zusammenhang nicht weiter eingehen. Vgl. dazu Koch 1981, 86, und WUest (in diesem Band). Daß die 'Kausativität' nur ein Element der komplexen Bedeutung des Verblexems ist und nur in der Beschreibung analytisch gefaßt werden kann, ist weiter oben bereits betont worden.
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sender", 'Verfligungsperson', 'Handelnder' können nur NPs mit dem sem. Merkmal {-t-hum) zugewiesen werden, weil diese Rollen den Rollenträger jeweils als Träger eines kognitiven bzw. volitionalen Prozesses bestimmen. Hier greifen also beide Inhaltsdimensionen ineinander: in der Inhaltsdimension 'Art der Sachverhaltsdarstellung' sind 'Patiens' und 'Interaktionspartner' zunächst gleichermaßen dem die Handlung kontrollierenden 'Agens' nachgeordnet. Durch die in der Inhaltsdimension 'dargestellte konstitutive Sachverhaltsbedingungeri begründeten Rollen ergibt sich dann jedoch eine interne Hierarchisierung der beiden Aktanten: die Stelle 'Interaktionspartner' ist gegenüber dem 'Patiens' spezifiziert durch das sem. Merkmal {+hum}, das, wie gesagt, auch als {+agensfähig} gefaßt werden kann. Nach der Analyse der in den beiden Inhaltsdimensionen begründeten sem. Aktantenrollen der Verben des 'Gebens/Nehmens' und des 'Sagens' können wir die dem Dativaktanten dieser Verben jeweils zukommende Rolle folgendermaßen bestimmen: bezliglich der zweiten Inhaltsdimension 'Art der Sachverhaltsdarstellung' kommt dem Dativaktanten bei beiden Verbklassen die Rolle 'Interaktionspartner' zu, die Rolle eines dem 'Agens* nachgeordneten zweiten Sachverhaltsbeteiligten mit dem Merkmal {+hum}. 24 Bezüglich der ersten Inhaltsdimension 'dargestellte konstitutive Sachverhaltsbedingungen' ergeben sich dagegen unterschiedliche semantische Rollen. Dem Dativaktanten der Verben des 'Gebens* kommt damit die Rolle 'Interaktionspartner/ VerfUgungsänderungsperson-akzeptiv' zu, dem Dativaktanten der Verben des 'Nehmens' die Rolle 'Interaktionspartner/Verfügungsänderungsperson-amissiv*. Der Dativaktant der Verben des 'Sagens' erhält die Rolle 'Interaktionspartner/Kommunikationsperson-reaktiv'.
3. Dativaktant und ad-Aktant - 'Zielpunkt der Handlungsintention' Wenden wir uns nun dem ersten der diachronischen Prozesse zu, in die der lat. Dativ bzw. die rom. Präposition a eingebunden sind und deren Motivierung, wie ich vorschlage, durch die Analyse der Inhaltskonturen der beiden formalen Kategorien erhellt werden kann. Es handelt sich um die Ablösung Es sei hier noch kurz auf eine Tendenz verwiesen, die Ubereinzelsprachlich festzustellen ist: die Markierungskategorie, die beim {+hum}-Drlttaktanten der Verben des 'Gebens/Nehmens' und der Verben des 'Sagens' eingesetzt wird, wird als Markierungskategorie aller (+hum}-Sachverhaltsbeteiligten generalisiert, denen nicht die Rolle 'Agens' zukommt. Als Markierung eines Aktanten mit der Rolle 'Experlencer' , die ja auch durch die Selektionsbeschränkung {+hum) gekennzeichnet ist, tritt also häufig der "Dativ" auf. (Vgl. dazu Glvon 1984, 88.) Anzufügen 1st, daß diese Tendenz natürlich nicht dazu berechtigt, eine Kasusrolle 'Dativ' zu postulieren, die allein durch das sem. Merkmal {•'•hum} abgegrenzt ist, jedoch keine relationalen Definitionselemente enthält (so etwa Fillmore 1968, 24; Givon 1984, 88).
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des lat. Dativs durch die Präposition a in allen romanischen Sprachen außer dem Rumänischen. Der Ablösungsprozeß nimmt seinen Ausgangspunkt von einer bereits in den frühen Phasen der lat. Sprachgeschichte bestehenden fakultativen Allokonstruktion ad (+NP im Akkusativ) für den Dativ, wie Belege etwa bei Plautus zeigen.25 Da die Konstruktion jedoch offensichtlich diasystematisch markiert war (diaphasisch und diastratisch niedrig), fand sie keinen bzw. erst spät Eingang ins Schriftlatein. 26 Als Motiv für das Auftreten einer solchen Allokonstruktion läßt sich die allgemeine Tendenz gesprochener Sprache zur expressiveren, "deutlicheren", weil konkreteren Ausdruckform ausmachen. Es stellt sich dann als nächstes die Frage, warum in diesem Ablösungsprozeß die Präposition ad an die Stelle des Dativs getreten ist. Nach den obigen Ausführungen zur Funktionsweise von Kasus und Präposition ist klar, daß der Ansatzpunkt der Ablösung nicht in einer "Bedeutungsäquivalenz" von Dativ und Präposition begründet sein kann, die die Möglichkeit einer präpositionalen Konstruktionsvariante im gesamten Bereich der Dativverwendung eröffnet. 27 Auszugehen ist stattdessen von einer jeweils in einem Teilbereich begründeten Äquivalenz von Kasus und Präposition. In einem Teilbereich der Dativverwendungen kann ad, aufgrund einer seiner Verwendungen, den Dativ ersetzen. Die in diesem Teilbereich gegebene Alternanz der beiden Kategorien ist dann Ausgangspunkt einer "Desemantisierung" von ad, das schließlich als Dativäquivalent in allen Funktionsbereichen des Kasus generalisiert wird. Für die Präposition ad ist diejenige unter ihren Verwendungen, die die Alternanz mit dem Dativ ermöglicht, schnell gefunden. Es handelt sich um eine bei der Zirkumstantenmarkierung vorliegende Bedeutung, die konkreteste, lokal-direktionale Bedeutung der Präposition 'End-/Zielpunkt einer Bewegung'. Der Teilbereich der Dativverwendung, in dem ad zunächst den Dativ ersetzen kann, ist, wie die frühen Belege bei Plautus zeigen, die Drittaktan-
Zum Gebrauch von ad anstelle des Dativs im frUhen bzw. klassischen Latein vgl. etwa Ernout-Thomas 1953, 69-7O; Grandgent 1962, 44-45; Väänäneri 1981, 113. Zu ad bei Plautus vgl. Lindsay 19O7, 2O. 26
27
Zum spätlat. Gebrauch von ad vgl. Bastardas Parera 1953, 44-47; Gaul 1886, 26-28; Hrdlicka 1931, 121-122; Löfstedt 1942, 187-193; Viel Hard 1927, 2OO-2O3.
Daher sind Ansätze, die die Ablösung des Dativs durch ad damit begrUnden, daß die (lokal-direktionale) Bedeutung des Kasus der (lokal-direktionalen) Bedeutung der Präposition entspricht, von vornherein auszuschließen. Vgl. dazu Löfstedt 1942, 175-186, der auf derartige Ansätze verweist.
199
tenmarkierung bei den Verben des 'Gebens' und des 'Sagens'.28 Man hat nun zumeist den Ursprung der Funktionsäquivalenz von ad und Dativ genauer bei den Verben des 'Gebens' angesetzt.29 In der von diesen Verben hinsichtlich der ersten Inhaltsdimension prädizierten abstrakten Relation 'Geben' mit den Aktantenrollen 'Verfligungsänderungsperson-amissiv', 'Verfügungsänderungsgegenstand' und 'Verfligungsänderungsperson-akzeptiv* ist ja in aller Regel die konkrete lokale Relation 'Änderung des örtl. Befindens' mit den Rollen 'Gegenstand', Ort einer früheren Lokalisierung', Ort einer späteren Lokalisierung' impliziert. Beim Aktanten mit der sem. Rolle 'Verfügungsänderungsperson-akzeptiv* kann also ad die in dieser Rolle mitenthaltene Rolle Ort einer späteren Lokalisierung' explizit machen. Die abstrakte Relation 'Geben' wird durch diese Thematisierung des impliziten lokalen Bedeutungsaspekts "verdeutlicht", indem die leichter faßbare lokal-direktionale Relation in den Vordergrund gerückt wird. Als Stütze einer solchen Interpretation läßt sich anführen, daß die im Gegensatz zu den "adlativen" Verben des 'Gebens' "ablativen" 30 Verben des 'Nehmens' die Allokonstruktion ab (+NP im Ablativ) aufweisen. Auch bei diesen Verben wird also der implizite konkret-lokale Bedeutungsaspekt, der den Aktanten mit der Rolle 'Verfügungsänderungsperson-amissiv' gleichzeitig als 'Ausgangspunkt einer Bewegung' spezifiziert, durch eine Präposition hervorgehoben. Es ist jedoch zu bedenken, daß die Allokonstruktion auch bei den Verben des 'Sagens' frUh belegt ist, die keinerlei konkret-lokale Bedeutungsaspekte aufweisen. Die Motivierung der Alternanz Dativ/ad kann bei dieser Verbklasse also nicht darin gesucht werden, daß durch den Einsatz von ad nur ein bereits gegebener Bedeutungsaspekt hervorgehoben wird. Wenn wir nun nicht einfach davon ausgehen wollen, daß durch die Alternanz bei den Verben des 'Gebens' bereits eine Desemantisierung der Präposition eingetreten ist, die den Einsatz von ad bei den Verben des 'Sagens' als bloß formale Variante des Dativs ohne semantischen Hintergrund erklärt, stellt sich die Frage, inwieweit der Einsatz metaphorisch bedingt sein kann. Ist die von ad gestiftete lokal-direktionale Relation als metaphorische Über-
Der "Dativ der Richtung", mit dem auch ein Ansatzpunkt der Allokonstruktion im Bereich der Zirkumstantenmarkierung gegeben wäre, erweist sich als ein Phänomen des literarischen Sprachgebrauchs. Es handelt sich um eine sekundäre Assoziation des Dativs mit der lokal-dlrektionalen Bedeutung von ad, die Überhaupt erst durch die Alternanz zwischen Dativ und ad möglich wurde. Zum "Dativ der Richtung" vgl. Bonelli 1983; Hofmann-Szantyr 1965. 1OO-1O1; Löfstedt 1942, 18O-183. 29
Zum Folgenden vgl. etwa Ernout 1944, 185; Ernout-Thomas 1953, 197S, 192; Hofmann-Szantyr 1965, 22O; Meyer-LUbke 1899, 56-57. 1978,
Unterscheidung "adlativer" und "ablativer" Verbklassen 266.
7O; Harris
vgl.
Coseriu
200
lagerung einer der von den Verben des 'Gebens' und des 'Sagens' in den verschiedenen Inhaltsdimensionen gestifteten Relationen denkbar? Ein Ansatzpunkt fUr eine solche Überlagerung ergibt sich, wenn man in Betracht zieht, daß nicht nur die "Außensicht" der Sprecher auf die dargestellte Handlung den Einsatz der Präposition ad beim Drittaktanten begrlinden kann. Nicht nur in der nachträglichen Analyse des objektiv feststellbaren raum-zeitlichen Verlaufscharakters der 'Gebe'-Handlung kann der Ursprung der Innovation gesucht werden. Als Erklärung ist auch die "Innensicht" der Sprecher denkbar, die "Innensicht", die ihnen als mitvollziehenden Teilnehmern der dargestellten Handlung und mithin als mitvollziehenden Teilnehmern der in den Handlungen vorliegenden Intentionalitätsprozesse zukommt. Ausgehend von einer solchen "Innensicht" kann die von den Verben etablierte Relation 'Agens' - 'Interaktionspartner', die den Verben des 'Sagens' ja mit den Verben des 'Gebens' gemeinsam ist, als Ansatzpunkt einer metaphorischen Verwendung von ad bestimmt werden. Diese auf Intentionalität beruhende Relation kann als eine vom 'Agens' zum 'Interaktionspartner' gerichtete Bewegung gedeutet werden. Der 'Interaktionspartner' erscheint dann als 'Zielpunkt der Bewegung* und kann als solcher mit ad gekennzeichnet werden. Bevor ich auf die genaue Begründung dieser Auffassung eingehe, sei noch kurz angemerkt, daß eine solche Herleitung der Alternanz Dativ/ad aus einer lokal-direktionalen Metapher flir die in der zweiten Inhaltsdimension 'Art der Sachverhaltsdarstellung' etablierte Relation 'Agens* - 'Interaktionspartner' die Einsatzmöglichkeit von ad bei prinzipiell allen 'Interaktionsverben' begründet. Damit stimmt überein, daß auch die Verben des 'Fragens', die ursprünglich nicht den Dativ regierten, sondern den Drittaktanten mit der Präposition ab oder ex konstruierten, im Spätlatein mit ad konstruiert werden.31 Auch der Ersatz des Dativs durch ad bei den Verben des 'Nehmens', die ja bezüglich ihres konkret-lokalen Bedeutungsaspektes die Verwendung von ad ausschließen, müßte dann nicht mehr mit dem Zusammenfall von ad und ab und der hyperkorrekten Schreibung ad statt a(b) erklärt werden, sondern könnte als Ausweitung des metaphorisch bedingten Einsatzes von ad bei 'Interaktions'-Verben interpretiert werden. Kommen wir zurück zur Begründung des metaphorischen Einsatzes von ad aus der "Innensicht" der Sprecher. Zunächst ist festzuhalten, daß Verblexeme und die durch ihre Bedeutung eröffneten Sachverhaltsdarstellungsrahmen 'patterns of experience'^2 darstellen, "geronnene" Interpretationen und in den Sprechakten als Interpretationsvorgaben immer erneut aktualisierte Muster 31
Vgl. dazu Löfstedt 1942, 2O4-2O7.
32
Halliday 1985, 1O1-1O2.
201
der sprachlichen Darstellung der Wirklichkeit. 33 Die Verben des 'Gebens/ Nehmens' und die Verben des 'Sagens' mit der durch die Selektionsbeschränkung i+hum) gekennzeichneten Stelle des 'Agens' bieten dabei Vorgaben für die Darstellung menschlichen Handelns. Wir können aufgrund des Vorliegens einer zweiten durch die Selektionsbeschränkung {+hum} gekennzeichneten Aktantenstelle 'Interaktionspartner' noch weiter präzisieren: für die Darstellung von zwischenmenschlichem, partnerbezogenem Handeln. Solche Verbklassen, die durch die Einbindung der Intentionalität als eines wesentlichen Bedeutungselements von anderen Verbklassen abgegrenzt sind, 34 sind dann aber nur aus einer die sprachliche Darstellung leitenden Teilnehmerperspektive heraus verständlich. Sie ergeben sich als Interpretationsmuster daraus, daß der Sprecher die eigenen Bewußtseinsstrukturen in subjektiver Teilnehmerperspektive in die Gestaltung der sprachlichen Darstellung einfließen läßt: die Klasse der 'Handlungs'- bzw. 'Interaktions'-Verben wird von den übrigen Verbklassen durch die 'Agens'-Rolle abgegrenzt. Eine solche Rolle ist aber in ihrer spezifischen Differenz zu einer sem. Rolle 'Kausator' nur denkbar als Resultat der Möglichkeit, als Sprecher eine sem. Rolle zu konzipieren, in der die Intentionalitätsprozesse als Bedeutungselement gefaßt sind, die entweder das eigene Verhalten bestimmen oder aus einer verstehenden Teilnehmerperspektive heraus anderen Ko-Subjekten in der sprachlichen Darstellung ihres Verhaltens unterstellt werden. Wenn die von den 'Interaktions'-Verben angebotenen Interpretationsmuster in Äußerungen aktualisiert werden, werden aber notwendigerweise die Intentionalitätsprozesse nachvollzogen, die in der Bedeutung der Verben modelliert sind. Im Mitvollziehen der dem Aktanten mit der Rolle 'Agens' ausdrücklich zugeschriebenen Handlungsabsicht erscheinen dann die anderen im Sachverhaltsdarstellungsrahmen genannten Beteiligten 'Patiens' und 'Interaktionspartner' als Bezugspunkte, auf die sich die Handlungsabsicht des 'Agens' richtet. Wenn wir davon ausgehen, daß intentionale Bewußtseinsprozesse oft metaphorisch als Bewegung gedeutet werden, können wir annehmen, daß die Relation 'Agens* - 'Interaktionspartner' über die Relation 'Ausgangspunkt der Handlungsintention' - 'Zielpunkt der Handlungsintention' in eine lokal-direktionale Relation umgedeutet worden ist. In einer solchen metaphorischen Deutung erscheint der 'Agens' dann als 'Ausgangspunkt der Bewegung', der 'Interaktionspartner' ist der 'Zielpunkt der Bewegung' und wird als solcher mit der Präposition ad an das Verb angeschlossen. Fassen wir zusammen: die Innovation ad statt Dativ geht aus von einer metaphorischen Deutung der Relation 'Agens' - 'Interaktionspartner', die die 33
Raible 198O, 321-322, spricht in diesem Zeichen als "Modell" der Wirklichkeit.
34
Zusammenhang
Vgl. dazu Pleines 1976, 117-118i Koch 19B1, 245-251.
vom
sprachlichen
202
Verben des 'Gebens' und 'Sagens' in der zweiten Inhaltsdimension 'Art der Sachverhaltsdarstellung' eröffnen. Der Einsatz der Präposition ad ist durch die konkretisierende lokal-direktionale Deutung dieser Relation bedingt, eine Deutung, die in der mitvollziehenden Teilnahme der Sprecher an den von diesen Verben dargestellten Intentionalitätsprozessen begrlindet ist. Es bleibt die Frage, warum der 'Interaktionspartner' und nicht der 'Patiens' als 'Zielpunkt' explizit markiert wird. Oben wurde gesagt, daß 'Patiens' und 'Interaktionspartner' gleichermaßen Bezugspunkte der Handlungsabsicht des 'Agens' sind. Es ist jedoch zu bedenken, daß die hier angesprochenen 'Interaktions'-Verben zwischenmenschliches Handeln modellieren: ein entscheidendes Bedeutungselement der Verben ist, daß der 'Interaktionspartner' das sem. Merkmal {+agensfähig} aufweisen muß, weil seine Re-aktion wesentliches Moment der Vorannahmen und Zielvorstellungen ist, die die Handlungsintention des 'Agens' bestimmen. Das Handeln des 'Agens' wird von den 'Interaktions'-Verben als notwendig partnerbezogen spezifiziert. Insofern sind die Ziele der in den hier angesprochenen Verbklassen gefaßten Handlungen in erster Linie in der Einwirkung auf den 'Interaktionspartner' zu sehen. Von der Finalität der Handlungen her gesehen kommt damit dem 'Interaktionspartner' ein deutlich anderes Gewicht zu als dem 'Patiens'.
4. "Dativ" und dlfferentielle Objektmarkierung in den romanischen Sprachen Wenden wir uns nun dem zweiten der diachronischen Prozesse zu, in den die morphosyntaktische Kategorie "Dativ" eingebunden ist. Es handelt sich dabei um die Ausbildung einer differentiellen Objektmarkierung35 in einigen romanischen Sprachen, bei der die Präposition a die Markierung der neuen Kategorie von Aktanten übernimmt. Fassen wir das Phänomen genauer: in einigen rom. Sprachen36 sind flir die Zweitaktanten zweiwertiger Verben systemaoc
Anstelle des traditionellen Terminus 'präpositionaler Akkusativ* verwende ich den Terminus 'dlfferentielle Objektmarkierung', den ich von Bossong 1982b; 1982c; 1985 Übernehme.
36
Einen Überblick Über die differentielle Objektmarkierung in den rom. Sprachen geben Meier 1948, 144-1S5; MUller 1971, 477-482; Rohlfs 1971, Roegiest 1979. Ich orientiere mich im folgenden vor allem an den Verhältnissen im Spanischen (vgl. dazu Roegiest t979, 48-52), im Engadinischen (vgl. dazu Stimm 1986; 1987) und im Sardischen (vgl. dazu Bossong 1982b). Die Frage, ob die Verteilung des grammematisch markierten dir. Objekts in allen rom. Sprachen, die eine solche Erscheinung aufweisen, auf ein Prinzip, eben die Differenzierung zweier sem. Kategorien von dir. Objekten zurückzuführen ist (so Bossong 1982b; 1982c; 1985), oder ob die Verteilung der grammematischen Markierung etwa im Portugiesischen und Katalanischen auf ein weiteres Prinzip, hier die spezifischen syntagmatischen Bedingungen, zurUckgeht (so Roegiest 1979; vgl. dazu auch Rohlfs 1971), kann ich hier nicht beantworten. Zum Rumänischen, das nicht das "Dativ"-Grammem, sondern die Präposition pe zur Markierung einsetzt, vgl. weiter unten.
203 tisch zwei alternierende Markierungstypen vorgesehen. Der Zweitaktant wird entweder ausschließlich positionell markiert (Postposition) oder erhält zusätzlich eine grammematische Markierung durch die Präposition a. Die Variation ist nicht frei, sondern ist durch kontextuelle Faktoren bedingt: die sem. Merkmale, die die NP, die in die Zweitaktantenstelle eintritt, unabhängig von ihrem Eintreten als intrinsische Merkmale mitbringt. Diese intrinsischen sem. Merkmale definieren zwei Kategorien von Zweitaktanten, die anhand zweier Kriterien abgegrenzt werden können: 37 anhand des skalaren Parameters 'Belebtheit' mit den Werten {-hum} {±anim) {Ikonkr} etc., der den Nominallexemen qua Wortklasse zukommende sem. Werte erfaßt (Inhärenzmerkmale), und anhand der Parameter (ispez) und {ideO, die den Nominallexemen im Referenzakt zugewiesene sem. Werte erfassen (Referenzmerkmale). Zweitaktanten mit einer hohen Position auf der Belebtheitskala und positiven Werten bei den Referenz merk malen, d.h. Zweitaktanten, die wir aufgrund dieser sem. Merkmale als maximal {+agensfähig> einstufen können, erhalten die grammematische Markierung, Zweitaktanten ohne diese sem. Merkmale, die also eine geringere bzw. gar keine 'Agensfähigkeit' aufweisen, bleiben nur positioneil markiert. 38 In unserem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, warum gerade die Präposition a, die ja auch den Drittaktanten der Verben des 'Gebens' etc. markiert, bei der Ausbildung der differentiellen Objektmarkierung eine Funktionsausweitung erfährt. Bevor wir zu den Grllnden flir die Wahl von a kommen, ist zunächst zu klären, wie die grammematische Markierung der Zweitaktanten formal zu beurteilen ist: gehen die mit a markierten Aktanten in der Kategorie Indlr. Objekt auf, d.h. fallen sie mit dem syntaktischen Aktantentyp zusammen, der beim Drittaktanten der hier angesprochenen Verbklassen vorliegt, oder muß ein eigener syntaktischer Aktantentyp postuliert werden? Wenn wir die syntaktischen Aktantentypen anhand zweier Kriterien abgrenzen, nämlich der formalen Markierung der substantivischen NP und der pronominalen Substitution, ergeben sich für die rom. Sprachen zwei Möglichkeiten. 39 Flir das Engadinische besteht nicht die Notwendigkeit, einen eigenen syntaktischen Aktantentyp für die grammematisch markierten Zweitaktanten zu postulieren. Sowohl bei substantivischer als auch bei pronominaler Realisierung besteht formale Übereinstimmung mit dem ind. Ob37
Vgl. zum Folgenden Bossong 1982b, 26-28; 1982c, S8O-S82.
oo
Zur skalaren Dimensionierung der 'Agensfähigkeit', die die signifikanten Unterschiede zwischen den rom. Sprachen hinsichtlich der Distribution der grammematischen Markierung dir. Objekte als unterschiedliche Ausweitung der Markierung entlang dieser Skala ausweist, v g l . Bossong 1982b, 31-32; 1982c, 580-581. V g l . dazu auch Rohlfs 1971.
39
Vgl. dazu Bossong 1982c, 583-584.
204 jekt ( ), dem substantivisch mit a markierten und durch al/l/la substituierten syntaktischen Aktantentyp. 40 In anderen rom. Sprachen besteht dagegen nur in substantivischer Realisierung formale Übereinstimmung mit dem ind. Objekt. Bei pronominaler Substitution verhält sich der grammematisch markierte Zweitaktant dagegen wie der Aktantentyp dir. Objekt (DO), wird also durch die Personalpronomina substituiert, die den bloß positioneil markierten Zweitaktanten substituieren. In diesem Fall ist es legitim, einen eigenen syntaktischen Aktantentyp anzusetzen, der etwa DO' benannt werden kann. Die Alternanz der syntaktischen Aktantentypen kann dann im ersten Fall als DO/ beschrieben werden, im zweiten Fall als DO/DO'. Kehren wir zu der Frage zurück, warum als Grammem, mit dem die Kategorie 'agensfähiger Zweitaktant' markiert wird, die Präposition a auftritt. Die Frage der Motivierung dieser Funktionsausweitung ist eng mit der Frage nach der Motivierung der differentiellen Objektmarkierung als solcher verknüpft. Ich muß daher auch einige Anmerkungen zu der umfassenden Problematik machen, um die erste Frage nach der Genese der Markierung beantworten zu können. Zunächst muß präzisiert werden: durch den Einsatz einer grammematischen Markierung wird in Bezug auf die markierten Zweitaktanten keine neue "Bedeutungskonstitution" eingeleitet, weder hinsichtlich der vom Verblexem eröffneten semantischen Aktantenrolle, die den Aktanten zugeteilt wird, noch hinsichtlich der dem Zweitaktanten intrinsisch zukommenden semantischen Merkmale. Da wir die semantischen Rollen als Bedeutungskomponenten des Verblexems bestimmen können, ist die vom Verblexem prädizierte Relation sowohl in veo la casa als auch in veo a Juan die gleiche, nämlich die zwischen 'Sensor' (yo) und 'Phenomenon' (la casa, Juan).41 Genausowenig ändert sich etwas an dem semantischen Merkmal {+agensfähig}, das einer NP wie Juan ja gerade vor jedem Eintreten in eine Aktantenstelle eigen ist. Wenn sich in den rom. Sprachen eine differentielle Objektmarkierung herausbildet, ist dieses Phänomen also keinesfalls als "Bedeutungsänderung" beschreibbar, da keine neuen Bedeutungskomponenten durch die Markierung der agensfähigen Zweitaktanten mit der Präposition a hinzugefügt werden. Insofern sind dann aber auch Ansätze verfehlt, in denen der Einsatz von a
4O
Vgl. dazu Ganzoni 1977, 61; 1983, 62; Stimm 1987, 161-164. Vgl. jedoch Roegiest 1979, 4-7, Anm. 45. Hier wäre auch auf das Phänomen des 'Jeismo' im Sp. hinzuweisen, das den Zusammenfall von dir. und Ind. Objekt bei den maskulinen Personalpronomina bedingt. Insofern entfiele auch im Spanischen fUr diese Kategorie von agensfähigen Zweitaktanten die Notwendigkeit, einen eigenen syntaktischen Aktantentyp zu postulieren.
41
Zu den sem. Rollen 'Sensor'
und 'Phenomenon' vgl. Halliday 1985, 1O6-112.
205
mit der "Bedeutung" begründet wird, die die Präposition der gekennzeichneten NP neu verleihen soll.42 Wenn die differentielle Objektmarkierung nicht als "Bedeutungsänderung" beschreibbar ist, besteht zunächst die Möglichkeit, die Funktionsausweitung der Präposition damit in Verbindung zu bringen, daß durch ihren Einsatz bereits vorhandene Bedeutungsaspekte der vom Verblexem gestifteten Relationen "verdeutlicht" werden. Als Begründung der Funktionsausweitung käme also der Rückgriff auf die lokal-direktionale Bedeutung der Präposition in Frage, die, wie im Falle der Ablösung des lat. Dativs durch ad, metaphorisch die von den Verben gestifteten Relationen Überlagern könnte. 43 Allerdings mUßte bei einer solchen Begründung nachgewiesen werden, warum die lokal-direktionale Ausdeutung nur durch die Präsenz agensfähiger Zweitaktanten aktiviert wird. Zu fragen wäre also, inwiefern sich veo a Juan und veo la casa etwa hinsichtlich einer Transitivitätsrelation unterscheiden und inwiefern ein derartiger Unterschied die metaphorische Deutung aktiviert bzw. nicht aktiviert. Eine schlüssigere Antwort auf die Frage nach der Begründung der Funktionsausweitung von a findet sich, wenn wir nochmals nach der Motivierung der differentiellen Objektmarkierung als solcher suchen. Die Motivierung kann darin gesehen werden, daß sich durch die grammematische Markierung neue Oppositionsstrukturen zwischen den syntaktischen Aktantentypen ergeben: durch den Einsatz der Präposition a hebt sich ein grammematisch markierter Aktantentyp DO' bzw. IO von den ausschließlich positionell markierten Aktantentypen S und DO ab. Eine solche Kontrastierung zum einen in syntagmatischer Hinsicht gegenüber dem Subjekt (S), zum anderen in paradigmatischer Hinsicht gegenüber dem nicht agensfähigen Zweitaktanten (DO), erweist sich als tragfähiges Motiv für die Ausbildung einer differentiellen Objektmarkierung.
in Bezug auf eine sem. Kategorie 'ind. Objekt' bereits Meyer-LUbke 1899, 373 ("Die Form des Interesses tritt an die Stelle des einfachen Objekts."). Vgl. dazu auch Dietrich 1987, der von der Verleihung der Rolle 'Partnerobjekt' durch a ausgeht. 43
Vgl. dazu die bei MUller 1971, 485-486, referierten Forschungsansätze, wobei bei diesen Ansätzen nicht immer klar zwischen der Hervorhebung bereits gegebener Bedeutungsaspekte und der Verleihung neuer Bedeutungskomponenten durch die Präposition geschieden wird. Vgl. dazu auch die Bemerkungen von Körner 1987, 19-2O. Er verweist in diesem Zusammenhang auf das Rumänische. Dort Übernimmt bekanntlich nicht der "Dativ", sondern die Präposition pe die Markierung der agensfähigen Zweitaktanten. Da pe wie das rom. a lokal-direktionale Bedeutung hat, konnte dies als stutzendes Argument dafUr angeführt werden, die Funktionsausweitung von a beruhe auf metaphorischer Verwendung. Vgl. dazu auch Bossong 1985, 1O9-11O, der darauf verweist, daß in den Sprachen mit differentieller Objektmarkierung neben dem "Dativ"-Grammem auch lokal-direktionale Präpositionen häufig zum Einsatz kommen.
206
Betrachten wir zunächst die syntagmatische Kontrastierung in Richtung Subjekt.44 Die Berührung in den intrinsischen semantischen Merkmalen mit der Subjekt-NP, die bedingt durch die zahlreichen 'Agens'- und 'Experience/·'-Rollen dieses Aktantentyps ja in der Regel auch das semantische Merkmal {-»-hum} aufweist, macht eine solche Motivierung plausibel. Roegiest 1979, 49, spricht in diesem Zusammenhang von einer 'desactivatiori des agensfähigen Zweitaktanten, der durch die Markierung mit a eindeutig als Objekt im Unterschied zum Subjekt gekennzeichnet wird. Für eine solche Herleitung spricht auch, daß in einigen rom. Sprachen Zweitaktanten nur dann grammematisch markiert werden, wenn sie segmentiert sind, d.h. nicht in Kontaktstellung zum Prädikat stehen, und dadurch das formale Differenzierungskriterium Position wegfällt. 4 5 Die differentielle Objektmarkierung bietet also die Möglichkeit, in den Fällen, in denen die gleichen semantischen Merkmale von Objekt- und Subjekt-NP zu Ambiguitäten Anlaß geben, durch zusätzliche grammematische Markierung eindeutigen Kontrast zwischen Subjekt und Objekt herzustellen. Die zweite Kategorie, von der die grammematische Markierung den agensfähigen Zweitaktanten abhebt, ist die Kategorie nicht agensfähiger Zweltaktant. Die differentielle Objektmarkierung wäre also motiviert durch die paradigmatische Opposition zweier semantischer Kategorien von Aktanten. Zunächst ist festzuhalten, daß die formale Differenzierung von agensfähigen/nicht agensfähigen Aktanten insofern plausibel ist, als in der menschlichen Erfahrung beide Kategorien von Sachverhaltsteilnehmern deutlich unterschieden sind. Nimmt man eine solche Motivierung der differentiellen Objektmarkierung an, stellt sich jedoch die Frage, warum die Differenzierung nicht durchgängig in allen Aktantenkategorien verwirklicht wird, warum also nicht auch agensfähige/nicht agensfähige Subjekte und agensfähige/ nicht agensfähige ind. Objekte formal differenziert werden.46 Vielleicht läßt sich diese Beschränkung auf die Kategorie des dir. Objekts mit den allgemeinen Tendenzen bei der Besetzung der syntaktischen Aktantenstellen in Verbindung bringen. Rufen wir uns in Erinnerung, daß die Kategorie Ind. Objekt bedingt durch ihr Vorkommen bei den zentralen Verbklassen des 'Gebens/ Nehmens' und des 'Sagens' in einer Mehrzahl von Fällen das Merkmal {+hum}, d.h. {-t-agensfähig} aufweisen wird. Im pronominalen Bereich ist das ind. Objekt sogar für die Kategorie 'agensfähiger Aktant' reserviert. Die syntaktische Kategorie Subjekt wird auch in einer Mehrzahl der Fälle bereits aufgrund der Eine derartige Motivierung der differentiellen etwa MUller 1971 und Roegiest 1979 an.
Objektmarkierung
4S
Vgl. dazu Roegiest 1979, 37-48, und die Beispiele bei Rohlfs 1971.
46
Vgl. dazu Bossong 1982b, 24-25.
nehmen
207
spezifischen distributionellen Strukturen mit Aktanten mit dem Merkmal {+agensfähig} besetzt sein. Die 'subject-assignment-hierarchy*7 zeigt, daß die Subjektstelle Aktanten mit den semantischen Rollen 'Agens' und 'Experiencer' zugewiesen wird, wenn diese Rollen im Sachverhaltsdarstellungsrahmen der Verben vorhanden sind. Daraus ergibt sich, daß Aktanten mit dem sem. Merkmal {-agensfähig} tendenziell bereits beschränkt auf eine syntaktische Aktantenkategorie, nämlich das dir. Objekt auftreten. In dieser syntaktischen Kategorie finden sich jedoch auch ohne weiteres Aktanten mit dem sem. Merkmal {+agensfähig>. Die dem dir. Objekt meist zugeordnete 'Patiens'-Stelle ist ja neutral gegenüber jeder Spezifizierung {±agensfähig}. Nur in Bezug auf diese Aktantenstelle ist dann aber Überhaupt die Notwendigkeit gegeben, zwischen beiden Kategorien von Aktanten zu unterscheiden. Wie auch immer wir die Frage nach der Motivierung der differentiellen Objektmarkierung als solcher beantworten, ob wir eine verstärkte syntagmatische Kontrastierung zum Subjekt oder eine paradigmatische Opposition zweier semantischer Kategorien von Aktanten als auslösendes Moment bestimmen, in beiden Fällen lassen sich Gründe für die Wahl der Präposition a bei der differentiellen Objektmarkierung finden, bei der nicht auf ihre lokal-direktionale Bedeutung zurückgegriffen wird. Auch hier werden die Gründe in der Analyse der Drittaktanten der Verben des 'Gebens/Nehmens' und der Verben des 'Sagens' sichtbar: es hat sich gezeigt, daß die Drittaktanten beider Verbklassen bedingt durch die semantische Rolle 'Interaktionspartner' grundsätzlich das Merkmal {+hum}, d.h. {+agensfähig} aufweisen. Die Präposition a, die diese Drittaktanten markiert, tritt also konstant bei Aktanten mit dem sem. Merkmal {+agensfähig} auf. Die Assoziation mit diesem semantischen Merkmal, die sich für die Präposition aus den spezifischen distributionellen Bedingungen kontingent ergibt, kann dann zu einer Ausdeutung der formalen Kategorie fuhren: a wird zunehmend als Markierung von agensfähigen Objekten interpretiert. Seine Funktion wird nicht mehr primär in der Sicherung des syntagmatischen Kontrastes zwischen Zweit- und Drittaktant gesehen. Die Präposition wird statt dessen als Kennzeichen einer durch das sem. Merkmal abgegrenzten Klasse von Objekten interpretiert, d.h. der durch die fehlende Verbkongruenz dem Subjekt nachgeordneten Zweit- und Dritt-
Zu einer 'topic'-bedingten internen Hierarchlsierung der sem. Aktantenrollen und einer daraus resultierenden 'subject— bzw. Object—assignment-hierarchy' vgl. Dik 1981, 69-126; Givon 1984, 13S-18S, und Oesterreicher (in diesem Band).
208
aktanten. 48 Die Präposition wird dann auch außerhalb des spezifischen Kontextes von Verben, die bereits einen a-Aktanten in ihrem syntaktischen Valenzrahmen vorsehen, als Markierung von agensfähigen Objekten generalisiert. Wenn wir eine Motivierung der differentiellen Objektmarkierung aus der Notwendigkeit einer deutlicheren syntagmatischen Kontrastierung zum Subjekt annehmen, liegt der Akzent bei der Generalisierung der Präposition auf ihrer Generalisierung als Markierung agensfähiger Objekte. Nehmen wir statt dessen an, die Markierung der paradigmatischen Opposition zwischen den beiden sem. Kategorien von Aktanten sei Motiv der Funktionsausweitung, liegt der Akzent auf dem semantischen Merkmal {+agensfählg}, als dessen Kennzeichen die Präposition aufgrund der konstanten Assoziation in den oben beschriebenen Verwendungskontexten erscheinen kann. Wenn wir die Markierungskategorie der Drittaktanten der Verbklassen des 'Gebens/Nehmens 1 und des 'Sagens', ohne auf einzelsprachliche Unterschiede in den ausdrucksstrukturellen Kodierungsprinzipien einzugehen, Übereinzelsprachlich als "Dativ" bezeichnen, können wir also sagen, es handle sich bei der Präposition a, mit der die differentielle Objektmarkierung in den rom. Sprachen geleistet wird, um einen "Dativ". 49 Wie im Falle der Ablösung des lat. Dativs durch ad bilden auch bei der Funktionsausweitung der Präposition a die Verwendung als Aktantenmarkierung bei den oben genannten Verbklassen und die Inhaltskonturen, die sich flir die formalen Markierungskategorien daraus ergeben, den Ausgangspunkt der diachronischen Entwicklung.
4-8
Ich gehe davon aus, daß die unterschiedlichen syntaktischen Aktantentypen Subjekt und Objekt auch eine semantische Opposition abbilden, die etwa als Opposition zwischen '(clausal) Topic·' (Subjekt) und 'Nicht-Topic' (Objekte) gefaßt werden kann. Vgl. dazu Dik 1981, 69-71; Civon 1984, 135-138. Vgl. dazu auch H a l l i d a y 198S, 68-1OO, der die sem. Differenz zwischen Subjekt und Objekt in der semantisch-pragmatischen Ebene der Satzbedeutung ('mood system') begründet sieht. Auf die offensichtliche Flexibilität der Zuordnung, die etwa durch Inversionen aufgehoben werden kann, w i l l ich nur kurz verweisen. Vgl. dazu Oesterreicher (in diesem Band).
49
Vgl. dazu Bossong 1985, 1O9, und Stimm 1987, 168-169.
209
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Carlos Hernandez Sacristan (Valencia)
Reflexiones sobre Valencia estativa. Con especial atencion al espanol y el Catalan* 0. Introduccion Dik (1978) diferencia como posiclones a predicados que se caracterizan por significar mantenimiento de determinada situacion gracias al control ejercido sobre ella por un sujeto -»-animado y normalmente, +humano. Representantes paradigmaticos de este tipo de predicado aparecen en las siguientes oraciones, por este autor citadas: (1) John remained in the hotel. (2) John held the thing in place.
Existen, sin duda, razones para diferenciar categorialmente al grupo, pero ello no debe realizarse tan solo en los terminos que nos ofrece el anäiisis logico-semäntico, sino tambien - y preferentemente - a partir del estudio de las configuraciones argumentales en que estos predicados se insertan, algo que de inmediato trataremos de abordar. La distincion a que nos referimos no es incompatible, por otra parte, con una consideracion de las posiclones como una subclase estativa, opcion esta ultima que queremos justificar desde un punto de vista teorico, pero tambien a partir de determinadas soluciones que el iberorromance ofrece para este tipo de predicados. Desde el punto de vista teorico, una razon puntual, pero significativa, que justificaria la opcion apuntada, tiene que ver con la unidad categorial de los predicados con los que se signified posesion y, mas en particular, con la unidad nocional del predicado tener. Es evidente que el tener alienable de (3) Juan tiene una casa en Mallorca
se aproxima a la categoria posicion propuesta por Dik. La posesion alienable es, en efecto, un tipo de estado controlado, que presupone acciones potenciales de donacion o compra-venta. Frente a ello, el tener inalienable de (4) Juan tiene unas orejas grandes
o el tener con sujeto inanimado de (5) La casa tiene una chimenea
representarian dificilmente a la categoria de la posicion, por ausencia del rasgo -»-control definitorio de la misma. *E1 presents trabajo incorpora parte del capitolo "Semantlca de predicats estatlus" de Hernandez Sacristan 1989.
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Hay razones, sin embargo, para defender la unidad categorial de los predicados que significan posesion y el caracter graduable1 de esta categon'a, sea unos u otros los polos extremes entre los que se manifiesta. No deja de ser cierto que la relacion entre teuer alienable e inalienable con sujeto de cosa y entre sus correspondientes estructuras argumentales no es de naturaleza homonimica sino polisemica. Queremos decir que existe un significado comun al verbo tener y a sus posibles entornos argumentales que debe justificar la conexion historica y funcional entre los mismos. El TENERE latino, verbo con el que se signified originariamente un estado de cosas controlado por el sujeto, ha llegado a ampliar su significacion en iberorromance ante la progresiva gramaticalizacion del H ABE RE, ocupando la esfera nocional de este ultimo. En dicho proceso se reinterprete el valor semäntico del entorno argumental sin que se altere, al menos aparentemente, el nurnero de argumentos. Una situacion parecida a la de TENERE se encuentra representada en iberorromance por los derivados de STARE, verbo con el que se significa tambien originariamente un estado de cosas controlado por el sujeto; el 'estar de pie' ha podido llegar a significar estado meramente pasivo, pero por una via que presupone naturalmente determinada unidad nocional entre el valor semäntico originario y el que se alcanza al final del proceso. Los estadios intermedios del mismo quedarian muy bien representados en Catalan, las soluciones que se alejan mäs del valor latino originario, pero que no por ello le son total men te ajenas, vend Han representadas por los significados y configuraciones argumentales del estar espanol. Desde nuestro punto de vista, los procesos historicos referidos deben ser explicados a partir de determinada unidad categorial funcional subyacente. Diferenciar los estados controlados como un tipo de espacio disjunto respecto a los predicados estativos, en general, presupone - entendemos - disolver la unidad nocional y funcional de los predicados de posesion y constituye un impedimento para el estudio integrado de los predicados adscriptivos y, mäs concretamente, del micro-sistema ser/estar en espanol y Catalan. Frente a una clasificacion de los tipos de predicado a partir de una combinacion de rasgos binarios que presupone la existencia de espacios disjuntos, preferimos una clasificacion que podria caracterizarse como topologico-perceptual. Con ella se trataria no solo de diferenciar los tipos y subtipos fundamentales de predicado, sino tambien de establecer el .puesto relativo de unos tipos respecto a otros, dicho puesto relative seria funcion de las dependencies historicas y funcionales entre los mismos. El tipo de clasificacion que proponemos se aproximaria a la nocion de 'mapa de relaciones', que contiene en si un principio explicativo de las dependencies referidas. 'Mapa'
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presupone un espacio unitario del que debe existir una representacion perceptiva en la que las partes o elementos integrantes aparecen conectados. Presupone igualmente una nocion de 'distancia' entre puntos, que debera ser interpretada en terminos relatives, como el estatus lingüistico de las entidades implicadas parece exigir o sencillamente permitir. Se aproxima, en este sentido, a la clasificacion topologico-perceptual aquella en la que se manejan de forma consciente o implicita los conceptos de 'subespecificacion' de Unas clases en otras y de 'interseccion' de clases. Una propuesta como la manifestada por el siguiente diagrama:
es topologica en la medida en que nos permite situar un tipo de predicado, las 'acciones' entre otros dos, los 'procesos' y las 'transferencias', y afirmar tambien, por este motivo, que hay mayor distancia relativa entre procesos no activos y transferencias que entre cualesquiera otros dos terminos de la terna.2 La interseccion de clases no constituye, por otra parte, un impedimento grave, algo que deba ser evitado en la clasificacion. Su existencia nos obliga sencillamente a afinar los criterios de clasificacion y distinguir en un espacio del tipo:
tres subespacios: A, B y el subespacio C de interseccion entre los mismos. La existencia de intersecciones es tambien criterio que nos permite resolver en terminos de distancia las relaciones entre clases. Es posible proponer, por ejemplo, para las "posiciones" de Dik do que trataremos de justificar en las paginas que siguen) el estatus de interseccion entre estados y acciones:
lo que nos permite resolver en terminos de distancia (D) el puesto relative -Cf. por lo que a subspeclficacion Koch 1981 (apud Rauh 1988, 189-198); por transferences entenderiamos algo proximo a la 'interaccion* de Koch.
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entre las tres categories: D D(PE) D(EÄ) > D(PÄ) En realidad, la interseccion de clases presupone una döble relacion de subespecificacion. Asi, diremos que las posiciones son un tipo particular de estados, aquellos proximos por su configuracion argumental y por el valor semantico del predicado a la categoria de las acciones, y viceversa, las posiciones podrian considerarse tambien un tipo particular de acciones proximas a lo estativo. Con este criterio es posible diferenciar tipos o subtipos de predicado sin obligarnos necesariamente a disolver unidades categoriales que pueden ser explicativamente utiles en la determinacion de la conexion histories y funcional entre las distintas clases de predicada Las relaciones entre predicados consideramos que son funcion bäsicamente de las relaciones entre sus configuraciones argumentales, entendiendo aqui por argumento (signo) cada complejo funcion oracional (significante)/valor actancial (significado) correspondiente a un nombre ligado por el verbo en determinada proposicion. Esquemäticamente: funcion oracional (ste.) argumento \^ (signo) \^ valor actancial (sdo.) Existirian configuraciones argumentales (signos complejos) prototipicos para determinada categoria nocionalmente diferenciada, que representarian el centro en el sentido praguense de dicha categoria. Otras configuraciones argumentales se alejarian en mayor o menor grado de este centro aproximändose consecuentemente a otro en el "mapa de relaciones" o espacio unitario donde el conjunto de las clases de predicado se representa. En la determinacion de una funcion de distancia resulta decisive el uso de criterios como el de jerarquia de accesibilidad de valores actanciales a determinados puestos funcionales. Aunque del criterio jerarquia de accesibilidad se ha hecho inicialmente uso en los estudios tipologicos, muy pronto se ha mostrado tambien su utilidad en el estudio de un sistema lingiiistico dado, particularmente en el ambito de la sintaxis oracional3. El centro de una clase de predicados nocionalmente diferenciada se encuentra representado por configuraciones argumentales donde las funciones sintäcticas se encuentran 3
Cf. Dik 1978;
Foley
1984.
217
atendidas por valores actanciales situados en los peldanos mäs altos de la escala de accesibilidad a las mismas. For el contrario, nos alejamos del centro de determinada clase de predicados cuando a la hora de adscribir un valor actancial a determinada funcion descendemos en la referida escala. La escala de accesibilidad no es mäs que una forma de significar el caracter mäs o menos marcado de un complejo sintäctico-semäntico. La nocion de marca (Dressier 1987) abre, por otra parte, las puertas a otro criterio analitico en el estudio de las configuraciones argu men tales, el principio de iconismo en las relaciones que se establecen entre configuraciones funcionales y actanciales (significantes y significados sintäcticos complejos, respectivamente). Creemos oportuno distinguir con Haiman (1985) dos nociones principios que operan con relativa independencia dentro de lo iconico: motivacion e isomorfismo.* El principio iconico se encuentra asociado a imperatives perceptuales segun los cuales solo por medio de determinadas formas pueden representarse determinados contenidos. La naturaleza iconica del signo sintäctico (o configuracion de argumentos) exige una realizacion material del mismo (o de su significante) estructuralmente valorable, lo que nos obliga a distanciarnos del presupuesto segun el cual un calculo de naturaleza simbolica pura sen'a adecuado para dar cuenta de las relaciones sintäcticas en lengua natural. La orientacion topologico-perceptual en la clasificacion y estudio de los predicados presupone, segun entendemos, este tipo de realizacion material de sus formas. Esta ultima es la unica base sobre la que poder objetivar una funcion de distancia. La consideracion de la sintaxis como conjunto de entidades y relaciones simbolicas puras conduce, por el contrario, a clasificaciones dicotomicas que imposibilitan la explicacion de las conexiones historicas y funcionales entre los diferentes tipos de predicado. Con los presupuestos y elementos de trabajo de los que sucintamente se ha dado cuenta revista abordamos ahora el tema particular de estudio que aqui nos ocupa. Antes de pasar a un estudio de las configuraciones argumentales acotemos nocionalmente la clase de predicados que nos interesan. Los que podemos conocer por predicados 'estativo-dinamicos' se caracterizan por representar una situacion que se mantiene actualmente inalterada gracias a determinada accion realizada por alguien, una situacion que se considera
Haiman 1985, 19, se refiere al isomorfismo en los siguientes terminos: "Different forms w i l l always entail a difference in communicative function. Conversely, recurrent identity of form between different grammatical categories will always reflect some perceived similarity in communicative function." A la motivacion (Haiman 1985, 2O) se refiere en los siguientes terminos: "Given two minimally contrasting forms with closely related meanings, the difference in their meaning w i l l correspond to the difference in their forms."
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virtualmente alterable por una accion futura, ο que se concibe como el resultado de una accion pasada. Hay un denominador comun sem ntico que resulta razonable determiner dado que existen configuraciones argumentales tambien comunes a estos predicados. Con ellos se significa, podemos resumir, un estado que presupone accion. Esto es, un estado que se piensa en relacion con una accion que no aparece representada en el nivel del enunciado, pero que se encuentra implicitamente contenida en el.
1. Predicados con los que se significa posesion Autores como Anderson ο Foley5 han considerado que el significado de la posicion funcional sujeto (Suj.) de tener es LOG ATI VO (LOO, mientras que el objeto directo (O.D.) de este verbo es definido como TEMA (Foley) ο NOMINATIVO (Anderson). Este tipo de adscripcion presupondria, entendemos, el siguiente razonamiento: 'Poseedor* es la entidad a la que pertenece lo pose/do y se consideran expresiones referencialmente equivalentes 'pertenecer a' y 'estar incluido en': es decir, se interpreta la relacion de pertenencia en un sentido local. De ahi se concluye que lo que pertenece a alguien est incluido de forma directa o indirecta en ese alguien, concebido como lugar. 6 Es evidente que la resolucion de todo tipo de relacion de pertenencia como relacion local de inclusion supone un tipo de reduccionismo logicista7 que no da cuenta real de como significan los estados de cosas las lenguas naturales. Si el signo sint ctico es de naturaleza iconica, deberemos justificar como es posible la asignacion de la configuracion actancial TEMA 8 LOG indiferentemente a la configuracion funcional sujeto (Suj.) - complemento preposicional regido (G.R.) del estativo prototipico:
S
Cf. Anderson 1971, 1OO-118; Foley 1984, 47 ss. Al respecto precise Anderson (1971, 114): "the nominative NP is 'located* not directly with respect to the person Involved, but rather with respect to something ('possession') attributed to him - and Is thus doubly locative, since 'my possessions' (for instance) is no doubt to be derived by nominalizations of a clause containing the verb 'possess/belong', which is itself a dative locative verb."
7
Cf. al respecto Seiler 1983, 1-3. ο Por TEMA vamos a entender un tipo de valor actancial neutro, esto es, indiferenciado respecto a los rasgos Origen' o 'destino' y que, aunque no necesariamente, ocupa de forma caracterlstica la posicion de sujeto (en terminos pragmaticos representa a la entidad motlvo o eje comunlcativo en un marco proposicional). AGENTE y OBJETIVO constituyen soluciones polarmente enfrentadas de la semantica actancial del TEMA.
219 (6) Juan estn en Mejico
[ Suj. L TEMA J
C.R. LOG
L
J
y a la configuracion funcional Suj. - O.D., en la que se inscriben los verbos de posesion. Para profundizar en esta cuestion debe observarse sencillamente que cuando el sujeto es cosa (entidad inanimada), por ejemplo en (5) (5) La casa tiene una chimenea
la asignacion del valor locativo parece mäs natural o intuitivamente aceptable que cuando el sujeto es persona (entidad humana) por ejemplo en (7) Juan tiene una casa.
Siendo el sujeto entidad humana deben distinguirse, a su vez, dos situaciones: posesion alienable e inalienable. Resulta relativamente mäs admisible la asignacion de valor locativo en los casos de posesion inalienable, como en (4) Juan tiene unas orejas grandes
que en los de posesion alienable, como en (7). Estos hechos podrian representarse de manera escalar cuando observamos que, por su capacidad para recibir un tratamiento nocional locativo, los sujetos de un verbo de posesion se ordenan de la siguiente manera: -animado > +humano > -t-humano pos. inal. pos. alien. En estrecha conexion con lo anterior se encuentra tambien una consideracion de interest la adecuacion de la asignacion nocional LOCATIVO al sujeto de tener parece que correlaciona con el grado de aceptabilidad de una parafrasis que haga funcionar al supuesto LOCATIVO como un complemento preposicional regido.9 Asi, resulta fäcilmente aceptable la parafrasis de (5): (8) Hay una chimenea en la casa.
No es tan aceptable, sin embargo, la parafrasis que corresponderia a (4), y menos aun la que corresponderia a (7). En otros terminos, la escala anteriormente referida se puede interpreter como jerarquia de accesibilidad a la funcion sujeto de un verbo como tener. Existiria, en efecto, una estrecha relacion entre la forma representada por el complemento preposicional y el significado valor actancial LOCATIVO. Esto es, un nombre accede mäs fäcilmente a este tipo de funcion en la medida en que debe interpretarse mäs Este uso del procedimiento parafrastico se diferencia, pues. del razonamiento implicito en la operaciön de copia propuesta por Anderson 1971, 1O7 ff.
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genuinamente como LOCATIVO. Podriamos incluso afirmar que la asignacion de este valor actancial al sujeto de una oracion como (S) es, en cierto sentido, metalingliisticamente dependiente de la existencia de una paräfrasis en la que LOCATIVO ejerce la funcion de complemente regido, como ejemplifica (8). Cuanto menos aceptable resulta la paräfrasis, mäs problematic^ se hace, consecuentemente, la asignacion del mencionado valor actancial al sujeto de tener. Determinada la configuracion argumental, caracteristica para los casos de posesion alienable, excluye en la practice toda posibilidad de entender como LOCATIVO al sujeto. Un efecto de naturaleza iconica, generalmente observable en sintaxis, es que a mayor Valencia, mayor grado de actividad se signified.10 En este sentido, los predicados que significan posesion alienable, un tipo particular de estativos dinämicos, llegan a admitir un esquema triactancial con actantes referencialmente diferenciados, como ejemplifica la oracion: (9) Juan tlene una casa en Mallorca
en la cual se observe un LOCATIVO externo a la relacion de posesion y que tiene, precisamente por ello, el efecto de incrementar el caräcter dinamico (o alienable) de la misma. Si admitimos el presupuesto fillmoriano segun el cual resulta concebible un solo tipo de caso profundo por oracion, debemos pensar que la existencia de un complemento circunstancial (C.C.) LOCATIVO excluye toda posibilidad de asignar este valor nocional al sujeto. Para predicados con los que se signified posesion estatica (esto es, posesion inalienable con sujeto de cosa) no es posible, por el contrario, observer un LOCATIVO externo a la relacion de posesion, y ello parece ser un tipo imperative perceptual. No puede presentarse, en este sentido, como contraejemplo la oracion: (10) La casa tiene una chlmenea en el tejado
donde el tercer argumento debe encontrarse siempre referencial o extensionalmente incluido en el primero, si lo que significa es justamente posesion estatica. Siempre que en determinado tipo de marco proposicional un argumento virtual aparece como extensionalmente incluido referencialmente dependiente de otro, no llega a adquirir un valor argumental pleno. El ejemplo extreme de esta situacion seria el valor argumental siempre problemätico de la particula refleja, referencialmente dependiente del sujeto.
El incremento en el grado de transitividad aslociado al Incremento en el numero de argumentos tiene, a su vez, estrecha relacion con el Incremento en el grado de actividad slgnificado por un predlcado (Cf. Hopper/Thompson 198O).
221
Prueba de que (10) no resulta, en tanto que esquema triargumental, comparable a (9) es que admite una facil reduccion a biargumental por medio de la paräfrasis: (11) El tejado de la casa tlene chlmenea
proposicional en el que se significa posesion estätica, lo que no supone negar que dicho esquema sea formalmente posible. Frente a esto, un esquema triargumental como el de la oracion (9) no resulta, por ningun procedimento, reductible a biargumental salvo que se elida o calle el argumento representado por el complemento circunstancial. El grado de posesion dinamica es tambien funcion del grado de individuacion y separacion del objeto directo respecto al espacio verbal. A menor individuacion separacion del objeto directo, menor es el valor argumental de esta funcion y, con ello, menor tambien el grado de posesion dinamica. Diremos, resumiendo lo que precede, que existiria una estrecha relacion entre los siguientes tres hechos: -La posibilidad de asignar un valor nocional LOCATIVO al sujeto de teuer. -El caräcter mäs o menos dinämico de la relacion de posesion significada. -El numero de argumentos diferenciables en la proposicion. Las dos ultimas notas se relacionan de forma directa entre si y, conjuntamente, de forma inversa con la primera. Una pregunta razonable en este contexto seria la de si debemos o no considerar relacionadas entre si, y de qua forma, las configuraciones argumentales de tener que admiten fäcilmente Suj.-LOC y las que no lo admiten o lo hacen con mayores restricciones. Ello equivale, como se dijo en la introduccion, a preguntarnos sobre la unidad categorial de la relacion de posesion. Antes, sin embargo, de responder a esto, consideremos el valor actancial del segundo argumento ligado por tener. Cuando el sujeto admite sin problemas la asignacion nocional LOCATIVO, cabe entonces entender el objeto directo como TEMA. La diferencia entre TEMA y LOCATIVO consistiria, desde un punto de vista semäntico-referencial, en el hecho de que TEMA corresponde siempre a una entidad mäs individüalizable (con mäs caräcter de objeto) que LOCATIVO. Si consideramos a este ultimo como rasgo discrimminador entre los dos valores actanciales aqui implicados, es fäcil admitir que oraciones como (5), con valor actancial LOCATIVO en la posicion de sujeto, tienen TEMA en la posicion de objeto directo. Sucede en este tipo de oraciones que la funcion Objeto directo' se encuentra desempenada por un tipo de entidad mäs individüalizable u objetualizable que la entidad que
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desempena la funcion de sujeto. Esta ultima, por su parte, gana en caracter localizador o de "espacio continente" a la primera. En aquellos cases, sin embargo, en los que el sujeto admite con mayores restricciones el valor actancial LOCATIVO do que de forma extreme representaria (9)), la entidad que ejerce dicha funcion sale, por asi decirlo, ganando en caracter tematizable a la entidad que ejerce la funcion de objeto directo (presenta en mayor grado el caräcter de individuo y mayor autonomia referencial). En esta circunstancia, el LOCATIVO dificilmente desplazarä al TEMA de la posicion funcional de sujeto. No parece, por otra parte, razonable suponer ahora que LOCATIVO sea el valor actancial que se asigna al objeto directo, funcion oracional menos accesible incluso que el sujeto para dicho valor. La presencia potencial, en todos los predicados que significan posesion alienable, de un tercer actante LOCATIVO externo a la relacion de posesion puede entenderse en principio como indice de que ninguno de los otros dos argumentos es LOCATIVO. Siendo en esta situacion TEMA el sujeto, cabe preguntarse cuäl es el valor actancial que atribuimos aqui al objeto directo. Los predicados que significan posesion alienable, en tanto que estativodinämicos, se situan entre la semäntica proposicional estativa y activa. Los marcos o f ami lias de configuracion argumental no han de interpretarse como compartimentos estancos, sino como espacios conectados o conectables, entre los cuales se establecen relaciones geneticas y dependencies funcionales, cosa que no anula la peculiaridad de cada uno de ellos. Para el caso aqui atendido es posible decir que la situacion fronteriza entre la semäntica estativa y la activa, que manifiesta una relacion de posesion alienable, se captaria al combiner el valor actancial estativo TEMA con el valor actancial OBJETIVO (OB), definido de forma genuina en el marco proposicional activo. De manera que analizamos en principio de la siguiente forma una oracion como (7): (7) Juan tiene una casa r
SUJ.
-j
TEMA
r
.
. -,
OB
mientras que proponemos provisionalmente para (5) (5) La casa tiene una chimenea
LOC
J
L
O.D. TEMA
J
El O.D. de (7) se encuentra, sin duda, semanticamente mäs proximo que el de (5) al O.D. propio de un verbo transitive que significa accion, lo que justifica su valoracion como OBJETIVO.
223
Los anälisis precedentes deben considerarse, con todo, esencialmente incompletos. Lo que las configuraciones r L
Suj. , .. O.D. ,_ TEMA J L OB *
r L
Suj. , r O.D. , LOG J L TEMA J
identifican son tan solo los polos de una escala, con un variado n u m er o de situaciones intermedias, una de ellas tipicamente representada por la posesion inalienable con sujeto de persona, lo que ejemplifica (4). iQue es, sin embargo, lo que nos permite hablar de polos o extremes de una escala? En otros terminos, ique es lo que garantiza la unidad nocional y categorial de la relacion de posesion?. Como postulado de trabajo asumimos que, al menos en el dominio de la sintaxis, la identidad o constancia formal que se manifiesta en determinada parcela del sistema lingüistico es, normal mente, correlate de una identidad o constancia en el piano de la significacion. De manera que ante las identidades formales Suj.-de-tener y O. D.- de- teuer, resulta razonable indagar la unidad significativa que en ellas subyace. La conexion historica entre los predicados que significan posesion dinämica y estätica debe considerarse, en este sentido, no una causa sino una consecuencia de la conexion funcional que dicha unidad significativa explica. Aunque TENERE fuera originariamente un estativo dinämico, con un significado puramente fisico y muy proximo a la accion Cretener (con la mano)'), una vez que se desplazo a la esfera semäntica un poco mäs abstracta de la posesion, dinämica o alienable en un principio, pudo llegar a ser interpretado como estativo puro, para dar expresion a los predicados con los que se significa posesion inalienable o posesion con sujeto de cosa. Un criterio de base gestältica nos puede ofrecer una solucion general para el tipo de problemas representados por el caso precedente y que se reproducen constantemente en teoria sintäctico-semantica. Hemos de considerar que la unidad significativa asociada a una constante formal no necesariamente es una nocion simple y univoca. Existe la posibilidad de entender esta unidad como un espacio perceptual en el que dos nociones contrastan como figura y fondo. Podn'amos decir, en este sentido, que Suj.- de- teuer es una forma cuyo significado es el espacio perceptive: TEMA que se actualize necesariamente de forma polar, bien con realce de LOC, lo que simboliza
224 r
L
i
TEMA J
bien con realce de TEMA, lo que simboliza LOG
Asignamos con este procedimiento un tipo particular de unidad significativa a la forma Suj. -de- tener. Pero entendamos por que razon se propone este tipo de formalizacion. Se intenta por medio de ella dar satisfaction al hecho de que, aunque el valor TEMA predomina en el sujeto de la proposicion con la que se signified posesion dinamica, no deja, sin embargo, de existir un apendice o fondo perceptual LOCATIVO asociado a este TEMA. De igual forma en aquellos casos en que predomina el valor actancial LOCATIVO, no deja de encontrarse asociado al mismo un fondo perceptual TEMA. Un tratamiento similar seria concebible para la forma O. D. -de- tener, esto es, recibiria la asignacion actancial: f TEMA , 1 OB J espacio sobre el que deben operar tambien los correspondientes realces perceptivos. El O. D. -de- tener llevaria asociado un significado actancial que se define entre dos polos: un actante genuinamente estativo, TEMA, y un actante genuinamente activo, OBJETIVO. Podemos ahora observar una clara relacion de dependencia entre los valores actanciales asociados a la forma verbal tener. Dicha relacion se expresa diciendo que a determinado sentido en la polarizacion de uno de los complejos actanciales referidos corresponde determinado sentido en la polarizacion del otro. Es decir, a LOCATIVO dominante en el sujeto corresponder TEMA dominante en el objeto directo: OB
J
y a TEMA dominante en el sujeto corresponded OBJETIVO dominante en el objeto directo: II
r
LOG , Γ Τ Ε Μ Α Π
El anterior es tambien un tipo de formalizacion que se muestra util a la hora de explicar la conexion historica entre las dos configuraciones argumentales de tener. El esquema I se relaciona por inversion gestaltica con el esquema II. El esquema II, en el que LOCATIVO aparece como nocion per-
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ceptivamente relegada en posicion de sujeto, admite la presencia de un nuevo LOCATIVO externo a la relacion de posesion, pero ello impone una lectura de la proposicion ya univoca, del tipo: Suj./TEMA, O.D./OB, C.C./LOC.
2. 'Ser' y 'eatai1·. Valencia de sus usos predicatives y copulatives Vayamos ahora sobre una cuestion cläsica en iberorromance, la del contraste entre las dos formas verbales ser y estar. Con ellas es posible establecer diferencias semanticas que llegan a parecer extremadamente sutiles y que son, sin duda, dift'ciles de objetivar cuando lo que se pretende es Formular, con fines didacticos, reglas univocas para el uso correcto de las mismas. Nos centraremos particularmente en la situacion catalana normative, a fin de establecer una generalizacion sobre los valores actanciales de ser y estar. Las soluciones mäs extremes del es pa no 1 son abordables desde la generalizacion establecida para el Catalan. Algo parecido podria decirse para el gallego y el portugues, variedades lingliisticas tambien extremes o mäs innovadoras en el tratamiento del microststema de usos adscriptivos que aqui nos ocupa. Badia (1962) diferencia a los verbos ser y estar en sus usos copulatives por medio de la categoria del aspecto, el primero significan'a atribucion bajo aspecto imperfectivo y el segundo atribucion bajo aspecto perfectivo. Esto es, utiliza este autor una de las parejas de terminos ya tambien cläsica en el estudio de la oposicion ser/estar en espanol. No vamos a referirnos aqui a los distintos comentarios teoricos o normatives que el tema ha suscitado. En Sola (21989) se encontrara una presentacion completa del estado actual de la cuestion. Aqui intentaremos responder a la cuestion de si son diferenciables los verbos ser y estar, come copulatives, tambien por su Valencia. Nos guia en esto la idea de que las diferencias aspectuales, o de otro tipo, que se ban venido senalando, pueden correlacionar con diferencias de entorno actancial. Esta perspective es, segun creemos, la que parece oportuna a tenor de estudios como los de Vallcorbe (1978) y Felk (1979). En lo que sigue asumimos basicamente las posiciones teoricas de estos autores, asi como gran parte de sus valoraciones descriptivas. Sin duda, como afirma Falk, conviene estudiar el problema que nos ocupa teniendo presente la configuracion funcional complete en le que se inserte le copula: suj.-cop.atrib., y no limitarse a la relacion: cop.-atrib., como ha sido frecuente. Naturalmente, la pregunta sobre la Valencia en usos copulatives de ser o estar resulta solo razonable en la medida en que percibimos una conexion entre estos usos y los predicativos. De nuevo nos ayuda aqui el principio
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segun el cual cuando se observa identidad formal es metodologicamente oportuno preguntarse sobre una posible relacion funcional o semäntica. Ser copulative y ser predicative, estar copulative y estar predicativo no son tampoco casos de homonimia, sino de polisemia de un termino. Son evidentes las conexiones historicas entre estos dos tipos de uso. Este ultimo viene a ser el criterio de trabajo asumido por Falk frente a estar. Para dicha forma los fenomenos historicos y funcionales pueden considerarse las dos caras de una misma moneda: Lo ocurrido en las lenguas iberorromanicas es, descrito someratnente, que se ha aprovechado uno de los verbos de posiciön, "estar" (STARE), para la funcion copulative. Si en principio es, pues, admisible decir que este verbo se ha vaclado semanticamente para llegar a ser un enlace entre sujeto y atributo, habra que anadir que guarda algo de su sentido originario. (Falk 1979, 7)
Para el verbo ser tampoco falta, debemos anadir, un tipo particular de conexion historica con verbo de estado semanticamente pleno. Como es sabido, una parte de la conjugacion de ser ha sido suplida por formaS del verbo latino SEDERE en espanol y en gallego-portugues. Este fenomeno de suplencia puede ser solo concebible si entre los originarios ESSE (ESSERE) y SEDERE latinos IIego a establecerse algun tipo de conexion semäntica, esto es, si al vaciarse de su contenido semäntico predicativo se aproximo SEDERE de forma lo suficientemente estrecha a ESS E ( ESSERE) como para que fuese posible considerar que las dos formas (o series de formas) representaban a un mismo verbo. Si atribuimos a este fenomeno el estatus de virtualidad panromanica en la evolucion historica del SEDERE latino, es posible afirmar que algo del sentido originario de este verbo estä presente en el ser romänico, aunque en una lengua como el Catalan la forma SEDERE no haya tenido valor de suplencia del infinitivo de ser. Tanto esser como ser catalanes provienen, segun Coromines, de la forma comun ESSERE latina, mientras que SEDERE presenta la particular historia fonetica que lleva al actual seure. Existiria, en cualquier caso, entre los verbos de posicion STARE y SEDERE latinos una diferencia semäntica que corresponde en parte con la oposicion entre los verbos ser y estar romänicos en sus usos copulatives (y, per descontado, en sus usos predicatives). La diferencia semäntica mäs clara entre los dos verbos latinos aqui considerados tiene que ver con una distincion a la que nos hemos referido para otro tipo de estativo, tener. Nos hemos visto obligados a distinguir para este verbo entre los usos estativo-dinämicos y los usos estativos puros. La pareja de verbos STARE, SEDERE constituye una manifestacion del mismo tipo de oposicion semäntica. SEDERE se aproxima de forma natural por su significacion, 'estado de repose', a la categoria de lo estativo pure, mientras que STARE, 'estar de pie',
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presupone en mayor grado una actividad que permite mantener el estado y se aproxima, por ello, a la categoria de lo estativo-dinämico. Los predicados estativo-dinämicos requieren normalmente sujetos que tengan capacidad agentiva, aunque esta llegue a actualizarse en grado minimo no deje de ser una pura virtualidad. En cualquier caso, la esfera denotative del sujeto queda restringada en este caso a entidades animadas y generalmente humanas. Por el contrario, aunque SEDERE fuese un verbo que en un origen se predicaba preferentemente de seres humanos, puesto que su significacion es la de un estativo puro y carece, por este motivo, de la anterior restriccion clasemätica, pudo extender fäcilmente la esfera de sus aplicaciones predicativas a todo tipo de sujeto. Junto a esta diferencia en la forma de seleccionar el sujeto, habn'a entre SEDERE y STARE otra diferencia tambien notable que afecta directamente al entorno configuracion argumental en que estos verbos se insertan. En general, un estativo puro no requiere precisiones temporales en el mismo grado que un estativo dinämico. SEDERE, 'estar sentado', se piensa en todo caso por un periodo de tiempo mucho mas indefinido que STARE, 'estar de pie'. El factor de control presente en el Suj./TEMA animado o humano de STARE se expresaria potencialmente por medio de un tercer valor actancial que refiere al periodo de tiempo durante el cual el estado se mantiene, circunstancia temporal (TEMP). Se llega de esta forma a dos modelos generales de marco actancial estativo: I - TEMA LOG II- TEMA LOG TEMP Estos dos tipos de configuracion son los que a partir de los estudios de Vallcorba nos permiten explicar las diferencias entre ser y estar predicatives en Catalan: (11) Pere es a Barcelona Suj, C.R.
TEMA
LOG
(12) Pere va estar a Barcelona una semana
Suj. C.R. G.G. TEMA LOG TEMP Pero por esta via se explican - generalizando aqui el criterio de Falk - no solo los usos predicativos de estos dos verbos, sino tambien los copulativos. Existiria, en efecto, una conexion semäntico funcional entre los dos tipos de uso. Esto quiere decir que las diferencias entre ser y estar copulativos pod ran ser captadas a partir de las diferencias que se observan entre ser y estar predicativos.
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que terminos se expresa la conexion semäntico-funcional de la que hablamos?. Nos hemos referido ya al hecho de que el lexema verbal contiene implicitamente su Valencia. De hecho, existiria una clara relacion de dependencia entre la categoria del aspecto y la Valencia verbal. Buena parte de los valores aspectuales son anunciados por la pieza lexica verbal, pero acaban por completarse especificarse en el dominio de su Valencia.11 De aqui que esta ultima resulte ser una buena guia para la comprension de las distinciones aspectuales. En general, es posible decir tambien que existe una clara relacion de dependencia entre el caräcter semanticamente pleno de los usos predicatives y el hecho de presenter argumentos especificables, por una parte, y una relacion de dependencia entre la desemantizacion de la pieza lexica verbal que supone su uso copulativo y la implicitacion de argumentos (aquellos que no corresponden al sujeto, esto es, segundos argumentos 12 Pues bien, si resulta metodologicamente oportuno estudiar el aspecto desde la Valencia verbal, sucederä tambien que la consideracion del uso predicative de los verbos ser y estar (donde la Valencia es plena) sea oportuna para la comprension de su uso copulativo (donde la Valencia queda implicita). El ser predicativo Catalan de (11) es un estativo puro, el estar predicative de (12) es un estativo dinamico; como tales presentan respectivamente las configuraciones actanciales I y II ya referidas. ) : näo (e) possivel, e impossivel, Wotjak 1983, 34 ff.
duvidoso
238 Die symbolisierte Darstellung der Basispropositionen stellt eine relativ überschaubare Kurzfassung der semantischen Paraphrase eines Lexems dar, z.B.: pedir = GAUS (x (INCHOATIV (SAPERE (y (VELLE (x (GAUS (y (INCHOATIV (FACT(p)))))))))))= 'ein Individuum x verursacht, daß ein Individuum y zu wissen beginnt, daß ein Individuum x will, daß das Individuumy zu verursachen beginnt, daß der Sachverhalt p Wirklichkeit wird'. Bei der einzelsprachlichen Lexikalisierung der propositionalsemantischen Struktur erfolgt eine Bündelung der prädikativen Seme zu einem Bedeutungskomplex (Semem), dem ein verbales, adjektivisches oder substantivisches Formativ (z.B. duvidar, duvidoso, duvida) zugeordnet wird, und gleichzeitig eine Selektion der lexikalisierbaren Argumente. Dabei ergibt sich eine syntaktisch eingeebnete semantische Struktur, die wir mit einer Stelligkeitsformel (z.B. pedir (x, y, p)) erfassen. Auf einer zweiten Stufe der Beschreibung erfolgt die semantische Charakterisierung der Argumente. Die semantisch-funktlonale Charakteristik ordnet den Argumenten ihre semantische Funktion (Kasusrolle) zu. Die für die hier interessierenden Lexeme anzunehmenden Kasusrollen für Individuenbezeichnungen ('Agens', 'Adressat', 'Patiens', 'Quelle', 'Zustands-', 'Vorgangs-', 'Kenntnis-', 'Erkenntnis-', 'Glaubens-', 'Willens-' und 'Bewertungsträger') haben wir an anderer Stelle 2 zu skizzieren versucht. FUr Propositionen wäre an Kasusrollen wie 'Gegenstand des Agensinteresses' (atender a a/c.), 'Gegenstand der qualifizierenden Bewertung' (censurar a/c.), 'Kenntnisinhalt' (saber a/c,), 'Erkenntnisinhalt' (ocorrer a alg. a/c.), 'Glaubensinhalt' (acreditar a/c.), 'Mitteilungsinhalt' (dizer a/c.), 'Aufforderungsinhalt' (pedir a/c.), 'Frageinhalt' (perguntar a/c.), 'Willensinhalt 1 (querer a/c.) usw. zu denken. Die semantisch-denotative Charakteristik beginnt mit der Kennzeichnung eines oder mehrerer Argumente als Individuenbezeichnung (x, y) oder als Proposition (p, q) in der Basisproposition. Individuenbezeichnungen können durch semantische Selektionsmerkmale weiter spezifiziert werden. Bei den hier interessierenden Lexemen treten sie in der Regel als Personenbezeichnungen mit dem Merkmal /-»-HUMAN/ auf. Nur bei einigen Lexemen treten andere Merkmale auf, so z.B. bei 7er ein Informationsträger wie jornal mit den Merkmalen AMATERIELL, -BELEBT, .../ und bei narrar eine Informationsquelle wie lenda mit den Merkmalen /-MATERIELL, -»-ABSTRAKT, .../. Semantische Festlegungen des Valenzträgers fUr propositionale Argumente betreffen Selektionsbeschränkungen für das Verb, Festlegungen über das subjektfähige Argument, Festlegungen über den Geltungsgrad der abhängigen Proposition und die darauf basierende morphologische Form des Verbs in der Ausdrucksstruktur sowie Festlegungen über die temporalen Beziehungen zwischen einbettender und eingebetteter Proposition. 2
Vgl. Gärtner 1988, 11-13.
239
1.1. Zu Selektionsbeschränkungen für das Verb Selektionsbeschränkungen für die Wahl des Verbs der abhängigen Proposition liegen z.B. bei Verben des Veranlassene vor, die nur (an die Intention eines Agens gebundene) Handlungen, nicht aber Vorgänge oder Zustände zulassen: (1) EU convenci-o a acompanhai—me. (2) *Eu convenci-o a adoecer. (3) *Eu convencl-o a estar doente
1.2. Festlegungen Über das subjektfähige Argument Festlegungen Über das subjektfähige Argument betreffen die semantisch determinierte Referenzidentität des subjektfähigen Arguments der abhängigen Proposition - mit dem Agens/Subjekt des Valenzträgers bei Lexemen der subjektiven Modalität: (4) Antonio Alves Neto se decide a falar.
(Amado)
- mit dem Patiens/direkten Objekt des Valenzträgers bei Lexemen des Veranlassene: (5) O chofer concitava os soldados a que näo atirassem.
(Amado)
(6) Antonio Borges da Fonseca ... concita o povo a marcher contra a monarquia. (Amado)
- mit dem Adressaten/indirekten Objekt des Valenzträgers bei Lexemen der Aufforderung: (7) Afonso pedlu-lhes que ficassem. (8) Mundlnho ... pediu-lhes mesmo guardar s eg redo.
(Tiago) (Amado)
- mit dem Adressaten/präpositionalen Objekt des Valenzträgers bei Lexemen des Forderns: (9) Mas nunca obteve de Sebastiäo que fosse a sua casa corn uma inteira intimidade. (Eca de Queiros)
Festlegungen Über das subjektfähige Argument betreffen aber auch die Möglichkeit der kommunikativ-pragmatisch bedingten Nichtspezifizierung des subjektfähigen Arguments, die zu unpersönlichen Infinitivkonstruktionen führt, deren Auftreten lexemklassenspezifischen Beschränkungen unterliegt. Nach unseren Ermittlungen ist es möglich bei - einstelligen bewertenden Lexemen: (10) Näo e diffcil ... apanhar laranjas dos galhos. (11)
t necessario pensar em duas coisas.
(Verlssimo) (Amado)
240
- perzeptiven Verben: (12) O nosso povo deixou de ouvir falsear a. sua histöria.
(Avante)
- kausativen Verben: (13) Vou rnandar preparar um quarto.
(Amado)
(14) Isso obriga a determiner os pontos 5, 1O, IS etc.
(Freltas)
1.3. Festlegungen Über den Geltungsgrad der Proposition Valenzabhängige Propositionen können unterschiedliche Grade von Tatsachengeltung haben, die mit der Bedeutung des Valenzträgers direkt verbunden sein oder in einer bestimmten Kommunikationssituation vom Produzenten der Äußerung zusätzlich eingebracht werden können. Der Geltungsgrad kann explizit oder implizit in der Äußerung enthalten sein. Explizite Bezeichnung des Geltungsgrades ist der Modus des finiten Verbs im Konjunktionalsatz. Er ermöglicht nicht nur die mit der Bedeutung des Valenzträgers verbundene Geltungsbewertung, sondern auch die explizite Stellungnahme des Produzenten der Äußerung bei bestimmten Lexemklassen. Implizit ist die Geltungsbewertung auch in Infinitivkonstruktionen, Satzreduktionen und Nominalisierungen enthalten. 1.3.1. Modusfestlegungen fUr Konjunktionalsätze Der Modus im valenzabhängigen Satz ist im Portugiesischen vorwiegend Ausdruck der Geltungsbewertung; er kann jedoch auch Ausdruck der Perspektivierung der Äußerung sein3. Die Geltungsbewertung kann aus drei Quellen resultieren: 1. aus dem Behauptungsteil der Lexembedeutung;
2. aus der lexikalischen Präsupposition der Lexembedeutung; 3. aus kommunikativ-pragmatischen Präsuppositionen. zu 1.: Der Behauptungsteil der Lexembedeutung realisiert die intensionale Bedeutung des Lexems4. Bei Prädikatslexemen der expliziten Geltungsbewertung wie ( ) verdade, achar usw. ist das Sem FACT im Behauptungsteil enthalten und löst den Indikativ im Konjunktionalsatz aus: (15) £ verdade que todos os homens sao iguals. (16) EU acho que nao vale a pena.
3
Vgl. dazu Gärtner 1988, 46-51.
*Vgl. Conrad 198S, 42.
(Pepetela) (Guarnieri)
241
Die Negation von FACT im Behauptungsteil in nao e verdade bzw. in e mentira, negar usw. affiziert die Geltungsbewertung der abhängigen Proposition und fLihrt zum Konjunktiv im Konjunktionalsatz: (17) Nao e verdade que tivesse surgldo nenhurn conflito.
(Sodre)
(18) ... era mentira que tivesse sido de todo liqUldado.
(Amado)
(19) Claudionar apenas negou que devesse.
(Amado)
Ebenfalls aus dem intensionalen Bedeutungsgehalt kann der alternative Modusgebrauch nach Ausdrucken des Glaubens erklärt werden, wenn fUr die entsprechenden Lexeme zwei Sememe angenommen werden: (1) ein Semem des starken Glaubens mit der Archisemformel (CREDERE (x (FACT (p)))), das den Indikativ auslöst: (20) O Homem primitive acreditava que no Mar habitavam monströs terrl veis. (Alvaro Belo Marques)
und (2) ein Semem des schwachen Glaubens (CREDERE (x (POSSIBILE (FACT (p))»), das den Konjunktiv auslöst: (21) ... acredlto que essa tend&ncia seja positive.
(Sarney)
Zu 2.: Die lexikalische Präsupposition ist an die elementaren semantischen Bestandteile einer Lexembedeutung gebunden (Conrad 1985, 186). Nach der lexikalischen Presupposition werden faktive und nichtfaktive Lexeme unterschieden. Faktlve Lexeme (wie z.B. esquecer) setzen die Tatsachengeltung voraus und bewirken den Indikativ: (22)
Esquecera-se que a Bahia ... tinha homens geniais.
(Amado)
Nichtfaktive Lexeme (wie z.B. desejar und alle volitiven oder fazer (com) und alle kausativen) setzen die Nichtgeltung der Proposition voraus und bewirken den Konjunktiv: (23)
Desejo que ela seja feliz.
(Amado)
(24)
Sua maneira de ser ... fazia corn que os operarios logo confiassem nele. (Amado)
Im Unterschied zu den Lexemen der expliziten Geltungsbewertung wird die präsupponierte Tatsachengeltung von der Negation des Lexems nicht affiziert; der Modus bleibt unverändert: (25) ... nao se esquecia que o jornallsta fora o unico a ajuda-lo quando ele saira da cadeia. (Amado) (26)
Amaro tambem nao desejava que o rapaz caisse em miseria. ( : de Queirös)
(27)
Aquelas carfcias nao fizeram com que o coronel a julgasse uma prostituta. (Amado)
Zu 3.: Kommunikativ-pragmatische Präsuppositionen sind Ausdruck der Geltungsbewertung der abhängigen Proposition durch den Produzenten der Äu-
242
ßerung. So kann nach bejahten Lexemen der kognitiven und kommunikativen Tätigkeit, die präsuppositionslos den Indikativ bewirken, (28)
Pensaräo que A desculpa.
(Pepetela)
(29)
E e falso pretender que o favorecimento das classes minorltarias, contra as classes major!tarias ... e que benefico aos fins do Movimento Naclonalista. (Faco)
der Konjunktiv die Bewertung der Proposition als Nicht-Tatsache durch den Produzenten der Äußerung explizit zum Ausdruck bringen: (30) Estä ensopado d'agua e no entanto esta fellz. No cais, a estas horas, pensarao que esteja morto, que seu corpo viaje com lemanja. (Amado) (31)
Serla estulto pretender que, a esse respeito, os Estados Linidos, a Grä-Bretanha ... estivessem errados e somento o Brasil, inexoravel— mente, estivesse certo. (Faco)
Auch nach bejahten Ausdrucken des Glaubens/Denkens in der Vergangenheit bezeichnet der Indikativ den Glaubens- bzw. Denkinhalt kommentar-, d.h. präsuppositionslos: (32)
Entäo, tiozinho, entäo? JA pensava que näo vlnhas.
(Tiago),
während der Konjunktiv signalisiert, daß der Produzent der Äußerung den früheren Denk- und Glaubensinhalt flir falsch hält: (33)
Velo mals tarde do que o costume e eu ate pensei que näo vlesse. (Sttau Montelro)
Bei negierten Prädikaten der kognitiven Tätigkeit ist der Konjunktiv Ausdruck der Nichtkenntnis des entsprechenden Sachverhalts durch den im Subjekt bezeichneten Kenntnisträger: (34)
Mas com mulher casada (Nacib) näo sabia que ele (=Tonico) se metesse. (Amado)
Die Äußerung enthält keine kommunikativ-pragmatische Presupposition, während der Indikativ die Bewertung der Proposition als Tatsache durch den Sprecher explizit zum Ausdruck bringt: (35)
Paulo ... näo sabia que aquele sotao triste näo tinha janelas para a rua. (Amado)
Bei Äußerungen, in denen der Produzent der Äußerung mit dem Träger der entsprechenden Kenntnis, Erkenntnis usw. identisch ist und in denen das Prädikat im Präsens steht, ist keine von der Behauptung oder von der lexikalischen Präsupposition abweichende kommunikativ-pragmatische Präsupposition möglich, so daß negierte Prädikate der kognitiven Tätigkeit nur den Konjunktiv auslösen: (36)
Näo sabemos que exlsta vestiglo dessa sintaxe na linguagem do Brasil. (Joaqulm Ribeiro)
243 1.3.2. Präsuppositionaler Gehalt von Äußerungen ohne finites Verb Die Frage nach dem präsuppositionalen Gehalt von Ausdrucksmitteln, die keine morphologische Kennzeichnung der Geltungsbewertung erlauben, ist bisher kaum gestellt worden. Sie muß aber gestellt werden, wenn in onomasiologischer Sicht einer bestimmten Basisproposition (mit den entsprechenden Präsuppositionen) die ihr entsprechenden Ausdrucksstrukturen zugeordnet werden sollen. Ohne dieser Frage hier im einzelnen nachgehen zu können, soll kurz darauf verwiesen werden, daß beispielsweise nach negierten Verben des Glaubens, die bei nichtperformativem Gebrauch je nach Präsupposition den Konjunktiv oder den Indikativ erlauben, 5 der Infinitiv offenbar beide Lesarten zuläßt: (37)
... jamais acreditariam clever Cecilia (=que Cecilia de via) sua nomeacäo a uma n eg ra cozinheira ... (Amado)
(38) Jamais dona Flor acreditou nao terem elas escutado (=que elas nao tivessem escutado) a converse do Cigano. (Amado)
während bei Hebung des subjektfähigen Arguments und Reduktion der Proposition auf eine Adjektivgruppe offenbar nur die dem konjunktivischen Konjunktionalsatz entsprechende Lesart möglich ist: (39)
Nao crfi (que seja) chegada a hora.
(Amado)
Bei Nominalisierungen scheint die Geltungsbewertung immer der in der Lexembedeutung angelegten lexikalischen Presupposition zu entsprechen: (40) Näo atendemos a influ§ncia da pressäo (= a que a pressäo Influi). (Freitas) (41)
... uma reaccäo muito violenta que leva ä formacäo de (=a que se forme) hidroxido de calcio. (Freitas)
1.4. Tempusrestriktionen Auf vom Valenzträger ausgehende Restriktionen fllr die temporalen Beziehungen zwischen Valenzträger und eingebetteter Proposition hat erstmalig Meireles hingewiesen.6 Von besonderer Relevanz, weil im Unterschied zum Deutschen fllr die weitere Ausgestaltung der Äußerung wichtig, scheint uns die bei volitiven und kausativen Lexemen mit der Präsupposition NEC (FACT (p)) und den Semen ... INCHOATIV (FACT ...) verbundene Nachzeitigkeit der abhängigen Proposition, da diese ihrerseits in Relativ- und bestimmten Adverbialsätzen den Konjunktiv Futur auslöst: (42) S 6
Quero que ... decldas com o melhor te parecer e convier.
Vgl. Raposo 1975, 1OS.
Vgl. Meireles 1972, 87 ff.; dazu auch Gärtner 1988, 29-31.
(Amado)
244
Demgegenüber erlauben Lexeme des Hof fens (und FUrchtens), die ebenfalls eine volitive Komponente enthalten, alle temporalen Relationen: (43)
Espero que tenhas entendido.
(44)
Esperamos que ... tenha razäo.
(45)
O mundo espera que o problema flque claro.
(46)
Espero que agora ... a coisa va mudar.
(Pepetela) (Novos Rurnos) (Amado)
2. Beschreibung der Ausdrucksstrukturen Der Beschreibung der propositionalsemantischen Inhaltsstrukturen ist die Beschreibung der formalgrammatischen Ausdrucksstrukturen gegenüberzustellen, die für die jeweilige Inhaltsstruktur von der syntaktischen Valenz des Lexems festgelegt werden. Dabei zeigt sich, daß sich die Beziehungen zwischen beiden Ebenen bei Äußerungen mit propositionalen Argumenten komplizierter gestalten als bei Äußerungen, die nur individuenbezeichnende Argumente enthalten. Nach B. und G. Wotjak wird bei einfachen Äußerungen jedem lexikalisierbaren Argument aus der Basisproposition ein Aktant zugeordnet. Die Zuordnung ist also eindeutig. Diese Möglichkeit besteht bei komplexen Äußerungen zwar auch, wenn die abhängige Proposition durch Konjunktionalsätze, Infinitivkonstruktionen und Nominalisierungen bzw. Pronominalisierungen bezeichnet wird, wobei jedem Argument der abhängigen Proposition jeweils ein Satzglied der entsprechenden syntaktischen Konstruktion bzw. ein Pronomen der gesamten Proposition entspricht, doch bieten die syntaktischen Valenzfestlegungen vieler Lexeme außerdem die Möglichkeit, daß Argumente der abhängigen Proposition als Satzglieder des libergeordneten Satzes realisiert werden. In diesem Fall sprechen wir von Argumentenhebung. Argumentenhebung ist nach unserem Verständnis also eine spezifische Prozedur bei der Syntaktifizierung von Inhaltsstrukturen. Sie ist die wichtigste Ursache für die Asymmetrie komplexer Inhalts- und Ausdrucksstrukturen.
2.1. Ausdrucksstrukturen ohne Argumentenhebung Bei Ausdrucksstrukturen ohne Argumentenhebung kann die abhängige Proposition durch satzartige Konstruktionen (Konjunktionalsätze, Infinitivkonstruktionen), durch Nominalisierungen oder durch Pronomen (isto, o que usw.) bezeichnet werden. Die jeweilige syntaktische Konstruktion kann als Subjekt (a), Subjektsprädikativ (b), direktes (c) bzw. präpositionales (d) Objekt oder als Adverbialbestimmung (e) fungieren.
245
2.1.1. Satzartige Konstruktionen Satzartige Konstruktionen haben als Kern ein Verb. Die Argumente der valenzabhängigen Proposition treten syntaktisch als Subjekt, Objekt oder Adverbialbestimmung auf; Eigenschaften der Verbalhandlung werden durch Adverbien bezeichnet. Satzartige Konstruktionen sind: 2.1.1.1. Konjunktionalsätze (47)
(a)
verdade que oa amlgoa partlram. (Subjekt)
(b) A verdade e que o» amlgoa partlram. (Subjektsprädikativ) (c) A Maria sabe que oa amlgoa partlram. (direktes Objekt) (d) A Maria esqueceu-se de que oa amlgoa partlram. (präposltlonales Objekt) (e)
A trlsteza da Maria resulta de que oa amlgoa partlram. (Adverbialbestimmung)
Da wir die unterschiedlichen Syntaktifizierungsmöglichkeiten einer Inhaltsstruktur direkt auf diese beziehen, betrachten wir Subjekt- und Prädikativsätze als unterschiedlich perspektivierte Ausdrucksstrukturen einer Inhaltsstruktur. Der adverbiale Charakter des Konjunktionalsatzes in (47) (e) ergibt sich aus der Substituierbarkeit durch Adverbien, die bei (47) (d) ausgeschlossen ist: (48)
Dal resulta a sua tristeza.
In Konjunktionalsätzen bestehen die erwähnten Referenz-, Tempus- und Modusfestlegungen, die bei den einzelnen Lexemen auszuweisen sind. 2.1.1.2. Infinitivkonstruktionen (49)
(a) t verdade terem oa amlgoa partldo. (b) A verdade e terem oa amlgoa partldo. (c) A Maria sabe terem oa amlgoa partldo. (d) A Maria esqueceu-se de oa amlgoa terem partldo. (e)
A tristeza da Maria resulta de oa amigoa terem partldo.
Neben den erwähnten Beschränkungen für das Auftreten von unpersönlichen Infinitivkonstruktionen bestehen an den Valenzträger gebundene Beschränkungen flir die Lexikalisierung und die Stellung des Infinitivsubjekts, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. 7 2.1.1.3. Attributive Konjunktionalsätze zu o facto (50) (a) £ lamentävel o facto de que oa amlgoa tenham partldo/partlram. (b) O motive da tristeza da Maria partldo/partlram. 7
facto de que oa amlgoa tenham
Vgl. Mateus et al. 1983, 4O6-437; Raposo 197S, 265 ff.
246 (c) A Maria lamenta
facto de que oa amlgos tenham partldo/partl-
(d) A Maria esqueceu-se do facto de que os amlgos partlram.
(e) A trister a da Maria resulta do facto de que os amlgos partlram. Diese Ausdrucksstruktur ist nur bei Lexemen mit faktiver Präsupposition möglich. Nach bewertenden Lexemen können Indikativ oder Konjunktiv, nach nichtbewertenden nur Indikativ stehen. Der eigentliche syntaktische Valenzpartner des Prädikats ist o facto. 2.1.1.4. Attributive Infinitivkonstruktionen zu o facto (51) (a)
lamentävel o facto de o· amlgos terem partldo.
(b) O motivo da tristeza da Maria e o facto de os amlgos terem partldo. (c) A Maria lamenta o facto de os amlgos terem partldo. (d) A Maria esqueceu-se do facto de os amlgos terem partldo. (e) A tristeza da Maria resulta do facto de os amlgos terem partldo.
Attributive Infinitivkonstruktionen treten nach den gleichen Lexemen auf wie attributive Konjunktionalsätze. 2.1.1.5. Substantivierte Infinitivkonstruktionen Die Substantivierung von Infinitivkonstruktionen, die nach faktiven, aber auch nach nichtfaktiven (z.B. concordar, recusar-se) Lexemen auftritt, erfolgt durch den bestimmten Artikel o bzw. durch das Demonstrativum este. Die interne Struktur entspricht der von persönlichen Infinitivkonstruktionen: o ele desaparecer subitamente. Substantivierte Infinitivkonstruktionen treten in allen syntaktischen Funktionen auf: (52) (a) 6 surpreendente o ele ter ganho o festival.
(Mateus et al.)
(b)
Mas o verdadeiro poder e ... este sentarmo-nos no centre do mundo e pedirmos sol e sabermos que alguem nos trara sol. (Josue da Silva)
(c)
Com que dl reit o me recusa o flcar eu conslgo?
(d)
Todos concordamos com o ele presldlr essa sessao. (Malaca Castelelro)
(e)
Näo sei que misterio ... esta no falarmos da nossa mae faleclda. (Camilo)
(Cortez)
In präverbaler Position darf das Subjekt der substantivierten Infinitivkonstruktionen nur als Subjektpronomen auftreten. Als Präpositionalobjekt (52) (d) und als Adverbialbestimmung (52) (e) ist die Konstruktion in der Gegenwartssprache selten.
247 2.1.2. Nominalisierungen Nominalisierungen haben als Kern einen substantivierten Infinitiv (o desaparecer) oder ein deverbatives (o desaparecimento) bzw. deadjektivisches (a possibilidade) Substantiv. Die Argumente der valenzabhängigen Proposition treten syntaktisch als präpositionale (bzw. possessive) Attribute auf; die Eigenschaften der Verbalhandlung werden durch Adjektive bezeichnet: o subito desaparecer dos amigos/o seit subito desaparecer, o subito desaparecimento dos amigos/o seu subito desaparecimento. Äußerungen, die Nominalisierungen enthalten, sind trotz ihrer komplexen semantischen Struktur syntaktisch einfache Sätze. 2.1.2.1. Substantivierter Infinitiv (53) (a) 6 quase inconcebivel o reunlr de tanta beleza ... (b) O motlvo da tristeza da Maria e
(Amado)
partlr Ineaperado dos amlgo·.
(c) A mllltfincia do eacrltor ... implica o ana.llear da· queatoee por melo de argumento· teörlco· ... (F. Luso Soares) (d) Absorto na sua luta intima, nem dera pelo fugir do tempo. (Josut da Silva) (e)
... com o quelmar de proceseo· monetruoso· ... näo resolvia o problema. (Amado)
2.1.2.2. Deverbative Substantive (54) (a) A partlda do· amigos e lamentavel. (b) O motivo da tristeza da Maria e a partlda do· axnlgo·. (c) A Maria lamenta a partlda do· amlgo·. (d) A Maria esqueceu-se da partlda do· amlgo·. (e) A tristeza da Maria resulta da partlda do· amlgo·.
Auf Probleme der internen Strukturierung von nominalisierten Propositionen kann hier nicht eingegangen werden. 2.1.3. Pronomlnallslerung Die einbettende und die eingebettete Proposition können auch als zwei formal unabhängige Sätze, die durch quasi-koordinative Verknüpfung verbunden sind, formuliert werden, wobei die abhängige Proposition in der Übergeordneten durch pronominale Formen vertreten wird. Anaphorlsch treten isto, o que und facto (esse) que auf: (55) (a) Os amigos partiram. Isto e muito lamentavel. Os amigos partiram, o que e multo lamentavel. Os amigos partiram, facto (esse) que e muito lamentavel. (b) Os amigos partiram. Isto e a verdade. (c) Os amigos partiram. Isto a Maria lamenta muito. Os amigos partiram, o que a Maria lamenta muito. Os amigos partiram, facto que a Maria lamenta muito.
248 (d) Os amigos partiram. Disto a Maria se esqueceu. Os amigos partiram, do que a Maria nunca se esqueceu. Os amigos partiram, facto de que a Maria näo se esqueceu. (e) Os amigos partiram. Disto resultou a tristeza da Maria. Os amigos partiram. Dal resultou a tristeza da Maria. Os amigos partiram, do que (=donde) resultou a tristeza da Maria. Os amigos partiram, facto de que resultou a tristeza da Maria.
Kataphorisch tritt neben isto auch o seguinte auf: (56) (a) O que e lamentavel e lsto/
seguinte: Os amigos partiram.
(b) A verdade e isto/o seguinte: Os amigos partiram. (c) A Maria lamenta isto/o seguinte: Os amigos partiram. (d) A Maria se esqueceu di s to/do seguinte: Os amigos partiram. (e) A tristeza da Maria resultou disto/do seguinte: Os amigos partiram.
2.2. Ausdrucksstrukturen mit Argumentenhebung Es sind Ausdrucksstrukturen mit der Hebung nur des subjektfähigen Arguments und Ausdrucksstrukturen mit der Hebung mehrerer Argumente zu unterscheiden. 2.2.1. Hebung des subjektfähigen Arguments Im Portugiesischen schließt die Hebung des subjektfähigen Arguments in den übergeordneten Satz im Gegensatz zum Spanischen8 die Syntaktifizierung des "Restes" des propositionalen Arguments (Verb + Verbergänzungen) als Konjunktionalsatz aus. Zur Verfügung stehen Infinitiv- und Gerundialkonstruktionen flir verbale Prädikate und prädikative Adjektiv-, Substantiv- oder Präpositionalgruppen fUr nominale Prädikate. Das subjektfähige Argument der abhängigen Proposition kann zum Subjekt oder zum Objekt des Übergeordneten Satzes werden. 2.2.1.1. Infinitivkonstruktionen Hebung zum Subjekt mit Infinitivkonstruktion tritt auf bei dem Verb parecer: (57) As coisas parecem marcher para uma solucäO. (58)
(Amado)
... alguns Indlviduos que parecem nunca terem minimamente reflectldo ... (E. Prado Coelho)
Bei Kontaktstellung bleibt der Infinitiv unflektiert; bei Trennung von parecer kann er flektiert werden. 8
Vgl. Demonte 1977, 135/6, 147.
249
Hebung zum Objekt mit Infinitivkonstruktion tritt in der fixierten Norm Portugals bei ouvir, ver, sentir, deixar, fazer und mandar auf. 9 Im außereuropäischen Portugiesisch erlauben sie auch escutar, espiar, observer, olhar, presenciar, esperar u.a.: (59)
Ele deixou o· amlgoa levar alguns discos.
(Raposo)
(60) EU vi aa raparlgaa beijar aquela criantpa.
(Raposo)
(61)
Antonio ainda o espiou partlr.
(Amado)
(62)
Mas observe! nela a desllusao cavar-ae ...
(Pepetela)
(63)
O negro Doroteu a olhava fazer.
(Amado)
(64)
Na porta da Tenda ele a esperou chegar.
(Amado)
Bei Hebung des subjektfähigen Arguments zum direkten Objekt wird der Infinitiv in der hochsprachlichen Norm nicht flektiert. Es treten jedoch Normverstöße auf. Im Unterschied zur 'uniao de oracöes' (vgl. 2.2.2.) können zwei direkte Objekte auftreten, da sie zu unterschiedlichen Valenzbereichen gehören (59), (60). 2.2.1.2. Gerundialkonstruktionen und gerundiale Infinitivkonstruktionen Eine Reihe von Verben erlaubt die Syntaktifizierung der "Rest"-Proposition als Gerundialkonstruktion: (65) Surpreendl o Jose Matlae atlrando para o terra
(5)
Lucb
(6)
falt(FV)
tres
{attentlon(N)+ peur(N)>
aux
enfants c
+
Lucb ••t(FV) tres en {forme(N) reterd(N)* colere(N))
Dabei benennen die mit N oder ADJ markierten prädikativen Konstituenten nicht mehr "Gegenstände", denen durch eine Prädikation Relationen oder EiDiese Sichtwelse unterscheidet sich nicht grundlegend von der Tesniereschen Translationstheorie. Wenn wir deren Begrifflichkeit vermeiden, dann deshalb, weil sie u.E. terminologisch nicht scharf genug zwischen lexikalischer Kategorie (im Sinne von morphologisch definierter Formenklasse) und propositionaler Funktion unterscheidet (vgl. dazu auch Lambertz ( in diesem Band». Zwar sehen auch wir die oben skizzierten propositionalen Funktionen als archetypische Leistungen bestimmter Wortklassen an, doch Impliziert in unserer Sicht der Wechsel aus einer Funktion in eine andere durchaus keinen Wechsel der lexikalischen Kategorie. Ein N wird m. a. W. dadurch, daß es prädikativ verwendet wird, nicht zum V oder ADJ, sondern bleibt ein N. Im weiteren Verlauf unserer Argumentation wird zu zeigen sein, daß sich Btre PrSp W(FVG) aufgrund bestimmter Möglichkeiten, Über die N als lexikalische Kategorie verfügen, von prädikativen V oder ADJ durch die ganz spezifische Art und Weise unterscheiden, in der sie Prädikation leisten.
256
genschaften zugeschrieben werden, sondern sie geben vielmehr einen Teil der Relationen oder Eigenschaften an, die in (3) - (6) den durch b oder c markierten Argumenten zugeschrieben werden. Die Fähigkeit von FV, aus N Prädikate zu machen, unterscheidet sie fundamental von V, die N als Argumente zu sich nehmen. Bevor wir zu der Frage zurückkehren, wie sich dieser Unterschied präziser beschreiben läßt, sollen zunächst einige theoretische Prämissen zur Syntax und Semantik von V dargelegt werden.
2. Theoretische Grundlage meiner Untersuchung ist das von Koch (1981) zur Beschreibung der semantisch-sachverhaltsdarstellenden Struktur und Valenz einfacher V vorgeschlagene Modell, das ich im folgenden lediglich in seinen Grundzügen skizzieren will (s.u. Fig.l). Koch analysiert V im Rahmen von zwei semantischen Dimensionen, die in ihren Bedeutungen obligatorisch koinzidieren. Die eine dieser beiden Dimensionen, die Dimension der konstitutiven Sachverhaltsbedingungen (KSB) beschreibt, was fUr ein Sachverhalt durch ein bestimmtes V dargestellt wird. Das zentrale Kriterium zur Klassifikation von V innerhalb dieser Dimension ist ihre Beziehung zu sogenannten 'verbes de reference', die auf sehr allgemeine Art und Weise fundamentale Sachverhalte darstellen, welche bei der Verwendung semantisch "spezifischerer" V systematisch mitverstanden werden. So spielt etwa der durch avoirw) dargestellte Sachverhalt als mitbehauptete KSB bei einer ganzen Klasse von V wie z.B. perdre, vendre, preter, die sämtlich durch avoir in der Bedeutung 'Über etwas verfügen* thematisiert werden können, eine grundlegende Rolle. (Die KSB dieser Klasse bezeichnet Koch entsprechend als VERFÜGUNG.) Analog dazu können V mit der KSB WISSEN, z.B. apprendre, oublier, communiquer auf savoir als 'verbe de reference' bezogen werden, während für die Klasse des ÖRTLICHEN BEFINDENS (etwa aller, envoyer, monier, rester usw.) die Beziehung zu £trea tlent Lucb en colere(FVG) contre Marlec.
durch a bewirkte HANDLUNG/ZUSTANDSÄNDERUNG (+e-tre)(-e-tre)
Der semantische Unterschied zwischen den FVG in (11) - (15), der sich allein als Unterschied der jeweiligen ASD-Kategorisierbarkeit beschreiben läßt, beruht ausschließlich auf den Bedeutungsoppositionen zwischen den Elementen des FV-Paradigmas. Eine zentrale Rolle spielt in diesem Paradigma das FV Qtre, das als Träger der Kategorie ZUSTAND/NUR-SACHVERHALTSDARSTELLUNG das seman tisch am meisten abstrakte FV des Paradigmas darstellt, und gegenüber den anderen FV die Rolle einer 'forme de rtference' spielt.11 Die semantische Struktur von FV läßt sich ausschließlich in den Kategorien der ASD beschreiben. Kategorien wie ZUSTAND, VORGANG, ZUSTANDS-ÄNDERUNG usw., die lediglich eine Dimension der zweidimensionalen Bedeutungsstruktur von V ausmachen, sind die Bedeutung von FV. FV sind nicht "bedeutungsleer", sondern haben eine, verglichen mit V, insofern unvollständige Bedeutung, als sie auf ein nominales Element N(FVG) angewiesen sind, welches die der verbalen Konstituente fehlende Dimension der KSB in das komplexe Prädikat einbringt. Aufgrund ihrer defizitären semantisch-sachverhaltsdarstellenden Struktur weisen FV wie etrewv) den N bzw. Präp N, mit denen sie zu komplexen Prädikaten kombiniert werden, keine semantischen Aktantenrollen zu (wie dies semantisch vollständige V fllr ihre Argumente tun wllrden), sondern sie markieren ihre prädikative Funktion. Vollständige, d.h. in den Dimensionen der ASD und der KSB spezifizierte semantische Valenz haben 1O
Als ZUSTANDS-ÄNDERUNGs-Funktionsverben unterscheiden sich rester(FV) und te/i/r(FV) auf charakteristische Art und Weise von entrer(p\)/ae mettre(FV) und mettre(FV)· I" Sätzen wie (13) und ( 1 4 ) , in denen der jeweils mit b indizierte Aktant durch Qu'est-ce qui se passe avec b? erfragt werden kann, werden VORGÄNGE, für die ein zeitlicher Verlauf unmittelbar relevant ist, als "Nicht-Veränderungen" dargestellt. Die durch rester(FV) und ten;r(FV) dargestellten Sachverhalte sind ZUSTANDS-ÄNDERUNGEN. die auf zwei identische, sie begründende ZUSTANDs-Sachverhalte (* etre tjuelque part), (* etre quelque part) bezogen sind (vgl. die entsprechende Analyse der intransformativen VERFUGUNGs-Verben rester, garder und lalsser bei Koch (1981, 3O7)).
Entsprechend spielen Ötre-FVG gegenüber Konstruktionen mit anderen FV des Paradigmas - z.B. e"tre e/i vente gegenüber mettre e/i vente - die Rolle einer sekundären, "unechten" 'forme de reference'. Eine bloß sekundäre 'forme de reference' ist z.B. e"tre en vente gegenüber mettre en vente deshalb, weil ja das eigentliche 'verbe de reference' fUr die im N(FVG) vente gebundene KSB VERFUGUNG das Verb avoir ist.
261
sie nur zusammen mit Präp N. In (7) - (11) prädiziert £trc(FV) für den b-Aktanten der jeweiligen prädikativen Konstruktion einen ZUSTAND; Präp N(FVG) prädiziert, in was fllr einem ZUSTAND sich b befindet. Ein expliziter Unterschied zwischen dem semantisch eindimensionalen g£re e*t(FV) depuis deux mois.
Anders ausgedruckt: Stre als V drUckt ein DORT-sein aus, &tre als FV, durch das Präp N in die prädikative Funktion transferiert wird, dagegen ein ES-sein. Diese Eigenschaft teilt es mit kopulativem Btre. (18)
Luc e«t(FV/KOP) {mal«d*(ADJ)/veccln*(partII) Ingenieur (N ) / · colere(FVG) contre Max} et il longtemps.
contre l'hepatite/ l'est depuis assez
Die Tatsache, daß sowohl £tre(KOP) (ADJ + Partll12* N} als auch Stre Präp M FVG) durch dieselbe Pro-Form anaphorisiert werden können, stellt einen formalen Hinweis darauf dar, daß sie eine identische semantische Struktur haben.13 Demnach lautet unsere zentrale Hypothese: Ftre(FV) und ^tre(KOP) sind eindimensionale, nur in der Dimension der ASD beschreibbare Verben, die flir lexikalische Elemente, welche nicht der Kategorie V angehören, einen Funktionswechsel aus ihren jeweiligen, Im folgenden repräsentiert fitre Part// ausschließlich die morphosyntaktische Realisierung des ZUSTANDs-Passivs, nicht des VORGANGS-Passivs. Damit klammern wir eine Sonderproblematik des Französischen aus, die darin besteht, daß sich auch das VORGANGs-Passiv per l'Btre anaphorisieren läßt: "Si la majorite eat battue, eile le «era par elle-meme" a declare M.Charles Millon lors d'une interview a l'Express. (LM, 2O.6.1987, 6) Die Annahme einer identischen, semantisch eindimensionalen (d.h. "K.SBlosen") Struktur fUr etre(FV) und kopulatives Ötre steht im ^Widerspruch zur Annahme einer KSB BEFINDEN, wie sie von Koch (1981, 264, 275) fUr kopulatives e"tre formuliert wird. FVG, in denen die Konstituente N(FVG) auf sehr eindeutige Art und Weise fUr die Gesamtkonstruktion eine andere KSB als BEFINDEN festlegt (etwa VERFUGUNG fUr 6tre en ventc, ÖRTLICHES BEFINDEN fUr ötre en displacement, WISSEN fUr Gtre dans j'lgnorance de qch.) legen es nahe, BEFINDEN als KSB zu definieren, die fUr andere KSB offen ist (was unbefriedigend ist, weil sich BEFINDEN darin grundsätzlich von den KSB anderer Verben unterscheiden wUrde) oder die fraglichen FVG einer anderen KSB als BEFINDEN zuzuordnen (was ebenfalls unbefriedigend ist, da sie ja ganz offensichtlich die Syntax und Semantik von £tre Pra'd haben, durch die Koch die KSB BEFINDEN definiert).
262
an ihre kategoriale Klassenzugehörigkeit gebundenen propositionalen Funktionen (der der Beschreibung von ADJ, der der Benennung von N) in die Funktion der Prädikation markieren. Dabei sind £tre(pv) und £tre*vell(FVG>>·
(39.3) (Luc + cette affaire) tient Marie bloße SACHVERHALTSDARSTELLUNG.
294
(und damit auch als VORGANG36) kategorisiertes Verb metonymisch in die Katgeorie SACHVERHALTSDARSTELLUNG verschoben wird, um nur noch den betreffenden Endzustand auszudrucken. Besonders häufig scheint dies bei den Verben für 'haben zu sein37. So hat bei fr. gagner 'verdienen, gewinnen' der E 2 -Aktant die Rolle 'Zustandsänderungs-Träger' inne, während er bei dem daraus entstandenen hal't.kreol. gen 'haben* nur mehr die Rolle 'Sachverhaltsdarstellungs-Träger' einnimmt. In der KSB-Dimension ändert sich dagegen nichts: es spielt sich alles innerhalb der Kategorie VERFÜGUNG ab. 3.S.5.2. Zweitens gehören in diesen Kontext bestimmte Kausative 38 . Lat. DESCENDERE 'herabsteigen' ist mindestens als VORGANG kategorisierbar (und eventuell noch spezifischer, was aber hier nicht relevant ist). Das gleiche gilt zunächst einmal flir fr. descendre und it. scendere. Nun besteht zwischen einem Vorgang und der (kausativen) Handlung, die diesen Vorgang verursacht, eine Kontiguitätsbeziehung (Ursache-Wirkung, Teil-Ganzes o.a.). Über diese Kontiguitätsbrücke wird es möglich, daß man das Lexem für den VORGANG auch fUr die verursachende HANDLUNG verwendet, wobei ein neuer Ej-Aktant hinzukommt, der den verursachenden 'Agens' ausdrückt. So Übernimmt in der synchronischen Polysemie fr. descendre zusätzlich die Bedeutung 'hinabschaffen usw.', die auch bei it. scendere dialektal vorkommt. 39 Im Französischen gibt es ein fast durchgängiges Programm für Verben der Bewegungsrichtung (monier, passer, sortir, rentrer usw. = ÖRTL. BEFINDEN), nach dem der VORGANG und die kausative HANDLUNG durch dasselbe Lexem ausgedrückt werden. Die Verschiebung vom VORGANG zur entsprechenden kausativen HANDLUNG scheint die häufigste zu sein, doch tritt auch der umgekehrte Bedeutungswandel auf. 36
ZUSTANDSÄNDERUNG ist diejenige spezifische Unterkategorie von VORGANG, die gerade dadurch definiert ist, daß sie in einer signifikanten Beziehung zu einem Anfangs- und einem Endzustand steht, was nicht fUr jeden VORGANG zutrifft (vgl. hierzu und zu den entsprechenden Rollen 'Sachverhaltsdarstellungs-Träger* und 'Zustandsänderungs-Träger': Koch 1981, 209-227, 284 f., 289).
37
\fel. Givon 1984, 1O3 f.
38
39
\fel. zum Problem der Kausative und Rezessive etwa: Tesnlere 1959, 271 f.; Heger 1966; Fillmore 1968; Busse 1974, 168-18O; Lyons 1977, 487-494; H a l l i day 1985, 144-154; speziell zu dem hier diskutierten Typ des Bedeutungswandels bei romanischen Verben: Gaspary 1885; Meyer-LUbke 1899, § 356; Gamillscheg 1957, 342-345.
Vgl. fUr die abruzzisch-molisanischen Dialekte etwa: DAM, IV, s.v. Scogna, sconna.
295
So war vlat. *BASS(I)ARE allem Anschein nach ursprünglich ein kausatives und damit als HANDLUNG kategorisiertes Verb ('niedrig machen, senken': Ej-Aktant 'Agens'; E 2 ~Aktant 'Gegenstand der Ortsveränderung'). Das daraus entstandene fr. baisser bzw. sp. bajar drückt im Rahmen seiner Polysemie nicht nur die kausative Bedeutung ('senken' bzw. 'herunterholen'), sondern auch das entsprechende Rezessivum aus ('sinken* mit 'Gegenstand der Ortsveränderung' als ,-Aktant, was nur noch der Kategorie VORGANG entspricht40). 3.5.5.3. Drittens haben wir es mit einem ganz bemerkenswerten Typ verbalen Bedeutungswandels zu tun. Fr. parier bedeutete ursprünglich 'gleichtun, mithalten' und war in der ASD-Dimension als INTERAKTION oder zumindest als HANDLUNG kategorisiert. Heute heißt es 'wetten1 und ist damit ein performatives Verb (ASD-Kategorie ILLOKUTION). Die Kontiguität besteht hier - anders als bei den bisherigen Fällen - nicht zwischen den ASD-Kategorien an sich. Vielmehr müssen wir davon ausgehen, daß parier in seiner ursprünglichen Bedeutung, also zunächst als reines INTERAKTIONs- bzw. HANDLUNGs-Verb im propositionalen Gehalt eines illokutionären Aktes 'Wette' verwendet werden konnte nach dem Schema: (17)
{ILLOKUTION: 'Wette'
CPROP. GEHALT: Je pmrie mill« francs 3)
Durch die Habitualisierung dieser Verwendung wurde eine Kontiguitätsrelation zwischen dem Äußern von parier und dem illokutionären Akt 'Wette' aufgebaut. Dies führte schließlich zu einer seit dem 16. Jahrhundert belegten delokutiven 41 Bedeutungsveränderung, durch die das Verb mit dem gleichzeitig vollzogenen Akt identifiziert und somit in die Kategorie ILLOKUTION überführt wird (wodurch der Ej-Aktant von der Rolle '(Inter)Agens' zur Rolle 'Sprechagens' übergeht): (18) {ILLOKUTION: 'Wette'
CPROP. GEHALT: z.B.
Je porle mille franca ...
... que les autres gagnerontli
Solche "Sprechakt-Metonymien" sind vermutlich die entscheidende diachrone Quelle, aus der sich der Lexemvorrat performativer Verben speist. 4O
Auf einem anderen Blatt steht die weitere Bedeutung 'heruntergehen, -steigen' von sp. bajar: hier liegt eine HANDLUNG vor, bei der der Ej^-Aktant sowohl den 'Agens' als auch den 'Gegenstand der Ortsveränderung' ausdruckt.
**Zur Generalisierung des Begriffs der Delokutivität im Anschluß an Benveniste 1966, 277-285, vgl. etwa Anscombre 1979. - Eine instruktive Parallele zu unserem Beispiel finden wir Übrigens in einer bestimmten Verwendungsweise des Verbs payer im 'francals familier', wo sich offensichtlich auch eine Bedeutung 'wetten' auf delokutlver Grundlage herauszubilden scheint: Je te pale dix dollars que les hommes de S. nous attendant a la gare (Busse/Dubost 1983, s.v. payer; vgl. auch Kotschi 1979, 278 f . ) .
296
3.5.6. Metonymien in der KSB-Dimension: Typ H B2 Zwischen den KSB-Domänen bestehen nicht nur Similaritätsbeziehungen (vgl. 3.5.4.), sondern auch Kontiguitätsbeziehungen. Hier öffnet sich die Verbsemantik der außersprachlichen Realität sehr weit: die ganze FUlle möglicher Kontiguitäten kann Bedeutungswandel dieser Art initiieren. Dazu wenigstens ein Beispiel. Gegenüber dem Etymon vlat. *CAPTIARE 'fangen' haben fr. chasser, it. cacciare und sp. cazar entsprechend 3.4.2. ihre Bedeutung hinsichtlich des E 2 -Aktanten eingeengt auf '(Wild) fangen, jagen'. 'Jagen* bedeutet nun einerseits 'nach VERFÜGUNG trachten'. Hand in Hand mit diesem Vorgang geht aber andererseits eine Veränderung im ÖRTLICHEN BEFINDEN, denn das gejagte Wild bewegt sich vom Jäger weg. Diese Kontiguitätsbrlicke zwischen VERFÜGUNG und ÖRTLICHEM BEFINDEN im Sinne von Schema (14) wird in fr. chasser und it. cacciare (nicht aber in sp. cazar) polysemisch ausgebaut. Nach einer RUckerweiterung der Selektionsbeschränkungen flir den E2Aktanten von 'Wild' auf 'belebtes Objekt' allgemein (entsprechend 3.4.1.) bedeutet das Verb im Französischen und Italienischen auch 'wegjagen, vertreiben*.
4. Bedeutungswandel und Informationsstruktur 4.1. Konversen: Typ ö B3 Unser letzter Typ verbalen Bedeutungswandels ist vielleicht der eigenartigste. Um ihn zu verstehen, gehen wir von den beiden Verben fr. acheter und vendre aus, die bedeutungsmäßig sehr ähnlich, wenn auch nicht identisch sind. Ihre Aktanten sind - bei teilweise gleichen Rollen - syntaktisch "spiegelverkehrt" ausgedruckt. Man spricht hier von lexikalischen Konversen.42 (19) Ch*rle*x ächzte du materiely 4 notre vol«lnz. El E2 E3 (20) Notre voi«lnz vend du materiely a Charle«x.
Nun kommt es vor, daß ein Verb zu seiner eigenen Konverse wird (ich spreche hier von 'Auto-Konverse'). Besonders häufig ist dies bei Verben des Sinnbezirks '(ver)mieten', wie auch ein Vergleich der einschlägigen, etymologisch Überhaupt nicht zusammenhängenden Verben in den drei großen romanischen Sprachen zeigt. Fr. louer hat zu der schon bei lat. LOCARE greifbaren Bedeutung 'vermieten' die Bedeutung 'mieten' hinzugewonnen; ähnlich it. affit-
42
Vgl. hierzu etwa die Diskussion in: Staal 1967; Bar-Hillel 1967; Fillmore 1970. IS; Kotschi 1974, 172 f., 199 f.; Koch 1981. 317-323, 352-356. Vgl. auch schon Tesnieres Hinweise auf diese Problematik im Zusammenhang mit seinem Begriff 'Metataxe*.
297
tare. Offenbar umgekehrt haben it. noleggiare (vgl. auch 3.4.1.) und sp. alquilar von 'mieten* her die Bedeutung 'vermieten' entwickelt.* 3 Grundlage dieser "Vertauschung" der Aktanten ist die Kontigultät zwischen denjenigen Entitäten, denen das Verb bestimmte Aktantenrollen zuweist. Der 'Mieter' setzt die Existenz eines 'Vermieters' voraus und umgekehrt. Die im Verb ausgedrückte Handlung kann einmal vom 'Vermieter' her und einmal vom 'Mieter' her versprachlicht werden, wobei die Ausgangsrolle dann mit der 'Agens'-Rolle und mit der Ej-Funktion verbunden wird. 44 Bei den genannten Beispielen koexistieren jeweils beide Bedeutungen und syntaktischen Valenzen in der synchronen Polysemie. Demgegenüber war etwa die ursprüngliche Bedeutung von sp. caber ('aufnehmen (können), fassen'; s.o. Sätze (15) und (16)) nur bis ins 17. Jhdt. richtig lebendig. Daneben existierte offenbar schon im Vulgärlatein (Satz (21), allerdings mit zusätzlicher metaphonischer Verschiebung) die konverse Variante des Verbs mit entsprechender syntaktischer Valenz, die im heutigen Spanisch das Übergewicht erlangt hat (Satz (22)): (21) Sermo tneua non capit In vobls. (Vulgata, loh. 8, 37: cit.
DCECH, s.v. caber)
(22) El llbro no cabe en el eatante.
Ein Beispiel, bei dem die Koexistenz der Varianten einer Auto-Konverse noch wesentlich weiter zurückliegen muß, ist spätlat. INODIARE 'hassen'. Hier hatte der Aktant mit der Rolle 'Hassender' die Ej-Funktion inne. Auf dem Weg zu fr. ennuyer, it. anno/are und sp. enojar nimmt das Verb die Bedeutung 'hassenswert sein fUr...' an: der Aktant mit der Rolle 'Hassender' wird nun als E 2 ausgedrückt. (Daran schließt sich dann die in 3.1.2. behandelte Bedeutungsabschwächung an.)
4.2. Thema/Rhema Im verbalen Bedeutungswandel 4.2.1. Auto-Konverse und Informationsstruktur In all den Fällen der Entwicklung einer Auto-Konverse ist es aber nicht nur die syntaktische Valenz, die sich ändert, sondern es liegt immer auch ein "TDie Angaben In den einschlägigen Informationsquellen sind in dieser Hinsicht freilich meist undeutlich (DELI, s.v. nojo, DCECH, s.v. aJquiJer). Was it. noleggiare betrifft, so widerspricht das DEI (s.v.) der hier gegebenen Interpretation zumindest nicht; bestätigt zu werden scheint sie mir durch das in GMIL, s.v. nauligiare/naullz.are, und in Prati 1955, 86, gebotene mittellateinische Material sowie durch Edler 1934, s.v. noleggiare. Was sp. alquilar betrifft, so wird die Interpretation jedenfalls durch die Datierungen in EI (s.v.) bestätigt. Interessante Indogermanistische Beispiele dieser Art finden sich in Benveniste 1966, 316-318: *DO- 'geben/nehmen'; *NEM- 'zuteilen/nehmen'.
298
echter Bedeutungswandel vor. Er kann zum einen die Kombinationen semantischer Aktantenrollen betreffen, insbesondere wenn, wie bei den Verben des '(Ver)Mietens', die Zuordnung der Rolle 'Agens' zu den anderen Rollen verändert wird.45 Zum anderen aber berührt die Entstehung einer Auto-Konverse in all diesen Fällen ohne Ausnahme eine ganz andere Schicht der Verbbedeutung, die in Abschnitt 1. zunächst nicht berücksichtigt wurde: jedes Verb enthält bestimmte Vorgaben hinsichtlich der Informationsstruktur (Thema/Rhema-Verteilung), die es in einem Satz zuläßt. Auch diese informationsstrukturellen Aspekte der Verbbedeutung unterliegen selbstverständlich dem diachronischen Wandel. Bei den in 4.1. betrachteten Beispielen fr. loner, it. noleggiare, afflttare, sp. alquiJar, lat. capere und spätlat. INODIARE wird über die Neuzuweisung syntaktischer Aktantenfunktionen eben eine Umverteilung im Thema/Rhema-Bereich ausgedrückt. Dabei mlissen die syntaktischen Aktantenfunktionen keineswegs immer perfekt symmetrisch vertauscht werden (wie etwa bei spätlat. INODIARE). Grundsätzlich herrscht jedoch das auch in der Synchronie wirksame Prinzip, daß "zentralere" syntaktische Positionen (insbesondere Ej) thematischen Aktanten vorbehalten sind, während rhematische Aktanten durch "peripherere" syntaktische Funktionen ausgedruckt werden (E 2 bei zweiwertigen Verben; E3, E4, Es usw. bei dreiwertigen Verben). 4.2.2. Auto-Konverse, Fakultatlvität und Rhematizltät von Aktanten Darüber hinaus kommt nun aber auch noch die Obligatorik vs. Fakultativität der Aktanten ins Spiel. Fakultativ sind in der Regel nur die jeweils "rhematischsten" Aktanten von Verben und damit zugleich diejenigen Aktanten, die die "peripherste" syntaktische Funktion einnehmen. 46 In diachronischer Hinsicht bedeutet dies, daß die Bildung einer Auto-Konverse über die Thema/ Rhema-Umverteilung auch die Obligatorik oder Fakultativität der Aktanten (als Bestandteil der Verbbedeutung) massiv verändern kann. Ein eindrückliches Beispiel ist das polyseme fr. louer '(ver)mieten'.47 In der älteren, auch heute ganz normalen Bedeutung Youer* 'vermieten' hat es einen fakultativen E3-Aktanten in der Rolle 'Mieter' bzw. 'Akzeptiv', der, sofern im Satz vorhanden, die höchste Rhematizität aufweist (Satz (23)). Andernfalls wird der E 2 -Aktant Thematisiert; der E3-Aktant ist dann zwar mitverstanden, aber in der Informationsstruktur des Satzes selbst inexistent (Satz (24)): Vgl. 1981, 46 47
zum Problem der Kombination semantischer 1S2-1S6, 324-333; 1983, 238 f., LUdi 1983.
Aktantenrollen: Koch
Vgl. Koch 1981, 93-95; Oesterreicher (in diesem Band), 2.3.
Vgl. zur folgenden Analyse Koch 1981, 358 (s. aber auch unten Anm. SO). Selbstverständlich geht es hier nicht um das homonyme fr. louer 'loben'.
299 (23)
Michelx a louea un appartementy a Bernardz..
(24)
Michelx a louea un appartementy.
Bei der jüngeren, konversen Bedeutung lauer*3 'mieten' ist der 'Akzeptiv'-Aktant z mit der Rolle 'Agens' gekoppelt. Er weist nicht zuletzt aus diesem Grunde in informationsstruktureller Hinsicht maximale Thematizität auf, wird also absolut obligatorisch, was sich syntaktisch darin ausdruckt, daß er in die E t -Funktion eintritt: (25)
Bernardz a lou*D un appartementy.
Ein Aktant mit der Rolle 'Vermieter' bzw. 'Amissiv' (entsprechend Michel^ in (23)) war offenbar zunächst nicht vorgesehen. Eine entsprechende Leerstelle fehlte damit in der Informationsstruktur von 7ouerb.48 Es lag nur nahe, auf Grund der schon in 4.1. angedeuteten Kontiguitätsbeziehungen die Konversion perfekt zu machen und in der Bedeutung von /ouer° einen solchen 'Amissiv'-Aktanten "einzurichten". Dieser konnte natürlich fakultativ bleiben, mußte also, wenn er im Satz erschien, maximale Rhematizität aufweisen. Er bekam dementsprechend eine möglichst periphere syntaktische Funktion zugewiesen. In Frage kamen hierfür Es (vgl. Satz (26)), das aber marginal blieb, und E3 (vgl. Satz (27)), das durch die Analogie zu anderen lexikalischen Konversenpaaren 49 gestützt wird und sich in einem offenbar noch nicht völlig oder zumindest noch nicht seit langer Zeit abgeschlossenen50 Prozeß durchgesetzt hat: (26)
C . . . 3 au palais Clcognara qu'y elle z louaitb du proprletairex. (Chateaubriand, Mem., t.4, p. 369: clt. TLF, s.v. 7ouer2)
(27)
Soit qu'il rövat dans l'etroite maison qu'y HZ louaitb & M. M at ha· . (Guehenno, Jean-Jacques, p. 61: clt. TLF, s.v. /ouer2)
40 Es ist wichtig, sich die hier implizierte streng einzelsprachlich-semasiologische Sichtweise klarzumachen (vgl. auch 3.2.1.). Während im Falle von Youera in (24) der fakultative 'Akzeptiv'-Aktant z als latente Leerstelle vorhanden ist, mUssen wir davon ausgehen, daß bei Youerb in (25) zunächst kein auch nur latenter 'Amlssiv* im Leerstellenplan des Verbs vorgesehen war. Die fUr die folgende Argumentation wichtige kognitiv-außersprachlich gegebene Präsenz eines weiteren am "Mietgeschehen" Beteiligten bleibt davon unberührt.
Vencfre/acYieter und pr£ter/e/nprunter mit jeweils exakt spiegelbildlicher Verteilung von EI, E2 und £3. 5O
Neben der nicht völlig einhelligen Beurteilung der Akzeptabllität von Sätzen wie // a Youeb cet appartement au proprYetair· seitens der 'native speakers' scheint mir bezeichnend das diachronische Relief, das in WörterbUchern sichtbar wird. Keinerlei Hinweis auf die Möglichkeit eines E3-Aktanten bei Youerb finden wir etwa In Littre, s.v. /. Youer, 2*, und in Robert1, s.v. 2. Youer, 2" (auf diesen Stand bezieht sich auch die lexikographische Erfassung in Busse/Dubost 1983 ( 1 1977), s.v. Youer1, an die sich wiederum die Beschreibung in Koch 1981, 358, anschließt). Erfaßt ist der £3Aktant bei Youerb hingegen, wie auch aus Beispiel (27) ersichtlich, schon im TLF, ferner in Robert*, s.v. 2. Youer, II.1. (diesem Stand entspricht die Beschreibung i n W i l l e m s 1981, 1O7, und Picoche 1986, 49).
300
4.2.3. Teil-Konverse, Fakultativität und Rhematizität von Aktanten Die totale Auto-Konversion stellt, wie wir sahen, bei dreiwertigen Verben einen recht aufwendigen Prozeß dar, der offenbar auch nur in ganz bestimmten Sinnbezirken (wie '(vermieten') an der Tagesordnung ist. Weit häufiger begnligen sich dreiwertige Verben mit einer partiellen Au to-Konverse, Übernehmen also in der Diachronie die Bedeutung ihrer eigenen Teil-Konverse. Dies führt uns etwa die Entwicklung des Verbs afr. desrober/nfr. dorober vor Augen.51 Im Afr. und bis ins Nfr. hinein war die übliche Bedeutung diejenige (=derober*), bei der der Aktant y mit der Rolle 'Verfügungsänderungs-Gegenstand' fakultativ und daher, wenn realisiert, dann besonders rhematisch52 war. Er wurde deshalb syntaktisch peripher (als Es) realisiert, während der 'Amissiv'Aktant z als £2 erschien: (28)
Morte sui, quant celul ne voi, Qul x de mon cuery m'z a desrobeea. (Chretien, Cliges, 44S7: cit. AFW, s.v. desrober)
(29) C . . . D pour aller ainsi vetu il faut bien que vousx mez derobiez«. (Möllere, L'Avare, I, 4: cit. DFC1, s.v. derober)
Dies ist auch die Bedeutung, die it. derubare bei der Entlehnung aus dem Afr. mitbrachte und bis heute praktisch ausnahmslos beibehielt.53 Ab dem späteren Afr. tritt nun neben darober* eine informationsstrukturell veränderte Bedeutung dorober*3 mit der Konstruktion EiE2E3, die im 17. Jahrhundert mit dorober* koexistiert,54 sich heute aber - obwohl selbst nur noch literarisch - gegenüber dem inzwischen archaischen dorober* durchgesetzt hat: (30) Cette fols, Alain obtint une vraie carte, grace au courage d'un employe de la malrie qui x eny derobalt aux Allemandez. (Van der Meersch, Invasion 14, p. 47: cit. TLF, s.v. cferofaer)
Man konstatiert hier eine Umordnung der Aktanten y und z hinsichtlich ihrer Rhematizität und Fakultativität. Der Aktant z rückt dementsprechend in die pe-
Vgl. zur synchronischen Analyse von nfr. c/erober, an die im folgenden angeknUpft wird: Koch 1981, 348 f.; BusseXDubost 1983, s.v. c/erober« (die im Verblexikon angesetzte Obligatorik des jeweils dritten Aktanten der beiden möglichen Konstruktionen ist allerdings auf der Grundlage anderer Wörterbuchinformationen entsprechend den folgenden Ausführungen zu korrigieren). - Vgl. zur Diachronie insbesondere AFW, s.v. desrober; Huguet, s.v. derober; DFC1, s.v. do r ober, Littre, s.v. derober. S2
BezUglich der Rhematizität sehe ich trotz der präverbalen Stellung von de mon cuery in Satz (28) im Afr., zumal in gebundener Rede, keine Probleme.
C*l
Vgl. zur Etymologie DELI, s.v.; zu den marginalen Belegen fUr eine Bedeutung entsprechend cferober»: GDLI, s.v., 4.
S4
Vgl. mit Satz (29): C...J 7: cit. Robert2, s.v., 1.).
m'z a dorobo mon argent., (Moliere, L'Avare, IV,
301
ripherere Funktion £3, der Aktant y wird hingegen als EZ an eine weniger periphere Position gesetzt.ss Wir sehen, daß die informationsstrukturelle Schicht ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Verbbedeutung ist. Auch sie stellt ein ganz typisches Element des Verbs in Abgrenzung zu allen anderen Wortarten dar. Warum dies so ist, zeigt uns folgende ganz einfache Überlegung: Die Informationsstruktur ist eindeutig auf die sprachliche Hierarchieebene 'Satz* bezogen. Die einzige Wortart aber, die von ihrer Bedeutung her den Satz in nuce in sich trägt, ist das Verb als virtuelle Sachverhaltsdarstellung, als leerer Sachverhaltsdarstellungsrahmen, der mit Aktanten gefüllt werden muß56. Folglich ist auch das Verb die einzige Wortart, die Aspekte der Informationsstruktur lexikalisieren muß. Für die diachronische Semantik ergibt sich damit die unabdingbare Notwendigkeit, informationsstrukturelle Veränderungen in der Verbsemantik als eigenen Typ des Bedeutungswandels herauszustellen, auch wenn er, wie aus 4.1. und 4.2.2. hervorgeht, z.B. mit Kontiguitätsbeziehungen in der KSB-Dimension verwoben sein kann.57
5. Konklusion Ich habe versucht, ein Panorama der vielfältigen Typen des Bedeutungswandels bei Verben zu entwerfen. Es besteht kein Zweifel mehr: bei der Wortart Verb ist es einfach unzureichend, nur ganz allgemein von Bedeutungsabschwächung, Bedeutungserweiterung, Metapher usw. zu sprechen. Eine Verfeinerung der Analyse durch das Instrumentarium der Valenztheorie und der Theorie der Informationsstruktur des Satzes ist notwendig und möglich. Es hat sich gezeigt, daß die klassischen Typen des Bedeutungswandels (die ja auch für andere Wortarten gelten) mit den Schichten der Verbbedeutung praktisch zu "multiplizieren" sind. Es hat sich aber des weiteren gezeigt, daß das
Diese echte Teil-Konversion 1st nicht zu verwechseln mit einem anderen sehr häufigen Vorgang, bei dem ein syntaktisch relativ peripher versprachlichter Aktant (der oft aus einem Zirkumstanten stammt; vgl. 3.2.3.) in eine ohnehin unbesetzte, weniger periphere syntaktische Funktion rUckt, wobei sich sein aktantleller und sein informationsstruktureller Status in keiner Welse ändert: so der tibergang von penser de qn./qc. zu penser q/i./qc. (vgl. 3.2.2. und 3.4.4.). Hier liegt kein semantlscher, sondern ein rein syntaktischer Wandel vor. (Zahlreiche Beispiele dieser Art in Gamlllscheg 1957, 35S-3S9.) S6
Vgl. Seyfert 1979, 289-292; Koch 1981, SO f. Auf die Beziehungen zwischen rollensemantischen und informationsstrukturellen Kategorien geht auch Oesterreicher (in diesem Band), 2.3.2., ein.
302
Verb über ureigene Typen des Bedeutungswandels verfügt, die keinerlei Parallele bei anderen Wortarten kennen: die Inkorporation von Aktanten oder Zirkumstanten und vor allem die Konversion als Wandel auf der Ebene der Informationsstruktur.
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307
VII. VALENZ - DIATHESEN INFORMATIONSSTRUKTUR
309
Ludo Melis (Leuven)
Les tours pronominaux en francais moderne: diathese recessive ou couplage des marques pronominales?* 0. Introduction Les diverses traditions grammaticales et linguistiques qui ont examine les tours pronominaux du ίταηςβίβ s'accordent presque toutes en proposer une theorie non unitaire. Ainsi la tradition issue de la grammaire scolaire distingue-t-elle entre se-pronom et se-particule;1 la grammaire generative separe de m§me les tours medio-passifs des autres, dans la mesure ou seuls ceux-ci font apparaitre un pronom proprement parlen 2 la grammaire lexicale fonctionnelle traite tous les emplois pronominaux comme des effets de regies d'intransitivation distinctes: regies de formation de l'inchoatif, du passif et du reflechi. 3 II existe cependant deux groupes de theories unitaires: la theorie guillaumienne, d'ordre semantique et la theorie syntaxique de la recession. La premiere place le phenomene dans le cadre de la voix et eile considere que la specificite des tours pronominaux reside dans la combinaison en une forme verbale des poles actif et passif; les differents effets de sens observes resultent des variations dans la combinaison de ces poles dans la voix moyenne.4 Les problemes poses par cette approche sont doubles: d'une part la caracterisation des voix en termes d'actif et de passif ne peut @tre qu'une approche prototypique et il s'agit done de rendre egalement compte des autres emplois, d'autre part, il faut etabltr un calcul precis des divers effets de sens. La seconde solution unitaire caracterise le tour pronominal comme un phenomene de recession, c'est- -dire de reduction du nombre d'arguments verbaux; 1'approche est done syntaxique: la construction pronominale est un Je tiens & remercier tous les participants 4 la section .Dependence et Valence dans les langues romanes du XXI Romanistentag et tout particulierement le rapporteur pour ma contribution, Maria Selig; leurs com mental res, remarques et suggestions m'ont ete tres profitables. 1
Voir ce sujet Melis 1985-86 et Melis 199Oa qui examinent Involution de la tradition grammaticale.
2
Voir la synthese dans Melis et al. 1985, 136-166.
3
Cf. Grimshaw 1982. Pour la theorie g u l l l a u m i e n n e on verra surtout G u i l l a u m e 1969, 127-142, et Stefanini 1962.
310
procedn d'intransitivation. Dans cette communication nous aimerions etudier la possibility d'une teile analyse. Nous utiliserons pour ce comme point de depart les positions de Busse (1974).s Dans son etude sur le classement syntaxique des verbes, Busse6 avance que le tour pronominal, sauf pour les verbes essentiellement pronominaux, est caracterise par une intransitivation formelle et, d'apres Coseriu, au plan semantique par un renversement de la transitivite: "Aufhebung des bergangs der Handlung zu einem Anderen"7. Quant aux divers effets, ils seraient obtenus par la pression du contexte. Le tour pronominal est done essentiellement un Operateur de recession parce qu'il annule l'autonomie, syntaxique, semantique et referentielle d'un actant. La position de I'auteur appelle deux commentaires. Dans la perspective de son etude la limitation du champ aux seuls actants verbaux est logique; pour rendre compte du tour pronominal dans son ensemble, il faudra toutefois tenir compte des autres emplois et surtout verifier si la position initiale peut £tre maintenue en ce cas (1.). Un nouvel examen du tour devra tenir compte des relations entre le verbe et le pronom clitique (2.), ainsi qu'entre le tour pronominal et le lexique verbal (3.). En dernier lieu, il reste construire une theorie de 1'interpretation semantique en contexte (4.).
1. Les tours pronominaux et les Schemas actanciels Dans la formulation de Busse (1974), la recession qui aboutit la formation de tours pronominaux affecte uniquement des actants; les autres emplois sont consideres comme des verbes intrinsequement pronominaux, emplois figes, refractaires a toute analyse. II est cependant clair qu'un tour pronominal non fige peut s'observer sans qu'il y ait recession au niveau des actants. Ceci est le cas avec divers tours ou Γόη reconnaitra un datif et en premier lieu avec les tours a datif possessif ou partitif (Herslund 1988, 250 ss.): Ce type d'approche est courant dans la tradition Issue de Tesnlere; on observera toutefois que ce dernier ne propose pas une theorie unitaire, mais qu'il distingue entre les diatheses reflechie et reciproque, pour lesquelles il n'y a pas de recession, et la diathese (pronominale) recessive (Tesniere 1969, § 1O3, 1O5 et US). Pour cet auteur la recession est strictement une reduction du nombre des actants, alors que Busse (1974) ou GeniuSiene (1987) considerent que l'lndlstinction referentielle de deux actants est egalement une forme de recession. Pour les besoins de Γβχροβέ, nous malntiendrons cette dernlere position, minie si le terme de recession est employe quelque peu abusivement. 6
Busse 1974, 174 ss.
7
Coseriu apud Busse 1974, 175.
311 (1) II se lave les mains. (2) II se passe une serviette humide sur le visage. (3) Je m'etais ecorch* les Massigne.
jointures des phalanges
en frappant Georges (Herslund 1988, 255)
(4) Les Arabes et les Israeliens se sont saute a la gorge.
(op. clt., 257)
On rapprochera de ce premier groupe les emplois avec preposition "orpheline": (5) Us se tappent dessus.
Dans tous ces cas, le pronom reflechi n'occupe pas une position d'actant. II en va de me"me pour les emplois du pronom clitique que Γόη peut qualifier de datif libre ou etendu: (6)
II s'est construit une s perbe maison.
(7)
Elle s'essaie des pantalons a fleurs multlcolores.
(8)
Us se choisissent des cadeaux.
(9)
Paul s'est mang* cinq gateaux.
(10) Paul s'est r ecu trola claques.
(Ledere 1976, 79) (ibid. )
On ajoutera a ces exemples des expressions quelque peu plus idiomatiques ou le datif libre est limite au seul "reflechi": (11)
II s'est appuy* le trajet a pied.
(op. cit., 8O)
(12) Justin s'envoie trois tasses de cafe cheque matin. (13) II ne se la meritait pas la claque, pauvre innocent. (E. Charles-Roux, Elle. Adrtenne, paris 1971, 27O)
On pourrait voir dans le dernier exemple un cas de datif ethique au discours rapporte ou indirect. Une analyse analogue vaut pour 1'exemple suivant du francais regional (Toulouse) rapport^ par Guillaume (1969, 142):8 (14) Qu'est-ce que tu as? — Rlen, c'est la chemise qui se m'etrangle.
Aux tours datifs on ajoutera les tours pronominaux qui mettent en jeu des constructions complexes resultant soit de l'amalgame de plusieurs verbes soit de la combinaison d'un verbe et d'un noyau predicatif secondaire.9 Certains sont proches des datifs etendus: (15) Je me crois un certain talent.
D'autres impliquent un noyau predicatif subordonne: (16) II se crolt/estime intelligent. (17) Je me sens dupe. n
La combinaison se me Signale clairement le caract6re surajout* du datif ethique; l'utilisation de se montre qu'il est peut-etre abuslf de limiter le phenomene a la seule deuxieme personne, comme le fait Herslund (1988). 9
Ces tours ont ete etudies par Gaatone 1975.
312 (18)
II se rove au falte du pouvoir.
(19) II se sent a l'aise a la campagne.
Dans ce cas, U n'est pas clair quelle position occupe le pronom: s'agit-il d'un actant du verbe ou du sujet de la predication seconde? Un cas plus net est fourni par les constructions infinitives avec faire, laisser et les verbes de perception ou l'autonomie des deux noyaux est plus evidente: (20) Je me sens exister. (21)
II s'est fait raser.
(22)
II s'est fait tuer.
En troisieme lieu il convient de reconsiderer le cas des verbes essentiellement pronominaux. S'il est bien vrai que nombre d'entre eux resultant soit du figement de l'emploi pronominal d'un verbe par ailleurs bi- ou trivalent, soit de processus de formation anciens ä partir de verbes monovalents qui ne semblent plus productifs aujourd'hui (cf. infra (77), (78) et note 25), il reste egalement vrai que la formation de nouveaux verbes "essentiellement" pronominaux sans contrepartie non pronominale se poursuit actuellement et qu'il faut pouvoir rendre compte de ce phenomene. On citera ainsi des verbes comme (23)
s'autolyser, s'eczematiser, s'enkyster, se miter, s'organiciser
En conclusion de ce bref survol, il ne semble pas possible de maintenir que les tours pronominaux puissent Stre definis dans leur ensemble comme des tours recessifs par rapport au schema actanciel qui caracterise le verbe. En plus la notion m§me de recession semble peu appropriee pour tous les cas oü se paralt introduire un terme supplementaire, qui n'a pas de contre-partie au niveau des actants. Si done le seul niveau du schema actanciel ou argumental ne convient pas, il faudra determiner quels niveaux doivent encore e"tre pris en consideration.
2. Le tour pronominal et la micro-grammaire des clltlques Que se soit un pronom clitique est une evidence, mais une evidence dont on sous-estime generalement l'importance dans la description du tour pronominal, dans la mesure oü eile assure la coherence du tour. Coherence formelle d'abord, dont l'autre trait saillant est Tusage d'etre aux formes de l'accompli, mais aussi coherence au plan distributionnel: tout
313
constituant qui n'est pas proportionnel ä un clitique du type me, te, se ou le, lui est exclu du tour pronominal: (24)
II pense A l u i . *il se pense
et (25) H hoche la tfcte. *il se hoche
malgre le parallelisme avec (26): (26)
II mouche son nez. II se mouche.
De m§me sont exclues les constructions ou le clitique ne peut apparaitre, la mise en relief et le tour restrictif: (27)
C'est Iui(-m6me) qu'll sert en premier lieu.
(28)
Ce n'est que luK-mime) qu'il aime.
Dans ce contexte, on attirera 1'attention sur le fait que les tournures ou apparait un pronom coreferentiel au sujet du type lui-mGme ne sont pas equivalentes aux tours pronominaux. En effet, ces derniers impliquent une cloture du domaine interpretatif qui ecarte toute autre realisation de 1'actant, alors que le tour avec mSme fait explicitement reference ä ces autres realisations, soit pour operer une selection (27), soit pour signifier une exception (28). Dans ce m§me contexte on tiendra compte du contraste entre les enonces suivants: (29a)
Jean se sert.
(29b) Jean se sert et il sert Pierre. (3Oa) C'est lui-mSme que Jean sert. (3Ob) Jean sert Pierre et lui-möme.
On tiendra en outre compte d'une phrase comme (31) Elle mettalt a notre disposition elle-mome et les influences dont eile dlsposalt. (Sandfeld 1965, 119)
et du contraste entre celle-ci et (3 ) Elle se mettait & notre disposition.
Enfin, il est plus nature! de dire (32)
II s'aime, mals il aime aussi les autres.
que d'avancer (33)
! C'est lui qu'il aime, mals il aime aussi les autres.
Vu ces differences il semble excessif de parier d'une distribution complementaire des deux series de formes, clitiques et toniques eventuellement
314
renforcees par mSme. On voit egalement que le clitique assure, au moins partiellement, la coherence semantique de la construction. Toute analyse plus detaillee des tours pronominaux doit done, semble-t-il, prendre appui sur les caracteristiques du pronom clitique qui en est la marque specifique. Un clitique doit en premier lieu @tre consider^ com me un element lie au verbe, comme une composante de la forme verbale au sens large. II est le lieu oil se situent certains traits syntaxiques et il peut §tre lie par une procedure d'accord aux Constituante exterieurs au verbe; en cas de liage, il transmet par accord les caracteristiques dont il est le porteur.10 Dans ce cas, il n'est pas exprim£ en fran?ais soutenu: (34)
II la volt. Pierre volt Marie.
mais il Test en francais moins formel: (35)
Marie, il la voit souvent. Pierre.
Un clitique est done d'abord le porteur d'un ensemble de traits syntaxiques et semantiques. Ceux-ci relevent de trois domaines distincts. - Le clitique est avant tout 1'expression d'un trait fonctionnel: il sert de t£te de serie ä un ensemble de constructions formant paradigme qui peuvent servir de realisations morphosyntaxiques ä une place d'actant. Ainsi le clitique lui sert-il de chef de file au paradigme forme de constructions telles que ä + pronom tonique et ä + groupe nominal. De la sorte le clitique est 1'expression privilegiee d'une position fonctionnelle dans la construction ou formulation verbale. - Le clitique est ensuite {'expression d'un trait de personne et subsidiairement de traits de genre et de nombre. - Le clitique est enfin 1'expression de traits syntactico-semantiques, tels que [i individuell ou [i global]; ceux-ci caracterisent egalement la classe d'expressions nominales proportionnelle au clitique.11 Pour ce qui est des clitiques qui peuvent servir dans le tour pronominal, nous pouvons avancer la caracterisation suivante: - du point de vue fonctionnel, les differents clitiques sont caracterises par les traits [- nominatif] et C— datif]; ces traits sont hierarchises, dans la mesure ou le second trait presuppose une valeur negative pour le premier; 1O
Voir pour une discussion plus detaillee Melis 1986, alnsi que Mells et al. 198S, 138 ss.
Sur la caracterisation des clitiques comme porteurs de traits volr 1'approche pronominale Blanche-Benveniste et al. 1984.
315
- le clitique se doit §tre defini par ailleurs comme de troisieme personne et neutre quant au genre et quant au nombre: soit [+ personne dite, 0 pluriel, 0 feminin]; en plus, il signifie la cloture interpretative sur le domaine defini par le clitique sujet: Ο Λ ϋ ] ου Λ exprime le lien avec le sujet represente par il; - les autres clitiques (me, te, nous, vous) conservent leur interpretation ordinaire; la cloture interpretative est, dans ce cas, obtenue par l'identite des traits autres que fonctionnels avec ceux du clitique sujet. Mais le clitique n'est pas uniquement le porteur de traits syntactico-semantiques; par sa presence il cree aussi une structure d'accueil pour 1'expression de certaines relations entre le verbe et d'autres constituents de la phrase. En premier lieu, le nombre de clitiques determine le nombre de relations primaires dans lesquelles le verbe sera engag£. En combinaison avec la tension exprim£e par le proces verbal actif, non resultatif, un nombre de clitiques superieur un definit deux positions, initiale et finale, entre lesquelles le proces verbal etablit un rapport dynamique. L'introduction d'un troisieme clitique permet de determiner un point de r^rence qui Oriente le proces proprement parier. Cheque configuration de clitiques possede des lors une valeur specifique.12 Pour que celle-ci s'actualise, il faut que la structure morpho-syntaxique definie par le verbe et les clitiques, associes ou non des Constituante autres, soit mise en correlation d'une part, pour ce qui est des arguments verbaux nucleaires, avec les proprietes lexicales inherentes du verbe et d'autre part, pour les autres elements constitutifs de la phrase, avec les regies qui regissent la selection et Interpretation des circonstants.13 Pour rendre compte des tours pronominaux, il faudra done definir les configurations de base et etudier les correlations avec les structures argumentales qui caracterisent le verbe. Avant de pouvoir effectuer cet examen, il convient de preciser ce que nous entendons par structure argumentale ou actancielle.
Dans la perspective esquissee, on pour r αϊ t considerer que chaque configuration est le porteur d'une semantique grammaticale primitive. L'ldee d'une semantique de base assoclee aux schemes de construction se retrouve dans diverses traditions linguistiques; on peut 1'observer chez Guillaume dans sa theorie des voix, mals aussi chez Pottler (1987) et dans les theorie A orientation fonctionnelle ou cognitive, par exemple Hopper/Thompson (198O) et Langacker (1988). On notera cependant que, dans notre esprit, une teile Interpretation est derlvee d'une part des proprietes syntaxiques des clitiques, leur nombre et leur association avec un paradigme de constructions, et d'autre part des proprietes generates de la categoric verbale. 13
Cf. Mells 1983.
316
3. La structure argumentale du verbe Nous admettrons que l'entree lexicale d'un verbe αοηηέ contient, outre des indications phonologiques et morphologiques, au moins des informations sur la structure argumentale, qui est une structure semantique, et sur la relation entre celle-ci et les structures syntaxlques. Nous considerons done ici que la structure argumentale ou actancielle est une proprieto d'un verbe particulier dans une langue specifique; eile sert ainsi d'invariant par rapport a diverses configurations syntaxiques. II est vrai que les structures argumentales de differents verbes peuvent leur tour faire l'objet d'une etude comparative, intra- ou interlinguistique; une teile etude necessitera la construction d'une nouvelle structure invariante, vraisemblablement d'ordre s£mantico-logique, que Γόη peut egalement, mais un niveau plus abstraft, qualifier de structure (meta-)actancielle. Au niveau de la structure argumentale, le nombre des participants (actants) impliques par le predicat verbal sera dofini, avec l'indication des roles qu'ils remplissent par rapport au predicat. On pourra noter cette information de la maniere suivante: (36) manger (y^GT··
X
PAT·^
Chaque argument est non seulement caracteris£ par son role, mais aussi par des traits syntacto-semantiques generaux qui determinent la classe des lexicalisations possibles (cf. supra). A ce mime niveau, il faudra definir les implications que vehicule le predicat quant aux caracteristiques propres des actants; celles-ci peuvent §tre representees sous la forme de postulate de significations: (37) Vx (manger(yagt. , x p a t .))^(xe {nourrlture})
La combinatoire syntaxique du verbe est definie partir de la structure argumentale par des regies de correspondence et par des regies de thematisation. Les premieres etablissent des rapports specifiques entre arguments et structures morphosyntaxiques; elles ont pour forme generate la coindexation d'un argument et d'une position fonctionnelle. Ainsi 1'argument theme d'un verbe comme se souvenir est associ6 la position fonctionnelle P3, caracterisee par le paradigme du clitique en. Comme un me"me schema argumental peut itre assocte differentes configurations ou formulations syntaxiques, des regies de thematisation relient entre elles les differentes realisations d'un m&me argument. Ainsi le lien entre le schema etabli pour manger et la configuration eile mange ca repose primairement sur une regle de thematisation qui place 1'actant agent en position de sujet tout en selectionnant une
317
forme verbale active, line autre regle de thematisation interviendra pour la selection de c'est mangέ^*
4. Le tour pronominal entre configuration syntaxique et structure argumentale L'interpretation des tours pronominaux peut e"tre congue comme une proc6dure qui harmonise les donnees offertes par la configuration syntaxique et celles proposees par la structure argumentale. On distinguera trois groupes de cas. En premier lieu, on tiendra compte des cas oil les donnees de base sont entierement compatibles (4.I.), ensuite on verra les cas de compatibilite partielle (4.2. et 4.3.), en troisieme lieu, on examinera les cas o la divergence entre les donnees syntaxiques et les donnees lexicales est accusee (4.4.). Enfin, la construction impersonnelle doit §tre brievement examinee (4.S.).
4.1. Effets de reflexivite et de reciprocity Le premier type de tour pronominal examiner est le type reflechi ou reciproque15 qui implique le sujet et l'objet. Dans ce cas la structure argumentale du verbe propose deux actants distincts qui sont, chacun, porteur d'un role different. La configuration syntaxique livre deux positions grammaticales, celle du sujet et celle de se, respectivement terme initial et final; ces deux positions sont coup lees au plan interpretatif. II suffit done que le terme qui realise la position de sujet soit acceptable tant comme realisation de I'argument thematise que comme realisation de 1'actant second pour que la phrase regoive une interpretation adequate. II en va ainsi des exemples standards de l'interpretation reflechie comme (38)
Jean se lave.
L'interpretation de base est alors celle de 1'action qui a le mSme referent comme terme initial et comme terme final. L'interpretation du sujet comme agent et comme patient n'est pourtant pas inherente au tour pronominal, mSme si eile en constitue l'interpretation la plus courante; en effet, une mime analyse vaut pour (39) Ι Λ
Un ensemble se contient en tant que sous-ensemble.
Sur les rapports entre les divers nlveaux d'analyse dans l'approche pronominale, volr Melis 1987. Nous ne considerons pas ici les differences entre l'interpretation reflechie et l'interpretation reciproque; voir Mllner 1982, 14O-18S et 341-3S4·.
318 oü les donnees lexicales vehiculees par le verbe interdisent une interpretation comme agent et patient. L'analyse peut egalement §tre etendue au cas des structures a datif actant: (40) Ils se donnent des cadeaux.
La procedure interpretative des phrases ä effet de sens reflochi ou reciproque ne differe ainsi en rien de celle des phrases non reflechies; il n'est des lors pas etonnant que les deux termes soient sentis comme distincts et qu'ils puissent recevoir, chacun, un renforcement o I'aide de lui-mBme ou d'un pronom analogue: (41) II se sert lul-mftme avant de songer aux autres. (42) II s'accorde des avantages & Jui-mdme.
De la meme maniere comprendra-t-on l'analyse grammaticale scolaire de se comme objet direct dans (38), (39) et (4l).16
4.2. Les toura reflechls etendus comme cas de concordance partielle Dans bon nombre de cas la correspendance harmonieuse entre les deux plans, celui des formes et celui des donnees lexicales, n'est pas observee. Un premier type de concordance partielle est Iivr6 par les tours oü le terme sujet repond aux contraintes imposees par l'entree lexicale du verbe, mais ou ce meme terme par le couplage avec se ne convient pas comme realisation du second actant. Ceci est le cas pour les tours reflechis dits metonymiques: (43) Pierre se mouche. (44) Pierre s'essuie. (45)
Elisabeth se repete.
(46)
Marie s'abandonne A ce sentiment amer.
(Zrlbi-Hertz 1978)
(47) Pierre s'accepte.
(ibid.)
(48) Pierre se lance avec succes dans le commerce de luxe.
Dans ce cas, les implications vehiculees par le verbe (cf. supra (37)) induisent une adaptation qui resulte en une metonymie du tout pour la partie, metonymie qui est d'ailleurs attestee dans des enonces non pronominaux: (43') Pierre mouche son petit frere. Cette analyse justifiee par reference aux regies d'accord ne prend pas appui sur des donnees formelles, mais sur l'analogie que nous avons soulignee. En realite, la regle d'accord n'offre d'indications que pour l'analyse de se comme objet indirect en (4O) et (42), pour autant que accorde quelque valeur a cette regle "arbitraire, tardive, contralre a une tendance de l'usage classique et souvent transgressee dans le meilleur usage" (Hanse 1983, 686).
319 (45') Hegel repete sur ce point Kant. (47*) Pierre accepte Marie.
Dans certains cas le processus metonymique d'adaptation interpretative peut §tre plus complexe et il peut aboutir ä rendre l'emploi pronominal plus ou moins autonome par rapport ä l'emploi non pronominal. II en va ainsi du verbe afficher: (49)
Elle se mit 4 afficher son mepris pour ce qu'elle avait tant desire. (Lexis, s.v.)
(50) Elle afflche un produit nouveau pour maigrlr. (51)
Elle s'affiche avec candeur/dans les endroits a. la mode.
Le processus qui permet d'interpreter (51) peut §tre mis en branle tant ä partir de (49) qu'a partir de (SO) et il implique plusieurs etapes successives, ce qui distend les liens entre les divers emplois verbaux. Ainsi se forment des emplois verbaux "intrinsequement" pronominaux.
4.3. Les tours objectifs comme cas de concordance partielle Les tours objectifs se definissent par le fait que les caracteristiques du sujet du verbe pronominal sont identiques ä celles imposees ä l'objet de l'actif correspondent, c'est-ä-dire a celles de l'actant non thematiso dans la formulation active.17 Le manque de concordance se situe done maintenant au niveau des actants thematises. Du point de vue interpretatif, le cas du medio-passif est le plus clair. line teile interpretation est obtenue cheque fois que le verbe admet d'une part un actant agent, au sens plein du terme, et un actant patient; dans le tour pronominal celui-ci est thematise comme sujet. ^interpretation mediopassive resulte alors de la projection d'un agent virtuel sur la phrase pronominale a partir des informations fournies par le schema argumental. Cette projection peut §tre limitee par le contexte et, dans ce cas, 1'agent sera particularise comme dans les exemples suivants: (52) (53)
(54)
17
L'Assemblee a enfin fix* son ordre du jour et la question qui Interesse se discutera demain. Le fameux "gang des BMW" surprend les voyageurs endormis parmi leurs bagages: les pillages s'effectuent en quelques minutes. (Le Soir, 8 juillet 1985) Selon le delegue bolivien ( . . . ) la diplomatic paraguayenne se resume en trois mots: feintes, atermoiements et derobades.
Cf. GenluSiene 1987 et Melis 1988.
320
Le dernier exemple permet toutefois une seconde interpretation, dans laquelle 1'agent reste indetermine; celle-ci est obtenue si le contexte n'impose pas d'agent specific: (55) Cela ne se dit pas en public. (56) La chaise se plie. (57)
II s'est livre ici une bataille feroce.
Cette derniere interpretation, qui est la plus frequemment attestee, maximaUse la difference entre l'effet medio-passif du tour pronominal et le tour passif periphrastique.18 L'induction d'un agent explique l'interpretation quelque peu particuliere de (58)
Cela se saura.
comme On apprendra cela' et l'exclusion de (59)
*cela se connaltra
vu I'impossibilite d'obtenir en ce cas une interpretation derivee adequate. Si de nombreux verbes transitifs n'admettent qu'un agent comme actant thematise de l'actif, imposant des lors dans les circonstances evoquees une interpretation medio-passive, il en est d'autres qui permettent tant un agent qu'une cause, c'est- -dire un facteur externe initial non intentionnel. Pour ces verbes, il doit done §tre possible d'obtenir une autre interpretation non medio-passive, mais decausative19: (60) L'etoffe se dechire.
Cf. (61) Cela dechire 1'etoffe.
Or, ces verbes permettent generalement une troisieme formulation, resultative: (62)
L'etoffe est dechiree.
Comme le montre Zribi-Hertz (1987) le triplet forme de (60), (61) et (62) est caracteristique du phenomene et plus specifiquement encore la paire (60)/(62). Ceci montre en premier lieu que la formulation active n'occupe pas necessairement une position privilegiee dans la systematique des constructions 18
Les deux tours s'opposent aussi au plan aspectuel, 1'un etant accompli, Γ autre inaccompli (cf. Stefanini 1962, 125); on notera cependant que le passif periphrastique a complement d'agent exprlme rapporte un proces et qu'en ce cas ce dernier contraste s'estompe.
|Q
Nous reprenons ce terme a Geniuiiene (1987); pour le francais 1'etude fondamentale du tour est Zribi-Hertz 1987 qui utilise le terme de construction reflexive ergative et qui considere qu'elle est limitee aux verbes translatifs; on verra plus loin (ex. 63 ss.) qu'll est possible d'etendre le tour si Γόη place au centre la relation entre la formulation pronominale et la formulation resultative.
321
verbales et ceci permet en second lieu de rendre compte d'autres verbes ä emploi pronominal, pour lesquels une contre-partie active avec un actant qui remplit le role de cause fait defaut: (63)
La maison s'accroche au flanc de la montagne.
(64)
Elle s'af faire ä preparer le dtner.
(65) Le debat se circonscrit autour de cette idee. (66) La ville s'entoure d'un mur. 2O (67) Notre devise continue done de se reevaluer sous l'effet du rencherissement des taux. (Le Monde, 7-8 juillet 198S) (68)
Lea pertes s'accumulent (sous l'effet du boycottage).
A la limite il est possible de rendre ainsi compte d'emplois intrinsequement pronominaux, qui manifestent les monies caracteristiques:21 (69)
La devise britannique s'est elevee au-dessus de 1,3O dollar et a depass£ 12,15 F. Raison avancee par les milieux Financiers: la tension des taux. (Le Monde, 7-8 juillet 1985)
(70) L'affaire des otages s'eternlse. (71)
L'action s'alignait sur le prix d'emission sous l'effet de la diminution du volume des credits.
II semble qu'en ce cas se fonctionne comme indice qui invite ä chercher un second terme, en I'occurence un terme qui re?oit une interpretation de cause, meme si le schema argumental du verbe ne s'y pr@te pas specifiquement. C'est en ces me"mes termes qu'une interpretation pour les verbes cites en (23) sera construite. Un dernier groupe d'emplois peut @tre envisage ici, il s'agit des tours pronominaux avec des verbes de mouvement du corps tels que se lever, s'agenouiller ou s'ouvrir. Ceux-ci possedent egalement la paire formulation pronominale et formulation resultative: (72) Pierre se leve. Pierre est leve. (73)
II s'agenouille. II est agenouille.
20
Dans ce dernier cas 11 existe une autre formulation active (1) le mur entoure la ville; celle-cl ne possede pas les memes caracteristiques au plan de la distribution des rules. En effet, on ne peut dire (ii) *le mur fait (s') entourer la ville, alors qu'une teile perl phrase est possible si le sujet est cause.
21
Cf. les phrases paralleles deviantes: (ia) »I'affaire est eternisee (ib) *les clrconstances eternlsent 1'affaire (iia) »la devise est elevee (lib) *le taux eleve la devise britannique (iiia) ? 1'action est alignee sur le prix de 1'emission (liib) ? la diminution du volume de credits aligne 1'action sur le prix d'emission.
322 (74)
La porte s'ouvre. La porte est ouverte.
et le semantisme general est conserve: le tour pronominal rapporte un proces qui est du ä une cause. La seule diff6rence est qu'au tnoins pour (72) et (73) la cause peut §tre situee dans le sujet, interpretation qui est souvent aussi admise pour (74). Ceci permet une oscillation au niveau de l'interpretation entre une interpretation decausative et une interpretation volontaire, conformement ä la procedure do n nee en 4.2.;22 vu la predominance generate de Interpretation agentive en cas de sujet humain, celle-ci prevaudra generalement dans le cas de (72), (73). Enfin, on notera que tous les cas qui resultent de l'absence de concordance entre le sujet et l'actant agent ou cause permettent un effet de sens qui occulte en quelque sorte l'agent ou la cause; le tour signifie alors l'existence du proces:23 (75)
Les horaires se distrlbuent au secretariat.
(76)
La porte se ferme tout d'un coup.
que (75')
peut paraphraser par 1 y a distribution des horaires ...'
(76') 'il y a fermeture de la porte ...'.
Dans ce contexte, se en vient ä signaliser un proces qui a deux termes, deux bornes, sans que celles-ci soient specifiees toutes les deux. Un tel effet de sens processif peut itre observe dans des emplois actuellement figes, reliques d'un etat de langue plus ancien,24 qui existent sous la forme du duratif (77) ou de Tingressif (78): (77)
Madame se rneurt.
(78)
Elle s'emeut.
Dans ces cas extremes la formulation pronominale est maximalement detachee des contraintes imposees par le verbe comme unite lexicale et eile fonctionne de maniere plus nette avec sä valeur propre de formulation ä deux termes lies et interchangeables parce qu'indistincts. En frangais moderne cette valeur semble n'exister que comme effet secondaire dans des enonces comme (75) et (76) et surtout dans le cas de verbes intrinsequement pronominaux, alors que l'ancien fran?ais se caracterise, semble-t-il, par une plus grande autonomie des OO
Cette double interpretation trouve un echo terminologlque dans la distinction chez GenluSiene (1987> entre decausatifs et autocausatifs.
23
Ceci implique que la phrase ne soit pas generique, comme il est souvent le cas pour le medio-passif, vu 1'implication d'un agent virtuel; sur les rapports entre aspect, generlclt£ et agent Indetermin* v. Lyons 1988.
24
Cf. Stefanini 1962, 4OO ss.
323
formulations et du lexique comme en temoignent la formation de phrases pronominales a partir de verbes intransitifs. 25
4.4. Lea tours pronomlnaux datifs et l'actant manquant Dans les divers cas examines jusqu'ä present, la formulation pronominale propose au lexique deux positions qui peuvent §tre remplies par des actants. Dans le cas de concordance (4.I.), la realisation lexicale unique des deux positions convient comme realisation de chaque actant separement; dans les deux autres cas, il y a discordance pour un actant, d'oü la mise en place de procedures interpretatives distinctes: metonymie sur 1'actant-patient (4.2.) et implication d'un agent ou d'une cause26 (4.3.). II reste ä discuter les cas ou la formulation pronominale offre une position qui ne peut £tre remplie ä partir du schema argumental. 27 Ce cas se produit particulierement avec les pronoms datifs partitif et libre (cf. I.).28 Le tour partitif est le plus aise a analyser; la formulation propose un troisieme terme, de type datif, qui ne rencontre pas de correspondent au niveau du schema argumental: (79)
II se tnord les doigts.
line interpretation partitive sera construite, chaque fois que le patient peut §tre conqu comme lie au sujet+datif par une relation de partie ä tout; celleVoir les exemples pour 1'ancien francais dans Molgnet 1973, 186-187, et pour le moyen francais dans Martin/Wllmet 198O, 2O2-2O3, ainsi que Stefanini 1962. 385 ss.; parmi les verbes les plus frequents on notera des verbes de mouvement s'en aler, se partir, ... ainsi que se dormir, s'estre, as gesir. Le francais moderne n'a conserve que certaines combinaisons, telles que s'e/i alter. Pour une comparaison des tours pronomlnaux en ancien francais et en francais moderne, v. Metis 199Ob qui discute la restructuration des rapports entre les different s emplois. fy j·
Theoriquement on pour rait egalement s'attendre & ce qu'il exlste un cas avec implication d'un patient general ou virtuel. GenluSiene (1987, 249-25O) reconnalt ce type dans certaines langues comme le suedois ou le slovaque; pour le francais, on pourrait songer a (i) II se bat au sens de 1 bat n'importe qui', 'il est bagarreur'; v. Melis 1988, 26. 27
Le cas du datif lie a une preposition orpheline (v. (5)) est quelque peu particulier, dans la mesure ou la prepositlon-adverbe est liee au verbe, mais qu'elle ne satisfait que partiellement les contraintes imposees par celui-ci, vu l'absence de complement; on peut alors avancer que le clitique sera rattache a la comblnaison du verbe et de la preposition et qu'il permettra ainsi 1'etablissement d'une interpretation complete.
oo
On peut egalement le reconnattre avec un certain nombre de verbes essentiellernent pronominaux tels que a'aggriper a, s'apercevoir de, se do it t er de; vu leur caractere flge, il est plus difficile de degager en ce cas la valeur du pronom.
324
ci sera ordinairement interpretee comme une relation d'appartenance, d'oü l'effet de rapport possessif entre le sujet de l'objet. L'interpretation de datif libre ou etendu doit ensuite §tre consideree comme interpretation residuelle; au cas ou la Strategie partitive echoue, le datif est congu comme une marque specifique de Tinter^t porte au proces, d'oü les effets de sens de benefactif pour le datif etendu et d'interet enonciatif pour le datif ethique: (80) Elle s'enfile un pull. (81)
Icl on s'apporte ce qu'on se mange. (cito comme regionalisme du Midi par Grevisse 198O, 689)
(82) Ce pastis, tu te le bois.
doc. cit.)
On peut dire que la pression de la construction s'impose et qu'elle force a constituer une interpretation coherente.
4.5. Le pronominal impersonnel Les diverses interpretations dont nous avons fait etat se retrouvent tout naturellement dans le cas d'un tour pronominal impersonnel: (83) II se lave un enfant dans la salle de bains. (84) II se marie une de nos cousines.
(85) II se rencontre enfin deux etres que tout devait separer. (86) II se mouche un hurluberlu pendant la ceremonie. (87) II s'est llvre hier une rude bataille aux portes de la ville. (88) II s'est cass6 une vitre a cause du vent. (89) II s'est leve trois personnes.
Du point de vue interpretatif ces divers emplois ne different pas des emplois personnels pour ce qui concerne Interpretation de la forme pronominale, tandis qu'ils s'opposent evidemment par une thematisation differente et par les effets de sens que celle-ci entraine.29 Les exemples impersonnels montrent cependant que le tour pronominal peut exister avec un sujet formel uniquement et une sequence postverbale.30 Par contre le fran?ais moderne
29
Volr D. Willems dans Melis et al. 198S, chap. 3.
3O Pour les verbes bivalents on etablira une analogic partielle entre (i) II se mange des pommes et l'ltalien (ii) si mangia mele; par contre, la phrase personnelle a inversion du sujet n'a pas de correspondant en francais. On notera toutefois que I'enonc6 impersonnel en
325
semble interdire des phrases impersonnelles sans sequence;31 de ce fait il est impossible d'avoir en fran£ais un analogue de l'espagnol se t raba ja. La necessite de realiser lexicalement (par un groupe nominal ou par un pronom referentiel) au moins un actant, soit comme sujet-theme soit comme sequence caracterise la langue et l'oppose aux autres langues romanes et egalement ä 1'ancien francais; c'est dans cette caracteristique et non dans la presence ou 1'absence d'un sujet grammatical que reside le noyau du parametre dit du sujet nul. 32 On touche ici une deuxieme difference qui separe 1'ancien frangais et les langues romanes meridionales du fran?ais moderne. Celui-ci peut semble-t-il §tre caracterise par une plus forte pression des donnees lexicales sur les formulations syntaxiques: necessite de lexicaliser au moins un actant, soit comme sujet soit comme sequence, et reduction de la latitude interpretative des formulations au profit des contraintes imposees par le schema actanciel.
5. Conclusion Partant d'un examen de la theorie des tours pronominaux comme diathese recessive, nous avons voulu montrer que peut rendre compte de ['unite et de la diversite des tours en posant deux niveaux distincts mais lies: le niveau des formulations morpho-syntaxiques et le niveau des structures argumentales. L'interpretation, le calcul des effets de sens, se fait ä partir de la confrontation des informations offertes par chaque niveau 33 et eile est guidee par le principe de Interpretation maximalement coherente. Elle offre en plus suffisamment de souplesse pour rendre compte des interferences entre les emplois et des cas vagues dont fait etat Attal (1988). Enfin, par rapport ä l'approche guillaumienne, eile a l'avantage de ne pas imposer une caracterisation a priori des diverses formulations en termes d'agent et de patient, mais de pouvoir traiter l'activite et la passivite comme des effets obtenus ä partir de donnees structurales et lexicales. francais re polt dlfficilement une interpretation generique et qu'il signifie assez strictement la survenance ou 1'occurence d'un cas particulier; cette difference avec les autres langues romanes, jointe aux possibilites offertes par l'emploi de on, reduit fortement l'emploi du pronominal impersonnel en francais. Le francais moderne impose la presence d'une sequence sauf dans le cas des verbes metereologlques; des verbes comme Falioir et s'agir sont accompagnes d'un complement. 32
Cf. Mells 1986. La demarche suivie n'est pas sans analogies avec celle qui a ete adoptee par Sells et al. 1987; cette etude ne concerne que les emplois reflechis au sens etroit et son interot reside surtout dans la comparaison entre differentes langues.
326
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329
Werner Thielemann (Humboldt-Universität Berlin)
Operativität von Prädikatskernen zwischen 'Proposition' und 'Enonce'·. Diathesen 0. Ausgangspunkte Die epistemische Basis, von der aus die Valenztheorie (Vth.) hier begriffen wird, ist die Abbildtheorie. Es wird davon ausgegangen, daß die in komplex vernetzten und verwobenen Sachverhalten (SV) um uns existierende Realität je immer Über ausschnittsweise Erfassung und Selektion zum Bewußtsein gebracht und verbalisiert wird. Das schließt die Widerspiegelung von Gegenständen des Bewußtseins und der zwischen ihnen existierenden Konnexionen (Valenzstrukturen und Argumente/Mitspieler) ein1 Die Darstellung der Beziehungen zwischen den Kognitionselementen kann sehr gut auf der Basis des Dependenzprinzips erfolgen. So sicher wie aber die Vth. in den Kreis der Dependenzgrammatiken einzuordnen ist, so sicher ist sie auch in ihren Spezifika von anderen ebenfalls mit Baumgraphen-Darstellungen operierenden generativen Theorien abzuheben. Damit ist gemeint, daß die Vth., die von der Satzexplikation herkommt und in der zunächst die Verbvalenz dominiert, vorzugsweise mit mehrstelligen (komplexen) Prädikaten arbeitet, sie somit nicht von vornherein dem Zwang zu numerisch binarisierter Anlage der Dependenzstrukturen unterliegt. 2 Die Applikation der Vth. erfolgt unter deutlich funktional-kommunikativem Anliegen. Wenn bereits den syntaktisch-strukturalen Funktionen, die Tesniere ausbeutet, ein kommunikatives Explikationspotential innewohnt, so eröffnet sich in dem Maße, wie es gelingt, die syntaktisch-strukturale Basis Tesnieres und des frühen Heibig zu flexibilisieren, um andere Faktoren zu bereichern, die Möglichkeit einer ausgeprägt funktional-kommunikativen Orientierung, wie sie in Prag und Brno, aber auch in Potsdam und Halle, seit den 60er Jahren von Danes, Firbas und Benes bzw. W. Schmidt und dem Romanisten Wolter vertreten wurde.
1
Vgl. Thielemann 1975, 179ff. Die Auflösung möglich sein.
zu binären Strukturen im nachhinein sollte dennoch immer
330
1.1. Explikative Mächtigkeit der Valenztheorie Die satzanalytische Basis und der bald erkannte Wert der Verbvalenz als abstraktes Satz(Propositions)-Schema verleihen der Vth. von Anbeginn an eine ihr eigene explikative Mächtigkeit, die zunächst aus der komplexen Erfassung lexikalisierter Prädikationsstrukturen resultiert, sich aber v.a. aus der Anlage im Schnittpunkt von Semantik, Syntax und Lexikon erklären läßt und die im Zuge ihrer theoretischen Vertiefung und Flexibilisierung in beeindruckendem Maße zugenommen hat. Es ist dem vth. Abhängigkeitskonzept ohne grundlegende Veränderungen möglich gewesen, Erkenntnisse von Prädikatenlogik, semantischer Merkmalsanalyse, Kasustheorie und Pragmatik zu integrieren, wobei mit der Kasustheorie sehr wesentliche und wechselseitig nutzvolle Austauschprozesse stattgefunden haben.3 Vor allem die semantische Merkmalsanalyse aber hat nach ihrer Kombination mit der (semantisch orientierten) Vth. durch Bondzio4 in erheblichem Maße dazu beigetragen, die Auflösung komplexer Prädikationsstrukturen vom Desiderat in die Realität Überfuhren zu können und die erreichte Transparenz5, die bereits Bondzio als BUndelungen und Hierarchisierungen von Komponenten annahm (1971, 92 ff.), zu erhöhen.
1.2. Aufbau der Valenzstrukturen Flir Bondzio setzen sich die angenommenen Valenzstrukturen aus der Prädikatsstruktur (den Funktorsemen) und den Modifikatorsemen zusammen, wobei im Valenzkonzept zunächst v.a. die Funktor-Argument-Beziehungen von Belang sind. Prädikatsstrukturen sind für Bondzio bereits zerlegbar in sog. Elementarprädikate.6 Wotjak spricht im gleichen Zusammenhang später von "kondensierten Funktorsemen" (1984, 405), die für ihn der Verkettung von Teilsachverhalten entsprechen und die bei ihm Überdies in der zeitlichen Dimension gestaffelt werden (Zeitpunktangaben wie t[ und ti+k). So könnte confier qc. ä qn. in der Bedeutung 'remettre qc. entre les mains, en la possession, au pouvoir de qn. pour qu'il en prenne soin' in seiner kondensierten Prädikatstruktur dargestellt werden als: (1)
x(AG) CONF
y(P) (a)
z(ADR);
Unser eigenes Vorhaben ist stark an der Kasustheorie orientiert. 4
Vgl. bes. Bondzio 1971; 198O.
S
"Auflösungsgrad", Wotjak 1984, 4OS. Vgl. parallel dazu auch die wegweisenden Ausführungen in Heger 1966.
331
bei Auflösung in Elementarprädikate aber als: da) x(AG) GAUS s(CT): z(BEN) HAB y(P>.
Während die kondensierte Achse den Kasusrahmen (AG, P, ADR) hat, zerfällt (la) in eine Verursachungsachse (AG, CT) und eine Pertinenzachse (BEN, P). In Wotjaks Schreibung, bei Berücksichtigung des Wechsels der Verfügung Über y und der zeitlichen Staffelung, wäre die Funktorenstruktur wie folgt zu notieren: (Ib) tj (x HAB y)
CAUS (t i+k (z HAB y).
Wenngleich diese Formeln zunächst als theoretische Konstrukte anmuten, so ist zu bedenken, in welchem Maße ein solches modulares Vorgehen Erkenntnisvorgängen und Kommunikationsmechanismen entspricht. Bondzio berührt diesen Kernpunkt bereits, wenn er von Anbeginn an darauf hinweist, daß es sich nicht "um eine mehr oder weniger willkürliche Zerstückelung der Bedeutung" handele, sondern an Möglichkeiten angeknüpft werde, "die sich im Kommunikationsprozeß beobachten lassen und dem Wesen der Sprache immanent sein dUrften" (1971, 92). Als "dem Wesen der Sprache immanent" sollte angesehen werden, daß ein Nebeneinander besteht zwischen komplexen kondensierten Prädikaten und Elementarprädikaten und daß eine fortdauernde Wechselwirkung anzunehmen ist zwischen dem Ganzen und seinen Teilen in Gestalt von Kombinationen durch Zusammenfügung, aber auch in Gestalt der Herauslösung von Elementarbausteinen aus unfesten und festen Ganzheiten. Elementarprädikate werden substantiell unverändert weitergetragen bis zu Wotjak (1984), können nun aber auf der Basis der Wotjakschen Merkmalsforschungen entscheidende Einsichten in den strukturellen Aufbau komplexer Prädikate vermitteln. Wotjak unterscheidet innerhalb eines "maximalen Argumentenpotentials" (1984, 402) - wie es sich aus der Summierung der Argumentstellen aller kombinierten Elementarachsen ergibt - Blockierung, Inkorporierung und kontextuelle Reduzierung von Argumenten, letztere in Abhängigkeit von pragmatischen Steuerungsfaktoren, wozu mindestens noch Präsupposition von Argumenten und Elementarachsen, Entfaltung präsupponierter Argumente und Achsen an der Oberfläche (wiederum infolge pragmatischer Bedingungen), Kondensationsstufen der Artikulation von Prädikatsachsen, Kasusalterationen im Gefolge von Achskombinationen und Reduzierungen Überhaupt (an der Oberfläche oder in tieferen Schichten) kommen. 7
Wenngleich unsere Forderungen an mancher Stelle begriffliche Überschneidungen zu Wotjaks beinhalten.
332
2. Diathesen und Argumentenstruktur Satz ('proposition') und Äußerung/Mitteilung Cutterance'/'enonco') setzen die Linearisierung der mehrdimensionalen Sachverhalts(SV)-Struktur mit ihren Gegenständen und Konnexionen voraus. Der Satz wird getragen von einem verbalen Propositionskern, der eine Gliederung der Argumente nach semantisch-syntaktischen Funktionen (Rollen/Kasus) und grammatisch-syntaktischen Funktionen (Satzgliedern) vorgibt, worauf die kommunikative Anordnung der Teile, die Thema/Rhema(T/R)-GHederung der Äußerung aufbaut. 8 Sätze werden somit hinreichend beschrieben Über ein 3-Ebenen-ModelI9, das sich zusammensetzt aus: l
grammatisch-syntaktischer Struktur, dem grammatisch gegliederten Satzbauplan, 2° semantisch-syntaktischer Struktur, der Zuweisung der Rollenbeziehungen und 3° kommunikativ-pragmatischer Struktur, der Entstehung der Äußerung durch nach kommunikativen Erfordernissen erfolgende Perspektivierung der Propositionsstruktur (kommunikative Sichtweise bzw. T/R-Struktur).10 Die drei Ebenen werden in den romanischen Sprachen bei der Linearisierung unterschiedlichen Spezifika unterworfen: Relativ autonom verhält sich die Ebene der semantisch-syntaktischen Funktionen (Kasus). Solange der Prädikationskern gleichbleibt, bleiben die Kasus invariant, auch wenn sie verschiedenen Linearisierungen unterworfen werden. Alterationen von Kasus sind erst dann zu beobachten, wenn neue Achsverkniipfungen zustande kommen (Kondensation von Funktorsemen) oder aber bestehende Verknüpfungen von Elementarprädikaten gelockert bzw. aufgehoben werden. Die Zuweisung der Satzgliedfunktionen bei der Linearisierung erfolgt entsprechend einer Hierarchie, die beim Subjekt (SUB) beginnt und Über das direkte Objekt (DO) und indirekte Objekt (IDO) zu den obliquen Formen absteigt. In der Aktiv-Struktur der verbalen Prädikate ergibt sich mit der Grundreihenfolge der Satzglieder auch eine T/R-Struktur, die als unmarkiert ö
Mit Beneä sehen wir in der Bezugsetzung der Konstituenten der propositionalen Struktur zur T/R-Gllederung den konstituierenden Akt der Äußerung; vgl. BeneS 1968, 271. 9
Vgl. Danes 1964; 1974; 1978. Es wäre möglich, mit einer weltergehenden Stratifizlerung zu arbeiten (vgl. Oesterreicher (in diesem Band». Wir entscheiden uns fUr eine Beschränkung auf die fUr die gegebene Themenstellung relevanten Ebenen.
1O
Bei Glvon als Kasus-Rollen: "pragmatic case-roles" (1984, 13S f f . ) .
333
anzusehen ist, insofern sie repräsentativ ist fllr einen "maximal unspezifizierten Kontext"11. Grammatische Strukturen aber werden von den kommunikativ-pragmatischen dominiert. Der stärkste Druck zu veränderter Abfolge der Konstituenten und zur Selektion innerhalb der Konstituenten geht von den Anforderungen aus, die durch Informationsvorgaben, Informationsstrategien und den aus ihnen erwachsenden Informationsstrukturen an die grammatisch-syntaktische Ebene herangetragen werden. Sie führen stets aufs neue zu Konflikten der Ordnungsprinzipien beider Ebenen, zu deren Lösung modifizierte Strukturen verfligbar sein mUssen. Ganz allgemein ist der Schluß zu ziehen, daß die simultane Verknüpfung und Vernetzung unterschiedlicher Funktionen und Ordnungsprinzipien der drei Ebenen zu beständigen Widersprüchen fuhren muß. Die somit erforderliche Optimierung innerhalb des vernetzten Funktionszusammenhangs zwischen den drei Ebenen ist Über die Flexibilisierung und Variabilisierung von deren Zuordnungsbeziehungen zu erreichen, wofUr unterschiedliche typologische Verfahren genutzt werden:12 1. Konkurrierende lexikalische Prädikate als Flexibilisierung auf Ebene 2, zum Ausgleich von Widersprüchen zwischen den Erfordernissen der T/R-Ebene und der beim Verballexem konventionalisierten Grundreihenfolge der Satzglieder (lexikalische Operatoren); 2. die freie Satzglied folge als Variation auf Ebene 3, um - bei Invarianz auf Ebene l und 2 - den Perspektivierungsanforderungen der kommunikativpragmatischen Ebene zu genUgen; und schließlich 3. Diathesen, Angleichung lexikalisierter Invarianten (Ebene 2) an die Erfordernisse der kommunikativ-pragmatischen Ebene durch Einsatz morphologisch markierter Operatoren, mit denen die Zuweisung der Satzgliedfunktionen (Ebene 1) variabel gestaltet wird. In den schriftlichen Registern romanischer Sprachen ist die Nutzung von Verfahren 2 nur beschränkt möglich (im Vergleich zum Latein, Deutschen und slawischen Sprachen) und (folglich) Verfahren 3 teilweise charakteristisch, um zur Harmonisierung der funktionalen Erfordernisse von Satzgliedund T/R-Zuweisung zu gelangen. Wenn Diathesen in Verbindung mit Valenzstrukturen zum Thema gemacht werden, so ist klar, daß die Valenzstruktur aus ihrer statischen Daseinsweise Oesterrelcher in diesem Band, 355. 12
Die im Stratiflkationsmodell nicht berücksichtigte von vornherein ausgeklammert.
Intonationsebene
wird
334
als Systemelement heraustritt. Sie wird mit den Anforderungen der Mitteilungsebene konfrontiert. Da bei beschränkter Beweglichkeit der Satzglieder die gewünschten Perspektivierungen der zu kommunizierenden Inhalte nur ungenligend erreicht werden können, erfolgt der Ausgleich zwischen Valenzgrundmuster und Erfordernissen von kommunikativen Sichtweisen der lexikalisierten Abbildsegmente über Diathesen, wobei es zu einem regelrechten "Argumenten-Karussell" um den Prädikatskern kommt. Mit dem oben beschriebenen 3-Ebenen-Modell können die fUr Diathesen pertinenten Aspekte hinreichend erfaßt werden. Variationen von Valenzgrundstrukturen oder -konfigurationen sollen in der Folge an Beispielen des Französischen (Fr.), Portugiesischen (Pg.) und Spanischen (Sp.) exemplifiziert werden, ohne daß dabei irgendein Anspruch auf vollständige Erfassung und exhaustive Beschreibung zu erheben wäre. 3. Veränderungen von Valenzstrukturen 3.1. Konkurrierende lexlkallslerte Prädikate Die Valenz- und Merkmalsanalyse haben verschiedentlich auf komplementäre lexikalische Strukturen hingewiesen, die eine unterschiedliche Perspektivierung oder Konturierung über gleichen SV-Strukturen vornehmen.13 Geläufige Beispiele sind gegeben mit acheter und vendre oder donner und prendre: (2)
x(AG)
ACHAT
y(P) U) z(BEN)
z(AG)
VENTE y(P) (4) x(BEN).
vs.
Ein im Vergleich dazu recht sprachökonomisches Verfahren ist der Einsatz von Diathesen. 3.2. Pragmatische Operationalisierung von Grundstrukturen Über Diathesen Unter Diathese verstehen wir eine grammatische Kategorie, die es bei Variabilisierung der Satzgliedfunktionen ermöglicht, Über invarianten lexikalisierten Prädikaten variable kommunikativ optimierte Perspektivierungen und Konturierungen vorzunehmen. Diathesen stützen sich in ihren markierten Formen auf grammatikalisierte diathetische Operatoren (vorzugsweise Verblexeme), deren Funktion darin zu sehen ist, daß sie es gestatten, den propositionalen Kern mit seinen Argumenten in der kommunikativ erwünschten Perspektivierung zu erschließen, womit auch verschiedene Möglichkeiten der Ausschnittsvariation Über dem Kern verbunden sind. 13
Vgl. Koch 1981, 322 ff.; zuletzt Welke 1989.
335
Die dabei eintretenden Umformungen werden unter Bezug auf die Aktivstruktur erfaßt, die einen jeweils als merkmallos einzuordnenden Satzbauplan und eine Perspektivierung des abgebildeten SV vorgibt. In der funktionalen Graduierungsskala kommunikativer Strukturen ordnen wir die die Mitteilungskohärenz sichernden thematischen Teile als hierarchisch höchste Stufen, die die Fortführung des Mitteilungsflusses sichernden rhematischen Teile als den unteren Teil der Funktionsskala ein.
3.3. Umkehroperationen 3.3.1. Vorgangspassiv Die auffälligste Prädikationsachse verbal lexikalisierbarer Abbildstrukturen ist die der Transit!vität14, deren Invarianz in den behandelten Sprachen aber weniger auf der Basis von semantisch-syntaktischen als auf der von grammatisch-syntaktischen Werten ihrer Argumente beruht und die von den Satzgliedfunktionen SUB und DO beherrscht wird. Die konverse Perspektivierung der Transitivachse ist als das Zentrum diathetischer Leistung anzusehen. Sie ist stets mit kommunikativer Abstufung des SUB-Arguments der Grundstruktur und in der Regel mit kommunikativer und grammatischer Anhebung von deren DO-Argument verbunden. (3) A tripulacäo do banco lancou repetidos pedidos de socorro que foram ouvldos desde domingo pelas radio-navais de Alges, Cascais e Apulia, no Norte. (DL 9/12/86, 24) (3 )"...des appels de secours qui ont et* captes a partir de dimanche par les radios maritimes..."
Die Grundstruktur: (3b)As radio-navais ouvem os pedidos de socorro.