Coaching als Führungskompetenz: Konzeptionelle Überlegungen und Modelle [1 ed.] 9783666452802, 9783525452806


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German Pages [280] Year 2018

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Coaching als Führungskompetenz: Konzeptionelle Überlegungen und Modelle [1 ed.]
 9783666452802, 9783525452806

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Wolfgang Kühl / Andreas Lampert / Erich Schäfer 

Coaching als Führungskompetenz Konzeptionelle Überlegungen und Modelle

Wolfgang Kühl/Andreas Lampert/Erich Schäfer

Coaching als Führungskompetenz Konzeptionelle Überlegungen und Modelle

Mit 15 Abbildungen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: Happy person/shutterstock.com Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-666-45280-2

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 Der Entwicklungsstand des Coachings durch die Führungskraft: empirische Studien und methodische Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.1 Empirische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.2 Konzeptionell-methodische Fachliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2 Neue Dimensionen des Führungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Empirische Befunde zum Thema Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Konzeptualisierungen von Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Entwicklung unterschiedlicher Führungsansätze . . . . . . . . . . . 2.4 Die Entwicklung unterschiedlicher Organisations­modelle und die Verlagerung der Steuerungs­intelligenz in Organisationen . . . . 2.5 Coaching: Eine neue Führungsaufgabe als Transflexing . . . . . . . . . 3 Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft als Coach im Spannungsfeld von professioneller Beratung, Organisation und gesellschaftlichem Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Gesellschaftlicher Kontext und Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . 3.2 Die Organisation als Rahmen für das Handeln von Mitarbeitenden und Führungskräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Reflexionen über das zukunftsethische Prinzip der Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Ethisch-reflexive Grundlagen für ein Coaching durch  Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Die Rahmung des Coachings durch Führungskräfte in der  Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Ethische Prinzipien für coachende Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . 3.7 Themenzentrierte Interaktion als reflexiv-methodischer Rahmen für das Coaching durch Führungskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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68 68 76 81 84 90 94 98

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Inhalt

3.8 Beispiel für ein TZI-gestütztes Vorgehen im Coaching durch die Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 3.9 Beratungsethisches Resümee für das Coaching als Führungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4 Grundlagen und Voraussetzungen für ein Coaching durch die Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 4.1 Die Haltung der coachenden Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.2 Zum Verständnis der coachenden Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . 116 4.3 Dimensionen der Rollenflexibilität als Führungskraft und Coach . 120 4.4 Kompetenzentwicklung für ein Coaching durch die Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 5 Konzeptionelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5.1 Theoretisch-konzeptionelle Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5.2 Der konzeptionelle Hintergrund des Coachingansatzes . . . . . . . . . 135 5.2.1 Die systemischen Wurzeln und Grundelemente . . . . . . . . . . . 137 5.2.2 Die lösungsorientierten Grundelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 5.2.3 Die Anschlussfähigkeit des TZI-Ansatzes und der Theorie U 142 6 Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft . . . . . 143 6.1 Setting: Architektur und Design . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 6.2 Besonderheiten der Architektur eines Coachings durch  die Führungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 6.3 Strukturelle, prozessorientierte und personale Reflexionsanregungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6.4 Kontraktgestaltung des Coachings durch die Führungskraft . . . . . . . . 153 6.5 Ausgestaltungen des Coachings durch die Führungskraft . . . . . . . . 156 6.5.1 Die Initiative zum Transflexing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.5.2 Der Anlass des Transflexings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.5.3 Räumliche und zeitliche Rahmensetzungen . . . . . . . . . . . . . . . 158 6.6 Gelingensbedingungen eines Coachings durch die Führungskraft 160 7 Modelle des Coachings durch die Führungs­kraft und  ihre methodische Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 7.1 Coaching durch die Führungskraft als Beratungsformat . . . . . . . . . 163 7.1.1 Orientierung: Indikation und Auftragsbestimmung . . . . . . . . 164 7.1.2 Klärung durch Hypothesenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 7.1.3 Zielkonkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Inhalt

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7.1.4 Lösungssuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 7.1.5 Transfer und Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 7.2 Coaching durch die Führungskraft als Kurzzeit-Variante . . . . . . . . 194 7.3 Coaching in der Organisationsentwicklung und dem  Change Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 7.3.1 Verständnis und Herausforderungen der Organisationsentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 7.3.2 Organisationsentwicklung nach der Theorie U . . . . . . . . . . . . 204 7.3.3 Fallbeispiel zur Organisationsentwicklung bei einer Schulfusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 7.3.4 Organisationsentwicklung als kontinuierliche Selbsterneuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 8 Die Förderung des kollegialen und des individuellen Transflexings 8.1 Intervision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.1 Die aktuelle Relevanz der Intervision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.2 Grundlegende Merkmale der Intervision . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.3 Historische Ursprünge und Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.4 Theoretische und empirische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.5 Indikation und Kontraindikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.6 Voraussetzungen und Implementierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1.7 Methodik der Intervision, Phasen und Rollen . . . . . . . . . . . . . 8.1.8 Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Selbstcoaching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.1 Äußeres und inneres Selbstcoaching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.2 Auf dem Weg zum inneren Coach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2.3 Methodische Hinweise zu einem agilen Selbst- und Peer-Coaching . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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9 Transflexing im Kontext zukunftsweisender Führungskonzepte und Reflexionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 9.1 Zukunftsweisende Führungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 9.2 Abgestimmte Reflexionssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

Einleitung

Nicht erst die Kritik an der autoritären Unternehmensführung großer Unternehmen wie VW oder Ryanair, macht weithin sichtbar, dass Führung in der Krise steckt. Dies zeigen auch zahlreiche Befragungen, in denen die Mitarbeitenden ihre Unzufriedenheit mit ihren Führungskräften zum Ausdruck bringen. Hinzu kommt eine zunehmende Unübersichtlichkeit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage angesichts der Herausforderungen der Globalisierung und Digitalisierung. Die aktuellen Herausforderungen lassen sich mit den überkommenen Führungskonzepten und -haltungen kaum noch bewältigen. Daher ist nachvollziehbar, dass nicht nur die Ratgeberliteratur sondern auch die wissenschaftlich fundierte Literatur zur Führungsthematik boomt. Dies kann als eine umfassende und vielfältige Suchbewegung verstanden werden, deren Antworten allerdings von geringerer Halbwertszeit sind, je plakativer sie in dieser Debatte platziert werden. Heute zeichnet sich bereits ab, dass die strategische Organisationsentwicklung, die letztlich ein Überleben der Organisationen und Unternehmen erreichen will, in ihrer planerischen Ausrichtung aufgrund der volatilen Kontextveränderungen vielfach von den Realitäten schlichtweg überrollt wird. Neben den mehr denn je notwendigen visionären Dimensionen wird zunehmend ein Fahren auf Sicht erforderlich. Dies wiederum macht ein stetig steigendes Maß an Reflexion auf allen Ebenen der jeweiligen Arbeitssysteme erforderlich. Deshalb ist es längst an der Zeit und vielerorts bereits gängige Praxis, dass alle im Unternehmen Tätigen Führungsverantwortung übernehmen. In einer derart veränderten Organisationskultur begegnen die Führungskräfte ihren Mitarbeitenden auf Augenhöhe und aus einer ethisch reflektierten und wertschätzenden Haltung. Das Coaching durch die Führungskraft gewinnt in diesem Zusammenhang an Bedeutung, weil es neben anderen Beratungsformaten den zuvor skizzierten Reflexionsanforderungen in besonderer Weise gerecht wird. In Deutschland hat sich neben der Beratung durch entsprechend ausgebildete Profis, wie bspw. der Supervision zur Verbesserung der Qualität beruflicher

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Arbeit und Zusammenarbeit von Fachkräften (Belardi, 1992, Kühl, 1999) sowie dem Coaching für Führungskräfte, die Coachingvariante des Coachings von Mitarbeitenden durch Führungskräfte (Schäfer, 2016) großteils aufgrund des durchgängig wachsenden Bedarfes quasi natur- bzw. wildwüchsig ausgebreitet. Es gibt zwar eine entsprechende Ratgeberliteratur, doch kaum theoretisch fundierte oder empirisch überprüfte Konzepte und noch nicht einmal einen genauen Überblick über deren Verbreitung in den verschiedenen Bereichen der Arbeitswelt. Das in den USA praktizierte Coaching von Mitarbeitenden im Sinne des entwicklungsorientierten Führens kann genealogisch als die Urform des Coachings angesehen werden. Aus der amerikanischen Wirtschaft stammend, wo es verstärkt seit den 1970er Jahren zur Anwendung kommt, hat das Coaching in der deutschen Wirtschaft etwa Anfang der 1980er Jahre Einzug gehalten. Auf eine Verbesserung der fachlichen Kompetenz, der Motivation und der Leistung der Mitarbeiter ausgerichtet, fand das Coaching auch in Deutschland unter dem »Motto: der Vorgesetzte ist der wichtigste/beste Trainer seiner Mitarbeiter« (Böning, 1994, S. 173) Verbreitung. Aus der wissenschaftlichen Perspektive fand diese Entwicklung allerdings bislang kaum Beachtung. Die wissenschaftliche Befassung war und ist eher darauf gerichtet, nachdem sich ab Mitte der 1980er Jahre das Coaching durch externe psychologisch geschulte Berater zunehmend etablierte, diese Variante des Coachings theoretisch-konzeptionell und später auch durch empirische Studien zu fundieren. Die sich rasch ausbreitende, allerdings im Hinblick auf Ausbildung und Standards der Beratung sehr heterogene Professional Community des Coachings hat sich in den letzten Jahrzehnten vor allem mit der eigenen Grundlegung und Identitätsgewinnung durch Abgrenzung befasst, als dass sie das Coaching durch die Führungskraft konzeptionell unterstützend und reflektierend begleitet hätte. Mit dem Deutschen Bundesverband Coaching (2004) lässt sich Coaching als »die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs-/Steuerungsfunktion und von Experten in Unternehmen/Organisationen« definieren. »Inhaltlich ist Coaching eine Kombination aus individueller Unterstützung zur Bewältigung verschiedener Anliegen und persönlicher Beratung.« Wir sehen das Coaching als berufsbezogene Beratung von Führungs- und Fachkräften in Organisationen und Unternehmen nach wie vor in den beiden gleichwertigen Varianten, des freiberuflichen bzw. in der Organisation angestellten Coaches einerseits, wie in der Variante der coachenden Führungskraft andererseits. Die zunehmenden und zeitnah zu bedienenden Reflexions­bedarfe sind durch professionelle Beratungsfachkräfte kaum allein abzudecken. Aufgrund

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von entwicklungsorientierten Führungskräftetrainings, aber gerade auch der Erfahrung mit selbst in Anspruch genommenen Coachings, sind die Reflexionskompetenzen von Führungskräften in den letzten Jahrzehnten durchweg deutlich gewachsen. In zahlreichen Organisationen und Unternehmen gibt es mittlerweile eine entsprechende Praxis der individuellen Unterstützung und Beratung von Mitarbeitenden durch ihre Führungskräfte. Diese schwer überschaubare und vermutlich nicht immer qualifizierte Praxis folgt einer kaum prognostizierbaren Eigen­dynamik. Sie sollte allerdings durch entsprechende Konzeptentwicklungen, ethische Diskurse und Beratungsstandards zunehmend professionalisiert und normativ reguliert werden, nicht zuletzt, um Mitarbeitende vor unqualifizierten Beratungsansinnen ihrer Vorgesetzten zu schützen. Das Coaching durch die Führungskraft verstehen wir als eigenständig zu fundierendes Beratungsformat und nicht als Führungsstil. Vielmehr haben wir uns dafür entschieden, Führung als konzeptionelle Bezugs- und Kontextvariable anzusehen. Dabei verstehen wir den Rückbezug auf die aktuelle Führungsstildebatte so, dass sich daraus durchaus Anforderungen an die Grundhaltungen und ethischen Positionierungen von Führungskräften, aber eben keine unmittelbaren Handlungsempfehlungen für die Beratung von Mitarbeitenden durch Vorgesetzte ableiten lassen. Dies würde unseres Erachtens zu Rollenkonfusionen und Irritationen führen, die sich durch ein vom Führungshandeln abzugrenzendes Beratungsformat eher vermeiden lassen. Sofern sie über die entsprechenden Beratungskompetenzen verfügen und entsprechende Rollenkonflikte zwischen ihrer Beratungs- und ihrer Vorgesetztenrolle regulieren – so die hier vertretene Position –, können coachende Führungskräfte zeitnah und nachhaltig Mitarbeitende hinsichtlich ihrer jeweiligen Arbeitsaufgaben beraten und dabei Fehlentwicklungen von Arbeitsprojekten oder konflikthaften Interaktionen und Kooperationen präventiv entgegen wirken. Letzteres soll ein Ausschnitt aus einem Interview eines vor kurzem abgeschlossenen Forschungs- und Entwicklungsprojektes an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena mit einer Führungskraft bezüglich deren Coaching eines aus drei Personen bestehenden Teams verdeutlichen: »[…] zwei gestandene Fachkräfte, also die auch sehr klar sind, wie sie denn mit den Kunden umgehen, dazu ein ganz junger frischer Kollege, ganz frisch vom Studium und noch sehr am Probieren. Und das brachte die beiden Seiten in Konflikt […] dass sie am Anfang davon ausgegangen sind, sie hätten einen ganz unterschiedlichen Blick auf Kunden, um dann im Coaching festzustellen, wir sind gar nicht so weit weg, von dem was, wie wir mit Kunden umgehen wollen, wir machen es nur anders […] und was können wir auch voneinander lernen, um uns miteinander zu berei-

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chern, das hat sich, glaube ich, sehr schnell im Coaching gelöst. Die Idee ist ja, im Hier und Jetzt und zukünftig die Handlungsfähigkeit der Mitarbeiter zu fördern, und das ist so ganz gut gelungen.« (Hesselbarth et al., 2019). Die skizzierte Praxis des Coachings durch die Führungskraft theoretisch-konzeptionell und methodisch zu fundieren, ist das zentrale Anliegen dieses Buchs. Im ersten Kapitel werden die Entwicklungslinien der historischen Genese eines Coachings durch die Führungskraft mit ihren Unterschieden zwischen dem angloamerikanischen und deutschsprachigen Bereich nachgezeichnet, um auf dieser Basis einerseits einen Überblick über empirische Studien zu geben und andererseits die konzeptionell und methodisch orientierte Literatur auf Hinweise zu dem hier interessierenden Phänomen des Coachings durch die Führungskraft zu befragen. Ebenso wie sich die Vorstellung von Coaching in Abhängigkeit von ihren historischen Entwicklungsphasen in den letzten Jahrzehnten geändert hat, unterliegt auch das Verständnis von Führung einem massiven Wandel. Führung befindet sich heute unübersehbar in einer Krise, in der nach neuen Antworten auf die drängenden Herausforderungen gesucht wird. Das zweite Kapitel thematisiert deshalb die empirischen und theoretischen Befunde zum Thema Führung, setzt sich mit der Entwicklung unterschiedlicher Führungsansätze auseinander, beschäftigt sich mit den entscheidenden organisationalen Kontextvariablen von Führung, indem es sich mit der Entwicklung unterschiedlicher Organisationsmodelle befasst und verortet schließlich das Coaching durch die Führungskraft als Teil eines Transflexings. Mit der Wortschöpfung des Transflexings wird der Zusammenhang von Reflexion und Transformation zum Ausdruck gebracht und eine dritte eigenständige Aufgabendimension postuliert. Sie sieht eine von Mitarbeitenden und Führungskräften auf Augenhöhe erfolgende Ausgestaltung eines Reflexionsraumes vor, der neben anderen Beratungsformaten das Coaching beinhaltet und neben Führung und Management als drittes Element tritt. Das Transflexing realisiert sich in einer dialogischen Beziehung und fokussiert auf eine Passung zwischen Person und Organisation im Prozess der kontinuierlichen professionellen Selbstreflexion und Selbsterneuerung auf den Ebenen von Individuum, Team und Organisation. An ein Coaching durch die Führungskraft im Rahmen eines Transflexings stellen sich besondere ethische Reflexionsanforderungen; diese sind Gegenstand des dritten Kapitels. Hier wird auf Basis von gesellschaftlichen und organisationalen Rahmenbedingungen das Handeln von Führungskräften und Mitarbeitenden ethischen Fragestellungen unterzogen. Im Mittelpunkt steht dabei das zukunftsethische Prinzip der Verantwortung. Hiervon ausgehend werden beratungsethische Prinzipien für ein Coaching durch die Führungskraft erörtert. Abschließend wird aufgezeigt, wie das Modell der Themenzentrierten Interak-

Einleitung

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tion genutzt werden kann, um ethische Positionen der coachenden Führungskraft zu reflektieren. Ein Coaching durch die Führungskraft ist an Voraussetzungen und Grundlagen gebunden, die im vierten Kapitel behandelt werden. Ausgehend von den ethischen Reflexionsanforderungen findet zunächst die Auseinandersetzung mit der Haltung der coachenden Führungskraft statt, für die eine dialogische Beziehungsgestaltung von zentraler Bedeutung ist. Unabhängig davon, welchem Coachingverständnis sich coachende Führungskräfte verpflichtet fühlen, sind sie permanent herausgefordert zu reflektieren, wie sie ggf. ihre Hybris des Wissens, Verstehens, der Distanzierung und des möglicherweise fehlenden Vertrauens in die Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden in die entsprechende Beratungs-Ressource und darauf aufbauend in eine diesbezügliche Beratungs-Expertise transformieren können. Des Weiteren erfordert das Coaching der Mitarbeitenden von der Führungskraft eine reflektierte Rollenflexibilität, die sich u. a. in einem effektiven Grenzmanagement der Rollenübergänge ausdrückt. Schließlich benötigt die coachende Führungskraft Kompetenzen für ihre diesbezügliche Tätigkeit. Am Beispiel des Curriculums eines Masterstudienganges werden diese skizziert. Das fünfte Kapitel widmet sich der theoretisch-konzeptionellen Fundierung eines Coachings durch die Führungskraft im Sinne des Transflexings, das als komplexitätsadäquat, passungs-, reflexions-, rollen-, interaktions-, kompetenz- sowie ziel- und transferorientiert gekennzeichnet wird. Die theoretische Grundlage dafür bilden die personale Systemtheorie und der lösungsorientierte Beratungsansatz. In den Ansatz fließen ebenso Aspekte der Themenzentrierten Interaktion sowie der Theorie U ein. Eine Antwort auf die Frage, wie das Setting eines Coachings durch die Führungskraft auf den dargestellten ethischen, theoretischen und konzeptionellen Grundlagen praktisch gestaltet werden kann, gibt das sechste Kapitel. Es skizziert die spezifische Architektur eines Coachings durch die Führungskraft und beschreibt seine strukturellen, prozessorientierten und personalen Reflexionsanforderungen, bevor auf Aspekte der Kontraktgestaltung sowie des Designs seiner konkreten Ausgestaltung eingegangen wird; wir nehmen in diesem Punkt Bezug zu den Ergebnissen eines eigenen Forschungsprojektes. Den Abschluss bilden Überlegungen zu den Gelingensbedingungen des Transflexings durch die coachenden Führungskräfte. Im Rahmen welcher modellhafter Varianten und methodischer Ausgestaltungen ein Coaching durch die Führungskraft realisiert werden kann, ist das Thema des siebten Kapitels. In Anlehnung an das Phasen­modell nach dem GROW-Ansatz von John Whitmore, das um organisationale Aspekte erweiterte Modell von Systemebenen der personalen Systemtheorie nach König und Vol-

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mer (2009) und den Ansatz des lösungsorientierten Coachings, wird der Ablauf des Coachings durch die Führungskraft anhand von Fallbeispielen erläutert. Die dabei betrachteten Beratungsformate sind einerseits ein idealtypisches Coaching durch die Führungskraft und andererseits ein Coaching in der Kurzeit-Variante. Ergänzend wird drittens auf das Coaching in der Organisationsentwicklung und dem Change Management ebenfalls mit einem Fallbeispiel eingegangen. Da das Coaching durch die Führungskraft nur ein Aspekt des Transflexings ist, werden im achten Kapitel Formen des kollegialen und individuellen Transflexings von Mitarbeitenden in den Blick genommen, die die Mitarbeitenden zunehmend in Eigenregie übernehmen. Dabei interessiert insbesondere die Frage, wie diese reflexiven Prozesse durch Führungskräfte initiiert, begleitet und unterstützt werden können. Im Mittelpunkt stehen die Intervision und das Selbstcoaching. Im abschließenden neunten Kapitel werden vor dem Hintergrund neuer Führungskonzepte sowie dem Lern- und Entwicklungsbedarf von Organisationen die Zukunftsperspektiven von Coaching als Element einer innovativen Führungs- und Reflexionskultur im Rahmen des Transflexings und organisationsumfassender, abgestimmter Reflexionssysteme beleuchtet. Unser Anliegen ist es, zur theoretisch-konzeptionellen Fundierung des Coachings durch die Führungskraft im Sinne eines Transflexings beizutragen, coachenden Führungskräften für diese verantwortungsvolle Tätigkeit praktische Hinweise zu geben und einen Beitrag dazu zu leisten, dass Organisationen und die in ihnen arbeitenden Menschen an ihrer kontinuierlichen berufsbezogenen Selbsterneuerung reflektiert und systematisch arbeiten können, um die gesellschaftliche Evolution im Sinne einer co-kreativen Ökosystem-Wirtschaft mit sektorenübergreifenden Kooperationen im Sinne von Scharmer und Käufer (2014) zu befördern (vgl. Kap. 2.4). Um den genderspezifischen Anforderungen an unseren Text gerecht zu werden, haben wir uns dafür entschieden, nach Möglichkeit eine sprachliche Form zu wählen, die geschlechtsneutral ist und sowohl die weibliche als auch die männliche Form repräsentiert. Status- und Funktionsbezeichnungen gelten jeweils in männlicher und weiblicher Form. In jenen Fällen, in denen dies aus Gründen einer leserfreundlichen Ausdrucksweise schwer zu realisieren ist, haben wir uns für die Verwendung des generischen Maskulinums entschieden. Die Formulierungen gelten jedoch immer für beide Genera bzw. auch für jene Personen, die sich durch eine Nennung von ausschließlich männlicher und weiblicher Form nicht angesprochen oder repräsentiert fühlen.

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Der Entwicklungsstand des Coachings durch die Führungskraft: empirische Studien und methodische Literatur

In diesem Kapitel wird erstens die empirische Befundlage thematisiert und bewertet. Zweitens wird die konzeptionell-methodische Fachliteratur in ihren historischen und aktuellen Dimensionen umfassend dargestellt und ausgewertet. In diesem Zusammenhang wird unter anderem auf die sich seit den 1980iger Jahren in Deutschland konstituierende und von der US-amerikanischen Ursprungsform des Coachings durch die Führungskraft abgrenzende Coachingvariante der Beratung durch externe Beratungsprofis eingegangen. Abschließend erfolgt eine zusammenfassende Analyse und Bewertung des aktuellen Entwicklungsstandes des Coachings durch die Führungskraft.

1.1 Empirische Befunde Um eine erste wissenschaftliche Annäherung an das Coaching durch die Führungskraft zu ermöglichen, erfolgt zunächst ein Blick auf die empirische Datenlage. Anschließend steht die historische Entwicklung des Coachings in Deutschland anhand der vorliegenden, insbesondere der methodischen Fachliteratur im Fokus der Betrachtung. Zunächst also zu den empirischen Studien, die im deutschen Sprachraum bislang sehr rar gesät sind und aus wenigen wissenschaftlichen Qualifizierungsarbeiten bestehen: Die Diplomarbeit von Melanie Funk (2014) mit dem Titel »Coaching durch den eigenen Vorgesetzten. Wann kann der Chef die eigenen Vorgesetzten coachen?« basiert auf sechs qualitativen Interviews mit Führungskräften in der Wirtschaft, davon haben drei Coachings mit ihren Mitarbeitern durchgeführt. »Die Basis des Vorgesetzten-Coachings liegt in der Vertrauensbeziehung. Um dieses Verhalten herzustellen, müssen Freiwilligkeit, gegenseitige Akzeptanz und Schweigepflicht als Regeln erfüllt sein. […] Der Vorgesetzte sollte eine ausgeprägte Persönlichkeit haben, die sich aus fachlichem Know-how und per-

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Der Entwicklungsstand des Coachings durch die Führungskraft

sönlichen Soft Skills zusammensetzt. Der Reifegrad des Vorgesetzten ist wichtig, insbesondere dass er eine angemessene Selbstwahrnehmung besitzt, das nötige Einfühlungsvermögen sowie die Fähigkeit der Beherrschung und Zurückhaltung. [ …] Optimale Voraussetzungen sind genügend Raum und Zeit sowie flache Hierarchien innerhalb einer Unternehmung. Ferner ist ein vorhandenes Thema eine klare Bedingung und bildet den Kern des Coachings. […] Die Inhalte sind ein Zusammenspiel persönlicher und beruflicher Themen, die Einfluss auf das Arbeitsgebiet haben« (Funk, 2014, S. 41 f.). Methodisch wird von den interviewten Experten vor allem auf systemische Fragetechniken zurückgegriffen (Funk, 2014, S. 42). Bei der Veröffentlichung von Jeanette Dobrunz (2008) mit dem Titel »Coaching. Zwischen fachlicher Kompetenz und Rollenkonflikten« handelt es sich vermutlich ebenfalls um eine wissenschaftliche Abschlussarbeit. Es wurde mittels eines Fragebogens untersucht, wie die Mitarbeiter eines Call-Centers einer deutschen Großbank das Coaching durch ihre Vorgesetzten im Spannungsfeld von Beratung und Kontrolle wahrnehmen. Während sich in der qualitativen Studie von Funk zumindest Anhaltspunkte für das genauere Coachingverständnis der Interviewten erkennen lassen, ist dies anhand der Fragebogenstudie von Dobrunz kaum erkennbar. Allerdings handelt es sich unseres Wissens um die erste (veröffentlichte) Studie, die die Perspektive der gecoachten Mitarbeiter überhaupt in den Blick nimmt. An der Erhebung haben sich 98 Personen beteiligt, davon waren 62 nach eigenen Angaben über einen Zeitraum von ca. drei Jahren gecoacht worden. Die coachenden Führungskräfte waren zuvor in einem dreitägigen Seminar (mit einem externen Trainer) fortgebildet worden und hatten während des Mitarbeitercoachings selbst an einem zweimal wöchentlich erfolgenden internen Training teilgenommen. Die »Reflexion der eigenen Arbeit«, so das zentrale Befragungsergebnis, stellt für die gecoachten Mitarbeiter »das herausragende Kriterium ihrer Coaching-Erfahrungen« (Dobrunz, 2008, S. 70) dar. Die Autorin ermittelte zudem zwei unterschiedliche Coaching-Typen, die sich vor allem in der Art des Coaching-Verständnisses unterscheiden ließen: Einige Mitarbeiter sahen den Coach als Förderer, andere hingegen im Sinne von Führung und Kontrolle. Weitere Angaben zum Coaching-Verständnis und zum genaueren Vorgehen der Vorgesetzten als Coaches finden sich in der Studie nicht. Abschließend betont die Autorin lediglich: »Ziel des Coachings ist die Hilfe zur Selbsthilfe, so dass der Klient das Coaching am Ende der Beratung nicht mehr braucht« (Dobrunz, 2008, S. 70). Cornelia Tonhäusers (2010) Veröffentlichung »Implementierung von Coaching als Instrument der Personalentwicklung in deutschen Großunternehmen«

Empirische Befunde

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basiert auf einer 2006 durchgeführten empirischen Befragung von 104 Großunternehmen. Dabei stimmte fast die Hälfte der Befragten der Aussage zu, dass Coaching eine »Teilaufgabe von Führungskräften (Vorgesetzten-Coaching)« sei, so kreuzten 20,4 % von ihnen hinsichtlich dieser Aussage die Antwortkategorie »trifft voll zu« an, 28,6 % die Antwortkategorie »trifft eher zu«. Dabei zeigte sich, dass die Vorgesetzten ihre Mitarbeiter umso mehr coachen, je niedriger deren Hierarchiestufe in der Organisation angesiedelt ist. Wurden im oberen Management nur 7,7 % der Führungskräfte durch deren Vorgesetzte gecoacht, so waren es im mittleren Management 18,3 %, im unteren Management 27,9 % und bei Mitarbeitern ohne Führungsverantwortung 39,4 %. Allerdings erfolgte das Coaching mit allen Zielgruppen durchweg nicht regelmäßig, sondern anlassbezogen aufgrund jeweiliger Bedarfe. Das traf insbesondere für die Fachkräfte zu, von denen nach Angaben von 70,3 % der Befragten nur weniger als 5 % seit Einführung in dem jeweiligen Unternehmen zumindest ein Coaching erfahren hatten. Die angegebenen Coachingziele waren hinsichtlich der Befragten der jeweiligen Hierarchiestufen sehr unterschiedlich. Das wichtigste Thema der oberen Führungskräfte war mit 59,6 % »Strategie­ entwicklung/-umsetzung«, während sowohl für die auf der mittleren wie auf der unteren Hierarchieebene tätigen Führungskräfte die »Verbesserung ihrer Führungskompetenz« mit 85,6 % bzw. 64,4 % am wichtigsten war. Hingegen war das wichtigste Thema für die Fachkräfte ohne Führungsverantwortung »Leistungsdefizite beheben« mit 46, 3 % (Tonhäuser, 2010, S. 198, 200). Die Studie von Tonhäuser verdeutlicht, dass das Coaching durch Führungskräfte in Großunternehmen offenbar in begrenztem Maße vorkommt, allerdings ohne dass dies sowohl quantitativ wie konzeptionell genauer geklärt ist. Da keine neueren Studien vorliegen, bleibt es spekulativ einzuschätzen, wie sich das Coaching durch die Führungskraft in Deutschland mittlerweile in Art und Umfang entwickelt hat. Böning und Kegel (2015) haben in ihrer Metastudie »Ergebnisse der Coaching-Forschung. Aktuelle Studien – ausgewertet für die Coaching-Praxis« die Ergebnisse von 145 empirischen Coaching-Studien aus den vier Anwendungs­ feldern Business-Coaching, Life-Coaching, Coaching im Non-Profit-Bereich und Sport-Coaching, die im Recherchezeitraum 2006 bis Frühjahr 2014 veröffentlicht worden sind, zusammengestellt und systematisch ausgewertet. Bei 21 der von den Autoren dargestellten Untersuchungen »stand die Entwicklung der Führungskraft als Coach bzw. das durch die Führungskraft ausgeübte ­Managerial-Coaching im Vordergrund« (Böning, 2015, S. 76). Böning und Kegel verwenden in ihrem Buch den Terminus »Managerial-Coaching«, um diese Coaching-Variante, die sie dem Business-Coaching zurechnen, von anderen

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nachvollziehbar zu differenzieren und an die internationale Nomenklatur anzuschließen (Böning, 2015, S. 76). Die dargestellten Untersuchungen sind durchweg in englischer Sprache veröffentlicht, stammen großteils aus der US-amerikanischen Wirtschaft, asiatischen und europäischen Wirtschaften, jedoch nicht aus Deutschland. Neunzehn der von Böning dargestellten Studien hatten einen quantitativen Charakter, 13 wiesen dabei große Stichproben auf, die durchweg aus mehr als 100 Probanden bestanden, die Studie von Gregory und Levy (2011) bezieht sich sogar auf 155 Vorgesetzte und 729 direkt Unterstellte ohne Führungsverantwortung. Fünf Studien hatten einen qualitativen Charakter mit kleinen Stichproben. Die Ergebnisse werden hier nur summarisch wiedergegeben, weil sich vermutlich die Coaching-Verständnisse und die jeweils zu Grunde liegenden Beziehungen zwischen vorgesetzten Führungskräften und deren gecoachten Mitarbeitern in den jeweiligen Ländern unterscheiden und genauer zu betrachten wären, als dies hier aus Platzgründen möglich ist. Böning fasst die Ergebnisse der referierten Untersuchungen wie folgt zusammen: »Bezüglich der Beziehung zwischen coachender Führungskraft und Mitarbeiter zeigte sich in den Studien deutlich, dass ein guter Rapport, Vertrauen und Commitment positive Auswirkungen haben. Eine konstruktive Kommunikation, Rückmeldungen, die Organisationskultur sowie ein direkt unterstützender und zielorientierter Umgang mit den Mitarbeitern sind außerdem wichtig. Bemerkenswert ist, wie offensichtlich ein Managerial-Coaching u. a. zu einer größeren Rollen- und Zielklarheit, zu Zufriedenheit, besseren Leistungen, stärkerer Selbstwirksamkeitserwartung und einem höheren Karriere- und Organisationscommitment führt.« (Böning, 2015, S. 94). Zusammenfassend lässt sich zur empirischen Datenlage im Hinblick auf das Coaching durch die Führungskraft konstatieren, dass in Deutschland empirische Hinweise zum Verständnis, zur Verbreitung, zu Einflussfaktoren wie zu den Effekten des Coachings durch Führungskräfte noch kaum festzustellen sind, hingegen liegen im englischen Sprachraum durchaus elaborierte Studien vor, wobei die Übertragbarkeit der dortigen Befunde auf die hiesige Relation von Mitarbeitern und Führungskräften aufgrund der unterschiedlichen gesellschaftlichen und organisationalen Kontexte, vor allem aber der interkulturell variierenden Beziehungs- und Rollenstruktur zwischen Führungskräften und Mitarbeitern eingeschränkt sein dürfte. Wir halten es daher für aufschlussreich, sich mit der historischen Entwicklung des Coachings in Deutschland anhand der vorliegenden Fachliteratur zu befassen.

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1.2 Konzeptionell-methodische Fachliteratur Aus dem Sport und der amerikanischen Wirtschaft kommend hat Coaching in der deutschen Wirtschaft insbesondere Anfang der 1980er Jahren Einzug gehalten (Rauen, 1999, S. 20 f.; Böning, 1994). Auf eine Verbesserung der fachlichen Kompetenz, der Motivation und der Leistung der Mitarbeiter ausgerichtet, setzte sich Coaching auch in Deutschland durch, wo es »besonders im Weiterbildungsbereich (Training der Führungskräfte) praktische Anwendung fand, um von dort schließlich wieder in das Alltagsgeschäft des Führens zurücktransportiert zu werden. Motto: der Vorgesetzte ist der wichtigste/beste Trainer seiner Mitarbeiter« (Böning, 1994, S. 173). Mitte der 1980er Jahre kam es, so Böning (1994), vor dem Hintergrund einer allgemeinen »Psychologisierung« der Gesellschaft zu einer Erweiterung des Coachingkonzeptes unter den Aspekten von Entwicklung, Motivation und Management. Gleichzeitig stellten Psychotherapeuten ihre entsprechend adaptierten Methoden zunehmend der Wirtschaft zur Verfügung. »Das Coaching entwickelt sich in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Beratungsdienstleistung durch einen organisationsexternen ›Coach‹, wie sich die Berater dafür nun nennen, für Manager in Spitzenpositionen« (Rauen, 1999, S. 23). Zwar getragen von einer starken »Publicity« fand Coaching in deutschen Unternehmen zunächst jedoch noch relativ selten statt (Böning, 1989). In den 1990er Jahren wird aus dem Coaching im deutschsprachigen Raum »ein regelrechter ›Modeartikel‹. Jede Art von Instruktion, Training, Gespräch, Unterricht, Anleitung usw. wird als ›Coaching‹ bezeichnet; fast jede Unternehmensberatung hat diesen Service mit im Angebot […] Diese Unübersichtlichkeit im deutschsprachigen Raum hat bis zum heutigen Tage nicht nur angehalten, sondern sich sogar noch verstärkt. Im angloamerikanischen Sprachraum wird hingegen weiterhin unter dem Coaching hauptsächlich ein entwicklungsorientiertes Führen von Mitarbeitern durch ihren (direkten) Vorgesetzten verstanden« (Rauen, 1999, S. 24; Loos, 1997; Rückle, 1992; Schreyögg, 2012). Die Entwicklung des Coachings durch die Führungskraft in Deutschland ist unseres Erachtens besser zu verstehen, wenn man berücksichtigt, dass die zuvor skizzierte Psychologisierung und die Konzeptionalisierung des Coachings von Führungskräften in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Profilierung des Coachingangebotes durch professionelle Berater geführt hat, in der es nicht zuletzt auch darum ging, ein eigenständiges Beratungsformat zu entwickeln und sich gleichzeitig vom angloamerikanischen Coachingverständnis und somit auch vom Konzept eines Coachings durch die Führungskraft abzunabeln und abzugrenzen: »Die (Weiter-) Entwicklung des Coachings hat also hauptsäch-

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lich ihre Impulse aus dem deutschen Sprachraum erhalten« (Rauen, 1999, S. 24). Diese Profilierung des Coachings von Führungskräften hat unseres Erachtens zu einer mehr oder weniger scharfen Abgrenzung vom Konzept des Coachings durch die Führungskraft geführt, im Sinne einer intendierten Trennung von Vorgesetzten- und Beratungsfunktionen. Loos (1997, S. 149) spricht vom »leistungsbewertenden Vorgesetzten-Wolf« im »partnerzentrierten Schafspelz des Beraters« (vgl. Kap. 2, 3 u. 6). Diese kritische Einschätzung durch Vertreter des sich professionalisierenden, von ausgebildeten Beratungsfachkräften durchgeführten Coachings hat jedoch offensichtlich nicht zu einer Abstinenz von Führungskräften im Hinblick auf das Coaching von Mitarbeitern geführt. Vielmehr ist zu vermuten – empirische Befunde liefert nach unserer Kenntnis erstmals die Studie von Tonhäuser (2010) –, dass die Führungspraxis in zahlreichen Unternehmen und Organisationen durchaus weiterhin mehr oder weniger ausgeprägte Coachingelemente enthält bzw. diese Praxis unseres Erachtens in den letzten Jahren sogar zugenommen hat. Ferner ist zu vermuten, dass seit den 1990er Jahren entsprechende Weiterbildungen für Führungskräfte stattgefunden haben und gegenwärtig erfolgen. Dies ist allerdings nicht empirisch untersucht – jedoch weist das Internet zahlreiche Angebote auf. Um die historische Entwicklung des Coachings durch die Führungskraft in der Bundesrepublik aufzuzeigen, bietet sich der Rückgriff auf die Fachliteratur an. Dabei beschränken wir uns auf die konzeptionell und methodisch orientierte Literatur. Wir haben die uns verfügbaren Buchveröffentlichungen durchgesehen, erheben allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Nicht berücksichtigt wurden Veröffentlichungen zum professionellen Coaching durch externe bzw. interne Coaches, die sich additiv bzw. auf nur geringem Raum mit dem Coaching durch die Führungskraft befassen, so Lippmann (2013a), König und Volmer (2009), Dollinger und Limpächer (2015), Fischer-Epe und Reissmann (2017). Folgende Gesichtspunkte finden dabei Beachtung: konzeptioneller Hintergrund, Coaching-Methoden, Haltung der Führungskraft, vor allem im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Führungs- und Coaching-Rolle und entsprechende Überlegungen zur ethischen Reflexion. Eine der ersten Veröffentlichungen stammt von Angelika Haman und Johann Huber (1991), beide selbständige Unternehmensberater. Das Buch liegt uns allerdings nur in der 4. überarbeiteten und erweiterten Auflage aus dem Jahre 2001 vor. Der Titel »Coaching. Die Führungskraft als Trainer« lässt sich mit dem oben dargestellten trainingsorientierten Coachingverständnis der 1980er Jahre in Verbindung bringen. Coaching ist, so diese Autoren, »ein von beiden Seiten bewusst

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gestalteter Entwicklungsprozess im Sinne eines Noch-­Besser-­Prozesses. Ziel des Coachings im betrieblichen Arbeitskontext ist, dass die Führungskraft den Mitarbeiter dabei unterstützt, seine Aufgaben gezielter bzw. besser wahrnehmen zu können« (Haman u. Huber, 2001, S. 3). Die Autoren gehen in ihrem Buch von einem systemisch-konstruktivistischen Coachingverständnis aus, widmen sich ausführlich der Selbstreflexion der Führungskraft, ebenso der Gestaltung des Coachingkontraktes zwischen der Führungskraft als Coach und dem Mitarbeiter als Coach. Dabei betonen sie die Vertraulichkeit des Coachings: »Am besten vereinbaren Sie mit dem Mitarbeiter, dass alle Erkenntnisse aus dem Coachingprozess nicht in der Beurteilung verwendet werden. Lediglich das verwirklichte Coachingziel wird positiv in die Beurteilung aufgenommen« (Haman u. Huber, 2001, S. 69). Methodisch orientieren sie sich neben dem systemischen vor allem am Beratungsansatz der Transaktionsanalyse. Ebenfalls im Jahre 1991 erstmals erschienen ist das Buch des Soziologen, Volkswirtes und Unternehmensberaters Reiner C ­ zichos mit dem Titel »Leistung durch Coaching. Mitarbeiterführung in einer virtuellen Arbeitswelt«, das uns allerdings nur in einer Fassung aus dem Jahre 2014 vorliegt. Das Buch bietet ein umfangreiches Kompendium unterschiedlichster Führungs- und Coachinginstrumente. Czichos spricht sich dafür aus, »dass Coaching nicht theorielos, quasi als Praxishuberei ablaufen kann. Theorien sind Konzepte, die helfen zu erkennen, was man und wie man etwas tut« (Czichos, 1991, S. 34). Allerdings fällt es uns schwer, ein stringentes Coachingkonzept zu erkennen, das die vielfältigen, unterschiedlichsten psychologischen Schulen entlehnten Techniken in Begründungszusammenhänge bringen würde. Auch mögliche Rollenkonflikte zwischen Führungs- und Coachingaufgaben sind kaum thematisiert, Czichos setzt vielmehr Coaching mit Führung gleich: »Coaching ist eine Führungsfunktion« (Czichos, 1991, S. 15). Ralf Brinkmann, Professor für Wirtschafts- und Gesundheitspsychologie, hat 1994 das Buch »Mitarbeiter-Coaching. Der Vorgesetzte als Coach seiner Mitarbeiter« veröffentlicht. Brinkmann sieht das Coaching als »reguläre Führungsfunktion, die hauptsächlich aus dem Anleiten, Beraten, Unterweisen und Fördern von Mitarbeitern besteht« (S. 10). »Coaching in diesem Verständnis lehnt sich an die Sicht der Systemtheorie und der systemischen Therapie an« (S. 11), allerdings werden diese Bezüge nicht weiter ausgeführt oder durch Literaturverweise deutlich gemacht. Die dargestellten Coachingtechniken beziehen ein weites Spektrum von klientenzentrierten bis transaktionsanalytischen Vorgehensweisen ein. Brinkmann thematisiert als einziger Autor ethische Fragestellungen des Coachings durch die Führungskraft. Er verweist dabei auf vom Vorgesetzten

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vorzulebende Kardinaltugenden, wie Weisheit, Maß/Mäßigung, Gerechtigkeit und Mut (Brinkmann, 1994, S. 96). Die Unternehmensberater Gerhard Lenz, Heiner Ellebracht und Gisela Osterhold haben 1998 das Buch »Vom Chef zum Coach. Der Weg zu einer neuen Führungskultur« veröffentlicht. Die Autoren machen ihre systemisch-konstruktivistischen Grundannahmen anschaulich und verstehen das Coaching als Führungsphilosophie, als wertorientierte Haltung und methodisches Vorgehen (Lenz et al., 1998, S. 6). Das Buch regt zur Selbstreflexion der Führungskraft im Kontext der Führungskultur des Unternehmens an, beinhaltet des Weiteren Ausführungen zu systemischen Frage- und Beratungstechniken sowie umfangreiche Fallbeispiele. Die Unternehmensberater Christian Innerhofer, Paul Innerhofer und Ewald Lang sehen in ihrem 1999 erschienenen Buch »Leadership Coaching. Führen durch Analyse, Zielvereinbarung und Feedback« vor allem in der zu fördernden intrinsischen Motivation der Mitarbeiter den Ansatzpunkt für ein »Leadership Coaching« als Führungsstil. Auf diese Weise entstehe ein Klima der Offenheit, Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit, »nach der sich ein Großteil der Menschen sehnt, aber durch innere und äußere Umstände daran gehindert wird. Es ist uns klar, dass dieses Klima nur durch eine Kultur zu verwirklichen ist, d. h. durch eine neue Form des Miteinander-Umgehens« (S. 67). In ihrem Ansatz des Leadership Coachings setzen sie auf eine Führungskultur, in der das Informations­ management zu den Hauptaufgaben des Managements zählt, und auf ein Führen durch Zielvereinbarungen, das im Buch breiten Raum einnimmt. Unter einem Coachinggespräch werden neben dem Beratungsgespräch auch andere Formen verstanden, wie etwa das Feedback-, das Konflikt- und das Motivationsgespräch. 2001 ist das Buch »Führen, Fördern, Coachen – So entwickeln Sie die Potenziale Ihrer Mitarbeiter« der Coachs Elisabeth Haberleitner, Elisabeth Deistler und Robert Ungvari erschienen. Das Buch beruht auf systemisch-konstruktivistischen Grundannahmen, die u. a. anhand von Abbildungen sehr »plastisch« werden, wobei allerdings entsprechende Quellen nicht genannt werden. Als Grundhaltungen greifen die Autoren auf die personenzentrierte Gesprächsführung nach Carl Rogers zurück (S. 67). Als »Werkzeuge« (S. 72) bieten die Autoren ein breites, konzeptionell fundiertes Kompendium an systemischen Aspekten der Beziehungsgestaltung, an Fragetechniken, des Aktiven Zuhörens, von Feedbacktechniken, des Refraimings, von Musterunterbrechungen und Mentaltechniken (Visualisierung etc.) an. Sie sprechen sich für Vertraulichkeit bezüglich der Gesprächsinhalte aus, »wobei erst die Erfahrung zeigen wird, ob der Mitarbeiter Ihnen wirklich vertrauen kann und Sie dieses Vertrauen auch verdienen. Alle Informationen und mögliche Misserfolge auf dem Weg zum Ziel

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dürfen nicht in eine Beurteilung einbezogen werden, während sich eine erfolgreiche Zielerreichung jedoch positiv auswirkt« (Haberleitner et al., 2001, S. 175). Vom Coach und Trainer Heinz-Jürgen Herzlieb stammt das 2002 erschienene Buch »Von der Führungskraft zum Coach«. »Selbstbewusste Mitarbeiter, flache Hierarchien und projektbezogenes Arbeiten erfordern einen neuen Führungsstil. Statt Aufträge zu erteilen, spart es Energie, Verantwortung zu delegieren. Wer seine Mitarbeiter in diesem Sinne in einem Coachingprozess begleitet und zu selbständiger Problembearbeitung befähigt, kann für sich und seine Mitarbeiter mehr erreichen« (Klappentext). Dementsprechend setzt sich der Autor intensiv mit Coaching als grundlegender Haltung der Führungskraft und der Umsetzung des Coachings in den Kernaufgaben der Führung auseinander, wobei die Darstellung der Methodik des nach Herzlieb in der Regel zwanzigminütigen Coachinggesprächs als zentralem Element des Coachingprozesses doch recht knapp ausfällt. »Coaching als Führungsinstrument. So fördern Sie Mitarbeiter in schwierigen Situationen« lautet der Titel des 2004 vom Diplompsychologen Ulrich Dehner und der Trainerin Renate Dehner veröffentlichten Buchs. Die Mitarbeiter in ihrer Entwicklung zu fördern, sehen die Autoren als zentrales Anliegen des Coachings in Analogie zum Sport: »Ein guter Coach analysiert die Schwachstellen, erarbeitet ein Trainingsprogramm, übt mit dem Mitarbeiter und lässt ihn mit dem neu Gelernten Erfahrungen machen« (S. 12). Eine dem Mitarbeiter wohlmeinende innere Haltung (S. 34), Diskretion (»Es muss klar sein, dass alles, was im Coaching behandelt wird, auch ausschließlich bei den beiden Personen bleibt«; S. 28), eine klare Orientierung auf die Möglichkeiten und Grenzen des Coachings sowie dessen Abgrenzung zur Psychotherapie sind nach Dehner und Dehner unter anderem wichtige Voraussetzungen für das Coaching als Führungskraft. Das ausführlich vermittelte »psychologische Hintergrundwissen für das Coaching« (S. 51) ist vor allem der Transaktionsanalyse entlehnt, ebenso die umfangreichen Anleitungen zur Problemanalyse und Intervention. Ruth Hellmich, Juristin und Coach/Trainerin, hat 2006 den Praxisleitfaden »Führen mit Coaching. Vom Potenzial zu Spitzenleistungen« herausgebracht. Hinsichtlich der psychologischen Grundlagen greift die Autorin unter anderem auf das Persönlichkeitsmodell nach Riemann, den Myers-Briggs-Typen­ indikator, das Eisbergmodell nach Freud und das Modell der Bewusstseinsebenen nach Bodhidharma zurück. Im Hinblick auf Coachingwerkzeuge stellt die Autorin unter Verwendung von Praxisbeispielen ein umfangreiches Spektrum vor, etwa vielfältige Fragetechniken, den Perspektivenwechsel, Feedback, wertorientiertes Coaching, Arbeit mit dem inneren Team und Metaphern sowie Elementen der Transaktionsanalyse. Als Voraussetzungen für ein Coaching

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durch die Führungskraft sieht die Autorin die Schweigepflicht aller Beteiligten, die möglichst durch Weiterbildung erworbenen Coaching-Kompetenzen der Führungskraft und deren Bereitschaft zur Selbstreflexion, vor allem im Rahmen eines selbst in Anspruch zu nehmenden Coachings bzw. in der Supervision der eigenen Coachingpraxis. Die Unternehmensberater Gertrud und Richard Neges haben 2008 das Buch »Führungskraft und Coaching« veröffentlicht und betrachten das Coaching von Mitarbeitern im Hinblick auf deren Entwicklung, Begleitung, Beratung und in Bezug auf entsprechende Konfliktlösungen. Als Voraussetzung seitens der Führungskraft sehen die Autoren unter anderem eine Coachingausbildung an. Vor Beginn des jeweiligen Coachingprozesses empfehlen sie »den Umgang mit Informationen genau festzulegen« (Neges u. Neges, 2008, S. 15). Die Autoren thematisieren unter der Kapitelüberschrift »Coaching-Grundlagen« Einsatzmöglichkeiten für interne und externe Coaches im Rahmen der Personalentwicklung und als Führungsaufgabe, zum methodischen Vorgehen, zur Strukturierung des Coachingprozesses und zur von den Autoren angebotenen Coaching­ausbildung. Instrumente und Techniken des Coachings werden in vielfältiger und nicht schulengebundener Weise dargestellt. In Anwendung von einzelnen, allerdings nicht weiter konzeptionell erläuterten NLP-Techniken empfehlen Neges und Neges dem Leser beispielsweise: »Anhand der Augenbewegungsmuster gemäß der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) können Sie erkennen, woher der Ein- oder Vorwand des Gesprächspartners kommt: aus dem Verstand, aus dem Gefühl aus der Vergangenheit oder aus einer zukünftigen Konstruktion.« (Neges u. Neges, 2008, S. 69). Im Falle eines vom Coachee vorgebrachten »bekannten Vorwandes ›Das muss ich mir noch überlegen‹« wird bei einem gleichzeitigen Blick des Coachee nach links oben diesem »Zukunft – Konstruktion – Notlüge« unterstellt (Neges u. Neges, 2008, S. 70).1 Jutta Kreyenberg, Diplom-Psychologin und Coach, hat 2008 das Buch »99 Tipps zum Coachen von Mitarbeitern« veröffentlicht. Die Autorin benennt den systemischen Beratungsansatz als grundlegend für ihr Coachingkonzept und verweist auf vier systemische Grundprinzipien: das ganzheitliche Denken, die Prozessorientierung, die Aufmerksamkeit auf Wirkungen und die Ressourcenorientierung (S. 12). Sie bezieht sich dabei auf Königswieser und Exner (1998) sowie Maturana und Varela (1987). »Coaching als Führungsaufgabe ist haupt1

Die Empfehlung derart verkürzter NLP-Techniken halten wir nicht nur für methodologisch fragwürdig, da hier geradezu zum »wilden Diagnostizieren« eingeladen wird, sondern auch für ethisch grenzüberschreitend.

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sächlich auch deshalb in Verruf gekommen, weil real oder in der Vorwegnahme die Befürchtung besteht, dass die Führungskraft ihre professionelle Rolle falsch einschätzt und ihre Grenzen nicht kennt« (Kreyenberg, 2008, S. 64). Deshalb fordert die Autorin die coachende Führungskraft deutlich zur Klärung von möglichen Rollenkonflikten auf: »Insbesondere den Konflikt zwischen Beraten und Beurteilen müssen Sie für sich und mit dem Mitarbeiter klären« (Kreyenberg, 2008, S. 65). Kreyenberg empfiehlt die Arbeit mit systemischen Hypothesen und Reflexionsschleifen (2008, S. 97 f.). Sie betont das offene Gespräch auf der Grundlage einer wertschätzenden Grundhaltung, warnt vor einer Überbetonung von Techniken (S. 94) und stellt drei grundlegende Interventionsmethoden in den Mittelpunkt ihrer Methodenzusammenstellung: Zuhören, Feedback geben und systemisches Fragen. Die Autorin regt zur kontinuierlichen Prozessreflexion (S. 49 f.), Selbstreflexion durch Supervision und Weiterqualifizierung durch Coachingweiterbildungen (S. 123) an. Christine Hock, Diplom Psychologin/Coach, Ingo Hock, Systemischer Berater/Coach, sowie Robert Mosell, Lehrer und Fortbildner/Coach, haben 2014 das Buch »Coaching als Führungsinstrument der Schulleitung. Chancen und Risiken für die Umsetzung an der eigenen Schule« veröffentlicht. Die Autoren gehen ebenfalls von einem systemischen Grundmodell des Coachings aus und skizzieren (ohne weiteren Literaturbezug) dieses unter anderem mit folgenden Begrifflichkeiten: Konstruktivität, Zirkularität, Ressourcen, Erfahrbarkeit von Problem und Lösung, Lösungsorientierung. Ihre reflektierende Grundhaltung kennzeichnen sie mit den Begriffen Neugierde, Offenheit und Wertschätzung. Die Autoren legen ihrem Coaching-Ansatz eine differenzierte Pyramide an Kommunikationsmerkmalen von Schulleitungen zugrunde: Auf Haltungen fußen u. a. Gesprächstypen, darauf Methoden und schließlich Techniken. Das damit verbundene Spektrum von Diagnose- und Interventionstechniken umfasst unter anderem das Aktive Zuhören, den Perspektivenwechsel, das Refraiming, das Feedback, systemische und lösungsorientierte Fragetechniken sowie Arbeit mit Bildern und Symbolen. Zur Selbstreflexion und Klärung der jeweiligen Rollenanteile des Schulleiters bieten die Autoren eine differenzierte »Positionierungsmatrix« (S. 30). Diese zeichnet sich durch acht zentrale Positionierungen im Spannungsfeld der Pole Vertrauen versus Kontrolle einerseits und inhaltliche versus Prozessorientierung andererseits aus, wobei Coaching dem Mitarbeiter ein hohes Maß an inhaltlicher Gestaltung bei gleichzeitig hohem Maß an Vertrauen gewährt, im Gegensatz zu kontrollorientierten und inhaltlich determinierenden Anweisungen. Angesichts dieser Veröffentlichung bleibt abzuwarten, ob sich hiermit ein Trend zu einer arbeitsfeldspezifischen Ausdifferenzierung des Coachings durch die Führungskraft herausbilden wird.

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Das Buch »Von der Führungskraft zum Coach. Grundlagen – Umsetzung – Praxis« (2016) wurde von den Hochschullehrerinnen Sonja Öhlschlegel-Haubrock, Jutta Rach und Juliane Wolf vom Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Münster verfasst. Zunächst stellen die Autorinnen das Konzept der transformationalen Führung nach Bass (2008) vor (vgl. Kap. 2.3). Führungskräfte benötigen demnach die Kompetenz, mit ihrer eigenen Rolle selbstreflektierend umzugehen, den jeweiligen Beratungsprozess zu steuern, entsprechendes Handwerkszeug einsetzen zu können und vor allem aus der Haltung als Coach heraus agieren zu können. Diese sollte von einer Haltung der Wertschätzung geprägt sein, die Öhlschlegel-Haubrock et al. (2016) auf den personenzentrierten Therapieansatz nach Rogers zurückführen. Die von den Autorinnen authentisch vertretene und durch Fallbeispiele plausibel dargelegte wertschätzende Haltung der Führungskraft wäre allerdings möglicherweise durch Überlegungen zur Führungsethik noch struktureller zu fundieren (vgl. Kap. 3). Im weiteren Verlauf differenzieren die Autorinnen das wichtigste »kommunikative Handwerkszeug« (Öhlschlegel-Haubrock et al., 2016, S. 32) aus, etwa das Zuhören, das Feedback, das Fragen stellen und das Benennen eines eigenen Standpunktes. Im Mittelpunkt des Buchs steht ein im Kontext eines betriebswirtschaftlichen Masterstudiums entwickeltes, erprobtes, evaluiertes Trainings- und Qualifizierungskonzept, auf das hier aus Platzgründen nicht weiter eingegangen werden kann. »Coaching als Führungsstil. Eine Einführung für Führungskräfte, Personalentwickler und Berater« lautet der Titel des von den Psychologinnen und Coaches Karin von Schumann und Tamaris Böttcher (2016) veröffentlichten, 35 Seiten umfassenden Buchs, in dem sie ebenfalls auf den Ansatz transformationaler Führung zurückgreifen. Als zentrale Coachingkompetenzen von Führungskräften beschreiben die Autorinnen Authentizität und transparente Beziehungsgestaltung, Achtsamkeit sowie Rollenklarheit und Rollenflexibilität. Nach von Schumann und Böttcher erleichtern Übergangsrituale (z. B. Platzund Raumwechsel) den Rollenwechsel und Führungsleiterbilder die Rollenklarheit. Dem Argument, dass bestimmte Aspekte der Führungsrolle nicht oder nur schwer mit der Coachingrolle vereinbar seien, halten die Autorinnen entgegen, »dass ein zeitgemäßes Führungsverständnis eben gerade die Fähigkeit, flexibel zwischen verschiedenen Rollen und Perspektiven zu wechseln, erfordert« (von Schumann u. Böttcher, 2016, S. 2). Hinsichtlich der Rahmenbedingungen des Coachings führen die Autorinnen aus: »Nur wenn eine Kooperations- und Partizipationskultur herrscht, ist ein ausreichendes Maß an Offenheit und Vertrauen in der Führungsbeziehung gegeben und damit Coaching durch die Führungskraft überhaupt möglich« (von Schumann u. Böttcher, 2016, S. 13). Ebenso ist sicherzustellen, dass Erkenntnisse aus dem Coachingprozess nicht

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»in die Bewertung durch die Führungskraft einfließen und u. U. negative Konsequenzen hinsichtlich der weiteren Karriereentwicklung zu erwarten sind« (von Schumann u. Böttcher, 2016, S. 15). Als zentrale Coachinginstrumente werden abschließend »Aktives Zuhören«, »Fragen stellen und lösungsorientiert beraten«, sowie »Feedback geben« kurz vorgestellt. Zusammenfassend lässt sich nach Durchsicht der uns vorliegenden Literatur folgende Entwicklung konstatieren: Ab Mitte der 1980iger Jahre erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland vor dem Hintergrund entsprechender Reflexionsbedarfe eine Ausformung des Coachings als professionelle Begleitung und Beratung von Führungskräften. Daneben findet sich nach wie vor die ursprüngliche Variante des Coachings von Mitarbeitenden durch Führungskräfte selbst. Zum einen lässt sich dies auf die aus den USA übernommene und weiterhin praktizierte Urform des Managerial-Coachings zurückführen, zum anderen vermutlich vor allem auf entsprechende Change-Anforderungen im Kontext von Globalisierung und Flexibilisierung, die mit einer zunehmenden Partizipations- und Reflexionsorientierung von Führung einhergehen. Die entsprechende Veränderung von Führungsstilen nimmt den motivierten, selbstreflektierten, zielorientierten, an Steuerungsentscheidungen beteiligten Mitarbeiter in den Blick, den es als Führungskraft ziel-, kompetenz- und ressourcenorientiert zu begleiten und zu beraten gilt (vgl. Kap. 2). Dies erfordert allerdings entsprechende Reflexionsund Beratungskompetenzen auf Seiten der Führungskräfte (vgl. Kap. 4.4), über deren Verbreitung uns noch keine genauen Daten vorliegen, – ein Großteil der Autoren entsprechender Veröffentlichungen fordert vielmehr eine Ausbildung für coachende Führungskräfte oder zumindest entsprechende Fortbildungen. Die Literaturdurchsicht lässt erkennen, dass es sich bei den ersten deutschsprachigen Veröffentlichungen einerseits noch um recht rudimentäre, eher wenig konzeptionell begründete, teilweise eklektizistische Methodensammlungen von Führungskräfte- und Coachingtrainern, andererseits um bereits durchaus elaborierte und im Hinblick auf die seinerzeit bedeutsamen Führungs- und Beratungsgrundsätze fundierte Coachingansätze handelt. Die aktuellen Veröffentlichungen lassen vielfach eine klare Orientierung an aktuellen Führungs- und Beratungskonzepten erkennen, zunehmend verbunden mit aufeinander abgestimmten Diagnose- und Interventionsmethoden vor dem Hintergrund eines partizipativen Führungsverständnisses und begründeter Aussagen zur Vereinbarkeit der Führungs- mit der Coachingrolle bzw. zur Bewältigung potenzieller Rollenkonflikte. Im Hinblick auf die herangezogenen Führungskonzepte findet gegenwärtig vor allem der Ansatz transformationaler Führung (Bass, 2008) Aufmerksamkeit. Vor allem in dessen Dimension »individueller Beachtung« rücken die Mentor-

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und Coach-Funktionen in den Vordergrund, indem Mitarbeiter in ihren Bedürfnissen, Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten gefördert werden (vgl. Kap. 2). Hinsichtlich des zugrunde gelegten Beratungsverständnisses finden auf die Transaktionsanalyse zurückgreifende Coachingansätze und systemische sowie lösungsorientierte Ansätze zunehmend Berücksichtigung. Einige Autoren vertreten ein eher aufgaben- und lösungsorientiertes Coachingverständnis. Die anhand der durchgesehenen Literatur erkennbar fortschreitende Personenorientierung im Sinne einer Einstellungs- und Verhaltensänderung von Mitarbeitern wirft die Frage nach einer Schweigepflicht der coachenden Führungskraft auf, die zwar von einer Mehrzahl der Autoren bejaht wird, allerdings scheint der Umgang mit möglichen offenen und latenten Rollenkonflikten in vielerlei Hinsicht noch nicht »zu Ende gedacht« (vgl. Kap. 2, 4 und 6). In dieser Hinsicht stellt sich uns auch die Frage nach entsprechenden ethischen Reflexionsgesichtspunkten, die in der Literatur bislang noch kaum thematisiert werden (vgl. Kap. 3). Lassen sich im professionellen Coaching von Führungskräften durchaus Entwicklungen im Sinne eines Persönlichkeitscoachings ausmachen (Riedelbach u. Laux, 2011), so könnte die unreflektierte Übernahme entsprechender Ansätze für das Coaching durch die Führungskraft aus unserer Sicht problematisch sein. Es sollte daher diskutiert werden, inwieweit persönliche Anteile zum Gegenstand des Coachings gemacht werden dürfen, um eine Klientifizierung der Mitarbeiter zu vermeiden und ihre Persönlichkeitsrechte zu schützen. So stellt sich die Frage, inwieweit beispielsweise der Einsatz einzelner, nicht konzeptionell rückgebundener NLP-Techniken im Coaching durch die Führungskraft beratungsmethodologisch und ethisch vertretbar ist oder etwa auch die Diagnose von Ich-Zuständen der Mitarbeiter unter Bezug auf die Transaktionsanalyse. Dies könnte angesichts ihrer scheinbar leichten Handhabbarkeit u. E. außerdem zu einer unangemessenen Komplexitätsreduzierung führen, zumal sich durchaus noch weitere als die entsprechend dieses Ansatzes fokussierten Ich-Zustände der Mitarbeiter annehmen lassen. Unsere Argumentation richtet sich keineswegs grundsätzlich gegen diese Methodenansätze, sondern soll insbesondere die Gefahr des wilden Diagnostizierens verdeutlichen, die wir darin sehen, dass Führungskräfte als Coach derartige Methodenelemente zu unreflektiert, weil zu wenig konzeptionell eingebunden und eklektizistisch, quasi kochbuchartig, verwenden. Auch hinsichtlich des systemischen Ansatzes sehen wir aufgrund der Literaturlage entsprechenden Klärungsbedarf. So verweisen einige Veröffentlichungen lediglich auf systemische Grundannahmen, während die dargestellten Techniken nicht immer darauf abgestimmt erscheinen. Allerdings weisen die neueren systemisch-konstruktivistisch und lösungsorientierten Veröffentlichungen

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zunehmend elaboriertere Ansätze aus und reflektieren auch die in früheren systemischen Coaching-Ansätzen teilweise vernachlässigte Machtfrage (vgl. Kap. 2, 4 und 6). Der Blick in die konzeptionell und methodisch orientierte Fachliteratur ermöglicht nur ein sehr begrenztes Bild auf die historische und aktuelle Entwicklung des Coachings durch die Führungskraft. Dabei ist zu konstatieren, dass die einzelnen Veröffentlichungen noch kaum Bezug auf vorausgegangene nehmen. Es gibt derzeit in Deutschland noch kaum eine wissenschaftliche Debatte, keine Standards zu Ausbildungsanforderungen und zur qualifizierten, ethisch fundierten Durchführung des Coachings durch die Führungskraft, sowie – von einigen Fortbildungen abgesehen – noch kaum Fachdebatten oder -kongresse und erst wenige empirische Befunde. In diesem Zusammenhang ist anzunehmen, dass sich das Coaching durch die Führungskraft weiterhin relativ unreguliert aufgrund entsprechender Eigeninitiativen von Führungskräften und deren Mitarbeitenden verbreiten wird und diese Praxis zukünftig noch zunehmen wird. Dafür spricht auch die in jüngster Zeit rasant wachsende Führungsliteratur. In dieser wird infolge der – angesichts der Unübersichtlichkeit des Arbeitslebens – stetig steigenden Reflexions- und Beratungsbedarfe dem Coaching durch die Führungskraft vielfach ein zentraler Stellenwert beigemessen (vgl. Kap. 2). Im nachfolgenden Kapitel stehen deshalb diese neuen Dimensionen des Führungshandelns im Mittelpunkt der Betrachtung.

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Neue Dimensionen des Führungshandelns

Dass Führung heute in einer Krise steckt, lässt sich nicht zuletzt durch die fast nicht mehr zu überblickende Fülle von neuen Titeln zu dem Thema eindrucksvoll belegen. Die jeweiligen Adjektive, die die neue Qualität der Führung in ihren Buchtiteln proklamieren, lauten bspw. komplementär, vertrauensbasiert, balanceorientiert, digital, gesund, visuell, dialektisch, postheroisch, angstbewusst, respektvoll, verhaltensorientiert, evolutionär, spirituell, geteilt etc. Die Liste entsprechender Publikationen aus der jüngsten Zeit ließe sich beliebig verlängern. Die sogenannte VUKA-Welt stellt nicht zuletzt die Führung vor neue Herausforderungen. Mit dem Akronym »VUKA«, das zuerst um 1990 im amerikanischen Militärvokabular kreiert wurde, wird das Unfassbare in einem Begriff wieder fassbar (Ehmer et al., 2016, S. 26 f.). Angesichts der Herausforderungen in der VUKA-Welt, die zunehmend durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität gekennzeichnet ist, stellt sich die Frage, ob Arbeitsorganisationen noch mit traditionellen hierarchischen Strukturen und Vorstellungen von Leitung geführt werden können. Die dynamischen organisationalen und gesellschaftlichen Veränderungen, der Mangel an Vorhersehbarkeit und Planbarkeit von Ergebnissen, die Wechselwirkungszusammenhänge zwischen Ereignissen, Sachverhalten und Prozessen und die Vieldeutigkeit in einer diversifizierten Umwelt lassen das lineare Denken mit seinen Versuchen, kausale Zusammenhänge herzustellen, an seine Grenzen stoßen. Hierauf deuten die empirischen Befunde hin, mit denen wir uns im in einem ersten Schritt beschäftigten. Heute ist eine systemische Sichtweise gefordert, wie sie bereits Peter M. Senge (2011) in seinem Buch »Die fünfte Disziplin« beschrieben hat. Aus dieser Perspektive werden wir uns zweitens mit Konzeptualisierungen von Führung auseinandersetzen, die uns einen Blick über einzelne Führungsansätze hinaus eröffnen, die dann drittens Gegenstand unserer Betrachtung sein werden. Führung lässt sich nur in einem organisationalen Kontext verstehen; deshalb beschäftigen uns im Zuge einer steigenden externen und internen Vernetzung viertens unterschiedliche Organisationsmo-

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delle und Fragen der Verlagerung der Steuerungsintelligenz in Organisationen. Sowohl die empirischen als auch die theoretischen Befunde legen den Schluss nahe, dass Führung im 21. Jahrhundert grundsätzlich neu zu denken ist. Ausgehend von diesen Überlegungen plädieren wir fünftens dafür, neben den traditionellen Aufgaben von Management und Führung als eine dritte Dimension, das Transflexing zu verankern. Als Transflexing bezeichnen wir unter anderem das Coaching durch eine unmittelbar vorgesetzte Führungskraft. Wodurch sich ein Transflexing auszeichnet, darauf werden wir noch ausführlich eingehen und diesen Gedanken in den nachfolgenden Kapiteln systematisch weiterverfolgen.

2.1 Empirische Befunde zum Thema Führung Wenden wir uns zunächst einigen empirischen Befunden zum Thema Führung zu. Die Indizien sprechen dafür, dass eigene Erfahrungen mit Führungskräften ein Grund sein könnten, dass seit Jahren immer weniger Fachkräfte bereit sind, Führungsverantwortung zu übernehmen. Wie die Ergebnisse der wiederholten Befragungen der Personalberatung Odgers Berndtson (2015) im deutschsprachigen Raum offenbaren, zeigt sich unter Führungskräften eine zunehmende Führungsmüdigkeit. Die Hälfte der Führungskräfte lehnt einen weiteren Aufstieg ab. »Führungskräften ist eine ausgewogene Balance zwischen Beruf und Privatleben zunehmend wichtiger – so wichtig, dass Manager auf die nächste Herausforderung bzw. Hierarchiestufe teilweise verzichten« (Berndtson, 2015, S. 2). Vor allem Jüngere – die sogenannte Generation Y – sowie weibliche Führungskräfte »hätten heute weniger Interesse daran, Führungsverantwortung zu übernehmen, als das früher der Fall war« (Maaß, 2014). Die Ergebnisse sollten Organisationen dazu veranlassen, ihren Fokus stärker auf das Thema der guten Führung zu richten. Das Zeitalter der heroischen Führungskräfte scheint sich endgültig dem Ende entgegenzuneigen, auch wenn – wie noch auszuführen sein wird – in Abhängigkeit von dem organisatorischen Reifegrad solche Führungsstile nicht gänzlich aussterben werden. Wurde früher insgesamt noch stärker in Hierarchieebenen gedacht und mehr Wert auf Titel und mit der Position verbundene Privilegien gelegt, so ist es Führungskräften heute wichtiger, ihre persönlichen Stärken und Begabungen einzusetzen, Freude an der Führungsaufgabe zu empfinden sowie sich mit attraktiven Arbeitsinhalten zu beschäftigen. Wesentliche Nachteile werden in der abnehmenden persönlichen Kommunikation sowie der Verschlechterung des Führungsverhaltens infolge der Digitalisierung gesehen (Berndtson, 2015, S. 12, 28).

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Neue Dimensionen des Führungshandelns

Den Führungskräften ist die Lust vergangen, Entscheidungen zu treffen. Auf globaler Ebene lässt sich die Tendenz konstatieren, die Verantwortlichkeiten des Handelns zu externalisieren, wie es der Soziologe Stephan Lessenich (2016) brillant beschreibt. So treten z. B. die Folgen unseres Umgangs mit Ressourcen bei uns nicht so sichtbar zu Tage wie in anderen Regionen der Welt. Dieser Mechanismus funktioniert aber nicht immer, wenn es um Entscheidungen in unserem sozialen Nahraum geht. Gerd Gigerenzer (2013), Leiter der Abteilung für Risikokompetenz am Max-Planck-Institut in Berlin, spricht davon, dass wir in einer Zeit leben, in der die Akteure der Gesellschaft immer weniger Verantwortung übernehmen möchten. Aus Furcht vor den unkalkulierbaren Risiken träfen die Menschen lieber keine Entscheidung; so tritt das Reagieren an die Stelle des Agierens. »Wir legen uns nicht mehr fest, sondern lassen uns festlegen« (Gilbert, 2017, S. 22). So tendierten bspw. Ärzte dazu, ihren Patienten das zu empfehlen, was sie selbst vor Klagen am besten schützt. Die Symptome der Entscheidungsschwäche sieht man in der Wirtschaft an ausufernden Rechtabteilungen. In einer überkomplex empfundenen Welt greifen die Führungskräfte von Wirtschaft, Verwaltung und Politik gerne auf risikoarme Abstimmungsrituale zurück und scheuen die individuelle Entscheidungscourage. Dadurch bedingt, entsteht eine negative Fehlerkultur, ja zum Teil sogar eine Angstkultur. Die Diesel-Affäre bei VW sei »keine Konsequenz aus einem Übermaß an Fehlentscheidungen gewesen, sondern die Folge fehlender verantwortungsvoller Entscheidungen« konstatiert Gilbert (2017, S. 23) mit Bezug auf Gigerenzer. Wie kann es uns angesichts komplexer Probleme, unter zeitlichen und wissensmäßigen Begrenzungen trotzdem gelingen, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen? Vielleicht bietet es sich eher an, Entscheidungen als temporäre Hypothesen zu betrachten, den Anspruch auf absolute Wahrheiten aufzugeben und die Fähigkeiten zu schulen, das, was Menschen als ihre momentane Wirklichkeit betrachten, einer permanenten Überprüfung zu unterziehen. Die aufgezeigten Phänomene deuten auf einen fundamentalen Wandel hin, der sich gerade vollzieht. Vernetzung und Digitalisierung sind Voraussetzungen dafür, dass sich »Führungskultur weg von der Hierarche hin zu mehr Kooperation und Zusammenarbeit verschiebt« (Grabmeier, 2014, S. 5 f.), wofür auch Gray u. Vander Wal (2012) plädieren. Eine im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums von der Unternehmensberatung nextpractice durchgeführte Studie (Kruse u. Greve, 2014) zeigt deutlich auf, wie die skizzierten Veränderungsprozesse zu einem grundlegenden Wandel in Bezug auf das Verständnis von Führung beitragen. Weniger als jede zweite von den 400 interviewten Führungskräften glaubt, dass der gegenwärtig in Unternehmen praktizierte Führungsstil den Anforderungen der Zukunft genügt; gut dreiviertel der Befragten sind davon

Empirische Befunde zum Thema Führung

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überzeugt, dass es eine grundsätzlich andere Führungspraxis braucht, einen Paradigmenwechsel in der Führungskultur. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die »Führungsanforderungen vom Prinzip ›starke Persönlichkeit‹ in den 1950er bis 1980er Jahren, über das Prinzip ›effiziente Zielerreichung‹ ab den 1990er Jahren« verschoben (Pundt u. Greve, 2017, S. 14). Heute lauten die proklamierten Führungsprinzipien: kooperative Teamarbeit, iterativ testende Agilität, dynamische Vernetzung und solidarische Inte­gration. Allerdings entsteht, wie die Studie von nextpractice zeigt, eine Kluft zwischen den so formulierten notwendigen Anforderungen an Führung und der heute noch anzutreffenden Führungsrealität. »In der Studie stimmen die Befragten auch überein, dass Steuerung und Regelung angesichts der Komplexität der künftigen Arbeitswelt nicht mehr angemessen sind« (Kruse u. Greve, 2014, S. 15). Dass die neuen Leitlinien für Führung und Zusammenarbeit aber vereinzelt durchaus schon in der betrieblichen Praxis angekommen sind, zeigt das Beispiel des Hamburger Internethändlers Otto. Hier wurde unter Beteiligung verschiedener Mitarbeitendengruppen und Hierarchien ein »neues Führungsverständnis mit sieben neuen Führungsrollen entwickelt: 1. Vorbildrolle, 2. Strategie, 3. Change Manager und Innovator, 4. Komplexitätsmanager, 5. Transparenter Vernetzer, 6. Talentmanager und Coach sowie 7. wirksamer Umsetzer« (Pundt u. Greve, 2017, S. 18). Dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es heute ist, dass Menschen in Führungspositionen aus der operativen Handlungsebene situativ schnell in die Rolle eines Coaches gehen können, um so Fachexperten in ihren Teams einen Entscheidungsfreiraum zu eröffnen. Die Einschätzung der nextpractice-Studie zur guten Führung wird durch die Ergebnisse des Gallup-Instituts bestätigt, das seit 2001 regelmäßig Umfragen zum Arbeitsumfeld und zur Arbeitszufriedenheit von deutschen Arbeitnehmern macht. Während sich 97 % der befragten Führungskräfte selbst ein positives Urteil ausstellen und sich nach eigenem Befinden als gute Führungskräfte einschätzen, sehen das ihre Mitarbeitenden ganz anders. Insgesamt sagt gerade einmal jeder fünfte Arbeitnehmer (21 %) »die Führung, die ich bei der Arbeit erlebe, motiviert mich, hervorragende Arbeit zu leisten«. Bei den hoch gebundenen sind es 66 %, bei den Arbeitnehmern mit geringer oder ganz ohne

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Bindung nur 15 bzw. 3 %. Fast jeder fünfte Mitarbeiter (18 %) hat in den vergangenen zwölf Monaten wegen seines direkten Vorgesetzten daran gedacht, zu kündigen – in der Gruppe der »Inneren Kündiger« sogar fast jeder Zweite (45 %). Etwa zwei von drei Arbeitnehmern (69 %) geben an, im Lauf ihres Arbeitslebens mindestens einmal Erfahrungen mit einem schlechten Vorgesetzten gesammelt zu haben (Gallup, 2017, S. 15). An der Kluft, die sich hier bezüglich der Führungsqualität zwischen den Wünschen der Mitarbeitenden und der Einschätzung der Führungskräfte auftut, hat sich – wie ein Vergleich mit den Befragungsergebnissen der letzten Jahre zeigt – leider nichts geändert. Gefragt nach dem, was die Arbeitnehmer von den sie beschäftigenden Unternehmen erwarten, tun sich bei dem Item »hervorragende Führungskraft« besonders große Unterschiede zwischen Wunsch und Wirklichkeit auf. Die Zahl der Mitarbeitenden mit einer geringen Bindung zu ihrem Unternehmen verharrt bei 70 %. Die restliche Belegschaft weist zu je 15 % eine hohe oder keine Bindung auf. Rechnet man diese Zahlen hoch, so bedeutet es, dass mehr als 5 Millionen der Erwerbstätigen in Deutschland innerlich bereits gekündigt haben. 45 % derjenigen, die keine Bindung aufweisen, haben innerhalb der vergangenen 12 Monate aufgrund Ihres direkten Vorgesetzten daran gedacht, Ihr derzeitiges Unternehmen zu verlassen, und 18 % sind aktiv auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Die krankheitsbedingten Fehlzeiten liegen bei dieser Personengruppe um ca. drei Tage höher als bei denen mit einer geringen bzw. hohen Bindung. Laut Statistischem Bundesamt kostet ein Fehltag 261 €. Das heißt, bei 15 % der Mitarbeitenden entstehen Fehlzeitenkosten von ca. 12.000 € pro Jahr. Um jemanden, der innerlich gekündigt hat, zu kompensieren, bräuchte man das Vierfache an Mitarbeitenden mit hoher emotionaler Bindung. Dass innere Kündigungen mit erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden sind, liegt auf der Hand. Das Gallup-Institut beziffert den Schaden aufgrund von innerer Kündigung auf eine Summe zwischen 80,3 und 105,1 Milliarden Euro jährlich (Nink, 2017). Neben den monetären Aspekten bedeutet gerade in Zeiten des Fachkräftemangels eine hohe emotionale Mitarbeiterbindung einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Die Gallup-Studien belegen, dass sowohl die Verweildauer von Mitarbeitenden im Unternehmen als auch ihre Produktivität in erster Linie vom Führungsverhalten des direkten Vorgesetzten abhängen. Exemplarisch soll hier ein Mann zu Wort kommen, der nach einer zehnjährigen Arbeitszeit als Entwickler in einem technischen Beruf frustriert feststellen musste, dass in ›seinem‹ Unternehmen alle seine Vorschläge und Wünsche nach Veränderung ignoriert wurden, und er deshalb kündigte und nun in die Beraterbranche wechselt und deshalb pädagogische Organisationsberatung an einer Hochschule studiert. In

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einem Projektbericht reflektiert er seine Entscheidung und schreibt: »Ich habe angefangen mir Gedanken darüber zu machen, was mir dort fehlt und was ich verändern möchte. Ich stellte fest, dass mich mein Vorgesetzter nicht fragte, wie es mir geht, ob ich meine Arbeitsaufgabe verstanden habe und wie der Stand der Arbeit ist usw. Mein Chef ging davon aus, er kann Herrn M. eine Aufgabe geben und der macht das dann. ›Zu kurz gedacht!‹, sage ich. Ich brauche eine Führungskraft, die ein allumfassendes Interesse an mir als Mitarbeiter, Mensch und meiner inneren Haltung hat; dann fühle ich mich wohl und kann Ideen entwickeln und kreativ arbeiten.« Das Beispiel macht deutlich, wie wichtig der kontinuierliche Dialog zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden ist; er ist einer der wichtigsten Hebel, um die emotionale Bindung am Arbeitsplatz zu erhöhen. Doch laut aktuellem Engagement Index hat nur gut jeder zweite Mitarbeiter (56 %) in den letzten zwölf Monaten überhaupt einmal mit seinem Vorgesetzten über seine Leistungen gesprochen. Nur 14 % der Mitarbeiter berichten von einem kontinuierlichen Austausch mit dem Vorgesetzten über das Jahr hinweg. Und selbst dort, wo er stattfindet, verfehlen Mitarbeitergespräche oft ihr Ziel, die Arbeitsleistung nachhaltig zu verbessern. Lediglich knapp vier von zehn Beschäftigten (38 %) stimmen der Aussage »die Rückmeldung, die ich zu meiner Arbeit bekomme, hilft mir, meine Arbeit besser zu machen« ohne Wenn und Aber zu (Gallup, 2017, S. 35). Diese Ergebnisse lassen nur einen Schluss zu: Der Führung fehlt es an Beziehungs-, Kommunikations- und Reflexionskompetenz. Nicht nur an den persönlichen Fähigkeiten und Interessen von (potenziellen) Führungskräften, sondern auch an den strukturellen Rahmenbedingungen gilt es zu arbeiten, wie eine Studie der Hochschule für angewandtes Management in Berlin zeigt, in der über 10.000 Beschäftigte befragt wurden. Demnach wird die Lernkultur in den Unternehmen oft als mangelhaft beurteilt: »Insgesamt schätzt nur eine kleine Minderheit (8 %) der Befragten die Lernkultur in ihrem Unternehmen als gut bzw. sehr gut ein« und »nur insgesamt ein Drittel der Befragten (29 %) (empfindet) Weiterbildung und Lernen als gelebte Werte im Unternehmen« (Graf et al., 2016, S. 60). Da sich die Selbststeuerung von Lernprozessen bei den Mitarbeitern noch nicht flächendeckend etabliert hat, wird es künftig vermehrt darauf ankommen, die Lernenden in ihren Lernprozessen zu begleiten und zu unterstützen. Dies stellt besondere Anforderungen an die Führungskräfte, als Lerncoaches ihrer Mitarbeiter zu fungieren. Bevor sie dies tun können, sollten Sie aber selbst ihre Lernanstrengungen und Reflexionsfähigkeiten z. B. durch kollegiale Beratung, Coaching und Supervision intensivieren. Der Gallup-Studie zufolge haben 2016 lediglich 40 % der Führungskräfte eine Weiterbildung besucht, um den Umgang mit ihren Mitarbeitern zu verbessern.

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Neue Dimensionen des Führungshandelns

2.2 Konzeptualisierungen von Führung

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Über den Begriff der Führung wird versucht, das Zusammenleben und Zusammenarbeiten von Menschen in Vergemeinschaftungsprozessen und institutionalisierten Kontexten zu erfassen. Die Regeln, Normen und Werte, die das wechselseitige Aufeinander-Einwirken bestimmen, oszillieren zwischen den Polen Zwang und Freiwilligkeit. »Dass die Frage, wie man andere und sich richtig führt, in der Demokratie ebenso virulent ist wie in der nationalsozialistischen und der sozialistischen Diktatur, verweist auf die Anpassungsfähigkeit des Führungsbegriffs und seine generelle Bedeutung« (Schaarschmidt, 2017). Nachdem die Verwendung des Führungsbegriffs aufgrund der deutschen Geschichte des Nationalsozialismus bis weit in die 1970er Jahre ein Tabu war, findet der Begriff in den letzten beiden Jahrzehnten wieder verstärkt Eingang in den wissenschaftlichen Diskurs. Dabei wird häufig zwischen Selbstführung, der Führung von Menschen und der von Organisationen unterschieden (Seliger, 2016). Systemisch betrachtet ist Führung eine unmögliche Möglichkeit. Führung kann mit Baecker (2003, S. 281) als »die Kommunikation des Jas unter der Bedingung, dass im System nichts unwahrscheinlicher ist, wie das Ja« verstanden werden. Das Paradox der Führung besteht in ihrer Unmöglichkeit und zugleich ihrer Notwendigkeit. Diese versucht Orthey (2013) pentagrammatisch zu erfassen. Er unterscheidet fünf Dimensionen von Führung: 1. Die Aufgabendimension deckt die sachbezogenen Aspekte von Führung ab und ist für die Zielerreichung von Bedeutung. 2. Die Organisationsdimension rückt die Organisation als soziales System hinsichtlich seiner Entwicklung in den Blickpunkt. 3. In der Kulturdimension geht es um den kulturellen Kitt jenseits formaler Strukturen und Prozesse, also um die Haltungen, aus denen das Handeln erwächst. 4. Auf der Personendimension ruht das Fünfeck; in der Persönlichkeitsentwicklung wird die Basis von Führung verortet. 5. Die Beziehungsdimension fokussiert die Themen der sozialen Beziehungsgestaltung mit Blick auf die Potenziale der Beziehungsentwicklung. Die Kunst der Führung besteht darin, alle fünf Aspekte gut auszubalancieren, damit nicht einzelne Dimensionen in den Schatten der Betrachtung gelangen. Dies kann auch dadurch geschehen, dass ein Aspekt so stark ausgeleuchtet wird, dass die anderen automatisch weniger wahrgenommen werden. Nach Orthey

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Konzeptualisierungen von Führung

(2013, S. 65) kann die Führungskonversation situativ und kontextbedingt unterschiedliche Formen annehmen. Er unterscheidet im inneren Fünfeck der Führungsstile, den direktiven, organisierenden, modellbildenden, coachenden und dialogischen Führungsstil. Diese sind unmittelbar den fünf Dimensionen von Führung zugeordnet (siehe Abbildung 1).

Führungsstil

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coachend Person Umwelt Abbildung 1: Führungsdimensionen und Führungsstile (Quelle: eigene Darstellung nach ­Orthey, 2013, S. 70)

Der zentralen Dimension der Persönlichkeitsentwicklung ist der coachende Führungsstil zugeordnet. Wenn hier von Führungsstil die Rede ist, kann darunter mit Staehle (1994, S. 314) ein »langfristig stabiles, situationsvariantes Verhaltensmuster« einer Führungsperson verstanden werden. Das zentrale Kennzeichen des coachenden Führungsstils besteht nach Orthey darin, dass der Modus »Coaching« auf Hilfe zur Selbsthilfe angelegt ist. Auch wenn die Führungskraft alle anderen Dimensionen von Führung im Blick hat, so »denkt und gestaltet sie jedoch von der Personenorientierung her« (­Orthey, 2013, S. 79). Merkmale des coachenden Führungsstils sind die folgenden: ■■ Jede Veränderung ist Selbstveränderung, ■■ die Führungskraft ist für die Struktur und den Prozess des Coachings verantwortlich, der Mitarbeitende für das Ergebnis, ■■ die Führungskraft prüft die Umsetzbarkeit der Ergebnisse und klärt Verfahren zur Ergebniskontrolle,

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Neue Dimensionen des Führungshandelns

■■ die entstehende Führungswirklichkeit ist auf die Mitarbeitenden hin justiert und ■■ es gilt, diesen Modus als eine Ausprägung der Gestaltung der Führungsrolle gut zu verdeutlichen.

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Der coachende Führungsstil kann sich mit seinen Interventionen durchaus auf die anderen Führungsdimensionen beziehen; so z. B. auf die aufgabenbezogene Projektsteuerung eines Projektleiters, auf die eskalierte Konfliktsituation zwischen zwei Mitarbeitenden bzw. auf die Identifizierung des nächsten Entwicklungs- und Karriereschrittes einer Nachwuchskraft. Da der coachende Führungsstil auch immer eine Beziehungsgestaltung zwischen coachender Führungskraft und gecoachtem Mitarbeitenden beinhaltet, wollen wir uns auch näher dem dialogischen Führungsstil zuwenden, der auf Kooperation, Kontakt und Integration angelegt ist. Merkmale des dialogischen Führungsstils sind die folgenden: ■■ Die Haltung der Achtsamkeit und des ernsthaften Interesses macht es möglich, ein Thema in seinen Facetten zu erkunden, ein gemeinsames Verständnis vom Ziel herzustellen und lösungsorientiert zu bearbeiten, ■■ der Dialog wird von der wechselseitigen Wertschätzung getragen, ■■ die Mitarbeitenden werden zu Beteiligten, ■■ die Führungskraft integriert Feedbackelemente bezogen auf Situation und Person und ■■ es gibt verbindliche und überprüfbare Vereinbarungen zum Abschluss (Orthey, 2013, S. 81 f.). Das systemische pentagrammatische Verständnis von Führung offenbart, dass Führung stets unterschiedlichen Handlungslogiken der verschiedenen Dimensionen folgt und dabei unterschiedliche Führungsstile erforderlich macht. Wenn es zutreffend ist, »dass wir eigentlich in jeder Situation höchstens fünf Prozent von dem wissen, was wir wissen sollten, um verantwortlich handeln zu können« (Schmid, 2015, S. 419), dann wird sehr schnell deutlich, dass Führung nicht mit richtig oder falsch, sondern vielmehr im Sinne ihrer Brauchbarkeit als mehr oder weniger angemessen, bezeichnet werden kann. Führung in der sogenannten VUKA-Welt kann sich nicht darauf beschränken, lediglich kontext-, sach-, organisations-, kultur-, personen- oder beziehungsbezogen zu intervenieren, sie ist stets aufs Neue herausgefordert, im Sinne des Lernens zweiter und dritter Ordnung, ihr eigenes Handeln metakommunikativ zu reflektieren. Die Notwendigkeit zur Reflexion beginnt bei der Füh-

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rungskraft selbst (Selbstführung) und setzt sich fort in der Auseinandersetzung mit Fremdbildern über das eigene Führungsverhalten, um schließlich in einem dritten Schritt die Selbsteinschätzung und das Fremdbild in einen Dialog zu überführen (Riedelbauch u. Laux, 2011). Das Pentagramm der Führungsdimensionen lässt sich zu diesem Zweck auch als Reflexionsinstrument in Form einer Führungsspinne nutzen (Orthey, 2013, S. 121). Die Aspekte der Betrachtung können dabei, jeweils bezogen auf die fünf Dimensionen, die folgenden sein: ■■ ■■ ■■ ■■

die Anteile an der Führungstätigkeit, die Wichtigkeit im Führungshandeln, die Einschätzung der Führungskompetenz und die Beurteilung des präferierten Führungsstils.

Je stärker das jeweilige Merkmal ausgeprägt ist, desto stärker wandert es aus dem Zentrum der Spinne nach außen. Auf Unterschiede, die aus einer kulturkreis- und länderspezifischen Ausprägung einzelner Dimensionen resultieren, kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden; es sei lediglich mit dem Hinweis auf Hofert (2016, S. 59 f.) darauf verwiesen.

2.3 Die Entwicklung unterschiedlicher Führungsansätze Das im letzten Abschnitt entwickelte Meta-Modell von Führung lässt sich so interpretieren, dass es in der Lage ist, in sich unterschiedliche Führungsmodelle zu vereinen, die alle darauf ausgerichtet sind, ein jeweils als erfolgreich angesehenes Führungsverhalten wahrscheinlicher zu machen. Ein Blick in die Historie zeigt, wie eigenschaftstheoretische Ansätze von verhaltenstheoretischen und später von situativen Ansätzen abgelöst werden (Weinert, 1998). Letztere weisen darauf hin, dass es auf eine Verhaltensvariabilität der Führungskraft ankommt. Diesen Konzeptionen und Modellen von Führung ist gemeinsam, dass sie quasi von einem Subjekt-Objekt-Verhältnis mit einer linearkausalen Beeinflussung zwischen Führungskraft und Geführtem ausgehen. Der Fokus liegt auf der Führungskraft, die durch ihr Handeln die entscheidenden Impulse setzt. Mit dem Begriff der transaktionalen Führung wird der Blick darauf gerichtet, dass Führung auf einem Austauschverhältnis zwischen der Führungskraft und ihren Mitarbeitenden beruht (Burns, 1978). Auf dieser Grundlage soll deshalb in Zielvereinbarungen geregelt werden, welche Erwartungen an die Mitarbeitenden gerichtet werden, und welche finanziellen oder immateriellen Vorteile diese zu erwarten haben, wenn sie die Anforderungen erfüllen.

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Neue Dimensionen des Führungshandelns

Allerdings gelingt es mit traditionellen Zielvereinbarungen und Anreizsystemen nur sehr selten, »Erfolgsfaktoren wie Vertrauen, Loyalität, intrinsische Motivation oder Teamgeist zu bewirken. Dazu benötigt man transformationale Führungskompetenzen« (Pelz, 2016, S. 110). Eine Antwort hierauf ist das Konzept der transformationalen Führung (Bass u. Avolio, 1990), dessen Anspruch es ist, einen Rahmen dafür zu schaffen, dass sich das Verhalten, die Werte und Motive von Mitarbeitenden transformieren. Die transformationale »grenzt sich von der transaktionalen Führung ab, indem die Führungskraft jenseits eines blanken Leistungsmanagements (transaktionaler Austausch Arbeit gegen Geld) vier transformationale Funktionen« (­Sedlaczek u. Webers, 2015, S. 441) unterscheidet:

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■■ Idealisierte Einflussnahme: Vorbild und Vertrauen (Identifi­kation) Idealized Influence spricht die Vorbildfunktion der Führungskräfte an, die den Mitarbeitern eine Identifikation ermöglicht. Idealisierte Einflussnahme bedeutet, dass Führungskräfte authentisch ein konsistentes Führungsverhalten an den Tag legen und sie für ihre Mitarbeitenden verlässlich und berechenbar agieren, wobei sie ihr Verhalten an ethischen Standards orientiert. Auf diese Weise können die Mitarbeitenden ihnen Vertrauen und Respekt entgegenbringen und sich mit den Führungskräften identifizieren. ■■ Inspirierende Motivation: Ziele und Visionen (Inspiration) Inspirational Motivation verweist auf die Fähigkeit der Führungskräfte, Ziele und attraktive Visionen zu vermitteln, um so Sinnhaftigkeit zu erzeugen. Inspirierende Motivation bedeutet, dass Führungskräfte ihre Ziele überzeugend kommunizieren, indem sie das Warum deutlich machen, nachvollziehbare Forderungen vermitteln und den Mitarbeitenden gegenüber Zuversicht in deren Fähigkeiten und Kompetenzen zum Ausdruck bringen. Damit bringen sie ihre Wertschätzung zum Ausdruck und vermitteln den Mitarbeitenden das Gefühl, einen wesentlichen Beitrag zum Gesamterfolg der Organisation zu leisten. ■■ Intellektuelle Stimulation: Neue Sichtweisen und kreative Lösungen (­Stimulation) Intellectual Stimulation beschreibt die Anregung der Mitarbeiter durch die Führungskräfte, über Dinge stets aufs Neue nachzudenken sowie Annahmen und Werte zu hinterfragen. Intellektuelle Stimulation bedeutet, dass Führungskräfte ihre Mitarbeitenden ermutigen, neue kreative Dinge und Wege auszuprobieren, tradierte Denk- und Verhaltensweisen in Frage zu stellen, um so die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Organisationen in die Lage versetzt werden, auf die Herausforderungen der sogenannten

Die Entwicklung unterschiedlicher Führungsansätze

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VUKA-Welt adäquat zu reagieren. Dies setzt eine angstfreie Atmosphäre voraus, die fehlerfreundlich ist. Wie der zuletzt genannte Aspekt außerhalb von Institutionen bereits gelebt wird, zeigen bspw. die ›FuckUp-Nights‹, in denen Unternehmer von ihrem Scheitern berichten. ■■ Individuelle Berücksichtigung: Bedürfnisse und Kompetenzen (Coachen) Individualized Consideration rückt die Mentor- und Coach-Funktion in den Vordergrund, indem der Mitarbeiter individuell in seinen Bedürfnissen, Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten gefördert wird. Individuelle Berücksichtigung bedeutet, dass Führungskräfte die Fähigkeiten und Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden erkunden und sich um deren systematische Weiterentwicklung kümmern, indem sie sich als Mentor und Coach anbieten bzw. dafür Sorge tragen, dass dafür die entsprechenden strukturellen Voraussetzungen geschaffen werden. Dazu ist es erforderlich, ein unterstützendes Klima des Vertrauens und der wechselseitigen Wertschätzung aufzubauen und zu pflegen.

Die moderne Hirnforschung beschreibt ebenfalls diese Funktionen, wenn sie darauf hinweist, von welch zentraler Bedeutung es in Lernprozessen ist, Menschen einzuladen, zu inspirieren und zu ermutigen (Hüther, 2015a, S. 16); mit Bezug auf die vierte Dimension, das Coachen, ist noch die Funktion des Ermöglichens zu ergänzen. Besonders in Zeiten, die sich durch eine hohe Komplexität, ein wachsendes Maß an Dynamik, gesteigerte Anforderungen an die Flexibilität sowie einen zunehmenden Vernetzungsgrad der Interaktionen auszeichnen, und deshalb ein Segeln auf Sicht erfordern, sind Führungskräfte in ihrer Rolle als Ermöglicher gefordert. Diese fördern »Selbstorganisation und ein inkrementelles Vorgehen in iterativen Schleifen« (Kruse, 2014, S. 28). Von Führungskräften zu erwarten, sie könnten stets alle vier Funktionen der transformationalen Führung gleichermaßen berücksichtigen, wäre ein wirklichkeitsfremder und auch inhumaner Absolutheitsanspruch. Transformational führt jeder, der in seinem Führungshandeln mehr transformationale als transaktionale Aspekte berücksichtigt. »Transformationale Führung ist also kein Alles-oder-Nichts-Prinzip, sondern entspricht vielmehr einer auf diesen Kernkomponenten beruhenden wertschätzenden Haltung gegenüber dem Mitarbeiter und dem Selbstverständnis der Führungskraft als Coach und Mentor« (Öhlschlegel-Haubrock, Rach u. Wolf, 2016, S. 22). Die vier Funktionen kommen zum Tragen unabhängig davon, ob dies intendiert geschieht. So können ehemals sinnvolle Verhaltensweisen dysfunktional werden, wenn sich der Kontext und das Unternehmensumfeld ändern. Alte

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Neue Dimensionen des Führungshandelns

Muster können dann zu einer Lernbarriere werden. Scharmer (2009, S. 131 ff.) unterscheidet vier solcher Lernbarrieren, die sich im Denken und Handeln ergeben können: ■■ ■■ ■■ ■■

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nicht erkennen, was man sieht, nicht sagen, was man denkt, nicht tun, was man sagt und nicht sehen, was man tut.

Ein Coaching, das die Führungskraft selbst in Anspruch nimmt, eröffnet ihr Freiräume zur Selbstreflexion, die im Führungsalltag häufig zu kurz kommen. Die positiven Effekte von transformationaler Führung auf verschiedene für Innovationen relevante Bereiche sind inzwischen empirisch nachgewiesen (Hardt-Gawron u. Herrmann, 2015, S. 279). Transformationale Führungskompetenzen stehen in einem engen Zusammenhang mit einer größeren Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit, persönlichem sowie finanziellem Erfolg und zeichnen außergewöhnlich erfolgreiche Führungskräfte aus (Pelz, 2016; Scott u. Schwartz, 2017). Da der von Bernard Bass und Bruce Avolio (2000) entwickelte Test (Multifactor Leadership Questionnaire) zur Messung der transformationalen Führung die kulturellen Besonderheiten der Führungspraxis nicht adäquat abbilden konnte, wurde das Gießener Inventar der transformationalen Führung entwickelt. Der validierte Fragebogen ergänzt die vier transformationalen Führungskompetenzen um die Dimensionen des »Unternehmerischen Denkens und Handelns«, der »Fairen Kommunikation« sowie der »Umsetzungsstärke«. Auch zwischen der transformationalen Führung und dem zuvor thematisierten psychologischen Empowerment konnten empirisch positive Zusammenhänge aufgezeigt werden (Schermuly, 2015, S. 307). Gerade angesichts der skizzierten Umweltbedingungen ist der Ansatz transformationaler Führung in der Lage, organisationale Veränderungen zu gestalten, affektives Commitment herzustellen und herausragende Leistungen bei den Mitarbeitern abzurufen (Felfe, 2006). In der Fortentwicklung der Führungsansätze werden heute im Anschluss an die transformationale Führung Konzepte der dienenden, demokratischen und geteilten Führung diskutiert (vgl. Kap. 9). Unabhängig von den diesen Ansätzen zugrundeliegenden Annahmen, bietet ein systemisches Führungsverständnis keine konkreten Handlungsempfehlungen. »Systemische Führung ist eine neue Art zu denken, eine Grundhaltung, die es ermöglicht, viele Pro­bleme und Fragen unserer Zeit anders zu betrachten, die Muster­dynamiken und Zusammenhänge

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Die Entwicklung unterschiedlicher Führungsansätze

besser zu erkennen und dadurch neue Lösungen zu entwickeln« (Kuhlmann u. Horn, 2016, S. 140). Gemäß diesem Verständnis präsentieren die beiden Autorinnen einen integralen Ansatz, der fünf Kategorien unterscheidet: Qua­dranten, Entwicklungslinien, Entwicklungsebenen, Typologien und Zustände. Was hierunter im Einzelnen zu verstehen ist, soll kurz skizziert werden. Im Quadrantenmodell in Anlehnung an Ken Wilber (2009, 2010) wird auf der horizontalen x-Achse zwischen Innen und Außen und auf der vertikalen y-Achse zwischen Individuum und System unterschieden; so entsteht ein Vierfelderschema, das sich gleichermaßen auf Individuen, Gruppen, Organisationen und Themen beziehen lässt (siehe Abbildung 2).

individuell

Außen

Gedanken Emotionen Werte

Verhalten Fähigkeiten Körper

systemisch

Innen

Kultur Zugehörigkeit

Umfelder Systeme

Abbildung 2: Das Quadrantenmodell (Quelle: eigene Darstellung nach Kuhlmann u. Horn, 2016, S. 10)

Das Quadrantenmodell soll helfen, blinde Flecken im Führungsalltag, bei den Mitarbeitenden sowie in der Organisationsentwicklung zu identifizieren. Die entsprechende Analyse kann Aufschluss darüber geben, welcher Bereich eines Systems vernachlässigt oder gar außer Acht gelassen wird. Coachingaktivitäten setzen in der Regel in den Dimensionen »innerlich individuell« und/oder »äußerlich individuell« an, um sich von dort ggf. auf die anderen Bereiche auszudehnen. Für jeden der Quadranten lassen sich Entwicklungslinien beschreiben, die jeweils entsprechend definiert und betrachtet werden können (siehe Abbildung 3). Exemplarisch lassen sich – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die folgenden in ihrer jeweiligen Zugehörigkeit zu den Quadranten nennen: ■■ innerlich individuell: Kognition, Emotion, interpersonale Intelligenz und Moral,

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Neue Dimensionen des Führungshandelns

■■ äußerlich individuell: Kommunikationsfähigkeit, konzeptionelle Fähigkeiten, spezifische Fachkompetenzen und gesundheitsbewusstes Verhalten, ■■ innerlich systemisch: Wir-Kultur, Werte und Visionen sowie ■■ äußerlich systemisch: Strukturen, Prozesse und Strategien. Außen

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systemisch

Individuum

Innen

Abbildung 3: Entwicklungslinien in den Quadranten (Quelle: eigene Darstellung nach ­Kuhlmann u. Horn, 2016, S. 45)

Jedes System (Mensch, Team und Organisation) zeichnet sich durch ein je spezifisches Linienprofil aus. Die stärker entwickelten Linien (symbolisiert durch ihre Länge, vom Zentrum beginnend) können für die Entwicklung der schwächeren Linien eine wichtige Unterstützung leisten. In Coachingprozessen lassen sich hier Skalierungen vornehmen. Mit Entwicklungsebenen sind hier sich historisch herausbildende Bewusstseinsebenen auf individueller und organisationsbezogener Ebene gemeint. Auf diese werden wir im nächsten Abschnitt am Beispiel der Organisationsmodelle nach Laloux (2015, 2017) eingehen. Im Unterschied zu Laloux differenzieren Kuhlmann u. Horn (2016) zwischen acht Bewusstseinsebenen, die hier der Vollständigkeit halber lediglich kurz benannt werden sollen, ohne im Detail darauf eingehen zu können: archaisch, magisch, mythisch, absolutistisch, rational, pluralistisch, integral und holistisch. Zu jeder dieser Ebenen gehören spezifische Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsweisen, die in Coachingprozessen wichtige Hinweise für die Chancen und Risiken von Entwicklungsrichtungen geben können. Typologien bezeichnen im integralen Ansatz Klassifizierungssysteme, mit deren Hilfe versucht wird, Denk- und Handlungsprogramme des Menschen zu

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kategorisieren. Hierzu gehören bspw. das Herrmann Brain Dominance Instrument, der Meyer-Briggs Typenindikator oder das DISG-Modell (hierzu Brand, Ion u. Wittig, 2015). Wenn im Coaching solche Typologien zum Einsatz kommen, gilt es darauf zu achten, dass sie den Blick nicht verengen, sondern so genutzt werden, um neue Perspektiven zu eröffnen. Mit den Zuständen wird schließlich Temporäres in den Blick genommen, und zwar sowohl in Form von individuellen Zuständen (natürliche Seins-Zustände, phänomenologische Zustände und außergewöhnliche Zustände) als auch Zuständen in Systemen. Mit den Analysetools des integralen Ansatzes lässt sich nicht nur in der Führung und im Coaching arbeiten (Horn, 2017); sie eignen sich auch zur Beurteilung von theoretischen Modellen. Am Beispiel der transformationalen Führung soll dies deutlich gemacht werden. Bei der Betrachtung der Quadranten fällt auf, dass mit dem Fokus auf die Führungskraft und die Mitarbeitenden jeweils drei Quadranten im Blick sind; nicht beleuchtet wird jedoch die äußerlich systemische Perspektive. Mit dem Fokus auf das Unternehmen findet eine Verengung auf den innerlich systemischen Aspekt statt; die gesamte Organisation mit ihren Zielen, Strategien und Strukturen bleibt dabei unterbelichtet. Auch die Berücksichtigung der Entwicklungsebenen beim Betrachten des Organisationsmodells kann wichtige Hinweise geben, ob das Umfeld für eine transformationale Führung überhaupt aufgeschlossen ist.

2.4 Die Entwicklung unterschiedlicher Organisations­ modelle und die Verlagerung der Steuerungs­intelligenz in Organisationen Führung findet immer in einem organisationalen Kontext statt, deshalb wollen wir uns die Frage stellen, wie sich Organisationen als Reaktion auf die gesellschaftlichen Herausforderungen von Individualisierung, demographischem Wandel und Digitalisierung verändern, was daraus für die Konzeptualisierung von Führung und Management resultiert und welche neuen Coachinganforderungen entstehen. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass sich die von Menschen geschaffenen Organisationsformen stetig verändert haben und stets ein Ausdruck vorherrschender Weltsichten und eines damit verbundenen Bewusstseins sind. Laloux (2015, S. 12) hat sich mit der Frage beschäftigt, »wie sich die Menschheit von den frühesten Formen des menschlichen Bewusstseins zum komplexen Bewusstsein der modernen Zeit« entwickelt hat. Dabei greift er auf die Metaanalysen

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von Ken Wilber und Jenny Wade zur menschlichen Entwicklung zurück und entwirft ein Stufenmodell der Abfolge von Organisationsmodellen, die jeweils mit einem Durchbruch in der menschlichen Fähigkeit zur Zusammenarbeit verbunden sind. Unterschieden werden fünf Organisationsmodelle: Tribale impulsive Organisationen zeichnen sich durch die ständige Machtausübung durch den Anführer aus. Angst und Unterordnung bewahren die Organisation vor dem Auseinanderfallen. Der Fokus ist ganz auf die Gegenwart ausgerichtet. Da auf Herausforderungen reaktiv geantwortet wird, bilden tribale Organisationen kaum Strategien und gedeihen gut in chaotischen Umgebungen. Die wichtigen Durchbrüche sind die Befehlsautorität und Arbeitsteilung, die bestimmende Metapher ist das Wolfsrudel. Traditionelle konformistische Organisationen verfolgen eine langfristige Perspektive und streben nach Ordnung und Vorhersagbarkeit. Dies wird durch exakte Prozesse zu sichern gesucht. Da Stabilität ein sehr hohes Gut ist, wird die Zukunft als die Wiederholung der Vergangenheit konzipiert. Die Funktionsfähigkeit dieses Organisationsmodells ist durch stark formalisierte Rollen in einem hierarchisch-pyramidalen System mit klaren Anweisungen von oben nach unten gewährleistet. Planung und Ausführung sind strikt voneinander getrennt. An die Stelle personaler Machtausübung tritt ein System von Regeln und Kontrollmechanismen. Die wichtigen Durchbrüche sind formale Rollen und klar definierte Prozesse, die bestimmende Metapher ist die Armee. Moderne leistungsorientierte Organisationen haben das Ziel, sich gegenüber der Konkurrenz durchzusetzen, dabei zu expandieren und möglichst große Profite zu erwirtschaften. Möglich wird ihnen dies durch drei wichtige Durchbrüche: Erstens werden Innovationen strukturell dadurch ermöglicht, dass die Grenzen einer starren funktionalen und hierarchischen Aufteilung in Form von Projektgruppen, virtuellen Teams, übergreifenden Initiativen und Beratung etc. überwunden werden. Zweitens wird Verlässlichkeit in der Erreichung der angestrebten Ziele dadurch abgesichert, dass zwar in Bezug auf die Zielvorgaben die Prinzipien Befehl und Kontrolle beibehalten werden, aber durch Zielvereinbaren der Weg dorthin gewisse Freiheitsgrade aufweist. Drittens proklamiert das Leistungsprinzip die Möglichkeit des Aufstiegs im hierarchischen System, was seinen Ausdruck findet in Leistungsbeurteilungen, Talentmanagement, Nachfolgeplanung etc. Die bestimmende Metapher ist die Maschine. Postmoderne pluralistische Organisationen legen den Fokus ihres Handelns auf die Unternehmenskultur. Auch hier sind es wieder drei Durchbrüche, die das Proprium dieses Organisationsmodells ausmachen: Erstens werden durch Dezentralisierung und Empowerment die leistungsorientierten hierarchischen Strukturen zwar nicht abgeschafft, aber aufgebrochen, indem Prinzipien von

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dienender und demokratischer Führung praktiziert werden. Zweitens sorgen eine werteorientierte Kultur und eine inspirierende Sinnausrichtung, die im Zentrum des Handelns stehen, für den Zusammenhalt der Organisation. Drittens leitet die Integration verschiedener Interessengruppen mit dem gleichzeitigen Blick nach Innen und Außen die Kompromissfindung bei Entscheidungen und Fragen der eigenen Verantwortung. Die bestimmende Metapher ist die Familie. Da integrale evolutionäre Organisationen gerade erst im Entstehen begriffen sind, ist es am schwierigsten, diese nächste Entwicklungsstufe schon genau zu beschreiben. Laloux (2017, S. 54 f.) sieht hier die folgenden drei Durchbrüche: Erstens wird die Selbstführung in fluiden Systemen verteilter Autorität und kollektiver Intelligenz im Sinne einer Internalisierung externer Vorgaben wichtiger. Zweitens wird der Anspruch des Menschen, sich als Ganzheit und nicht lediglich mit seinem professionellen Selbst in die Arbeit einzubringen, bestimmend. Drittens wird es darauf ankommen, den evolutionären Sinn von Organisationen als Entitäten zu sehen, die ein Eigenleben haben, das es im Prozess seiner Entwicklung zu verstehen gilt. Die bestimmende Metapher sind lebende Organismen bzw. lebendige Systeme. Für jedes dieser Organisationsmodelle fallen uns archetypische Beispiele ein. Für die tribalen impulsiven Organisationen Mafiabanden, für die traditionellen konformistischen Organisationen die Katholische Kirche, für moderne leistungsorientierte Organisationen global agierende DAX-Konzerne und für postmoderne pluralistische Organisationen Google. Auch wenn die Repräsentanten des zuletzt genannten Organisationsmodells auf dem Vormarsch sind, so steht doch außer Frage, dass das moderne leistungsorientierte Paradigma das in unserer Wirtschaft dominierende ist. Gleichzeitig beschleunigt sich der Prozess, in dem die verschiedenen evolutionären Entwicklungsstufen aufeinander folgen. »Nie zuvor in unserer Geschichte gab es Menschen, die sich auf so viele verschiedene Paradigmen beziehen und nebeneinander leben. Das Gleiche gilt für Organisationen« (Laloux, 2015, S. 36). Abgesehen davon, dass es sich hier um eine idealtypische Unterscheidung handelt und die Übergänge zwischen den Organisationsmodellen fließend sind, basiert jedes auf einer Weltsicht und hat einen entsprechenden Führungsstil, der besonders gut zu ihm passt. Da trotz des aufgezeigten Entwicklungsverlaufs in der Entstehung der unterschiedenen Organisationsmodelle diese heute gleichzeitig nebeneinander existieren, können auch keine allgemeinverbindlichen Aussagen zur Implementierung von bestimmten Beratungsformaten gemacht werden. Es kommt vielmehr darauf an, die je spezifischen situativen Kontexte von Organisationen zu betrachten und dazu passende Gestaltungslösungen zu finden.

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Selbst innerhalb eines Unternehmens können unterschiedliche Organisationsdesigns existieren, wie dies am Beispiel des Schweizer Softwareherstellers Haufe-Umantis aufgezeigt werden kann (Rotzinger u. Stoffel, 2017). Das Start-up-Unternehmen Haufe-Umantis erlebte seit seiner Gründung im Jahre 2000 unterschiedliche Phasen, die sich durch agile Netzwerke, Überlastungen, stark ausgeprägte Hierarchien sowie Schattenorganisationen auszeichnen. Die Herausforderung für die Unternehmensführung bestand darin, »jeweils das Organisationsdesign zu implementieren, das sowohl den Bedürfnissen des Marktes und der Kunden am ehesten gerecht wird als auch den Mitarbeitern ermöglicht, optimal zum Erfolg beizutragen« (Rotzinger u. Stoffel, 2017, S. 67). Deshalb wurde ein Führungsmodell entwickelt, das verschiedene Organisationsdesigns von gesteuert bis selbstorganisiert und Mitarbeiterrollen vom Umsetzer bis zum Gestalter abdeckt. Je nach Ausprägung werden vier Quadranten unterschieden, die die bisherigen Phasen des Unternehmens veranschaulichen, und auf die in Abhängigkeit von den situativen Erfordernissen in einzelnen Unternehmensbereichen zurückgegriffen werden kann (siehe Abbildung 4). Rolle der Mitarbeiter

selbstorganisierend

überlastete Organisation

gesteuert

Umsetzer

Organisationsdesign

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Weisung & Kontrolle

Gestalter

agiles Netzwerk

Schattenorganisation

Abbildung 4: Phasen einer Organisation (Quelle: eigene Darstellung nach Rotzinger u. Stoffel, 2017, S. 68)

Auch wenn das bei Haufe praktizierte Betriebssystem, das mehrere Organisationstrukturen im Unternehmen vereint, für die meisten Unternehmen noch Zukunftsmusik ist, so zeigt es doch auf, worin die Herausforderung heute besteht. Sowohl von den Führungskräften als auch den Mitarbeitern wird ein erhebliches Maß an Flexibilität in der sogenannten VUKA-Welt erwartet.

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Genau diese Einsicht könnte Schein (2017, S. 180) dazu veranlasst haben, »angesichts der wachsenden Komplexität des Organisationslebens und des wachsenden Tempos, mit dem alles geschieht«, die Metapher des »Improvisationstheaters als die beste Metapher für Anpassungsbewegungen« zu bezeichnen. Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis wie Laloux mit der Unterscheidung von fünf Entwicklungsstadien von Organisationsmodellen kommen auch Scharmer und Käufer (2014) in ihrem Buch »Von der Zukunft her führen«. Dort beschreiben sie einen Prozess der institutionellen Transformation vom traditionellen hierarchischen Bewusstsein (1.0) über das Egosystem-Bewusstsein der Märkte und Wettbewerbe (2.0), das Stakeholder-Bewusstsein der Netzwerke und Verhandlungen (3.0) bis hin zum Ökosystem-Bewusstsein, in dessen Zentrum die »awareness-based collective action« steht (4.0) und in dem die Gesellschaft noch nicht angekommen ist. Lässt man die Stufe der tribalen impulsiven Organisationen unberücksichtigt, so sind die Gemeinsamkeiten der Systematisierungsversuche auffallend. Angesichts der zunehmenden Versäulung institutioneller Strukturen in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen, wird im Interesse der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft verstärkt eine sektorenübergreifende Kommunikation zwischen Politik, Gesellschaft und Zivilgesellschaft benötigt. Das europäische Sozialmodell zeichnet sich durch den Versuch einer Balance zwischen den drei Sektoren aus. Es grenzt sich ab von einseitigen Dominanzformen, die uns in Form eines sozialistischen Systems oder eines komplett entregulierten neoliberalen Wirtschaftssystems begegnen. Mit den sich herausbildenden Netzwerkstrukturen geht eine Verwandlung der Feldstrukturen von Organisationen einher. Die Macht verlagert sich zunehmend vom Zentrum an die Peripherie. Die Steuerungsintelligenz ist nicht mehr an einem exponierten Ort, sondern verteilt sich dezentral. Die zur Dezentralisierung zwingende Demokratisierung hat drei Aspekte: »Die Zentrale delegiert erstens Macht an die dezentralen Stellen, zweitens an für beide verbindliche Rahmenbedingungen (Beginn von Kontextsteuerungen), schließlich verzichten beide Seiten auf ihre Macht, indem sie gegenseitige Beobachtungsverfahren einrichten und sich auf Aushandlungsprozesse einlassen« (von Ameln u. Heintel, 2016, S. 168). »Mit dem Übergang zur Netzwerkorganisation schwindet der selbstverständliche Schonraum hierarchischer Strukturen. Die Durchsetzung eigener Vorstellungen über Anweisungen wird immer schwieriger oder sogar unmöglich. Mächtig ist nur, was auf Resonanz trifft« (Mankus, 2015, S. 147; Kruse, 2014, S. 27). Der kritischen Reflexion von Führung in Netzwerkorganisationen wird in der Literatur wenig Aufmerksamkeit geschenkt, auch die Forschung hierzu ist derzeit noch ein Desiderat (Pries u. Heckmann, 2017).

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War in der Struktur 1.0 die Macht zentralisiert an der Spitze, bewegt sie sich in der Struktur 2.0 näher an die Basis heran, um in der Struktur 3.0 relational zu werden und die Organisationsgrenzen zum Teil auch zu verlassen. In der Struktur 4.0 findet eine Umstülpung der traditionellen Pyramide statt; die Macht verlagert sich zum umgebenden Ökosystem unterhalb der früheren Pyramidenbasis: »Alle Systeme oder Gemeinschaften, die sich ihrer selbst bewusst werden wollen, müssen den negativen Raum unterhalb der früheren Basis fördern: das heißt, sie müssen den Boden des sozialen Feldes, das Grund- und Wurzelsystem der entstehenden neuen 4.0 Organisationsformen kultivieren.« (Scharmer u. Käufer, 2014, S. 230). Der Weg, hin zu dieser co-kreativen Ökosystem-Wirtschaft mit sektorenübergreifenden Kooperationen, ist der des aufmerksamen Dialogs (vgl. Kap. 4.1). Der Kulturwandel zeigt sich in der Entwicklung neuer Steuerungsmodelle für Organisationen wie bspw. der Holacracy, wie sie von Brian Robertson (2016) entwickelt wurde und zunehmend auch praktisch umgesetzt wird (Gloger, 2015). Holacracy beschreibt ein Organisationsmodell, das die Macht in ineinander verwobene Mitarbeiter-Zirkel verlagert. Es gibt keinen Geschäftsführer, kein klassisches Management mehr. Holacracy erfordert eine völlige Neustrukturierung der Organisation. Im Vergleich zu einem traditionellen Unternehmen tritt an die Stelle der personen- die rollenbezogene Aufgabenbeschreibung; delegierte Verantwortung wird durch verteilte Verantwortung ersetzt; die Firmenpolitik wird von transparenten Regeln abgelöst und statt geplanten Umorganisationen findet eine fortlaufende und fließende permanente agile Organisationsentwicklung statt, die schnell auf situative Erfordernisse reagieren kann. Weitere neue Managementtools und -konzepte belegen die Notwendigkeit und das Interesse den Kulturwandel zu gestalten; hierzu gehören u. a. Design Thinking, Scrum, Kanban und Canvas. Beispiele liefern den Beweis, dass es gelingen kann, wenn die Organisation sich durch ihre Mitarbeiter selbst führt (Martens, 2015; G ­ loger, 2016). Dass Menschen ein grundlegendes Bedürfnis nach Gestaltung im Arbeitsalltag haben, anstatt nur das auszuführen, was andere ihnen angeordnet haben, ist inzwischen neurobiologisch gesichert (Purps-Pardigol, 2015) und wird in der Managementliteratur unter dem Stichwort Empowerment diskutiert (Osthus, 2015). Empowerment bedeutet mehr Entscheidungsspielraum, mehr Partizipation statt externer Vorgaben von Vorgesetzten oder Funktionsträgern. Auf diese Weise werden Unternehmen schneller, agiler und flexibler in ihren Entscheidungen und Handlungen. Empowerment ist ein Schlüsselwort für das 21. Jahrhundert; es hat einerseits eine sozio-strukturelle Perspektive, die die Organisation sowie die kontextuellen Bedingungen in den Blick nimmt; sie manifestiert

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sich in partizipativen Strukturen. Andererseits gibt es die psychologische Perspektive, die sich auf die Individuen und ihr persönliches Erleben fokussiert. Angesichts der unterschiedlichen, in diesem Abschnitt skizzierten Modelle gilt es aus systemischer Sicht festzuhalten, dass Führungskräfte nicht ohne die Organisation zu denken sind. »Nicht eine Führungskraft führt, sondern die Organisation erzeugt Führungskräfte und billigt ihnen Führung zu – oder eben nicht« (Groth, 2017, S. 86). Führung und Organisation sind deshalb als zwei Seiten einer Medaille zu verstehen. Führung bedeutend weit mehr als nur das Handeln einzelner Personen. Führung als Operation ist eine spezifische Form der Kommunikation in Organisationen, die soziale Systeme erzeugt und erhält, indem sie die Selektionen der Information, Mitteilung und des Verstehens miteinander verbindet (Luhmann, 2011, S. 120). Dabei sollte sich die Führung stets dessen bewusst sein, dass soziale und psychische Systeme durch strukturelle Kopplung miteinander verbunden und wechselseitig voneinander abhängig sind, was eine demütige Haltung (Schein, 2017) angebracht erscheinen lässt.

2.5 Coaching: Eine neue Führungsaufgabe als Transflexing Unter dem Stichwort Managerial-Coaching wird in der Fachliteratur kontrovers darüber diskutiert, ob und unter Berücksichtigung welcher Bedingungen Führungskräfte als Coach tätig werden können und sollen (Radatz, 2007; M ­ cCarthy u. Milner, 2013; Mankus, 2015; Webers, 2017; Fischer-Epe, 2017, S. 229 ff.). Wie die Frage im Einzelnen beantwortet wird, hängt u. a. von unterschiedlichen professionsspezifischen Kulturen ab. Auffällig ist, dass die Diskussionen nicht selten aus Positionen der Verteidigung althergebrachter Überzeugungen und Praxen geführt werden. Diese wurden als adäquate Antworten auf eine gesellschaftliche, organisationale und auch individuelle Wirklichkeit entwickelt, die mit der heutigen aber nicht mehr übereinstimmt. Während der fundamentale Zweck von Führung darin besteht, hilfreiche und nützliche Veränderungen zu ermöglichen, ist der fundamentale Zweck von Management, »das Funktionieren eines laufenden Systems zu gewährleisten« (Sarges, 2015, S. 5) oder mit dem berühmten Aphorismus von Warren Bennis ausgedrückt: »Managers do things right, leaders do the right things« (Kennedy, 1998, S. 47). In dem einen Fall geht es um Effizienz im anderen um Effektivität. Auch Hersey, Blanchard und Johnson (2013, S. 3 f.) zeichnen ein dichotomes Bild von Führung. Sie unterscheiden Leadership und Management. Unter Management wollen wir den Prozess der Zusammenarbeit mit Individuen oder Gruppen im Sinne der Erreichung von Organisationszielen verstehen.

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Hier liegt der Schwerpunkt auf den strukturellen und institutionellen Aspekten bei denen die Rationalität das zentrale Prinzip ist. Ausgehend von einem Kausalitätsprinzip soll das organisationale Geschehen über Entscheidungs- und Kontrollinstrumente in Kennziffern beschreibbar und planbar gemacht werden; im Vordergrund steht der Anspruch der Steuerung. Demgegenüber beschreibt Führung bzw. Leadership die direkte Einflussnahme auf die Mitarbeitenden bspw. durch Anweisen, Delegieren, Motivieren und Trainieren. Die Führung ist als Verhaltensbeeinflussung von Einzelnen oder Gruppen auf Visionsentwicklung, Schaffung von Begeisterung und Ermöglichung von Commitment ausgerichtet. Akzentuiert werden hier die Beziehungsaspekte beim Aufbau von Kommunikationsnetzwerken in einem komplexen System, das in seiner Gesamtheit betrachtet wird und das zukunftsfähig erhalten werden soll bzw. dem Impulse auf dem Weg dorthin gegeben werden sollen. Der Fokus liegt auf der Entfaltung von Potenzialen bei Individuen, Teams und der Organisation. Wertschöpfung soll über Wertschätzung realisiert werden. Organisationen unterscheiden sich nicht nur in der Höhe des Sach- und Humankapitals, sondern auch in der Höhe des Sozialkapitals. »Je höher das Sozialkapital ist, umso besser sind die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse, und umso besser sind auch Wohlbefinden und Gesundheit der befragten Mitarbeiter« (Badura et al., 2013, S. 142). Damit steigt zugleich auch die Wettbewerbsfähigkeit. Oestereich und Schröder (2017, S. 285) kommen zu der Einschätzung, dass viele Linienorganisationen heute »durch die Zunahme äußerer Komplexität mittlerweile übersteuert (over-managed) und unterführt (under-led)« sind. Deshalb geht heute auch der Trend vom Management zum Leadership (Doppler u. Lauterburg, 2014, S. 80 ff.; Seliger, 2016). Für Reinhard K. Sprenger (2017, S. 30), einem international bekannten Führungsexperten und Buchautor, stehen angesichts disruptiver Umbrüche viele Unternehmen vor dem Ende ihres Businessmodells; deshalb werden wir seiner Meinung nach »weiterhin Führung brauchen, aber wahrscheinlich weniger Manager.« Mit Bezug auf die Führungsansätze lassen sich plakativ die transaktionale Führung mit dem Anspruch der Steuerung und die transformationale mit dem der Führung identifizieren. Angesichts der neuen Herausforderungen der sogenannten VUKA-Welt reicht es heute aber nicht mehr, nur Manager und Führer zu sein, indem im System auf einer operativ-inhaltlichen Ebene gearbeitet wird. Es kommt zusätzlich darauf an, Metaführung zu betreiben, d. h. am System im Sinne seiner Transformation selber zu arbeiten, also organisationale Entscheidungen zu treffen bzw. diese zu initiieren, die dafür die Voraussetzungen und Bedingungen schaffen, dass die Organisation selbst lernen kann. Um dies realisieren zu können, ist es wichtig, bei Bedarf auch Coach für die Mitarbeitenden und Teams zu sein

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(­Mankus, 2015). Coaching durch die Führungskraft bedeutet, »Menschen darin zu begleiten, ihre Potenziale für die Organisation optimal zu entwickeln und dafür zu sorgen, dass sie gute Entscheidungen für alle Lösungen treffen« (Sander, 2017, S. 13). Coach zu sein heißt in diesem Zusammenhang, die Dinge so zu tun, dass dabei eine Passung von Person und Organisation hergestellt wird, die es möglich macht, dass beide ihr volles Potenzial entfalten können. Von einer »optimalen Passung« wollen wir dann reden, wenn die Tätigkeiten so gestaltet sind, »dass sie optimal den Kernprozessen und damit den Kerngeschäften (der Organisation) dienen und gleichzeitig darin die Kernkompetenzen der Person zum Tragen kommen können« (Schmid u. Messmer, 2003, S. 4). Passungsprozesse gilt es im Dialog zu gestalten, die sich durch folgende Charakteristika auszeichnen: ■■ Komplementäre Verantwortung: »Für einen gelingenden Passungsprozess müssen die Beteiligten ihre je unterschiedliche Verantwortung aufeinander bezogen wahrnehmen.« ■■ Kontinuierlicher Prozess: »Die Entwicklungen der Geschäftsanforderungen, aber auch innere Entwicklungsprozesse der Personen machen eine laufende Überprüfung der Passung notwendig, ohne (dass) die Passungsund Leistungsqualität kontinuierlich abnehmen.« ■■ Dialogischer Prozess zwischen Betroffenen: Passung bedarf sowohl einer »Abstimmung von Prozess-, Funktions- und Leistungsaspekten in der Führungsbeziehung (vertikale Perspektive)« als auch der »Abstimmung mit anderen wichtigen Beteiligten im relevanten Prozess (horizontale Perspektive)« (Schmid u. Messmer, 2003, S. 15 f.). Passungsprozesse sind auf eine transparente Dialogkultur angewiesen, da sie das wechselseitige Verständnis fördert und »zentral für die Erhaltung der Steuerbarkeit von Organisationen« (Schmid u. Messmer, 2003, S. 16) in der sogenannten VUKA-Welt ist. Die Aufgabe der Führungskraft in ihrer coachenden Funktion kann darin bestehen, zunächst eine neue »Passungsdialogkultur als Beitrag zur Entwicklung der Leistungsfähigkeit der Organisation« (Schmid u. Messmer, 2003, S. 19) herzustellen und zu gestalten, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in Coachingprozessen die Mitarbeitenden gemeinsam mit ihren Führungskräften nach Möglichkeiten eines Matchings suchen. Im Zentrum von Passungsdialogen stehen drei Fragen an das Organisationsmitglied: (1) Was macht es gern? (2) Was kann es besonders gut? (3) Was davon wird in der Organisation gebraucht? Wie die Gallup-Studie (2017, S. 10) zeigt, steht die Erwartung, in der Arbeit die Möglichkeit zu haben, das tun zu können, was man richtig gut kann, bei

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den Arbeitnehmern an dritter Stelle hinter der Sicherheit des Arbeitsplatzes und der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Mitarbeitende können nur dann Bestleistungen bringen, »wenn sie sich in ihrem Arbeitsumfeld wohlfühlen und wenn die Strukturen ihrem Arbeitsbereich entsprechen – wenn Organisationsdesign und Selbstverständnis der Mitarbeitenden optimal zusammenspielen« (Stoffel, 2016, S. 189). Bereits der Kreativitätsforscher Mihály Csikszentmihály (1992) hatte darauf hingewiesen, dass flow nur bei einer entsprechenden Passung zwischen den Herausforderungen und den Fähigkeiten entsteht. Die zentrale Bedeutung der Passung von Person und Organisation lässt sich nicht nur empirisch, sondern auch theoretisch begründen; hierzu hat Remo H. Largo (2017) mit seinem Buch »Das passende Leben« das entscheidende Werk vorgelegt. Largo hat seine zentrale Erkenntnis in dem Fit-Prinzip zusammengefasst; es baut auf dem »Urbedürfnis des Menschen auf, seine Individualität in Übereinstimmung mit der Umwelt zu leben und damit sein Wesen zu verwirklichen« (Largo, 2017, S. 338). »Je besser ihm dies gelingt, desto größer sind sein Wohlbefinden, sein Selbstwertgefühl und seine Selbstwirksamkeit« (Largo, 2017, S. 29). Largo stellt sich die Frage, was die Individualität eines Menschen ausmacht und kommt zu dem Ergebnis, dass dies die drei Elemente der Grundbedürfnisse, Kompetenzen und Vorstellungen sind. Die Grundbedürfnisse sind eng mit den Emotionen verbunden und unterliegen einer interindividuellen Variabilität. Seine Kompetenzen setzt der Mensch zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse ein; auch diese sind bei den Menschen sehr unterschiedlich ausgebildet. Die Vorstellungen gehen aus konkreten Erfahrungen hervor, die der Mensch mit seiner Umwelt macht, und weisen eine unbegrenzte Spannweite auf. Zusammengefasst suchen die Menschen »gezielt nach Erfahrungen, mit denen sie ihre Grundbedürfnisse befriedigen, ihre Kompetenzen entfalten und nutzen und ihre eigenen Vorstellungen entwickeln können« (Largo, 2017, S. 352). Im Unterschied zu den Vorstellungen legt Largo für die Grundbedürfnisse und Kompetenzen jeweils inhaltliche Kataloge vor. Zu den Grundbedürfnissen gehören für ihn die folgenden: körperliche Integrität, Geborgenheit, soziale Anerkennung und soziale Stellung, Selbstentfaltung, Leistung und existentielle Sicherheit. An Kompetenzen unterscheidet Largo acht, nämlich soziale, sprachliche, musikalische, figural-räumliche, logisch-mathematische, zeitlich-planerische, motorisch-kinästhetische sowie körperliche (Largo, 2017, S. 180 ff., 212 ff.). Mit Hilfe der Einschätzung der jeweiligen Ausprägungen lassen sich für die Grundbedürfnisse und Kompetenzen individuelle Profile erstellen, die mittels einer Skalierung in Form von unterschiedlich langen Entwicklungslinien im Quadrantenmodell (vgl. Kap. 2.3) dargestellt werden können. Dieses Instru-

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mentarium kann auch hervorragend für Coachingprozesse und Passungsdialoge genutzt werden. Da sich die Funktionen innerhalb einer Organisation ständig ändern, ist eine Passung stets aufs Neue herzustellen, was mit individuellen und organisationalen Lernprozessen verbunden ist. Wollen Organisationen individuelle Lernprozesse initiieren, so sollten sie selbst zu lernenden Organisationen (Senge, 2011) werden. Lernprozesse auf allen drei Ebenen (Person, Team und Gesamtsystem) anzustoßen, zu fördern und schließlich auch selbst zu gestalten, ist eine zentrale Aufgabe der Führungskraft als Coach bzw. künftiger Beratungsexperten (vgl. Kap. 9). Dort, wo agil geführt wird, ist auch eine coachende Begleitung gefragt (Hofert, 2016, S. 40). Die einerseits zunehmenden Herausforderungen der sogenannten VUKAWelt und die andererseits gewachsenen und weiter zu fördernden Selbstreflexions- und Selbststeuerungskompetenzen der Mitarbeitenden machen Reflexionsräume erforderlich, die bislang noch nicht umfassend konzeptionell konturiert und kaum vernetzt sind. Die zunehmende Beratung durch externe bzw. interne Professionelle mittels der Beratungsformate Supervision, Coaching, Organisationsberatung, Mediation, aber auch durch die coachende oder mentorierende Führungskraft und vor allem durch die Mitarbeitenden selbst, etwa in dyadischen bzw. team- und gruppenbezogenen Intervisions-, Peer- und Selbstcoachings weisen auf einen wachsenden Bedarf an dialogischer Reflexion und beratender Begleitung von personalen, kooperationsbezogenen und organisationalen Analyse- und Transformationsprozessen hin. Als ein Beispiel für neue Reflexionsformen sei hier auf die Coaching-Kata, wie sie in der japanischen Autoindustrie entwickelt wurde, hingewiesen. Diese schließt sich an eine Verbesserungs-Kata an und wird inzwischen auch von deutschen Unternehmen angewandt (Höninger et al., 2017). Mit der Verbesserungskata optimiert eine operative Führungskraft (Verbesserer) einen Prozess in ihrem Verantwortungsbereich wobei ihm zunächst ein interner KATA-Trainer zur Verfügung steht. Anschließend »erhält der Verbesserer Unterstützung von seinem direkten Vorgesetzten in Form täglichen Coachings« (Höninger et al., 2017, S. 62). Die fünf Fragen des Coaches sind dabei die folgenden: 1. Was ist dein Ziel-Zustand? 2. Was ist der aktuelle Ist-Zustand des Prozesses? 3. Welche Hindernisse halten dich davon ab, den Ziel-Zustand zu erreichen? 4. Welche Einflüsse auf das Haupthindernis kennst du? 5. Was ist deshalb der nächste Schritt?

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Dieser Prozess ist auf mehrfache Wiederholung angelegt und soll zu neuen Denkweisen beim Verbesserer führen.2 Ein weiteres Beispiel sei hier aus der IT- und Softwarebranche entlehnt. »In Scrum gibt es nach jeder ein- bis vierwöchigen Iteration (dem sogenannten Sprint) ein fest eingeplantes Meeting, in dem das Team auf die Meta-Ebene wechselt und den Prozess des vergangenen Sprints diskutiert. Dieses Ereignis ist die ›Retrospektive‹. Sie ist der Grundstein für iterative, empirische Prozessteuerung. Iterativ, weil die Verbesserungen schrittweise in definierten Abständen erfasst werden, empirisch, da die Erfahrungen des vergangenen Zeitintervalls untersucht werden und der bestehende Prozess daraufhin angepasst wird« (Wachter, 2018, S. 62). Laut Wachter ist in den in IT-Unternehmen damit arbeitenden Teams mittlerweile »ein regelmäßiges Über-sich-selbst-Nachdenken zur Gewohnheit geworden« (Wachter, 2018, S. 62).3 Selbst- und teamreflexive Prozesse sind in therapeutischen Arbeitsfeldern und der Sozialen Arbeit seit langem gängige Praxis, wobei diese arbeitsteilig sowohl selbstorganisierte Elemente (etwa die kollegiale Beratung/Intervision), wie externe Beratung durch Supervisoren und Coaches umfasst (Kühl, 2014). Allerdings sind diese in der Sozialen Arbeit vielerorts nicht ausreichend finanziell abgesichert. Die Transformationsanforderungen an die Soziale Arbeit sind zwar in den letzten Jahrzehnten stetig gestiegen, werden jedoch, sofern sie verkürzten ökonomischen Paradigmen und dem New Public Management entlehnt sind, dem Gegenstand der Sozialen Arbeit nur in geringem Maße gerecht. Insofern sollten sich die Reflexionsanstrengungen zukünftig vermehrt darauf richten, die Soziale Arbeit darin zu unterstützen, genuine Qualitätsmerkmale zu bestimmen, zentrale Projekte zu evaluieren und sichtbarer zu machen, insbesondere die genutzten Beratungsformate im Sinne der Organisationsentwicklung bzw. zumindest der Qualitätsentwicklung (Kühl, 1999, 2000) zu verknüpfen und noch mancherorts vorhandene wechselseitige Vorbehalte zwischen an der Basis und in der Leitung Tätigen zu reduzieren. Dazu könnte auch das Coaching 2 Die Übertragbarkeit auf deutsche Unternehmen bzw. Organisationen halten wir für überdenkenswert, da uns nicht ersichtlich ist, ob bei Toyota tatsächlich ein dialogischer Prozess auf Augenhöhe intendiert ist und wie in einem solchen Coaching die Autonomie der Mitarbeitenden bewahrt bzw. eine fürsorgliche Belagerung durch deren Vorgesetzte vermieden werden kann. 3 Dabei entzieht es sich unserer Kenntnis, inwieweit entsprechende Reflexionsprozesse in der IT-Branche tatsächlich selbstreflexiv bzw. teamorientiert verlaufen. In der Darstellung von Wachter (2018) erscheint uns der Ablauf einer als »Retrospektive« (die Bezeichnung erscheint uns eher einschränkend) bezeichneten Vorgehensweise von Rahmen/Warm Up, Datenerhebung, Erkenntnisentwicklung, Aktionsplanung und Abschluss eher reduziert, allerdings führt der Autor in eben diesem Artikel die gruppendynamischen Dimensionen der Reflexion weiter aus.

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durch die Führungskraft beitragen, dem ein Teil der Führungskräfte aufgrund der historischen Entwicklung der Sozialen Arbeit (derzeit noch) zurückhaltend gegenübersteht (Krczizek u. Kühl, 2008; Kühl, 2017). Zunehmende Reflexionsbedarfe gibt es auch im Gesundheitsbereich, etwa vor dem Hintergrund neuer Konzepte, so der Beziehungs- bzw. Bezugspflege in der Altenpflege (Müller, 2008, S. 374) und Krankenpflege (Schwarz-­Govaers, 2007, S. 255), der interdisziplinären Teamarbeit in Krankenhäusern, der Entzauberung hierarchischer Strukturen und Minderung des Spartendenkens (Schwarz-Govaers, 2007, S. 254), der unmittelbaren Bewältigung und langfristigen Überwindung der Ökonomisierung angesichts ungünstiger Arbeitsbedingungen. Dem steht ein noch besser abzustimmender Einsatz von Maßnahmen der Organisationsentwicklung, des Coachings, der Supervision (Schwarz, 2008) und der Intervision/Kollegialen Beratung (Kapsch, 2012) gegenüber. Auch im Schulbereich wächst der Reflexions- und Beratungsbedarf seit langem (Palmowski, 2000). So erfordert nunmehr der Rahmen der selbständigen Schule ein regelmäßiges Nachdenken über Schulkonzeption und -entwicklung (Rolff, 2018) und entsprechende teamartige Kooperationen. »Coaching ist damit letztlich nicht nur ein Instrument der Führungskraft für die Gestaltung der Beziehung mit den Mitarbeitenden, sondern es wird mittelfristig zu einem essentiellen und integralen Bestandteil der Kultur des Schulhauses. Es geht um eine Schulkultur des Zuhörens, des Interesses (am anderen und seiner Weiterentwicklung), der Selbstverantwortung (Hock et al., 2014, S. 207), neue Formen des Changemanagements (vgl. Kap. 7.3), der Teamentwicklung (Philipp, 2014) und kollegialen Beratung/Intervision (Schlee, 2008). Die o. g. Beispiele aus einigen Bereichen des Arbeitslebens verweisen auf die zunehmende Notwendigkeit von Reflexionskulturen, in denen sich Fach- und Führungskräfte, nicht nur in Eigenregie bzw. mittels professioneller Begleitung mit der Selbstreflexion und Reflexion ihres professionellen Handelns befassen, sondern sich gleichzeitig auf der individuellen, kooperativen und organisationalen Ebene mit den vielfältigen Transformationsanforderungen auseinander setzen, diese zukunftsorientiert bewältigen und ihr professionelles Handeln auf den verschiedenen Organisationsebenen und letztlich die Organisationen insgesamt möglichst zukunftsfähig ausrichten. Mit der Metapher eines verglasten und mit Vorhängen versehenen Separees4 wollen wir zum Ausdruck bringen, dass im Arbeitsleben zunehmend Räume 4 Hier kann der gläserne Beratungsraum einer Bank als Modell dienen, wobei sich in diesem Beispiel bereits die Grenzen der Metapher zeigen, geht es doch dort um an Kunden gerichtete Verkaufsgespräche mit Anteilen der Expertenberatung.

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für methodisch gestaltete Reflexions- und Transformationsprozesse zur Verfügung gestellt werden sollten. Diese vom Arbeitsplatz der Fach- und Führungskraft abgegrenzten, jedoch angesichts der Verglasung in ihren organisationsbezogenen Dimensionen transparenten und hinsichtlich persönlicher Anteile vertraulichen (durch Vorhänge geschützten) Reflexionsräume5 können durch Führungskräfte, Mitarbeitende sowie externe bzw. interne Beratungsprofis ausgestaltet und flexibel genutzt werden. Sie sind einerseits von informellen (Flur-) Gesprächen und andererseits von den bisherigen Meeting- bzw. Dienstbesprechungskulturen abzugrenzen. Die in den skizzierten Reflexionsräumen stattfindende Beratung und Begleitung von Transformationsprozessen bezeichnen wir in ihrer – noch weiter auszudifferenzierenden – Gesamtheit als Transflexing. Es findet in einem arbeitsweltbezogenen organisationalen Kontext statt, intendiert die auf den Arbeitsgegenstand fokussierte Passung zwischen Person und Organisation und befördert in iterativen Schleifen Rückmelde-, Lern- und Transferprozesse in konkretes professionelles Handeln auf allen Organisationsebenen. Im Handlungsdruck berufspraktischer Situationen eröffnet das Transflexing temporär Auszeiten für das Einbeziehen weiterer Blickwinkel, um sich als Fach- oder Führungskraft, als Team oder organisationales (Sub-)System selbst über die Schulter zu schauen oder Kunden- und Klientenperspektiven bzw. Umweltaspekten einzubeziehen sowie für die reflexiv-ethische Rückbindung (vgl. Kap. 3, 4 und 5). Wie weit jeweils von den aktuellen Schauplätzen beruflichen Handelns zurückgetreten werden sollte bzw. wie eng die jeweiligen iterativen Schleifen gezogen werden sollten, kann je nach Arbeitsgegenstand, Arbeitsfeld/Branche, Organisation, Team und Fach- bzw. Führungskraft stark variieren. Dabei können einerseits engere Schleifen erforderlich sein, wenn kurze Produktionsprozesse bzw. kurzfristige Lösungs- bzw. Transferzyklen gegeben bzw. notwendig sind (beispielsweise in der IT-Branche oder im Falle einer akuten individuellen, team- oder Organisationskrise bzw. bei entsprechenden Konflikten). Oder aber es bietet sich an, weitere Schleifen im Sinne von Klausur- und Strategietagungen, Zukunftswerkstätten oder ähnlich bilanzierenden bzw. planerischen Perspektiven in den Blick zu nehmen, um Muster des individuellen oder organisationalen Lernens bzw. Veränderungen zu analysieren und – trotz aller Unwägbarkeiten – prognostische Einschätzungen von Lösungsszenarien und Transformationsschritten vornehmen zu können. Ebenso kann die Zahl der einzubeziehenden Fach- und Führungskräfte im Hinblick auf die zu beteiligenden Subsysteme der jeweili5 Die Glaskanzel, in der die alles überschauende Führungskraft über der Produktionshalle schwebt, hat weitgehend ausgedient.

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Coaching: Eine neue Führungsaufgabe als Transflexing

gen Organisation stark variieren. Hier ist es die Aufgabe der zu beteiligenden Mitarbeitenden selbst, zu koordinieren, aber auch die Aufgabe der involvierten Führungskräfte, keine blinden Flecken zu produzieren bzw. die relevanten Fragestellungen in den adäquaten Beratungskonstellationen zu bearbeiten. Mit der Wortschöpfung des Transflexings bringen wir den Zusammenhang von Reflexion und Transformation zum Ausdruck. Uns erscheint der Begriff der Reflexion zu breit angelegt und der Begriff der Transformation zu manageriell missverständlich. In der Wortschöpfung des Transflexings sehen wir hingegen eine Möglichkeit, die entsprechenden Dimensionen terminologisch zusammenzuführen (siehe Abbildung 5) und diese mit den ethischen Diskurslinien (vgl. Kap. 3) und beziehungsorientierten Haltungen in der Begegnung zwischen coachender Führungskraft und Mitarbeitenden im Beratungskontext zu verbinden. Die Aspekte des auf Augenhöhe mit den Mitarbeitenden orientierten Dialogischen (vgl. Kap. 3 u. 6) und der Passung zwischen Person, Team und Organisation sind konstitutiv mitgedacht, finden in dem neuen Begriff lediglich aus Gründen der Praktikabilität in der sprachlichen Verwendung keine Berücksichtigung. Mitgedacht wird ebenfalls der Gedanke der Notwendigkeit einer individuellen kunden- und mitarbeiterbezogenen, team-, organisationsund umweltbezogenen Zusammenschau und zu koordinierenden Transformationsgestaltung (vgl. Kap. 4 u. 5). In diesem Sinne verstehen wir das Transflexing als noch weiter auszudifferenzierendes Rahmenkonzept. Auf die individuums-, team- bzw. organisationsbezogenen Ansatzpunkte des Transflexings, Fragen des Settings und auf konzeptionelle Varianten sowie Methoden wird an anderer Stelle noch eingegangen (vgl. Kap. 7 u. 8).

Prinzipien

Ansatzpunkte

Transformation Dialog Individuum

Reflexion

Passung Team

Haltung Organisation

Intervision Beratungsformate

Abbildung 5: Dimensionen des Transflexing (Quelle: eigene Darstellung)

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Neue Dimensionen des Führungshandelns

Wenngleich es Überschneidungen und Wechselwirkungen gibt, ist das Transflexing abzugrenzen vom unmittelbaren Führungs- und Managementhandeln; wir unterscheiden eine Trias von Aufgabendimensionen einer Führungskraft (siehe Abbildung 6). Gerade die in der aktuellen Führungsliteratur zum Ausdruck kommende Abkehr von einem dominanten, charismatischen und die Hinwendung zu einem sogenannten coachenden Führungsstil macht die Notwendigkeit der Abgrenzung transparenter aber auch geschützter Beratungsräume erforderlich. Es geht nicht zuletzt auch darum, dass sich die Mitarbeitenden vor einer fürsorglichen Belagerung durch unangemessene Coaching-Ambitionen6 ihrer Führungskräfte schützen können, etwa indem sie selbst über den Beratungsbedarf, das adäquate Setting und den passenden Reflexionspartner entscheiden. An die Führungskräfte richten sich mit dem Transflexing neue Rollenanforderungen: Erstens klärt die Führungskraft in Kooperation mit den Mitarbeitenden die entsprechenden Reflexions- und Transformationsbedarfe, sichert die personellen, zeitlichen, räumlichen und finanziellen Ressourcen und handelt mögliche Ressourcenkonflikte im Sinne von transparenter Interessenabwägung und synergetischer Nutzung aus. Die Führungskraft gestaltet somit die Rahmenbedingungen und damit die Architektur des Transflexings und der entsprechenden Settings (vgl. Kap. 6.2). Zweitens arrangiert und koordiniert die Führungskraft in Absprache mit den Mitarbeitenden auf den jeweiligen Organisationsebenen und in den entsprechenden Bereichen der jeweils tangierten (Sub-)Systeme im Sinne eines abzustimmenden Personal- und Organisationsentwicklungsprozesses die entsprechenden, vor dem Hintergrund des jeweiligen Beratungsgegenstandes adäquaten Reflexionskonstellationen und Lernsettings. Ggf. kann dies auch in Eigenregie der Mitarbeitenden und in bereichsübergreifender Kooperation erfolgen. Drittens wird die Führungskraft bei entsprechender Selbstreflexion, Rollenklärung und Kompetenzentwicklung selbst coachend tätig. Allerdings kann auch ein Ausbau von Organisationskulturen im Sinne des Transflexings die Führungskräfte nicht davor bewahren, Führungs- und Managementfehler zu begehen. Auch ihre entsprechende Kompetenz und Verantwortung wird im Rahmen einer solchen Reflexionskultur nicht weniger beansprucht, wohl aber könnte möglicherweise die ein oder anderen Fehlentwicklung im Sinne eines Frühwarnsystems rechtzeitiger erkannt und entsprechend gegengesteuert werden oder aber diese retrospektiv analysiert und entsprechend 6 Die Einschätzung der Angemessenheit entsprechender Unterstützung und Beratung durch Vorgesetzte dürfte interkulturell im Hinblick auf US-amerikanische, japanische und deutsche Führungskulturen und auch zwischen verschiedenen Branchen durchaus differieren.

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Coaching: Eine neue Führungsaufgabe als Transflexing

prospektiv genutzt werden. Ebenso können fundamentale, tiefgreifende Ziel-, Struktur- und Interessenkonflikte und -krisen mittels Transflexing zwar multiperspektivisch betrachtet und Lösungsszenarien entwickelt werden; einer unmittelbaren Lösung können sie jedoch nur durch die in der Organisation auf den jeweiligen Ebenen Verantwortung tragenden und zu beteiligenden Mitarbeitenden, Führungskräften und Gremien zugeführt werden.

Management

Führung

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Transflexing

Abbildung 6: Aufgabentrias der Führungskraft (Quelle: eigene Darstellung)

Wir hoffen, damit etwas Klarheit in die Verwendung der Begrifflichkeiten zu bringen; im weiteren Fortgang der Auseinandersetzung mit dem von uns als Transflexing bezeichneten Gesamtsetting wird es allerdings nicht zu vermeiden sein, das Phänomen mit Bezug zu den Beiträgen anderer Autoren in begrifflichen Umschreibungen zu erfassen. Das Beratungsformat bzw. der Terminus der coachenden Führungskraft stehen dabei für uns nachfolgend im Vordergrund. Als Richtschnur für das Handeln der coachenden Führungskraft und das Transflexing insgesamt kann das von Burow (2017, 2018) entwickelte Modell der »magischen 3 × 3« dienen. Die drei Eckpfeiler dieses Modells bilden die Salutogenese des israelischen Medizinsoziologen Aaron Antonovsky (2001), die Selbstbestimmungstheorie der Motivation von Edward Deci und Richard Ryan (1993) sowie das von Olaf-Axel Burow (2017) entwickelte Konzept der wertschätzenden Organisationsentwicklung (siehe Abbildung 7). Der salutogenetische Ansatz fragt im Gegensatz zur Pathogenese nicht danach, warum der Mensch krank wird, sondern beschäftigt sich damit, was ihn gesund erhält. In Zentrum der Salutogenese steht das Konzept des Kohärenzgefühls.

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Neue Dimensionen des Führungshandelns

wertschätzende Personal- und Organisationsentwicklung

Salutogenese

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Gestaltung von Passungsdialogen als Lernprozesse

Selbstbestimmung

Abbildung 7: Eckpfeiler für Passungsdialoge (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an ­Burow, 2017, S. 6)

Das Kohärenzgefühl setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Erstens dem Gefühl der Sinnhaftigkeit bzw. Bedeutsamkeit, zweitens dem Gefühl von Verstehbarkeit und drittens dem Gefühl, Anfallendes handhaben und bewältigen zu können. Eine gesundheitsförderliche Führung sollte sich, ebenso wie ein gesundheitsförderliches Lernen (Schäfer, 2017, S. 147 ff.) an den drei Aspekten des Kohärenzgefühls orientieren. Die wichtigste Komponente ist dabei die motivationale, das, was dem eigenen Tun einen Sinn gibt. Die Antwort auf die Frage nach dem Warum, jenseits der finanziellen Zielsetzung, ist der entscheidende Faktor, der Individuen, Teams und Organisationen antreibt (Clark u. Hazen, 2017, S. 176 ff.) und der Kern dessen, was Führung ausmacht. Das »subjektive Sinnerleben ist die wichtigste Variable, die zwischen Arbeitsplatzeigenschaften und personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen vermittelt« (Weckmüller, 2016, S. 49). Götz Werner, der Gründer der Drogeriekette DM, tritt in einem Interview mit Claudia Obmann (2010) dem Irrtum entgegen, Führung hieße einen Druck aufzubauen: »In hierarchisch geführten Unternehmen wird das Management so lang anecken, bis es merkt, dass sein Menschenbild falsch ist. Sie wollen Druck erzeugen. Aber das ist falsch, sie müssen mit Sog arbeiten!« Sinn hat eine unglaubliche Sogwirkung. Nach der Selbstbestimmungstheorie der Motivation gibt es drei zentrale anthropologische Grundbedürfnissen des Menschen; dies sind das Bedürfnis nach Kompetenz und Wirksamkeit, das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit/ Zugehörigkeit sowie das Bedürfnis nach Autonomie und Selbstbestimmung. Diese Bedürfnisse sind gekoppelt an die frühesten Erfahrungen des Menschen (vgl. Kap. 8.2.2).

Coaching: Eine neue Führungsaufgabe als Transflexing

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Die wertschätzende Organisationsentwicklung startet mit einer wertschätzenden Befragung, der die Annahme zugrunde liegt, dass ein soziales System über ein zum Teil verborgenes Tiefenwissen zur optimalen Organisationsgestaltung verfügt. Damit wird ein kreatives Feld geschaffen, in dem Visionen für eine künftige Entwicklung in einem gemeinsamen Prozess generiert werden, die es anschließend in der Umsetzung zu begleiten gilt. Zusammengefasst stellt sich das Modell wie folgt dar: »Salutogene Führung, die auf Wertschätzung und Vertrauen basiert, weist einen Schlüssel zum Aufbau ›Lernender Organisationen‹ […] Der Dreischritt Wertschätzung/Vision/Umsetzung beinhaltet Verstehbarkeit/Bedeutsamkeit/Handhabbarkeit und ermöglicht durch selbstbestimmtes Gestalten die Erfahrung von Kompetenzerleben sowie Sinn bzw. Zugehörigkeit« (Burow, 2017, S. 8). Zu ganz ähnlichen Ergebnissen gelangen Ehmer et al. (2016, S. 126 ff.) bei ihrer Suche nach Dimensionen, auf die in Organisationen zu achten ist, will man die Herausforderungen der sogenannten VUKA-Welt meistern, auch wenn die Begrifflichkeiten leicht differieren. So wird die Verstehbarkeit als Transparenz, die Handhabbarkeit als Mitgestaltung und die Eingebundenheit/Zugehörigkeit als Bindung beschrieben. Ergänzt wird noch die Sicherheit; dafür bleiben die Selbstbestimmung, das Kompetenzerleben, die Vision und die Umsetzung zunächst unberücksichtigt; wenngleich Selbstbestimmung und Kompetenzerleben in der Mitgestaltung durchaus aufgehen könnten. Egal auf welche der genannten Dimensionen die coachende Führungskraft im Transflexing sich fokussieren möchte, auch hier bieten sich in der praktischen Arbeit Skalierungen an. Wie die Ergebnisse der Studie von nextpractice (Kruse u. Greve, 2014) zeigen, ist die Bereitschaft, »sich zusammen mit Mitarbeitern auf einen neuen gemeinsamen Entwicklungsweg einzulassen, […] groß. […] Die Führungskräfte selbst gestalten diesen Führungswandel aktiv […]. So wird das Thema ›Führungskraft als Coach‹ zunehmend zu einem Thema der Führungsetagen« (Mankus, 2015, S. 143). Bei Google sind »auf Basis umfangreicher Befragungen acht Dimensionen erfolgreicher Führung […] destilliert worden, die wir für die Auswahl und Führungskräfteentwicklung nutzen« (Kohl-Boas, 2017, S. 25); an erster Stelle steht dabei »is a good coach«. Im Zuge einer stärkeren Fokussierung auf Self-Management-Strategien in den von Laloux (2015, 2017) sowie Scharmer und Käufer (2014) skizzierten Organisationsmodellen werden Führungskräfte bereits häufig »dahingehend geschult, ihre Rolle stärker systemisch zu verstehen und ähnlich eines Coaches zu agieren« (Schaller u. Zacher, 2017, S. 82). Ein als Transflexing verstandenes Coaching wird zu einem unverzichtbaren Element der Führungskompetenz. Sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter benötigen mehr Reflexion und intensive Entwicklungsbegleitung

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(Kruse u. Greve, 2014, S. 8). Genau hierin liegt das Potenzial des Coachings. Es ist u. a. geeignet, komplexe Situationen greifbarer zu machen, die Kluft zwischen Selbst- und Fremdbild zu verkleinern, die Entscheidungskompetenz zu optimieren, Stress zu reduzieren, die Selbstorganisation zu verbessern und die Problemlösungskompetenzen zu steigern (Martens, 2015, S. 74). Ein Transflexing kann sein Wirkpotenzial umso besser entfalten, je positiver die Organisationskultur reflexiven und transformativen Elementen, insbesondere dem Coaching, gegenübersteht (vgl. Kap. 6). Persönliches Coaching wird mit dem Übergang zur Netzwerkorganisation unverzichtbares Werkzeug für Führung (Kruse u. Greve, 2014, S. 8). Eine in der Studie von nextpractice identifizierte Führungstypologie wird als »Coaching kooperativer Teamarbeit« (Kruse u. Greve, 2014, S. 13) bezeichnet. Nach diesem Verständnis zu führen bedeutet, für maximale Transparenz von Inhalten zu sorgen, Diversität zu fördern, Zusammenhänge gemeinsam zu reflektieren, die Kooperation zu unterstützen und zu begleiten sowie Synergieeffekte zu schaffen. In dem HR-Report 2014/2015 (Hays, 2014) wurden Mitarbeiter hinsichtlich ihrer Anforderungen an die Führungskräfte befragt; sie stellen ebenfalls die Sozialkompetenzen in den Vordergrund: Die ersten drei Ränge belegen das Etablieren einer Feedbackkultur, die Motivation der Belegschaft und das Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten. Die Befunde der Initiative Neue Qualität der Arbeit (Kruse u. Greve, 2014) und Hays (2014) ergänzen sich komplementär und deuten darauf hin, dass sich die Rolle von Führung nachhaltig in Richtung Mitarbeiterorientierung entwickelt. Im Leadership Report 2016 wird dies so ausgedrückt: »Führungsarbeit hat künftig mehr mit Navigieren als mit Steuern zu tun: Das Ermöglichen steht im Mittelpunkt. Enabling meint, Räume zu öffnen, Chancen zu schaffen, Unterstützung anzubieten, damit sich Mitarbeiter weitgehend selbst organisieren können. – Eine Ermutigung« (Kühmayer, 2015). Einer der zehn Anforderungspunkte, die Grabmeier (2014, S. 7) an eine moderne Führungskultur heranträgt, ist das persönliche Coaching sowohl für Führungskräfte als auch für Mitarbeiter. Die dadurch möglich werdende intensive Begleitung der persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung ist ganz im Sinne einer transformationalen, dienenden, demokratischen bzw. geteilten Führung. Angesichts einer tendenziell abnehmenden Zahl von mittleren und einfachen Tätigkeiten in der Arbeitswelt und einem Anstieg jener Tätigkeiten, die höhere Qualifikationen und Kompetenzen erfordern, kommt es zunehmend darauf an, dass den Mitarbeitenden Entwicklungschancen offeriert werden. Arnold (2009) spricht in diesem Zusammenhang von einer »Potenzialorientierung«. Führung wird deshalb »stärker auf die Individualität des einzelnen

Coaching: Eine neue Führungsaufgabe als Transflexing

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Mitarbeiters hin orientiert sein müssen« (von Ameln u. Heintel, 2016, S. 153). Im Sinne einer »Ermöglichungsorientierung« (Arnold, 2009) wird es darum gehen, dass Führungskräfte das Arrangement dafür schaffen, dass die Mitarbeitenden ihre kreativen Kräfte, Teams ihre Schwarmintelligenz und Netzwerke ihre Selbstorganisationsdynamiken entfalten können (von Ameln u. Heintel, 2016, S. 153). Ein Coaching durch die Führungskraft im Sinne einer Personal­ entwicklung kann genau diesen Zielen dienen. Dabei gilt es allerdings zu betonen, dass der Begriff der Personalentwicklung irreführend ist, da Systeme zwar in ihrer Selbstorganisationsfähigkeit gestärkt, aber nicht entwickelt werden können. Das traditionelle Verständnis von Personalentwicklung haftet leider immer noch zu sehr an der Idee einer Steuerungsfähigkeit, die – wie wir versucht haben zu zeigen – einem modernen Verständnis von Führung und seinen Herausforderungen nicht gerecht wird. Die Idee des Transflexings mit ihrem dialogischen Ansatz der Hilfe zur Selbsthilfe berücksichtigt genau dies. »Da die Arbeitswelt immer komplexer wird, werden alle Führungskräfte und Manager von Zeit zu Zeit zu Helfenden für ihre Vorgesetzten, Untergebenen und Kollegen werden müssen« (Schein, 2017, S. 36). Wie dies praktisch geschehen kann, beschreibt Schein im Modell des »Humble Consulting«. Für ihn besteht die »große Frage für die Zukunft« darin, »ob Führungskräfte und Manager lernen können, ihren Untergebenen als vorurteilslose Berater und Helfer zur Seite zu stehen« (Schein, 2017, S. 37). Die entscheidende Voraussetzung, damit dies gelingen kann, besteht für Schein in der Notwendigkeit einer vertrauensvollen und offenen Level-2-Beziehung. Aufgrund seiner Erfahrungen und Forschungen geht Schein davon aus, dass »wirkliches Lernen sich aus einer Beziehung entwickelt« (Schein u. Dörffer, 2017, S. 94; hierzu auch Schäfer, 2017, S. 51 ff.). Damit diese funktioniert, so die Annahme, muss eine Symmetrie der wechselseitigen Erwartungen bestehen. Schein unterscheidet vier kulturell definierte Beziehungsebenen: ■■ die negative, feindselige, auf Ausbeutung basierende Beziehung, ■■ die transaktionale, bürokratische und professionelle Beziehung, die auf Anerkennung und Höflichkeit beruht (Level-1-Beziehung), ■■ die persönliche Beziehung, die eine Anerkennung des anderen Menschen als einzigartige Person voraussetzt (Level-2-Beziehung) und ■■ die enge Freundschaft, Liebe und Intimität (Level-3-Beziehung). Ein Großteil der Organisations- und Führungsberatung läuft für Schein nach den Level-1-Normen und -Verfahrensweisen ab. Die persönliche Level-2-­ Beziehung unterscheidet sich von der Level-1-Beziehung durch eine höhere

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Personalisierung, die den anderen nicht als Rollenträger, sondern als Menschen behandelt. Damit die Beziehung ihre Wirkung entfalten kann, gilt es, die Level2-­Beziehung um eine gemeinsame Aufgabe herum aufzubauen, auf die sich auf der einen Seite der Kunde, Coachee, bzw. Mitarbeitende und auf der anderen Seite der Helfer, Berater bzw. Coach gemeinsam einlassen können. Dies setzt eine besondere Qualität von Vertrauen und Offenheit voraus, die auch die Thematisierung von Zweifeln über bestimmte Diagnosen und Interventionen zulässt. Die Level-2-Beziehung vermeidet gleichermaßen die Förmlichkeit der professionellen Distanz wie auch die Verletzung der Privatsphäre. Zusammenfassend hält Schein (2017, S. 50) fest: »Bei komplexen, nicht technischen, chaotischen Problemen ist eine aufgabenorientierte Beziehung der zweiten Ebene erforderlich, damit genügend Vertrauen entsteht, um die wirklichen Motive, Probleme und Sorgen von sowohl Helfenden als auch Kunden aufzudecken.« Um herauszufinden, wie man helfen kann, ist es für Schein unerlässlich, eine Level-2-Beziehung aufzubauen, dies gilt für ihn umso mehr, je komplexer die Probleme und je stärker die wechselseitige Abhängigkeit ist. Die coachende Führungskraft wird genau aus diesen Gründen zu einer Notwendigkeit in der sogenannten VUKA-Welt. Ein durch die Führungskraft ausgeübtes Managerial-Coaching ist, wie Böning in seiner Metastudie zu unterschiedlichen Coachingformaten feststellt, eine »immer populärer werdende Coaching-Variante«, die in der Lage ist, »durch Führung Mitarbeiter zu empowern« (Böning, 2015, S. 77). Zusammenfassend stellt Böning Folgendes fest: »Bezüglich der Beziehung zwischen coachender Führungskraft und Mitarbeiter zeigte sich in den Studien deutlich, dass ein guter Rapport, Vertrauen und Commitment positive Auswirkungen haben. Eine konstruktive Kommunikation, Rückmeldungen, die Organisationskultur sowie ein direkt unterstützender und zielorientierter Umgang mit den Mitarbeitern sind außerdem wichtig« (Böning, 2015, S. 94). Die dritte Dimension von Führung, das Transflexing, hebt die Bedeutung der Beziehungsgestaltung durch die Führungskraft hervor. Wie Mannhardt, de Haan und Page (2016, S. 227) in ihrer Executive-Coaching-Outcome-Studie herausgefunden haben, gibt es keinen Wirkfaktor, »der das Ergebnis von Führungskräfte-Coaching stärker beeinflusst als die Beziehungsqualität«. Was für die Führungskräfte gilt, trifft auch auf die Mitarbeitenden zu. In der sogenannten VUKA-Welt wird die Potenzialentfaltung der Mitarbeiter durch eine entsprechende Personalentwicklung immer wichtiger. Die Rolle »Coach« im Rahmen des Transflexings wird deshalb zu einem festen Bestandteil des Rollenrepertoires der Führungskraft werden. Allerdings bedarf sie einer genauen Klärung. Schließlich sollten sich, vor allem wegen möglicher Missverständnisse und Rollenkonflikte die coachende Führungskraft und der

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zu coachende Mitarbeiter über die jeweiligen Rollenerwartungen und Inhalte des Coachings verständigen (vgl. Kap. 6). Wie sich angesichts des Literaturberichts gezeigt hat (vgl. Kap. 1), sind auch die ethischen Implikationen des Coachings durch die Führungskraft bislang kaum wissenschaftlich bearbeitet, was deshalb im folgenden Kapitel geschehen soll.

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Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft als Coach im Spannungsfeld von professioneller Beratung, Organisation und gesellschaftlichem Umfeld

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In diesem Kapitel werden die ethischen Anforderungen an ein Coaching als Führungskompetenz diskutiert. Dies erfolgt unter Einbezug unterschiedlicher Systemebenen, welche jeweils strukturell als auch prozessorientiert Einfluss auf die Implementierung und die Durchführung des Coachings durch Führungskräfte nehmen. Im ersten Abschnitt geht es zunächst um gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Der daran anschließende Abschnitt behandelt die Organisation als Kontext für das Handeln von Führungskräften und Mitarbeitenden. Im Abschnitt 3.3 wird das zukunftsethische Prinzip der Verantwortung einbezogen und anschließend dialektisch abgewogen, welche reflexiven Ebenen für das Coaching als Führungskompetenz zu berücksichtigen sind. Darauffolgend werden beratungsethische Prinzipien und organisationsethische Überlegungen miteinander verbunden und in Abschnitt 3.7 mit der Themenzentrierten Interaktion methodisch eingebettet. Anhand eines Beispiels werden die Möglichkeiten der Umsetzung und deren Konsequenzen für organisationale Rahmenbedingungen und das Handeln der Führungskraft als Coach ethisch beleuchtet. Das beratungsethische Resümee verbindet in Abschnitt 3.9 die Diskussionsstränge dieses Kapitels mit der dienenden Führung.

3.1 Gesellschaftlicher Kontext und Rahmenbedingungen Neben der Supervision und der psychosozialen Beratung hat sich mit dem Coaching ein Beratungsformat etabliert, in dem insbesondere plurale Berufswege, zahlreiche (Berufs-) Bildungsoptionen sowie die vielfältigen Verknüpfungen und Überschneidungen zwischen Privat- und Berufsleben in den Blick genommen werden. Hinter dieser Vielfalt an beruflichen und privaten Optionen liegen gesellschaftliche Übergänge, welche die sozialwissenschaftliche Fachliteratur unter der Chiffre der Modernisierung diskutiert und unter zahlreichen Metaphern

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akzentuiert. Mit dem Begriff der Modernisierung werden gesellschaftliche Akzelerationszyklen bezeichnet, deren Dynamik als ein Immer-Schneller-Mehr von Rosa (2005, S. 184) als »Gegenwartsschrumpfung« beschrieben wird. Technisch-­ digitale Innovationen durchdringen die Sphären des Privaten, so dass eine Verweigerung oder Enthaltsamkeit nur partiell und temporär möglich ist. Bereits eine formale Teilhabe am öffentlichen Leben erzwingt eine Auseinandersetzung mit den beschleunigten Abläufen einer technisierten Welt. Die zur Verfügung stehende Zeitdauer, »für die Erwartungssicherheit hinsichtlich der Stabilität von Handlungsbedingungen herrscht«, (Rosa, 2005, S. 184) nimmt generell ab. Weshalb sollen in einem Kapitel, welches primär der Ethik im Coaching als Führungskompetenz gewidmet ist, überhaupt Überlegungen in Bezug auf gesellschaftliche Kontexte erörtert werden? Gesellschaftliche Bedingungen können weitgesteckt als Rahmen und Orientierungspunkte für das menschliche, insbesondere auch das ethische Handeln sowie für die Struktur von Organisationen verstanden werden. Systemisch gedacht beeinflusst der Kontext, wie menschliches Verhalten gedeutet, wie die Intention von Verhalten verstanden wird, auf welche Weise dieses akzeptabel erscheint oder eher auf Ablehnung stößt. Der Rahmen entscheidet ebenso darüber, was in welcher Situation als zulässig, legal oder auch als grenzüberschreitend gilt. So wird eine Meinungsverschiedenheit in einem privaten Kontext vor dem Hintergrund der Beziehungsqualität zwischen den Beteiligten eingeordnet. In einem beruflichen Kontext sind Faktoren der jeweiligen Rollen, der Statusposition und der damit zusammenhängenden Weisungsgebundenheit bedeutsam. Im beruflichen Umfeld werden Kategorien der freundschaftlichen Nähe zugunsten der Aufrechterhaltung von Professionalität eher ausgeblendet. Das sagt nichts darüber, dass Konflikte die Arbeitsergebnisse oder auch die Zusammenarbeit selbst nicht beeinflussen. In unterschiedlichen Studien wird auf diese Zusammenhänge hingewiesen (Unternehmerschaft Düsseldorf, 2012; KPMG, 2009). Im beruflichen Umfeld steht die Wiederherstellung oder die Erweiterung der professionellen Handlungsfähigkeit im Vordergrund. Zunehmend geht es jedoch auch um die Individualität der Menschen, die für die Organisation in der Ausübung ihrer Rollen und der Übernahme von Funktionen von hoher Relevanz sind. Die Ebenen zwischen Privatleben und Beruf erscheinen im Kontext des Umgangs mit der Geschwindigkeit und der Komplexität anfälliger, aber auch anspruchsvoller für Beratung. Damit ist nicht nur die Unbegrenztheit beruflicher Anforderungen angesprochen, welche in das Privatleben hinein diffundieren. Gleichermaßen trifft dies auch auf die Menschen als spezifische Subjekte zu, die in und mit diesen unterschiedlichen Sphären zurechtkommen müssen. Deshalb können mögliche Formen der beraterischen Unterstützung

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Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft

in beruflichen Fragen nicht mehr am Tor der Organisation stehenbleiben. Vielmehr sind die Zwischenräume kompetent einzubeziehen, weil berufliche und private Lebensbereiche aufeinander einwirken. Diesen Überlegungen folgend sind Rahmenbedingungen in einen ethischen Diskurs und das verantwortungsvolle Handeln von Führungskräften einzubeziehen. Werden diese nicht mitbedacht, so käme dies eher einer Verkürzung gleich, so als würde ein zu beratender Mitarbeiter in unterschiedliche Bestandteile aufgespalten. Einerseits kommt es zu einer starken Fokussierung von Veränderungsbedürfnissen, weil ausschließlich der problematische Kontext wahrgenommen wird. Andererseits wird eine nahezu ausschließliche Ressourcenorientierung in den Vordergrund gerückt, die mit dem Risiko der Überforderung einhergehen kann. Ressourcen und auch Schwierigkeiten sind als zwei Seiten der gleichen Medaille zu betrachten, welche von den situationsspezifischen Anforderungen an den Rändern begrenzt und gerahmt wird. Daher lohnt es, einige Gedankengänge lang bei Konzepten des Rahmens und der Modernisierung zu verweilen. In den Sozialwissenschaften wird mit der Modernisierung ein tiefgreifender Wandel beschrieben. Dieser Wandel umfasst alle Bereiche der Existenz, des Zusammenlebens oder -arbeitens. Im Kern kann hier einer These von Norbert Elias gefolgt werden, welcher den Übergang von der Vormoderne zur modernen Gesellschaft als einen Prozess des Wandels vom Fremd- zum Selbstzwang beschreibt. Jener Übergang ist dahingehend markiert, dass eine Verhaltenssteuerung und Affektkontrolle nicht (mehr) durch einen Souverän autokratisch gesteuert, sondern dem einzelnen Subjekt selbst auferlegt wird. Der einzelne Mensch lenkt das eigene Verhalten im Kontext seiner sozialen Einbindung in vielfältigen Beziehungsgeflechten (Elias, 1997, S. 347 ff.). So ist erklärbar, dass Menschen sich in öffentlichen Räumen und Arbeitsbeziehungen anders verhalten, als in privat-freundschaftlichen Zusammenhängen. An den gegenwärtigen Prozessen der Modernisierung werden eine zunehmende Dynamik und Entgrenzung diskutiert, welche als nahezu einzige Konstante den gesellschaftlichen Wandel in den Vordergrund rücken. Deutlich wird dies in den immer kürzer werdenden Zyklen technischer und sozialer Innovationen, die mit einer Neuorganisation des Arbeits- und Privatlebens einhergehen oder auch durch eine global agierende Wirtschaft, die einem spezifischen Sozialraum nicht mehr zugehört. Neben das Sozialkolorit bestimmter Gegenden, deren Rituale und Eigenheiten treten abstrakter und distanzierter werdende Beziehungen. Konferenzen via Skype oder auch Begegnungen, die Zeitgründen geschuldet auf Sachaspekte reduziert werden, sind Beispiele für Prozesse der einerseits zunehmenden Chance zur Individualität und andererseits jedoch auch der Anforderung an die Subjekte, mit den darin verborgenen

Gesellschaftlicher Kontext und Rahmenbedingungen

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Möglichkeiten kompetent umzugehen. Diese Neukodierung zeitigt zahlreiche Begleiterscheinungen für das Privat- und Berufsleben, beispielsweise in Bezug auf die berufliche Mobilität, bei der Wahl des Wohnortes, in unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen oder auch in der beruflichen Abwesenheit von Familienangehörenden. Für das einzelne Subjekt bringt dies eine auf Dauer gestellte Arbeit an der eigenen Identität mit flexiblen Bezugspunkten mit sich (Eck, 2013, S. 414 f.). Eine lebenslange Bindung an einen Arbeitgeber scheint heute nahezu undenkbar. So wird in der GPM-Studie »Vermessung der Projekttätigkeit« (GPM, 2015, S. 1) auf eine Zunahme des Anteils jener Arbeitszeit, welche in Projekten erbracht wird, zwischen 2009 und 2013 um 20 % hingewiesen. Für das Jahr 2019 wird ein Anteil von 41,3 % an Projekttätigkeit in Bezug auf die Gesamtarbeitszeit prognostiziert (GPM, 2015). Die Makroebenen der Kultur und Gesellschaft und die Mikroebenen der Handlungsprozesse zwischen den Menschen können nur als miteinander verknüpft wahrgenommen werden. Mit dem Begriff der strukturellen Koppelung (Maturana u. Varela, 1987, S. 85; Luhmann, 1992, S. 124) wird zum Ausdruck gebracht, dass kommunikative Schnittmengen zwischen unterschiedlichen Systemebenen, dem gesellschaftlichen Rahmen, einzelnen Abteilungen der Organisation und den darin Tätigen herzustellen sind. Im Fokus stehen dabei Themen der Herstellung von Anschlussfähigkeit. In diesem Sinne lässt sich kein eindeutig zurechenbares Steuerungszentrum identifizieren, sondern eine Verknüpfung kommunikativer Prozesse. Alle Akteure sind Bestandteile von Prozessen der wechselseitigen Beeinflussung (Maturana u. Varela, 1987, S. 85; Sanders u. Kianty, 2006, S. 261 ff.). Im Kontext von Organisationen ließe sich dies folgendermaßen verdeutlichen: Eine einzelne Abteilung, ein einzelnes Arbeitsgebiet handelt nicht für sich allein. Es befindet sich als Bestandteil innerhalb einer Organisation, welche im Rahmen des Sozialraums, der Gesellschaft und Kultur agiert. Die Prozesse auf der Makroebene (Gesellschaft und Kultur) beeinflussen Prozesse auf der Mikroebene (beispielsweise konkrete Arbeitsabläufe). In dieser Denkfigur sind Makro- und Mikroebene zirkulär miteinander verknüpft (Luhmann, 1987, S. 166 f.). Organisationen und Gesellschaft beeinflussen einander durch unterschiedliche Vorgänge, wie angebotene Dienstleistungen, diskutierte Themen, Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen und Ähnliches. Aktuell lässt sich die Diskussion um den durch Dieselmotoren mitverursachten Feinstaub anführen, welcher die Einhaltung der politischen Rahmenbedingung, der Schadstoffbelastung der Luft gefährdet. Welche Bedeutung hat die beschriebene Verschränkung von Makro- und Mikroebene für eine ethische Debatte im Kontext von Führung? Gesellschaft­ liche Modernisierungsprozesse erschweren aufgrund ihrer Dynamik und zuneh-

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Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft

mender Abstraktionsgrade eine ethisch normative Orientierung für einzelne Akteure. Gleichsam scheint es, als verlöre die Gesellschaft ethische Bezugspunkte und damit auch ethische Identifikationsfiguren. Im Sinne der hier entwickelten Gedankengänge lassen sich Prozesse für ethische Orientierungen in der Wechselseitigkeit zwischen Mikro- und Makroebene, im Zwischenraum der ethischen Reflexion des subjektiven oder auch kollektiven Handelns, in der Beziehung zwischen Individuellem und Universellem ansiedeln (Sözer, 1996, S. 105 ff.). Die Modernisierung steht einerseits als Chiffre für eine Vielfalt an Optionen, andererseits auch für eine nie dagewesene Unübersichtlichkeit. Zahlreiche Metaphern bringen dies zum Ausdruck. So werden moderne Gesellschaften in Fragmenten des Postwachstums, der hyperrealen Simulationsgesellschaft oder auch mit Zygmunt Baumann (1991) der Unordnung und der postmodernen Moral beschrieben. Die gesellschaftliche Moderne verweigert eine Eindeutigkeit. Sie nimmt vielmehr perspektivenabhängig im Raum von Optionen Zuflucht (Zeidl u. Zahrnt, 2010; Baudrillard, 1968, 1991; Baumann 1991). Jean-François Lyotard sprach gar vom Ende der großen Erzählungen. In seinem Bericht »Das postmoderne Wissen« (­Lyotard, 2015) beschäftigt ihn die Frage der Legitimität, jener Orientierung gebenden Ordnungsversuche, welche von Generation zu Generation weitergegeben werden. In seinen Analysen deckt ­Lyotard einen Übergang von bislang erklärenden und einenden Erzählungen hin zu Zweckmäßigkeitsorientierungen auf. Gegenwärtig wird nur noch bedingt nach Wahrheit gefragt. Gesellschaftlich bedeutsamer und bereits mit impliziten Wertsetzungen versehen, wird an Kubsch (2004, S. 3 ff.) anschließend folgenden Fragen nachgegangen: Wozu dient etwas? Ist es verkaufbar? Ist es effizient? Aus diesen Überlegungen folgt zunächst, dass einheitliche Orientierungen, verbindende Darstellungen von Sachverhalten oder auch Zielstellungen allenfalls unter bestimmten Blickwinkeln gelingen. Zu den Bestimmungsmerkmalen der beschriebenen Moderne zählen Perspektiven auf Wirklichkeiten, welche fragmentiert und vielgestaltig erscheinen. Ob ein betrachteter Sachverhalt als richtig oder falsch gilt, kann dem folgend erst durch das Verknüpfen mit der jeweiligen Perspektive eines Betrachters beurteilt werden. Mit dieser Heteromorphie (Vielgestaltigkeit), mit der Auflösung einheitlicher Sichtweisen in jeweils standpunktabhängige, selektive Bedeutungs- und Sinnwelten wird die moderne Industriegesellschaft zur Postmoderne transformiert und mit Luhmann kontingent. Alles ist stets auch anders denkbar und vor diesem Hintergrund potentiell auch anders möglich (Luhmann, 1987, S. 148 ff.). Rosa akzentuiert in diesem Zusammenhang das Argument der Beschleunigung. Zu schnell ändern sich die entscheidungserheblichen Prämissen und verändern damit Handlungsprozesse. Ein Diskurs über mögliche Optionen wird zu einem

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offenen Feld (Rosa, 2005, S. 159 ff.). Jede Handlung bleibt im Vollzug eine immer unvollendete Komposition, ein Arrangement oder Agreement, welches vor dem Hintergrund einer Fülle niemals vollständig erfassbarer Informationen von den Akteuren eingerichtet wird. Kontingenz verstärkt die Unsicherheit, die falschen Ziele in den Blick genommen oder handelnd Nebenfolgen produziert zu haben, welche sich dann als problematisch oder riskant für die Organisation als ganze, für einzelne Teams oder auch für Mitarbeiter erweisen. So ist die Selektivität der verfügbaren und herangezogenen Informationen im praktischen Entscheidungszwang bereits selbst riskant, denn aufgrund welcher Prämissen wird in der Gegenwart über die Relevanz von Informationen aus der Vergangenheit und deren Geltung für künftig zu erreichende Ziele entschieden? Hier kann Watzlawicks auf die Kommunikation gerichtete Aussage adaptiert werden. Er schrieb »Man kann nicht nicht kommunizieren« (Watzlawick et al., 2011, S. 58). Die Sprache dient hier als Kompass, welcher den Weg zum jeweiligen Denken und Handeln weist (Loebbert, 1999, S. 3). Gleichermaßen gilt Watzlawicks Postulat auch für Entscheidungen, denn man kann auch nicht nicht entscheiden. Die damit verbundene Unsicherheit wird zur Wegbegleiterin, in der Entscheidungen immer auch im Sinne ihrer Möglichkeiten und ihres auch Anders-Getroffen-Werden-Könnens zu betrachten sind. Mit anderen Worten: Neben jedem gelebten Augenblick existieren nahezu unzählig viele so oder anders mögliche. Jede aufgrund selektiver Informationen getroffene Entscheidung schließt andere Optionen partiell oder auch für immer aus. So können in der Organisation gebildete Rücklagen vor dem Hintergrund strategischer Erwägungen nur einmal (re-)investiert werden. Diese Unübersichtlichkeit und Komplexität bedingt ethische Orientierungen des Führungshandelns. Anhand einer reflexiven Bezugnahme auf ethische Dimensionen des Handelns sollen zu treffende Entscheidungen begründet werden. Für coachende Führungskräfte resultieren daraus reflexiv-ethische Konsequenzen: Einerseits gerät das Verhalten der Führungskraft als Coach selbst im Hinblick auf deren Fachlichkeit, deren Handeln nach anerkannten Standards, welche beispielsweise in den Veröffentlichungen der Coaching Fach- und Dachverbände kodifiziert sind, die Gestaltung einer professionellen Beziehung oder auch die wissenschaftliche Aktualität der angewandten Methoden und deren theoretischer Fundierung in den Blick. Andererseits wird Coaches eine Kompetenz im Umgang mit Entscheidungsdilemmata zugerechnet, welchen explizit oder auch unausgesprochen stets eine ethische Fragestellung innewohnt und deren Dimensionen nicht eindeutig

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bewertbar erscheinen. Reflexiv abzugrenzen sind die ethischen Orientierungen der Führungskraft, welche sich auf die Organisation und eigene Normative beziehen. Führungshandeln und Coaching sind dahingehend voraussetzungsreich. Eine ethische Orientierung im Coaching folgt daran anschließend einem ökosozialen Prinzip und geht über das Führungshandeln in direkter Interaktion hinaus. Es stellt eine Art Scharnier zwischen gesellschaftlich-kulturellen Dimensionen ethischer Orientierungen und der Mikroebene des konkreten Handelns dar. Entsprechend gilt Ethik als praktische Philosophie. Ethik ermöglicht den Akteuren eine Orientierung im Entscheidungszwang. Dies erfolgt unter den Bedingungen der Dynamik moderner Gesellschaften, welche die Ausrichtung des Handelns nahezu generalisiert in den Deutungshorizont des einzelnen Subjekts stellt und es diesem auferlegt, mit den darin wahrgenommenen Widersprüchen fertig zu werden (Schmidt-Lellek, 2016, S. 3). Für den hier zu führenden Diskurs über ethische Prämissen im Coaching durch Führungskräfte können zunächst die folgenden Schlussfolgerungen gezogen werden: ■■ Entscheidungen enthalten ein irrationales Moment. Sie stützen sich auf selektiv verfügbare Informationen und werden in eine offene Zukunft hinein getroffen. Handlungsentscheidungen sind daher strukturell stets unterbestimmt. Sie folgen aus der Vergangenheit, betreffen jedoch eine noch nicht greifbare Zukunft (van der Loo u. van Reijen, 1997; Bammé, 2004, S. 132; Vaihinger, 1986). ■■ Entscheidungen werden innerhalb von Rahmenbedingungen getroffen. Zu diesen Rahmenbedingungen zählen beispielsweise Organisationsregeln, welche aufgrund von Führungsentscheidungen bereits selektive, handlungsleitende Prämissen zur Verfügung stellen. Aus den jeweiligen Rahmenbedingungen wird auch abgeleitet, unter welchem Blickwinkel Handlungen und deren Ergebnisse gedeutet werden, was jeweils als zulässig gilt oder als abweichend eingeordnet und gegebenenfalls auch sanktioniert wird. Die Rahmenbedingungen definieren die Grenzbereiche des Handelns. Sie geben aufgrund der Vielzahl der zu regelnden Sachverhalte jedoch keine konkreten, sondern eher Reichweiten für Handlungen vor. So sind in einer Organisation alle Handlungen zu unterlassen, welche dieser schaden oder gar deren Fortbestand gefährden. ■■ Auf der Ebene aller Akteure verbleiben demnach Entscheidungs- und Handlungsspielräume. Zudem besteht ein Entscheidungszwang, damit Prozesse vorangebracht und Ziele erreicht werden. Auch eine Nicht-Entscheidung gilt als Entscheidung, welche manifeste Konsequenzen zeitigt.

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Dieser Entscheidungsdruck wird von den einzelnen Akteuren bewältigt. Er kann diese jedoch auch überfordern. ■■ Durch das Coaching wird ein Zwischenraum eröffnet, welcher zwischen Entscheidungszwang und Begründungsverpflichtung zu verorten ist (Garz u. Raven, 2015, S. 28; Oevermann, 1996). Im Handlungsdruck praktischer Situationen werden temporär transflexive Auszeiten (vgl. Kap. 2) für das Einbeziehen weiterer Blickwinkel und die reflexiv-ethische Rückbindung eröffnet. Diese Aus- und Zwischenzeiten unterstützen die coachende Führungskraft, sich in eine reflexive Distanz zu ihrem ansonsten praktizierten Führungsverhalten, beispielsweise den instruierenden Aspekten zu begeben. Im Unterschied zu einem externen Coach bleibt die coachende Führungskraft auch nach einem Coachingprozess in der Interaktion zum Mitarbeiter. Somit beeinflussen die im Coaching entwickelten Ziele und Prozesse durchaus auch die Führungskraft selbst. In dieser Hinsicht ist von koevolutiven Prozessen der Weiterentwicklung der Beteiligten und der Organisation auszugehen (Radatz, 2007; Willi, 1989). Aus den angeführten Aspekten erwächst ein Prinzip, welches sich übergreifend als Verantwortungskultur umschreiben lässt. Denn in der Vielfalt der Möglichkeiten ist eine ethische Orientierung an den Stellen anzusiedeln, an denen Entscheidungen zu treffen sind und daraus konkrete Handlungen und deren Folgen generiert werden. Dieses Prinzip der Verantwortung schließt demnach ein, dass jenen Mitarbeitenden die Verantwortung zuzurechnen ist, welche Entscheidungen treffen und in deren Folge handeln. Darüber hinaus bedeutet dies auch, dass eine Verantwortung für Handlungsfolgen sicher hinsichtlich der Einsichtsfähigkeit in die Reichweite der Folgen und Nebenfolgen eingeschränkt, jedoch nicht gänzlich delegiert werden kann. Eck (2013, S. 343 ff.) dimensioniert die Verantwortungsübernahme auf Nah- und Fernbereiche dahingehend, dass Personen ■■ ■■ ■■ ■■ ■■

Eigenverantwortung für sich selbst, Verantwortung im Sozialraum für das eigene und im eigenen Umfeld und Verantwortung für das eigene Team und im eigenen Team, Verantwortung für und in der Organisation, Verantwortung in der Öffentlichkeit tragen.

Kaum noch begründungsbedürftig erscheint an dieser Stelle das Erfordernis eines implementierten Beratungsformats, welches die Handlungs- und Entscheidungsträger dabei unterstützt, verantwortungsbewusst als Akteure in den

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Organisationen tätig und darüber hinaus entscheidungs- und handlungsfähig zu bleiben. Durch Coaching können jene Akteure bei der Standpunktsuche unterstützt werden. Coaching kann dabei helfen, (Eigen-)Verantwortung unter Einbezug der Rahmenbedingungen wahrzunehmen. Coaching dient somit nicht nur der Kontingenzreduktion zum Zweck der Entscheidungsfindung, sondern auch der Sinnkonstituierung, der Entdeckung und der Zuschreibung von Sinn in vorab als widersprüchlich oder belastend wahrgenommenen Situationen (Eidenschink, 2011, S. 27 ff.; Stotzko, 2013, 7 f.; Heintel, 2006, S. 200). Dies erscheint mehr als notwendig, weil Probleme keineswegs immer eindeutig fassbar oder umfassend analysierbar sind. Sie lassen sich eher als multiple »Soll-Ist-Differenzen«, als Relationen beschreiben, welche weniger mit Tatsachen als mit der Perspektive, unter der sie definiert und betrachtet werden, zusammenhängen (Geißler, 2016, S. 51).

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3.2 Die Organisation als Rahmen für das Handeln von Mitarbeitenden und Führungskräften Der vorangegangene Abschnitt stellt einen Zusammenhang zwischen der gesellschaftlichen Dynamik und deren Einflüsse auf eine ethische Orientierung einerseits, sowie das konkrete Handeln zwischen den Entscheidungsrisiken andererseits her. Gesellschaft und Kultur sind als beeinflussende Umwelten für Organisationen angesprochen. In diesem Abschnitt wird die Organisation in die dialektische Beziehung zwischen Gesellschaft und Subjekt einbezogen. Die Notwendigkeit zur Organisation menschlichen Handelns wird als Konsequenz der Arbeitsteilung gedeutet. Organisationen abstrahieren den Einzelfall und stellen zur Orientierung einen Regelkanon zur Verfügung, welcher explizite, kodifizierte, nachprüfbare oder auch sichtbare und implizite Regeln beinhaltet. Regeln bestehen unabhängig von den einzelnen Akteuren fort. Sie gelten auch für neu hinzukommende Mitarbeitende, obgleich diese an deren Zustandekommen unbeteiligt waren. Daher neigen Organisationsregeln zu einem Eigenleben (Simon, 2015). Von den einzelnen Akteuren wird erwartet, dass sie entsprechend ihrer Stellung in der Organisation kompetent mit den impliziten und expliziten Regeln umgehen. Wird das Coaching als Führungskompetenz verhandelt, so rücken in Bezug auf die Organisation primär zwei Handlungsmodi in das Blickfeld. Zum einen wird die Stellung der coachenden Führungskraft in der Organisation zum Gegenstand der Reflexion. Zum anderen wirkt Coaching als Ort der Thematisierung von Entscheidungs- und Handlungsdilemmata transzendierend auf gel-

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tende Regeln und darauf aufbauende Prozesse. Geltende Regeln werden über den Diskurs reflexiv verfügbar. Einer Erstarrung könnte somit vorgebeugt werden, weil Regeln hinsichtlich ihrer Funktion für zielfördernde Prozesse, die Zusammenarbeit oder auch die Weiterentwicklung der persönlichen Professionalität im Coaching hinterfragt werden. Welche Verbindungslinien lassen sich daran anschließend zwischen dem Führungshandeln, dem Erfordernis der Beratungskompetenz für Führungskräfte in Organisationen und in Bezug auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen als Umwelt von Organisationen herstellen? Sozialwissenschaftlich betrachtet stellen Organisationen den Korpus für institutionelles Handeln dar. Als Institutionen gelten manifestierte und tradierte Handlungsweisen, welche von Bedeutung für die Gesellschaft und deren Fortbestand sind (Berger u. Luckmann, 2003). Institutionen wirken auch in ethischer Hinsicht verhaltenslenkend. Sie können den Entscheidungsdruck durch ihre komplexitätsreduzierende Funktion eingrenzen und werden zudem als Beurteilungsmaßstab für das eigene und das Verhalten anderer herangezogen. Beispielhaft ließen sich hier Berufe als Maßstab für die Allokation auf dem Arbeitsmarkt benennen (Hoffmann et al., 2011, S. 9 f.). Als aktuelles Beispiel kann auch die Reziprozität als ethische Norm des Zusammenlebens herangezogen werden. Diese geht im Kern von einer Balance zwischen Geben und Nehmen durch eine Beteiligung aller am Zusammenleben aus (Adloff u. Mau, 2005; Stegbauer, 2002). Reziprozität kann dabei im Kleinen zwischen Nachbarn, Freunden oder Familienmitgliedern nach dem Modus hilfst du mir, dann helfe ich dir gedacht werden. In Organisationen findet das Reziprozitätsprinzip beispielsweise Ausdruck in Arbeitskämpfen zur Lohngerechtigkeit oder auch hinsichtlich familienfreundlicher Arbeitsbedingungen. In der Moderne ist Reziprozität jedoch durchaus komplexer und abstrakter in Sozialsystemen und gesellschaftlichen Aufgaben der Daseinsfürsorge kodiert. Diesen Aufgaben können Gesellschaften nur dann gerecht werden, wenn sich alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten beteiligen, z. B. durch ehrenamtliches Engagement oder schlicht auch durch das Zahlen von Steuern. In der wahrgenommenen Verletzung der Reziprozität liegt ein Grund, weshalb das Generieren von Überschüssen und das gleichzeitige Ausweichen in Niedrigsteuerländer kritisch diskutiert werden. Organisationen sind im Kern auf das Bewahren von Zuständen welcher Art auch immer ausgerichtet (Burisch, 1982, S. 193). So geht es beispielsweise um möglichst reibungsarme Abläufe in der zielgerichteten Zusammenarbeit von Mitarbeitenden. Es geht um die Steigerung oder zumindest die Aufrechterhaltung der Position an Märkten oder auch die Erfüllung von Aufgaben im gesellschaftlichen Gefüge. Im Kern geht es schlicht um die Sicherung der Exis-

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tenz der Organisation, welche unter diesen unterschiedlichen Chiffren, wie der Mitarbeiterbindung oder der Steigerung der Innovationskraft verhandelt wird. Daran anschließend verkörpern Organisationen selbst keine Ethik. Vielmehr ist diese im Denken über Organisationen manifestiert und muss mit Wittgenstein im daraus resultierenden Handeln angelegt sein (Reins, 1998, S. 127). In der Zusammenarbeit der Mitarbeitenden verschmelzen die Zielvorstellungen der Organisation mit bewährten Handlungsweisen und projektiven Bedürfnissen in Bezug auf die Befriedigung von Interessen, beispielsweise durch die generierten Einnahmen (Burisch, 1982, S. 193 f.). Darin liegen Motive für die öffentliche Darstellung und die Imagepflege von Organisationen oder auch die Werbung für Produkte, welche nicht immer an Bedürfnissen anknüpft, sondern diese geradezu erst weckt. Gleichermaßen ist davon auszugehen, dass in Organisationen zu jedem Zeitpunkt zu wenig Wissen darüber existiert, welche praktischen Konsequenzen die umzusetzenden Handlungspläne in einer komplexen Umwelt zeitigen und ob die jeweils in der Organisation bearbeiteten Themen existenzsichernd oder gar zukunftsfähig sind. Erfahrungsbezogen ist es unmöglich für alle eventuell eintretenden Sachverhalte Vorkehrungen zu treffen. Ebenso unmöglich ist es, komplexe Umweltbeziehungen gänzlich in und durch Organisationsabläufe abzubilden. In die Handlungsprozesse von Organisationen werden Personen als Mitarbeitende eingebunden, über die kaum Wissen vorhanden ist, die niemand vorab und auch nach Jahren der Zusammenarbeit meist nur in den Ausschnitten der jeweilig ausgefüllten Rolle kennt. Darüber hinaus zeigen sich in Organisationen auch die menschlichen und zwischenmenschlichen Phänomene, welche in der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Personen mehr oder weniger zielführend erscheinen. Die komplexen Prozesse des Handelns innerhalb einer Organisation gelten somit als nicht gänzlich steuerbar. So treffen zwei komplexe Dimensionen aufeinander. Es handelt sich zum einen um die Umwelt einer Organisation und zum anderen um die Komplexität innerhalb der Organisation selbst. Der kompetente Umgang mit den Schnittstellen zwischen den Erwartungen der Organisation und den Orten des konkreten Handelns wird Führungspersonen überantwortet, welche gemeinsam mit den beteiligten Protagonisten nach Wegen zur Zielerreichung suchen (Weibler, 2016, S. 86; Kuhn u. Weibler, 2012). Zur Orientierung können Regelwerke der Organisation herangezogen werden, die jedoch aufgrund ihres Abstraktionsgrades und der nahezu unendlichen Breite an denkbaren Variationen nicht jede einzelne Situation detailliert behandeln, sondern diese zu Themengruppen zusammenfassen. Es bleibt mehr oder weniger konkret den einzelnen Mitarbeitenden überlassen, wie mit

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Handlungsanforderungen umgegangen wird. Gefordert ist demnach vor dem Hintergrund einer steigenden Komplexität der Anforderungen an und in Organisationen der weitgehend autonome und eigenverantwortlich handelnde Mitarbeiter. Damit ist ein unschätzbarer Vorteil verbunden. Organisationen, welche auf eigenverantwortliche Mitarbeitende setzen, erhalten ihre Flexibilität im Umgang mit komplexen Umweltanforderungen, die in den verschiedenen Ebenen eines Unternehmens abgebildet und bearbeitet werden. Gleichermaßen liegt darin eine Begründung für die Notwendigkeit von Führung als spezifischem Handlungsmodus. Diese zeigt sich darin, dass immer wieder Korrelationen zwischen den Unternehmenszielen und den autonomen Handlungsmöglichkeiten der Mitarbeitenden herzustellen und diese gleichzeitig in ihrer Entscheidungskompetenz auf der konkreten Handlungsebene zu fördern sind. Während die Organisationen zur Orientierung abstrakte Rahmenbedingungen und Regeln für künftig möglicherweise eintretende Situationen bereitstellen, ist das Führungshandeln selbst an konkreten Handlungs- und Interaktionsprozessen ausgerichtet. Zudem beansprucht der Regelkanon der Organisation nahezu überzeitliche Geltung. Das Führungshandeln ist hingegen prozesshaft und konkret an Situationen orientiert, welche bezogen auf einen in der Zukunft zu erreichenden Zustand in der Gegenwart handelnd gestaltet werden. Die Regeln der Organisation und das konkrete Führungshandeln sind daher im Vergleich betrachtet asynchron. Die Regeln in Organisationsroutinen wirken bewahrend. Das Führungshandeln hingegen wirkt im Einbezug von Anforderungen aktueller und künftiger Situationen transzendierend. Im Kontext abstrakter Regelungen schließt Führung darüber hinaus Beziehungsaspekte zwischen den Beteiligten als wesentliche Gestaltungselemente ein (Weibler, 2016, S. 85). Für die Führung kann somit ein intermediäres Handeln zwischen abstrakten Organisationsregeln und Leitbildern und konkretem Handeln auf der Ebene der Mitarbeitenden in Anspruch genommen werden. Im Kern gilt es daran anschließend Bezugspunkte zwischen Makro- und Mikroebene zu entwickeln, welche mit Wittgenstein (1922, 2017) in Bezug auf konkretes Handeln ethisch begründbar sind. Abstrakte Handlungsketten, welche nicht einzelnen Akteuren oder Einheiten verantwortbar zugerechnet werden können, erfüllen mit Skepsis. Sie verschleiern Machtverhältnisse und begünstigen die Herauslösung der Verantwortung für problematisches Handeln aus dem individuellen Tun auf eine abstrakte Ebene in der Organisation. Von dieser Metaebene aus betrachtet ist es schwierig, einzelnen Personen Verantwortung für ein Tun oder Unterlassen zuzuweisen. Erst eine öffentliche Verantwortungsübernahme einzelner Personen löst Prozesse in konkrete Handlungen auf und macht damit eine (Teil-)Verantwortung identifizierbar. Beispielhaft wird hier erneut auf die

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Schadstoffbelastung durch Dieselmotoren hingewiesen. In der Aufarbeitung der Verstöße gegen politische Rahmenbedingungen wird eine Verweigerung von Verantwortung deutlich (vgl. Kap. 2). Eine Handlung, ein Vorgang selbst lässt sich als intendiertes und auch kontrollierbares Mittel für einen beabsichtigten Zweck beschreiben (Hubig, 1982, S. 59). Mit dem Zweck wird ein Sachverhalt in der Zukunft bezeichnet, für den geeignete Mittel zur Realisierung herangezogen werden. Die jeweilige Umsetzung folgt demnach aus der Interpretation der in Betracht kommenden Ziele, der aktuellen und der in der Zukunft erwarteten Rahmenbedingungen. Auch komplexe Handlungen lösen eine individuelle Auseinandersetzung mit möglichen Wegen und den zu erreichenden Zielen im Kontext der jeweiligen Rahmenbedingungen nicht auf. Es ist eine Frage der Relevanz, welche Bedingungen als förderlich oder hemmend für die Zielerreichung angesehen werden. Idealerweise stimmen die Relevanzsysteme der in komplexen Prozessen Handelnden intersubjektiv überein (Hubig, 1982, S. 60; Schütz u. Luckmann, 2003, S. 152 ff.). Mit dieser Übereinstimmung kann unvoreingenommen jedoch nicht gerechnet werden. Es ist eine Aufgabe der Führungskraft, die in dialogischen Prozessen und im Perspektivenwechsel Intersubjektivität in Bezug auf die Ziele und mögliche Wege fördert. Können die Handlungen und deren Folgen konkreten Personen zugerechnet werden, so korreliert dies auch mit der darin zum Ausdruck gebrachten Kompetenz. Einleuchtend erscheint, dass ein möglicher Kompetenzzuwachs im Kontext abstrahiert dargestellter Handlungsprozesse einzelnen Mitarbeitern allenfalls schwierig zugeschrieben werden kann. Institutionelles Handeln gilt als Raum von Möglichkeiten. Zugerechnet wird dem einzelnen Akteur eine interpretative Kompetenz für eine kompetente Nutzung dieser Spielräume. Der einzelne Mitarbeiter trägt demnach fortwährend die Verantwortung für seinen Umgang mit den Rahmenbedingungen auf der Grundlage getroffener Entscheidungen aus einer Vielzahl alternativer Möglichkeiten. Heruntergebrochen bedeutet dies für eine Organisation, dass diese selektiv aus gesellschaftlich-kulturellen Rahmenbedingungen entsprechend ihrer verfolgten Zielstellungen für eine Fülle von Handlungen abstrakte Regelungen zur Verfügung stellt, und diese in ethische Wertvorstellungen, beispielsweise Leitbilder einbettet. Inwiefern daraus ethisch begründbares Handeln folgt ist das Ergebnis von Entscheidungen auf der Ebene der Akteure. Diese ethischen Aspekte tauchen als zentrale Momente signifikant unter anderem in den Fragen auf: ■■ Welche Regeln werden im Kontext von Beförderungen als gerecht wahrgenommen? ■■ Wie kann ein Mitarbeiter adäquat gefördert und unterstützt werden?

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■■ Kann ein Mitarbeiter mit seiner Führungskraft über Konflikte am Arbeitsplatz reden? ■■ Was kann ein Mitarbeiter tun, wenn sein Potenzial nicht wahrgenommen wird und langsam verkümmert? ■■ Mit wem kann ein Mitarbeiter schlecht funktionierende Arbeitsprozesse besprechen? ■■ Kann ein Mitarbeiter mit seiner Führungskraft auch private Probleme besprechen, welche sich auf seinen Verbleib oder sein Ausscheiden aus der Organisation oder auf seine aktuelle Belastbarkeit auswirken? Mit dieser Wendung wird ein Führungsverständnis präferiert, welches einerseits an humanistischen Werten orientiert ist. Andererseits wird einbezogen, dass Menschen autonom und damit niemals vollständig kontrollier- und instruierbar sind (Weibler, 2016, S. 311 ff.).

3.3 Reflexionen über das zukunftsethische Prinzip der Verantwortung Der vorangegangene Abschnitt beleuchtet die intermediäre Position der Organisation zwischen Subjekt und Gesellschaft. Organisationen dienen als Orte institutionellen Handelns der Entscheidungsentlastung. Sie reduzieren durch langfristig geltende Regeln Kontingenz, in dem sie einen Spielraum für akzeptiertes Handeln vorgeben. Dieser Spielraum ist einerseits abstrakt, weil er eine Fülle an Ereignissen thematisch einbezieht. Andererseits wird den Mitarbeitenden zugemutet, diesen Entscheidungs- und Handlungsspielraum interpretativ auf die jeweilige Situation zu beziehen und kompetent zu nutzen. Führungskräfte nehmen ihrerseits selbst eine intermediäre Position zwischen den Mitarbeitenden und der Organisation unter Einbezug gesellschaftlicher Rahmenbedingungen ein. Diese spezifische Position ist als Handeln im Zwischenraum asynchron auf Transzendenz im Hinblick auf das immer wieder sinnerfüllend auszurichtende Handeln der Mitarbeitenden und der Veränderung der Organisationregeln hin angelegt. Dies wird in der Konzeption eines ethischen Verständnisses für das Coaching durch die Führungskraft vertieft. Innerhalb eines gesellschaftlichen Rahmens und von Organisationen sind eine Vielzahl an Szenarien denkbar. Potentiell können Handlungen, sofern technisch und menschlich machbar auch umgesetzt werden. Es gilt das Diktat des Fortschritts und der permanenten Weiterentwicklung. Kontinuität wird eher mit Stillstand gleichgesetzt. Das Bewahren-Wollen macht sich als fortschrittsfeind-

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lich oder rückgewandt verdächtig. Die Innovationszyklen selbst sind nahezu anachronistisch. Sie verfolgen den (Selbst-)Zweck des Fortbestands der Organisation. Eine Innovation folgt der nächsten. Nahezu abgehetzt nimmt der einzelne wahr, dass eine vertiefte Auseinandersetzung kaum noch leistbar ist. Alsbald wird die letzte von der nächsten Neuerung abgelöst, so dass ein fortwährender Prozess des Übergangs auf Dauer gestellt wird. Schumpeter (1993) spricht mit der schöpferischen Zerstörung einen Vorgang an, in dem evolutionäre Prozesse nicht oder allenfalls bedingt aus Vergangenem folgen. Vielmehr sind diese an den Erwartungen in Bezug auf eine wirtschaftliche, ökonomische oder soziale Zukunft orientiert. Dahingehend wird das von Vaihinger angesprochene irrationale Moment in Handlungsentwürfe implementiert (Vaihinger, 1911, 1986). Eine rationale Begründung für die jeweils umgesetzten Handlungen erfolgt im Prozess oder wird ex post nachgeschoben. Darin ist gedanklich aufgehoben, dass Organisationen und Unternehmen gar nicht um den Verrat des Vergangenen umhinkommen. Sie können nicht anders, als sich und die Kommunikation über Waren und Dienstleistungen mit ihrem Umfeld in einem Prozess der schöpferischen Zerstörung fortwährend neu zu erfinden. Das Bewahren der eigenen Struktur gelingt in der Moderne nur noch jenen, die den Preis der Dynamik zu zahlen bereit sind. Gleichermaßen wird die Reichweite von Handlungen durch technische Innovationen nahezu unbegrenzt erweitert. Eine Evolution im Sinne der Weiterentwicklung von Produkten und Organisationsabläufen ist in diesem Sinne auch immer als Revolution gedacht (Schumpeter, 1993, S. 134 ff.). Damit geht einher, dass eine erhebliche Zeit benötigt wird, bis eine Innovation in ihren Möglichkeiten und Nebenfolgen erkannt wird. Ein solches Handeln stellt immer eine Wette darauf dar, dass es gut gehen möge. Eine langfristige Leistung scheint daher in der Wandelbarkeit der jeweiligen Prozesse und deren Ergebnisse auf der Grundlage verfügbarer Daten in jeweils aktuellen Situationen zu liegen, »als ob diese keine Vergangenheit und keine Zukunft hätten« (Schumpeter, 1993, S. 139). Worin können dahingehend ethische Orientierungsmöglichkeiten identifiziert werden? Allgemein wird eine Verpflichtung oder Selbstbindung herangezogen, welche über den Rahmen des konkreten Handelns oder der Organisation als allgemeines Prinzip gelten kann. Im Rückgriff auf Kants kategorischen Imperativ (Kant, 1785) »Handle so, als ob deine Maxime zugleich zum allgemeinen Gesetze (aller vernünftigen Wesen) dienen sollte.« Dieses Prinzip wird von Jonas (1993, S. 36) intergenerationell, das heißt in eine Geltung über die Grenzen der eigenen Generation hinaus verlängert in »Handle so, daß [sic] die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die künftige Möglichkeit solchen Lebens.« Damit wird das ethische Prinzip der Unschädlichkeit in

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den Vordergrund gerückt, indem Handlungen zunächst auf ihre potentiellen Folgen und Nebenwirkungen hin beleuchtet und erst dann in einen Vollzug gesetzt werden. Gleichermaßen wird damit durchaus auch ein allgemeines Prinzip angesprochen, welches es dem Einzelnen autonomiewahrend zugesteht, sein eigenes Leben zu wagen. Die Handlungen in diesem Leben dürfen jedoch nicht zu existentiellen Lasten für künftige Generationen führen, jenen eine Hypothek in der Bewältigung des Lebens vorangegangener Generationen auferlegen. Erstmals wird die Zukunft als Ort heranzuziehender Werte gleichberechtigt neben eine Gegenwart gestellt, die hier als Vorbereitung dieser Zukunft deren ethischen Anspruch quasi vorwegnehmend einbezieht. Darüber hinaus spricht Jonas keine Kausalität in jenem Sinne an, dass aus einem nach bestem Wissen ethisch normierten Handeln folgelogisch nur gewünschte Effekte zutage treten. Nach wie vor entstehen aus unvollständigen Informationen, dem Umgang mit dem Noch-Nicht-Wissen auch riskante Effekte und unbedachte Nebenfolgen (Beck, 1986). Jonas geht es um die Qualifizierung der Person, ethisch verantwortbare Entscheidungen zu treffen (vgl. Jonas, 1993, S. 39). In dieser Hinsicht sind seine Überlegungen gleichermaßen für das Coaching als eine Kompetenz des Führungshandelns bedeutsam. Der beziehungsorientierte Diskurs zwischen der coachenden Führungskraft und dem Mitarbeiter eröffnet die Möglichkeit, die Komplexität dergestalt zu reduzieren, dass Entscheidungen getroffen werden können. Darüber hinaus werden Handlungsmöglichkeiten und deren Folgen aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet, damit Mitarbeitende im Ergebnis zwar eine selektive, aber dennoch ethisch begründbare Wahl treffen. Mithin soll das Entscheidungsdilemma oder auch das Konfliktpotenzial als Anlass für ein Coaching nicht eingeebnet, aber gestaltbar oder zumindest aushaltbar transformiert werden. Eine ethische Rückbindung des Coachings im Kontext von Führung gesellt dem Prinzip der Innovation von Organisationen asynchron ein historisch gewachsenes Prinzip der Reflexion in Bezug auf überindividuell geltende Werte bei. Im Rahmen des Transflexings schaffen Coachingprozesse reflexive (Aus-)Zeiten vom Druck der Ereignisse (vgl. Kap. 2). In diesen transflexiven Zwischenräumen wird die Möglichkeit eröffnet, aus dem zukunftsorientierten Handlungsdruck wieder in der Gegenwart ankommen zu können, auf diesem Boden kreativ und entwicklungsorientiert die eigene Landschaft in den Blick zu nehmen und diese zu gestalten. Der diktatorisch wirkenden Zeit (Böschen u. Weis, 2007, S. 83) werden, wenn auch nur vorübergehend Schranken gesetzt.

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3.4 Ethisch-reflexive Grundlagen für ein Coaching durch Führungskräfte

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Im vorangegangenen Abschnitt wird auf das Prinzip der Verantwortung in temporaler Hinsicht und im Hinblick auf dessen ethische Funktion eingegangen. In diesem Abschnitt werden Dimensionen der Verantwortung im Kontext der Organisation und des Handelns der Führungskraft als Coach diskutiert. Obgleich Führungskräfte und zu beratende Mitarbeiter der gleichen (Unternehmens-)Umwelt angehören, sind sie darin jedoch unterschiedlichen hierarchischen Sphären zugeordnet. Im Coachingprozess selbst wird dieses Verhältnis gedreht. Dem zu coachenden Mitarbeitenden kommt als Experten für seine spezifischen Handlungsprozesse die Kompetenz in Bezug auf das zur Sprache kommende Thema und die bereits herangezogenen Lösungsansätze zu. Die Handlungsexpertise liegt demnach auf der Seite des Mitarbeitenden, die Steuerungsverantwortung für den Coachingprozess auf der Seite der Führungskraft, welche diese spezifische Kompetenz für die Bearbeitung der vorgetragenen Problematik heranzieht. Dies lässt sich aus mehreren Blickwinkeln begründen. Generell gilt für sozialwissenschaftlich fundierte Beratungsprozesse die Prämisse des Kompetenztransfers. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass Beratung und damit auch das Coaching als Ausnahme- nicht als Regelfall zwischenmenschlicher Interaktionen herangezogen wird. Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass alle Akteure ohne professionelle Einflussnahme zurechtkommen. Die bereits angesprochene Komplexität und Dynamik gesellschaftlicher und organisatorischer Handlungsprozesse einbeziehend, können gegenwärtig zu gestaltende Situationen die individuellen Möglichkeiten auch überfordern. In diesen Fällen stehen kein oder zu wenig übertragbares Wissen oder auch keine Handlungsroutinen für das Erreichen angestrebter Ziele zur Verfügung. In einen ethischen Diskurs im Coaching als Führungskompetenz sind daher einerseits die Rahmenbedingungen der Organisation und des gesellschaftlichen Umfeldes einzubeziehen. Andererseits stellt das Coaching selbst als spezifische, auf der Grundlage von Vertrauen stattfindende Interaktion einen reflexiven Zwischenraum bereit, welcher hinsichtlich seiner Implementierung in die Organisation und das Führungshandeln ebenso der Reflexion zugänglich ist. Mit dem Coaching wird in der Organisation ein Rahmen bereitgestellt, in dem sinnvolle Möglichkeiten zur Bearbeitung problematischer Situationen vorgedacht und besprochen werden. Das Coaching durch die Führungskraft bietet dabei das Potenzial, dass Kontextbedingungen transparent und unmittelbar einbezogen werden können. Erst innerhalb der jeweiligen Kontextbedingungen können subjektive Handlungs-

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kompetenzen erkannt und gefördert werden. Unter diesem Blickwinkel betrachtet geht es um die Begleitung alltäglicher und besonderer Situationen des beruflichen Praxishandelns durch Coaching, welches aus unterschiedlichen Gründen, sei es der Frequenz der Erforderlichkeit oder auch der Spezifik der Thematik geschuldet, nicht an externe Profis delegiert werden kann, jedoch weitgehend gleichen ethischen Prämissen unterliegt. In berufsbezogenen Fragestellungen selbst gilt das Coaching ohnehin als Beratungsformat der Wahl. Obgleich in der Marburger Coaching-Studie bereits 35 % der befragten Unternehmen das Heranziehen organisationsangehörender Coaches eher positiv beantworten, wird das Coaching durch Führungskräfte teilweise skeptisch diskutiert (Dollinger u. Limpächer, 2015, S. 25). Daher lohnt es, die Punkte, welche für oder gegen ein internes Coaching sprechen, näher zu beleuchten und dies auf das spezifische Format des Coachings durch die Führungskraft zu übertragen. In zahlreichen Fällen stellen jene Präferenzen, welche dafür sprechen gleichermaßen auch Zugriffspunkte für ethische Reflexionen dar. Diese Zugriffspunkte werden in einem dialektischen Modus des Abwägens diskutiert. Zunächst werden die Argumente, welche dafür sprechen aufgeführt. Was spricht also für den Einsatz des Coachings als spezifische Führungskompetenz? Organisationsangehörende Coaches sind Bestandteil der gleichen Systemumwelt. Der Wissensvorsprung von unternehmenszugehörenden Coaches ist als Beitrag zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung unmittelbar anschlussfähig. Sie benötigen folglich dahingehend weniger (Vorbereitungs-)Zeit, um eine Kenntnis der Strukturen und Prozesse einer Organisation zu erlangen. Ein Grundverständnis für spezifische Prozesse und Phänomene innerhalb der Tätigkeitsbereiche der Organisation sowie eine Feldkompetenz werden vorausgesetzt (Schreyögg, 2015, S. 63 f.). Im Ringen um die besten Mitarbeitenden kann Coaching als implementiertes Personalentwicklungsinstrument dazu beitragen, Konflikte zu bearbeiten, Stress- und Überlastungserscheinungen vorzubeugen oder auch Wandlungsprozesse in der Organisation zu begleiten (Dollinger u. Limpächer, 2015, S. 32 ff.). Das Coaching wird in zahlreichen Fällen als Weiterbildung für Mitarbeiter anerkannt. Dahingehend ist mit einer Kostenersparnis durch die Implementierung von Coaching in das Führungshandeln gegenüber dem Einsatz externer Coaches zu rechnen. Elemente des Coachings können in und in der Folge von Mitarbeitergesprächen zum Einsatz kommen, beispielsweise im Kontext von Konfliktbearbeitungen, der Karriereplanung oder auch der Entwicklung von Zielen. Das Coaching nimmt eine Mittlerfunktion zwischen den Bedürfnissen der Coachees (zu coachende Personen), den Organisationszie-

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len und Rahmenbedingungen ein. Es schließt an der intermediären Stellung der Führungskraft an und ermöglicht beziehungsorientiert Alternativen in der Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden zur Herstellung von Passungsverhältnissen im Sinne eines Fits (Largo, 2017). Eine Grundbedingung dafür ist die Ansiedlung der Coachingkompetenz in einer Hierarchieebene, welche mit Steuerungsfunktionen betraut ist. Coaching eröffnet Möglichkeiten dafür, bislang routinehaft reproduzierte Handlungsweisen so zu transformieren, dass neue Anforderungen bewältigt werden können (Migge, 2007, S. 30; Radatz, 2009, S. 25; Böning, 2005, S. 21 f.; Schreyögg, 2012, S. 13–22). Professionell geht es dabei um eine Abwägung zwischen den zu erhaltenden und bewahrenden Facetten und der Erweiterung von Handlungsmöglichkeiten (Hildenbrand, 2011). In zahlreichen methodischen Instrumenten, beispielsweise im Reframing, im Perspektivenwechsel oder auch in der folgend einbezogenen Methode der Themenzentrierten Interaktion wird dies aufgegriffen. Transzendenz wird darauf bezogen, dass Sachverhalte und Rahmenbedingungen anders gedeutet werden können, eine Einbettung der eigenen Situation in einen sinnhaften Zusammenhang möglich erscheint und daraus die Chance zur Erweiterung des Handlungsrepertoires erwächst. Ein Reframing schließt daher an der beschriebenen Kontingenz moderner Gesellschaften an, welche stets auch im Lichte ihrer Möglichkeiten zu betrachten sind. Als professionelles Beratungsformat ist das Coaching auf Transzendenz ausgerichtet, weil es das Potenzial für Übergänge aus problematischen Situationen, hin zu Lösungsansätzen eröffnet. Diese Form der Transzendenz ist einerseits auf den Binnenraum der dialogorientierten Beziehung während des Coachings gerichtet. Andererseits zielen entwickelte Lösungsansätze auf eine Umsetzung im Praxishandeln. Dahingehend ist die hier angesprochene Transzendenz auch auf die Prozesse und die Rahmenbedingungen der Organisation, manchmal auch darüber hinaus gerichtet. Werden Führungspersonen beispielsweise in einem Coachinggespräch von Mitarbeitenden Qualitätsmängel mitgeteilt, so besteht seitens der Führungskraft die Möglichkeit Korrelationen zu Prozessketten (Lieferanten) herzustellen, welche dem einzelnen Mitarbeiter nicht zugänglich sind. Darüber hinaus können im Gespräch die Reichweite und Folgen der Qualitätsmängel beleuchtet werden. Zurückkommend auf das Beispiel der Manipulation der Software für die Abgasreinigung bei Diesel-PKWs ist bekannt, dass Mitarbeitenden die Problematik durchaus bewusst war, es innerhalb der Organisation jedoch keinen Ort zur Thematisierung dieser gab. Die Organisation war zur Transparenz erst nach öffentlichem Druck in der Lage und trägt nun neben einem Imageschaden auch die Folgen. Ein verantwortungsethischer Umgang mit Informationen hätte diesem Effekt vorbeugen können (Ewing, 2017). Einer coachenden Führungs-

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kraft mit Steuerungsfunktion ist es möglich, auf verantwortungsethische Rahmenbedingungen und Compliance­regeln auf der Basis des Vertrauensschutzes für das Coaching hinzuwirken. Dies trägt auch dazu bei, dass die Schnittstellen zwischen der Organisation und der Gesellschaft nicht beschädigt werden. Welche (organisations-)ethischen Überlegungen sind mit dem Einsatz des Coachings durch Führungskräfte verbunden? Ethische Überlegungen schließen nahezu unvermittelt an die vorstehende Argumentation an. Für Führungskräfte als Coaches besteht die Gefahr, als Agenten der Anpassung ihrer Mitarbeitenden an Organisationsstrukturen missbraucht zu werden (Schreyögg, 2015, S. 74). Unter Umständen kommt es zu einer Vermengung unterschiedlicher expliziter und impliziter Aufträge, indem ein Führungsvakuum auf anderen Ebenen oder Missstände anderer Art kompensiert werden sollen. Ethisch zu reflektieren ist auch die Bewertung von Veränderungen vor dem Hintergrund der Frage, wie mit riskanten Konsequenzen umgegangen wird. Führungskräfte sind als Coaches aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur gleichen Systemumwelt von Veränderungen auch gleichermaßen betroffen. Dies rückt das Prinzip der Verantwortung erneut in den Fokus. Die damit verbundene ethische Überlegung gelangt dahingehend zum Ausdruck, dass eine Bewertungs- und Sanktionsfreiheit für das Coaching als sicherer (Zwischen-)Raum für kreative Problemlösungen etabliert und durch alle Hierarchieebenen hindurch respektiert wird. Entsprechend sorgfältig sind Rahmenbedingungen und Kontrakte für das Coaching daraufhin abzustimmen. Ferner ist die Exklusivität der Beziehung innerhalb des Coachings zu klären. Wird dieses als Gruppenprozess oder in Vier-Augen-Gesprächen angeboten? Wer darf Coaching durch Führungskräfte unter welchen Voraussetzungen in Anspruch nehmen? Wer darf einen entsprechenden Auftrag erteilen (Schreyögg, 2015, S. 63 f.)? Lippmann rechnet den letzten Punkt stets dem Mitarbeitenden zu, welcher für sich einen Beratungsbedarf reklamiert (Lippmann, 2007, S. 247). Im Ergebnis einer qualitativen Studie zu den Wirkfaktoren im Coaching durch Führungskräfte aus Sicht der Coachees im Rahmen des weiterbildenden Masterstudiengangs »Coaching und Führung« an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena werden bilaterale Veränderungsbedürfnisse als Ausgangspunkt für ein Coaching durch Führungskräfte identifiziert (Brandt et al., 2019). Mit den Veränderungsbedürfnissen der Beteiligten werden gleichzeitig mehrfache Loyalitäten zum Ausdruck gebracht. Für das Coaching als Führungskompetenz bedeutet es, dass ■■ Veränderungsbedürfnisse sowohl auf Seiten der Mitarbeitenden, als auch auf Seiten der Führungskraft Loyalitäten zu Menschen im privaten Umfeld, beispielsweise zu Familienangehörenden berühren,

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■■ darüber hinaus im Regelfall Loyalitätsbeziehungen durch die Bindung an die Organisation bestehen, ■■ eine gewisse Loyalität zur Gesellschaft und deren kulturellen Werten in der Übernahme von Verantwortung für das Zusammenleben und ■■ während des Coachings im Kontext des beziehungsorientierten Dialogs auf der Basis von Vertrauen auch die Loyalität zwischen Coachee und coachender Führungskraft vorausgesetzt wird (Eck, 2013).

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Miteinander verwoben sind folglich vier Ebenen der Loyalität, die nicht immer konfliktfrei zueinanderstehen. Ein Veränderungsbedürfnis entsteht dahingehend vor dem Hintergrund eines weitgefassten Kontextes. Es kann in Folge geänderter Rahmenbedingungen oder auch aus damit korrelierenden Problemen des Praxishandelns resultieren. Für die Erteilung eines Auftrags wird daran anschließend festgehalten, dass ein Bedürfnis für Coaching dann entsteht, wenn Veränderungswünsche identifiziert und entsprechende Aufträge erteilt werden. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Verpflichtungen, als Führungskraft der Organisation und als Coach dem Coachee gegenüber wird durch Transparenz dafür Sorge getragen, dass die konkrete Interaktion gelingt. In dieser Hinsicht sind die jeweils eingenommenen Rollen und der Modus als Führungs- oder Coachinggespräch zu konnotieren. Ebenso sind die Hintergründe und die Motivation als Anlass für ein Coaching offenzulegen. Weiterhin ist auf Organisationsebene festzulegen, worauf Coaching Einfluss nehmen soll und wie mit diesen Einflüssen umgegangen wird. Potenziell wirken die Ergebnisse auch über den exklusiven Raum des Coaching-­Gesprächs hinaus auf das Team oder auch die gesamte Organisation. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Coaching konzeptionelle Erwägungen nach sich zieht (Schreyögg, 2015, S. 63 f.). Thematisiert ein Mitarbeiter beispielsweise Qualitätsmängel, weil aus Einsparungsgründen der Lieferant gewechselt wurde, bringt dies das Image der Organisation unter Umständen in Misskredit. Dahingehend steht ethisch die Verantwortung den Kunden gegenüber zu Disposition. Das Coaching ist daher nicht die verlängerte Werkbank für instruierende Führung, sondern der Ermöglichungsraum für ethisch rückgebundene Führung, weil Loyalitätsverpflichtungen reflexiven Dialogen zugänglich sind und transzendierend auf Rahmenbedingungen einwirken (Frey, 2016, S. 55 ff.). Dahinter liegt eine Erkenntnis aus systemtheoretischen Ansätzen. Organisationen stellen den konzeptionell verankerten Regelkanon für die Interaktionen von Rollenträgern zur Verfügung. Füllt nun ein Mitarbeiter als Ergebnis des Coachings seinen Handlungsrahmen anders aus, zieht dies Veränderungen in seinem Umfeld bis hin zu Abstimmungsprozes-

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sen konzeptioneller Art nach sich. Dahingehend ist eine Reflexion möglicher Nebenfolgen einerseits unabdingbar. Andererseits wird sie durch den im Coaching eröffneten (Zwischen-)Raum erst möglich. Coaching dient nicht zur Kompensation von Defiziten, was eine Inanspruchnahme erschwert. Als konstruktives Element der Personalentwicklung ist Coaching eher als selbstverständliches Instrument zu betrachten. Dahingehend sind mögliche Rollenkonflikte oder gar widersprüchliche Aufträge in der Klärungsphase transparent offenzulegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn übergeordnete Ebenen eigene Vorstellungen in Bezug auf die Ziele reklamieren oder diese implizit in Coachingprozesse hineintragen. Die zeitlichen Ressourcen und die Bedingungen für das Einnehmen und das Aufrechterhalten einer Rollenklarheit als Coach sind durch die Organisation sicherzustellen. Dazu zählen insbesondere, dass Vertrauen als konstitutive Bedingung für eine Beratungsbeziehung sichergestellt wird und die Vertraulichkeit und die Sanktionsfreiheit in Bezug auf mögliche Inhalte gewahrt bleiben. Führungskräfte erbringen ihre Leistung als Coach in der Regel nicht als alleinige Tätigkeit, sondern als spezifische Kompetenz neben ihren weiteren beruflichen Aufgaben. Sie gehören selbst hierarchischen Positionen im Unternehmen an. Dies führt dann zu Irritationen, wenn die coachende Führungskraft im Kontext ihrer beruflichen Tätigkeit ansonsten überwiegend mit Aufgaben betraut ist, die dem Spektrum der Kontrolle, der Bewertung und auch der Sanktion zugeordnet sind, innerhalb des Coachingprozesses selbst jedoch eine auf Vertrauen basierende Beziehung etablieren will. Es bedarf folglich auch einer internen Festlegung, welchen Funktionsbereichen und hierarchischen Ebenen die am Beratungsprozess Beteiligten angehören. Damit ist nicht nur die Reflexion der Statusposition, sondern auch der Umgang mit Betriebsgeheimnissen angesprochen. Werden beispielsweise Personen der gleichen Abteilung jedoch mit unterschiedlichen Statuspositionen gecoacht, dann sind die jeweiligen Aufträge einzeln gegeneinander abzugrenzen und darauf zu achten, was wem mitgeteilt werden kann. In diesem Fall wird ein Coach zu einem umfassenden Träger von Verschwiegenheitsverpflichtungen (Schreyögg, 2015, S. 63 f.). Daher sind zwischen den an einem Coachingprozess Beteiligten vor Beginn transparent die Rollen und Zielvorstellungen zu klären und die Grenzen der Zusammenarbeit offenzulegen. Dies gilt unter anderem auch für die Grenzen der Schweigepflicht. Grenzen der Schweigepflicht gelten beispielsweise für die Offenlegung rechtswidriger Handlungen und für Situationen, welche unter die unternehmensinternen Compliance- oder Ethikregeln fallen. Darüber hinaus gilt die Freiwilligkeit für die Teilnahme auch für Coachingprozesse durch Führungskräfte. Coaching trägt dazu bei, dass Organisationen der Dynamik gewachsen bleiben.

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Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft

Die Implementierung von Coaching wirkt der Erstarrung und den blinden Flecken in den Handlungsabläufen entgegen. Als Zwischenresümee ist damit zunächst festzuhalten, dass im Kontext des Coachings durch die Führungskraft drei ethische Ebenen miteinander korrespondieren:

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■■ Gesellschaftlich-kulturelle Rahmenbedingungen stellen allgemein die Folie für das ethische Handeln zur Verfügung. Konkretisiert werden Handlungsanforderungen darin beispielsweise durch Gesetze und die Aufmerksamkeit einer kritischen Öffentlichkeit. Rechtliche Kodierungen bleiben abstrakt und müssen im Hinblick auf konkrete Situationen oder Sachverhalte hin ausgelegt werden. Dies erfordert von den Akteuren eine interpretative Kompetenz in Bezug auf aktuelle Erfordernisse und abstrakte Regeln. ■■ Die Bedingungen der Organisation sind in die ethische Reflexion einzubeziehen. Obgleich diese bereits auf Zielvorstellungen hin ausgerichtet, mithin konkreter gefasst sind, verbleiben dennoch auf Handlungsebene erhebliche Entscheidungs- und Interpretationsspielräume. Diese können nicht gänzlich eingeebnet oder mit minimalem Aufwand geregelt werden, weil der Vielzahl situativer Anforderungen ansonsten nicht Rechnung getragen werden kann. Es verbleiben demnach Spielräume, mit denen Mitarbeitende auf ihrer jeweiligen Handlungsebene kompetent umgehen müssen. ■■ Drittens sind in Abgrenzung zur Organisation eben jene kompetenten Gestaltungsmöglichkeiten von Mitarbeitenden ethisch-reflexiv einzubeziehen. Auf der Handlungsebene werden sowohl im Hinblick auf die vielfältigen Beziehungen in den Teams, als auch in Bezug auf Sachdimensionen ethische Prämissen zum Ausdruck gebracht. Im Coaching als Führungskompetenz sind diese ethischen Prämissen reflexiv aufgehoben.

3.5 Die Rahmung des Coachings durch Führungskräfte in der Organisation Der vorangegangene Abschnitt stellt den Zusammenhang zwischen gesellschaftlichem Rahmen, der Organisation und den subjektiven Möglichkeiten des Handelns her. Folgend wird das Setting auf der Ebene der Organisation in den Blick genommen. Als komplexe Einheiten sind Organisationen allenfalls theoretisch erfassbar. Die Ausprägungen ihres Handelns werden oft nicht unmittelbar, sondern erst im Kontext von Schwierigkeiten oder Problemen sichtbar (Burisch, 1982,

Die Rahmung des Coachings durch Führungskräfte in der Organisation

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S. 192 f., Ewing, 2017). Organisationen schützen durch ihren bewahrenden Charakter Gesellschaften vor einem Übermaß an Dynamik. Dazu tragen beispielsweise Berufsbildungswege, der Erwerb von Kompetenzen in Ausbildungen oder auch damit verbundene Handlungsregeln bei. So kommt es auch dazu, dass einst erfolgreiche Strategien lange beibehalten werden und auch heute noch kein Modell des Umgangs mit Überfluss und Überproduktionen etabliert ist. Die Ökonomie und auch das monetär Messbare gelten weithin als Primat der Moderne. Umweltfolgen oder soziale Begleiterscheinungen werden nur dann relevant, wenn diese ökonomisch erfasst werden können. Dies geschieht beispielsweise auch durch die Verweigerung aufgeklärter Konsumenten, welche jene Produkte, die von Kindern hergestellt wurden oder als umweltschädlich gelten, nicht mehr erwerben. Dafür ist potentiell eine Vorstellung hilfreich, wie eine lebenswerte Welt aussehen soll (Pütter, 2017). Ob die Ergebnisse des Handelns in Organisationen als ethisch hinnehmbar gelten oder sogar hervorgehoben werden, unterliegt einem Vergleich mit den im Kontext der Organisation jeweils als ethisch präferierten Werten. Werden der Umweltschutz und die Nachhaltigkeit gesellschaftlich als ethisch zu fördernde und zu schützende Werte propagiert, dann erscheint die Belastung der Atemluft mit Stickoxiden als unzumutbare Hypothek für gegenwärtige und künftige Generationen. Für diesen Aspekt kann Jonas Prinzip der Verantwortung herangezogen werden, welches menschlichem Handeln das ethische Motiv der Überlebenssicherung künftiger Generationen bereits heute auferlegt. Die Grenzen des Handelns werden nicht nur räumlich, sondern auch temporal gezogen. Jonas (2003, S. 36) bringt dies folgendermaßen zum Ausdruck: »Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden«. Hinsichtlich einer Ethik für das Coaching durch Führungskräfte lassen sich daraus strukturelle und prozessuale Reflexionsebenen ableiten: ■■ In das Coaching sind gesellschafts-, organisations- und individualethische Reflexionen einbezogen. Zwischen diesen ethischen Bezugslinien sollten keine extremen Diskrepanzen bestehen. Weltanschaulich gebundene Organisationen definieren beispielsweise, dass keine offensive Gegnerschaft eines Mitarbeitenden zu den ethischen Prämissen der Organisation bestehen soll. So kann ein Mitarbeiter mit einer ablehnenden Haltung dem christlichen Menschenbild gegenüber und einer Lebensführung, welche beispielsweise diesem Menschenbild diametral entgegensteht in einer derart wertgebundenen Organisation nicht beschäftigt sein. Andernfalls resultieren daraus Widersprüche und Dilemmata, weil die berufliche Rolle mit den sub-

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Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft

jektiv-ethischen Vorstellungen in einem permanenten Konflikt liegt. Ein authentisches Handeln in der Organisation ist dadurch unmöglich. Treten Konflikte zwischen der subjektiven Ethik und der Wertgebundenheit der Organisation zutage, sind diese möglichst rasch einer Reflexion zugänglich zu machen, in der gemeinsam nach Verbindungslinien gesucht oder aber auch transzendent eine mögliche Weiterentwicklung untersucht wird. Darüber hinaus erscheint es überhaupt nicht sinnvoll, innerhalb des Coachings ein Verhaltens- und Handlungsmuster zu erarbeiten, welches die coachende Führungskraft später in ihrer Führungsrolle zurückweist oder gar ein Coaching in Fällen anzubieten, in denen die Führungskraft selbst als Teil des Problems gilt. Das Coaching würde dann zu einer Sozialtechnologie degradiert und auch disqualifiziert. Zudem werden die Beteiligten einander auch nach einem Coaching nicht los. Als Rolleninhaberin bleibt die Führungskraft in der Organisation. So entsteht unter Umständen der Eindruck, der Coaching-Dialog ende nie (Lippmann, 2007, S. 246 f.). Für den einzelnen Mitarbeiter ist es dann fast unentscheidbar, welcher ethischen Rahmung er folgen soll. Dies weist auf die anspruchsvolle und voraussetzungsreiche Gestaltung des Rahmens auf Organisationsebene und die besondere Bedeutung der vertrauensvollen Beziehung zwischen den Akteuren hin. Es sollte kein Zweifel darüber offenbleiben, welche Regeln für den jeweiligen Kontext gelten. ■■ Für das Setting gilt die Gleichheit in der Unterschiedlichkeit von Kompetenz. Diese unterschiedliche Kompetenz ist im Coachingprozess nicht auf die ursprünglichen Rollen zurückzuführen, sondern auf die Kenntnis von Beratungsmethoden, das Wissen um die Wirkung von Methoden oder auch die Abwägung der Zumutbarkeit des Methodeneinsatzes unter den gegebenen Bedingungen. ■■ Im Coachingprozess wird ein reflexiver Umgang mit Hierarchien präferiert, welche im üblichen Ablauf von organisationsinternen Prozessen eher unhinterfragt durch die unterschiedlichen Rollen strukturierend wirken. Hier wird dafür plädiert, ungleiche Statuspositionen und hierarchische Positionen nicht zu verleugnen, sondern diese transparent und offen der Reflexion zugänglich zu machen. Dies bedeutet, dass die Beteiligten ein Bewusstsein darüber haben, dass eine Führungskraft Elemente des Coachings adaptiert. ■■ Für den Coachingprozess selbst gilt, dass dieser als Beratungsformat gerahmt ist (Hildenbrand, 1999, S. 123 f.). Es darf nicht dem zu coachenden Mitarbeiter auferlegt werden, implizit herauszufinden, ob das aktuelle Zusammentreffen oder Teile davon die Qualität eines Coachings erfüllen

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oder als übliches Führungshandeln zu deuten sind. Wichtig ist dies dahingehend, dass in Beratungsprozessen andere Regeln gelten. Dazu zählen erstens das Erläutern und das partizipative Aushandeln von Regeln für die spezifische Form der Kooperation in einer Coachingsituation, zweitens die in den ethischen Erwägungen bereits angeführte Schweigepflicht, drittens das Markieren von Grenzen für mögliche Aufträge und auch für die Schweigepflicht, beispielsweise wenn die Bedrohung von Rechtsgütern vom Coachee thematisiert wird, viertens die Zusicherung der Sanktionsfreiheit für das, was im Coachingprozess offenbar wird, fünftens der durch die Organisation abgesicherte Schutz von Standesregeln als Berater, auf die sich eine coachende Führungskraft beruft, welche den Akteuren im Coaching den notwendigen Schutzraum zusichern und sechstens eine spezifische, der Situation und dem zu coachenden Mitarbeiter angemessene Wachstumsund Ermöglichungsorientierung. Für eine Führungskraft, welche Theorien und Methoden des Coachings in ihre Führungskompetenz adaptiert, stellt dies eine Herausforderung an den Perspektivenwechsel und die Haltung in den unterschiedlichen Handlungsmodi und Spannungsfeldern dar, welche sich zwischen Nähe und reflexiver Distanz und zwischen den Polen des Erhaltens und des Veränderns aufspannen lassen. Im Coachingprozess werden reflexiv betrachtet zwei widersprüchliche Handlungsmodi miteinander verknüpft. Es handelt sich um die spezifische Rolle als Coach, in der die reflexiv verfügbaren Wissensbestände aufgehoben sind. Zudem handelt es sich um die Beziehungsdimension im Handeln als Coach, welche zuvorderst den Boden dafür bereitet, dass Schwierigkeiten und Krisen gemeinsam bearbeitet werden können. Diese Modi klammern die Erwartung an ein Handeln nach den aktuellen ethischen Standards der Coaching- und Beratungsverbände ein, welches auch auf die Aktualität des Wissens und der methodischen Anwendung hinweist (McLeod, 2004). Die Rolle als Coach schützt durch die Möglichkeit der Reflexion vor dem Hintergrund des aktuellen Beratungs- und Coaching-Wissens davor, in den komplexen Problemen der geschilderten Situation unterzugehen. Das Handeln in der Führungsrolle reicht dazu nicht aus. Hinzu tritt zum anderen die Kompetenz zur Gestaltung von Beziehungen. Letzterer Aspekt ist primär und wesentlich! Erst die Qualität der Beziehung entscheidet darüber, ob überhaupt Methoden zum Einsatz gebracht werden können. Die Qualität der Beziehung stellt jenes haltgebende Gerüst für den Coachee bereit, in dem dieser es wagt, alternatives Verhalten zu erproben. Professionell gesehen geht es um die Gestaltung einer Balance zwischen den Polen der emotionalen Nähe und der reflexiven Distanz, welche coachenden Führungskräften abver-

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langt wird (Ginzburg, 1995, S. 39; Hildenbrand, 1999, S. 124). Eine sozialwissenschaftlich fundierte Beratungsbeziehung setzt als Fundament Vertrauen voraus. Dieses ist vor dem Hintergrund der organisationsethischen Überlegungen nicht naiv als gegeben anzunehmen. Vertrauen wird im Prozess und als Ergebnis der ausgehandelten Rahmenbedingungen für das organisationsintern implementierte Coaching durch Führungskräfte zwischen den Dialogpartnern im Coaching gefördert (Lampert, 2018; Oevermann, 1996, S. 109 ff.; Welter-Enderlin u. Hildenbrand, 1999). Für den Coachingprozess selbst gelten daher neben den organisations- und gesellschaftlich-kulturell ethischen Zugängen eigene ethische Prämissen. Im folgenden Abschnitt wird eine Synthese zwischen den allgemeinen und den organisationsethischen Überlegungen für das Coaching durch Führungskräfte hergestellt.

3.6 Ethische Prinzipien für coachende Führungskräfte 3

Beratungsethische Prinzipien ermöglichen eine Reflexion des eigenen Handelns in Situationen, welche professionell auf die dialogorientierte Bearbeitung problembehafteter Situationen gerichtet sind. In Anlehnung an Immanuel Kant werden Prinzipien der Universalität, der Öffentlichkeitswirksamkeit und der Gerechtigkeit herangezogen. Mit der Universalität wird angesprochen, ob und inwiefern das eigene Vorgehen unter ähnlichen Situationen auch anderen empfohlen werden kann. Mitzudenken ist daher eine potentielle Übertragbarkeit von Methoden aus der konkreten in situativ ähnlich gelagerte Konstellationen. Ausdrücklich ist damit nur das instrumentell-methodische Vorgehen, nicht jedoch der abgelaufene Prozess gemeint. Dieser ist jeweils einmalig. Mit der Öffentlichkeitswirksamkeit wird die Frage angesprochen: Können die Handlungsgrundsätze des Coaches von diesem auch veröffentlicht werden? Dahingehend wird reflektiert, ob und inwiefern die eigenen Grundsätze von außen betrachtet ethisch kritikwürdig erscheinen. Mit der Gerechtigkeit werden die Wahrung und die Förderung der Autonomie, die prinzipielle Zusicherung der Entscheidungsfreiheit und die Erreichbarkeit des Coaches für Interessierte eingeschlossen. Eine diesbezüglich reflexiv mögliche Frage wäre: Nach welchen Kriterien werden Coachingtermine vergeben? Entscheidet das Krisenpotenzial und dessen Reichweite oder aber schlicht die Reihenfolge der Anmeldungen über einen Zugang zur Coachingkompetenz von Führungskräften? Empfohlen wird eine Abwägung anhand der Themen, welche vorab kurz umrissen von Mitarbeitenden eingereicht werden. Dahingehend entfaltet die Zugehörigkeit zur gleichen Unternehmensumwelt ihr positives Potenzial. Führungskräfte können leichter

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einschätzen, welche Reichweite ein vorgetragenes Problem hat und zu welchen Folgeproblemen eine aufgeschobene Bearbeitung führt. Grenzen erreicht die zugesicherte Entscheidungsfreiheit dann, wenn die Gefahr besteht, dass die Freiheitsrechte Dritter in der Konsequenz eines Coachings eingeschränkt werden. Unter diesen Umständen ist entweder ein unmittelbares Handeln geboten, oder hinsichtlich der geltenden Regeln in der Organisation nachzusteuern. Auch darin tritt ein Vorteil des Coachings als Führungskompetenz zutage. Führungskräfte können dann Schnittstellen aktivieren, welche eine Nachjustierung der Rahmenbedingungen ermöglichen. Folgendes Beispiel dient der Illustration: Innerhalb einer Klinik artikulieren Mitarbeitende ihrer Führungskraft in Coachinggesprächen ihre Unzufriedenheit mit dem Übergangs­management. Bislang gab es telefonische und auch persönliche Kontakte zwischen Mitarbeitenden unterschiedlicher Abteilungen. Nach dem Ausbau des Klinikums wurde eine neue Software für das Fallaktenmanagement eingeführt. In diesem Zuge können bestimmte Leistungen, insbesondere jene des Sozialteams nur noch über eine Ticketvergabe abgerufen werden. So kommt es wiederholt vor, dass Erkrankte nach der klinischen Phase teilweise mit einer noch unbefriedigend geklärten Nachsorge entlassen werden, weil das Sozialteam im Zuge der Entlassungsvorbereitung entweder zu spät oder auch nur unvollständig Kenntnis über das unmittelbar bevorstehende Ende der stationären Phase erlangt. Obgleich die Mitarbeitenden der unterschiedlichen Fachabteilungen einander sehr schätzen, kommt es zu wechselseitigen Schuldzuweisungen und Patientenbeschwerden. Davon Kenntnis erlangt, stellt die Führungskraft Schnittstellen zwischen den unterschiedlichen Abteilungen her, welche der Softwarebetreuer zusätzlich in die Programmstruktur implementieren lässt. Medizinisches Personal und Mitarbeitende des Sozialteams haben nun die Möglichkeit, ein Chatfenster zu öffnen oder eine Rückrufbitte zu markieren. Zudem wird die personelle Ausstattung des Sozialteams auch dahingehend diskutiert, ob die darin Tätigen dezentral einzelnen Fachabteilungen zugeordnet werden. Dies wird einerseits als Möglichkeit der Förderung einer fachlichen Expertise, des Austauschs und der Kollegialität zwischen den unterschiedlichen Berufsgruppen diskutiert. Im Gegenzug werden die Mitarbeitenden des Sozialteams um ihre Meinung gebeten, ob ein solcher Schritt ihrer professionellen Identität eher zuträglich oder dieser auch abträglich ist.

Für das Coaching selbst gilt die Wahrung der Entscheidungsfreiheit in Bezug auf die Freiwilligkeit zur Teilnahme, die angesprochenen Themen, deren Tiefe und Reichweite, zu der sich primär der Coachee positioniert und worüber ihm die Entscheidung auch nicht abgenommen wird. Gleiches gilt für das, was vom Coa-

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Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft

chee als Lösung favorisiert wird und in welchem Rahmen ihm deren Umsetzung gelingt. Für die Reflexion des Binnenverhältnisses wird dies mit der Frage zum Ausdruck gebracht: Würden andere, in einer ähnlichen Situation befindliche Coachees anders behandelt? Das Handeln des Coaches soll unschädlich sein. Mit dem Prinzip der Unschädlichkeit wird zum einen angesprochen, dass ein Coachee durch den Beratungsprozess selbst keinen Schaden erleidet. Dahingehend sind das Wissen und die methodischen Kenntnisse an aktuellen Forschungsergebnissen und Standards auszurichten. Methoden sind nicht als Lösungstools in instruktiver Absicht, sondern hinsichtlich ihrer personalen und situativen Angemessenheit zum Einsatz zu bringen. Reflexiv ist demnach eine Risikoabwägung zwischen den Polen der Unter- und der Überforderung durchzuführen. Ausgedrückt wird dies in der Zumutbarkeit von Interventionen (Hildenbrand, 2005). Schreyögg (2011, S. 121 ff.) argumentiert ebenso, wenn sie das grundlegend asymmetrische Verhältnis innerhalb von Beratungsbeziehungen in den Blick nimmt. Innerhalb der Entscheidungsphase für oder gegen ein Coaching wird dies deutlich. Der Bedarf für Beratung entsteht aus einer wahrgenommenen, partiellen Inkompetenz. Wenn aus dieser Wahrnehmung und auch aus den möglicherweise gescheiterten Versuchen zur Behebung einer Schwierigkeit die Entscheidung für die Inanspruchnahme von Coaching resultiert, so wird damit zunächst eine asymmetrische Beziehung konstituiert, in der ein Coachee seinem Coach die Expertise zur Lösung seiner Situation aufgrund erwarteter Wissensbestände und Methoden zuschreibt. Grundsätzlich liegt die Kunst folgend darin, beziehungsorientiert, auf der Grundlage von Vertrauen und methodisch abgesichert ein symmetrisches Verhältnis zwischen den Dialogpartnern zu fördern und dieses wachsen zu lassen, aus dem sich der Coachee alsbald mit seiner innerhalb des Coachings zugewonnenen Handlungskompetenz lösen kann. Hilfreich ist diesbezüglich auch die Zugehörigkeit der coachenden Führungskraft und des zu coachenden Mitarbeitenden zur gleichen Unternehmenskultur. Problemsituationen sind so rasch anschlussfähig und Lösungsansätzen auf unterschiedlichen Ebenen zugänglich. Jedoch ist auch in diesem Kontext an der Kompetenzentwicklung auf Seiten des Coachee festzuhalten, welcher durch die jederzeitige Zusicherung und Wahrung von Entscheidungsmöglichkeiten und damit auch von Autonomie unterstützt wird. Dies steht in einem reflexiven Spannungsverhältnis zu instruktivem Führungshandeln und zu einer Organisationskultur, in der Probleme ausschließlich funktional gedeutet werden. In Folge dessen ist erneut darauf hinzuweisen, dass die ethische Reflexion auch in den organisationalen Rahmen zu implementieren ist. Hilfreich dafür sind die in den folgenden Abschnitten angestellten methodischen Überlegungen und die damit verbunden reflexiven Fragestellungen (vgl.

Ethische Prinzipien für coachende Führungskräfte

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Kap. 6.3). Erforderlich erscheint auch die transparente Einbindung des Coachee in die Abwägung möglicher Folgen und Nebenwirkungen des Coachings. In einer Futur-II-Perspektive, können in der Rückschau aus einer nach der getroffenen Entscheidung gedachten Zukunft in die Gegenwart und deren aktuelle Problematik die Wirkungen der Entscheidung auf die Mitarbeitenden und die Organisation anhand konkret umzusetzender Handlungsschritte entworfen werden. Zudem können Folgen und Nebenfolgen angedachter Handlungen in die Zukunft projiziert und die dann eingetretenen Veränderungen gemeinsam auf deren Auswirkungen hin untersucht werden (Blankenburg, 2007). Auch dafür gilt die Kategorie der Zumutbarkeit, welche Hildenbrand (2005) zwar für therapeutische Gespräche formuliert, die aber für Beratungskontexte allgemein als Reflexionsebene herangezogen werden kann. In Bezug auf das hier verhandelte Thema des Coachings als Führungskompetenz wird deutlich, dass der Unschädlichkeit eine breitere Reflexionsbasis eingeräumt wird. Unschädlichkeit nimmt Bezug auf das angesprochene Beziehungsverhältnis zwischen den Akteuren in der Beratungssituation selbst, aus dem für beide Seiten und für die Organisation keine negativen Effekte folgen dürfen. Bedeutsam erscheint dies im Kontext des Coachings als Führungskompetenz, weil die Dialogpartner auch nach einem Coachingprozess in beruflichen Beziehungen zueinanderstehen. Etwaige Ergebnisse eines Coachings sind auch dahingehend zu beleuchten, welche Wirkungen sie auf eine berufliche Beziehung zwischen den Akteuren entfalten. Hierfür kann Jonas’ Prinzip der Verantwortung herangezogen werden. Übertragen auf das Coaching bedeutet dies, dass aus Entscheidungen und Handlungen keine negativen Effekte intendiert werden, welche sich schädlich auf künftiges Leben und damit auch auf einen Fortbestand der Organisation, unabhängig von deren Fortentwicklung auswirken. Grenzfälle treten dann auf, wenn der Rahmen selbst das Problem ist und darin das Kriterium der Unschädlichkeit nicht erfüllt werden kann, beispielsweise durch das Aufrechterhalten oder auch das Hinnehmen gesundheitsgefährdender Arbeitsbedingungen. Dahingehend wirken Coachingprozesse auch transzendierend auf den Rahmen, sofern im Ergebnis durch die Beteiligten auf eine Humanisierung von Arbeitsbedingungen hingearbeitet wird. Dies ist ein wesentlicher Grund, weshalb für das Coaching selbst spezifisch ethische Prinzipien, wie die Sanktionsfreiheit oder der besondere Vertrauensschutz strukturell zu implementieren sind und von reflektierten, zum Perspektivenwechsel fähigen und rollenklaren Personen als spezifische Kompetenz des Führungshandelns hinzugezogen werden. Als weitere ethische Prämissen gelten die Wohltätigkeit und die Vertrauenswürdigkeit. Mit der Wohltätigkeit wird auf ein grundlegend humanistisches

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Motiv abgestellt. Dieses Motiv greift einen emanzipatorischen Ansatz auf, welcher Unmündigkeit oder Abhängigkeiten reflexiv verdeutlicht und zur Entwicklung einer eigenen Urteils- und Handlungskraft beiträgt (Hutterer, 1998, S. 95 f.). Die Vertrauenswürdigkeit zielt auf die weitreichende Verpflichtung zur Verschwiegenheit in ihren vielfältigen Verweisungszusammenhängen in der Organisation. Eingeschlossen sind die komplexen Beziehungen zwischen dem üblichen beruflichen Rollenhandeln auf den unterschiedlichen Hierarchieebenen in der Diskrepanz zum spezifischen Setting im Coaching. Die Vertrauenswürdigkeit bezieht reflexiv Mehrfachbeziehungen ein, weil daraus Loyalitätskonflikte oder Abhängigkeiten erwachsen können. Der Sicherung der Vertrauenswürdigkeit ist im Kontext der Organisation ein besonderes Gewicht beizumessen. Deshalb kommt der Rahmung des Coachings besondere Bedeutung zu. Insbesondere in den Entscheidungsebenen ist eine Übereinstimmung dergestalt herzustellen, dass der unbedingte Vertrauensschutz für das Coaching durch Führungskräfte zugesichert und gewahrt bleibt. Bestenfalls ist diese Zusicherung in den Ethikrichtlinien der Organisation selbst zu verankern und in Compliance-Regeln zu kodifizieren. Darin kann der Vertrauensschutz verbindlich und öffentlich dargestellt werden. Kritikwürdig und sanktionierbar wäre dann die Überschreitung des Vertrauensschutzes, nicht jedoch das, was im Coachingprozess offenbart wird.

3.7 Themenzentrierte Interaktion als reflexiv-methodischer Rahmen für das Coaching durch Führungskräfte In den vorangegangenen Abschnitten wurden die vieldimensionalen Ebenen einer Ethik im Coaching durch Führungskräfte dargestellt und diskutiert. Mit der Themenzentrierten Interaktion (TZI) wird folgend der Versuch unternommen, der ethischen Komplexität einen methodischen Rahmen zu verleihen und an einem Beispiel Umsetzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Die Entwicklung der Themenzentrierten Interaktion ist untrennbar mit dem Namen Ruth Cohn (1912–2010) verbunden. In der Methode selbst sind Einflüsse der existentialistischen und humanistischen Philosophie, der Gestalttherapie und auch der non-direk­tiven Beratung sichtbar. Übergreifend werden Motive der Weiterentwicklung des Menschen im Hinblick auf seine Möglichkeiten auf der Grundlage weitgehend frei zu treffender Entscheidungen deutlich. Die menschliche Freiheit wird im Existentialismus im Hinblick auf die Übernahme von Verantwortung für getroffene Entscheidungen auf der Grundlage von Wahlmöglichkeiten gedeutet. Vertreter der existentialistischen Positionen, beispielsweise Sartre, Camus oder auch Kierkegaard verhandeln darin Fragen

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nach dem Sinn und der Bedeutung, beispielsweise: Warum und wozu lebe ich? Auf welche Ziele soll ich mein Leben ausrichten (Gil, 1993, S. 116 f.)? Es sind Fragen, die sich einer allgemein- oder letztgültigen Antwort verweigern, die jedoch ethische Dimensionen des Lebens und der eigenen Existenz berühren. Gleichermaßen werden darin bereits ethische Fragestellungen bedeutsam, welche in der ein oder anderen Gestalt in ein Coaching führen (Stelter, 2016). In diesen Themen wird deutlich, dass veranlassende oder im Coaching­prozess aufgeworfene Fragen über den Beratungsraum und die konkret Beteiligten hinausgehen. Jeder Mensch ist in ökosoziale Kontexte eingebettet, welche in der TZI aufgegriffen werden (Faßhauer, 2010, S. 80). Im Vordergrund steht verantwortbares Handeln. Dieses beschreibt die existentialistische Dimension der TZI, welche unter anderem auf Sartre zurückgeführt wird. Dieser entlarvt machtverleugnende und machtverschleiernde Mechanismen oder auch das Verbergen hinter Prozessen und Gruppendynamiken als Verantwortungsverweigerung. Für Sartre »ist der Mensch das, wozu er sich macht« (Sartre, 1986, S. 11; Gil, 1993, S. 120). Alles ist von jemandem gesagt und wird von jemandem getan. Historische Abläufe werden mit Sartre nicht auf eine Weise determinierend betrachtet, dass sie ein konkretes Verhalten vorgeben. Es gehe – so Gil (1993, S. 120) – darum, aus einem wahrgenommenen »An-Sich« ein »Für-Sich« zu transformieren. Damit ist eine rückgebundene Freiheit angesprochen, welche auch die Freiheit anderer Menschen anerkennt. Mit dieser Rück- und Eingebundenheit ist das Prinzip der Verantwortung für das eigene Tun und dessen Folgen verknüpft. Daran anschließend bezieht die existentialistische Dimension der TZI ein, dass Menschen nicht durch ihre Möglichkeiten als Utopien, sondern durch ihr konkretes Handeln betrachtet werden (Greving, 2010, S. 18 f.; Johach, 2010, S. 27 f.). Darin wird eine Verbindung zu Wittgenstein hergestellt. Eine Ethik ist in den Handlungen selbst angelegt (Wittgenstein, 2017, Satz 6.422; Buchinger, 2006, S. 24 ff.). So wird einerseits ein reflexiver Zugriff auf Rahmenbedingungen eröffnet, um themenspezifisch deren beschränkende und fördernde Aspekte einzubeziehen. Andererseits werden Konzepte der Begegnung und der Reflexivität, der theoretischen Rückbindung, sowie die Begegnung im Dialog und der interpersonalen Bezogenheit von Sullivan implementiert (­Greving, 2010, S. 18 f.; Siebenhüner, 2007). In den zwischenmenschlichen Aspekten, der Betonung des Erlebens, in der Sinnhaftigkeit von Situationen, in der Ganzheitlichkeit und Nicht-Reduzierbarkeit des Menschen, in der Akzeptanz und Würde treten Einflüsse der humanistischen Psychologie hervor. Gleichermaßen werden in der Zuschreibung von Autonomie und Verantwortung die Verbindungslinien zur Existentialphilosophie erneut hervorgehoben (Vogel, 2010, S. 59 ff.). Als weitere philosophische Anknüpfungspunkte gelten der amerikanische Pragmatismus mit

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George Herbert Mead oder dialog- und beziehungsorientierte Ansätze von Martin Buber (Zitterbarth, 2010, S. 48 f.). Dies kommt in der Gestaltung einer vertrauensvollen Beziehung zwischen den Beteiligten zum Tragen, welche nach Carl Rogers durch Empathie, Akzeptanz und Kongruenz, Echtheit und Authentizität geprägt ist (Hecker, 2010, S. 37 f., vgl. Kap. 2 u. 5). Drei Axiome sind in der TZI leitend. Im existentiell-anthropologischen Axiom wird der Mensch als psycho-biologische Einheit hervorgehoben. Menschen sind einerseits frei in ihren Entscheidungen. Andererseits beeinflusst menschliches Handeln je nach Reichweite die Lebensbedingungen vieler und es zeitigt ökologische Folgen. Die dialektische Beziehung zwischen Abhängigkeit und Freiheit korreliert mit dem Prinzip der Verantwortung für gegenwärtiges und künftiges Leben. Im humanistisch geprägten ethisch-sozialen Axiom wird zum Ausdruck gebracht, dass allem Lebendigen und seinem Wachstum Achtung und Ehrfurcht gebühren. Alle inhumanen Handlungen werden als wertbedrohend betrachtet. Natur und Kultur sind gleichermaßen eingeschlossen. Im pragmatisch-politischen Axiom wird betont, dass freie Entscheidungen vor dem Hintergrund innerer und äußerer Grenzen getroffen werden. In dieser Hinsicht geht es um das frühzeitige Erkennen möglicher Grenzüberschreitungen, die zu neuen Abhängigkeiten führen (Langmaack, 2009, S. 39 f.). Im Kern greift das Konzept der TZI eine Balance zwischen den Ebenen des einzelnen Subjekts (ICH), dem sozialen Kontext der Gruppe, welches das Subjekt in Beziehungen mit anderen (WIR)

ES-Sachebene gemeinsame Themen, beispielsweise die Ziele/Produkte oder Dienstleistungen

Globe (Rahmenbedingungen gesellschaftlich kultureller Art und jene der Organisation)

Sachdimension des Subjekts

Sachdimension der Gruppe

reflexive Ebene der coachenden Führungskraft als Chairperson mit einer exzentrischen Positionierung

ICH-autonome Ebene Subjekt (Coachee/Coach)

Beziehungsdimension

WIR-interdependente Ebene (Coachee/Coach im ökosozialen Kontext)

Abbildung 8: Das TZI-Dreieck (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Richter, 2011, S. 181)

Themenzentrierte Interaktion als reflexiv-methodischer Rahmen

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betrachtet und gemeinsamer Themen (ES) auf. Die schematische Darstellung (vgl. Abbildung 8) soll dieses im Modell veranschaulichen und es unmittelbar zum Coaching als Führungskompetenz reflexiv in Bezug setzen. Mit dem dargestellten Modell wird auf die Möglichkeit hingewiesen, ethische Positionen in Bezug auf die Sach- und Beziehungsdimension reflexiv in das Coaching einzubeziehen und diese in einer dynamischen Balance zu halten. Mit der in der Abbildung angesprochenen exzentrischen Positionierung wird deutlich gemacht, dass die coachende Führungskraft bewusst Perspektivenwechsel zwischen den unterschiedlichen Bezugsrahmen: ■■ in Bezug auf das Thema, ■■ in Bezug auf ihre Einbindung in die Organisation und ■■ in Bezug auf die Schnittstellen zwischen Organisation und Gesellschaft vornimmt. Sie bringt reflexiv die beiden Ebenen der Autonomie und der Interdependenz miteinander in Verbindung, indem sie als bewusst entscheidendes Subjekt autonom und gleichermaßen in ökosoziale Kontexte eingebettet auch interdependent agiert. Anhand folgender Fragen werden die unterschiedlichen Dimensionen deutlich: Beziehungsdimensionen: ■■ Wie gelingt die Balance zwischen emotionaler Nähe und reflexiver Distanz innerhalb des Coachings? ■■ Wer nimmt Einfluss auf den Coachee oder das Team? ■■ Inwiefern tragen die Beratungsgespräche dazu bei, die Autonomie des Coachee zu erweitern und dessen Kompetenz zu fördern? ■■ Inwiefern wird die Ebene der Einbindung in das Team beleuchtet? Thematische Dimensionen: ■■ Werden zu bearbeitende Themen in ihren Dimensionen transparent? ■■ Welche Lösungsansätze gab es bereits? ■■ Welche Lösungen werden angestrebt? ■■ Welche Schritte sind aus einer Futur-II-Perspektive erforderlich? Dimensionen der Rahmenbedingungen: ■■ Welche orientierenden Regeln unterstützen die Bearbeitung der Thematik? ■■ Steht die Bearbeitung der Thematik in Widerspruch zu kodifizierten Regeln?

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Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft

■■ Bestehen möglicherweise hemmende Bedingungen für das Team oder die Bearbeitung der Themen? ■■ Werden Rahmenbedingungen nicht einbezogen oder sind sie widersprüchlich? ■■ Welche Rahmenbedingungen unterliegen Veränderungen?

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Hierarchische Dimensionen: ■■ Welche Begrenzungen des Coachings sind bereits in der Auftragsklärung zu verdeutlichen? ■■ Welche unterschiedlichen Perspektiven sind in der Thematik aufgehoben? ■■ Welche Blickwinkel können eine Lösungssuche befördern? ■■ Zwischen welchen Perspektiven wäre auf eine Balance, einen Ausgleich hinzuarbeiten? ■■ In welchen Situationen ist die coachende Führungsperson selbst Bestandteil? ■■ Wie stehen die unterschiedlichen Rollen als Führungskraft und als Coach zueinander? ■■ In welchen Situationen ist welcher Rollenanteil angemessen? Grundsätzlich lohnt die Fokussierung eines oder weniger Themen. Gegebenenfalls ist eine Themenhierarchie hinsichtlich der Dringlichkeit, in der diese abzuarbeiten sind, erforderlich. Sind mehrere Themen miteinander verknüpft, dann lohnt in der Auftragsklärung zunächst das Herausarbeiten von Verbindungslinien. Anderenfalls besteht die Gefahr der Blockierung von Handlungen, weil die Themen einzeln und nicht in ihrer Verwobenheit betrachtet werden. Erst nach einer Diskussion um die Bedeutung der Verknüpfungen zwischen unterschiedlichen Themen ist eine Zerlegung in Einzelthematiken und deren Hierarchisierung hilfreich. Ausgesprochen wichtig ist hier die moderierende, jedoch nicht lenkende Funktion der coachenden Führungskraft, die reflexiv zwischen einer In- und Outside-Perspektive der Chairperson wechselt. Es geht schon zu Beginn eines TZI-Prozesses um das Bewusstsein, den Widerspruch zwischen der Autonomie und der Heteronomie der Teilnehmenden in der Freiheit zur Entscheidung, ihrer Eingebundenheit in Teamprozesse, die Fokussierung des Themas und das Agieren innerhalb der Rahmenbedingungen auszubalancieren. Folgend soll ein Beispiel illustrativ zur Transparenz beitragen, wie TZI im Kontext des Coachings durch eine Führungskraft eingebunden werden kann.

Beispiel für ein TZI-gestütztes Vorgehen im Coaching

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3.8 Beispiel für ein TZI-gestütztes Vorgehen im Coaching durch die Führungskraft Nach der Geburt ihrer Tochter möchte Frau Müller (39) nach einem Jahr Erziehungszeit beruflich wieder einsteigen. Seit etwa sieben Jahren gehört sie zu den Top-Kräften einer international, im Softwarebereich agierenden Organisation. Ihre Leistungen gelten als herausragend. Frau Müller ist es gewohnt, sehr hart zu arbeiten. Sie strebt nach Perfektion und liefert entsprechend sehr gute Ergebnisse in allen ihr zugeordneten Arbeitsbereichen ab. Vor ihrem Engagement in dieser Organisation war Frau Müller Leistungssportlerin. Auch in diesem Bereich erbrachte sie perfekte Leistungen. Nachdem sie durch ihre Spitzenleistungen internationale Bekanntheit errungen hatte, stieg sie aus und wechselte das Tätigkeitsfeld. Von Frau Müller ist bekannt, dass sie sich ihrem Arbeitsgebiet ganz und gar verschreibt. Für sie gibt es nur 100 % Leistung. Nach der Geburt ihres Kindes strebt Frau Müller eine Reduzierung ihres Stellenanteils an. Sie möchte sich mehr ihrer Familie und der Erziehung ihrer Tochter zuwenden. Ihr Mann ist auf Montage und wird von ihr als Option für die Übernahme von Erziehungsaufgaben nicht herangezogen. Sie wendet sich an ihre Führungskraft, um in einem Gespräch die Optionen zu erörtern. Vor dem Gespräch klärt die Führungskraft zunächst den Rahmen, in den das Gespräch eingebettet wird. Da es um eine thematische Schnittstelle zwischen Privatleben und beruflicher Tätigkeit geht, Zielfindungsprozesse nicht als abgeschlossen gelten und in diesem Gespräch auch vertrauliche Informationen ausgetauscht werden, entscheidet sich die Führungskraft für ein Coaching. In der Organisation ist das Coaching als Instrument der Führung nach einer Testphase und deren positiver Evaluation implementiert. Inzwischen gelten explizite Complianceregeln für die Durchführung von Coachings im Rahmen der Führungstätigkeit. So werden öffentlich insbesondere folgende Rahmenbedingungen festgeschrieben: ■■ Coachingprozesse finden in einem separaten Raum statt. Der Raum kann je nach Bedarf durch Jalousien an den verglasten Außenwänden von Blicken geschützt und damit die vertrauensvolle Beziehung auch durch eine Abgrenzung nach außen abgesichert werden. ■■ Für die Inhalte der Gespräche gilt die Schweigepflicht. ■■ Gleiches gilt für die Sanktionsfreiheit für das, was im Coachinggespräch offengelegt wird. Eine Ausnahme davon bildet der Schutz von Rechtsgütern und eine Gefährdung der Organisation durch riskantes Handeln. ■■ Für Coachinggespräche sind den Führungskräften Zeithorizonte eingeräumt, welche entsprechend des Bedarfs flexibel genutzt werden.

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Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft

■■ Themen sind vorab von Mitarbeitenden einzureichen. Für komplexe Themen, welche auch über den Horizont der Führungsverantwortung einer Führungsperson hinausgehen, besteht die Möglichkeit, diese in einer Intervisionssitzung im Führungskräfteteam anonymisiert vorzustellen. Gleiches kann für Ergebnisse von Coachingsitzungen oder auch für komplexe Coachingprozesse in Anspruch genommen werden (vgl. Kap. 8.1). ■■ In thematischen Konstellationen, in denen die Führungskraft selbst Teil des Problems ist, wird die Coachingkompetenz anderer Führungskräfte oder ein externer Coach hinzugezogen. ■■ Für die Teilnahme an Coachingprozessen können Mitarbeitende Weiterbildungspunkte sammeln, welche als ein Indikator für das Gratifikationssystem herangezogen werden. ■■ Für coachende Führungskräfte wird in einer Handreichung darauf hingewiesen, dass zunächst Transparenz über das Setting und die Rollen herzustellen ist. Dem zu Beteiligenden soll darin bewusstgemacht werden, dass für das Coaching der Vertrauensschutz gilt und auch Lösungsansätze gedacht werden sollen, welche vom Routinehandeln der Organisation abweichen. Dergestalt gerüstet besprechen Frau Müller und ihre Führungskraft Frau Hubig zunächst den thematischen Fokus. Dieser verdichtet sich für Frau Müller auf die Aspekte des Bleibens in der Firma oder des Gehens. Reflexiv wird Frau Hubig in dieser Situation, in der Inside-­Outside-Perspektive der Chairperson aus dem TZI-­ Modell deutlich, dass hier mehrere Loyalitäten miteinander konkurrieren. Sie bietet daher an, zunächst die Verbindungslinie zwischen den einzelnen Themensträngen zu bearbeitet, welche sie als Loyalitätsdilemma benennt: 1. Frau Müller ist loyal zu ihrer Familie. Sie strebt danach, eine perfekte Mutter zu sein und dafür benötigt sie mehr Zeit. 2. Frau Müller ist auch loyal an die Firma gebunden. Es bedürfte keines Gesprächs, wäre diese Loyalität bereits aufgehoben. 3. Frau Hubig und Frau Müller arbeiten seit langer Zeit zusammen. Beide verbindet wechselseitig ein Loyalitätsverhältnis, welches im Coaching in eine andere Rahmung gerückt wird. Hier gilt es, mit Frau Müller nach Lösungsansätzen zu suchen, durch die sich Frau Müller weiterentwickelt und nach Möglichkeit eine Passung zwischen den Bedürfnissen von Frau Müller und der Organisation zu suchen. 4. Frau Hubig ist als Führungskraft der Organisation verpflichtet. Sie denkt darüber nach, was ein Verlust der als perfekt geltenden Mitarbeiterin für die Organisation bedeutet. Diesen Punkt will sie im Fortgang mit Frau Müller erörtern.

Beispiel für ein TZI-gestütztes Vorgehen im Coaching

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5. Frau Hubig ist während des Coachings dem Kompetenzgewinn ihres Coachee loyal verpflichtet. Daher steht die Suche nach Lösungsansätzen von und mit Frau Müller während des Gesprächs im Vordergrund. Die Thematik weitet aufgrund ihrer Dimension das Loyalitätsdilemma auf die coachende Führungskraft aus. Frau Hubig bittet daher zunächst, metakommunikativ Transparenz über die jetzt eingetretene Situation zu schaffen. Die Thematik lautet nun nicht mehr Bleiben oder Gehen. Sie wird ethisch-reflexiv und hinsichtlich der darin enthaltenen Loyalitätskonflikte betrachtet. Frau Hubig spricht ebenso an, dass sie die Thematik auch in eine Intervisionssitzung einbringt. Frau Hubig bietet Frau Müller an, in die unterschiedlichen Dimensionen der Thematik durch das besetzen unterschiedlicher Felder zu beleuchten. So werden zwei diametrale Positionen im Raum anhand von Moderationskarten ausgelegt, welche jeweils die Aspekte des Bleibens und des Gehens verdeutlichen. Beide Aspekte werden durch die Loyalitätsbeziehungen dimensioniert. Frau Hubig formuliert die Frage, welche Loyalitäten jeweils auf der eingenommenen Position gelebt oder zurückgelassen und verabschiedet werden. Frau Müller konnotiert dieses Zurücklassen teilweise als Verrat, entweder am Team und der Organisation oder an ihrer Familie. Das Einnehmen und die Sichtbarkeit der unterschiedlichen Positionen ermöglicht Frau Müller Transparenz. Sie bringt zum Ausdruck, dass ihre Entscheidung für eine berufliche Neuorientierung bereits vor dem Gespräch gefallen ist. Offensichtlich ist dieses Gespräch als Abschluss für sie nötig. Das Gehen, so bringt es Frau Müller nunmehr auf den Punkt habe neben den zeitlichen Aspekten auch etwas mit ihrer Perfektion zu tun. Sie gehe immer dann, wenn sie den höchstmöglichen Perfektionsgrad erreicht habe. Jetzt sei dies im Rahmen ihrer kleinen Familie relevant. Das Einnehmen der unterschiedlichen Positionen habe ihr jedoch auch deutlich gemacht, wie wichtig ihr die Beziehungen und insbesondere die Möglichkeiten für den Kompetenzgewinn in der Organisation seien. Dies eröffnet beiden die Chance für eine Suche nach Alternativen. Frau Hubig schlägt einen kreativen Zwischenraum, zwischen Bleiben und Gehen vor. Sie bezieht Sach- und Beziehungsaspekte im Hinblick darauf ein: ■■ Was bedeutet es, eine perfekte Mutter zu sein? ■■ Was bedeutet es, in einem neuen Job oder im Privatleben nach Perfektion zu streben? Frau Müller wird klar, dass sie weniger reisen möchte und dass mit einem Verbleib in der Organisation nicht nur Nachteile verbunden sind. Sie kann sich nur nicht recht vorstellen, unter welchen Rahmenbedingungen dies gelingt. Frau Hubig lädt dazu ein, kreativ denkbare Rahmenbedingungen zu benennen, welche sie dann aus

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Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft

ihrer Inside-Outside-Perspektive der Chairperson mit den aktuellen Möglichkeiten der Organisation abgleicht. Frau Müller benennt berufliche Herausforderungen, die Einbindung in ein Team, Home-Office-Tage, zeitliche Flexibilität und eine zeitliche Entlastung durch die Abgabe von Verantwortung an eine Assistentin oder definierte Verantwortung im Team. Potentiell hält dies Frau Hubig für darstellbar, möchte es jedoch in einer Intervision mit dem Führungskräfteteam erörtern. Frau Hubig wird deutlich, dass der moderierte Wechsel zwischen den Perspektiven der Sach- und Beziehungsdimension aus der eingenommenen Position der Chairperson eine Klärung fördert und es ohne den vertrauten Rahmen eines Coachinggesprächs keinen Ort zur Thematisierung der Dimensionen des Entscheidungsdilemmas gegeben hätte. Reflexiv wird Frau Hubig auch bewusst, dass ein Kompetenz­transfer stattgefunden hat. Frau Müller, eine geschätzte Mitarbeiterin mit implizitem Kündigungswunsch kann nun selbst stärker als Chair­person in der Verantwortung für sich selbst und der Verantwortung für ihre Familie agieren. Möglich wird durch den avisierten Lösungsansatz auch die Verantwortungsübernahme Frau Müllers durch ihr weiteres Engagement in der Organisation. Zudem trägt sie künftig Mitverantwortung für die Leistung und die Zusammenarbeit innerhalb des Teams und auch für die Schnittstellen zwischen der Organisation und deren Umwelt durch ihre als exzellent wahrgenommenen Arbeitsergebnisse im Kontakt mit Kunden. Dadurch wird transparent, wie eine weitere Zusammenarbeit gelingen kann. Der Organisation kann die Fachexpertise von Frau Müller in herausfordernder Stellung weiterhin erhalten bleiben. Anspruchsvoll aber hilfreich erscheint die Einbindung von Frau Hubig in die gleiche Organisationsumwelt. Dies ermöglicht ihr den verantwortungsvollen Umgang mit den Loyalitäten im Coaching Frau Müller gegenüber und als Führungskraft der Organisation gegenüber. Dahingehend ist eine unmittelbare Anschlussfähigkeit an Themen und deren Reichweite gegeben, welche nun in einen ko-evolutionären Prozess der Weiterentwicklung ihrer geschätzten Mitarbeiterin und der Organisation münden. Im Zuge dessen thematisiert Frau Hubig mit dem Führungskräfteteam die Familienfreundlichkeit der Organisation, damit aus diesem Grund insbesondere den Frauen eine Weiterentwicklung in der Organisation nicht verwehrt und der Organisation selbst deren Fachkompetenz erhalten bleibt. Dies ist insofern herausfordernd, weil Bedürfnisse aus der Rolle als Führungskraft stets vor dem Hintergrund der Kompetenzentwicklung des Coachee betrachtet werden und gegebenenfalls im Coachinggespräch zunächst zurückgestellt werden. Die Dimension der Verantwortung wird durch das Coaching weithin ausleuchtbar. Sie bezieht verantwortungsethisch die Beziehung zwischen Mitarbeitenden und ihren Führungskräften ein und erweitert diese auf die Rahmenbedingungen. Letztere sind hinsichtlich der Durchführung von Coachingprozessen in der Organisation im Beispiel bereits in Complianceregeln

Beratungsethisches Resümee für das Coaching als Führungskompetenz

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übersetzt. Coachingprozesse eröffnen jedoch den Zwischenraum für Lern- und Bildungsprozesse, an denen beide Seiten partizipieren und profitieren, welche die Organisation ebenso lern- und weiterentwicklungsfähig erhalten.

3.9 Beratungsethisches Resümee für das Coaching als Führungskompetenz Die vorangehenden Abschnitte leuchten das Coaching als Führungskompetenz im Hinblick auf ethische Dimensionen aus. In diesem Abschnitt wird ein ethisch-reflexives Resümee abgeleitet. Für die Beziehungsgestaltung und den Dialog im Coaching gilt im Anschluss an das TZI-Modell Transparenz. Dadurch wird explizit, in welchen möglichen Dilemmata sich eine Person in Bezug auf Sach- und Beziehungsaspekte befindet, welche Dimensionen davon die Organisation berühren und wie die Bearbeitung durch ein Coaching unterstützt werden könnte. Für das Gespräch gilt die benannte Gleichheit in der Unterschiedlichkeit von Kompetenz. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass alle Beteiligten als Experten für ihre jeweils spezifische Situation betrachtet werden. Darin scheint auch das Prinzip der Verantwortung für die eigenen Wahrnehmungen, Äußerungen und Handlungen auf, die in bewertungs- und sanktionsfreien Dialogen thematisiert werden. Im methodisch reflexiven Zwischenraum wird handlungsermöglichend das Wieder-Ankommen in der Gegenwart gefördert. Diesbezüglich geht es um das möglichst umfassende Gewahrsein der Situation, das Beleuchten möglicher Zukunftsszenarien vor dem Hintergrund zu treffender Entscheidungen und das Einbeziehen der Vergangenheit als Quell des Wissens und der Erfahrung. Dabei ist darauf zu achten, dass zu klärende Themen oder auch das Zusammenspiel in der Gruppe zwar von vergangenen Erfahrungen und Erlebnissen beeinfluss werden, diese jedoch nicht die zu gestaltende Gegenwart und Zukunft einschränken. Dafür hilft eine Futur-II-Perspektive, in der den Beteiligten gewahr wird, welche Dimensionen zu treffende Entscheidungen entfalten und wie dies auf das hinsichtlich des Kriteriums der Verantwortung für sich selbst, die Organisation und den ökologischen Kontext einzuschätzen ist. Die Führungskraft trägt einerseits als am Prozess Teilnehmende und andererseits als Chairperson mit einem Inside-Outside-Blickwinkel zur Suche nach Lösungen bei. Sie befindet sich in einer mehrfach reflexiven Position mit dem Ziel der Balance zwischen den unterschiedlichen Perspektiven des Modells. An eine coachende Führungskraft, welche TZI als Reflexionsmodell heranzieht, werden demnach jene Anforderungen gestellt, die unter dem Stichwort der Professionalität mit

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Ethische Reflexionsanforderungen an die Führungskraft

der Balance von beziehungsorientierter Nähe und prozessfördernd-reflexiver Distanz diskutiert werden und auf einen Zuwachs an Kompetenz der Beteiligten abzielen. Ethisch gesehen kann hier an Eck (2013) angeschlossen werden. Ethik als eine praktische Disziplin der Philosophie ist in das Handeln korporiert. Sie geht nicht im Reden über ethische Handlungen auf. Ethisch handeln kann eine Person nur dann, wenn sie darin die Verantwortung für den jeweils eigenen Standpunkt auf der Grundlage getroffener Entscheidungen deutlich werden lässt, sich folglich selbst reflexiv mit den Möglichkeiten, was auch sein könnte und nicht ist, konfrontiert. Dahingehend wird an Ecks fünf Dimensionen ethischer Verantwortung angeschlossen:

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1. Im Nahfeld werden zentral die Verantwortung für sich selbst und das eigene Wohlergehen und 2. die Verantwortung für das eigene und auch das sozialen Umfeld benannt. 3. Ferner zählen hinzu die Verantwortung innerhalb der eigenen (Führungs-) Gruppe, 4. ferner die Verantwortung für die Organisation und in der Organisation und 5. die Verantwortung im Rahmen der Gesellschaft und der Öffentlichkeit als Umwelt der Organisation (Eck, 2013, S. 343 ff.). Tritt die Führungskraft als Coach auf, so können die in Kap. 6.3 aufgezeigten ethisch-reflexiven Grundlagen mit strukturellen und prozessorientierten Reflexionsanregungen zur Absicherung des Beratungshandelns und zur Rollenklärung auf Organisationsebene herangezogen werden. Ethisch unabdingbar erscheint die Forderung nach der jederzeitigen Zurechnung von (Entscheidungs-) Verantwortung, mit Foucault (Eck, 2013, S. 355): »Wer spricht?« Damit korreliert, dass im Coaching keine verdeckten oder impliziten Zielstellungen verfolgt werden, sondern ein transparenter und partizipativer Dialog gepflegt wird. Das hier präferierte Führungsverständnis lässt sich eher transformational (vgl. Kap. 2) als dienende Führung (Greenleaf, 1991/2008) umschreiben. Im Transflexing wird Führung durch die spezifische Kompetenz des Coachings professionalisiert (vgl. Kap. 2, 9). Eine coachende Führungskraft geht auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter ein, ohne ihnen die Autonomie abzunehmen. Für sie stehen Fragen nach der Weiterentwicklung der Autonomie, der Selbständigkeit im Denken und Handeln von Mitarbeitern im Vordergrund. Dienende Führungskräfte wissen, dass sie selbst niemals vollständige Informationen über jene – auf der konkreten Handlungsebene zu treffenden Entscheidungen haben, denn: »If, on a practical decision in the world of affairs, you are waiting for all of the information for a good decision, it never comes« (Greenleaf, 1991/2008,

Beratungsethisches Resümee für das Coaching als Führungskompetenz

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Kindle Position 274). Dienende Führungskräfte haben ihre Führungsrolle nicht aus persönlichem Machtstreben inne. Sie gehen flexibel mit ihrer Rolle um. Sie betrachten Aufgaben und Ziele der Organisation als gemeinsam zu gestaltende, ko-kreative und ko-evolutionäre Prozesse. Eine dienende Führungskraft tritt mit dieser Haltung einem Mainstream entgegen, welcher Führung strukturell eine hierarchische Position und möglicherweise etwas missverstanden eine elitäre Haltung zuweist (Greenleaf, 1977/2002; Greenleaf, 1991/2008). Davon ausgehend, dass Menschen in sozialen Kontexten leben und arbeiten, ist eine dienende Führung am Gemeinwohl orientiert. Dies ließe sich zu einem Ansatz der dienenden Organisation erweitern, in der Menschen an erster Stelle stehen (Greenleaf, 1991/2008, Kindle Position 553). Ein Zusammenhang zur Haltung im Coaching wird darin deutlich, dass eine dienende Führungskraft grundsätzlich ein humanistisches Menschenbild vertritt, dahingehend an der Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter interessiert ist, deren Autonomie im Handeln fördert, Prozesse auf der Basis von Vertrauen partizipativ gestaltet und zwischen Rahmenbedingungen und konkretem Handeln transzendierend moderiert.

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Grundlagen und Voraussetzungen für ein Coaching durch die Führungskraft

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In den letzten Jahren hat sich der Coachingmarkt sehr dynamisch entwickelt, wie die seit 2009 regelmäßig durchgeführten Marburger Coaching-Studien (Deutscher Bundesverband Coaching u. Philipps Universität Marburg, 2013, 2017) und die Ergebnisse der Coaching-Umfrage Deutschland, die als Langzeitstudie seit 2002 vom Büro für Coaching und Organisationsberatung (BCO Köln) mit wechselnden Partnern aus der Coaching-Community herausgegeben wird (Middendorf u. Salamon, 2017), zeigen. Gegenwärtig ist die Situation durch einen Differenzierungswettbewerb gekennzeichnet (Gross u. Stephan, 2015). Coaches arbeiten inzwischen in allen Branchen und auf allen Unternehmensebenen. Bereits seit Jahren wächst der Bedarf sowohl an dem Coaching der Führungskräfte, als auch an dem Coaching durch die Führungskräfte (Biebrach, 2017; Geißler, 2016). Nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch im zivilgesellschaftlichen Sektor wird zunehmend zur Absicherung von Projektzielen auf Coaching zurückgegriffen; als Beispiel hierfür sei auf die Projekte von Vereinen, Verbänden und Organisationen im Bundesprogramm »Zusammenhalt durch Teilhabe« verwiesen (Ebersbach u. Schäfer, 2015). In der Tradition von Rogers (1983) herrschte unter Experten lange die Auffassung, dass der Berater lediglich die Funktion einer Hebamme habe und der Klient bzw. Coachee selber am besten wisse, was für ihn das Richtige sei. Auch in der Organisationsberatung findet sich der Rekurs auf das nondirektive Vorgehen und die Auffassung von Prozessberatung als einer »Philosophie des Helfens« (Schein, 2003, S. 13). In diesem Sinne lässt sich Coaching mit dem Deutschen Bundesverband Coaching (2004) als »die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs-/Steuerungsfunktion und von Experten in Unternehmen/Organisationen« definieren. Gerade die coachende Führungskraft ist auch ein Dialogpartner (Schreyögg, 2015a), der durchaus seine Expertise auf unterschiedlichen Ebenen einbringt, ohne dabei den Beratungsprozess zu dominieren.

Die Haltung der coachenden Führungskraft

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In den letzten ca. 25 Jahren sind Führungskräfte immer mehr dazu übergangen, »ihre Mitarbeiter zu ›coachen‹, zu beraten, sie allgemein zu unterstützen und ihnen die konkrete Weise der Ergebniserreichung selbst zu überlassen, statt ihnen Anweisungen zu geben« (Oestereich u. Schröder, 2017, S. 12). Ebenso wie sich das Verständnis von Führung ändert, ist auch das von Coaching einem Wandel unterworfen; es wird zunehmend komplexer, wobei die »Organisationsbezüge im Coaching« deutlich zunehmen, wie in dem diesbezüglichen Positionspapier des Deutschen Bundesverbandes Coaching (DBVC, 2017a) zum Ausdruck kommt. Die gesellschaftlichen Änderungen stellen vollkommen neue Herausforderungen an Führung und Coaching (Lenz, 2017). Vor dem skizzierten Hintergrund fragen wir in diesem Kapitel nach den Voraussetzungen und Grundlagen eines Coachings durch die Führungskraft, das wir als Element eines Transflexings bezeichnet haben (vgl. Kap. 2). Die Grundlage für das Verständnis einer coachenden Führungskraft sehen wir in ihren Haltungen, mit denen wir uns – in Anknüpfung an die Ausführungen zu den ethischen Dimensionen im letzten Kapitel – zuerst beschäftigen. Wie das hieraus resultierende Verständnis der coachenden Führungskraft im Einzelnen aussehen kann, ist Gegenstand des zweiten Abschnitts. Die zentrale Herausforderung, mit den Anforderungen der Rollenflexibilität als Führungskraft und Coach umzugehen, beschäftigt uns in einem dritten Schritt. In diesem Kontext stellen wir ein Ergebnis zur Typologie coachender Führungskräfte vor. Abschließend geht es dann in einem vierten Schritt um die Vorstellung einer Ausbildungskonzeption, die im Rahmen eines Masterstudienganges eine doppelte Zielstellung verfolgt, sowohl für das Coaching für die Führungskraft als auch des Coachings durch die Führungskraft zu qualifizieren.

4.1 Die Haltung der coachenden Führungskraft Für Scharmer (2011, S. 37) hängt, mit Bezug auf Bill O’Brien, der »Erfolg einer Intervention von der inneren Verfasstheit des Intervenierenden ab.« Dieser Satz gilt gleichermaßen für Führungskräfte wie Coaches. Die innere Verfasstheit ist der Quellort von Handlung und kann als innere Haltung verstanden werden (vgl. Kap. 7.3.2). Welchen Zusammenhang – so ist zu fragen – gibt es zwischen der Haltung und den professionellen Kompetenzen? Eine Antwort hierauf geben die Kompetenzforscher Erpenbeck und Heyse (2007, S. 163); ihr Fazit lautet: »Kompetenzen werden von Wissen fundiert, durch Werte konstituiert, als Fähigkeiten disponiert, durch Erfahrungen konsolidiert, auf Grund von Willen realisiert.« Auf das Wissen und die Fähigkeiten, die eine coachende

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Grundlagen und Voraussetzungen

Führungskraft u. E. benötigt, werden wir noch eingehen (vgl. Kap. 4.4); an dieser Stelle beschäftigen wir uns mit den Werten. Ausgehend von vier ethischen Grundpositionen systemischer Therapie (von Schlippe u. Schweitzer, 2007) hat Mechthild Erpenbeck (2017, S. 118 ff.) sechs ethische Leitlinien als Wurzeln einer systemischen Haltung im Coaching entwickelt, die wir mit dem speziellen Blick auf die coachende Führungskraft im Sinne der Ausgestaltung unserer Überlegungen zur Verantwortungsethik nach Jonas (vgl. Kap. 3) betrachten:

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»1. Denke und handle ökologisch valide. (oder: ›Es gibt immer einen größeren Kontext‹)!« Dieser Leitsatz verweist auf die Bedeutung der Wechselwirkungen sowie die Eigenlogik der Kontextsysteme, die mit Achtsamkeit und Weitblick im Auge behalten werden sollen. Für die coachende Führungskraft bedeutet dies, auf die Verzahnung von Individual- und Organisationsentwicklung zu achten und deren Passung im Blick zu haben. Beide Aspekte spannen zusammen mit der permanenten Reflexion der eigenen Rollen im Transflexing ein Dreieck des In-Beziehung-Gehens zu sich, dem Coachee und der Organisation auf. »2. Achte auf Definitionen und Bewertungen, die du vornimmst (oder: ›Es könnte auch alles ganz anders sein‹)!« Wie wichtig es ist, bereit zu sein, die eigenen Überzeugungen immer wieder infrage zu stellen, darauf weist uns bereits Wittgenstein (1970, S. 3) hin, wenn er sagt: »Dass es mir – oder Allen – so scheint, daraus folgt nicht, dass es so ist.« Eine solche Haltung einzunehmen, erfordert Demut und gleichzeitig die Neugierde auf das scheinbar doch so Vertraute immer wieder neu hinzuschauen. Für die coachende Führungskraft kann dies bedeuten, akzeptieren zu lernen, dass sich Kontexte heute manchmal sehr schnell ändern können und es darauf ankommt, sequentiell vorzugehen und auch das Design des Settings im Transflexing entsprechend agil zu gestalten. »3. Besinne dich auf deine persönliche Verantwortung (oder: ›Es gibt kein Richtig oder Falsch, aber du bist Teil des Kontextes, und alles, was du tust, hat Konsequenzen!‹)!« Dieser Leitsatz trifft den Kern der Verantwortungsethik (vgl. Kap. 3). Auch wenn es im systemischen Denken keine Kausalitäten gibt, so trägt jeder Mensch doch die Verantwortung für das, was er tut oder lässt. Die coachende Führungskraft ist deshalb gefordert, klug zu bedenken und antizipatorisch abzuwägen, welche Impulse sie im Transflexing setzt oder auch nicht.

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»4. Achte darauf, in respektvoller Weise Unterschiede zu schaffen (oder: ›Füge dem Bild des/der Klienten etwas Neues hinzu‹)!« In der unterstützenden Begleitung von Transformationsprozessen geht es nach Bateson (2005, S. 123) darum, einen Unterschied zu machen, der einen Unterschied macht. Die Anforderung, die hier formuliert wird, lautet: Schaffe solche Unterschiede, die einen Möglichkeitsraum eröffnen und dabei das Gewordene nicht denunzieren. Für die coachende Führungskraft geht es in diesem Sinne darum, die Polaritäten zwischen Nähe und Distanz, Förderung und Konfrontation sowie Bewährtem und Neuem stets gut auszubalancieren. »5. Widme dich bewusst und gestaltend deinen internalen Prozessen (oder: ›Fange bei dir selbst an – alles was du denkst und fühlst, ist bereits eine Intervention‹)!« Dieser Leitsatz verweist auf die Interdependenz der eigenen inneren Verfasstheit mit der eines Gegenübers. Beide gehen in Resonanz miteinander, sind wechselseitig voneinander abhängig und bringen ihre Beobachtungen gegenseitig hervor. Für die coachende Führungskraft ist der Gedanke, immer selbst Teil des Prozesses zu sein, den sie beobachtet, konstitutiv, stets präsent und daher von besonderer Bedeutung. Resonanz spielt im Coachingprozess eine entscheidende Rolle; ihr Kern besteht nach Kaßner (2016, S. 4) in drei Aspekten: (1) »sich auf den anderen ein(zu)lassen und zugleich bei sich (zu) bleiben«, (2) »die eigene Spürfähigkeit fortlaufend (zu) trainieren« und (3) »sich Selbst – die biographischen und aktuellen Themen – gut (zu) kennen«. »6. Begegne deinen KlientInnen mit liebevoller Achtung vor ihrem Eigen-Sinn (oder: ›Dein Gegenüber ist genau wie du – nur anders!‹)!« Der Aufbau einer wertschätzenden, achtungsvollen symmetrischen Beziehung ist die Grundvoraussetzung für jegliche Coachingaktivität; aus ihr entwickelt sich Vertrauen. Die hier formulierte Gestaltungsaufgabe erfordert sowohl eine kontinuierliche Anstrengung als auch eine permanente reflexive Selbstbeobachtung. Für die coachende Führungskraft ist damit die Herausforderung verbunden, Risiken einzugehen und Spannungen auszuhalten, um »achtungsvoll im Kontakt, berührbar als Mensch und transparent im professionellen Handeln« (Erpenbeck, 2017, S. 121) zu sein. Die hier formulierten Ansprüche stellen hohe Anforderungen, die zu erfüllen, eine stete Herausforderung bleibt. Damit werden Maßstäbe für professionelles Handeln definiert. Sie zu verinnerlichen und zu einem Teil der inneren Haltung werden zu lassen, bleibt ein vermutlich unabschließbarer Prozess. Gleichzeitig verweisen die Leitlinien auf Potenzialität, aus der heraus wir handeln, denken

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Grundlagen und Voraussetzungen

und fühlen können. Was wir davon jeweils realisieren, beschreibt unsere aktuelle innere Haltung, die so entscheidend für das ist, was wir mit unseren Interventionen erreichen können. Für Therapeuten, Supervisoren und Coaches galt schon immer, dass sie selbst die wichtigste Intervention und zugleich Werkzeug und Methode sind (Lempart, 2017; Wolff et al., 2012); Entsprechendes trifft für die coachende Führungskraft zu. Wenngleich es schon implizit in den erläuterten Leitsätzen zum Ausdruck kommt, so gilt es nochmals hervorzuheben, welch entscheidende Bedeutung der dialogischen Haltung in der Beziehungsgestaltung in Coachingprozessen und somit auch im Transflexing zukommt. Sie ist die Basis für gelingende Kommunikation und der Eckpfeiler sowohl bei der Entwicklung von Menschen wie Organisationen. Die dialogische Haltung hält uns dazu an, uns ständig um Achtsamkeit und Präsenz zu bemühen, sensibel zu agieren und gewohnte Denk- und Handlungsmuster kritisch zu hinterfragen. Dem ursprünglichen Wortsinn folgend heißt »dia« »durch« und »logos« meint »das sinnvolle Wort«. Der Begriff Dia-log meint also das Fließen von Sinn und das Erschließen von Bedeutung durch die Interaktion der Menschen. David Bohm (2002) beschreibt den Dialog als ein beständiges Hinterfragen von Prozessen, Sicherheiten und Strukturen, die unseren menschlichen Gedanken und Handlungen zugrunde liegen. Doch was sind die Kernfähigkeiten des Dialogs. Hierauf geben Hartkemeyer et al. (2015, S. 119 ff.) unter Bezug auf Isaacs (2002) eine Antwort, indem sie die folgenden Qualitäten, die im Dialog nützlich sind, unterscheiden: ■■ ■■ ■■ ■■ ■■ ■■ ■■ ■■ ■■ ■■

lernende Haltung, radikaler Respekt, von Herzen sprechen, generatives Zuhören, Annahmen und Bewertungen suspendieren, erkunden, produktiv plädieren, Offenheit, Verlangsamung und die Beobachterin beobachten.

Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Elementen stellt sich mit Hartkemeyer et al. (2015, S. 142 f.) so dar: Wer sich sprechend im Dialog befindet, »hat Beziehung zu den eigenen Gefühlen, Anliegen, Erfahrungen«, fasst sich kurz und spricht von Herzen. Damit dabei Neues in uns selbst und in der Gruppe

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entstehen kann, ist generatives Zuhören erforderlich. »Die Beziehung zwischen Sprechen und Hören basiert auf dem Erkunden anderer Positionen. Es ist ein Plädieren, das sich um Produktivität bemüht und den Denkprozess stärker betont, anstatt nur das Denkprodukt zu präsentieren.« Im dialogischen Gespräch geht es darum, unsere Annahmen und Bewertungen zu suspendieren. Dies gelingt uns am ehesten, in einer bewussten Verlangsamung der Kommunikation. Diese macht es uns wiederum möglich, unsere Beobachtung zu beobachten. Wenn wir mit einer lernenden Haltung anderen begegnen, wird der radikale Respekt unser Sprechen beeinflussen. Durch die Offenheit gegenüber anderen lassen wir unser Zuhören schließlich fruchtbar werden. Sowohl gesellschaftlicher Wandel als auch Organisationsentwicklungsprozesse gehen immer von Individuen aus, die in dialogischen Prozessen Wirklichkeit interaktiv gestalten. Willam Isaacs hat den Dialog als die »Kunst, gemeinsam zu denken« (2002) bezeichnet. Intelligenz erweist sich demzufolge, wie es Gerald Hüther (2015, S. 10) ausdrückt, »gar nicht als individuelle Fähigkeit, sondern ist immer das Ergebnis des Austausches von Wissen und Erfahrungen mit anderen Menschen.« Unser Gehirn ist ein soziales Konstrukt, das sich »durch Beziehungserfahrungen mit anderen strukturiert«; genau dies geschieht im Dialog. Unter Bezug auf die Erkenntnisse der Hirnforschung entwickeln Hock, Hock und Mosell (2014, S. 18 ff.) ihr Modell der »NOW-Coaching-Grundhaltungen«. Bezugnehmend auf die von Hüther formulierten zwei wesentlichen Grundbedürfnisse eines Menschen – die übrigens korrespondieren mit der Selbstbestimmungstheorie der Motivation (vgl. Kap. 8.2.2) – dem Bedürfnis nach Wachstum und Verbindung sowie der Erkenntnis, dass beide auf die Fähigkeit zur Begeisterung als Dünger angewiesen sind, stellen sie fest: »Zentral für die Begeisterung und Aufrechterhaltung und Entfaltung von Begeisterung und Motivation sind also: Neugierde, Offenheit und Wertschätzung«. Ganz ähnlich konzeptualisieren auch Dietz und Dietz (2011, S. 176 f.) den von ihnen verwendeten Haltungsbegriff, indem sie ihn als »eine neugierige Haltung, Interesse, etwas mehr innere Offenheit, Geduld sowie die innere Bereitschaft, den anderen ernst zu nehmen« beschreiben. Die innere NOW-Haltung wird von den Autorinnen als zentral für jede coachende Führungskraft angesehen; diese sollte sich deshalb stets fragen, so der Vorschlag: »bin ich ergebnisoffen, wirklich neugierig-interessiert und nicht bereits mit Vorurteilen behaftet, also wertschätzend?« (Hock et al., 2014, S. 20). Neugierde geht einher mit echtem Interesse, nicht nur an Ideen, sondern auch am Gegenüber mit seinen Motiven, Bedürfnissen und Werten. Offenheit setzt voraus, selbst gefestigt zu sein, um sich gegenüber neuen Dingen aufgeschlos-

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sen zu zeigen; Offenheit schließt auch Transparenz, ehrliches Feedback und die Fähigkeit zur Integration mit ein. Wertschätzung schließlich rückt die Ressourcen und Potenziale einer Person in den Fokus der Betrachtung; in der Interaktion geht es deshalb darum, neue Handlungsoptionen zu ermöglichen. Die Wertschätzung bereitet den Boden, »auf dem neue Lösungen besser und schneller gedeihen« (Godat, 2016, S. 57). Ziel ist es, die drei NOW-Haltungen auszubalancieren und zu beachten, dass jede der Haltungen in einem positiven Spannungsverhältnis zu einem polar ergänzenden Wert steht: »Neugierde geht nur bei Achtung vor dem Bewährten. Offenheit nur bei der Fähigkeit zur Abgrenzung. Und Wertschätzung nur bei der Fähigkeit, Kritik angemessen äußern zu können« (Hock et al., 2014, S. 22). Die dialogische Haltung macht es dabei möglich, miteinander so in Beziehung treten zu können, dass der andere mir Gegenwart wird (Buber, 1997) und das Transflexing zu einem partnerschaftlich gestalteten Beziehungsgeschehen wird. Die gute Beziehungsgestaltung ist von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit von gemeinsam verabredeten Interventionen. Durch die dialogische Haltung entsteht ein Ort für Vertrauen und Selbstreflexion. Entwicklungs- und Veränderungsprozesse, egal auf individueller, teambezogener oder organisationaler Ebene lassen sich nicht steuern, sondern lediglich absichtsvoll gestalten; dies wird durch einen wertschätzenden Dialog im Transflexing erst möglich, indem Veränderungen sondiert und zieldienliche Impulse gesetzt werden, die der Potenzialentfaltung von Individuen, Teams und Organisationen dienen.

4.2 Zum Verständnis der coachenden Führungskraft Das Begriffsverständnis von Coaching ist derzeit sehr disparat. Für unterschiedlichste Felder haben sich sehr spezifische Formate und Methoden herauskristallisiert, die zum Teil ganz unterschiedliche theoretische Bezüge haben. Coaching ist keine geschützte Berufsbezeichnung mit einheitlichen Standards. Die Coaches sind zudem in verschiedenen Berufsverbänden organisiert, die alle ihre eigenen Kriterien für das Qualitätsmanagement haben. Bezogen auf das uns besonders interessierende Managerial-Coaching ist zu konstatieren, dass die Unternehmen seit der Jahrtausendwende zunehmend Angebote eines internen Coachings offerieren und auch planen, dies weiter auszubauen (Müller et al., 2015). Allerdings ist in den Unternehmen das Coachingverständnis recht unterschiedlich, wie eine empirische Studie von Bachmann (2017) aufzeigt. In den 96 untersuchten Unternehmen haben sich im Wesentlichen vier Verständnistypen von Coaching herauskristallisiert. Zum einen unterscheiden sich die Ansichten

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Zum Verständnis der coachenden Führungskraft

darüber, inwieweit Coachingprozesse von der Organisation gesteuert werden sollten; hier sind die beiden Pole, zwischen denen die Auffassungen angesiedelt sind, Autonomie versus Steuerung. Zum anderen wird die Frage, ob der Nutzen des Coachings für das Individuum oder die Organisation im Vordergrund stehen sollte, unterschiedlich beantwortet; die Polaritäten liegen hier deshalb zwischen Person und Organisation. Auf diese Weise entsteht eine Vierfeldermatrix (siehe Abbildung 9). Autonomie Therapie „Heilung“

Selbstorganisation „Empowerment“

Person

Organisation Pädagogik „Erziehung“

Expertenberatung „Optimierung“

Steuerung Abbildung 9: Verständnistypen von Coaching (Quelle: eigene Darstellung nach Bachmann, 2017, S. 6)

Das am häufigsten auftretende Coachingverständnis wird etwas provokant als Therapie mit dem Ziel einer »Heilung« bezeichnet; im Vordergrund steht der Coachee mit seinem Anliegen. Erwartet werden personenbezogene Wirkungen, es geht um Selbstreflexion und Unterstützung. Der zweithäufigste Verständnistyp setzt ebenfalls auf Autonomie ist allerdings klar auf organisationsbezogene Wirkungen ausgerichtet und wird als ­Empowerment bezeichnet. Die Mitarbeitenden sollen gestärkt werden, um den an sie gestellten Erwartungen gerecht zu werden. Das dritthäufigste Coachingverständnis ist die sogenannte Expertenberatung mit dem Ziel der Optimierung. Der Fokus ist auf die Organisationsziele ausgerichtet und die Organisation will den Coachingprozess in ihrem Sinne mit steuern. Der vierte Verständnistyp wird mit Pädagogik bezeichnet. Im Zentrum steht die Person des Mitarbeitenden, die zu etwas »erzogen« werden soll.7 7 Auf die Problematik der Typologie von Bachmann im Rahmen eines Coachings durch die Führungskraft wird in Kap. 6.2 eingegangen.

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In Abhängigkeit von dem jeweils praktizierten Coachingverständnis werden jeweils immer nur bestimmte Facetten und Möglichkeiten gesehen und andere bleiben unberücksichtigt. Interessant wäre es zu erfahren, inwiefern das Coachingverständnis der Unternehmen von dem evolutionären Organisationsmodell (vgl. Kap. 2) abhängig ist; hierzu gibt es aber leider keine Daten. Mit Blick auf unser entwickeltes Verständnis einer coachenden Führungskraft, deren vornehmste Aufgabe es ist, sich um die Passung von Person und Organisation zu bemühen, gilt es, diese beiden nur vordergründig polaren Dimensionen im Coaching stets zusammen zu denken; hieraus kann sich erst die spezifische Qualität eines Coachings durch die Führungskraft ergeben. Unterschiedlichen Coachingverständnissen liegen zumeist auch unterschiedliche Haltungen zugrunde. Worin besteht die innere Haltung des systemischen Beraters? Hierzu gibt Barthelmess (2016) wichtige Hinweise, die es vor dem Hintergrund einer coachenden Führungskraft zu reflektieren gilt. Das Grundmotiv den Beraterberuf zu ergreifen, hängt für Barthelmess (2016, S. 16) mit einer gewissen Hybris zusammen, die sich in vier Formen darstellt und die in Glaubenssätzen fokussiert werden können: 4

■■ Hybris des Wissens: »Ich weiß es besser als Du.« ■■ Hybris des Verstehens: »Ich verstehe Dich besser als Du Dich selbst.« ■■ Hybris der Distanzierung: »Ich habe mit Dir und Deinen Problemen nichts zu tun.« ■■ Hybris des Misstrauens: »Ohne meine Hilfe schaffst Du es nicht.« Wenn diese Ausprägungen der Hybris schon bei den in beratenden Berufen tätigen Menschen – wenngleich in unterschiedlichen Ausprägungsgraden – vorhanden sind, um wieviel stärker müssen sie dann bei Führungskräften anzutreffen sein, die sich nicht selten ja gerade über diese Annahmen selbst definieren. Während Führungskräfte zunächst kein Problem damit haben, in ihrer Hybris zu verharren, kommt es für Berater darauf an, einen Schritt weiter zu gehen, und Wissen, Verstehen, Distanzierung und Misstrauen auch als Ressourcen zu sehen, die in der Hybris bereits angelegt sind. »Die Wissensressource wird aus der Hybris des ›Ich weiß es besser‹ gespeist. Die Verstehensressource basiert auf dem Wunsch, ›am besten zu verstehen‹. Die Distanzierungsressource entwickelt sich aus dem Sich-darüber-Stellen. Schließlich bleibt die Misstrauensressource, welche sich aus dem ›Ich werde gebraucht-Egoismus‹ nährt« (Barthel­mess, 2016, S. 19). Doch damit ist der Prozess in der Entwicklung zu einem systemischen Berater noch nicht abgeschlossen. Die systemische Expertise kommt nach ­Barthelmess (2016, S. 20) erst dann richtig zum Tragen, »wenn man inner-

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lich über die vier beschriebenen Ressourcen hinausgeht« und die Expertise des Nichtwissens, des Nichtverstehens, des Eingebundenseins und des Vertrauens entwickelt. Das von Schein (2017) entwickelte Humble Consulting ist ein gutes Beispiel für die Ausgestaltung dieser Expertise. Für eine coachende Führungskraft besteht die Herausforderung darin, die Hybris hinter sich zu lassen, um auf die Ressourcen Wissen, Verstehen, Distanzierung und Misstrauen zurückgreifen zu können und sich stets bewusst zu sein, dass sie es – egal ob es Einzelpersonen, Gruppen oder ganze Organisationen sind – stets mit autonomen Systemen zu tun hat, die trotz ihrer Kontextabhängigkeit in sich die Fähigkeit zur Selbstorganisation tragen. Zu erkennen, dass man als Führungskraft einem System zwar durch Impulse, Entscheidungen und Interventionen Anstöße zu einer Entwicklung geben kann, man aber darauf angewiesen ist, dass diese auch aufgenommen und umgesetzt werden, birgt in sich das Potenzial, die Fähigkeit der Demut zu kultivieren. Diese Erfahrung kann eine gute Vorbereitung sein, um als coachende Führungskraft von der Ressource den Schritt in die Expertise zu vollziehen, um Passungsdialoge zum Nutzen von Mitarbeitenden und Organisation zu führen. Zwischen einem externen Coach und der coachenden Führungskraft bleibt allerdings ein wesentlicher, nicht aufzuhebender Unterschied. Während der externe systemische Coach lediglich die Verantwortung für den Beratungsprozess übernimmt, bleibt bei der coachenden Führungskraft auch die Verantwortung für die Problemlösung. Die coachende Führungskraft ist eine Chance und Herausforderung zugleich. Diese kann nur gelingen, wenn mögliche Rollenkonflikte proaktiv angegangen und transparent kommuniziert und verhandelt werden. Nur so wird es möglich sein, mit existierenden Ambivalenzen, Dilemmata und Ambiguitäten umgehen zu können. Durch eine diesbezügliche Ehrlichkeit und Offenheit kann im Coaching Vertrauen entstehen, das auch in der agilen und vernetzten Berufswelt als Gegenpart zur Kontrolle immer wichtiger wird. Die Rollenübergänge der coachenden Führungskraft gilt es durch ein effektives Grenzmanagement zu gestalten. Angesichts der enormen Anforderungen, die an die eigene Reflexionsfähigkeit gestellt werden, halten wir eine entsprechende Coachingaus- oder -weiterbildung für coachende Führungskräfte für unverzichtbar (vgl. hierzu Kap. 4.4). Wie empirische Untersuchungen zeigen, gestalten diese ihre Rolle so, »dass sie achtsamer sind und Signale beim Mitarbeiter wahrnehmen, wozu sie vor der Coaching-Weiterbildung nicht in der Lage gewesen wären. Sie gehen bewusster auf ihre Mitarbeiter ein, zeigen sich transparenter, partnerschaftlicher und wollen Reflexionspartner ihrer Mitarbeiter sein« (Sedlaczek u. Webers, 2015, S. 443).

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4.3 Dimensionen der Rollenflexibilität als Führungskraft und Coach

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Wir haben bereits die unterschiedlichen Funktionen von Management, Führung und Transflexing beschrieben (vgl. Kap. 2); diesen Gedanken gilt es nun bezüglich der damit verbundenen Rollen weiter zu spezifizieren. Zunächst gilt es zu konstatieren, dass die »Multidimensionalität vieler Unternehmen […] bei Führungskräften eine Rollenvielfalt (erzeugt), die durchaus Verwirrung bei allen Beteiligten stiften kann« (Dollinger, 2015, S. 393). So ist es möglich, dass eine Führungskraft in Arbeitskontexten agiert, in denen sie in Abhängigkeit von den jeweils beteiligten Personen bzw. Prozessen gegenüber anderen Betriebsangehörigen disziplinarische und/oder fachliche Führungsverantwortung haben kann bzw. ganz ohne Weisungsbefugnis ist. Führungskräfte sind herausgefordert, mit dieser Multioptionalität umzugehen und sich stets klar zu machen, wie die Ausgestaltung im Dreieck zwischen Position, Funktion und Rolle situativ erfolgen kann. Dies ist aber nur die strukturelle Seite des Phänomens. Auf der kulturellen Seite geht es um die Verhaltenserwartungen, die in einem bestimmten Organisationskontext an diverse Rollen gestellt werden. Auf der horizontalen Ebene geht es dabei um verschiedene Ausprägungen im Spektrum zwischen Kollege, Führungskraft, Mentor, Supervisor und Coach. Auf der vertikalen Ebene geht es um die wechselnden Anforderungsprofile während des eigentlichen Prozesses von Coaching, Mentoring oder auch Supervision. Beide Ebenen gilt es noch genauer zu betrachten. Wenden wir uns zunächst der horizontalen Ebene zu. Dollinger unterscheidet hier zwischen einer Zweck- und einer Methodendimension. »Bei der Zweck­ dimension geht es darum, das ›Wofür‹ in den Fokus zu stellen, bei der Methodendimension stehen das ›Womit‹ beziehungsweise ›Wie‹ im Mittelpunkt« (Dollinger, 2015, S. 394). Auf der Zweckdimension wird zwischen »Aufgaben bearbeiten« und »Impulse zur persönlichen Entwicklung bekommen« unterschieden. In der Methodendimension geht es einerseits um ein Feedback zur Zielerreichung und Kontrolle und andererseits Reflexionen über Wahrnehmungen und eigene Emotionen. Die Intervention über Feedback soll primär auf die Beeinflussung des Verhaltens, die über Reflexion zusätzlich auch auf die Haltungen abzielen. Rückmeldungen in Form eines Feedbacks sind in der Regel von der Führungskraft, die der Reflexion vom Coach initiiert. Auf diese Weise entsteht ein Vierfelderschema (siehe Abbildung 10), das idealtypisch folgende Rollendimensionen unterscheidet: Auf der vertikalen Ebene gilt es, den Coachingprozess selbst im Hinblick auf die Aktivitätsmuster zwischen Coach und Coachee zu betrachten. ­Schreyögg

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Impulse bekommen

Mentor

Coach/ Supervisor

Aufgaben bearbeiten

Zweckdimension

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Führungskraft

Kollege

Feedback

Reflexion

Methodendimension

Abbildung 10: Rollendimensionen der Führungskraft als Coach (Quelle: eigene Darstellung nach Dollinger, 2015, S. 394)

(2015a, S. 13) spricht hier von einer »Rollenvariabilität« des Coaches in Abhängigkeit vom jeweiligen Prozessschritt innerhalb des Coachings. An dieser Stelle wird darauf verzichtet, einen idealtypischen Ablauf des Coachings zu konstruieren, um daran die verschiedenen Anforderungen deutlich zu machen. Stattdessen sollen die verschiedenen Polaritäten, die es in der dialogischen Begegnung zu differenzieren gilt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, aufgelistet werden: ■■ ■■ ■■ ■■ ■■

passive vs. aktive Beziehungsgestaltung, komplementäre vs. symmetrische Interaktion, strukturelle Führung vs. Zurückhaltung, inhaltliche Gestaltung vs. Reaktion, schützen und stützen vs. konfrontieren und fordern.

Die diversen Rollen, die eine coachende Führungskraft übernehmen und die verschiedenen Ebenen, auf denen das Coaching stattfinden kann, sind Aufgabe und Verpflichtung zugleich. Coaching ist einer »großen Aufgabe verpflichtet, nämlich integrativ zu wirken« (Schmid, 2015, S. 422). Die reflektierte Rollen­ flexibilität kann so zu einem Markenzeichen eines Coachingverständnisses werden, das traditionelle Grenzen überwindet.

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Der Coach hat dabei stets im Interesse einer Allverantwortlichkeit, den Prozess zu steuern, sein Handeln darauf auszurichten, dass die Entwicklungspotenziale des Coachees sich entfalten können und dabei auch stets für sich selbst zu sorgen und sich in seinem Tun zu reflektieren. All dies will nicht nur kognitiv angeeignet, sondern auch erleb- und erfahrbar durchdrungen sein. Dies führt uns zu der Frage, wie die coachende Führungskraft mit der Rollenflexibilität umgeht. Eine eigene, vor kurzem im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes des Masterstudienganges Coaching und Führung an der Ernst-­AbbeHochschule Jena abgeschlossene, Studie gibt hier erste Antworten (Hesselbarth et al., 2019). Wenn Führungskräfte ihre Mitarbeitenden coachen, so tun sie dies offenbar zum Teil sehr unterschiedlich. Die in unserer Forschung entwickelte Typologie unterscheidet drei Idealtypen des Coachings durch die Führungskraft, das organisationsorientierte, das passsungsorientierte und das mitarbeiterorientierte Coaching; diese sollen nun kurz skizziert werden (Hesselbarth et al., 2019). Der Kerngedanke des organisationsorientierten Coachings besteht darin, dass die derart coachenden Führungskraft davon ausgeht, ihre Führungsaufgaben unter Zuhilfenahme von Coaching zu erfüllen. Sie hat aus Sicht der Organisation Zielvorstellungen für den Coachee und klare Hypothesen, die sie in ihrem Tun leiten; sie glaubt zu wissen, wo es den Hebel anzusetzen gilt. Entsprechend versucht sie, den Coachingprozess zu steuern. Exemplarisch hierfür steht die folgende Aussage8: »Wo ich sie so ein bisschen gelenkt habe, dass sie dann in diese Richtung kam, dass sie den Versuch unternehmen muss, selbst aktiv da zu werden, damit sich die Situation für sie ändert.« Das Coaching findet bevorzugt im eigenen Büro statt, der Erfolg wird an einem veränderten Verhalten des Coachees festgemacht. Dem passungsorientierten Coach ist es wichtig, dass das Coaching sowohl im Interesse des Mitarbeitenden als auch der Organisation liegt. Das Coaching wird eher von der Führungskraft vorgeschlagen und der Mitarbeitende nimmt dies freiwillig an. Die Zieldefinition kommt vom Coachee, der Zielfindungsprozess wird von der Führungskraft lösungsorientiert begleitet, wie es in der folgenden Interviewaussage zum Ausdruck kommt: »Also, im ersten Gespräch haben wir das Problem ganz klar formuliert, also sie hat das Problem erläutert und wir haben so was wie eine Problembeschreibung gemacht und in zwei Teile untergliedert und sie hat mir ein konkretes Beispiel erzählt, dass ich einfach weiß, was sie genau meint und wie eine Lösung aussehen könnte.« Dieses Coa8 Die folgenden Zitate stammen aus den Interviews eines eigenen Forschungsprojektes (Hessel­ barth et al. 2019).

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ching findet an einem neutralen, geschützten Ort innerhalb der Organisation statt. Die Rollentrennung zwischen Führungskraft und Coach wird gern durch Rituale markiert. Ergebnisse und Abschluss des Coachings werden durch wechselseitige, dialogisch kommunizierte Einschätzungen festgestellt. Der mitarbeiterorientierte Coach versteht sein Coaching als Angebot zur Entfaltung und Entwicklung der Kompetenzen des Mitarbeitenden. Die Initiative zum Coaching geht vom Coachee aus und beruht auf absoluter Freiwilligkeit, so wie in dem folgenden Fall: »Sie kam auf mich zu (…) und sie hat gefragt: »Lieber Herr B., haben Sie heute nochmal kurz Zeit?« (…) Da haben wir uns am Nachmittag getroffen. Dann hat Sie halt so das Thema erstmal ein Stück geschildert und mir war schon klar, dass wir in dem Zeitfenster, (…) das jetzt nicht groß regeln oder besprechen konnten. (…) Wir haben vielleicht 20 Minuten miteinander gesprochen. Ich habe ihr dann einen Terminvorschlag gemacht für anderthalb Stunden ein paar Tage später.« Im Zentrum steht die Kompetenzentwicklung der Person des Mitarbeitenden. Das Coaching findet an einem neutralen geschützten Ort außerhalb der Organisation statt. Die Führungskraft achtet auf eine strikte Rollentrennung und fühlt sich einem traditionellen professionellen Coaching mit seinen Standards verpflichtet. Der Coachee wird unterstützt, seinen Weg zu gehen und die für ihn adäquaten Lösungen zu finden. Es stellt sich die Frage, inwieweit ein dem Typ des organisationsorientierten Coachings zugeordneter Gesprächsprozess den fachlichen und ethischen Anforderungen (vgl. Kap. 3 u. 6) an ein qualifiziertes Coaching durch die Führungskraft gerecht werden kann. Möglicherweise handelt es sich eher um ein aus der Führungsrolle heraus gestaltetes Mitarbeitergespräch als um ein Coaching im Sinne einer ergebnisoffenen Beratung. Diese Ambivalenz wird durchaus von einem Teil der Interviewten benannt. Des Weiteren ist bei der Einschätzung der diesem Typ zugeordneten Interviews zu berücksichtigen, dass das Coaching durch die Führungskraft in der gegenwärtig diesbezüglich boomenden Führungsliteratur geradezu vereinnahmt wird. Dies geschieht mitunter ohne fundierte konzeptionelle Basis oder gar Klärung von Mitwirkungsrechten und -pflichten der Mitarbeitenden hinsichtlich entsprechender Coachingelemente, wenn diese etwa im Rahmen von Mitarbeitergesprächen zum Einsatz kommen und nicht im Rahmen ergebnisoffener Coachinggespräche im sanktionsfreien Raum. Dies gilt es unseres Erachtens hinsichtlich des genannten Coachingtyps ebenso zu berücksichtigen wie das Fehlen von für das Coaching durch die Führungskraft verbindlichen Standards. Es bleibt künftigen Forschungen vorbehalten zu klären, ob sich diese Typologie bestätigen wird und wie sich die Coachings in ihren Langzeitwirkungen darstellen.

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Grundlagen und Voraussetzungen

4.4 Kompetenzentwicklung für ein Coaching durch die Führungskraft

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Wie bereits deutlich gemacht, sind zur Bewältigung der gegenwärtigen und künftigen Anforderungen an die Führungsrolle und insbesondere an die Reflexions- und Handlungsfähigkeit der Führungskraft als Coach Kompetenzen erforderlich, die für die Führungskräfteentwicklung eine besondere Herausforderung darstellen. Doch nur ein verschwindend geringer Teil der Lehrgänge für Führungskräfte sind wissenschaftlich fundiert (Gauto, 2017). Bereits ein Blick in das Internet verdeutlicht, dass mittlerweile diesbezüglich zahlreiche, häufig allerdings kurzzeitige Trainings angeboten werden. Auch in Masterstudiengänge haben erste Konzepte mittlerweile Eingang gefunden (Öhlschlegel-Haubrock et al., 2016). So wurde bspw. an der Fachhochschule Münster im Kontext eines betriebswirtschaftlichen Masterstudiums ein aus dem transformationalen Führungsansatz entwickeltes und auf dem Persönlichkeitsmodell von Rogers aufbauendes Trainings- und Qualifizierungskonzept entwickelt. Demgegenüber sieht die Konzeption des nicht nur auf Absolventen eines Studienfaches beschränkten, sondern vielmehr auf eine breite Zielgruppe von potenziellen Studierenden ausgerichteten Masterstudienganges »Coaching und Führung« an der Ernst-­Abbe-Hochschule in Jena eine Qualifikation der Teilnehmenden in zweifacher Hinsicht vor. Sie erwerben zum einen Kompetenzen, um mit Führungs- und Steuerungsaufgaben befasste Personen zu coachen. Gleichzeitig werden sie als (potenzielle) Führungskräfte dazu befähigt, ein Coaching ihrer Mitarbeitenden durchführen zu können. Die Studierenden erhalten zum einen eine fundierte Ausbildung zum Coach, die sich an den Richtlinien der maßgeblichen Coaching­verbände orientiert und zum anderen eine entsprechende Ausbildung zur coachenden Führungskraft. Diese Doppelqualifikation stellt ein weitgehendes Novum in der akademischen Ausbildungslandschaft dar. Die hinter dieser Kombination von Qualifizierungen hinsichtlich des Coachings für die Führungskraft und des Coachings durch die Führungskraft stehenden curricularen Überlegungen knüpfen an den in diesem Buch beschriebenen innovativen Führungs- und Beratungskonzepten an. Das allgemeine Ziel des Master-Studienganges in Jena ist es, durch ein wissenschaftlich fundiertes, anwendungs- und grundlagenorientiertes Studium auf der Basis eines breiten und in Teilgebieten vertieften fachlichen Wissens, sowie durch eine umfassende Methodenkompetenz den Erwerb eines Master-­ Grades zu ermöglichen. Darüber hinaus soll ein relevanter Beitrag zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung und zum gesellschaftlichen Engagement der Teil-

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nehmenden geleistet werden. Der Studiengang wird einerseits theorie- und empiriebasiert und andererseits kompetenz-, erlebnis- und handlungsorientiert durchgeführt. Insofern liegen die Schwerpunkte des Studiengangs in der Entwicklung der beruflichen Rolle als künftiger Coach von Führungskräften wie auch Mitarbeitenden, in der Abgrenzung zu benachbarten Handlungsfeldern wie Supervision, Therapie oder anderen Beratungsformaten sowie der Entwicklung einer ethischen Berufshaltung und notwendiger Sozial- und Rollenkompetenzen in Coachingprozessen. Die Konzeption ist auf Studierende mit beruflichen Vorerfahrungen ausgerichtet, die sich in den beiden Feldern von Coaching und Führung weiterentwickeln wollen. Der Erwerb eines entsprechenden akademischen Grades trägt in besonderer Weise dazu bei, die Berufsbilder sowohl im Bereich Coaching als auch im Bereich der Führung zu festigen bzw. weiterzuentwickeln. Die curriculare Weiterentwicklung der bisherigen Coaching-Ausbildung des Instituts für Coaching und Organisationsberatung der Ernst-Abbe-Hochschule Jena zum Coach, die seit 2009 in vier zweijährigen Kursen durchgeführt wurde, führte dazu, dass die Ausbildung durch die Neukonzeptionierung als Masterstudiengang professionalisiert und akademisiert werden konnte. Dass die Qualifizierung von Coaches in Deutschland derzeit noch überwiegend durch Weiterbildungen von vielfach geringer Dauer erfolgt und es bislang wenig entsprechende Studiengänge gibt, macht diesen Masterstudiengang zusätzlich attraktiv. Der Master-Studiengang ist modularisiert und umfasst zwölf Module, verteilt auf vier Semester (http://www.sw.eah-jena.de/studium/ma-coaching-fuehrung/) Die Studierenden sollen im Anschluss an das Studium in der Lage sein, ■■ vor dem Hintergrund berufsethischer Werte als Coach in unterschiedlichen Settings professionell auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu agieren, ■■ kompetent mit Wissen und Informationen umzugehen, insbesondere in Bezug auf die Generierung neuer Erkenntnisse oder die Durchführung eigener Projekte, ■■ in leitender Funktion reflexiv zur Weiterentwicklung von Organisationen beizutragen und eine Lernkultur im Organisationskontext zu etablieren, ■■ Fach- und Führungskompetenzen kontextbezogen zum Einsatz zu bringen, ■■ sich der für die Arbeit im Bereich ›Coaching und Führung‹ nötigen Schlüsselkompetenzen bewusst zu sein und diese ausreichend zu beherrschen, ■■ gängige Instrumente der Personalentwicklung anzuwenden und deren Potenziale und Grenzen kritisch zu reflektieren, ■■ gängige Konzepte des Coachings anwenden zu können,

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■■ über die methodischen Kompetenzen des Coachings in Einzel-, Gruppenoder Teamkonstellationen zu verfügen, ■■ bei der Krisenbewältigung in beruflichen Kontexten professionell zu unterstützen, ■■ Konflikte innerhalb von Organisationskontexten zu analysieren und zu bewerten, sowie zu deren Bearbeitung beizutragen, ■■ selbstreflexiv mit biografischen Vorerfahrungen umzugehen und über die Fähigkeit zum reflexiven Perspektivenwechsel zu verfügen.

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In diesem kompetenzorientierten Lernzielkatalog bilden sich innovative, rollenflexible Konzeptualisierungen von Coaching als Führungsaufgabe wie von Coaching als Führungsberatung ab (Schäfer, 2016). Nachfolgend soll dies an den einzelnen Modulen jeweils kurz skizziert werden Das Orientierungsmodul vermittelt grundlegende Kenntnisse über Inhalte, Ziele und Aufgaben des Coachings, etwa im Hinblick auf die historische Entwicklung, die Indikation, die Beratungsansätze und -methoden von Coaching als Führungskraft und Führungskräftecoaching, in Abgrenzung zu anderen Beratungsformaten, etwa zur Supervision, Organisationsberatung etc. Ferner eignen sich die Studierenden erste instrumentelle Basiskompetenzen an. Sie reflektieren dabei ihre ethische Haltung vor dem Hintergrund des Menschenbildes und Führungsverständnisses eines wertgebundenen Coachings. Das Modul Personale Kompetenz verfolgt primär die Ziele, persönliche Kompetenzen, Reflexionsfähigkeiten und den Perspektivenwechsel der Studierenden zu entwickeln. Neben den persönlichen biografischen Erfahrungen und Beziehungsmustern werden die berufliche Entwicklung (Riedelbauch u. Laux, 2011) und insbesondere die persönliche Achtsamkeitspraxis im Sinne von Resilienz und Selbstsorge (Wellensiek, 2011) beleuchtet und kompetenzorientiert gefördert. Die Veränderungen der Führungskulturen und -kontexte stellen besondere Anforderungen an die Person des Coaches als Führungskraft wie als Berater. Diesen spezifischen Anforderungen wird in diesem Modul, vor allem auch im Einzellehrcoaching in besonderer Weise Rechnung getragen. Das gesamte Curriculum ist nicht nur kognitiv, sondern erleb- und erfahrbar auf die Selbstreflexion der Studierenden und den Transfer in eine künftige Praxis ausgerichtet. Das Modul Methodische Kompetenzen verfolgt das Ziel, anwendungsbezogene Kenntnisse und deren Umsetzung zu vermitteln, sowie deren Anwendung übend zu erproben. Aus dem insgesamt zu vermittelnden Methodenkompendium sind vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen hinsichtlich der Kompetenzanforderungen an den Coach bzw. die coachende Führungskraft

Kompetenzentwicklung für ein Coaching durch die Führungskraft

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folgende Aspekte hervorzuheben: Die Studierenden lernen unterschiedliche Methoden des Coachings und der Beratung kennen, unterschiedliche Menschenbilder und Theorien methodischer Ansätze vor dem Hintergrund der eigenen Haltung zu reflektieren, multiperspektivisch in unterschiedlichen Settings zu agieren, im Rückgriff auf systemische und lösungsorientierte Ansätze diagnostische Hypothesen zu formulieren und diese fallbezogen und zielorientiert einzusetzen (König u. Volmer, 2008; Migge, 2007). Dazu gehört ferner die Fundierung einer eigenen ethischen Haltung und Reflexionskompetenz auf der Grundlage entsprechender Theorieansätze im Hinblick auf ihr Handeln als coachende Führungskraft und als Coach sowie ethische Konfliktsituationen der zu beratenden Mitarbeiter und Führungskräfte (Exner, 2006). Die entsprechend des gleichnamigen Moduls zu realisierenden Kollegialen Coachinggruppen dienen der lehrbegleitenden Vertiefung und der weitgehend selbstgesteuerten Erweiterung von Kenntnissen und praktischen Fertigkeiten. Hier trainieren die Studierenden ferner Beratungsmethoden, insbesondere die Methode der kollegialen Beratung, sowie Grundelemente der Konzeptentwicklung anhand ihres eigenen Coachingkonzeptes. Darüber hinaus werden die in innovativen Führungskonzepten als besonders relevant eingeschätzten Kompetenzen entwickelt, kollegiale Gruppenprozesse auf der Inhalts- und Beziehungsebene zu steuern und zu reflektieren. Das Modul Einzellehrcoaching dient mit 15 zweistündigen Lehrcoaching-Sitzungen in besonderer Weise der persönlichen Habitusbildung, insbesondere der Herausbildung der Berufsrolle des Coaches bzw. der coachenden Führungskraft in der vertieften Auseinandersetzung mit eigenen biografischen Hintergründen und deren Bedeutung für aktuelle Interaktionen mit zu Beratenden. Insofern stellt die individuelle Begleitung der Studierenden im Hinblick auf deren eigene Coachingpraxis als externer oder interner Coach bzw. coachende Führungskraft ein curricular besonders gewichtiges und auch eine besonders aufwendige Lehr- und Lernform dar. Diese lehnt sich konzeptionell an der Ausbildungssupervision in Bachelorstudiengängen Sozialer Arbeit und der Lehrsupervision in Supervisionsausbildungen an (Hassler, 2011). Im Forschungs- und Entwicklungsprojekt sollen die Studierenden in Kleingruppen und mit wissenschaftlicher Begleitung einer Lehrperson eine Forschungs- und Praxisentwicklungsaufgabe weitgehend eigenständig konzipieren und umsetzen. Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt verknüpft über die gesamte Studienzeit alle anderen Module miteinander und bietet den Studierenden die Möglichkeit, mit Partnern aus der Praxis die erlernten Kenntnisse und Kompetenzen anhand eines konkret zu entwerfenden Projekts exemplarisch anzuwenden und neue Erkenntnisse zu generieren. Insbesondere geht es

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Grundlagen und Voraussetzungen

um die Erweiterung des coachingrelevanten Wissensbestandes und die Umsetzung praxisrelevanter Fragestellungen. Im Modul Konflikt- und Krisenmanagement werden den Studierenden Kenntnisse, Analysetechniken und Interventionsinstrumente zur Bearbeitung von Krisen und Konflikten auf Individual-, Team- und Organisationsebene vermittelt (Schreyögg 2002, König u. Volmer, 2009; Schlieper-Dammrich, 2013). Angesichts von Transformationskonflikten ist die Entwicklung von Konflikt- und Krisenbewältigungskompetenzen sowohl für Beratungs- wie Führungskräfte auf allen genannten Ebenen von besonderer Bedeutung. So konstatiert Kühl (2014) in seiner retrospektiven Befragung von 18 Führungskräften der Sozialen Arbeit, die ein Coaching für sich in Anspruch genommen haben, dass es bei sämtlich erfassten Schlüsselsituationen, in denen die befragten Führungskräfte das von ihnen erlebte Coaching als wirksam wahrgenommen haben, um inter- oder intrapersonelle Konflikte geht. Nicht nur für Coaches, die mit Führungskräften der Sozialen Arbeit als Coachees arbeiten, stellen sich anhand der vorliegenden Untersuchungsergebnisse Kompetenzanforderungen, die dem Konflikt-Coaching einen besonderen Stellenwert zuweisen. Hierfür stehen mittlerweile elaborierte und breit ausgerichtete Ansätze zur Verfügung (Glasl, 2017). Deren qualifizierte Anwendung, die Gegenstand dieses Moduls ist, ermöglicht es nicht nur, der Gefahr entgegenzuwirken, dass institutionelle Konflikte personalisiert werden, sondern auch die interaktionalen, management- und organisationsbezogenen sowie die gesellschaftlichen Dimensionen des jeweiligen Konflikts in den Blick zu nehmen. Ebenso können die Führungskräfte dabei unterstützt werden, nicht erst auf manifeste bzw. akute Konflikte zu reagieren, sondern präventive Strategien der Konfliktvorbeugung zu entwickeln. Außerdem können coachende Führungskräfte diesbezüglich frühzeitig vermitteln. Das Modul Führung und Coaching beleuchtet das Spannungsverhältnis, als Führungskraft einerseits Mitarbeitende im Sinne von Veränderungsperspektiven zu motivieren und andererseits gegebenenfalls auch zu coachen. Dabei kommt der transformationalen Führung eine besondere Bedeutung zu. Die transformationale Führung betont mit der inidividualized consideration die Mentor- und Coach-Funktion der Führung (Felfe, 2006; Sedlaczek u. Webers, 2015). Dass dies neue Kompetenzanforderungen an Führungskräfte sind, kann als gesichert gelten. Um einen Interventionsbedarf in organisatorischer und personaler Hinsicht identifizieren zu können, werden auf der Grundlage einer Kulturdiagnostik (Schein, 2003) Handlungsfelder der Führung identifiziert. Grundlage dieser Handlungsfelder ist eine maximale Subjektorientierung. Hinsichtlich der individuellen und wissenschaftlichen Menschenbilder werden die Studierenden als Führungspersonen in die Lage versetzt, ihre persönlichen

Kompetenzentwicklung für ein Coaching durch die Führungskraft

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Handlungsoptionen wahrzunehmen, zu verstehen, aber auch Dritten erklären zu können. Dieser Spagat der Führung, auf der einen Seite Veränderungsprozesse als Reaktion auf externe Herausforderungen zu veranlassen und anderseits die Mitarbeitenden auf diesem Wege zu begleiten, wird durch die Vermittlung der Coachingkompetenz sichergestellt. Coaching als Führungskraft wird somit wesentlicher Bestandteil der Führungskompetenz. Insbesondere werden Fragen der Integrität, der doppelten Loyalität zur Organisation und zu den Mitarbeitenden reflektiert. Mögliche Rollenkonflikte der Führungsperson sollen erkannt werden. Vor dem Hintergrund verschiedener Referenzsysteme gilt es, Lösungsperspektiven zu erarbeiten. Das Modul Coaching von Team- und Kollegialsystemen fokussiert auf die Mehrebenen- und Mehrpersonensettings und deren Anforderungen an das Coaching. Angesichts der mit zunehmend flachen Hierarchien wachsenden Anforderungen an die Selbststeuerungskompetenzen auf der Ebene von Teams und anderen Kooperationsformen kommt diesem Modul besondere Bedeutung zu (Alf-Jähnig et al., 2008). Es werden Beratungsindikationen, Methoden, Dynamiken und Settings des Coachings von Gruppen, Teams und Kollegialsystemen, insbesondere (multidisziplinären) Fach- und Leitungsteams, thematisiert. Die theoretischen Konzeptualisierungen von Teamentwicklung und -beratung, von innerem und äußerem Team, ethischer Grundlagen und methodischer Umsetzungen im Coaching sind ebenso Gegenstand des Moduls. Im Modul Personal- und Organisationsentwicklung werden vertiefend Organisationstheorien und coachingrelevante Konzepte im Umgang mit Organisationen und im Kontext der Personalentwicklung bearbeitet. Eine strukturierte und somit geplante Personal- und Organisationsentwicklung ist wesentlicher Erfolgsfaktor für Organisationen im Transformationsprozess. Deshalb ist es wichtig, dass Führungskräfte besonders auf das Bedingungsgefüge von Entwicklungsprozessen des Individuums und der Organisation achten. Gleichwohl muss zwischen einer individuums- und gruppenorientierten Perspektive unterschieden werden. Das Modul beinhaltet Konzepte, Methoden und Entwicklungsphasen der Personalentwicklung sowie deren Potenzialförderung im Kontext der lernenden Organisation (Senge, 2011), darauf aufbauend die Integration der Personal- und Organisationsentwicklung in Unternehmenskulturen. Die soziale Grammatik für Transformationsprozesse des Individuums, der Gruppen, Teams, Organisationen und auch Gesellschaften bietet die Theorie U von Otto C. Scharmer (2009). Das wissenschaftliche Menschenbild für dieses Modul baut auf dem Konzept der wertschätzenden Organisationsentwicklung, Salutogenese und der Selbstbestimmung auf. Der fachtheoretische Rahmen basiert auf den Selbstorganisationstheorien und ihren generischen Prinzipien

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Grundlagen und Voraussetzungen

mit dem fachpraktischen Ansatz, dass Mitarbeitende sich immer mehr Organisationsformen wünschen, die eine Selbststeuerung gegenüber einer Fremdsteuerung favorisieren. Dabei kommt den Passungsdialogen zwischen Individuum und Organisation eine zentrale Rolle zu. Wie der streiflichtartige Überblick des Konzeptes und der Modulstruktur des Masterstudiengangs »Coaching und Führung« aufzeigt, bietet der Studiengang elaborierte Lernmöglichkeiten sowohl zum Erwerb von Führungs- wie von Beratungskompetenzen. Diese sind nach unserer Einschätzung zur Bewältigung der dargestellten Transformationsanforderungen an die Führungsrolle (vgl. Kap. 2) und die Entwicklung einer dynamischen Stabilität im Sinne einer reflektierten Rollenflexibilität (Schäfer, 2016) sowohl für die coachende Führungskraft als auch für das Coaching von Führungskräften erforderlich. Inwieweit sich zukünftig in dem skizzierten Feld weitere Weiterbildungsangebote bzw. Studiengänge ausdifferenzieren, bleibt abzuwarten. Für Führungskräfte, die als Coach ihrer Mitarbeitenden tätig werden wollen, raten wir in jedem Fall die Absolvierung längerfristiger Weiterbildungen bzw. entsprechender Studiengänge an. 4

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Konzeptionelle Überlegungen

In diesem Kapitel stellen wir erstens theoretisch-konzeptionelle Überlegungen für das Coaching durch die Führungskraft an und zweitens den konzeptionellen Hintergrund unseres Coachingansatzes vor, der drittens in seinen systemischen Wurzeln und Grundlagen sowie viertens seinen lösungsorientierten Elementen konkretisiert wird.

5.1 Theoretisch-konzeptionelle Überlegungen »Coaching ist ein Thema, bei dem die Praxis der wissenschaftlichen Theoriebildung weit vorausgeeilt ist« (Greif, 2008, S. 13). Dies gilt erst recht für die Variante des Coachings durch die Führungskraft, das bislang »auf der Ebene der theoretisch-konzeptionellen Diskurse noch wenig Beachtung gefunden hat und sich seinen Platz dort noch erstreiten muss. […] Es gibt nur wenig empirische Arbeiten und so gut wie keine normativ-konzeptionelle Theorie über Vorgesetzten-Coaching, und zwar deshalb nicht, weil ein Großteil der vorliegenden Coaching-Theorien Vorgesetzten-Coaching konzeptionell ablehnt bzw. für einen Irrweg hält« (Geißler, 2011, S. 92 f.). Auf diese kontroverse Debatte und die gegenwärtige nach wie vor defizitäre theoretisch-konzeptionelle Literaturlage sind wir bereits in Kap. 1 differenziert eingegangen. Will man das Coaching durch die Führungskraft theoretisch-konzeptionell fundieren, so stellt sich zunächst die Frage, wie die gegenwärtige Praxis dieser Coaching-Variante zu erfassen ist. Dies erfolgt unsererseits durch eine erste Sichtung und Einschätzung der vorliegenden empirischen Befunde und der überwiegend aus Ratgebern bestehenden Fachliteratur (vgl. Kap. 1). Des Weiteren geht es darum, dass der gegenwärtigen »Praxis des Vorgesetzten-Coachings eine konzeptionell begründete Theorie zur Seite gestellt wird, um der vorliegenden Praxis eine Bewertungsgrundlage und Entwicklungsperspek-

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Konzeptionelle Überlegungen

tive zu geben« (Geißler, 2011, S. 92). Angesichts der – jedenfalls im deutschen Sprachraum – äußerst dürftigen Theorielage gibt es allerdings kaum wissenschaftliche Anknüpfungspunkte. Im Rahmen dieser Veröffentlichung erfolgen zu grundlegenden Aspekten erste Ausführungen. »Gegenstand und Ausgangspunkt ist das Coaching-Handeln«, so Loebbert (2015, S. 9) in seiner Theorie-Studie zum externen Coaching. Diesen Zugang für unsere Überlegungen zur theoretischen Fundierung des Coachings durch die Führungskraft wählen wir, weil wir diese Herangehensweise auch für die wissenschaftliche Fundierung dieser Coaching-Variante für sinnvoll halten. Insofern sollen die hier entwickelten theoretischen Überlegungen »erst einmal nichts mehr bedeuten, als ein systematischer Zusammenhang von Anschauungen, Vorstellungen und Konzepten« (Loebbert, 2015, S. 4). Diese Herangehensweise machen wir uns zu eigen und konkretisieren die Anforderungen an eine theoretisch-konzeptionelle Fundierung des Coachings durch die Führungskraft wie folgt: Das Coaching durch die Führungskraft basiert auf handlungswissenschaftlichen Grundlagen und entsprechenden gegenstandsadäquaten

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■■ Überlegungen zur Haltung der coachenden Führungskraft, insbesondere vor dem Hintergrund von ethischen Überlegungen, des Menschenbildes und Führungskonzeptes (hierzu ausführlich Kap. 2 u. 3), ■■ sozialwissenschaftlichem Erklärungs- und Änderungswissen im Spannungsfeld Person, (Führungs-)Rolle, Organisation und gesellschaftlichem Umfeld (vgl. Kap. 4 und die nachfolgenden Ausführungen), ■■ theoretisch-konzeptionell begründeten Methoden/Techniken und entsprechenden Bezügen zu den Rahmenbedingungen und zum Setting (vgl. Kap. 6 u. 7 und die nachfolgenden Ausführungen). Für das Coaching durch die Führungskraft lassen sich aus unserer Sicht die folgenden zentralen Merkmale bestimmen. Coaching durch die Führungskraft ist im Sinne des Transflexings (vgl. Kap. 2 u. 9): ■■ die Beratung von Mitarbeitenden bei der zielorientierten Reflexion und Lösung von Problemen im beruflichen Kontext durch Führungskräfte; ■■ im Sinne der Passung von Person und Organisation (Schmidt u. Messmer, 2003) ein bedeutsames Element der Personalentwicklung, und zwar eine individuelle Form der Förderung der beruflichen Kompetenzentwicklung der Mitarbeitenden (vgl. Kap. 2 u. 4), und zielt insofern auf eine Verbesserung ihrer beruflichen (Selbst)-Wirksamkeit im jeweiligen organisationalen

Theoretisch-konzeptionelle Überlegungen

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Kontext ab. Insofern gibt es einen Bezugspunkt für die lernende Organisation, wie sie etwa in dem von Olaf-Axel Burow (2017, 2018) entwickelten Konzept der wertschätzenden Personal- und Organisationsentwicklung zum Ausdruck kommt (vgl. Kap. 2); überwiegend Prozessberatung, aber auch Expertenberatung: »Coaches halten sich mit eigenen Problemlösungsvorstellungen stark zurück und regen stattdessen ihre Klienten zu eigenständigen Problemlösungsaktivitäten an« (Geißler, 2011, S. 104). Dem stimmen wir in der Tendenz zu: der Coach unterstützt den Mitarbeitenden bei der Problemanalyse und Lösungssuche. Allerdings sind wir mit Schreyögg (2015a) der Auffassung, dass der Coach für seinen Coachee ein Dialogpartner ist, der durchaus auch seine Expertise auf unterschiedlichen Ebenen einbringen kann. Das Coaching erfordert eine detaillierte Klärung der Ergebnisverantwortung (vgl. Kap. 6), – wobei der/die Mitarbeitende die zu entwickelnden Lösungen und Ergebnisse des Coachings innerhalb des rollendefinierten Rahmens frei umsetzen darf; kein Führungsstil, sondern eine spezifische Beratungskompetenz der Führungskraft. Coaching durch die Führungskraft geschieht zwar vor dem Hintergrund eines hierarchiearmen, wertschätzenden, reflexionsorientierten, auf die Verbesserung der Selbststeuerungskompetenzen der Mitarbeitenden ausgerichteten Führungskonzeptes (vgl. Kap. 2). Wir haben uns dafür entschieden, Coaching eben nicht als eine »reguläre Führungsfunktion« (Brinkmann, 1994, S. 10), sondern vielmehr Führung als konzeptionelle Bezugs- und Kontextvariable zu betrachten. Dabei verstehen wir den Rückbezug auf die aktuelle Führungsstildebatte so, dass sich daraus durchaus Anforderungen an die Grundhaltungen und ethischen Positionierungen von Führungskräften (vgl. Kap. 3 u. 4), aber eben keine unmittelbaren Handlungsorientierungen für die Beratung von Mitarbeitern durch Vorgesetzte ableiten lassen. Deshalb greifen wir ähnlich wie Öhlschlegel et al. (2016) auf entsprechend zu adaptierende Beratungsansätze, primär auf den Ansatz der personalen Systemtheorie und den lösungsorientierten Beratungsansatz, zurück; als eigenständiges Beratungsformat zu konzipieren, in Abgrenzung •• zu alltäglichem Führungshandeln, •• zum Coaching durch externe oder interne professionelle Coaches, •• zur Supervision als externes berufsbezogenes Reflexions- und Beratungsformat; in besonderer Weise einerseits auf ethische Fundierungen gesellschaftlich-kultureller, organisationaler und individueller Art, wie sie in einer

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Konzeptionelle Überlegungen

Verantwortungskultur zum Ausdruck kommen (vgl. Kap. 3) angewiesen und andererseits auf konkrete methodische Hilfen zur entsprechenden Selbstreflexion der coachenden Führungskraft, insbesondere im Hinblick auf etwaige Rollen- und Zielkonflikte (vgl. Kap. 2, 3 u. 6); nur aufgrund entsprechender Qualifizierungen beratungskompetenter Führungskräfte realisierbar (vgl. Kap. 4.4); gerade auf der Basis der besonderen Feldkompetenz der coachenden Führungskräfte im Hinblick auf die Dynamiken der Organisation, der Selbstverständnisse der dort tätigen Professionellen, deren Kunden/Klienten und der grundlegenden Interaktionsstrukturen möglich (die sich externe Coaches erst erarbeiten müssen); regelmäßig reflektorisch rückgebunden an Intervision und Supervision der coachenden Führungskräfte, insbesondere zur Klärung von komplexen Problemlagen, Konflikten und Beziehungsstörungen; konzeptionell eingebunden in ein (zu entwickelndes) passgenaues Reflexionssystem der gesamten Organisation, etwa des Transflexings (vgl. Kap. 9).

Wie wir ausgeführt haben, sind die Zielstellung und der Beratungsgegenstand des Coachings durch die Führungskraft insbesondere in der Verbesserung der beruflichen Selbstwirksamkeit und Kompetenzentwicklung des zu beratenden Coachee im Hinblick auf seine berufliche Aufgabe zu sehen. Daraus leiten sich für uns die folgenden Anforderungen an zu entwickelnde Konzepte ab. Diese sollen ■■ komplexitätsadäquat und systemisch sein: die unübersichtlichen und wechselvollen Dimensionen der sogenannten V ­ UKA-Welt des Arbeitslebens erfordern Beratungskonzepte, die nicht nur auf einen Gesichtspunkt (etwa die Förderung individueller Bewältigungskompetenzen), sondern auf eine systemische, aufgabenbezogene und kontextuelle Zusammenschau individueller, arbeitsgruppenbezogener, institutioneller und gesellschaftlicher Aspekte des konkreten beruflichen Handelns ausgerichtet sind; ■■ passungsorientiert sein und im Hinblick auf eine arbeitsgegenstandbezogene Balance personaler und organisationaler Faktoren ausgerichtet sein (vgl. Kap. 2); ■■ reflexionsorientiert sein: dies erfordern die zunehmend auf Selbststeuerung ausgerichteten innovativen und ethisch fundierten Führungskonzepte (vgl. Kap. 2, 3 und 4); in zahlreichen Bereichen des Arbeitslebens ist Reflexion mittlerweile genuiner Ausdruck der Professionalität von Fachkräften, wie schon seit langem in den sozialen Berufen;

Der konzeptionelle Hintergrund des Coachingansatzes

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■■ verhaltensorientiert sein: es geht (in Abgrenzung zu gegenteiligen Positionen in der Methodenliteratur) nicht um Persönlichkeitscoaching etc., sondern um konkrete Verhaltensgestaltung in unmittelbaren beruflichen Situationen und Kontexten; ■■ interaktionsorientiert sein: berufliches Handeln erfolgt zunehmend in vielfältig vernetzten Kooperationen, die es zu gestalten und dementsprechend mehrperspektivisch zu reflektieren gilt; ■■ kompetenzorientiert sein: es setzt an den Handlungskompetenzen der zu beratenden Mitarbeitenden an, wie sie etwa das Menschenbild und das Beratungsverständnis des lösungsorientierten Coachings als gegeben und entwicklungsfähig unterstellt; ■■ ziel- und transferorientiert sein: der Coachee wird im Rahmen der entsprechenden Zielvereinbarung bei der eigenverantwortlichen Zielfindung und -umsetzung in konkrete Handlungsschritte durch das Coaching begleitet und dieses in seiner Wirksamkeit evaluiert (wozu insbesondere das Coaching durch die Führungskraft im Vergleich zum externen Coaching über unmittelbare Zugänge zu Transferprozessen und entsprechenden Rückkopplungsmöglichkeiten verfügt); ■■ rollensensibel sein: Das Rollenkonzept ist als zentrale Grundlage des Coachings (vgl. Lippmann, 2013a, S. 28) und des Führungshandelns anzusehen und findet erst recht im Coaching durch die Führungskraft Berücksichtigung. Im Hinblick auf die Bewältigung von Rollenambivalenzen richten sich an die coachende Führungskraft spezifische Anforderungen (vgl. Kap. 2, 3, 4 u. 6). Rollen als personen- und organisationsbezogene Bündel von Verhaltenserwartungen bzw. -gestaltungen und die damit vielfach verbundenen Projektionen und Appelle sind in besonderer Weise Bestandteil eines auf Passung von Person und Organisation ausgerichteten Coachingverständnisses im Sinne des Transflexings (vgl. Kap. 2).

5.2 Der konzeptionelle Hintergrund des Coachingansatzes Den in der Tradition der personalen Systemtheorie von Gregory Bateson (2005) stehenden, von König und Volmer (2005, 2009) für das Coaching ausgearbeiteten Ansatz halten wir in Kombination mit dem aus der Tradition der lösungsorientierten Beratung nach Steve de Shazer (2008) kommenden lösungsorientierten Coachingansatz (Szabo u. Kim Berg, 2006; Meier u. Szabo, 2008; O’Connel et al., 2014) für in hohem Maße gegenstandsadäquat im Hinblick auf das Coaching durch die Führungskraft. Diese Grundlegung

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Konzeptionelle Überlegungen

■■ verdeutlicht, dass die angemessene Sicht auf das jeweilige Problem, den jeweiligen Konflikt bzw. die zu nutzenden Ressourcen sowie die adäquate Lösung durch das zu coachende System aufgrund der diesem innewohnenden und durch das Coaching zu fördernden Reflexionskompetenz selbst entwickelbar und umsetzbar ist, ■■ ermöglicht, verhaltens-, insbesondere ziel- und transferorientiert die Beteiligten als Akteure, deren Deutungen, deren Handeln und Interaktion, deren Kommunikationsmuster und -regeln, deren Umwelt und Systementwicklung in den Blick zu nehmen, ■■ ermöglicht, den Coachingprozess zu strukturieren, indem ein der Komplexität des Beratungsgegenstandes angemessenes Kategoriensystem und Ordnungsschema zur Hypothesenbildung, Zielentwicklung und Intervention bereitgestellt wird. Dieses Kategorien- und Ordnungssystem •• ist komplexitätsadäquat, multikausal und interaktionistisch orientiert und kann somit dazu genutzt werden, um den nicht selten in Organisationen anzutreffenden Tendenzen entgegen zu wirken, Problem- oder Konfliktkonstellationen monokausal zu erklären oder gar zu personifizieren (Sündenbockfunktion), •• ermöglicht die Überwindung einseitig psychologisierender Konzepte, die in der Ratgeberliteratur zum Coaching durch die Führungskraft häufig anzutreffen sind (etwa aus dem Bereich der Transaktionsanalyse und dem Neurolinguistischen Programmieren); die systemischen Konzepte bieten vielmehr ein breiteres, interaktionistisch orientiertes Erklärungsund Änderungswissen an, weil sie nicht nur auf das Individuum ausgerichtet sind, sondern es ermöglichen, das Spannungsfeld Person, berufliche Rolle und organisationales Umfeld ganzheitlich zu erhellen sowie gleichzeitig problem- und handlungsorientiert zu nutzen (Webers, 2016), •• gleichzeitig wird durch die Einbeziehung der beteiligten Personen und deren Deutungsmuster durchaus ein Zugang zum subjektiven Erleben des Coachee und zum Perspektivenwechsel im Hinblick auf das subjektive Erleben anderer relevanter Personen und Rollenträger eröffnet, der unseres Erachtens für die individuelle Ausrichtung des Coachings durch die Führungskraft von großer Bedeutung ist, da somit auf persönliche und situativ geprägte Deutungsmuster als Erklärungshintergrund, als Zugang zu individuellen Motivationen, Ressourcen und Veränderungsperspektiven zurückgegriffen und dieser vor allem kompetenzorientiert genutzt werden kann, ■■ beinhaltet Anregungen und Anhaltspunkte für die vorab und begleitend zum Beratungsprozess notwendige Selbstreflexion der coachenden Führungskraft (vgl. Kap. 6),

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■■ bietet Anknüpfungspunkte für andere Ansätze, die im Hinblick auf das Menschenbild, die Grundhaltung und zentrale konzeptionelle Dimensionen anschlussfähig sind, und ■■ ist geprägt vom Menschenbild der humanistischen Psychologie und dem Grundgedanken der menschlichen Wertschätzung. Ferner ist die zuvor umrissene konzeptionelle Grundlegung in Weiterbildungen, Lehrcoachings und Forschungs- und Entwicklungsprojekten des Masterstudiengangs Coaching und Führung sowie vorausgegangener, langjähriger Weiterbildungen der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena erprobt worden. Insgesamt sehen wir in dieser theoretisch-konzeptionellen Grundlegung durchaus erste Anhaltspunkte für eine normative Reflexion, »die die quasi-­ naturwüchsig gelebte Normativität der vorliegenden Praxis des Vorgesetzten-Coachings mit ihren quasi reflexhaften Geboten und Verdikten, unreflektierten Vorlieben und Abneigungen sowie vor allem vielfältigen unerkannten Widersprüchlichkeiten theoretisch-konzeptionell systematisch aufklärt und diskutierbar macht« (Geißler, 2011, S. 92). 5.2.1 Die systemischen Wurzeln und Grundelemente Systemtheoretische Überlegungen gehen zurück auf die Zeit Ende der 1940er, Anfang der 1950er Jahre, als zunehmend deutlich wurde, dass das lineare Ursache-Wirkungs-Denken an Grenzen stößt. Beispielsweise nützt es bei einem langwierigen Konflikt zweier Mitarbeitenden wenig, die Frage zu stellen, »Wer hat angefangen?« Vielmehr gilt es zu klären, was dazu beiträgt, dass das Muster der wechselseitigen Kommunikation immer wieder konflikthaft eskaliert bzw. wie sich dieses Muster vielleicht besser verstehen lässt, etwa unter dem Gesichtspunkt »Streiten verbindet!«, wie es sich weiter anheizen oder vielleicht konstruktiv verändern lässt. Mit komplexen Prozessen hat sich zunächst die Biologie und Physik befasst. Der Biologe Ludwig von Bertalanffy formulierte: »Wir definieren ein System als eine Anzahl von in Wechselwirkung stehenden Elementen« (Bertalanffy, 1951, S. 115). In anderen Bereichen, etwa der Soziologie, wurde dieses Systemdenken später aufgegriffen (Luhmann, 1987). Die »personale Systemtheorie« geht auf den Anthropologen Gregory Bateson (1904–1980) zurück. »Bateson hat in den 1950er Jahren in Zusammenarbeit mit dem Psychiater John D. ­Jackson versucht, die früheren systemtheoretischen Ansätze in Bezug auf praktisches Handeln zu einer Theorie sozialer Systeme weiterzuentwickeln (z. B. Bateson, 2005)« (König u. Volmer, 2009, S. 20). Anfang der 90er Jahre haben dann Eckard

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Konzeptionelle Überlegungen

König und Gerda Volmer im Rahmen ihres Konzeptes systemischer Organisationsberatung auf Batesons Systemtheorie zurückgegriffen und sie zu einer »personalen Systemtheorie« weiterentwickelt (König u. Volmer, 2005, S. 22). Das Menschenbild dieser Variante der Systemtheorie verstehen König und V ­ olmer (2005, S. 38) als ein »System von Grundbegriffen, auf deren Basis menschliches Tun gedeutet wird«. Als zentral sehen König und Volmer folgende Begriffe bzw. Systemebenen an (2009, S. 20 f.)

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■■ die relevanten Personen: das Verhalten eines Systems wird durch die handelnden Personen beeinflusst; ■■ die subjektiven Deutungen der betreffenden Personen: die einzelnen Personen reagieren nicht einfach auf Reize, sondern gestalten sich gedanklich ein Bild über die Wirklichkeit und sie handeln auf der Basis dieser Bilder; ■■ die sozialen Regeln: diese bestimmen das Verhalten des Systems; ■■ die Regelkreise: aus den jeweiligen subjektiven Deutungen und den sozialen Regeln entwickeln sich in einem System immer wiederkehrender Verhaltensmuster und Interaktionsstrukturen, die das Verhalten im jeweiligen System beeinflussen; ■■ die Systemumwelt: das Verhalten eines sozialen Systems wird von der materiellen und sozialen Umwelt beeinflusst; ■■ die Entwicklung des Systems: soziale Systeme sind durch ihre bisherige Entwicklung, ihre »Geschichte« geprägt. Relevant ist allerdings auch, welche Trends sich für ihre künftige Entwicklung bereits abzeichnen (König u. Volmer, 2005, S. 48). Darüber hinaus sehen König und Volmer (2005, S. 38) den in der humanistischen Psychologie auf Individuen, hier auch auf soziale Systeme bezogenen, Grundwert der Autonomie als zentral an. »Der Organismus […] bewegt sich in Richtung auf größere Unabhängigkeit und Selbstverantwortlichkeit. Seine Bewegung geht […] in Richtung einer wachsenden Selbstbeherrschung, Selbstregulierung und Autonomie und weg von abhängiger Kontrolle oder Kontrolle durch äußere Kräfte« (Rogers, 1983, S. 442). Dieses Postulat stellt im Hinblick auf das Coaching durch die Führungskraft eine besondere »Nagelprobe« dar: geht die Führungskraft tatsächlich von einer wertschätzenden, die Autonomie des Coachees fördernden Grundhaltung aus? Handelt sie somit sowohl auf der Basis eines entsprechenden ethisch reflektierten Menschenbildes (vgl. Kap. 3) als auch moderner Führungsansätze, die die Mitarbeitenden auf Augenhöhe sehen und deren Autonomie respektieren,

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ja bestrebt sind, deren Freiheitsgrade im Sinne einer lernenden Organisation möglichst zu erhöhen (vgl. Kap. 2 u. 4)? König und Volmer (2005) bringen den Autonomie-Aspekt mit dem Konsensgedanken in Verbindung, unter anderem unter Verweis auf das Diskursprinzip von Habermas (1992) und die von Thomas Gordon, einem Schülers Rogers und Begründer der auf die Herstellung von Win-Win-Situationen entwickelten »niederlagelosen Methode« (Gordon, 2004, 2005). Aus diesem autonomie- und konsensorientierten Menschenbild leiten sich konkrete Konsequenzen für das praktische Handeln ab: ■■ Die personale Systemtheorie lenkt den Blick auf die genannten Faktoren sozialer Systeme. ■■ Diese Begriffe dienen dazu, das Verhalten sozialer Systeme, so des Einzelnen, des Teams oder der Organisation zu erklären. ■■ Dabei ist es das Ziel der Intervention, eine konsensorientierte Lösung zu finden, die die Autonomie aller Beteiligten in möglichst umfassendem Maße sichert. ■■ Die personale Systemtheorie erschließt einen Rahmen für mögliche Lösungen hinsichtlich der genannten Systemdimensionen (König u. Volmer, 2005, S. 41 f.). Diese besondere Verknüpfung des Autonomie- mit dem Konsensgedanken ist aus unserer Sicht in hohem Maße anschlussfähig an unser Coaching- und Führungsverständnis, was ebenso auf gegenseitigen Respekt, Vertrauen und konsensuelle Zielfindung im Sinne einer Passung von Person und Organisation ausgerichtet ist (vgl. Kap. 2, 3 und 4). Die personale Systemtheorie ist deshalb unseres Erachtens als fundiertes konzeptionell-methodisches Grundgerüst für das Coaching durch die Führungskraft sehr gut geeignet. Allerdings bedarf sie aufgrund aktueller Entwicklungen im Arbeitsleben und der Spezifik des Coachings durch die Führungskraft aus unserer Sicht einiger Ergänzungen. So sollte die Organisation mit ihren Kulturen, Zielen, Strategien, Netzwerken und Strukturen umfassender in den Blick genommen werden, wie sie etwa ein entsprechend erweitertes systemisches Führungsverständnis nach Kuhlmann und Horn (2016; vgl. Kap. 2.4) und in neueren Coachingkonzepten als organisationaler Kontext vermehrt Berücksichtigung finden (Schreyögg, 2016). Wir erweitern daher die sechste Systemebene in unserem Konzept entsprechend organisationsbezogen. Auch auf der ersten Systemebene, den Deutungen der Beteiligten nehmen wir eine konzeptionelle Erweiterung – nunmehr im Sinne der Rollensensibilität – vor. In beruflichen

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Konzeptionelle Überlegungen

Systemen geschieht Handeln aus beruflichen Rollen heraus, die für die subjektiven Deutungen der Beteiligten relevant sind und deshalb im Coaching durch die Führungskraft berücksichtigt werden sollten. Des Weiteren bietet die lösungsorientierte Beratung unseres Erachtens besondere Möglichkeiten, das systemisch orientierte Coaching durch die Führungskraft theoretisch-konzeptionell und methodisch zu ergänzen, wie wir nachfolgend deutlich machen wollen. 5.2.2 Die lösungsorientierten Grundelemente

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Das lösungsorientierte Beratungsmodell wurde in den 1970er Jahren von Steve de Shazer (1940–2005; zentraler Buchtitel »Der Dreh«, 2008) und dessen Ehefrau Insoo Kim Berg am »Brief Family Therapy Center« in Milwaukee/USA als lösungsorientierte Kurzzeittherapie entwickelt. »Problem talk creates problems, solution talk creates solutions!« (de Shazer, 2008). Der lösungsorientierte Coachingansatz ermöglicht eine fundamentale Veränderung des Blickwinkels, indem er einer möglichen Fixierung auf das Problem von vorn herein entgegenwirkt und von Beginn des Coachingprozesses an die jeweils verfügbaren Ressourcen und die individuellen Kompetenzen des Coachee nutzt bzw. entwickelt sowie konsequent zielorientiert auf Lösungen ausgerichtet ist (Bamberger, 2015; Schmitz, 2009; Szabo u. Berg, 2017; Burgstaller, 2015). Dies erfolgt vor dem Hintergrund einer konstruktivistischen Sichtweise, die davon ausgeht, dass es »die Wirklichkeit« nicht gibt, sondern Menschen sich ihre Sicht auf ihre Innen- wie Außenwelt unter Nutzung einer entsprechenden »Brille« selbst konstruieren. Hier setzt nun das lösungsorientierte Coaching an, indem es davon ausgeht, dass Sprache Wirklichkeit schafft – so kann man beispielsweise manches »herbeireden« oder »totschweigen« – und sich diese Wirklichkeitsbilder – etwa durch entsprechende Anregungen im Coaching – auch anders wahrnehmen und möglicherweise lösungsorientiert beeinflussen lassen. Im lösungsorientierten Coaching lauten daher die beiden Zen­tral­fragen: »Was ist, wenn das Problem nicht ist bzw. wenn das Pro­blem nicht mehr wäre?« »Woran werden Sie es dann merken, dass Ihr Problem gelöst ist?« Von besonderem Gewicht ist dabei die sogenannte Wunderfrage, die von uns Futur-Zwei-Frage genannt wird, weil sich der Coachee in den Zustand der Zielerreichung versetzen möge. Indem der Coachee gebeten wird, sich die (überraschende) Problemlösung möglichst konkret und sinnlich wahrnehmbar vorzustellen, kann eine Lösungsvision hervorgerufen werden. Dieses innere Lösungsbild entwickelt in der Regel eine erhebliche motivationale Zugkraft und erleichtert eine konkrete Zieldefinition sowie eine passgenaue Nutzung der im

lösungsorientierten Grundelemente

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Zusammenhang mit dieser Vision zu erfragenden Ressourcen und Kompetenzen des Coachee. Auch die Frage nach Ausnahmen vom Problem kann aufschlussreich sein: »Gibt es Zeiten, in denen das Problem weniger stark oder vielleicht sogar überhaupt nicht auftritt?« Die Umwandlung von Bedeutung, das Refraiming, kann ebenfalls hilfreich sein: »Gibt es vielleicht auch irgendwelche positiven Aspekte dadurch, dass dieses Problem existiert?« Die Grundregeln des lösungsorientierten Coachings lauten: 1. Repariere nicht, was nicht kaputt ist! Der Ansatz respektiert – ganz im Sinne des Empowerments – die eigensinnigen und eigenwilligen Lebensentwürfe von Menschen. Er will Menschen nicht besserwisserisch »korrigieren«, sondern unterstützen, eigene Ziele zu verfolgen und die eigenen Fähigkeiten auszubauen. 2. Wenn etwas funktioniert, mache mehr davon! Im Leben aller Menschen gibt es bereits Lösungen und erste Schritte in Richtung ihrer Ziele. Diese herauszuarbeiten und zu verstärken, gehört zu den Grundstrategien des Modells. 3. Wenn etwas nicht funktioniert, wiederhole es nicht. Mach etwas anderes! Nach diesem Beratungsansatz wird keine Energie in die Analyse dessen investiert, was nicht gelingt. »Probiere einfach etwas Neues!« lautet die Devise (de Shazer u. Dolan, 2008, S. 23; Schmitz, 2009, S. 45). In unser Coachingkonzept integrieren wir sowohl den systemischen wie den lösungsorientierten Ansatz, weil sie sich in ihren Stärken gut ergänzen und in dieser Kombination eine solide konzeptionell-methodische Basis für das Coaching durch die Führungskraft bieten. Obwohl es nach dem lösungsorientierten Ansatz grundsätzlich nicht erforderlich ist, bedarf es unseres Erachtens im Beratungsformat des Coachings durch die Führungskraft sehr wohl einer prägnanten Problembeschreibung und fokussierenden Hypothesenbildung. So kann es beispielweise durchaus aufschlussreich sein, den Einfluss des Umfeldes genauer zu untersuchen und entsprechende Hypothesen zu entwickeln, die auf die Erschließung bisher übersehener Ressourcen ausgerichtet sind. Dies leistet vor allem das an der personalen Systemtheorie ausgerichtete Grundelement unseres Coachingansatzes. Hingegen steuert der lösungsorientierte Ansatz hinsichtlich der Zielfindung, -formulierung und -umsetzung Grundlegendes bei, in besonderer Weise in seiner Ressourcen- und Kompetenzorientierung. Beiden Ansätzen ist außerdem ein Refraiming im Sinne einer Neubewertung des Bestehenden gemeinsam.

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Konzeptionelle Überlegungen

5.2.3 Die Anschlussfähigkeit des TZI-Ansatzes und der Theorie U

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Weitere Methoden und deren Elemente lassen sich in den Ansatz integrieren, allerdings nicht eklektizistisch im Sinne eines unreflektierten Methodenmixes, sondern gegenstandsbezogen adaptiert und soweit sie konzeptionell kompatibel mit dem Menschenbild, Führungs- und Beratungsverständnis des Transflexings sind. Dies gilt aus unserer Sicht für die Themenzentrierte Interaktion nach Ruth Cohn, deren der humanistischen Psychologie verpflichtetes Menschenbild in seiner mehrdimensionalen Ausrichtung auf das Individuum, das Wir, das Thema und den umgebenden Globe sowie deren spezifische methodische Verknüpfung gut mit systemischen Sichtweisen des Coachings kompatibel sind. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des autonomieorientierten Chairperson-Postulats, welches im Kap. 3.5 diskutiert und im Sinne eines dialogischen, die Selbstreflexions- und Selbststeuerungskompetenz der Mitarbeitenden voraussetzenden und fördernden Coachingverständnisses betont wird. Für anschlussfähig halten wir ebenso die von C. Otto Scharmer (2009) entwickelte »Theorie U«, die er auf der Basis der Erkenntnisse von Peter Senge zur lernenden Organisation entwickelt hat. Scharmer versteht seinen Ansatz als eine evolutionäre soziale Theorie in Vertiefung zur Systemtheorie (vgl. Kap. 2 u. 8.2). Die Theorie U eignet sich insbesondere zum Verständnis des Ablaufs und der Dynamik von Veränderungs- und Entwicklungsprozessen sowohl auf individueller, gruppenbezogener und organisationaler Ebene. Mit der vorgelegten theoretisch-konzeptionellen Grundlegung intendieren wir einerseits, plausible Begründungen und einige Anhaltspunkte für die daraus abzuleitende Umsetzung in entsprechendes Coachinghandeln zu liefern, andererseits die fachliche Diskussion im Hinblick auf langfristige, normative Orientierungen und auf die Schaffung von professionellen Standards in Gang zu bringen.

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Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft

Der Begriff des Settings wird gerne gebraucht, wenn einzel-, gruppen- und organisationsbezogene Formen des Coachings voneinander unterschieden werden sollen; auch ist von therapeutischen oder interventionsrelevanten Settings die Rede, doch wer bspw. im Handbuch »Schlüsselkonzepte im Coaching« (Greif et al., 2017) grundlegende Ausführungen zum Settingbegriff sucht, wird leider nicht fündig. Offenbar erscheint der Begriff einerseits sehr vertraut, doch andererseits eröffnet er, je nach Verwendungskontext, unterschiedlichste Interpretationsspielräume. Wir wollen uns deshalb dem Begriff zunächst annähern, bevor wir zweitens die spezifische Architektur eines Coachings durch die Führungskraft im Unterschied zum externen bzw. internen Coaching herausarbeiten; drittens werden wir strukturelle, prozessorientierte und personale Reflexionsanregungen im Vorfeld der Entscheidung für ein solches Coaching geben; viertens Hinweise zu dessen Kontraktgestaltung diskutieren, fünftens Aspekte der Ausgestaltung dieses Coachings erörtern, um abschließend Fragen nach den Gelingensbedingungen des Coachings durch die Führungskraft zu stellen.

6.1 Setting: Architektur und Design Setting lässt sich zunächst als Anordnung, Rahmen, Einfassung, Umfeld und Handlungsraum übersetzen. Der Dorsch, das Lexikon der Psychologie, definiert Setting als »die gegliederte Umgebung, in der menschliches Verhalten stattfindet«. Die Beschreibungen von behaviour settings im Alltag »sollen im Hinblick auf Ort, Zeit, Einrichtung und Gegenstände, anwesende Personen und beobachtete Tätigkeiten möglichst obj. sein« (Fahrenberg, 2017). Ein Setting bezeichnet somit die spezifische Gestaltung von kontextuellen Bedingungen, hier des Coachings. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass Settings nichts starr Vorgegebenes sind, das schablonenartig angewandt werden kann, sondern

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Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft

durch die daran Beteiligten – ggf. in einem Aushandlungsprozess – stets aufs Neue arrangiert werden. Neben dem Unterrichten, Informieren, Beraten und Animieren ist das Arrangieren eine Grundform pädagogischen Handelns (Giesecke, 2010; Prange u. Strobel-Eisele, 2006), die besonders in Lern- und Entwicklungsprozessen von Bedeutung ist. Angesichts der Abwesenheit dezidierter Lerninstruktionen im Coaching und der Einsicht in die prinzipielle Nichtprogrammierbarkeit von Veränderungsprozessen Erwachsener geht es hier stärker darum, Lernsituationen zu ermöglichen, die durch zurückhaltende Impulse des Coaches gekennzeichnet sind und die mit ihrer kalkulierten Offenheit Freiheitsspielräume für die Coachees beinhalten (Lindner, 2014). In der Diskussion über Lehr-Lern-Arrangements begegnen uns auch die Begriffe des Lernsettings, der Lernarchitektur und der Lernumgebungen; sie alle beschreiben Möglichkeitsräume für Lernprozesse (Seitter, 2007) mit unterschiedlicher Reichweite und verweisen auf ein situatives filigranes Agieren in pädagogischen Interaktionen; dabei werden Dynamik und Struktur ausbalanciert. Elemente von Lehr-Lern-Arrangements können die folgenden sein: Inhalte, Ziele, Methoden, Medien, Evaluationsformen, Interaktionsmuster, Zeiten, Räume etc. Der Begriff des Lehr-Lern-Arrangements nimmt Situationen in den Blick, die nur sehr begrenzt vorausgeplant werden können, und betont damit die Unverfügbarkeit der sich entwickelnden Subjekte, so wie sie uns auch im Coaching begegnen. Unter einem Setting im Coaching durch die Führungskraft wollen wir die Gestaltung eines auf Transformation ausgerichteten Prozesses durch alle daran Beteiligten, also die verantwortlichen Stellen der Organisation, den Coach und den Coachee verstehen. Dabei sollen die Bedürfnisse, Interessen und Ziele sowohl der Organisation wie der Individuen im Interesse einer optimalen Passung berücksichtigt werden. Coachingsettings, die einladen, die eigene Lernund Entwicklungssituation selbst mitzugestalten, sind in der Lage, die Selbstverantwortung zu stärken und zu selbstgesteuertem Handeln zu motivieren. Transformation ist a priori immer selbstgesteuert, als solche kann sie als eine conditio sine qua non für agiles Lernen verstanden werden. Zudem berücksichtigt das Arrangieren die Erfordernisse zur Individualisierung und Flexibilisierung. Aus den Forschungen der Hirnphysiologie, der Neurologie und der Kognitionspsychologie ist bekannt, dass Menschen autopoetische, d. h. selbsterschaffende und -erhaltende, operational geschlossene Systeme sind, die sich nicht planbar beeinflussen lassen. Menschen sind, so kann man die Erkenntnis des

Besonderheiten der Architektur eines Coachings durch die Führungskraft

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Konstruktivismus provokant zusammenfassen, zwar unbelehrbar, aber lernfähig (Siebert, 2014) und damit prinzipiell offen für Veränderungsprozesse, sofern diese für sie verstehbar und handhabbar sind und subjektiv Sinn machen, also dem Kohärenzgefühl der Salutogenese (Anto­novsky, 2001) entsprechen. Die Gesamtplanung eines Veränderungsprozesses lässt sich mit Strikker (2014) als Architektur und die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Elemente als Design beschreiben. Die beiden aus der Planung von Gebäuden sowie der Kunst- und Modewelt stammenden Begriffe wurden vor einigen Jahren in die Gestaltung von Changeprozessen übertragen und haben sich dort als wichtige Steuerungs- und Gestaltungselemente etabliert (Claßen, 2013). »In der Architektur wird beschrieben, ›was‹ aus externer und interner Sicht im Changeprozess geschehen soll. Ein darauf basierendes Interventionsdesign überführt dann diese konzeptionellen Überlegungen in konkrete Maßnahmen und beantwortet Fragen danach, ›wie‹ die Architektur operativ umgesetzt wird« (Strikker, 2014, S. 124). Für das Setting von Coachingprozessen gilt es deshalb, künftig zwischen der Architektur und dem Design zu unterscheiden. Der Rahmen wird durch die Architektur des Gesamtprozesses Coaching durch die Führungskraft gesetzt; darin beschreibt das Design einzelne Formate bzw. konzeptionelle Modelle (vgl. Kap. 7), die wiederum eine spezifische Architektur benötigen, deren Umsetzung sich wiederum in einem dazugehörigen Design zeigt. Da Transformationsprozesse, wie noch zu zeigen sein wird (vgl. Kap. 7.3), entscheidend von den Haltungen der Beteiligten abhängen, ist es wichtig, dass der dialogische bzw. bei gruppenbezogenen Arrangements der multilogische Austausch von der Absicht beseelt ist, den Wandel Wirklichkeit werden zu lassen, indem die Coachingziele auch erreicht und umgesetzt werden.

6.2 Besonderheiten der Architektur eines Coachings durch die Führungskraft Gemäß der Unterscheidung von Architektur und Design im Rahmen des Settings, gilt es zunächst nach den Kennzeichen der Architektur des Beratungsformates Coaching durch die Führungskraft zu fragen und zwar in Abgrenzung zu einem externen bzw. internen Coaching. Wie bereits ausgeführt, verstehen wir das Coaching durch die Führungskraft nicht als Führungsstil, Führungsinstrument oder allgemein als Dimension von Führung (Dehner u. Dehner, 2004; Schumann u. Böttcher, 2016). Fischer-Epe u. Reissmann (2017, S. 127) empfehlen »Führungskräften, im Unternehmensumfeld nicht unbedingt von Coaching zu sprechen, sondern

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Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft

von einer ›coachenden Haltung‹ und von ›Coaching-Elementen‹, die in Führungsgespräche und auch in Teamworkshops zum Einsatz kommen können«. Von Schumann und Böttcher (2016) sprechen in in ihrem Buchtitel von »Coaching als Führungsstil«. Beides halten wir im Sinne einer mitarbeiterorientierten Führungskultur zwar für förderlich, sehen aber auch die Gefahr, dass die Mitarbeitenden und coachenden Führungskräfte hier in ein- oder wechselseitige Rollenkonfusionen geraten können. Unter anderem deshalb sprechen wir uns für die Rahmung des Coachings durch die Führungskraft im Sinne eines eigenständigen Beratungsformates aus, für das wir den Begriff des Transflexings vorschlagen. Dies soll zum Ausdruck bringen, dass es um eine reflexive Begleitung eines Transformationsprozesses geht, der in seiner Grundstruktur dialogisch angelegt ist. Wir haben es hier mit einer spezifischen, intensiven Form der Kooperation zwischen einer Führungskraft und ihren Mitarbeitenden zu tun, für die auch die sonst geltenden Kennzeichen eines Coachings gültig sind, wenn wir mit Vogelauer (2013, S. 14) Coaching als »eine kontinuierliche, zeitlich begrenzte […], partnerschaftlich ablaufende Begleitung und Unterstützung von Einzelpersonen beziehungsweise Gruppen/Teams […], in Verbindung von Berufsrolle und Person […], (die) zielorientiert und situativ ausgerichtet« ist, verstehen. Transflexing ist eines von drei Aufgabenfeldern von Führungskräften neben Management und Führung (vgl. Kap. 2). Auf die Unterschiede zwischen einem externen bzw. internen Coaching und dem Coaching durch die Führungskraft gilt es nun unter dem Aspekt der Architektur des Settings einzugehen. Die eigentliche Paradoxie eines Coachings durch die Führungskraft lässt sich sehr gut mit dem fünften der pragmatischen Axiome der Kommunikationstheorie von Watzlawick, Beavin und Jackson (2011, S. 70) beschreiben; es lautet: »Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht.« Die Architektur des Settings, die organisationale Rahmensetzung, ist durch die beiden Rollen der Führungskraft und des Mitarbeitenden zunächst unzweifelhaft komplementär strukturiert. Übrigens gilt dies grundsätzlich für jedes professionelle Beratungssetting. Die Ausprägung ist allerdings im Falle eines Coachings durch die Führungskraft sowohl für die Führungskraft als auch für den Mitarbeitenden eine doppelte. Beide haben zwei Rollen: die Führungskraft als Vorgesetzter und Coach und der Mitarbeitende als abhängig Beschäftigter und Coachee. Das Design innerhalb dieser Architektur soll, so der Anspruch – und dies gilt wieder für alle Coachingprozesse – symmetrisch gestaltet werden. Der Unterschied zwischen einem externen bzw. internen Coaching und einem Coaching

Besonderheiten der Architektur eines Coachings durch die Führungskraft

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durch die Führungskraft – so lässt sich argumentieren – ist zwar ein großer, strukturell aber dennoch nur ein gradueller. Wenn es im externen Coaching gelingt, mit dieser Paradoxie produktiv umzugehen, sollte dies auch im Coaching durch die Führungskraft möglich sein. Anders als im externen Coaching bedarf es beim Coaching durch die Führungskraft einer intensiven Abklärung des allgemeinen und des speziellen Kontextes, in dem das Coaching durchgeführt werden soll. Zum allgemeinen Kontext gehört die Frage nach der Organisationskultur innerhalb derer gecoacht werden soll. In Abhängigkeit von den Bewusstseinsstufen der organisationalen Entwicklungsstufen in der Abfolge von Organisationsmodellen (vgl. Kap. 2) gibt es unterschiedliche Voraussetzungen dafür, ob ein Coaching mit den herrschenden Strukturen, Prozessen, Werten, Normen und anzutreffenden Haltungen kompatibel ist. Wie die empirische Untersuchung von Oellerich (2017) zeigt, ist die Reputation von Coaching in Organisationen ein signifikanter Prädiktor für die Bewertung von Coachingwirkungen. Von besonderer Bedeutung sind ebenfalls Antworten auf die Frage nach ausformulierten Führungsgrundsätzen und deren Einschätzung im Hinblick auf ein partizipatives, wertschätzendes, potenzialorientiertes Grundverständnis. Sind diese Fragen positiv beantwortet, stellt sich die Frage nach den speziellen Kontexten für ein Coaching. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob das Coaching als Instrument der Krisen­bewältigung oder der Förderung und Entwicklung von Mitarbeitenden eingesetzt werden soll. Hiervon hängt es bspw. ab, ob Coaching negativ oder positiv konnotiert wird, was schließlich Einfluss auf die Wirkungen hat. Außerdem spielen mögliche Vorerfahrungen mit dem Coaching und damit in Verbindung stehende Vorbehalte, Hoffnungen und Ängste eine wichtige Rolle. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, von wem die Initiative zu dem Coaching ausgeht. Auch wenn die Führungskraft dem Mitarbeitenden das Coaching angeboten hat, so muss prinzipiell die Möglichkeit seitens des Mitarbeitenden bestehen, dieses Angebot ausschlagen zu dürfen. Ein Zwangscoaching kann es auch beim Coaching durch die Führungskraft nicht geben. Im Gegensatz zu einem externen Coach bringt eine coachende Führungskraft eigene Erwartungen und Zielvorstellungen in das Coaching ein. »Während vertraglich verpflichtete BeraterInnen i. d. Regel keine eigenen Ziele in Bezug auf Ihre KundInnen, auf die Veränderung ihres Verhaltens und die Entwicklung ihrer Fähigkeiten und Einstellungen haben sollten, ist die coachende Führungskraft gehalten, die Organisationsziele und die Zielvorgaben des von ihr verantworteten Arbeitsbereichs stets im Auge zu haben und den Coaching-­ Prozess daran zu orientieren« (Fischer u. Graf, 2000, S. 107 f.). Dies erfordert eine

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Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft

wechselseitige Abklärung der Ziele. Der Orientierungspunkt ist dabei stets das Bestreben, eine Passung zwischen den Zielen des Mitarbeitenden, der Führungskraft und der Organisation herzustellen. Das, was der DBVC (2017a) in seinem Positionspapier zum Thema »Organisationsbezüge im Coaching« hinsichtlich des Coachings insgesamt feststellt, gilt in besonderer Weise für das Coaching durch die Führungskraft: »Die Beratungssituation ist häufig zunächst vage und unscharf und muss in einem Prozess der Co-Kreation jeweils situationsgerecht erschaffen werden. Dies führt auch dazu, dass herkömmliche Rollendefinitionen und Erfahrungsregeln oft nicht mehr einfach übernommen werden können« (DBVC, 2017a). Stets erneut zu führende Aushandlungsprozesse sind hier nicht die Ausnahme, sondern werden zur Regel. Der Coachee bleibt dabei für sein Lernen und die daraus zu treffenden Entscheidungen auf der personalen Ebene verantwortlich; für die Ebene des organisationalen Lernens tragen Coach wie Coachee gemeinsam die Verantwortung. Für die methodische Gestaltung der gemeinsamen Arbeit an dem Transformationsprozess ist die coachende Führungskraft zuständig. Die besondere Herausforderung besteht für die coachende Führungskraft darin – anders als für einen externen Coach – sich nicht auf eine Position der Neutralität und Unabhängigkeit bzw. der Allverantwortlichkeit zurückziehen zu können. Ihre Rolle changiert zwischen Unterstützung und Förderung auf der einen, und sozialer Kontrolle auf der anderen Seite; sie hat ein dreifaches Mandat, das des Coachees, der Organisation und der Profession. Hier gewinnt das ethische Prinzip der Unschädlichkeit an praktischer Bedeutung (vgl. Kap. 3). Wie wir bereits in der Beschäftigung mit unterschiedlichen Rollendimensionen (vgl. Kap. 4) aufgezeigt haben, zeichnet sich das Coaching durch ein breites Spektrum an Rollenmodellen aus, das u. a. den Begleiter, Berater, Mentor, Betreuer, Supervisor, Trainer, Starthelfer u. a. (von Sassen u. Vogelauer, 2005) umfasst. Bei der coachenden Führungskraft kommt die des Vorgesetzten noch hinzu. Deshalb ist es im Coaching durch die Führungskraft extrem wichtig, dass möglichst in jeder Situation Klarheit über die Rollen herrscht, die gerade von den Beteiligten eingenommen werden. Dies gilt es ggf. durch explizite oder implizite Markierungen im Gespräch jeweils deutlich zu machen. Diese Transparenz aktiv einzufordern, sollte für alle Beteiligten gleichermaßen selbstverständlich sein. Dabei wird es ggf. auch erforderlich sein, Rollenambivalenzen, die bewusst sind bzw. werden, auszuhalten. Wie solche Situationen methodisch bearbeitet werden können, dafür hat das Coaching, u. a. mit dem Tetralemma (Varga von Kibéd u. Sparrer, 2003), Modelle entwickelt, die es auf die eigenen Transflexingprozesse anwenden kann.

Besonderheiten der Architektur eines Coachings durch die Führungskraft

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Um im Transflexing sicher navigieren zu können, bietet sich für die coachende Führungskraft das Konzept des Funktionspendels (Wolff, 2012) an. Es unterscheidet, angelehnt an eine Verkehrsampel, den grünen Bereich von Coachingaktivitäten, den gelben Grenzbereich und den roten Gefahrenbereich. Im grünen Normalfall geht es um die Aktivierung von Potenzialen des Mitarbeitenden in der Passung mit den Zielen der Organisation. Es sind aber auch Situationen denkbar, in denen »temporäre Grenzüberschreitungen« stattfinden, bspw. als kurzfristige emotionale Unterstützung oder als »fachliche Druckbetankung« (Webers, 2014, S. 37). Die eindeutigen Grenzen eines Coachings durch die Führungskraft sind dort erreicht, wo die coachende Führungskraft selbst zum Coachingfokus zu werden droht. Dies ist dann der Fall, wenn sie »getroffen« bzw. »betroffen« ist (Bergner u. Vogelauer, 2013, S. 59), wenn die Nähe zum Thema persönlich zu nah wird, weil die Führungskraft einen Konflikt mit dem Mitarbeitenden hat, sie selbst für den Mitarbeitenden das Problem ist, die Führungskraft zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, oder sie das Coachingthema selbst noch nicht bewältigt hat (Kreyenberg, 2008, S. 66 f.). Ebenso ist eine Grenze des Coachings durch die Führungskraft erreicht, wo personennahe oder gar therapeutische Fragestellungen aus der Perspektive des Coachees aufgeworfen werden. Hier ist Bachmanns (2017) Typologie missverständlich und im Hinblick auf die Indikation eines Coachings durch die Führungskraft ist ihr zu widersprechen (vgl. Kap. 4). Die coachende Führungskraft benötigt, so lässt sich aus der Beschäftigung mit der Architektur des Transflexing und in Anlehnung an die Wieslocher Kompetenzformel (Schmid, 2012) das Zwischenfazit ziehen, eine dreifach ausgeprägte professionelle Kompetenz: Erstens eine Rollenkompetenz, die aus der Doppelfunktion von Führungskraft und Coach resultiert; zweitens eine Kontextkompetenz hinsichtlich der allgemeinen und speziellen Umfeldbedingungen des Transflexings und drittens eine Passungskompetenz, die stets auf das Zusammenspiel von individuellen und organisatorischen Bedürfnissen und Anforderungen achtet. Nachdem die grundlegenden architektonischen Grundpfeiler eines Coachings durch die Führungskraft eingezogen sind, stehen die Fragen des Designs an; diesen wenden wir uns im nächsten Abschnitt zu. Da diese jeweils situativ individuell auszugestalten sind, kann es hier nicht darum gehen, alle möglichen Optionen auszuloten, wir haben uns deshalb dafür entschieden, uns dem Design in Form von Reflexionsanregungen anzunähern.

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Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft

6.3 Strukturelle, prozessorientierte und personale Reflexionsanregungen

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In der Auseinandersetzung mit den ethischen Reflexionsanforderungen an die Führungskraft als Coach (vgl. Kap. 3) wurde deutlich, dass die Anwendung des Coachings als spezifische Führungskompetenz umfangreicher Vorüberlegungen bedarf. Grundsätzlich können diese Vorüberlegungen in strukturelle, die in der Organisation verankert sind, prozessorientierte, als Dynamik im Kontext des Coachings sowie personale, die sich auf die Kompetenz der coachenden Führungskraft richten, unterschieden werden. Im Folgenden soll für die Auftragsklärung selbst ein Reflexionsrahmen als ethische Unterstützung für coachende Führungskräfte aufgespannt und als unabgeschlossener Fragenkatalog dargestellt werden (Benien, 2009, S. 150–197). Zahlreiche Fragen reflektieren das Verhältnis der Akteure zum Rahmen der Organisation und sollen dazu beitragen, möglicherweise vorliegende Spannungsverhältnisse vor, aber spätestens in einer Beratung klären zu können. Sicher wird dies nicht idealtypisch und in letzter Konsequenz für alle Themen auf Organisationsebene gelingen. Dahingehend lohnt es, diese reflexiven Fragen selbst zu durchdenken, eigene Antworten zu finden und eine Selbstklärung herbeizuführen. Insbesondere die prozessorientierten Fragen dienen dazu, die Klarheit im Prozess des Coachings aufrechtzuerhalten. Mit Klarheit ist ein reflexiver Standpunkt in Bezug auf die eigene Rolle als Coach und deren Eingebundenheit in der Organisation im Spannungsfeld zur beruflichen Rolle im Arbeitsalltag gemeint. Die Fragen unterstützen die Aufrechterhaltung des Chairperson-Postulats (vgl. Kap. 3) und tragen durch die Reflexion der Eingebundenheit als Rollenträger in die Abläufe der Organisation und damit verbundener Abhängigkeiten dazu bei, die eigene Autonomie als beratende Führungskraft verantwortungsbewusst wahrzunehmen. Unter der Perspektive des Chairperson-Postulats ist es möglich, die Komplexität der Organisation produktiv in Beratungsprozesse einzubinden. So kann ein zu beratender Mitarbeitender seine formulierte Thematik bereits in der Beratung auch in dieser Komplexität wahrnehmen und darin nach Entwicklungsmöglichkeiten suchen. Strukturelle Reflexionsanregungen sind auf den Rahmen und abstrakte Regelungen der Organisation beziehungsweise der Gesellschaft gerichtet: ■■ Kennen die Mitarbeitenden die Werte der Organisation bzw. der Führungskraft? Anhand welcher Kommunikationswege und Verhaltensweisen wird dies deutlich? Handeln die Mitarbeitenden in den Augen der Führungskraft nach diesen Werten?

Strukturelle, prozessorientierte und personale Reflexionsanregungen

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■■ Inwieweit kommen die organisationalen und/oder personalen Werte im Handeln der Organisationsmitglieder direkt oder indirekt zum Ausdruck? Wie wirkt es sich aus, wenn dies nicht oder nur teilweise gelingt? Wie/wo wird dies besprechbar? ■■ Welche zeitlichen Ressourcen (bspw. Anrechnung von Coaching als Arbeitszeit, Bereitstellung spezifischer Zeitkontingente für das Coaching etc.) werden von der Organisation für das Coaching bereitgestellt? ■■ Welche sachlichen Ressourcen werden von der Organisation für das Coaching bereitgestellt? •• Steht ein Beratungsraum zur Verfügung? •• Wird eine Weiterbildung zum Coach von der Organisation gefördert und als Qualifikation anerkannt? •• Welche Fortbildungsmöglichkeiten können genutzt werden, um die Qualität des Coachings auf dem wissenschaftlich aktuellen Stand zu erhalten? •• Werden in der Organisation Supervisions- oder Intervisionsgruppen zwischen coachenden Führungskräften gefördert? ■■ Wie wird in der Organisation das besondere Schutzbedürfnis der Beteiligten im Beratungssetting (bspw. die Schweigepflicht, der sanktionsfreie Raum) gewahrt? ■■ Welche Grenzen der Vertraulichkeit werden durch die Organisation gesetzt? ■■ Wer in der Organisation beauftragt oder empfiehlt die Anwendung von Coaching als spezifische Führungskompetenz? ■■ Inwiefern wird Coaching als Personalentwicklungsinstrument in der Organisation anerkannt und gefördert? ■■ Inwiefern wird strukturell sichergestellt, dass nach Coachings, die von den daran Beteiligten als weniger erfolgreich beurteilt werden, alle Beteiligten als Rollenträger weiter gut zusammenarbeiten können? ■■ Welche Ebenen in der Organisation greifen mögliche Entwicklungen aus den Coachingprozessen auf? ■■ Welche Widerstände sind gegen Veränderungsdynamiken aus Coachingprozessen zu erwarten bzw. welche existieren bereits? ■■ Wem wird organisationsintern die Kompetenz für praktische Lösungsansätze zugerechnet (bspw. durch die Einbindung der Mitarbeitenden in ein System von Wertschätzung und Belobigungen)? ■■ Welche möglichen Auswirkungen hat ein Coaching auf die Beteiligten in Bezug auf Beurteilung und Karriere? Prozessorientierte Reflexionsanregungen nehmen Bezug auf den Coachingprozess selbst:

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Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft

■■ Welches Menschenbild und welches Führungsverständnis erlauben den Einsatz des Coachings? ■■ Welche Erwartungen existieren innerhalb und außerhalb der Organisation an ein Coaching? ■■ Inwiefern beeinflussen nicht am Beratungsprozess Beteiligte die Inhalte oder Ziele des Coachings? ■■ Inwieweit kann die Voraussetzung der Freiwilligkeit zur Teilnahme an Coachingprozessen zugesichert werden? ■■ Welche offenen und verdeckten Interessen sind bei den Beteiligten eines Coachings zu identifizieren? ■■ Gibt es mögliche Zielkonflikte? ■■ Welche Pflichten (bspw. Dokumentation) werden den am Beratungsprozess Beteiligten durch die Organisation auferlegt? ■■ Welche Themen (bspw. Überlastungserscheinungen von Mitarbeitenden, Begleitung von Change-Prozessen, Coaching als Bestandteil des betrieblichen Gesundheitsmanagements etc.) sollen aus Sicht der Organisation durch das Beratungsformat des Coachings durch die Führungskraft bearbeitet werden? ■■ Welche Themen sollen aus Sicht der Organisation möglicherweise kein Gegenstand des Coachings werden? ■■ Wofür kann eine Schweigepflicht deklariert werden? ■■ Welche Grenzen hat die Schweigepflicht (bspw. im Schutz höherer Rechtsgüter)? ■■ Inwieweit dürfen durch das Coaching auch die Rahmenbedingungen reflektiert oder gar verändert werden? ■■ Wo enden aus Sicht der Organisation die angestrebten Veränderungen des Coachings? ■■ Inwiefern kann in der Beratung transparent mit Loyalitäts- oder auch Rollenkonflikten umgegangen werden? ■■ Wie gelingt die Abgrenzung zwischen dem Coaching als Führungskompetenz und dem Bewerten der Leistungen von Mitarbeitern? ■■ Inwiefern trägt das Coaching durch Führungskräfte zur Verbesserung der Qualität der Führung bei? ■■ Wie gelingt im Coachingprozess die Aufrechterhaltung der Spannungsfelder zwischen: •• bewahrender Routine als Kompetenz und Verändern als Raum des Möglichen und Neuen sowie •• Unterforderung des Coachees durch das Missverhältnis zwischen Anforderungen und Kompetenzen sowie einer Überforderung durch eine Dynamik sehr raschen Anstrebens von Veränderungen?

Kontraktgestaltung des Coachings durch die Führungskraft

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Personale Reflexionsanregungen nehmen zum einen Bezug auf die sich wechselseitig unterstützenden und ergänzenden Coachingkompetenzen der Führungskraft und zum anderen die Einschätzung der Mitarbeitendenpotenziale: ■■ Wie stark sind jeweils die soziale oder Interaktionskompetenz, Feldkompetenz, Rollen(klärungs)kompetenz, Management- und Leitungskompetenz, Ethik- und Humankompetenz, Selbstreflexionskompetenz, Prozessund Ablauforganisationskompetenz sowie Vernetzungskompetenz als Teil der Coachingkompetenz der Führungskraft ausgeprägt (Bergner u. Vogelauer, 2013, S. 56 ff.)? ■■ Wie weit ist die Führungskraft in der Lage, die Kompetenzen und Potenziale ihrer Mitarbeitenden einzuschätzen? Welche Kompetenzen und Potenziale sieht die Führungskraft in ihren Mitarbeitenden? Woran können die Mitarbeitenden dies merken? ■■ Wie werden die Kompetenzen der Mitarbeitenden im Hinblick auf die konkreten Aufgaben eingeschätzt? Wo werden derzeit Einschränkungen bzw. Entwicklungsmöglichkeiten gesehen? Welche Sichtweisen anderer sind diesbezüglich bedeutsam (­Öhlschlegel-Haubrock et al., 2016, S. 142)? Nicht immer wird es erforderlich sein, sämtliche Fragen zu beantworten. Eine Selbstklärung und die autonome Wahrnehmung des Chairperson-Postulats erlegen die Entscheidung auf, in Abhängigkeit von den situativen Erfordernissen aus dem Katalog die angemessenen Fragen zu wählen. Strukturell gesehen erscheint eine Positionierung der Organisation in Bezug auf das Coaching als Trans­flexing­kompetenz überaus hilfreich, weil dies Orientierung ermöglicht und handlungsentlastend wirken kann. Andernfalls wären die Rahmenbedingungen für jeden Coachingprozess als Variable erneut zu reflektieren und gegebenenfalls auch zu verhandeln.

6.4 Kontraktgestaltung des Coachings durch die Führungskraft Im Folgenden soll aus der Perspektive einer potenziell coachenden Führungskraft der Ablauf der Kontraktgestaltung eines diesbezüglichen Coachings geschildert werden. Beabsichtigen Sie als coachende Führungskraft tätig zu werden, so werden Sie im Sinne der Architektur des Coachingsettings zunächst – wie beschrieben – die allgemeinen und speziellen Kontextbedingungen abklären, bevor Sie daran anschließend die Reflexionsanregungen zu einer Ausgestaltung des Designs

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Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft

durchgehen. Für den Fall, dass Sie aufgrund der Vorklärungen zu der Einschätzung kommen, dass Sie bereit sind, ihre Mitarbeitenden in einem Prozess des Transflexings zu begleiten, dann ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, um in Gespräche zu einem möglichen Kontrakt mit Ihren Mitarbeitenden einzutreten. Es lassen sich hier drei Phasen unterscheiden: die Kontaktaufnahme mit der Klärung des Kontextes im Erstgespräch, zweitens die Einigung auf gemeinsame Ziele und drittens der Abschluss eines Vertrages auf einer Dienst- und einer Beziehungsebene. Aus Ihren Erfahrungen, Vorsondierungen und Reflexionen zu den kontextuellen Rahmenbedingungen bringen Sie in der ersten Phase die Ihrer Meinung nach zu thematisierenden Punkte in ein Erstgespräch – bezogen auf Ihre Rolle als potenzieller Coach – mit dem Mitarbeitenden ein. Dabei können Sie auf die Reflexionsanregungen aus dem letzten Abschnitt zurückgreifen. In Abhängigkeit davon, ob der Mitarbeitende auf Sie mit einem Coachinganliegen zugekommen ist oder Sie eine coachende Begleitung anbieten möchten, wird der Einstieg in das Gespräch unterschiedlich sein. Entweder Sie erkundigen sich nach den Themen, Gegenständen und Fragen oder Sie eruieren, inwieweit der Mitarbeitende ihre Sichtweise auf einen, von Ihnen aus gesehen, möglichen Coachinganlass teilt und inwieweit die Bereitschaft besteht, eine Unterstützung bei der Suche nach Lösungen hierfür anzunehmen. In diese Phase gehört des Weiteren der Austausch darüber, wie das organisatorische Umfeld, Vorgesetzte und Kollegen, zu der ins Auge gefassten coachenden Begleitung stehen und sich dazu verhalten werden. Ist dies geschehen, können Sie an die Abklärung der wechselseitigen Erwartungshaltungen in dem Transflexingprozess gehen. Hierzu gehört u. a. das benötigte Maß an Offenheit, Vertrauen, Transparenz und ggf. Verschwiegenheit sowie sonstige Aspekte, die Ihnen und dem Mitarbeitenden besonders wichtig sind. Allgemeine Hinweise hierzu verbieten sich aufgrund der sehr spezifischen situativen Anforderungen und der damit verbundenen möglichen Variationsbreite von Gesprächsgegenständen. Es empfiehlt sich jedoch, die anzusprechenden Aspekte schriftlich zu fixieren. Dieses Vorgehen hilft sowohl Ihnen als Führungskraft als auch dem Mitarbeitenden, sich strukturiert über die anzusprechenden Themen Gedanken zu machen. Analog zu einem externen Coaching sollte die Entscheidung für oder gegen ein Coaching nicht im Erstkontakt getroffen werden. Der Mitarbeitende sollte die Möglichkeit erhalten, sich in einem für ihn angemessenen Zeitraum zu überlegen, ob er sich auf ein Coaching durch Sie als Führungskraft einlassen möchte (Rauen, 2014, S. 64). Besteht von beiden Seiten Einverständnis darüber, eine coachende Arbeitsbeziehung einzugehen, so startet die Phase der Vereinbarung von gemeinsamen Zielen. Eine klare und überprüfbare Zielvereinbarung ist »Grundlage und Maßstab für die weitere Zusammenarbeit. Hilfreiche Fragen können dabei sein:

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■■ Was wäre für Sie als Coach ein Erfolg unserer Zusammenarbeit? Oder besser: Stellen Sie sich vor, unsere Zusammenarbeit ist erfolgreich beendet. Woran werden Sie den Erfolg merken? Was ist dann anders? ■■ »Was möchten Sie gerne verändern? Was möchten Sie in der Zeit unserer Zusammenarbeit für sich erreichen?« (Fischer u. Graf, 2000, S. 107). ■■ Wie kann das, was Sie erreichen möchten, dazu beitragen, unserer Abteilung/Organisation zu helfen, die Organisationsziele besser zu erreichen? ■■ Was sind Sie bereit zu tun, um diese Ziele zu erreichen; was nicht? ■■ Was erwarten Sie von mir als Coach, was nicht? Aus den Antworten zu diesen Fragen lassen sich Kriterien für das beiderseitige Rollenverhalten ableiten. In den Ausführungen zur Architektur des Settings haben wir bereits darauf hingewiesen, dass die coachende Führungskraft, im Unterschied zu einem externen Coach, natürlich eigene Erwartungen und Zielvorstellungen aus der Rolle als Führungskraft in der Organisation mit einbringt und dies auch transparent kommunizieren soll. Wichtig ist es eine klare, tragfähige Übereinkunft zwischen personalen und organisationalen Zielen im Sinne der angestrebten Passung herzustellen. Die dritte Phase beinhaltet die Vereinbarung der Grundlagen der coachenden Arbeitsbeziehung in Verträgen auf zwei unterschiedlichen Ebenen. Der Dienstvertrag regelt die formellen Rahmenbedingungen; die Bestandteile dieses Vertrages sind: ■■ die Gesamtdauer und das Prozedere des Coachings durch die Führungskraft, ■■ die Anzahl, Dauer sowie die Abstände der einzelnen Sitzungen, ■■ die Orte, an denen das Coaching durch die Führungskraft stattfinden soll, ■■ die beteiligten Personen, ■■ die Konditionen zum vorzeiten Ausstieg aus dem Prozess bzw. seine Verlängerung, ■■ die Leistungen und Gegenleistungen; hiermit sind bspw. die Unterstützungsleistungen der Führungskraft und mögliche Entlastungen der Mitarbeitenden gemeint sowie ■■ weitere Vereinbarungen bspw. zur Geheimhaltungspflicht bzw. zu Auswirkungen auf Beurteilungen (Rauen, 2014, S. 64 f.; Kreyen­berg, 2008, S. 75). Ziel des Dienstvertrages ist es, Verbindlichkeit zwischen den Beteiligten zu schaffen; da es sich nicht um einen Vertrag mit strengen arbeitsrechtlichen Implikationen handelt, ist er nicht so sehr im Sinne eines juristischen Vertrages,

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Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft

als vielmehr einer Regelung der Arbeitsgrundlagen für das Coaching durch die Führungskraft zu verstehen. Der Beziehungsvertrag regelt die Spielregeln des gemeinsamen Arbeitsbündnisses (Raeder u. Grote, 2012). Die Ausgestaltung des psychologischen Vertrages ist stets ein individueller Vorgang; hierzu gehören u. a. die folgenden Aspekte: ■■ ■■ ■■ ■■ ■■ ■■ ■■

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wechselseitige Erwartungen, persönliche und organisationsbezogene Bedürfnisse, Tabuzonen, Befürchtungen und Hoffnungen, Regeln bezüglich Vertraulichkeit, Diskretion und Freiwilligkeit, die Bereitschaft zum selbstkritischen Hinterfragen, die Möglichkeiten und Grenzen des Coachings und der Umgang miteinander außerhalb des Coachings.

Da die Beziehungsklärung im Laufe des Coachings durch die Führungskraft erfolgt, kann der psychologische Vertrag jederzeit nachverhandelt werden, wenn es für die Beteiligten notwendig und sinnvoll erscheint, den Vertrag in einigen oder mehreren Punkten zu korrigieren oder zu revidieren. Für die Kontrakte auf den verschiedenen Ebenen gilt, dass es dabei »nicht nur um das Commitment und schon gar nicht um eine einengende Festlegung auf alle Zeiten, sondern hauptsächlich darum (geht), dass der Coaching-Prozess für alle Beteiligten transparent ist« (Kreyenberg, 2008, S. 78). Die Funktionen der Kontrakte lassen sich dreifach beschreiben. Sie dienen erstens der Überprüfung der Ziele, zweitens der Formulierung von Teilzielen und drittens sind sie die Grundlage für eine Schlussauswertung. Dabei ist eine Haltung der Beteiligten, die von Wertschätzung, gegenseitiger Akzeptanz und Offenheit geprägt ist, außerordentlich wichtig. Edgar Schein (2017) beschreibt diese in dem Modell des »Humble Consulting« (vgl. Kap. 2).

6.5 Ausgestaltungen des Coachings durch die Führungskraft Im Folgenden wollen wir einige Aspekte der Ausgestaltung des Settings von Coachingprozessen durch die Führungskraft anhand der Ergebnisse einer soeben abgeschlossenen qualitativen Forschungsstudie zu coachenden Führungskräften vorstellen; der Untersuchung lagen 14 qualitative Interviews zugrunde (Hesselbarth et al., 2019). Wir stellen hier ausgewählte Ergebnisse zu den Themenkomplexen Initiative zum Coaching, Anlass des Coachings sowie räumlicher und zeitlicher Rahmen vor. Zur besseren Veranschaulichung der Ergebnisse lassen

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wir an einigen Stellen die Interviewpartner in den diesbezüglichen Sequenzen selbst zu Wort kommen. 6.5.1 Die Initiative zum Transflexing Aus den vorliegenden Interviews geht hervor, dass die Initiative hinsichtlich der Coachings sowohl vom Mitarbeiter als auch von der Führungskraft bzw. von den direkten Vorgesetzten der Führungskraft oder der Geschäftsleitung ausgeht. In der Hälfte der Fälle ergreifen die Mitarbeitenden selbst die Initiative. Sie kommen direkt auf die Führungskraft zu, bitten entweder zunächst um ein Gespräch oder sprechen ein Problem offen an und vereinbaren mit der Führungskraft ein Coaching. Andere Mitarbeitende bekundeten Interesse an einem Coaching, da sie wissen, dass die Führungskraft dies bereits zuvor prinzipiell für alle Mitarbeiter angeboten hat. In einem Viertel der Fälle geht die Initiative von der Führungskraft aus. In diesen Fällen kommt die Führungskraft auf den Mitarbeitenden zu und unterbreitet ihm ein Coachingangebot. Dabei wird durchweg betont, dass es ein Angebot ist, das der Mitarbeitende auch hätten ablehnen können, was wie folgt zum Ausdruck kommt: »Ich fragte sie, ob sie sich darauf (Coaching) einlassen könnte […] hatte sich zwei Tage Bedenkzeit gegeben […] kam sie dann und hat gesagt, ja sie macht es […]. Sie hätte auch die Möglichkeit gehabt, es komplett abzulehnen oder gar nicht darauf einzugehen. Es war ein reines Angebot.« In einem weiteren Viertel der Fälle ergreift eine Führungsebene oberhalb der coachenden Führungskraft die Initiative. Daraufhin spricht die Führungskraft bzw. die übergeordnete Hierarchieebene den Mitarbeiter an und unterbreitet ihm Coaching als Angebot. In einem dieser Fälle bekundet der Mitarbeiter parallel dazu selbst, dass er Unterstützung benötigt. In den anderen beiden Fällen wird betont, dass das Angebot zum Coaching ein freiwilliges war. Welche Konsequenzen gefolgt wären, hätten die Mitarbeiter das Angebot abgelehnt, geht aus den geschilderten Fällen nicht hervor. 6.5.2 Der Anlass des Transflexings Die Anlässe für das Coaching durch die Führungskraft sind sehr heterogen; genannt werden u. a. Strukturveränderungen im Betrieb, die Übernahme einer Führungsposition, die Rollenfindung, die Stärkung des Mitarbeiters in der Führungsrolle, die Steigerung der Arbeitszufriedenheit, Unterstützung bei der Bewältigung von Arbeitsaufgaben, Stärkung der Persönlichkeit sowie die

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Bewältigung familiärer Probleme, die sich auf das Arbeitsleben des Mitarbeiters sehr ungünstig auswirken. Aufgrund der unterschiedlichen Anlässe ist auch eine große Themenvielfalt in den Coachings zu verzeichnen. An dieser Stelle seien beispielhaft einige genannt: Wahrnehmung des eigenen Verhaltens/Denkens und dessen Wirkung auf andere, Kommunikation, Altersdepression, Bearbeitung eines Rollenkonfliktes, Führungsrolle in Verbindung mit dem Delegieren von Aufgaben, Strukturierung der Arbeit, Umgang mit Belastungssituationen, innere Kündigung, Angstzustände, gegenseitige Wertschätzung, Mitarbeitermotivation, Arbeit im Team, Umgang mit Problemen, berufliche Zukunft. Der Beginn des Coachings gestaltete sich in den 14 Coachingfällen unterschiedlich. Das Erstgespräch fand zum Teil telefonisch, aber auch persönlich statt. Im Erstgespräch wurde vorrangig beleuchtet, mit welchem Anliegen/Problem der Mitarbeiter in die Beratung kommt bzw. welches Anliegen die Führungskraft hat. Es fand dann eine Auftragsklärung statt und es wurden Termine für das Coaching vereinbart. Circa die Hälfte der Interviewten gab an, dass sie eingangs ihren Coachees erklärten, was Coaching ist und was im Rahmen von Coaching leistbar ist. Ein Coach weist seinen Coachee zu Beginn nicht nur auf die Vorteile, sondern auch auf Gefahren des Coachings hin. Drei Interviewte geben an, dass das Abholen des Coachees generell zu Beginn des Coachings sehr wichtig sei, um eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit zu schaffen. In einem Interview wird erwähnt, dass es wichtig sei, Rollenklarheit und -bewusstsein gleich zu Beginn des Coachings zu schaffen. Ein Coach begann bereits nach dem Erstgespräch mit der ersten Beratung, da der Leidensdruck seines Coachees sehr hoch gewesen sei. Die meisten Interviewpartner sprechen davon, eine Zielklärung bzw. Zielformulierung im Coaching vorgenommen zu haben. In einigen Interviews bleibt dies allerdings unerwähnt. Üblicherweise folgen auf die Schilderung der Anliegen die Auftragsklärung und die Zielvereinbarung. 6.5.3 Räumliche und zeitliche Rahmensetzungen Für das Coaching werden verschiedenste Räumlichkeiten durch die Führungskräfte genutzt. Die Coachings fanden in Räumlichkeiten des Arbeitgebers statt, an neutralen, geschützten Orten außerhalb der Arbeitsstelle, bei Kaffee und Kuchen oder sogar auf der Autofahrt zur oder von der Arbeitsstelle. Interessant ist, dass das Erstgespräch zum Teil an einem anderen Ort stattfindet als die Folgegespräche. In einem Coaching fand das Gespräch beispiels-

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weise im Büro der Führungskraft statt; die nachfolgenden Gespräche fanden jedoch bewusst nicht in diesem Büro statt, sondern in einem geschützten Raum. In einem anderen Fall wurde bereits für das Erstgespräch eine geeignete Räumlichkeit gewählt, um ganz bewusst eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen9: »Ich habe erst einmal vermieden, dass wir das in unseren Diensträumen durchführen; sondern bin in ein schönes Café gegangen, […] da hatten wir so für uns so eine kleine Nische in einer ganz tollen, gemütlichen Atmosphäre.« Einigen Führungskräften ist es wichtig, das Gespräch grundsätzlich an einem neutralen Ort durchzuführen, um eine scharfe Trennung zwischen den Rollen der Führungskraft und des Coaches zu markieren. Manchmal ist die Auswahl der Räumlichkeit gar nicht so wichtig, sondern eher das Pflegen von Ritualen, die kennzeichnen, dass die Führungskraft sich nun in einer anderen Rolle befindet. Dies unterstützt zum einen den bewussten Rollenwechsel der Führungskraft und ist zum anderen für den Coachee das deutliche Signal, dass jetzt das Coaching beginnt: »Also dass wir jeweils auch auf anderen Stühlen sitzen, im Büro. Das war mir wichtig, dass wir die Stühle auch tauschen.« Manchmal reicht auch die symbolische Markierung mittels Worten: »Also im Gespräch, hab ich gesagt, ich hab jetzt den Hut des Coaches auf oder ich rede jetzt hier als Führungskraft oder ich bin jetzt hier Deine Chefin, um das mal salopp zu sagen.« Es kann auch bewusst ein Kontext gewählt werden, der den Unterschied deutlich macht: »Bei einer Tasse Kaffee, bei einem Eisbecher, bei Kuchen, also je nachdem. Ich habe versucht, dass wir wirklich für uns waren und Zeit hatten, nicht auf die Uhr schauen mussten.« Es kann auch die eine Sitzecke sein, »wo das auch recht wohnlich ist und da mach ich dann das Coaching.« Fand das Gespräch im Büro der Führungskraft statt, war es den Coaches wichtig, dass das Coaching ungestört durchgeführt werden konnte: »Wir müssen ein bisschen Platz haben, also Ruhe ist es vor allem, also nicht jetzt störende Telefonanrufe oder Leute, die da durchrennen. […] muss ja auch nicht jeder mitkriegen was da passiert. Also ein sehr geschützter Raum, … im Büro, die Tür auch zu zumachen.« In einem Fall überließ der Coach dem Coachee die Entscheidung, an welchem Ort das Coaching durchgeführt werden sollte und unterbreitete verschiedene Vorschläge. Allerdings wurde der Ort gelegentlich auch durch die Führungskraft festgelegt, wenn für die Durchführung einer bestimmten Coaching-Methode ein spezieller Raum notwendig war.

9 Die folgenden Zitate stammen aus einem Interview eines eigenen Forschungsprojektes (Hessel­ barth et al. 2019).

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Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft

Der zeitliche Rahmen des Coachingprozesses vom Erstgespräch bis zum Abschlussgespräch wird mit einem Zeitraum von fünf Monaten bis 18 Monaten angegeben. Die Anzahl der Beratungen erstreckt sich über eine Bandbreite von zwei bis zehn und mehr Terminen. In einem Fall fand eine kontinuierliche Begleitung des Coachees statt. Der zeitliche Umfang pro Beratung wird mit 20 Minuten bis maximal zwei Stunden angegeben. Es werden feste Termine vereinbart, zumeist mit einem festen Rhythmus. Jedoch fanden in einem Fall auch spontane Kontakte zwischen den Beratungen statt. Der zeitliche Rahmen des Coachings variiert individuell. Die einzige Konstante, die aus diesen gewonnenen Daten entnommen werden kann, ist der feste Rhythmus mit konkreten Terminen.

6.6 Gelingensbedingungen eines Coachings durch die Führungskraft

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Die Frage nach den Gelingensbedingungen setzt die Annahme des Eintretens von intendierten Wirkungen voraus. In unserer Studie lassen sowohl die Interviewaussagen der Coaches wie auch der Coachees die Feststellung zu, dass die Coachees durch das Coaching in ihrem Handeln und Denken klarer geworden sind und zum Teil eine neue, andere Sicht auf die Dinge oder Situationen erhalten. Ihre Handlungsfähigkeit kann wiederhergestellt bzw. gestärkt werden. In den meisten Fällen erwerben und/oder erweitern die Coachees Handlungskompetenzen und erlangen ein höheres Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit (Hesselbarth et al., 2019). Wenn Coaching wirkt, dann stellt sich die Frage nach ihren Wirkfaktoren. Was sind die Kriterien, Faktoren oder Bestandteile, die nachweislich den Coachingprozess wirkungsvoll günstig beeinflussen? Heute werden in der Fachliteratur dafür verschiedene Begriffe verwendet. Grawe nennt sie »Wirkprinzipien« (Grawe, 2000, S. 87 ff.). Anderenorts wird auch von »Erfolgsfaktoren«, »Basisvariablen« oder »Prozessmerkmalen« gesprochen. Greif, Schmidt und Thamm (2012, S. 387) merken an, dass der Einfluss von Wirkfaktoren auf den Verlauf und das Ergebnis des Coachingprozesses nicht überbewertet werden darf, da die Ergebnisse des Coachings durch das Zusammenwirken von Klient und Coach co-kreiert werden. In unserer Untersuchung fragten wir in den Interviews einerseits nach den Gelingensbedingungen im konkreten Coachingfall und andererseits nach den Gelingensbedingungen allgemein im Coaching durch die Führungskraft. Dabei handelt es sich nicht um eine deskriptive Analyse.

Gelingensbedingungen eines Coachings durch die Führungskraft

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Bezogen auf die untersuchten Coachingfälle lassen die Aussagen den Schluss zu, dass neben individuellen Faktoren insbesondere die Rollenklarheit und Rollenflexibilität, Vertrauen und Vertraulichkeit, Offenheit, Authentizität, ein neutraler Raum, Zeit für das Coaching und die Autonomie des Coachees zentrale und ausschlaggebende Bedingungen für das Gelingen der Coachings waren. Vertrauen steht dabei an oberster Stelle und wurde von den befragten Führungskräften für sehr wichtig erachtet. Hinsichtlich der Gelingensbedingungen allgemein im Coaching durch die Führungskraft werden die folgenden Faktoren benannt: Offenheit, Transparenz, wertschätzender Umgang mit den Mitarbeitern, Sensibilität im Umgang mit Informationen über den Coachee, tiefe Vertrauensbasis, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Authentizität der Führungskraft als Coach, Coaching in einem neutralen Raum, Schutzraum für den Coachee durch eine klare Trennung von Themen im Coaching und im Führungsalltag, Rollenklarheit und -abgrenzung, Fähigkeit der Führungskraft zur Reflexion über das eigene Handeln, professionelles Agieren der Führungskraft, klare Rahmenbedingungen, Zielklärung, Zeit für Coaching, Beratung ohne Ratschlag, Autonomie des Coachees, Empathie, Achtung und Lösungsorientierung. Für die coachende Führungskraft hervorzuheben ist, dass sie in ihrer Rolle als Coach dem Ergebnis des Coachings offen gegenüber sein sollte. Die Führungskraft muss daher noch vor Beginn des Coachings für sich klären, ob sie das Coaching auch leisten und sich auf die möglichen Konsequenzen einlassen kann. Der Übergang zum Coaching sollte bewusst durch Rituale gekennzeichnet sein, wie z. B. durch Raumwechsel, Wechsel der Sitzposition und klares Benennen des Coachings, symbolischer Hutwechsel etc. Im Idealfall ist die Führungskraft als Coach ausgebildet und hat ein eigenes Coachingkonzept. Besonders wichtig ist es, dass die Führungskraft als Coach zum Coachee eine positive Beziehung pflegt, die von wertschätzender Haltung und einer möglichst wertfreien Sprache geprägt ist. Die Führungskraft sollte schließlich ebenso Freude am Umgang mit Menschen haben und die Fähigkeit besitzen, andere zu begeistern. Die coachende Führungskraft leistet intensive Beziehungsarbeit. Deshalb spielen Vertrauen, gegenseitige Achtung, Wertschätzung, Agieren auf gleicher Augenhöhe, eine Balance zwischen Nähe und Distanz sowie Professionalität in der Beziehung zum Coachee eine bedeutende Rolle im Coaching durch die Führungskraft. Wie die Führungskraft in Beziehung geht zu ihren Mitarbeitenden, die sie coacht, hängt wesentlich von ihrer inneren Haltung ab. Diese spielt insbesondere im Coaching eine große Rolle. König und Volmer (2009, S. 235 ff.) gehen davon aus, dass Coaching nur gelingen kann, wenn der Coach eine Haltung pflegt, die sich darin äußert, dass er seinem Coachee Aufmerk-

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Gestaltung des Settings im Coaching durch die Führungskraft

samkeit schenkt sowie mit Empathie und Humor agiert, achtsam hinsichtlich systemischer Wirklichkeit ist sowie Vertrauen in die Ressourcen und Kompetenzen seines Coachees hegt. Nur so erlebt der Coachee die Beratung als unterstützend, wird sich seiner eigenen Ressourcen bewusst und entwickelt Vertrauen in die Kompetenz des Coaches. Unsere Ergebnisse bestätigen diese Erkenntnisse. In unserer Untersuchung (Brandt et al., 2019) kristallisieren sich drei Gruppen von Wirkfaktoren heraus: Erstens jene, die die Beziehungsqualität in den Blick nehmen, zweitens jene, die Kompetenzaspekte des Coaches ansprechen und drittens jene, die Dimensionen des Settings berühren. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch Funk (2014, S. 41 f.) in ihrer Untersuchung. Sie sieht die entscheidenden Faktoren für ein Gelingen des Coachings durch die Führungskraft erstens in einem großen Vertrauensverhältnis der Beteiligten, zweitens dem Reifegrad der coachenden Führungskraft, die sich durch eine Kombination von fachlichem Know-how und persönlichen stark ausgeprägten Soft Skills auszeichnet sowie drittens situativen Rahmenbedingungen. Einerseits sind hier insbesondere günstige räumliche und zeitliche Aspekte und andererseits die organisationalen Kontexte in Form von flachen Hierarchien und einer kooperativen Führungsstruktur zu nennen. All die genannten Faktoren können allerdings nur dann richtig zur Geltung kommen, wenn der Mitarbeitende nicht nur passiv in das Coaching einwilligt, sondern daran ein aktives Interesse hat, und auf diese Weise zum Teilhaber in dem gemeinsamen Co-Kreationsprozess des Transflexings wird.

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Modelle des Coachings durch die Führungs­kraft und ihre methodische Ausgestaltung

Ausgangspunkt für dieses Kapitel ist die Frage, im Rahmen welcher modellhaften Varianten und methodischen Ausgestaltungen ein Coaching durch die Führungskraft realisiert werden kann. In Anlehnung an das Phasenmodell nach dem GROW-Ansatz von John Whitmore (1992), das um organisationale Aspekte erweiterte Modell von Systemebenen der personalen Systemtheorie nach König und Volmer (2009) und den Ansatz des lösungsorientierten Coachings wird der Ablauf des Coachings durch die Führungskraft anhand von Fallbeispielen erläutert. Die dabei betrachteten Beratungsformate sind einerseits ein idealtypisches Coaching durch die Führungskraft (vgl. Kap. 7.1) und andererseits ein Coaching in der Kurzeit-Variante (vgl. Kap. 7.2). Ergänzend wird drittens auf das Coaching in der Organisationsentwicklung und dem Change Management ebenfalls mit einem Fallbeispiel eingegangen (vgl. Kap. 7.3).

7.1 Coaching durch die Führungskraft als Beratungsformat In diesem Kapitel geht es zunächst um die Strukturierung des Coachingprozesses. Sodann werden – fünfphasig – die methodischen Vorgehensweisen des Coachings durch die Führungskraft nach unserem Coachingansatz (vgl. Kap. 5) dargestellt und an einem Fallbeispiel erläutert. Für das Coaching lässt sich auf zahlreiche Modelle zur Strukturierung des Beratungsprozesses zurückgreifen. Ein sehr verbreitetes Modell ist das GROW-Modell von John Whitmore (1992): ■■ Goal (Orientierungsphase): Klärung des Ziels. ■■ Reality (Klärungsphase): Klärung der Situation. ■■ Options (Lösungsphase): Sammlung/Bewertung von Lösungsmöglichkeiten ■■ Will (Abschlussphase): Festlegung des Handlungsplanes.

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Modelle des Coachings durch die Führungs­kraft und ihre methodische Ausgestaltung

Für das Coaching durch die Führungskraft haben wir in Modifizierung des GROW-Modells (Whitmore, 1992) das folgende Phasenmodell als Orientierungshilfe für die Strukturierung eines Coachingprozesses entwickelt. ■■ ■■ ■■ ■■ ■■

Orientierung: Indikation und Auftragsbestimmung Klärung durch Hypothesenbildung Zielkonkretisierung Lösungssuche Transfer und Abschluss.

Zu Beginn des Coachings erfolgt nach Bestimmung der Indikation (Ist das Coaching durch die Führungskraft in dieser Situation angezeigt?) die Auftragsklärung, der angesichts der speziellen Rollenkonstellation besondere Aufmerksamkeit zukommen sollte. Aus dem gleichen Grund halten wir nach der hypothesenbezogenen Klärung eine Phase der Zielkonkretisierung für wichtig. In der diagnostischen Klärungsphase verändert sich mitunter die Sicht auf die Ausgangssituation. Dies ermöglicht dann eine genauere Justierung der Handlungsziele. Eine solche Präzisierung erhöht dann deren Umsetzungschancen. Der auf die Klärung (Hypothesenbildung) und Zielpräzisierung folgenden Lösungssuche und Begleitung des Lösungstransfers wird nach diesem Phasenmodell ebenfalls besondere Aufmerksamkeit gewidmet, bevor der Beratungsprozess dann seinen Abschluss findet. 7

7.1.1 Orientierung: Indikation und Auftragsbestimmung »Kein Coaching ohne Auftrag!« (Radatz, 2009, S. 154). Bevor der Coach die Frage entscheiden kann, ob er das Coaching übernimmt, ist der Auftrag, wie er sich der Führungskraft zum gegenwärtigen Zeitpunkt darstellt, zu klären und zu bestimmen. »Eine möglichst präzise Auftragsklärung sorgt dafür, dass Coach und Coachee ein gleiches Verständnis von Inhalt und Ablauf des Coachings haben – eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des Coachings« (Hock et al., 2014, S. 64). Doch zugleich stellt sich die Frage der Indikation eines Coachings durch die Führungskraft: ist in diesem konkreten Fall das Coaching durch die Führungskraft das Mittel der Wahl? Um diese Frage zu klären, ist auf das individuelle Konzept der coachenden Führungskraft sowie auf das theoriegeleitete Konzept des Coachings durch die Führungskraft in Abgrenzung zu anderen Beratungsformaten zurückzugreifen (vgl. Kap. 4 u. 5) und die konkrete Ausgangssituation entlang der entsprechenden Voraussetzungen und der Ausrichtung der jeweiligen Beratungsformate vorab zu prüfen.

Coaching durch die Führungskraft als Beratungsformat

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Fällt es beispielsweise einem Mitarbeitenden des Öfteren schwer, sich sehr fordernden Kunden oder Klienten gegenüber abzugrenzen, so stellt sich die Frage, ob dies eher als situationsbedingt (etwa als Einarbeitungsproblem) oder eher personenbedingt angesehen wird. Im ersteren Fall bietet sich das Coaching durch die Führungskraft an, im zweiten zunächst ebenso, soweit es sich nicht um ein – soweit bereits erkennbar – eher biografisch verankertes bzw. verfestigtes Muster handelt. Wenn dies bereits im Erstgespräch erkennbar wird, dürfte eine Supervision durch einen externen Berater als berufsbezogenes Beratungsformat eher angebracht sein. In manchen Coachings durch Führungskräfte stellt sich diese Kontraindikation allerdings erst im Laufe des Prozesses heraus, wenn etwa geplante Veränderungen seitens des Coachees nicht umgesetzt werden (können) und in der Folgesitzung die »tieferen« oder komplexeren Zusammenhänge zumindest ansatzweise deutlicher werden. Im Falle einer externen berufsbezogenen Beratung ist dann zu klären, wie eine Dreiecksvereinbarung zwischen dem Mitarbeitenden als Coachee, der finanzierenden und in die Zielbestimmung einbezogenen Organisation und dem Berater zustande kommt. Es empfiehlt sich – von Ausnahmesituationen in direkter Absprache abgesehen – ansonsten nicht, den Mitarbeitenden im Falle einer Supervision oder einer personenorientierten Beratung bzw. Psychotherapie zusätzlich durch die Führungskraft zu beraten, da es hier zu unterschiedlichen Sichtweisen und Handlungsempfehlungen kommen kann, die den Mitarbeitenden möglicherweise unnötig irritieren. Ist die Frage der Eignung des Coachings durch die Führungskraft geklärt, so stellt sich die Frage, welche Fragestellungen, Themen bzw. Inhalte im Coaching geklärt werden sollen. Damit verknüpft ist oft die mehr oder weniger deutliche Frage, in welche Richtung der Coach tätig werden soll. Geht es beispielsweise um eine Klärung von Ambivalenzen und Konflikten, fachliche Inputs und Einschätzungen, Beziehungsklärungen zu Kunden oder Klienten, die individuelle Kompetenzentwicklung in fachlicher oder sozialer Hinsicht? Auch diesbezüglich ist ein Rückgriff auf das Konzept der coachenden Führungskraft erforderlich, um die individuellen und konzeptionellen Grenzen klar definieren zu können. Des Weiteren ist es sinnvoll, insbesondere den möglichen mehr oder weniger offenen Appellcharakter (Schulz von Thun, 1981, S. 25 ff.) des vom Coachee benannten Beratungsanliegens, seine mehr oder weniger expliziten Erwartungen herauszuhören und möglichst direkt anzusprechen: »Was sind ihre konkreten Erwartungen an mich? Was kann ich Ihrer Meinung nach tun, damit sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Beratung erfolgreich wird oder gerade nicht?« Auch die nicht immer deutlichen Erwartungen der Organisation, anderer relevanter Führungskräfte und Mitarbeitenden sind in den Blick zu nehmen.

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Modelle des Coachings durch die Führungs­kraft und ihre methodische Ausgestaltung

Je offener diese im Rahmen einer vertrauensvollen Arbeitsbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden (vgl. Kap. 2, 3 u. 6) besprechbar und in der Coachingvereinbarung benennbar sind (vgl. Kap. 6.4), desto besser können sie im Coaching bearbeitet werden. Allerdings erscheint es unrealistisch anzunehmen, dass der Mitarbeitende sämtlich interessengebundene Überlegungen und Strategien offenlegt. Ebenso wenig ist die Führungskraft »Beichtvater« des Mitarbeitenden, was allerdings auch für das Coaching gar nicht sinnvoll wäre, sondern bleibt Vorgesetzter mit zahlreichen Projektionsflächen und wechselseitigen Rollenerwartungen. Welche Rolle wird nun die coachende Führungskraft übernehmen? Hier ist einerseits aus der Perspektive der Organisation und der Führungskraft selbst eine entsprechende Klärung erforderlich (vgl. Kap. 1, 3, 4 u. 6). Vor allem stellt sich die Frage nach den Rollenerwartungen des potenziellen Coachees. Inwieweit sind diese an realistischen Vorstellungen des intendierten Beratungsprojektes orientiert? Oder gibt es beispielsweise eine auf Entlastung gerichtete Rollenerwartung oder die Erwartung nach dem Ratschläge gebenden »Allwissenden« oder des Entscheiders, der ggf. dann doch die Verantwortung für die Lösung übernehmen möge. Da es kaum entsprechende Standards für das Coaching durch die Führungskraft gibt, kommt der sorgfältigen Vorbeugung bzw. Klärung von Missverständnissen und diffusen bzw. verdeckten Erwartungen besondere Bedeutung zu. Diesbezüglich ist es die Aufgabe des Coaches, sein Konzept dem potenziellen Coachee zu erläutern: »Ich möchte Sie bei diesem Thema gern durch ein Coaching unterstützen. Mein Ziel ist es dabei nicht, Ihnen zu sagen, was Sie tun sollen, sondern ich möchte in einem Gespräch mit Ihnen nach Lösungen für die Anliegen suchen, die Ihnen wichtig sind, und ich sehe mich dabei vor allem als Fragensteller, Sparringspartner und Impulsgeber« (Hock et al., 2014, S. 61). Es gilt dabei auch, die Haltung des Coaches vor dem Hintergrund ethischer Gesichtspunkte, möglicher Interessenkonflikte, der Vertraulichkeit der Inhalte des Coachings, der Beurteilung des Mitarbeitenden deutlich zu machen (vgl. Kap. 3 u. 6), um weder der Organisation noch dem Coachee zu schaden, sondern vielmehr entsprechende Entwicklungspotenziale im Sinne einer optimalen Passung von Person und Organisation zu fördern. Diesbezüglich sei auf die bereits in Kap. 6.3 dargelegten strukturellen, prozessorientierten und personalen Reflexionsanregungen verwiesen, ebenso auf den Beratungskontrakt zwischen der coachenden Führungskraft und der/dem Mitarbeitenden als Coachee (vgl. Kap. 6.4), in dem die vorgenannten Aspekte Berücksichtigung finden.

Coaching durch die Führungskraft als Beratungsformat

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7.1.1.1 Die auftragsbezogene Differenzierung zwischen Kunden, Klagenden und Besuchern

Diese auf Steve de Shazer zurückgehende Differenzierung in Kunde, Klagender und Besucher (de Shazer, 2008; Bamberger, 2015) halten wir für das Coaching durch die Führungskraft für sinnvoll, da sie die Auftragsklärung in besonderer Weise fokussiert (Hock et al., 2014, S. 47 ff.): Der Kunde: Der möglicherweise missverständliche Kundenbegriff ist hier nicht im marktwirtschaftlichen Sinne gemeint, sondern bringt zum Ausdruck, dass dieser potenzielle Coachee sich durchaus selbst reflektiert, indem er einen Eigenanteil am Problem sieht und nach eigenverantwortlichen Lösungen sucht, also in diesem Sinne kundig ist. Insofern liegen günstige Voraussetzungen für ein Coaching vor, die die Formulierung eines Beratungsauftrages erleichtern. Der Klagende: Dieser sieht sich durchaus von einem Problem beeinträchtigt, allerdings macht er dafür eher andere verantwortlich. Da er daran aus seiner Sicht nichts zu ändern vermag, kann der Coach mit ihm (zunächst) nicht an einer Ziel- und Lösungsfindung arbeiten. Unter der Perspektive eines möglichen, mehr oder weniger verdeckten Appells des Klagenden an die Führungskraft, ihn gegenüber der/den dritten Beteiligten zu unterstützen oder in ein Lamentieren über bestimmte, kaum veränderbare Rahmenbedingungen oder Organisationsveränderungen einzustimmen, sollte diese Anfrage insofern geklärt werden, dass sie nicht als Coachingauftrag angenommen, sondern aus der Führungsrolle heraus beantwortet wird. Allerdings kann der Klagende durchaus zu einem Coaching eingeladen werden, wenn es dem Coach gelingt, das Verhaltensmuster des Klagenden zum Ausgangspunkt zu nehmen. Hierzu kann der Coach beispielsweise im Sinne einer Fokusverschiebung von der Problem- auf die Lösungsorientierung nachfragen, was denn bisher trotz alledem schon gut funktioniert hat oder gegenwärtig funktioniert. Anschließend könnte gefragt werden, was bisher schon an Lösungsversuchen unternommen worden ist. Im dritten Schritt könnte – auch dies eine stärkende Fokusverschiebung auf das »Gute vom Schlechten« – danach gefragt werden, was denn so bleiben soll wie es ist. »Von hier aus kann der Coach nun zumeist gut weitermachen. Er kann das Leid des Klagenden wertschätzen und Verständnis für seine Lage zeigen. Zugleich kann dann die Frage nach der Wahrscheinlichkeit der Veränderung des Verhaltens der Person, unter der der Coachee leidet, den Coachee daran erinnern, dass er keinen direkten Einfluss darauf hat, ob/wie sich der andere ändert, und das Coaching mit dem anwesenden Coachee nicht dazu führen wird, dass der andere sich in die gewünschte Richtung ändert, zumal der ja gar nicht dabei ist. Dies ermöglicht es, die Existenz bzw. das Verhalten des ›Täters‹ als eine unveränderliche Restriktion, ähnlich dem Wetter, umzudeuten. Sodann kann der

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Modelle des Coachings durch die Führungs­kraft und ihre methodische Ausgestaltung

Coach dem Klagenden ein zwar zweitbestes, aber dafür lösbares Coachingangebot bezüglich des Umgangs mit der als schwierig erlebten Situation mit dem ›Täter‹ anbieten. Es geht dann sozusagen um die Wahl der angemessenen Kleidung für das Wetter, nicht um direkte Veränderung des Dritten, sondern um ein verändertes eigenes Verhalten im Umgang mit dem Dritten« (Hock et al., 2014, S. 52; Hervorh. d. Verf.). Der Besucher: Dieser sieht seinerseits kein Problem vorliegen. Demnach bedarf er auch keiner Lösung und hat dementsprechend kein Beratungsanliegen. Sollte ihn jemand anderes in das Coaching geschickt haben, so lässt sich dieses in dem Sinne erfragen, was denn die Erwartung der dritten Person an das Coaching wäre und wie der Besucher dazu steht: ob es denkbare Konstellationen oder Fokusverschiebungen geben könnte, unter denen der Besucher das Coaching doch für nützlich halten und zu diesem oder einem späteren Zeitpunkt darauf zurückkommen könnte. »Gerade dann, wenn es der Vorgesetzte ist, der zu einem Coachinggespräch einlädt, kann sich ein Mitarbeiter genötigt sehen, zum Gespräch auch dann zu erscheinen, wenn er kein eigenes Anliegen hat oder wenn er zwar einen Auftrag für ein Coaching hätte, dieses aber – was grundsätzlich immer legitim ist – (momentan?) nicht mit seiner Führungskraft als Coach durchführen möchte. Kommt also ein Besucher ins Coaching, lohnt es sich für den Coach im Sinne der Selbstreflexion sich darüber Gedanken zu machen, ob er vielleicht unbeabsichtigt in – aus den Augen des Mitarbeiters – unangemessener Weise eingeladen hat (Hock et al., 2014, S. 53). Dies wäre dann zunächst zu klären, bevor weitere Schritte in Richtung Coaching erfolgen oder nicht. Sich als Mitarbeitender zunächst bedeckt zu halten, macht auch für Situationen Sinn, in denen der Mitarbeitende unsicher ist, ob ihm von Seiten seines Vorgesetzten Probleme, heftiger Gegenwind drohen« (S. 54). Auch dies gilt es vorsichtig zu erfragen. Falls das Coaching noch nicht so lange in der Organisation eingeführt worden ist und/oder die Mitarbeitenden noch nicht so recht wissen, wie dies konkret abläuft, bietet die Positionierung als Besucher »eine gute, unverbindliche Möglichkeit, in die Coachingsituation mit dem Vorgesetzten hinein zu schnuppern, ohne sich selbst offen zu legen – d. h. auch: den Coach auf seine Haltungen und Positionierungen zu testen. Das ist ein legitimes Vorgehen eines jeden Coachee gegenüber einem Coach, und ist auch recht nachvollziehbar, wenn der Coach zugleich seine Führungskraft ist. Hier kann der Coach nachfragen: ›Mir ist noch nicht ganz klar, was Ihr Anliegen ist oder ob sie momentan eines haben, aber wenn Sie nun mal da sind, haben Sie eine Idee, wozu wir die Zeit nutzen sollen?‹« (Hock et al., 2014, S. 55; Hervorh. d. Verf.).)?

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Wie kommt es nun im weiteren Verlauf des Erstgesprächs mit dem Mitarbeitenden, der sich als im oben genannten Sinne motivierter und selbstreflektierter Coachee – insofern also als Kunde – sieht, nun tatsächlich zu einer Auftragungsbestimmung? Dieser ist unter methodischen Gesichtspunkten besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Der Coach sollte sich erst dann zur Übernahme des Auftrages bereit erklären, wenn ihm dieser in seinen verschiedenen Dimensionen weitgehend deutlich ist. »Die Art, die Auftragsklärung zu gestalten, wird einen unmittelbaren Effekt auf die Beziehung zwischen Ihnen und dem Coachee haben. Etablieren Sie sich als Coach daher möglichst frühzeitig als den Fragenden und überlassen dem Coachee die Inhalte« (Hock et al., 2014, S. 72). Sind sowohl die Rolle des Coaches wie des Coachees – soweit dies im Erstgespräch möglich ist – geklärt, stellt sich die Frage nach den jeweiligen Aufgaben und Verantwortlichkeiten. Hier ist das Coaching deutlich von anderen, durch die Entscheidungen des Vorgesetzten geprägten Situationen abzugrenzen, um den Entscheidungsraum für den Coachee sichtbar zu machen, der die Verantwortung für die Lösung des Problems übernimmt, während der Coach für das Setting, die Methoden und den Beratungsprozess verantwortlich ist. Arbeitet der Coach mit sogenannten Hausaufgaben, »Mini-Experimenten« zur Erprobung von Lösungen und anderen Transferhilfen, so ist ebenfalls zu vereinbaren, dass die Entscheidung über deren Umsetzung in das Ermessen des Coachee fällt und dieser keinesfalls unter Druck gerät, diese umsetzen zu müssen. Im Zusammenhang mit der Information des potenziellen Coachees hinsichtlich seines Coachingkonzeptes macht die coachende Führungskraft ebenfalls deutlich, mit welchem Methodenverständnis (z. B. der basalen Idee systemischer Beratung, dass vor allem die Interaktion der Beteiligten im Fokus steht und nicht etwa persönliche Störungen) und welchen Techniken (z. B. Systemaufstellungen mit Figuren) sie arbeitet. Auch hier bedarf es der Zustimmung des Coachees, sollte dieser beispielsweise Vorbehalte gegenüber Rollenspielen oder Aufstellungen haben. In der Coachingvereinbarung werden neben den Zielen des Coachings entsprechende Absprachen zur Zusammenarbeit und Arbeitsweise des Coaches festgelegt (vgl. Kap. 6.4). 7.1.2 Klärung durch Hypothesenbildung Wir gehen von der Prämisse aus, dass es keinen hypothesenfreien Raum gibt. Sobald wir mit einer Person oder Situation in Kontakt treten, greifen wir häufig spontan auf entsprechende mehr oder weniger bewusste Annahmen und Vermutungen zurück, um das Gegenüber oder die Situation einzuschätzen und sich darauf einzustellen. Die als Coach tätige Führungskraft ist – anders

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als ein externer Coach, der den potenziellen Coachee vielfach erst zu Beginn des Beratungsprozesses zum ersten Mal trifft – schon im Sinne des alltäglichen Führungshandelns, etwa im Kontext von Personalgesprächen oder Besprechungen mit dem Mitarbeitenden in Kontakt getreten. Insofern ist er bereits in eine von bewussten oder beiläufigen Wahrnehmungen der entsprechenden Person, entsprechendem Rollenhandeln und Organisationseinflüssen in zahlreichen Ereignisketten geprägte Arbeitsbeziehung eingebunden. Ihn nunmehr mit »anderen Augen« zu sehen, kann selbst einer im Rollen- und Perspektivwechsel sehr geschulten bzw. selbstreflektierten Führungskraft kaum gelingen. Umso wichtiger ist es, sich das bisher geprägte Bild, das sich die Führungskraft mittlerweile von dem Mitarbeitenden gemacht hat, bewusst zu vergegenwärtigen und zu überprüfen. Auf diese Weise kann die Wahrscheinlichkeit reduziert werden, dass es zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen kommt: weil der Mitarbeitende von der Führungskraft beispielsweise als motiviert wahrgenommen wird (oder auch nicht), wird er von der Führungskraft entsprechend anerkannt (oder auch nicht) und verhält sich wiederum entsprechend. Je mehr die Führungskraft allerdings im Sinne der Kontrolle von Gegenübertragungen – etwa aufgrund einer Fortbildungs- und Beratungserfahrung – über entsprechende Selbstkenntnis und entsprechende Kompetenzen der Selbstreflexion verfügt, desto mehr ist sie in der Lage, sich nun auf die konkrete Coachingsituation einzustellen und erste spontane Hypothesen zu bilden und zu prüfen. Damit es gelingen kann, diese spontanen Hypothesen im Coachingprozess professionell zu reflektieren und zum besseren Verständnis des Coachee sowie interventionssteuernd zu nutzen, empfehlen wir, den Blick auf mehrere Dimensionen bzw. Systemebenen zu lenken (vgl. Kap. 5.2). Diese Vorgehensweise erfolgt ausgehend von einer spontanen Hypothesenbildung, indem diese vor dem Hintergrund der jeweiligen Systemebene überprüft werden kann bzw. durch erkenntnisleitende Fragen im Hinblick auf die entsprechenden Systemdynamiken neue hypothesenleitende Gesichtspunkte hervortreten bzw. sich Hypothesen weiter ausdifferenzieren lassen. Anhand der sechs Systemebenen, bestehend aus den beteiligten Personen, der subjektiven Deutung, den sozialen Regeln, den Regelkreisen, der Umwelt bzw. dem organisationalen Umfeld und der Systementwicklung (vgl. Kap. 5.2) soll nachfolgend zunächst die methodische Gestaltung der Klärungsphase hinsichtlich des Coachings durch die Führungskraft verdeutlicht werden. Dabei sind die handlungsleitenden Fragen großteils König und Volmer (2005, S. 44 ff.) entnommen bzw. entsprechend unseres Coachingansatzes erweitert (vgl. Kap. 5). Das nachfolgende Fallbeispiel hat nicht die Funktion der stringenten Problembearbeitung, vielmehr soll es dazu dienen, unseres Erachtens zentrale methodische Ansatz-

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punkte im Coaching durch die Führungskraft zu veranschaulichen und gleichzeitig ein erstes Kompendium methodischer Vorgehensweisen zu verdeutlichen. Fallbeispiel Seit drei Monaten leiten Sie ein vierköpfiges Team. Sie kommen, da Sie ihr Büro nicht vor Ort haben, einmal im Monat zu der Teambesprechung hinzu. Ihr Vorgänger hat die Sitzungen sämtlich selbst und sehr straff geleitet, wenig Diskussion zugelassen (»Zeit ist Geld!«), aber das Team bei wichtigen Entscheidungen durchaus beteiligt, allerdings oftmals sehr schnell abstimmen lassen und die Entscheidungen rasch »durchgezogen«. Es gab ein hohes Maß an Zusammenhalt, auch wenn diese mittlerweile etwas nachgelassen hat: »Alle für einen – einer für alle!«. »Wir verstehen uns gut, Konflikte haben bei uns keinen Platz!« Für die Erreichung guter Teamergebnisse ist in diesem Arbeitsfeld ein hoher Grad an Übereinstimmung und eine einheitliche Umsetzung der Entscheidungen sehr wichtig. Sie haben den Vorschlag gemacht, dass die vier Teammitglieder acht Wochen lang wöchentlich wechselseitig die Sitzungen moderieren. Alle Teammitglieder haben mit unterschiedlicher Begeisterung zugestimmt. Ein von Ihnen ebenfalls vorgeschlagener »Teamtag« konnte aufgrund von Erkrankungen von Teammitgliedern bislang noch nicht durchgeführt werden. Etwa zeitgleich mit dem alten Teamleiter sind auch zwei Teammitglieder aus Altersgründen ausgeschieden. Die beiden neuen sind gewohnt, ihre Meinung zu sagen, zu diskutieren und bei wichtigen Entscheidungen möglichst einen Konsens zu erzielen. Den anderen beiden dauern die Sitzungen mittlerweile zu lange, wenn diese neuen Kollegen sie moderieren. Am liebsten wäre es ihnen, wenn sie die Sitzungen – wie ihr Vorgänger – selbst leiten würden, aber das gehe ja nicht, weil sie als Führungskraft ja nicht so oft vor Ort seien. Nachdem einige Teammitglieder anlässlich der letzten Teamsitzung – etwa vier Wochen nach Einführung der neuen Moderationsregelung – nochmals die Problematik deutlich benannt und alle Teammitglieder Sie um Hilfe gebeten haben, betrachten Sie die Situation zunächst mittels des zur Selbstreflexion anregenden Fragenkataloges (vgl. Kap. 6.3). Hinsichtlich der strukturellen und prozessorientierten Reflexionsanforderungen können sie auf ein an den Handlungsmaximen der Kunden- und Mitarbeiterorientierung ausgerichtetes und in seiner Realisierung in jährlichen Klausurtagungen unter Beteiligung des Betriebsrates reflektiertes Organisationsleitbild zurückgreifen. In diesem wird das Prinzip der Verantwortung (vgl. Kap. 3.2) als zentrales Element der Organisationskultur anhand der folgenden Ebenen deutlich: ■■ Verantwortung für sich selbst, ■■ Verantwortung für das eigene Umfeld, beispielsweise für die Familie,

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■■ Verantwortung für das Team und im Team, ■■ Verantwortung für und in der Organisation und ■■ gesellschaftliche Mitverantwortung, beispielsweise durch ehrenamtliches Engagement.

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Daran ist das Führungskonzept orientiert, welches auf den Ansatz der transformationalen Führung (vgl. Kap. 2.3.) verweist, sich allerdings noch in der Erprobungsphase befindet, ebenso wie das daran orientierte Personalentwicklungskonzept. In diesem Zusammenhang verhandelt die Geschäftsführung gegenwärtig mit dem Betriebsrat über eine Betriebsvereinbarung zur Inanspruchnahme von Supervision, Intervision, Coaching durch externe Berater und die Führungskräfte selbst. Derartige Beratungsformate, auch das Coaching durch die Führungskraft, sind in den meisten Bereichen der Organisation gängige Praxis, in diesem Organisationsbereich allerdings Neuland, da Ihr Vorgänger entsprechenden Innovationen skeptisch gegenüberstand. Teamarbeit als eine Form intensiver kollegialer Kooperation und Unterstützung könnte zukünftig im Sinne flacher Hierarchien in der Organisation mehr Gewicht erhalten, wie die Geschäftsführung durchblicken lässt. Bislang ist es den einzelnen Teams und deren Führungskräften überlassen, die Zusammenarbeit im Spannungsfeld von individueller Unterschiedlichkeit (Diversity) und Vermeidung von Groupthink (zur Vorbeugung im Hinblick auf mögliche von Fehlentscheidungen aufgrund zu starker Meinungshomogenität) zu organisieren. Bei internen Kommunikationsproblemen, Netzwerkbeeinträchtigungen und deutlichem Leistungsabfall des Teams ist besonders die Teamleitung gefragt. Ein sanktionsfreier Raum (vgl. Kap. 3 u. 6.3) ist seitens der Geschäftsführung grundsätzlich zugesichert, ansonsten laufen die Verhandlungen mit dem Betriebsrat noch. Deshalb werden Sie diesen Punkt im Beratungsgespräch mit dem Team deutlich ansprechen. Dies gilt auch für die Zusicherung von Vertraulichkeit und Nichtauswirkung auf die Beurteilung der Mitarbeitenden. Die Grenzen der Vertraulichkeit, die Sie vor allem im Hinblick auf den Schutz höherer Rechtsgüter, beispielsweise der Verletzung von Betriebsgeheimnissen, die Verletzung von vereinbarten Standards oder des Mobbings unter Mitarbeitenden sehen, werden Ihrerseits ebenso klar formuliert. Hinsichtlich der personalen Reflexionsanregungen können Sie auf Ihre in Führungskräftetrainings und einer Coaching-Weiterbildung erworbenen Beratungskompetenzen zugreifen. Die Mitarbeitenden haben bislang wenig Erfahrung mit beruflicher Beratung, weshalb Sie Ihr methodisches Konzept und Vorgehen eingehend erläutern. Insbesondere dem Menschenbild und der humanistisch geprägten Haltung im Coaching geben Sie in Ihren Erläuterungen Raum. Teilweise ist dies für Ihre Mit-

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arbeitenden, die bislang eher in instruktionistischer Absicht durch Anweisungen geführt wurden, nunmehr Neuland. Exemplarisch verdeutlichen Sie es anhand des Symbols einer Waage, bei der eine Balance zwischen unterschiedlichen Perspektiven und legitimen Interessen herzustellen ist. Einerseits geht es um die Interessen der Mitarbeitenden, die ja keine homogene Gruppe, sondern als ein vielstimmiger Chor die richtigen Töne für den Wohlklang des Liedgutes treffen sollen. Andererseits geht es um Bedürfnisse der Kunden und Schnittstellen zum Umfeld. Auch hier ist eine Balance dahingehend herzustellen, dass die Organisation bestmöglich über ihre angebotenen Dienstleistungen und Produkte mit ihren Kunden kommuniziert und auch für die Erhaltung und Förderung einer lebenswerten Welt gesellschaftliche Mitverantwortung trägt. Deutlich wird, dass es nicht nur um sachbezogene Leistungen, sondern auch um Ideen und die kreative Weiterentwicklung der Organisation und deren Umfeld geht. Perspektivisch kann eine Anlehnung an das TZI-Modell (vgl. Kap. 3.7) durchaus hilfreich sein, weil darin stets eine Balance zwischen sach- und beziehungsorientierten Aspekten in ihren Dimensionen der Subjekt-, der Gruppen und der Bezugnahme auf das Umfeld unter Beteiligung aller hervorgehoben wird und dies auch gut mit der transformationalen, wertebezogenen Führung in Einklang zu bringen ist. Für eine Umsetzung transformationaler Führungsansätze werden dahingehend auch die Kompetenzen der Mitarbeitenden in den Vordergrund gerückt. Im Hinblick auf die Bewältigung der gemeinsamen Arbeitsaufgaben ist Ihr erster Eindruck bezüglich der Kompetenzen überwiegend sehr positiv. Bei einigen Mitarbeitenden sehen Sie besondere Potenziale, bei anderen Entwicklungsaufgaben, die Sie eher im kommunikativen Bereich verorten, allerdings bedarf Ihre Einschätzung bis zu den in einigen Monaten anstehenden Personalentwicklungsgesprächen noch weiterer Fundierung und einer hypothesengeleiteten Klärung möglicher Handlungsansätze, um die es hier gehen soll. Nach Abwägung dieser hier nur ansatzweise dargelegten Reflexionsdimensionen schlagen Sie ein Teamcoaching mit zunächst drei Sitzungen in 14 tägigem Abstand, separat von den wöchentlichen Teamsitzungen, und ein Nachgespräch vor, in einem anderen Raum bzw. falls dies nicht möglich ist, bei zumindest veränderter Sitzordnung. Als gemeinsames Ziel werden »funktionierende Teamsitzungen« von allen Beteiligten angestrebt. Aufgrund der Problemschilderung entsteht in Ihnen zunächst vielleicht spontan der Eindruck im Sinne einer ersten, noch recht unspezifischen Hypothese, dass der Führungskräftewechsel und der gleichzeitige Wechsel der Teammitglieder vom Team noch nicht verarbeitet worden sind. Dieser Eingangshypothese gehen sie nunmehr weiter nach, öffnen aber den Blick auch für weitere Aspekte, indem Sie systematisch selbstreflexiv und mit dem zu coachenden Team die sechs Systemebenen betrachten.

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7.1.2.1 H  ypothesenbildung zu den relevanten Personen des sozialen Systems

■■ Welche Personen sind bezüglich des zu bearbeitenden Coaching-Themas relevant? Wer steht im Vordergrund? Wer zieht im Hintergrund die Fäden? ■■ Wer kann den Erfolg beeinträchtigen bzw. behindern? ■■ Wer kann den Erfolg fördern und unterstützen? Hier sind zunächst die vier Teammitglieder mit je zwei Mitgliedern langer bzw. kurzer Teamzugehörigkeit und Sie als Führungskraft zu nennen. Ob noch weitere Personen in den Blick genommen werden sollten, entscheidet sich im ersten Coachinggespräch: Wie relevant ist etwa die Einbeziehung der Sekretärin etc.? Auch der ausgeschiedene Leiter hat offenbar »Spuren« hinterlassen: seine Botschaften wirken nach, was auch im nächsten Punkt zu erkennen ist.

7.1.2.2 H  ypothesenbildung zu den subjektiven Deutungen und Rollenwahrnehmungen der betreffenden Personen

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■■ Was denken und äußern die betreffenden Personen über die Situation und in welchen Begriffen beschreiben sie diese? ■■ Wie nehmen die Beteiligten die zentralen Anteile ihrer beruflichen Rollen selbst wahr? Wie sehen sie sich darin von den anderen relevanten Personen betrachtet? ■■ Wie nehmen die Beteiligten die Situation ihren jeweiligen Rollen wahr? ■■ Welche Werte und Visionen sind für die Beteiligten wichtig? ■■ Was hat Ihnen bisher dabei geholfen, ähnliche Situationen zu bewältigen (lösungsorientierte Frage nach Ressourcen)? ■■ Wie haben Sie es bisher geschafft mit ähnlichen bzw. dieser Situation zurecht zu kommen (lösungsorientierte Frage nach den eigenen Kompetenzen)? Allen Teammitgliedern ist eine wertschätzende Haltung zueinander und die Leitidee einer gelingenden, aufeinander abgestimmten Zusammenarbeit sehr wichtig. Allerdings haben sie unterschiedliche Vorstellungen von der Umsetzung in den jeweiligen Sitzungen. Die in neuem Stil moderierten Sitzungen würden zu lange dauern und seien zu wenig strukturiert, argumentiert der eine Teil des Teams. Die anderen beiden Teammitglieder betonen, man wolle lieber gründlich vorgehen, das dauere eben mal etwas länger, es sei aber wichtig alle einzubeziehen. Auf ihre Begründungen hin angesprochen, argumentieren die einen mit dem Zeitvorteil dieser bewährten Vorgehensweise, die anderen mit der größeren Nachhaltigkeit einer bei gründlicher Diskussion und guter Vorbereitung zustande kommenden Teamentscheidung. Ihre eigene Deutung aus Leitungsperspektive könnte durch das

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Wissen um die gruppendynamische Verabschiedung des Vorgängers (Schreyögg, 2002, S. 183) geprägt sein. Eine Teamentwicklungsmaßnahme (Teamtag) zur Verarbeitung des Leiterwechsels und Wechsels zweier Teammitglieder konnte noch nicht durchgeführt werden.

Die lösungsorientierten Fragen nach Ressourcen und Kompetenzen gehen davon aus, dass in vielen Situationen auf bereits bewährte Unterstützungsmöglichkeiten und eigene Fähigkeiten zurückgegriffen werden könnte, wenn diese im aktuellen Kontext hinreichend bewusst gemacht würden (Bamberger, 2015) oder entsprechende neue Ressourcen erschlossen bzw. Kompetenzen entwickelt werden können. In Erweiterung des Blickes auf individuelle Deutungsmuster stellt sich uns hier auch die Frage nach dem Führungs- und Teamkonzept der Organisation und vor allem nach der entsprechenden konzeptionellen Ausgestaltung der jeweiligen Berufsrollen. Soweit die Beteiligten unterschiedliche formale »Rollen­ hüte« tragen, ist etwa die Rolle des Teamleiters als Moderator und als Entscheider in Sachfragen und als Personalmitverantwortlicher (der z. B. nach der Probezeit der beiden neuen Teammitglieder eine Beurteilung abzugeben hat) zu berücksichtigen. Hinsichtlich der einzelnen Teammitglieder ist zu beachten, dass sie jeweils als Fachkräfte, als Kollegen sowie als jeweiliger Moderator in ihrer jeweiligen Perspektive auf die Situation agieren. Das lässt sich beispielsweise dadurch thematisieren, dass der jeweiligen Äußerung jeweils vorangestellt wird: »Als Kollege meine ich dazu …« »Als Moderator ist mir jetzt wichtig …« und die Rolleninhaber im Coaching jeweils angefragt werden: »Was meinen Sie als … dazu …?« Insbesondere kann die zunächst als zu komplex erscheinende Frage reflexionsförderlich sein »Als wer bin ich wann für wen was, und das wie genau?« (Barthelmess, 2016, S. 45). Indem allerdings die einzelnen Teilaspekte genauer benannt werden, geraten die wechselseitigen Rollenerwartungen in den Blick und können somit hinsichtlich ihrer Relevanz für das Beratungsthema betrachtet werden (weitere Anregungen zur systemischen Rollen­analyse vgl. Mohr, 2006, S. 65 ff.). Dies gilt ebenso für die individuellen Werthaltungen und Leitvisionen gelingender (Zusammen-)Arbeit der Beteiligten. Auch hier könnten die im Fallbeispiel angedeuteten Leitvorstellungen aus gesellschaftlich-kultureller, organisationaler und individueller Perspektive unter ethischen Gesichtspunkten – etwa einer Verantwortungskultur – genauer betrachtet werden, wozu hier allerdings nicht der Rahmen gegeben ist (vgl. Kap. 3.3). Auch im Hinblick auf das Teamkonzept ist zu klären, inwiefern das Team Informations-, Beratungs- und auch Entscheidungskompetenzen zugesprochen bekommen hat oder in welcher Hin-

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sicht diese durch die Teamleitungsrolle eingeschränkt sind (Herwig-Lempp, 2004, S. 32 f.). Bezüglich des Führungskonzeptes stellt sich ebenso die Frage, welches propagierte bzw. tatsächlich praktizierte Verständnis der Führungsrolle vorherrscht, woraus sich unterschiedliche Sichtweisen auf das im Coaching zu bearbeitende Problem ergeben können (vgl. Kap. 2 u. 4). 7.1.2.3 Hypothesenbildung zu den sozialen Regeln

■■ Welche sozialen Regeln gibt es, die die Problemsituation beeinflussen? ■■ Welche sind offensichtlich, welche verdeckt? Regeln sind oftmals nicht bewusst, man lernt im Laufe der (beruflichen) Sozialisation, was man tun darf und was nicht. Aber es ist oftmals nicht einfach, die dahinterstehenden Regeln zu erkennen oder gar die damit verknüpften Interessen oder ethischen Vorstellungen der Systemmitglieder und der Organisation mit ihren jeweiligen Subsystemen zu reflektieren (vgl. Kap. 3 u. 6). Deutlicher als inoffizielle (informell wirksame) sind da schon offizielle Regeln (z. B. Dienstanweisungen). Ebenso kann man offene (jedem Beteiligten deutliche) und verdeckte (eher indirekt aus dem Verhalten der Systemmitglieder zu erschließende) Regeln unterscheiden. Soziale Regeln geben Verhaltenssicherheit, können aber auch Probleme mit sich bringen, wenn sie nicht der Situation angemessen sind, zu sehr einengen oder sie zu diffus sind.

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Im Fallbeispiel sind die sozialen Regeln ebenfalls zunächst nicht so eindeutig erkennbar: es gibt zwar einen starken Teamzusammenhalt: »Wir stehen füreinander ein und halten zusammen!«, wobei Konflikte allerdings eher »weggedrückt« als ausgetragen werden, zumal das Team vor Ausscheiden des Teamleiters und der beiden Teammitglieder offenbar sehr meinungshomogen aufgestellt war. Gleichzeitig ist auch die Botschaft des ausgeschiedenen Teamleiters »Entscheidungen sollen gemeinsam, aber vor allem auch rasch erfolgen!« noch wirksam. Hypothetisch wäre es allerding auch denkbar und des Weiteren im Coaching zu eruieren, dass die vormals informelle Regel lautet: »Der Chef gibt die Richtung vor!« Im jetzigen Team wird hingegen von den beiden »neuen« Teammitgliedern versucht, eine neue Regel zu implementieren: »Wir bereiten Entscheidungen durch gründliche Diskussionen vor, streben Konsenslösungen und vermeiden möglichst Abstimmungen!« Es gilt nun, diese Regeln im Teamcoaching »hindurch zu erkennen« (im Wortsinn von Dia-gnose), diese zu benennen und gemeinsam auf ihre Funktionalität zu überprüfen: wie sinnvoll ist es beispielsweise, jede Entscheidung im Konsensmodus zu entscheiden oder lassen sich Bereiche unterscheiden, in denen davon abgewichen werden sollte?

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7.1.2.4 Hypothesenbildung zu den Regelkreisen

■■ Welche Verhaltensmuster treten in der betreffenden Situation immer wieder auf? ■■ Was tut Person A in einer bestimmten Situation, was tut daraufhin Person B? ■■ Gab bzw. gibt es Zeiten, in denen das Problem weniger stark oder vielleicht sogar überhaupt nicht auftritt? (Frage nach Ausnahmen) Regelkreise treten als Verhaltensmuster und Interaktionsstrukturen immer wieder auf. Eine nicht ganz einfache Aufgabe ist es, diese Regelkreise zu erfassen. Insbesondere durch zirkuläre Fragen (von Schlippe u. Schweitzer, 2007) lassen sich die Regelkreise der Kommunikation im Coaching gemeinsam herausarbeiten. (»Wie tragen Sie dazu bei, dass Ihr Gegenüber von Ihrem Redebeitrag ›genervt‹ ist oder Sie sogar unterbricht?« oder positiv gewendet »Was könnte die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Ihr Gegenüber Ihren Redebeitrag aufmerksam verfolgt?«). Im Fallbeispiel findet sich folgendes Muster: »Weil Ihr ja früher keine echte Diskussionskultur hattet, werden wir Euch die jetzt mal zeigen!« bringen die einen zum Ausdruck und diskutieren ausgiebig, die an­deren verstummen immer mehr, blicken auf die Uhr und finden die Diskussion zu lang: »Das bringt doch nichts mehr, lasst uns endlich abstimmen!« Wenn sie hingegen die Teamsitzung moderieren, ziehen sie diese sehr straff durch, weil ja noch so viele Punkte von der Agenda der vorausgegangenen Sitzungen unerledigt geblieben sind. Ihre Botschaft ist: »Wir wollen »Weil Ihrjajafrüher früher keine Diskussionskultur „Weil Ihr keine Diskussionskultur hattet, Euch neuen erst mal zeigen, dass es auch hattet, diezeigen!“ jetzt mal zeigen!« werdenwerden wir Euchwir dieEuch jetzt mal ohne lange Debatten geht!«, Sie lassen vielfach rasch abstimmen, obwohl die Details und Begründungen der Alternativen noch nicht hinreichend deutlich geworden sind. Dies sorgt bei den anderen wiederum für Unzufriedenheit, zumal einige dieser Team-Entscheidungen in der Realisierung scheitern, da wichtige Aspekte vorher übersehen worden sind. Wenn eines der beiden neuen »Wir wollenEuch Euch neuen zeigen, „Wir wollen neuen ersterst malmal zeigen, dass es dass auch ohne lange geht!“ Debatten geht!« Team­ mitglieder die Sitzung moderiert, auch es ohne lange Debatten kommt es mehr und mehr zu EndlossitAbbildung 11: Regelkreis der Teamzungen, da sie fast immer nach Möglichkommunikation im Fallbeispiel

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keiten für einen Teamkonsens suchen, dem alle zustimmen können. Dabei vergeht oft viel Zeit, die Agenda kann nicht vollständig abgearbeitet werden. Auf entsprechende Vorwürfe der anderen beiden reagieren sie mit dem Hinweis, dass dies ja nur vorübergehend so sei, wenn man sich im Team zunehmend einiger sei, gehe es dann auch schneller.

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Wenn es Ihnen dann noch gelingt, die Wechselseitigkeit der Interaktion zu visualisieren, etwa als Liste aufeinanderfolgender Verhaltensweisen oder als Kreis mit den jeweiligen, sich aufeinander beziehenden Interaktionen, so erreichen Sie in der Regel ein hohes Maß an Einsicht in die Interaktionsmuster des Systems. Je mehr Systembeteiligte bzw. Umwelt- und Entwicklungsdimensionen Sie dabei einbeziehen, umso mehr verbessern Sie die Chancen für, aufgrund dieser Einsicht realisierbare Verhaltensveränderungen von einzelnen Systemmitgliedern und möglicherweise des gesamten Systems. Die Frage nach den Ausnahmen vom Problem ist darauf gerichtet, Mustern gelingender Problembewältigung auf die Spur zu kommen. Gerade in »schwierigen Zeiten« verliert man mitunter den Blick für das mehr oder weniger Gelingende. Das können durchaus sehr begrenzte und (noch) nicht sehr stark ausgeprägte Sequenzen sein, geht es hier doch um das hervorzuhebende und möglicherweise ausbaufähige Muster gelingender Problembewältigung bzw. Kooperation. (Beispielsweise könnte sich bei entsprechender Nachfrage herausstellen, dass bei bestimmten Themen im Team durchaus rasch Einigkeit herzustellen ist.) Durch genaueres Nachfragen oder die Anregung, darauf in nächster Zukunft vermehrt zu achten, lassen sich möglicherweise Anhaltspunkte für eine Ausweiterung positiver Interaktionen finden, um diese in Richtung beständigerer positiver Regelkreise ausbauen zu können. 7.1.2.5 H  ypothesenbildung zur Systemumwelt und zum organisationalen Kontext

Das zu beratende System steht nicht für sich allein, sondern wird in seinem Verhalten durch soziale und materielle Systemumwelten beeinflusst. ■■ Inwieweit beeinflusst die materielle Umwelt, die räumliche und technische Ausstattung die Situation? ■■ Welche Rolle spielt die finanzielle Ausstattung mit Projektmitteln etc.? ■■ Welche personalen, teambezogenen, organisationalen (Sub-)Systeme beeinflussen die Situation direkt oder indirekt? ■■ Durch welche Strukturen und Regeln ist das System mit anderen sozialen Systemen verbunden bzw. abgegrenzt?

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Die räumliche Situation ist durch zwei Büroräume mit je zwei Arbeitsplätzen und einem größeren Besprechungs- und Büroraum für die Führungskraft geprägt. Die beiden schon länger in der Organisation tätigen Mitarbeitenden nutzen einen Raum und die beiden später hinzu gekommenen einen anderen. Am rechteckigen Besprechungstisch sitzen sie einander gegenüber, die beiden »alten« Teammitglieder auf der linken, die beiden »neuen« auf der rechten Seite. An der Stirnseite des Tisches ist die Projektionsleinwand für Präsentationen etc. angebracht, dem gegenüber steht der Stuhl der Führungskraft, der in deren Abwesenheit unbenutzt bleibt (allerdings symbolisch auch für deren gruppendynamische Präsenz steht). Der erst seit wenigen Wochen in der Organisation tätige Geschäftsführer hat auf der letzten Abteilungsleiterkonferenz mitgeteilt und viel Zustimmung dafür erhalten, dass er sich beim Vorstand dafür einsetzen wolle, dass ein neues, vermehrt auf Selbststeuerung der Mitarbeitendenteams ausgerichtetes Teamkonzept in der Organisation entwickelt werden solle. Möglicherweise würden dann, etwa in einem Jahr, umfassende Fortbildungsmaßnahmen anlaufen, begleitet von externer Supervision für die Teams und Coaching für die Teamleiter. Dem von Ihnen geleiteten Team käme dann eine Vorreiterstellung zu, denn – so die Äußerung des Geschäftsführers in der Abteilungsleiterkonferenz: »In ihrem Team wird ja schon ein hohes Maß an gemeinsamer Aufgabenbewältigung geleistet!« Ihnen bietet diese Perspektive eine erste Bestätigung dafür, dass Ihr Führungshandelns und der von Ihnen begonnene Coachingprozess im Sinne der Förderung der Selbststeuerungskompetenzen der Teammitglieder und der gemeinsamen Entscheidungsfindung im Organisationsinteresse liegen. Unmittelbar für den Coachingprozess nutzbare Anhaltspunkte bietet der diesbezügliche Blick in die organisationale Systemumwelt insofern gegenwärtig noch nicht, macht Ihnen allerdings deutlich, dass Sie in Richtung einer sich möglicherweise verändernden Organisations- und Teamkultur unterwegs sind.

Hinsichtlich des organisationalen Kontextes stellt sich die Frage, um was für ein Unternehmen bzw. eine Organisation in welcher Branche oder in welchem Arbeitsfeld es sich handelt, wie dies auf die Interaktion der Beteiligten einwirkt und welche Erklärungsansätze hier herangezogen werden können. Hier bietet das in Kap. 2.1 dargestellte Quadrantenmodell nach Wilber (2009, 2010) entsprechende Anhaltspunkte zur Analyse des Einflusses innerlich systemischer Faktoren (Wir-Kultur, Werte und Visionen), äußerlich systemischer Faktoren (Strukturen, Prozesse und Strategien) und der jeweiligen in der Gesamtorganisation aktuellen Themen (z. B. gegenwärtiger oder geplanter Umstrukturierungsprojekte etc.). Die coachende Führungskraft sollte sich allerdings bereits aus ihrer Führungsrolle heraus aufgrund entsprechend ganzheitlicher Ansätze,

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etwa der systemischen bzw. integralen Führung (Orthey, 2013; Kuhlmann u. Horn, 2016) oder etwa der systemischen Organisationsanalyse (Mohr, 2006) mit der differenzierten Analyse der eigenen Organisation befasst haben und diese Erkenntnisse nun für das Coaching nutzen können (vgl. Kap. 2). Ein eigenes Coaching, die kollegiale Beratung im Kreise anderer Führungskräfte oder eine Organisationsberatung kann die Führungskraft allerdings davor schützen, betriebsblind zu werden. Im Coaching von Mitarbeitenden ist seitens der Führungskraft insbesondere die Kompetenz zu einem Perspektivenwechsel gefragt, um die organisationalen Einflussfaktoren aus Sicht der zu beratenden Mitarbeitenden und deren Gestaltungsmöglichkeiten zu erfassen. 7.1.2.6 Hypothesenbildung zur Systementwicklung

»Soziale Systeme sind historisch – sie haben einen Anfang, eine Entwicklung und ein Ende« (König u. Zedler, 1995, S. 196). ■■ ■■ ■■ ■■

Seit wann besteht die gegenwärtige Situation? Ist sie stabil oder sind in letzter Zeit Veränderungen einge­tre­ten? Gab es in der Vergangenheit Regelkreise, die sich häufig wiederholten? Gab es kontinuierliche Veränderungen, etwa der allmählichen Verbesserung/Verschlechterung? ■■ Welche Trends deuten sich für die zukünftige Entwicklung an? Was wäre die beste, was die schlechteste mögliche Entwicklung? 7

Die gegenwärtigen Kommunikationsprobleme lassen sich mit dem Leiterwechsel, dem Wechsel der beiden Teammitglieder, mit den sich unterscheidenden subjektiven Deutungen und Vorstellungen von entsprechenden Teamregeln zur Sitzungssteuerung der nunmehr »alten« und der »neuen« Teammitglieder in Verbindung bringen, deren Integration in das Team im Sinne eines Teambuildings offenbar nicht entsprechend unterstützt worden ist (was wiederum durchaus Anlass zur retrospektiven Selbstreflexion als Teamleiter sein sollte). Prognostisch günstig ist die Orientierung aller Teammitglieder auf den gemeinsamen Teamerfolg einzuschätzen. Die in Aussicht stehende Reform des Teamkonzeptes kommt ebenfalls dem Gedanken gemeinsamer und damit nachhaltiger Teamentscheidungen entgegen.

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7.1.3 Zielkonkretisierung ■■ »Was genau wollen Sie erreichen?« ■■ »Woran werden Sie merken, dass Ihr Problem gelöst ist?«, lauten die zentralen zielorientierten Fragen.10 Das Team formuliert das nach einiger Diskussion übereinstimmend so: »Wir bewältigen die zu bearbeitende Agenda jeweils in der vorgesehenen Zeit, kommen zu Lösungen, die von allen verantwortet werden, halten uns dabei an die vereinbarten Kommunikationsregeln und Verabredungen, z. B. weniger wichtige Punkte im ›verkürzten Verfahren‹ zu beschließen, und gehen von einer wertschätzenden Haltung aus.«

Mittels der Futur-Zwei-Frage (ursprünglich »Wunderfrage« genannt, in der über Nacht eine gute Fee die Lösung herbeigezaubert hat) ■■ »stellen Sie sich vor, nach einiger Zeit ist das Problem überraschend gelöst!« lässt sich die gewünschte Lösung in einer Art Lösungstrance gedanklich und vor allem auch gefühlsmäßig vorwegnehmen. Es wird unter Einbeziehung möglichst vieler Sinne (visuell, akustisch, olfaktorisch – z. B. Kaffeegeruch – etc.) die Lösung des Problems simuliert. Ob sie nun – in der Vorstellung – im Sinne einer »Spontanheilung« überraschend oder erst aufgrund des Coachingprozesses erarbeitet worden ist, sollte der Coach in Einschätzung des Beratungsgegenstandes und der Beteiligten vorab entscheiden (für manchen ist nämlich eine Lösung, die nicht mühsam erarbeitet wurde, wenig wert, für andere liegt gerade in der Spontanität und Leichtigkeit der »Kick«).

10 Zur fundierte Zielbestimmung kann es hilfreich sein, den von Sonja Radatz entwickelten Kriterienkatalog für eine »gute Lösung« zu nutzen (Radatz, 2009, S. 161 f.): ■■ Was sind für Sie Kriterien einer guten Lösung? ■■ Woran würden Sie erkennen, dass Sie die Lösung gefunden haben? ■■ Welche Kriterien müsste die Lösung aufweisen, damit Sie sagen: »Genau das ist die Lösung«? ■■ Woran an Ihrem Verhalten würden Sie erkennen, dass die Lösung eingetreten ist. Was machen Sie anders (gleich) wie bisher? ■■ An welchem Verhalten der Beteiligten würden Sie erkennen, dass die Lösung eingetreten ist? ■■ Was darf eine gute Lösung keinesfalls beinhalten? Zusammenfassend lässt sich dann im Coaching auf dasjenige Anliegen bezogen konkret bündeln, was aus Sicht des Coachee eine »gute Lösung« beinhaltet.

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Aufgrund der genauen Nachfrage des Coaches ■■ »Was hat sich genau verändert?« ■■ »Wer bemerkt es als erstes?« ■■ »Was machen Sie dann anders?« werden bislang vielleicht übersehene oder nicht angemessen eingeschätzte Ressourcen erschlossen und Kompetenzen der Beteiligten sichtbar, die durch nachdrückliches Nachfragen »Was noch?« im Sinne einer Hebammenfunktion des Coaches vielleicht erst umfänglich »gehoben« werden. Die nunmehr hervortretenden Ressourcen und Kompetenzen werden des Weiteren nach konkreter Zielformulierung in kleinen Schritten zur Zielannäherung genutzt. Zielformulierungen bleiben mitunter in Vorsatzbildungen stecken (man ist zwar zielstrebig, es wird allerdings mehr »gestrebt« als »gezielt«). Daher ist gerade für das Coaching durch die Führungskraft die passgenaue, möglichst konkrete Zielformulierung wichtig, zumal dadurch das Erreichen des Zieles zwar nicht garantiert ist, wohl aber die Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung erheblich erhöht wird. Das in der Managementliteratur vielfach verwendete SMART-Modell (Watzka, 2016) bietet diesbezüglich konkrete Anhaltspunkte, bezieht aber beispielsweise den Kontext nicht mit ein. Wir präferieren aus konzeptionellen Gründen die systemisch-lösungsorientierte Zielformulierung, die folgende Kriterien beinhaltet: 7

■■ positiv formuliert, also: »Wo wollen Sie hin« »Was soll sein?« statt: »Was soll nicht (mehr) sein?« ■■ konkret und messbar definiert, also klare Bezüge: »Wie genau wird das aussehen?«, statt »weniger x und mehr y«: »Was genau ist dann anders?« »Was genau werden Sie tun?« »Wie werden Sie es tun?« ■■ sinnlich wahrnehmbar, von außen erkennbar, »Woran würde ein anderer Mitarbeiter oder der Kunde erkennen, dass das Ziel erreicht werden konnte?« ■■ aus eigenen Mitteln erreichbar: »Liegt die Zielerreichung in ihrem Einflussbereich (persönliche, fachliche Ressourcen)?« »Können Sie es allein tun?« ■■ kontextsensibel: »Passt das Ziel zu den Werten und Vorstellungen der der sozialen Umgebung, etwa der Unternehmens- bzw. Organisationskultur?« »Sind die Konsequenzen in ökologischer Hinsicht vertretbar?« (in Anlehnung an von Schlippe u. Schweitzer, 2007, S. 230).

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Im Hinblick auf das Fallbeispiel wird schnell deutlich, dass das Ziel durchaus positiv formuliert ist und den meisten vorgenannten Kriterien entspricht, allerdings sollte es im Hinblick auf einige Aspekte konkretisiert werden, so etwa hinsichtlich der Kommunikationsregeln. Die wertschätzende Haltung lässt sich hingegen allenfalls an Indikatoren (etwa dem Ausmaß einfühlendes Verstehens nach Rogers bzw.an wertschätzendem Feedback zu konkretem Verhalten) festmachen.

Zahlenskalen können dem Coachee dabei helfen, vom Schwarz/Weiß- bzw. Gut/Schlecht-Denken wegzukommen, sie machen kleine Schritte planbar und kleine Erfolge erkennbar (Schmitz, 2009). So könnte beispielsweise deutlich werden, dass im Hinblick auf das zukünftig anzustrebende Ausmaß an direktiver Sitzungssteuerung durch Moderation die Zahlenwerte der »alten« und »neuen« Teammitglieder auf der zehnstufigen Skala deutlich auseinanderliegen. Sollte es gelingen, den darin liegenden Teamkonflikt konstruktiv anzugehen, könnte ein gemeinsamer Wert angestrebt und in Zukunft genauer nachgefragt werden, ob sich diese Werte verändern, anstatt dass lediglich in »besser« oder »schlechter« kategorisiert wird. Skalierungen ermöglichen auch eine genauere Zielbestimmung, erleichtern die Wahrnehmung von bereits minimalen Veränderungen und begünstigen die Planung und Realisierung von weiteren Zwischenschritten: »Was können Sie tun, um von der Vier auf die Drei zurückzufallen?« »Wie könnten Sie von der Vier auf die Fünf gelangen?« Auch die Würdigung des Gegenwärtigen ist in vielen Fällen wichtig (wenn dies vom Coachee selbst oder anderen, etwa seinem Chef, bislang wenig erfolgt ist) und auf diese Weise leicht möglich »Was tun Sie dafür, dass Sie den Wert Vier halten?« 7.1.4 Lösungssuche Aus der Perspektive des Coachings durch die Führungskraft stellt sich vor dem Hintergrund, dass dieses vor allem als Prozessberatung zu verstehen ist (siehe oben), indem der Coachee bzw. das zu coachende Team darin unterstützt wird, angemessene Lösungen zu entwickeln, die Frage, wie dies konkret erfolgen kann. Ausgehend von den verstehens- bzw. erkenntnisorientierten Hypothesen und den handlungsorientierten Zielformulierungen können nun vielfältige Ideen entwickelt, anschließend gewichtet und im Hinblick auf die Umsetzung priorisiert werden. Wichtig ist dabei, dass allen Beteiligten deutlich ist: die Verantwortung für die zu findende Lösung liegt beim Coachee bzw. dem gecoachten Team. Als Coach können Sie allerdings beispielsweise durch hypothetisches Fragen (»Wie wäre es, wenn Sie …?«) intervenieren, diese lassen sich leicht einbringen, aber auch ebenso leicht wieder vom Tisch nehmen: »War ja nur so eine Idee!«;

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(von Schlippe u. Schweitzer, 2007). »Sie erwarten vielleicht von mir mehr Führung, – angenommen, es würde Ihnen nach einer Übergangszeit und mit entsprechender Reflexion nicht nur gelingen, sondern sogar Freude machen, im Sinne der Selbststeuerung gemeinsam mehr Teamführungsanteile selbst zu gestalten«). Sie haben keineswegs die »Wucht« von Ratschlägen und ähnlicher direktiver Interventionen, sondern sind vergleichbar den lösungsorientierten Experimenten und Minimalinterventionen. Ein ähnliches Ziel hat die Formulierung von »Ausnahmen«, in denen das erwünschte Verhalten bereits teilweise eingetreten bzw. minimale Veränderungen wahrnehmbar sind (»Als ich krankheitshalber an der Sitzung nicht teilnehmen konnte, hat es ja offenbar anfangs schon recht gut geklappt!«; von Schlippe u. Schweitzer, 2007). Nachfolgend werden Interventionsmöglichkeiten in Anlehnung an König und Volmer (2005, S. 51 ff.) in Verbindung mit Elementen des lösungsorientierten Coachings exemplarisch verdeutlicht. Die Hauptfrage an das zu coachende Team lautet nun: »Was können Sie vor dem Hintergrund der gefundenen Hypothesen als Team und was kann jeder einzelne auf den jeweiligen Systemebenen tun, um die Besprechungen so ausführlich wie nötig und so straff wie möglich gestalten zu können und unter Realisierung der neu vereinbarten Kommunikationsregeln zu Lösungen zu kommen, die möglichst von allen Teammitgliedern getragen werden und umsetzbar sind?«

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7.1.4.1 Wechsel von Personen in einem sozialen System

■■ Zu überlegen wäre, wie weit das System durch den Wechsel von Personen verändert werden kann? Gegenwärtig erscheint ein Wechsel der Personen im Team wenig sinnvoll, da dies erneut Unruhe in das Team tragen würde und auch die Beteiligten dies offenbar derzeit auch gar nicht erwägen. Denkbar wäre eine Moderation durch ein Mitglied eines »benachbarten« Teams, das im Austausch die Sitzung moderiert und insofern eher neutral bleiben könnte. Der entsprechende Aufwand und der Ertrag wären abzuwägen, mit dem Nachbarteam zu verhandeln und ggf. zu erproben. Allerdings würde sich dadurch gegenwärtig die gruppendynamische Komplexität erhöhen, daher erscheint eine solche Regelung erst zu einem späteren Zeitpunkt zielführend.

7.1.4.2 Veränderung der subjektiven Deutungen und Rollenwahrnehmungen

Geht man davon aus, dass das Verhalten von sozialen Systemen durch die subjektiven Deutungen der beteiligten Personen in ihren jeweiligen Rollen maßgeblich

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beeinflusst wird, dann wächst zumindest die Wahrscheinlichkeit, durch die Veränderung dieser subjektiven Deutungen eine Veränderung des Systems zu erleichtern. Subjektive Deutungen lassen sich von den Beteiligten transparent machen bzw. lässt sich vom Coachee direkt erfragen, wie sie bzw. er das jeweilige Problem verstehen und welche Lösungsperspektiven sie im Kontext dieser Deutung sehen: ■■ Klärung eigener subjektiver Deutungen durch »Ich-Botschaf­ten« (Gordon, 2004, S. 128 ff.). Diese beinhalten a) Angabe des eigenen Gefühls (»Ich ärgere mich darüber, dass sich das Meeting jetzt in die Länge zieht!«) b) Angabe des Verhaltens (»Meeting in die Länge zieht«) c) Angabe der Konsequenz (»Ich werde in der nächsten Sitzung so früh wie möglich den Diskussionsstand zusammenfassen, damit wir zügig zu einer Entscheidung kommen!«), ■■ Fokussieren konkreter Situationen (»Wir gehen die Teamsitzung jetzt nochmals durch: was hat es erleichtert und was erschwert, damit wir zügig zu guten Entscheidungen gekommen sind?«), ■■ Wiederholen (Paraphrasieren der Aussage des Gesprächspartners: »Das heißt, Du wünscht Dir eine straffere Moderation der Sitzung?«, ■■ Strukturieren als Zusammenfassung der Hauptpunkte (Gordon, 2004, S. 61 ff.) (»Ich höre dabei zwei Hauptpunkt heraus: dass ich den Diskussionsstand öfter zusammenfasse und mich selbst kürzer fasse?«); ■■ Aktives Zuhören (Gordon, 2004, S. 61 ff.), d. h. die Empfindung hinter der Äußerung des Gegenübers wird widergespiegelt (»Du ärgerst Dich, wenn meine Moderation nicht fokussiert genug ist?«). Subjektive Deutungen lassen sich des Weiteren verändern, indem die Situation anders gedeutet wird (König u. Volmer, 2005, S. 56 ff.; Bamberger, 2015): ■■ Veränderung der Bewertung von Verhaltensweisen: was ist das Positive an (vermeintlich) negativen Verhaltensweisen (»Ich empfinde manche Deiner Äußerungen als langatmig, allerdings wird mir jetzt bewusst, dass dies keinesfalls Deine persönliche Eigenart ist, sondern dass Du die Dinge gründlich bearbeiten willst«), ■■ Erfassen positiver Verhaltensweisen von Personen (»Du willst die Dinge gründlich besprechen, das hat ja auch sein Gutes, da werden plötzlich Aspekte deutlich, die ich vorher nicht gesehen habe.«), ■■ Erfassen von positiven Zielen hinter den Handlungen (»Du willst die Dinge gründlich besprechen, damit sie dann auch tatsächlich geklärt sind.«) ■■ Ereignisse positiv deuten: vielfach neigen wir dazu eintretende Ereignisse, etwa eine Organisationsveränderung oder einen Konflikt von vorn herein

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negativ zu deuten, statt auch die positiven Seiten anzuerkennen (»Die alte Teamregel des ›möglichst schnell Abstimmen‹ hatte zwar auch ihr Gutes, aber ein gründliches Abwägen kostet zwar mehr Zeit, trägt allerdings erheblich zur Nachhaltigkeit von Teamentscheidungen bei.«), ■■ Umdeuten von Kritik in Wünsche: während Kritik eher als Angriff aufgenommen wird, ermöglicht es ein Wunsch eher, auf ihn einzugehen (»Ich wünsche mir von Dir als Moderator der Sitzung, rascher einzugreifen, wenn einer von uns vom Thema abkommt.«), ■■ Einordnen von Verhaltensweisen in einen anderen Kontext: in einem anderen, nunmehr sichtbar werdenden Zusammenhang erscheinen die beanstandeten Verhaltensweisen in einem neuen Licht (»Weil ich jetzt weiß, dass Du mit diesem Vorgehen schon mal schlechte Erfahrungen gemacht hast, verstehe ich, warum Du Dich jetzt zurückhältst.«), ■■ Lösungsorientierte Fokussierung auf Ressourcen und Kompetenzen (»Welche Unterstützungsmöglichkeiten haben wir in unserer Organisation oder außerhalb schon genutzt oder könnten sie zukünftig nutzen? Welche unserer Kompetenzen?«). 7.1.4.3 Veränderung von sozialen Regeln

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Wie funktional sind die in der Hypothesenbildung herausgearbeiteten Regeln für die Erreichung der Ziele des Coachees bzw. des Teams? Wie lassen sie sich verändern? Welche Regeln sind zur Klärung von Problemen bzw. Konflikten in der Zusammenarbeit sinnvoll? Wie können diese besprechbar und damit lösbar werden? Die Veränderung sozialer Regeln kann in drei Schritten erfolgen: 1. Beurteilung der bisherigen Regeln Welche Ziele sollen durch diese Regel realisiert werden? (»Durch ein uneingeschränktes Rederecht aller Teammitglieder soll jede(r) die Möglichkeit erhalten, eine eigene Auffassung uneingeschränkt zum Ausdruck bringen zu können.«) Wie weit werden diese Ziele tatsächlich dadurch erreicht? (»Im Wesentlichen ja – aber Ihnen ist aufgefallen, dass es ein Mitglied im Team gibt, das seine Auffassung häufig wiederholt und dadurch andere hindert, ihre Position darzustellen?«) Wieweit ist die Regel überhaupt umsetzbar? (»Wenn immer genug Zeit vorhanden ist, sicherlich, aber die gegenwärtige Teamsituation zeigt, dass ein gewisses Maß an Regulierung erforderlich ist. Wie diese erfolgen kann, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten wollen wir jetzt zusammen klären.«)

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2. Sammlung von Alternativen: diese werden in einem Brainstorming gesammelt, und zwar ohne sie gleich zu bewerten. (»Wir könnten beispielsweise die Redezeit begrenzen. Oder wir könnten beispielsweise Kriterien für wichtige Themen festgelegen, die ausführlich zu besprechen und möglichst im Konsens zu entscheiden wären und für Themen, in denen sich die Teammitglieder ausdrücklich kurzfassen und über die anhand einer schriftlichen Vorlage rasch abgestimmt werden könnte?« In diesem Sinne wäre zu klären, bei welchen Punkten es jeweils um Information, Beratung und Entscheidung geht und wie wichtig die Konsenslösung jeweils für das Team ist [Herwig-Lempp, 2004]. Oder aber es werden ausgewählte Moderations- und Visualisierungstechniken angewendet, etc.) 3. Entscheidung für eine neue Regel und Umsetzung der neuen Regel: vielfach werden gerade vereinbarte Regeln gleich wieder unterlaufen, daher sollte zusammen mit der Entscheidung geklärt werden, wie deren Einhaltung überwacht werden soll. (»Wir haben uns jetzt für die Regel … entschieden. Der Moderator soll ausdrücklich ermächtigt werden, die Einhaltung der Regeln einzufordern, auch wenn dies einzelne zuvor als zu rigide empfunden haben, allerdings ohne den ›Teammotor abzuwürgen‹«.)

Bei Virginia Satir (2000, S. 323 ff.) findet sich eine besondere Form der Abänderung persönlicher Regeln, die an dem Satz »Ich muss immer alle ausreden lassen!« deutlich werden soll: 1. Sprich die problematische Regel mit unterschiedlicher Betonung mehr­ mals aus! ■■ »Ich muss immer alle ausreden lassen!« ■■ »Ich muss immer alle ausreden lassen!« ■■ »Ich muss immer alle ausreden lassen!« ■■ »Ich muss immer alle ausreden lassen!« ■■ »Ich muss immer alle ausreden lassen!« 2. Sammle Alternativen zu diesen Regeln, sprich sie mit unterschiedlicher Betonung aus, achte dabei auf das Gefühl! Mögliche Alternativen können sein: ■■ »Ich darf immer alle ausreden lassen!« ■■ »Ich darf den Moderator bitten, Dauerredner zu bremsen!« Dabei kann es auch hilfreich sein, Zusätze oder Ein­schrän­­kungen vorzunehmen:

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■■ »Ich darf Dauerredner unterbrechen, wenn diese sich wie­der­holen und der Moderator nicht eingreift!« 3. Wähle diejenige Regel aus, bei der das Gefühl nach mehrmaligem ­Sprechen positiv ist. Möglicherweise ergibt sich dabei eine angemessene Regel: ■■ »Ich lasse andere ausreden, mache aber auch deutlich darauf aufmerksam, wenn jemand sich aus meiner Sicht nicht an die vereinbarten Kommunikationsregeln hält.« 7.1.4.4 V  eränderung von Regelkreisen im Sinne von Lösungen zweiter Ordnung

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Im Alltag wird häufig versucht, Problemsituationen dadurch zu lösen, dass man wie Watzlawick et al. (2011, S. 51 ff.) formulieren, »mehr desselben« tut. Wenn sich beispielsweise durch meine Kritik am Verhalten meines Gegenübers nicht die gewünschte Veränderung erreichen lässt, werde ich mehr und nachdrücklicher kritisieren, worauf sich der/die andere noch mehr zurückzieht oder zum Gegenangriff übergeht (»Weil ihr ja keine wirkliche Diskussionskultur hattet, werden wir Euch mal zeigen, wie das geht!«). Solche »Lösungen erster Ordnung« führen selten zu wirklichen Lösungen, sondern werden häufig Bestandteil eines Regelkreises: je mehr beispielsweise A kritisiert, desto mehr wehrt B andere ab, je mehr B »zurückschießt«, desto mehr wehrt A ab oder geht ebenfalls zum Gegenangriff über (»Das bringt doch nichts, – im Gegenteil: Wir zeigen Euch jetzt mal, dass unsere bisherigen Regeln gut funktionieren. Wir bringen das Team viel schneller zum Ziel!«). In vielen Fällen führen hingegen Lösungen zum Erfolg, die den Regelkreis unterbrechen. Watzlawick et al. (2011, S. 51 ff.) sprechen hier von »Lösungen zweiter Ordnung«. Eine Lösung zweiter Ordnung bedeutet letztlich nur eines: etwas anderes tun. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, Lösungen zweiter Ordnung zu entwickeln: 1. Weniger desselben tun Dadurch, dass einer der Regelkreis-Beteiligten das ursprüngliche Verhalten nicht mehr oder in geringerem Maße zeigt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Regelkreis verändert. (In dem Maße wie die einen Teammitglieder darauf verzichten, die anderen zur Anpassung an ihre Regeln zu bringen und insofern »umzuerziehen«, entsteht ein offener Raum für neues).

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2. Etwas anderes tun Dabei geht es grundsätzlich darum, sich zu überlegen, was denn ein grundsätzlich anderes Verhalten sein könnte. (Anstatt die anderen zu kritisieren, könnten sie sich probehalber auf deren Vorgehensweise einlassen: vielleicht erweist es sich ja als gar nicht so falsch.) An dieser Stelle soll auf eine Reihe von Ansätzen der Gesprächsführung verwiesen werden, die vielfältige Möglichkeiten bieten, das Gespräch konstruktiv zu wenden: ■■ So beispielsweise die Vermeidung von Du-Botschaften und die Verwendung von Ich-Botschaften (Gordon, 2004), ■■ auf Vorwürfe des Gesprächspartners nicht mit Verteidigung zu reagieren, sondern den Inhalt zunächst zu wiederholen oder genauer nachzufragen, ■■ Probleme des Gesprächspartners nicht zu bagatellisieren, sondern Verständnis zu zeigen und die wahrgenommenen Empfindungen widerzuspiegeln im Sinne des aktiven Zuhörens (Gordon, 2004) sowie der klientenzentrierten Gesprächsführung nach Rogers (1983). Besonders hervorgehoben werden soll der Perspektivenwechsel, der etwa durch zirkuläres Fragen und andere Techniken systemischer Beratung ermöglicht wird und eine neue, vielleicht eher wertschätzende Perspektive auf bisherige Muster oder aber neue Verhaltensalternativen erschließt (von Schlippe u. Schweitzer, 2007). 3. Die »Tonart« des Verhaltens verändern Diese Vorgehensweise geht auf den Ansatz lösungsorientierter Beratung nach Steve de Shazer (2008) zurück. Demnach lassen sich Verhaltensmuster abändern, indem man geringfügige Veränderungen vornimmt. (Sie könnten in der nächsten Sitzung die Teammitglieder beiläufig dazu einladen, mal den Tisch anders zu stellen oder mal den Platz zu wechseln.) Im Gegensatz zu Ratschlägen, die eine massive Einflussnahme bedeuten, erzeugen minimale »Experimente« keinen massiven Veränderungswiderstand. Sollten sie sich dann doch nicht realisieren lassen, so können sie ohne Gesichtsverlust für alle Seiten (etwa das Gefühl, die »Hausaufgabe nicht erledigt zu haben«) diese wieder revidieren. 4. Metakommunikation Diese bedeutet, über die Kommunikation zu reden (Schulz von Thun, 1981, S. 91 ff.) und den Regelkreis »von außen« zu betrachten, um sich zu verdeutlichen, wie der/die eine im Anschluss an das Verhalten des/der ande-

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ren handelt, was wiederum das Verhalten des Gegenübers beeinflusst und so weiter. Diesen Regelkreis herauszuarbeiten und möglichst zu visualisieren ist nicht einfach, wenn man selbst an dieser Interaktionsstruktur beteiligt ist. Im Beispielfall des Teamcoachings gehen wir davon aus, dass genau dies bereits per Hypothesenbildung gelungen ist und nun zur Veränderung des Interaktionsmusters genutzt werden kann. So können jetzt beispielsweise die Verhaltensweisen der Beteiligten durch wechselseitiges Nachfragen besser verstanden und gewürdigt werden, so etwa hinsichtlich des durch den vorherigen Teamleiter und das Team in der vormaligen Besetzung eingeführten Verhaltensmusters rascher Entscheidungen. Ebenso können die Beweggründe der neu hinzu gekommenen, auf gründliche Diskussion drängenden Teammitglieder erfragt und gewürdigt werden. Vor dem mittlerweile deutlich gewordenen Hintergrund, dass alle Beteiligten sehr am Teamerfolg interessiert sind, können nunmehr gemeinsam neue Regeln vereinbart und neue Verhaltensweisen erprobt werden, die im Laufe ihrer Umsetzung, etwa durch Feedbackrunden, metakommunikativ überprüft werden. 7.1.4.5 Veränderungen in Bezug auf die Systemumwelt und den organisationalen Kontext

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Im Hinblick auf die Veränderung der materiellen Umwelt (materielle, räumliche, technische und finanzielle Ausstattung) kommt man möglicherweise rasch an äußere Grenzen, mitunter werden allerdings nicht alle Möglichkeiten genutzt. Und auch geringfügige Veränderungen (eine veränderte Sitzordnung, Sitzungspausen bei gelüfteten Fenstern, etc.) haben mitunter durchaus positive Folgen. So wäre eine Veränderung der konfrontativen Sitzordnung – zwei auf einer Seite, zwei auf der anderen – denkbar: Vielleicht könnten die Sitzungen in Zukunft an einem runden Tisch erfolgen. Aufwendiger und vielleicht mit mehr Widerstand verbunden wäre vermutlich die »Durchmischung« der Büroräume: je ein »neues« Teammitglied nutzt nun zusammen mit einem »alten« den Raum, – auch unter der Perspektive der Einarbeitung und des Wissensmanagements wäre dies in zukünftigen Fällen sinnvoll. Im Teamcoaching wären die konkreten Maßnahmen, etwa per Brainstorming, zu entwickeln, auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen und auszuhandeln. Im Hinblick auf den organisationalen Kontext sind vor allem die Veränderungen an den Systemgrenzen bedeutsam, damit diese mehr oder weniger durchlässig werden (vielleicht lassen sich durch den Austausch mit benachbarten Teams Moderationsaufgaben wechselseitig austauschen) aber auch negative Außeneinflüsse begrenzt (negatives Konkurrenzdenken unterschiedlicher Teams und Abteilungen sollte aus der Leitungsperspektive minimiert werden) und Ressourcen besser genutzt werden können (beispielsweise durch die rechtzeitige

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Mittelanforderung für die Teamentwicklung). Der Arbeitsbeziehung zur nächsthöheren Führungsebene kommt dabei besonderes Gewicht zu (insofern ist den Überlegungen des neuen Geschäftsführers hinsichtlich einer Veränderung des Führungs- und Teamkonzeptes Aufmerksamkeit zu schenken). 7.1.4.6 Veränderung hinsichtlich der Systementwicklung

Entwicklungen sozialer System verlaufen nicht selten in Sprüngen: ein System verhält sich möglicherweise über längere Zeit starr, um sich dann binnen kurzem sehr schnell zu verändern. Entsprechend können Stabilisierung und Veränderung »durchaus als Intervention genutzt werden: ■■ Zeit lassen in der Erwartung, dass sich ein positiver Systemzustand von selbst stabilisiert oder bestimmte Problemsituationen sich von selbst lösen, ■■ Veränderungen schnell vorantreiben« (König u. Volmer, 2005, S. 65). Im konkreten Fall gehen wir davon aus, dass gegenwärtig angesichts des allseitigen »Leidensdruckes« bzw. – positiv formuliert – vorhandenen Problembewusstseins ein günstiger Zeitpunkt zur Gestaltung eines Teamcoachings gegeben ist. Des Weiteren gehen wir davon aus, dass im Rahmen der gemeinsamen Hypothesenbildung die eigene Teamgeschichte mittlerweile besser verstanden und gewürdigt worden ist, so etwa die Verdienste des pensionierten Teamleiters und des Teams in der vormaligen Besetzung. Ebenso konnten die Beweggründe der neu hinzu gekommenen Teammitglieder mittlerweile erfragt und gewürdigt werden. Da alle Beteiligten sehr am Teamerfolg interessiert sind, allerdings bislang unterschiedliche Wege präferiert haben, gilt es nun, diese – möglichst einvernehmlich – in der zuvor skizzierten Weise in zu vereinbarende neue Systemregeln und Verhaltensweisen zu integrieren und die auf diese Weise selbst erarbeiteten Lösungen umzusetzen. An dieser Stelle verlassen wir das Fallbeispiel.

7.1.5 Transfer und Abschluss Nachdem nun im Coaching die entsprechenden, auf den im konkreten Fall relevantesten Ebenen hypothesen- und zielorientierten Interventionsrichtungen bestimmt worden sind, geht es des Weiteren nun um deren Transfer in die Praxis im Sinne einer Priorisierung und Umsetzung von geplanten Lösungen in konkrete Handlungsschritte: ■■ Was ist jetzt am dringendsten (etwa, um mögliche Schäden/Gefahren abzuwehren oder sich momentan bietende Chancen zu nutzen),

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■■ am ehesten angeh- und veränderbar (wo sind die »Pack-Enden« im Sinne von günstigen, ersten Handlungsansätzen?), ■■ am erfolgversprechendsten (wo werden sich voraussichtlich am ehesten erste, motivierende Erfolge einstellen?),

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um die Chancen zur Realisierung der anvisierten Ziele zu erhöhen. Bei der Umsetzung konkreter Veränderungsschritte gilt es, etwaige Hindernisse zu berücksichtigen.11 Dies können etwa innere Einstellungen des Coachees sein, aus denen er einen »Gewinn« zieht (z. B.: »Wenn ich versuche, es allen recht zu machen, werde ich von allen wertgeschätzt«) und die es gegenüber der vom ihm angestrebten Zielsetzung abzuwägen gilt (»Ich will nur konkret mit meiner beruflichen Aufgabe unmittelbar zusammenhängende Erwartungen erfüllen.« »Was bedeutet das für mein Bedürfnis nach Wertschätzung?«). Es kann sich aber auch um andere äußere Barrieren, etwa institutionelle und Hindernisse handeln, die durch andere Menschen errichtet sind, oder um die Gewinnung materieller Ressourcen. Bei der Frage nach etwaigen Hindernissen sind die nicht intendierten Auswirkungen im Sinne einer »Kosten-Nutzen-Analyse« zwischen der gegenwärtigen Situation bzw. dem gegenwärtigen Verhalten und der anvisierten Veränderung in den Blick zu nehmen. Sollten sich dabei Ambivalenzen zeigen, kann es sinnvoll sein, die im Coaching erarbeiteten Zielsetzungen nochmals zu überprüfen. Möglicherweise führt dies dann zu neuen bzw. differenzierteren Zielen oder der Coachee entscheidet sich bewusst, das gegenwärtige Verhalten (zumindest zeitweise noch) beizubehalten. Ein solches »Ambivalenz-Coaching« (Schmidt, 2004, S. 129 f.) kann im Verlaufe des Coachings immer wieder indiziert sein. Coaches sollen deshalb mög11 Gabriele Oettingen hat in 20jähriger Forschungsarbeit in Kritik bzw. Fortentwicklung der Positiven Psychologie herausgefunden, dass die fehlende Berücksichtigung der Hindernisse die Umsetzung von Handlungszielen häufig stark beeinträchtigt. Deshalb hat sie dieser in der von ihr entwickelten WOOP-Methode (2015) einen besonderen Stellenwert eingeräumt (ausführlich dazu vgl. Kap. 8.2.1). Oettingen ging deshalb von der Hypothese aus, die sich später bestätigte, »dass mentales Kontrastieren, also die Kombination von positiven Träumen und dem Visualisieren von Hindernissen, in genau dieser Reihenfolge, sich als hilfreich erweisen würde« (Oettingen, 2015, S. 86). Wenn Menschen sich beides anschauen, erst den Wunsch und dann die Realität und beides in Beziehung setzen, »passiert etwas ganz Wunderbares: Ganz allein, ohne die Hilfe von Therapeuten, Coaches oder Medikamenten, finden sie die Energie, um Wünsche anzugehen, die für sie realisierbar sind« (Oettingen, 2015, S. 121). Durch die abwechselnde Beschäftigung mit der Realität und der Wunscherfüllung im mentalen Kontrastieren wird es möglich, einen realistischen Blick auf Zukunftschancen zu erhalten und Strategien zur Beseitigung bzw. Überwindung von Hindernissen zu entwickeln.

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lichst genau auf verbale und nonverbale Resonanzen im Zusammenhang mit der Zielfindung achten, geht es doch letztlich darum, dass der Coachee seine Wahlmöglichkeiten bei Lösungen erhöhen und in diesem Zusammenhang die Auswirkungen möglichst vorab prüfen kann. Das Ambivalenz-Coaching kann gerade im Coaching durch die Führungskraft eine besondere Herausforderung mit sich bringen, zeigt sich doch gerade hier, ob die coachende Führungskraft dem Coachee gegenüber tatsächlich und emotional die Freiheitsgrade zur Verfügung stellt und die notwendige Geduld und Zeit mitbringt, um entsprechende Ambivalenzschleifen zu begleiten, in denen sich der Prozess allerdings ebenso wenig verlieren sollte. Bei besonders heiklen Vorhaben bieten sich Worst-Case-Szenarien an. Sich vorab mit erkennbaren Wenn-Dann-Szenarien zu befassen, ist ohnehin eine bewährte Veränderungsstrategie.12 Der Coach kann bislang nicht berücksichtigte Perspektiven und Lösungsoptionen durch hypothetisches Fragen (vgl. Kap. 7.1.4) ergänzen bzw. die Sichtweisen des Coachee entsprechend erweitern. Bei der Umsetzung konkreter Planungsschritte werden neben den Hindernissen vor allem die bereits in der Phase zwei – in Zusammenhang mit der Hypothesenbildung – ermittelten individuellen, rollen- und organisationsbezogenen Ressourcen (visualisiert) gebündelt und deren Zugänglichkeit für jeden einzelnen Umsetzungsschritt geprüft bzw. deren Erschließung geplant. Auch hier kann der Coach eventuell Anregungen geben, da er aus seiner Vorgesetztenperspektive möglicherweise entsprechend nutzbare Ressourcen gut überblicken kann. Dabei sollte er sich allerdings entsprechender Rollenkonflikte (beispielsweise im Hinblick auf eine möglichst kostengünstige Lösung, die aber aus fachlicher oder aus Sicht des Coachee nicht als die beste gelten kann) bewusst sein und diese gegenüber dem Coachee transparent machen. Umgekehrt gilt dies auch für mögliche verdeckte Appelle der Mitarbeitenden, die ihre interessengeleiteten Anliegen nur implizit ansprechen. Auch diese sollte die coachende Führungskraft deutlich ansprechen und damit einer möglichen Bearbeitung in der Rolle als Coach bzw. als Führungskraft zugänglich machen, ohne den Mitarbeitenden »vorzuführen«. In dieser Phase des Coachingprozesses empfiehlt sich auch ein nochmaliger, systematischer Blick auf die bereits durch kompetenzorientiertes Fragen (vgl. Kap. 5.2.2) erhobenen individuellen Kompetenzen des Coachee. Welche 12 In diesem Zusammenhang verweist Oettingen auf das Konzept der Implementation Intentions. Dabei geht es um die »Herausbildung expliziter Absichten, mittels derer man den Weg zum Ziel plant« (Oettingen, 2015, S. 165). Anstatt Schwierigkeiten auf sich zukommen zu lassen und diese situativ zu bewältigen, ist nach dem Wenn-dann-Prinzip zu verfahren, das sich als besonders wirksam erwiesen hat.

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dieser Kompetenzen kann er jeweils in welchem Umsetzungsschritt einsetzen und welche könnte er sich jeweils noch erwerben? Hat der Coachee beispielsweise bereits Präsentationen auf Teamebene durchgeführt, gilt es, sich die in diesem Zusammenhang eingesetzten Kompetenzen möglichst präzise bewusst zu machen und deren Anwendung im Rahmen einer Präsentation auf Vorstandsebene vorab zu reflektieren. Gegebenenfalls ist rechtzeitig ein Rhetorikkurs zwischen zu schalten. Zur Transfersicherung kann das Coaching als Monitoring und Unterstützung im Sinne einer regelmäßigen Erfassung und Bewertung der jeweiligen Zwischenschritte zur sukzessiven Überwindung von vorhersehbaren und unvorhergesehenen Hindernissen bzw. von erreichbaren oder während des Umsetzungsprozesses zu verändernden Zwischenziele hilfreich sein. Gerade in der kleinschrittigen Transferbegleitung liegen unseres Erachtens besondere Möglichkeiten des jeweils kurzzeitig verfügbaren Coachings durch die Führungskraft. Am Ende des Coachingprozesses kann der rückschauende Blick auf das Coaching den Lernprozess und -gewinn des Coachees (»Was war für Sie wichtig?«) nochmals zentrale Lerngewinne vergegenwärtigen und sichern, sowie den Coachee in seiner Selbstwirksamkeit abschließend bestärken. Nicht zuletzt sollte die spätere Evaluation der Zielerreichung im Coaching thematisiert werden (Lippmann, 2013 a, S. 50).

7.2 Coaching durch die Führungskraft als Kurzzeit-Variante 7

In diesem Kapitel wird die zeitlich reduzierte Variante des Coachings durch die Führungskraft anhand eines Leitfadens und eines Fallbeispiels vorgestellt. Steht für das Coaching nur begrenzte Zeit zur Verfügung (ca. 30 bis 60 Minuten), und/oder erscheint die zu bearbeitende Fragestellung überschaubar, so bietet sich eine methodisch und prozessual reduzierte Variante des Beratungsformates Coaching an, das Kurz-Coaching. Dieses soll weder als »Speed-Coaching« missverstanden werden, noch zur Oberflächlichkeit verleiten. Es unterliegt denselben Grundüberlegungen und Voraussetzungen (vgl. Kap. 4), einer ethisch fundierten Verantwortungskultur (Kap. 3.2) in Verbindung mit autonomiefördernden Führungskonzepten (Kap. 2.3. u. 2.4) und konzeptionellen Rahmungen des Transflexings (Kap. 2.5 u. 5). Jedoch stellt gerade auch die Variante des kurzzeitigen Coachings erhebliche Anforderungen an den Coach, nämlich sich in relativ kurzer Zeit auf den Coachee mit dessen Fragestellung einzustellen, das Setting entsprechend zu gestalten sowie den Beratungsprozess zum einen gut zu strukturieren und zum anderen gleichzeitig die erforderliche Beratungs-

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tiefe zu erreichen, um eine differenzierte Problemanalyse vornehmen und neue Lösungsoptionen erschließen zu können. Als eine »gestraffte« Variante bietet das Kurz-Coaching in seiner überschaubaren, leitfadengestützten Vorgehensweise auch coachenden Führungskräften, die (noch) nicht über eine längerfristige Weiterbildung verfügen, ein handhabbares Handwerkszeug an. Basale Beratungskompetenzen und eine zumindest zeitweise Begleitung durch Supervision oder andere Reflexionsformen sind allerdings vorauszusetzen. Konzeptionell sehen wir die Kurzzeit-Variante des Coachings durch die Führungskraft ebenso wie die umfassendere Version vor dem Hintergrund systemisch-lösungsorientierter Ansätze, wie sie bereits im vorherigen Kapitel dargestellt sind. Das Kurz-Coaching kann aufgrund seines reduzierten Zeitaufwandes zum einen relativ kurzfristig terminiert werden. Zum anderen bietet es sich im Rahmen einer am Transflexing orientierten Führungskultur (vgl. Kap. 2 u. 9) an, im Kontext von Mitarbeitergesprächen regelmäßig zeitliche Ressourcen für entsprechende Beratungssequenzen vorzusehen. Diese Coachingeinheiten sollten allerdings in der jeweiligen Agenda deutlich gekennzeichnet sein. Dadurch eröffnet sich die Möglichkeit, nicht erst reaktiv auf Problemlagen einzugehen, sondern die Mitarbeitenden bei der Bewältigung bei von vornherein erkennbaren Projekthürden oder möglicherweise konfliktbehafteten Arbeitsaufgaben zu unterstützen und entsprechend präventiv einwirken zu können. Möglicherweise können so frühzeitig Fehlentwicklungen und Konfliktverschärfungen vermieden werden. Auch Meetings und Teamgespräche lassen sich im Sinne des Transflexings methodisch ausgestalten, etwa indem das Beratungsformat der Intervision (vgl. Kap. 8.1) oder das des Coachings durch die Führungskraft genutzt wird. Stehen für letzteres sowohl Einzel- wie Gruppensettings zur Verfügung, sollte der Coach vorher abwägen bzw. mit den Beteiligten absprechen, welches Setting geeigneter sein könnte (vgl. Kap. 6). Auch im Rahmen eines Kurz-Coachings ist vorab die Rolle der Führungskraft als Coach (vgl. Kap. 2, 3 u. 6) sorgfältig zu klären. Voraussetzung ist ebenso eine differenzierte ethische, rollen-und kompetenzorientierte Selbstreflexion der Führungskraft (vgl. Kap. 3 u. 6.3). Hinsichtlich der strukturellen, prozessualen und personalen Abwägungen gehen wir in nachfolgendem Fallbeispiel von ähnlichen Voraussetzungen aus, wie sie bereits im Fallbeispiel in Kap. 7.1 dargelegt worden sind. Auf die Gestaltung des Settings sollte gerade auch beim Kurz-Coaching geachtet und dieses nicht »mal eben so« in die laufenden Gesprächsformate eingebunden werden. Insofern ist auch in diesem Format der Beratungskon-

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trakt sorgfältig zu gestalten und abzustimmen (vgl. Kap. 6.4). Der Wahl des Sitzungsortes, der Sitzpositionen und entsprechender Eingangsrituale kommen hier besondere Bedeutung zu (vgl. Kap. 6.5.3). Am folgenden Beispiel soll die Vorgehensweise des Kurz-Coachings verdeutlicht werden. Herr M. ist seit drei Monaten im Unternehmen tätig. Das Unternehmen führt Serviceaufträge für ein weiteres Unternehmen durch, die ihrerseits mit den Kunden umfangreiche Serviceverträge abgeschlossen hat. Herr M. hat als Service-Mitarbeiter regelmäßig Bereitschaftsdienst. Dabei gehört es zu seinen Aufgaben, anhand einer Checkliste in den auf seinem Diensthandy eingehenden Kundengesprächen abzuklären, ob die aufgetretene Störung tatsächlich einen sofortigen Einsatz erforderlich macht oder nicht. In einem routinemäßig stattfindenden Mitarbeitergespräch mit Ihnen als seiner unmittelbaren Führungskraft berichtet er auf Ihre Nachfrage, ob ihn etwas an seiner neuen Tätigkeit belaste, davon, dass es ihm des Öfteren schwer falle, auf die Wünsche von Kunden nach sofortigem Service nicht unmittelbar einzugehen, sondern – wie es auch den Kunden im Service-Vertrag zur Kenntnis gebracht worden sei – auf den nächsten regulären Termin zu verweisen. Besonders schwer falle ihm das, wenn Kundinnen, dabei sehr emotional seien oder gar weinten. Oftmals fahre er dann doch noch zum Kunden, obwohl dies eindeutig nicht Aufgabe des Bereitschaftsdienstes sei. Hinterher ärgere er sich. Auf Ihr Angebot eines Coachings geht Herr M. nach kurzer Bedenkzeit ein.

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Folgende Fragen an den Coachee können zur Strukturierung des Gesprächs hilfreich sein: ■■ Was ist Ihre konkrete berufliche Aufgabe? Wie sieht die Zielsetzung des konkreten Projektes aus? In welchen Kooperationen wird es durchgeführt? Herr M. schildert Ihnen kurz die Aufgabe, die Ihnen weitgehend bekannt ist. Er arbeitet in einem Team von Servicemitarbeitern, führt die Serviceaufträge allerdings jeweils eigenständig durch.

■■ Was verlief bislang positiv und welche Ressourcen und Kompetenzen haben sie dazu genutzt? Herr M. schildert, dass es ihm im Normalfall durchaus gelinge, auf sofortige Servicewünsche mit dem Hinweis auf den regulären Termin zu reagieren und das Gespräch freundlich aber bestimmt zu beenden. Als Ressource nutze er dabei den Hinweis auf den Servicevertrag zwischen seiner Firma und dem für den Kunden

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zuständigen Kostenträger und als Kompetenz seine freundliche, verbindliche und klare Art, die ihm schon wiederholt von Kunden anerkennend bestätigt worden sei.

■■ Welche Schwierigkeiten sehen Sie konkret, seit wann und in welcher Intensität? Seit Beginn seiner Tätigkeit sei es ihm schwergefallen, entsprechende Kundenwünsche abschlägig zu beantworten, insbesondere wenn die Kundinnen sehr wortreich und gefühlsbezogen, etwa in weinerlichem Tonfall, begründen würden, warum sie es einfach nicht mehr aushalten könnten, bis zum regulären Servicetermin zu warten. Auf aggressiv geäußerte Kundenwünsche könne er hingegen durchaus, wenn auch nicht immer so doch häufig, weitestgehend freundlich und bestimmt ablehnend reagieren.

■■ Welche anderen Sichtweisen auf die Schwierigkeiten und die bisherigen Lösungen sind denkbar, aus welcher relevanten Perspektive anderer Personen und Organisationsbereiche lassen sich diese noch betrachten? Sie schlagen Herrn M. vor, sich in die Position der Kundin hinein zu versetzen, die das eigene Anliegen am emotionalsten begründet hat. Herr M. benennt die Kundin X. Sie bieten ihm dazu einen leeren Stuhl an, mit dem Hinweis, auf diese Weise die Situation der Kundin nach zu empfinden. Indem Herr M. sich nun auf diesen Stuhl setzt und die Stimme der Kundin »im Ohr« hat, bitten Sie ihn, eine aus seiner Wahrnehmung passende Körperhaltung auf dem Stuhl einzunehmen und den Satz »Sie müssen unbedingt sofort kommen!« auszusprechen. 13 Er empfindet dabei die Enttäuschung über die Verweigerung eines sofortigen Termins als stark belastend. 13 Die Beratungstechnik »Leeren Stuhl« stammt aus der integrativen Gestalttherapie (Walcher, 2014) und kann im Coaching auf unterschiedliche Weise ausgestaltet werden, insbesondere als Möglichkeit der Identifikation. Dabei setzt sich der Coachee auf den zuvor einer Person oder einem persönlichen Anteil des Coachees gewidmeten Stuhl und fühlt sich in die entsprechende Person bzw. den entsprechenden inneren Anteil ein, wobei er die entsprechende Körperhaltung einnimmt. Auch als Dialogtechnik bei der Bearbeitung von Konflikten oder inneren Spannungen und Ambivalenzen lässt sich diese Technik anhand zweier gegenüber stehender Stühle, die der Coachee entsprechend der jeweiligen Position wechselt, einsetzen. Die Beratungstechnik des leeren Stuhls bedarf allerdings entsprechender Methodenkompetenz. Bei ihren Einsatz im Coaching durch die Führungskraft sehen wir über die dargestellte basale Version hinaus vielfältige Einsatzmöglichkeiten (etwa in Entscheidungs- und Konfliktsituationen), die allerdings sorgfältig abzuwägen und ggf. mit dem Coachee abzustimmen sind, da sie durchweg das persönliche Erleben bzw. den persönlichen Bereich des Coachees nicht nur tangieren können und dementsprechende Abgrenzungsmöglichkeiten des Coachee geboten sind (vgl. Kap. 4 u. 5).

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Vom Coach befragt, woran ihn diese Äußerung und diese Stimme der Kundin erinnere, vergegenwärtigt sich Herr M. seine demenzkranke Mutter, die in ähnlichem Tonfall mitunter bei ihm anrufe und von ihm fordere, er müsse sofort in das Altenheim kommen, da ihr Geld gestohlen worden sei.14 Herr M. äußert, dass ein Kollege vor einiger Zeit gesagt habe, dass es ihm anfangs auch sehr schwergefallen sei, auf entsprechend emotional belastende Anrufe jeweils ablehnend zu reagieren. Herr M. vermutet, dass es der Mehrheit der Kollegen leichter falle, den jeweiligen Kundenwunsch routiniert abzulehnen, da diese schon lange im Unternehmen tätig seien. Vielleicht seien auch einige schon etwas »abgestumpft«.

■■ Welche Hypothesen zur Entstehung und Aufrechterhaltung der beschriebenen Schwierigkeiten erscheinen Ihnen plausibel, welche könnten noch hilfreich sein? (Bei komplexeren Problemlagen können die in Kap. 5.2 und 7.1 dargestellten sechs Systemebenen eine Orientierung bei der Hypothesenbildung sein, um personale wie organisationale Faktoren und deren Zusammenspiel in den Blick zu nehmen.) Herr M. äußert, dass er dem emotionalen Druck der Ablehnung des sofortigen Serviceeinsatzes schwer standhalten könne, da er die belastende Situation der Kunden sehr gut verstehen könne, vielleicht auch – und das sei ihm gerade erst so richtig deutlich geworden – weil seine Mutter auf ähnliche Weise seine Hilfe einfordern würde.

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■■ Stellen Sie sich vor, nach einiger Zeit sind die von Ihnen genannten Schwierigkeiten gelöst. Sie haben genau das erreicht, was Sie sich vorgenommen haben. Was genau hat sich geändert? Wer bemerkt es als erstes? Was machen Sie nun anders? Was noch? Herr M. stellt sich folgendes konkret vor: Es gelingt ihm, freundlich aber bestimmt fachlich unangemessene Kundenforderungen abzulehnen. Er drückt sein Bedauern

14 Da Herrn M. dies bislang nicht bewusst mit der aktuellen beruflichen Situation in Verbindung gebracht hat, könnte es sich um das Phänomen der Übertragung handeln. Der Begriff stammt aus der Psychoanalyse und bezeichnet den Vorgang, dass ein Mensch alte Gefühle und Erfahrungen auf neue soziale Beziehungen überträgt. Es kann aber nicht Aufgabe des Coachings sein, differenzierter die Beziehung des Coachees, insbesondere die (unbewussten) Beziehungsmuster gegenüber seiner Mutter zu analysieren. Ohnehin sind dem Coaching durch die Führungskraft im Hinblick auf persönliche Anteile des Coachees enge Grenzen gesetzt (vgl. Kap. 4 u. 5).

Coaching durch die Führungskraft als Kurzzeit-Variante

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aus, dass er die Begrenzung des Servicevertrages nicht persönlich ausgleichen könne. Er macht die Kundinnen auf die Möglichkeit aufmerksam, mit dem Kostenträger eine teurere Regelung zu vereinbaren, die dann in jedem Falle einen zeitnahen Service ermögliche. Er fühlt sich während des Telefonates zwar angespannt, aber nicht unter Druck. Nach dem Telefonat und Schreiben des Protokollvermerkes geht er in Gedanken noch einmal das Telefonat durch und wendet sich dann bewusst anderen Aktivitäten zu.

Die Fokussierung auf die gewünschte Lösung der Schwierigkeiten kann zum einen eine besondere motivierende Funktion (als Pull-Faktor) haben, sie dient zum anderen dazu, hinsichtlich der nächsten kleinen Schritte auf Kompetenzen und Ressourcen zurückgreifen zu können, die insbesondere durch Nachfragen »Was noch?« zutage gefördert werden. Kommt es nicht zu einer produktiven Lösungsfokussierung wäre es auch denkbar, dass der Coach, etwa durch hypothetisches Fragen (»Nur mal angenommen, Sie würden jetzt mal in dieser Situation ein klein wenig anders handeln, nämlich […], als bisher, – nur mal angenommen – wie wäre das für Sie und wie würde dann von ihrem Gegenüber vermutlich darauf reagiert werden?«) neue Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, die allerdings nicht als Ratschläge zu verstehen sind, sondern nur minimale Veränderungsimpulse beinhalten und nur optionalen Charakter haben sollten. Damit wird vermieden, dass der Coachee mit »Hausaufgaben« unter Druck gerät. Die Verantwortung für die Lösung verbleibt somit beim Coachee. Der Coach könnte beispielsweise ein klärendes Gespräch im Team oder mit dem Kollegen, der anfangs ähnliche Schwierigkeiten hatte, anregen.

Stellt sich die angestrebte Lösung aus Gründen, die in der Person des Coachees vermutet werden, nicht ein oder werden bereits bei der eingangs erfolgenden Hypothesenbildung »tiefer gehende« persönliche Anteile vermutet, die eine intensivere Bearbeitung, etwa der Biografie des Coachees oder seiner persönlichen Verhaltensmuster erforderlich machen, so wäre eine Überweisung an einen externen Berater zu erwägen. Dies kann auch erforderlich sein, wenn sich beispielsweise aufgrund erheblicher Teamkonflikte nunmehr eine Indikation für eine Teamsupervision ergeben würde. Sobald in der gemeinsamen Suchbewegung des Coachings eine neue Handlungsperspektive entwickelt werden konnte, gilt es diese kleinschrittig zu realisieren.

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Modelle des Coachings durch die Führungs­kraft und ihre methodische Ausgestaltung

■■ Wie könnte Ihr nächster kleiner Schritt aussehen? Welche Hindernisse sehen Sie dabei? Auf welche Ihrer Fähigkeiten können Sie bei der Umsetzung ihres nächsten Schrittes zurückgreifen? Wer oder was kann Ihnen dabei nützlich oder hilfreich sein? Herr M. könnte zunächst weniger stark emotional agierenden Kundinnen eine freundliche Absage erteilen und sich allmählich an die schwierigeren Fälle »herantasten«. Er könnte bewusst nicht sofort entscheiden und sich 30 Minuten Bedenkzeit erbitten. Im Rollenspiel könnten als problematisch erlebte Verhaltensweisen von Kundinnen und die möglichen Reaktionsmöglichkeiten von Herrn M. trainiert werden.

Am Schluss kann die Rückschau auf den Coachingprozess den Lerngewinn des Coachees (»Was war in diesem Gespräch für Sie wichtig?«) nochmals vergegenwärtigen und sichern. Das Angebot eines Follow-Up-Gesprächs könnte den Coachee bei der Realisierung seiner Handlungsziele unterstützen, den Beratungsprozess abrunden und perspektivisch eine evaluative Einschätzung der Zielerreichung ermöglichen.

7.3 Coaching in der Organisationsentwicklung und dem Change Management

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Bereits Heraklit von Ephesus wusste: »Nichts ist so beständig wie der Wandel.« Den Wandel zu gestalten war und ist eine ständige Herausforderung für Organisationen, dies gilt natürlich insbesondere unter den heutigen Bedingungen der sogenannten VUKA-Welt. Die Idee der Organisationsentwicklung ist eine angloamerikanische Erfindung. Sie nimmt ihren Anfang in den 40er und 50er Jahren des 19. Jahrhunderts in der von Jakob Moreno und Kurt Lewin entwickelten Handlungsforschung. Für den deutschsprachigen Raum gehen Freimuth u. Barth (2011) seit Anfang der 1980er Jahre von systematischen Versuchen in Theorie und Praxis aus, die organisatorische Veränderung zu initiieren. Den geplanten Wandel in der Steuerungslogik von Organisationen zu verankern, findet in der Vorstellung von der »lernenden Organisation« im Buch »Die fünfte Disziplin« von Peter Senge (1996) nachhaltig Ausdruck und Resonanz. Ohne an dieser Stelle auf die Geschichte, die theoretischen Grundlagen und den idealtypischen Ablauf eines Organisationsentwicklungsprozesses im Detail eingehen zu können (Schiersmann u. Thiel, 2009), soll im Folgenden erstens auf die aktuelle Spannbreite des Verständnisses von Organisationsentwicklung und ihre Herausforderungen eingegangen, zweitens die Theorie U als zentraler Bezugsrahmen für

Coaching in der Organisationsentwicklung

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Organisationsentwicklungsprozesse beschrieben, drittens ein Fallbeispiel vorgestellt und viertens die Bedingungen für das Gelingen von Organisationsentwicklung als kontinuierliche Selbstreflexion und Selbsterneuerung untersucht werden. 7.3.1 Verständnis und Herausforderungen der Organisationsentwicklung Der Ansatz der Organisationentwicklung richtet sich primär auf die Prozesse, Strukturen und Haltungen in der Organisation. Die Gesellschaft für Organisationsentwicklung (2009) versteht Organisationsentwicklung als einen »längerfristig angelegten, nachhaltigen Entwicklungs- und Veränderungsprozess von Organisationen und der in ihr tätigen Menschen. Die Wirkung dieses Prozesses beruht auf dem gemeinsamen Lernen aller beteiligten Personen durch direkte Mitwirkung bei der Bearbeitung und Lösung betrieblicher und unternehmerischer Probleme.« Das Ziel der Organisationsentwicklung besteht in einer gleichzeitigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation (Effektivität) und der Qualität des Arbeitslebens (Humanität). Merkmale der Organisationsentwicklung sind neben der doppelten Zielsetzung ihr ganzheitlicher Ansatz, die Integration in längerfristige strategische Überlegungen der Organisation, die Beteiligung der Betroffenen, das prozessorientierte Vorgehen und die Diagnose als Ausgangspunkt von Veränderungszyklen. Organisationsentwicklungs­prozesse folgen in der Regel einer zeitlichen Stufenfolge und methodischen Strukturprinzipien, die mit einer Vorbereitungs- und Einstiegsphase starten, in der u. a. eine Steuerungsgruppe installiert wird; in einer Haupt- und Entwicklungsphase richtet sich das Interesse auf die Diagnose und Analyse der Ist-Situation, indem bspw. die Organisationskultur in den Blick genommen wird. Der Begriff der Organisationskultur bezeichnet die kollektiven Denk- und Handlungsmuster einer Organisation, das System der gemeinsam geteilten Werte, Normen, Einstellungen, Überzeugungen und Ideale. Da die Organisationskultur nicht ohne Weiteres der Beschreibung zugänglich und damit benenn- und veränderbar ist, gilt es diese anhand ihrer Artefakte, deklarierten Werte und zugrundeliegende Annahmen (Schein, 2003) zu erforschen, bevor Maßnahmen geplant, umgesetzt und schließlich evaluiert werden. In der Abschlussphase geht es schließlich darum, die Ergebnisse festzuhalten und zu dokumentieren, die erprobten Veränderungen zu verstetigen, die Steuerungsgruppe aufzulösen und die (externen) Prozessbegleiter zu verabschieden. Während Organisationsentwicklungsprozesse längerfristige Prozesse, Strukturen und Haltungen der Organisation und ihrer Teilsysteme im Blick haben, versteht man unter Change Management häufig eher kurzfristige Veränderungsprozesse, die auf ein vorher klar definiertes und innerhalb eines festgelegten Zeit-

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raumes zu realisierendes Ziel ausgelegt sind, um fortlaufende Veränderungen einer Organisation zur Anpassung an sich wandelnde Umwelt- und Rahmenbedingungen möglich zu machen. Den praktischen Bedarf nach konkreten Handreichungen für Veränderungsmanager bedienen Doppler und Lautenburg (2014) mit ihrem Standardwerk »Change Management« im deutschsprachigen Raum. Im Unterschied zu einem stärker technokratischen Verständnis von Change Management in Organisationen als Begleitung und Unterstützung von Veränderungen von Menschen und Organisationen, betont der Begriff der Transformation in und von Organisationen stärker den auf Zukunftsfähigkeit ausgerichteten permanenten Wandel sozialer Systeme (Fatzer u. Schönberger, 2015, S. 193). Damit wird auch der Kritik an einem top-down Change Management Rechnung getragen, das nach Auffassung seiner Kritiker zu langsam geworden ist in einer Welt des disruptiven Wandels. Demzufolge wird gefordert, die Abfolge einzelner Change-Maßnahmen durch die Agilität einer permanenten Reorganisation, einer Changeability zu ersetzen (Kriegesmann u. Kley, 2014, S. 106; Reimann, 2017). Es wäre allerdings fatal, wenn die so verstandene Changeability zu einem getriebenen Reagieren auf die vermeintlichen disruptiven Umweltveränderungen werden würde. Wie dies zu verhindern ist, darauf werden wir in der Auseinandersetzung mit der Theorie U im Folgenden noch eingehen. Bei der Organisationsentwicklung, egal ob sie uns im Gewand des Change Managements, der Changeability oder einer Transformation entgegen kommt, geht es ebenso wie beim Coaching um die Begleitung von Veränderungsprozessen. Die »Beratungspraxis an der Schnittstelle von Coaching und Organisationsentwicklung« (Deutsche Gesellschaft für Coaching, 2016) verlangt eine Coaching-Kompetenz der Organisationsentwickler und eine Organisationsentwicklungskompetenz der Coaches sowie der coachenden Führungskräfte, weil deutlich wird, »dass Führungskräfte vielfach die Rolle von Coaches in einem Veränderungsprozess einnehmen« (Fatzer, 2002, S. 147). Coaching wird hier zu einer Methode organisationspädagogischer Praxis (Geißler, 2016). Change-Prozesse sind zum einen ein relevanter Coachinganlass, wie die Marburger Coaching Studien regelmäßig aufzeigen und zum anderen wird Coaching zunehmend als Personalentwicklungsinstrument während Change-Prozessen eingesetzt (Eichler, 2011). Allerdings bleiben Forschungen zur Evaluation changespezifischer Coachings nicht nur im deutschsprachigen, sondern auch im angloamerikanischen Bereich ein Desiderat. Aufbauend auf bislang vorliegenden Studien und ihrer eigenen Interviewstudie sehen Bickerich und Michel (2017, S. 3) das Ziel eines Change-Coachings darin, »Führungskräfte dabei zu unterstützen, organisationale Veränderungsprozesse lösungs- und ressourcenorientiert persönlich zu bewältigen und Mitarbeitern in Situationen des Wan-

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dels Orientierung zu geben und Neuerungen effektiv zu gestalten« und kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Herausforderungen, die Change-Prozesse an Führungskräfte im mittleren Management stellen, drei Aspekte beinhalten: 1. »Change Management umfasst die Anforderung, die Change-­Visionen kompetent umzusetzen und die Prozesssteuerung unter der Berücksichtigung unternehmenspolitischer Aspekte (z. B. Interessenkonflikte) und Organisationskultur zu meistern. 2. Change Leadership beschreibt die Teamführung mit den Schwerpunkten der Kommunikation des Change-Vorhabens sowie den sozialen Umgang mit emotionalen Reaktionen, Widerständen oder Konflikten bei den Mitarbeitern. 3. Self-Management umfasst das persönliche Zeit- und Komplexitätsmanagement bei mehreren gleichzeitigen Change-Prozessen sowie die Identifikation mit dem Veränderungsvorhaben.« Hieraus leiten die Autorinnen Hinweise zur Gestaltung von Change-Prozessen ab. Der erste Aspekt betont die Passung von individuellen und organisationalen Zielen im Change-Prozess. Der zweite hebt die Bedeutung eines hohen emotionalen Commitments der Führungskräfte hervor und der dritte legt nahe, Copingstrategien zur Prävention von Erschöpfungszuständen zu erlernen. Nach dem »Job Demands-Resources« Modell (Demerouti et al., 2001) wird Coaching als Arbeitsressource eingeordnet (Bickerich u. Michel, 2013), die motivierende Prozesse unterstützt und negative Folgen im Change-Prozess puffert. Veränderungsprozesse bedeuten für Individuen, Organisationen und Gesellschaften zum einen den Abschied von alten Denk-, Verhaltens- und Handlungsweisen, zum anderen aber immer auch das Entstehen neuer Optionen. Den Zerfall des Alten und das gleichzeitige Entstehen des Neuen, diese Doppelbewegung hat Vaclav Havel, der ehemalige tschechische Präsident, auf den Punkt gebracht, als er sagte: »I think there are good reasons for suggesting that the modern age has ended. Today, many things indicate that we are going through a transitional period, when it seems that something is on the way out and something else is painfully being born. It is as if something were crumbling, decaying and exhausting itself, while something else, still indistinct, were arising from the rubble« (Havel, 1994, S. 1)15. Ganz ähnlich ist es in jedem Organisationsentwicklungsprozess. 15 Übersetzung: »Ich denke, es gibt gute Gründe für die Annahme, dass das moderne Zeitalter zu Ende geht. Es gibt heutzutage viele Hinweise darauf, dass wir uns in einem Übergangs­ stadium befinden, wo etwas auf dem Weg hinaus ist und etwas anderes unter Schmerzen ge-

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Modelle des Coachings durch die Führungs­kraft und ihre methodische Ausgestaltung

7.3.2 Organisationsentwicklung nach der Theorie U

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Einen sehr wichtigen theoretischen Bezugsrahmen für die Prozesse der Organisationsentwicklung und des Change Managements liefert die von C. Otto Scharmer (2009) entwickelte »Theorie U«, da sie auch zentral das Thema der Führung berührt, wie der Untertitel »Von der Zukunft her führen« zum Ausdruck bringt. Scharmer hat seine Theorie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) auf der Basis der Erkenntnisse von Peter Senge zur lernenden Organisation entwickelt. Das die Theorie bezeichnende U beschreibt die Bewegung eines Veränderungsprozesses, den wir nun erläutern. Scharmer versteht seinen Ansatz als eine evolutionäre soziale Theorie in Vertiefung zur Systemtheorie. Sie bietet eine neue Perspektive, wie man auf soziale Situationen schauen kann; ihr Fokus ist auf die Veränderung von Systemen aus der Perspektive der Handelnden ausgerichtet. Für Scharmer (2009, S. 32) steht die folgende Frage am Anfang seiner Überlegungen: »Wo liegt der strategische Hebelpunkt, der es ermöglicht, die Struktur eines sozialen Feldes umzuschmelzen, umzustülpen?« Wo liegt der archimedische Punkt – die Bedingung der Möglichkeit – durch den sich ein soziales Feld bspw. im Rahmen einer Organisationsentwicklung verändern ließe? Scharmer interessiert sich deshalb für die Veränderung der Struktur der sozialen Grammatik. Scharmer spricht davon, dass individuelle, organisatorische wie gesellschaftliche Veränderungsprozesse auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Dabei sind zwei Dimension zu unterscheiden. Die horizontale Dimension steht für den »Weg von der Wahrnehmung zur Handlung« (Scharmer, 2009, S. 51). Die vertikale Dimension beinhaltet fünf verschiedene Ebenen, welche von einer Oberflächen- zu einer Tiefenstruktur angeordnet sind, von der Öffnung des Denkens über die Öffnung des Fühlens bis zur Öffnung des Willens (siehe Abbildung 12). Wenden wir uns zunächst der vertikalen Achse, den fünf Ebenen der Veränderung, zu. Mit diesem System hebt sich Scharmer von anderen Veränderungssystemen16 ab. In seiner Theorie stellen die verschiedenen Ebenen, auf denen Veränderungen wahrgenommen werden können, den Ausgangspunkt für die Art des Veränderungsprozesses und die daraus resultierende Handlung dar (Scharmer, 2009, S, 52). boren wird. Es ist so, als ob etwas taumelt, schwankt, schwindet und sich selbst erschöpft – während etwas anderes, noch Unbestimmtes, langsam beginnt, sich aus den Trümmern zu erheben.« 16 In Anlehnung an Lewin unterscheidet Kolb (1985) vier Stufen des Lernens bzw. der Veränderung, die zyklisch ablaufen und uns in modifizierter Form auch im PDCA-Zyklus (plan, do, check, act) begegnen: (1) konkrete Erfahrung, (2) Erfahrungen wahrnehmen und reflektieren, (3) abstraktes Begreifen und Verallgemeinern sowie (4) Probehandeln in neuen Situationen.

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Coaching in der Organisationsentwicklung

Herausforderung gegenwärtige Realität anschauen andere Perspektiven wahrnehmen Dialog: sich selbst im Ganzen sehen

gemeinsame Wahrnehmung: den gemeinsamen Willen und Grund entdecken

Re-acting: neue Aktionen

Aktion

Re-structuring: neue Strukturen

neue Strukturen und Praktiken hervorbringen

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---------------------------------------------------------------->

Re-designing: neue Prozesse

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Re-framing: neues Denken

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Re-generating: neues Selbst Was ist die Quelle meiner Energie und meines Selbst?

neue Kerntätigkeiten und Prozesse schaffen neues Denken und neue Konzepte hervorbringen

gemeinsames Handeln: die gemeinsame Intention in die Wirklichkeit bringen

Abbildung 12: Fünf Ebenen von Veränderung (Quelle: Scharmer, 2009, S. 52)

Die Ebene des Re-acting zeichnet sich dadurch aus, dass Erfahrungen genutzt werden, um in der Gegenwart Veränderungsprozesse zu gestalten. Das Reproduzieren von Gewohnheiten bedeutet, dass die Organisation in diesen Denkmustern verharren wird. Ihre Handlungen werden kurzzeitig erfolgreich sein, doch »über die Zeit wird dieses Verhaltensmuster dysfunktional und kann zukünftigen Erfolg und Weiterentwicklung […] blockieren« (Scharmer, 2009, S. 124 f., 131). Die erste Ebene bedeutet für Organisationen, dass sie auf Umweltveränderungen reagieren, indem sie die neue Situation mit Erfahrungen abgleichen und mit Gewohnheitsmustern auf die veränderten Situationen reagieren. Die Fortsetzung dieser Strategien stößt schnell an ihre Grenzen und wird die erfolgreiche Weiterentwicklung der Organisationen behindern. Die Ebene des Re-structuring entsteht »in dem Moment, in dem wir das Down­ loading wahrnehmen und seiner als Gewohnheit gewahr werden; dann bewegen wir uns auf ein wirkliches Hinsehen zu«17 (Scharmer, 2009, S. 134). Diese Wahrnehmungsform beschreibt Scharmer als das Seeing, welches als Anschauen der gegenwärtigen Realität zu verstehen ist. Die Realität kann dabei durch genaue und scharfe Wahrnehmung gesehen werden. Diese Ebene kann nur erreicht werden, wenn eigene Erfahrungen und Bewertungen zurückgehalten werden. Da die Veränderungsebenen Re-acting und Re-structuring die Vergangenheit als Ausgangspunkt für den Veränderungsprozess haben, werden sie, nach ­Argyris, 17 Mit Downloading ist hier das Zurückgreifen auf alte Gewohnheitsmuster im Veränderungsprozess gemeint.

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Modelle des Coachings durch die Führungs­kraft und ihre methodische Ausgestaltung

als ­Single-loop-Lernen bezeichnet (Scharmer, 2009, S. 52). Für Organisationen bedeutet dies, dass sie den Prozess des Re-acting erkennen, ihre Handlungen aber nicht von ihren Erfahrungen und der Vergangenheit loslösen können. Durch diese Ebene, wenn die Gegenwart unvoreingenommen gesehen werden kann, besteht die Möglichkeit, dass die Organisationen einen Weg auf die nächste Ebene der Veränderung finden können. Nur so können neue Strategien für die Organisationsentwicklung entstehen. Auf der dritten Ebene, dem Re-designing, wird die Erweiterung des Wahrnehmungsraumes entwickelt. So werden andere Perspektiven wahrgenommen, was bedeutet, dass sich das Seeing zum Sensing entwickelt. Beim Sensing öffnen sich die Grenzen zwischen Beobachter und dem Beobachteten (Scharmer, 2009, S. 149 ff.). Scharmer beschreibt, dass der »Beobachter beginnt, das System aus einer anderen Perspektive zu erfassen. Diese Perspektive schließt den Beobachter des Systems mit ein« (Scharmer, 2009, S. 152). Dieser Perspektivwechsel ermöglicht es, neue Strategien zu entwickeln, die unabhängig von Erfahrungen und gefestigten Handlungsmustern entstehen. Dieser Veränderungsprozess ist davon geprägt, dass die konkreten Einzelheiten der veränderten Rahmenbedingungen intensiv betrachtet werden. Aus dieser intensiven Auseinandersetzung mit der Situation findet »ein Umlenken der Aufmerksamkeit und ein Wahrnehmen der Situation vom Ganzen her statt« (Scharmer, 2009, S. 167). Dieser Prozess aktiviert die Intelligenz des Herzdenkens18. Von der Vergangenheit unabhängige Strategien können entstehen. Bei der vierten Ebene, dem Re-framing, ist die Wahrnehmung dadurch geprägt, dass »man sich mit der Quelle der höchsten Zukunftsmöglichkeit verbindet und sie ins ›Jetzt‹ bringt« (Scharmer, 2009, S. 168). Diese Art der Wahrnehmung bezeichnet Scharmer als Presencing. Dafür ist die Fähigkeit von der Quelle her wahrzunehmen und sein Handeln darauf abzustimmen erforderlich (Scharmer, 2009, S. 171). Mit Presencing wird die Verbindung von der Vergangenheit und der entstehenden Zukunft beschrieben (Scharmer, 2009, S. 176). Da das Lernen auf dieser Ebene über die Erfahrungen aus der Vergangenheit hinausgeht und Prozesse und Annahmen des Handelns reflektiert werden, wird von Double-loop-Lernen gesprochen (Scharmer, 2009, S. 53). Diese Form der Wahrnehmung erlaubt es, die Veränderungen der Rahmenbedingungen zu beobachten. Darüber hinaus gelingt es der Organisation, ihr Potenzial zu sehen und ihr Handeln zielgerichtet auf diese Vorstellung abzustimmen und trotzdem die Veränderungen in ihre Stra18 Mit Herzdenken ist die Fähigkeit gemeint, »die Aufmerksamkeit umzuwenden und das Herz bzw. die Gefühle als ein Wahrnehmungsorgan zu nutzen […]; die Wahrnehmung beginnt, vom Ganzen her stattzufinden, es wird die emotionale Intelligenz (EQ) aktiviert« (Scharmer, 2009, S. 468).

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tegien einzubeziehen. So sind die Strategien keine Reaktionen, sondern gezielte Handlungen, die sich an der Zukunft der Organisationen orientieren. Denn nur durch die Vorstellung der Zukunft können neue Ideen und Konzepte entstehen. Die Ebene Re-generating ist die tiefste Ebene im »U«. Um diese Ebene zu erreichen, sei es – so Scharmer – erforderlich, »alles fallen zu lassen, was nicht notwendig ist« (2009, S. 193). Auf dieser Ebene soll alles Neue vergegenwärtigt werden und in einem Zukunftsbild oder in Intentionen verdichtet werden. Ziel ist es, sich mit der Quelle zu verbinden und anwesend zu werden. Außerdem solle »die Intention und Vision einer entstehenden, ›gefühlten‹ Zukunft« konturiert, konkretisiert und Gestalt werden (Scharmer, 2009, S. 469). Die Ebene des ­Re-generating geht über das Double-loop-Lernen hinaus, da es die Zeitdimension der Zukunft in die Denk- und Handlungsprozesse einbezieht (Scharmer, 2009, S. 53). Kommen wir nun zu der horizontalen Dimension, den sieben Räumen der Aufmerksamkeit. Auf dem Weg des »U« spricht Scharmer von den Erkenntnisräumen des Runterladens (Downloading), Hinschauens (Seeing), Hinspürens (Sensing), Anwesendwerdens (Presencing), Verdichtens (Crystallizing), Erprobens (Prototyping) und in die Welt Bringens (Performing). Jeder dieser Erkenntnisräume beeinflusst und steht für eine Ebene der Wahrnehmung (Scharmer, 2009, S. 61). Er beschreibt sie wie folgt: ■■ »Runterladen: Muster der Vergangenheit wiederholen sich; die Welt wird mit Augen des gewohnheitsmäßigen Denkens betrachtet. ■■ Hinschauen: Ein mitgebrachtes Urteil loslassen und die Realität mit frischem Blick betrachten – das beobachtete System wird als vom Beobachter getrennt wahrgenommen. ■■ Hinspüren: Sich mit dem Feld verbinden, eintauchen und die Situation aus dem Ganzen heraus betrachten; die Grenze zwischen Beobachter und Beobachteten verschwimmt, das System nimmt sich selber wahr. ■■ Anwesend werden: sich mit dem Quellort – dem inneren Ort der Stille – verbinden, von dem aus die im Entstehen begriffene Zukunft wahrnehmbar werden kann. ■■ Verdichten der Vision und Intention – Kristallisieren und Bewusstmachen der Intention und Vision, die aus der Verbindung zu diesem tieferen Quellort entstehen. ■■ Erproben des Neuen in Prototypen, in denen die Zukunft durch praktisches Tun gemeinsam erkundet und entwickelt wird. ■■ Das Neue praktisch anwenden und institutionell verkörpern; das Neue durch beispielsweise Infrastrukturen und Alltagspraktiken in eine Form bringen« (Scharmer, 2009, S. 62 f., Hervorhebungen im Original).

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performing in die Welt bringen

downloading runterladen

innehalten

verkörpern prototyping erproben

seeing hinsehen

hervorbringen

umwenden sensing hinspüren loslassen

crystallizing verdichten

presencing: mit der Quelle verbinden, anwesend sein

kommen lassen

Abbildung 13: Das komplette U: sechs Umschlagpunkte (Quelle: Scharmer, 2009, S. 62)

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Die Übergänge zwischen diesen sieben Räumen werden durch sechs Umschlagpunkte markiert: innehalten, umwenden, loslassen, kommen lassen, hervorbringen und verkörpern (siehe Abbildung 13). Auf diese Punkte gilt es in Organisationsentwicklungsprozessen und den sie begleitenden Coachingprozessen besonders zu achten. In Organisationsentwicklungsprozessen beschreibt die linke Seite des »U« die Ebenen der Strategieentwicklung, die wesentlich von Haltung und Wahrnehmung beeinflusst sind. Der Weg der Verwirklichung von Strategien wird auf der rechten Seite abgebildet. Scharmer geht davon aus, dass der Erfolg einer unterneh­me­ri­schen Intervention weniger von geschaffenen Strukturen und eingeführten Prozessen, sondern vielmehr von der »inneren Haltung desjenigen abhängt, der die Intervention durchführt. […] Das heißt, der innere Ort, von dem aus gehandelt wird – der Quell- oder Ursprungsort von Handlung, die Qualität unserer Aufmerksamkeit – beeinflusst das Ergebnis unserer Handlung« (Scharmer, 2009, S. 50). Das Problem besteht nun darin, dass die zugrundeliegende Haltung, unser Ausgangspunkt von Handlung, ein blinder Fleck ist, den wir in der Regel nicht genauer betrachten. Er ist ein »Quellort unserer Aufmerksamkeit in uns bzw. um uns. Er ist der Ort, von dem aus wir handeln, wenn wir handeln. Dass dieser Fleck blind ist, liegt daran, dass er sich gegenläufig zu unserer normalen, nach vorne gerichteten Aufmerksamkeitsrichtung verhält« (2009, S. 28). Meist konzentrieren wir uns nur auf das, was wir tun, oder wie wir es tun und nicht

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Coaching in der Organisationsentwicklung

Feld

Ichin-mir

.

Ichin-dir

Ichin-Es

.

soziale Zeit

Selbst

Intersubjektivität

Körperlichkeit (Erde)

eindimensional

entkörpert

habituelles Selbst

anpassen

toter Körper

zweidimensional

Kronos

rationales Selbst

konfrontieren

Ressource

dreidimensional

Verlangsamung

relationales Selbst

reflektieren

lebendiges System

Stille/ Kairos/ Presencing

authentisches Selbst

kollektive Kreativität

Anwesenheit

.

. . . . vier. . . dimensional

Ich-inGegenwärtigung

.

.

sozialer Raum

Abbildung 14: Umstülpung von Raum, Zeit, Selbst, Intersubjektivität, Körperlichkeit (Quelle: Scharmer, 2009, S. 249)

auf den Punkt, von dem aus wir handeln. Die Folge ist, dass wir die Quelle, von der aus wir handeln, nicht sehen können, wir sind uns des Ortes, der Ausgangspunkt unserer Aufmerksamkeit ist, nicht bewusst (2009, S. 28 f.). Diesen »blinden Fleck« gilt es in Prozessen der Organisationsentwicklung auszuleuchten. Scharmer unterscheidet dabei vier mögliche Quellorte, aus denen heraus eine soziale Handlung entstehen kann; er nennt dies die Feldstrukturen der Aufmerksamkeit (siehe Abbildung 14). Sie sind der strategische Hebelpunkt für die Veränderung sozialer Strukturen. Das erste Feld des Ich-in-mir ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zeit entrinnt ohne mit eigenen Erfahrungen verbunden zu sein. Scharmer spricht von einem gewohnheitsmäßigen Selbst. In diesem Feld werden Gegebenheiten und Regeln angepasst, außerdem ist die Wahrnehmung auf dieser Ebene sehr begrenzt (Scharmer, 2009, S. 249 f.). Auf organisationaler Ebene entspricht das Feld I einer zentralisierten Bürokratie, da »die organisationale Aufmerksamkeit und Koordination […] durch das Zentrum der Organisation, also durch hierarchische Anweisungen oder Regeln« erfolgt (Scharmer, 2009, S. 302). Dieses Feld der Aufmerksamkeit ist in der Veränderungsebene des Re-acting angesiedelt. Die Kommunikation in diesem Feld bewegt sich im Modus des Runterladens unhinterfragter Regeln und Phrasen sowie von Höflichkeitsfloskeln. Im zweiten Feld des Ich-in-Es »wird Zeit chronologisch, strukturiert und eine äußere Sequenz von Ereignissen« (Scharmer, 2009, S. 249). Das gewohnheitsmäßige Selbst wandelt sich zu einem rationalen Selbst. Die Interaktion in diesem

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Modelle des Coachings durch die Führungs­kraft und ihre methodische Ausgestaltung

Feld ist durch Austausch von unterschiedlichen Ansichten geprägt. Die Wahrnehmung weitet sich und kann als nützliche Ressource dienen (Scharmer, 2009, S. 249 f.). Dieses Feld wird durch die Integration verschiedener externer Perspektiven ausgezeichnet. Institutionen, die dem Feld II entsprechen, können flexibel und marktgerecht agieren. Bei ihnen wird der hierarchische Koordinationsmechanismus durch den Markt und Wettbewerb ergänzt (Scharmer, 2009, S. 302). Das Feld II der Aufmerksamkeit ist in den Veränderungsebenen Re-structuring und Re-designing verortet. Die Gesprächsqualität in diesem Feld lässt sich als Debatte bezeichnen, es geht um die Durchsetzung des eigenen Standpunktes gegen einen Widerpart in einer direkten Konfrontation. Eine intensive Erfahrung mit der Zeit findet im dritten Feld des Ich-in-Dir statt, weil sich dort die Zeit beginnt auszudehnen und zu verlangsamen. Das Selbst in Feld III ist ein relationales Selbst, welches »aus dem Herzen her handelt« (Scharmer, 2009, S. 250). Die Empathie und das Verständnis füreinander entwickeln sich und die Akteure verbinden sich miteinander. Dabei entwickelt sich die Fähigkeit der Reflexion. Die Wahrnehmung schärft sich und ermöglicht, ein größeres Ganzes zu erkennen (Scharmer, 2009, S. 249 f.). »Die Aufmerksamkeitsstruktur von Feld III […] entspricht einer Organisationsform, die sich um Netzwerke herum strukturiert, also um die Möglichkeit der kommunikativen Beziehungen, die in der Kooperation mit verschiedenen Akteuren und Partnern entstehen« (Scharmer, 2009, S. 303). Das Feld III entspricht der Veränderungsebene des Re-framing. Dieses Feld ist durch den Dialog gekennzeichnet; es geht darum, in einem gemeinsamen Prozess unterschiedliche Positionen zu erkunden und Sichtweisen zu ändern (vgl. Kap. 4.1). Im vierten Feld »öffnet sich ein Raum der Stille, so als ob das Universum für einen Moment den Atem anhielte, in dem die Anwesenheit eines größeren Gesamtzusammenhanges fühlbar wird, in dem etwas, das im Begriff zu entstehen ist, in die Welt kommen will« (Scharmer, 2009, S. 249 f.). Im Feld des Ich-in-­ Gegenwärtigung entwickelt sich ein authentisches Selbst, welches die höchst mögliche Zukunft wahrnimmt und danach handelt. Die Akteure treten in einen Raum der Stille, in dem ein neuer Möglichkeitsraum entsteht (Scharmer, 2009, S. 249 f.). Das Ich-in-Gegenwärtigung »entspricht einer neuen und bisher weitgehend unbekannten Organisationsform, die sich flexibel um entstehende Ganzheiten herum strukturiert und evolviert« (Scharmer, 2009, S. 303). Das Feld IV ist auf der Veränderungsebene des Re-generating verortet. Die Kommunikation in diesem Feld ist durch eine kreative Stimmung in tiefer Verbundenheit und einer gesteigerten Fähigkeit, gemeinsam zu handeln und sich als Teil des werdenden Ganzen sehen zu können, gekennzeichnet. Auf diese Weise kann ein Wir-Gefühl entstehen, das gleichzeitig Diversität begrüßt (Doppler u. Lauterburg, 2014, S. 67 f.).

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Das übergreifende Postulat, an dem sich eine coachende Führungskraft ausrichten kann, ist das der Potenzialentwicklung. Wir meinen damit, dass eine beraterische Intervention versuchen sollte, an den inhärenten Möglichkeiten, den Potenzialen der organisationalen wie personalen Systeme – mit dem Blick auf das Ziel der wechselseitigen Passung – anzuschließen und sie durch die Gestaltung eines Entwicklungsprozesses zu fördern. Dazu bedarf es »einerseits der inneren Bereitschaft, aus sich herauszugehen, und andererseits der Möglichkeit, diese schlummernden Fähigkeiten zu nutzen. Entwicklung ist im Unterschied zu Veränderung ein inneres Wachstum, das durch die Person beziehungsweise das soziale System selbst in Gang gesetzt und freigelegt wird« (Vogelauer, 2013, S. 112). Unter einer Potenzialentwicklungs-Kultur verstehen wir mit Hüther (2009) einen Wertewandel: weg von den treibenden Kräften Macht, Wettbewerb, Konkurrenz, Spezialisierung und Egozentrismus hin zu Kooperation, Kreativität und sozialer Resonanz. Dabei geht es nicht um die Gestaltung eines radikalen Umbruchs, sondern um das Erkennen des »Anwesendwerdens einer essentiellen Möglichkeit, als Ankünftigwerden eines zukünftigen Potenzials« (Scharmer, 2009, S. 53). Dieses Potenzial gilt es durch eine Öffnung des Denkens, Fühlens und Wollens in der Gegenwart zu manifestieren. Potenzialentwicklung bedeutet deshalb, von einer im Entstehen begriffenen Zukunft aus zu lernen – und dies gilt für Individuen und Organisationen gleichermaßen. Entscheidend ist dabei, dass die beteiligten Führungskräfte und Mitarbeitenden mit einer dialogischen Haltung in die, den Organisationsentwicklungsprozess begleitenden und tragenden, coachenden Gespräche gehen und im Sinne einer angestrebten Passung stets versuchen, Personal- und Organisationsentwicklung aufeinander zu beziehen. In ihrem Buch »Facilitating Change« beschreiben Beutelschmidt et al. (2013, S. 34 ff.) wie sich der Weg durch das U aus der Sicht eines Facilitators inszenieren und aktiv begleiten lässt. Sie legen dabei Wert darauf, den Beteiligten eines Veränderungsprozesses mehr Raum zur Entfaltung zu geben, damit sich diese aktiv in die Transformation einbringen können. Eine ihrer Erkenntnisse ist dabei, »dass die Entschleunigung auf der linken Seite des U (von Down­loading bis Letting go) zu einer Beschleunigung auf der rechten Seite (von Letting come bis Performing) führt und deutlich zur Qualität der Ergebnisse beiträgt« (Beutel­ schmidt et al., 2013, S. 47). In Transformationsprozessen können natürlich auch Widerstände auftreten, die es zu überwinden gilt; Scharmer (2009, S. 67) beschreibt diese als Stimmen des Urteilens, des Zynismus und der Angst. Zu dem Raum des Presencing, des »schöpferischen In-die-Welt-Bringens« gibt es aber auch noch einen Gegenraum

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des »Absencings, eine Ökonomie der Auslöschung und Zerstörung« (Scharmer, 2009, S. 266). Beide Zyklen basieren auf sich verstärkenden Mechanismen.19 7.3.3 F  allbeispiel zur Organisationsentwicklung bei einer Schulfusion Im Folgenden wollen wir an einem Fallbeispiel eines Schulleiters die Möglichkeiten der Führungskraft, einen Organisationsentwicklungsprozess bezogen auf das Gesamtsystem, dessen Teilsysteme und einzelne Mitarbeitende beratend zu begleiten, beispielhaft und in begrenztem Umfang skizzieren. Bitte versetzen Sie sich als Leser in die Rolle des neuen Schulleiters in dem folgenden Beispiel.

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Es handelt sich um zwei Schulkollegien, die vor wenigen Wochen fusioniert worden sind. Der städtische Schulträger hat nach den neuen vom Landeskultusministerium herausgegebenen Richtlinien, die eine bestimmte Mindestgröße von Schulen vorsehen, den kleineren Schulstandort (Schule A) geschlossen, der bislang ein zwölf Lehrkräfte umfassendes Kollegium beherbergt hat. Am nun gemeinsamen Schulstandort (Schule B), der bislang 21 Lehrkräfte umfasste, werden derzeit neue Klassenräume angebaut, die allerdings nicht rechtzeitig fertiggestellt worden sind. Aber auch künftig wird die räumliche Situation nicht mehr so günstig sein, wie zuletzt am kleineren Schulstandort. Die dort tätigen Lehrkräfte haben sich mit gut funktionierenden Ansätzen der Konfliktbearbeitung durch Trainingsraum und Schulmediation einen Namen gemacht und pflegen einen intensiven kollegialen Austausch einschließlich einer Intervisionsgruppe. In der Schule B, die bislang eher direktiv geleitet worden ist, sind gegenüber regelverletzenden Schülern bislang – insbesondere auf Betreiben des Schulleiters – eher disziplinarische Maßnahmen zur Anwendung gekommen. Die Schule ist vor allem auf Initiative des stellvertretenden Schulleiters insbesondere durch gut organisierten und begleiteten Computereinsatz im Unterricht hervorgetreten. Dienstbesprechungen wurden bislang eher knapp gehalten und dienten eher der Informationsweitergabe und Begründung von Entscheidungen des Schulleiters. Ein Großteil der Lehrer der Schule B sieht deshalb mittlerweile einen großen Reformstau und steht einem partizipativen Leitungskonzept trotz des zunächst notwendigen Besprechungsaufwandes positiv gegenüber, einige langjährig tätige Lehrkräfte allerdings eher zurückhaltend und abwartend. Die Schulleiterin der Schule am kleineren Standort wurde mittlerweile Konrektorin des neuen Schulsystems, da sie eine Versetzung an eine 19 km entfernte Schule aus familiären Gründen abgelehnt hatte. Der Schulleiter der Schule B ist 19 Bezogen auf die aktuelle politische Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika hat Scharmer (2017) diesen Prozess analysiert.

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frühpensioniert worden, der bisherige Konrektor der Schule A hat andernorts eine Rektorenstelle übernommen. Sie waren bislang bei einem anderen Schulträger tätig und haben vor kurzem die Schulleiterstelle übernommen. Sie vertreten einen partizipativen Führungsstil. Im Rahmen einer Personalversammlung schlagen Sie einen Schulentwicklungsprozess20 und die Konstituierung einer Steuerungsgruppe vor, der außer Ihnen gewählte Mitglieder der bisherigen Kollegien, Eltern- und Schülervertreter und ein externer, in der Organisationsentwicklung erfahrenen Moderator, als Prozessbegleiter angehören. Die Schulfusion soll als Chance für eine zukunftsorientierte Organisationskultur im Sinne der Schulentwicklung genutzt werden. Es gibt Widerstände in beiden Subsystemen, die allerdings nicht sonderlich ausgeprägt sind. Ein kleiner Teil der Lehrkräfte vom größeren Schulstandort argumentiert, es sei durchaus von den neuen Kollegen zu erwarten, dass sie sich an die bewährten Strukturen und Regeln im größeren Kollegium anpassen würden. Ein Teil der Lehrkräfte aus dem bislang kleineren Kollegialsystem teilt diese Auffassung nicht und meint, die Herausbildung neuer Verfahrensweisen solle besser dem persönlichen Miteinander überlassen bleiben. Nach einem positiven Votum der Personalvertretung stimmt das Kollegium mit großer Mehrheit einem von Ihnen skizzierten Schulentwicklungsprozess zu und wählt die Mitglieder der Steuerungsgruppe. Diese erhält den Auftrag einerseits integrative Sofort-Maßnahmen und andererseits einen längerfristigen Schulentwicklungsprozess anzustoßen. a) Coaching im Rahmen der Organisationsentwicklung: Schulentwicklung Ausgangspunkt für Ihre Überlegungen zur Gestaltung des Organisationsentwicklungsprozesses ist die Erkenntnis, dass die zentrale Aufgabe der Schule darin besteht, den Schülern ein gelingendes Lernen zu ermöglichen, also eines, das den Prinzipien von Einladen, Inspirieren und Ermutigen in Lernprozessen folgt. Im Zentrum stehen dabei die Schüler. Die Lehrer haben den Schülern gegenüber eine dienende Funktion, genau dies zu ermöglichen. Um ein solches Lernen zu realisieren, ist es notwendig, dass die Schule selbst zu einer lernenden Organisation wird, welche die Lernenden durch die Gestaltung förderlicher Rahmenbedingungen bei diesem Prozess unterstützen und begleiten. Durch den Schulentwicklungsprozess und insbesondere das Coaching wird ein Zwischenraum eröffnet, in dem die Beteiligten ihre Aufmerksamkeit auf eine im Entstehen begriffene Zukunft fokussieren und dabei im Sinne des Prinzips der Verantwortung die Anforderungen an das System Schule im Blick haben. Im Binnenraum geht es dabei u. a. um die Gestaltung bildungsfördernder Rahmenbedingungen, wie das interdisziplinär problemlösungs20 Genaueres zu dieser auf die Schule ausgerichteten Variante der Organisationsentwicklung finden Sie bei Rolff (2018).

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bezogene Lernen oder auch Arbeitsbedingungen, welche Kreativität und ko-evolutionäre Prozesse des von- und miteinander Lernens fördern. Zur gesellschaftlichen Verantwortung zählen im Sinne eines zukunftsethischen Prinzips beispielsweise der verantwortliche Umgang mit Ressourcen, der aufgeklärte Mensch sowie der zur Mitgestaltung bereite Bürger (vgl. Kap. 3). Dazu sind Bildungsprozesse erforderlich, welche der Autonomie, der Freude am Entdecken von Lösungsansätzen und der Individualität für unterschiedliche Zugänge zu den zur Disposition stehenden Fragestellungen Raum geben. Lehrende werden diesbezüglich zu dienenden Führungskräften, welche Lernende coachen und dafür reflexiv ansprechende Settings gestalten. Nach der skizzierten ethischen Reflexion überprüfen Sie die kompetenz- und rollenorientierten Anforderungen (vgl. Kap. 4.3 u. 4.4) und nehmen anhand struktureller, prozessualer und personaler Reflexionsanregungen (vgl. Kap. 6.3) entsprechende Abwägungen vor, die Sie ggf. mit ihrem Coach besprechen. Zum Auftakt laden Sie im Namen der installierten Steuerungsgruppe alle Schlüsselpersonen des Systems Schule, also die Schüler, Eltern, Lehrer und sonstigen Stakeholder von Schule zu einem Kick-off-Workshop ein. In diesem stellt die Steuerungsgruppe die Ziele und den angedachten Ablauf sowie den Zeitrahmen des geplanten Schulentwicklungsprozesses vor. Dabei machen die Mitglieder der Steuerungsgruppe deutlich, dass Sie großen Wert auf ein partizipatives Vorgehen legen, in dem alle Beteiligten ihre Bedürfnisse und Wünsche an die zukünftige Gestaltung der Schule in einem partnerschaftlichen Dialog einbringen sollen. Als Ergebnis des Auftaktworkshops wird vereinbart, dass sich der gesamte Schulentwicklungsprozess, der über ca. ein Jahr angelegt ist, am Modell der Zukunftswerkstatt orientieren soll. Diese von Robert Jungk (Jungk u. Müllert, 1989) entwickelte Methode, in der alle beteiligten Akteure Experten ihrer eigenen Anliegen sind, will Lösungen für gemeinsame Herausforderungen finden. Dazu werden drei Phasen durchlaufen: die Kritikphase, die Fantasiephase und die Verwirklichungsphase. Diese werden bei Bedarf um eine vorgeschaltete Vorbereitungs- und eine nachgeschaltete Erprobungsphase erweitert. Um dem Gedanken der Lösungsorientierung Rechnung zu tragen und der Gefahr zu entgehen, dass am Anfang zu sehr alte Konflikte und Grabenkämpfe die Atmosphäre zu negativ beeinflussen, schlägt die Steuerungsgruppe vor, zum Auftakt mit einer wertschätzenden Befragung (vgl. Kap. 8.1.2) zu starten, so wie Sie dies bei Burow (2016) in seinem Buch »Wertschätzende Schulleitung« gelesen haben (vgl. Kap. 2.5). Auf diese Weise soll das verborgene Tiefenwissen über gelingende LehrLern-Prozesse und eine optimale Organisationsgestaltung freigesetzt werden. Die Mitglieder der Steuerungsgruppe folgen dabei der Annahme, dass Systeme über ein implizites, zum Teil latentes Wissen für die Lösung ihrer Probleme verfügen (Katen-

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kamp, 2011), das durch die jedem System innewohnende »System Emergence« (Mohr, 2006, S. 26) freigesetzt werden kann. Im Anschluss daran wird dieser Prozess durch Dialoginterviews der verschiedenen Repräsentantengruppen des Systems Schule mit seinen wichtigsten Stakeholdern (Scharmer, 2009, S. 288 ff.) vertieft. In den Interviews werden aktuelle Herausforderungen und Fragen zur Wahrnehmung der momentanen Schulsituation thematisiert. Außerdem fertigen Sie Übersichten zu Beziehungsnetzwerken an. Die Ergebnisse dieser diagnostischen Ist-Stands-Analysen bringen Sie zur weiteren systematischen Bearbeitung in Projektgruppen, Workshops, Arbeitsgruppentreffen und sonstigen geeigneten Formaten ein und folgen damit dem Gedanken einer formativen Evaluation, die ihre Ergebnisse unmittelbar wieder in den sozialen Prozess einbringt. In dieser Phase schauen sich die Beteiligten, wie von Scharmer vorgeschlagen, zunächst die gegenwärtige Realität an, um das zu benennen, was Sie stört, was Ihnen nicht gefällt und was ihrer Meinung nach geändert werden soll. In der anschließenden Phantasiephase werden die Kritikpunkte an der gegenwärtigen Realität positiv gewendet und die Beteiligten nehmen andere Perspektiven wahr, die für das Re-structuring und das Re-designing genutzt werden. In Verbindung mit den Ergebnissen aus der wertschätzenden Befragung und den anderen eingesetzten analytischen Erhebungsmethoden zum Verständnis der aktuellen Situation schaffen Sie nun den Raum für ein kreatives Feld, in dem Beispiele von Best practices ausgetauscht, Wünsche artikuliert und gemeinsam Visionen entworfen werden. Zur Entwicklung einer gemeinsamen Vision greifen Sie auf eine von Charlotte Roberts entwickelte Methode zurück (Senge et al., 2008, S. 391 ff.). Diese arbeitet mit dem Futur II, das die Vermutung ausdrückt, dass eine Handlung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten sein wird. An diese erinnern Sie sich dann, Sie arbeiten also mit einer mentalen Imaginationsmethode. Sie stellen sich z. B. vor, es wären fünf Jahre vergangen und Sie hätten in wunderbarer Weise genau die Schule erschaffen, von der Sie immer geträumt haben. Sie lassen sich Zeit dabei auf diese Weise ein klares Bild von ihrer künftigen Schule zu gewinnen. In der Umsetzungsphase überprüfen Sie ausgewählte Aspekte der Zukunftsvision auf ihre Realisierungschancen, um diese anschließend Wirklichkeit werden zu lassen. Als Messlatte steht Ihnen hier das Kohärenzgefühl der Salutogenese mit den drei Kriterien der Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Handhabbarkeit (vgl. Kap. 2.5) zur Verfügung. In dieser Phase tritt nach Scharmer das Neue in die Wirklichkeit, wird erprobt, ausgetestet um modifiziert. Handlungsfelder werden definiert und konkrete Durchsetzungsvorhaben umgesetzt. Bevor dies der Fall sein wird, machen Sie allerdings die Erfahrung, dass der Punkt, in dem Sie sich als Schule neu erfinden, der tiefste Punkt im U, das Presencing, den Mut erfordert, das Alte loszulassen, ohne dass das Neue schon Wirklichkeit geworden ist. Dieser Prozess

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ist mit Geburtswehen und ggf. auch mit zu überwindenden Widerständen, die sich in den Stimmen des Urteilens, des Zynismus und der Angst zeigen, verbunden. Da Sie wissen, dass Organisationsentwicklungsprozesse ihre Eigenzeit benötigen, lassen Sie sich insbesondere für die Startphase genügend Zeit, um wirklich alle auf die gemeinsame Reise mitzunehmen. Während der gesamten Laufzeit der Organisationsentwicklung finden aufeinander abgestimmte Workshops, Arbeitsmeetings, Diskussionen, Steuergruppentreffen, Intervisionen und ggf. auch individuelle Coachings statt, die den Prozess reflektierend begleiten. Da die Mitglieder der Steuerungsgruppe gemäß der Selbstbestimmungstheorie der Motivation (vgl. Kap. 2.5) während des gesamten Prozesses darauf geachtet haben, dass die Bedürfnisse nach Kompetenz und Wirksamkeit, sozialer Eingebundenheit/Zugehörigkeit sowie Autonomie und Selbstbestimmung aller Beteiligten berücksichtigt werden, gelingt ihr Prozess schließlich und hat dazu beigetragen, dass ein neues Wir-Gefühl entstanden ist, hinter dem die alten Rivalitäten zurückgetreten sind. Aus den vormals zwei Schulen ist eine neue hervorgegangen, die von der Idee beseelt wird, eine neue Lernkultur durch eine Vielzahl von Projekten und Initiativen stets aufs Neue zu beleben. Ihre Schule hat damit eine Sogkraft auch für andere Schulen in der Region entwickelt. Dass der Schulentwicklungsprozess zu einem Erfolg geworden ist, führen Sie ganz wesentlich darauf zurück, dass es dem Team gelungen ist, eine motivierende Vision zu entwickeln und Sie als Schulleiter allen Beteiligten den Freiraum und die Muße eingeräumt haben, den die Transformation benötigt hat. Dabei waren Ihnen die von Gergs (2016, S. 49) formulierten Leitprinzipien der Evolution ein ständiger Kompass: Behutsamkeit, Gemächlichkeit und Vielfalt. b) Teamcoaching durch die Führungskraft Im Rahmen eines von der, vor einigen Wochen neu konstituierten, Fachgruppe Deutsch erbetenen Gesprächs geht es darum, hinsichtlich der zukünftig im Rahmen der rechtlichen Vorgaben zu setzenden methodisch-didaktischen Schwerpunkte und der zu verwendenden Fachbücher zu einer gemeinsam getragenen Entscheidung zu kommen, was allerdings derzeit wegen kontroverser Sichtweisen schwierig ist. Für derartige Gespräche sehen Sie einen Ansatzpunkt im Team-Coaching durch die Führungskraft nach dem systemisch-lösungsorientierten Ansatz (vgl. Kap. 5 u. 7.1.2.4), das Sie hier konfliktpräventiv zur Anwendung bringen. Indem Sie die sechs Systemebenen (Personen, deren Deutungen, Regeln, Regelkreise, organisationales Umfeld und Entwicklung) diagnostisch durchgehen, wird deutlich, dass es bereits im Vorfeld der Fusion zu wechselseitigen Zuschreibungen »Weil Ihr so anders arbeitet, müssen wir uns behaupten!« einerseits und »Weil Ihr so anders arbeitet und außerdem so viele seid, können wir nicht nachgeben!« andererseits gekommen ist.

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Sie verdeutlichen diesen Regelkreis in dieser Besprechung. Schrittweise gelingt es gemeinsam, diesen Regelkreis zu unterbrechen (vgl. Kap. 7.1.4.4), insbesondere durch Klärung der wechselseitigen Deutungen, Perspektivenwechsel und gemeinsame Zielfindung: Zunächst geht es darum, sich gegenseitig zuzuhören, anstelle die anderen zu kritisieren, konkret nachzufragen, was die anderen gemeint haben, sich über sich selbst klarzuwerden und die wirklichen Ziele zu definieren, sich in die Position der anderen zu versetzen und ihre fachlichen Einschätzungen und Interessen zu erforschen. Dabei können folgende Fragen hilfreich sein: Wo fühlen sie sich möglicherweise verletzt? Lässt sich das Verhalten der Interaktionspartner positiver oder zumindest weniger negativ deuten? Wie lassen sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten wechselseitig genauer bestimmen, als Stärken im Sinne eines gemeinsamen Schulentwicklungszieles nutzen, lösungsorientierte Perspektiven entwickeln und in Teilschritten umsetzen? Dieses Vorgehen erfordert einen längeren, schrittweisen Begleitprozess. Allerdings soll die Fachkonferenz möglichst rasch entscheidungs- und handlungsfähig sein. Im Fallbeispiel werden, nachdem die Argumente der jeweils anderen in 15 minütigen, Zweier- bzw. Dreiergesprächen mit Lehrkräften beider Subsysteme, entsprechend dem zuvor skizzierten Vorgehen gewürdigt worden sind, jeweils nach entsprechender, an dem Flipchart visualisierter fachlicher Abwägung, schließlich eine zeitlich befristete, aber von allen mitgetragene Zwischenlösung hinsichtlich der zukünftig im Rahmen der rechtlichen Vorgaben zu setzenden methodisch-­ didaktischen Schwerpunkte und der zu verwendenden Fachbücher gefunden. Es wird ferner vereinbart, dass zur nächsten Fachgruppenentscheidung in subsystem­ übergreifenden Dyaden und Triaden entsprechende Entscheidungsvorschläge vorbereitet werden sollen. c) Coaching durch die Führungskraft im Einzelsetting Im Rahmen des Gesprächs mit der vorgenannten Fachgruppe wird Ihnen deutlich, dass die aus der Schule A kommende Fachlehrerin X sehr resignativ bzw. deprimiert reagiert, die von ihr favorisierten methodisch-didaktischen Vorgehensweisen und Fachbücher zwar für besser hält, aber andererseits meint, angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse könne man nichts machen. Nach der Sitzung bieten Sie Frau X ein kurzes Gespräch an, das sie gern in Anspruch nimmt. Zu Beginn dieses Gesprächs äußert Frau X ihre Enttäuschung über die Schließung der Schule A. Dies sei nun schon die zweite Schulschließung, die sie innerhalb weniger Jahre über sich ergehen lassen müsse. Frau X berichtet von ihren Schwierigkeiten der Neuorientierung. Dass sie nun schon wieder neu anfangen und sich diesmal in ein sehr großes Kollegium einfügen müsse, bedrücke sie sehr. Sie habe selbst den Eindruck, emotional über zu reagieren und würde gern

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besser mit der Veränderung klarkommen, die sei ja auch immer eine Chance. Aber irgendwie sei sie da diesmal blockiert. Sie bieten Frau X ein Coachinggespräch an, machen das Setting, Ihr Coachingverständnis im Sinne des Kurzcoachings (vgl. Kap. 7.2) und ihre Rolle deutlich. Sie wägen mit Frau X den Einsatz von externer Supervision und Coaching durch Sie ab, wobei sich Frau X für Ihr Coachingangebot entscheidet, weil sie einem Externen nicht noch einmal ihre Geschichte erzählen möchte. Der Beratungsauftrag wird auf ihre persönliche Bewältigung der Schulfusion im Hinblick auf die nächsten drei Monate begrenzt. Im hier nur kurz skizzierten, zwei Sitzungen umfassenden Coachingprozess benennt Frau X im Sinne der Futur-Zwei-Frage, dass sie gern in einem Jahr großteils zufrieden (Punkt 7 auf der 10stufigen Skala) von einer Schulkonferenz nach Hause fahren würde. Sie benennt den möglicherweise biografisch bedingten Anpassungsdruck in neuen Situationen. Ihr gelinge es außerdem nicht so schnell, sich in neuen sozialen Umfeldern und vor allem größeren Gruppen zu äußern, fühle sich durch sehr vehement vorgetragene Kollegenäußerungen dominiert, erinnert sich daran, dass sie im vorletzten Kollegium Ähnliches erlebt habe, das komme nun alles wieder hoch, sie habe die kollegiale, wertschätzende Atmosphäre in dem überschaubaren Kollegium der Schule A sehr geschätzt und nun Sorge, in dem großen Kollegium unterzugehen. Im Coaching blickt sie gezielt auf Ressourcen und eigene Kompetenzen zurück, die ihr bei der Bewältigung der Integration in neue soziale Kontexte nützlich gewesen sind und wie sie diese und weitere aktuell verfügbare im gegenwärtigen Kontext nutzen kann. Indem sie sich in laut auftretende Kollegen hineinversetzt, wird ihr deutlich, dass auch diese möglicherweise in Anfangssituationen unsicher sind. Im gegenwärtigen Kollegium gelingt es ihr zunehmend, ohne sich zu sehr an die bisherigen Kollegen zu klammern, sich zu schützen und gleichzeitig in kleinen Schritten neue Kooperationen zu erproben. (Zum Coaching von Lehrkräften durch Schulleiter fnden sich bei Hock et al., 2014, konzeptionell gut fundierte methodische Anregungen.)

Auch andere, die berufliche Selbstwirksamkeit in Change-An­for­de­rungen fördernde Methodenelemente könnten im Sinne eines »Übergangscoachings« (Nohl, 2011) zum Einsatz kommen. Von zentraler Bedeutung sind gerade in Organisationsentwicklungs- und Changeprozessen die Elemente von begleitenden Coachings, eine wertschätzende Haltung der Führungskräfte, deren Glaubwürdigkeit sowie die Transparenz der von der Gesamtorganisation erwarteten Veränderungsanforderungen.

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7.3.4 Organisationsentwicklung als kontinuierliche Selbsterneuerung Was sind – so wollen wir abschließend fragen – die Bedingungen des Gelingens von Organisationsentwicklungsprozessen, die von einer coachenden Führungskraft gestaltet und begleitet werden, und wie muss sich dabei die Vorstellung von Veränderungs- und Changeprozessen selbst verändern. Wir sprechen hier in Anlehnung an Gerald Hüther nicht vom Geheimnis des Erfolgs, sondern dem Geheimnis des Gelingens. Das Geheimnis des Gelingens wirkt – so Hüther – unabhängig davon, ob wir es erkennen oder gar verstehen (Hüther, 2012, S. 14). Der Versuch, einige Punkte des Gelingens zu identifizieren, kann nur vorläufig und tentativ sein. Wir beziehen uns dabei auf die Erkenntnisse eines ausgewiesenen Experten für Change-­Prozesse, Klaus Doppler (2017). In seinem Buch »Change. Wie Wandel gelingt«, zeichnet er ein persönliches Navigationssystem für einen Change-Manager. Da »Führen in Zeiten permanenter Veränderung immer auch Change Management« ist (Doppler, 2017, S. 175), wird jede Führungskraft heute zum Gestalter von Veränderung und Begleiter in diesen Prozessen. Dabei versteht er »Führung als flexible Funktion, die je nach Bedarf von unterschiedlichen Beteiligten in unterschiedlichen Formen wahrgenommen werden kann« (Doppler, 2017, S. 176). Neben der notwendigen Fach- und Prozesskompetenz sowie einer situationsadäquaten Rollenflexibilität betont er zentral die Reflexionsfähigkeit und empfiehlt, zuversichtlicher aktiver Coach und engagierter Teamspieler zu sein: »Sowohl in einer formellen Führungsfunktion als auch im Rahmen einer in Selbstverantwortung übernommenen Aufgabe verstehen Sie sich stets als flexibler, integrationsfähiger Teamspieler und zugleich als Coach, der anderen die Spielkunst beibringt und dafür größtmöglichen Raum für Eigeninitiative schafft« (Doppler, 2017, S. 180). Wenn es zutreffend ist, dass Führungskräfte – wie Scharmer (2011, S. 39) sagt – die Aufgabe des Wandels zukünftig nicht an andere delegieren können, dann ist es auch logisch, wenn sie selbst Verantwortung für die organisationalen Veränderungsprozesse übernehmen; dazu gehört es dann auch, sich in diesen Prozessen coachen zu lassen, an Intervisionen teilzunehmen und bei Bedarf auch als Mentor und/oder Coach für die Mitarbeitenden zur Verfügung zu stehen. Für Scharmer muss das Change Management ein inte­graler Bestandteil auf vier Systemebenen werden: (1) Stärkung der eigenen Persönlichkeit, (2) Führung von Dritten durch Teamarbeit, (3) organisatorische Führungsstärke und (4) Führungsarbeit, welche den sozial-ökologischen Gesamtzusammenhang berücksichtigt. Sowohl Doppler (2017) als auch Scharmer (2009, 2011) machen mit ihren Überlegungen deutlich, dass Führungskräfte die Aufgabe des Wandels heute

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nicht mehr an vermeintliche Experten für den Change delegieren können, sondern – im Interesse der Organisationen, für die sie Verantwortung übernehmen – selbst, in einem co-kreativen Akt mit ihren Mitarbeitenden zum Gestalter der organisationalen Zukunft werden müssen. Das klassische Change-­Manage­ment ist, wie Gergs (2016, S. 12) es formuliert, »an seine Grenzen gelangt«. Die von den Pionieren des Managements »entwickelten Theorien und Konzepte waren alle auf Stabilisierung und Standardisierung, nicht aber auf Veränderungs­fähigkeit ausgerichtet« (Gergs 2016, S. 37). Auch das von Kurt Lewin entwickelte Dreiphasenmodell mit der Abfolge von Unfreezing, Moving und Freezing in sozialen Veränderungsprozessen hat heute, in Zeiten des permanenten Wandels, keine Gültigkeit mehr. Entwickelt wurde es nämlich im tayloristischen Industriezeitalter, das durch ein hohes Maß an Standardisierung bei gleichzeitig explosiv wachsenden, weiten, oligopolistisch-trägen Massenmärkten gekennzeichnet ist. Demgegenüber haben wir es heute im Informations- und Wissenszeitalter mit globalen, engen Märkten mit einer hohen Individualisierung und hohem Wettbewerb zu tun. Wie die Taylor-Wanne veranschaulicht, steigt in dieser Phase der Entwicklung der dynamische Teil der Wertschöpfung wieder, ähnlich wie im Zeitalter der Manufaktur, deutlich an (Pfläging u. Hermann, 2016, S. 18 f.). Der Versuch, mit den komplexitätsreduzierenden Methoden des Industriezeitalters auf die Herausforderungen der sogenannten VUKA-Welt zu antworten, erzeugt organisationales Leiden, das es mit neuen Ansätzen zu überwinden gilt. Deshalb ist es auch erforderlich, die alten Mythen des klassischen Change Managements hinter uns zu lassen und über die Architektur von Veränderungsprozessen neu nachzudenken. Ausgehend von Megatrends der Beschleunigung, Digitalisierung und Globalisierung hat sich Gergs (2016) mit den gegenwärtig anzutreffenden Typen von Veränderung in der Organisationswelt beschäftigt, um anschließend Prinzipien einer kontinuierlichen Selbsterneuerung zu entwickeln. Gergs differenziert zunächst zwei Achsen des Wandels. Auf der ersten wird, unter Rückgriff auf Gedanken von Watzlawick, Weakland und Fischer, zwischen einem Wandel der ersten und zweiten Ordnung unterschieden. Mit dem Wandel erster Ordnung werden Veränderungen innerhalb eines selbst invariant bleibenden Systems bezeichnet. Der Referenzrahmen bleibt hier konstant, es findet kein grundsätzlicher Paradigmenwechsel statt, die Veränderungen beschränken sich auf einzelne Aspekte und sind eher quantitativer Art. Demgegenüber ist der Wandel zweiter Art ein qualitativer, paradigmatischer, der die gesamte Organisation betrifft und die Frage nach einer neuen Identität stellt. Die Unterscheidung zwischen episodischem und kontinuierlichem Wandel in der zweiten Dimension geht auf Porras und Silvers zurück. Der episodische Wandel beschreibt zeitlich begrenzte Ver-

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änderungsprozesse, die bewusst initiiert werden und eine bewusste Ausnahme darstellen. Der kontinuierliche Wandel vollzieht sich dagegen als kaum merklicher, emergenter Prozess in den alltäglichen Abläufen der Organisation. Aufgrund der beiden skizzierten Dimensionen ergeben sich vier Idealtypen von Veränderungsprozessen (siehe Abbildung 15).

Wandel zweiter Ordnung

radikale Transformation

kontinuierliche Selbststeuerung

Wandel erster Ordnung

operatives Krisenmanagement

Optimierung bisheriger Praxis

episodischer Wandel

kontinuierlicher Wandel

hoher Zeitdruck

Zeit (noch) verfügbar

Abbildung 15: Die vier Typen der Veränderung (Quelle: eigene Darstellung nach Gergs, 2016, S. 34)

Der Veränderungstypus »Optimierung bisheriger Praxis« beschreibt einen Veränderungstypus bei dem bestehende Strukturen, Prozesse und Praktiken einer kontinuierlichen Verbesserung unterzogen werden. Es handelt sich um eine proaktive Veränderung. Dass dies geschieht, ist – nach Scharmer (2009) – eine Folge von Re-Structuring und Re-designing. An diesem Prozess sind Führungskräfte und Mitarbeitende gleichermaßen beteiligt. Der Veränderungstypus »Operatives Krisenmanagement« tritt dann auf, wenn es aus Sicht der Leitungsebene darum geht, möglichst schnell auf eine als Problem wahrgenommene Situation zu reagieren. Hier haben wir es mit einem klassischen Re-acting zu tun. Die Mitarbeitenden werden höchstens im Rahmen der operativen Umsetzung eingesetzt. Der Veränderungstypus »Radikale Transformation« ist durch »hohe Prozesskomplexität bei geringer Sicherheit« (Gergs, 2016, S. 35) gekennzeichnet. Die Organisation ist in ihrer Existenz bedroht und sieht deshalb die Notwendigkeit, in relativ kurzer Zeit nicht nur Strukturen und Prozesse grundlegend zu verändern, sondern sich ggf. selbst neu zu erfinden. Nach Scharmer haben wir es hier mit der Notwendigkeit eines Re-generatings zu tun, für das aber nicht die dafür

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erforderliche Zeit zur Verfügung steht. Die Partizipationschancen sind für die Mitarbeitenden und auch für Teile der Führungskräfte sehr gering. Der Veränderungstypus »kontinuierliche Selbsterneuerung« kennzeichnet eine Situation, in der durch die Steigerung der Lernfähigkeit auf allen Ebenen der Organisation, sich das System selbst mit hinreichenden Impulsen für einen stetigen Wandel ausstattet und damit dessen Fortbestand sichert. Dies ist für Scharmer der Fall eines kontinuierlichen Transformationsprozesses, an dem alle Angehörigen des Systems partizipieren. Wird Organisationsentwicklung als kontinuierliche Selbsterneuerung verstanden, so ist dies ein Ausdruck dafür, dass alle Mitglieder der Organisation nicht nur in diesem System, sondern auch an dem System selbst arbeiten. Den Rahmen, in dem dies stattfinden kann, haben wir als Transflexing beschrieben. Die Basis für die kontinuierliche Selbsterneuerung im Transflexing beschreibt Gergs (2016, S. 53) mit drei Prinzipien: erstens der Stärkung der Selbstreflexion, zweitens der Intensivierung von Kommunikation und Vernetzung im Dialog und drittens der Pflege von Perspektivenvielfalt und einer Kompetenz im Umgang mit Paradoxien. Damit sind beste Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Individuen, Teams und ganze Organisationen den von Scharmer (2009) beschriebenen U-förmigen Transformationsprozess durchlaufen können, um sich in einer spiralförmigen Bewegung stets selbst zu erneuern. Die Aufgabe einer coachenden Führungskraft, die diesen Prozess mitgestaltet, ist dabei, die Mitarbeitenden einzuladen, zu inspirieren und zu ermutigen, sich auf das Wagnis der Selbsterneuerung einzulassen und diesen Prozess durch die dafür erforderlichen Voraussetzungen und Bedingungen zu ermöglichen.

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Die Förderung des kollegialen und des individuellen Transflexings

Soweit sie nicht ohnehin bereits genuiner Ausdruck ihrer Professionalität ist, wie etwa in therapeutischen und sozialen Berufen, lässt sich in den letzten Jahrzehnten in den meisten Bereichen des Arbeitslebens ein deutlicher Trend feststellen, die methodisch strukturierte und gestaltete Reflexion des beruflichen Alltags/Handelns nicht als Indiz beruflicher Schwäche, sondern zunehmend als Zeichen »professioneller Klugheit« (Schlee, 2008, S. 7) einzuschätzen. Wir gehen daher davon aus, dass die Bedarfe der professionellen Selbstreflexion bzw. dialogischen Reflexion in dyadischen oder Kleingruppensettings zunehmen und sich vermehrt im Sinne der individuellen, team- und organisationsbezogenen Transformation ausrichten werden. Ebenso sind die entsprechenden Selbstreflexions-, Beratungs- und Moderationskompetenzen aufgrund von Fort- und Weiterbildungen sowie der Inanspruchnahme beruflicher Beratungen (Supervision, Coaching etc.) mittlerweile in zahlreichen Bereichen der Arbeitswelt gestiegen und werden voraussichtlich weiter steigen. Nicht nur um die Führungskräfte im Hinblick auf das Coaching von Mitarbeitenden zu entlasten, sondern vor allem auch um dieser Dynamik im Sinne des Eigensinns und des Empowerments der Mitarbeitenden Raum zu geben, sollten von diesen in Eigenregie durchgeführte Transflexings zukünftig an Bedeutung und Verbreitung gewinnen. Deshalb wird nachfolgend im konzeptionellen Zusammenhang mit dem Transflexing die Förderung der Intervision und des Selbstcoachings von Mitarbeitenden durch die Führungskraft thematisiert. Dabei soll zunächst eine kollegiale Form der Reflexion – die Intervision – methodisch-konzeptionell fokussiert werden, um dann die individuelle Variante, das Selbstcoaching, in den Blick zu nehmen. In beiden Bereichen soll die Perspektive der Führungskräfte im Hinblick auf die Initiation, Begleitung und Unterstützung reflexiver Prozesse ihrer Mitarbeitenden besondere Beachtung finden. Wir sehen hier zukünftig eine an Bedeutung gewinnende Aufgabe der Führungskräfte im Kontext einer unter anderem auf dem Transflexing basierenden Führungskultur (vgl. Kap. 2.5 u. 9).

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8.1 Intervision Nachfolgend sollen erstens die aktuelle Relevanz, zweitens grundlegende Merkmale, drittens historische Ursprünge/Entwicklungen, viertens theoretische und empirische Grundlagen der Intervision in den Blick genommen werden, um dann fünftens die Frage ihrer Indikation zu erörtern, sechstens die Voraussetzungen und Implementierung, siebtens die Methodik, Phasen und Rollen sowie achtens abschließend die Entwicklungsperspektiven der Intervision zu diskutieren. 8.1.1 Die aktuelle Relevanz der Intervision

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Die Reflexionsform und -methode Intervision findet derzeit zunehmend Aufmerksamkeit in allen Bereichen des Arbeitslebens. So konstatiert Neumann nach Experteninterviews in der Fachzeitschrift Personalwirtschaft: »Es gibt, da sind sich die Experten einig, kaum eine andere Beratungsform, die besser zum Trend der neuen Arbeitswelt und der Haltung des Soziokraten21 passt: Die Mitarbeiter lernen zunehmend selbstorganisiert und nicht nur, weil die Aufgaben in der VUKA-Arbeitswelt immer komplexer werden. Es dauert schlichtweg zu lange, bis die Personalabteilung eine passende Weiterbildungsmaßnahme entsprechend des Lernbedarfes konzipiert hat. Dagegen ist das Lernen von- und miteinander effektiver« (Neumann, 2017, S. 20). Fachkräfte stehen zunehmend vor der Herausforderung, ihre beruflichen Kompetenzen eigenständig weiterzuentwickeln. Einen weiteren Bedeutungszuwachs hat Intervision im Bereich des Managements und der Führung erfahren, wo die bereits in Kap. 2 beschriebene Komplexitätszunahme bei gleichzeitiger Beschleunigung von Veränderungen und damit gestiegener Anforderungen an eine agile Organisation zunehmend reflexive Komponenten der Entscheidungsfindung erforderlich macht. Weitere Anliegen aus dem Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung kommen hinzu (s. hierzu die Ausführungen zur Indikation von Intervision im Kap. 8.1.5). Für die beratungserfahrene Führungskraft, die nach Möglichkeit selbst Erfahrungen mit der Intervision gemacht haben sollte (vgl. Kap. 9), bietet sich in Absprache mit den jeweiligen Fachkräften die Möglichkeit, entsprechende Intervisionsgruppen zu implementieren und zu begleiten oder die Mitarbeitenden selbst zu beraten bzw. an Beratungsfachkräfte zu vermitteln. Nachfolgende 21 Soziokratie (lat. socius = Gefährte, griech. kratein = regieren) ist ein Modell der Steuerung und Entscheidungsfindung in Prozessen und Organisationen, das von der Gleichwertigkeit aller Beteiligten ausgeht. Vgl. www.partizipation.at/soziokratie.html; Zugriff 05.12.2017.

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Ausführungen geben einen Überblick über das Beratungsformat der Intervision, der sich insbesondere an Führungskräfte richtet. 8.1.2 Grundlegende Merkmale der Intervision Der Begriff Intervision fokussiert als Ausdruck von Intermediarität auf den ressourcenorientierten Austausch zwischen Kollegen (»inter«) und die daraus resultierenden neuen Sichtweisen (»vision«) professionellen Handelns. Intervision, eher bekannt als kollegiale Beratung, ist eine »eigenständige Reflexionsmethode« (Fallner u. Gräßlin, 1990), die praxisnah und strukturiert auf die Ressourcen der Kollegen setzt und diese zur Problemanalyse und -lösung nutzt. Synonym wird hier der derzeit noch gebräuchlichere Begriff der kollegialen Beratung verwendet.22 Kennzeichen der Intervision sind nach Lippmann (2013): ■■ Gruppe von Gleichrangigen: jede Person hat die Möglichkeit eine Frage-/ Problemstellung einzubringen, ■■ Gemeinsamer beruflicher Fokus: ähnliche Tätigkeits- und Erfahrungshintergründe, ■■ Zielgerichteter Prozess zur Lösungsfindung bzw. für den Informationsaustausch, ■■ Gemeinsam festgelegte Struktur: Größe, Rollen, Phasen, Regeln, Hilfsmittel etc., ■■ Freiwilligkeit, Verbindlichkeit: freiwillige Teilnahme, die aber mindestens über einen abgemachten Zeitraum verbindlich sein sollte, ■■ Lernen im Lehren, Lehren im Lernen: in diesem Sinne die Idee des Gebens und Nehmens zu verwirklichen: nicht nur die fallpräsentierte Person erfährt neue Einsichten, sondern die Kollegen lernen ebenfalls dazu, ■■ Beratung ohne honorierten Berater: jede Person ist verantwortlich. Die Kollegialität in der kollegialen Beratung bezieht sich nach Tietze (2015) auf: ■■ die wechselseitige Hilfsbereitschaft der Teilnehmer, ■■ die relativ homogene Zusammensetzung der Gruppe, 22 Einige Autoren sprechen von kollegialer oder Peer-Group-Supervision (Thiel, 1994; Fengler et al., 2000), zahlreiche Autoren hingegen von kollegialer Beratung oder Teamberatung (Herwig-Lempp, 2004) bzw. von Intervision (Brinkmann, 2002); Lippmann (2013) spricht von kollegialem Coaching; Hendriksen (2000) betont die Rolle von speziell ausgebildeten Moderatoren.

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Die Förderung des kollegialen und des individuellen Transflexings

■■ die Umkehrbarkeit der Beratungsbeziehung (»Erst beraten wir dich – dann beratet ihr mich!«), ■■ die Gleichberechtigung der Gruppenmitglieder. Nach Herwig-Lempp (2004, S. 10) geht es darum, »dass die Kolleginnen und Kollegen zwar eine Beratung erhalten, letztlich aber selbst entscheiden, welche Option sie treffen.« 8.1.3 Historische Ursprünge und Entwicklung Die Ursprünge organisierter kollegialer Aussprachen zu berufsfeldbezogenen Problemen zeigen unterschiedliche Verzweigungen (Fengler et al., 2000):

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■■ Konsultationen, als fachliches Ratsuchen und -geben zwischen Ranggleichen unterschiedlicher Berufe, ■■ Selbstqualifizierung innerhalb von Berufsverbänden, ■■ kollegiale Fallsupervisionen in der »Mittwochsgesellschaft« von Sigmund Freud, ■■ Balintgruppenarbeit (Gruppenberatung für Ärzte auf psychoanalytischer Grundlage nach Michael Balint), ■■ kollegiale Supervisionen in der Therapieausbildung unterschiedlicher Schulen, ■■ Fallarbeit in Studiengängen, wie z. B. der Sozialen Arbeit, Medizin, Rechtswissenschaft, Psychologie, um die Studieninhalte mit Situationen aus der Berufswelt zu verknüpfen, ■■ unterschiedliche Selbsthilfegruppen im Sucht- und Bildungsbereich, in der Kirchen-, Gemeinde-, Stadtteil-, Suchtarbeit etc. Im deutschen Sprachraum wurden ab den 1970er-Jahren zunehmend Konzeptionen kollegialer Fallbesprechungen über die Soziale Arbeit hinaus auch für pädagogische und schulische Arbeitsfelder veröffentlicht (Gudjons, 1997). »Seit Mitte der 90iger Jahre findet das Konzept der kollegialen Beratung auch in Wirtschaftsunternehmen und Verwaltungsorganisationen seine Verbreitung« (Tietze, 2010, S. 30). 8.1.4 Theoretische und empirische Grundlagen Ein Großteil der einschlägigen Veröffentlichungen kommt ohne theoretischen Hintergrund aus und ist von einem pragmatisch orientierten Eklektizimus

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geprägt, indem bewährte Praktiken übersichtlich und verständlich dargestellt werden. In anderen Veröffentlichungen werden theoretische Bezüge lediglich schlagwortartig angedeutet, indem auf einzelne oder – nicht immer widerspruchsfrei – auf mehrere theoretische Konstrukte verwiesen wird, »[…] wenngleich der Auflösungsgrad der Überlegungen überwiegend nicht sehr fein ausfällt« (Tietze, 2010, S. 44). Hingegen finden sich differenzierte Ausführungen zum Menschenbild insbesondere bei Schlee (2008). Zentrale Dimensionen sind demnach die Akzeptanz und die Wertschätzung der »Subjektiven Theorien« (Schlee, 2008, S. 32 ff.) der Gruppenmitglieder zur Bewältigung des Alltags. Sie sind, ebenso wie wissenschaftliche Theorien für Experten, handlungsweisend. Der Autor spricht insofern von einem »Menschenbild des Forschungsprogrammes Subjektive Theorien« (Schlee, 2008, S. 32.). Da diese Subjektiven Theorien individuell, eben subjektiv, ausgebildet sind, kann nur der Ratsuchende selbst auch der Experte für sein Problem und seine Weltsicht sein. Auch Tietze (2010) bezieht sich zur theoretischen Grundlegung seines Beratungsansatzes auf das zuvor skizzierte Forschungsprogramm Subjektive Theorien. Er greift allerdings noch auf zwei weitere Theorien zurück, die sozial-kognitive Lerntheorie des Lernens an – hier: kollegialen – Modellen und das erfahrungsbasierte Lernen (S. 44 ff.). Ein Großteil der Autoren bezieht sich auf systemische bzw. konstruktivistische Denkmodelle (Fallner u. Gräßlin, 1990; Franz u. Kopp, 2003; Herwig-Lempp, 2004; Schmid et al., 2010). Sie lenken den Blick weg von mehr oder weniger verfestigten Problemkreisläufen, hin zu den gewünschten Zielen und zu bereits (ansatzweise) gelingenden Lösungsversuchen. Sie sind in ihren Grunddimensionen ressourcenorientiert und interaktionell orientiert (vgl. Kap. 5.2.1 u. 5.2.2). Des Weiteren werden unter anderem Ansätze der Gruppendynamik und der humanistischen Psychologie benannt, wie die Themenzentrierte Interaktion (Brinkmann, 2002; Hendrikson, 2000) und die Klientenzentrierte Beratung (Schlee, 2008; Brinkmann, 2002). Hinsichtlich der empirischen Grundlagen der Intervision/kollegialen Beratung ist zu konstatieren, dass bislang erst wenige Studien und diese zumeist als akademische Qualifizierungsarbeiten vorliegen. Auf zwei Dissertationen soll nachfolgend näher eingegangen werden. Die Evaluationsstudie von Tietze (2010) erbrachte aufgrund einer Befragung von 21 Führungskräften zu Beginn und zum Ende einer 15 monatigen Fortbildung und einer entsprechenden Vergleichsgruppe empirische Erkenntnisse zur Frage, »[…] inwieweit sich die längerfristige Teilnahme an kollegialer Beratung auf die Selbsteinschätzung beruflicher Handlungskompetenzen sowie auf berufliche Beanspruchungen auswirkt. Bereits eine vergleichsweise niedrige Frequenz von kollegialen Beratungen führt

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Die Förderung des kollegialen und des individuellen Transflexings

offenbar zu den Effekten, dass Teilnehmer ihre beruflichen Beanspruchungen vermindert und relevante berufliche Handlungskompetenzen in eine positive Richtung entwickelt erleben« (Tietze, 2010, S. 221). Linderkamp (2011) hat zum einen zehn qualitative Interviews mit Mitgliedern von kollegialen Beratungsgruppen und zum anderen sechs Experteninterviews mit Personalverantwortlichen und Personalentwicklern durchgeführt und ausgewertet. »Insgesamt wird der kollegialen Beratung aus Expertensicht eine hohe Leistungsfähigkeit, insbesondere zur Unterstützung von Reflexionsprozessen, beruflichen Klärungsprozessen und zur Entscheidungsvorbereitung zugesprochen. Damit einhergehend wird die kollegiale Beratung in erster Linie als geeignet für Beschäftigte erachtet, die einen hohen Grad an Autonomie und eine hohe Komplexität in ihren Aufgaben zu bewältigen haben« (Linderkamp, 2011, S. 208). 8.1.5 Indikation und Kontraindikation Intervision bzw. kollegiale Teamberatung ist »kein Allheilmittel für ratlose Profis und auch kein Allzweckwerkzeug für jede Lebenslage« (Herwig-Lempp, 2004, S. 161), obwohl manche Veröffentlichung den Schluss nahelegt, es gebe eine sehr umfassende Breit-Band-Indikation, – dem ist jedoch unseres Erachtens nicht so. Als nicht ganz trennscharfe, allerdings grob ordnende Kategorisierung kann zwischen organisationsbezogenen und personenbezogenen Indikationen der Intervision unterschieden werden.

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a) organisationsbezogene Indikationen: ■■ Organisations- und Personalentwicklung: ­Professionalisierung der Mitarbeitenden (Hendriksen, 2000), Lernort für betriebliche Kommunikations- und Lernkultur sowie Wissensmanagement im Sinne eines Austausches von Erfahrungswissen als Grundlage der Wissensgenerierung (Franz u. Kopp, 2003; Schmid et al., 2010); ■■ fallbezogene Problemlösung: wird nach wie vor als zentrales Anliegen der Intervision gesehen (Hendriksen, 2000; Tietze, 2015; Schlee, 2008). b) Personenbezogene Indikationen: ■■ persönliche Wahrnehmungserweiterung und die Entwicklung professioneller Beratungskompetenz: Wahrnehmungserweiterung für persönliche, fachliche und einrichtungsspezifische Faktoren und Bedingungen (Fallner u. Gräßin, 1990), praxisnahe Weiterbildung, Schlüsselqualifikationen für berufliches Handeln auf-/ausbauen (Rotering-Steinberg, 1999); Erhöhung der Problemlösekompetenz, persönliche und professionelle Beratungskompetenz (Franz u. Kopp, 2004);

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■■ Reflexion: hinsichtlich der persönlichen Situation im Alltag und im Arbeitsprozess (Fallner u. Gräßlin, 1990); ■■ kollegialer Rückhalt und kollegialer Unterstützung im Sinne wechselseitiger Hilfsbereitschaft (Tietze, 2015) und Entlastung. Kontraindikation: Intervision eignet sich nicht ■■ bei allgemeinen Organisationsfragen, ■■ bei Problembetroffenheit aller Teilnehmer (wegen fehlender Distanz bei der Beratung/Moderation), ■■ bei Anliegen der Teamentwicklung: eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist vielmehr bereits Voraussetzung für Intervision, ■■ bei Konflikten zwischen den Teilnehmern: hier ist eher die coachende Führungskraft oder ein Supervisor einzuschalten, ■■ bei privaten Themen: der berufliche Bezug sollte stets deutlich werden, auch wenn persönliche Einstellungen in die Beratung Eingang finden, bei persönlichen Themen bzw. heiklen Fragen; z. B. können Kündigungsabsichten eines Gruppenmitgliedes Loyalitätskonflikte auslösen (Tietze, 2015, S. 34 f.; Kühl, 2009; Linderkamp, 2011). 8.1.6 Voraussetzungen und Implementierung Basale Kommunikations-, Gruppenarbeits- und Moderationskompetenzen sollten möglichst bei jedem Gruppenmitglied gegeben sein. Inwieweit in der startenden Beratungsgruppe bereits entsprechende Kenntnisse und Kompetenzen vorhanden sind, ist für die Wahl des jeweiligen Beratungsmodelles bedeutsam. In einer Basisvariante (Tietze, 2015) lässt sich Intervision auch bei relativ geringen Vorkenntnissen und kommunikativen Kompetenzen implementieren. Erforderlich ist allerdings zumindest eine »Kommunikationsoffenheit«.23 Ebenso ist unter anderem davon auch die zu wählende Implementierungsstrategie abhängig. Eine elaborierte Implementierungsstrategie im Sinne eines angepassten Methodenkonzeptes, eines Startseminars und kompetenter Begleitung der Anfangsphase lohnt sich durchaus, dies lässt sich nach einer eigenen Pilotstu23 »Das müssen nicht unbedingt kommunikationsgeschulte Menschen sein, genau das nämlich nicht, weil, so wir sie hier benutzt haben, haben wir mit dieser Methode gerade diejenigen aus der Reserve gelockt, die sich sonst sehr zurückhalten und fast gar nichts sagen. Und das hat geklappt!« so eine von Linderkamp (2011, S. 176) befragte Expertin. Die von Linderkamp (2011) befragten Experten sprechen sich auch für eine Anwendung mit Auszubildenden und beispielsweise Lagerarbeitern aus, wobei allerdings die Anforderungen an Moderation und Strukturierung entsprechend wachsen.

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die hinsichtlich zwölf Intervisionsgruppen mit 88 Teilnehmenden (Kühl, 2009) und weiteren Untersuchungen (Tietze, 2010; Linderkamp, 2011; Nowoczin, 2012) bestätigen. Es empfiehlt sich daher ein Starthilfeseminar mit dem Ziel der Vermittlung einer grundlegenden Sitzungs-Struktur und einiger Basis-Methodenbausteine, dem tieferen Verständnis der Rollen und Funktionen, der Sammlung praktischer Erfahrungen eines jeden Gruppenmitgliedes und der Vermittlung grundlegender Kommunikationskompetenzen. Ebenso ist die Einbeziehung eines kompetenten Starthelfers ratsam, »[…] der die Einführung in die kollegiale Beratung übernehmen kann und die Gruppe bei Bedarf berät« (Tietze, 2015, S. 227 f.). Inwieweit das Starthilfeseminar und die Aufgabe des Starthelfers durch externe Trainer bzw. Supervisoren erfolgt oder auch durch die reflexionserfahrene Führungskraft bzw. Teamleitung selbst erfolgen kann, ist von den entsprechenden Personen, deren Ressourcen bzw. der jeweiligen Reflexionskultur der Organisation abhängig. Über je mehr Kompetenzen die Führungskraft hinsichtlich des Beratungsformates Intervision verfügt, desto eher wird sie sich an der Implementierung von Intervisionsgruppen direkt beteiligen bzw. deren Moderation in der Startphase übernehmen. Entsprechend des kollegialen Leitgedankens der Intervision sollten allerdings die Gruppenmitglieder diese Funktion perspektivisch selbst übernehmen. In Anlehnung an Lippmann (2013, S. 52 ff.) sowie Kopp und Vonesch (2003) sind folgende Aspekte hinsichtlich der zu vereinbarenden Zusammenarbeit vor der Konstituierung von Beratungsgruppen zu klären:

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1. Ziele und Erwartungen ■■ Welche Ziele verfolgen die Gruppenmitglieder und was sind die damit verbundenen Erwartungen an die Gruppe bzw. an einzelne Mitglieder? ■■ Welche Anliegen, Themen haben Platz? ■■ Was ergibt sich daraus an geforderten Kompetenzen bezüglich der Mitglieder? ■■ Welche persönlichen Ressourcen, aber auch Grenzen sollen berücksichtigt werden? ■■ Bestehende Befürchtungen: was soll nicht stattfinden? 2. Methoden, Arbeitsweisen ■■ Wie sollen die Sitzungen strukturiert werden? ■■ Welche Erwartungen haben wir an die Moderation? Wie vereinbaren wir die Moderation? ■■ Wie geschieht die Themenauswahl, nach welchen Kriterien (z. B. Dringlichkeit, Interesse möglichst vieler)?

Intervision

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■■ Soll die Problembearbeitung mit möglichst verschiedenen Methoden erfolgen oder möchte die Gruppe zunächst mit weniger Verfahren hohe Routine erreichen? ■■ Welche Regeln werden vereinbart? ■■ Wie geht die Gruppe mit Konflikten bzw. massiven Arbeitsstörungen um? ■■ Wird eine Kombination mit Starthelfern gewünscht? 3. Rahmenbedingungen ■■ Wer macht mit, wie werden Aufnahmen bzw. Austritte gehandhabt? ■■ Welches ist die gewünschte (minimale/maximale) Gruppengröße? ■■ Welche Vereinbarungen braucht es bezüglich der Vertraulichkeit der Beratungsinhalte? Wie können andererseits nach Auswertung einer bestimmten Sitzungsperiode Erkenntnisse im Sinne der Qualitäts- bzw. Organisationsentwicklung an andere Subsysteme der Organisation rückgemeldet werden? ■■ Wie arbeitet die Gruppe: immer am gleichen oder an verschiedenen Orten? Gibt es Kosten (z. B. Raum, Verpflegung)? Wer trägt sie? ■■ Zeitpunkt, Häufigkeit und Dauer: eher kleine/größere Abstände, dafür kürzere/längere Sitzungen? ■■ Wie kann ein mit angemessenem Gestühl, Flipchart, Pinnwand, Moderationsmaterial etc. ausgestatteter Raum zur Verfügung gestellt werden? 8.1.7 Methodik der Intervision, Phasen und Rollen Methodik:

Intervision ist ein systematisches Beratungsgespräch, in dem Kollegen und Kolleginnen sich nach einer vorgegebenen Gesprächsstruktur wechselseitig zu professionellen Fragen und Schlüsselthemen ihres Berufsalltages beraten und gemeinsam Lösungen entwickeln, über deren Brauchbarkeit letztlich die fallpräsentierende und fallverantwortliche Person entscheidet. ■■ Die Beratung findet in Gruppen von fünf bis zehn Mitgliedern statt, so Franz und Kopp (2003). Lippmann (2013) nennt eine Gruppengröße von drei bis zwölf Mitgliedern, Schlee (2008) hält vier Teilnehmer für ideal. (Ein besonderes Setting bietet sich mit der »Tandem-Intervision« nach Orthey und Rotering-Steinberg, 2002, das es ermöglicht, sich bei mangelnder Verfügbarkeit einer Gruppe mittels eines entsprechenden Ablaufmodells auch in der Dyade gegenseitig kollegial zu beraten und zu unterstützen).

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Die Förderung des kollegialen und des individuellen Transflexings

■■ Die Gruppenmitglieder tragen dabei ihre Praxisfragen, Probleme und »Fälle« vor. Nach einem festen Ablauf leitet ein anderer Teilnehmer als Moderator die Gruppe durch das Beratungsgespräch und aktiviert dabei die Erfahrungen, Ideen und Kompetenzen der übrigen Teilnehmenden. Unter Anleitung des Moderators beraten somit alle übrigen Mitglieder den »Fall« und suchen nach Anregungen und Lösungsideen, die den »Falleinbringer« weiterbringen sollen. ■■ Die Rollen der Intervision (Falleinbringer, Berater, Moderator etc.) wechseln je Fallberatung, es gibt keine festen Rollenverteilungen unter den Teilnehmenden. Es gibt keinen Berater oder Experten von außer, der in die Gruppe kommt. ■■ Ein Beratungsdurchgang dauert etwa 60 Minuten. (Tietze, 2015: 35–45 min.; Franz u. Kopp, 2003: 60–90 Min.). In der Intervision sind die Rollen des Fallgebers (Ratsuchenden), Beraters und Moderators von besonderer Bedeutung. Insbesondere die strikte Rollentrennung ist ein zentraler Erfolgsfaktor der Intervision (Franz u. Kopp, 2003): Fallgeber

Der Fallgeber will offen über seinen Fall sprechen und ist an einer Lösung interessiert. Der Fallgeber

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■■ bringt eine Schlüsselsituation seines beruflichen Alltages (hier: Fallsituation) ein, ■■ ist bereit, persönliche Anteile und Gefühle zu äußern, ■■ rechtfertigt sich nicht, betrachtet sein Verhalten allerdings selbstkritisch, ■■ nimmt die Vermutungen und Ideen der Berater als Anregungen auf, ■■ betrachtet das Problem und mögliche Lösungen aus neuen Perspektiven. Moderator

Der Moderator leitet die Gruppe und sichert so die methodische Problemlösung und konstruktive Zusammenarbeit. Aufgaben sind ■■ ■■ ■■ ■■ ■■

die methodischen Schritte überwachen und sicherstellen, die Zeit einhalten, die Gruppe am Thema halten, die Beiträge strukturieren und zusammenfassen, die Kommunikationsregeln sichern.

Intervision

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Berater

■■ begegnen dem Fallgeber mit Respekt, stellen sich auf die Sichtweise des Fallgebers ein und akzeptieren das gegebene Problem, ■■ äußern ihre Wahrnehmung, Eindrücke, Gefühle, Empfindungen und Vermutungen möglichst offen und ehrlich, ■■ zeigen Zusammenhänge auf und ermöglichen so dem Fallgeber einen anderen Zugang zum Problem, zu neuen Handlungsweisen und weiteren Lösungsmöglichkeiten. Die Berater konzentrieren sich zunächst auf die Falldarstellung, ohne diese zu unterbrechen oder zu kommentieren. Lediglich am Ende der Darstellung können Verständnisfragen gestellt werden. Sie teilen ihre Eindrücke und Vermutungen mit. Wichtig ist, zunächst ein großes Analysespektrum zu eröffnen und nicht vorschnell die Aussagen zu bewerten. Die Berater sind gehalten, auf vorschnelle Lösungen oder mögliche »Erfolgsrezepte« zu verzichten und sich in jeder Phase auf ihre Aufgabe als ideenreiche Unterstützer zu konzentrieren. Ein Protokollant könnte durch das Mitschreiben auf der Flipchart den Moderator entlasten und die Ergebnisse für den Falleinbringer sichern. Phasenmodell

Die angemessene Strukturierung des Beratungsprozesses erfolgt über eine klare Orientierung an den jeweiligen Rollen wie am entsprechenden Phasenmodell. Wir knüpfen in unserem Phasenmodell maßgeblich an Methodenelementen nach Fallner und Gräßlin (1990), Franz und Kopp (2003), Tietze (2015), Herwig-Lempp (2004) und Lippmann (2013) an, die sich aufgrund langjähriger Erfahrung mit studentischen Intervisionsgruppen im Studiengang Coaching und Führung der Ernst-Abbe-Hochschule Jena und in einem wissenschaftlich begleiteten Implementierungsprojekt (Kühl, 2009) bewährt haben: 1. Vorbereiten und Anliegen erheben: a) Nachdem bereits in der Vorbesprechung die Arbeitsvereinbarung (Rahmenbedingungen, Konzept, Ablauf- und Rollenmodell etc.) zustande gekommen ist, werden nun zu Sitzungsbeginn die jeweiligen Anliegen der Teilnehmer (Anregungen für ein individuelles Vorbereitungsblatt finden sich bei Lippmann, 2013, S. 82) benannt und in einen Zeitplan gebracht. b) Casting: nun werden die Rollen (des Moderators, der Falleinbringer, der Berater und ggf. des Protokollanten) verteilt. 2. Darstellen, verstehen, Fragestellung erarbeiten: a) Bei der Falldarstellung kann der Falleinbringer leicht unter Vollständigkeitsdruck geraten. H ­ erwig-­ Lempp (2004) empfiehlt eine Fallschilderung, die »kurz und bewußt unvoll-

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ständig« (S. 73) sein soll. Dies schafft Distanz für die Berater: »Nicht alles genau zu wissen, macht es mir leichter, die Verantwortung beim anderen zu lassen« (Herwig-Lempp, 2004, 75). Visualisierungen in Form von symbolischen Darstellungen oder Systemübersichten unterstützen die verbale Schilderung der Problemstellung. b) Rückfragen der Teilnehmer dienen zunächst nur dem besseren Verständnis. c) Sodann ist die Schlüsselfrage zu bearbeiten: »Was genau wollen Sie hier klären?« Keine Beratung ohne Auftrag. Der Falleinbringer legt (ggfs. mit Unterstützung des Moderators) fest, welche Fragestellung und damit welches Ziel die Beratung haben soll. 3. Betrachten, vertiefen, erweitern: a) Die Berater nehmen Kontakt zur Situation auf, nehmen dabei den eigenen »inneren Film« wahr, äußern ihren ersten Eindruck, ohne zu werten. Insbesondere für in der Beratungsmethode bereits Fortgeschrittene ist es auch möglich, dass sie sich jeweils mit einem Beteiligten (z. B. Falleinbringer, Kunde, etc.) identifizieren (»Wenn ich mich in den Kunden hinein versetze …«). Auch szenische Darstellungen oder systemische Fragetechniken können zur Perspektivenerweiterung nützlich sein (vgl. Kap. 7.1). b) Der Falleinbringer nimmt nach dieser Runde dazu Stellung: »Wo­rauf bin ich angesprungen?« 4. Hypothesen bilden und genauer zielen: a) Die Berater formulieren ursächliche Zusammenhänge, Analysen und Hypothesen. Fortgeschrittene können dabei auf die in Kap. 7.1 dargestellten Ebenen der systemischen Hypothesenbildung eingehen, insbesondere um die Verwobenheit der involvierten Systemebenen besser erkennen zu können. Anschließend entscheidet der Falleinbringer über die Nützlichkeit der Beiträge und gewichtet sie. b) Auf dem Hintergrund dieser Problemdiagnose überprüft er seine Schlüsselfrage und formuliert – ggf. mit Unterstützung der Berater – ein präziseres Ziel: »Wie kann ich erreichen, dass …«. 5. Lösungen erarbeiten: Lösungsszenarien zu entwickeln und kreative Lösungsideen zu sammeln (ohne sie sogleich zu bewerten), stellt nun die nächste Aufgabe für die Berater dar. Fortgeschrittene können dabei auf die in Kap. 7.1 dargestellten systemischen Lösungsebenen zurückgreifen. Ratschläge sind oft nicht treffsicher, jedoch gerade an dieser Stelle hilfreich, weil von vornherein deutlich ist, dass möglichst viele, kreative Ratschläge gegeben werden und somit allen Beteiligten klar ist, dass nicht annähernd jeder umsetzbar ist. Hier kommt es vielmehr auf die Vielfalt der Lösungsideen an. Jede Idee darf dabei – allerdings ohne lange Debatte – von einem anderen Mitglied weiterentwickelt werden. 6. Entscheiden, nächste Schritte vorbereiten: Der Falleinbringer kommentiert, bewertet und entscheidet: »Ich nehme mir vor …«. Methoden systemati-

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Intervision

scher Entscheidungsfindung und systemischer Ressourcenanalyse dienen der Konkretisierung. Die Berater unterstützen den Aktionsplan, indem sie Stolper- wie Meilensteine identifizieren und bei der Konkretisierung der Ziele assistieren. Probehandeln – etwa durch kurze Szenarienentwicklung bzw. Rollenspiele – kann die Umsetzung erleichtern. 7. Abschließen und beenden: der Lerngewinn aus dieser Fallbesprechung für die Praxis wird von allen Gruppenmitgliedern benannt, der Prozess, die Zusammenarbeit und die Moderation mit einem Feedback und der Vereinbarung möglicher Verbesserungen abgeschlossen. Moderator

Falleinbringer

Berater

1. V  orbereiten und Anliegen erheben (5 Min.): Zunächst werden die jeweiligen Anliegen der Gruppen­mitglieder benannt und in einen Zeitplan gebracht. Sodann werden die Rollen (des Moderators, des Fall­einbringers, der Berater etc.) verteilt und die Rahmen­bedingungen der Sitzung geklärt. »Wer will einen Fall ein­bringen?« »Wieviel Zeit haben wir?«

»Ich würde gern über … sprechen.«

hören zu

2. D  arstellen, verstehen, Fragestellung erarbeiten (10 Min.): Der Falleinbringer stellt die zu bearbeitende Problemsituation kurz und bewusst unvollständig vor (Visualisierungen, etwa Organigramme und Systemübersichten, können nützlich sein). »Was ist Ihr zu klärendes Problem?«

berichtet knapp

stellen nur Verständnisfragen

Die Schlüsselfrage an das falleinbringende Gruppenmitglied lautet »Was genau wollen Sie hier klären?« »Worum geht es Ihnen hier konkret?«

»Mein Anliegen ist …«

3. B  etrachten, vertiefen, erweitern (10 Min.): Die beratenden Gruppenmitglieder nehmen Kontakt zur Situation auf, nehmen diesbezüglich den eigenen »inneren Film« wahr, äußern ihren ersten Eindruck (ohne zu werten). »Was fällt Ihnen, den beraten­ den Gruppenmitgliedern, ein und auf?«

hört zu

Der Falleinbringer nimmt nach dieser Runde dazu Stellung: »Für mich ist davon wichtig …«

»Mir fällt ein/auf, dass …«

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Die Förderung des kollegialen und des individuellen Transflexings

Moderator

Falleinbringer

Berater

4. H  ypothesen bilden und genauer zielen (10 Min.): Die beratenden Gruppenmitglieder formulieren ursächliche Zusammenhänge, Analysen, Hypothesen. hört zu

»Könnte es vielleicht sein, dass folgender Zusammenhang besteht …?«

Der Falleinbringer entscheidet über die Nützlichkeit der Beiträge und gewichtet sie: »Was ist Ihnen davon am Wichtigsten?«

»Für mich ist wichtig …«

Vor dem Hintergrund dieser Problemdiagnose überprüft das fall­einbringende Gruppenmitglied seine Schlüsselfrage und formuliert (ggfl. mit Unterstützung der beratenden Gruppenmitglieder) ein ­präziseres Ziel. »Wie lautet jetzt Ihre Frage genau?«

»Für mich stellt sich jetzt, die Frage, wie ich erreichen kann, dass …«

5. Lösungen erarbeiten (10 Min.): Die beratenden Gruppenmitglieder sammeln nun Ideen (ohne sie sogleich zu bewerten) und entwickeln Lösungsszenarien. Ratschläge sind oft nicht treffsicher, jedoch gerade an dieser Stelle hilfreich, weil von vornherein deutlich ist, dass möglichst viele, kreative Impulse gegeben werden und somit allen Beteiligten klar ist, dass nicht annähernd jeder umsetzbar ist. »Welche Handlungsideen haben Sie als ­beratende Gruppenmit­ glieder konkret?«

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hört zu

»Wie wäre es, wenn Sie …?«

6. Entscheiden, nächste Schritte vorbereiten (10 Min.): Das falleinbringende Gruppenmitglied kommentiert, bewertet und entscheidet. Die beratenden Grupppenmitglieder unterstützen den Aktionsplan, indem sie Stolper- wie Meilensteine identifizieren und bei der Konkretisierung der Ziele assistieren. »Das werde ich tun …«

»Ich sehe da als Meilenstein … und gehe davon aus, dass durch … dessen Erreichen leich­ ter wird.« »Ich sehe folgenden Stolper­ stein … und habe folgende Idee zu dessen Überwindung …«

7. Abschließen und Beenden (10 Min.): Der Lerngewinn für die Praxis wird von allen Beteiligten benannt. Der Prozess, die Zusammenarbeit und die Moderation werden ausgewertet

Selbstcoaching

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8.1.8 Perspektiven Intervision bietet vielerorts noch ungenutzte Entwicklungspotenziale fachlicher Reflexion, des wechselseitigen Lernens und kollegialer Unterstützung. Da sich vormals dauerhafte Teamstrukturen angesichts der durch Globalisierung und Digitalisierung veränderten organisationalen Rahmenbedingungen zunehmend als virtuell bzw. fluide und damit für die einzelne Fachkraft als Feedback- und Lernort als weniger verfügbar erweisen, dürfte Intervision als selbstgesteuerte, kollegiale Beratung zukünftig stark an Attraktivität gewinnen, nicht zuletzt weil Intervisionsgruppen je nach konkretem Reflexionsbedarf zusammenfinden können. Dies sollte sowohl von den Fachkräften selbst wie von deren Führungskräften frühzeitig erkannt und entsprechende dyadische bzw. gruppenbezogene Angebote implementiert werden. Die Kernkompetenz der Intervision liegt in der Vielfalt und Kreativität neuer Sichtweisen und Handlungsanregungen für selbstorganisiertes Lernen im kollegialen Miteinander. Die Grenzen der Intervision und die Übergänge zu anderen Reflexionsmethoden und Beratungsformaten (etwa den verschiedenen Coaching- und Supervisionsvarianten und dem Mentoring) sollten zukünftig deutlicher herausgearbeitet werden, um konzeptionelle Klarheit zu erlangen und dadurch möglichst Fehlentwicklungen und Scheitern zu vermeiden. Allerdings sind gerade an der Schnittstelle zwischen Selbst- und Peer-Coaching – die nachfolgend skizziert wird – neuere konzeptionelle Entwicklungen zu verzeichnen, die noch nicht in allen Einzelheiten einschätzbar bzw. methodisch ausgearbeitet sind. Daher bedarf es einer vermehrten wissenschaftlichen Befassung, insbesondere entsprechender Entwicklungs-, Begleit- und Evaluationsprojekte, um dieses Beratungsformat zukünftig noch intensiver theoretisch und empirisch zu fundieren. Dies gilt auch für die Rolle der Führungskraft bei der Implementierung und reflektierenden Begleitung von Intervision.

8.2 Selbstcoaching Um die Frage zu beantworten, ob und wie man sich selbst coachen kann, wollen wir uns zunächst noch einmal dem Thema der Führung zuwenden. Mit Seliger (2016) lassen sich drei Arten von Führungspraxis unterscheiden: (1) die Führung von Organisationen, (2) die Führung von Menschen und (3) die Führung von sich selbst. Bevor man an die Aufgabe geht, Menschen und Organisationen zu führen, sollte man in der Selbstführung Erfahrungen gesammelt haben. »Souveräne Selbstführung entsteht aus einer […] übergeordneten Perspektive –

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einer allparteilichen Sicht auf die eigene Person« (Dietz u. Dietz, 2011, S. 106). Da dies eine lebenslange Aufgabe bleibt, wäre es vermessen, behaupten zu wollen, dass der Erwerb von Führungskompetenz jemals abgeschlossen sein kann. Der Führungsansatz der transformationalen Führung, mit dem wir uns bereits beschäftigt haben (vgl. Kap. 2) ist in der Lage, die Selbstführungskompetenz zu fördern (Öhlschlegel-Haubrock et al., 2016, S. 18 ff.). Um sich selbst zu führen, kann es sehr hilfreich sein, zunächst in die Rolle eines Coachees zu gehen. Wie sollte man sonst wissen, wie es sich anfühlt, andere Menschen, bspw. seine Mitarbeitenden zu coachen. Langfristig sollte jedes Coaching in ein Selbstcoaching übergehen. Es geht nämlich »weniger um ein Coaching oder Selbstcoaching, sondern um das zweckmäßige Zusammenspiel von beiden« (Richter, 2015, S. 313). Im Folgenden wollen wir uns mit den Dimensionen des äußeren und inneren Selbstcoachings beschäftigen, um darauf aufbauend Schritte auf dem Weg zum inneren Coach zu skizzieren, bevor abschließend exemplarische Hinweise zu einer agilen Form der Verbindung von Selbst- und Peer-Coaching im Arbeitsprozess die Ausführungen dieses Kapitels abschließen. Unsere Ausführungen zum Selbstcoaching lassen sich unter einer dreifachen Perspektive lesen: erstens hinsichtlich des Selbstcoachings der Führungskräfte, zweitens in Bezug auf das Selbstcoaching der Mitarbeitenden und drittens kann die Führungskraft daraus direkte Hinweise gewinnen, wie sie das Selbstcoaching bei ihren Mitarbeitenden anregen kann. 8.2.1 Äußeres und inneres Selbstcoaching 8

Ein Coach hilft bei der Suche nach Zielen, Lösungswegen und fördert Zuversicht und persönliche Entwicklung. Im Selbstcoaching, dem inneren Coaching, übernehmen sie diese Rolle selbst (Fischer-Epe u. Epe, 2016, S. 14). Beim Selbstcoaching gilt es zwei Dimensionen zu unterscheiden, das äußere und das innere. Ersteres wird häufig als Selbstmanagement bezeichnet. Über das Antrainieren von Techniken zur Verbesserung bzw. (Wieder-)Herstellung der Selbstregulationsfähigkeit ist schon vieles gesagt und publiziert worden (Rauen, 2003, S. 64); die Managementliteratur mit ihren vielen Ratgebern ist ein beredtes Beispiel dafür. Aus diesem Grund beschränken wir uns hier auf einige wenige Aspekte. Exemplarisch seien das Zeitmanagement und der Simplify-Weg genannt, wie er von Küstenmacher und Seiwert (2002) ausführlich in zahlreichen Publikationen beschrieben wird. Zum Selbstmanagement zählt auch die Arbeit mit Portfolios, in denen sie oder ihre Mitarbeitenden sich selbst Rechenschaft ablegen über ihre Fähigkeiten und Kompetenzen. Dieser Ansatz beruht auf der sowohl all-

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tagpraktisch wie empirisch gesättigten Erfahrung, dass viele Menschen mehr auf ihre Defizite schauen als auf das, was sie schon erreicht und gelernt haben; deshalb können sie ihre Potenziale nur unzureichend wahrnehmen und wertschätzen. Aus diesem Grund ist es ratsam, Selbstcoaching mit einem Inventar dessen zu beginnen, was man an Fähigkeiten und Fertigkeiten bereits erworben hat. Auf diese Weise lassen sich implizites wie explizites Wissen visualisieren und Entwicklungspotenziale aufdecken. Die Übergänge zwischen äußerem und innerem Selbstcoaching sind natürlich fließend, wie sich an der WOOP-Methode zeigen lässt. Diese kombiniert eine logisch sequentielle Abfolge von einzuübenden Handlungsschritten mit der Arbeit an inneren Bildern. Die Methode ist von der, an der New York University und der Universität Hamburg lehrenden Professorin Gabriele Oettingen in 20-jähriger Forschungsarbeit entwickelt und unter dem Titel »Psychologie des Gelingens« im Jahr 2015 veröffentlicht worden. WOOP steht für Wish, Outcome, Obstacle und Plan (Wunsch, Ergebnis, Hindernis, Plan) und beinhaltet alle vier für das Gelingen der Methode notwendigen Schritte, die schriftlich fixiert werden. Die WOOP-­Methode ist in zahlreichen wissenschaftlichen Studien gut belegt und eignet sich für eine Anwendung in unterschiedlichsten Feldern. Bevor wir auf die einzelnen Schritte eingehen, sollen kurz die theoretischen Hintergründe angesprochen werden. Zum einen ist hier Martin E. Seligman, der Begründer der Positiven Psychologie und Mentor von Gabriele Oettingen zu nennen, der »Optimismus als die Summe von Annahmen und Erwartungen in Bezug auf die Zukunft auf der Basis früherer Erfolgserlebnisse« versteht (­Oettingen, 2015, S. 22). Zum anderen hatte bereits der Philosoph William James in seinem Werk »The Principles of Psychology« im späten 19. Jahrhundert auf den Unterschied zwischen der »bloßen Vorstellung von einer Sache und dem Glauben an ihre Existenz« (Oettingen, 2015, S. 24) aufmerksam gemacht. Aus dieser Diskrepanz entwickelt Oettingen ihre Fragestellung: »Konnten Wünsche oder Träume, unabhängig von tatsächlich gemachten Erfahrungen, Menschen mit der nötigen Energie versorgen, die sie brauchen, um zu handeln und ihre Träume wahr zu machen?« (Oettingen, 2015, S. 24) Die aufgeworfene Frage ist, wie zahlreiche experimentelle Untersuchungen belegen, zu verneinen. Positive Fantasien, Wünsche und Träume bewirken sogar das Gegenteil, wenn sie wenig Verbindung zu früheren eigenen Erfahrungen haben: Sie wirken betäubend, geben keine Energie und haben sogar einen demotivierenden Effekt. Positives Denken in Form von Träumereien ohne Bezug zur Realität hemmt die Motivation und das Handeln von Menschen eher und hindert sie daran voranzukommen. Wer etwas verändern will, sollte sich auch mit möglichen Hindernissen auseinandersetzen. Doch weder das allei-

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nige Fantasieren über Wunschvorstellungen noch das bloße Nachdenken über Widerstände führt zum Ziel. Oettingen (2015, S. 24) ging deshalb von der Hypothese, die sich später bestätigte, aus, »dass mentales Kontrastieren, also die Kombination von positivem Träumen und dem Visualisieren von Hindernissen, in genau dieser Reihenfolge, sich als hilfreich erweisen würde« (Oettingen, 2015, S. 86). Wenn Menschen sich beides anschauen, erst den Wunsch und dann die Realität und beides in Beziehung setzen, »passiert etwas ganz Wunderbares: Ganz allein, ohne die Hilfe von Therapeuten, Coaches oder Medikamenten, finden sie die Energie, um die Wünsche anzugehen, die für sie realisierbar sind« (Oettingen, 2015, S. 121). Durch die abwechselnde Beschäftigung mit der Realität und der Wunscherfüllung im mentalen Kontrastieren wird es möglich, einen realistischen Blick auf Zukunftschancen zu erhalten und Strategien zur Beseitigung von Hindernissen zu entwickeln. In dem Bemühen, das mentale Kontrastieren als Werkzeug noch effektiver zu machen, griff Oettingen auf das Konzept der Implementation Intentions, der sog. Durchführungsintentionen zurück. Dabei geht es um die »Herausbildung expliziter Absichten, mittels derer man den Weg zum Ziel plant« (Oettingen, 2015, S. 165). Anstatt Schwierigkeiten auf sich zukommen zu lassen und diese situativ zu bewältigen, ist nach dem Wenn-dann-Prinzip zu verfahren, das sich als besonders wirksam erwiesen hat. Aus der Kombination des mentalen Kontrastierens und der Durchführungsintention ist dann die WOOP-Methode entstanden. Die praktische Handhabung ist recht einfach und erfolgt in vier Schritten:

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1. Sie beschäftigen sich mit Ihrem Wunsch. Wichtig ist dabei, dass es Ihr ureigener Wunsch ist und Ihnen wirklich am Herzen liegt. 2. Sie malen sich das beste Ergebnis in lebhaften inneren Bildern aus. Stellen Sie sich vor, wie es ist, wenn Sie das Ziel erreicht haben. 3. Welche Hindernisse nehmen Sie wahr, Ihren Wunsch zu realisieren? Seien Sie an diesem Punkt bitte ehrlich zu sich selbst und fragen Sie nach dem tieferen, dem dahinterliegenden Grund. Nur so können Sie wirksame Strategien im nächsten Schritt finden. 4. Sie entwickeln Ihren Wenn-dann-Plan, indem Sie Ihr zielführendes Verhalten zur Überwindung Ihres Hindernisses möglichst konkret beschreiben. Inzwischen gibt es auch eine App für WOOP, es geht aber auch ganz klassisch mit Papier und Stift. Oettingen versteht ihr Konzept als Ergänzung zu anderen Motivationstechniken auf der Ebene des Unterbewusstseins. Durch die Verknüpfung von Wunsch und Hindernis wird letzteres »zu einem stän-

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digen nicht-bewussten Ansporn, in Richtung Wunscherfüllung zu handeln«; jedes Mal, wenn man an den Wunsch denkt, »aktiviert der Wunsch im Nicht-­ Bewusstsein die widerständige Realität und bringt sie dadurch ein Stückchen weiter in Richtung Wunscherfüllung« (Oettingen, 2015, S. 127). Mit WOOP ist es möglich, körperlichen und mentalen Stress abzubauen und seinen Zielen näher zu kommen. Besonders wirkungsvoll ist es, wenn man sein eigenes tägliches WOOP-Ritual entwickelt. Noch haben wir die Frage nicht beantwortet, wer beim Selbstcoaching das coachende Selbst ist. Wenn wir das Selbst als die »umfassende Organisation der psychischen, aber auch körperlichen, der bewussten und unbewussten Seiten eines Menschen« verstehen, »ist es sicherlich nicht das Selbst, das coacht, sondern ein von ihm beauftragter Aspekt des ›inneren Teams‹« (Richter, 2015, S. 314). Wir alle haben verschiedene Persönlichkeitsanteile und verfügen über ein inneres Team (Schulz von Thun, 2013), das ebenso wie ein äußeres Team gecoacht werden kann. Wenn der Spezialfall eintritt, dass ein Anteil von uns selbst in die Rolle des Coaches geht, so können wir von Selbstcoaching sprechen. Selbstcoaching bedeutet, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und die eigene Entwicklung aktiv in die Hand zu nehmen. Dies setzt ein In-Beziehung-Gehen zu sich selbst voraus. Selbstcoaching ist eine Form von Beratung, die unterschiedliche Funktionen erfüllt: ■■ ■■ ■■ ■■

Selbstcoaching kann der Selbstunterstützung dienen, Selbstcoaching kann einen externen Coachingprozess ergänzen, Selbstcoaching kann die Fortsetzung eines Coachingprozesses sein und Selbstcoaching kann der Impuls sein, sich Unterstützung von außen zu holen (Richter, 2015, S. 313).

Das innere Coaching arbeitet im Wesentlichen mit der Kraft der Vorstellung der inneren Bilder. Die Aufgaben des inneren Coaches haben ein sehr breites Spektrum, sie reichen von der Entwicklung von Zielvorstellungen und Visionen, der Suche nach Lösungen, dem Umgang mit Konflikten, der Vorbereitung auf bestimmte Situationen, über das Aktivieren von Ressourcen und Potenzialen bis hin zur Wiedergewinnung von innerer Balance. Insofern gibt es hier keine Unterschiede zwischen Coaching und Selbstcoaching. Die Herausforderung besteht darin, die Position des inneren Coaches aufzubauen, dies geschieht über verschiedene Schritte und beginnt mit der Installation einer Beobachterposition im inneren Team. Viele unserer Gedanken, die wir tagtäglich denken, sind Gedanken, die wir schon abertausende Male gedacht haben; so programmieren wir uns mit

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automatisch ablaufenden Gedanken. Dabei findet eine Synchronisierung von Gehirn und Körper statt: Wir fühlen uns so, wie wir denken, und denken so, wie wir fühlen (Dispenza, 2012). Dies ist eine sich wechselseitig stabilisierende Feedbackschleife, die durchbrochen werden kann, indem wir neue Gedanken denken, neue Erfahrungen machen und so die Voraussetzung dafür schaffen, neue neuronale Muster aufzubauen. Auf diese Weise kann es zu Veränderungen kommen, und es können Veränderungen stattfinden, da unser Gehirn plastisch ist. Damit dies geschehen kann, gilt es uns selbst über die Schulter zu schauen, dabei soll uns der innere Coach helfen. 8.2.2 Auf dem Weg zum inneren Coach

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Der Weg zum inneren Coach lässt sich in sieben Schritten beschreiben: Die Installation einer inneren Instanz des Beobachters macht es uns möglich, uns selbst in unserem Veränderungsprozess zu betrachten. Wir unterscheiden dabei die Beobachtung erster und zweiter Ordnung. Die Betrachtung von Interaktionsprozessen in der Organisation durch eine Führungskraft, die eine Beobachterperspektive einnimmt, bezeichnen wir als Beobachtung erster Ordnung. Die Beobachtung der Führungskraft bei dieser Beobachtung stellt eine Beobachtung zweiter Ordnung dar. Die Beobachterposition kann auf verschiedene Arten eingerichtet werden. Zunächst ist dies durch Metakognition möglich, die Auseinandersetzung mit den eigenen kognitiven Prozessen; der Beobachter kann zu einem Alter Ego werden, einem hilfreichen Begleiter, der wie ein Schatten nicht von der Seite weicht. Mit dem Bewusstheitsrad® der Selbstwahrnehmung (Miller et al., 1988) liegt ein Modell vor, das helfen kann, selbst eine Beobachterposition zweiter Ordnung einzunehmen. Das Bewusstheitsrad® beschreibt das »individuelle System eines Menschen zur Informationsaufnahme, Verarbeitung und zur Umsetzung in konkrete Handlungsimpulse. Es umfasst fünf Bereiche, von denen jeder wichtige und spezifische Informationen von außer- und innerhalb einer Person erhält und verarbeitet« (Berdel-Mantz, 2010, S. 1). Die fünf Bereiche sind die Sinneswahrnehmungen, Deutungen, Gefühle, Absichten und Handlungen eines Menschen. Für das Selbstcoaching können einem die folgenden Satzanfänge als Reflexionshilfe für die Selbstbeobachtung dienen (Breitbart, 2005, S. 4): »Wenn ich wahrnehme … dann denke ich … und fühle ich … und deshalb mache ich … um zu erreichen …

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mit dem Ergebnis … und am Ende denke, fühle und mache ich …«. Dem Aufbau einer Beobachterposition folgen nach Richter (2015, S. 316 ff.) noch weitere sechs Schritte zum inneren Coach. Die Verkörperung und Implantierung des inneren Coaches beginnt mit der Suche nach einer imaginativen Verkörperung des bewussten und unbewussten Begleitungs- und Beratungswissens, dem Selbstcoach. Hier empfiehlt es sich, den spontanen Einfällen aus der unzensierten Tiefe des Selbst zu folgen und ein Wesen zu wählen, dem man sich gern anvertraut. Dies können Vorbilder, Charaktere aus Literatur oder Film, Fabelwesen, Tiere oder selbst kreierte Figuren sein. Die selbstakzeptierende Haltung ist deshalb so wichtig, da die überkritischen, abwertenden und an den eigenen Fähigkeiten zweifelnden Stimmen in unserem Inneren sich nicht selten sehr laut zu Wort melden, wie dies bspw. in dem aus der Transaktionsanalyse stammenden Konzept des Antreibers, einem wertvollen Modell zur Analyse von Persönlichkeits- und Beziehungsdynamiken, der Fall ist (Kahler, 1977). Es braucht deshalb ein Gegengewicht zu der erlernten Hilflosigkeit (Seligman, 2016) und den Ohnmachtsgefühlen, die uns zu befallen drohen. Deshalb ist die Überzeugung der eigenen Selbstwirksamkeit so wichtig. Sie zu aktivieren und zu fördern, kann die wertschätzende Selbstbefragung, die appreciative inquiry (Bonsen u. Maleh, 2012) helfen; sie wurde in den 1980er Jahren von David Cooperrider von der Case Western Reserve University in den USA entwickelt. Die Fragen die man dabei an sich selbst richtet, können bspw. die folgenden sein: ■■ Was ist deine positivste Erinnerung? Was war dein größter bisheriger Erfolg? ■■ Was inspiriert, was fasziniert dich an deiner Aufgabe? ■■ Was ist deine besondere Fähigkeit? ■■ Was schätzen andere an deiner Arbeit am meisten? ■■ Was stimmt dich optimistisch und fördert dein Engagement? ■■ Was möchtest du erreichen, und wie wird es sein, wenn du es erreicht hast? ■■ Woran kannst du erkennen, dass du deiner Vorstellung näher kommst? Wenn man die Übung alleine durchführt, empfiehlt es sich, real oder in Gedanken abwechselnd die Rolle des Fragenden bzw. Antwortenden einzunehmen. Durch die Selbstbefragung bietet sich die Chance, die »eigene Innenwelt zu erforschen und zu dem, was man dort findet, eine liebevolle Beziehung aufzubauen« (Dietz u. Dietz, 2011, S. 15).

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Die Erweiterung der Bewusstseinsbühne ist deshalb angeraten, da unser waches Alltagsbewusstsein – wie die Praxis zeigt – nur begrenzte Beratungsfähigkeiten besitzt. Es empfiehlt sich deshalb eine Drehbühne mit unterschiedlichen Spielflächen für das Bewusstsein. Hier kommen das Unbewusste, die leichte und starke Trance sowie das Traumbewusstsein ins Spiel. Das Finden eines sicheren inneren Ortes ist für das innere Coaching ebenso wichtig wie für das äußere. Er soll uns Sicherheit bieten und gleichzeitig eine Atmosphäre bieten, die in uns die Bereitschaft fördert, dass wir Neugierde entwickeln und uns auf etwas Neues einlassen können. Die Methode des Focusing (Gendlin, 1998) gibt Hinweise, wie man diesen inneren Ort finden kann. Die Entwicklung von Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Selbstsorge hilft, sich auf mögliche Lösungen zu fokussieren. Dass die Energie dahin fließt, wohin die Aufmerksamkeit geht, wird in vielen therapeutischen Kontexten genutzt. Ganz besondere Beachtung findet dieser Gedanke in der systemischen Therapie und in der Hypnotherapie nach Milton Erickson. Die Kultivierung von Achtsamkeit hilft uns, in einem wachen Kontakt mit unserer Innen- und Außenwelt zu sein (Mohr, 2014). Dass dies positive Wirkungen für die psychische und physische Gesundheit hat, ist durch empirische Studien hinlänglich nachgewiesen (KabatZinn, 2013). Seit einigen Jahren ist das Thema auch in Führungskräfteseminaren angekommen (Amberg, 2016; Romhardt, 2013; Creutzfeldt, 2018). Achtsam zu sein hat schließlich noch die Bedeutung von achten; in diesem Sinne verweist es auf die Selbstsorge, die notwendig ist, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, »seine berufliche Arbeit als bedeutsamen Teil eines gelingenden Lebens erfahren zu können« (Buer u. Schmidt-Lellek, 2008, S. 205). Zudem fördert die Achtsamkeit die Entwicklung des inneren Beobachters. Die Selbstbefragung gehört auch für den inneren Coach zum zentralen Handwerkszeug. Die unterschiedlichen Fragenarten, die im Selbstcoaching zum Einsatz kommen, sind mit denen eines externen Coaches identisch. Aufbauend auf der wertschätzenden Selbstbefragung kann man, sowohl als Führungs- als auch Fachkraft, die folgenden Fragen an sich selbst richten: ■■ Meine Eigenart(en) als (coachende) Führungskraft bzw. Fachkraft würde ich wie folgt beschreiben: … ■■ Zur Hochform laufe ich auf, wenn … ■■ Verantwortung übernehme ich für … ■■ Keine Verantwortung übernehme ich für … ■■ Ich glaube, folgende Denk- und Handlungsmuster in Bezug auf meine (coachende) Führungspraxis bzw. Tätigkeit als Fachkraft bei mir erkannt zu haben …

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■■ Um meine Rolle als (coachende) Führungskraft bzw. Tätigkeit als Fachkraft optimal erfüllen zu können, wünsche ich mir von meinen Mitarbeitenden bzw. Führungskräften folgendes … Diese Fragen können Sie um weitere für Sie wichtige Punkte spezifisch ergänzen und modifizieren. Gallwey (2012) hat mit seinem Buch »Das innere Spiel« eine treffende Metapher für das innere Coaching gefunden. Darin beschäftigt er sich – mit Bezug zum Tennis – mit der Struktur des inneren Dialogs zwischen unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen in uns. Er stellt die These auf, dass es neben dem äußeren Spiel, das für einen Beobachter sichtbar ist, noch ein inneres Spiel gibt. »Dieses Spiel findet im Kopf des Spielers statt und wird gegen Hindernisse wie Konzentrationsschwäche, Nervosität, Selbstzweifel und Selbstkritik ausgetragen. Es wird, um es ganz kurz zu sagen, gegen alle Denkgewohnheiten gespielt, die herausragenden Leistungen im Weg stehen« (Gallwey, 2012, S. 12). Wird den vernachlässigten Fertigkeiten des inneren Spiels keine Aufmerksamkeit geschenkt, so wird man auch im äußeren Spiel keine Meisterschaft erlangen können, so seine Überzeugung. Gallwey unterscheidet zwischen dem »Ich« (Selbst 1) und dem »Körper« (Selbst 2). Das Selbst 1 kann man sich als den Kommentator der Handlungen von Selbst 2 vorstellen. Beide kommunizieren miteinander. Die Qualität unserer Performance hängt von der Beziehung zwischen beiden ab. Um zu einer besseren Harmonie zwischen dem bewussten Ich (Selbst 1) und dem Körper (Selbst 2) zu kommen, empfiehlt Gallwey den Verzicht auf Selbstbeurteilung: »Erst wenn Selbst 1 damit aufhört, über Selbst 2 und seine Taten zu urteilen, kann es ein Bewusstsein dessen entwickeln, wer und was Selbst 2 ist, und die Abläufe würdigen, nach denen es funktioniert« (Gallwey, 2012, S. 67). Während Selbst 1 über die Sprache kommuniziert, sind für Selbst 2 die Bilder wichtig. Über den »Verzicht auf Beurteilungen, die Kunst, Bilder aufzurufen, und das ›Geschehenlassen‹« (Gallwey, 2012, S. 97) kann der innere Dialog positiv gestaltet werden. Als Erstes kommt es darauf an, dass man zunächst den Dialog wahrnimmt und dokumentiert, d. h., die Gedanken werden festgehalten, und es wird geschaut, welche Qualität sie haben, ob sie mich behindern oder hilfreich sind, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Anschließend kann Gedanken, die einem nicht guttun, mittels eines laut oder auch leise gesprochen »Stopp« Einhalt geboten werden. Sie lassen sich auch visualisieren und anschließend auflösen und durch positive Affirmationen ersetzen. Zunächst ist es ganz wichtig anzuerkennen, dass der Gedanke da ist. Damit wir ihn loslassen können, ist es notwendig, ihn zuvor anzuschauen und nicht

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in einen Widerstand gegen ihn zu gehen, sonst bekommen wir es mit einem von vier Saboteuren zu tun: der Schuldzuweisung, der Selbstanklage, der Resignation oder der Gefahr, die Situation bekämpfen zu wollen. In einem weiteren Schritt geht es sodann darum, die Geschichte, die wir uns selbst erzählen, umzuschreiben, indem wir uns eine andere Geschichte erzählen, die für uns zieldienlicher ist. Sie können es gleich ausprobieren, indem Sie die folgende Übung machen: 1. Nehmen Sie etwas, das Sie – bezogen auf Ihre (coachende) Führungspraxis – im inneren Dialog vernommen haben und das Sie wütend oder ärgerlich macht, das Ihnen Unbehagen bereitet. 2. Achten Sie darauf, welche Geschichte Sie sich um diese Situation herum selbst erzählen und welche Saboteure Sie möglicherweise an Bord haben. 3. Erzählen Sie die Geschichte nun um, sodass es Ihnen gut damit geht und Sie ihre Ziele erreichen (Fromm u. Fromm, 2010). Achten Sie dabei stets auf den respektvollen und wertschätzenden Umgang von Selbst 1 und Selbst 2 miteinander.

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Das Selbstcoaching soll die »Leadership-Kompetenz Selbstregulation« steigern, wie Freisler u. Greßler (2018) in ihrem gleichnamigen Buch schreiben. Die Autorinnen legen Wert darauf, dass das Ziel nicht die Selbstkontrolle, sondern die Selbstregulation ist. Während die Selbstkontrolle die bewusste Kontrolle eigener Handlungen beschreibt und auf einer vom Verstand gesteuerten Willensanstrengung beruht, die viel psychische Energie erfordert, wird die Selbstregulation »als ein bewusstes und unbewusstes Steuern von psychischen Vorgängen beschrieben« (Freisler u. Greßler, 2018, S. 15). Gemeint sind damit ganz im Sinne des Bewusstheitsrades® der Selbstwahrnehmung unsere Sinneseindrücke, Gedanken, Emotionen, Impulse und Handlungen. Selbstregulation hilft, ein balanciertes Energiemanagement zu etablieren. In der Selbstregulationstheorie beschreibt Bandura (1990) den Prozess der intraindividuellen Handlungssteuerung. Der Prozess der Selbstregulation besteht nach Bandura aus den drei Komponenten Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstreaktion, welche aufeinanderfolgen und sich gegenseitig beeinflussen. Am Anfang steht die Selbstbeobachtung, mit der wir uns bereits beschäftigt haben. Die Ergebnisse der Beobachtung werden mit den eigenen internen Standards abgeglichen und bewertet. Aus der Selbstbewertung folgen sowohl die affektiven als auch die kognitiven Selbstreaktionen. Das Ziel der Selbstregulation ist die Selbstbestimmung. Einem humanistischen Menschenbild folgend, geht die Selbstbestimmungstheorie der Motiva-

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tion (Deci u. Ryan, 1993) davon aus, dass alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht und Alter drei zentrale anthropologische Grundbedürfnisse haben, die es zu befriedigen gilt; dies sind: ■■ das Bedürfnis nach Kompetenz und Wirksamkeit, ■■ das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit sowie ■■ das Bedürfnis nach Autonomie und Selbstbestimmung. Diese Bedürfnisse sind gekoppelt an die frühesten Erfahrungen des Menschen. Im Mutterleib erfährt das kleine Wesen bereits die Angewiesenheit auf den nährenden und Schutz bietenden Körper der Mutter, mit der es noch in einer symbiotischen Beziehung lebt, und gleichzeitig entsteht der Wunsch nach Wachstum und Autonomie. »Den Aufstieg zur Erkenntnis muss zwar jeder individuell vollziehen, aber es ist gleichzeitig ein kollektives Bemühen in einem dialogischen Prozess« (Hartkemeyer et al., 2015, S. 33). Für alle, die sich in der Kunst des Selbstcoachings üben, egal ob als coachende Führungskraft oder Fachkraft, gilt es festzuhalten, dass sich Coaching und Selbstcoaching sowohl beim Coach als auch beim Coachee wechselseitig bedingen. (Selbst-)Coaching ist ein »begleiteter, expliziter, individueller Lernprozess des Coachees, der das Lernen auf der Basis von Selbstregulationsprozessen fördert« (Kluge u. Hagemann, 2016, S. 1) und der für sein Gelingen auf einen dialogischen Prozess angewiesen ist. Der Unterschied zwischen Coaching und Selbstcoaching besteht lediglich darin, dass wir es beim Coaching mit einer externen und beim Selbstcoaching mit einer internen Begleitung durch einen Coach zu tun haben. In beiden Fällen hängt das Gelingen des (Selbst-) Coachings wesentlich von der Qualität des dialogischen Prozesses zwischen Coach und Coachee ab. 8.2.3 Methodische Hinweise zu einem agilen Selbst- und Peer-Coaching Wenn Sie weitere Hinweise zu den unterschiedlichen Aspekten des Selbstcoachings verbunden mit methodischen Hinweisen und Übungen suchen, so werden Sie bei Fischer-Epe und Epe (2016), Richter (2015) sowie Dietz und Dietz (2011) fündig. Aus der Vielzahl der Methoden, die sich im Rahmen eines Selbstcoachings zum Einsatz anbieten, soll hier das von John Stepper (2015) entwickelte Peer-Coaching-Programm Working Out Loud (WOL) in seinen Grundzügen vorgestellt werden. Dies geschieht aus mehreren Gründen. Zum einen markiert WOL die Schnittstelle zwischen dem Selbstcoaching und grup-

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penbezogenen Beratungssettings, auf die wir bereits im vorigen Abschnitt eingegangen sind; zum anderen macht WOL deutlich, dass es schwieriger geworden ist, klare Unterscheidungen zwischen verschiedenen Beratungsformaten zu treffen, dass die Übergänge fließend werden und traditionelle Abgrenzungen nicht mehr trennscharf sind. Die Dynamik mit der sich die Arbeitswelt gerade verändert, bleibt nicht ohne Auswirkungen auf Beratungsprozesse, die auch ein höheres Maß an Agilität erfordern (Exner u. Exner, 2017). Außerdem eignet sich WOL für Führungskräfte, die sich um einen transformationalen Führungsstil bemühen und die noch relativ wenig Erfahrungen im Coaching ihrer Mitarbeitenden haben, sich aber entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten aneignen möchten. Für sie bietet es sich geradezu an, eine Gruppe, die WOL praktiziert, aus der Rolle eines Teilnehmenden zu moderieren. Working Out Loud ist als Graswurzelbewegung gestartet und inzwischen in vielen Konzernen angekommen. Es verbindet ein agiles Verfolgen von selbst gesteckten Zielen in Arbeitsprozessen mit dem Aufbau eines Enterprise Social Networks, das seine Mitglieder unterstützt und ihnen einen geschützten Raum, feste Treffpunkte sowie die Möglichkeit für Feedback bietet. Auf der Webseite der deutschen WOL-Community sind die folgenden fünf Kernelemente von Working Out Loud benannt:

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»1. Deine Arbeit sichtbar machen – Arbeitsergebnisse, auch Zwischenergebnisse, veröffentlichen, 2. Deine Arbeit verbessern – Querverbindungen und Rückmeldungen helfen, Deine Ergebnisse kontinuierlich zu verbessern, 3. großzügige Beiträge leisten – biete Hilfe an, anstatt Dich großspurig selbst darzustellen, 4. ein soziales Netzwerk aufbauen – so entstehen breite interdisziplinäre Beziehungen, die Dich weiterbringen, 5. zielgerichtet zusammenarbeiten – um das volle Potenzial der Gemeinschaft auszuschöpfen.«  (http://workingoutloud.de/die-fuenf-kernelemente/) Um mit WOL zu starten, gründen vier bis fünf Teilnehmer einen sogenannten Circle und treffen sich dann am besten in zwölf direkt aufeinander folgenden Wochen entweder virtuell oder Face o Face, jeweils für eine Stunde, um an ihren Zielen zu arbeiten und sich über die Fortschritte bei der Erreichung dieser auszutauschen. Je diverser die Circles besetzt sind, desto besser – so die Erfahrung – sind ihre Ergebnisse. Es empfiehlt sich deshalb, die Teilnehmenden heterogen hinsichtlich der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Abteilungen, Standorten

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und Hierarchiestufen zusammenzusetzen. Der Circle wird von einem der Teilnehmer moderiert; dieser kümmert sich um die Organisation der Treffen und die Gesprächsleitung. Die WOL-Praxis beginnt mit drei einfachen Fragen für jeden Teilnehmenden: ■■ Welches Ziel will ich in den nächsten zwölf Wochen erreichen? ■■ Wer kann mir dabei helfen? ■■ Was kann ich denjenigen Personen, von denen ich Hilfe erwarte, anbieten, um eine tiefere Beziehung zu ihnen aufzubauen? Das Ziel soll kurz und knapp beschreibbar und für die Teilnehmenden wirklich attraktiv sein. Die klare Zielsetzung soll helfen, gezielt zu Netzwerken und zu jenen Menschen Beziehungen aufzubauen, von denen man sich für die Erreichung seines Ziels Wissen, Kontakte, Hinweise, Erfahrungen und Möglichkeiten erhofft. Das was man von anderen Teilnehmenden des Circles erwartet, gilt es selbst vorab zu investieren. Deshalb sollte man aus einer Haltung heraus handeln, die bereit ist, seine Quellen, Gedanken und Werke zu teilen und Wertschätzung für andere auszudrücken. In den Treffen absolvieren die Teilnehmenden eines Circle gemeinsam ein detailliertes Programm in zwölf Etappen; sie folgen einer festen Tagesordnung, die im Circle Leitfaden beschrieben wird: ■■ »Woche 1: Entscheide Dich für ein Ziel & erstelle eine erste Liste von Leuten, die damit in Verbindung stehen ■■ Woche 2: Deine ersten Beiträge ■■ Woche 3: Mache drei kleine Schritte ■■ Woche 4: Errege Aufmerksamkeit ■■ Woche 5: Mache es persönlich ■■ Woche 6: Verbessere Deine Sichtbarkeit ■■ Woche 7: Sei zielgerichtet ■■ Woche 8: Werde systematischer ■■ Woche 9: Entdecke neue eigene und authentische Beiträge ■■ Woche 10: Mache es zur Gewohnheit ■■ Woche 11: Stelle Dir die Möglichkeiten vor ■■ Woche 12: Reflektiere und feiere« (http://workingoutloud.com/circle-guides). In der Circlearbeit kommt es darauf an, inhaltliche Beiträge zu leisten, die in der Lage sind, Beziehungen zu knüpfen und zu vertiefen. Wichtig sind hier-

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für vor allem Empathie, Reflexion und Aufmerksamkeit. Wenn der Circle auseinandergeht, hat jeder ein größeres, vielfältigeres persönliches Netzwerk und neue praktische Gewohnheiten eingeübt und Erkenntnisse entwickelt, die für das Erreichen neuer Ziele hilfreich sein können. Von Unternehmen und ehrenamtlichen Organisationen bis hin zu Universitäten und Regierungsbehörden haben sich zwischenzeitlich in über 20 Ländern bereits Working Out Loud Circles gegründet. Im deutschsprachigen Raum hat beispielsweise Bosch viel dafür getan, die Methode zur Weiterentwicklung der eigenen »Digitalkultur« einzusetzen (Lipkowski, 2018). Die Vorzüge der WOL-­ Methode als Peer-Coaching bestehen darin, dass diese agile Form einer Verbindung von Arbeiten und Beratung sich gut in den Arbeitsalltag integrieren lässt, der Beziehungsaufbau und die Vernetzung gefördert, die Co-Kreation ermöglicht werden und dabei die Chance besteht, sich selbstverantwortlich weiterzuentwickeln. Die Aufgabe von Führungskräften wird künftig darin bestehen, eine Organisationskultur zu schaffen und zu pflegen, die Räume für Selbstreflexion und Peer-Coaching ermöglicht. Durch ihr eigenes Vorbild können die Führungskräfte dabei die Bereitschaft zum Selbstcoaching und zur Teilnahme an der Intervision ihrer Mitarbeitenden befördern. Wenn es darüber hinaus gelingt, in Transflexingprozessen gemeinsam eine Reflexionsinfrastruktur aufzubauen, wird dies nachhaltige Folgen nicht nur für Individuen und Teams, sondern die gesamte Organisation haben.

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Transflexing im Kontext zukunftsweisender Führungskonzepte und Reflexionssysteme

»Lass uns zusammenarbeiten, uns gegenseitig wertschätzen, aufeinander eingehen. Wenn diese Vorstellungen auf Gegenseitigkeit beruhen, so können wir uns wahrhaft begegnen und uns wechselseitig bereichern und befruchten.« (Virginia Satir, zit. nach Lippmann 2013, S. V)

Das Coaching durch die Führungskraft hat sich bislang großteils quasi naturbzw. wildwüchsig entwickelt; derzeit gibt es kaum einen Überblick über dessen Verbreitung in den verschiedenen Bereichen der Arbeitswelt. Diese Praxis dürfte sich fortsetzen bzw. vermutlich ausdehnen, unabhängig davon, wie dies wissenschaftliche Vertreter und Mitglieder der Professional Community von Coaches beurteilen. Zum einen ist anzunehmen, dass künftig die entsprechenden Reflexionsbedarfe auf allen Organisationsebenen zunehmen werden, zum anderen dürften mittlerweile gerade aufgrund von erfahrungsbasierten Führungskräftetrainings und -coachings die Reflexions- und Beratungskompetenzen der Führungskräfte selbst gewachsen sein und werden dies voraussichtlich auch zukünftig tun. Allerdings bedarf das Coaching durch die Führungskraft auf der theoretisch-konzeptionellen Ebene einer normativen Fundierung als »Bewertungsgrundlage und Entwicklungsperspektive« (Geißler, 2011, S. 92). Wir leisten mit dieser Publikation einen Beitrag dazu. Der im deutschen Sprachraum noch weitgehend fehlenden wissenschaftlichen Befassung bietet sich hier nach wie vor ein weites Feld. Dies gilt auch für die empirische Erfassung der Verbreitung und Anwendung, aber auch der Indikation/Kontraindikation, der qualitativen Analyse von Beratungsprozessen, der Evaluation von Wirkungen, nicht intendierten Wirkungen, Wirkfaktoren und Gelingensbedingungen (Hessel­barth et al., 2019, Brandt et al., 2019). Fehlentwicklungen und nicht intendierte Wirkungen des Coachings durch die Führungskraft sind noch wenig dokumentiert. Sie dürften beispielsweise

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Transflexing

in der ein- oder wechselseitigen Überfrachtung mit Erwartungen, unzureichend reflektierten Rollenkonflikten bzw. Involvierung von Führungskräften in Problem- und Konfliktkonstellationen, unklaren Indikationen, zu komplexen Fragestellungen und unzureichenden Beratungsqualifikationen begründet sein. Professionelle Coaches, seien es nun externe oder innerhalb der Organisation angestellte Coaches, könnten die Führungskräfte in ihrer Beratungstätigkeit supervisorisch begleiten oder die Beratung bei einer während des Prozesses geänderten Indikation auch selbst übernehmen. Dies könnte beispielsweise in jenen Fällen hilfreich sein, wenn das Handeln der Führungskraft vom Coachee als Problem benannt wird oder sich mehrfache Mandate nicht hinreichend voneinander abgrenzen lassen. In diesem Kapitel geben wir einen futuristisch anmutenden Ausblick. Wir gehen dabei auf unseres Erachtens zukunftsweisende Überlegungen und Führungsansätze ein, die besonders innovativ ausgerichtet sind und sich insofern besonders gut mit dem Transflexing in Verbindung bringen lassen. Auf diese Ansätze sind wir bislang (vgl. Kap. 2) noch nicht differenziert eingegangen, um nicht den Eindruck zu vermitteln, Coaching durch die Führungskraft sei nur im Kontext egalitärer Führungskonzepte umsetzbar. Dieser Meinung sind wir nicht. Zwar sehen wir in einer ethisch reflektierten, wertschätzenden Haltung und einem entsprechenden Führungsstil durchaus die wesentlichen Voraussetzungen (vgl. Kap. 2, 4 u. 5) für ein Coaching durch die Führungskraft. Insofern sind partizipative Führungsansätze, wie etwa der transformationale Führungsstil für das Beratungsformat Coaching durch die Führungskraft durchaus förderlich. Allerdings lässt es sich im Kontext dienender, ermächtigender und demokratischer Führung oder in von Mitarbeitenden selbst gesteuerten Unternehmen vermutlich noch eher realisieren. Nachfolgend gehen wir zunächst auf einige dieser innovativen Überlegungen und Führungskonzepte ein, für die es durchaus bereits erste erprobte Anwendungen gibt. Dabei sind wir uns durchaus bewusst, dass sich manche der innovativen Überlegungen heute nur unter ganz spezifischen Bedingungen umsetzen lassen. Allerdings entstehen neue Wege beim Gehen! Abschließend werden wir – ausgehend vom Transflexing – die Notwendigkeit von organisationsumfassenden, abgestimmten Reflexionssystemen begründen und für deren Ausgestaltung Anregungen geben.

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9.1 Zukunftsweisende Führungskonzepte Hinsichtlich der das Beratungsformat Coaching durch die Führungskraft flankierenden bzw. stützenden Führungskonzepte halten wir neben den bereits dargestellten tranformationalen, systemischen und integrativen Ansätzen (vgl. Kap. 2) Konzeptelemente der dienenden, ermächtigenden, demokratischen sowie der geteilten Führung für zukunftsweisend. Das Konzept der dienenden Führung, der »Servant Leadership« (Greenleaf, 1991) lässt sich so interpretieren, dass hier besonders die Dimension der Individualized Consideration aus der transformationalen Führung betont wird. Hier wird das Wirken von Führenden als Dienst an den Geführten, mithin als dienendes Führen im Gegensatz zum beherrschenden Führen verstanden. Dies setzt eine demütige Haltung der Führungskraft voraus, wie sie auch Edgar H. Schein (2017) in seinem Modell des Humble Consulting beschreibt. Als Beispiel für einen dienenden Führungsstil kann auf Mahatma Gandhi verwiesen werden. Auch in der Metapher des Gastgebers findet sich der Grundgedanke der dienenden Führung; hier werden die Rollen von Initiator, Inviter, Space Creator, Connector, Co-Participator und Gate-Keeper unterschieden, die im Rampenlicht, im Team oder in der Küche agieren (McKergow u. Bailey, 2014). Im Modell der dienenden Führung werden die gesellschaftlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen sowie die Mitarbeitenden in ihren unterschiedlichen Rollen, unter der Perspektive der Weiterentwicklung ihrer Kompetenzen, einbezogen. In der dienenden Führung wird der Expertenstatus den Akteuren zugewiesen und danach gefragt, was Handeln ermöglicht. Unmittelbar finden sich darin Anknüpfungspunkte an ethische Fragestellungen (vgl. Kap. 3) und die Haltung im Coaching (vgl. Kap. 4.1). In der ermächtigenden Führung gewährt die Führungskraft ihren Mitarbeitenden weitreichende Freiräume, sie teilt Macht und Verantwortung mit ihnen und versucht Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den von ihr Geführten perspektivisch möglich machen sollen, die Kompetenz zu erwerben, sich selbst zu führen (Biemann et al., 2015). Kearney (2017, S. 13) schlägt vor, die ermächtigende Führung konzeptionell mit der visionären Führung zu koppeln und begründet dies mit der Digitalisierung und Robotisierung, der die Routinetätigkeiten zum Opfer fallen werden. Die »verbliebenen Geführten werden vornehmlich kognitive und kreative Aufgaben zu bewältigen haben. Insbesondere bei diesen komplexen Aufgaben ist die intrinsische Motivation von großer Bedeutung – ebenso wie die von der visionären Führung vermittelte Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns.« Auf die zunehmende Bedeutung der Kategorie Sinn in Zeiten sich dynamisierender Organisationsumwelten verweisen auch

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Ahrendt (2017) sowie Hoefling et al. (2017). Diese Überlegungen sind sehr gut anschlussfähig an die Überlegungen zu einer potenzialorientierten Führung (Arnold, 2009), die Erkenntnisse der Neurobiologie (Hüther, 2015) sowie die Erkenntnisse ermöglichungsorientierter Führung in Verbindung mit dem Vorgesetzten-Coaching (Geißler, 2011, S. 111). Bei dem Konzept der demokratischen Führung werden Führungskräfte bis zur Ebene des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds (CEO) auf Zeit gewählt. Die Rollenmacht und die hierarchischen Prinzipien werden so zwar nicht abgeschafft, sie werden aber auf eine demokratische Basis gestellt; Führung wird temporär. Wie die Erfahrungen in Unternehmen, die diesen Ansatz bereits praktizieren, zeigen, hängt eine demokratische Unternehmensführung von den Faktoren »hohe Transparenz und offene, wertschätzende Feedbackkultur« ab (Stoffel, 2016, S. 193). Sind sie gegeben, so kann auch ein Swarming gelingen, bei dem sich Mitarbeitende komplett selbst in Schwärmen organisieren. Dabei entscheidet jeder Einzelne in festgelegten Zeitabständen, »in welchen Projekten er aktuell den größten Beitrag zur Wertschöpfung und zum gemeinsamen Erfolg leisten kann« (Stoffel, 2016, S. 193). Die Experimente mit einer demokratischen Führung finden gegenwärtig erst in kleinen Nischen statt. Wie Untersuchungen allerdings zeigen, trifft die Idee der demokratischen Führung – als eine mögliche Option – bei den Arbeitskräften durchaus auf Zustimmung (Welpe et al., 2015). Die Einsicht, dass sich die tradierten Formen machtbasierter Führung überlebt haben, ist dabei, sich im allgemeinen Bewusstsein durchzusetzen. Was an deren Stelle treten wird, zeichnet sich jedoch erst in groben Konturen ab. Nichtsdestotrotz werden die Führungskräfte heute mit verschiedenen Dilemmata konfrontiert: »Auf der einen Seite sollen sie in der Führung ihrer Mitarbeiter auf Macht verzichten, auf der anderen Seite halten oftmals eben diese Mitarbeiter an den tradierten Erwartungen in Bezug auf das Verhältnis zu ihren Vorgesetzten fest. Hinzu kommen widersprüchliche organisationale Anforderungen und eigene innere Ambivalenzen« (Wimmer, 2016, S. 142). Führung hat es mit diesen und anderen Paradoxien zu tun. »Führung muss situativ angemesse Mittel und Wege finden, die Paradoxien einer Organisation (anders) zu bearbeiten. Immerfort geht es darum, neue Formen der gleichzeitigen Verbindung von Innovation & Tradition, Innen- und Außenorientierung, Exploitation & Exploration, Flexibilität & Beständigkeit zu (er)finden« (Groth, 2017, S. 94). Sowohl in den Konzeptionen der transformationalen Führung wie auch der dienenden, ermächtigenden und demokratischen Führung bleibt die Aufgabe der Führung an eine Führungskraft gekoppelt. Das Konzept der geteilten Führung (Pearce u. Conger, 2003) versucht den individuumszentrierten Ansatz von

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Führung zu überwinden. Geteilte Führung ist nach Hoch und Dulebohn (2013) charakterisiert durch kollaboratives Entscheiden und geteilte Verantwortung für die Ergebnisse. Die formale Führungsverantwortung ist hier auf unterschiedliche Personen aufgeteilt oder sie wird in Teams kollektiv wahrgenommen. Das Credo lautet hier: Führung ist zu wichtig, um sie dauerhaft an einzelne Führungskräfte zu übertragen, nur weil ihnen besondere Eigenschaften, Fähigkeiten oder Werte zugeschrieben werden. »Geteilte Führung stellt eine partizipative und dynamische Form der Führung dar, die es ermöglicht, auf situationsabhängige und individuelle Bedürfnisse einzugehen. So werden in der flexiblen und deregulierten Arbeitswelt den Teammitgliedern Einfluss und Verantwortung übertragen, die es ihnen erlauben, ihre Aufgaben selbst zu organisieren, sich gemäß ihrer individuellen Stärken einzubringen und damit gezielt an die Bedürfnisse des Teams anzupassen« (Grille et al., 2017, S. 32). Die neuen Führungskonzeptionen entstehen zum einen aus der Unzufriedenheit mit einer überkommenen hierarchischen Führungspraxis und sind andererseits Antworten auf die neuen organisationalen Herausforderungen in der sogenannten VUKA-Welt, die sich mit Luhmann (2012, S. 120) dadurch beschreiben lassen, dass die Eigenkomplexität von Organisationen sich in einer Weise erhöht hat, die sie in ihren tradierten Steuerungs- und Koordinationsmechanismen restlos überfordert. Bereits Mitte der 1970er Jahre hatte Luhmann (1975, S. 113 f.) darauf hingewiesen, dass mit »steigender Interdependenz der Entscheidungsleistungen in den Organisationen« die »Macht als Mechanismus der Übertragung von Selektionsleistungen« zurücktritt. Nicht zuletzt, um ökonomische Verwerfungen zu vermeiden, ist es deshalb an der Zeit, den Machtbegriff durch ein systemisches Führungsverständnis zu ersetzen (Wimmer, 2016, S. 124 f.) und Führung eher als zeitlich befristete, spezialisierte Dienstleistung zu verstehen, die sich dessen bewusst ist, wie stark heute alle Teile und Mitarbeitenden einer Organisation aufeinander angewiesen sind. Die Befunde zum Thema Führung lassen sich gut mit den Ausführungen der Studie »Führungskräfte für eine neue Welt. Leadership 2030« der Hay Group (2011, S. 12) resümieren. Die »Best Companies for Leadership« sind in allen Bereichen auch die Vorreiter post-heroischer Führungsansätze: »Die Führungskräfte der Zukunft werden versierte konzeptionelle und strategische Denker sein, über absolute Integrität und intellektuelle Offenheit verfügen, neue Wege finden, um Loyalität zu schaffen, zunehmend heterogene und unabhängige Teams führen, die ihnen nicht immer direkt unterstellt sind, und zugunsten der Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Organisation auf eigene Macht(-ansprüche) verzichten müssen« (Hay Group, 2011, S. 2). Die so beschriebene »Führungskraft wird ihre Rollen als Chef, Mediator und Coach ausbalan-

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cieren und Teams mehr Freiheit und Autonomie zugestehen müssen – und sie dabei gleichzeitig auf die Ziele fokussiert halten« (Hay Group, 2011, S. 8). Die theoretischen wie empirischen Befunde sind eindeutig; sie lassen keinen Zweifel daran, dass die Führungskultur in Deutschland einen Paradigmenwechsel braucht (Pundt u. Greve, 2017). Eine geteilte Führung, die in dialogischer Kommunikation ihren Fokus auf die Verzahnung der individuellen, team- und organisationsbezogenen Transformationsprozesse legt und dabei auf deren jeweilige Passung achtet, wird zum Förderer einer Selbstorganisation. Damit wird Führung zur Metaführung. »Metaführung bedeutet, den Mitarbeitern keine Anweisungen für die operativ-inhaltliche Ebene zu geben […] ihnen aber sehr wohl zu sagen, dass sie entscheiden müssen und welche Prinzipien, Regeln und Prozesse sie sich dafür selbst gegeben haben« (Oestereich u. Schröder, 2017, S. 285). Metaführung setzt ein kontextuelles Wissen über Strukturen, Prozesse und auch Haltungen in der Organisation voraus. Zusammen mit dem Coaching durch die Führungskraft und einer kritischen Prozessbegleitung der Transformationsprozesse macht sie genau das aus, was wir als Transflexing bezeichnen. Dass ein modernes Verständnis von Führung in dem beschriebenen Sinne sich dem des Coachings sehr stark annähert, wird an den Ausführungen der Harvard Psychologin Ellen Langer, der Begründerin des Mindful Learnings, des achtsamen Lernens (Langer, 2001), zum Thema achtsame Führungsarbeit deutlich. Sie vertritt die Auffassung, dass eine Führungskraft drei Dinge erkennen sollte: »Erstens sie weiß nicht. […] Das Zweite ist die Erkenntnis, dass es vielfache Möglichkeiten gibt, ein Ziel zu erreichen […]. Drittens […] mag es eine gute Idee sein, das Ziel ab und zu in Frage zu stellen« (Langer, 2017, S. 52). Dies entspricht dem, was wir in der Auseinandersetzung mit der Hybris, der Ressource und der Expertise eines systemischen Beraters unter Bezug auf Barthelmess (2016) beschrieben haben (vgl. Kap. 4.2). Um mit den disruptiven Entwicklungen der sogenannten VUKA-Welt umzugehen, benötigen Organisationen heute nachhaltige Lern- und Entwicklungskulturen. Mit Blick auf die Unternehmen ist dies ein zentrales Ergebnis der »Future Management Development Studie« von Kienbaum (2017). Als Kernkompetenzen für ein strategisch-orientiertes »Transformationsmanagement« werden drei Kernkompetenzen identifiziert: Changemanagement, strategisches Management und Persönlichkeitsentwicklung. Diese sollen fit machen für den Umgang mit Widersprüchen und Veränderungen. Hinsichtlich der Frage nach den geeigneten Trainingsformaten, in denen die Kompetenzen erworben werden können, wird auf »digi-loge« Formate gesetzt, zugleich aber mit Blick auf die Ebene des Topmanagements betont, dass analoge Formate wie z. B. Coaching zukünftig nicht vollständig ersetzt werden können (Kienbaum, 2017, S. 6). Unseres Erachtens

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werden vielmehr auf allen Organisationsebenen aufgrund der zuvor beschriebenen Entwicklungsaufgaben eher noch vermehrt face-to-face-Beratungen, etwa im Sinne des Transflexing erforderlich sein. Mehr über die den Führungskräften zugedachte Rolle beim agilen Lernen erfahren wir bei Graf, Gramß und Edelkraut (2017). Die Autorinnen sehen die Aufgaben der Führungskräfte in der sogenannten VUKA-Welt bezogen auf die uns hier interessierende Frage darin, Mitarbeitende zu befähigen, mehrere Rollen auszufüllen und selbständiger zu arbeiten (Graf et al., 2017, S. 185). Sie verwenden das VUKA-Akronym dazu, um entsprechende Handlungsanforderungen für die neuen Herausforderungen zu formulieren: ■■ »Vision – Vision, Strategie und strategische Ziele definieren und kommunizieren, ■■ Understanding – umfassende Erfahrung in unterschiedlichen Fachbereichen, Industrien, ■■ Clarity –Transparenz in der Kommunikation und im Handeln und ■■ Agility – schnelle Entscheidungen und konsequentes Handeln« (Graf et al., 2017, S. 186). Angesichts des konstatierten gesteigerten Partizipationsbedarfs der Mitarbeitenden wird die Aufgabe der Führungskräfte in einer Lernbegleitung gesehen. Sie sollen einerseits »Gestalter von Lernsituationen und Vernetzungsmöglichkeiten« und andererseits individueller »Lerncoach« sein (Graf et al., 2017, S. 189). Da das Verständnis von Führungskräften als Lerncoach noch nicht ausgereift sei, wird diesen eine entsprechende Entwicklung angeraten (Graf et al., 2017, S. 190 f.). Wie die »agile Transformation« allerdings konkret erfolgen soll, wird mit dem Hinweis auf ein Train-the-Trainer-Programm lediglich am Rande erwähnt. Der Anspruch, der an Führungskräfte gestellt wird, ist ein doppelter, einerseits die Lernarchitektur von Transformationsprozessen zu schaffen bzw. bereitzustellen und andererseits in dieser Umgebung selbst als Coach zu agieren. Die Verbindung beider Aufgaben bezeichnet konkret die mittels des Transflexings bewältigbare Aufgabe. Auf die damit in Zusammenhang stehende Bedeutung von Führung als Form der Unterstützung organisationalen Lernens (Schröer, 2016) sowie die Organisationsbezüge des Coachings (DBVC, 2017), haben wir bereits hingewiesen. Die Chiffre der Agilität hingegen, gilt es noch näher in den Blick zu nehmen. Der Blick in die aktuelle Literatur vermittelt den Eindruck, dass der aus der Softwareentwicklung stammende Begriff der Agilität zum Allheilmittel für eine steigende Komplexität hochstilisiert wird. Agilität suggeriert, wie es der DBVC

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(2017a) in seinem Positionspapier zum Thema »New Work und Agilität« formuliert, die »Beherrschbarkeit von Komplexität im Strudel der Unübersichtlichkeit« und wird vertoolt und trivialisiert. Agilität bedeutet für den DBVC aber mehr, sie ist einer von mehreren Aspekten eines Paradigmenwechsels, der sich aus den beiden Quellen von Turbulenz und Disruption einerseits und der Krise der beiden, unsere Kultur tragenden, Pfeiler von Wahrheit und Konsens resultiert. Agilität sollte sich als zukunftsweisendes Konzept deshalb, so die Argumentation des DBVC, als Potenzial und Option auszeichnen. Erstens wird Agilität als »inneres Potenzial verstanden, das auf Änderungsbedarfe und Optimierung fokussiert« und nicht zu verwechseln ist mit den Konzepten von Schnelligkeit und Flexibilität. »Wer mit (a.) Agilität auf die Welt schaut, beschäftigt sich mit der Frage: Sollte ich die bestehenden Verhältnisse aufrechterhalten oder muss ich mich eher schnell, flexibel und lernbereit immer wieder neu orientieren? Wer sich an (b.) Konsens orientiert, fragt sich, ob verbindliche Entscheidungen bei Interessengegensätzen gemeinsam gefunden werden können. Und wer nach (c.) Richtigkeit strebt, versucht zu klären, ob es eine ›wahre‹ Lösung gibt, die rechtzeitig und schnell genug alle überzeugt und dauerhaften Nutzen bzw. Nutzung verspricht« (DBVC, 2017a). Zweitens wird Agilität »beschreibend und nicht normierend gebraucht« (DBVC, 2017a). Agiles Handeln ist dann einer der Pole zwischen flexibel und beständig und es ist zu entscheiden, ob und »wann Agilität überhaupt eine zur Situation passende Perspektive ist und wann eben auch nicht«. In dem geschilderten Sinne plädiert der DBVC dafür, Agilität als Konzept in Verbindung mit anderen durchaus zu nutzen. Für das Coaching bzw. Transflexing bedeutet dies, dass Themen wie Ambiguitätskompetenz, Umgang mit Uncertainity, Rollenambivalenz, Lernbereitschaft, Paradoxien, u. a. verstärkt zum Gegenstand werden. In der Diskussion um das Konzept der Agilität wird diese häufig auf das Handeln von Individuen reduziert und geschlussfolgert, dass dies schon der Garant für eine angestrebte institutionelle Agilität wäre, was allerdings nicht der Fall sein muss; genau so wenig wie individuelles Lernen zu institutionellem führt, ist Agilität nicht ohne Selbstreflexion und -organisation zu haben. Erst die Einbindung eines im beschriebenen Sinne reflektierten Umgangs mit Agilität in reflexive und transformative Rahmenkonzepte wie des Transflexings bietet die Gewähr, für die angestrebte Passung einer kontinuierlichen Selbsterneuerung der Organisation. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Netzwerkstrukturen sind zukünftig komplexe Steuerungsentscheidungen erforderlich, die es gründlich vorzubereiten und umzusetzen gilt. Deshalb wird die Bedeutung von Konsultationen und Absprachen wachsen. So treffen sich insbeson-

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dere in »kollegial geführten Unternehmen« (Oestereich u. Schröder, 2017, S. 97) Kollegen regelmäßig, um sich »gegenseitig kollegial zu beraten.« Laux (2015, S. 155) hält in mitarbeiterorientierten, evolutionären Organisationen »Räume zur Reflexion« für notwendig, die einerseits individuelle meditative Elemente enthalten, aber auch »kollektive Momente der Selbstreflexion durch Praktiken wie Gruppencoaching, Teamsupervision, Reflexionen in Großgruppen und gemeinsame Tage der Stille.« Der Autor verweist insbesondere auf Reflexionspraktiken des niederländischen Pflegeunternehmens Buurtzorg: »Bei Buurtzorg werden alle Pflegekräfte in ›Intervisie‹ ausgebildet« (Laux, 2015, S. 158). Das Transflexing beschreibt genau diese Räume und trägt dazu bei, die organisationale Achtsamkeit zu fördern; diese ist mehr als eine individuelle Achtsamkeit und bezieht zusätzlich die Achtsamkeit im Team und in der Organisation mit ein (Härtl-Kasulke et al., 2017). Sie kann so zu einem Erfolgsfaktor für die Lösung der Herausforderungen einer Organisation in der sogenannten VUKAWelt werden, indem sie in der Lage ist, mit der Fokussierung auf Geduld, Zeit und Beständigkeit, einen Gegenpol zu disruptiven Veränderungen zu setzen. Erst durch die Passung von individuellen, gruppen- und organisationsbezogenen Aspekten werden die Voraussetzungen und Bedingungen für eine neue wirksame und nachhaltige Entwicklung im Sinne der Potenzialentfaltung auf den angesprochenen Ebenen geschaffen.

9.2 Abgestimmte Reflexionssysteme Um die Erkenntnisse der jeweiligen Reflexionssitzungen, sei es Coaching durch die Führungskraft, Coaching durch externe Coaches, Supervision, Intervision, Mediation oder Mentoring im Sinne des Transflexings auch für die Organisationsentwicklung zu nutzen, kann zumindest am Ende der jeweiligen Beratungssequenzen ein organisationsorientierter »Blick über den Tellerrand« hilfreich sein. Dabei gilt es, sich folgende Fragen zu stellen: Welche Anregungen könnten für die Entwicklung der Organisation und deren Zukunftsfähigkeit, aber auch im Sinne der Qualitätsentwicklung oder Verbesserung der Kooperationen wichtig sein und auf welchem Wege können diese unter Wahrung der Vertraulichkeit der persönlichen Beratungsinterna weitergegeben werden? Dies sollte im Rahmen systematischer Auswertungen und der Klärung der künftigen Reflexionsbedarfe sowie entsprechender Schwerpunktsetzungen erfolgen. So sieht Nowoczin (2012, S. 35) einen zentralen Nutzen von kollegialer Beratung darin, »in den Beratungen wiederkehrende und wichtige Schlüsselthemen für das Unternehmen und das Management sichtbar zu machen.« Auf diese Weise

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kann einer Verinselung von Mitarbeiter- bzw. Beratungssubsystemen entgegengewirkt werden, wie sie beispielsweise in den 1990er Jahren als Kritik an einer sich mit dem Team unzulässig verbündenden und gegenüber der Leitung abkapselnder Teamsupervision benannt worden ist. Damit es nicht zu einer Flut ausufernder und unkoordinierter Sitzungen kommt, ist mittelfristig die Abstimmung der in einer Organisation zum Einsatz kommenden Reflexionsmethoden im Sinne eines entsprechenden, in seinen Elementen (z. B. Supervison, Coaching durch Externe bzw. die Führungskraft, Intervision) aufeinander bezogenen Reflexionssystems erforderlich (Kühl u. Schäfer, 2018). Dieses gilt es im Rahmen eines entsprechenden Organisations- und Personalentwicklungskonzeptes zu etablieren. Es sollte, aufbauend auf den systematisch auszuwertenden Erfahrungen, auf die – soweit möglich – prognostizierbaren Reflexionsbedarfe in den verschiedenen Organisationsbereichen und -ebenen ausgerichtet sein. Das Quadrantenmodell nach Wilber (2009, 2010), für zahlreiche Organisationsbereiche weiterentwickelt von Kuhlmann und Horn (2016) (vgl. Kap. 2), kann dabei zur systematischen Evaluation und Neuausrichtung der Reflexionsbereiche im Sinne des Transflexing zur Orientierung dienen. Auf diese Weise können dringliche, aber vielleicht auch bislang übersehene Reflexionsbedarfe identifiziert und entsprechend gewichtet werden. Je mehr Reflexion bereits Bestandteil der jeweiligen Professionen ist, desto mehr Bedeutung werden neben bereits etablierten externen Beratungsformaten wie Organisationsberatung, Supervision und Coaching vermutlich kollegiale, in Eigenregie angewendete Beratungsformate erlangen, die allerdings aufgrund ihrer spezifischen Indikation (vgl. Kap. 8.1) die zuvor genannten Beratungsformate nicht umfassend ersetzen können. In manchen Organisationskulturen oder Organisationsentwicklungsphasen werden möglicherweise innere, in anderen eher äußere Faktoren überbetont oder übersehen. Insgesamt gilt es in der Kooperation von Fach- und Führungskräften eine entsprechende mitarbeiter-, kooperations- und organisationsbezogene Balance zu erreichen. Diesen Prozess zu moderieren, die adäquaten Reflexionssettings in Abstimmung mit den Mitarbeitenden zu arrangieren, die Rahmenbedingungen und Ressourcen sicherzustellen, dürfte zukünftig eine besondere, aber auch nicht immer einfache Aufgabe von Führungskräften sein. Dabei gehen wir davon aus, dass mittel- und langfristig die Mitarbeitenden mit wachsenden Kompetenzen diese Aufgaben selbst­reguliert übernehmen und kooperativ wie methodisch settingbezogen aus­gestalten (Intervision und Selbstcoaching) bzw. bedarfsgerecht auf entsprechende externe Unterstützungssysteme (Supervision, Coaching und Organisations­beratung) zurückgreifen werden.

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Bei der Implementierung von Coaching als professioneller Beratung in die vielfältigen Handlungsfelder der Führung können reflexive Fragestellungen (vgl. Kap. 3 u. Kap. 6.3) unterstützend herangezogen werden. Diese tragen dazu bei, strukturelle, organisationsspezifische und prozessorientierte, interaktionsspezifische Perspektiven gleichermaßen einzubeziehen und nicht Gefahr zu laufen, zu unkritisch, zu voreilig oder zu unterkomplex zu agieren. Insbesondere der diskutierte methodische Ansatz der Themenzentrierten Interaktion (vgl. Kap. 3) kann diesbezüglich ethisch reflexive Hilfestellungen leisten. Er trägt dazu bei, dass eine Haltung der Gleichheit in der Unterschiedlichkeit von Kompetenzen nicht dazu führt, dass Macht- und instruierende Aspekte handlungsleitend werden. Die Führungskraft arbeitet als Teilnehmende (Chair-Person) gleichberechtigt an der Suche nach Lösungen mit, die dann im Rahmen der unterschiedlichen Aufgabenbereiche bearbeitet werden. Der Aspekt der gleichberechtigt partizipativen Bearbeitung von Aufgaben erscheint deshalb relevant, weil die Reichweite technischer und sozialer Innovationen in volatilen, unübersichtlich komplexen und ambiguen Rahmenbedingungen vorab nicht abschätzbar ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich niemand mehr den Konsequenzen zu entziehen vermag. Dahingehend sind alle Akteure – gleich auf welcher Ebene – schöpferisch involviert. Daher verdienen Aspekte der Bezogenheit, welche mehrfach unter dem Begriff der Passung (Fit) angesprochen werden, besondere Aufmerksamkeit. Unter den Gesichtspunkten der Passung werden die Beteiligten nicht auf ihre jeweilige Rolle oder Funktion reduziert, sondern als Menschen in ihren jeweiligen Rahmen­bedingungen anerkannt und wahrgenommen. Durch das Prinzip der (Gestaltungs-)Verantwortung (Jonas, 1979, 1993) für sich selbst, für das Zusammenleben und -arbeiten, sowie für lebensförderliche Bedingungen in der Gegenwart und Zukunft werden diese Aspekte ethisch reflexiv gerahmt. Inwieweit es erforderlich ist, über die auf das jeweilige konkrete Anliegen bezogenen Beratungsvereinbarungen, etwa die Coachingvereinbarungen (vgl. Kap. 6.4.), hinaus auch eine juristische Rahmung im Sinne von Betriebsvereinbarungen hinsichtlich der Rechte und Pflichten von Mitarbeitenden und Führungskräften bezüglich des Transflexings herzustellen, bleibt einer weiteren Diskussion auf Organisationsebene und in übergeordneten Makrosystemen vorbehalten. Möglicherweise können insofern etwa die Rahmenbedingungen des Transflexings sichergestellt, die Möglichkeiten der Mitarbeitenden zur Beteiligung an Transflexing-Sitzungen geregelt, aber auch die Mitarbeitenden vor ethisch nicht vertretbaren, nicht beratungsangemessen Verhaltensweisen von Führungskräften oder anderen Beteiligten des Transflexings geschützt werden. Diesbezüglich könnten langfristig auch die Entwicklung

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von entsprechenden Qualifizierungsstandards und entsprechende Zertifizierungen dienlich sein. Aufgrund der vielfältigen Einflüsse und komplexen Kontextbedingungen sollten bereits in der Ausbildung von Führungskräften und in entsprechenden Führungskräftetrainings Kenntnisse über Reflexionsmethoden vermittelt, selbst Reflexionsmethoden erlebt und eingeübt werden, wie dies in Einzel- und Gruppensettings etwa in Coachingausbildungen und -studiengängen üblich ist. So beteiligen sich die Studierenden im Studiengang »Coaching und Führung« an der Ernst-Abbe-Hochschule zum einen an kollegialen Coaching- und Intervisionsgruppen. Zum anderen werden sie im Hinblick auf von ihnen selbst durchgeführte Coachings im Rahmen von unterstützenden Lehr-Coachings individuell begleitet (vgl. Kap. 4.4). Öhlschlegel et al. (2016) setzen in ihren Coachingtrainings im Rahmen eines betriebswirtschaftlichen Masterstudiengangs u. a. Peercoaching, gruppendynamischen Übungen, mentorierte Kleingruppen und Moderationsübungen ein. Held und Köhler (2017, S. 63) integrieren die kollegiale Beratung in ihr Modell für erfahrungsorientierte Führungskräfteentwicklung: »Kollegiale Fallberatungen ermöglichen den Teilnehmenden, in einem Trainingsumfeld an ihren realen – und damit auch unsauberen und komplexen – Problemen aus dem eigenen beruflichen Kontext zu arbeiten. Wir fordern die Teilnehmenden auf, insbesondere Fälle des Scheiterns einzubringen.« Zur Implementierung von Intervision und anderen Elementen des Transflexings in entsprechenden Gruppen von Fachkräften, Teams und anderen Subsystemen ihrer Organisation können die entsprechend trainierten Führungskräfte dann auf diese Kompetenzen zurückgreifen. In ihrer Expertenbefragung zum Nutzen von kollegialer Beratung konstatiert Linderkamp (2011, S. 20): »Auffällig häufig wird die Nützlichkeit ihrer Anwendung speziell für Führungskräfte in Zusammenhang mit den Funktionen von Professionalisierung, Vernetzung, Entlastung und Konfliktprävention hervorgehoben.« Auch Nowoczin (2012) kommt nach langjähriger Führungskräfteentwicklung in einem Großunternehmen mittels kollegialer Beratung und deren mehrfacher Evaluation zu einer positiven Einschätzung. Dabei nennt er neben der Eröffnung neuer Denk- und Verhaltensmöglichkeiten, bezogen auf Persönlichkeit, Profession und Organisation unter anderem das Ziel, mittels kollegialer Beratung die Führungskräfte in die Lage zu versetzen, kompetente Beratungen selbst durchzuführen, »um später selbständig weiterarbeiten zu können, sowie das Gelernte auf Gesprächssituationen mit ihren eigenen Mitarbeitern zu übertragen« (Nowoczin, 2012, S. 35). In dem Maße, wie einerseits die Autonomie, die Selbstreflexions- und Selbststeuerungskompetenzen der Mitarbeitenden und andererseits dialogische Orga-

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nisations- und Führungskonzepte sowie eine wertschätzende Haltung und entsprechende (Selbst-)reflexions- und Beratungskompetenzen der Führungskräfte zunehmende Verbreitung finden, wird das Coaching durch die Führungskraft als Element einer Reflexionskultur, wie dem Transflexing, in nächster Zeit an Bedeutung gewinnen, weil entsprechende Bedarfe deutlich zunehmen werden. Organisationen benötigen real und metaphorisch neue Räume für neues Denken. Hierzu gehören Räume für Ruhe und Rückzug, für Konzentration, für Ideengenerierung für Arbeit zu zweit oder im Team (Nicolaisen, 2018) und für Reflexion. Die Stärken des Transflexings, das die Räume für Reflexion, Transformation, dialogische Beziehungsarbeit, Prozessbegleitung und Passung verbindet, liegen insbesondere hinsichtlich des Coachings durch die Führungskraft unter anderem in der raschen Verfügbarkeit, der punktgenauen Beratung der Mitarbeitenden bei der Bewältigung der jeweiligen Arbeitsaufgabe, aber auch der Transferbegleitung von individuellen, team- oder organisationsbezogenen Veränderungen. Die Zukunftsfähigkeit lernender Organisationen wird in einer disruptiven VUKA-Welt entscheidend davon abhängen, inwiefern es ihnen gelingt, ihre kontinuierlichen Reflexions- und Transformationsprozesse entsprechend zu gestalten.

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