C. M. Wielands Sämmtliche Werke: Supplemente, Sechster Band [Reprint 2020 ed.] 9783111402932, 9783111039510


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INHALT
ATHENION. GENANNT ARISTION
LITTERARISCHE MISCELLANEEN
BRIEFE AN EINEN JUNGEN DICHTER
ÜBER DIE FRAGE WAS IST HOCHDEUTSH?
DIE TITANOMACHIE ODER DAS NEUE HELDENTHUM
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C. M. Wielands Sämmtliche Werke: Supplemente, Sechster Band [Reprint 2020 ed.]
 9783111402932, 9783111039510

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C.

M.

WIELANDS

SÄMMTLICHE W E R K E

S U P P L E M E N T E

S E C H S T E R

B A N D .

L E I P Z I G CIR

GBOIVO

JOACHIM

GÖSCHEN.

1 7 9 S.

I N H A L T .

ATHENION.

GENANNT

LITTERARISCHE

ARISTION. MISCELLA-

N E E N. BRIEFE

AN

EINEN

JUNGEN

DICHTER. ÜBER

DIE

FRAGE

WAS

IST

HOCHDEUTSCH? MARK-AUREL DIE

AN D I E

TITANOMACHIE NEUE

RÖMER.

ODER

HELDENTHUM.

DAS

A

T

G E N A N N T

H

E

N

I

O

N,

A R I S T I O N , ODER

DAS GLÜCK D E R

ATHENER

UNTER DER REGIERUNG EINES VORGEBLICHEN

FILOSOFEN.

1 7 8 1 .

WiELAWDS W. Si.'Ijrr,. VI, B.

A

1. •Unter die gelehrten Weidsprüche, die auf das Wort irgend eines grofsen Mannes, der sie zuerst gesagt liat, und um des blendenden Scheins willen, den sie beym ersten Anblick •von sich w e r f e n , ohne weitere Untersuchung f ü r gut angenommen werden , gehört auch das bekannter. Felix Respublica ubi autPhilosophi imperant, aut Imperantes philosopharltur ; d. i. Glücklich sind die Stáaten, wo entweder die Filosofen regieren, oder die Regenten filosofieren. Friede sey mit der Asohe des Weisen, aus dessen Munde oder Feder dieser Spruch zum ersten hervorgegangen! Ich bin gewifs, er hätte mit gutem Gewissen schwören können, dafs er eine grofse Wahrheit zu sagen glaubte; und ich selbst wollte darauf schwören, dafs er ein Filosof w a r , und dafs sein gnädiger Herr oder seine gnädigen Herren — n i c h t filosofierten.

A T II E N I O N .

4

Ich d e n k e n i c h t , «ey,

dafs h i e r erst zu f r a g e n

w a s er u n t e r

standen

habe.

eineth

Hätte

Filosofen

er

nichts

weiter

s e i n e m S p r u c h e sagen w o l l e n ,

als j

sey

weisen

glücklich

weislich

das

regiert

wohl

gethan,

wird

mit

wichtige

von

einem

werde: nichts

einer neue

Miene

sag»-n:

Aber _ganz gewifs

einein

e i n e n Mann Arzt

der

nicht

sondern

so

Denn

wer

eine

gar

er

Tage

gefördert

und

einen

war

das auch

seine

s o n d e r n w a s man v o n verstanden

hat,

sich auf FUosofie gelegt

einen

ist

ob

zu

Filosofen

u n d Filosofic t r e i b t : gesund

Manne

E r v e r s t a n d u n t e r einem F i l o -

sofen k e i n e n W e i s e n , unter

Volk

Weisheit ist besser als U n w e i s -

M e i n u n g nicht. jeher

sagen. als

Wahrheit

heit.

mit

ein

so halte e r eben

zu

habe,

ver-

hat

so wie m a n u n t e r e i n e m Mann

meint,

alle

Kranken

der

die

der

selbst

gesund

macht,

Arssneykunst

gelernt

h a t u n d treibt so gut er k a n n und w e i f * ;

oder

w i e m a n nicht d e n j e n i g e n einen Schiffer n e n n t , d e r sein S c h i f f glücklich und w o h l b e h a l t e n

an

O t t u n d Stelle f ü h r t ,

die

Kuijst v e r s t e h t gesetzt a l s o , das

Wort

sondern

den,

ein Schiff zu f ü h l e n . dais in

Filosof

vorbesagtem

weder

mehr

der

Voraus-

Weidspruch

noch

weniger

b e z e i c h n e t , als e i n e n Mann, d e r , nach C i c e r o - ' s Erklärung,

die

Wissenschalt

aller

göttlichen

und menschlichen Dinge, oder nach W o l f e n s ,

• EWAWNT

che

Wissenschaft

aller

möglichen

sofern sie möglich

sind,

gemacht

sehe

hat :

so

5

ASISTIOS.

Dinge

in

zu seiner Pi olessipn ich

eben

nicht

einj

warum ein Staat unter dem Scepter" eines F i l o sofen

glücklicher seyn sollte

als unter irgend

einem andern Ebrenmann , der so viel Verstand hat seine rechte unterscheiden.

Hand von seiner Linken zu

Dafs die Filosofen andrer Mei-

nung sind, und dafs es i h n e n , w e i l sie andrer Meinung sind, an Gründen, ihre Meinung aufzustutzen,

nicht

gelten.

fehlen

könne,

A r is t o x e n n s , d e r

lal's ich

gerne

Tonkünstler,

behauptete: die Seele sey ein Akkord und das Universum .Natur

eine

Solo

paitheyisch

grofse

spiele!

Harfe,

Einein

auf

der

Manne,

für seine Kunst dachte,

gewifs nicht zuviel,

die

der so war

es

auch zu behaupten oder

doch wenigstens zu glauben, die Staaten würden am

glücklichsten

seyn wenn

Tonkünstlern regiert würden.

sie von

lauter

Und der fran-

zösische T a n z m e i s t e r , der unmöglich begreifen konnte, was die Königin A n n a an Herrn Robert sie

ihn

H a r l e y gesehen liaberi k ö n n t e , dafs zu

ihrem

ersten

Minister

gemacht,

da er doch der gi öfste Schöps auf seinem T a n z boden gewesen r— ich bin versichert, den Augen dieses ehrlichen Mannes

dafs in ein guter

Tanzmeister geschickter war die Welt im Gang zu ei halten, als die sämmtlichen Mitglieder aller

Al

Akademien

1! » I

der

N.

Wissenschaften

Es ist nun einmahl ißt ö f f e n t l i c h

N I Q.

in

nicht a n d e r s :

Europa.

Jedermann

oder heimlich f ü r die Profession

die er t r e i b t ,

und

er gezählt w i r d ,

f ü r die Klasse zu w e l c h e r

eingenommen:

Warum

soll-

ten's die F i l o s o f e n , die doch unstreitig so v i e l Wr

uns qndern v o r a u s h a b e n , Der

kürzeste

und

weniger

sicherste

seyn?

Weg

über

diesen P u n k t hinter die W a h r h e i t zu k o m m e n , ist

wohl dieser,

dais man sich u m s e h e ,

g l ü c k l i c h die Staaten gewesen so

gut

worden

werden.

ist

von

sind,

wie

denen es

Filosofen

regiert

S o viel ich w e i f s , ist der F a l l

zu

noch

nicht oft v o r g e k o m m e n . A b e r desto a u f f a l l e n d e r und vorstechender w i r d ohne Z w e i f e l auch das G l ü c k solcher Staaten davon

ein B e y s p i e l

gewesen seyn.

bekannt,

Mir ist

das z w a r

etwas

a l t , aber v i e l l e i c h t das m e r k w ü r d i g s t e in seiner Art

ist,

Pa

zu v e r m u l h e n i s t ,

das

die- Geschichte

ich

meine,

dafs

wenigstens

I^eser

gänzlich

Ihnen

seine

99

unbekannt Geschichte

a u f z u w e i s e n hat. d«r F i l o s o f , von

100

sey:

so

den

meiner will

umständlich

ich

genug

e r z ä h l e n , u m sie eben so b e k a n n t mit i h m zu machen, selbst der

als ob

unter

sie das G l ü c k gehabt hätten

seiner R e g i e r u n g

vorläufigen

Versicherung,

zu

leben;

dafs

Sie

mit Sich

»uf die h i s t o r i s c h e W a h r h e i t »Her Umstände,

GEBANNT

7.

AHISION.

so a u ß e r o r d e n t l i c h und mährchenhaft sie auch zum

Theil

irgend

klingen

einem

mögen ,

andern

so

Stück

gut als

bey

alter

Geschichte

der

christlichen;

verlassen k ö n n e n .

2. Ungefehr

i3o

Zeitrechnung

Jahre

lebte

zu

vor

Athen

ein

gewisser

A t h e n i o n, ßüi ger und F i l o s o f d a » e l b s t d e n n e r gehörte zu der Schule des P e r i p a t e t i k e r s E r y mn aus, aber als

weiter „ dafs

von

dessen

nichts er,

bis

zu

ungefehr

Leben

und T h a t e n

uns gekommen ist, um

diese

Zeit

der

S c h u l e des Aristoteles, oder dem sogenannten L y c e u r n vorgestanden haben soll '' Dieser Athenion Schafte sich in seinen altenTagen eine ägyptische Sclavin an. Diese Sclavin gebar, nach e i n i ger Zeit, einen S o h n ; und dieser S o h n , dar p a c k dem Namen seines Patrons A t h e n i o n wurde ,

ist

Geschichte. Vermutbell

der

Held

der

genennt

gegenwärtigen

W e r auch der Vater seyn mochte,. läfst

F i l o s o f Athenion

sich so

wenigstens gut seyn

dafs

es

der"

k o n n t e als ein.

anderer ; und dafs e r es vielleicht selbst gjaube, schlössen viele daraus, weil er auf dvn jungen Manschen,

nachdem

er

herajigewaphsen

eine besondere Neigung w a r f , auin Erben

einsetzte.

war,

und, ihn- sogap

3

A T H E !» I O m er aus der Dunkelheit a u f t a u c h e i i k o n n t e , wozu ihn Geburt und Umstände sonst v e r u r t h e i l t h ä t t e n . In dem Hause eines Manne» e r z o g e n , der die filosofischen Wissenschaften, m e h r aus Liebhaberey als um G e w i n n s w i l l e n t r i e b , 1 ) u n d der sein ganzes Leben gleichsam i m L y c e u m zubrachte, — hatte er v e r m u t h l i c h v o n d e m , was damals zur E n z y k l o p ä d i e d e r Peripatetischen S c h u l e g e b ö l t e , schon so viel G e g r i f f e n , dafs e r , nach d e m T o d e seines "Vaters, Muth genug in sich f ü h l t e , selbst eine S c h u l e zu e r ö f n e n , u n d nach u n s r e r Art zu r e d e n , den Professor der Filosofie u n d d e r sphönen Wissenschaften *) zu machen. Er 1 3 I / i u dünkt wenigstens, ea laste sich diefa aus der A r t ,

w i e (ich A t h e n ä u s darüber aus-

drückt , scliliefsen. » 2 ) Denn diefs ist was m a n , zu des Athenäut Z e i t e n , durch das W o r t , a o f i S T f v t i v , verstanden an haben scheint.

GENANNT

ABISTION.

11

w i d m e t e sieb also dieser Lebensart mit eben so viel Eifer als E r f o l g , zog viele junge Leute1 an sich, lehrte öffentlich zu Messana u n d Larissa, und verdiente viel Geld. Mit diesem Geld und mit einem ziemlich bekannt g e w o r denen Namen kehrte er nach Verf'lufu einiger J p l n e in d i e M i n e r v e n s t a d t z u r ü c k ; w o er sich durch seinen lebhaften geschmeidigen u n d unternehmenden Geist und durch sein« Wohlredenheit ,gar bald bey einem Volke i n Ansehen zu setzen w u f s t e , über welches W i t i u n d Bei'edtsamkeit von jeljer Alles v e r m o c h t e n . Ich hätte beynahe einen kleinen Umstand vergessen, den ich gleichwohl nicht ü b e r gehen d a r f , da ein Eilosof wie P o s i d o n i n » in seiner Erzählung der Lebensumstände de« Arislion , w o v o n uns A t h e n ä u s d e n Auszug l i e f e r t , dessen nicht ohne Absicht, wie es scheint, E r w ä h n n n g tbat. Aristion fing nehmlich seine neue Lebensart damit ani OS TO GolplSTevaV ¿>pfl1}St, /tfipaXIK SjokaSTina

Stf p £v mv.

Mir.h däucht diefs sage

deutlich genug dafs sie an der Sofistischen Jagd ihres Mannes auf junge Leute Antheil gehabt — Da» w i e ? ergiebt sich aus der Natur der Sache.

Ö E N AIR N T

A R I S T I O J » .

.

Die A t h e n e r sollten k e i n e A u g e n z e u g e n

davon

s e y n , w i e e r das V e r m ö g e n e r w o r b e n ,

womit

er zo: i h n e n z u r ü c k k e h l te.

Ein Mensch bleibt

immer Verächtlich,

dem m a n ,

sion,

niederträchtige

sich

durch

in d e r O p e r a Mittel

zu

b e r e i c h e r n , gleichsam S c h r i t t v o r S c h i i t t z u g e sehen hat.

E r s c h e i n t e r aber nach e i n e r langen

A b w e s e n h e i t a u i ' e i n m a h l wieder als e i n e r , d e r sein

Glück

gemacht

hat,

so

läfst sich

die

Menge i m m e r v o m G l ä n z e des Goldes b l e n d e n , und

f r a g t wenig, d a r n a c h ,

w i e es

erworben

worden.

4Als Ariätion n a c h Athen z u r ü c k k a m , b e f a n d sich

Griechenland

am

Ausbruch

einer

Krisis,

w e l c h e d e r Gestalt s e i n e r A n g e l e g e n h e i t e n , der

ganzen

ja

Verfassung v o n E u r o p a u n d Asia,

eiue w i c h t i g e V e r ä n d e r u n g a n z u k ü n d i g e n schien. Seitdem R o m s Mitwerberin

um

grofse u n d die

unversöhnliche

Oberherrschaft, und

Antiochus

Kar-

thago,

gefallen,

Grofse

gedemiilhigt u n d jenseits des Gebirges

f a u r u s eingeschlossen w o r d e n w a r , schien Alles vollen

dem

der nun

g l ü c k l i c h e n Genius dieses w u n d e r -

Ereyslaats

das S c h i c k s a l ,

weichen

oder

zu

müssen.

( r i c h t i g e r zu r e d e n )

Aber die

A T H E K I O N .

Herrschsucht der R ö m e r , ( d i e keine andre Grenzen des Römischen Reiches anerkannte, als wo die Natur aufhörte Menschen h e r v o r zu bringen ) erweckte ihnen eineu neuen Feind, u n d einen der furchtbarsten ^ der sich ihnen jemals entgegen gestellet hatte, in der Person des Königs von P o n l u s , M i t h r i d a t e s , dem seine aufserordentlichen Eigenschaften den Beynalimen des G r o f s e n e r w a r b e n ; eine z w e y deutige E h r e , die fast immer zu sehr auf Kosten des menschlichen Geschlechts e r w o r b e n worden ist, uin von einem guten Menschen gesucht oder beneidet zu w e i d e n . Der grofse Alexander selbst halte nichts v o r ihm voraus, als sein G l ü c k ; und auch in diesem schien ihm Mithridates eine Zeitlang gleich zu seyri. Die Römer k o n n t e n den Ehrgeitz dieses FürsLen — der weder mit dein höflichen Vasallen - Namen eines F r e u n d e s und B u n d e s g e n o s s e n des Römischen V o l k e s , n o c h mit den erweiterten G r e n z e n , die sein Vater von demselben empfangen h a t t e , zufrieden •war — eben so \yenig e r t r a g e n , als Mithridates den übermiitliigen Stolz dieser Bürger einer Italienischen S t a d t , die von den Ufern des Tibers sich zu Richtern über die e n t f e r n testen Könige a u f w a r f e n , nnd entschlossen tchieueu , nicht eher zu ruhen , bis sie es dahirt

C K »

A N N T

»5

A B U T I O » ,

gebracht hätten, von den T r ü m m e r n der g r ö f s ten Thronen

herab der

vorzuschreiben. 4 ) Gesinnungen

ganzen

Bey

könnt*

es

Welt

Gesetze

solchen gegenseitigen an Gelegenheit

zum

Ausbruch nicht fehlen. K a p p a d o z i e n , woraus der König von P o n tui den

V«JII

vertrieben

Rom beschützten A r i o b a r z a n e s hatte,

gab den

irn Grunde aber

war

Könige

Römisch

auf

gut

gesagt hatte) dt-n

und durch Beystand

unter

mit

der;

dem Könige v o n andern

dem Augen

Römer

Unabhängigkeit

den freiwilligen vieler

die

ob die R ö m e r

Der ehrsüchtige F ü r s t ,

Verbindung

Vorwand:

Marius

oder 'Mithridates die

könnte ,

entsagen.

ersten

(wie

darum zu thun,

Mithridates,

zwingen

es

za

durch »eine Armenien,

oder erzwungnen

Asiatischen

Völker

4 ) „ E n t w e d e r , o K ö n i g , v e r s u che grös» «er zu w e T d e n als d i e R ö m e r ,

oder

b O-

f o l g e s t i l l s c h w e i g e n d w a s s i e d i r be f ehl e n " sagte M a i i u s z u m König Mithridates.

Der

•König stand wie vom Donner gerührt, setzt Plutarcb (der dies erzählt) hinzu ! denn er hatte zwar schon vieles von den Thaten der Römer gehört, aber diefs w a r das erste Mahl, dafs er mit eigenen Ohren hört«, • u s welchem Ton sie mit seine« gleichen zu s p r a c h e n pflegten.

i6

A x n

U N I O N .

v e r s t ä r k t , zog gegen die Röiper mit e i n e m H e e r zu F e l d e , in w e l c h e m man bis auf z w a y u n d zwanzig N a z i o u e n v o n v e r s c h i e d u e n S p r a c h e n 5 ) zählte. D e r M o m e n t , in welchem er diese g e b o r n e n Feinde des königlichen N a m e n s , w e l c h e aufser der M a j e s t ä t d e s R ö m i s c h e n V o l k e s keine Majestät e r k e n n e n w o l l t e n , , zu demülhigen h o f f t e , k o n n t e f ü r sein Vorhaben n i c h t günstiger seyn. Die R ö m e r w a r e n , seit u n g e f e h r z w a n z i g J a h r e n , erst d u r c h d e n Krieg mit dem Numidischen F ü r s t e n J u g u r t l i a , dann d u r c h die N o t h w e n d i g k e i t , . das H e r z ihres Reichs gegen u n z ä h l b a r e H o r d e n u n b ä n d i g e r W i l d e n zu v e r t l i e i d i g e n , w e l c h e F l u t h e n w e i s e aus G e r m a n i e n in Gallien e i n g e d r u n g e n w a r e n , u n d Italien zu ü b e r s c h w e m m e n d r o h t e n , endlich d u r c h den b l u tigen M a r s i s c h e n K r i e g (mit ihren mifsv e r g n ü g t e n u n d empörten: Italiänischen Bundesg e n o s s e n , ) w o r i n Italien in wenig J a h r e n ü b e r 5oo,ooo streitbarer Männer und Jünglinge verloren hatte, — die R ö m e r , sage ich, 5 ) Die M u n d a r t e n waren ohne Zweifel mitgerechnet;

zumahl wenn wahr seyn s o l l ,

was

J u s t i n u s sagt: dafs Mithridates alle diese Sprachen geredet habe.

OINAMNT

ARISTION.

»7

waren durch diefs alles außerordentlich e r s c h ö p f t w o r d e n ; und noch w^r eben ein neuer f ü r c h terlicher Bürgerkrieg zwischen Marius u n d Sylla ausgebrochen, der dieser Republik in ihren eignen Eingewtiden den Untergang drohte. Hierzti kam noch der tödtlichc Abscheu w o m i t die Völker des kleinen Asiens gegen den Römischen Namen ei füllt waren ; $in A b s c h e u , der jedem zu ihrem ß e f t e y e r sich aufvverfcnden Erobrer die T h u r e aller Städte dieser reichen und von Menschen wimmelnden Provinzen zu öffnen versprach. M i t l i r i d a t e s zögerte n i c h t , sich diesen Zusammenilufs günstiger Umsla'tide zu Nutze zu m a c h e n ; und glückliclicr Weise f ü r i h n w a r e n die ersten Römischen F e l d h e r r e n , die sich ihm entgegenstellten, keine S y l l a noch Lukulle. Er schlug sie zu verschiednen M a h l e n , vernichtete i h r e Armeen, und begegnete den H e e r f ü h r e r n O p p i u s und A q u i l i u s so grausam, so sehr wider alles was tinter Menschen und Völkern Sitte ist, dafs man schon daraus genugsam abnehmen k o n n t e , dafi seine Unternehmungen nicht einen billigen F r i e d e n , sondern Rom's Untergang zuiu Ziele h a l t e n , und sich mit diesem — oder seinem eignen-, enden w ü r d e n . W n i i N D ! W. S i ' m . vr. B.

B

j8

A X U E N I ü K. 5-

W i r haben die Athener und den Filosofen A r i s t i o n einen Augenblick aus dem Gesichte lassen müssen : weil es, da doch der Angelegenheiten des Mithridates E r w ä h n u n g geschehen m u í s t e , anständiger w a r , dem Leier die E r i n n e r u n g an die Geschichte dieses berühmten R ö m e r - F e i n d e s durch etliche Federstriche zu erleichtern, als ihn an Bücher zu verweisen^ die er jetzt vielleicht weder Lust, noch Gelegenheit h a t , nachzuschlagen. Wir kehren, n a c h diesem kleinen Absprung, erst zu den A t h e n e r n , dann zu unserm Solisten zurück. Es war ungefehr zweyhundert und vierzig J a h r e , seit die Griechen durch die berühmte Schlacht bey Chäronea ihre F i e y h e i t v e r l o r e n — und über h u u d e r t , seit sie Etwas der Freybeit ähnliches durch den Römischen Konsul F l a m i n i u s wieder erhalten hatten. A t h e n hatte w ä h r e n d aller dieser Zeit m a n e h e r l e y abwechselnde, zum Theil sehr widrige Schicksale erfahren. Sie w a r noch immer eine der g r ö ß t e n , volkreichsten und herrlichsten Städte in der W e l t : noch i m m e r , wenigstens dem Namen und Andenken n a c h , d i e S t a d t d e r M i n e r v a , die Mutter und Pflegerin der Künste und der Wissenschaften: aber der Geist den i h r , etliche J a h r h u n d e r t e z u v o r , einige

CRKA.NMT

ARISTION.

»9

grofse Männer eingehaucht hatten, w a r schon lange verflogen, und Alben hatte aufgehört grofse Männer hervorzubringen. Der edlo schöne Karakter, welchen P e r i k l e s und I s o k r a t e s dem Athenischen Volke beylegen, w a r zuerst d u r c h d i e D e m o k r a t i e , hernach u n t e r der Oberherrschaft der Macedonischen F ü r s t e n , »tufenweise so ausgeartet, dafs jene allen A t h e n e r , die mit Themistokles, Aristides n n d Cimon den g r o l l e n König von Asien gedemülhigt hallen — die A t h e n e r , die dem A 111 i g o n u s und D e in p t r i u s bey lebendigem Leibe einen eigenen Priester bestellten, u n d s i e , als Schulzgülter ihrer Stadt, der Minerva u n d den Eleusinischen Göttinnen an die Seite setzten, gewifs nicht für- ihre Nachkommen erkannt haben würden. Das Herz empörb sich, w e n n man beym P l u t a r r b bald die ü b e r m ü thigen ß ü b e r e y e n , bald die knechlischen Niederträchtigkeiten liest, welche sie sich nicht schämten zu begehen, um dein D e m e t r i u s P o l i o r k e t e s heute die unbesonnenste Vera c h t u n g , morgen die ausschweifendste Verehr u n g und Unterwürfigkeit zu bezeugen. Indessen blieb doch die Idee der Fieyheit immer die D u l c i n e a dieses leichtsinnigen Volkes, ungeachtet sie mit Händen greifen k o n n t e n , dafs die Z e i t , schimmernde E n t w ü r f e zu machen, f ü r sie vorüber sey.

20

A T H X S 1 (I

J,

So s c h w ä r m e r i s c h i h r e erste D a n k b a r k e i t gewesen w a r , als F l a m i n i u s sie Ton d e m J o c h e des Königs Filippus b e f r e y t e ; so k o n n t e n sie sicli doch bey k ä l t e r m Blute des G e f ü h l s n i c h t e r w e h r e n , dais die F r e y h e i t , die m a n i h n e n g e s c h e n k t " hatte fi) n i c h t viel besser als eine K i n d e r p u p p e s e y ; u n d alle h e l l e n i sierende Politesse, königliche Ficygébigkeit u n d herablassende Gefälligkeit, w o d u r c h der Sieger d e s P e r s e u s , P a u l u s E m i l i u s , die R ö m i s c h e Majestät zu mildern und ihr das Verhafste zu b e n e h m e n s u c h t e , alle W o h I t h a t e n , w e l c h e s i e , v o r a n d e r n Griechischen S t ä J t e n von ihm e m p f a n g e n h a t t e n ; e r z e u g t e n , eben darum weil es W o h l t h a t e n w a r e n , bey einem so flücht i g e n , v e r ä n d e r l i c h e n u n d auf seine ehemalige G r ö f s e so eilelstolzen Volke , n u r eine v o r ü b e r r a u s c b e n d e E r k e n n t l i c h k e i t , w e l c h e alle A u g e n b l i c k e , bey dem geringsten Anschein sich w i e 6 ) D i e Griechischen Republiken wurden ron den Nachfolgern Alexanders von Zeit zu Zeit »o beschenkt. Aber meistens hatte man ilinsn vorher alles genommen was dem Geschenk einen Werth hätte geben können. S r i 1 p o n , sagte D e m e t r i u s zu dem bekannten Filosofen dieses Nahmens in Megara, ich lasse euch eure Stadt frey. Da« ist wahr, versetzte Stilpon, denn du hast uns nicht einen einzigen Knecht übrig g¿ ¡^»cii.

GENANNT

A RISTION.

21

¿ e r unabhängig machen zu k ö n n e n , in Hafs und E m p ö r u n g umschlug. Das widersinnigste bey diesem allen w a r , dafs sie durch so viele E r f a h r u n g e n , wie sie «ich bey jedem i h r e r yielen ßefi eyer so wenig bessei; als v o r h e r b e f u n d e n , iind im Grunde n u r einen neuen Beherrscher um den Alten eingelauscht, nicht fclüger g e w o r d e n , sondern immer bereit waren, auf eigene Kosten einen neuen eben so vergeblichen Versuch zu machen; wiewohl es n u r v o n i h n e n a b h i n g , zu sehen, dafs in ihren Umständen, untj bey der damahligen Lage der S a c h e n , gar nichts mehr zu versuchen war.

6. So waren die A t h e n e r , und so waren die meisten. Griechischen Slädte in Asien und in der eigentlichen H e l l a s beschaffen und gestimmt., als M i t h r i d a t e s sich i h n e n , gleichkam aus hoher glänzender Ferne, als einen neuen Befi'eyer von der Oberherrschaft eben dieser Römer zeigte, denen sie k u r z zuvor so ergeben gewesen waren. Ein glattzüngiger Volksrediier brauchte ihnen nur in der Hand dieses Bürsten das Zauberbild der Unabhängigkeit nwt hellen fröhlichen Farben vorzumablen, u m sie, in der Trunkenheit der ausschweifendsten H o f f n u n g e n , zu Mafsnehmungen zu treiben)

22

A

T H E 1* I O N .

w e l c h e gerade das Gegentheil i h r e r W ü n s c h e h e r v o r b r i n g e n m u f s t e n ; u n d es w a r N i c h t s •was sie in einem solchen T a u m e l n i c h t zu t h u n u n d zu leiden fähig w a r e n . Oiels w a r i m m e r i h r F e h l e r u n d ihr Unglück gewesen. S c h o n S o I o n hatte i h n e n , als sie sich v o m P i a i s t r a t ii8 b e t h ö r e n l i e f s e n , in einer w o n seinen gesetzgeberlichen Satiren d e n V o r w u r f gemacht: Immer schaut ihr dem Mann nur auf die schmeichelnde Zunge, Immer auf das, was er spricht, nimmer auf das, was er thut. Schlau w i e der Fuchs ist jeder für sich: doch Alle zusammen, Fahrt ihr, w i e Blasen voll L u f t , leicht an Verstände daher. Die Verse sind auch im Original eben nicht die s c h ö n s t e n : aber sie sagten den A t h e n e r n eine W a h r h e i t , die d u r c h i h r e ganze Geschichte bestätigt wird. D e r erste a l s o , d e r i h n e n den E r o b e r e r M i t h r i d a t e s — n a c h ' h r e n eigenen Begriffen einen B a r b a r e n , d e r n u r ü b e r K n e c h t e stu h e r r s c h e n gelernt halte—• in dem Licht eines Bt-freyers und Schutzgoltes zeigte, m a c h t e sie im n e h m l i c h e n Augenblick

gewankt

AKISTXON.

23

aller Verbindlichkeiten, so sie den Römern hatten, vergessen. Eben diese Freundschaft mit Rom, auf welche sie kaum noch stolz gewesen waren, schien ihnen jetzt die schimpflichste Knechtschaft. Mithridates ward nun der Agott, an den die Reihe kam. Für ,ihn» f ü r seine Waffen und Entwürfe, beeiferten sie «ich nun aufs lebhafteste; und so wie sie ebmahls, aus lauter Dankbarkeit Tür ihre wiedergeschenkte Demokratie, die ersten -waren, die den Antigonus und Demetrius zu K ö n i g e n ausriefen: so lag es auch jetzt gewifs nicht an ihnen, dafs Mithridates. von welchem sie das riehmliche Geschenk zu erhalten hofften» nicht auf der Stelle überall zum allgemeinen Herrn der Welt ausgerufen wtirde

Der Mann, der sie in diesen neuen Anfall von Schwärmerey setzte, war der Filosof A r i s t i o n , der ( wie gesagt) seit «einer Zurückkunft, durch seine Beredtsamkeit, und durch die Figur, die er mit seinem auswärts erworbenen Gelde machte, sich bey dem Athenischen Volke in Ansehn zo setzen gewufst halte. Man sieht aus der Art seines ganzen Verfahrens, dafs er nach einem Plan handelte» von dessen Entwicklung die leichtsinnigen

A T H E N I O N .

V ö g e l d e s A r i s t ó f a n e s sich w e n i g t r ä u m e n l i e f s e n ; w i e w o h l der K n o t e n mit allem Flcifse so geschlungen w a r , dafs er sich just auf diese Art e n t w i c k e l n m u f s t e . E r f i n g damit an , dafs er die A t h e n e r die N o t w e n d i g k e i t f ü h l e n m a c h t e , sich in Zeiten uní die F r e u n d s c h a f t eines Monarchen zu b e w e r b e n , der v e r m u t h l i c h in k u r z e m das Schicksal Ton Griechenland, ja von ganz E u r o p a in seiner Hand haben w ü r d e . Dieser P u n k t w a r , so w i e die Sachen damahls s t a n d e n , leicht z u erhalten. Die Angelegenheiten d e r R ö m e r hatten nie mifslicher ausgesehen. Mithridates ging wie eine neue S o n n e über d e m politischen H o r i z o n t auf. Alle Griechische Städte r i c h t e t e n i h r e Augen auf ihn-, u n d die schlauen A t h e n e r w o l l t e n lieber u n t e r den e r s t e n , als u n t e r d e n letzten seyn , die sich bey i h m wichtig zu machen und in Gunsten zu setzen suchten. Die F l a g e w a r a l s o , w e n man an den König Mithridates abschicken sollte ? Natürlicher Weise den beredtesten Mann in A t h e n ; f o l g lich den A r i s t i o n . Diefs zu e r h a l t e n , war der grofse P u n k t gewesen , n n d der Filosof erhielt i h n . Es w a r z w a r n u r der erste S c h r i t t nach seinem Z i e l e , aber die ü b r i g e n m a c h t e n sich d a n n von selbst. A r i s t i o n reisete also an Mithridates H o f lager a b , u n d w u r d e sehr w o h l e m p f a n g e n .

G S N A N X T

Denn

dem eben

so

und enlscblofsnen

staatsklugen

Fürsten,

des Glücks kannte, Grunde ,

doch

keit

und

und

immer

Kombinazionen

25

A K I S I I O S .

die

dessen von

abhine,

als tapfern

der

Tücken

Macht,

sehr

kam es auf

Liebkosungen

nicht

im

zufälligen Gefällig-

an ,

wo

es

darum zu lliun w a r , die Parthey seiner Feinde zu schwächen

und

die seinige zu verstärken.

Der König und der Filosof wurden ( w i e man sirh's leicht vorstellen k a n n ) ist,

der

König

bald einig:

versprach

was

wollte,

w e i l er wufste dafs

bleiben

würde,

ihm

belieben

die gute Disposizion

denselben seiner

Freundlichkeit

des

G e w a l t zuschrieb,

die

Werkzeug zu haben.

YV'ohlredenheit

wünschte

Geschicklichkeit

unvermerkt

sich

Glück ,

über

selbst den

eignen

Absichten

zum

gemacht

sagt z w a r

nichts

ausdrücklich von dem S e p a r a t - A r t i k e l ,

wel-

chen

Die Geschichte

zu

König

( w i e er sich schmeichelte) seiner

als der

und seine

ausübe,

Herr

zu halten

der F i l o s o f ,

und

Königs der geheipjen sein Verstand

und

das

Filosof

er immer

gerade soviel

würde;

der

der König und der Filosof mit einander

abredeten;

aber

Zusammenhang

es erhellet aus der S a c h e n ,

Geheimartikel existierte , bestand: Und

Aiislion

ßeystand

des

sollte,

dafs

und

dem ganzen ein

dafs

mit

Milhridatea,

solcher er

darin

Genehmigung sieb

der

A T H E N I O N .

höchsten Gewalt in Athen bemächtigen, u n d dafür Seiner Majestät in allen billigen und —> unbilligen Dingen gehorsam u n d gewärtig seyn. Mithridates w a r ein zu g r o ß e r F ü r s t , um sich viel darum zu b e k ü m m e r n , wer die Bürger von Athen unmittelbar beherrschte; u n d ein zu kluger M a n n , um auf die T r e u e eines Verleihers Staat zu m a c h e n : aber es war jetzt blol's darum zu t h n n , die Athener mit der Lockspeise der Freyheit v o n d e n R ö m e r n abzuziehen. Die Unbeständigkeit dieser selbst in ihrem Verfall noch i m m e r ansehnlichen Republick w a r bekannt. So lange sie Republick blieb, war nicht acht Tage auf siö zu rechnen. Sie mufste also, nach damahliger Art zu r e d e n , einen T y r a n n e n bekommen , und der T y r a n n mufste ein Manu s e y n , der ohnehin schon viel beym Volke vermochte. Niemand schickte sich dazu besser als Arislion. Sein eignes Interesse nöibigte i h n , dem König v o r der Hand getreu zu s e y n : u n d , wie es auch in der Folge ausfallen m ö c h t e , genug dafs Mithridates durch diesen' Mann erreichte, was jetzt f ü r den Moment seine Absicht war. - Ging sein Hauptplan glücklich d u r c h , so blieb den Griechen ohnehin nichts anders übrig als sich

« E N AK NT

A R I S T I O N .

27

an den Sieger anzuschmiegen; fiel' es aber widrig aus, so halfen die Athener wenigstens die Römer aufzuhallen; und er gewann indessen Zeit, sieb in Asien desto besser in Verfassung zu setzen. Der König war also bey diesem Geheimartikel immer der gewinnende T h e i l ; und überlief* es übrigens dem Athenischen Solisten, wie gut oder schlecht er bey dem ganzen Handel fahren würde. Avistion rnnfste bey dem allen sein Spiel sehr behutsam spielen, um seine wahre Absicht nicht vor der Zeit durchscheinen zu lassen, und ein Volk dadurch scheu zu machen, das eben so eifersüchtig über seine R e c h t e , als unbesonnen in seinen A n s c h l ä g e n und schwärmerisch in seinen L e i d e n s c h a f t e n war. Die - Römer hatten noch immer eine Parihey in dieser grofseh Stadt; zwar die geringste an der Zahl, aber an Ansehen und Einilufs beträchtlich genug, weil sie aus den Edelsten und Reichsten bestarid, denen mit gefährlichen Veränderungen selten gedient ist. Das Volk fing zwar wieder an den Meister zu spielen; und das, was ihm den Aristion ganz aufsei ordentlich werth machte, w a r , dafs er ihm in seinen von Hofe aus geschriebenen Briefen immer die stätkste Hoffnung gab, die D e m o k r a t i e — den

28

A t i i x n j o k .

ewigen Gegenstand ihrer Wünsche undT r ä u m e — durch Mithridates Unterstützung, wieder hergestellt zu s e h e n : Aber «bei» darum w ü r d e der kleinste Vorlaut von seinen geheimen Absichten alles verderbt haben.

8A r i s t i o n w a r ein zu feiner Politiker, um die Maske des Patriotism eher abzulegen bis sie ihm ihre völlige Dienste gethan, und ihn auf den Tunkt gebracht hatte, wo sie i h m zu nichts mehr helfen kpnnte. Er hatte den Athetie«;n in seinen gesandtpchaftlichcn Berichten den g r o f s e n K ö n i g immer nur in dem Licht eines grofsnuithigen Befreiers von dem Komischen Joche gegeigt, und s o , wie sie jetzt gröfstentheils gesinnt w a r e n , konnte sie nichts m e h r zurückhalten, sich diesem in die Arme zu w e r f e n , als etwa die Ungewifsheit, o b er auch mächtig genug sey, sie bey der U n a b h ä n g i g k e i t , welche si$ Von seiner F r e u n d s c h a f t e r w a r t e t e n , gegen.ihre e h e m a l i g e n F r e u n d e , die R ö m e r , zu schützen. Allein diefs konnte n u n , da Mithridates Meister von ganz Kleinasien w a r , da er Alles, was Ri?T misch hiefs, an Einem Tage ans dem ganzen Umfang dieser weitläufigen Provinzen vertilgt

» E » A » N T

lialle 7 )

und

A K I S T I O N .

schon

im

Begriff

stand,

mit

einem siegreichen Heer und mit den glänzendsten Hoffnungen

in Europa überzugehen,

bey

7 ) Dieser T a g war einer der unglücklichsten, die den Römern seit Erbauung ihrer Stadt aufgegangen waren.

Die Provinzen des kleinen Asiens wimmel-

ten von Römern und Italienern, welche Theils die Staatseinkünfte gepachtet, Theils sonst alle Arten von Lucrativen Geschäften in diesen reichen Ländern an sich gezogen

hatten.

M i t Ii r i da t e s glaubte

»ich seiner neuen Eroberungen nicht eher versichert xu haben, bis er alle«, was Komisch liiefs, darin vertilgt hätte.

E r schickte also, von Epheaus aus,

geheime Befehle an alle Statthalter und Unterobiigheiten der Provinzen und Städte in ganz Kleinasien, verroöge deren a u f E i n e «

bestimmten

Tag

alle Römer, selbst die Weiber, Kinder und Sklaven nicht ausgenommen, aller Orlun ermordet werden sollten.

Einen erschlagnen Römer zu b e g r a b e n ,

oder einen Lebenden zu v e r b e r g e n , hoher Strafe vei boten.

w?,r bey

Ihr särnmtliches Vermögen

wurde zum Vortheil des Königs nnd der Mörder eingezogen. W e r einen versteckten Römer entdeckte, erhielt eine Belohnung.

D i e Sklaven, welche ihre

Romischen Herren, und die Schuldner, welche ibre Gläubiger ermordeten, erhielten — jene die F r e i heit, diese denNaclilafs der Iiä'fte ihrer Schuld, u s. vr. Der Hafs der Asiaten gegen ihre Römischen [Tnter-

ti. T Ii B N I O M . einem so lebhaften und einbildnngsreichen V o l k e wie die Athener keine Frage mehr seyn. Jetzt war der Augenblick gekommen, den A r i s t i o n ergreifen m u f s t e , um sich zu gleicher Zeit Seiner Verpflichtungen gegen den K ö n i g zu entledigen und seinen eignen geheim e n E n t w u r f auszuführen. E r eilte also in P e r s o n , als der Herold einer fröhlichen Botschaft, nach Athen z u r ü c k ; u n d da er die Erwartungen seiner leichtgläubigen Mitbürger bereits hoch genug gespannt h a t t e , um gewifs zu seyn dafs sie ihn mit schwärmerischem Entzücken empfangen w ü r den , so liefs er es auclx auf seiner Seite an Nichts e r m a n g e l n , was diese seinen Absichten so günslige Disposizion des Volkes unterhalten konnte. E r wufsle wie viel man über die Renschen gewinnt, wenn man sie zu rechter Zeit als K i n d e r behandelt, ihre Sinne d u r c h drücker und Aussauger war ungefelir der — Lieb« der Indianer in B e n g * a l e n zu ihren F r e u n d e n den E n g l ä n d e r n gleich, und bedurfte aller dieser Aufmunterungen nicht. A c h t z i g T a u s e n d R ö m i s c h e B ü r g e r wurden an diesem schrecklichen T a g e umgebracht — und diese Zahl ist noch die geringste, die von den alten Geschichtschreibern angegeben wird.

GE8AMNI

AHISTION.

3i

ungewöhnliche Eindrücke überrascht, und i h n e n n i c h t Zeit läfst, sich selbst wegen der B e w e g u n g e n , w o v o n sie hingerissen w e r d e n , z u r Rechentchaft zu ziehen. Der Sohn der Ä g y p tischen Magd, vor kurzem noch ein blofser Winkelschulmeisler nnd einer der unbedeutendsten Menschen von der W e l t , zog, u n t e r einem unglaublichen Zusammenfluß von Z u «cliauern , d i e von allen 'Enden zu dieser p r ä c h tigen F a r c e herbeyströmlen, in einem schimm e r n d e n P u r p u r k l e i d e , auf einem T h r o n mit silbernen Füfsen getragen, unter dem lautesten Freudengeschrey des Volkes, wie im Triumf zu Athen e i n , und glücklich, wer sich am nächsten zu ihm hiuandrängen und den Saum seines wallenden Purpurs b e r ü h r e n k o n n t e ! D e n n der Wann kam, der ihnen die F r e u n d s c h a f t des grofsen Königs verschall- hatte! Der Manu, der sie von den Schalzungen der R ö m e r eu b e f r e y e n , ilne liebe Demokratie wieder herzustellen, und das schöne Athen zu seiner alten Ma6ht und Herrlichkeit wieder zu erheben «— v e r s p r o c h e n h a l l e ! War diefs nicht genug, die unmäßige Freude zu e r r e g e n , und "die ausschweifendsten E h r e n b e zeugungen zu rechtfertigen, die einem solchen Mann erwiesen w u r d e n ? Kaum dafs man ihm Zeit gelassen hatte in seinem alten Quartier abzusteigen, so w u r d e

A T H i N 1 O M.

3a

e r mit grofsem Geprälige in Haus abgeholt, anwies,

wo

die mit

man

ihm

Tapeten,

ein

öffentliches

eine

Wohnung

Mahlereyen ,

ßild-

l i a u e r w e r k e n und silbernen Gefäfsen aufs p r ä c h tigste

versehen

Aristion •Heide,

war.

wieder

Bald

darauf

erschien

in einem r e i c h e n

Staats-

mit einem Ring am Finger, in dessen

Stein

der

Kopf

war,

mit

einem

des

Milhridates

grofsen

geschnitten

Gefolge

vor

und

h i n t e r ihm her, nnd begleitet v o n einer Menge Volkes, halte.

die v o r Mit

dem Hanse auf ihn gewartet

diesem

Pomp

erhob

er

sich- in

den Tempel des Bacchus, w o die Gewerkschaft dieses

Gottes

8

8) Olnipi\diovv$ov

)

dein

König

rejtvirai,

Mitliridal.es,

die K ü n s 11 er des

B a c c h u s , sagt Athenäus. Unter dieser a l l g e m e i n e n B e n e n n u n g w u r d e n zu Athen Komödianten, M i m e n , Musikanten, k u r z die ganze Bande

joyeuse

begriffen,

w e l c h e unter dem besondern Schutz dieses Gottes stunden und ,vroiSTepi

die ev ohne Zweifel von

Athen m i t g e n o m m e n . V c r i n u t h l i c h machten sie eine eigne Brüderschaft aus, die zum Bacchus, a l s i l u e m

6EN'AnNT

Aristion.

33

a l s d e m n e u e n B a c c h u s , 9 ) und seinem Günstling .Aristion zu E h r e n , ein grofses Fest angestellt Latten, und b e i d e n öffentlich L i b a z i o n e n gebracht wurden. Ganz Athen schien sich in einem seltsamen Taumel von Freude und Erwartung herumzudrehen. Der K e r a mikus wimmelte von Einheimischen und F r e m den. Man sprach von nichts als v o n A r i s tion und M i t h r i d a t e s , und von den grofsen Dingen die zum Heil Griechenlandes geschehen würden. Kluge Leute sahen ohne Zweifel alle diese Ausschweifungen mit eben so nüchternen Augen a n , wie w i r : aber sie mufsten am Ende thun wie die andern. Denn das Volk war in keinem Zustande, worin es rathsam gewesen w ä r e , ihm widersprechen oder Mäfsigung predigen zu wollen.. Man k o n n t e , glaubten s i e , dem Günstling des neuen Weltbezwingers Bacchus-Mithridates nicht zn viel Ehre erweisen , sich nicht zu viel um die Gunst des Manpatron, eine besondere Andacht hatten, wie etwa die Schuster in Frankreich zum h e i l . K r i s p i n n s. u. w. g ) Denn so wurde jetzt Mithridatas in KleinAsien fiberall genannt und verehrt, wie diefs C i c e r o selbst bekräftigt Orat. pro Flacco c. 25. WtELAifD« w. evm. Vi B. C

34

A T H K K I O N ,

nes bewerben, er wünschte Guten

zu erhalten hoffte.

nung war Gottes

durch dessen Hartd jeder was

von dem grofsen G e b e r

dem Tempel

ähnlich, w o

Aristions

alles Woh-

eines w u n d e r t ä t i g e n

die Ebbe nnd Fluth

Kommenden und Gehenden nie aufhört.

der Ging

er aus, so hatte er immer einen Hof von Klienten um sich h e r ; kam er zurück, allezeit mit

einer

Begleitung,

so war es

die von

Gasse

zu Gasse immer zahlreicher wurde.

9Unser Filosof war der Mann nicht, der eine so erwünschte Hitze ungebraucht hätte erkalten lassen sollen. Vermuthlicli geschah es auf seine Veranstaltung (wiewohl A t h e n ä u s diefs nicht ausdrücklich sagt) dafs, bald nach seiner Ankunilt, das ganze V o l k , ohne von obrigkeitlichen Personen, denen solches allein zukam, zusammenberufen zu s e y n , auf dem gewöhnlichen Platze der B e r a t s c h l a g u n gen sich versammelte, um zu hören was ihnen der wundervolle Aristion zu sagen hätte. Aristion erschien, bestieg die Rednerbühne, von

welcher

er

das

ganze Volk

übersehen

konnte, und fing seine Rede damit an: er hätte ihnen Sachen

von der - äufsersten Wichtigkeit

«enannt

Aristion.

35

vorzutragen; aber eben d i e f s , und die B e trachtung der grofsen F o l g e n , die in den gegenwärtigen Zeitläuften daraus entstehen 'könnten, •wenn er ihnen alles sagte*, was ihn s e i n e Liebe zur R e p u b l i k zu sagen dringe, mache ihn schüchtern und binde seine Zunge. Das V o l k , dessen Erwartung durch einen solchen Eingang aufs äufserste gespannt war, rief ihm z u , dai's er ungescheut reden k ö n n e ; und Aristion, der sie völlig in der Stimmung sah worin er sie liab^n w o l l t e , stellte ihnen nun mit einer hinreifsenden Beredtsamkeit v o r : dafs die Begebenheiten dieser Tage so grois und aufserordentlich s e y e n , daf* sie alles ü b e r träfen , was der ausschweifendste T r a u m einem Menschen als möglich vorbilden könnte. „ D e r K ö n i g Mithridates, sagte e r , ist in diesem Augenblick Meister von B i t h y m e n , woraus er den Freund der Römer N i k o m e d e s vertrieben hat, von Kappadocien und dem ganzen festen Lande von Frygien bis an die Enden v o n Cilicien; alle Völker am Europäischen Meere bis zu den Mäolischen Sümpfen erkennen ihn f ü r ihren H e r r n ; die Könige v o n Armenien und Persien stehen zu seinem B e f e h l ; die Römer selbst, deren Obermacht vor kurzem der ganzen Welt furchtbar w a r , haben endlich der seinigen weichen müssen. Ihre Kriegs*

36

A

R

U

JE

IR

I

O

JF.,

heerq sind aufgerieben, ibre Feldherren Oppius uad Aquilins sind sein« Gefangnen; und dieser Aquilins, ein Mapq der die höchsten Würden in R o m , bekleidet und über Sicilien triurjif'iert h a t t e , mufs sich gefallen lassen, einem fünf Ellen langen Pontischen Reuter, Gahmens Basternes, an einer langen Kette, womit er ihm' an den Leib geschlossen ist, zu Fufse nachzutraben. Alle R ö m e r , von welchen Asien voll w a r , sind an Einem Tage bis am Fufs der Altäre, wo sie vergebens Zuflucht suchten, erschlagen worden. Die Griechen selbst — so wülhend ist in Asien der Hafs gegen alles was eihem Römer gleich sieht — sogar dip Griechen, die das Römische Bürgerrecht haben, konnten sich nicht anders r e i t e n , als indem sie eilends die verhafste Toga von 6ich warfen, und die Kleidung ihres Vaterlandes wieder anzogen, welches Mithridates ehrt und in seinen ehmahligcn Glanz wieder herzustellen beschlossen hat. Durchdrungen von diesen Gesinnungen empfangen ihn alle Städte Asiens mit offnen Armen, empfangen ihn nicht wie den gröfsten der Könige, sondern wie einen Gott. Alle O r a k e l kündigen ihm die Herrschaft über den ganzen Erdkreis an. Schon erfüllen seine Heere Thracien und Macedonien. Die Provinzen Europas eilen in die Wette sich auf seine Seite zu schlagen; und nicht nur von

B E N A N N T

ARISTIOH.

37

den Völkern Italiens, sondern sogar von den Karthagern sind Gesandte bey ihm angelangt, und bezeugen ihm ihre Bereitwilligkeit zur Zerstörung Roms ihre Waffen mit den seinigen zu vereinigen." Hier hielt der redselige Sofist ein, weil er dem erstaunten Volke etliche Augenblicke Zeit lassen wollte, den Gemiithsbewegungen, worein sie das Anhören dieser Wunderdinge gesetzt, c;t\vas Luft zu machen. — Nach einer kleinen Pause schritt e r ' z u r Nutzanwendung des bisher gesagten. — „Was soll ich euch n u m sagen, rief e r , wo die Sache selbst so laut spricht? Oder, ihr Männer von Athen, sollt ich euch noch erst ermalmen müssen, nicht länger diese Anarchie zu dulden, in welcher euch die Römer zu halten entschlossen sind, bis sie vielleicht einst f ü r gut befinden, euch eine neue ihren Ansichten anpassende Verfassung zu gi.ben ? Nicht länger zu dulden, dafs eure Tempel zugeschlossen bleiben, und eure Gymnasien , Schauplätze und Gerichtshöfe öde und verlassen stehen? In solchen Umständen wäre es rühmlich, auch bey einem blofsen Schimmer von Hoffnung alles zu wagen; aber es wäre Schande unthätig zu bleiben, wo der ßeystand eines allvermögenden Freundes euch des glücklichsten Erfolges gewifs macht."

A T H 1. N 1 O N , D i e V ö g e l d e s A r i s t o f a n e s merkten die Schlinge nicht; sie sahen nur die Lockspeise , und fielen gierig und sorglos zu. Sie hatten sich durch ihre tumultuarische Versammlung eigenmächtig wieder in den momentanen Besitz der Demokratie gesetzt; aber •was konnte ihnen die höchste Gewalt helfen, wenn sie den a u s ü b e n d e n T h e i l derselben nicht einem Manne auftrugen, der mit ihnen eines Sinnes w a r , und zu dessen Wohlmeinung sie sich eben so vieles Guten versahen , als zu seinem Ansehen bey dem grofsen Könige ihrem neuen Freund, Beschützer und Abgott? A r i s t i o n wurde also einhellig zum Oberbefehlshaber über die Athenische Kriegsmacht ausgerufen — und das war es eben, was der verschmitzte Jünger des Aristoteles mit allen seinen bisherigen patriotischen Bemühungen abgezweckt hatte. 10. Es war nicht das erste Mahl, dafs die Athen e r , in einer Anwandlung von unbesonnener Fröhlichkeit die den Abderiten selbst Ehre gemacht hätte, einen Menschen zum Oberfeldherrn «chufen, der vom Kriegswesen gerade so viel verstand, als — ein Magister der über den P o l y b i u s liest. Schulmeister,

OlNiNÜT

ARISTIOK.

Gerber, Hnfschmidt, alles galt ihnen gleich! Der Mann,, den sie mit ihrem Zutrauen b e e h r t e n , k o n n t e alles. Aber — glücklich ist die Republik, die von Filosofen beherscht .wird! War es nicht P l a t o der das sagte? Und hatte nicht Plato einen Staat entworfen, wo die Filosöfen herrschen, die Weiber gemein sind, und alles gut geht? Der Weise, sagen die S t o i k e r , ist. schön, edel, reich, durchlauchtig, grofsmächtig und unüberwindlich-, König der Könige, und Herr über alles, weil er Herr über sich selbst ist. Und doch glaube ich nicht, dafs sie gesagt haben, er sey ein Feldherr, ein Steuermann, ein Wundarzt. Die Athener, man mufs es gestehen, hatten zuweilen wunderliche Begriffe. Doch, da es i h r e m F r e u n d e , dem Könige Mithridates, nicht an Generalen fehlte, was war am Ende auch daran gelegen, ob der Filosof Aristion, den sie zu- ihrem Oberfeldherrn machten, viel oder wenig vom K r i e g e verstand ? Das was sie eigentlich wünschten war ja F r i e d e , und Überflafs, und Schauspiele und Lustbarkeiten, und ewiger Müfsiggang, und Unabhängigkeit, nnd alles thun zu können was ihnen einfiele! Wenn ihr Oberfeldherr Aristion nurr die Kunst verstand ihnen diefs Alles zu verschaffen, was bekümmerten sie sich darum, wie er's anfing, um

4o

A T H £ N' I O ' N ,

i h n e n ' dazu zu v e r h e l f e n ? Eben darum, damit sie sich um die Mittel nicht weiter 1 b e k ü m mern m ü f s t e n , hatten sie einem so Weise», so wohlmeinenden Manne die oberste Gewait übertragen. Wir wollen sehen, wie Aristion die gute Meinung rechtfertigte, die er den Athenern von seiner Weisheit u n d Tugend eingeilöfst hatte, und was er t h a t , um sie —• wenigstens so glücklich zu machen als er konnte. So wenig Gutes wir uns -vielleicht zu ihm v e r sehen m ö g e n , so wird sich doch am Ende zeigen, dafs e r , i n s e i n e r A r t , m e h r leistete als wir ihm zugetraut hatten.. It. Ehe w i r aber fortfahren , wird es rathsam s e y n , eine Vorsicht zu gebrauchen, welche n u n m e h r nöthiger zu werden a n f ä n g t , als sie es zu Anfang dieser Geschichte w a r , und nnsre Leser wegei» der historischen Glaubwürdigkeit derselben ..sicher zu stellen. I n der That wäre die Geschichte des Filosofen Aristion das platteste Stück Arbeit, das man sich nur einbilden k ö n n t e , w e n n es weiter nichts als ein kleines Politisch - Satirisches Romänchen w ä ^ , welches w i r , in

TTEHA^

S I

ABISTION,

4 L

der wohlgemeinten Absicht, 1 den Leaern ' ein Paar gute Sittenlehren dadurch beyzubringen, aus dem Füllhorn unserer eignen Erfindungskraft'' ausgeschüttet hätten. Allein die Geschichte des Aristion ist nichts weniger als R o m a n ; sondern, in ganzem E m s t , mit allen Umständen, die man bereits gelesen hat und noch lesen w i r d , eine w a h r e G e s c h i c h t e , deren Glaubwürdigkeit , auf dem Ansehen aweyer Zeugen beruht, gegen welche keine Einwendung Statt f i n d e t ; wie man uns gern eingestehen w i r d , wenn wir sagen, dafs der eine kein geringerer als der berühmte P o Sid o n i u s , und der andere der weise und biederherzige P l u t a r c h u s selbst ist. P o s i d o n i u s v o n A p a m e a in Syrien, auf Welchen sich A t h e n ä u s ausdrücklich als auf den Gewährsmann alles dessen b e r u f t , was er im fünften Buche seines G e l e h r t e n - G a s t m a h 1 s von unserm Aristion erzählt, war ein Zeitgenosse des l e t z t e r n , und stand (wie man aus verschiedenen Stellen des C i c e r o sehen k a n n ) in dem Ruf eines der gelehrtesten , beredtesten und weisesten Männer seiner Zeit und seiner Sekte, welche die Stoische war. Gesetzt aber auch, der Posidonius, aus welchem Athenäus seine Nachrichten von Aristion " gezogen, wäre nicht der Stoische Filosof dieses Nahmens, sondern ein andrer

4a

A x » ®

n i o n,

Posidonius von O l b i o p o l i s , welchem S u i d a s einige Bücher Athenischer Geschichten oder Denkwürdigkeiten zuschreibt: so wäre doch kein Grund vorhanden, die Glaubwürdigkeit . desselben zu bezweifeln. Doch' diefs im Vorbeygehen, da es allenfalls an dem bloßen Zeugnifs des Athenäus, wenn er auch seinen Gewährsmann nicht genannt hätte, und an dem was Piutarch im Leben des Sylla von Aristion meldet, schon genug seyn könnte.

12. In dem Augenblick, da Aristion von dem Pöbel von Athen zum Oberbefehlshaber aus-' gerufen wurde, legte er auch die Maske ab, hinter welcher er bisher seine wahre und letzte Absicht versteckt hatte. .Er nahm auf einmahl das Ansehen, die Miene und den Ton eines P e r i k l e s an, und sagte ihnen, nachdem er sich für - das Zutrauen, wovon sie ihm. eine so wohlüberlegte Probe gegeben, bedankt hatte: „Da ihr also wieder eure eignen Herren seyd, so werdet ich n u n , wenn ihr getreulich zu mir haltet, so viel v e r m ö g e n a l s ihr alle zusammengenommen." Die albernen Leute glaubten, dafs er ihnen ein grofses Kompliment gemacht habe, und merkten nicht,

OlSAK»!

AftlSTION.

43

dafs er sie! mit einer zweideutigen Spitzfindigkeit zum Besten hatte. In einer Republik ist der Mann, der allein so viel vermag als die andern alle zusammen, ein D e s p o t , und die Athenische Demokratie hatte, mit der ersten Souveränitätshandlnng, die sie dadurch ausübte dafs sie alle ihre Gewalt einem Einzigen übertrug, wieder ein .Ende. Die Art wie sieb der Filosof Aristion der unumschränkten Macht bediente, die ihm von einem unbesonnenen Pöbel in einem unglücklichen Anstois von schwärmerischem Wahnwitz anvertraut vyorden w a r , ist, . unsers Wissens, ohne Beyspiel in der Geschichte. Einfacheres kann man sich nichts denken als den Plan seiner Staatsverwaltung. Seine einzige Absicht scheint gewesen zu seyn, sich so bald als nur möglich in den alleinigen Besitz des Ganzen zu setzen, indem er alle Athener, die nicht schon Bettler waren, ' zu Bettlern machte« Wer nichts h a t , hat nichts zn verlieren , dachte der Filosof j wer nichts zu verlieren hat, hat f ü r nichts zu sorgen, und wer ohne Sorgen blofs von einem Tage zum andern lebf, ist, so bald er dieser Art von Glückseligkeit «in wenig gewohnt ist, der glücklichste Mensch von der Welt. Der erste und der 'wichtigste Punkt seiner neuen Regierung war

A T H E

V

also —- die Athener vön eines

O H,

1

allen' Hindernissen

so glücklichen Znstandes zu erleichtern.

Die Mittel wodurch

er diese

grofse

Staatso-

pcrazion bewirkte war das zweckmäßigste von der Welt.

Er brauchte nur den R e i c h e n alles

zu nehmen, mehr,

die

so blieb auch den übrigen nichts sich

durch ihre Industrie

bisher

von den Reichen genährt hatten.

Glücklicher

Weise war in der damahligen Lage der Sachen nichts leichter als diefs, wiewohl unter andern Umständen

nichts

weiten war

den

gewesen

Schwerers

Der Pöbel,• welcher

nichts

hatte,

zahlreichsten ' T h e i l

Mithridatisch

gesinnt —

wäre.

und

bey

ausmachte,

alle

hingegen*

die etwas zu verlieren hatten,

öffentlich oder

hfeimiieh, Freunde der Römer.

Der Pöbel und

der

Oberbefehlshaber

Einen

Aristion

standen

Mann; , alle Römischgesinnten

also für Verräther

für

wurden

und Feinde des Vaterlands

e r k l ä r t , und als solche entweder ohne weitern Procefs todtgeschlagen, oder, wenn es Männer waren, ren

mit denen man so kurz nicht verfah-

konnte,

Mitliridates

gefangen

genommen

zugeschickt.

In

und

beiden

dem Fällen

fiel ihr Vermögen dem S t a a t

d. i. dem R e -

genten

der,

Aristion

anheim,

seiner mit dem Volke genden

Konvenzion,

seiner Person

vermöge

getroffnen stillschweiden

Vorstellte.

ganzen

Staat

Wer nur die

in

min-

gekannt

ARISTIOM.

d«sle Miene. machte, t dafs er mit dem gegenwärtigen Zustande, des Vaterlandes nicht zufrieden, «od also (nach der gemeinen Definiziön) kein guter Bürger sey,i w u r d e , , wenn es sich nur einigermaßen der jVlühe verlohnte, eines geheimen Verständnisses mit den Hörnern, oder doch wenigstens eihes Vorsatzes sieh in dergleichen einzulassen.,., angeklagt, nnd wenk er.nifiht bekennen w o l l t e , so lange mit Daümensßhiauben, und Folterseilen gefragt, bis er sich schuldig gab. Aristion betrieb dieses -Geschäft mit solchem Ernst, dafs viele,, an welche ( w e i l < mau doch nicht alles auf einmahl thun k e n n ) die Reihe noch nicht gekommen war, sich, f ü r glücklich genug gehalten hätten, wenn sie nur ihre Person in Sicherheit hätten bringen können. Aber auch das war nicht -erlaubt. Aristion besetzte alle Thore der Stadt mit Soldaten, die keine Seele ohne seine E r lpubnifs hinaus lassen durften; und da sich einige bey Nacht über die Stadtmauern an Stricken heruntergelassen hatten, schickte er ihnen auf allen Strafsen Reiter nach, welche sie Theils wieder zurückbrachten, Theils niedermetzelten, wenn sie sich nicht gleich ergebiff wollten. Auf dies$ Weise brachte er in kurzer Zeit einen unermefslichen Schatz an barem Geld und Geldeswegth zusammen; denn, yermöge seines angenqmmenen staatswirth-

46

A t ü i h i o n ,

schaftlichen Grundsatzes, wollte er nicht nur Herr alles Geldes in Athen, sondern auch, so viel möglich, aller Lebensmittel s e y n , und seine Kornböden wurden also mit allern Getreide angefüllt, welches einen beträchtlichen Theil der konfiscierten Güter ausmachte. Eine natürliche Folge dieser Administrazion war, dafs in kurzer Zeit auch die Mithridatischgesinnten Athener nichts mehr zu essen hatten. Aber der weise Aristion halte diefs vorhergesehen, und sich nichts darum bekümmert, weil er ein unfehlbares Mittel in Händen- hatte, das Schlimmste, was daraus hätte erfolgen k ö n n e n , ein allgemeines Hungersterben, zu verhüten. E r liel's nehmüch alle Tage beynalie ein Pfund Gerste (einen C h ö n i x , d. i. ein Mais von 60 Unzen, auf v i e r T a g e ) auf den Mann, unter die ganze Bürgerschaft austheilen — eine Parzion, welche Hühnern oder Gänsen angemefsner gewesen wäre als Menschen. Aber Aristion, dem nichts so sehr am Herzen lag als die Sicherheit seiner Regier u n g , hatte wohl erwogen, dafs man nicht leben soll um zu essen; dafs es also genug ist, so viel zu essen, als man braucht um nicht zu sterben; und dafs das sicherste Mittel die animam. concupiscibilem und iraseibi• lern, den Thierischen Theil der Menschen, -welcher der Sitz aller bösen und gefährlichen

GENASNT Leidenschaften,

AltlSTIOK.

Begier l i c h k e i t ,

h e i t , Widerspenstigkeit Zaum

zu

man

ihm

hängt,

halten,

ist,

unstreitig dieses ist,

ihm

7

Unzufrieden-

und Meuterey

den Brotkorb

und

4

so hoch

als

im

wenn möglich

dadurch die Kräfte entzieht,

sich gegen die V e r n u n f t , seinen Regenten und Oberherren,

aufzulehnen.

Der Athenische Pöbel war ein so leichtsinniges bey

und jovialisches V ö l k c h e n , Miissiggang

und

fünfzehn

dafs er sich Unzen

Gerste

des Tags eine Zeitlang noch ziemlich glücklich finden

konnte.

Allein

Aristion

hatte

doch

nicht a l l e s , was besser als Pöbel w a r , ausrotten können,

und

es

war zu besorgen

dafs noch

immer manche hier und da verborgen könnten,

denen

nicht so völlig

das Glück

seiner

einleuchten

stecken

Regierung

möchte,

dafs

sie

nicht fähig seyn könnten die Köpfe zusammen zu stecken und E n t w ü r f e sein

Interesse

würde.

schwerlich

zu m a c h e n , zu

Rathe

wobey gezogen

B e y Tage k o n n t e er defshalben

ruhig

s e y n , denn da wurde die kleinere Auzahl von der gröfsern genugsam beobachtet;

aber h e i m -

liche

zu

Zusammenkünfte

bey Nacht

verhin-

dern , gab es nur Ein Mittel, das seine v o r s i c h tige

Furchtsamkeit

beruhigen

konnte.

Dieses

w a r eine PoliceyVerordnung, vermöge welcher b e y hoher Strafe verboten w a r , dafs sich n i e -

ig in den Schoofs zu stecken, sondern sie l ü s t i g an ein VVeik zu l e g e n , das m i c h f r e y l i c h meine z ä r t l i c h e vornehme Hofe i z i e h u n g nicht gelehrt h a t t e , nehmlich selbst die Fuhreriii eines Schiffs zu s e y n , das i n einem stürmischen M e e r ohne Steuermann geblieben w a r , ich m e i n e , eines h ü l t l o s e n H a u s w e s e n s in einem fremden freundlosen L a n d ' und Ort. Sorgen und B e k ü m m e r n i s s e drangen H a u f e n w e U ' auf mich ein — und, w a s das g e w ö h n l i c h e L o o s der W i t t w e n ist, H ä n d e l und Processe von allen S e i t e n ; denn w e r mir s c h u l d i g w a r , e i l t e w a s er k o n n t e F o r d e r u n g e n an mich zu m a c h e n , damit ich ihtn mit den meinigen nicht z u v o r k ä m e . " D i e arme F r a u brachte etliche J a h r e , in allen U n r u h e n und B e ä n g s t i g u n g e n h i n , w e l c h e die natürlichen Folgen einer solchen L a g e s i n d ; und nachdem sie unter den Händen der J u s t i z so unbarmherzig berupft w o r d e n w a r , dafs sie sich oft kaum zu h e l f e n w u f s t e , z w a n g die eiserne Noth sie endlich eine P a r t h e y zu e r g i e i f e n , an w e l c h e sie in g l ü c k l i chen Umstanden vielleicht nie gedacht h ä t t e . S i e zog sich eine Zeitlang g a n z a u s der W e l t

L I T T E R

A R I S C H E

M I I C I L L A I I E I H .

147

z u r ü c k , verschlofs sich iil ihr K a b i n e t , u n d suchte unter den B ü c h e r n , welche ihr Vater und i h r M a n n hinterlassen h a t t e n , die Studien w i e d e r h e r v o r , w o z u sie in ihrer ersten J u g e n d a n g e f ü h r t worden war. Ihre N e i g u n g sog sie vornehmlich zu L e k t ü r e n , welche die E i n b i l d u n g beschäftigen; u n d , nachdem sie sich mit der Geschichte, der M y t h o l o g i e und den Dichtern wohl bekannt gemacht hatte, beschlofs sie, die Fruchtbarkeit ihres eignen Geistes auf die Probe zu s e t z e n , und zu vers u c h e n , ob sie vielleicht als Dichterin und Schriftstellerin Aufsehen m a c h e n , und ihre L a g e dadurch verbessern könnte. M a n d e n k e , wegen dieser Veranlassung ihres poetischen B e r u f s , nicht de»to schlimmer von der guten F r a u ! Einer der geistreichsten Schriftsteller des Alterthums, H o r a i , hatte keine bessere. Ist er nicht so aufricht i g , u n d gesteht s e l b s t , dafs ihn nicht der allmächtige Anhauch des G e n i u s , sondern die v e r w e g n e D ü r f t i g k e i t angetiieben habe, Verse t u machen ? Christine fing auch mit Versen an. Sie w a r vier u n d dreyfsig bis fünf und dreyisig Jahre a l t , als sie diese neue Profeseion ergriff; und lief» sichs so angelegen seyn,

148

L l T T t S A H l S C n B M l S C E l L A S E B N ,

das g u t e W e i b ! da£s — „ i c h (sind ihre e i g n e n W o r t e ) seit 1 3 9 9 bis in dieses l a u f e n d e i45te Jahr

da

ich

noch

nicht

aufhöre,

fünfzehn

grofse Bände voll geschrieben h a b e , ändern kleinen

Dicties

13

)

die

o h n e die

zusammen,

u n g e f e h r 7 0 B o g e n in F o l i o a u s m a c h e n , der

Augenschein

ausweisen

wie

kann."

Man

sieht, die w a c k e r e w o h l m e i n e n d e F r a u that da» ihrige

redlich.

Aber

der E i f o l g

schien an-

f a n g s ihren H o f f n u n g e n nicht s o n d e r l i c h sprechen zu wollen. sich in kein

einer Ohr

Prinzen

Ballade, für

hatten

Geschichte

die

dafs Muse

freylich,

weifs,

ent-

Wenigstens beklagt die

hätten.

wie

gerade

in

sie

Prinzen

man

Die

aus

diesen

der

Zeiten

ganz w a s anders, w i e w o h l g e w i f s nichts U n schuldige«,

zu thun.

Christine

dadurch nicht

machte B a 11 a d e n

G l e i c h w o h l liefs sich

K i n d e r im d u n k e l n s i n g e n : Sorgen ihres

und

lieben

n)

Sie

den

Schmerz

Mannes

versteht

abschrecken.

und V i r e l a y s , anfangs, über

den

einzuwiegen,

unter

Dicties

ke zu gehen, das freylieh f ü r uns den Reitz nicht mehr haben k a n n , dçn es f ü r das Publikum de^ fünfzehnten Jahrhunderts hatte. Gleichwohl kann ich nicht u m b i n , noch einiger andrer von den vorzüglichsten Produkten dieser Dichterin Erw ä h n u n g zu thun.

La

Cité

des

Davies,

nach jenem das

wichtigste von ihren W e r k e n , ist hauptsächlich zum Unterricht königlicher und fürstlicher Damen geschrieben; w e l c h e von ihr ermahnt werden t sich nicht zu schämen van ihren Thronen herabzusteigen , und den Lehren der W e i s h e i t ein gelehriges Ohr zu leihen. Auch von diesem W e r k ist die Komposi/.ion sehr r e i c h , und macht, w e n n man die Barbarey ihres Zeitalters bedenkt, dem W i t z der Dichterin eben so viel E h i e als ihrer Gelehrsamkeit. Sie dichtet, dafs ihr drey Dann en erschienen s e y e n , welche sie in eine von ihnen selbst erbaute schöne Stadt g e f ü h l t hätten. Die erste führte die Mauern a u f ; die andre erbaute die Häuser und versah sie mit E i n w o h n e r n ; die dritte setzte dem W e r k e der beiden andern den Gipfel auf. Alles ist hier allegorisch, sogar die Steine der Stadtm a u e r n , w e l c h e lauter T u g e n d e n sind.

L I T T E K A R I S C K E

Die

M I S C E H A S E I N ,

Bewohnerinnen

der Stadt

sind alle die

Heldinnen und Modelle weiblicher menheit, schichte

welche

Vollkom-

d i e V e r f a s s e r i n in d e r G e -

gefunden,

und

die ihr zu

M e n g e lehrreicher Erzählungen den

167

Stoff g e b e n .

einer

oder E x e m p e l

D a s , w a s sie dpn G i p f e l

oder den höchsten Grad der Vollkommenheit dieser a l l e g o r i s c h e n S t a d t n e n n t , ist d i e A n d a c h t und H e i l i g k e i t ; die

sie u n t e r

lauter

Geschichten

Jungfrauen. logie

dieser

aufführt,

v o n heiligen

Alle d i e s e

sind

Frauen und

Schätze von M y t h o -

und Geschichte,

diesem seltsamen

u n d die B e y s p i e l e ,

Rubrik

welche

Christine in

W e i k e verschwendet, hat-

ten f ü r die D a m e n des f ü n f z e h n t e n J a h r h u n derts den ganzen

K e i t z d e r N e u h e i t ; es g a b

k e i n B u c h , w e l c h e s i h n e n zu A u s z i e r u n g i h r e s Geistes

und

z u Bildung

ihres H e r z e n s u n d

ihrer Sitten bessere Dienste hätte thun k ö n nen u n d w o r i n das Nützliche mit dem Angenehmen , nach dem Geschmack u n d der Vorstellungsart

der damahligen Zeit,

vereinigt gewesen wäre. — Nichts

glücklicher davon zu

s a g e n , dafs a u c h d e r S t o l z d e r D a m e n seine R e c h n u n g dabey fand. D e n n Christine schreibt die

Erfindung

aller n ü t z l i c h e n u n d s c h ö n e n

K ü n s t e ihrem Geschlechte z u . nerva

und A r a i n e

Griechische

Ceres, Mi-

( A r a c h n e ) waren drey

Prinzessinnen,

sagt sie — u n d

ldg

L l T T E R A R l S é l I E

M l ä C I L L A J I i S ,

bat vielleicht Récht. G e r e s erfand alle Künste, denen wir das Brot, die Hauptstütze des menschlichen Lebens, zu danken haben; M i n e r v a , die Kunst die Wolle zu verarbeiten und die Werkzeuge dazu, die Kunst Ohl zu machen, die Instrumente des Kriegs, die Waffen von Eisen und Stahl, u. s. w . A r a c h n e , die Kunst Wolle zu färben, und alle Arten von Stickarbeit und Tapisserie. Eilte andre Griechische Dame, Nahniens F a m f i l i a , war die Erfinderin des Seidenbaus , u. s. w . tiurz, C h r i s t i n e vergifst Iii ihrer Cité des Dames nichts, was ihrem Geschlecht Ehre machen konnte: aber sie schouet auch der verschiedenen Laster und Untugenden nicht, diè den Damen ihrer Zeit fcum Vorwurf gereichten. Ünter den Zügen, welche zur Karakteristik ihrer Zeit gehören, ist mir folgender um so itaehr aufgefallen, weil man sich gewöhnlich von dem K o s t ü m dieses unglücklichen und barbarischen Jahrhunderts ganz andre Begriffe macht. C h r i s t i n e spricht von der ü b e r t r i e b n e n P r a c h t und Hofïàrt, die damahls in den W o ch e n s t u b e 11 iVü Schwange gitigen. Sogar die Bürgersfraueta in Paris beeiferten fcich, es darin den gröfsten Damen gleich oder noch zuvor zu

L l T T E H A R I S C n E

M t S C E t l A N Ü « N.

169

thun. Sie erzählt davon Beyspiel, (las ihr besonders anstöfsig gewesen s e y , und wobfey sie in sehr naive Deklamationen ausbricht. Sie legte einst einen Wocbenbesuch bey einer Kaufmannsfrau ab. Sie wurde durch z w e y schöne und prächtig aufgeputzteZimmer geführt; die Vorhänge darin waren reich, und in dem feinen paiadierte ein Schenktisch mit Silbergeschirr aufgethürmt. Die Wocbenstube w a r mit einer kostbaren Tapezerey von reichem C y p r i s c b e m Stoff ausgeschlagen; auf den Einfassungen schimmerte der Nähme und die D e v i s e der Frau des Hauses in der zierlichsten Stickarbeit. Das Bette w a r nicht weniger prächtig. Blofs die Betttücher, von der feinsten R h e i m s e r Leinewand, hatten über dreyhundert Pfund gekostet. Die Bettdecke Xvär von SiTberstoff, und sogar der Fufsteppich glänzte, als ob er von reichem Zeuge wäre. D i e Wöchnerin stolzierte in ihrem Paradebette in einem zierlichen Anzug von "karrtiesiiiröther Seide, und lehnte sich auf Kopfkissen mit dicken Quästfenvon guten Perlen.— „ 0 Sitten! ruft unsre Dichterin unwillig aus! was bleibt der Königin übrig, wenn reiche Bürgersweiber sich unterstehen dürfen, es ihr in Pracht zuvor zu t h u n ? Warumleidet der König das ? Warum legt er diesem übermüthigen Volke nicht neue Abgaben a u f , um ihnen das Geld abzuzapfen,

170

L I T T E K A H I S C H E M I S C E L L A M E E N .

dpssen sie so sebr zu viel h a b e n ? , « . s. w . " JVIan sieht hieraus, dafs die U n g l e i c h h e i t schon in C a r l VT. Zeiten uumiiisig seyu mufste. Denn cLfs der gröfste Theil des Volks damahls in elenden Umständen w a r , ist unläugbar. La Vision de C h r i s t i n e , dasjenige von ihren B ü c h r i n , w o i a u s beinahe alles w a s man von ¡ h i e r Geschichte weifs geschöpft ist, theilt sich in d r e y T b e i l e . Der erste enthält ein allgemeines Gemühlde von der W e l t und ihren W u n d e r n , Im z w e y t e n w i i d D a m e M e i n u n g , mit ihren Einflüssen auf das Glück und Unglück der M e n s c h e n , vorgefühlt. Im dritten erscheint ihre D a m e F i l o s . o f i e , als Arzt und Tiösterin alles menschlichen Leidens und Ungemachs. Auch hier ist alles E r s c h e i n u n g und A l l e g o r i e um unter dieser Iliille ( a l s damabliger M o d e t r a c h t d e r D a m e F i l o s o f i e ) der Sittenlehre Aufmerksamkeit zu versebaffen. Noch bemerke ich als eines ihrer vorzüglichsten versificierten Produkte die £.fnitre

d' Otlica ä Jlector

, oder le Roman

d'

üthea,

w i e es gemeiniglich genennt wurde. Es ist eigentlich ein p o e t i s c h e s Bilderbuch, zum Gebrauch des ältesten Piinzen des bekannten H e r z o g s v o n O r l e a n s , Bruders von

L l T T E H A R l S C III

M l S C E L L A N E i,S.

l/l

C a r l V I . w e l c h e n der H e r z o g von Burgund, Jobann 1407

der

Unetschtockne,

ermorden

liefs.

Alle

im

Jahr

Tugenden

und

L a s t e r ; die Wirkungen zügelloser L e i d e n s c h a f t e n ; die M a x i m e n , welche ein biederer.R i t t e r nie aus den A u g e n veilieren s o l l t e , und derg l e i c h e n , werden in diesem Büchlein dem jungen

Prinzen

unter

mancherley

Schicklichen,

meistens aus M y t h.o 1 o g i e und den tern

entlehnten

Bildern

Dich-

vorstellig gemacht,

w o v o n die Verse die E r k l ä r u n g und A n w e n d u n g sind.

S o zeigt sie ihm z. B . den S a t u r n u s ,

w i e er mit

seiner Sichel alle M e n s c h e n u n d

ihre W e r k e m ä h e t , die Gelehrten hingegen mit W o h l g e f a l l e n betrachtet und ihre W e r k e verschont, — um ihm Hochachtung f ü r diejenigen einzuflöfsen , deren Amt es i s t , die W e l t z u erleuchten,

und ohne welche die Z e i t das An-

denken der Helden und ihrer Thaten bald verschlingen w ü r d e .

D a l s ein Ritter immer beieit

s e y n müsse sein L e b e n für die E h r e der D a m e n zu w a g e n , seus, geprägt.

w i r d ihm durch das Bild des P e r -

der die

Anilromeda

b e f r e y t , ein-

D i e Vortheile der L e u t s e l i g k e i t w e r -

den ihm durch das ßild der L i e b e s g ö t t i n ,

die

alle Herzen durch den R e i t z ihrer holdseligen R e d e an sich zieht — die verderblichen W i r kungen des Z o r n s durch die W u t h des A t h a m a s , der seine Gemahlin t ö d t e t — die Unglück-

172 L i I T T K R A R i S C H B

M I 8 C R I. r, A N E E'Ä.

liehen Folgen einer nribf'scfnnenen Liefbedurdt das klä'gliclie Schicksal von P y r a m u s u n d T h i s b e vorstellig gemacht u. s. w. Christinens V e r s e sind nicht mehr erträglich, so sehr sie auch zu ihrer Zeit gefallen mochten; aber d i e I d e e , in einem jungen Prinzen edle "Gedanken und Gfcsinntfngen durch mahleriscbe und auf eine fafslielie Art allegorische Darstellungen zu erwecken, 'macht ihrem Witts Ehre, titfd verdient Aufmerksamkeit. C h r i s t i n e hätte sich — so eifrig war ihre Begierde, durch ihre Schriften etwas Gutes zu stiften — sogar der berüchtigten Königin I s a b e l l e gerne nützlich machen mögen. Denn unter ihren in der königlichen Bibliothek zu Paris verwahrten Handschriften befindet 6ich auch eine, die den Titel hat Instructions des l'rinccsses et Dantes de Cour, et autres Lettres ä la Meine Isabelle, eil MCCCCf. Aber es war übel angewandte Mühe, l s a b e a u v o n B a y e r n , und die Damen ihres Hofes, die sich mit Vergnügen nach ihrer reitzenden Gebieterin bildeten, kehrten sich nicht aij die Sittenlehre der guten Christine, lachten vermuthlich ihrer Einfalt» und blieben — w a s m a n w e i f s . Das L e b e n K ö n i ' g K a r l s d e s F ü n f t e n «u beschreiben, wurde -site von ihreito

L ï T T E R A B I S C I I E M l S C E L L A H E E Î f . 1,75 Gönner, dem Hexzog Filipp voa Burgund, aufgemuntert. Ich kann nichts weiter davon sagen t als dafs es vermuthliçh mehr Lolirede als G e s c h i c h t e ist. Christin^ war, in keiner Betrachtung, geschickt eine- Geschichte zu schreiben ,, welche die Aufmerksamkeit des Kachwelt verdienen könnte. Dafs eine so fruchtbare Schriftstellerin, die zugleich eine zärtliche Mutter war, ihre Kinder nicht vergössen haben werde, kann man sich leicht vorstellen. An ihren, Sohn sind, die Enseignemeiis Moraux de Christine à son Fils, und an ihre Tochter L>e Dit de Poissy gerichtet. Nur noch ein Wort aus den B r i e f e n ü b e r d e n R o m a n v o n d e r K o s e , welche sie an verschiedene Gelehrte ihrer Zeit, deren Nahmen man aur durch sie noch kennt, gestellt hat — und das sey die naive Art, wie sie sich über die berüchtigten Verse M eistet Klopinels — f^mts etes , vous serez, He fait ou de volonté

et jute i Putes.

vernehmen lüfst — j , D e r b ö s e M e , n s c h ! (ruft sie au») w i e er l ü g t ! "

174

^

1 T

T E R AB

I - S O H E M l S C E L L A N E k N .

N a c h d e m ich so vieles blofs d a r u m a n g e f ü h r t h a b e , um dtenLesern einen a n s e h n l i c h e n Begriff von der i n n e r n S e i t e d i e i e r merkw ü r d i g e n F r a u zu g ^ b e n , w ü r d e es k a u m verzeihlich sevn , nicht noch ein p a a r W o r t e v o n ' ihrein A u s s e r l i c h e n zu sagen. W a s u n s ihre e i g e n e Bescheidenheit davon hat bekannt w e r d e n l a s s e n , i s t : ddls sie von Person ohne a l l e O n g e s t a l f , ziemlich a n g e n e h m , von g u t e r L e i b e s b e s c h a f f e n h e i t und' uioht k r ä n k l i c h g e w e - ' s e n s e y . ( q U ' e l l c a v o i t l e cnrps-scvtls in ile,

assez

flaiscult,

et

irou

nullediffotnialadis,

mais

bien comfdexione.) Dit-fs i s t s , w a s D a m e F i l o s o f i e •iui--dritten ' T h e i l ' der V i s i o n , u n t e r den W o h l t h a t e n , w o f ü r C h r i s t i n e dem H i m m e l d a n k b a r zu s e y n l l r s j c h e h a b e , a l s k e i n e d e r ' g e r i n g s t e n anführt." W e n n e i n e so w a c k e i e F r a u von ih erAusstfnseite so v i e l sagt: so k a m t ' m a n sich ohne Bedenken eine v o r t e i l h a f t e V o r s t e l l u n g von den A n n e h m l i c h k e i t e n i l n e r P e r s o n machen. B o i v i n giebt uns die B e s c h r e i b u n g vbri d e m j e n i g e n i h i e r B i l d n i s s e , w e l c h e s , »einem U r t h e i l nach, das beste unter den ¡ V T i g n a t Urb i l d e r n die sich in ihren W e r k e n befinden, u n d v o r d e r Citcdes

Dames

in d e r H a n d s c h r i f t

7",95 der ( e l u n a h l s ) königlichen B i b l i o t h e k , z u s e h e n ist. D e r Verfasser des A r t i k e l s Christine

Li IT T E R A R I S C HE M l S C E H A N E i S ,

1^5

de Fisan in der Bibliothcque des Roman ( , r'er dieses Bild auch gesehen h a t , s c h e i n t ß o i v i u s Beschieibung noch genauer berichtigt 7.!» Ii ib e n , — welches ich erinnern m u f s , damit i< h nicht etwa beschuldiget w e r d e , etwas a a s eigner Einbildung hinzugethan zu haben. Siq erscheint unter einer Art von Baldachin sitzend, den Kopf gegen die linke Maud geneigt und den Ellenbogen auf einen Schieihtisch g e n ü t z t . Sie hat ein rundes Gesicht, regelmäßige Z ü g e , eine schöne Gesichtsfarbe, und eine feine Leibesgestalt, jedoch mehr völlig als mager. I h r e Augen sind geschlossen, als ob sie schlununeite. I h r Kopfaufsatz ist eine Alt von lilasfarbigem hohem H u t , mit einer sehr zarten Gaze beschattet. I h r H e m d e , das ungemein feiii und aiif der Brust ein wenig offen ist, läfst etwas weniges vom obersten Theil der Schultern unbedeckt. I h r Kleid ist blau, unten mit Gold gestickt, und dunkelgelb g e f ü t t e i t ; es öffnet «ich von v o r n , wie die Mantelchen unsier D a m e n , so dafs tnan darunter etwas von einem violetfarbnen Leibchen" mit schmalem goidnein N e t z w e r z besetzt, sehen kann. Die Attitiide der sitzenden F r a u , und drey andre Damen, die vor ihr s t e h e n , scheinen a n z u d e u t e n , dafs es C h r i s t i n e n in dem Augenblicke vorstellt, da sie die V i s i o n h a t , welche in dei' Citc da JDames beschrieben ist.

i7 6

L i t t e r arische

Miscellanikh.

12.

M a r g a r i t e v o n V a l o i s , Königin von Navarra, als S c h r i f t s t e l l e r i n . Das sechzehnte Jahrhundert, so fruchtbar es an vortrefflichen M ä n n e r n aller Arten w a r , h a t , unter einer ausehnlichei* Zahl von F r a u e n , die durch u n g e w ö h n l i c h e Naturgaben, Vorzüge des Geistes, T u g e n d und Gröfse der S e e l e , die Unsterblichkeit, w e l c h e die Geschichte geben kapn verdient haben, schwerlich eine hervorgebracht, die dieser berühmten Fürstin den Vorzug streitig machen könnte. I h r e Geburt, i l u e Schicksale, ihre aufserordentliche L i e b e zu J i ö n i g F r a n z I . ihrem Bruder , ihr Einflufs über ihn , und die guten Dienste so sie ihm g e l e i s t e t ; ihre öffentlich erklärte Neigung zu dem w a s man damabU die n e u e R e l i g i o n nannte, und der Schutz den sie allen Gelehrten von vorzüglichem Kar a k t e r , besonders d e n e n , w e l c h e der neuen M e i n u n g e n verdächtig w a r e n » angedeiben liefs; die guten und bösen Gerüchte, durch

L l T T i R A R I S C H E M l S C E L I VNEBS,

J-77

w e l c h e sie g e h e n mufste, w e i l sie zu e d e l , b i l l i g u n d g u t w a r , um es einer von b e i d e n P a r t h e y e u v ö l l i g recht m a c h e n zu k ö n n e n , — k u r z , die meisten M e r k w ü r d i g k e i t e n ihres L e b e n s , sind a u s der G e s c h i c h t e b e k a n n t g e n u g . D e r G e r i n g s t e von ihren V o r z ü g e n w a r derjen i g e , von w e l c h e m in d i e s e m k l e i n e n A u f s a t z e die R e d e s e y n w i r d . M a r g a r i t e , an dem H o f e des g u t e n K ö nigs L u d w i g s X I I . ( V a t e r d e s V o l k s g e n a n n t ) sehr sorgfältig e r z o g e n , hatte von i h r e r e i s t e n J u g e n d a n , eine besondere N e i g u n g z u den schönnn W i s s e n s c h a f t e n , u n d ( w a s n i c h t i m m e r mit dieser N e i g u n g v e r b u n den i s t ) v o r z ü g l i c h e G a b e n , sich darin lierv o r z u t h u n g e z e i g t . S i e liebte ihr g a n z e s L e b e n d u r c h den U m g a n g mit g e l e h r t e n u n d a u f g e k l ä r t e n M ä n n e r n , u n d fand mitten u n t e r den G e s c h ä f t e n e i n e s in die öffentlichen A n g e l e g e n h e i t e n v e r w i c k e l t e n L e b e n s , u n d u n t e r den Z e r s t r e u u n g e n e i n e s I l o f e s , der d a m a h l s dei g a l a n t e s t e u n d g l ä n z e n d s t e in E u r o p a w a r , noch immer e i n s a m e S t u n d e n , w o r i n sie ein T a l e n t üben k o n n t e , an w e l c h e m sie V e r g n ü gen' f a n d , u n d w e l c h e s , in der L a g e e i n e r C h r i s t i n e v o n T i s a n , v e r m u t h l i c h die Hauptbeschäftigung ihres L e b e n s ausgemacht h ä t t e . D i e n o c h ü b r i g e n F r ü c h t e d a v o n besteWIKLASDS

W. S e r n . . Vi. B.

M

178

L I T T I H A R I S C H Ï

M I S C I I L A S B I R ,

faen in einer S a m m l u n g v o n Poesien und in ihren bekannten P r o s a i s c h e n E r z ä h l u n g e n . Jene wurden noch bey ihrem Leben von ihrem Kammerdiener, Jean de la Haye, unter denn seltsamsten aber demGeschmack der damahiigen Zeit angemefsnen Titel: Margnerites *+) de la Marguerite des Princesses, im Jahr *547 herausgegeben. Sie bestehen aus g e i s t l i c h e n L i e d e r n , vier sogenannten M y s t e r i e n , einem paar dialogierten Stücken, von der Art die man M o r a l i t é s nannte, einer allegorischen Erzählung, die S a t y r n u n d d i e T J y m f e n d e r D i a n e betitelt, und einer Menge kleinerer Stücke, Sonnette u. d. g. D a s Urtbéil des Herrn M a r q u i s v o n P a u l m y ( M e l a n g , Tom. VIT. p. 102.) der die Gedichte der Königin von Navarre überhaupt agréables, spiri» tuels et bienfaits findet, und alles, was man etwa daran ausstellen könnte, ihrem Jahrhun> dert aufbürdet, als welches z. B. offenbar an dem Ridicule de ces Pieces devotes schuld s e y , — scheint seine Richtigkeit zu haben. Soviel ist gewifs, dafs der C o n t e von dem 14) Der Herr Kammerdiener spielt mit dent Nahmen M a r g a r i t e , der eine P e i l e oder ein G ä n s e b l ü m c h e n , w a s man lieber w i l l » bedeuten kann.

L I T

T B R A M S C H E

M I S C E L L A K £ B Nj. 1 7 9

Streit der Satyrn und Nymfen, der im zweyten Theile des Parnasse des Dame s zu lesen ist, durch die M ü h e , die sich der Herausgeber genommen, den Stil zu m o d e r n i s i e r e n , nichts gewonnen h a t , das den Verlust der N a i v e t a t des Originals ersetzen könnte. Folgendes kleine Stück kann, wenn wir nicht irren , zu einer Probe dienen , dafs die ihr eigne Munterkeit des Geistes, der sie sich in ihren E r z ä h 1 u n g e n völlig überliefs, sie auch in ihren e r b a u l i c h e n Reimen nicht ganz verlassen habe.

Pour etre un digne et bon Il Jaut

à Christ

Ji Jaut

renoncer à tout

A' tout honneur A' la Dame A plaisir

Chrétien,

etre semblable ; Mon,

qui est damnable ;

belle et

jolie,

qui la chair

Laifser

biens,

honneurs,

Ne fait

pas ce tour

emeut. et

Amie!

là qui

veut.

Ses biens aux pauvres faut D' un coeur joyeux Faut les injures

donner,

et volontaire :

pardonner,

Et à s?a ennemis bien jaire

;

l£JO L j T T E K A B t S C H I