C. M. Wielands Sämmtliche Werke: Supplemente, Band 1 [Reprint 2020 ed.]
 9783111402901, 9783111039480

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C.

M.

WIELANDS

SÄMMTLICHE W E R K E

S U P P L E M E N T E ERSTER

BAND.

LEIPZIG key geoi\g joaciiim cöscnr. n. 1 7 9 8-

I

N

DIE NATUR

H

A

DER

MORALISCHE

L

T

DINGE

BRIEFE.

V O R zur

dritten

B E R I C H T Ausgabe

von

1770

( m i t e i n i g e n A u s l a s s u n g e n u n d Zusätzen.)

Das

System

dieses Lelirgedichts

hat

einen

Ursprung, wodurch es sich vielleicht von allen andern Systemen unterscheidet, die seit Erschaff u n g der W e l t zur A u f l ö s u n g der unauflösbarsten aller A u f g a b e n ausgebrütet w o r d e n sind. E s w a r die Frucht eines enthusiastischen Spaziergangs

eines noch

sehr jungen und sehr

platonischen Liebhabers mit seiner Geliebten, an einem sehr heifsen Sommertag des Jahres 1750, Predigt Liebe;

nach über

Anhörung den

uiid w e n n

Text:

einer

etwas

Gott

die M u s e n

ist

kalten die

dip poeti-

V o

6

N B

sehe Darstellung ten,

E

c

N I

II

T.

so g e w i f s eingegeben hät-

als die L i e b e das S y s t e m ,

so w i n d e

es die Nachsicht, womit es im Jahre aufgenommen w u r d e ,

wenigstens

Seite gerechtfertiget haben.

1751

von einer

Doch, die Musen

hätten thun mögen was ihnen beliebt häite, wenn

das W e r k nur

unter den Augen der-

jenigen geschrieben worden w ä r e ,

f ü r die es

anfänglich zunächst bestimmt war.

Vermuth-

licli würde

es dann eine ganz andere und

gefälligere Gestalt

gewonnen

haben.

Der

Verfasser würde von denjenigen Theilen desselben, welche eigentlich in das . Gebiet der Einbildungskraft gehören, mehr Vortheil gezogen haben;

die unverständliche und ein-

schläfernde M e t a f y s i k des 2. und 3. Buchs würde weggeblieben,

der Vortrag nicht so

platt und trocken, und das Ganze überhaupt interessanter und mit sich selbst übereinstimmiger geworden seyn. sehr schweimüthigen wurde,

und

der

D a es aber in einer Einsamkeit

aufgesteckt

Verfasser überdiefs,

zur

V O R B E R I C I I T . bösen Stunde,

den Gedanken

gefafst hatte,

zu einem so a n t i l u k r e z i s c h e n den L u k r e z

7

Gedichte

zum Muster zu nehmen: so

blieb die Ausführung, schon aus diesen beyden Ursachen, Weit unter der ursprünglichen I d e e , zumahl da der Dichter in einem Alter war,

w o man impatiens

limcie

zu seyn

pflegt, und der letzte Vers des sechsten Buchs kaum auf dem Papiere stand,

da,

vermöge

einer andern Untugend dieses Alters,

schon

der Plan zu einer neuen Unternehmung sich aller seiner Aufmerksamkeit und Zuneigung bemächtigte. E s ist w o h l kaum nöthig hinzuzusetzen, dafs man —

ungeachtet des zuversichtlichen

dogmatischen Tons, der im Ganzen herrscht, * ) und

einem

Jüngling

von

siebzehn

Jahren

*) Und vornehmlich in den v o r l ä u f i g e n Anmerkungtin,

die sich noch in der Ausgabe

von 1770 finden, und aus der gegenwärtigen billig weggelassen worden sind.

8

V O R B B U I C I I T .

eben so billig zu gut gehalten w i r d , billig ist,

ihn (zumahl

bey hyperfysischen

Spekulazionen) an M ä n n e r n finden —

das System

als es

lächerlich zu

dieses Gedichts

und

die Hypothesen, die darin behauptet werden, f ü r nichts besseres als wachende Träume eines filosofierenden Dichters,

oder Visionen eines

poetisirenden Platonikers , in herba, Wie

viel

oder

dieser gegeben,

wenig

ausgiebt.

Scheinbarkeit

oder, wenn

er

ihnen

ein tieferer

Denker und geübterer Dichter gewesen w ä r e , etwa hätte geben können, läfst man

dahin

gestellt seyn ; g e n u g ,

dafs seine Hauptansicht

löblich,

wenigstens

und

die

Mittel

seine H y p o t h e s e n ,

gerechnet,

unschuldig,

eine in die andere

immer so gut als andre ehrliche

Hypothesen sind.

W a s die Poesie dieses Lehrgedichts, zumahl in der ersten Ausgabe von 1 7 5 1 betrifft, so dürften wohl wenig andere Dichterwerke geschickter

seyn,

einen

Lehrer

der poeti-

V

O R B E n I C II T.

scliön Ästhetik

mit Beyspielen

tf

aller mögli-

chen Fehler, die dem schönen Stil und Vor» trag entgegen stehen, reichlicher zu versehen; und in der That würde es, wenn man die Zeit,

worin es geschrieben w u r d e , aus

den Augen liefse, unerklärbar seyn , wie und wodurch es bey seiner ersten

Erscheinung

in einem B o d m e r , B r e i t i n g e r ,

Hage-

d o r n , S u l z e r , und andern p r i n c i p i b u i v i r i s derselben Zeit eine so günstige Meinung von den Fähigkeiten des jungen A s p i r a n t e n hätte erregen können, als wirklich geschehen ist. unter dem ist,

W i e tief dieser erste Versuch was er (seiner

Uberschrift

nach) seyn sollte, und seyn müfste um einen Platz unter den Lehrgedichten zu verdienen, hat schwerlich jemand stärker gefühlt als der Verfasser selbst, da er sich bey dieser neuen Ausgabe genöthigt sah,

es nach einem Ver-

lauf von 27 Jahren (seit der letzten Ausgabe) noch einmahl mit Aufmersamkeit zu dürchlesen.

Auch hätte ihn keine andere Rück-

10

V O R B B I i l C I I T .

sieht b e w e g e n k ö n n e n ,

es in die

tige Sammlung aufzunehmen, tung,

gegenwar-

als die B e t r a c h -

dafs es g e w i s s e r M a f s e n z u r G e s c h i c h t e

unsrer L i t t e r a t u r g e h ö r t , chem, P u n k t

z u sehen, von wel-

er a u s g i n g ,

Zwischenraum

und

welch

er z u r ü c k z u l e g e n

hatte,

1 5 Jahre später nur z u M u 9 a r i o n gen.

U b e r d i e f s w ü r d e ein n i c h t

licher

Theil

und

seiner

der

Geschichte

Schriften,

die

einen um

z u gelan-

unbeträcht-

seines

Geistes

er z u g e b e n v e r -

sprochen hat,

u n v e r s t ä n d l i c h und o h n e allen

Nutzen

wenn er,

seyn,

von

einer f a l s c h e n

S c h a a m v e r l e i t e t , die E r s t l i n g e seines Geistes und

seines

bewufsten

ihm

selbst

dainahls

Dichtertalents

noch

wenig

hätte unterdrücken

wollen.

Indessen w a r es ihm d o c h n i c h t m ö g l i c h , dieses G e d i c h t w i e d e r aus der H a n d z u l e g e n , ohne a l l e s ,

w a s die N a t u r der S a c h e

ten w o l l t e ,

zu versuchen,

bern

wahrer

Sprache

und

um

verstat-

den L i e b h a -

Dichtkunst

eine

V o b b i m

c ii i ,

I*

kursorische Durchficht desselben weniger unangenehm zu machen. in dieser und

Hinsicht

dritten

Ungeachtet er sich

schon

Ausgabe

bey der zweiten

viele M ü h e

gegeben

h a t t e , so fanden sich doch unter der grofsen M e n g e noch Stellen, die einer Verbesserung bedürftig, waren.

viele Manche

die

derselben

mufsten,

auch

fähig

(mit Horaz

zu

r e d e n ) wieder auf den Ambofs gebracht werd e n ; den meisten w a r durch die Feile, schiedenen.,

besonders

im 6. Buche,

durch den Schwamm zu helfen.

verblofs

Bey allen

mehr oder weniger umgeschmolznen Stellen oder Versen mufste indessen, so viel mögl i c h , der T o n der Urschrift beybehalten werd e n ; und es hostete vielleicht weniger M ü h e , manches weise)

besser, gar

als

es

nicht ( verliältnifs-

zu gut zu machen.

Da

aber

gleichwohl durch alle diese Arbeit den wesentlichen Mängeln und Geurerlien des ganzen Werhchens nicht abzuhelfen w a r , so verlangt der Verf. auch .keinen D a n k , und ist völlig

I2

V O H B E R I C I I T .

zufrieden, wenigstens seinen guten Willen, Horazens Vorschrift (Epist. v. 445. seq.)

Pisones

genug zu tliun, an den Tag

gelegt zu haben. gewesen wäre, jüngere

ad

Da

es aber

unziemlich

durcli diese Veränderungen

oder künftige Leser,

denen dieses

Gedicht in seiner ersten Gestalt nie zu Gesicht gekommen,

zu täuschen" und zu einer bes-

sern Meinung von demselben

zu verleiten,

als es verdient: so hat man für gut befunden , alle bey gegenwärtiger Ausgabe beträchtlich veränderte oder

gänzlich

Stellen mit e i n f a c h e n auszuzeichnen.

umgearbeitete

vor den übrigen

I n h a l t des e r s t e n

Vorhaben des Dichters. will der Mute.

Buchs.

Ausrufung der Wahrheit

Das Daseyn Gottes, erkannt aus

dem Anschauen der Natur.

Das Zeugnifs der Ver-

nunft, und ein jden Geistern angeschafFnes Gefühl der Gottheit, ist der Grund von der Übereinstimmung aller Völker in den Glauben eines Schöpfers der W e l t . gonie.

Widerlegung der Epikurischen Kosmo-

Vortrag und Widerlegung des Wahns der

Pantheisten und Naturalisten, welche Gott mit der W e l t vermengen; oder einen nothwendigenMechan i s m u s , den sie Gott

nennen, zur Grundursache

l/J

aller

I S I I A I T

Dinge

DES

machen.

ERSTEN

Worin

der W e l t mit Gott bestehe. pfung.

die Verknüpfung E w i g k e i t der Schö-

Gründe für dieselbe, und Beantwortung

einiger Einwürfe. zweyen

BUCIIS.

Das System des Zoroater von

Grundwesen,

und vom Ursprung

des

Übels, w i r d i n seiner ganzen Stärke vorgetragen, und angezeigt! w i e dieses ganze Gedicht als eine Widerlegung desselberf anzusehen sey.

D I E N A T U R

D E R

D I N G E

o d eh DIE V O L L K O M M E N S T E

E R S T E S

WELT.

B U C H .

V. 1 - 5 . V o n deinem Triebe v o l l ,

o Weisheit,

'Will icll

singen, O ! mochte mirdurch dicli ein würdig Liedgelingenl Ein W e r t , das du beseelst, treibt kein gemeiner Zug, Entehrt kein niedrer Zweck.

"Ein ungewohnter

Flug Trägt mich dem Himmel z u ; von Millionen Sternen

D I E

N A T U R ,

V.

D E R

D I N G S

6—20.

U m r i n g e t , lernt mein Geist v o m Staube sich entfernen. D i c h , Urbild jeder W e l t , der Gottheit Ebenbild, D i c h , W a h r h e i t , seh ich selbst; der Glanz, der dir entquillt, Stärkt m e i n noch blödes A u g ; w i e dich dein L i e b l i n g schaute, Wie P l a t o ,

dessen B l i c k sich die Natur vertraute,

So,

seh i c h d i c h , und die

Göttin,

geschwellte

Brust W a l l t liebend zu dir a u f , O!

könnt i c h a u c h ,

m i t nie gefühlter Lust,

wie er,

dich in

erhabnen

Bildern V o l l v o n Begeisterung und kühnem Feuer schildern! D a n n sollte diefs G e f ü h l , das m i r dein

Anblick

schenkt, D i e W o l l u s t , w e l c h e stets die reinen Geister tränkt. A u c h meiner B r ü d e r Ilerz e r w e i c h e n und durchfliefse-n, U n d nie cmpfiindne L i e b ' in ihre Seelen giefsen.

K o m m , Muse, w e l c h e stets der W a h r h e i t Freundin w a r , Und stell ihr h i m m l i s c h Bilcl entzückten A u g e n d a r ;

ODE II DIE V O L t KOMMENSTE W E L T ,

17

V. 21 — 35. K o m m , mahl an meiner Statt (dein Pinsel kann nicht t r ä g e n , ) Ihr gottlich Angesicht mit ungeschminkten Zügen. So rühre sie auch den B l i c k , den der Gewohnheit Nacht Und träges Vorurthcil empfindungslos gemacht. W i e , wenn Titonia mit purpurfarbnen Flügeln Die Däminrung zu uns führt von halbbestrahlten Hügeln, Ein müder W a n d r e r , den, auf sanft geschwelltem Moos, Ein grünes Schlafgemach von dichtem

Laubum-

sehlofs, Vom Licht erweckt sich r ü h r t ; er reibt die Augenlieder, Der Morgen hebt sie a u f , der Schlummer schlägt sio nieder, Das glänzende Gefild, der Blumendüfte Schwall Und selbst das hohe Lied der frühen Nachtigall, Rührt seinen Sinn nur schwach, kaum glaubt er zu empfinden, Er rafft zuletzt sich a u f , und Traum und Schlaf verschwinden; Ihn grüfst der nahe T a g , das aufgewachte Feld AVIEIASDS W . S u r r L . I. 15.

B

IG

D I E

N A T U »

DEH

V . 36 Lacht ihm

U I N O E

51.

ermuntert z u , i h n blickt das A u g der Welt

M i t sanften Strahlen an , v o n neuer L u s t entzücket W i r d eine n p u e W e l t , glaubt er, v o n i h m e r b l i c k e t : So w i r d der träge

S i n n , der thierisch f ü h l t

und

denkt, V o m Schlaf,

w o r e i n ihn W a h n und L e i d e n s c h a f t versenkt,

D u r c h den Gesang e r w e c k t ,

den m i c h die M u s e n lehrten,

D i e V o r u r t h e i l e fliehn, die seinen Geist b e s c h w e r t e n ; I h n w u n d e r t , dafs er da so v i e l V e r g n ü g e n schmeckt, S o v i e l e S c h ö n h e i t sieht, solch eine Pracht entdeckt, Wo

sein gesclilofsner B l i c k nichts f ä h i g w a r z u schauen

A l s u n f r u c h t b a r e n Sand und W ü s t e i l v o l l e r G r a u e n ; U n d i n der W e l t ,

die sonst sein

Trübsinn

ihm

entstellt, E n t d e c k t die W e i s h e i t n u n i h m eine neue W e l t .

Ja, G ö t t i n , die du einst m i t ' a l t e r W e i s e n Z u n g e n M a n c h überirdisch L i e d

von

Gott

und W e l t ge-

sungen, Steh deinem D i c h t e r bey, den, v o n d i r selbst b e w e g t ,

OlJEIi. D I E

VOLLKOMMENSTE V.

VYELT.

J9

52 — 66.

E i n hoher Adlerflug durch alle Sfären trägt. L a f s du in seinem Geist erhabnere Ideen, Ihm selbst v e r w u u d i u n g s v o l l ,

ron

dir g e w i r k t

entstehen. E r singt die Gottheit selbst, den Quell der schönsten W \ l t , Und w i e durch ihre K r a f t das Ganze sich erhält. O mochte den G e s a n g , der mit der Engel Koten Um seinen T h r o n sich mischt, die ganze Schöpfung hören!

Auch I h r , die Stolz und W a h n um jenes L i c h t gebracht, Worin

die Gottheit

sich

den

Geislern

sichtbar

macht. D i e ein verrnchter T r i e b selbst -gegen Gott empöret, D i e i h r das Wesen schmäht das euer Wesen nährer, Hort meinem Singen z u , und fühlt der Wahrheit Macht! Doch nein!

Ihr fühlet nicht!

Des Lasters Todes-

naclit. D e r Sinnlichkeit B e t r u g ,

der Sturm der Leidenschaften,

L ä f s t Leinen cdlern T r i e b in eurer Seelo haften.

2.0

D I E

NATIIII

V . 67

DER

D I N G E



D u r c h eigne Schuld gestraft seht ihr die Sonne nicht, W i o mächtig auch ihr Strahl die Finsternifs durchbricht ; W i e Katadupens 1)

V o l k den Fall des N i l s nicht höret,

D e r sein betäubtes O h r im Sturm vorüber fähret.

D o c h w e r mit freyem Blick und einem

Geist

voll Klarheit Sich in das Ganze w a g t , den rührt die höchste Wahrheit, D e m macht unzweifelhaft der tausendfache

Mund

D e r zeugenden Natur das Daseyn Gottes kund. . Z w a r Kann,

wen

Sinnlichkeit

und

Vorurtheil

bestricken, Im Tanz der Sfären selbst V e r w i r r u n g nur erblicken, Und wenn uns Sehenden der schönste T a g erwacht Ist's ohne

seine S c h u l d ,

rings um den Blinden Nacht.'

Stellt eurer Fantasie ein menschlich Wesen v o r , Das nie den T a g gesehn.

Nah bey Thor,

dem Höllen-

ODER DIE V 0 L I U 0 3 I M ENSTE W E L T .

21

V . 81 — 99In Ätnas tiefem Bauch, in Gründen voller Grauen, Schliefe' ein Palast ihn ein, in dichtem Fels gehauen. , Iiier leb' er so w i e einst im Hain Brosseliand . M e r l i n verzaubert lag von V i v i a n e n s H a n d ; »Nichts als Gespenster seh' in schwarzen Marmorzimmern , Sein Ungewisses Aug' an glatten Wänden

flimmern.

Er kenne nicht den Fieitz der Mannigfaltigkeit, Den siifsen Unbestand, Und was ist jenes W e r k , das aller Giieclien Blick M i t R ü h r u n g auf sich z o g ,

des Meiseis Meisterstück,

N u r gegen einen

Staub,

aus

dem

die Pflanzen

sprossen, W o unbegreiflich k l e i n , von mancher Haut umschlossen, Die künft'gc Blume liegt, geformt doch

unbelebt,

Aus tausend Fäserchen mit weiser Kunst g e w e b t ; Unendlich ist f ü r uns der zarten F i b e r n Länge,

OD E l l DIE V O t t K O M H E H S T E V.

W t l l .

3l

242 — 254.

Unzählbar unserm Blick der hieinen Adern Menge, D i e nach dem Grundgesetz,

das i n den W e s e n

liegt, Die w i r k s a m e Natur unendlich schon g e f ü g t . Und w a s ist dieser S t a u b ?

Mifs i h n m i t u n t r e r Erden,

M i f s m i t dem H i m m e l s i e ,

sie w i r d z u m Staube werden.

Und

diefs

erschaffet

dir

der Stäubchen

wilder

Lauf, Und iuiufet W e l t auf W e l t ,

auf W u n d e r W u n d e r auf?

M i t gleicher R a s e r e y , und grüfserm M u t h z u m Siegen, T h ü r m t S t r a t o 3) Schlufs auf Sclilufs, die Gottheit zu bekriegen. W i e der Titanen H e e r , v o l l toller W u t h

durch-

stürmt, D e m w o l k i g e n O l y m p den Ossa übei t h ü r m t ; Man liürt

ihr rddgeschrey

den

H i m m e l schon

durchschallen ; Zeus sieht sie lächelnd a n , u n d heifst die Berge fallen.



D I E N A T U R DEIV D I N O E V . 255 — 270. I m Innern der N a t u r liegt die gemeine Kraft,

(So lehrt er) die d u r c h s i c h der D i n g e Bildung schafft. Kein Geist beherrscht die W e l t und bringt durch weises W ä h l e n Vollkommenheit hervor, und heifst das Böse fehlen : Nein, ein Maschinentrieb, den kein Verstand erhält. Bestimmt durch manches Piad die And'rungen der Welt. Im Schoofs des ew'gen All, w o h i n kein Blich kann dringen, Sprofst, w a r m v o n eignem F e u ' r , der Keim v o n allen D i n g e n ; D i e Zeit hilft der N a t u r , und säugt was sie gebar ; So wächst und blüht und reift was erst ein Unding war; D o c h bald w i r d ' s w i e d e r u m von jenem Schlund verschlungen, Aus dessen düstrer Nacht es kaum hervor gedrungen. W i e dort S a t u r n , von dem Hesiodus uns singt, M i t w i l d e r Frässigkeit die Säuglinge verschlingt, D i e R h e a i h m gebiert, der Keim von späten Söhnen, U n d sein selbsteignes Fleisch knirscht unter seinen Zähnen:

01JER

DIE

VOLLKOMMENSTE

W E L T.

33

Y . 271 — 284. So schlinget die Natur mit nie gestillter W u t h Ihr eignes Fleisch i n sich,

und säuft ihr eigen Blut;

Ihr

e w i g schwangrer

Sclioofs hört nie auf zu gebären,

Nie ihr Hf.rpyenschlund sich selber zu verzehren. Nichts, sprecht i h r , w i r d aus Nichts, die W e l t mufs e w i g aeyn; W i e Gott aus Nichts sie schuf, das sehen

wir

nicht e i n ; Drum ist Gott selbst die W e l t ; des ewgen Stoffs Gestalten Sind

keine W e s e n ,

die sich durch sich selbst erhalten :

Nichts, w a s die Sinne trifft, besteht durch eigne Kraft, Die Kraft des Ganzen ist's,

die Alles regt und

schafft. Betrogne! EuerSchlufs fällt auf euch selbst zurücke, Und euer eigner Fufs verwickelt sich im Stricke, Der uns geleget w a r ; der richtige Verstand Des Spruchs auf den ihr trotzt,

ist euch ganz

unbekannt. WIELANDS W .

SrrrL.

I . II.

C

34

D I E

N A T U K

D E R

D I N G E

V . 285 — 299Das grenzenlose Reich, in welchem alles schwebet, Zeigt nns E i n Wesen n u r , das durch sich selber lebet; Es

hängt

von

niemand a b ,

von keinem

Ding

umschränkt, W i r d sein vollkommner W i l l ' nur von i h m selbst gelenkt. Kein Fleck vermag den Glanz der Strahlen zu verdunkeln, D i e e w i g ungcschwäclit in seinem Antlitz funkeln. D e r andern Wesen Schaar

(sie

nennet man die

Welt) Wild

durch verschiednen

Grad von

Häfslichkeit

entstellt; D e m Besten fehlt noch w a s ;

die schönste aller

Dirnen Findt ungern einen

Grund

der stillen Fluth

zu

zürnen, D i e ihr geliebtes B i l d mit kleinen Flecken weifst 5 Nichts ist hier ohne Grad, der alleThellste Geist Sieht Stufen über s i c h , die er noch nicht erstiegen, Und selbst der Sohn des Glücks fühlt Unlust im Vergnügen. W e r so in seiner Brust das sichre Merkmahl trägt, ,

ODEH

DIE

V O L L K O M M E N S T E

Will,

55

V. 500 — 313. Dafs eine fremde "Kraft sein träges Wesen regt, W i e kann der e w i g sevn und keine Ursacli kennen? W e r ist so sehr ein T h o r ,

das einen Gott zu

nennen, Das nie bleibt w a s es

yvax,

dem immer

was

gebricht, Das stets noch werden soll, stets mitdem Tode ficht? Iiier zeigt der Irrtlium sich, dem ihr wünscht zu entgehen; W i e kann ein endlich Ding aus eigner Kraft entstehen ? Mufs zwischen dem was w i r k t , und dem was aus ihm fliefst, Nicht ein Verhältnifs seyn,

das sie zusammen

schliefst? Kann auch aus eigner Kraft ein träger Baum sich zimmern? Kann ohne Sonnenglanz Aurorens Purpur schimmern ? Wenn schmückt sich von sich selbst, beraubt vom heifsen Strahl, Der alle Saamen w ä r m t , das blumenvolle T h a l ? Heifst dieses nicht dem Nichts die Gottesmacht gewähren.

30

DIE

N A I U H

UEH

ÜINOE

V. 5 i < i - 528Aus seinem öden Schoofs die Welten zu gebären? Viel leichter konnten einst A m f i o n s Harmonien Der stolzen T h e b e W a l l aus Schutt und Steinen zieh'n: Viel eher bildeten D i o n e n s schöne'Glieder Aus leichtem Schaume sich, mitzeugendem Gefieder Vom lauen W e s t belebt, als dafs aus eigner Kraft Durch blinder Räder Trieb sich S t r a t o h s

Welt

erschafft. W i l l s t du die Gottheit nicht von deinem Ganzen trennen. So raufst du überzeugt zu eigner Schmach bekennen> Dafs in dem Wahngebäu , das du auf Sand geführt, (Des nahen Falls g e w i f s ) aus Nichts ein Etwa« wird. Diofs ist der falsche Fels,

den beide nicht

vermeiden, L e u c i p p /j) und

Strato

mufs Iiier gleichen Schiffbruch leiden.

W a s ist N o t w e n d i g k e i t ,

die kein Verstand bestimmt,

W a s der

Atomen

Schaar,

die in dem schwimmt,

Leeren

• DER

DIE

VOItKOMBICNBTE

W i l l ,

37

V . 529 — 545Bald v o n der R i c h t s c h n u r w e i c h t > »ich o h n e O r d n u n g dränget, U n d w i e der Z u f a l l w i l l , sich an e i n a n d e r h ä n g e t ? Ein Wort,

das k e i n e n Sinn i n seinem T o n ver-

Und,

des

schliefst, wie

Freygeists I l i m ,

leer

am

Ver-

stände i s t ?

H o c h ü b e r j e n e r S c h w ä r m , die sich v o n i h r entfernen, Sitzt m i t c n t w ö l k t e r S t i r n die W e i s h e i t b e y den Sternen, Und dringt mit freyem Blick, und unverwandtem Sinn, D u r c h aller W e l t e n R a u m z u m T h r o n e Gottes h i n . E i n n i e versiegter S t r o m v o n u n v e r m i s c h t e m L i c h t e Umfliefst sein H e i l i g t h u m ; kein sterbliches Gesichte T r ü g ' u n v e r z e h r t den G l a n z , in dessen stillor F l u t h E i n ungezähltes H e e r verklärter Geister r u h t . H i e r f ü h l e t m a n dein S e y n ,

o Herr der Cheru-

binen, H i e r strahlest d u s i e a n , h i e r

schenkest d u dich

ihnen; V o n r e i n e r W o n n e satt) befreyet v o n Begier,

58

D I E

N A T U N

DER

V- W l V e r g e s s e n s i e die W e l t ,

D I N G E

36«.

u n d seh'n sie n u r i n D i r .

W a s unsre Augen seh'n in matten S p i e g e l n g l ä n z e n , S e h ' n sie i m U r b i l d

selbst,

nnd seh'n es

ohne

Grenzen. S o w e i t d r i n g t n i c h t m e i n G e i s t , doch zeigt i h m R a u m und Zeit Den mächtigen Beweis

v o n d e i n e r Göttlichkeit.

J a selbst i n s e i n e r B r u s t

f i n d ' t e r v o n deinen Zügen

E i n u n a u s l ö s c h l i c h B i l d in zartem A b d r u c k l i e g e n . K a u m b l i c k t er i n die W e l t ,

k a u m r ü h r e t seinen Sinn

D i e P r a c h t der K r e a t u r , so f i n d ' t er D i c h d a r i n . E i n unbekannter Z u g , zu stark z u m W i d e r s t e h e n , V e r k n ü p f t u n e n d l i c h schnell die gröfsesten Ideen In s e i n e r B i l d u n g s k r a f t , es w i r d ein B i l d von D i r Uitd r e i t z t , e r g r e i f t , entzückt die sehnende B e g i e r . Diefs

Zeichen

deiner

Macht,

die

alle

Wesen

reget, Hast du v o n E w i g k e i t den Geistern e i n g e p r ä g e t ; D e r d u m m e Samojed , der w i l d e Hottentot F ü h l t diesen Z u g i n sich u n d ehret einen G o t t ; E i n i n n e r l i c h Gefühl w i r d i h n d e i n DI-seyn l e i n e n ,

O D E R

D I E

V O £ 1 K O M M E H S T E W

V . 562 -

E L T.

5IJ

373.

N u r mangelt i h m die K r a f t , sich selbst es aufzuklären ; W e i l er i m dunkeln B i l d

Gott selbst nicht sehen kann,

So betet der ein H o l z , und der den Monden an. D i c f s ist der innre T r i e b ,

der tief in uns gesendet*

M i t dringender G e w a l t die Herzen zu dir lenket, D e n selbst ein K r c m o n i n 5) mit ängstlichem Verdrufs, Z u oft f ü r seine R u h ,

i m Busen fühlen mufs.

Vergebens sucht er ihn m i t trügerischen Gründen, Und manchem kühnem Scliiufs aus seiner B r u s t zu winden. Kein Bildnifs v o n P o r f y r trotzt mehr dem Z a h n der Z e i t , Kein Eichbaum steht so fest und lacht des N o r d w i n d s Neid, A l s , von i h m selbst g e p r ä g t ,

des Schöpfers Eigenschaften

Und sein ursprünglich E i l J in unsrer Seele haften. Vergebens sprichst du hier, du dessen Z o r n uns schilt, D i e Dichtuiigskraft allein entwerfe dieses Bild, Und wisse ans dem Stoff von allen Trefflichkeiten, D i e sie 111 Eines h ä u f t , gar lcicht das zu bereiten«

f}o

D I E

N A T U R

D E R

D I N C E

V. 579 — 393W a s , nacli der Weisen Lehr 1 , aus hührer W i r k u n g fliefst, Und

von

des Schöpfers

Hand

ein ewig

Denk-

malil ist. Erforsche nur die Art der flüchtigen Ideen, D i e durch die Bildnerey der Fantasie entstehen; Ein

einzig Beyspiel macht den Unterschied uns Idar:

E r t i ä u m ein Hirngespenst, w i e etwann jenes war Das uns Horaz geraahlt; das Haupt gleich' einem Weibe, E s reitze Aug'

und

Mund;

am

schuppenvollen

Leibe Schlag' ein D c l f i n e n - S c h w a n z ; mit Federn ausgeschmückt Scy noch ein Pferdehals den Schultern angeflickt: Diefs W o r k der Fantasie, wen hat es je gerühret, Und durch geheimen Z w a n g zum G l a u b e n über. führet? Diefs thut mit stiller Kraft das angeborne Bild, Von

Ihm,

dem

Urbild

selbst,

in

unser Herz

gehüllt; Uns

treibt

ein

süfser

Zug,

so

bald

empfinden

wir

nur

ODE1V D I E V O L L K O M M E N S T E W E E T.

4l

V . 394 — 4o8Dafs es in uns »ich r e g t , sogleich es w a h r zu finden; , S o macht ein innrer Sinn

den W i d e r s p r a c h zu Spott,

, U n d tief in unsrer B r u s t erschallt's: e s i s t e i n Gott!« Es ist ein G o t t ,

durch

den ich aus dem

Nichts g e d r u n g e n ; So r u f t N a t u r uns zu mit Millionen Zungen, So

stimmt

in

unsrer

Brust

dem

jauchzenden

Geschrey Von allen Schöpfungen ein stiller Zeuge bcy. D u b i s t , Unendlicher

den keine jjrofso misset,

Meer v o n V o l l k o m m e n h e i t , das e w i g überfliefset, Aus

dem

ein

steter

Strom

geschaffne

Wesen

tränkt. Und sich doch tinverzehrt in dich zurücke senkt. Kein fremdes Wesen kann die reine W o n n e mehren. Die du aus dir n u r schöpfst, d u kannst der W e l t entbehren; O lehre selber m i c h , mein O h r ist dir geweiht, D e n schöpferischen Grund von unsrer W i r k l i c h keit.

.¡2

D I E N A T U R DER

DINGE

V . 409 — 425. Wie

dorten

jene

See von

goldnen

Feuer-

Wellen, Sich nicht enthalten kann die Sfären zu erhellen, D i e ein allmäclit'ger Schwung um sie 211

fliegen

drängt, D e r scliatticlite Planet, der ihren Schein empfängt« Begierig in sich zieht und die geborgten Strahlen, Auf seine Monde schiefst, vermag ihr's nicht zu zahlen; Ganz unbesorgt, w e r ihm die holde Wärme leiht, Empfängt er blofs von

ihr der Saamen Fruchtbarkeit ;

Sie freut sich, ihre (Jluth der Welt umsonst zu geben, Und flöfst in die Natur ein allgemeines L e b e n : So ist die Gdttheit auch, ( d o c h mit Vollkmmen* Iieit) Z u m Heil der Kreatur in steter Wirksamkeit. Kann sie unendlich soyn und nichts von Schranken wissen, So lang im kalten Nichts die Wesen

schlummern

müssen? N o i n , der Vollkommenste

kann ohne uns nicht seyn,

ODEn DIE V O L t K O M M ENSTE W E I I ,

45

V. 424 — 438Sein e w i g Daseyn schliefst auch unser Daseyn ein. .Untrennbar ist das Band, da6 Kraft und W i r k u n g einet, , Gott denkt die W e l t in S i c h , und, was er denkt, erscheinet.5 Diefs ist der sichre Grund, auf den zu aller Zeit Die Weisesten der Schaar, die sich der Weisheit weiht, Der Schöpfung E w i g k e i t und stete Dau'r gegründet, Die ein unsterblich Band an ihren Schöpfer bindet. Der Führer jenes Volks, das Gott sich auscrwählt, Singt uns der Welt

Geburt,

von

Gottes

Geist

beseelt, Nicht nach der Weisen A r t , durch tiefgeschöpftes Wissen Das Innre der Natur den Manschen aufzuschließen; Diefs w i l l sein Endzweck nicht; g e n u g , dafs uns sein Licht, Zur Absicht sattsam hell, die dustern Nebel bricht, Wodurch die Weisen selbst, oft sinnreich um zu inen, In Labyrinthen sich, die sie gebaut, verwirren.

44

DIE

NATÜR

DER

DINOI

V. 439 — 452Mit ungekünstelter und göttlich - Iioher Pracht Erzählt sein heil'ger Mund, wie aus des Abgrunds Nacht, .Dem Stoff, der nur von Gott die Wirklichkeit gesogen, Des Schöpfers kräftigs Wort die Welt hervorgezogen ; Nicht, w e i l der ew^go Geist, der Leben in uns bliefs,

Erst in gemefsner Zeit den Raum gebären hiefs; Nein, blofs den alten Wahn der Weisen zu verdringen, Der den vermischten Stoff von ungeformten Dingen D u i c l i s i c h läfst ewig seyn, und Gott entziehen w i l l , (Diefs lehrte schon ein T e u t 6) am vierzehn* mündigen Nil, Dick

hat den

Magiern ein Z e r d u s t

vorge-

sungen ; ) Und dieser Irrthum ists, den A m r a m s

Sohn

bezwungen; Der, da er uns erzählt, w i e unsre Welt entstand. Die Kette nicht zerreifst, die sie an andre band.

0 D £ n

DIE

V O t l K O M M E a S I i

V 453 -

W t u .

4S

466.

So fällt der Widerspruch, den aus den heil'gon Büchern Man einer Wahrheit macht, die tausend Gründe sichern. Ein W e s e n , das stets wirkt und stets mit gleicher Kraft, ,Das keinen Wechsel kennt, das nicht bald ruht, bald schafft; Und dessen Tugenden, die w i r verwegen trennen, In stetem Ausflufs sind,

und keinen

Zuwachs

kennen; W i e könnt' es e w i g r u l i n ?

Felilts ihm vielleicht an Macht,

Dafs es ganz unwirksam Äonen zugebracht? Wie?

oder an der H u l d ?

Mifsgönnt er uns das Leben,

Das seine Allmacht uns von Ewigkeit kann geben? Ohnmächtig seufzt die Welt ins öden Undings Grab, Sie seufzt nach Wirklichkeit, und w e r schägt sie ihr a b ? Er,

der nur winken

darf,

damit sich Sonnen

drehen? O!

Liebe, soll dich so ein niedrer Erdwurm schmähen?

D I E

NATUR

DEH

DIHUE

"V. 467 — 48oD i e höchste Macht ist n i c h t ,

wie die Vermö-

genheit Deä Weisen von Stagir, zum Wirken nur b e r e i t ; Die schlummernd warten kann, bis durch die Zeit erreget, W a s vorher nur g e g l i m m t , jetzt volle Flammen schlaget: So w i e ein schneller S t r o m , von Dämmen eingeschränkt. An den verhafsten W a l l beschäumte Wellen drängt, E r bäumt die wilde F l u t h ,

stürmt in die Felsenstücke,

Bespritzt die W o l k e n selbst und rauscht gepeitscht zuTücke:

D o c h endlich weicht der Schutt dem stets erneuten Stöfs, Die Steine trennen s i c h ,

der Pfähle

Band wird

los, Erfreuet fühlt der Flufs die festen Eichen wanken, Und bricht mit neuer Kraft durch die verhafsten Schranken, Nichts hemmt nun seineu L a u f ,

er

reifst vom

nahen Hain Bejahrte Tannen aus, und stürzet Felsen ein.

ODER S U

V O L L K O M M E R S T E W E L T.

47

V . 48i —1196. So fesselst d u die M a c h t , d u r c h die die W e l t entstanden, D i e u n u m s c h r ä n k t e Macht, m i t frevelhaften Banden ; D i r k ä m p f t das

Nichts mit Gott,

u n d erst n a c h

la..^em

Streit

W e i c h t es, v o n i h m b e s i e g t , der n e u g e b o r n e n Z e i t . Vergeblich suchst d u dich, m i t u n h a l t b a r e n G r ü n d e n V o m V o r u r t h e i l g e s c h m i n k t , dein V b r w u r f zu entwinden; D u sprichst', n i c h t o h n e S c h e i n :

D i e S c h u l d , dafs

die N a t u r N i c h t e w i g dauern k a n n , trügt blofs die K r e a t u r . , D e r D i n g e Schranken s i n d s , die

seine Allmacht

hemmen, ,Sicli seinem schaffenden G e b o t entgegen s t e m m e n . , E i n eingeschränktes D i n g ist n u r in R a u m u n d Zeit , Sein W e s e n selbst v e r t r ä g t sich nicht m i t E w i g k e i t , . B e w i e s e dieser G r u n d ,

so w ü r d ' er m e h r

nocli

gelten , Als d u b e w e i s e n w i l l s t ; er spräche, gar den W e l t e n , U n d a l l e m , w a s Gott Selbst n i c h t i s t , das D a seyn a b ; . W i r alle lägen n o c h ins alten Undings Grab,

48

D I E

N A I H R

D E R

D I S O E

V- 497 — 5i 1. ,Das W e s e n strebt ins S e y n , und was ihm fehlt zum Leben ,Kantt es zwar selbst sieh nicht, doch kann es G o t t ihm geben: , Diefs gilt in jcdemPunkt der ewig theilbarn Zeit; ,Ste(s sind zum w e r d e n W i r ,

zum s c h a f f e n

Er bereit; , I n Ewigkeit läfst S e y n

sich nie mit

Nicht-

s e y n paaren, ,Und dafs wir jetzo sind, zeigt dafs wir immer waren. , Zudem lehrt Ihr ja selbst die UnVergänglichkeit .Der Wesen, die j e t z t s i n d .

Ist eine ew'geZeit,

,Die unaufhörlich in die Zukunft sich ergiefset, ,Euch denkbar? Nun, so räumt, wofern Ihr folgrecht scliliefset, ,Auch uns, der Endlichkeit zu Trotz, die Wahrheit ein, «Was ohne Ende ist, kann ohne Anfang seyn. Die Welt fing niemalils an,

und wird sich

niemahls enden, Sie liegt von Ewigkeit in ihres Meisters Händen; Durch seine Kraft bewegt, die ewig wirken mufs,

ÜDE11 D i £ V O L L K O M M E N S T E

4j)

Will.

V . 512 — 528. Und stets i n g l e i c h e m M a f s , und

ohne Zeit und

Flufs.

W ä h n t n i c h t , den E w i g e n verkleinre diese L e h r e ! N e i n ! sie gereicht v i e l m e h r zu seiner grofscrn Elite. D i e W e l t ist e w i g z w a r , doch ihre Dauer ist N u r eine stete Z e i t ,

die endlos i m m e r fliefst;

D i e K r a f t , die e w i g schlägt i n den umschränkten Dingen, W e i c h t stets aus i h r e m Gleis,

sich höher aufzu-

schwingen ; N i e ist sie w a s sie

wird,

nie

bleibt

sie

wa»

sie \var, Und w a s sie ist, w i r d n u r durch Scheinen offenbar', D i c h aber, Herr der W e l t , fliehn W e c h s e l ,

Grad

und Z e i t e n ; D u unbegreiflichs Meer v o l l k o m m n e r Stetigkeiten, Bleibst ohne Ä n d e r u n g , w i e du dich stets gezeigt, Indefs dafs unsTO Kraft durch e w ' g e Grade steigt. Auch Welten trifft der T o d , der Sonnen

Glanz

erliscliet, Wie

eine

Blume

welkt,

die

lang k e j n

Tliau

erfrischet;

N u r d u , du bleibst allein i n gleichem Alter stehn; Kein neuer H i m m e l w i r d dich jemahls gröfser sehn, WlEXiAKD» W . SVSTL. I. Ii.

D

50

D I E

N A T U « , V.

D E H

529 —

D I N G E

542.

D i e W e l t ist Gottes W e r k , und dauert ew'ge Zeiten; D i e f s , Muse, w a r bisher der Inhalt deiner Sayten. Doch w i e

ist sie g e b a u t ?

Entdeckt auch i h r e Pracht

Die W e i s h e i t , die sie schuf, und ihres Meisters Macht? Hier,

Göttin,

stärke m i c h ,

da ich den W a h n

bestrei.e, Den Z e r d u s h t

früh gelehrt,

und M a n e s spät

erneute. Von B a y l e , der so gern

den priejterliclien Blitz

D u r c h seinen M u t h w i l i reitzt,

geschmückt

mit

neuem Witz.

D i e Mängel unsrer W e l t ,

die gleich den Sonnenflecken

Nur den geringsten Tlieil von ihrem Glanz verdecken, Verführten jederzeit der blödern Geister Schwärm, V o n Wahnsinn aufgebläht, an reifem Wissen arm, Z u klein die edle Pracht der Ordnung zu bemerken, D i e nur die Augen r ü h r t , die sich mit Weisheit stärke«,

UDER

D I E

V O L t K O M M ENSTE

V. 545 -

Will.

Ql

559-

N e n n t der V e r w e g n e s c h l i m m , was er nicht richtig sieht, W e i l «ich ein falscher D u n s t um seine Sinne zieht. »Wie eine Mücke, die an jenem Bilde klebet, »In dessen N a c h r u h m noch sein grofser

Meister

lebet, »Wie i h r vieleckigt Aug', in einen Kreis gezwängt, ¿Der eine Spanne kaum v o m ganzen Bild umfängt, ,Nicht seine Schönheit sieht, noch ahnt das heil'ge Grauen, »Das jeden Seher fafst, w e n n seiner

Augenbrauen

, Allmächt'ger W i n k O l y m p und Erde zittern m a c h t ; , Der Formen h o h e r Reitz, der Faltenwurfs Pracht, , Das A u g e , das den Gott dem ersten Blick entdecket, , M i l d au,f den Guten s i e h t , den Frevler niederschrecket, , D i e Majestät, die auf der lioh'ren Stirne t h r o n t , , D i e H u l d m i t Ernst gepaart,

die auf den L i p p e n

wohnt; D e r ganze Jupiter verliert sich in der Schwäche D e s Mückenaugs ; dafür entdeckt sie auf der Fläche, D i e ihre Füfse t r ä g t , des Marmors Rauhigkeit

¿2,

D l

I

N A f l l K

HEH

D

u

o

«

V. 5 6 o - 5 7 8 D e r ihr ein Felsen dünkt mit Zacken überstreut: So schränkt die Dummheit auch die neblichten Ideen In einen engen Kreis, (das Ganze übersehen Ist gröfsrer Geister W e r k , )

das allgemeine Band,

Das alle Theile f ü g t , bleibt stets i h r unbekannt. D r u m findt sie überall die Schöpfung voller Mängel Und machte gar zu gern aus allen W ü r m e r n E n g e l ; Klagt, dafs ein öder Fels nicht bunte Tulpen bringt, Und Philomele nicht nach G r a u n s Gesetzen singt. Allein der Weise lacht des cingebildten Klugen; E r kennt des Ganzen Bau und aller Theile F^ugen, Er hat den wahren Stab, der ihr Verhältnifs mifst, Und findt so vieles schon, dafs er den Fehl vergifst.

Aus jenem trüben Quell, von L e i m und Sand geschwollen, Ist bis auf un9re Zeit ein tüdtlich Gift gequollen. Statt mit Behutsamkeit der W a h r h e i t nachzuSpähn, Bleibt der verdrofsne Witz stets auf der Grenze stelin; M i t Träumen speifst man sich , die

das Gehirn

verwirren, Und wünschet sich noch Glück, so angenehm zu irron.

ODER

DIE

VOI.I.KOM M E S S T E

WEXT.

V . 579 — 595. I n einem tiefen

Wald in Jiaktrens öder

Flur

Verlieret sich Z e r d u s h t i m Forschen der Natur. D i e dickbelaubte Nacht umschatteter Gefilder F ü h r t den einsamen Sinn auf schreckenvolle Bilder. Er

forcht

dem

Übel n a c h ,

das alle

Menschen

plagt, Und mit geschärftem Z A u c h den, der P u r p u r

an ihren Herzen deckt, dem alles

nagt.

scheint

gewähret, V e r l ä f s t der K u m m e r nie, der seine L u s t verzehret; D e r Glanz, der ihn umgiebt, blendt nur des l'öbels Wahn, Und streicht mit falscher Pracht ein

schimmcrnd

Elend an. W i r nähren tief in uns den K e i m zu steten Plagen, E v hat in unsrc E r u s t die Wurzel

eingeschlagen,

D i e das durchschlungne Ilerz mit tausend Adern füllt, Ur.d die du selbst umsonst, o Weisheit, tilgen w i l l t . Der

Geist sieht traurend

sich

in

träge

Fessel

schliefen, Sein schwacher Nachon w i r d v o m Strome hingerissen ; D e r W o l l u s t Siifsigheit vergällt der Überdrufs,

54

D I E

N A T U R

D E R

D I N O E

V. 596 — 610. Urtd Tantals Hunger nagt uns mitten im Genufs. Un3 trüget ein Gespenst, ein reitzend Schaugerichte Quält unsern trocknen Gaum und schmeichelt dem Gesichte. Wie dort K r e u s e n s Bild sich dem A n e a s zeigt, Und sein bekümmert Herz mit falscher Hoffnung säugt; Dreymahl streckt er den Arm nach dem geliebten Schatten, Dreymahl entzieht sie sich dem Kufs des bangen Gatten ; So flieht die Seelenruh, das nicmahls feste Ziel Betrogner Geister, den, der sie umfangen w i l l ; Hingegen schwärmet Stets ein Heer von blassen Sorgen, Bey jedem Tritt um uns, und ängstigt uns auf Morgen. Vergebens wird der Gram durch jetz'ge Lust verscheucht, E r ist dem Pajther gleich, der sieget, wenn er fleucht. Kaum scheint er zu entfliehn, so kömmt er stärker wieder, Und schwingt um unser Haupt sein trauriges Gefieder.

OVER

DIE

VOlI. KOMM E R S T E

W E L I ,

55

V. 6 l l — 626. Aus diesem Augenpunkt betrachtet n u n Zerdust Die allgemeine N o t h , die Folter unsrer Brust. Er

spürt

der Ursack

nach,

erstaunt in deinen

Werken, Gebrechen ohne Z a h l , o M i t h r a , zu bemerken. N e i n , r u f t er endlich a u s , erbarmensvoller Gott, D u lebest nicht v o n Blut, und suchst nicht unscrn Tod. E i n boshaft Wesen i s t ,

das uns das Soyn mifsgönnet,

Sein Herz ist stetes F e u ' r , w o Z o r n u n d Rache brennet, Es labt m i t T h r ä n e n sich und nährt m i t unserm Blut, Als wio m i t fettem O h l , die unglficksePge Gluth. D e r Seufzer Angstgetön liebt

es

w e i t m e h r zu

hören, Als jene Harmonie der musikal'sdien Sfären, D i e , M i t h r a , dich vergnügt.

Von i h m

stammt

alle Noth, Die uns bis zumBeschlufs des bangen Lebens droht, U n d n u r dem Tode w e i c h t , der unsern J a m m e r kürzet, Ach!

aber gar vielleicht

in cw'gen stürzet.

Schlummer

55

DIE

Natuiv

DER.

D i s s t

V . 627 — 6}b. S o schliefst der Persen T h e u t ,

und findet 111

Geschichten .Des grauen A l t e r t h u m s , umnebelt v o n Gedichten, W a s seine Moynung stärkt; der Celten Uberfall Und Heimans

strenge

F a u s t , der Horomasden 7) Qual,

L i e f s noch im Orient die blut'gen Spuren sehen, U n d schien dem neuen W a h n mit Nachdruck beyfcustehen. S o heckt des Weisen W i t z und die Unwissenheit Des V o l k s den Irrthum aus, gcnährct v o n d e r Z e i t Wächst e r , und schützet sich m i t seiner Priester Zungen, B i s nun das Alterthum den B e y f a l l ihm erzwungen, Den ihm,

als er entstand,

das

Pöbels

Leicht-

sinn g a b : N u n blüht der W a h n e m p o r , und auf der W a h r heit Grab.

Z w e y Wesen

eh^t und scheut, mit ganz v e r s c h i e d e n Trieben,

Das alte Persien.

D a s eine macht sich lieben,

E s pflanzt in unsro Brust der T u g e n d Saamen ein, Und pflegt die zaneFrucht mit warmen Sonnenschein.

ODER

DIE

V O l l E O M H E S I T B

W ELT.

57

V. 645-657. Das andre gleicht der Nacht;

mit kalten Finster-

nissen Hemmt es der Strahlen Kraft die von Ilonnasdes fliefscn. Ein ew'gcr Zweykampf trennt der Himmelsgeister Schaar, Und,nichts als unser Glück ist dabey in Gefahr. Das gute Wesen führt die unerfahrne Jugend, Der oft die Unschuld scliadt, den steilen W e g der Tugend, Sein zärtlich - ernster

Blick folgt ihnen w o sie ziehn,

Und wandelt Dornen oft in lieblichen Jesmin. Hingegen A r i m a n , verschlagen uns zu kränken, Hort niemahls a u f ,

an Stoff zu unsrer Pein zu denken.

Jetzt 'ockt er uns m i t U s t in reitzender Gestalt. Ein liebenswerther

Feind

hat zehnmahl

mehr

Gewalt, Als der die Waffen zeigt, die unserm Leben dräuen; Ein Feind, der sicli erklärt, befiehlt uns, ihn zu scheuen; Da d e m , der lächeln kann,

der uns umarmt und küfit,

,58

DIE

N A T U R

D E H D I N O E

V. 658 — 676. Schon oft der kühnste Held zum Opfer worden ist. Auf solche Weise ists dem Wüthrich oft geglücket, Dafs seine Zauberey ein schwaches Herz berücket. Kein P r o t e u s

wendt so oft die trügende F i g u r ;

So vielfach sah dicli nicht der spröden Nymfe Flur, T e r t u m n u s , 8) bis zuletzt mit schmeichlerischen Falten D u als ein graues W e i b die süfse Gunst erhalten. Voll Wunders fühlte gleich Pomona bey dem Grufs, So gut er sich verstellt, den allzu frischen Hufs; So küfst die Freundschaft n i c h t !

Sie stutzt, ihr

glühn die Wangen, Doch plötzlich fühlt sie schon sich feuriger umfangen, Sie sträubet sich umsonst, zu schwach zu ernstem Krieg, Krönt nur ihr Widerstand des holden Feindes Sieg, So zeigt sich A r i m a n , den Endzweck zu erhalten, (Sein Spit'l ist unser Tod,) in mancherley Gestalten; Von jedem Vorwurf nimmt er Färb und Bildung an Und trügt zu gleicher Zeit verschiedner Seher W a h n . In unsers Herzens Form weiis er sich schnell zu drücken, Und andre Neigungen auch anders zu berücken.

ODEIY

D I E

T 0 I I K 0 J I 5 I E E S 1 E

W

EI, T.

5g

V. 677 — 691. Dianens Gürtel braucht er zu Kalisto's Weh, Und füllt mit goldner Fluth den Schoofs der Danae. Gelingt die List ihm nicht, so schrecket er mit Blitzen, Und O r o m a s d e s selbst liann oft vor ihm nicht schützen. Diefs ist des Übels Quell, so träumete Z er d u s t , Und suchte aufser uns, was tief in unsTer Brust Aus innrer Quelle rinnt; den Knoten aufzulösen, Macht er das Übel gar zu einem ew'gen Wesen. Allein vor Fabeln bebt

des Zweiflers Kühnheit nicht,

D u , Wahrheit,

bists allein, die

seine Waffen

bricht; Durch dich w i l l ich die Macht geschärfter Z w e i f e l dämpfen, Das Vorurtheil zerstreun,

und für die Gottheit kämpfen.

Im ewigen Verstand der göttlichen Natur, Schwebt ein unendlich Bild der ganzen Kreatur, Von allen Schatten frey.

Hier steh'n in langen Reihen,

6o

D I E

N A T U R V.

D E B

692 —

D I N G E

708.

D i e W e s e n , welche sich d e r Möglichkeit e r f r e u e n : Unendlich ist die Schaar,

die ihren Platz liier hat,

Und sich vom öden Nichts dem Unerschaffnen naht. I i i e r fehlet keine Kraft, kein wirksames V e r m ö g e n , liein

W e s e n , das sich

selbst kann

fühlen

und

bewegen. Diefs ist der S t o f f

der WelH.

Ihm

gab

dio

weise Macht, D i e i h n unsterblich s c h u f , der schönsten Bildung Pracht. Sie hat der Wesen Schaar nach Ähnlichkeit verbunden, Und jenes Grundgesetz der O r d n u n g ausgefunden, Das jede W i r k u n g stets an eigne Ursach knüpft, Und w e h r t , dafs die N a t u r nicht epikurisch hüpft. Die

schöne

Symmetrie,

die

Eintracht

in

den

Tlieilen, Dio durch verschiednen W e g den

besten Z w e c k

ereilen ; Dia w o h l gesparte K r a f t , die abgewogne Zeit, D e r ausgeiftcfsne R a u m , die Mannigfaltigkeit Mit Einfalt stets vermählt, das künstliche Verfügen, Dafs i m

Vergangnen stets der

Zukunft

liegen;

Saamen

ODER

DIE

Will.

V C L I K O M M E S S I E

Ci

V. 709 — 718Diefs alles ist das W e r k vom ewigen Verstand, D e r f ü r den reichsten Stoff

die

schönste F o r m

erfand. D e r Mängel kleine Z a h l s c h w i n d t in des Guten Gröfse, Und gleicht kaum einem Punkt, den ich m i t Sonnen messe. Die W e l t ist ja nicht G o t t ; g e n u g , dafs ihre Pracht Sie, nach dem Schöpfer selbst, zum höchsten Wesen macht. Sie ist so gvofs und g u t als Gott sie kann b e r e i t e n ; E i n völliger Begriff von allen Möglichkeiten, U n d f ü h r t der W e s e n Schaar, von Mängeln endlich rein, D u r c h den bequemsten W e g in ihren Ursprung ein.

Die N a t u h

62

der

Dinoe

A n m e r k u n g e n .

1)

Seite 20.

npminantur,

Uhi Nilus ad illa,

praecipitat

quae

Catadupa

ex altissimis montibus,

ea gens,

quae illum locum accolit, prqpter magnitudinem sensu audiendi 2)

S. 29.

dientes L o b

caret.

Cicero

Sonn.

Das Kunstwerk,

Scip.

sonus,

c. V.

das h i e r sein ver-

e r h ä l t , ist seitdem

durch

die v i e l e n

Schweizerreisen,

m i t deren B e s c h r e i b u n g w i r be-

schenkt

sind,

diese

worden

so

bekannt

worden,

Stelle k e i n e r A n m e r k u n g bedarf.

licher W e i s e ' f ü r

den

Ruhm

des Künstlers ist es und man sieht m i t

n u r aus Sandstein g e a r b e i t e t , B e d a u e r n die Z e i t k o m m e n ,

wo

schreibung

erkennen

Übrigens

nicht

mehr

zu

müssen w i r noch

Stelle ( v o m

dafs

Unglück-

es i n dieser Beseyn

anmerken,

215. b i s 22g- V e r s )

wird.

dafs diese

in der

Ausgabe

v o n 1751 n o c h n i c h t b e f i n d l i c h , s o n d e r n erst e i n i g e Jahre später e i n g e s c h o b e n w o r d e n ist. 3)

S. 31.

S o Iiiefs dor z w e y t o N a c h f o l g e r de»

Aristoteles i m L y c e o , der v o n den A l t e n weise P h y s i k u s ,

oder der

Naturalist,

vorzugsgenannt

W u r d e , w e i l er 6icli e i n b i l d e t e , den U r s p r u n g u n d

ODER D I E

VOLLKOMMENSTE

WtlT,

63

die Verknüpfung der Dingo aus einem geometrischnotkwendigen Mechanismus, den er Natur nannte, ohne Znthun Cicero

einer Gottheit erklären zu können.

de Nat.

4) S 56. Atomen

Deorum,

L.

Leucippus

oder nntheilbaren

ungefährer B e w e g u n g ,

I.

war

der E r f i n d e r der

Stäubchen, aus

deren

seinen Gedanken nach auf

eine sehr begreifliche A r t , eine unendliche Menge v o n Welten entseht. rus

D e m o t r i t u i und E p i h u -

baueten nachher ihre F y s i k auf diese H y p o -

these; welches an dem ersten xlesto unbegreiflicher ist, da er nach dem Zeugnisse der Alten, ein grofser Naturforscher w a r , und den gröfsten Tlieil eines Lebens von mehr als hundert Jahren, mit f y s i s c h e n Beobachtungen und Versuchen,

Zergliederung der

T h i e r e , und Untersuchung der Kräfte der Pflanzen zugebracht. 5)

S.5g.

teliker des

C ä s a r von K r e m o n a , 16. Jahrhunderts,

ein Aristo-

der sich in seinen

m i t Recht vergessenen Schriften der atheistischen Meynungen seinesMeisters verdächtig gemacht, und überhaupt unter die zahlreichen Italiänischen Gelehrten seiner Zeit g e h ö r t ,

die sich einbildeten, dafs

ein Filosof keine Religion haben müsse. 6)

S. 44.

Nahmen

wird

Mit diesem und andern der unter

ähnlichen

dem Nahnjen

Hermes

Trismegistus bekanntere E r f i n d e r der Ägyptischen Filosofio bezeichnet.

64

D I E

7)

S. 56.

N A T U R

D E R

D I N G E

L e i b n i t z vermutliet, die Nahmen,

welche im Systeme des Zoroaster dem guten und •bösen Grundwesen gegeben werden, gründen sich auf eine alte erloschene Geschichte v o n einem Einfalle der Celto - Skythen in die Morgenländer, w e l pher noh früher sey^ als diejenigen, w o v o n die Geschichtschreiber Nachricht geben. stand, misdas,

uns

D e r Um-

dafs einige Morgcnländisclie Prinzen II01und

ein alter Celtischcr H e l d ,

Arirüan

oder Armin geheifsen, bestärket diese Vermuthung. 5 . Theodicee 8)

S. 58.

P. II.

§. j 33-144.

Ovid. Metamorphos.

L.

XIV,

Inhalt

des z w e y t e n

Buchs.

¿Nachdem im ersten Buche die ewige Schöpfung der W e l t behauptet worden,

geht der Dichter zu

Jirldärung des Ursprungs derselben fort. legung der Meynung, der Gottheit seyen.

Wider-

dafs alle Dinge Ausflüsse aus Alle Substanzen

Kraft oder Wirksamkeit von G o t t , w i e sie dieselbe äufsern,

von

haben ihre

die Art aber

sich selbst.

Die

Schöpfung und Erhaltung ist demnach eine einzige, ewige,

und sich selbst gleiche W i r k u n g Gottes,

wodurch alle Kräfte in ihrem Seyn erhalten werden,

Letzte Absicht der Schöpfung.

W I E U S P S

\V. Srrrx.. I. B.

Z w e y grofsf; E

66

INHALT d e s

ZVVBIIIH

BUCH».

Folgen aus derselben: D i e erste, dafs alle mögliche W e s e n w i r k l i c h sind ; die a n d r e , dafs alle empfindende Wesen f ü r eine endlose Glückseligkeit bestimmt

sind.

D i e Seelen

und Geister

sind der

einzige Gegenstand der Absichten des Schöpfers, und der Stoff ist blofs um ihrentwillen. und

Widerlegung

des

Wahns

dor

Vortrag,

Materialien,

welche das Daseyn unkörperlichen Wesen läugnen. G r u n d der Verschiedenheit der empfindenden W e s e n , in Absicht der Grade ihrer Vollkommenheit Glückseligkeit. Geschöpfe.

und

Gemähide einiger Klassen solcher

Zergliederung der innern E i n r i c h t u n g

de'r geistigen Wesen.

W i e ihro N a t u r ein Schat-

tenbild der Göttlichen i s t , durch die Vorstellungskraft den T r i e b Liebe,,

zur Vollkommenheit

und durch die Ruhmbegierde.

ner Blick über die ganze Geisterwelt.

oder

die

Allgemei-

D I E N A T U R

D E R

D I N G E

ODER DIE

V O L L K O M M E N S T E

7.WEIIES

V. I -

WELT.

BUCH.

5.

D ie W e l t , tliefs weite Reich beseelter Wirklichkeiten, War den Substanzen nach, kein Werk gemeiner Zeiten, Obgleich ein steter Flufs die Form der Dinge treibt, Und ihr verstärkter Lauf stets gröfsern Kreis beschreibt : N e i n , wie im ersten Buch die Musen uns gelehrer,

Jüi£

68

N A I U I I

IICK

V. 6 -

D I N G E

i8-

Hat stets ihr wandelnd Seyn dem Schopfer gleich gewähret; Sie hängt an seiner Macht,

und zöge die sich ab.

So

ins

sänke

gleich

das A l l

Undings

finstres

Grab. D o c l i w i e w i r k t diese K r a f t ?

Wie weit

wird's

uns gelingen, Ins Unermeßliche mit schwachem Blick zu dringen?

D e r ältsten Weisen Schaar, v o m T r i s m e g i s t gelehrt, Hat jenen W a h n gezeugt,

den

noch

der Indus

ehrt, D e n einst F 1 o t i 11 » ) erneut, J o c h a i d e s ® )

ver-

dunkelt, Und der mit blassem Schein in B ö h m s

Aurora

funkelt.

D i e allzu fruchtbare,

z u warme Fantasey

Ist die Gebärerin von dieser Scliwärmerey; Sie mischt und wechselt stets die Bilder

mit den

Sachen, D i e durch die Bilder uns der W i t z soll machen.

sichtbar

UDER D i l

VOLLKOMMENSTE W E L L

69

V. 19 - 54D e r I r r t h u m dieser Schaar ergiefst durch manchen A r m Sein schlammigt Wasser aus. D e r ernsten Z c n o n s Schwärm Läfst ein astralisch L i c h t das ganze All umfliefsen, Und L e b e n und Verstand in alle Wesen giefsen. F l o t i n macht Gott zum M e e r , aus dem dio Geistcrwelt In tausendfachem Grad verschiedner Klarheit quellt; Der Schaum,

der diese F l u t h gleich einer Rindedecket,

Ist der entseelte Stoff, der alles Übel liecket. J o c h a i d s Mifsgebnrt tiefsinn'ger Schwärmerey B o r g t von Plotin den Grund zum seichten Lehrgebäu, Das er rabbinisch schmückt mit morgcnländ'sclien Bildern. I n unermefslichen ätherischen Gefildern ( S o träumt e r ) w a l l t ein L i c h t ,

das,

rein und

unbegrenzt Von allem D u n k e l frey die Ewigkeit durchglänzt; 4 ) Es hält,

was durch die Zeit aus i h m hervorgeflossen,

Die Saamen aller D i n g ' in seinen Schoo!» verschlossen.

70

DIE NAIBB d e r V. 55 -

DINOE

49-

D e r Erstling seiner Kraft geufst den empfangnen Schein ¡Mit ungleich reinem L i c h t in zehn Kanäle ein. Die i m m e r weniger v o m Ursprungsglanzo sclimükket, Je w e i t e r sich i h r Lauf dem Mittelpunkt entrücket. Diefs i«t die höchste W e l t , die helle A z i l u t h , Der

unvermischte Strom

aus

Ensoplis

reiner

Gluth. Mit

etwas

blasserm

Schein

giefst B r i a l i

ihre

Strahlen D e r W e l t der Geister zu, die, in gestirnte Schaalen, ( E i n dunkler K l e i d ) g e h ü l l t ,

die finstre U n t e r -

welt, D e n unbelebten Stoff, m i t mattem L i c h t erhellt. D o c h M u s e , schtycig, und scheu die heil'gen D u n kelheiten ; Ihr

unsichtbares

Licht

glänzt nicht

den Unge-

weihten! So zeugt der I r r t h u m sich in der fruchtbaren Schoofs. D e r heifsen Fantasie, und w i r d v o m Beyfall g r o f s ; Kaum tilgt ein Herkules den hundertköpf'gcn Drachen,

ODER

DI t

V O L L K O M M E N S T E

V . 50 -

66.

D e r immer sich ergänzt,

und

W t l T ,

dräut mit

71

neuen

Rachen. D u , W e i s h e i t , dämpfest i h n , dein Blitz zerstreut den W a h n ; K o m m , Göttin, z e i g e m i r der Wahrheit sichre Bahn.

D i e ganze W e l t l e g t sicli von

thätigen

Ver-

mögen, D i e sich durch innre Kraft verändern und bewegen, D i e innerliche F o r m , der Wesen Unterscheid Hängt blofs an dieser Kraft und ihrer Thätigkeit. D o c h ist die Kraft nicht selbst das, was aus ihr entspringet, So w i e die Nachtigall nicht das i s t , was sie singet. Die Wirkung

dieser K r a f t ,

die

ihr

Geschlecht

und A r t D u r c h das was sie gebiert, den andern offenbart, Ist bcy der Kreatur in Grade eingeschlossen, Und nie der Quelle g l e i c h , am der sie ausgeflossen. N u r Gott ist was er i s t ,

und bleibt sein eigner Grund,

D a uns hingegen stets in seinem öden Schlund Das wesenlose Nichts gleich todtcn Schatten quälte, W e n n nicht der Kräfte Quell die unsre stct3 bricflte.

D i p

N A T U I Y

DER

D I S C E

V . 67 — 8»Jetzt zeigt sich unserm Geist das e w i g feste Band, Das die Geschöpfe knüpft an die allmächt'ge Iland. D u r c h S i e nur lebt der T r i e b , der in den W e s e n schlaget, D i e einen k ö r p e r l i c h , die andern g e i s t i g reget: Obgleich die Änderung der K r a f t , die er beflammt, N i c h t v o n der Gottheit selbst, nein von den Wesen stammt, So bleibt der Schöpfer stets in gleicher W i r k u n g stehen, Und schafft nio w e n i g e r , nie mehr als sonst geschehen,

, Auch hier verleitet leicht zu einem falschen Schlafs D i e T ä u s c h e i i n , die ich so oft bekämpfen mufs. ,Ein Werk,

worauf L y s i p p

die

Schöpferkunst

verwendet, «Wild

mit dem letzten Druck der Künstlerhand vollendet,

.Sein Schaffen hat ein Z i e l ; steht deine P a f i a , .Praxiteles,

einmalil ganz glatt und fertig da,*

Bedarf sie dein nicht m e h r . und k a n n , um fortzuwähren,

O D E R D I E V O 1. I, K O K M E N S T E W E T- T. 73 Y. 82 — 94Des Künstlers,

Jen sie n u n weit ü b e r l e b t ,

ent-

behren. D r u m schliefst die Fantasie:

was

einst geschaf-

fen sey. Besteh nun durch sich selbst, v o n fremdem Beystand frey. Doch

läfst diefs

Gleichnifs auch sich auf

den

Schöpfer w e n d e n ? Der Künstler gicbt dem Stein,

der unter seinen

Händen Mit fremder Schönheit reitzt, die i h m H a s s a n d,r a leiht, N u r eine neue Art der vorigen W i r k l i c h k e i t ; Er schuf i h n nicht aus N i c h t s :

Allein die Kraft

der Wesen Kann nie sich v o n der Iland des e w ' g e n Schöpfers lösen; Der G r u n d ,

w a r u m sie nicht aus eigner Macht besteht,

H ö r t niemahls

auf zu

seyn;

so

sehr

sie

sich

erhöht, W i r d sie doch nie zu G o t t ,

und was sie einst

empfangen, Mufs jeden Augenblick sie stets von i h m

erlangen-

74

D I E

N A T U B

D P, 11

D M C R

V . 95 — n o . S i n g , M u s e , n u n , w i e Gott den besten Z w e c k erfüllt, Und w a s da3 Muster war, Wornach er uns gebildt. D e r Wesen Inbegriff soll seinen Meister preisen, Und seine Herrlichkeit im schönsten Abdruck w e i s e n ; D r u m schafft Gott

eine W e l t ,

die seiner Huld

geniefst, Und jenes L i c h t empfängt, das schaffend aus ihm lliefst. D i e f s ist der Z w e c k , den uns die Wahrheit heifst bemerken, Der Gottheit Ehre liegt im Glück von ihren Werken. Je mehr sie sichtbar w i r d ,

je

mehr

wird

sie

geehrt; W a s uns beseligt, i s t , was ihren Ruhm vermehrt. Diefs

ist

der Felsenrpund,

der

zwey

Kolossen

traget, Auf deren sichres Haupt sich unser Lehrbau leget. D e r eine stützt den Satz; dafs, was empfindlich ist. D e r Wesen ganze Schaar,

die Schöpfung in sieh schliefst.

Im andern'gründet sich das Glück der Geistigkeiten, Der

Triebe

Gegenstand,

die

Hoffnung

Zeiten.

befs'rer

O D E R

D I E

V O L L K O M M E N S T E

W l L T ,

75

V . i n — 125. Ist der Geschöpfe G l ü c k , des Schöpfers einzigs Ziel, So flüfst sein Allmachtshauch,

Empfindung

und

Gefühl, In so viel Wesen e i n , als in der Möglichkeiten Uneingeschränktem Reich sich ihrer Hoffnung freuten. Was hilfts dem todten Stoff,

dafs er den Geistern nützt?

Was hilfts der Sonnenglutli,

dafs sie dio W e l t

erhitzt ? Kennt V a n d y k s Mahlerey den Reitz von

ihren

Zügen? Kann sie ein schmeichelnd Glas Tvio Sylvicn

ver-

gnügen? Empfindet sie die L u s t ,

die Frynens Busen -bläht»

W e n n der Bewundrer Heer bezaubert um sis stellt? Nein,

unbekannt sich

selbst,

ergötzt sie fremde

Blicke, Und schlägt mit taubem Ohr das eitle L o b zurücke. Zsvar hat das Alterthum ein Wesen stets mifskennt, Das blofs Ideen w i r k t , vom Stoffe ganz getrennt; D i e Geister, denen es Empfindung beygeleget,

76

D I E N A I U R HER

DIRGE

V . 126 — 140.

Sind von gestirntem F e u ' r ,

das,

wenn es sich

beweget, Gedanken fühlend zeugt, und unverweslich ist, Weil,

frey von trübem Stoff, sein reiner Liclitstrom (liefst.

Auch unsre Zeiten hat der Irrthum noch beflecket, Und aus dem alten Schutt sein stolzes

Haupt

gestrecket. In GeisteT, welche sich vom Stoffe nie befrey'n, Flofst er sein schmeichelnd Gift sanft und unmerklich ein. Das Laster hofft durch ihn sich vor des Richters Blitzen, Vor gegenwärt'ger Angst und künft'ger Qual zu schützen. Sein Freund, der W i t z , hilft auch mit dienstbarem Bemiih'n, Ihm trüglich die Gestale der Wahrheit anzuzieh'n. O T h o r , um kurze L u s t ,

und die kaum halb zu schmecken,

Soll dich mit e w ' g e r Nacht des Todes Grabmnhl decken? Verachtet schmäht dein Sinn das Glück der Ewigkeit, Und doch geniefst er kaum die Hülsen von derZeit.

O D E R

D I E

V O L L K O M M E N S T E

W E I I .

77

y. 141 —153. Sio,

welche jederzeit den W a l m erzeugt und nähert,

D i e Fantasie hat auch des Xrrthums W u c h s

ver-

mehret, Den ich bekämpfen w i l l ;

aus ihrem Bilderschatz

Schmückt sie ihn reitzend aus,

und n i m m t der

Gründe Platz. Fragt n u r den Freygeist a n ,

und dringt i n ihn

m i t Gründen, Kaum w i r d er zweiflerisch sich

aus dem Netze

winden. Was,

spricht er h ö h n i s c h ,

w a s denkst du beym W o r t e , Geist?

I6ts nicht ein leerer Schall, der dich m i t Unsinn speifst? Kann was entkörpert s e y n ,

und ganz vom Stoff sich t r e n n e n ?

W a r es nicht eben das, w a s w i r das L e e r e n e n n e n ? So schlofs schon ein L u k r e z ,

und

ohne r o t h

zu seyn, S t i m m t noch zu unsrer Z e i t m a n c h falscher Weiser ein. Man zweifelt, ob ein Geist ( nach unsers L e i b n i z Lehren )

73

Die Natu h dür'Disof, V. 154 -

167.

Solch eine grofse Zahl von Bildern kann gebären, Von Bildern, welche doch sein innres Wesen scheut, Das keinen Sinn berühre, und Stoff und Dehnung meidt. Und endlich

(dieses

ist

der Kern

von

ihren

Schlüssen ) Wer sagt uns,

dafs vom Stoff wir alle Kräfte wissen?

Betrogtie Sterbliche! Vom unbegrenzten All Seht ihr den äufsern Rand,

die Schale nicht einxnahl,

Und rühmt euch doch getrost der Dinge Herz zu kennen, Und wifst die Himmel selbst, wie Kircher, 5 ) zu durchrennen. O Kaum gewordnes Nichts, das jetzt ein kurzer Wind Gleich einer Blase dehnt,

die,

eh sie ist,

ver-

schwindt; O Tliorichter, du willst in klippenvollen Tiefen, Und ohne Steur und Mast und Stern und Nadel schiffen? Viel leichter prüfte dort der ersten Schiffer Heer,

ß D E JV D I E

VOI I K O J I H I S S I I

W l l t ,

79

V. 1C8 — 182. In heil'ger Fichten Bauch, das laut verschreyte Meer, Die Nymfen sah'n erstaunt in den beschäumten Grenzen Ein

fliegend

IIolz sich d r e h ' n ,

und Schild

und

Harnisch glänzen; Allein sio schützt ein Gott, Minerva führto sie, Des goldnen Vliesses Preis rcitzt' ihre Heldenmülx: Du aber, schwacher Geist,

w i e kannst du dich erfrechen,

Und ohne Hülf und Licht die finstre See durchstechen ? Verwegen schliefest d u , der Stoff empfinde nicht, W e i l dir es einzuseh'n Verstand und Sinn gebricht. Ist das der helle Geist, den i h r so sehr erhebet, Der Strahl von Gott, der einst sich selber über' lebet? Er zeugt sich mit dem L e i b ,

fängt an mit i h m

zu blüh'n, Nimmt ab w i e e r , und ach! w i e er w i r d « r verilieh'n! Diefs ist des Dichters Schlufs, der seinen W i t z verschwendet, 6 ) Doch nur ein blödes Aug mit seinen Flittern blendat.

D i e XA'IIIU u c r . D i N uE



V. i33 — i ^ IIier ist ein weites F e l d , w o sich die D i c h t k u n s t weifst; Das m u n t r e Frankreich trägt kaum einen seichten Geist, D e r liier den W i t z nicht ü b t ,

stolz die Vernunft

verhöhnet, M i t Scherzen Gründe schlägt, und grofse W o r t e r tönet. D o c h dichte i m m e r h i n , u n d wandle w e n n du willt, In ein beseeltes W e i b Pygmalions M a r m o r b i l d ; Du

magst

nach

deiner Art

mit Mährchen

uns

betriegen; D u thürmest Reime auf, h i e r sollen Gründe siegen. D u s p r i c h s t , der Stoff e m p f i n d t , er.ists der in uns denkt, D i e Bilder n i m m t , v e r w a h r t , trennt und zusammen hängt, Sich i n die F o r m e n giefst, die i h m der Körper giebet. Und in uns w ü n s c h t , u n d scheut, und h o f f t , u n d liafst und liebet. D o c h sage, da der Stoff unendlich theilbar ist. O b diese geist'ge Kraft au» allen Theilen fliefst,

O D E R

D I E

V O L L K O M M E N S T E

Will.

gl

V. 197 — 213. Von dem was in uns d e n k t ?

Diefs mufst du uns

bejahen, Und deinen Satz zugleich dadurch dem Umsturz nahen; Flotin hat längst für dich den starken Pfeil gespitzt, Vor dem dein L u f t g e b ä u kein W i t z ,

kein E i n f a l l

schützt. D e n n sprich n u r , ist das B i l d , das jetzt dein Stoff empfindet I n jedem T h e i l e s o , dafs er's ganz in sich

findet?

Ist diefs, so w ü r d e ja ein jeder Gegenstand, T r o t z dem, w a s man erfährt, unendlich oft erkannt? D u w ü r d e s t , w i e O r e s t , nicht n u r z w e y Sonnen sehen, Unzählbar w ü r d e n sie v o r deinen Augen s t e h e n ; Dil- w ü r d ' unendlich oft was deinen Blick bestrahlt, Was andre Sinne r ü h r t , in dein Gehirn g e m a h l t ; Es w ü r d e jetler T r i e b , dein Hassen und Begehren, In der betäubten Brust unendlich sich V o n drey A n t i k y r e n w i r d ,

vermehren.

w e r diefs glaubt,

nicht h e i l ! Doch beuge klüglich dich, und weiche diesem Pfeil, Sprich,

jeder Theil des Stoffs, der in m i r f ü h l t und denket,

WiBLiiDi

W. S u r t .

I. B.

I'

82

DIE

NATUR

DER

DINOI

y . 214 — 227. Fühlt nur ein Stück des Bilds,

das i n den Sinn

sich senket: Nun sag' auch, wenn du dich beym Denken selbst erkennst, Und

dich uncndlicli

schnell vom Vorgestellten trennst,

Ist diefs Gefühl getlieilt,

und w i e w i r d es zerrissen ?

Nur Eine Kraft kann es in Eine W i r k u n g schliefsen. V\'as der Verstand ergriindt, des Scharfsinns höhet Fiup, Die Kraft, die Schlüsse h ä u f t , des W i l l e n s sanfter Zug,

Diefs alles läfst sich

nicht in Stoff und Bilder schränken,

Noch ohne Ziel getheilt, w i e du erdichtest, denken. Ein Beyspiel mach' es k l a r :

Du gehst in einen.

Wald. Und suchst, der Sonne müd, der Schatten Aufenthalt; Im gleichen Augenblick

steigt

vom

bebliiinten

Wasen, Ein süfser Dampf empor, und eilt zu deiner Nasen; Auch liürt dein Ohr zugleich das Lied der Nachtigall,

ODER DIE VOLLKOMMENSTE W E I T ,

g5

V. 228 — 242. Und sucht, i m fernen Fels den rauhen Wiederhall. N u n m u f s , nach deinem W a h n , von allen diesen Bildern Sich jodos f ü r sich selbst in deiner Seele schildern; Der Blumen süfser ITauch drückt sich ganz anders ein. Als auf der Silberflutli der Sonne Wiederschejm. Ein

jedes

fühlet

sich

(diefs

folgt aus deinen

Schlüssen ) Und sich a l l e i n , u n d kann nichts v o n den andern wissen. D e r T h e i l des geist'gen Stoffs, in dem der grüno Wald Sich spiegelt, fühlet nur die eigene Gestalt; E i n andrer w i r d allein vom B l u m e n d u f l entzücket, W e n n in den dritten sich

der Waldgesang

nur

drücket. N u n widerspricht dir nicht, was die E r f a h r u n g lehrt, W e n n der verhüllte Geist auf sich die Blicke k e h r t ? Ists

nicht Ein M i t t e l p u n k t ,

zu

dem von

allen

Dingen Die Bilder,

w i e «in S t r o m ,

durch alle Sinnen

dringen?

Dii,

N A T U R

V.

243

» E R



DINOS

E6O.

V e r m o c h t ' ein M a l c b r a n s c h ,

der Schlufs aus

Schlüssen zieht, Und m i t geschärftem B l i c k der Sätze Band durchsieht, D u r r l i die geschlofsne R e i h ' e n t w i c k e l t e r Ideen, In i h r e m L a b y r i n t h die W a h r h e i t auszuspähen. W e n n nicht ein W e s e n w a r , das alles in i h m denkt, Das die Begriffe f ü g t , und nach Gefallen l e n k t ? Und w ü r d e n nicht v i e l m e h r im allgemeinen T r e n n e n D i e B i l d e r f e i n d l i c h sich einander n i e d e r r e n n e a ?

Der

Stoff ists

also

nicht,

w a s denkt;

ein

Unterscheid, D e r tief i m W e s e n l i e g t , entfernt die Geistigkeit Vom

ausgedehnten

StofF;

Er

kann

sich

nur

bewegen Und f ü h l t sich n i c h t ; S i e f ü h l t und w e i f s 6ich nicht zu regen. So w e i t als m ö g l i c h hat der e w i g e Verstand D i e Unempfindlichkeit ans seiner W e l t verbannt. D o c h kann die Geisterwelt den Stoff n i c h t ganz verdringen. Warum?

Sein Beystand nützt den Dingen.

ungedehnten

ODEK U l i

VOLLKOMMENSTE

W ELT.

gj

y . 259—274. E r fordert iliren Z w e c k , weil er der Geistigkeit W a s i h r zum Wirken fehlt durch die B e w e g u n g leiht.

Das aber was sich Gott zum W o h l t h u n auserlesen, I s t , die beseelte Schaar der edlern geist'gen Wesen, Die, nach i h m selbst geformt, zum Fühlen aufgelegt, I n ihrem Innersten den T r i e b zur Freude hegt. E s w a l l t sein Vaterherz zu den geliebten Kindern, Und liafst der Schranken N e i d , die seinen Einflufs hindern. Sein W i l l ist unser G l ü c k ; doch gleicho Seligkeit Verbeut auf e w i g uns der Wesen Unterscheid. Warum

denn

schuf er u n s ,

fragt M a n es,

nicht zu Engeln, F e s t in des Guten W a h l ,

und frey von strafbarn Mängeln ?

O T h o r ! mit gleichem Recht klagst du die Erde an, Dafs sie der Nelken Pracht auch Distel, Löwenzahrt Und andern Pöbel mischt,

nicht stets v o n L i l j e n strahlet,

Und statt gemeinem Gras, m i t bunten Tulpen prahlet.

86

D I E

N A T U R

D E »

D I N O E

V . 275 — 291. Vielleicht begehrst du auch, dafs stete Weste weh'n, Und w i l l t die schwarze See v o n Nektar glühen seh'n ; D u lieifsest öden Sand mit Blumen sich erheitern, Und Schiffe sollen dir an Diamanten scheitern. O flieh aus einer W e l t , der die Natur befiehlt, Und zaubre dir ein Reich, w o r i n die Wärme höhlt; D e n Bach. der bey uns rauscht,

lafs Operlieder

singen. Und aus des Frühlings Schoofs Rubin und Perlen dringen. W i e eng ist eine W e l t , die nur Halbgötter trägt, D i e ein einförmig L i c h t mit gleicher Wonne pflegt! W i e klein wird da die Zahl der Mannigfaltigkeiten, D i e fern E i n E n d z w e c k r u f t , und die harmonisch streiten!

Und kann die Gottheit seh'n , dafs ein unzählbar Heer Das eines kleinem Glücks nach Graden fähig w a r , Umsonst

z u s e y n sich sehnt?

Kann

diefs die-

ew'ge L i e b e ? O nein! Sie,wallt zu uns mit allgemeinem Triebe, Und flöfset Wirklichkeit und zugezählte Lust,

O D E K

D I E

V O L L K O M M E N S T E

W

ELT,

ß7

V . 292 — 307. Nach jede» Fälligkeit, in aller Wesen Brust. Das

Elend,

welches

jetzt

die

niedern Klassen

leiden, Verliert

eich

nach

und

nach

in

eino See v o n

Freuden. Des Übels ganze S u m m ,

w i e grofs sie B a y l e n dünkt,

Ist kaum ein Regentropf,

der in das Weltmeer sinkt,

Verglichen mit dem G l ü c k ,

das noch

entfernte

Zeiten, V o n T i t a n nicht erlebt, den Geistern zubereiten.

D e r innre Unterschied der wesentlichen Kraft Ist, was die Einzelnheit in den Substanzen

schafft.

Verschiedne Fähigkeit zu fühlbaren Gedanken Vertheilt der Wesen Ileer in abgemefsne Schranken; Und ein geheimes Band, das alle Geister reiht, Knüpft Arten und Geschlecht nach ihrer Ähnlichkeit. Diefs ist der Liebe H a u c h ,

den O r f e u s

schon

besungen, D u r c h den E m p e d o k l e s

der Saamen Streit verdrungen.

So ward die Geisterwelt, die durch Ideen lebt,

38

D I E

N A T Ü B

DFU

V. 308 -

D I N C C

526.

Und mit verschiednen S c h w u n g zur Gottheit sich erhebt, D i e Weisheit schränkte sie in ungezählte Klassen, D i e nach bestimmter Zeit sie höher steigen lassen. M i t ungleich sattem T r i e b naht der Natur Gebot, D i e einen ihrem Quell, die andern noch dem T o d .

Bekränzt mit stillem L i c h t , strahlt eine g r ö f i r e Sonne D o r t einen C h e r u b

an,mitnnvermischterWonne,

Sein scharfes Auge sieht durch unsre Nebel hin, R e i n trübes Vorurtheil schwärzt seinen hellen Sinn. I h m zeigt sich die Natur in unverhüllter Schone, Sein geistig Ohr entzückt der Sfären L o b g e t ö n e ; Manch neuer Sinn führt ihn ins innre Heiligthutn D e r grofsen Schöpfung ein, w o des Erschaffers Ruhm I n ew'gen Flammen brennt auf ewigen Altären. E r theilt die Seligkeit mit tausend E n g e l 1 Kören ; D e r Wahrheit Urbild selbst w i r d stets von i h m erblickt, Und reine L i e b e ists , was seine Brust entzückt. So nähert er sich stets der Geister erstem Quelle, Und w i r d i m Nähern stets v o n reinern Strahlen helle.

ODER

DIE

V O H I t O M M f B S T E

W iL JL T .

V. 327 — 542Viel niedrer drängt sicli dort auf zweifelhafter Bahn E i n noch nicht reifer Geist zur Soelenruh hinan. W a s hilft ihm die Vernunft,

die ihn beglücken

könnte W e n n seine W a h l sich nie von ihrem Ausspruch trennte? Seih Ilerz verlangt nach L u s t , die falsche Fantasie Verdoppelt ihren Reitz, und raubt zugleich ihm sie. Sie reitzet die B e g i e r ,

und

weifs sie

nicht

zu

stillen,

Und lockt mit eitclm Glan4 den

oft

betrognen

Willen. Indem er hin und her ein Gut sucht, das ihn (lieht, Ruft ihn mit siifsem T o n der W o l l u s t Zauberlied. Im blumenreichen T h a l ,

wo unser Myxteu-

schatten Der Venus Tauben sich im stillen Laube gatten, W o alles scherzt und liebt,

und stets im lauen

Wind E i n unsichtbarer Dunst von süfsenSeufzern schwindt, Dort liegt die Zauberin auf buhlerischen Rosen. Gytherens kleiner S o h n , nie müd i h r liebzukoaen,



Die

Natuk

d D i n g e

v . 543 — 560Schlingt sich»

dem Efeu gleich,

um ihre Ueifs«

Brust; I h r funkelnd Auge veitzt zu untersagter Lust. I h r schwarzes Haar,

das leicht um ihren Nacken schwebet,

D ä m p f t jüfsen Balsam

aus;

den W e s t ,

der

sie

umwehet, Schöpft sie r o l l Lüsternheit und kühlt den matten Gaum; Der Liebesgötter Schaar verengt um sie den Kaum, Und spielet sorgenlos,

doch schwirrt bey ihrem Scherzen

Manch unsichtbarer Pfeil in uliverwahrte Herzen; Der trunkne Bacchus liegt zu ihrem Fufs gestreckt; Von weicher Flöten Schall zur Üppigkeit erweckt E r h e b t er sich , den Kor der Faunen und Mänaden, Der in die Schatten

floh,

zum wilden Tanz zu laden.

Diefs ist der Wollust Hof, aus diesem Zaubergrund Ruft sie dem Wandrer zu, ihr allzu süfser Mund Bethört sein willig Herz, er küsset sein Verderben, Und saugt aus ihrem Blick ein angenehmes Sterben. D o c h wenn die Zauberin ihn kurze Zeit berückt, Raubt i h m ein Augenblick, was ihn vorher entzückt;

ODER

DIE

VOLLKOMMENSTE WELT.

91

V . 361 — 376. ( Wie ein treuloser Traum, indem er uns vergnüget. N u r durch ein hold Gespenst des Herzens Sehnsucht trüget, Und von der Schattenlust kaum einen

schwachen

Rest, Des Schattens Schatten, nur zu gröfserm Schmerz uns l ä f s t ; ) W o lauter Anmutli w a r , sieht er erstarrte Klippen Und todten Sand gehäuft; Armidens süfse L i p p e n , I h r Auge

a

reich an L u s t ,

ist m i t dem leichten Schwärm

D e r Liebesgötter w e g ; er sieht v o m dürren A r m D e s Ekels und der Reu mit Abscheu sich umfangen. Bald bleicht die kalte Furcht die schnell verblühten Wangen, Wenn

des

Gewissens

Spruch

ihm

seine Strafe

droht; Bald streicht die späte Reu i h m ihr verhaistes Roth. Aufs blasse Angesicht; von der genofsnen Freude, Bleibt nichts als die B e g i e r ,

und nagt sein E i n geweide.

Doch

da er

liegt und seufzt, und seine N o t h bethränt,

Und ohne Hoffnung sich nach einem Retter sehnt,

DIE

92

H A I U S

DIU

D i i t i

V . 577 — 391. Blickst du, o T u g e n d , i h n , uniglänzt von sanftem Lichte, Voll innern Mitleids an , mit tröstendem Gesichte. Die Kraft,

die in

sein Herz mit deinen Blicken lleufst.

Belebt mit neuem Muth den auferweckten Geist, D u hebst ihn liebreich auf,

und führst an deiner Seiten

Ihn deinen hohen W e g zu bessern Ewigkeiten. In noch geringerm Grad hüllt dort ein Raupeuklcid E i n schwächer Wesen e i n ,

und reitzt oft unsern Neid.

Mit weniger Vernunft mifskennt es unsre Plagen, Und braucht in steter L u s t sein kurzes Mafs von Tagen. Befreyt vom bleichen Neid, der unsre Ruh verzehrt, V o m ekeln Unbestand, der unsTe Wollust stört, Schmeckt es die jetz'ge L u s t , und säumt sich nicht im Wählen, Und kennt die Mittel n i c h t , sich sinnreich selbst zu quälen. D e r Rose külile Schoofs, der Nelke Purpurgrund,

O D E Ii

DIE

V O L L K O M M E N S T E

Will,

93

V. 592 — i\o6. Keitzt e s ,

w i e dich,

Myrtill,

Aminen«

kleiner

Mund; Sein Leben ist G e f ü h l , es s c h w i m m t in trunknen Freuden, Und seine W o n n e

Stört

kein vorgesehnes Leiden,

Z w a r schliefst ein enger Kreis die dunkeln Sinnen ein, Allein es w i r d nicht stets in dieser Kindheit seyn: D i e Z e i t , und jener W e g , durch den die Wesen steigen, W i r d ihm ein neues Feld einst zum Empfinden zeigen; Voll Wunders sieht es dann, den Geistern zugestellt, Sein neues Daseyn a n , und eine neue Welt, So i s t , w a s f ü h l t und denkt, an Graden manch erley: D o c h keines ohrte L u s t , von Mängeln keines frey. Der reinste Cherub f ü h l t den Damm der Endlichkeiten, Den unsichtbarsten W u r m erwarten befsro Zeiten. Von Gottes Hand g e f o r m t , stellt der Substanzen Schaar D e r ersten Züge Rifs von »einem Wesen dar.

94-

DIE N A I K S DIR

Diboi

V . 407 — 421. J e näher sie sich hin zu ilnetn Urbild kehren, J e herrlicher kann sie sein reiner Glanz verklären.

Sie fühlen alle s i c h ,

w e n n von der äufserh Welt

E i n geistig Bildnifs sich v o r ihre Augen stellt. Und dieses B i l d erweckt in den gerührten Herzen, Das

eine L i e b ' und L u s t ,

ein anders Hafs und Schmerzen.

Des Willens Richtungskraft kann nie gleichgültig seyn, E i n V o r w u r f llöfset stets Hafs oder Neigung ein. S o hat der höchste G e i s t ,

was ihn

vollkommen

schmücket, M i t oft gebroehnem L i c h t den Wesen eingedrücket, V o m Quell der M ö g l i c h k e i t , v o m göttlichen Verstand Ist die Vorstellungskraft m i t

w e i s e r Kunst

ent-

wandt; Und der Begierden S t r o m ,

die stets zum UrbTunn quillen,

Zeigt- uns ein Schattenbild v o m allerbesten Willen. K e i n Geist verschmäht sein G l ü c k , und liebet was ihn kränkt,

ODER D I E

TOllSOMMEBiTE W i l l ,

g5

V . 422 — 434W e i l seine Neigung sich von telbst zum Bösen lenkt; Nein,

W i t z und Leidenschaft betrügt die blöden Herzen,

Und locht mit falschem Reitz zu

angenehmen

Schmerzen. Die L i e b ' umfasset nur was sie durch Schönheit rührt, Was

gut und nützlich scheint,

und süfse Lust

gebiert; Sie ist der schönste Strahl

vom

schöpferischen

Blicke, Die Wurzel unsrer L u s t ,

der Keim von liöhcrm Glücke.

Zu dem w i ^ Gott selbst liebt, zu der Vollkommenheit, Füllt dieser edle Trieb die Brust mit Zärtlichkeit; W o schöne Ordnung reitzt durch weisliclies Verbinden, Eröffnet er das HeTz, sie lebhaft zu empfinden. Er treibet den Verstand, und setzt ihm Stacheln an Wenn

ihn

der Schlaf besiegt;

der Vorurtheil«

Wahn,

96

D I E N A T U R DER

DINOE

V . 4 3 5 — 449-

Der I r n k a m flieht vor i h m ;

er giebt sich nicht

zufrieden, Und hört nicht a u f , den Geist durch Flehen zu ermüden, Bis er zur rechtcn Spur der holden Weisheit kehrt, Die ipit Zufriedenheit, der Geister Kost, sich nährt. O Liebe,

süfser Zug

zu W e s e n ,

die uns

gleichen, Du

herrschest

unbegrenzt in

allen Scliöpfungs-

Reichen. Dich fühlt der schwächste W u r m ,

dich fühlen

Serafim, Dich fühle der Schöpfer selbst!

Du führest uns

zu ihm. Du bist die Geberin der schönsten besten Freuden, Und keine andre Lust bezahlt selbst deine Leiden. O!

tönte mein Gesang h o c h , w i e ein himmlisch Lied,

Piein, w i e im Cherubin dein ew'ges Feuer glüht. So süfs w i e deine L u s t , so stark w i e deine Triebe, Denn w a g t ' ich kühn dein L o b , denn solltest du, o Liebe, Des heiligsten Gesangs erhabner Inhalt seyn!

O D E ft D I E

V O L L K O M M E N S T E

W E L T ,

(fj

V . 450 — 4f»')> W e g , trunknc Sänger, w e g , die ihr v o n L i e b und Wein, Dort

w o 1 beym Faunen - Tanz

die

wilde

1 löte

schallet, Auf feiler Frynen Schoofs mit starrer Zunge lallet; E n t w e i h t den Nahmen nicht, der Engeln heilig ist, W o m i t der Himmel selbst den Unerschaffnen griifst; Den Nahmen,

dessen Macht die

bessern Welten

ehren, Und dessen W u n d e r uns einst E w i g k e i t e n lehren I

D i e schönsten Bündnisse, die unsre Seele kennt, Die

keusche F l a m m e ,

die durch Hymens Fackel brennt,

D e r holden Sippschaft Quell, die mächt'gen Sympathien, W o d u r c h sich wechselweis verwandte Seelen ziehen ; D u , Freundschaft,

siifser Trost des L e b e n s ,

das

von dir Erst seinen Reitz e m p f ä n g t ,

und Sicherheit

und

Zier; D i e höh''re L i e b e selbst, w o m i t w i r im Verlangen Das menschliche Geschlecht und die Natur fangen, Wiblanbi

\V. S e r n , I. B.

G

um-

DIE NAII'H

D I K D I I C E

V. 465 -

479-

Sind nur ein Strahl von dir» den deines Anhauchs Macht in unsrer kalten B r u s t , o L i e b e , angef.iaht. Geschwisterlich v e r w a n d t m i t diesem schönen Triebe, Ist die B e g i e r n a c h R u h m , des edlen Lorberg Liebe; Auch sie ist

unserm Geist v o m H i m m e l

ange»

stammt. Sia

spornt zur

Tilgend

an.

Von

ihrer Gluth

beflammt, Hat ein Prometheus sich der Sonne zugeschwungen, Und den verbotnen Strahl und seine Straf' errungen. Sie hat das erste Volk von Eicheln abgewöhnt, Und seiner Enkel Pracht von einem W u r m entlehnt. D u r c h sie erfand ein T e u t

der Wissenschaften

Saamen, D u r c h sie blüli'n noch im Tod erblafster Helden Nahmen. Sie legt der W e i s e n Geist beseelte F l ü g e l an, Und hebt sie zum Gestirn auf untersagter Bahn. Sic lehrte,

Valla,

7 ) dich der Schule Hohn « u sprechen,

O D E 1\ DIE V O I 1 ] ; O M J I E [ , S I E W E H . V. 480 -

99

496.

Und am Aquin uiiilDuns 3 ) der Wahrheit Schmach zu rächen. Durch sie hat P i s a ' s S t o l z 9 ) der Sterne Zahl vermehrt, Und dich, Urania.» durch Gläser seh'n gelehrt. Durch sie zwang G e r i k e , 10) die L u f t vor ihm zu

fliehen.

Und Iiiefs ein magisch Feur aus halten Körpern sprühen. Dem N e w t o n zeigte sie i m weifsen Sonnenstrahl Durch ein dreyeckigt Glas der Farben heil'ge Z a h l ; Von ihr gelehrt, hiefs er in abgemefsnen Kreisen, Restrahlte Welten stets um ihren Brennpunkt reisen. Sie führte, L e i b n i t z , dich auf unbetretner Spur, Durch manchen Labyrinth ins Innre der N a t u r ; Dir w a r der Ruhm bestimmt, den StoiF selbst zu beleben, Und lauter Harmonie der schönsten W e l t zu geben. Doch eben dieser T r i e b , wenn die Vernunft ihn nicht In strengen Zügeln hält, und seine Ilit-se bricht, Ist ohne Ruh bemüht, sich und dioWelt zu quälen. Und opfert seiner W u t l i erschlaguer Brüder Seelen.

lOO

DIE N A T U » d e r DIKOR

V. 497 — 5«3Er reitzt die Hcrr'n des Nils den Himmel nah zu aeh 'n, Und von gebranntem Leim Gebürge zu erliöh'n, Wo unter theurer Last, mit Menschenblut gefiiget, Ihr moderndes Gebein in öden Winkeln lieget. Er führt' einst Filipps Sohn durch manch entvölkert Land, Im blutigem Triunif, bis an den Indus - Strand. Es feurteCäsarn an, Roms Freiheit zu zertrümmern. Und im erbleichten Glanz des Vaterlands zu schimmern. Er stöfst des Lieblings Dolch, der Wohltliat unbewufst, Die ihn verwegen macht, in seines Fürsten Brust; J a , er bewaffnet selbst,

dir,

Herr der Welt,

entgegen, Die Thoren, die Ein Wink zu deinem Fufs kann legen, So weicht die Ruhmbegier, die uns der Himmel gab, So bald ihr Führer fehlt, vom ebnen Gleise ab. Sie soll den ew'gen Geist von diesem Ball entfernen, Zu würdigerm Geschick in strahlenreichern Sternen; Allein oft läfst sie sich von falschem Winde blali'n,

i D E I i D I E T O I I I I O M M E K S T E W F I. T. XOl V. 5*4 — 55>Sie liebt s i c h , steigt, und w i r d sich bald i m Staube drch'n; So stürzt den Faeton die W u t h der Sonnenpferde, D i e i h r e n - H e r r n v e r m i f s t , zur mötterlichen Erde. D o c h lehrt der öftre Fall den hintergangnon Geist, Bis i h m ein sichres L i c h t

die w a h r e L a u f b a h n weifst,

Auf dem die Helden sich durch manchen

Feind

geschlagen, Und den errungnen Preis den H i m m e l n zugetragen. D e r Gipfel alles R u h m s , den die Begier erreicht, Ist eines Engels Glanz, der seinem Schöpfer gleicht. J e fähiger die Z e i t zu diesem Glück sie machet, Je stärker w i r d der Brand i m Nähern angefachet, Bis endlich unser Seyn in seine Quelle sinkt. Und unvermischte L u s t i n vollen Strömen trinkt. Diefs ist der schönste Tlieil von dem vollkomai* nen G a n z e n ; Das unbegrenzte Reich empfindender Substanzen, D i e eine Leiter h ä l t , an der das Ende fehlt, W o vom geringsten W u r m ,

den k a u m ein T r i e b beseelt,

Bis zu dem Chei u b i n ,

der sich in Gott verlieret,

102

Die N a t u r

der

Dinge

V . 532 — 556. Geschöpfe ohne Z a h l des Schupfers Bildnifs zieret, Iii

u n g l e i c h hellem G l a n z ;

wo

jedes

Schönheit

liebt, Und sich nach W o n n e sehnt, und seine Kräfte ü b t ; Wo

jedes,

durch

dio

Zeit

mit

reinerm

Licht

gesclunückct, In befsro Z u k u n f t stets m i t hcllerm d u g s

hlicket.

93O d u , der Nichts begreift, und alles w i l l ciklären. W e n n w i r d die Weisheit dich sokratisch zweifeln lehren ?

D e r K o r p e r w i r k t und l e i d t , sein Stoff bleibt stets gedehnt, So sehr ihn I l a l l e y theilt,

und w i r d nie ganz zertrennt,

So w i e der Geist sich nio in einen Körper wandelt» D i e Denhungskraft verliert, und gleich Maschinen handelt. Der G e i s t , der denken z w a r ,

nicht sich bewegen

kann. N i m m t andrer Eindruck auch unmittelbar nicht a n ; Hingegen kann der Stoff aus innerem Vermögen, Das ihm der Schöjjfer g a b ,

sich selbst und andre regen.

D o c h ist sein Wesen gleich v o n aller Einheit frev, So zeigt doch die Natur, dafs sie nicht fällig sey, A u c h seinen kleinsteil Tlieil unendlich fortzutheilen, Und Sonnenstäubchen stets in kleinere zu feilen. Nein!

endlich bleibet sie

bey

solchcn

Splittern

stcli'n, Die v o r dem Diamant an fester Härte geh'n.

J£2

D I B N A T O R B E K D I K O S

V . «93 — 207. Sclion M o s c h e e ,

sagt m a n ,

hat die T y r e r sie

gelehret; D e r Beyfall nährte s i e , bis sie L e u c i p p entehret. D e r sie mit E p i h u r £ft D I E

VOLLKOMMENSTE V. «

-

W i l l .

157

57-

Der ganze K r e i s , dei sich, voll von äther'scher I'luth, CJm unsre Sonne dreht, (die in dem Brennpunkt ruht, Und ihr heilsames L i c h t zu sechzehn Erden sender. Die ein geheimer Zug in eignen Bahnen

wendet)

Scheint vom Unendlichen der schlechtste T h e i l zu seyn, Uiul schliefst die niedrigsten der Geistigkeiten ein.

Hier ist der dunkle Ball, an dem die Menschen hängen Und bin ein schimmernd Nichts, das keinem bleibt, sich drängen, Nimmt in der Welten Zahl er gleich den untern Platz, So ist ein Kreis doch voll von unerkanntem Schatz. Cs soll zu liöherm Glück die Seele vorbereiten, Druin ward er ausgeschmückt mit so viel Trefflichkeiten, D i e , ist ihr Reitz gleich grofs, doch die Gewohnheit bald Mit ekler Galle färbt.

D e r kurze Aufenthalt

( K a u m einer Ilerberg gleich ) auf der zu kleinen Erden,

D

I5ß

I E

N A T V R D E R D I U OE

V. 58 — 5 2 . Soll uns

durch

sio versiifst,

nicht paradiesisch

werden. Die Wollust, die uns hier ein irdisch Gut gewählt, Soll n u r ein Vorschmack s e y n , der die Begierden mehrt, Mit angefachtem Fleifs nach jenem wahren Leben, Aus dieser D ä m m e r u n g , e r w a c h e n d , hinzustieben. D o c h , tliränenwerthcs V o l k ,

dein Endzweck

und dein Stand, Selbst deine H o f f n u n g e n , die sind dir unbekannt! Vergessend,

welch ein Glück die Arme nach dir strecket,

Hängst du dich an ein G u t ,

das dir n u r D u r s t

erwecket. Z w a r du g e w a h r s t es selbst;

mit

unvergnügtem

Sinn Verlärs'st du es, und schwärmst zu tausend andern hin, Die

dein

nie salter Geist bald w i r d zu

flüchtig

finden, Die ewige Begier vom, Wünschen los zu w i n d e n . Ein schönes Hiudernifs reitzt dich betrüglich an, V o r L u s t vergissest du dein Z i e l , und deine Bahn.

» D E II

D I E

V O L L K O M M E N S T E

W

E L I ,

159

V. 53 — 67. So riefen dem Ulyfs die lockenden Sirenen, V o m zauberischen Strand mit tödtlichsüfsen T ö n e n ; So nahm das Weine Heer, das diesen nocli entging, Der süfse Lotus ein, der Aug' und Zunge

fing;

Das rauhe Itliaka ward jetzt mit Lust vergessen; Jcdocli der Heid zieht f o r t ,

und läfst sie Lotus essen.

O Mensch,

wenn lernst du einst,

wozu du

ewig bist. Und dafs dein Ilcrz zu grofs für diesen Erdball Benachbart mit

dem N i c h t s ,

füllt dort

ist. ein

traurig Heer Den nnbestralilten Raum.

Von innerin Lichte leer,

Emplindt es kaum sich selbst; den Schlaf, der es bestricket, Stört kaum ein schwaches B i l d , das in den L e i b sich drücket. Auch sie bedeckt

ein K l e i d ,

von dichtcm Stoff

gewebt, Durch

den

der

Gegenstand

vor

ihrem

Sinne

schwebt; Doch weil kein erüfsers Haus ihn mit der W e l t verbindet,

1C0,

DIE NATUR

V.

Was Wunder,

DER

DINCE

68—82.

dafs er kaum sein dunkles Seyn empfindet?

Er fühlt zwar, doch nur schwach; auch scheinet seine Brust Zum Schmerze noch zu trag, und noch nicht roif zur Lust.; Unthätig bleibt er stets im Gleichgewichte liegen, Von bittrer Unlust frey, unfähig zum Vergnügen. Aus diesen Wesen sind dio Körper aufgehäuft, Die man sonst insgemein im Miuern - Reich begreift. Du, L e e u w e nli o k, "zeigst uns mit scharfbewehrten Augen, Was Menschenblicke sonst nicht zu bestrahlen laugen j Zeigst dem erstaunten Blick den ganzen Stoff belebt, Und wie das Sandkorn selbst von regen Thierchen v.cbt; Vor deiner. Scharfsinns Strahl ist unsre Nacht verschwunden, Der Erdekleinsten Punkt hast du bewohnt gefunden. So gründet nnsernSatz, den die Vernunft gebeut, Auch der Erfahrung Spruch, und hilft der Sinnlichkeit.

ODER D I E V O L L K O M M E N S T E W E L T . V- 85 -

l6l

93-

Doch kein vergrößernd Glas führt die geschärften Blicke Aufs unterste Geschlecht der Kreatur zurücke; Denn diese deckt ein Leib vom feinsten Stoff erbaut, Den selbst kein L e e u w e n l i ö k ,

keinNeedham

jemahls schaut. Er Iäfst sich nicht

aufs neu in kleinre Wesen schneiden,

Die

sich

in andern Stoff, nach gleicher Regel, kleiden.

Hingegen das G e w ü r m , wovon im Tropfen Nafs E i n I I o o I i , ein S w a m m e r d a m , viel Millionen mafs, Läfst ein sichtbarer Leib in schärfre Augen dringen, Ein L e i b , der fähig i s t , sich zeugend zu verjüngen. Dicfs zeigt, dafs unter ihm noch tiefre Klassen geh'n. D o c h endlich bleibtderGeist bey einerGattung steh'n, D i e allen andern weicht, ob ihr der Trost gleich bleibet, Dais einst die späte Zeit sie weckt und hoher treibet. E i n jedes Glied der Zahl, der unmefsbaren Zahl, Vom niedrigsten Geschlecht,

trägt ein natürlich

Mahl, WlKLANDI W. SVML, I. B.

JL

DIE NATUR

ife~

DER

Diner.

V.,99 — 1 1 4 .

Das von den andern es im Westen unterscheidet* Die Kraft, die es bewegt, der Leib, der es bekleidet. Hat was ihm eigen i s t ; auch was es jetzt empfindt, Ob seine Bilder gleich n u r matt und einzeln sind, Ibt nicht vollkommen gleich m i t d e m , was andre reget, Die sonst die Ähnlichkeit am nächsten zu ihm leget. O Mannigfaltigkeit, dio hier mein Auge f ü l l t ! G W e i s h e i t , Geist der W e l t , \Vie grofs w i r d mir dein B i l d ? Der Ser&f steht erstaunt,

und

w ü n s c h t dich zu

ermessen, D o c h er ermifst dich n i c h t , häuft er gleich Grofs* auf Gröfsen. N o c h m e h r , ein w e n i g Band hält jede Geistigkeit Des niedrigsten Geschlechts ans Ganze angereiht; Weil

alle

Wesen

eich

zu

gleichen

Zwecken

schwingen. Und zu

des Ganzen Zier

verscliiednen

Beytrag

bringen.

Der Schöpfer, ( e h r e t i h n , so oft sein N a h m erschallt, Ihr Sonnen, lichter Staub, der seinen Fufs u m w a l l t ! )

« S E H DIE VOtLKOMMENSTE

WELT,

l6j

V. 1 1 5 — 128. Hat

durch

dar Liebe

Zug

den

innern

Stroit

geschlichtet, Und das Mann'gfältige harmonisch eingerichtet. Auch da, w o unser Sinn nur blasse Gleichheit sieht, Strahlt Ordnung, Schönheit, L u s t , in ein verklärt Gemüth. Kein finstres Chaos mischt die kämpfenden Substanzen, Hier herrscht der Weisheit A r m , und schaffet Rull im Ganzen. Um einen Grad erhöht, beseelt das Pflanzenreich, Ein besseres Geschlecht, doch Thieren noch nicht gleich. Auch dir,

du holde Zucht der immer fruchtbarn Floren,

Wird in dem schönen Leib ein Wesen angeboren, Das sich und ihngeniefst. Kein GraB, kein unwerth Kraut, W i r d aus Aurorens Brust erquickend angethaut, Das nicht im weisen Bau von wohlgefügten Rühren, Dem gleichgestimmten Geist Empfindung kann gewähren.

1G4

D I E NATUH DER

DINÖE

V . 129 — 144. D u lachst,

bestäubtes Heer megarischer E u kliden, 1 )

Dafs

wir

den

Pflanzen

tlnlt

es n i c h t ;

selbst

Empfindlichkeit

beschieden? D i e Muse

der Weisheit

milder

Hauch Hat längst sie schon beseelt,

und die E r f a h r u n g

auch. Z e i g t ihrer Glieder B a u ,

(ein Werk,

das selbst

die Weisen Z u schwach es durchzuseh'n,

nur v o l l Erstaunen

preisen,) In seinem Wesen selbst, in B i l d u n g und Gestalt, Nicht eine Ä h n l i c h k e i t , die in die Augen strahlt, M i t andrer T h i e r e L e i b ? E i n wundersam Gespinsto Yon Nerven,

nimmt die F l u t h

der

eingesognen

Dünste, Und kocht das siifseBlut, das von der Sonn' erhitzt. Sich durch der Adern Höhl' in alle Glieder s p r i t z t ; D i e eingeschöpfte L u f t d u r c h w e h t in tausend Röhren D e n angefachten L e i b , und h i l f t das Leben nähren. Ist

nicht

der T h i e r e L e i b

mit

gleicher

Kunst

gewebt? D e r Same selbst, durch den sich jedes überlebt,

ODER D I E V O L L K O M M E N S T E W t l T .

^65

V. 145 — i f i ° . Nimmt eigne Glieder ein, die im Geschlecht sich trennen, Und olinc Liebe nicht sich selbst erneuern können. Durch dich, o Pafia, durch dich lebt die Natur ; Auch Blumen

fühlen dich,

dein Trieb

gebiert

sie nur. So bald dein warmer Hauch, den uns, auf lauen Schwingen, Des

Frühlings

Erstlinge,

die

muntern

Weste

bringen, Den rauhen Nord verjagt, und Schnee und Wolken flieh'n, Dringt aus der Erde Schoofs ein jugendliches Grün. Die Samen dehnen sich, und fühlen deine Triebe, Die ganze Erde haucht die eingeflöfste Liebe. Die Bäume schmückt ihr Kleid, der Vögel luftges Heer Ruft dir frohlockend zu, dir heitert sich das Meer; E s glänzt,

ich weifs nicht w a s ,

im Auge junger

Schönen, Und ihren Buson schwellt ein unbekanntes Sehnen. D i e f s , Liebe wirkest du,

und so

erhält

durch

dich, Und deinen süfsen Z w a n g , der ganze Erdkreis sich.

i66

D I E

N A T U R

D I U

D I N G E

V . 161 — 175. W e n n mit L i n n e u s

nun in Florens buntem Kinde

Ich so v i e l Ähnlichkeit m i t andern Thieren finde, Und sein belebter L e i b , durchaus organisiert, E i n aromatisch B l u t durch tausend Adern führt, W a s hindert u n s ,

es

auch gleich

Thieren,

zu

beseelen? Kann w o h l dem Geisterreich ein möglich Wesen fehlen ? Sprich nicht, w i r sehen nicht, dafs sie ein Gliedmafs ziert Das zum Empfinden taugt, und fremden Eindruck spürt. Seit w a n n hat die Natur uns ihren Sehoofs' entdecket? Bleibt uns der gröfste T h e i l

der Z w e c k e

nicht

verstecket? A u c h die Veränderung i m eingenommnen Platz, Dia den Gewächsen fehlt,

bekämpft nicht meinen Satz.

D e r Austern träges V o l k , das an den Felsen klebet, Vortauscht nur durch Gewalt den O r t ,

an dem

es lebet. Verändert gleich das Kraut die erste Stelle'nie,

OTIE n

DIE

v o i

U ; O M M E 5 J T I

W E L T .

167

V . 176 — 192. Ists doch nicht regunglos; es öffnet selber früh DenhalbgeschlofsnenKelch den angenahten Strahlen, Und schliefst bey ihrer F l a c h t die stcrnengleichen Schalen, Es wendt sein blühend Haupt verliebt der Sonne zu, Grüfst s i e , da sie e r w a c h t , und sucht mit ihr die Ruh. 2 )

D i e Seelen, welche w i r den Pflanzen zugegeben, Naht schon ihr

innrer

Stand

dem

animal'schen

Leben; Wirksamer als die A r t , die unter ihnen schläft. Kennt ihre Kraft schon mehr das geistige Geschäft. Sie fühlen, w e i l ihr L e i b die Bilder vor sie stellet; D o c h ist ihr Bild der W e l t gleich dämmernd aufgeheilet. So fühlen sie doch schwach und ohne Deutlichkeit, Und

was?

Vielleicht

dafs sie

der Weste Kufs

erfreut; Vielleicht empfinden sie den Balsam ihrer Düfte, Und athmen voller Lust die süfsen Frühlingslfifte; D e r Sonne wärmend L i c h t , des Äthers reiner Flufs, W e r zvpeifelt,

dafs er »ie nicht viel roufs?

vergnügen

DIE

NATUR

DER

DINGE

V . 1 9 3 — 2Cß.

Auch w i r d

der T h a u ,

womit

sie

laue Näfchte

tränken, Nicht ohne Wollust sich in ihre Adern senken. Hier ist ein weites Feld den Dichtern aufgethan. W o sich ihr muntrer W i t z erfindend üben kann; Doch krönt nur ein Vielleicht, was sie begeistert singen, Und Klio schweigt voll Ernst von zweifelhaften Dingen. Noch keine Zahl unischränkt den weiten Z w i schenraum, Von Libans altem Stolz, dem lüft'gen Cedernbaum Bis zu den Thieren auf, die sich vernünftig nennen, U n d , trotz der Ähnlichkeit, ihr Ürgeschlccht verkennen. Der Muscheln stachlicht Heer naht sich noch sehr dem Kraut; Ihr kaum belebtes Fleisch schliefst eine rauhe Haut, Bewundernswerth

gedreht,

mefskünstlerisch

ge-

kerbet, Und mit verborgner Hand, zur Scham der Kunst, gefärbet, In deren L a b y r i n t h , von Titan undurchscheint, Manch weichbeschaltes Ey zur Perle sich versteint.

ODER D I E V O L t K O M MENS T E W E L T .

l6c)

V. 20g — 221. Der Fische stummes V o l k , die Nachbarn der Najaden. Trägt

ihr

beschwingter

Leib

in

ungegründten

Pfaden, Den regen Thieren gleich; doch kehrt ihr stumpfer Sinti Sie mehr zu Florens Reich, als zu den Thieren hin. Der Raum vom Schuppenvolk zu den vollkomm« nern Thieren, Die auf dem trocknen Land iii Wäldern sich verlieren, Erfüllet das Gewürm, das Erd' und L u f t erfüllt, An harten Rinden nagt, und selbst im Marmor wühlt. Der Wälder schwarzenForst durchbrüllen wilde Rachen, Die im bewehrten Leib sich schwächern furchtbar machen. Doch hat die Weisheit sie in unwirthbaren Sand, Wo

Gluth und Dürre

tobt,

von uns

hinweg

gebannt. Uns nützet blofs ihr T o d ,

von

andern auch das

Leben»

170

D I E N I T u n DER D I S O I V . 222 — 256.

Die ohne Zwang uns Milch und warme Wolle geben: Da andre,

deren Fleisch

uns

die Natur

Iieifst

scheu'n, Z u Last ynd Arbeit stark, uns ihron Rücken leih'n. Ja selbst das wilde Vieh, ( w a s wird ein Mensch nicht wagen? ) Zwang die Gewalt der List nicht gern das Joch zu tragen. Die Jovial'sche L u f t belebt der Vögel Schaar, Und bringt ihr frisches Lied der nähern Sonne dar. Das reine Element, worin sie muthig schweben, Scheint über niedres Vieh

des Adlers Reich zu heben.

Der Schwalbo kluger Fleifs, der ihre Wohnung fügt. Der Nachtigall Gesang, der Bäume selbst vergnügt, Die süfse Vielfachheit, die ihre Stimme drehet, Jetzt gurgelt, jetzt vertieft,

jetzt wunderschnell

erhöhet, Naht sie der Menschlichkeit.

Wie singt von ihrer Lust

Die liederreiche L u f t , wenn in der kleinen Brust

ODER

DIE

V O L L K O M M E N S T E

WEI/T.

171

V. 237 — 252Sich Venus mächtig d e h n t ,

so bald der West uns grüfset.

Und alles, was empfindt, in neuer Brust zerlliefset? W e l c h eine

hohe Kunst

zeigt

sich i n

der

Struktur D e r schönsten Leiber aus, worein sich die Natur, Nach jedes Art, gehüllt! W i e zeigt nur eine Mücke, ( E i n ungeachtet T h i e r ) i m schönsten Meisterstücke Des gliedervollen I.eibs, dafs sie ein Gott gebaut? O hättest d u ,

Lukrez,

mit B o n n e t ' s

Blick

geschaut, D u hättest dich bemüht, mit deinen süfsen Weisen Ein deiner w ü r d i g Z i e l , den Schöpfer selbst, zu preisen. D o c h w i e ? da solch ein Leib dem T h i e r Gefühl verspricht, Geniefst ihn nicht ein Geist? Diefs glaubt D e s k a r » t e s 3 ) nicht, Und liebt, den alten W a h n P e r e i r e n s zu erneuern, Den, lange schon vor i h m , die L u s t zu Abenteuern Z u einer L e h r e trieb,

die ( w a s er selbst kaum glaubt)

Der Sinnlichkeit sogar das arme Vieh beraubt.

DIE

NATUR

DES

D i s o t

V. 255 — 267. E r macht sie ohne Kunst, zu künstlichen Maschinen, D i e doch sich selber nichts

r

den Menschen w e n i g dienen.

Sein neblichter Begriff schliefst

seines

Schöpfers

Macht In enge Grenzen ein, die er selbst ausgedacht. Kann die vollkommne

W e l t ein möglich Wesen missen,

In welcher uferlos unzählge Arten fliefsen? D i e W e i s h e i t , leidet sie dafs einem Punkt der W e l t E i n möglicher Gebrauch,

ein Z u g der Schönheit

Was

Lust

fehlt? für

ein

Meer

von

verilöfse

unge-

schmecket? W i e viele Anmuth .blieb' unbrauchbar

und ver-

stecket? W o nur der träge Mensch,

von schlechterer Lust entzündt,

Sie z w a r empfinden kann,

und

sie

doch

nicht

empfindt. V i e l weniger entfernt R o r a r sich von der Wahrheit. Ja, ja,, gesteh' es nur, du Geist voll hoher Klarheit, D u Herr der ganzen W e l t , den keine Fliege ehrt,'

ODER

DIE

VOLXltOMM ENSTE W i l l .

1.75

V. 2ßß — 282Der Sonn und Himmel mifst,

u n d Sterne laufen

lehrt, U n d kennt n u r n i c h t den W e g sein i r d i s c h Glück zu b a u e n , Gesteh', erhabner M e n s c h , z u m m i n d s t e n i m Vertrauen, D u bist v o n g l e i c h e m Stamm m i t d e m v e r w o r f n e n Vieh, Ja o f t n i m m t s dir den Preis, u n d d u bedenkst es nie. Sej- n i c h t so k ü h n ,

o Mensch,

auf, eingebildte

Rechte, D u bist n u r eine A r t v o n einerley Geschlechte. W i e v i e l i s t , das dir fehlt und eine R a u p e h a t ? Z w a r ein geringer R a u m Scheidt dich u m einen Grad V o n n i e d e r n Tliieren a b ;

dich bläht dein tiefers Wissen,

D u kennst die eitle K u n s t

zu z w e i f e l n u n d

au

sclilicfscn; In e i n e r w e i t e r n Sfär verbreitet sich dein Sinn, U n d deine N e u g i e r fliegt zu f e r n e n W e l t e n h i n . D u fühlest

zärtlicher,

und bist,

mit

weicherm

Herzen, Geöffneter der L u s t , empfindlicher z u Schmerzen.

174

D I E

N A T U R

V.

Doch,

o

D E R

D I R O E

233—296.

der Weinen

Zahl

ilic dieser

Vorzug

schmückt, Die h o h e m Wesen gleicht,

und in die Z u k u n f t blickt!

Ihr a n d e r n , seyd ihr's gleich die sich am meisten blähen. Vergeblich strebet i h r nach untersagten Höhen, I m Staub, den W ü r m e r n nah'I Was euern Hochmutli nährt, Ein Schatten der Vernunft ist keines Neides werth. Mehr Mittel,

die Begier

erhitzt

nicht

satt

zu

machen, Der Tliränen bittern T r o s t ,

das Recht um nichts zu lachen,

M e h r Kenntnifs falscher L u s t ,

mehr Stoff

zum

Überdrufs, Gönnt euch der Vogel gern.

E r tlieilet den Genufs

Fast jeder L u s t m i t E u c h , und läfst euch n u r dio Plagen ; Die

Sorgen,

die in

euch

der Freuden Knospe nagen,

D e n unruhvollen Blick in das, was künftig ist, D e n Vorzug

läfst er

euch!

Ihr

geniefst.

wünschet,

er

o l l i r . D I Ii; V O L L K O M M E N S T E W E L I .

l^ß

V . 297 — 512. O höret auf,

euch noch mit eurer Schmach zu brüsten!

Sey dir zur Plage klug, sey schlau zu neuen Lüsten, Sey ein Sardanapal, kein Vieh beneidet dich. Betrinke dicli in Blut, umkränzter Wütlierich, Zertritt den freien Staat, und kauf um Millionen Von Seelen deiner Art unsichre Königsthronen: Doch

sieh von

deiner Höh'

einst jenen Wür-

mern zu; Wie eifrig baut ihr Fleifs an der gemeinen R u h ! Hein Stolz theilt ihre Müh, ihr Ruhm ist, andern nützen; Der Gipfel

der Begier,

vor

Mangel

sich

zu

schützen; Kein innerlicher Streit schwächt die gemeine K r a f t ; Der ehrt sich, der dem Staat den gröfsten Nutzen schafft. So folgt ein schlechter Wunn

den angenehmen

Trieben Der lockenden Natur, und freut sich sie zu üben; Und du,

dem

die Vernunft der Tugend

Reitz

erhöht, Bist trotzig,

dafs dein Herz der Menschheit Ruf verschmäht.

DIE

N A T U R

HER

DINOE

V. 5»3 — 326. Doch, ists, vielleicht die Kunst, die über'ä Vieh dich h e b e t ? Der Kreis

der W i s s e n s c h a f t ,

die

dein Verstand

erstrebet? Die Weisheit,

w e l c h e dir in vollem L i c h t sich weist? —

O still!

der Dinge Kern enthüllt k e i n ird'scher Geist.

Nur wenige

von e u c h ,

verschwistert

mit

den

Engeln, Befreyt

i h r günstig

Glück

von

den

gemeinen

Mängeln,

Und heitert ihren Blick von euern Nebeln a u f ; Der andern Füfse trägt ein zweifelhafter Lauf Der fernen W a h r h e i t z u ,

und oft seh'n sie i m Dunkeln,

Ein fabelhaft Gespenst an ihrer Stelle funkeln. Und w i e ?

Verdient die Kunst,

die euern Stolz

beschont, Die ¿illzu schwache Kunst, dafs ihr die Tliiere höhnt ? Ihr

stützt

den

Himmel

zwar

mit

marmornen

Kolossen, Und häuft Gebirge a u f ,

die durch die W o l k e n stofsen;

O D E 11 D I E V « L I KOMM E N S T E

W l U .

V. 327 — 34°' Doch,

n i m m t euch nicht

ein W a r m ,

der m i t

geerbtem Fleifs Aus sich sein W o h n h a u s s p i n n t , den schlecht verdienten Preis ? Das

weifse Pavos mufs

den

rohen

Stoff

euch

geben, Dio Spinne kann ihr Zelt aus ihrem Leibe w e b e n ; Sie f ü h r t es in

die L u f t ,

vom

Sturmo

nicht

erschreckt, D e r Memfis Säulen selbst m i t Schutt nnd

Sand

bedeckt. Die B i e n e n ,

welche doTt,

w o Hyblens

Thäler

blühen, Der Jird' Ambrosia, aus jungen ßlumeivziehen, Was

gleichet

ihrer

Kunst?

— Erschöpft

ein

IIb a 11 m ü,r, Sie n u r zu kennen, stolr., nicht Jahre über i h r ? Bin W e r k ,

Jas Archiuied nicht

klüger

zirkeln

könnte, Vollführt sie ungelehrt und sonder Instrumente,

Sprich n i c h t , ein blinder T i i e b ,

ein willen-

loser Z w a n g liestimmt der Bienen Fleifs, der Nachtigall Gesang, ^ 1R1 I.IBS V. . 61 l'l'L. I. U.

M

D I E

»78

N A T U K D e n

D I N G E

V . 341 — 353Des Seidenwurms Gespinst;

diefs licifst in leeren Tönen

Die W a h r h e i t , der du w e i c h s t , mit deinem Stolz versöhnen. , Zeig' uns das T h i e r ,

das nichts als blofses Uhrw e r k sey;

.Auch

Thieren

wohnt

ein

selbst

sich

regend

Wesen bey. Auch in des L ö w e n Brust schlügt was v o n jenen Trieben D e r Grofsniuth und des Z u g s , d e n , der uns dient, zu lieben, Cytherens süfse B r u n s t , die m i t dem Herzen spielt, W i r d v o n den T h i e r e n a u c h ,

oft menschlicher,

gefühlt; Man lehrt uns ein Insekt im Fleifs zum Muster nehmen; Und sollte manchen nicht Ulyssens H u n d beschämen? D o c h nicht zu w e i t ,

mein Sinn 1 E i n unverlierbar Recht

E r h ö h e t über sie da3 menschliche Geschlecht. Jetzt sind sie nicht was w i r , und w i r d nach fernen Tagen

« D E R DIE

VOLLKOMMENSTE W E L T . V . 554 -

Sie einst ihr künftig

179

368-

Glück auf

unsre Staffel

tragen; So w i r d ein gleicher W e g , den alle Geister geh'n, In befs're Nachbarschaft uns über sie erliöli'n. Uns würdigt die Natur m i t mütterlichen Händen, W a s sie vortrefflichs h a t ,

verschwendriscli zuzuwenden ;

Uns kleidt ein schön'rer L e i b ,

und was die Erde

trägt. W i r d w i l l i g von i h r selbst zu unterm Fufs gelegt. Uns zollt der Berge Schacht 1 ; in tiefen Meeresschlünden, Mufs sich zu unserm Schmuck die weiche Perle ründen; Und vom verssngten S ü d bis zum gefrornen Pol, Ist Luft und Sand und Meer von unserm Reichthum voll. Und was vermag die Kunst ? Sie schafft dem öden Saude Des Frühlings Anniuth a n ,

und läfst ini trocknen Lande

Beschäumte Schiffe g e h ' n ,

mit Korn und Frucht beschwert,

Die ihr sinnreicher Fleifs im Meere blühen l e h r t ;

ifju

D I E

NATUR

PEH

DI hoc

V. 369 - 38*, Indem w i r e w i g sie von Grad zu Grade treiben , W i r d nichts uns unversucht und nichts unmöglich bleiben. King nicht, o P l i n i u s , 4) der Menschen Mutter an, Dafs sio uns nicht, w i e Vieh, mit Fellen angethan, Nicht w i e den Fiscli beschuppt, mit Federn nicht beschenket. Noch,

stummen A u s t e r n ' g l e i c h ,

in Schälen ein-

gesendet. „ U n s , rufst du rednerisch, uns w i r f t sie nackend aus; Das Vieh liewohrte s i e ;

die Muscheln deckt ihf Haus;

Den Vogel weicher Pflaum : w e r mufs sich nicht beklagen; lets b i l l i g , für das V i d i mehr Sorg und Iluld 7.11 tragen ? " W i e blendet dich dein W i t z !

Für ein geringes

Gluck Gäbst du

die Schönheit ihr

und tausend Lust

zurück. Von unsem Schonen wirst du wenig Dank erlangen.

a p E n. D I E

voi LKOMSHSSTE v .

WELT,

ißi

5 3 2 - 5 9 6 .

Sie tauschten schwerlich gern die Rosen ihrer Wangen UM warmen SCIJ w/inenpflaum, und eine Lilienbrust Auch noch so schön beschuppt, erweckte w e n i g Lust. Und w a r u m willst du uns dann uusern Schmuck entziehen ? W i e klein ist der Verlust von d e m , was

dein

Bemühen Undankbar geben w i l l ? Die heifse Zärtlichkeit, Die in der Mutter Brust für ihre Kinder schreyt, Ersetzt durch Müh und Kunst, was aus bedachten Gründen Uns die Natur versagt. W o f ü r sind w c i c h c B i n d e n ? W o f ü r trägt dort ein Baum ein sanftes Pflaumenhaar? Bringt nicht Natur und Kunst uns iliro Hülfe dstr? W i e wenig Billigkeit stützt deine Dichterklagen! War's Wohlthat nicht, was du begehrst, uns zu versagen? D er Mensch bleibt w i e zuvor der Liebling der Natur, Ihm schenkt sie ihren Schatz, ihm ziert sie Wald und Flur,

iQ2

DIE NAIUK

DES

D u m

V. 397 — 4>o. Die andern Thiere sieht, in unzählbaren Klassen, Er, unter sich gereiht, ein kleinres Glück umfassen. Diefs ist der Arten Z a h l ,

aus der der Ball

besteht, Der langsam sich verzehrt, indem er uns erhöht. Ihn heifst ein innrer Z w a n g in schneckengleichen Kreisen, Um Titans feur'gen Sitz,

mit gleichem Wälzen, reisen.

Durch sein bestimmtes Dreli'n w i r d un^ der Tag geschenkt, W e n n er der Sonn' uns zeigt, die Nacht, wenn er sich schwenkt. Dann

blitzt Aurorens A u g ,

da

unser

Strich

erbleichet, Die Gegenfüfsler a n , und ihre Nacht entweichet. Der Unterschied des Stands,

der uns zur Sonne

hält, Die Arten! w i e ihr Strahl auf unsre Fläche fällt, Verändern ganz und gar die Form der äufsern Erden, Und lassen drcymahl

sie sich selber werden.

ungleich

ODER DIE V O L L K O M M E N S T E W i L T .

185

V. 4 " — Dort am erfrorncn Nord, wo sich sein e w i g Eis Nach seinem Sterne sehnt, von andrer Gltitli nicht hei fj, Herrscht Frost

und öder Tod init

allgemeinem

Grauen, In stiller Dämmerung, durch unwirthbare Auen. Iiier lacht der Frühling n i e ,

kein blühend Kraut

lockt hier Den frischen Zefyr an und ein verirrend Thier. Der Liebe süfser B r a n d , den jedei Welttheil fühlet, Erstirbt hier um den Pol,

und w i r d in Eis gekühlet.

Kaum,

dafs ein Zembla noch ein seltner Schein erhellt,

Und hier

und da den Fels

ein

weifser Fuchs

durchbellt; Froh,

-wenn er unterm Schnee ein faulend Moos erblicket.

Das menscliengleicho V o l k ,

das dieser Himmel drücket,

Fühlt auch des'Erdstrichs Neid, der seinen Körper krümmt. Und selbst den matten Geist $ein dumpfes Feuer nimmt.

D I E NATU'IV n r n

184

D i s o

r.

V . 425 — 438D o r t , w o , tlev S o n n e n a h , die M i t t a g s g e g e n d rauscht, Und. der b e g l ä n z t e

Sand nur G l u t h u n d F l a m m e n haucht,

V e r z e h r t der stete S t r a h l das siedende G e b l ü t e , U n d w i e die A d e r k o c h t , s a brauset das Geniiithe. Die Liebe

w i r d h i e r W u t h , d i e Rachs^icht z ü g e l frey,

D e r W i t z g e b l ä h t e r S c h w u l s t , die A n d a c h t S c h w ä r merei . D e n a u f g e b i r g t c n Sand, den n i e ein G r ü n beschattet, D u r c h z i s c h t ein S c h l a n g e n h e e r , das s i c h m i t I l y d e r n gattet. D e r L ö w e n dürrer S c h l u n d ä c h z t h i e r n a c h h e i f s e m Blut, U n d ¡111s des T y g e r s B l i c l i

blitzt

seines

Himmels

Gluth: D e r M e n s c h g l e i c h t s e i n e m V i e h ; die sanfte M e n schenliebe Rührt

kraftlos

seine

Brust:

nur

blutbegier'ge

Triebe, N u r zügellose Brust und w i l d e E i f e r s u c h t Verzehren

eein

Gehirn,

und

sind

Frucht.

der

Gegend

ODJTR

D I E

V O I t K O M M E B S I E

W

ELT«

Xß5

v . 459 — 452Die ihr der Länder Recht in licil'ge Tafeln ätzet, Und was

die Pflicht gebeut,

was

sie versaget,

setzet; L y k u r g e jedes V o l k s , z w i n g t

nicht

nach Einer

Schnur, Nach emerley Gesetz, die streitende Natur. Vergebt

dem

Himmel

was,

und

mildert

euer

Foderii! D i e Glutli erstirbt nie g a n z ,

in dor die A f e r n

lodern ? Ilemmt weislich ihre W u t Ii, und zeigt die Mittel an, W i e man der Triebe Brand ata klügsten kühlen kann; E r l a u b t dem Norden n i c h t ,

was ihr dem Süden schonket,

Und wisseti dafs das Recht oft nach der L u f t sich lenket. E i n selig Mittel schränkt die andern Zonen e i n ; D i e Billigkeit der L u f t , der Sonne warmer Schein, Besamt

das

locluo L a n d ,

gemahlt

mit

tausend

Farben, An Bacchus Gaben reiebj und gelb von schwängern Garben.

LGS

D I E

NA T u n

D E R

V . 453 Z w a r ändert die N a t u r ,

D I N O K

4^8in vorgeschriebucr Zeit,

D i e liebliche Gestalt, und wechselt stets i h r Kleid, Giebt uns im S o m m e r

oft der M o h r e n Gluili

in

fühlen, LäTst schon im Herbst den Nord m i t starren Fiockcn spielen. D o c h jede Jahrszeit ist an eignen Freuden reich. W i r würden bald zu satt,

w a r ' unsre L u s t stets gleich.

Allein des W i n t e r s F r o s t ,

der uns i n

warmen

Zimmern D e n Herbst geniefsen läfst und hüllt der Wiesen Schimmern I n s e i n einfarbig W e i f s , schärft den gestumpften Sinn , Und selbst E n t b e h r u n g w i r d durch W e c h s e l zum Gewinn. W i e fröhlich grüfsen w i r die mildern Frühling«winde, W i a lieblich schäumt und rauscht uns durch die nachten Gründe D e r aufgelöste S c h n e e , w i e f r o h lauscht unser O h r D e r ersten N a c h t i g a l l , der Lerchen frühem C h o r ! » W i e w o n n i g fühlen w i r im allgemeinen W e b e n , U n d Streben der Natur auch unser neues L e b e n !

ODER

DIE

VOUIIOSIJItSSIE

W E H .

187

v. 4^9 - 184Glückselig wen sein Stern in Zonen leben heifst W o eine milde Luft wolilthätig ihn umfleufst! Des

Himmels

Mäfsigkeit verschönert

auch

die

Geister, Vernunft w i r d

leichter liier

der Leidenschaften

Meister, Das Herz fühlt zärtlicher,

der W i t z

ist

schön

und rein, Geordnet der Verstand, und die Empfindung fein. Dort

wo

aus

heitrer L u f t

entwölkte

Sonnetl

scheinen, Herrscht W i t z und Dichtungskraft in lorberreichen Ilainen. Durchs ganze Thiei reich

fliefst

die Kraft

vom

nähern Strahl, D i e Blumen glänzen m e h r ,

n i e w e i c h t der W e s t dem T h a l ;

D i e W ä l d e r duften dort von e w i g - g r ü n e m Laube, Und Dafnens Ilaar w i r d nie

dem rauhen Nord

zum Haube; Sidon'scher Apfel Gold strahlt ungepflanzt i m W a l d , Der stets vom Wettgesang der Nachtigallen schallt; D « r Hügel breite Schoofs grünt von Fälerner - Reben, Die ganze Gegend wallt von innerlichem Leben,

'88

D i e N A T U r. D E R

Di«(oi

V. 485—493D o r t aber w o das Land zum weiften Pol sich senkt, Spürt Mensch und Vieh und B c u m , dafs ihn der Himmel kränkt. Zu Flegma w i r d der W i t z , die Leidenschaft wird träge, Das B l u t schleicht matt dahin durch die gehemmten W e g e ; D e n F o r s t schreckt rauhes W i l d ,

und,

leer an

edlemi E r z t , W i r d n u r von Stahl und B l e y der BeTge Schlacht geschwärzt. Diefs ist der Ordnung F r u c h t ;

in allen iliTcn

Reichen, Mufs innre Harmonie das Mannigfache gleichen. V e r l a f s , o M u s e , nun den niedern Gegenstand, Und suche deinem B l i c k ein n e u ,

ein h i m m l i s c h

Land. S c h w i n g dich m i t flücht'gem Fnfs und unverwandten Augen D e n bessern W e l t e n zu, die rdin're Strahlen saugen; W o Geister höh'rer A r t , aus unsrer Nacht gercis't, E i n himmlisch Element m i t lautrer W o n n e

speifst.

Olli»

D U

VOLLKOMMENSTE

W c i i ,

Jß9

V . 499 — 512W a s für ein W c l t e n h e e r ,

das unter m i r sich

drehet? W a s f ü r ein T e m p e l , der sich über m i r e r h ö h e t ? W e l c h eine Harmonie bezaubert Ohr und B l i c k ? Die i h r hier e w i g w o h n t , w i e reitzt m i c h euer Glück ! O!

dafs m i c h Erd u n d Zeit so w e i t v o n «ucU entfernen!

D o r t , w o ein weifses L i c h t , gemischt aus tausend Sternen, Sich u m den H i m m e l k r ü m m t ,

wo" nie der T a g

erbleicht, Dort w o h n t die frolie S c h a a r ,

die unsrer Erd'

entweicht. O d r e y m a h l S e l i g e ! die i h r hieher e n t r o n n e n ! Euch nährt der Engel Kost,

euch glänzen liell'ro Sonnen,

Die Nebel flieh'n dahin ; verklärt von reinem L i c h t , Seht i h r ,

m i t w e l c h e r Nacht der T a g der Menschen ficht.

D o c h , eure S e l i g k e i t läfst selbst sich noch vermehren. W e i t über euevm H a u p t , schöpft, in den höchsten Sf.iren,

igo

DIE

NATUR

DE»

V. 5I3 —

Disson

528-

Der Seraf Götterlust aus dem vollkommnen Quell, Und w i r d , der W e l t zu h o c h , nur von der Gottheit hell. VVie staunst du,

schwacher Geist?

Von himmli-

schen Gedanken Aufwallend,

halst dein Herz die ihm zu engen Schranken,

Vergifs dein Vaterland, blick nach der Sterne Bahn, Sieh' jener Welten Glanz, sieh' ihre Bürger an. O Mannigfaltigkeit! o Schönheit! o Entzücken! Welch

ein Zusammenflurs

von

weisen

Meister-

stücken ! W i e stimmt mit ihrem L e i b , w i e stimmt mit ihrer Brust, D i e schöne W o h n u n g e i n ?

W i e einfach ist die Lust,

D i e in den zärtlichen und wohlgebildten Seelen D i e Tugend siifser macht, und billiget ihr W ä h l e n ? Ein allgemeiner T r i e b , ein unauflöslich Band, Verknüpft die Seelen h i e r ;

kein Unterschied

im

Stand Stört die gemeine L u s t ,

E i n Herz,

Ein Zug im

Willen E i l t i n der Tugend sich, in gleicliemMafs, zustillen.

O0cn DIE V 0 I 1 K 0 H J I E S S 1 E W i l l ,

lgi

V. 529 — 543Bricht schon aus manchem Geist des Wesens Trefflichkeit Mit hölierm Schimmer a u s ; i h n trübt Kein bleicher Neid. Er fühlt den Vorzug lsaum; bemüht, i h n nicht zu wissen, Läfst er i h n , unbemerkt, auf seine Freunde iliefsen» Und jeder ist sein Freund.

Er i s t ,

der Gottheit

gleich, ( W i e glänzend ist diefs L o b ! ) nur f ü r die andern reich. Das B a n d , wodurch schon hier auf dieser düstern Erden, Ein tugendhaftes Paar kann paradiesisch werden, D i e L i e b e , o w i e w i r d sie hier so schön gefühltE Hier ist sie keine B r u s t , die i m Genufs sich kühlt, Des Geistes Kräfte schwächt,

die Tugend unter-

drücket, Das Herz m i t W u t h durchstürmt,

und die Ver-

nunft ersticket. U n e i n ! v o l l Zärtlichkeit knüpft sie ein gleiches Paar Fest an die Tugend a n ; w a s jedem eigen w a r , Ist jetzt des andern Gut, eins w i r d aus z w e y e n Herzen,

DIE

N A T U R

V. 544 -

Von

gleichen

Trieben

DER

DINGE

557-

reg,

verschlossen allen

Schmerzen. Mich rührt kein andrer W u n s c h , als dich beglückt zu seh'n, Du schmeckest keine L u s t , als durch mein W o h l ergeh'n. Beglückte! die ihr s e y d ,

die Gottheit liebt euch beide,

Und ruft eucli unzeitrennt zu gleichgefühlter Freude. Doch was verspricht vom Geist ein solches Ilerz uns n i c h t ? Die Wahrheit liegt vor ihm in ihrem oignen Licht. Er w i e g t der Wesen Kraft, er fafst den Stoff in Zahlen, Dringt in der Dinge M a r k , und klebet nicht an* Schalen. Nie hemmt des Körpers Last des Geistes freyeu Lauf; Von neuen Sinnen fafst er neue Bilder a u f ; Manch fühlend Gliedmafs zeigt ilmi neue Eigenschaften, Die, unsichtbar für uns, an andern Körpern haften. Vielleicht,

dafs mache nur Ein Sinn der Welt verbindt,

ODER

DTE

V O L L K O M M E N S T E

V. 558 -

W E L X.

193

57 i-

U n d der n u r d u r c h ' s G e s i c h t ,

der n u r d u r c h ' s O l l i cmpfindt.

W o tausend D ü f t e sich a m b r o s i a l i s c h mengen, Und

die

gewölbte

Brust

mit

sanftem

Zuflufs

drangen. U n d w o der ganze L e i b in B a l s a m m e e r e n wallt» W e r mifste O h r und

A u g ' in

diesem A u f e n t h a l t ?

D o r t a b e r , w o die L u f t von holden T ö n e n

zittert,

U n d das gebrocline T h a l stets m i t Musik erschüttert. W o tausend K e h l e n stets zum W i r b e l n offen sind, W o Wald

und F e l s

und

Fluth

der T ö n e

Macht

empiindt, D e r B a c h h a r m o n i s c h rauscht, die L u f t h a r m o n i s c h wallet, Und w e n n der Nyinfq L i e d in F e l s e n D e r Hain melodisch rauscht,

wiedelhallet.

w e r h i e l t ' es w o h l

für P e i n i n einer solchen W e l t sonst n i c h t s als O h r zu s e y n ?

Wie

schwindelt meinem Geist,

w i e höre er

a u f zu denken, W e n n seine B l i c h e sich in jene T i e f e senken, D i e kein G e s c h ö p f ermifsr, w o in g e w o h n t e n Hoh'11 S i c h Sterne o h n e Z a h l m i t i h r e n B ü r g e r n d r e h ' n . •WlELANDl

XV. ÖVliL,

I. E.

N

I 94

D I E

N A T U R

D E R

D I

NOK

V. 575 — 590. O w i e v e r g i b t er sich bey ihrer Arten Mehge, Und unterliegt der Z a h l , und w i r d sich selbst zu enge! Noch m e h r ! die Sterno selbst sind Thiere, sind beseelt. Damit in keinem Reich ein Thier zum Bürger fehlt, Rauscht

die astral'sche Luft von

selbstbelebten

Ballen, D i e , andrer Thiere v o l l , ihr Element durch wallen. ,Du,

dem der gröfste Siern ein strahlend Pünktchen scheint,

,Sag an,

mit welchem Recht

w i r d dieser Satz

vereint? , D u sprichst: „ e r überwiegt zu Millionen Mahlen , Die Sonn', und seine Bahn ermüdet unsre Zahlen ; , Auch wälzt er ohne Rast und unveränderlich , Um eine gTöfsre Sonn' i m gleichen Kreise s i c h : . W a s ist hierin, um ihn mit Leben zu beschenken? , W e r könnte sich ein Thier von solcher Gröfse denken? , W a s sehen w i r an i h m , das einen innern Geist ,Dor seinen Körper regt, auch nur heifst?"

vermuthen

DDEK

DIE

v o l l k o m m e n s t e

WELT.

195

V . 5 9 ' — fc>5, Gemach ! ein rascher Schliifs kann leicht uns hintergehen ; , W i e wenig ists, was w i r an einem Steine sehen? ,Das

Käferchen,

das dort

u m goldne

Blumen

schleicht, , Täuscht auf dieselbe Art ihr schimmernd L i c h t vielleicht; ,Wer

weifs e s , o b sie nicht i n seinem winzig Meinen

.Prismnt'schenAugenglasihmSternenbilder scheinen? ,Und jenes Ahlchen, das im Blut des Aliles schwimmt , Ünd dem geschärftsten B l i c k kaum als ein Pünktchen glimmt, , Vermuthet e s , die W e l t , die es als Herr durchstreichet, , Sey auch ein lebend T h i e r ,

das ihm an Bildung gleichet?

E i n K e p p l e r , ein K a s s i n merkt an der Sterne Bahn Das regelmäfaigste von ihrem Umlauf a n ; Unzährge Andrungen sind ihm vielleicht verstecket, D i e aus der Nachbarschaft ein heilers Aug entdecket, Sie vyachsen w i e ein T h i e r ( d i e Erde lehrt uns diefs)

D I E

N A I O B

E £ H U I IS O E

V. 6oG — Ci9. D a s Alter zehrt sie a u s , auch ist i h r Tot! g e w i f s ; D u r c h i h n w i r d i h r e Seel auf neuen Grad erhoben. So, Schöpfer, können dich die Morgensterne l o b e n !

N u n , M u s e , lehr' uns auch w a s f ü r Verschiedenheit D i e Geister aller Art in z w e y Geschlechter Scheidt. N i c h t n u r der Z w c c k allein,

der,

i h r e Art zu

mehren, Das eine zeugen h e i f s t , das andere gebären, , Macht diesen U n t e r s c h i e d ;

nein,

tief i m I n n e r n

liegt , W a s d u r c h die T r e n n u n g selbst sie m e h r zusamm e n fügt.

Wir,

die der L e i b v e r f ü h r t

uns

6elber

zu

inifskennen. Wir,

die den Geist ( u n s s e l b s t ) als f r e m d e v o n uns trennen,

Sind durch z w e y Kräfte r e g , die so geartet sind, Dafs diese dann erst b l ü h t ,

w e n n jene w e l k t u n d schwindt.

D i e eine f ü h l t den L e i b ,

und

was

Sinnen

durch

alle

o I) E P

Dir

T o n i i O j i x r s s i t

W E I T ,

197

V . 620 — 635.

Z u ihrem innern Sitz für Bilder, denkbar rinnen; Mit unsichtbarer Kunst stellt sie,

nach, manchem

Jahr, E i n einst geseh'nes Bild mit frischen Z ü g e n dar; E i n unerschöpfter Schatz von geist'gen Schildereyen, D i e ihr Natur und Kunst ans tausend Quellen leihen, L i e g t schimmernd v o r ihr d a ,

und sie zertrennt

und bindt, Vermischt und ändert s i e , w i e sie es gut befindt. Sie nimmt den Eindruck a n , der ihre Sinne reget, Sie l i e b t ,

sie h o f f t ,

und w i r d dem L e i b e gleich beweget,

W i e w o h l nach Geister Art.

Der Z u g ,

der unsre

Brust Z u holden Schönen dringt, und die Begier zu L u s t Entsteht aus ihrer Schoofs; sie ists die sich vergnüget, W e n n das gesehnte Glück in unsern Armen lieget.

Ganz anders w i r k t in uns der forschende Verstand, M i t dialekt'scher Kunst lös't er der Dinge B a n d ; E r nimmt den Bildern ab,

was sie dem kleidet,

Sinne

Die N a t u k der

»98

Dinge

V . G56 — C50. Und sieht scharfblickend

nur

was jedes

unter-

scheidet : , I n unsre innre Welt bringt Ordnung er und Licht, «Sieht ungetäuscht dem Wahn ins lügende Gesicht, , Macht Klugheit und Gebühr

zu unsrer

Triebe

Hütern, ,Und lenkt den Willen nur zu wesentlichen Gütern. Zwar

schlingt

ein zartes Band sich beiden Kräften um,

Und wenn die eine schweigt,

ist auch die andre

stumm ; Ein glänzender Verstand

vermag auch schön zu denken,

Und blofs aufs Blenden wird kein schöner Geist sich schränken: D o c h Eine herrschet stets und schwächt dor andern Macht, So wie bey vollem Mond in unbewölkter Nacht D e r ardern Sterne Heer mit blasserm Lichte funkelt, Und ihrer Nymfen Reitz Dianens Glanz verdunkelt. W e r hört dein Heldenlied, unsterblicher V i r g i l Hört deiner Dido Schmer«, und schmilzt nicht in Gefühl?

O D E R

» I E

V O t L K O

U M E N S T E

W

E L T.

igg

V . 651 — 666. Die Seelen stehen dir zu jedem Eindruck offen, üereit, w i e du befiehlst, zu fürchten und zu hoffen; W e n n N i s u s , halb entseelt, durch seinen Kufs die Flucht Der Seele seines Freunds noch aufzuhalten sucht, Den

letzten Hauch

empfängt aus dem geliebten Munde

Dann,

hingestreckt

auf i h n ,

aus hundertfacher

Wunde Sein eignes Leben strömt, w e r w ü n s c h t , indem er w e i n t N i c h t , 6elbst um diesen P r e i s , sich einen solchen Freund ? So hauchet durch die K u n s t , die Zauberkunst der Musen, D e r fühlende Poet in seiner Hörer Busen W e l c h eine Seel' er w i l l , — indefs ein A r c h i m e d M i t faltenvoller Stirn in seinen Cirkeln steht, Und ungerührt v o n d e m , was weiche Seolen reget, Den L a u f der Sfären mifst, der Körper Kräfte wäget.

So macht dort zarter S i n n ,

hier herrschender

Verstand Die zvyey Geschlechter uns i m Geistcrreich bekannt.

£00

D x i

N A T U R

D E R

V. 66; Das

anmuthsvolle

I I I S O I

635.

Voll;,

gemacht

mls

zu

be-

g l e i c h fällig z u

ent-

glücken, Empfing

ein f ü h l e n d H e r z ,

zücken, U n d selbst entzückt z u seyn.

D e s Mädchens

junge

Brust F ü h l t u n g e l e h r t den R e i t z der z u g e d a c h t e n L u s t . Sie f ü h l e n z ä r t l i c h e r , w e i l alle i h r e S i n n e n , E m p f i n d l i c h e r g e b a u t , v o n feinern G e i s t e i n rinnen. Die

muntre

Fantasie

nimmt,

weichem

Wachse

gleich, D i e B i l d e r lobhaft an ; ihr h o l d e s H e i z i s t r e i c h A n s a n f t e m W a l l u n g e n , u n d f r e y v o n den G e w i t t e r n , Von

Wuth

und

altem

Zorn,

die

unsre

Brust

erschüttern; S o w i e b e y heitrer L u f t s i c h die z u f r i e d n e See V o m btillen Z e f y r b l ä h t ,

es w a l l t die blaue H ö h '

I n i m m e r g l e i c h e m T r i o b , , u n d l o c k e t die N a j a d e n U m A m f i t r i t e n s i c h , m i t stillem S p i e l , z u baden. D e s Geistes Z ä r t l i c h k e i t , g e b i l d t , uns z u erfreu'n^ D r ü c k t a u c h dem schönen L e i b sein holdes W e s e n ein. Wie

reitzsnd

ist er n i c h t ?

Wen

mufs

entzücken ?

or

nicht

ODEII

D I E

W i l l ,

V i L I K O M I I E B S l t

J

v . 684 ~ 693. W i e laut

der M u n d

zijm K u f e ,

w i e strahlt

aus

ihren Blicken D i e sanfte L i e b e a n s , u n d legt uns H e l t e n an, D i e o h n e Schande selbst der W e i s e tragen fcai.n ! O T h o r e n ! die i h r uns die L i e b e Wifst,

dafs

ihr

der

Natur,

fliehen

nicht

lehret,

ohne

Strafe,

wehret; Sie schafft die L i e b 1 i n u n s , s i e Iäfst d i e S c h ö n e n blüb'n, Und r ä c h t d e n f r e c h e n S t o l z ,

an a l l e n ,

die sia

flieh'n. D o c h n i c h t n u r P a f i a gesellt sich unsern Scliöfien, D a r lorberreiche Pind

schallt

seihst

von

ihren

Tönen: H i e r i r r t n o c h S a f f o s L i e d , so süfs s t i m m t n i c h t der S c h w a n A n S t r y m o n s g r ü n e m R a n d sein f r o h e s Sterblied a n ; Sie s i e h t G e r m a n i e n u n d u n s r e r Z e i t z u E h r e n , G e i s t r e i c h e K a r s c h i n , dich, d e r M u s e n Z a h l vermehren ; D u r c h eine S c h ö n e f ü l l t I v o l u m b o ' s R u h m

die

Welt Und R o t v c n s

englisch L i e d e r t ö n t i m S t c r n c n feld. C)

1)IE N a t u r

202

nin

Dinoz

V. 659 — 713. I h r Schönen, ehrt den W e r t h , den die Natur euch schenkte, Erkennt den Rcitz, den sie in eure Seelen senkte! Zürnt,

dafs des Vortmheils und der Gewohnheit Macht,

E u c h um den schönsten Theil von euerm Schmuck gebracht? I m zarten Keim erstickt, noch eh sie aufgegangen, D e r Seele Fruchtbarkeit,; die Sorge f ü r die Wangen Verdrängt den edlern Wunsch auch sittlich schön zu seyn, Und a c h ! so flöfset ihr nichts als Begierden ein! E i n T o u t o u , ein A m a n t , ein Stutzerchen, zum Scherzen Kaum gut genug — w i e klein denkt ihr von euern Herzen W e n n solch ein Tand sie füllt! D e r bleibe stets entehrt, D e r euch., i h r Schönen,

einst des Fächers Kunst gelehrt;

Der

euch dem

jungen H e r r n ,

der

ohne

Seele

lachet. Dem stolzen Federhut und Westen hold gemachet, D e r einem schönen Kopf, voll Puder, leer an Geist,

ODER

DIE

VOllKCMMEIiilE WtLT,

203

V . 7 1 4 — 729Mit Blicken voll Gefühl die Augen folgen heifst, W o r i n der H i m m e l uns sich scheinet aufzuklaren. Wenn sie Z a y r e n s

Kampf mit edeln

Thränen

eliren. W i e sehr bedauern w i r Lucindeiis schönen M u n d , D u r c h den sie Suada schien,

eil er

uns

seihst

gestund W i e sehr w i r uns g e i r r t ; der sie-Cytheren gleichte. B i s er, so bald er sprach, die Grazien verscheuchte ; Den Mund

der, wenn ihn Geist und feiner Scherz, bewegt,

Entzückte Weisen selbst zu euern Füfsen legt.

D i e f s ist der Unterschied, nach welchem jede Klassen Der

Wesen

sich

in

zwey

Geschlechter

theilen

lassen. D a s , w o d^e ob're K r a f t die Seelen stärker macht, D a s keine Arbeit scheut,

und der Gefahren lacht,

Mit Schmerz und Blut und T o d ein tönend Nichts erringet, M i t tieferm Sinne d e n k f ,

und in die W a h r h e i t dringet;

D i e f s h a t D e u h a l i o n , w e n n nicht die Sage trögt,

£04

DIE

N A T U r . D F . R D I S r. I

V . 730 — 7ViM i t scliopfeiischcm W u r f aus hartem Stein g e f ü g t ; D i e andro hat ein Gott aus w e i c h e r m Ton gebauet, Und dem aninuth'gern I.eib ein zarter Herz vertrauet ; Sie lieben das Gefühl , und ihre w e i c h e Brust Ist auch empfindlicher, zu f a l s c h - u n d w a h r e r L u s t . Z w a r nahet

die N a t u r

oft Geist und L e i b

der

Schönen Der

Männer

rauhem

Art

und

Mavors

wilden

Söhnen; So w i e ein L y d i e r oft sein Geschlechte schmäht, U n d i m schwatzhaften Kor die Spindel

weibisch

dreht. W i e streut K a m i 11 a d o r t , w o h i n i h r M u t h sich dränget, I' urclit, Schrecken, F l u c h t und T o d ? E i n s c h w e r e r K ö c h e r hänget Den braunen Schultern a n ,

i h r gelbear Haar

fliegt

wild, Und

die

gedrückte B r u s t

beschützt ein goldner Schild.

Sie folgt Dianen n a c h , von L i e b e u n b e s i e g e t ; Von W a l d und J a g d a l l e i n ,

und wildem

vergnüget;

Streit

OD £ A

Ü l H

i U L L l i u i l ä U «

S I E

W i t t

V. 7AS — 75 2 Und doch verliifst sie nicht die angeborne A r t ; Sie,

die ihr Ileldenherz vor Amors Wacht verwahrt,

Entgeht nicht

der B e g i e r ,

( i l i r Tod

raufs

sie

bezahlen ) Der weibischen Begier in C h l o r e u s Raub zu strahlen, Sein Kocher lockt sie a n , sein lyrisches Gewand, Und der beschuppte Leib reitzt Aug und Wunsch und Hand; Und mitten in dem Steg, den ihre Waffen geben, Beschliefst sie,

als ein W e i b ,

i h r heldengleiche6

Leben. G )

D I E

N A T U R

D I U

D I N

o t

A n m e r k u n g e n .

1)

Seite 164.

Euklidis von Mcgara,

griechischer Pedant, seiner

der

Mitbrüder erscheint,

grofsen

ein alter

hier i m N a h m e n

GeOmeter gleiches

und

aller

nicht m i t

Nahmens

dem

verwechselt

werden mufs. 2)

S. 167.

E s i s t - b e h a u n t , dafs der R i t t e r L i n -

neus diese E i g e n s c h a f t e n , w e l c h e die Alten n u r an w e n i g e n Pflanzen b e m e r k t ,

an den meisten b e o b -

achtet hat. 3)

S. 171.

D e s k a r t e s liidlt ( w i e P e r e i r a ,

ein

gelehrter Spanier, v o r i h m s c h o n g e t l i a n ) d i e T h i e r o f ü r blofse Maschinen o h n e Seele. 4)

S. l ß o .

Hominis

caussa cuncta alia

genuine

zndetur Aatura , ma«nä et saevä mercede contra sua munera : ut nan sit satis aestimari, homiui

an tristior

wümantiuni

varie tegumsnta tillos, Pliaius

Noverca fuerit.

cunetorum tiibuit,

alienis

tanta nwlior

Ante omina unum.

velat

oynbus;

spinas,

setas, pilos, plumam, pennas, squamam,

veliera.

L.

VII.

cortices,

ceteris

coria

Hist. Natur.

testas,

parens

in proem.

O D E R

5)

D I E

V O t I. K O M M E N S T E W t L T ,

S. 2oi.

2.0J

S a f f o, K a r s c h i n , ( einer bessern

Zeit und eines bessern Schickfals w ü r d i g ; ) dieFrau D i l B o c a g e und E l i s a b e t h

Rowc,

fasserin der F r e u n d s c h a f t n a c h d e m

die VerTode,

werden hier genannt, w e i l sie damahls, als diefs Gedicht geschrieben w u r d e , ungefähr die einzigen Dichterinnen w a r e n ,

die der junge Verfasser aus

ihren W e i h e n kannte. 6)

S. 205.

V i r g i l s Äneis B. X I . v. 768. u. f.

I n h a l t des f ü n f t e n Buchs.

liirliläruiig der hauptsächlichsten Erscheinungen der Korperwelt.

D i e F o r m der D i n g e i s t so m a n n i g -

f a l t i g , als die Gesichtspunkte, w o r a u s sie gesehen werden.

D i e Gröfse,

der R a u m ,

die Z e i t ,

dio

Qualitäten der Körper u . s. f. sind blofs r e l a t i v e Dinge.

In w i e ferne d i e Sinnen uns h i n t e r g e h e n .

W i d e r l e g u n g der Skeptiker. Die W e l t ändert i m m e r fort i h r e G e s t a l t ; das Künftige l i e g t in dem Gegenw ä r t i g e n e i n g e h ü l l t ; alle Veränderungen sind nichts anders als E n t w i c k l u n g e n ,

w o v o n der Grund

der stufenweisen Veränderung liegt,

und

Verwandlung

w e l c h e m i t den Elementen vorgehet.

g e i s t i g e n W e s e n erheben sich aus

in

Dia

einer Gattung

IN H A L T

in die andre.

DES

F Ü N F T E N

BUCHS.

E r k l ä r u n g des Ursprungs

tablen und animalischen

Körper,

209

der v e g e -

mittelst

Hypothese. D i e Geister und N atiirae

dieser pfasticae,

w c l c h e v o n einigen zu B i l d u n g der K ö r p e r g e b r a u c h t w o r d e n , werden dieses Amtes entsetzt. T o d in der N a t u r ; neuen

Zustandes.

E s ist kein

der T o d ist die G e b u r t Die

grofsen

Weltkörper

eines sind

eben so w i e die k l e i n e m diesem T o d e u n t e r w o r f e n . Gemähldo eines K o m e t e n ,

der als ein

brennender

Planet betrachtet w i r d , —

eine durch i h n

verur-

sachte SüiuKlüth. / D e r U r s p r u n g unsers E r d b o d e n s nach W h i s t o u s

WIKLAHD»

W.

Hypothese.

J v t u .

I. B .

O

D X E N A T U R

D E R

D I N G E

ODER DIE

VOLLKOMMENSTE

F Ü N F T E S

WELT.

BUCH.

V. 1 — c. W i e F i d i a s den Stein, der Paros Spitzen weifst, Den ungeformten Stein zur Venus werden lieifst. Der Stoff liegt vor ihm d a , und wartet auf das Leben, Das, mit dädal'sclier Hand, der Künstler ihm w i r d geben ; Er aber baut aus ihm das schönste Meisterstück, Die ganze Göttin strahlt aus ihres Bildes B l i c k :

ODER

DIE

T O I L KOMM ENSTE

VVELT.

211

V . 7 — 23So gab der höchste Geist, der Schöpfer aller W e l t e n , I ) e m All

die

beste F o r m ;

es floh.' vor seinem Schelten

Das Chaos schüchtern hin, er streute seinen Schein, Und Ordnung und Verstand dem Stoff der Dinge ein. W e l c h eine Schönheit glänzt in allen seinen R e i c h e n ? W i e w e i s l i c h w e i f s er sie zu E i n e m Z w e c k zu gleichen? W i e lindt ein tiefer B l i c k selbst in der D ä m m e r u n g , Die unsre Augen s c h w ä r z t ,

Stoff zur

Bewunde-

rung! W i e strahlt die Kreatur vom mitgetheilten L i c h t e , Wie

schmückt

der Schatten

sie v o m göttlichen

Gesichte, Wie mahlt,

was,

ohne i h n ,

dem Nichts

sein

Hoffen gab, So prächtig einen Gott i n hellen Spiegeln a b ! Du, die du selber m i c h dem Findus zugeführet, W o des Asliräers L i e d • den

heil'gen Hain

noch

rühret, O M u s e , zeige m i r die Form der e w ' g e n W e l t , Und w a s für ein Gesetz sie e w i g d'rin erhält. W a s z w i n g t die Körper stets in fließende Gestalten,

DIE NATUR DES

212

DISCÜ

V . 24 — 40.

Dio wandelnd,

\vio die Zeit,

nie ihren

Ott

behalten? Was düngt die Eide stets mit ihrer Kinder Staub? Wodurch

wird

unser

Leib verhafster

Würmer

Raub? Ja welch ein Wunder heifst selbst irdische Planeten, Auf unbekannter Bahn, in dunkler Gluth errothen? Diefs, Gottin, leine mich, und leite meinen Sinn, Der deinem Antrieb folgt, zum Quell der Wahrheit hin. Diefs grenzenlose All von Welten und

von

Zeiten, Der volle Inbegriff umleibter Geistigkeiten, Mahlt sich in jeder Art im ideal'schen Reich Mit andern Farben ab, ist nie sich selber gleich. So viele Wesen sich mit andern Sinnen schmücken. Und Leiber andrer Art die volle Erde drücken; So viele Gattungen, in ungemefsner Bahn, Durch tausend Hiipmel sich der Gottheit ewig' nah'n : So vielfach ist die Art,

wie blofs uns zu vergnügen,

( Wohlthätiger Betrug!) die Sinnou uns betrügen;

ODER D I E V O L L K O M M E N S T E W E L T .

£13

y. 41-56. So vielfach ist in uns die ideal'scJic W e l t Die,

w i e er sie erblickt,

der Sinn f ü r w i r k l i c h hält.

Da doch, w e i t unter ihm, und über seinem IJaupte, D e r ' d a s als W e l t umschifft, was er ein S a n d k o r n glaubte. Und diesen rotlien Ball, den jener E r d e nennt, I m himmlischen Gefild' f ü r eine B l u m ' erkennt. Z w a r liegt auch aufser uns und in den

Gegen-

ständen, D i e ihren Ansflufs uns durch offne Sinnen senden, Ein Theil des Grunds davon;

doch die Beschaf-

fenheit Dos Leibes, welcher uns der Dinge Bilder leiht. Verändert

ihren

Druck;

so w i e

vom

lichten

Wagen, D e n durch die hohe L u f t äther'sqhe Pferde tragen, D i e Sonne gleiches L i c h t durch

ihren

Himmel

sprüht. U n d , w a s ihr gleich sich n a h t , in gleichem Feuer glüht; ( N i m m t ihre Kraft gleich ab, wenn sie sich mufs verbreiten, So wirket eie doch gleich aus allen ihren Seiten;)

D I E

NATTJH

D r R.

P M C T

V. 5 7 — 7°A l l e i n der Gegenstand, nicht gleich geschickt zum Schein, Satigt den geschenkten Glanz auf tausend W e i s e n ein. Und läfst den harten Strahl jetzt blau jetzt golden funkeln, Jetzt,

ganz v e r s c h l u c k t ,

den Stoff entfärben

und

verdunkeln. D o r t flattert niedrer Staub um deinen T r i t t i m Geh'n, Nein!

Welten

sind's,

die sich zu deinen Füfscn dreh'n;

D e r Cherub denkt w i e d u , w e n n v o n Gott nahen Himmeln, E r die Gestirne sieht im tiefen Ä t h e r w i m m e l n . D e r W u r m , den i n der Flutli ein N e c d h a m spielen sieht, D e r , z w a r unendlich k l e i n , doch Ströme v o n sich 6priihr, Ist i n dem T r o p f e n Nafs, der i h m ein W e l t m e e r dünket, W a s uns ein W a l l f i s c h i s t , der ganze Seen trinket. Selbst i n der Glieder Bau zeigt sich die Ähnlichkeit, D i e Einfalt der N a t u r , der gleiche Unterscheid;

«DER » I E T O t l K O M M t ü S I E WEET. V. 71 -

£lß

84-

Das klein're Seegeschopf, unsichtbare Tritonen, Und alle schreckt sein Grimm,

die sein Gebiat

bewohnen, Und so, w i e Needhams B l i c k , durch zauberisches Glas, Ein solch kaum sichtbar Moer mit einem Sandhorn mafs: So hält ein Dämon, der durch Zwischenwelten steiget, Wenn er sein leuchtend Ilanpt zu seinen Fölsen neiget, Und ihn ein ähnlich Glück die Erde linden läfst, Der Menschen Sammelplatz für ein Ameisennest. Und d u , zu dessen Lust oft ganze Länder weinen, W i e grofs, (erröthe n u r ! ) w i r s t du ihm w o h l erscheinen ? So ist das Kleine nur nach grofsem Mafsstab klein, Und Titan selbst w i r d dir was seine Sfäubchen seyn, Wenn du sein weites Reich m i t hohem Kreisen missest, In deren Tiefen du i h n , E r d , und dich vergissest.

2)6

D i e N a i c h d e b . D i Nor, V. 85 — k'O.

Und w i e der Piaum, so ist der Folge Mafs, die

Zeit,

Stets theilbar, und für u n s , bis zur Unendlichkeit. Vergleiche deine Dau'r m i t der Gestirne Leben, Bestimmt, die Himmelsluft Aoneli durchzusch weben; Sie scheint ein A u g e n b l i c k , d e r , ungebraucht, verschwindt, Doch w e n n O r i o n selbst sein wartend Grab einst findt. W i r d , gegen jene S f ä r , d i e , Gott! d i c h in sich stehet, E r eine Rose s e y n , die im M i t t a g verblühet. Das E u l c h e n ,

das,

voll L u s t , in der erwärmten Luft,

Satt von geliebtem L i c h t , dem süfsen Tode ruft, Sieht seinen Gott,

die S o n n ,

nur einmahl sich

entfärben, Und freut sich m i t dem T a g , den es v e r e h r t ,

zu

sterben; E i n Augenblick, der uns, von W o l l u s t leer, entweicht, Ist i h m zur L u s t ein T a g ;

s t i n kurzes Seyn verstreicht

In steter W i r k s a m k e i t , und d i e verlängt Sekunden, Und giebt der Jahre W e r t h den wohlgebrauchten Stunden.

OD EH

DIE

V O L L K O M M E N S T E

W t

LI.

ZIJ

V- ™ — 114. Auf gleiche Weise ist der Schule Qualität Nicht

was,

das

aufsev u n s ,

in

gleicher F o r m

-besteht. W a s diesem bitter d ü n k t ,

wird andern

lieblich

schmecken, Und dich belustigt w a s ,

w o m i t man mich Kann schrecken.

Vielleicht

dafs einen W u r m ,

der

in

der Kose

Tiriecht, I h r Glanz nicht r o t h bestrahlt. W i e viel entdeckt er nicht, Was w i r v e r w o r r e n sehn ?

W i e w i r d i h r süfses Rauchen

Ihn viel empfindlicher, als unsern Sinn, umhauchen? Die G l u t h ,

die uns zerstört,

wird,

gleich dem

lauen West, Der Sonne Bürgern

weih'n,

und Körpern

von

Asbest; W i e d e r , den Grönland schickt aus den polar'schen Gründen, Die holde Sonne liafst, und lechzt bey Abendwinden. So wandelt unser L e i b , das Werkzeug zum Gefühl, Des Gegenstands Gestalt,

und F o r m ist Sinnenspiel.

£ig

D u

NATITH

DER

D I S O I

V. 115 — 129. „ D o c h , da W o hat die Zeit ein Glück, das sie belohnen Kann? W o ist ein Schmerz der Z e i t ,

den der zu s c h w e r

befindet, D e r seiner H o f f n u n g Bau in Gott

und

Tugend

gründet? Dei B e v f a l l , den mein Herz bey jeder T h a t mir zahlt, Die meinen Tflicliten gleicht,

ist,

ob er gleich

nicht prahlt, Anständiger f ü r mich als tausend Ewigkeiten, Die magre Dichter m i r für die Gebühr bereiten. Hält seines Herzens m i c h ein F r e u n d ,

ein Weiser

t

•werth, So seyes, dafs mein L o b die Nachwelt nicht e r f ä h r t ! Was dieser Erde bleibt, kann m i c h nicht glücklich machen. liebt Stax sich über m i c h ? ich kann des T h o r e n lachen, Der, weil er, w i e sein Pferd, von edler Abkunft ist.

V i E R T E n

B r i e f .

"37

V . 146 — 152. Verstand J e n Bürgern Jäfst, und gern mein Hirn vermifst. F ü r Ruhm und Glück versteckt, der grofsen W e l t verborgen, W i l l i c h mein göttlich T l i c i l , Vorstand und Herz, besorgen. M i c h reitztkein klein'rerStolzalsauf verlafsnenllohn M i t munterm Fufs dem T r i t t der W e i s e n liachzngehn; Ich such und hoffe nicht des Zufalls eitle Gaben, Und für mein W o h l soll n u r den Dank der H i m m e l haben.

A

n

m

e

r

k

u

n

g

.

1) S. 535. Quurn illa tstigit, alitur et cresiit reäit, ti hoc ao veluti vineulis liberatus in. originem habet argumentum divinitatis suae, quod ilium divina dclectant, nec ut alienis interest sed ut suis. S enee 1.

WJELATTDJ

SURRT.

I.

R.

Y

F Ü N F T E R

B R I E F .

Nil admirari Jlfopß TCS £St lltlCt f

117!llLI,

Solaque quae possit facere et teruare

bcalum.

Hör at. Epist. VI. L. I.

V. 1 -

5.

D e r meisten Plagen H e e r , das unsre R u h bekriegt, Z e u g t die V e r w u n d e r u n g .

Nur d e r

lebt recht

vergnügt, O

Freundin,

der den W e r t h

der D i n g e

richtig

schätzet, U n d den n i c h t jeder Glanz

g l e i c h i n Erstaunen setzet.

Gleichgültig,

w e n n ein G e c k v o n W u n d e r d i n g e n spricht,

Für.

r t £ h V.

B r i e r.

6 -

539

19.

L o b e er w a s L o b v e r d i e n t ,

d o c h er

bewundert

nicht. N i c h t s ist ihm u n v e r h o f f t , und i n d e s W e i s e n O h r e n Hat Zufall, Unglück,

G l ü c k , die D e u t u n g

ganz

verloren.

Der Dummheit

Erstgeburt

w a r die

Verwun-

derung, Kaum,

dafs die E r d e n e u sich aus dem

Chaos

schwung, So deckte sie der W a h n m i t T e m p e l n und Altären. M a n sah die Götter s i c h ,

mehr als die Frösche, mehren;

In der b e w ö l k t e n L u f t , i n den gestirnten Höhn, W o etwas s c h i m m e r t e , Es donnert,

Luft

und

da w a r d ein Gott gesehn, Erd

hüllt

sich i n

falbe

Schatten, D e r F r ü h l i n g und sein W e s t v e r s c h w i n d e n auf den Matten, D e r Vögel L i e d verstummt,

die scheue S c h w a l b e flieht,

D i e W o l k e n stüTzen s i c h , der ganze H i m m e l g l ü h t ; Ein

solche»

Schauspiel

mufs

den

ersten

schrecken;

Hörer

g^o

M o K A U S C H E

B n u f

i,

V . 20 — 56. E r l ä u f t , s i c h , gleich dem W i l d , , in, Höhlen

zu

Verstecken;

E r staunt, er sinnt,

und findt dafs nichts g e w i s ser ist,

Als dafs ein Donneigott

den

Blitz .-ins W o l k e n

schiefst. So w i r d , w e n n

den Veistand die wahren Gründe fliehen,

Uns die V e r w u n d v u n g bald aus aller Unruh ziehen. Das ganze Geisteireich, und mehr als

Hesiod

Gottheiten ausgeheckt, die stelin i h r zu Gebot. Sie rufet E n g e l ab von den entfernsten Himmeln, Und lässet L u f t und E r d und F l u t h von Sylfen wimmeln. Dein P ö b e l , der sich nie zu denken unterwindt ' ) Verzeihe diesen Walin.

A l l e i n , w e n n Heiden sind,

D i e , w i e P y ß m a 1 i o n, sich selber Götzen schnitzet], Und s i c h , dem

Pöbel

gleich,

um einen

Schein

erhitzen, D e n v o n gemeinem Tand nur dieser Vorzug trennt, D a f s oft die halbe W e l t , ihn zu erhalten, brennt: Mag ein gedungnes L o b sie bis zum H i m m e l heben, Gewifs,

kein J u l i a n

c

)

w i r d ihnen diefs vergeben !

N e u s t e r

P> n I E F.

541

V. 37 — öiW i e Mein ist nach dem Mafs der Woisen ein August, N e n n t sein und m e i n Horaz i h n gleich der Völker Lust! W i e w e i t treibt Filipps Sohn die tolle Sucht zu siegen ? E r fand Auroren selbst in Titlions Armen liegen, Und brach sich LoTbern ab am feinsten Ocean. E i n C ä s a r sieht erstaunt des Helden Thaten an, D e n D i o g e n verlacht.

E r sieht im Uberwinden

WasGrofses, das ihn reitzt, es selber zu empfinden. Gebundne Könige zu seinen Füfsen sehn, E i n Herr der E r d e seyn, w i o grofs (denkt er) w i e schön ! Unseliger Gedank! w a s Blut hast du vergossen? In seine eigne Brust hast du den Dolch gestofsen! D e r Fürsten K ö n i g i n , der Helden Vaterstadt, D e r Götter gröfstem W e r k , das weder Mithridat, Noch

Pirrhus,

noch

Jugurth,

noch

Hannibal

bezwungen, Hat die B e w u n d e r u n g die Freyheit abgedrungen. Der Herr von seinem Herrn, der glänzende S e j a n, Vor dem das Rathhaus bebt, den niemand schrecken kann,

342

M O R A L I S C H

V.

B - B R I E F

E.

55-7».

D e r uns in seinem Blick den Gott der Erde zeiget, Vor dessen goldnem Bild sich schon der

Römer

beuget, Vor dem die Tugend flicht, der alle Laster nährt, Und schon m i t einem W i n k das Recht in Unrecht kehrt, Erzittert w e n n es b l i t z t , verspottet seine Götter So lang der Himmel lacht, u n d bebt i m

Donner-

wetter. Der bey O k t a v i e n u n d T u g e n d fühllos w a r . L ä u f t bey der Buhlerin K l e o p a t r a Gefahr. Den

rührt

die Hoheit

nicht,

die

edle

Seelen

schmücket, D e n eine L a m i a E i n Aug

m i t falschem Reitz

voll w i l d e r

Gluth,

ein

entzücket.

grazienvoller

Mund, Fällt einen Helden o f t , der gegen Helden stund. Sieh den Bewunderer v o n K r a s s u s M i l l i o n e n ; Trotz dem Pythagaros begnügt er sich an Bohnen, Und findet ungebraucht sein Gold b e w u n d e r n s w e r t h , Das ihn vom Anblick b l o f s , zur Qual der E r b e n , nährt; W i e der Kamäleon, w e n n der Bericht nicht lüget,

F i B t i E i

BUIEI.

343

V. 72 - 86Sieh ohne Speis und Trank blofs an der L u f t begnüget. Stax wacht und sinnt und läuft und streitet und gewinnt. E r rechnet auch im T r a u m , und guckt stets nach dem W i n d ; D o c h , würde seinem Wunsch kein Gold aus Peru fehlen, Was hat er dann davon? E r darf es sehn und zählen.

Zwar d e r tcheint noch beglückt, dem, was er wünscht und liebt, Aus Güte oder Zorn sein Stern gefällig giebt. D o c h , Freundin, sollt ich dir den armen Thoren mahlen, Der fast vor Neid zerplatzt, wenn reich're Thoren strahlen, Der Werke alter Kunst, Gemähide, Elfenbein, Japanisches Geschirr, Tapeten , Edelstein, Bewundert und entbehrt; die stolze Adelheide, Der eine Nachbarin in einem reichern Kleide Geduld und Farbe nimmt,

und die ein Diamant,

Ja nur ein Pflästorchen, das Chloen besser stand,

5 |oo. Des besten Weisen Bild e n t w i r f t m i t Meiäterzügen I h m X e n o f j J n , gleich grofs i m Schreiben und i m Siegen. E r sieht i m T h e o f r a s t die T h o r e n seiner Zeit, Hält sie an N e u e r e , u n d lacht der Ähnlichkeit. E r steigt an P i a t o n s Hand zum Urbild der I d e e n ; Und w e n n sein blödes A u g sich niüd u n d stumpf gesehen. L o c k t i h n ein T h e o k r i t zur Hirtenlust zurück. Bald macht i h n S o n e k a zum Meister v o m Geschick. E r sieht i m L i v i u s den W u c h s geringer Staaten, Als sie die Väter noch v o m L a n d aufs Rathhaus baten. W i l l er in seiner Brust der Tugend Reitz orhöhn, So läfst i h m sein P l u t a r c h

der Helden Bilder

sehn, W o v o n die Züge noch an edeln Seelen haften. D a n n f ü h r t ein B a k o n ihn durchs Feld|der W i s senschaften, U n d stürzt die Götzen um, w o v o r die halbe Welt, Z u r Schande der V e r n u n f t , abgöttisch niederfällt. A u c h folgeter erstaunt dem S o l o n Er

sieht ( u n d

zittert

nicht)

derPlaneten,

die

Kometen,

schweifenden

S I E B E N T E R

Y.

B

IOI —

r, i

E

F,

^/nj

116.

U n d w i e die W e l t e n s i c h ,

als d u r c h

Gewichte,

ziehn. E r siehts, u n d sinkt, o G o t t l anbetend v o r dich h i n .

So bildet Wissenschaft sein H e r z

und

seine

Triebe, B e f e u r t in seiner B r u s t des grofsen Schöpfers Liebe, H e l l t seine Blicke a u f ,

zeigt i h m die

Wahrheit

blofs, Und m a c h t sein edles H e r z in jeder R e g u n g grofs. E r selber w i d m e t o f t die M ü h der ersten M o r g e n , U n d später M i t t e r n a c h t , f ü r andrer W o h l zu sorgen. W a s uns sein Fleis g e s c h e n k t ,

trägt,

auch

nach

seiner F l u c h t I n eine befsro W e l t , in späten Altern F r u c h t .

Komm,

Freundin,

lafs uns j e t z t ,

an

seiner

Gattin Seiten, I h n i n des F r ü h l i n g s Sitz, z u r Abendlust begleiten. An seine W o h n u n g gTenzt die angenehmste Flur, E i n kleiner Sammelplatz der Schätze der N a t u r . Zwar

wird

das

Wasser

hier

nicht

königlich

gezwungen, D i e schöne E i n f a l t h a t h i e r alle K u n s t v e r d r ä n g e n ; WIELANPS

W. S e r n , . I. B.

A »

Mohali-SCHE

37°

Bfliiiri,

V. 1 1 7 — 1 3 1 . D e j Weisen

Urtlieil

fälaclit nickt

Praclit noch

Seltenheit ; Ihm ist die gröfste Kunst,

die ihren Schein verjneidt.

E i n kaum cntsprungner Bach,

der seine Sillber-

wellen Durch Rosenbüsche wälzt,

durchschleicht in tausend Quellen

Das blumenreiche Feld,

wo,

bis der Tag sich

kühlt, Der Bienen Emsigkeit in Florens Busen wühlt. InZeilcn abgetheilt durchschneidt der Bäume Menge Des Gartens weiten Piaum in schattenvolle Gänge, Bis w o die stille Fluth sich in ein Becken giefst, E i n immer grüner Hain die holde Scenc schliefst. Iiier ruft der Sommer

ihn

den Abend zu

geniefsen, Wenn

durch

die frische L u f t gelindro

Winde

iliefsen, Mit denen sich der Dampf gesunder Kräuter mengt. Und von den Baumen

schon der Schatten verlangt.

Daun irret er umher an seiner Gattin Seiten,

sich

S i e b e n t e r

B u i e f .

37'

y . 132 — 1 4 7 . Die holden Grazien, die frohen Zärtlichkeiten Sind scherzend neben i h r ;

ihm dünkt der stille Hain

An ihrer sanften Brust Elysium zu seyn. Iiier sehn sie aufmerksam w a s Thoren niem.ihls sehen; Bald lockt ein blühend Kraut sie,

bey i h m

still

zu stehen, Das oft an Form

und Zier

der Tulpe

Stolz

beschämt; Bald sehn sio w i e ein Quell aus Felsen sprudelnd strömt, Bald hören sie entzückt der Wälder Sängerinnen Im lispelnden Gebüsch ihr Abendlied beginnen. Dann führt sio ein Gespräch zum Schöpfer der Natur; Sie sehen sanft gerührt der weisen Liebe Spur Im kleinsten Gegenstand, und läutern ihr Vergnügen, Da sie des Gebers Lob zu ihren Freuden fügen. Jetzt führt der Abendstern sie in den Speisesaiii. Iiier zollt kein fremdes Land ein ekelhaftes M a h l ; Kein Koch, den Frankreich schickt, vergiftet uns mit Brühen;

37-2

M O

N

A L1 S

c

II E

BK

I E R E.

V. 143 — 165Kein W e i n vom Voi'gcbirg w i r d in den Flaschen glühen ; W ü r z t uns ein Sokrates mit Weisheit seinen Kohl» W e m mangelt der Fasan, der L a c h s , der Seekrebs wohl? Die

Freundschaft ohne Kupst

belobet

hier

die

Zungen, Das freye Herz w i r d nicht v o n List und Furcht gezwungen. Daun

singt ein D e m o d o k

der Tugend tapfre

Müh; E i n jeder Hörer f ü h l t dio Macht der Harmonie ; Jetzt r u f t ein Dorisch Lied erhabne Heldentriebe, Jetzt lockt ein weicher T o n die angenehme Liebe.

So nützt der Glückliche die vorgezählte Z e i t ; D i e Ruhe w o h n t bey i h m , die blasse Sorge scheut Sein unbewachtes Haus, mit seinem Stand s u f r i e d e n . W i r d er der'Vorsicht O h r m i t Bitten nie ermüden. D i e Freyheit ist sein Reich.

Kein Cäsar,

kein

Mecän, N i m m t f ü r sein Gluck den D . i n k ,

kein Höfling

h ö r t i h n flelin. Die Unterwürfigkeit, der Abhang von Befehlen,

S I E B E N T E

N

B R I E F .

573

V. 164 — 178Erstickt die Tugend o f t , und bildet kleine Seelen. E i n freyev Mann allein hat Aug und Mund und Ohr, Ist das was i h m beliebt, u n d stellt sich selber v o r . Die Freunde,

die

er sich gewäjilct,

nicht

gefunden, Hat Ähnlichkeit, Verdienst und Tugend i h m verbunden ; E r , der den Schmeichler f l i e h t , n i m m t den Arist n u r an, D e r i h n so edel liebt, dafs er auch strafen kann. ?) W a s fehlt dem Glücklichen zum reichesten Vergnügen? E r sieht ein B i l d ,

vermischt m i t seiner Freundin Zügen,

I n Kindern edler A r t ; es wallt in i h r e m B l u t D e r Mutter Zärtlichkeit, der väterliche M u t h . E r f o r m t ihr weiches Herz schon in der ersten Jugend, D i e noch kein Laster

kennt,

zu

unverfälschter

Tugend; Und sieht entzückt, w i e sich i h r auerichafFnes Bild Von seinem Fleifs gepflegt, in ihrer Brust enthüllt.

M o r a l i s c h e

o74

Eititic,

V . 179 — 1 9 2 E l i die Vernunft sie kennt,

lehrt er das Herr,

sie

üben; Ihn

wird

die N a c h w e l t

noch

in seinen Enkeln

lieben.

Diefs ist v o n K l e o n s Glück ein unvollkomm11er Rifs. Ist auch ein W u n s c h , den ihm die Vorsicht übrig liefs? E r gleicht dem Sokrates, nur nicht in seinen Plagen Und hat

in

sichrer R u h ,

warum

sich Fürsten

schlagen. Doch,

Freundin,

dieses Bild das

dir

vielleicht

gefällt, Ist nur des Witzes S p i e l , und zierti nie die W e l t . Welch

trauriges Geschick?

Es

lebt nur

in

Ge-

dichten ! Ich blättre unruhvoll in modernden Geschichten, A c h ! w e d e r D i o g e n , Plutarch noch A l i a n Z e i g t mir den Glücklichen, der Weisen F ö n i x , an. D e r Weisheit liebsten Freund lohnt A r m u t h , G i f t und E i s e n ; Kr soll, dem Glück zum T r o t z , der Tugend Stärke preisen.

S I E B E N T E

I\

B H I E F ,

575

V. 193 — 23Ö. D o c h also w i r d die H u l d der Vorsicht nicht vermifst, Dafs 6ie der Weisen Leid m i t W o n n e nicht versufsi, D i e , w i e Homers N e p e n t h ,

Ango

der Sorgen

denken In sanfte Schlummer hüllt.

Soll m i c h die A r m u t h kranken,

Die

minder

als

das Gold

der

weise

Tejer

scheut? 5 ) D i e Weisheit ist ein Schatz, den kein C i k u t a

4)

neidt. M e i n mitleidswerther F e i n d , soll der m i c h traurig machen. So lang m i c h T * * l i e b t ? Ich w i l l des T h o r e n lachen, Z o r n strafte n u r m i c h selbst.

„ S o l l t ' ich m i c h

ärgern ( s p r i c h t E i n D i c h t e r d o r t ) w e n n m i c h Pantil, die Wanze, sticht? Und da m i c h V a r i u s , Messala, F u r n u s lieben, Soll m i c h ein F a n n i u s , Tigelltis Gast, b e t r ü b o n ? " Sq dachte mein H o r a z ,

und wolil i h m !

Nur

w e r so Z u denken fähig i s t , w i r d seines Lebens froh.

57Ö

M O K A L I S C H E

V . 207 —

Er,

B R I E F E .

222.

den des Hofes Pracht vom Lande nie verwöhnet,

Verlicfs, um sein zu seyn, wenn er genug gefrölinet. Den schwelgenden Mecän, floh seinem Tibur zu, Und fand das echte Glück im Schoofs der freyen Kuh. An Aulons fruchtbarm Fufs, der mit Hymettus streitet, Da hat den Einsamen sein Satyr oft begleitet, Und die Zufriedenheit;

da reitzt' ihn oft cia Bach,

Der ans bemoostem Stein mit frischem Murmeln brach, Und dann durch Blumen Jlofs, zu Liedern die ihm gleichen. D a , w o die Schlummer nie dem Neid der Sorgen weichen, Und seiner Auen Schmelz den Marmor, überstrahlt, Womit Numidien der Römer Ästricli mahlt, S) Gcniefst er die Natur, die gleichfalls zu geniefsen Die Reichen in der Stadt durch Kunst erzwingen müssen. Dort gab die Weisheit ihm die edcln Lieder ein, Worin er uns belehrt, auch arm vergnügt zu seyn.

S I B B E S S E » .

B

R I E

V.

571

V . 223 — 234. Vergnügen!

Wunsch der W e l t , dem T h o r e n stets verwehret,

D i c h zeuget die N a t u r ; dich h a t , w e r diese höret. D e r zeigt mir, w e r er ist, v i e l besser als sein Bild, Und w a r es v o m A p e l l ,

der auf sein Schicksal schilt;

E r ist ein T h o r ! du w i r s t , w i l l s t du sein Klagen stillen, M i t sieben Indien nicht seino Wünsche füllen. D e m Weisen gnügt an 6ich; ein aufgeklärter Geist, D e m sich der D i n g e W e r t h

im wahren L i c h t e

weist, Verschliefst sein männlich Herz v o r W u n s c h und eiteln K l a g e n ; E r w i r d zu Delfi nie nach seinem Schicksal fragen; Und trägt ihn auf dem Strom zur nahen E w i g k e i t , E i n Argo oder K a h n , w a s ist der Unterscheid? 6)

378

Moralische

Briete.

A n m e r k u n g e n .

1 ) Seite 363., Ludwig Vives, ein Spanier, der im Anfang des ¡16. Jahrhunderts blähte und mit Feuer und Einsicht die Fehler der damaliligen Gelehrsamkeit und Filosofie aufdeckte. 2)

S. 373.

Horat.

L. I. Ep. X. v. 45.

3)

S. 375.

Anakreon.

4)

S. 575. Ein reicher Filz im Horaz.

5)

S. 376. Est ubi depellat somnos minus invida cura? Deterius Lybicis olet aut nitet herha lapillis? Horat.

6)

Ep. X. L.

I,

S. 377. Nave ferar magna an parva unus et idem, Horat.

A C H T E R

Ad summam Liier,

sapiens

honoratus,

B R I E F .

nno minor jmlcher,

est Jove

B e x dentquc

dives, Regum.

K a r a t . Ef>. VI. L.

I.

V. i — 6. "Warum ist Epiktet vergnügt im Sklavenkloid? Ist nicht Äsop ein Knecht? Was macht ihn so erfreut ? Kein Purpur schmückt ihr Haar, der goldncn Skia* ven Menge Macht ja um sie herum kein königlich Gepränge? Kein Volk verhungert ja zu ihrer Wollust nicht? Wo reimt ein Lohnpoet auf sie ein Lobgedicht?

Moralische

38

Biiieie.

V. 7 — 20. Wo

stellt

ein Heldenlied

der Welt

sie

zum

Exempel? W o schmückt ihr Marmor w o h l , zum Dank, Fortunens Tempel? A r m , unerkannt, im Staub, von allem Schimmer blofs, ( Ihr reichen Thoren hörts!) sind sie beglückt und grofs. War diefs P o l y k r a t e s ?

Wer zeigt mir dock die Thronen,

W o Laster,

Sorg' und ITnrm der Fürsten Ruhe schonen?

Nehmt dem geschminkten Glück den prahlerischen Schein, Der König wird ein Sklav, der Reiche dürftig seyn. W o Tugend und Verstand mit Arruutli sich verbinden, D a , Freundin, wohnt die Rull, da wirst du Ruhe linden; Den Pöbel wundert diefs.

Ich bin nicht grofs, nicht reich,

Ein jeder Erdensohn ist mir an Stande gleich. Kein König weifs von mir, auch bin ich überhoben Mecänen und August, wie mein Horaz, zu loben;

A C H T E R

B R I E T .

38I

V . 21 — 36. Mein Wissen runzelt nicht die immer freye Stirn, Auf

meine Lehren

schwört

kein, Schüler

ohne

Hirn; Hein Journalist

befiehlt dem Erdkreis

mich

zu

lesen, Und schützet mein Gedicht vor Heringslak

und

Käsen ; K u r z , ohne Glück und nach dem Mafs der Grofsen klein, Sollt' ich glückseliger als alle Grofsen seyn?

Diefs fafst der Pöbel nicht, er w i r d mich rasend nennen, Und, so gesund ich b i n , mir Nieswurz zuerkennen. E r kennt die Güter nicht,

die der in sich verschliefst,

Defs Sinn v o n Leidenschaft und W a h n gereinigt i s t ; Des Weisen Göttlichkeit,

das himmlische

Ver-

gnügen, In stete Harmonie Verstand und Ilerz zu w i e g e n ; D i e Schätze der N a t u r , die der allein besitzt, Den die Vernunft gelehrt, wie|sie der Weise nützt. Die E h r e , die sich nie den Edeln w i r d versagen, Die ihren R u h m mit sich in befsre Sterne tragen;

332

M O R A L I S C H E

I U I E F E ,

V . 37 — 49.

DieCs, Freundin, unser Glück, begreift der Pöbel nicht, Und lacht, wenn ein I ^ o e t l i 2 )

von Glück im

Kerker spricht. K o m m , Freundin, dir allein, und denen die dir gleichen, Versucht mein Pinsel sich, das Vorbild zu erreichen. Das ihm H o r a z entwarf. Den Weisen mählich dir. Schön, frey, im Purpurschmuck, gekrönt mit Ruhm und Zier, Und kleiner nur als Gott: Ihn soll ein Krösus sehen. Sehn soll er i h n , und ihm den Vorzug zugestehen! Der Weise nur ist schön. Was auch der T e j e r singt, Kein K l e o b u l u s ist, 3) dem hier der Streit gelingt, Wenn «ich Asop ihm stellt. I l i p p a r c h i a

soll

sagen, ( W e r wagts, des Anspruchs Recht den Schönen abzuschlagen? Ob,

vor dem weichen Reitz des

wäcliserncn

B a t h y l l , 4)

A C H T E R

B R I E F .

583

Y. 5 ° — 63. Ihr, bucklicht, Klein und alt, ein K r a t e s nicht gefiel? J u n g , angenehm, geliebt von artigen Narkisscn, Ergab sie sich aus W a h l des Weisen kalten Küssen. Gefiel nicht Sokrates, und glich doch dem S i l e n ? Narlufs!

dein Spiegel l ü g t ,

der Weise nur ist

schön! W i e arm ist K r a s s u s nicht, den w i r für glücklich preisen? Auf seine Schätze stolz, verachtet er den Weisen, Der seine Güter stets, w i e B i a s , bey sich trägt, Und nie von Dieben träumt, wenn "er des Schlummers pflegt. Doch, Krassus, richte selbst, w e m w i r d der Preis gehören? Dem,

welcher kummerfrey des Goldes kann entbehren,

Der woiter nichts bedarf,

als was

ihm

Gott

beschied, Und nicht nach seinem Glück durch alle Meere zieht? W i e , oder dem,

der stets von Wünschen überflieget,

584

Moralische

linitFi,

V . 64 — So. Und immer mehr begehrt und w e n i g e r geniefset, Je mehr Peru ihm z o l l t ? Hier ist daB U n h e i l leicht! D e r Weise darbet n i e , er hat sein Z i e l erreicht. Sein ruhend Herz empört kein Wunsch, noch mehr zu haben, D i e ganze W e l t ist sein.

W e m sind des Frühlings Gaben?

W e m ist des Sommers Pracht?

W e m strahlt des

Himmels H e e r ? D e n Thoren nicht, für die ist alles öd und leer. D e r Weise kann allein der Z w e c k e Band ergründen, Und überall den Stoff zu seinem Glücke finden.

S c h w e i g t nur zu seiner E h r ' , ihr Dave unsrer Zeit, Behaltet euer L o b und eure E w i g k e i t . D e r Weise ist v e r g n ü g t , die Tugend still zu üben, Sie krönt mit Himmelsglanz dio Seltnen,

die sie

lieben. L i e b t ihn ein Redlicher,

wünscht

ein entfernter

Freund: „ O ! wäre mein Geschick mit seinem doch v e r e i n t ! " So reitst ihn keine Sucht sich Lorbern zu erringen ; Ihr Helden, theilet sie mit euern Dichterlingen!

A C H T E R

V. 8 ' -

B R I E T .

585

94-

Der niemahls welke K r a n z , den uns die T u g e n d flicht, D e r ist uns L o h n s g e n u g ,

kennt gleich die Welt uns nicht.

D e n Schimmer, der uns selbst in unsorn Augen weihet, D e n jede schöne Tliat durch unsre Seele streuet, D u , F r e u n d i n , kennest ihn, ihm gleicht kein L o b gesang, Keiu L o r b e r , kein T r i u m f , kein Ordensband, kein Rang. D e r Vorsicht w ü r d i g seyn,

die

mütterlich uns

führet, D e m schönen Vorbild n a h n , das jetzt die Sterne zieret, Sich

selbst

der

spätsten

Welt

zum

Musterbild

erhöhn, In seiner eignen Brust dieselbe Tugend sehn, D i e mit Verwundrung man im Sokrates erblicket, D i e uns an Plinius, an F a n n i e n s ) entzücket; O diele Bewufstseyn zahlt kein Ruhm der ganzen Welt, Kein Weihrauch, kein A l t a r , den auch der T h o r erhält. WigLAirsi W. Svrrii. I. B.

B b

3ß6

M O R A L I S C H E

B R I E S E .

V . 95 — 107. Der Weise mir ist f r e y , auch w e n n ihn Ketten drücken, O f t leichter n o c h ,

als die,

womit

uns Fürstau

schmücken. D i e Seele bindet nichts als Wahn und Leidenschaft; D i e stürzpn sie v o m T h r o n ,

sonst keine äufsre

Kraft. H e r v o r , ans Tageslicht, ihr Anti-Epikteten, Der

Thorheit

Hausgesind,

und

schüttelt

eure

Ketten.' Ist Harpagon w o h l f r e y , den sein tyrannisch Geld Mit unsichtbarem Netz an sich verstricket hält? Gleich dem, w o m i t Vulkan das schone Paar umwunden, A l s er sein Ehgemahl in Mavors Arm gefunden. Ist S t e n t o r nicht ein S k l a v ,

der ß o d m e r «

Trefflichkeit M i t beiden Augen sieht, und doch aus Neid verschreyt? W a s er am Milton schilt, w i r d er am Griechen loben;

A c h t e r

BRIET.

5ß7

V . »o8 — 123. E r schweigt von Hallen L o b , und Neukirch wird erhoben. Schreib göttlich w i e Horaz,

findt auf der Alten

Spur Mit H a g e d o r n s Gefühl die reitzende Natur; Bist du sein Schüler nicht, er wird gebietrisch. tadeln. Nur seine Jüngerschaft kann matte Reime adeln! Was ist der reiche M o p s ?

der, seiner Frey-

lieit satt, Dos Königs Sklav zu seyn, das Land yerlassen hat. Wo seine Ahnen einst arn l1 eidhau sich ergetzten, Der S.onnen Ankunft sahn,

und selber Bäuma

setzten. Die unschuldsvolle Lust, die auf dem sichern Land Ein Cyrus, Xenofon, ein weiser Kato fand. Wird ihm gemein und alt; die Neuheit inufs das kleiden, Was ihn ermuntern^oll.

Ihr unerkauften Freuden,

Gefolg der Seelenruh, ihr Töchter der Natur, Beneidet von der Kunst, euch fühlt der Weise nur! Mops eilt, der Hain« L i e d , der Frühlingsbäche Rauschen,

383

M o R A t l S C H E

V.

B R I E F E .

— 138.

Um Welschlands Sängerin und Bälle zu vertauschen : E r eilt, der goldne Narr, aus dem verhafsten W a l d Voll Sehnsucht nach der Stadt; sein halbes Erbgut strahlt

An i h m , an Liverey, an Pferden und Karossen; Nufi schimmert er bey H o f , folgt als Trabant den Grofsen, Und ist in »einem Wahn der glücklichste der W e l t , W e n n einst ein

Seitenblick des Fürsten auf ihn fällt.

In mancherley Gestalt mufs hier sein Gold zerrinnen, E r ist des Hofes S p o t t , ein Raub der Tänzerinnen. W e r glaubt,

dafs diefs Gepräng,

diefs herr-

schende Gesicht, Diefs sklavische Gefolg,

uns

einen Knecht ver-

spricht? D o c h ist F o t i n ein K n e c h t , dem W i l l und Freyheit fehlen. W e n n war wohl je der Hof die Wohnstatt frayer Seelen? Sein Fürst sey ein T i b e r , doch höre den Fotin, E r ist mehr als T r a j a n , ihm weichet Antonin.

N e u n t e r

B r i e f .

V . 139 —

389

154.

Dem Sklaven bleibet kaum des Denkens W i l l k ü h r eigen. W i e ein Kamäleon mufs er die Farben zeigen Die ihm der V o r w u r f g i e b t , er ist nur Wiederschein, Und

w a s er T e d e t , w i r d der F ü r s t e n E c h o

Und du,

vor welchem

sich

seyn.

so viele Völker

bücken, Den Weisen blenden nicht

die Kronen, die dich schmücken ;

Es sey D o m i z i u s , dafs Fürsten vor dir knien; D i e halbe W e l t dient d i r , du einer Sängerin. Der

Weise

herrscht

allein,

ein

König

der

Begierden; Um seine Scheitel glänzt die Würde aller Würden, D i e Triebe dienen i h m , gebunden vom Verstand, In deren Fesseln sich manch Weltbezwinger wand. Des Weisen heitre Stirn und nie erhitzte Wangen, Sind stets von Seelenruh und stiller Freud' umfangen ; Sein königlicher Geist gebietet dem Gefühl, Und läfst 'sein folgsam Herz den Lüsten nie zum Spiel;

59»

Moralische

Bmtrt,

V . 155 — 166. Und wagt es die Begier,

die Ketten abzuschütteln,

So zähmet die Vernunft sie bald mit liärtern Mitteln. O

Freundin,

welch

ein B i l d !

Welch

eine

Hoheit krönt D e r Weisen, der vom Glück nicht einen Strahl entlehnt! Ihn übertrifft nur Gott an Trefflichkeit und W o n n e , E r ist der Gegenglanz der schöpferischen Sonne; Gleich G o t t , schöpft er aus sich die Freude,

die

ihn näbrt, Bey der er leicht den Schaum der Erdenlust entbehrt. A u c l A i n s , o F r e u n d i n , ist diefs hohe Glück vergönnet ! Diefs bürgt uns unser H e r z , der T r i e b , der in uns brennet, Der tugendhafte Trieb zu wahrer Trefflichkeit, D e r unverwandte Blick nach jener Ewigkeit, W o unsre Hoffnung b l ü h t ; diefs redliche Bestreben D e r V o r s i c h t , die uns f ü h r t , der Tugend treu zu leben; O 1 glaube, solch ein Herz, und solch ein Herz allein Hat innern W e r t h genug, um stolz darauf zu seyn !

A

c

H T B N

B R I E F .

391

A n m e r k u n g e n .

1)

Seite 3go.

Tolytrates von Samos w i r d von

den Alten als ein besonderes Beyspiel eines Lieblings des Glückes angeführt.

Sein Freund, der König

Amasis von Ägypten, rieth ihm einst, er sollte, dio Göttin Nemesis zu befriedigen, eine Kostbarkeit, die v o r andern selten und w e r t h w ä r e , ins Meer w e r fen.

Polykrates schmifs den von den Alten so sehr

gerühmten Siegelring hinein, welchen der Künstler Theodorus aus einem Smaragd verfertiget hatte, und der ihm aus einer grofsen Menge von Kleinodien vorzüglich lieb w a r .

Allein einige Tage darauf

fand ihn sein K o c h in dem Bauch eines Seefisches, der für ihn zubereitet werden sollte.

Dem unge-

achtet ist das Ende dieses grofsen Fürsten sehr tragisch gewesen. 2) S. 382.

Anspielung auf die berühmten Bücher

de Consolatione Philosophien:, Magister

welche

Boethius,

Palatii et cfficiorum unter dem Gothischen

König T h e o d o r i c h , im Gefängnifs schrieb, w o r i n ihn dioser durch falsche Beschuldigungen hintergangene Fürst einige Jahre schinachten und zuletzt enthaupten liefs.

59i

Moralische

Bhiiie,

g ) S. 382.

E i n L i e b l i n g des A n a k r e o n .

4 ) S.

Gleichfalls ein J ü n g l i n g r o n Saitios,

dessen Gemählde Anakreon i n der

Ode m i t M e i s -

terziigen e n t w i r f t . 5)

S. 385.

S. den 19. Brief des 7. B u c h s der

B r i e f e des P l i n i u s .

W i e r ü h m l i c h ist es dieser

F a t i n i a , von e i n e m P l i n i u s so sehr verein t w o r d o n zu s e y n !

A b e r w i e gTofs w i r d

P l i n i u s selbst i n

unscrn A u g e n , da er u n s den Karakter seiner F r e u n din so v o r t r e f f l i c h s c h i l d e r t ! „ W e l c h e K e u s c h h e i t ! ( r u f t er m i t E n t z ü c k u n g von i h r a n s , ) w e l c h e R e d lichheit! welche Klugheit! welche Groftmuth! — U n d w i e a n g e n e h m , w i e l e u t s e l i g w a r sie z u g l e i c h ! W i e w e n i g e n i s t es g e g e b e n , w i e F a n n i a , eben so V e r e h r u n g s w e r t h als l i e b e n s w ü r d i g z u s e y n !

O ge-

w i f s , sie w i r d ein B e y s p i e l u n s r e r F r a u e n b l e i b e n ; sie w i r d uns Männern selbst e i n M u s t e r des H e l d e n m u t h s s e y n , da w i r sie noch i n i h r e m L e b e n so sehr b e w u n d e r n , als jene H e l d i n n e n , deren V o r t r e f f l i c h k e i t uns die Geschichte lesen l ä f s t . " 6)

S. 389- A k t e , e i n e S k l a v i n , in w e l c h e N e r o ,

n a c h dem B e r i c h t des Sueton u n d T a c i t u s , so u n s i n n i g v e r l i e b t w a r , dafs er sie h e y r a t b e n w o l l t e , u n d d e f s w e g e n etliche g e w e s e n e

Consuls

zwang,

zu

s c h w ö r e n , dafs sie v o n k ö n i g l i c h e m Geblüte s e y .

N E U N T E R

B R I E F .

Qui lit'f et ne lit point pour devenir Perd son tems, sa lecture, Convainquons

par nos moeurs

Tous les Anti -savans

et par nos

t

du prix

de nos Epi

V. G l ücliselig,

meilleur,

et nest qu'un vil

tres

lecteur• habitudes,

études. di

verset.

1 - 6 .

wessen Herz schon in der ersten Jugend

Der Weisheit Reitz gefühlt, und die Gewalt der Tugend! Eh noch ein Vorurtheil das neue Auga trügt, Und Alcibiades den Aristid besiegt. O Kindheit! schönste Zier von der Gelehrten Leben, Da vorm erstauntenBlichnocli jeneHelden schweben.

IJI/'J

M o h A L I S C U I

B r . I E r E .

V . 7 — 12. Die m a n , w e i l uns die Kraft sie zu erreichen fehlt, Z u r Schande u n S r e r Z e i t , jetzt kaum für möglich hält; Da sich ins weiche Herz die schönen Bilder drücken, D i e im P o l y b i u s , im N e p o s uns entzücken!

O Lehrer jener Z e i t , d i e , aller Sorgen blofs, M i r w i e ein sanfter Bach, voll stiller Freuden, flofs, W i e ? soll ich euch vielleicht, um einen Duns zu fassen, Den Afterweisen g l e i c h , den Schulen überlassen? Soll i c h , taub für Horaz und blind fürTacitus, I m hochgelehrten Staub, den Stax

verschlucken

mufs, Aus allen Fansofis und Encyklopädien, W i e aus dem tiefsten Schacht die Wahrheit mühsam ziehen ? Lauft immer, wenn i h r w o l l t , versteckten Pfützen nach, D u r c h Blumen iliefst mir hier der Wahrheit lautrer Bach; Und bin ich nicht gelehrt, und mefs ich nicht die Seelen, Bey Sokrates wird mir kein Glück dep Weisen fehlen.

N e u n t e r

B R I E F .

395

V. 25 — 57Der

träumo K i r c h e m

gleich,

der

steig auf

Newtons Bahn, Dir, o K n s S i n i , nach, d e n r e i i z e K o n r i n g an; Mir schimmert don Athen von alter Tugend Bildern ; Den ich nachahmen 'will,

soll X c n o f o n mir schildern.

Ihr Dichter! wählet euch nur Helden auf dem Thron; Wer Esel einst besang, singt leicht vom Ilieron. Erhebt an Königen was ihr am Irus tadelt; Weil seino Tugenden kein Fürstenmantel adelt; Vergotten den August, damit einst Julian, Was ihm zum Menschen fehlt, der Nachwelt zeigen kann: M e i n H e l d borgt seinen Glanz nicht von gefärbten Steinen, Dem

Pöbel würd'

er nur

im Purpur

gröfser

scheinen. Z w a r deckt sein kahles Haupt kein Kranz, den Julius Um Bürgerblut erwarb; kein namenloser- Flufs Sah ihn in Indien, der Siege Zahl zu mehren,

GIJÖ

M O R A L I S C H E V.

38 —

B R I E T E . 52.

D i e angestammte Ruh verborgner Völker «tören. Doch lafs Eroberern den heuchlerischen Schein! Wie die Natur gefällt, so nimmt die Tugend ein. Ihr Glanz verspricht nicht viel, und schimmert nicht von ferne, Wie oft ein Kind des Sumpfs, ein Irrlicht, bleichte Sterne Zu überstrahlen meint; ein feineres Gesicht Findt ihre Schönheit nur, den Pöbel blendt sie nicht. Mein Lehrer Sol-.rates!

dich

will

ich nicht

erheben; Kein L o b , 50 grofs es sey, erreicht dein göttlich Leben; Diefä redet kräftiger von deiner Trefflichkeit, Als P y t h i a , die dir der Weisheit Preis bescheidt. Sein mattester Entwurf wird edle Herzen rühren, Und Helden andrer Art des Vorzugs

Preis ent-

führen. O Muse von Athen! o reitz' in meinem L i e d Die Anmuth,

die das Herz zu deinen Schriften zieht! 1)

N E U N T E R

B R I E F .

3^7

V. 53 — 66.

Kein S t a m m , m i t dessen R u h m Pokile 2 )

sich

geschmücket, Ilat meinen Sokrates in seiner Schoofs erblicket. Ihn übei- Könige durch i i c h nur zu erhöhn, Liefs aus unedlem B l u t ihn die Natur entstehn, Die ihr uns Ahnen zeigt, wenn, w i r euch sehen wollen. Glaubt ihr, dafs w i r in euch A m i l e ehren sollen. D i e euer Leben schändt?

D e r läugnet sein Geschlecht,

Der

seiner

Ahnen

Glanz

mit

eignen

Lastern

schwächt. Die Tilgend adelt n u r ; nur sie gab den K o r v i n e n Die L o r b e r , die am Haupt der E n k e l jetzt vergrünen. Mein Held entlehnet nichts von seines Stammes Glück, Sein Vorzug glänzt vielmehr auf sein

Gcschlecht

zurück.

Das Alter,

dessen Breuch des Menschcn W e r t h ntscheidet,

Um welches o f t ,

zu spät, der Greis sich selbit beneidet,

3 9 M o n A t l S C H E

BRIEFS.

V. 6 7 - 8 1 . Des Lebens L e n z , wcvrin die üppige Natur, Verscliwendrisch mit sich selbst und auf Vergnügen n u r Eiliitzt,

dem

süfsen Hang

sich

blindlings

oft

ergieber, Hat in Enthaltung ihn und Wissenschaft geübet. Z u jedem Lehrenden zog ihn der Wahrheit Schein; Da f ü h r t ' A r e l i e l a u s ihn bey der Weisheit ein, Weckt die Ideen, die in seiner Brust noch schliefen; Ein A n a x a g o r a s eröffnet ihm die T i e f i n Der wirkenden N a t u r ; ein andrer zeigt.ihm an, W i e Suadens Obermacht die Seelen fesseln kann. Des Lebens rechten B r a u c h , die süfse Kunst zu licbaji, ( D o c h keuscher als O v i d s , und schwerer auszuüben, ) L e h r t ihn D i o ' t i m a ; die Herzen auszuspähn, Sich und die Weisheit selbst nach jedes T r i e b zu drehn, Und die Gefälligkeit, die seinen Umgang schmückte ; Die Künste, sonder die es keinem Zeno glückte, T h a t dem gern Lernenden der schönen Freundin Mund, (Der, Doris, deinem glich) mit süfser A n m u t h k u n d ,

N e u n t e r

BRIE

f.

399

V. 85 — i o i . Sio lehrt ihn das Gesetz, von dem in allen Reichen Die folgsame Natur sich scheuet abzuweichen. Die einen schönen G e i s t , dem L e i b e , der gefällt, Bey Thieren und G e w ä c h s , harmonisch zugesellt. D i e wahre Schönheit w i r d uns selten hintergehen ; Eieläfst dieSeel' i m Aug, als w i e inrSpiegel, sehen, I h r Schönen, schränkt euch nicht auf kleine Ans sprücli 1 ein, Erkennt euch, selbst, und seyd zu stolz, n u r schön zu seyn! Sogar Armidens Reitz verblühet i m Geniefsen; Der Seele Schönheit n u r legt Seelen euch zu Füfsen, Seht wie Diotima der äufsern Reitze Macht Durch.

Geist

und

Wissenschaft- unwiderstehlich macht.

Wie glänzend ist ihr R u h m !

Die spätste W e l t

w i r d lesen, Ihr F r e u n d , i h r Schüler üey ein Sokrates gewesen. In solchen Schulen schrieb

sich dieser Jüng-

ling ein, D e n die Natur erlas, der Menschheit Zier zu seyn. Die Tugend, die zertlieilt an andern Wesen scheiner,

/joo

M O R A L I S C H E

B R I E F E .

V . 102 — 1 1 7 . Z u einem einz'gen Strahl w a r sie in ilim vereinet. .Sein bester Lelirer w a r ein richtiger Verstand , D e r seine» Lebens N o r m in seinem Busen fand. ,Der

w a r sein G e n i u s !

Den Geist v o n

seltnen

Kräften, ,Den unersehofbarn Fleifs in würdigen Geschäften, ,Die

herrschende

Vernunft,

die

kein

Gespenst

betrügt, .Kein blinder Sinnentrieb, kein Zufall überwiegt, D e n unbesiegten M u t h , den Neid und

Schmach

nicht dämpfet, D e r für ein Vaterland, das einst ihn tödtet, kämpfet. E i n menschenfreundlich H e r z , das fremdes Leiden tlieilt, Nicht mit den Thoren z ü r n t , sie lieber, schonend heilt, Und das nur L e b e n heifst,

f ü r andrer W o h l zu leben ;

Diefs giebt kein Unterricht, diefs mufs der Himmel geben.

E r , dem nicht eine Kunst zu lernen übrig blieb, D i e Anaxagoras und Demokrit beschrieb. Entdeckte bald den Tand der prahlerischen Weisen,

N e u n t e r

B i\ i e r .

/joi

V. iiß — »35D i e , unbekannt zu Haus, in fremde Welten reisen, Zu sehr uneingedenk, dafs zum gemeinen Wohl Des Weisen edler Fleifs allein sich üben soll. Was hilfts wie G o r g i a s ,

des Pöbels Lob zu haschen,

Mit langem Wortgepräng gelehrt von nichts zu waschen? Entflüfse deinem Mund Hj-mettens Süfsigkeit; Wann deine Redekunst sich nicht der Tugend leiht, So bist du ein M e 1 i t. Was sind die stolzen Künste, Die man von M e m f i s höhlt? 3) Gefärbte Wasserdünste, Die im Beschaun vergehn , wie Iris bunter Kreis! Die ganze Wissenschaft, die mit demantnem Fleifs Der weise Abderit, 4) von aller Welt entlehnet, Durch eignes Forschen noch in tausend

Bücher

dehnet, Stärkt sie das Heiz?

Macht sie, wie A g a tli en o r» Sohn,

Ein Bild der Mäfsigkeit aus einem P o l e m o n ? 5) Was weifs H i p p a r c h u s dann, wenn

er von

tausend Sternen Stand, Gröfsen und Bezirk, Verhältnisse und Fernen In Ziffern uns entdeckt, da er die Kraft nicht sieht Wieländs W. SurpL. I. Ji.

C G

402

M O R A L I S C H E

B R I E F E .

V . 136 — 150. D i e ihre Federn rührt, da ihn ihr Innres

flieht?

Was

Satuin

sieht

der,

der vielleicht uns vbin betraphtet?

E i n Stäubchen,

das er kaum aus Millionen achtet.

So siehst du Welten an, die in entwölkter Nacht D i r ein entkräftet L i c h t als Punkte sichtbar macht. W e l c h eine Finsternifs vermischt sich unsrer Klarheit ; K a u m tliun w i r einen Schritt in dem Gebiet der Wahrheit, So endet sich der Schein, den unsre D ä m m r u n g g a b . W e n seine Kenntnifs bläht, dem fehlt der w a h r « Stab Z u m Mafs der Wissenschaft; das Nichts v o n seinem Wissen, Wird,

will

er weise

seyn,

Sokrat ihn

lehren

müssen.

Die W e i s h e i t , die vor i h m , die H i m m e l nur durchspürt, Hat Sokrates zuerst zur Erden abgeführt. 6) E r lehite, w i e das I l e r z , den Quell in sich verschliefset, Aus ,dcm, nicht aus der W e l t , uns alles Übel fliefset.

N E U N T E R

B R I E F .

4°5

V . 151 — 167. E r , ein erklärter Feind von Wahn und Vorurtheil, Z e i g £ uns das ächte Gut, und macht die Herzen heil, Die jede Leidenschaft, von Weisheit nicht gereinigt, Mehr

als

das

stärkste

G i f t des wilden

Fiebers

peinigt. D i e T u g e n d , die K l e a n tli in eine L a r v e hüllt, D i e leicht ein zartes Herz mit Furcht und

Enkel

füllt; Die

Pflicht,

die A r i s t i p p

von

allem

Ernst

befreyet, Und, ohne roth zu seyn, in Lais Arm entweihet, 7) Z e i g t e r uns w i e sie i s t , streng jeglicher Begierd, D i e von der Pflicht uns lockt, und dann die R e u gebiert; D o c h lächelnd f ü r ein

Herz,

das

seine

Würde

fülltet, Und auf dem engen Pfad nach wahrem Glilcke zielet. D i e Gottheit, die der W a h n , zum Spott der klügern Welt, In tausend Götzen schneidt und eingekerkert hält, L e h r t e r , von Bildern f r e y , die unsrer E h r f u r c h t wehren, In ihren Schöpfungen entdecken und verehren; S i e lafs, P a r r o e n i d e s , des Weltbaus h r o n e s e y n ,

,H>4

MORALISCHE

B N U N ,

V . 168 — i83Alkmäon giefse sie i n die Gestirne e i n ; Dem Weisen der das Nichts von unserm Wissen kennet, Ist sie zu ehren n u r , nicht sie zu sehn, vergönnet. W i e ? dienet der dem H e r r n , den uns die Schöpfung zeigt, Der sein entheiligt Knie in Marmortcmpeln beugt? D e r kennt und ehret Gott, der ihm zu gleichen trachtet, Und seine Stimme nie i n der Natur verachtet! So lehrte Sokrates ! — Glückseliges Athen! Du hast den Mund g e h ö r t !

du hast den Mann

geselin! Du hast der Pflichten Bild in seinem Thun erblicket, D u sahst in ihm den Geist, der selber sich beglücket; Den Redlichen, den Freund, den Menschen, der die W e l t Für eine Vaterstadt uud uns für Brüder h ä l t ; Den Richter, den kein Drohn der Kritias beweget, Den E h m a n n ,

der mit Huld der Gattin Fehler traget, 8)

Den F r e u n d , der in der Schlacht, von gleicher Noth. bedroht,

N e u n t e

n

B

i\ i e

r.

V . i84 — 200. Doch seinen Leib zum Schild der Brust des Freundes both: 9) Ihr, deren Saiten nur von Weltbezwingern Hingen, Seht meinen Helden an, und schämt euch fortzusingen! Bleibt neben Sokrates ein Alexander grofs? Beglückter Xenofon! du wardst in seiner Schoofs Z u m Helden ausgebildt; die Kunst erhabner Seelen, D i e dich unsterblich macht, dem Glücke zu befehlen, That dir seyn Beyspiel kund, und rief die edle Lust Sein Ebenbild zu seyn in deine junge Brust. Wer

hätte

seinem

Werth

sich

nicht

ergeben

müssen? Selbst Alcibiades ward von ihm hingerissen? Sein Antlitz,

w o sich Ernst in Anrauth sanft ergofs,

Nahm schon die Seelen ein.

Von Venus Gaben blofs,

Verschönt er die Natur,

die ihn dem Delfin 10)

Mit Mitteln ohne Kunst,

die ihm die Weisheit

gleichte, reichte; B e y aufgeklärter Stirn und lächelndem Gesicht, Beleidigt unsern Blick die Fauncnnase nicht;

'|06

M o n A i I s c H'E

BRIEFE.

V. £01 — 214. Und darf er nicht beym M a h l , obgleich die Gästa lachen, Dem

schonen

Kritobul

den Vorzug

streitig

machen? n ) Im Schoofs der Armuth hat die Weisheit ihn beglückt. Vom Reichthum unbeschwert, vom Mangel nicht gedrückt, Vergnügt' er die Natur, die nie zu viol begehret, Und unterm Schieferdach des Marmors leicht entbehret. Nie, Vorsicht, hat er dich mit eitlem Flehn ermüdt; W a s fehlt dein, der sein Glück in sich gegründet sieht? Nie hat er euch beneidt,

ihr

Thoren

auf den

Thronen; Dem fehlts an Lorbern nicht, der misset Keine Kronen, Der in sich selber herrscht, und die Begier besiegt, Zu deren Füfsen selbst der W.eltbezwinger liegt. Gefällt mein Lehrer d i r ?

Erkennest du den

Weisen Den Plato, Xenofon, der tauben Nachwelt preisen?

N E U N T E R

B R I E E .

4°7

V . 215 — ¡231. Ist er der S o r g e n w e r t l i , die m e i n e n G e i s t b e m u h i j , U n d , ähnlich i h m zu seyn, mir Scherz und

Schlaf

entziehn? D o c h , F r e u n d i n , k ö n n t i c h dir v o n e i n e m solchen Leben, D e n w ü r d i g s t e n Besclilufs m i t Piatons Z u n g e geben, D a w ü r d e s t d u den Mann in seiner Gröfse sehn, D e n K e r k e r und A n j r t mehr als A p o l l

erhöhn;

S e h n , m i t E n t z ü c k u n g s e h n , w i e n u n der M e n s c h vergehet, U n d s t u f e n w e i s e sich z u einem G o t t erhöhet. Z w a r weintest du v i e l l e i c h t , v o n frommer W e h muth voll, D a f s hier das L a s t e r siegt, die T u g e n d leiden s o l l ; Doch

welche

Wollust

ist

so

süfs

als

solche

Schmerzen ? Sie i i n d das E i g e n t h u m v o n tugendhaften Ja,

Freundin,

traure n u r ,

wenn

Herzen,

Kerker,

Gift

und T o d D e m Besten seiner Z e i t , dem S t o l z der M e n s c h h e i t , droht! W e n n ein Aristofan i n spotterfüllten

Scenen

E s k e k l i c h w a g e n darf den W e i s e n z u

verhöhnen,

W e n n einen Sotvrates M e l i t z u m Urtheil führt,

4O8

M O K A I I I C H E

B R I E F E .

V. 232 — 248. U n d was Belohnung heischt, Stoff zur Verdammung wird; W e n n seiije F r e u n d ' i h m n u n zum Kerker folgen müssen, W e r tadelt sie und

uns,

wenn

unsre

Thränca

fliefsen?

Jedoch ein Sokrates w i l l n i c h t bejammert s e y n ; Bey eines Weisen T p d soll sich sein Freund e r f r e u n . E r fleht den Richtern nicht, die i h n zu beugen hoffen, Beym Urtheil lächelt er, die Kläger stehn betroffen, E r schlägt die L ö s u n g a u s , die i h m die F r e u n d schaft b o t h , Und fliegt dem Kerker z u , u n d segnet seinen T o d , Ihn, der das Göttliche, in u n s e r m L e i b verschlossen, Zurück zur Quelle f ü h r t , aus der es ausgeflossen. D o r t sieht i m reinen L i c h t , das u m die Gottheit fliefst. Sein nebelfreyer Geist das was w a h r h a f t i g i s t ; D o r t liegt der Plan v o r i h m , wornacli die Vorsicht handelt; D o r t findet er, die ihm zum H i m m e l vorgewandelt. Die E d l e n , deren Ruhm noch in Verdiensten lebt, D i e W e i s e n , denen er zu gleichen sich bestrebt.

N E T T S T E R

B

n

I E r.

409

V. 249 — 254So hofft mein Sokrates,

und lasset m i t Vergnügen

W e i t unter seinem Fufs die kleine E r d e liegen; E r n i m m t den Schierlingskelch, so f r e y v o n Angst und Gram, W i e dort Annlireon den Rosenbecher nahm, 12) Reitzt seine F r e u n d e , sich nach seinem Glück zu sehnen, Und lächelnd scheidet er von ihren f r o m m e n T h r ä n c n .

M o 11Ar.isc n e

A

1)

n

m

e

S e i t e 396.

r

k

B n u r » .

u

n

g

e

n

.

U m der S c h ö n h e i t u n d A n m u t h .

seiner S c h r e i b a r t w i l l e n , w u r d e X e n o f o n v o n D i c h t e r n spiner Z e i t d i e A t t i s c h e 2)

S . 397.

Muse

genannt.

So hiefs die v o r n e h m s t e öffentliche

G a l l e r i e i n A t h e n , v o n den v e r s c h i e d e n e n S c l i i l d e r e y e n , w o m i t sie v o n g n o t u s , Pandämus,

den

grofsen

Mykon,

Meislern

Poly-

«usgezicret w a r .

Sie

s t e l l t e n m e i s t e n s d i e T h a t e n des T h e s e u s u n d e i n i g e r b e i ü h m t e n A t h e n i e n s e r v o r , w i e Pausanias in

Atticis

w e i t l ä u f i g erzählt. 3)

S . 401.

M a n stund d a m a h l s in G r i e c h e n l a n d

i n d e r E i n b i l d u n g , dafs b e y d e n Ä g y p t i s c h e n P r i e s tern

tiefe

Geheimnisse

der

Weisheit

verborgen

l ä g e n , deren R u f den A n a x a g o r a s , D e m o k r i t u s , ja sogar

den

Plato,

Lebensweisheit

dessen

seines

Wissensdurst

gTofsen

Meisters

die

reine

nicht

zu

s t i l l e n v e r m o c h t e , n a c h M e i n f i i u n d Sais z o g . 3)

S. .'joi.

5)

S. 401.

Demokritus. Ein üppiger Athenischer

an w e l c h e m X e n o k r a t e s ,

Jüngling,

Agathenors Sohn, ei«

N E U S T E R

B R I E F .



acht Soldatischer N a c h f o l g e r Piatons in der A k a d e mie,

das b e r ü h m t e W u n d e r v o n einer p l ö t z l i c h e n

Bekehrung wirkte.

M i t Rosen b e k r ä n z t , v o n Sal-

ben

in

triefend,

und

einer

seinen losen

Sitten

gemäfsen K l e i d u n g , taumelte P o l e m o n in die S c h u l e des e h r w ü r d i g e n A l t e n , zu

spotten.

UIJI seiner E r n s t h a f t i g k e i t er

ihn

e r b l i c k t e , v o n der

Mäfsigkeit zu

reden a n ,

und

machte

den J ü n g l i n g

so a u f m e r k s a m ,

in

Xenokrates kurzem

fing,

so

bald

dafs er seine Rosenkränze w e g w a r f ,

bald darauf

seine K l e i d e r z u s a m m e n z o g , sich unter dio L e h r l i n g e des X e n o k r a t e s b e g a b , und v o n S t u n d ' an ein so e i f r i g e r S c h ü l e r der W e i s h e i t und T u g e n d w u r d e , dafs er seinem

Lehrer

in

der

Akademie

folgen

konnte. 6)

S. 402.

cccultis

Socrates

ante eum Philosophi losophiam

7) einem,

et vitiis L.

in quibus

occupati fuirant,

et ad vitam

virtutibus quaest.

mihi videtur -primus a rebus

et ab ipsa natura involutis, communem

quaereret

etc.

omnes

avoeavisse

phi-

adduxisse,

11t de

Cicero,

Acad.

I. c. 4 ,

S. 40g.

D i e s e r liösische F i l o s o f

der i h m die L a i s v o r r ü c k t e :

antwortete

Lais

besitzt

m i c h n i c h t , i c h besitze sie. 8)

P. 404.

Unsere

Zeiten,

welche

mehrern

fälschlich angeklagten und verschrienen A l t e n G e rechtigkeit

w i e d e r f a h r e n lassen,

liabsn

auch

die

4i2

Moralische

Briefe.

bekannte Xantippe unschuldiger befunden, als m a n ehedem glaubte.

Indessen zeigen uns Stellen, aus

dem X e n o f o n , dafs sie eben nicht den zärtlichsten und sanftmüthigstenKaraktcr gehabt; denn Sokrates I-.eirathcte sie, u m sich an ihr in der Geduld u n d Menschenliebe zu üben. 9)

S. 405.

Sokrates rettete, nach der unglück-

lichen Schlacht bey Potidäa, Deinen v e r w u n d e t e n jungen F r e u n d , Alcibiades, indem er ihn sammt seinen Waffen mitten d u r c h einen feindlichen Haufen davon trug. 10)

S. 405.

In der Sammlung der Bilder der

Helden und grofsen ¡Männer des Alterthums, welche J o h a n n Angelus K a n i n i g e m a c h t , und d e C h e v r i e r e s ins Französische übersetzt zu Amsterdam 1 7 3 1 heraus gegeben h a t , ist ein Jaspis abgezeichnet, in welchen der Kopf des Theätetus geschnitten i s t , der statt der Mütze eine Larva h a t , die von der einen Seite einen D e l f i n , und von der andern den Sokrates vorstellet.

D i e Haare des Jünglings

machen den Bart des Alten a u s , und die Ähnlichk e i t , welche der kahle Kopf und die gebogene Nase dem Sokrates m i t einem Delfin g i e b t ,

widerlegen

die Gelehrten genugsam, welche diesen Weisen m i t Gewalt verschönern w o l l e n ,

ob ihnen gleich die

Augenzeugen Piaton und Xenofon z u w i d e r sind. Auf diesen Stein, w o T h e ä t e t u s , Sokrates und der Delfin alle drey einander ganz gleich sehen, welches

N E U N T E R

B R I E F .

413

auch mit 3em Zeugnisse der Alten überein k o m m t , folgen z w e y andere, w o Sokrates und Silenus einander so ähnlich s i n d , als ob sie Z w i l l i n g e w a r e n . n)

S. 406.

Dieser scherzhafte Streit des W e i -

sen mit dem schönen Kritobulus i s t , so w i e

ihn

X e n o f o n in seinem Gastmahl erzählt,

von

eines

den schönsten Beyspielen v o n dem w a s die Attische Urbanität und das Attische Salz genennt w u r d e , so uns aus

diesen glücklichen Zeiten ü b r i g

ben ist. 12)

S. 409.

Ode

KXVl.

geblie-

Z E H N T E R ,

B R I E F .

O Vraeclurum diems cum ctd ilhtd divinum animoruin cancilium coetumque proßciscar, citmque ex Jiac turbci et colluvîone dijçcdam! Cicero.

V. i Die

Weisheit,

die

allein

6. don Menschen leben lehrt,

Macht ihm den T o d beliebt,

der

andrer

Ruho

stört. E r hat nichts schreckliches f ü r aufgeklärte Seelen. D e r Aberglaube mag sich m i t Gespenstern quälen, E r öffnet unserm Blick ein paradiesicsh Feld, E i n Leben ohne Schmerz, und eine befsre Welt.

Z e h n t e r

BRIET.

415

V. 7 — 21. Z w a r eilet auch der Heid m i t unerjclirecktcm Muthe Z u m gegenwärtigen T o d , und zahlt mit theurem Blute D e n Zweig, von dem sein Land i h m ganze Wälder schenkt; D e r aber da,

n u r r e i t z t , w e n n Menschenblut ihn tränkt.

Voll Trotz h ö r t ein H u r o n z u m Tode sich verdammen, Lacht seine Mörder

an,

und

jauchzet

in

den

Flammen; Vor Alexandern zflndt der nackende K a l a n , D e r Inden H e r k u l e s , sich seinen Ilolzstofs an. Stirb T h o r , d o c h , hoffe nicht der Helden glänzend Leben, D i e ihr geweihtes Blut dem Vaterland gegeben; So stirbt der Weise n i c h t ! er lebet als ein H e l d ; Und fhefst sein heilig B l u t , so fliefst es f ü r die Welt. Sein Leben m i t dem T o d sokiatisch zu vertauschen. Darf i h n kein Vorurtlieil, nicht Solz noch W u t h berauschen. E r , vvelcEen die Vernunft die Kunst zu sterben lehrt,

4i6

MORALISCHE

BRIERE.

y. 22 — 35. Braucht keinea Mittels nicht, das die Vernunft entehrt; Die Wollust hat für ihn kein Paradies gebauet; Er lacht des Acherons, vor dem den Thoren grauet. W e n n Wahn und Leidenschaft des Pöbels Mutli erweckt, W e r nennt m i r die Gefahr, die seinen Unsinn schreckt? Doch, dafs ein freyor B l i c k , den keine I I o u T i s blenden, O Den nicht Bellona ruft mit Lorbern in den Händen; Noch m e h r , dafs selbst i m Sclioofs der irdischen Seligkeit, Ein

leichtgerührtes Herz des Todes Bild nicht scheut:

Diefs ist der Weisheit W e r k !

Nur sie schafft Heldenherzen,

Und lehrt den Sokrates dem Tod entgegen scherzen. W i e mitlcidwürdig ist, w i e aller Hoffnung blofs, W e r seiner Wünsche Ziel in dieser Welt versclil-fs ? Nicht klugen Wandrern gleich, die nur i h r Ziel ereilen,

Z E H N T E R

B A I S

F.

V. 5 6 - 5 2 . Und die kein L o t u s reitet, sich bey i h m zu verweilen. D e r arme Harpagon, dem nichts mehr übrig bleibt, W e n n ihn sein B i l d , der T o d , von seinen Säcken treibt; D i e schöne L y d i a , an die kein Schnitzbild rcichet, D e r , linidens Venus selbst,

nur

nicht an Härter

weichet; D e r Bruder v o m S i l e n , der weiche Sybarit, D e m nun mit W e i n und Kufs sein ganzes

Glück

entflieht; D e r prächtige Mecän, dem mit Numidschen Säulen Auf der getreuen See beschwerte Schiffe eilen, 5 ) In dessen .Eigenthum das halbe P a r o s gleifst, D e r zu Neptuns Verlust Gebürge niederreitet, 4 ) Als ob er ganz allein dem T o d sein Recht nioht zollte, Und sein Elysium sich hier erschaffen w o l l t e ; D i e a l l e , Freundin, sprich,

sind sie nicht

Thrä-

nen werth, D a mit dem letzten Hauch i h r ganzes Gut entfährt? W i e furchtbar mufs der T o d sich solchen Seelen mahlen, D i a ihm die Ewigkeit mit ihrem Glück bezahlen? '«ViKtAKD« \v. S v r r t . I. B, D d

/¡IQ

M O R A L I S C H E

B R I E T E .

V. 5 3 - 6 8 . D i e E w i g k e i t , die n u r dem Weisen brauchbar ist, D e r w i l l i g hier' e n t b e h r t ,

und

dort erst recht

geniefst. D o r t w o zu neuer L u s t den Geist Kein L e i b u m fasset, I n einer öden N a c h t , die Scherz und Freude hasset, W o die Natur kein Gold den öden Bergen g a b : W i e sehr w ü n s c h t da der T h o r auch seinem Geist ein G r a b ? Beglückt ist L y d i a , sie schonet unsrer Klagen; Sie stirbt m i t ilirem L e i b und w i r d davon getragen j Sie w u c h s und grünt 1 und blüht' und welkt', und fiel n u n ab, Und ihren schönsten T h e i l verschlingt

nunmehr

das G r a b ; F ü r eine Seele darf sie keine Rechnung geben, D i e w a r ein E m b r y o n und fing nie an zu leben. Doch

welch, ein

Theofrast m a h l t m i r den Tigell in,

In dessen eigner Brust der Höllen Flammen glühn ? D e r Feind des Vaterlands, die Geifsel seiner Bürger, Des

Fürsten

Sklav und H e r r ,

so vieler

Würger;

Heere

Z e h n t e r

B R I E F .

419

V. 6 9 - S t . E i n N e r o , ein Sejan, ein Filipp , ein

Gregor,

In welcher Schreckgestalt stellt der den Tod sich vor? Der Go'.tesläugner, den kein Blitz, kein Richter beuget, Der nicht den schwächsten Rest der Menschlichkeit gezeiget, In welchen

Schauern starrt sein nie

erschüttert'

Herz, Wenn sich der Tod ihm naht ?

Wie marternd ist

sein Schmerz? Mein Geist erliegt bestürzt din jammervollen Bildern, Ihr Schatten schreckt

ihn schon;

ihn mag ein

D a n t e schildern! Noch

glücklicher ist

der,

dir

zu

vergehen

glaubt, Wenn dem belebten Blut der Tod dnn Umlauf Täubt; Der mit gelafsnem Muth der Nerven

Ohnmacht

spüret, Und,

wie im N i r e t i p a n , 5 )

sich

siinft in»

Nichts verlieret. Doch welche Seligkeit? beyin blofsen Wort Vergehn,

420

Moralische

Briefe.

V . 82 — 98Erhebt mein ganze» H e r z , und glaubt schon »tili zu stehn. E i n Herz, v o n Wünschen h e i f i , die nie gesättige werden, Das mitten im Gennfs der Freuden dieser Erden Jsiiich. unbekannten

leclwt;

ein

Geist,

der sich

einpfindt, Und seine Grenzen nicht in Raum und Zeiten f i n d t ; W i e kann der ohne Angst an sein Vergehen denken, Und in des Undings Schlund gelafsne Blicke senken? D e r , dessen Unglück noch um unser Mitleid w i r b t , D e r an der kalten Brust der schönen

Thisbe

stirbt; Die D i d o , die Virgil so rührend jammern lässet» Dafs ihrer Tliränen Strom die unsrigen erpresset,' Ist minder hoffnungslos, als ein A v e r r o i s t ,

6

)

Defs abgeschiedncr Geist in dünne L u f t zerfliefst. Der ist bedauernswerth,

den

seine

Zweifel

quälen; Allein w i e nenn ich e u c h , i h r pöbelhaften Seelen, E u c h , die, zur Schmach der Z e i t , w o die Vern u n f t regiert, Die ungeborne Welt dereinst verachten w i r d ,

Z e h r t e t .

BRIET.

421

V. 99 — 1 >4E u c h Sklaven, d i e , der L u s t m i t Sicherheit zu fröhnen, Sich nach der L a i s T o d und nach Vernichtung s e h n e n ? 7) Vergeht n u r , die ihr so die Menschlichkeit e n t e h r t ; W e r solche W ü n s c h e t h u t ,

ist seiner

Wünsche

Werth. D o c h w e r sich menschlich f ü h l t ,

f ü h l t auch den

T r i e b zum L e b e n Sich bis z u r Ewigkeit i n seiner Brust erheben« Dieselbige B e g i e r , die uns zu Thaten zieht, D u r c h die der Helden L o b noch i n den

Sternen

glüht; D i e Memfis Herrscher trieb i n aufgebirgtcn Steinen V o r denen R o m n o c h s t a u n t , der Nachwelt grofs zu scheinen; D i e i n der Alten Brust die Tugend angefacht, D i e Zeit und Alterthum n u r glänzender g e m a c h t ; D i e d u r c h H o m e r u s M u n d der N a c h w e l t

vorge-

sungen. Und sich i n Maro k ü h n

dem Griechen nachge» Schwüngen;

Dieselbige Begier, die alle Grenzen scheut, Ist unserm Geist ein Pfand der Unvergänglichkeit.

422

M O R A L I S C H E

B R I E T E ,

V. 115 —129.

O selig,

w e r i n Gott der

Wesen

Endzweck

sieliet. Und besserm Leben zu m i t seinen Wünschen

fliehet!

W e r Iiier der T u g e n d schon m i t Eifer nachgestrebt, Und mitten in der Zeit der E w i g k e i t gelebt; Mit

Freuden

wird

er - sich

von

dieser

Erde

schwingen, Und zum beglückten Kor belohnter Weisen'dringen. I s t , F r e u n d i n , diese W e l t w o h l unsrer Herzen Werth, W o Tugend Schande m a c h t , und n u r das Laster ehrt? W o Leidenschaft ur.d Tand fast jede Tliat gebieret, W o Epiktetus dient, Domizian regiei'et; W o sich zum Mittelpunkt ein jeder selber setzt; Wo

man Verdienst und W i t z

nach Stand

und

R e i c h t h u m schätzt; Wo

Rapax

durch

die Kraft der

zaubrischcn

Dukaten, Uns m i t Verdiensten b l e n d t ; 0) w o die geringsten Thaten D e r T h o r e n , die das Glück, u n d nie i h r erhebt,

Werth,

Z r. ii i i e b

B r i e f , -

425

V. 130 —.144. Ein schmeichlerischer Sklav' in Erz und Marmor gräbt? N e i n , D o r i s , liier ists nicht, w o unsre Wohlfahrt blühet! Dort w o dein schöner Blick den weifsen Gürtol sicher, D e r seinen Silberglanz von tausend Erden lehnt. Die heisrer Sonnen Strahl zur Wohnung uns verschönt; 9) Dort ruft uns unser L o h n , dort freuen sich die Weisen, Dafs w i r zu ihrem Glück auf ihrer Strafse reisen. Dort

täuschet unsern Wunsch

kein

wesenloser

Wahn; Dort strahlt uns die Natur durch befsre Sinnen an; Dort endet alles W e h , dort lliefsen unsre Zähren* Nicht mehr von Gram erprefst, nur unsre Lust zu nähren. Dort sättigt unsern Geist ein unvergänglich Glück} Und eine Ewigkeit wird ihm zum Augenblick. So wenig schrecklichs hat der Tod für freye Augen, Die durch den äufsern Schein zum Grund zu dringen taugen!

424

ÄIORAtlSCHE

ÜHIEIt,

V. 145 — »62. Bebt auch ein Wanderer, in Wüsteney'n verirrt, Vor einem Freunde, der zum Ziel der Reis' ihn führt? Was, Kenner der Natur, hat un» der Welt gegeben? War nicht des Tliieres Tod der Weg zu diesem Leben? Pes Engels Leben ist des vot'gen Menschen Grab! So legt ein träger Wurm die goldne Hülle ab. Erhebt sich bun tbcschwingt in ungewohnten Lüften, Und nährt,

statt Erde,

sich mit junger Rosen Düften.

Vielleicht dafä uns auch do«, wo unser Glück jetzt winkt. Ein minder bittrer Töd in n e u e W e l t e n bringt? Kein unbeweglich Ziel zwingt uns in enge Kreise, Der Geister rege Kraft weicht

stets aus

ihrem

Gleise In eine gröfsre Sfär: So tritt aus seiner Bahn Ein kühner Mond, und glänzt entfernte Himmel an. O reiche Hoffnungen für aufgeklärto Seelen I Wird wohl, wer euch besitzt, sich A t t a l a Schätze Wählen ? Beynah versucht ihr mich, wie einst Sokratens Tod Und die Unsterblichkeit den edlen Jü 1 e 0 m b r o t.i°)

Z e

K T E n

B x i i r,

425

V. 163 — 168. Doch nein! ein kölner Sclilufs verbindet uns der Erden. Die E w i g k e i t verdient, mit flüchtigen Beschwerden Von uns erkauft zu seyn. Vollend erst deinen L a u f , Und steig,

auf engem Pfad, zum schönen Ziel hinauf;

Denn nur zum Sterben ward diefs Leben uns gegeben, Und wa9 der T o d uns schenkt, das ist das wabro Leben.

M o ß a r. i s c H e

42Ö

B k i k r e.

Anmerkungen.

1) Seito 4 j 6 . Diesen Nymfen des Malionimedischen Paradieses w i r d . liier die Gabe zu blenden nicht hyperbolischer W e i s e zugeschrieben ; denn sie liaben (nach der Versicherung der Kommentatoren des Korans) A u g e n , die so grofs Wie Ilühnereyer i und von solchem Glänze sind, dafs wenn sich eine v o n ihnen um Mitternacht auf Erden sehen liefse, sie es so helle mschen w ü r d e , als die Sonne am Mittag. 2)

S. 416.

Man w ü r d e m i c h sehr unglücklich,

verstehen, vyenn man meinte, i c l i r e c h n e hierdurch meinen W e i s e n unter die grofsen Männer des Herrn Deslandes,

die scherzend gestorben sind. Man nuifs

ein Solirates oder Thomas More Eeyn,

um dem

T o d e so entgegen scheTzen zu können, dafs die W e i s h e i t Antheil daran hat. 3) S. 417. 5. Horat.

Od.

18. L.

II,

und den

92. Brief des Seneka. 4)

S. 4i7-

Contractu pisces aequora sentiunt Actis in altum molibus; huc frequens Caementa demiltit redemtor, etc. Horat. L.III. Od.I.

Z E H R T E »

5)

S. 4,19.

B R I E T .

Nireupan

427

i s t das Paradies

oder

v i e l m e h r die Seligkeit der Siameser, w o r i n die Seein so glücklich ist, gar n i c h t s z u e m p f i n d e n n o c h zu b e g e h r e n . F o e , dessen.Meinungen d u r c h ganz Indien ausgebreitet sind, v e r w e i s e t auf eine eben so subtile u n d schläfrige Seligkeit, w e l c h e r E p i m e n i d e s voft Kreta sehr nahe g e k o m m e n seyn mufs, der in einer H ö h l e 57 J a h r e nach einander fortgeschlafen h a t ; w e n n d i e , nach des Apostels Z e u g n i f s , sehr unzuverlässigen K r e t e r , die es i h m n a c h s a g e n ,

nicht

gelogen h a b e n . 6)

S. 420.

So lieifsen einige freye K ö p f e , wel-

che sich die psychologischen Lehrsätze des A l e x a n d e r s von A f r o d i s i e n

u n d des A v e r r o e s ge-

fallen liefsen, und sich i m 15. S e k u l u m in Italien so f ü r c h t e r l i c h machten, dafs i h n e n d u r c h das letzte Lateranische Conciliuni E i n h a l t g e t h a n w e r d e n mufate, 7)

S. 421.

L a M e t r i e , z. B .

o)

S. 422.

Scilicet

uxorem

cum dote.

fidemque

et amicos Et

genus

et formam.

regina

pecunia

decorant

Suadela

donat, Et

bene nummatum

Venusque. Ilorat. 9) S. 423.

Sat. I. L.I.

D i e Milchstrafse w a r , nach der Mei-

n u n g einiger filosofischen Sekten, die W o h n u n g

der

/¡sg

MORALISCHE

te'igen Abgeschiedenen.

B a u n ,

Eavita,

vita in coelum est,

et in hunc coelum eorum qui jatn vixerunt et corpore laxati, erat inter

illum autem

incolunt is

flammas

lo cum,

splendidissimus circus

el'ucens,

a Graiis accepistis, orbemlacteum

vides; c andor

e

quem vos ut nuncupatis etc.

Cicero 10)

quem

in Somn. Scip.

S. 424. E i n Jüngling, den nach L e s u n g d e s

Gesprächs von der Unsterblichkeit der Seelen, w e l ehes Plato aus den letzten Reden des Sokrates verf a ß t e , eine so grofse Begierde nach dem zukünftigen L e b e n ergriffi dafs er sich ins Meer stürzte,

um

ungesäumt z u einer so grofsen Glückseligkeit

zu

gelingen.

ENDE

DES

I.

BANDES.