199 115 40MB
German Pages 428 [424] Year 1798
C.
M.
WIELANDS
SÄMMTLICHE W E R K E
S U P P L E M E N T E ERSTER
BAND.
LEIPZIG key geoi\g joaciiim cöscnr. n. 1 7 9 8-
I
N
DIE NATUR
H
A
DER
MORALISCHE
L
T
DINGE
BRIEFE.
V O R zur
dritten
B E R I C H T Ausgabe
von
1770
( m i t e i n i g e n A u s l a s s u n g e n u n d Zusätzen.)
Das
System
dieses Lelirgedichts
hat
einen
Ursprung, wodurch es sich vielleicht von allen andern Systemen unterscheidet, die seit Erschaff u n g der W e l t zur A u f l ö s u n g der unauflösbarsten aller A u f g a b e n ausgebrütet w o r d e n sind. E s w a r die Frucht eines enthusiastischen Spaziergangs
eines noch
sehr jungen und sehr
platonischen Liebhabers mit seiner Geliebten, an einem sehr heifsen Sommertag des Jahres 1750, Predigt Liebe;
nach über
Anhörung den
uiid w e n n
Text:
einer
etwas
Gott
die M u s e n
ist
kalten die
dip poeti-
V o
6
N B
sehe Darstellung ten,
E
c
N I
II
T.
so g e w i f s eingegeben hät-
als die L i e b e das S y s t e m ,
so w i n d e
es die Nachsicht, womit es im Jahre aufgenommen w u r d e ,
wenigstens
Seite gerechtfertiget haben.
1751
von einer
Doch, die Musen
hätten thun mögen was ihnen beliebt häite, wenn
das W e r k nur
unter den Augen der-
jenigen geschrieben worden w ä r e ,
f ü r die es
anfänglich zunächst bestimmt war.
Vermuth-
licli würde
es dann eine ganz andere und
gefälligere Gestalt
gewonnen
haben.
Der
Verfasser würde von denjenigen Theilen desselben, welche eigentlich in das . Gebiet der Einbildungskraft gehören, mehr Vortheil gezogen haben;
die unverständliche und ein-
schläfernde M e t a f y s i k des 2. und 3. Buchs würde weggeblieben,
der Vortrag nicht so
platt und trocken, und das Ganze überhaupt interessanter und mit sich selbst übereinstimmiger geworden seyn. sehr schweimüthigen wurde,
und
der
D a es aber in einer Einsamkeit
aufgesteckt
Verfasser überdiefs,
zur
V O R B E R I C I I T . bösen Stunde,
den Gedanken
gefafst hatte,
zu einem so a n t i l u k r e z i s c h e n den L u k r e z
7
Gedichte
zum Muster zu nehmen: so
blieb die Ausführung, schon aus diesen beyden Ursachen, Weit unter der ursprünglichen I d e e , zumahl da der Dichter in einem Alter war,
w o man impatiens
limcie
zu seyn
pflegt, und der letzte Vers des sechsten Buchs kaum auf dem Papiere stand,
da,
vermöge
einer andern Untugend dieses Alters,
schon
der Plan zu einer neuen Unternehmung sich aller seiner Aufmerksamkeit und Zuneigung bemächtigte. E s ist w o h l kaum nöthig hinzuzusetzen, dafs man —
ungeachtet des zuversichtlichen
dogmatischen Tons, der im Ganzen herrscht, * ) und
einem
Jüngling
von
siebzehn
Jahren
*) Und vornehmlich in den v o r l ä u f i g e n Anmerkungtin,
die sich noch in der Ausgabe
von 1770 finden, und aus der gegenwärtigen billig weggelassen worden sind.
8
V O R B B U I C I I T .
eben so billig zu gut gehalten w i r d , billig ist,
ihn (zumahl
bey hyperfysischen
Spekulazionen) an M ä n n e r n finden —
das System
als es
lächerlich zu
dieses Gedichts
und
die Hypothesen, die darin behauptet werden, f ü r nichts besseres als wachende Träume eines filosofierenden Dichters,
oder Visionen eines
poetisirenden Platonikers , in herba, Wie
viel
oder
dieser gegeben,
wenig
ausgiebt.
Scheinbarkeit
oder, wenn
er
ihnen
ein tieferer
Denker und geübterer Dichter gewesen w ä r e , etwa hätte geben können, läfst man
dahin
gestellt seyn ; g e n u g ,
dafs seine Hauptansicht
löblich,
wenigstens
und
die
Mittel
seine H y p o t h e s e n ,
gerechnet,
unschuldig,
eine in die andere
immer so gut als andre ehrliche
Hypothesen sind.
W a s die Poesie dieses Lehrgedichts, zumahl in der ersten Ausgabe von 1 7 5 1 betrifft, so dürften wohl wenig andere Dichterwerke geschickter
seyn,
einen
Lehrer
der poeti-
V
O R B E n I C II T.
scliön Ästhetik
mit Beyspielen
tf
aller mögli-
chen Fehler, die dem schönen Stil und Vor» trag entgegen stehen, reichlicher zu versehen; und in der That würde es, wenn man die Zeit,
worin es geschrieben w u r d e , aus
den Augen liefse, unerklärbar seyn , wie und wodurch es bey seiner ersten
Erscheinung
in einem B o d m e r , B r e i t i n g e r ,
Hage-
d o r n , S u l z e r , und andern p r i n c i p i b u i v i r i s derselben Zeit eine so günstige Meinung von den Fähigkeiten des jungen A s p i r a n t e n hätte erregen können, als wirklich geschehen ist. unter dem ist,
W i e tief dieser erste Versuch was er (seiner
Uberschrift
nach) seyn sollte, und seyn müfste um einen Platz unter den Lehrgedichten zu verdienen, hat schwerlich jemand stärker gefühlt als der Verfasser selbst, da er sich bey dieser neuen Ausgabe genöthigt sah,
es nach einem Ver-
lauf von 27 Jahren (seit der letzten Ausgabe) noch einmahl mit Aufmersamkeit zu dürchlesen.
Auch hätte ihn keine andere Rück-
10
V O R B B I i l C I I T .
sieht b e w e g e n k ö n n e n ,
es in die
tige Sammlung aufzunehmen, tung,
gegenwar-
als die B e t r a c h -
dafs es g e w i s s e r M a f s e n z u r G e s c h i c h t e
unsrer L i t t e r a t u r g e h ö r t , chem, P u n k t
z u sehen, von wel-
er a u s g i n g ,
Zwischenraum
und
welch
er z u r ü c k z u l e g e n
hatte,
1 5 Jahre später nur z u M u 9 a r i o n gen.
U b e r d i e f s w ü r d e ein n i c h t
licher
Theil
und
seiner
der
Geschichte
Schriften,
die
einen um
z u gelan-
unbeträcht-
seines
Geistes
er z u g e b e n v e r -
sprochen hat,
u n v e r s t ä n d l i c h und o h n e allen
Nutzen
wenn er,
seyn,
von
einer f a l s c h e n
S c h a a m v e r l e i t e t , die E r s t l i n g e seines Geistes und
seines
bewufsten
ihm
selbst
dainahls
Dichtertalents
noch
wenig
hätte unterdrücken
wollen.
Indessen w a r es ihm d o c h n i c h t m ö g l i c h , dieses G e d i c h t w i e d e r aus der H a n d z u l e g e n , ohne a l l e s ,
w a s die N a t u r der S a c h e
ten w o l l t e ,
zu versuchen,
bern
wahrer
Sprache
und
um
verstat-
den L i e b h a -
Dichtkunst
eine
V o b b i m
c ii i ,
I*
kursorische Durchficht desselben weniger unangenehm zu machen. in dieser und
Hinsicht
dritten
Ungeachtet er sich
schon
Ausgabe
bey der zweiten
viele M ü h e
gegeben
h a t t e , so fanden sich doch unter der grofsen M e n g e noch Stellen, die einer Verbesserung bedürftig, waren.
viele Manche
die
derselben
mufsten,
auch
fähig
(mit Horaz
zu
r e d e n ) wieder auf den Ambofs gebracht werd e n ; den meisten w a r durch die Feile, schiedenen.,
besonders
im 6. Buche,
durch den Schwamm zu helfen.
verblofs
Bey allen
mehr oder weniger umgeschmolznen Stellen oder Versen mufste indessen, so viel mögl i c h , der T o n der Urschrift beybehalten werd e n ; und es hostete vielleicht weniger M ü h e , manches weise)
besser, gar
als
es
nicht ( verliältnifs-
zu gut zu machen.
Da
aber
gleichwohl durch alle diese Arbeit den wesentlichen Mängeln und Geurerlien des ganzen Werhchens nicht abzuhelfen w a r , so verlangt der Verf. auch .keinen D a n k , und ist völlig
I2
V O H B E R I C I I T .
zufrieden, wenigstens seinen guten Willen, Horazens Vorschrift (Epist. v. 445. seq.)
Pisones
genug zu tliun, an den Tag
gelegt zu haben. gewesen wäre, jüngere
ad
Da
es aber
unziemlich
durcli diese Veränderungen
oder künftige Leser,
denen dieses
Gedicht in seiner ersten Gestalt nie zu Gesicht gekommen,
zu täuschen" und zu einer bes-
sern Meinung von demselben
zu verleiten,
als es verdient: so hat man für gut befunden , alle bey gegenwärtiger Ausgabe beträchtlich veränderte oder
gänzlich
Stellen mit e i n f a c h e n auszuzeichnen.
umgearbeitete
vor den übrigen
I n h a l t des e r s t e n
Vorhaben des Dichters. will der Mute.
Buchs.
Ausrufung der Wahrheit
Das Daseyn Gottes, erkannt aus
dem Anschauen der Natur.
Das Zeugnifs der Ver-
nunft, und ein jden Geistern angeschafFnes Gefühl der Gottheit, ist der Grund von der Übereinstimmung aller Völker in den Glauben eines Schöpfers der W e l t . gonie.
Widerlegung der Epikurischen Kosmo-
Vortrag und Widerlegung des Wahns der
Pantheisten und Naturalisten, welche Gott mit der W e l t vermengen; oder einen nothwendigenMechan i s m u s , den sie Gott
nennen, zur Grundursache
l/J
aller
I S I I A I T
Dinge
DES
machen.
ERSTEN
Worin
der W e l t mit Gott bestehe. pfung.
die Verknüpfung E w i g k e i t der Schö-
Gründe für dieselbe, und Beantwortung
einiger Einwürfe. zweyen
BUCIIS.
Das System des Zoroater von
Grundwesen,
und vom Ursprung
des
Übels, w i r d i n seiner ganzen Stärke vorgetragen, und angezeigt! w i e dieses ganze Gedicht als eine Widerlegung desselberf anzusehen sey.
D I E N A T U R
D E R
D I N G E
o d eh DIE V O L L K O M M E N S T E
E R S T E S
WELT.
B U C H .
V. 1 - 5 . V o n deinem Triebe v o l l ,
o Weisheit,
'Will icll
singen, O ! mochte mirdurch dicli ein würdig Liedgelingenl Ein W e r t , das du beseelst, treibt kein gemeiner Zug, Entehrt kein niedrer Zweck.
"Ein ungewohnter
Flug Trägt mich dem Himmel z u ; von Millionen Sternen
D I E
N A T U R ,
V.
D E R
D I N G S
6—20.
U m r i n g e t , lernt mein Geist v o m Staube sich entfernen. D i c h , Urbild jeder W e l t , der Gottheit Ebenbild, D i c h , W a h r h e i t , seh ich selbst; der Glanz, der dir entquillt, Stärkt m e i n noch blödes A u g ; w i e dich dein L i e b l i n g schaute, Wie P l a t o ,
dessen B l i c k sich die Natur vertraute,
So,
seh i c h d i c h , und die
Göttin,
geschwellte
Brust W a l l t liebend zu dir a u f , O!
könnt i c h a u c h ,
m i t nie gefühlter Lust,
wie er,
dich in
erhabnen
Bildern V o l l v o n Begeisterung und kühnem Feuer schildern! D a n n sollte diefs G e f ü h l , das m i r dein
Anblick
schenkt, D i e W o l l u s t , w e l c h e stets die reinen Geister tränkt. A u c h meiner B r ü d e r Ilerz e r w e i c h e n und durchfliefse-n, U n d nie cmpfiindne L i e b ' in ihre Seelen giefsen.
K o m m , Muse, w e l c h e stets der W a h r h e i t Freundin w a r , Und stell ihr h i m m l i s c h Bilcl entzückten A u g e n d a r ;
ODE II DIE V O L t KOMMENSTE W E L T ,
17
V. 21 — 35. K o m m , mahl an meiner Statt (dein Pinsel kann nicht t r ä g e n , ) Ihr gottlich Angesicht mit ungeschminkten Zügen. So rühre sie auch den B l i c k , den der Gewohnheit Nacht Und träges Vorurthcil empfindungslos gemacht. W i e , wenn Titonia mit purpurfarbnen Flügeln Die Däminrung zu uns führt von halbbestrahlten Hügeln, Ein müder W a n d r e r , den, auf sanft geschwelltem Moos, Ein grünes Schlafgemach von dichtem
Laubum-
sehlofs, Vom Licht erweckt sich r ü h r t ; er reibt die Augenlieder, Der Morgen hebt sie a u f , der Schlummer schlägt sio nieder, Das glänzende Gefild, der Blumendüfte Schwall Und selbst das hohe Lied der frühen Nachtigall, Rührt seinen Sinn nur schwach, kaum glaubt er zu empfinden, Er rafft zuletzt sich a u f , und Traum und Schlaf verschwinden; Ihn grüfst der nahe T a g , das aufgewachte Feld AVIEIASDS W . S u r r L . I. 15.
B
IG
D I E
N A T U »
DEH
V . 36 Lacht ihm
U I N O E
51.
ermuntert z u , i h n blickt das A u g der Welt
M i t sanften Strahlen an , v o n neuer L u s t entzücket W i r d eine n p u e W e l t , glaubt er, v o n i h m e r b l i c k e t : So w i r d der träge
S i n n , der thierisch f ü h l t
und
denkt, V o m Schlaf,
w o r e i n ihn W a h n und L e i d e n s c h a f t versenkt,
D u r c h den Gesang e r w e c k t ,
den m i c h die M u s e n lehrten,
D i e V o r u r t h e i l e fliehn, die seinen Geist b e s c h w e r t e n ; I h n w u n d e r t , dafs er da so v i e l V e r g n ü g e n schmeckt, S o v i e l e S c h ö n h e i t sieht, solch eine Pracht entdeckt, Wo
sein gesclilofsner B l i c k nichts f ä h i g w a r z u schauen
A l s u n f r u c h t b a r e n Sand und W ü s t e i l v o l l e r G r a u e n ; U n d i n der W e l t ,
die sonst sein
Trübsinn
ihm
entstellt, E n t d e c k t die W e i s h e i t n u n i h m eine neue W e l t .
Ja, G ö t t i n , die du einst m i t ' a l t e r W e i s e n Z u n g e n M a n c h überirdisch L i e d
von
Gott
und W e l t ge-
sungen, Steh deinem D i c h t e r bey, den, v o n d i r selbst b e w e g t ,
OlJEIi. D I E
VOLLKOMMENSTE V.
VYELT.
J9
52 — 66.
E i n hoher Adlerflug durch alle Sfären trägt. L a f s du in seinem Geist erhabnere Ideen, Ihm selbst v e r w u u d i u n g s v o l l ,
ron
dir g e w i r k t
entstehen. E r singt die Gottheit selbst, den Quell der schönsten W \ l t , Und w i e durch ihre K r a f t das Ganze sich erhält. O mochte den G e s a n g , der mit der Engel Koten Um seinen T h r o n sich mischt, die ganze Schöpfung hören!
Auch I h r , die Stolz und W a h n um jenes L i c h t gebracht, Worin
die Gottheit
sich
den
Geislern
sichtbar
macht. D i e ein verrnchter T r i e b selbst -gegen Gott empöret, D i e i h r das Wesen schmäht das euer Wesen nährer, Hort meinem Singen z u , und fühlt der Wahrheit Macht! Doch nein!
Ihr fühlet nicht!
Des Lasters Todes-
naclit. D e r Sinnlichkeit B e t r u g ,
der Sturm der Leidenschaften,
L ä f s t Leinen cdlern T r i e b in eurer Seelo haften.
2.0
D I E
NATIIII
V . 67
DER
D I N G E
—
D u r c h eigne Schuld gestraft seht ihr die Sonne nicht, W i o mächtig auch ihr Strahl die Finsternifs durchbricht ; W i e Katadupens 1)
V o l k den Fall des N i l s nicht höret,
D e r sein betäubtes O h r im Sturm vorüber fähret.
D o c h w e r mit freyem Blick und einem
Geist
voll Klarheit Sich in das Ganze w a g t , den rührt die höchste Wahrheit, D e m macht unzweifelhaft der tausendfache
Mund
D e r zeugenden Natur das Daseyn Gottes kund. . Z w a r Kann,
wen
Sinnlichkeit
und
Vorurtheil
bestricken, Im Tanz der Sfären selbst V e r w i r r u n g nur erblicken, Und wenn uns Sehenden der schönste T a g erwacht Ist's ohne
seine S c h u l d ,
rings um den Blinden Nacht.'
Stellt eurer Fantasie ein menschlich Wesen v o r , Das nie den T a g gesehn.
Nah bey Thor,
dem Höllen-
ODER DIE V 0 L I U 0 3 I M ENSTE W E L T .
21
V . 81 — 99In Ätnas tiefem Bauch, in Gründen voller Grauen, Schliefe' ein Palast ihn ein, in dichtem Fels gehauen. , Iiier leb' er so w i e einst im Hain Brosseliand . M e r l i n verzaubert lag von V i v i a n e n s H a n d ; »Nichts als Gespenster seh' in schwarzen Marmorzimmern , Sein Ungewisses Aug' an glatten Wänden
flimmern.
Er kenne nicht den Fieitz der Mannigfaltigkeit, Den siifsen Unbestand, Und was ist jenes W e r k , das aller Giieclien Blick M i t R ü h r u n g auf sich z o g ,
des Meiseis Meisterstück,
N u r gegen einen
Staub,
aus
dem
die Pflanzen
sprossen, W o unbegreiflich k l e i n , von mancher Haut umschlossen, Die künft'gc Blume liegt, geformt doch
unbelebt,
Aus tausend Fäserchen mit weiser Kunst g e w e b t ; Unendlich ist f ü r uns der zarten F i b e r n Länge,
OD E l l DIE V O t t K O M H E H S T E V.
W t l l .
3l
242 — 254.
Unzählbar unserm Blick der hieinen Adern Menge, D i e nach dem Grundgesetz,
das i n den W e s e n
liegt, Die w i r k s a m e Natur unendlich schon g e f ü g t . Und w a s ist dieser S t a u b ?
Mifs i h n m i t u n t r e r Erden,
M i f s m i t dem H i m m e l s i e ,
sie w i r d z u m Staube werden.
Und
diefs
erschaffet
dir
der Stäubchen
wilder
Lauf, Und iuiufet W e l t auf W e l t ,
auf W u n d e r W u n d e r auf?
M i t gleicher R a s e r e y , und grüfserm M u t h z u m Siegen, T h ü r m t S t r a t o 3) Schlufs auf Sclilufs, die Gottheit zu bekriegen. W i e der Titanen H e e r , v o l l toller W u t h
durch-
stürmt, D e m w o l k i g e n O l y m p den Ossa übei t h ü r m t ; Man liürt
ihr rddgeschrey
den
H i m m e l schon
durchschallen ; Zeus sieht sie lächelnd a n , u n d heifst die Berge fallen.
3Ü
D I E N A T U R DEIV D I N O E V . 255 — 270. I m Innern der N a t u r liegt die gemeine Kraft,
(So lehrt er) die d u r c h s i c h der D i n g e Bildung schafft. Kein Geist beherrscht die W e l t und bringt durch weises W ä h l e n Vollkommenheit hervor, und heifst das Böse fehlen : Nein, ein Maschinentrieb, den kein Verstand erhält. Bestimmt durch manches Piad die And'rungen der Welt. Im Schoofs des ew'gen All, w o h i n kein Blich kann dringen, Sprofst, w a r m v o n eignem F e u ' r , der Keim v o n allen D i n g e n ; D i e Zeit hilft der N a t u r , und säugt was sie gebar ; So wächst und blüht und reift was erst ein Unding war; D o c h bald w i r d ' s w i e d e r u m von jenem Schlund verschlungen, Aus dessen düstrer Nacht es kaum hervor gedrungen. W i e dort S a t u r n , von dem Hesiodus uns singt, M i t w i l d e r Frässigkeit die Säuglinge verschlingt, D i e R h e a i h m gebiert, der Keim von späten Söhnen, U n d sein selbsteignes Fleisch knirscht unter seinen Zähnen:
01JER
DIE
VOLLKOMMENSTE
W E L T.
33
Y . 271 — 284. So schlinget die Natur mit nie gestillter W u t h Ihr eignes Fleisch i n sich,
und säuft ihr eigen Blut;
Ihr
e w i g schwangrer
Sclioofs hört nie auf zu gebären,
Nie ihr Hf.rpyenschlund sich selber zu verzehren. Nichts, sprecht i h r , w i r d aus Nichts, die W e l t mufs e w i g aeyn; W i e Gott aus Nichts sie schuf, das sehen
wir
nicht e i n ; Drum ist Gott selbst die W e l t ; des ewgen Stoffs Gestalten Sind
keine W e s e n ,
die sich durch sich selbst erhalten :
Nichts, w a s die Sinne trifft, besteht durch eigne Kraft, Die Kraft des Ganzen ist's,
die Alles regt und
schafft. Betrogne! EuerSchlufs fällt auf euch selbst zurücke, Und euer eigner Fufs verwickelt sich im Stricke, Der uns geleget w a r ; der richtige Verstand Des Spruchs auf den ihr trotzt,
ist euch ganz
unbekannt. WIELANDS W .
SrrrL.
I . II.
C
34
D I E
N A T U K
D E R
D I N G E
V . 285 — 299Das grenzenlose Reich, in welchem alles schwebet, Zeigt nns E i n Wesen n u r , das durch sich selber lebet; Es
hängt
von
niemand a b ,
von keinem
Ding
umschränkt, W i r d sein vollkommner W i l l ' nur von i h m selbst gelenkt. Kein Fleck vermag den Glanz der Strahlen zu verdunkeln, D i e e w i g ungcschwäclit in seinem Antlitz funkeln. D e r andern Wesen Schaar
(sie
nennet man die
Welt) Wild
durch verschiednen
Grad von
Häfslichkeit
entstellt; D e m Besten fehlt noch w a s ;
die schönste aller
Dirnen Findt ungern einen
Grund
der stillen Fluth
zu
zürnen, D i e ihr geliebtes B i l d mit kleinen Flecken weifst 5 Nichts ist hier ohne Grad, der alleThellste Geist Sieht Stufen über s i c h , die er noch nicht erstiegen, Und selbst der Sohn des Glücks fühlt Unlust im Vergnügen. W e r so in seiner Brust das sichre Merkmahl trägt, ,
ODEH
DIE
V O L L K O M M E N S T E
Will,
55
V. 500 — 313. Dafs eine fremde "Kraft sein träges Wesen regt, W i e kann der e w i g sevn und keine Ursacli kennen? W e r ist so sehr ein T h o r ,
das einen Gott zu
nennen, Das nie bleibt w a s es
yvax,
dem immer
was
gebricht, Das stets noch werden soll, stets mitdem Tode ficht? Iiier zeigt der Irrtlium sich, dem ihr wünscht zu entgehen; W i e kann ein endlich Ding aus eigner Kraft entstehen ? Mufs zwischen dem was w i r k t , und dem was aus ihm fliefst, Nicht ein Verhältnifs seyn,
das sie zusammen
schliefst? Kann auch aus eigner Kraft ein träger Baum sich zimmern? Kann ohne Sonnenglanz Aurorens Purpur schimmern ? Wenn schmückt sich von sich selbst, beraubt vom heifsen Strahl, Der alle Saamen w ä r m t , das blumenvolle T h a l ? Heifst dieses nicht dem Nichts die Gottesmacht gewähren.
30
DIE
N A I U H
UEH
ÜINOE
V. 5 i < i - 528Aus seinem öden Schoofs die Welten zu gebären? Viel leichter konnten einst A m f i o n s Harmonien Der stolzen T h e b e W a l l aus Schutt und Steinen zieh'n: Viel eher bildeten D i o n e n s schöne'Glieder Aus leichtem Schaume sich, mitzeugendem Gefieder Vom lauen W e s t belebt, als dafs aus eigner Kraft Durch blinder Räder Trieb sich S t r a t o h s
Welt
erschafft. W i l l s t du die Gottheit nicht von deinem Ganzen trennen. So raufst du überzeugt zu eigner Schmach bekennen> Dafs in dem Wahngebäu , das du auf Sand geführt, (Des nahen Falls g e w i f s ) aus Nichts ein Etwa« wird. Diofs ist der falsche Fels,
den beide nicht
vermeiden, L e u c i p p /j) und
Strato
mufs Iiier gleichen Schiffbruch leiden.
W a s ist N o t w e n d i g k e i t ,
die kein Verstand bestimmt,
W a s der
Atomen
Schaar,
die in dem schwimmt,
Leeren
• DER
DIE
VOItKOMBICNBTE
W i l l ,
37
V . 529 — 545Bald v o n der R i c h t s c h n u r w e i c h t > »ich o h n e O r d n u n g dränget, U n d w i e der Z u f a l l w i l l , sich an e i n a n d e r h ä n g e t ? Ein Wort,
das k e i n e n Sinn i n seinem T o n ver-
Und,
des
schliefst, wie
Freygeists I l i m ,
leer
am
Ver-
stände i s t ?
H o c h ü b e r j e n e r S c h w ä r m , die sich v o n i h r entfernen, Sitzt m i t c n t w ö l k t e r S t i r n die W e i s h e i t b e y den Sternen, Und dringt mit freyem Blick, und unverwandtem Sinn, D u r c h aller W e l t e n R a u m z u m T h r o n e Gottes h i n . E i n n i e versiegter S t r o m v o n u n v e r m i s c h t e m L i c h t e Umfliefst sein H e i l i g t h u m ; kein sterbliches Gesichte T r ü g ' u n v e r z e h r t den G l a n z , in dessen stillor F l u t h E i n ungezähltes H e e r verklärter Geister r u h t . H i e r f ü h l e t m a n dein S e y n ,
o Herr der Cheru-
binen, H i e r strahlest d u s i e a n , h i e r
schenkest d u dich
ihnen; V o n r e i n e r W o n n e satt) befreyet v o n Begier,
58
D I E
N A T U N
DER
V- W l V e r g e s s e n s i e die W e l t ,
D I N G E
36«.
u n d seh'n sie n u r i n D i r .
W a s unsre Augen seh'n in matten S p i e g e l n g l ä n z e n , S e h ' n sie i m U r b i l d
selbst,
nnd seh'n es
ohne
Grenzen. S o w e i t d r i n g t n i c h t m e i n G e i s t , doch zeigt i h m R a u m und Zeit Den mächtigen Beweis
v o n d e i n e r Göttlichkeit.
J a selbst i n s e i n e r B r u s t
f i n d ' t e r v o n deinen Zügen
E i n u n a u s l ö s c h l i c h B i l d in zartem A b d r u c k l i e g e n . K a u m b l i c k t er i n die W e l t ,
k a u m r ü h r e t seinen Sinn
D i e P r a c h t der K r e a t u r , so f i n d ' t er D i c h d a r i n . E i n unbekannter Z u g , zu stark z u m W i d e r s t e h e n , V e r k n ü p f t u n e n d l i c h schnell die gröfsesten Ideen In s e i n e r B i l d u n g s k r a f t , es w i r d ein B i l d von D i r Uitd r e i t z t , e r g r e i f t , entzückt die sehnende B e g i e r . Diefs
Zeichen
deiner
Macht,
die
alle
Wesen
reget, Hast du v o n E w i g k e i t den Geistern e i n g e p r ä g e t ; D e r d u m m e Samojed , der w i l d e Hottentot F ü h l t diesen Z u g i n sich u n d ehret einen G o t t ; E i n i n n e r l i c h Gefühl w i r d i h n d e i n DI-seyn l e i n e n ,
O D E R
D I E
V O £ 1 K O M M E H S T E W
V . 562 -
E L T.
5IJ
373.
N u r mangelt i h m die K r a f t , sich selbst es aufzuklären ; W e i l er i m dunkeln B i l d
Gott selbst nicht sehen kann,
So betet der ein H o l z , und der den Monden an. D i c f s ist der innre T r i e b ,
der tief in uns gesendet*
M i t dringender G e w a l t die Herzen zu dir lenket, D e n selbst ein K r c m o n i n 5) mit ängstlichem Verdrufs, Z u oft f ü r seine R u h ,
i m Busen fühlen mufs.
Vergebens sucht er ihn m i t trügerischen Gründen, Und manchem kühnem Scliiufs aus seiner B r u s t zu winden. Kein Bildnifs v o n P o r f y r trotzt mehr dem Z a h n der Z e i t , Kein Eichbaum steht so fest und lacht des N o r d w i n d s Neid, A l s , von i h m selbst g e p r ä g t ,
des Schöpfers Eigenschaften
Und sein ursprünglich E i l J in unsrer Seele haften. Vergebens sprichst du hier, du dessen Z o r n uns schilt, D i e Dichtuiigskraft allein entwerfe dieses Bild, Und wisse ans dem Stoff von allen Trefflichkeiten, D i e sie 111 Eines h ä u f t , gar lcicht das zu bereiten«
f}o
D I E
N A T U R
D E R
D I N C E
V. 579 — 393W a s , nacli der Weisen Lehr 1 , aus hührer W i r k u n g fliefst, Und
von
des Schöpfers
Hand
ein ewig
Denk-
malil ist. Erforsche nur die Art der flüchtigen Ideen, D i e durch die Bildnerey der Fantasie entstehen; Ein
einzig Beyspiel macht den Unterschied uns Idar:
E r t i ä u m ein Hirngespenst, w i e etwann jenes war Das uns Horaz geraahlt; das Haupt gleich' einem Weibe, E s reitze Aug'
und
Mund;
am
schuppenvollen
Leibe Schlag' ein D c l f i n e n - S c h w a n z ; mit Federn ausgeschmückt Scy noch ein Pferdehals den Schultern angeflickt: Diefs W o r k der Fantasie, wen hat es je gerühret, Und durch geheimen Z w a n g zum G l a u b e n über. führet? Diefs thut mit stiller Kraft das angeborne Bild, Von
Ihm,
dem
Urbild
selbst,
in
unser Herz
gehüllt; Uns
treibt
ein
süfser
Zug,
so
bald
empfinden
wir
nur
ODE1V D I E V O L L K O M M E N S T E W E E T.
4l
V . 394 — 4o8Dafs es in uns »ich r e g t , sogleich es w a h r zu finden; , S o macht ein innrer Sinn
den W i d e r s p r a c h zu Spott,
, U n d tief in unsrer B r u s t erschallt's: e s i s t e i n Gott!« Es ist ein G o t t ,
durch
den ich aus dem
Nichts g e d r u n g e n ; So r u f t N a t u r uns zu mit Millionen Zungen, So
stimmt
in
unsrer
Brust
dem
jauchzenden
Geschrey Von allen Schöpfungen ein stiller Zeuge bcy. D u b i s t , Unendlicher
den keine jjrofso misset,
Meer v o n V o l l k o m m e n h e i t , das e w i g überfliefset, Aus
dem
ein
steter
Strom
geschaffne
Wesen
tränkt. Und sich doch tinverzehrt in dich zurücke senkt. Kein fremdes Wesen kann die reine W o n n e mehren. Die du aus dir n u r schöpfst, d u kannst der W e l t entbehren; O lehre selber m i c h , mein O h r ist dir geweiht, D e n schöpferischen Grund von unsrer W i r k l i c h keit.
.¡2
D I E N A T U R DER
DINGE
V . 409 — 425. Wie
dorten
jene
See von
goldnen
Feuer-
Wellen, Sich nicht enthalten kann die Sfären zu erhellen, D i e ein allmäclit'ger Schwung um sie 211
fliegen
drängt, D e r scliatticlite Planet, der ihren Schein empfängt« Begierig in sich zieht und die geborgten Strahlen, Auf seine Monde schiefst, vermag ihr's nicht zu zahlen; Ganz unbesorgt, w e r ihm die holde Wärme leiht, Empfängt er blofs von
ihr der Saamen Fruchtbarkeit ;
Sie freut sich, ihre (Jluth der Welt umsonst zu geben, Und flöfst in die Natur ein allgemeines L e b e n : So ist die Gdttheit auch, ( d o c h mit Vollkmmen* Iieit) Z u m Heil der Kreatur in steter Wirksamkeit. Kann sie unendlich soyn und nichts von Schranken wissen, So lang im kalten Nichts die Wesen
schlummern
müssen? N o i n , der Vollkommenste
kann ohne uns nicht seyn,
ODEn DIE V O L t K O M M ENSTE W E I I ,
45
V. 424 — 438Sein e w i g Daseyn schliefst auch unser Daseyn ein. .Untrennbar ist das Band, da6 Kraft und W i r k u n g einet, , Gott denkt die W e l t in S i c h , und, was er denkt, erscheinet.5 Diefs ist der sichre Grund, auf den zu aller Zeit Die Weisesten der Schaar, die sich der Weisheit weiht, Der Schöpfung E w i g k e i t und stete Dau'r gegründet, Die ein unsterblich Band an ihren Schöpfer bindet. Der Führer jenes Volks, das Gott sich auscrwählt, Singt uns der Welt
Geburt,
von
Gottes
Geist
beseelt, Nicht nach der Weisen A r t , durch tiefgeschöpftes Wissen Das Innre der Natur den Manschen aufzuschließen; Diefs w i l l sein Endzweck nicht; g e n u g , dafs uns sein Licht, Zur Absicht sattsam hell, die dustern Nebel bricht, Wodurch die Weisen selbst, oft sinnreich um zu inen, In Labyrinthen sich, die sie gebaut, verwirren.
44
DIE
NATÜR
DER
DINOI
V. 439 — 452Mit ungekünstelter und göttlich - Iioher Pracht Erzählt sein heil'ger Mund, wie aus des Abgrunds Nacht, .Dem Stoff, der nur von Gott die Wirklichkeit gesogen, Des Schöpfers kräftigs Wort die Welt hervorgezogen ; Nicht, w e i l der ew^go Geist, der Leben in uns bliefs,
Erst in gemefsner Zeit den Raum gebären hiefs; Nein, blofs den alten Wahn der Weisen zu verdringen, Der den vermischten Stoff von ungeformten Dingen D u i c l i s i c h läfst ewig seyn, und Gott entziehen w i l l , (Diefs lehrte schon ein T e u t 6) am vierzehn* mündigen Nil, Dick
hat den
Magiern ein Z e r d u s t
vorge-
sungen ; ) Und dieser Irrthum ists, den A m r a m s
Sohn
bezwungen; Der, da er uns erzählt, w i e unsre Welt entstand. Die Kette nicht zerreifst, die sie an andre band.
0 D £ n
DIE
V O t l K O M M E a S I i
V 453 -
W t u .
4S
466.
So fällt der Widerspruch, den aus den heil'gon Büchern Man einer Wahrheit macht, die tausend Gründe sichern. Ein W e s e n , das stets wirkt und stets mit gleicher Kraft, ,Das keinen Wechsel kennt, das nicht bald ruht, bald schafft; Und dessen Tugenden, die w i r verwegen trennen, In stetem Ausflufs sind,
und keinen
Zuwachs
kennen; W i e könnt' es e w i g r u l i n ?
Felilts ihm vielleicht an Macht,
Dafs es ganz unwirksam Äonen zugebracht? Wie?
oder an der H u l d ?
Mifsgönnt er uns das Leben,
Das seine Allmacht uns von Ewigkeit kann geben? Ohnmächtig seufzt die Welt ins öden Undings Grab, Sie seufzt nach Wirklichkeit, und w e r schägt sie ihr a b ? Er,
der nur winken
darf,
damit sich Sonnen
drehen? O!
Liebe, soll dich so ein niedrer Erdwurm schmähen?
D I E
NATUR
DEH
DIHUE
"V. 467 — 48oD i e höchste Macht ist n i c h t ,
wie die Vermö-
genheit Deä Weisen von Stagir, zum Wirken nur b e r e i t ; Die schlummernd warten kann, bis durch die Zeit erreget, W a s vorher nur g e g l i m m t , jetzt volle Flammen schlaget: So w i e ein schneller S t r o m , von Dämmen eingeschränkt. An den verhafsten W a l l beschäumte Wellen drängt, E r bäumt die wilde F l u t h ,
stürmt in die Felsenstücke,
Bespritzt die W o l k e n selbst und rauscht gepeitscht zuTücke:
D o c h endlich weicht der Schutt dem stets erneuten Stöfs, Die Steine trennen s i c h ,
der Pfähle
Band wird
los, Erfreuet fühlt der Flufs die festen Eichen wanken, Und bricht mit neuer Kraft durch die verhafsten Schranken, Nichts hemmt nun seineu L a u f ,
er
reifst vom
nahen Hain Bejahrte Tannen aus, und stürzet Felsen ein.
ODER S U
V O L L K O M M E R S T E W E L T.
47
V . 48i —1196. So fesselst d u die M a c h t , d u r c h die die W e l t entstanden, D i e u n u m s c h r ä n k t e Macht, m i t frevelhaften Banden ; D i r k ä m p f t das
Nichts mit Gott,
u n d erst n a c h
la..^em
Streit
W e i c h t es, v o n i h m b e s i e g t , der n e u g e b o r n e n Z e i t . Vergeblich suchst d u dich, m i t u n h a l t b a r e n G r ü n d e n V o m V o r u r t h e i l g e s c h m i n k t , dein V b r w u r f zu entwinden; D u sprichst', n i c h t o h n e S c h e i n :
D i e S c h u l d , dafs
die N a t u r N i c h t e w i g dauern k a n n , trügt blofs die K r e a t u r . , D e r D i n g e Schranken s i n d s , die
seine Allmacht
hemmen, ,Sicli seinem schaffenden G e b o t entgegen s t e m m e n . , E i n eingeschränktes D i n g ist n u r in R a u m u n d Zeit , Sein W e s e n selbst v e r t r ä g t sich nicht m i t E w i g k e i t , . B e w i e s e dieser G r u n d ,
so w ü r d ' er m e h r
nocli
gelten , Als d u b e w e i s e n w i l l s t ; er spräche, gar den W e l t e n , U n d a l l e m , w a s Gott Selbst n i c h t i s t , das D a seyn a b ; . W i r alle lägen n o c h ins alten Undings Grab,
48
D I E
N A I H R
D E R
D I S O E
V- 497 — 5i 1. ,Das W e s e n strebt ins S e y n , und was ihm fehlt zum Leben ,Kantt es zwar selbst sieh nicht, doch kann es G o t t ihm geben: , Diefs gilt in jcdemPunkt der ewig theilbarn Zeit; ,Ste(s sind zum w e r d e n W i r ,
zum s c h a f f e n
Er bereit; , I n Ewigkeit läfst S e y n
sich nie mit
Nicht-
s e y n paaren, ,Und dafs wir jetzo sind, zeigt dafs wir immer waren. , Zudem lehrt Ihr ja selbst die UnVergänglichkeit .Der Wesen, die j e t z t s i n d .
Ist eine ew'geZeit,
,Die unaufhörlich in die Zukunft sich ergiefset, ,Euch denkbar? Nun, so räumt, wofern Ihr folgrecht scliliefset, ,Auch uns, der Endlichkeit zu Trotz, die Wahrheit ein, «Was ohne Ende ist, kann ohne Anfang seyn. Die Welt fing niemalils an,
und wird sich
niemahls enden, Sie liegt von Ewigkeit in ihres Meisters Händen; Durch seine Kraft bewegt, die ewig wirken mufs,
ÜDE11 D i £ V O L L K O M M E N S T E
4j)
Will.
V . 512 — 528. Und stets i n g l e i c h e m M a f s , und
ohne Zeit und
Flufs.
W ä h n t n i c h t , den E w i g e n verkleinre diese L e h r e ! N e i n ! sie gereicht v i e l m e h r zu seiner grofscrn Elite. D i e W e l t ist e w i g z w a r , doch ihre Dauer ist N u r eine stete Z e i t ,
die endlos i m m e r fliefst;
D i e K r a f t , die e w i g schlägt i n den umschränkten Dingen, W e i c h t stets aus i h r e m Gleis,
sich höher aufzu-
schwingen ; N i e ist sie w a s sie
wird,
nie
bleibt
sie
wa»
sie \var, Und w a s sie ist, w i r d n u r durch Scheinen offenbar', D i c h aber, Herr der W e l t , fliehn W e c h s e l ,
Grad
und Z e i t e n ; D u unbegreiflichs Meer v o l l k o m m n e r Stetigkeiten, Bleibst ohne Ä n d e r u n g , w i e du dich stets gezeigt, Indefs dafs unsTO Kraft durch e w ' g e Grade steigt. Auch Welten trifft der T o d , der Sonnen
Glanz
erliscliet, Wie
eine
Blume
welkt,
die
lang k e j n
Tliau
erfrischet;
N u r d u , du bleibst allein i n gleichem Alter stehn; Kein neuer H i m m e l w i r d dich jemahls gröfser sehn, WlEXiAKD» W . SVSTL. I. Ii.
D
50
D I E
N A T U « , V.
D E H
529 —
D I N G E
542.
D i e W e l t ist Gottes W e r k , und dauert ew'ge Zeiten; D i e f s , Muse, w a r bisher der Inhalt deiner Sayten. Doch w i e
ist sie g e b a u t ?
Entdeckt auch i h r e Pracht
Die W e i s h e i t , die sie schuf, und ihres Meisters Macht? Hier,
Göttin,
stärke m i c h ,
da ich den W a h n
bestrei.e, Den Z e r d u s h t
früh gelehrt,
und M a n e s spät
erneute. Von B a y l e , der so gern
den priejterliclien Blitz
D u r c h seinen M u t h w i l i reitzt,
geschmückt
mit
neuem Witz.
D i e Mängel unsrer W e l t ,
die gleich den Sonnenflecken
Nur den geringsten Tlieil von ihrem Glanz verdecken, Verführten jederzeit der blödern Geister Schwärm, V o n Wahnsinn aufgebläht, an reifem Wissen arm, Z u klein die edle Pracht der Ordnung zu bemerken, D i e nur die Augen r ü h r t , die sich mit Weisheit stärke«,
UDER
D I E
V O L t K O M M ENSTE
V. 545 -
Will.
Ql
559-
N e n n t der V e r w e g n e s c h l i m m , was er nicht richtig sieht, W e i l «ich ein falscher D u n s t um seine Sinne zieht. »Wie eine Mücke, die an jenem Bilde klebet, »In dessen N a c h r u h m noch sein grofser
Meister
lebet, »Wie i h r vieleckigt Aug', in einen Kreis gezwängt, ¿Der eine Spanne kaum v o m ganzen Bild umfängt, ,Nicht seine Schönheit sieht, noch ahnt das heil'ge Grauen, »Das jeden Seher fafst, w e n n seiner
Augenbrauen
, Allmächt'ger W i n k O l y m p und Erde zittern m a c h t ; , Der Formen h o h e r Reitz, der Faltenwurfs Pracht, , Das A u g e , das den Gott dem ersten Blick entdecket, , M i l d au,f den Guten s i e h t , den Frevler niederschrecket, , D i e Majestät, die auf der lioh'ren Stirne t h r o n t , , D i e H u l d m i t Ernst gepaart,
die auf den L i p p e n
wohnt; D e r ganze Jupiter verliert sich in der Schwäche D e s Mückenaugs ; dafür entdeckt sie auf der Fläche, D i e ihre Füfse t r ä g t , des Marmors Rauhigkeit
¿2,
D l
I
N A f l l K
HEH
D
u
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«
V. 5 6 o - 5 7 8 D e r ihr ein Felsen dünkt mit Zacken überstreut: So schränkt die Dummheit auch die neblichten Ideen In einen engen Kreis, (das Ganze übersehen Ist gröfsrer Geister W e r k , )
das allgemeine Band,
Das alle Theile f ü g t , bleibt stets i h r unbekannt. D r u m findt sie überall die Schöpfung voller Mängel Und machte gar zu gern aus allen W ü r m e r n E n g e l ; Klagt, dafs ein öder Fels nicht bunte Tulpen bringt, Und Philomele nicht nach G r a u n s Gesetzen singt. Allein der Weise lacht des cingebildten Klugen; E r kennt des Ganzen Bau und aller Theile F^ugen, Er hat den wahren Stab, der ihr Verhältnifs mifst, Und findt so vieles schon, dafs er den Fehl vergifst.
Aus jenem trüben Quell, von L e i m und Sand geschwollen, Ist bis auf un9re Zeit ein tüdtlich Gift gequollen. Statt mit Behutsamkeit der W a h r h e i t nachzuSpähn, Bleibt der verdrofsne Witz stets auf der Grenze stelin; M i t Träumen speifst man sich , die
das Gehirn
verwirren, Und wünschet sich noch Glück, so angenehm zu irron.
ODER
DIE
VOI.I.KOM M E S S T E
WEXT.
V . 579 — 595. I n einem tiefen
Wald in Jiaktrens öder
Flur
Verlieret sich Z e r d u s h t i m Forschen der Natur. D i e dickbelaubte Nacht umschatteter Gefilder F ü h r t den einsamen Sinn auf schreckenvolle Bilder. Er
forcht
dem
Übel n a c h ,
das alle
Menschen
plagt, Und mit geschärftem Z A u c h den, der P u r p u r
an ihren Herzen deckt, dem alles
nagt.
scheint
gewähret, V e r l ä f s t der K u m m e r nie, der seine L u s t verzehret; D e r Glanz, der ihn umgiebt, blendt nur des l'öbels Wahn, Und streicht mit falscher Pracht ein
schimmcrnd
Elend an. W i r nähren tief in uns den K e i m zu steten Plagen, E v hat in unsrc E r u s t die Wurzel
eingeschlagen,
D i e das durchschlungne Ilerz mit tausend Adern füllt, Ur.d die du selbst umsonst, o Weisheit, tilgen w i l l t . Der
Geist sieht traurend
sich
in
träge
Fessel
schliefen, Sein schwacher Nachon w i r d v o m Strome hingerissen ; D e r W o l l u s t Siifsigheit vergällt der Überdrufs,
54
D I E
N A T U R
D E R
D I N O E
V. 596 — 610. Urtd Tantals Hunger nagt uns mitten im Genufs. Un3 trüget ein Gespenst, ein reitzend Schaugerichte Quält unsern trocknen Gaum und schmeichelt dem Gesichte. Wie dort K r e u s e n s Bild sich dem A n e a s zeigt, Und sein bekümmert Herz mit falscher Hoffnung säugt; Dreymahl streckt er den Arm nach dem geliebten Schatten, Dreymahl entzieht sie sich dem Kufs des bangen Gatten ; So flieht die Seelenruh, das nicmahls feste Ziel Betrogner Geister, den, der sie umfangen w i l l ; Hingegen schwärmet Stets ein Heer von blassen Sorgen, Bey jedem Tritt um uns, und ängstigt uns auf Morgen. Vergebens wird der Gram durch jetz'ge Lust verscheucht, E r ist dem Pajther gleich, der sieget, wenn er fleucht. Kaum scheint er zu entfliehn, so kömmt er stärker wieder, Und schwingt um unser Haupt sein trauriges Gefieder.
OVER
DIE
VOlI. KOMM E R S T E
W E L I ,
55
V. 6 l l — 626. Aus diesem Augenpunkt betrachtet n u n Zerdust Die allgemeine N o t h , die Folter unsrer Brust. Er
spürt
der Ursack
nach,
erstaunt in deinen
Werken, Gebrechen ohne Z a h l , o M i t h r a , zu bemerken. N e i n , r u f t er endlich a u s , erbarmensvoller Gott, D u lebest nicht v o n Blut, und suchst nicht unscrn Tod. E i n boshaft Wesen i s t ,
das uns das Soyn mifsgönnet,
Sein Herz ist stetes F e u ' r , w o Z o r n u n d Rache brennet, Es labt m i t T h r ä n e n sich und nährt m i t unserm Blut, Als wio m i t fettem O h l , die unglficksePge Gluth. D e r Seufzer Angstgetön liebt
es
w e i t m e h r zu
hören, Als jene Harmonie der musikal'sdien Sfären, D i e , M i t h r a , dich vergnügt.
Von i h m
stammt
alle Noth, Die uns bis zumBeschlufs des bangen Lebens droht, U n d n u r dem Tode w e i c h t , der unsern J a m m e r kürzet, Ach!
aber gar vielleicht
in cw'gen stürzet.
Schlummer
55
DIE
Natuiv
DER.
D i s s t
V . 627 — 6}b. S o schliefst der Persen T h e u t ,
und findet 111
Geschichten .Des grauen A l t e r t h u m s , umnebelt v o n Gedichten, W a s seine Moynung stärkt; der Celten Uberfall Und Heimans
strenge
F a u s t , der Horomasden 7) Qual,
L i e f s noch im Orient die blut'gen Spuren sehen, U n d schien dem neuen W a h n mit Nachdruck beyfcustehen. S o heckt des Weisen W i t z und die Unwissenheit Des V o l k s den Irrthum aus, gcnährct v o n d e r Z e i t Wächst e r , und schützet sich m i t seiner Priester Zungen, B i s nun das Alterthum den B e y f a l l ihm erzwungen, Den ihm,
als er entstand,
das
Pöbels
Leicht-
sinn g a b : N u n blüht der W a h n e m p o r , und auf der W a h r heit Grab.
Z w e y Wesen
eh^t und scheut, mit ganz v e r s c h i e d e n Trieben,
Das alte Persien.
D a s eine macht sich lieben,
E s pflanzt in unsro Brust der T u g e n d Saamen ein, Und pflegt die zaneFrucht mit warmen Sonnenschein.
ODER
DIE
V O l l E O M H E S I T B
W ELT.
57
V. 645-657. Das andre gleicht der Nacht;
mit kalten Finster-
nissen Hemmt es der Strahlen Kraft die von Ilonnasdes fliefscn. Ein ew'gcr Zweykampf trennt der Himmelsgeister Schaar, Und,nichts als unser Glück ist dabey in Gefahr. Das gute Wesen führt die unerfahrne Jugend, Der oft die Unschuld scliadt, den steilen W e g der Tugend, Sein zärtlich - ernster
Blick folgt ihnen w o sie ziehn,
Und wandelt Dornen oft in lieblichen Jesmin. Hingegen A r i m a n , verschlagen uns zu kränken, Hort niemahls a u f ,
an Stoff zu unsrer Pein zu denken.
Jetzt 'ockt er uns m i t U s t in reitzender Gestalt. Ein liebenswerther
Feind
hat zehnmahl
mehr
Gewalt, Als der die Waffen zeigt, die unserm Leben dräuen; Ein Feind, der sicli erklärt, befiehlt uns, ihn zu scheuen; Da d e m , der lächeln kann,
der uns umarmt und küfit,
,58
DIE
N A T U R
D E H D I N O E
V. 658 — 676. Schon oft der kühnste Held zum Opfer worden ist. Auf solche Weise ists dem Wüthrich oft geglücket, Dafs seine Zauberey ein schwaches Herz berücket. Kein P r o t e u s
wendt so oft die trügende F i g u r ;
So vielfach sah dicli nicht der spröden Nymfe Flur, T e r t u m n u s , 8) bis zuletzt mit schmeichlerischen Falten D u als ein graues W e i b die süfse Gunst erhalten. Voll Wunders fühlte gleich Pomona bey dem Grufs, So gut er sich verstellt, den allzu frischen Hufs; So küfst die Freundschaft n i c h t !
Sie stutzt, ihr
glühn die Wangen, Doch plötzlich fühlt sie schon sich feuriger umfangen, Sie sträubet sich umsonst, zu schwach zu ernstem Krieg, Krönt nur ihr Widerstand des holden Feindes Sieg, So zeigt sich A r i m a n , den Endzweck zu erhalten, (Sein Spit'l ist unser Tod,) in mancherley Gestalten; Von jedem Vorwurf nimmt er Färb und Bildung an Und trügt zu gleicher Zeit verschiedner Seher W a h n . In unsers Herzens Form weiis er sich schnell zu drücken, Und andre Neigungen auch anders zu berücken.
ODEIY
D I E
T 0 I I K 0 J I 5 I E E S 1 E
W
EI, T.
5g
V. 677 — 691. Dianens Gürtel braucht er zu Kalisto's Weh, Und füllt mit goldner Fluth den Schoofs der Danae. Gelingt die List ihm nicht, so schrecket er mit Blitzen, Und O r o m a s d e s selbst liann oft vor ihm nicht schützen. Diefs ist des Übels Quell, so träumete Z er d u s t , Und suchte aufser uns, was tief in unsTer Brust Aus innrer Quelle rinnt; den Knoten aufzulösen, Macht er das Übel gar zu einem ew'gen Wesen. Allein vor Fabeln bebt
des Zweiflers Kühnheit nicht,
D u , Wahrheit,
bists allein, die
seine Waffen
bricht; Durch dich w i l l ich die Macht geschärfter Z w e i f e l dämpfen, Das Vorurtheil zerstreun,
und für die Gottheit kämpfen.
Im ewigen Verstand der göttlichen Natur, Schwebt ein unendlich Bild der ganzen Kreatur, Von allen Schatten frey.
Hier steh'n in langen Reihen,
6o
D I E
N A T U R V.
D E B
692 —
D I N G E
708.
D i e W e s e n , welche sich d e r Möglichkeit e r f r e u e n : Unendlich ist die Schaar,
die ihren Platz liier hat,
Und sich vom öden Nichts dem Unerschaffnen naht. I i i e r fehlet keine Kraft, kein wirksames V e r m ö g e n , liein
W e s e n , das sich
selbst kann
fühlen
und
bewegen. Diefs ist der S t o f f
der WelH.
Ihm
gab
dio
weise Macht, D i e i h n unsterblich s c h u f , der schönsten Bildung Pracht. Sie hat der Wesen Schaar nach Ähnlichkeit verbunden, Und jenes Grundgesetz der O r d n u n g ausgefunden, Das jede W i r k u n g stets an eigne Ursach knüpft, Und w e h r t , dafs die N a t u r nicht epikurisch hüpft. Die
schöne
Symmetrie,
die
Eintracht
in
den
Tlieilen, Dio durch verschiednen W e g den
besten Z w e c k
ereilen ; Dia w o h l gesparte K r a f t , die abgewogne Zeit, D e r ausgeiftcfsne R a u m , die Mannigfaltigkeit Mit Einfalt stets vermählt, das künstliche Verfügen, Dafs i m
Vergangnen stets der
Zukunft
liegen;
Saamen
ODER
DIE
Will.
V C L I K O M M E S S I E
Ci
V. 709 — 718Diefs alles ist das W e r k vom ewigen Verstand, D e r f ü r den reichsten Stoff
die
schönste F o r m
erfand. D e r Mängel kleine Z a h l s c h w i n d t in des Guten Gröfse, Und gleicht kaum einem Punkt, den ich m i t Sonnen messe. Die W e l t ist ja nicht G o t t ; g e n u g , dafs ihre Pracht Sie, nach dem Schöpfer selbst, zum höchsten Wesen macht. Sie ist so gvofs und g u t als Gott sie kann b e r e i t e n ; E i n völliger Begriff von allen Möglichkeiten, U n d f ü h r t der W e s e n Schaar, von Mängeln endlich rein, D u r c h den bequemsten W e g in ihren Ursprung ein.
Die N a t u h
62
der
Dinoe
A n m e r k u n g e n .
1)
Seite 20.
npminantur,
Uhi Nilus ad illa,
praecipitat
quae
Catadupa
ex altissimis montibus,
ea gens,
quae illum locum accolit, prqpter magnitudinem sensu audiendi 2)
S. 29.
dientes L o b
caret.
Cicero
Sonn.
Das Kunstwerk,
Scip.
sonus,
c. V.
das h i e r sein ver-
e r h ä l t , ist seitdem
durch
die v i e l e n
Schweizerreisen,
m i t deren B e s c h r e i b u n g w i r be-
schenkt
sind,
diese
worden
so
bekannt
worden,
Stelle k e i n e r A n m e r k u n g bedarf.
licher W e i s e ' f ü r
den
Ruhm
des Künstlers ist es und man sieht m i t
n u r aus Sandstein g e a r b e i t e t , B e d a u e r n die Z e i t k o m m e n ,
wo
schreibung
erkennen
Übrigens
nicht
mehr
zu
müssen w i r noch
Stelle ( v o m
dafs
Unglück-
es i n dieser Beseyn
anmerken,
215. b i s 22g- V e r s )
wird.
dafs diese
in der
Ausgabe
v o n 1751 n o c h n i c h t b e f i n d l i c h , s o n d e r n erst e i n i g e Jahre später e i n g e s c h o b e n w o r d e n ist. 3)
S. 31.
S o Iiiefs dor z w e y t o N a c h f o l g e r de»
Aristoteles i m L y c e o , der v o n den A l t e n weise P h y s i k u s ,
oder der
Naturalist,
vorzugsgenannt
W u r d e , w e i l er 6icli e i n b i l d e t e , den U r s p r u n g u n d
ODER D I E
VOLLKOMMENSTE
WtlT,
63
die Verknüpfung der Dingo aus einem geometrischnotkwendigen Mechanismus, den er Natur nannte, ohne Znthun Cicero
einer Gottheit erklären zu können.
de Nat.
4) S 56. Atomen
Deorum,
L.
Leucippus
oder nntheilbaren
ungefährer B e w e g u n g ,
I.
war
der E r f i n d e r der
Stäubchen, aus
deren
seinen Gedanken nach auf
eine sehr begreifliche A r t , eine unendliche Menge v o n Welten entseht. rus
D e m o t r i t u i und E p i h u -
baueten nachher ihre F y s i k auf diese H y p o -
these; welches an dem ersten xlesto unbegreiflicher ist, da er nach dem Zeugnisse der Alten, ein grofser Naturforscher w a r , und den gröfsten Tlieil eines Lebens von mehr als hundert Jahren, mit f y s i s c h e n Beobachtungen und Versuchen,
Zergliederung der
T h i e r e , und Untersuchung der Kräfte der Pflanzen zugebracht. 5)
S.5g.
teliker des
C ä s a r von K r e m o n a , 16. Jahrhunderts,
ein Aristo-
der sich in seinen
m i t Recht vergessenen Schriften der atheistischen Meynungen seinesMeisters verdächtig gemacht, und überhaupt unter die zahlreichen Italiänischen Gelehrten seiner Zeit g e h ö r t ,
die sich einbildeten, dafs
ein Filosof keine Religion haben müsse. 6)
S. 44.
Nahmen
wird
Mit diesem und andern der unter
ähnlichen
dem Nahnjen
Hermes
Trismegistus bekanntere E r f i n d e r der Ägyptischen Filosofio bezeichnet.
64
D I E
7)
S. 56.
N A T U R
D E R
D I N G E
L e i b n i t z vermutliet, die Nahmen,
welche im Systeme des Zoroaster dem guten und •bösen Grundwesen gegeben werden, gründen sich auf eine alte erloschene Geschichte v o n einem Einfalle der Celto - Skythen in die Morgenländer, w e l pher noh früher sey^ als diejenigen, w o v o n die Geschichtschreiber Nachricht geben. stand, misdas,
uns
D e r Um-
dafs einige Morgcnländisclie Prinzen II01und
ein alter Celtischcr H e l d ,
Arirüan
oder Armin geheifsen, bestärket diese Vermuthung. 5 . Theodicee 8)
S. 58.
P. II.
§. j 33-144.
Ovid. Metamorphos.
L.
XIV,
Inhalt
des z w e y t e n
Buchs.
¿Nachdem im ersten Buche die ewige Schöpfung der W e l t behauptet worden,
geht der Dichter zu
Jirldärung des Ursprungs derselben fort. legung der Meynung, der Gottheit seyen.
Wider-
dafs alle Dinge Ausflüsse aus Alle Substanzen
Kraft oder Wirksamkeit von G o t t , w i e sie dieselbe äufsern,
von
haben ihre
die Art aber
sich selbst.
Die
Schöpfung und Erhaltung ist demnach eine einzige, ewige,
und sich selbst gleiche W i r k u n g Gottes,
wodurch alle Kräfte in ihrem Seyn erhalten werden,
Letzte Absicht der Schöpfung.
W I E U S P S
\V. Srrrx.. I. B.
Z w e y grofsf; E
66
INHALT d e s
ZVVBIIIH
BUCH».
Folgen aus derselben: D i e erste, dafs alle mögliche W e s e n w i r k l i c h sind ; die a n d r e , dafs alle empfindende Wesen f ü r eine endlose Glückseligkeit bestimmt
sind.
D i e Seelen
und Geister
sind der
einzige Gegenstand der Absichten des Schöpfers, und der Stoff ist blofs um ihrentwillen. und
Widerlegung
des
Wahns
dor
Vortrag,
Materialien,
welche das Daseyn unkörperlichen Wesen läugnen. G r u n d der Verschiedenheit der empfindenden W e s e n , in Absicht der Grade ihrer Vollkommenheit Glückseligkeit. Geschöpfe.
und
Gemähide einiger Klassen solcher
Zergliederung der innern E i n r i c h t u n g
de'r geistigen Wesen.
W i e ihro N a t u r ein Schat-
tenbild der Göttlichen i s t , durch die Vorstellungskraft den T r i e b Liebe,,
zur Vollkommenheit
und durch die Ruhmbegierde.
ner Blick über die ganze Geisterwelt.
oder
die
Allgemei-
D I E N A T U R
D E R
D I N G E
ODER DIE
V O L L K O M M E N S T E
7.WEIIES
V. I -
WELT.
BUCH.
5.
D ie W e l t , tliefs weite Reich beseelter Wirklichkeiten, War den Substanzen nach, kein Werk gemeiner Zeiten, Obgleich ein steter Flufs die Form der Dinge treibt, Und ihr verstärkter Lauf stets gröfsern Kreis beschreibt : N e i n , wie im ersten Buch die Musen uns gelehrer,
Jüi£
68
N A I U I I
IICK
V. 6 -
D I N G E
i8-
Hat stets ihr wandelnd Seyn dem Schopfer gleich gewähret; Sie hängt an seiner Macht,
und zöge die sich ab.
So
ins
sänke
gleich
das A l l
Undings
finstres
Grab. D o c l i w i e w i r k t diese K r a f t ?
Wie weit
wird's
uns gelingen, Ins Unermeßliche mit schwachem Blick zu dringen?
D e r ältsten Weisen Schaar, v o m T r i s m e g i s t gelehrt, Hat jenen W a h n gezeugt,
den
noch
der Indus
ehrt, D e n einst F 1 o t i 11 » ) erneut, J o c h a i d e s ® )
ver-
dunkelt, Und der mit blassem Schein in B ö h m s
Aurora
funkelt.
D i e allzu fruchtbare,
z u warme Fantasey
Ist die Gebärerin von dieser Scliwärmerey; Sie mischt und wechselt stets die Bilder
mit den
Sachen, D i e durch die Bilder uns der W i t z soll machen.
sichtbar
UDER D i l
VOLLKOMMENSTE W E L L
69
V. 19 - 54D e r I r r t h u m dieser Schaar ergiefst durch manchen A r m Sein schlammigt Wasser aus. D e r ernsten Z c n o n s Schwärm Läfst ein astralisch L i c h t das ganze All umfliefsen, Und L e b e n und Verstand in alle Wesen giefsen. F l o t i n macht Gott zum M e e r , aus dem dio Geistcrwelt In tausendfachem Grad verschiedner Klarheit quellt; Der Schaum,
der diese F l u t h gleich einer Rindedecket,
Ist der entseelte Stoff, der alles Übel liecket. J o c h a i d s Mifsgebnrt tiefsinn'ger Schwärmerey B o r g t von Plotin den Grund zum seichten Lehrgebäu, Das er rabbinisch schmückt mit morgcnländ'sclien Bildern. I n unermefslichen ätherischen Gefildern ( S o träumt e r ) w a l l t ein L i c h t ,
das,
rein und
unbegrenzt Von allem D u n k e l frey die Ewigkeit durchglänzt; 4 ) Es hält,
was durch die Zeit aus i h m hervorgeflossen,
Die Saamen aller D i n g ' in seinen Schoo!» verschlossen.
70
DIE NAIBB d e r V. 55 -
DINOE
49-
D e r Erstling seiner Kraft geufst den empfangnen Schein ¡Mit ungleich reinem L i c h t in zehn Kanäle ein. Die i m m e r weniger v o m Ursprungsglanzo sclimükket, Je w e i t e r sich i h r Lauf dem Mittelpunkt entrücket. Diefs i«t die höchste W e l t , die helle A z i l u t h , Der
unvermischte Strom
aus
Ensoplis
reiner
Gluth. Mit
etwas
blasserm
Schein
giefst B r i a l i
ihre
Strahlen D e r W e l t der Geister zu, die, in gestirnte Schaalen, ( E i n dunkler K l e i d ) g e h ü l l t ,
die finstre U n t e r -
welt, D e n unbelebten Stoff, m i t mattem L i c h t erhellt. D o c h M u s e , schtycig, und scheu die heil'gen D u n kelheiten ; Ihr
unsichtbares
Licht
glänzt nicht
den Unge-
weihten! So zeugt der I r r t h u m sich in der fruchtbaren Schoofs. D e r heifsen Fantasie, und w i r d v o m Beyfall g r o f s ; Kaum tilgt ein Herkules den hundertköpf'gcn Drachen,
ODER
DI t
V O L L K O M M E N S T E
V . 50 -
66.
D e r immer sich ergänzt,
und
W t l T ,
dräut mit
71
neuen
Rachen. D u , W e i s h e i t , dämpfest i h n , dein Blitz zerstreut den W a h n ; K o m m , Göttin, z e i g e m i r der Wahrheit sichre Bahn.
D i e ganze W e l t l e g t sicli von
thätigen
Ver-
mögen, D i e sich durch innre Kraft verändern und bewegen, D i e innerliche F o r m , der Wesen Unterscheid Hängt blofs an dieser Kraft und ihrer Thätigkeit. D o c h ist die Kraft nicht selbst das, was aus ihr entspringet, So w i e die Nachtigall nicht das i s t , was sie singet. Die Wirkung
dieser K r a f t ,
die
ihr
Geschlecht
und A r t D u r c h das was sie gebiert, den andern offenbart, Ist bcy der Kreatur in Grade eingeschlossen, Und nie der Quelle g l e i c h , am der sie ausgeflossen. N u r Gott ist was er i s t ,
und bleibt sein eigner Grund,
D a uns hingegen stets in seinem öden Schlund Das wesenlose Nichts gleich todtcn Schatten quälte, W e n n nicht der Kräfte Quell die unsre stct3 bricflte.
D i p
N A T U I Y
DER
D I S C E
V . 67 — 8»Jetzt zeigt sich unserm Geist das e w i g feste Band, Das die Geschöpfe knüpft an die allmächt'ge Iland. D u r c h S i e nur lebt der T r i e b , der in den W e s e n schlaget, D i e einen k ö r p e r l i c h , die andern g e i s t i g reget: Obgleich die Änderung der K r a f t , die er beflammt, N i c h t v o n der Gottheit selbst, nein von den Wesen stammt, So bleibt der Schöpfer stets in gleicher W i r k u n g stehen, Und schafft nio w e n i g e r , nie mehr als sonst geschehen,
, Auch hier verleitet leicht zu einem falschen Schlafs D i e T ä u s c h e i i n , die ich so oft bekämpfen mufs. ,Ein Werk,
worauf L y s i p p
die
Schöpferkunst
verwendet, «Wild
mit dem letzten Druck der Künstlerhand vollendet,
.Sein Schaffen hat ein Z i e l ; steht deine P a f i a , .Praxiteles,
einmalil ganz glatt und fertig da,*
Bedarf sie dein nicht m e h r . und k a n n , um fortzuwähren,
O D E R D I E V O 1. I, K O K M E N S T E W E T- T. 73 Y. 82 — 94Des Künstlers,
Jen sie n u n weit ü b e r l e b t ,
ent-
behren. D r u m schliefst die Fantasie:
was
einst geschaf-
fen sey. Besteh nun durch sich selbst, v o n fremdem Beystand frey. Doch
läfst diefs
Gleichnifs auch sich auf
den
Schöpfer w e n d e n ? Der Künstler gicbt dem Stein,
der unter seinen
Händen Mit fremder Schönheit reitzt, die i h m H a s s a n d,r a leiht, N u r eine neue Art der vorigen W i r k l i c h k e i t ; Er schuf i h n nicht aus N i c h t s :
Allein die Kraft
der Wesen Kann nie sich v o n der Iland des e w ' g e n Schöpfers lösen; Der G r u n d ,
w a r u m sie nicht aus eigner Macht besteht,
H ö r t niemahls
auf zu
seyn;
so
sehr
sie
sich
erhöht, W i r d sie doch nie zu G o t t ,
und was sie einst
empfangen, Mufs jeden Augenblick sie stets von i h m
erlangen-
74
D I E
N A T U B
D P, 11
D M C R
V . 95 — n o . S i n g , M u s e , n u n , w i e Gott den besten Z w e c k erfüllt, Und w a s da3 Muster war, Wornach er uns gebildt. D e r Wesen Inbegriff soll seinen Meister preisen, Und seine Herrlichkeit im schönsten Abdruck w e i s e n ; D r u m schafft Gott
eine W e l t ,
die seiner Huld
geniefst, Und jenes L i c h t empfängt, das schaffend aus ihm lliefst. D i e f s ist der Z w e c k , den uns die Wahrheit heifst bemerken, Der Gottheit Ehre liegt im Glück von ihren Werken. Je mehr sie sichtbar w i r d ,
je
mehr
wird
sie
geehrt; W a s uns beseligt, i s t , was ihren Ruhm vermehrt. Diefs
ist
der Felsenrpund,
der
zwey
Kolossen
traget, Auf deren sichres Haupt sich unser Lehrbau leget. D e r eine stützt den Satz; dafs, was empfindlich ist. D e r Wesen ganze Schaar,
die Schöpfung in sieh schliefst.
Im andern'gründet sich das Glück der Geistigkeiten, Der
Triebe
Gegenstand,
die
Hoffnung
Zeiten.
befs'rer
O D E R
D I E
V O L L K O M M E N S T E
W l L T ,
75
V . i n — 125. Ist der Geschöpfe G l ü c k , des Schöpfers einzigs Ziel, So flüfst sein Allmachtshauch,
Empfindung
und
Gefühl, In so viel Wesen e i n , als in der Möglichkeiten Uneingeschränktem Reich sich ihrer Hoffnung freuten. Was hilfts dem todten Stoff,
dafs er den Geistern nützt?
Was hilfts der Sonnenglutli,
dafs sie dio W e l t
erhitzt ? Kennt V a n d y k s Mahlerey den Reitz von
ihren
Zügen? Kann sie ein schmeichelnd Glas Tvio Sylvicn
ver-
gnügen? Empfindet sie die L u s t ,
die Frynens Busen -bläht»
W e n n der Bewundrer Heer bezaubert um sis stellt? Nein,
unbekannt sich
selbst,
ergötzt sie fremde
Blicke, Und schlägt mit taubem Ohr das eitle L o b zurücke. Zsvar hat das Alterthum ein Wesen stets mifskennt, Das blofs Ideen w i r k t , vom Stoffe ganz getrennt; D i e Geister, denen es Empfindung beygeleget,
76
D I E N A I U R HER
DIRGE
V . 126 — 140.
Sind von gestirntem F e u ' r ,
das,
wenn es sich
beweget, Gedanken fühlend zeugt, und unverweslich ist, Weil,
frey von trübem Stoff, sein reiner Liclitstrom (liefst.
Auch unsre Zeiten hat der Irrthum noch beflecket, Und aus dem alten Schutt sein stolzes
Haupt
gestrecket. In GeisteT, welche sich vom Stoffe nie befrey'n, Flofst er sein schmeichelnd Gift sanft und unmerklich ein. Das Laster hofft durch ihn sich vor des Richters Blitzen, Vor gegenwärt'ger Angst und künft'ger Qual zu schützen. Sein Freund, der W i t z , hilft auch mit dienstbarem Bemiih'n, Ihm trüglich die Gestale der Wahrheit anzuzieh'n. O T h o r , um kurze L u s t ,
und die kaum halb zu schmecken,
Soll dich mit e w ' g e r Nacht des Todes Grabmnhl decken? Verachtet schmäht dein Sinn das Glück der Ewigkeit, Und doch geniefst er kaum die Hülsen von derZeit.
O D E R
D I E
V O L L K O M M E N S T E
W E I I .
77
y. 141 —153. Sio,
welche jederzeit den W a l m erzeugt und nähert,
D i e Fantasie hat auch des Xrrthums W u c h s
ver-
mehret, Den ich bekämpfen w i l l ;
aus ihrem Bilderschatz
Schmückt sie ihn reitzend aus,
und n i m m t der
Gründe Platz. Fragt n u r den Freygeist a n ,
und dringt i n ihn
m i t Gründen, Kaum w i r d er zweiflerisch sich
aus dem Netze
winden. Was,
spricht er h ö h n i s c h ,
w a s denkst du beym W o r t e , Geist?
I6ts nicht ein leerer Schall, der dich m i t Unsinn speifst? Kann was entkörpert s e y n ,
und ganz vom Stoff sich t r e n n e n ?
W a r es nicht eben das, w a s w i r das L e e r e n e n n e n ? So schlofs schon ein L u k r e z ,
und
ohne r o t h
zu seyn, S t i m m t noch zu unsrer Z e i t m a n c h falscher Weiser ein. Man zweifelt, ob ein Geist ( nach unsers L e i b n i z Lehren )
73
Die Natu h dür'Disof, V. 154 -
167.
Solch eine grofse Zahl von Bildern kann gebären, Von Bildern, welche doch sein innres Wesen scheut, Das keinen Sinn berühre, und Stoff und Dehnung meidt. Und endlich
(dieses
ist
der Kern
von
ihren
Schlüssen ) Wer sagt uns,
dafs vom Stoff wir alle Kräfte wissen?
Betrogtie Sterbliche! Vom unbegrenzten All Seht ihr den äufsern Rand,
die Schale nicht einxnahl,
Und rühmt euch doch getrost der Dinge Herz zu kennen, Und wifst die Himmel selbst, wie Kircher, 5 ) zu durchrennen. O Kaum gewordnes Nichts, das jetzt ein kurzer Wind Gleich einer Blase dehnt,
die,
eh sie ist,
ver-
schwindt; O Tliorichter, du willst in klippenvollen Tiefen, Und ohne Steur und Mast und Stern und Nadel schiffen? Viel leichter prüfte dort der ersten Schiffer Heer,
ß D E JV D I E
VOI I K O J I H I S S I I
W l l t ,
79
V. 1C8 — 182. In heil'ger Fichten Bauch, das laut verschreyte Meer, Die Nymfen sah'n erstaunt in den beschäumten Grenzen Ein
fliegend
IIolz sich d r e h ' n ,
und Schild
und
Harnisch glänzen; Allein sio schützt ein Gott, Minerva führto sie, Des goldnen Vliesses Preis rcitzt' ihre Heldenmülx: Du aber, schwacher Geist,
w i e kannst du dich erfrechen,
Und ohne Hülf und Licht die finstre See durchstechen ? Verwegen schliefest d u , der Stoff empfinde nicht, W e i l dir es einzuseh'n Verstand und Sinn gebricht. Ist das der helle Geist, den i h r so sehr erhebet, Der Strahl von Gott, der einst sich selber über' lebet? Er zeugt sich mit dem L e i b ,
fängt an mit i h m
zu blüh'n, Nimmt ab w i e e r , und ach! w i e er w i r d « r verilieh'n! Diefs ist des Dichters Schlufs, der seinen W i t z verschwendet, 6 ) Doch nur ein blödes Aug mit seinen Flittern blendat.
D i e XA'IIIU u c r . D i N uE
8°
V. i33 — i ^ IIier ist ein weites F e l d , w o sich die D i c h t k u n s t weifst; Das m u n t r e Frankreich trägt kaum einen seichten Geist, D e r liier den W i t z nicht ü b t ,
stolz die Vernunft
verhöhnet, M i t Scherzen Gründe schlägt, und grofse W o r t e r tönet. D o c h dichte i m m e r h i n , u n d wandle w e n n du willt, In ein beseeltes W e i b Pygmalions M a r m o r b i l d ; Du
magst
nach
deiner Art
mit Mährchen
uns
betriegen; D u thürmest Reime auf, h i e r sollen Gründe siegen. D u s p r i c h s t , der Stoff e m p f i n d t , er.ists der in uns denkt, D i e Bilder n i m m t , v e r w a h r t , trennt und zusammen hängt, Sich i n die F o r m e n giefst, die i h m der Körper giebet. Und in uns w ü n s c h t , u n d scheut, und h o f f t , u n d liafst und liebet. D o c h sage, da der Stoff unendlich theilbar ist. O b diese geist'ge Kraft au» allen Theilen fliefst,
O D E R
D I E
V O L L K O M M E N S T E
Will.
gl
V. 197 — 213. Von dem was in uns d e n k t ?
Diefs mufst du uns
bejahen, Und deinen Satz zugleich dadurch dem Umsturz nahen; Flotin hat längst für dich den starken Pfeil gespitzt, Vor dem dein L u f t g e b ä u kein W i t z ,
kein E i n f a l l
schützt. D e n n sprich n u r , ist das B i l d , das jetzt dein Stoff empfindet I n jedem T h e i l e s o , dafs er's ganz in sich
findet?
Ist diefs, so w ü r d e ja ein jeder Gegenstand, T r o t z dem, w a s man erfährt, unendlich oft erkannt? D u w ü r d e s t , w i e O r e s t , nicht n u r z w e y Sonnen sehen, Unzählbar w ü r d e n sie v o r deinen Augen s t e h e n ; Dil- w ü r d ' unendlich oft was deinen Blick bestrahlt, Was andre Sinne r ü h r t , in dein Gehirn g e m a h l t ; Es w ü r d e jetler T r i e b , dein Hassen und Begehren, In der betäubten Brust unendlich sich V o n drey A n t i k y r e n w i r d ,
vermehren.
w e r diefs glaubt,
nicht h e i l ! Doch beuge klüglich dich, und weiche diesem Pfeil, Sprich,
jeder Theil des Stoffs, der in m i r f ü h l t und denket,
WiBLiiDi
W. S u r t .
I. B.
I'
82
DIE
NATUR
DER
DINOI
y . 214 — 227. Fühlt nur ein Stück des Bilds,
das i n den Sinn
sich senket: Nun sag' auch, wenn du dich beym Denken selbst erkennst, Und
dich uncndlicli
schnell vom Vorgestellten trennst,
Ist diefs Gefühl getlieilt,
und w i e w i r d es zerrissen ?
Nur Eine Kraft kann es in Eine W i r k u n g schliefsen. V\'as der Verstand ergriindt, des Scharfsinns höhet Fiup, Die Kraft, die Schlüsse h ä u f t , des W i l l e n s sanfter Zug,
Diefs alles läfst sich
nicht in Stoff und Bilder schränken,
Noch ohne Ziel getheilt, w i e du erdichtest, denken. Ein Beyspiel mach' es k l a r :
Du gehst in einen.
Wald. Und suchst, der Sonne müd, der Schatten Aufenthalt; Im gleichen Augenblick
steigt
vom
bebliiinten
Wasen, Ein süfser Dampf empor, und eilt zu deiner Nasen; Auch liürt dein Ohr zugleich das Lied der Nachtigall,
ODER DIE VOLLKOMMENSTE W E I T ,
g5
V. 228 — 242. Und sucht, i m fernen Fels den rauhen Wiederhall. N u n m u f s , nach deinem W a h n , von allen diesen Bildern Sich jodos f ü r sich selbst in deiner Seele schildern; Der Blumen süfser ITauch drückt sich ganz anders ein. Als auf der Silberflutli der Sonne Wiederschejm. Ein
jedes
fühlet
sich
(diefs
folgt aus deinen
Schlüssen ) Und sich a l l e i n , u n d kann nichts v o n den andern wissen. D e r T h e i l des geist'gen Stoffs, in dem der grüno Wald Sich spiegelt, fühlet nur die eigene Gestalt; E i n andrer w i r d allein vom B l u m e n d u f l entzücket, W e n n in den dritten sich
der Waldgesang
nur
drücket. N u n widerspricht dir nicht, was die E r f a h r u n g lehrt, W e n n der verhüllte Geist auf sich die Blicke k e h r t ? Ists
nicht Ein M i t t e l p u n k t ,
zu
dem von
allen
Dingen Die Bilder,
w i e «in S t r o m ,
durch alle Sinnen
dringen?
Dii,
N A T U R
V.
243
» E R
—
DINOS
E6O.
V e r m o c h t ' ein M a l c b r a n s c h ,
der Schlufs aus
Schlüssen zieht, Und m i t geschärftem B l i c k der Sätze Band durchsieht, D u r r l i die geschlofsne R e i h ' e n t w i c k e l t e r Ideen, In i h r e m L a b y r i n t h die W a h r h e i t auszuspähen. W e n n nicht ein W e s e n w a r , das alles in i h m denkt, Das die Begriffe f ü g t , und nach Gefallen l e n k t ? Und w ü r d e n nicht v i e l m e h r im allgemeinen T r e n n e n D i e B i l d e r f e i n d l i c h sich einander n i e d e r r e n n e a ?
Der
Stoff ists
also
nicht,
w a s denkt;
ein
Unterscheid, D e r tief i m W e s e n l i e g t , entfernt die Geistigkeit Vom
ausgedehnten
StofF;
Er
kann
sich
nur
bewegen Und f ü h l t sich n i c h t ; S i e f ü h l t und w e i f s 6ich nicht zu regen. So w e i t als m ö g l i c h hat der e w i g e Verstand D i e Unempfindlichkeit ans seiner W e l t verbannt. D o c h kann die Geisterwelt den Stoff n i c h t ganz verdringen. Warum?
Sein Beystand nützt den Dingen.
ungedehnten
ODEK U l i
VOLLKOMMENSTE
W ELT.
gj
y . 259—274. E r fordert iliren Z w e c k , weil er der Geistigkeit W a s i h r zum Wirken fehlt durch die B e w e g u n g leiht.
Das aber was sich Gott zum W o h l t h u n auserlesen, I s t , die beseelte Schaar der edlern geist'gen Wesen, Die, nach i h m selbst geformt, zum Fühlen aufgelegt, I n ihrem Innersten den T r i e b zur Freude hegt. E s w a l l t sein Vaterherz zu den geliebten Kindern, Und liafst der Schranken N e i d , die seinen Einflufs hindern. Sein W i l l ist unser G l ü c k ; doch gleicho Seligkeit Verbeut auf e w i g uns der Wesen Unterscheid. Warum
denn
schuf er u n s ,
fragt M a n es,
nicht zu Engeln, F e s t in des Guten W a h l ,
und frey von strafbarn Mängeln ?
O T h o r ! mit gleichem Recht klagst du die Erde an, Dafs sie der Nelken Pracht auch Distel, Löwenzahrt Und andern Pöbel mischt,
nicht stets v o n L i l j e n strahlet,
Und statt gemeinem Gras, m i t bunten Tulpen prahlet.
86
D I E
N A T U R
D E »
D I N O E
V . 275 — 291. Vielleicht begehrst du auch, dafs stete Weste weh'n, Und w i l l t die schwarze See v o n Nektar glühen seh'n ; D u lieifsest öden Sand mit Blumen sich erheitern, Und Schiffe sollen dir an Diamanten scheitern. O flieh aus einer W e l t , der die Natur befiehlt, Und zaubre dir ein Reich, w o r i n die Wärme höhlt; D e n Bach. der bey uns rauscht,
lafs Operlieder
singen. Und aus des Frühlings Schoofs Rubin und Perlen dringen. W i e eng ist eine W e l t , die nur Halbgötter trägt, D i e ein einförmig L i c h t mit gleicher Wonne pflegt! W i e klein wird da die Zahl der Mannigfaltigkeiten, D i e fern E i n E n d z w e c k r u f t , und die harmonisch streiten!
Und kann die Gottheit seh'n , dafs ein unzählbar Heer Das eines kleinem Glücks nach Graden fähig w a r , Umsonst
z u s e y n sich sehnt?
Kann
diefs die-
ew'ge L i e b e ? O nein! Sie,wallt zu uns mit allgemeinem Triebe, Und flöfset Wirklichkeit und zugezählte Lust,
O D E K
D I E
V O L L K O M M E N S T E
W
ELT,
ß7
V . 292 — 307. Nach jede» Fälligkeit, in aller Wesen Brust. Das
Elend,
welches
jetzt
die
niedern Klassen
leiden, Verliert
eich
nach
und
nach
in
eino See v o n
Freuden. Des Übels ganze S u m m ,
w i e grofs sie B a y l e n dünkt,
Ist kaum ein Regentropf,
der in das Weltmeer sinkt,
Verglichen mit dem G l ü c k ,
das noch
entfernte
Zeiten, V o n T i t a n nicht erlebt, den Geistern zubereiten.
D e r innre Unterschied der wesentlichen Kraft Ist, was die Einzelnheit in den Substanzen
schafft.
Verschiedne Fähigkeit zu fühlbaren Gedanken Vertheilt der Wesen Ileer in abgemefsne Schranken; Und ein geheimes Band, das alle Geister reiht, Knüpft Arten und Geschlecht nach ihrer Ähnlichkeit. Diefs ist der Liebe H a u c h ,
den O r f e u s
schon
besungen, D u r c h den E m p e d o k l e s
der Saamen Streit verdrungen.
So ward die Geisterwelt, die durch Ideen lebt,
38
D I E
N A T Ü B
DFU
V. 308 -
D I N C C
526.
Und mit verschiednen S c h w u n g zur Gottheit sich erhebt, D i e Weisheit schränkte sie in ungezählte Klassen, D i e nach bestimmter Zeit sie höher steigen lassen. M i t ungleich sattem T r i e b naht der Natur Gebot, D i e einen ihrem Quell, die andern noch dem T o d .
Bekränzt mit stillem L i c h t , strahlt eine g r ö f i r e Sonne D o r t einen C h e r u b
an,mitnnvermischterWonne,
Sein scharfes Auge sieht durch unsre Nebel hin, R e i n trübes Vorurtheil schwärzt seinen hellen Sinn. I h m zeigt sich die Natur in unverhüllter Schone, Sein geistig Ohr entzückt der Sfären L o b g e t ö n e ; Manch neuer Sinn führt ihn ins innre Heiligthutn D e r grofsen Schöpfung ein, w o des Erschaffers Ruhm I n ew'gen Flammen brennt auf ewigen Altären. E r theilt die Seligkeit mit tausend E n g e l 1 Kören ; D e r Wahrheit Urbild selbst w i r d stets von i h m erblickt, Und reine L i e b e ists , was seine Brust entzückt. So nähert er sich stets der Geister erstem Quelle, Und w i r d i m Nähern stets v o n reinern Strahlen helle.
ODER
DIE
V O H I t O M M f B S T E
W iL JL T .
V. 327 — 542Viel niedrer drängt sicli dort auf zweifelhafter Bahn E i n noch nicht reifer Geist zur Soelenruh hinan. W a s hilft ihm die Vernunft,
die ihn beglücken
könnte W e n n seine W a h l sich nie von ihrem Ausspruch trennte? Seih Ilerz verlangt nach L u s t , die falsche Fantasie Verdoppelt ihren Reitz, und raubt zugleich ihm sie. Sie reitzet die B e g i e r ,
und
weifs sie
nicht
zu
stillen,
Und lockt mit eitclm Glan4 den
oft
betrognen
Willen. Indem er hin und her ein Gut sucht, das ihn (lieht, Ruft ihn mit siifsem T o n der W o l l u s t Zauberlied. Im blumenreichen T h a l ,
wo unser Myxteu-
schatten Der Venus Tauben sich im stillen Laube gatten, W o alles scherzt und liebt,
und stets im lauen
Wind E i n unsichtbarer Dunst von süfsenSeufzern schwindt, Dort liegt die Zauberin auf buhlerischen Rosen. Gytherens kleiner S o h n , nie müd i h r liebzukoaen,
9°
Die
Natuk
d D i n g e
v . 543 — 560Schlingt sich»
dem Efeu gleich,
um ihre Ueifs«
Brust; I h r funkelnd Auge veitzt zu untersagter Lust. I h r schwarzes Haar,
das leicht um ihren Nacken schwebet,
D ä m p f t jüfsen Balsam
aus;
den W e s t ,
der
sie
umwehet, Schöpft sie r o l l Lüsternheit und kühlt den matten Gaum; Der Liebesgötter Schaar verengt um sie den Kaum, Und spielet sorgenlos,
doch schwirrt bey ihrem Scherzen
Manch unsichtbarer Pfeil in uliverwahrte Herzen; Der trunkne Bacchus liegt zu ihrem Fufs gestreckt; Von weicher Flöten Schall zur Üppigkeit erweckt E r h e b t er sich , den Kor der Faunen und Mänaden, Der in die Schatten
floh,
zum wilden Tanz zu laden.
Diefs ist der Wollust Hof, aus diesem Zaubergrund Ruft sie dem Wandrer zu, ihr allzu süfser Mund Bethört sein willig Herz, er küsset sein Verderben, Und saugt aus ihrem Blick ein angenehmes Sterben. D o c h wenn die Zauberin ihn kurze Zeit berückt, Raubt i h m ein Augenblick, was ihn vorher entzückt;
ODER
DIE
VOLLKOMMENSTE WELT.
91
V . 361 — 376. ( Wie ein treuloser Traum, indem er uns vergnüget. N u r durch ein hold Gespenst des Herzens Sehnsucht trüget, Und von der Schattenlust kaum einen
schwachen
Rest, Des Schattens Schatten, nur zu gröfserm Schmerz uns l ä f s t ; ) W o lauter Anmutli w a r , sieht er erstarrte Klippen Und todten Sand gehäuft; Armidens süfse L i p p e n , I h r Auge
a
reich an L u s t ,
ist m i t dem leichten Schwärm
D e r Liebesgötter w e g ; er sieht v o m dürren A r m D e s Ekels und der Reu mit Abscheu sich umfangen. Bald bleicht die kalte Furcht die schnell verblühten Wangen, Wenn
des
Gewissens
Spruch
ihm
seine Strafe
droht; Bald streicht die späte Reu i h m ihr verhaistes Roth. Aufs blasse Angesicht; von der genofsnen Freude, Bleibt nichts als die B e g i e r ,
und nagt sein E i n geweide.
Doch
da er
liegt und seufzt, und seine N o t h bethränt,
Und ohne Hoffnung sich nach einem Retter sehnt,
DIE
92
H A I U S
DIU
D i i t i
V . 577 — 391. Blickst du, o T u g e n d , i h n , uniglänzt von sanftem Lichte, Voll innern Mitleids an , mit tröstendem Gesichte. Die Kraft,
die in
sein Herz mit deinen Blicken lleufst.
Belebt mit neuem Muth den auferweckten Geist, D u hebst ihn liebreich auf,
und führst an deiner Seiten
Ihn deinen hohen W e g zu bessern Ewigkeiten. In noch geringerm Grad hüllt dort ein Raupeuklcid E i n schwächer Wesen e i n ,
und reitzt oft unsern Neid.
Mit weniger Vernunft mifskennt es unsre Plagen, Und braucht in steter L u s t sein kurzes Mafs von Tagen. Befreyt vom bleichen Neid, der unsre Ruh verzehrt, V o m ekeln Unbestand, der unsTe Wollust stört, Schmeckt es die jetz'ge L u s t , und säumt sich nicht im Wählen, Und kennt die Mittel n i c h t , sich sinnreich selbst zu quälen. D e r Rose külile Schoofs, der Nelke Purpurgrund,
O D E Ii
DIE
V O L L K O M M E N S T E
Will,
93
V. 592 — i\o6. Keitzt e s ,
w i e dich,
Myrtill,
Aminen«
kleiner
Mund; Sein Leben ist G e f ü h l , es s c h w i m m t in trunknen Freuden, Und seine W o n n e
Stört
kein vorgesehnes Leiden,
Z w a r schliefst ein enger Kreis die dunkeln Sinnen ein, Allein es w i r d nicht stets in dieser Kindheit seyn: D i e Z e i t , und jener W e g , durch den die Wesen steigen, W i r d ihm ein neues Feld einst zum Empfinden zeigen; Voll Wunders sieht es dann, den Geistern zugestellt, Sein neues Daseyn a n , und eine neue Welt, So i s t , w a s f ü h l t und denkt, an Graden manch erley: D o c h keines ohrte L u s t , von Mängeln keines frey. Der reinste Cherub f ü h l t den Damm der Endlichkeiten, Den unsichtbarsten W u r m erwarten befsro Zeiten. Von Gottes Hand g e f o r m t , stellt der Substanzen Schaar D e r ersten Züge Rifs von »einem Wesen dar.
94-
DIE N A I K S DIR
Diboi
V . 407 — 421. J e näher sie sich hin zu ilnetn Urbild kehren, J e herrlicher kann sie sein reiner Glanz verklären.
Sie fühlen alle s i c h ,
w e n n von der äufserh Welt
E i n geistig Bildnifs sich v o r ihre Augen stellt. Und dieses B i l d erweckt in den gerührten Herzen, Das
eine L i e b ' und L u s t ,
ein anders Hafs und Schmerzen.
Des Willens Richtungskraft kann nie gleichgültig seyn, E i n V o r w u r f llöfset stets Hafs oder Neigung ein. S o hat der höchste G e i s t ,
was ihn
vollkommen
schmücket, M i t oft gebroehnem L i c h t den Wesen eingedrücket, V o m Quell der M ö g l i c h k e i t , v o m göttlichen Verstand Ist die Vorstellungskraft m i t
w e i s e r Kunst
ent-
wandt; Und der Begierden S t r o m ,
die stets zum UrbTunn quillen,
Zeigt- uns ein Schattenbild v o m allerbesten Willen. K e i n Geist verschmäht sein G l ü c k , und liebet was ihn kränkt,
ODER D I E
TOllSOMMEBiTE W i l l ,
g5
V . 422 — 434W e i l seine Neigung sich von telbst zum Bösen lenkt; Nein,
W i t z und Leidenschaft betrügt die blöden Herzen,
Und locht mit falschem Reitz zu
angenehmen
Schmerzen. Die L i e b ' umfasset nur was sie durch Schönheit rührt, Was
gut und nützlich scheint,
und süfse Lust
gebiert; Sie ist der schönste Strahl
vom
schöpferischen
Blicke, Die Wurzel unsrer L u s t ,
der Keim von liöhcrm Glücke.
Zu dem w i ^ Gott selbst liebt, zu der Vollkommenheit, Füllt dieser edle Trieb die Brust mit Zärtlichkeit; W o schöne Ordnung reitzt durch weisliclies Verbinden, Eröffnet er das HeTz, sie lebhaft zu empfinden. Er treibet den Verstand, und setzt ihm Stacheln an Wenn
ihn
der Schlaf besiegt;
der Vorurtheil«
Wahn,
96
D I E N A T U R DER
DINOE
V . 4 3 5 — 449-
Der I r n k a m flieht vor i h m ;
er giebt sich nicht
zufrieden, Und hört nicht a u f , den Geist durch Flehen zu ermüden, Bis er zur rechtcn Spur der holden Weisheit kehrt, Die ipit Zufriedenheit, der Geister Kost, sich nährt. O Liebe,
süfser Zug
zu W e s e n ,
die uns
gleichen, Du
herrschest
unbegrenzt in
allen Scliöpfungs-
Reichen. Dich fühlt der schwächste W u r m ,
dich fühlen
Serafim, Dich fühle der Schöpfer selbst!
Du führest uns
zu ihm. Du bist die Geberin der schönsten besten Freuden, Und keine andre Lust bezahlt selbst deine Leiden. O!
tönte mein Gesang h o c h , w i e ein himmlisch Lied,
Piein, w i e im Cherubin dein ew'ges Feuer glüht. So süfs w i e deine L u s t , so stark w i e deine Triebe, Denn w a g t ' ich kühn dein L o b , denn solltest du, o Liebe, Des heiligsten Gesangs erhabner Inhalt seyn!
O D E ft D I E
V O L L K O M M E N S T E
W E L T ,
(fj
V . 450 — 4f»')> W e g , trunknc Sänger, w e g , die ihr v o n L i e b und Wein, Dort
w o 1 beym Faunen - Tanz
die
wilde
1 löte
schallet, Auf feiler Frynen Schoofs mit starrer Zunge lallet; E n t w e i h t den Nahmen nicht, der Engeln heilig ist, W o m i t der Himmel selbst den Unerschaffnen griifst; Den Nahmen,
dessen Macht die
bessern Welten
ehren, Und dessen W u n d e r uns einst E w i g k e i t e n lehren I
D i e schönsten Bündnisse, die unsre Seele kennt, Die
keusche F l a m m e ,
die durch Hymens Fackel brennt,
D e r holden Sippschaft Quell, die mächt'gen Sympathien, W o d u r c h sich wechselweis verwandte Seelen ziehen ; D u , Freundschaft,
siifser Trost des L e b e n s ,
das
von dir Erst seinen Reitz e m p f ä n g t ,
und Sicherheit
und
Zier; D i e höh''re L i e b e selbst, w o m i t w i r im Verlangen Das menschliche Geschlecht und die Natur fangen, Wiblanbi
\V. S e r n , I. B.
G
um-
DIE NAII'H
D I K D I I C E
V. 465 -
479-
Sind nur ein Strahl von dir» den deines Anhauchs Macht in unsrer kalten B r u s t , o L i e b e , angef.iaht. Geschwisterlich v e r w a n d t m i t diesem schönen Triebe, Ist die B e g i e r n a c h R u h m , des edlen Lorberg Liebe; Auch sie ist
unserm Geist v o m H i m m e l
ange»
stammt. Sia
spornt zur
Tilgend
an.
Von
ihrer Gluth
beflammt, Hat ein Prometheus sich der Sonne zugeschwungen, Und den verbotnen Strahl und seine Straf' errungen. Sie hat das erste Volk von Eicheln abgewöhnt, Und seiner Enkel Pracht von einem W u r m entlehnt. D u r c h sie erfand ein T e u t
der Wissenschaften
Saamen, D u r c h sie blüli'n noch im Tod erblafster Helden Nahmen. Sie legt der W e i s e n Geist beseelte F l ü g e l an, Und hebt sie zum Gestirn auf untersagter Bahn. Sic lehrte,
Valla,
7 ) dich der Schule Hohn « u sprechen,
O D E 1\ DIE V O I 1 ] ; O M J I E [ , S I E W E H . V. 480 -
99
496.
Und am Aquin uiiilDuns 3 ) der Wahrheit Schmach zu rächen. Durch sie hat P i s a ' s S t o l z 9 ) der Sterne Zahl vermehrt, Und dich, Urania.» durch Gläser seh'n gelehrt. Durch sie zwang G e r i k e , 10) die L u f t vor ihm zu
fliehen.
Und Iiiefs ein magisch Feur aus halten Körpern sprühen. Dem N e w t o n zeigte sie i m weifsen Sonnenstrahl Durch ein dreyeckigt Glas der Farben heil'ge Z a h l ; Von ihr gelehrt, hiefs er in abgemefsnen Kreisen, Restrahlte Welten stets um ihren Brennpunkt reisen. Sie führte, L e i b n i t z , dich auf unbetretner Spur, Durch manchen Labyrinth ins Innre der N a t u r ; Dir w a r der Ruhm bestimmt, den StoiF selbst zu beleben, Und lauter Harmonie der schönsten W e l t zu geben. Doch eben dieser T r i e b , wenn die Vernunft ihn nicht In strengen Zügeln hält, und seine Ilit-se bricht, Ist ohne Ruh bemüht, sich und dioWelt zu quälen. Und opfert seiner W u t l i erschlaguer Brüder Seelen.
lOO
DIE N A T U » d e r DIKOR
V. 497 — 5«3Er reitzt die Hcrr'n des Nils den Himmel nah zu aeh 'n, Und von gebranntem Leim Gebürge zu erliöh'n, Wo unter theurer Last, mit Menschenblut gefiiget, Ihr moderndes Gebein in öden Winkeln lieget. Er führt' einst Filipps Sohn durch manch entvölkert Land, Im blutigem Triunif, bis an den Indus - Strand. Es feurteCäsarn an, Roms Freiheit zu zertrümmern. Und im erbleichten Glanz des Vaterlands zu schimmern. Er stöfst des Lieblings Dolch, der Wohltliat unbewufst, Die ihn verwegen macht, in seines Fürsten Brust; J a , er bewaffnet selbst,
dir,
Herr der Welt,
entgegen, Die Thoren, die Ein Wink zu deinem Fufs kann legen, So weicht die Ruhmbegier, die uns der Himmel gab, So bald ihr Führer fehlt, vom ebnen Gleise ab. Sie soll den ew'gen Geist von diesem Ball entfernen, Zu würdigerm Geschick in strahlenreichern Sternen; Allein oft läfst sie sich von falschem Winde blali'n,
i D E I i D I E T O I I I I O M M E K S T E W F I. T. XOl V. 5*4 — 55>Sie liebt s i c h , steigt, und w i r d sich bald i m Staube drch'n; So stürzt den Faeton die W u t h der Sonnenpferde, D i e i h r e n - H e r r n v e r m i f s t , zur mötterlichen Erde. D o c h lehrt der öftre Fall den hintergangnon Geist, Bis i h m ein sichres L i c h t
die w a h r e L a u f b a h n weifst,
Auf dem die Helden sich durch manchen
Feind
geschlagen, Und den errungnen Preis den H i m m e l n zugetragen. D e r Gipfel alles R u h m s , den die Begier erreicht, Ist eines Engels Glanz, der seinem Schöpfer gleicht. J e fähiger die Z e i t zu diesem Glück sie machet, Je stärker w i r d der Brand i m Nähern angefachet, Bis endlich unser Seyn in seine Quelle sinkt. Und unvermischte L u s t i n vollen Strömen trinkt. Diefs ist der schönste Tlieil von dem vollkomai* nen G a n z e n ; Das unbegrenzte Reich empfindender Substanzen, D i e eine Leiter h ä l t , an der das Ende fehlt, W o vom geringsten W u r m ,
den k a u m ein T r i e b beseelt,
Bis zu dem Chei u b i n ,
der sich in Gott verlieret,
102
Die N a t u r
der
Dinge
V . 532 — 556. Geschöpfe ohne Z a h l des Schupfers Bildnifs zieret, Iii
u n g l e i c h hellem G l a n z ;
wo
jedes
Schönheit
liebt, Und sich nach W o n n e sehnt, und seine Kräfte ü b t ; Wo
jedes,
durch
dio
Zeit
mit
reinerm
Licht
gesclunückct, In befsro Z u k u n f t stets m i t hcllerm d u g s
hlicket.
93O d u , der Nichts begreift, und alles w i l l ciklären. W e n n w i r d die Weisheit dich sokratisch zweifeln lehren ?
D e r K o r p e r w i r k t und l e i d t , sein Stoff bleibt stets gedehnt, So sehr ihn I l a l l e y theilt,
und w i r d nie ganz zertrennt,
So w i e der Geist sich nio in einen Körper wandelt» D i e Denhungskraft verliert, und gleich Maschinen handelt. Der G e i s t , der denken z w a r ,
nicht sich bewegen
kann. N i m m t andrer Eindruck auch unmittelbar nicht a n ; Hingegen kann der Stoff aus innerem Vermögen, Das ihm der Schöjjfer g a b ,
sich selbst und andre regen.
D o c h ist sein Wesen gleich v o n aller Einheit frev, So zeigt doch die Natur, dafs sie nicht fällig sey, A u c h seinen kleinsteil Tlieil unendlich fortzutheilen, Und Sonnenstäubchen stets in kleinere zu feilen. Nein!
endlich bleibet sie
bey
solchcn
Splittern
stcli'n, Die v o r dem Diamant an fester Härte geh'n.
J£2
D I B N A T O R B E K D I K O S
V . «93 — 207. Sclion M o s c h e e ,
sagt m a n ,
hat die T y r e r sie
gelehret; D e r Beyfall nährte s i e , bis sie L e u c i p p entehret. D e r sie mit E p i h u r £ft D I E
VOLLKOMMENSTE V. «
-
W i l l .
157
57-
Der ganze K r e i s , dei sich, voll von äther'scher I'luth, CJm unsre Sonne dreht, (die in dem Brennpunkt ruht, Und ihr heilsames L i c h t zu sechzehn Erden sender. Die ein geheimer Zug in eignen Bahnen
wendet)
Scheint vom Unendlichen der schlechtste T h e i l zu seyn, Uiul schliefst die niedrigsten der Geistigkeiten ein.
Hier ist der dunkle Ball, an dem die Menschen hängen Und bin ein schimmernd Nichts, das keinem bleibt, sich drängen, Nimmt in der Welten Zahl er gleich den untern Platz, So ist ein Kreis doch voll von unerkanntem Schatz. Cs soll zu liöherm Glück die Seele vorbereiten, Druin ward er ausgeschmückt mit so viel Trefflichkeiten, D i e , ist ihr Reitz gleich grofs, doch die Gewohnheit bald Mit ekler Galle färbt.
D e r kurze Aufenthalt
( K a u m einer Ilerberg gleich ) auf der zu kleinen Erden,
D
I5ß
I E
N A T V R D E R D I U OE
V. 58 — 5 2 . Soll uns
durch
sio versiifst,
nicht paradiesisch
werden. Die Wollust, die uns hier ein irdisch Gut gewählt, Soll n u r ein Vorschmack s e y n , der die Begierden mehrt, Mit angefachtem Fleifs nach jenem wahren Leben, Aus dieser D ä m m e r u n g , e r w a c h e n d , hinzustieben. D o c h , tliränenwerthcs V o l k ,
dein Endzweck
und dein Stand, Selbst deine H o f f n u n g e n , die sind dir unbekannt! Vergessend,
welch ein Glück die Arme nach dir strecket,
Hängst du dich an ein G u t ,
das dir n u r D u r s t
erwecket. Z w a r du g e w a h r s t es selbst;
mit
unvergnügtem
Sinn Verlärs'st du es, und schwärmst zu tausend andern hin, Die
dein
nie salter Geist bald w i r d zu
flüchtig
finden, Die ewige Begier vom, Wünschen los zu w i n d e n . Ein schönes Hiudernifs reitzt dich betrüglich an, V o r L u s t vergissest du dein Z i e l , und deine Bahn.
» D E II
D I E
V O L L K O M M E N S T E
W
E L I ,
159
V. 53 — 67. So riefen dem Ulyfs die lockenden Sirenen, V o m zauberischen Strand mit tödtlichsüfsen T ö n e n ; So nahm das Weine Heer, das diesen nocli entging, Der süfse Lotus ein, der Aug' und Zunge
fing;
Das rauhe Itliaka ward jetzt mit Lust vergessen; Jcdocli der Heid zieht f o r t ,
und läfst sie Lotus essen.
O Mensch,
wenn lernst du einst,
wozu du
ewig bist. Und dafs dein Ilcrz zu grofs für diesen Erdball Benachbart mit
dem N i c h t s ,
füllt dort
ist. ein
traurig Heer Den nnbestralilten Raum.
Von innerin Lichte leer,
Emplindt es kaum sich selbst; den Schlaf, der es bestricket, Stört kaum ein schwaches B i l d , das in den L e i b sich drücket. Auch sie bedeckt
ein K l e i d ,
von dichtcm Stoff
gewebt, Durch
den
der
Gegenstand
vor
ihrem
Sinne
schwebt; Doch weil kein erüfsers Haus ihn mit der W e l t verbindet,
1C0,
DIE NATUR
V.
Was Wunder,
DER
DINCE
68—82.
dafs er kaum sein dunkles Seyn empfindet?
Er fühlt zwar, doch nur schwach; auch scheinet seine Brust Zum Schmerze noch zu trag, und noch nicht roif zur Lust.; Unthätig bleibt er stets im Gleichgewichte liegen, Von bittrer Unlust frey, unfähig zum Vergnügen. Aus diesen Wesen sind dio Körper aufgehäuft, Die man sonst insgemein im Miuern - Reich begreift. Du, L e e u w e nli o k, "zeigst uns mit scharfbewehrten Augen, Was Menschenblicke sonst nicht zu bestrahlen laugen j Zeigst dem erstaunten Blick den ganzen Stoff belebt, Und wie das Sandkorn selbst von regen Thierchen v.cbt; Vor deiner. Scharfsinns Strahl ist unsre Nacht verschwunden, Der Erdekleinsten Punkt hast du bewohnt gefunden. So gründet nnsernSatz, den die Vernunft gebeut, Auch der Erfahrung Spruch, und hilft der Sinnlichkeit.
ODER D I E V O L L K O M M E N S T E W E L T . V- 85 -
l6l
93-
Doch kein vergrößernd Glas führt die geschärften Blicke Aufs unterste Geschlecht der Kreatur zurücke; Denn diese deckt ein Leib vom feinsten Stoff erbaut, Den selbst kein L e e u w e n l i ö k ,
keinNeedham
jemahls schaut. Er Iäfst sich nicht
aufs neu in kleinre Wesen schneiden,
Die
sich
in andern Stoff, nach gleicher Regel, kleiden.
Hingegen das G e w ü r m , wovon im Tropfen Nafs E i n I I o o I i , ein S w a m m e r d a m , viel Millionen mafs, Läfst ein sichtbarer Leib in schärfre Augen dringen, Ein L e i b , der fähig i s t , sich zeugend zu verjüngen. Dicfs zeigt, dafs unter ihm noch tiefre Klassen geh'n. D o c h endlich bleibtderGeist bey einerGattung steh'n, D i e allen andern weicht, ob ihr der Trost gleich bleibet, Dais einst die späte Zeit sie weckt und hoher treibet. E i n jedes Glied der Zahl, der unmefsbaren Zahl, Vom niedrigsten Geschlecht,
trägt ein natürlich
Mahl, WlKLANDI W. SVML, I. B.
JL
DIE NATUR
ife~
DER
Diner.
V.,99 — 1 1 4 .
Das von den andern es im Westen unterscheidet* Die Kraft, die es bewegt, der Leib, der es bekleidet. Hat was ihm eigen i s t ; auch was es jetzt empfindt, Ob seine Bilder gleich n u r matt und einzeln sind, Ibt nicht vollkommen gleich m i t d e m , was andre reget, Die sonst die Ähnlichkeit am nächsten zu ihm leget. O Mannigfaltigkeit, dio hier mein Auge f ü l l t ! G W e i s h e i t , Geist der W e l t , \Vie grofs w i r d mir dein B i l d ? Der Ser&f steht erstaunt,
und
w ü n s c h t dich zu
ermessen, D o c h er ermifst dich n i c h t , häuft er gleich Grofs* auf Gröfsen. N o c h m e h r , ein w e n i g Band hält jede Geistigkeit Des niedrigsten Geschlechts ans Ganze angereiht; Weil
alle
Wesen
eich
zu
gleichen
Zwecken
schwingen. Und zu
des Ganzen Zier
verscliiednen
Beytrag
bringen.
Der Schöpfer, ( e h r e t i h n , so oft sein N a h m erschallt, Ihr Sonnen, lichter Staub, der seinen Fufs u m w a l l t ! )
« S E H DIE VOtLKOMMENSTE
WELT,
l6j
V. 1 1 5 — 128. Hat
durch
dar Liebe
Zug
den
innern
Stroit
geschlichtet, Und das Mann'gfältige harmonisch eingerichtet. Auch da, w o unser Sinn nur blasse Gleichheit sieht, Strahlt Ordnung, Schönheit, L u s t , in ein verklärt Gemüth. Kein finstres Chaos mischt die kämpfenden Substanzen, Hier herrscht der Weisheit A r m , und schaffet Rull im Ganzen. Um einen Grad erhöht, beseelt das Pflanzenreich, Ein besseres Geschlecht, doch Thieren noch nicht gleich. Auch dir,
du holde Zucht der immer fruchtbarn Floren,
Wird in dem schönen Leib ein Wesen angeboren, Das sich und ihngeniefst. Kein GraB, kein unwerth Kraut, W i r d aus Aurorens Brust erquickend angethaut, Das nicht im weisen Bau von wohlgefügten Rühren, Dem gleichgestimmten Geist Empfindung kann gewähren.
1G4
D I E NATUH DER
DINÖE
V . 129 — 144. D u lachst,
bestäubtes Heer megarischer E u kliden, 1 )
Dafs
wir
den
Pflanzen
tlnlt
es n i c h t ;
selbst
Empfindlichkeit
beschieden? D i e Muse
der Weisheit
milder
Hauch Hat längst sie schon beseelt,
und die E r f a h r u n g
auch. Z e i g t ihrer Glieder B a u ,
(ein Werk,
das selbst
die Weisen Z u schwach es durchzuseh'n,
nur v o l l Erstaunen
preisen,) In seinem Wesen selbst, in B i l d u n g und Gestalt, Nicht eine Ä h n l i c h k e i t , die in die Augen strahlt, M i t andrer T h i e r e L e i b ? E i n wundersam Gespinsto Yon Nerven,
nimmt die F l u t h
der
eingesognen
Dünste, Und kocht das siifseBlut, das von der Sonn' erhitzt. Sich durch der Adern Höhl' in alle Glieder s p r i t z t ; D i e eingeschöpfte L u f t d u r c h w e h t in tausend Röhren D e n angefachten L e i b , und h i l f t das Leben nähren. Ist
nicht
der T h i e r e L e i b
mit
gleicher
Kunst
gewebt? D e r Same selbst, durch den sich jedes überlebt,
ODER D I E V O L L K O M M E N S T E W t l T .
^65
V. 145 — i f i ° . Nimmt eigne Glieder ein, die im Geschlecht sich trennen, Und olinc Liebe nicht sich selbst erneuern können. Durch dich, o Pafia, durch dich lebt die Natur ; Auch Blumen
fühlen dich,
dein Trieb
gebiert
sie nur. So bald dein warmer Hauch, den uns, auf lauen Schwingen, Des
Frühlings
Erstlinge,
die
muntern
Weste
bringen, Den rauhen Nord verjagt, und Schnee und Wolken flieh'n, Dringt aus der Erde Schoofs ein jugendliches Grün. Die Samen dehnen sich, und fühlen deine Triebe, Die ganze Erde haucht die eingeflöfste Liebe. Die Bäume schmückt ihr Kleid, der Vögel luftges Heer Ruft dir frohlockend zu, dir heitert sich das Meer; E s glänzt,
ich weifs nicht w a s ,
im Auge junger
Schönen, Und ihren Buson schwellt ein unbekanntes Sehnen. D i e f s , Liebe wirkest du,
und so
erhält
durch
dich, Und deinen süfsen Z w a n g , der ganze Erdkreis sich.
i66
D I E
N A T U R
D I U
D I N G E
V . 161 — 175. W e n n mit L i n n e u s
nun in Florens buntem Kinde
Ich so v i e l Ähnlichkeit m i t andern Thieren finde, Und sein belebter L e i b , durchaus organisiert, E i n aromatisch B l u t durch tausend Adern führt, W a s hindert u n s ,
es
auch gleich
Thieren,
zu
beseelen? Kann w o h l dem Geisterreich ein möglich Wesen fehlen ? Sprich nicht, w i r sehen nicht, dafs sie ein Gliedmafs ziert Das zum Empfinden taugt, und fremden Eindruck spürt. Seit w a n n hat die Natur uns ihren Sehoofs' entdecket? Bleibt uns der gröfste T h e i l
der Z w e c k e
nicht
verstecket? A u c h die Veränderung i m eingenommnen Platz, Dia den Gewächsen fehlt,
bekämpft nicht meinen Satz.
D e r Austern träges V o l k , das an den Felsen klebet, Vortauscht nur durch Gewalt den O r t ,
an dem
es lebet. Verändert gleich das Kraut die erste Stelle'nie,
OTIE n
DIE
v o i
U ; O M M E 5 J T I
W E L T .
167
V . 176 — 192. Ists doch nicht regunglos; es öffnet selber früh DenhalbgeschlofsnenKelch den angenahten Strahlen, Und schliefst bey ihrer F l a c h t die stcrnengleichen Schalen, Es wendt sein blühend Haupt verliebt der Sonne zu, Grüfst s i e , da sie e r w a c h t , und sucht mit ihr die Ruh. 2 )
D i e Seelen, welche w i r den Pflanzen zugegeben, Naht schon ihr
innrer
Stand
dem
animal'schen
Leben; Wirksamer als die A r t , die unter ihnen schläft. Kennt ihre Kraft schon mehr das geistige Geschäft. Sie fühlen, w e i l ihr L e i b die Bilder vor sie stellet; D o c h ist ihr Bild der W e l t gleich dämmernd aufgeheilet. So fühlen sie doch schwach und ohne Deutlichkeit, Und
was?
Vielleicht
dafs sie
der Weste Kufs
erfreut; Vielleicht empfinden sie den Balsam ihrer Düfte, Und athmen voller Lust die süfsen Frühlingslfifte; D e r Sonne wärmend L i c h t , des Äthers reiner Flufs, W e r zvpeifelt,
dafs er »ie nicht viel roufs?
vergnügen
DIE
NATUR
DER
DINGE
V . 1 9 3 — 2Cß.
Auch w i r d
der T h a u ,
womit
sie
laue Näfchte
tränken, Nicht ohne Wollust sich in ihre Adern senken. Hier ist ein weites Feld den Dichtern aufgethan. W o sich ihr muntrer W i t z erfindend üben kann; Doch krönt nur ein Vielleicht, was sie begeistert singen, Und Klio schweigt voll Ernst von zweifelhaften Dingen. Noch keine Zahl unischränkt den weiten Z w i schenraum, Von Libans altem Stolz, dem lüft'gen Cedernbaum Bis zu den Thieren auf, die sich vernünftig nennen, U n d , trotz der Ähnlichkeit, ihr Ürgeschlccht verkennen. Der Muscheln stachlicht Heer naht sich noch sehr dem Kraut; Ihr kaum belebtes Fleisch schliefst eine rauhe Haut, Bewundernswerth
gedreht,
mefskünstlerisch
ge-
kerbet, Und mit verborgner Hand, zur Scham der Kunst, gefärbet, In deren L a b y r i n t h , von Titan undurchscheint, Manch weichbeschaltes Ey zur Perle sich versteint.
ODER D I E V O L t K O M MENS T E W E L T .
l6c)
V. 20g — 221. Der Fische stummes V o l k , die Nachbarn der Najaden. Trägt
ihr
beschwingter
Leib
in
ungegründten
Pfaden, Den regen Thieren gleich; doch kehrt ihr stumpfer Sinti Sie mehr zu Florens Reich, als zu den Thieren hin. Der Raum vom Schuppenvolk zu den vollkomm« nern Thieren, Die auf dem trocknen Land iii Wäldern sich verlieren, Erfüllet das Gewürm, das Erd' und L u f t erfüllt, An harten Rinden nagt, und selbst im Marmor wühlt. Der Wälder schwarzenForst durchbrüllen wilde Rachen, Die im bewehrten Leib sich schwächern furchtbar machen. Doch hat die Weisheit sie in unwirthbaren Sand, Wo
Gluth und Dürre
tobt,
von uns
hinweg
gebannt. Uns nützet blofs ihr T o d ,
von
andern auch das
Leben»
170
D I E N I T u n DER D I S O I V . 222 — 256.
Die ohne Zwang uns Milch und warme Wolle geben: Da andre,
deren Fleisch
uns
die Natur
Iieifst
scheu'n, Z u Last ynd Arbeit stark, uns ihron Rücken leih'n. Ja selbst das wilde Vieh, ( w a s wird ein Mensch nicht wagen? ) Zwang die Gewalt der List nicht gern das Joch zu tragen. Die Jovial'sche L u f t belebt der Vögel Schaar, Und bringt ihr frisches Lied der nähern Sonne dar. Das reine Element, worin sie muthig schweben, Scheint über niedres Vieh
des Adlers Reich zu heben.
Der Schwalbo kluger Fleifs, der ihre Wohnung fügt. Der Nachtigall Gesang, der Bäume selbst vergnügt, Die süfse Vielfachheit, die ihre Stimme drehet, Jetzt gurgelt, jetzt vertieft,
jetzt wunderschnell
erhöhet, Naht sie der Menschlichkeit.
Wie singt von ihrer Lust
Die liederreiche L u f t , wenn in der kleinen Brust
ODER
DIE
V O L L K O M M E N S T E
WEI/T.
171
V. 237 — 252Sich Venus mächtig d e h n t ,
so bald der West uns grüfset.
Und alles, was empfindt, in neuer Brust zerlliefset? W e l c h eine
hohe Kunst
zeigt
sich i n
der
Struktur D e r schönsten Leiber aus, worein sich die Natur, Nach jedes Art, gehüllt! W i e zeigt nur eine Mücke, ( E i n ungeachtet T h i e r ) i m schönsten Meisterstücke Des gliedervollen I.eibs, dafs sie ein Gott gebaut? O hättest d u ,
Lukrez,
mit B o n n e t ' s
Blick
geschaut, D u hättest dich bemüht, mit deinen süfsen Weisen Ein deiner w ü r d i g Z i e l , den Schöpfer selbst, zu preisen. D o c h w i e ? da solch ein Leib dem T h i e r Gefühl verspricht, Geniefst ihn nicht ein Geist? Diefs glaubt D e s k a r » t e s 3 ) nicht, Und liebt, den alten W a h n P e r e i r e n s zu erneuern, Den, lange schon vor i h m , die L u s t zu Abenteuern Z u einer L e h r e trieb,
die ( w a s er selbst kaum glaubt)
Der Sinnlichkeit sogar das arme Vieh beraubt.
DIE
NATUR
DES
D i s o t
V. 255 — 267. E r macht sie ohne Kunst, zu künstlichen Maschinen, D i e doch sich selber nichts
r
den Menschen w e n i g dienen.
Sein neblichter Begriff schliefst
seines
Schöpfers
Macht In enge Grenzen ein, die er selbst ausgedacht. Kann die vollkommne
W e l t ein möglich Wesen missen,
In welcher uferlos unzählge Arten fliefsen? D i e W e i s h e i t , leidet sie dafs einem Punkt der W e l t E i n möglicher Gebrauch,
ein Z u g der Schönheit
Was
Lust
fehlt? für
ein
Meer
von
verilöfse
unge-
schmecket? W i e viele Anmuth .blieb' unbrauchbar
und ver-
stecket? W o nur der träge Mensch,
von schlechterer Lust entzündt,
Sie z w a r empfinden kann,
und
sie
doch
nicht
empfindt. V i e l weniger entfernt R o r a r sich von der Wahrheit. Ja, ja,, gesteh' es nur, du Geist voll hoher Klarheit, D u Herr der ganzen W e l t , den keine Fliege ehrt,'
ODER
DIE
VOLXltOMM ENSTE W i l l .
1.75
V. 2ßß — 282Der Sonn und Himmel mifst,
u n d Sterne laufen
lehrt, U n d kennt n u r n i c h t den W e g sein i r d i s c h Glück zu b a u e n , Gesteh', erhabner M e n s c h , z u m m i n d s t e n i m Vertrauen, D u bist v o n g l e i c h e m Stamm m i t d e m v e r w o r f n e n Vieh, Ja o f t n i m m t s dir den Preis, u n d d u bedenkst es nie. Sej- n i c h t so k ü h n ,
o Mensch,
auf, eingebildte
Rechte, D u bist n u r eine A r t v o n einerley Geschlechte. W i e v i e l i s t , das dir fehlt und eine R a u p e h a t ? Z w a r ein geringer R a u m Scheidt dich u m einen Grad V o n n i e d e r n Tliieren a b ;
dich bläht dein tiefers Wissen,
D u kennst die eitle K u n s t
zu z w e i f e l n u n d
au
sclilicfscn; In e i n e r w e i t e r n Sfär verbreitet sich dein Sinn, U n d deine N e u g i e r fliegt zu f e r n e n W e l t e n h i n . D u fühlest
zärtlicher,
und bist,
mit
weicherm
Herzen, Geöffneter der L u s t , empfindlicher z u Schmerzen.
174
D I E
N A T U R
V.
Doch,
o
D E R
D I R O E
233—296.
der Weinen
Zahl
ilic dieser
Vorzug
schmückt, Die h o h e m Wesen gleicht,
und in die Z u k u n f t blickt!
Ihr a n d e r n , seyd ihr's gleich die sich am meisten blähen. Vergeblich strebet i h r nach untersagten Höhen, I m Staub, den W ü r m e r n nah'I Was euern Hochmutli nährt, Ein Schatten der Vernunft ist keines Neides werth. Mehr Mittel,
die Begier
erhitzt
nicht
satt
zu
machen, Der Tliränen bittern T r o s t ,
das Recht um nichts zu lachen,
M e h r Kenntnifs falscher L u s t ,
mehr Stoff
zum
Überdrufs, Gönnt euch der Vogel gern.
E r tlieilet den Genufs
Fast jeder L u s t m i t E u c h , und läfst euch n u r dio Plagen ; Die
Sorgen,
die in
euch
der Freuden Knospe nagen,
D e n unruhvollen Blick in das, was künftig ist, D e n Vorzug
läfst er
euch!
Ihr
geniefst.
wünschet,
er
o l l i r . D I Ii; V O L L K O M M E N S T E W E L I .
l^ß
V . 297 — 512. O höret auf,
euch noch mit eurer Schmach zu brüsten!
Sey dir zur Plage klug, sey schlau zu neuen Lüsten, Sey ein Sardanapal, kein Vieh beneidet dich. Betrinke dicli in Blut, umkränzter Wütlierich, Zertritt den freien Staat, und kauf um Millionen Von Seelen deiner Art unsichre Königsthronen: Doch
sieh von
deiner Höh'
einst jenen Wür-
mern zu; Wie eifrig baut ihr Fleifs an der gemeinen R u h ! Hein Stolz theilt ihre Müh, ihr Ruhm ist, andern nützen; Der Gipfel
der Begier,
vor
Mangel
sich
zu
schützen; Kein innerlicher Streit schwächt die gemeine K r a f t ; Der ehrt sich, der dem Staat den gröfsten Nutzen schafft. So folgt ein schlechter Wunn
den angenehmen
Trieben Der lockenden Natur, und freut sich sie zu üben; Und du,
dem
die Vernunft der Tugend
Reitz
erhöht, Bist trotzig,
dafs dein Herz der Menschheit Ruf verschmäht.
DIE
N A T U R
HER
DINOE
V. 5»3 — 326. Doch, ists, vielleicht die Kunst, die über'ä Vieh dich h e b e t ? Der Kreis
der W i s s e n s c h a f t ,
die
dein Verstand
erstrebet? Die Weisheit,
w e l c h e dir in vollem L i c h t sich weist? —
O still!
der Dinge Kern enthüllt k e i n ird'scher Geist.
Nur wenige
von e u c h ,
verschwistert
mit
den
Engeln, Befreyt
i h r günstig
Glück
von
den
gemeinen
Mängeln,
Und heitert ihren Blick von euern Nebeln a u f ; Der andern Füfse trägt ein zweifelhafter Lauf Der fernen W a h r h e i t z u ,
und oft seh'n sie i m Dunkeln,
Ein fabelhaft Gespenst an ihrer Stelle funkeln. Und w i e ?
Verdient die Kunst,
die euern Stolz
beschont, Die ¿illzu schwache Kunst, dafs ihr die Tliiere höhnt ? Ihr
stützt
den
Himmel
zwar
mit
marmornen
Kolossen, Und häuft Gebirge a u f ,
die durch die W o l k e n stofsen;
O D E 11 D I E V « L I KOMM E N S T E
W l U .
V. 327 — 34°' Doch,
n i m m t euch nicht
ein W a r m ,
der m i t
geerbtem Fleifs Aus sich sein W o h n h a u s s p i n n t , den schlecht verdienten Preis ? Das
weifse Pavos mufs
den
rohen
Stoff
euch
geben, Dio Spinne kann ihr Zelt aus ihrem Leibe w e b e n ; Sie f ü h r t es in
die L u f t ,
vom
Sturmo
nicht
erschreckt, D e r Memfis Säulen selbst m i t Schutt nnd
Sand
bedeckt. Die B i e n e n ,
welche doTt,
w o Hyblens
Thäler
blühen, Der Jird' Ambrosia, aus jungen ßlumeivziehen, Was
gleichet
ihrer
Kunst?
— Erschöpft
ein
IIb a 11 m ü,r, Sie n u r zu kennen, stolr., nicht Jahre über i h r ? Bin W e r k ,
Jas Archiuied nicht
klüger
zirkeln
könnte, Vollführt sie ungelehrt und sonder Instrumente,
Sprich n i c h t , ein blinder T i i e b ,
ein willen-
loser Z w a n g liestimmt der Bienen Fleifs, der Nachtigall Gesang, ^ 1R1 I.IBS V. . 61 l'l'L. I. U.
M
D I E
»78
N A T U K D e n
D I N G E
V . 341 — 353Des Seidenwurms Gespinst;
diefs licifst in leeren Tönen
Die W a h r h e i t , der du w e i c h s t , mit deinem Stolz versöhnen. , Zeig' uns das T h i e r ,
das nichts als blofses Uhrw e r k sey;
.Auch
Thieren
wohnt
ein
selbst
sich
regend
Wesen bey. Auch in des L ö w e n Brust schlügt was v o n jenen Trieben D e r Grofsniuth und des Z u g s , d e n , der uns dient, zu lieben, Cytherens süfse B r u n s t , die m i t dem Herzen spielt, W i r d v o n den T h i e r e n a u c h ,
oft menschlicher,
gefühlt; Man lehrt uns ein Insekt im Fleifs zum Muster nehmen; Und sollte manchen nicht Ulyssens H u n d beschämen? D o c h nicht zu w e i t ,
mein Sinn 1 E i n unverlierbar Recht
E r h ö h e t über sie da3 menschliche Geschlecht. Jetzt sind sie nicht was w i r , und w i r d nach fernen Tagen
« D E R DIE
VOLLKOMMENSTE W E L T . V . 554 -
Sie einst ihr künftig
179
368-
Glück auf
unsre Staffel
tragen; So w i r d ein gleicher W e g , den alle Geister geh'n, In befs're Nachbarschaft uns über sie erliöli'n. Uns würdigt die Natur m i t mütterlichen Händen, W a s sie vortrefflichs h a t ,
verschwendriscli zuzuwenden ;
Uns kleidt ein schön'rer L e i b ,
und was die Erde
trägt. W i r d w i l l i g von i h r selbst zu unterm Fufs gelegt. Uns zollt der Berge Schacht 1 ; in tiefen Meeresschlünden, Mufs sich zu unserm Schmuck die weiche Perle ründen; Und vom verssngten S ü d bis zum gefrornen Pol, Ist Luft und Sand und Meer von unserm Reichthum voll. Und was vermag die Kunst ? Sie schafft dem öden Saude Des Frühlings Anniuth a n ,
und läfst ini trocknen Lande
Beschäumte Schiffe g e h ' n ,
mit Korn und Frucht beschwert,
Die ihr sinnreicher Fleifs im Meere blühen l e h r t ;
ifju
D I E
NATUR
PEH
DI hoc
V. 369 - 38*, Indem w i r e w i g sie von Grad zu Grade treiben , W i r d nichts uns unversucht und nichts unmöglich bleiben. King nicht, o P l i n i u s , 4) der Menschen Mutter an, Dafs sio uns nicht, w i e Vieh, mit Fellen angethan, Nicht w i e den Fiscli beschuppt, mit Federn nicht beschenket. Noch,
stummen A u s t e r n ' g l e i c h ,
in Schälen ein-
gesendet. „ U n s , rufst du rednerisch, uns w i r f t sie nackend aus; Das Vieh liewohrte s i e ;
die Muscheln deckt ihf Haus;
Den Vogel weicher Pflaum : w e r mufs sich nicht beklagen; lets b i l l i g , für das V i d i mehr Sorg und Iluld 7.11 tragen ? " W i e blendet dich dein W i t z !
Für ein geringes
Gluck Gäbst du
die Schönheit ihr
und tausend Lust
zurück. Von unsem Schonen wirst du wenig Dank erlangen.
a p E n. D I E
voi LKOMSHSSTE v .
WELT,
ißi
5 3 2 - 5 9 6 .
Sie tauschten schwerlich gern die Rosen ihrer Wangen UM warmen SCIJ w/inenpflaum, und eine Lilienbrust Auch noch so schön beschuppt, erweckte w e n i g Lust. Und w a r u m willst du uns dann uusern Schmuck entziehen ? W i e klein ist der Verlust von d e m , was
dein
Bemühen Undankbar geben w i l l ? Die heifse Zärtlichkeit, Die in der Mutter Brust für ihre Kinder schreyt, Ersetzt durch Müh und Kunst, was aus bedachten Gründen Uns die Natur versagt. W o f ü r sind w c i c h c B i n d e n ? W o f ü r trägt dort ein Baum ein sanftes Pflaumenhaar? Bringt nicht Natur und Kunst uns iliro Hülfe dstr? W i e wenig Billigkeit stützt deine Dichterklagen! War's Wohlthat nicht, was du begehrst, uns zu versagen? D er Mensch bleibt w i e zuvor der Liebling der Natur, Ihm schenkt sie ihren Schatz, ihm ziert sie Wald und Flur,
iQ2
DIE NAIUK
DES
D u m
V. 397 — 4>o. Die andern Thiere sieht, in unzählbaren Klassen, Er, unter sich gereiht, ein kleinres Glück umfassen. Diefs ist der Arten Z a h l ,
aus der der Ball
besteht, Der langsam sich verzehrt, indem er uns erhöht. Ihn heifst ein innrer Z w a n g in schneckengleichen Kreisen, Um Titans feur'gen Sitz,
mit gleichem Wälzen, reisen.
Durch sein bestimmtes Dreli'n w i r d un^ der Tag geschenkt, W e n n er der Sonn' uns zeigt, die Nacht, wenn er sich schwenkt. Dann
blitzt Aurorens A u g ,
da
unser
Strich
erbleichet, Die Gegenfüfsler a n , und ihre Nacht entweichet. Der Unterschied des Stands,
der uns zur Sonne
hält, Die Arten! w i e ihr Strahl auf unsre Fläche fällt, Verändern ganz und gar die Form der äufsern Erden, Und lassen drcymahl
sie sich selber werden.
ungleich
ODER DIE V O L L K O M M E N S T E W i L T .
185
V. 4 " — Dort am erfrorncn Nord, wo sich sein e w i g Eis Nach seinem Sterne sehnt, von andrer Gltitli nicht hei fj, Herrscht Frost
und öder Tod init
allgemeinem
Grauen, In stiller Dämmerung, durch unwirthbare Auen. Iiier lacht der Frühling n i e ,
kein blühend Kraut
lockt hier Den frischen Zefyr an und ein verirrend Thier. Der Liebe süfser B r a n d , den jedei Welttheil fühlet, Erstirbt hier um den Pol,
und w i r d in Eis gekühlet.
Kaum,
dafs ein Zembla noch ein seltner Schein erhellt,
Und hier
und da den Fels
ein
weifser Fuchs
durchbellt; Froh,
-wenn er unterm Schnee ein faulend Moos erblicket.
Das menscliengleicho V o l k ,
das dieser Himmel drücket,
Fühlt auch des'Erdstrichs Neid, der seinen Körper krümmt. Und selbst den matten Geist $ein dumpfes Feuer nimmt.
D I E NATU'IV n r n
184
D i s o
r.
V . 425 — 438D o r t , w o , tlev S o n n e n a h , die M i t t a g s g e g e n d rauscht, Und. der b e g l ä n z t e
Sand nur G l u t h u n d F l a m m e n haucht,
V e r z e h r t der stete S t r a h l das siedende G e b l ü t e , U n d w i e die A d e r k o c h t , s a brauset das Geniiithe. Die Liebe
w i r d h i e r W u t h , d i e Rachs^icht z ü g e l frey,
D e r W i t z g e b l ä h t e r S c h w u l s t , die A n d a c h t S c h w ä r merei . D e n a u f g e b i r g t c n Sand, den n i e ein G r ü n beschattet, D u r c h z i s c h t ein S c h l a n g e n h e e r , das s i c h m i t I l y d e r n gattet. D e r L ö w e n dürrer S c h l u n d ä c h z t h i e r n a c h h e i f s e m Blut, U n d ¡111s des T y g e r s B l i c l i
blitzt
seines
Himmels
Gluth: D e r M e n s c h g l e i c h t s e i n e m V i e h ; die sanfte M e n schenliebe Rührt
kraftlos
seine
Brust:
nur
blutbegier'ge
Triebe, N u r zügellose Brust und w i l d e E i f e r s u c h t Verzehren
eein
Gehirn,
und
sind
Frucht.
der
Gegend
ODJTR
D I E
V O I t K O M M E B S I E
W
ELT«
Xß5
v . 459 — 452Die ihr der Länder Recht in licil'ge Tafeln ätzet, Und was
die Pflicht gebeut,
was
sie versaget,
setzet; L y k u r g e jedes V o l k s , z w i n g t
nicht
nach Einer
Schnur, Nach emerley Gesetz, die streitende Natur. Vergebt
dem
Himmel
was,
und
mildert
euer
Foderii! D i e Glutli erstirbt nie g a n z ,
in dor die A f e r n
lodern ? Ilemmt weislich ihre W u t Ii, und zeigt die Mittel an, W i e man der Triebe Brand ata klügsten kühlen kann; E r l a u b t dem Norden n i c h t ,
was ihr dem Süden schonket,
Und wisseti dafs das Recht oft nach der L u f t sich lenket. E i n selig Mittel schränkt die andern Zonen e i n ; D i e Billigkeit der L u f t , der Sonne warmer Schein, Besamt
das
locluo L a n d ,
gemahlt
mit
tausend
Farben, An Bacchus Gaben reiebj und gelb von schwängern Garben.
LGS
D I E
NA T u n
D E R
V . 453 Z w a r ändert die N a t u r ,
D I N O K
4^8in vorgeschriebucr Zeit,
D i e liebliche Gestalt, und wechselt stets i h r Kleid, Giebt uns im S o m m e r
oft der M o h r e n Gluili
in
fühlen, LäTst schon im Herbst den Nord m i t starren Fiockcn spielen. D o c h jede Jahrszeit ist an eignen Freuden reich. W i r würden bald zu satt,
w a r ' unsre L u s t stets gleich.
Allein des W i n t e r s F r o s t ,
der uns i n
warmen
Zimmern D e n Herbst geniefsen läfst und hüllt der Wiesen Schimmern I n s e i n einfarbig W e i f s , schärft den gestumpften Sinn , Und selbst E n t b e h r u n g w i r d durch W e c h s e l zum Gewinn. W i e fröhlich grüfsen w i r die mildern Frühling«winde, W i a lieblich schäumt und rauscht uns durch die nachten Gründe D e r aufgelöste S c h n e e , w i e f r o h lauscht unser O h r D e r ersten N a c h t i g a l l , der Lerchen frühem C h o r ! » W i e w o n n i g fühlen w i r im allgemeinen W e b e n , U n d Streben der Natur auch unser neues L e b e n !
ODER
DIE
VOUIIOSIJItSSIE
W E H .
187
v. 4^9 - 184Glückselig wen sein Stern in Zonen leben heifst W o eine milde Luft wolilthätig ihn umfleufst! Des
Himmels
Mäfsigkeit verschönert
auch
die
Geister, Vernunft w i r d
leichter liier
der Leidenschaften
Meister, Das Herz fühlt zärtlicher,
der W i t z
ist
schön
und rein, Geordnet der Verstand, und die Empfindung fein. Dort
wo
aus
heitrer L u f t
entwölkte
Sonnetl
scheinen, Herrscht W i t z und Dichtungskraft in lorberreichen Ilainen. Durchs ganze Thiei reich
fliefst
die Kraft
vom
nähern Strahl, D i e Blumen glänzen m e h r ,
n i e w e i c h t der W e s t dem T h a l ;
D i e W ä l d e r duften dort von e w i g - g r ü n e m Laube, Und Dafnens Ilaar w i r d nie
dem rauhen Nord
zum Haube; Sidon'scher Apfel Gold strahlt ungepflanzt i m W a l d , Der stets vom Wettgesang der Nachtigallen schallt; D « r Hügel breite Schoofs grünt von Fälerner - Reben, Die ganze Gegend wallt von innerlichem Leben,
'88
D i e N A T U r. D E R
Di«(oi
V. 485—493D o r t aber w o das Land zum weiften Pol sich senkt, Spürt Mensch und Vieh und B c u m , dafs ihn der Himmel kränkt. Zu Flegma w i r d der W i t z , die Leidenschaft wird träge, Das B l u t schleicht matt dahin durch die gehemmten W e g e ; D e n F o r s t schreckt rauhes W i l d ,
und,
leer an
edlemi E r z t , W i r d n u r von Stahl und B l e y der BeTge Schlacht geschwärzt. Diefs ist der Ordnung F r u c h t ;
in allen iliTcn
Reichen, Mufs innre Harmonie das Mannigfache gleichen. V e r l a f s , o M u s e , nun den niedern Gegenstand, Und suche deinem B l i c k ein n e u ,
ein h i m m l i s c h
Land. S c h w i n g dich m i t flücht'gem Fnfs und unverwandten Augen D e n bessern W e l t e n zu, die rdin're Strahlen saugen; W o Geister höh'rer A r t , aus unsrer Nacht gercis't, E i n himmlisch Element m i t lautrer W o n n e
speifst.
Olli»
D U
VOLLKOMMENSTE
W c i i ,
Jß9
V . 499 — 512W a s für ein W c l t e n h e e r ,
das unter m i r sich
drehet? W a s f ü r ein T e m p e l , der sich über m i r e r h ö h e t ? W e l c h eine Harmonie bezaubert Ohr und B l i c k ? Die i h r hier e w i g w o h n t , w i e reitzt m i c h euer Glück ! O!
dafs m i c h Erd u n d Zeit so w e i t v o n «ucU entfernen!
D o r t , w o ein weifses L i c h t , gemischt aus tausend Sternen, Sich u m den H i m m e l k r ü m m t ,
wo" nie der T a g
erbleicht, Dort w o h n t die frolie S c h a a r ,
die unsrer Erd'
entweicht. O d r e y m a h l S e l i g e ! die i h r hieher e n t r o n n e n ! Euch nährt der Engel Kost,
euch glänzen liell'ro Sonnen,
Die Nebel flieh'n dahin ; verklärt von reinem L i c h t , Seht i h r ,
m i t w e l c h e r Nacht der T a g der Menschen ficht.
D o c h , eure S e l i g k e i t läfst selbst sich noch vermehren. W e i t über euevm H a u p t , schöpft, in den höchsten Sf.iren,
igo
DIE
NATUR
DE»
V. 5I3 —
Disson
528-
Der Seraf Götterlust aus dem vollkommnen Quell, Und w i r d , der W e l t zu h o c h , nur von der Gottheit hell. VVie staunst du,
schwacher Geist?
Von himmli-
schen Gedanken Aufwallend,
halst dein Herz die ihm zu engen Schranken,
Vergifs dein Vaterland, blick nach der Sterne Bahn, Sieh' jener Welten Glanz, sieh' ihre Bürger an. O Mannigfaltigkeit! o Schönheit! o Entzücken! Welch
ein Zusammenflurs
von
weisen
Meister-
stücken ! W i e stimmt mit ihrem L e i b , w i e stimmt mit ihrer Brust, D i e schöne W o h n u n g e i n ?
W i e einfach ist die Lust,
D i e in den zärtlichen und wohlgebildten Seelen D i e Tugend siifser macht, und billiget ihr W ä h l e n ? Ein allgemeiner T r i e b , ein unauflöslich Band, Verknüpft die Seelen h i e r ;
kein Unterschied
im
Stand Stört die gemeine L u s t ,
E i n Herz,
Ein Zug im
Willen E i l t i n der Tugend sich, in gleicliemMafs, zustillen.
O0cn DIE V 0 I 1 K 0 H J I E S S 1 E W i l l ,
lgi
V. 529 — 543Bricht schon aus manchem Geist des Wesens Trefflichkeit Mit hölierm Schimmer a u s ; i h n trübt Kein bleicher Neid. Er fühlt den Vorzug lsaum; bemüht, i h n nicht zu wissen, Läfst er i h n , unbemerkt, auf seine Freunde iliefsen» Und jeder ist sein Freund.
Er i s t ,
der Gottheit
gleich, ( W i e glänzend ist diefs L o b ! ) nur f ü r die andern reich. Das B a n d , wodurch schon hier auf dieser düstern Erden, Ein tugendhaftes Paar kann paradiesisch werden, D i e L i e b e , o w i e w i r d sie hier so schön gefühltE Hier ist sie keine B r u s t , die i m Genufs sich kühlt, Des Geistes Kräfte schwächt,
die Tugend unter-
drücket, Das Herz m i t W u t h durchstürmt,
und die Ver-
nunft ersticket. U n e i n ! v o l l Zärtlichkeit knüpft sie ein gleiches Paar Fest an die Tugend a n ; w a s jedem eigen w a r , Ist jetzt des andern Gut, eins w i r d aus z w e y e n Herzen,
DIE
N A T U R
V. 544 -
Von
gleichen
Trieben
DER
DINGE
557-
reg,
verschlossen allen
Schmerzen. Mich rührt kein andrer W u n s c h , als dich beglückt zu seh'n, Du schmeckest keine L u s t , als durch mein W o h l ergeh'n. Beglückte! die ihr s e y d ,
die Gottheit liebt euch beide,
Und ruft eucli unzeitrennt zu gleichgefühlter Freude. Doch was verspricht vom Geist ein solches Ilerz uns n i c h t ? Die Wahrheit liegt vor ihm in ihrem oignen Licht. Er w i e g t der Wesen Kraft, er fafst den Stoff in Zahlen, Dringt in der Dinge M a r k , und klebet nicht an* Schalen. Nie hemmt des Körpers Last des Geistes freyeu Lauf; Von neuen Sinnen fafst er neue Bilder a u f ; Manch fühlend Gliedmafs zeigt ilmi neue Eigenschaften, Die, unsichtbar für uns, an andern Körpern haften. Vielleicht,
dafs mache nur Ein Sinn der Welt verbindt,
ODER
DTE
V O L L K O M M E N S T E
V. 558 -
W E L X.
193
57 i-
U n d der n u r d u r c h ' s G e s i c h t ,
der n u r d u r c h ' s O l l i cmpfindt.
W o tausend D ü f t e sich a m b r o s i a l i s c h mengen, Und
die
gewölbte
Brust
mit
sanftem
Zuflufs
drangen. U n d w o der ganze L e i b in B a l s a m m e e r e n wallt» W e r mifste O h r und
A u g ' in
diesem A u f e n t h a l t ?
D o r t a b e r , w o die L u f t von holden T ö n e n
zittert,
U n d das gebrocline T h a l stets m i t Musik erschüttert. W o tausend K e h l e n stets zum W i r b e l n offen sind, W o Wald
und F e l s
und
Fluth
der T ö n e
Macht
empiindt, D e r B a c h h a r m o n i s c h rauscht, die L u f t h a r m o n i s c h wallet, Und w e n n der Nyinfq L i e d in F e l s e n D e r Hain melodisch rauscht,
wiedelhallet.
w e r h i e l t ' es w o h l
für P e i n i n einer solchen W e l t sonst n i c h t s als O h r zu s e y n ?
Wie
schwindelt meinem Geist,
w i e höre er
a u f zu denken, W e n n seine B l i c h e sich in jene T i e f e senken, D i e kein G e s c h ö p f ermifsr, w o in g e w o h n t e n Hoh'11 S i c h Sterne o h n e Z a h l m i t i h r e n B ü r g e r n d r e h ' n . •WlELANDl
XV. ÖVliL,
I. E.
N
I 94
D I E
N A T U R
D E R
D I
NOK
V. 575 — 590. O w i e v e r g i b t er sich bey ihrer Arten Mehge, Und unterliegt der Z a h l , und w i r d sich selbst zu enge! Noch m e h r ! die Sterno selbst sind Thiere, sind beseelt. Damit in keinem Reich ein Thier zum Bürger fehlt, Rauscht
die astral'sche Luft von
selbstbelebten
Ballen, D i e , andrer Thiere v o l l , ihr Element durch wallen. ,Du,
dem der gröfste Siern ein strahlend Pünktchen scheint,
,Sag an,
mit welchem Recht
w i r d dieser Satz
vereint? , D u sprichst: „ e r überwiegt zu Millionen Mahlen , Die Sonn', und seine Bahn ermüdet unsre Zahlen ; , Auch wälzt er ohne Rast und unveränderlich , Um eine gTöfsre Sonn' i m gleichen Kreise s i c h : . W a s ist hierin, um ihn mit Leben zu beschenken? , W e r könnte sich ein Thier von solcher Gröfse denken? , W a s sehen w i r an i h m , das einen innern Geist ,Dor seinen Körper regt, auch nur heifst?"
vermuthen
DDEK
DIE
v o l l k o m m e n s t e
WELT.
195
V . 5 9 ' — fc>5, Gemach ! ein rascher Schliifs kann leicht uns hintergehen ; , W i e wenig ists, was w i r an einem Steine sehen? ,Das
Käferchen,
das dort
u m goldne
Blumen
schleicht, , Täuscht auf dieselbe Art ihr schimmernd L i c h t vielleicht; ,Wer
weifs e s , o b sie nicht i n seinem winzig Meinen
.Prismnt'schenAugenglasihmSternenbilder scheinen? ,Und jenes Ahlchen, das im Blut des Aliles schwimmt , Ünd dem geschärftsten B l i c k kaum als ein Pünktchen glimmt, , Vermuthet e s , die W e l t , die es als Herr durchstreichet, , Sey auch ein lebend T h i e r ,
das ihm an Bildung gleichet?
E i n K e p p l e r , ein K a s s i n merkt an der Sterne Bahn Das regelmäfaigste von ihrem Umlauf a n ; Unzährge Andrungen sind ihm vielleicht verstecket, D i e aus der Nachbarschaft ein heilers Aug entdecket, Sie vyachsen w i e ein T h i e r ( d i e Erde lehrt uns diefs)
D I E
N A I O B
E £ H U I IS O E
V. 6oG — Ci9. D a s Alter zehrt sie a u s , auch ist i h r Tot! g e w i f s ; D u r c h i h n w i r d i h r e Seel auf neuen Grad erhoben. So, Schöpfer, können dich die Morgensterne l o b e n !
N u n , M u s e , lehr' uns auch w a s f ü r Verschiedenheit D i e Geister aller Art in z w e y Geschlechter Scheidt. N i c h t n u r der Z w c c k allein,
der,
i h r e Art zu
mehren, Das eine zeugen h e i f s t , das andere gebären, , Macht diesen U n t e r s c h i e d ;
nein,
tief i m I n n e r n
liegt , W a s d u r c h die T r e n n u n g selbst sie m e h r zusamm e n fügt.
Wir,
die der L e i b v e r f ü h r t
uns
6elber
zu
inifskennen. Wir,
die den Geist ( u n s s e l b s t ) als f r e m d e v o n uns trennen,
Sind durch z w e y Kräfte r e g , die so geartet sind, Dafs diese dann erst b l ü h t ,
w e n n jene w e l k t u n d schwindt.
D i e eine f ü h l t den L e i b ,
und
was
Sinnen
durch
alle
o I) E P
Dir
T o n i i O j i x r s s i t
W E I T ,
197
V . 620 — 635.
Z u ihrem innern Sitz für Bilder, denkbar rinnen; Mit unsichtbarer Kunst stellt sie,
nach, manchem
Jahr, E i n einst geseh'nes Bild mit frischen Z ü g e n dar; E i n unerschöpfter Schatz von geist'gen Schildereyen, D i e ihr Natur und Kunst ans tausend Quellen leihen, L i e g t schimmernd v o r ihr d a ,
und sie zertrennt
und bindt, Vermischt und ändert s i e , w i e sie es gut befindt. Sie nimmt den Eindruck a n , der ihre Sinne reget, Sie l i e b t ,
sie h o f f t ,
und w i r d dem L e i b e gleich beweget,
W i e w o h l nach Geister Art.
Der Z u g ,
der unsre
Brust Z u holden Schönen dringt, und die Begier zu L u s t Entsteht aus ihrer Schoofs; sie ists die sich vergnüget, W e n n das gesehnte Glück in unsern Armen lieget.
Ganz anders w i r k t in uns der forschende Verstand, M i t dialekt'scher Kunst lös't er der Dinge B a n d ; E r nimmt den Bildern ab,
was sie dem kleidet,
Sinne
Die N a t u k der
»98
Dinge
V . G56 — C50. Und sieht scharfblickend
nur
was jedes
unter-
scheidet : , I n unsre innre Welt bringt Ordnung er und Licht, «Sieht ungetäuscht dem Wahn ins lügende Gesicht, , Macht Klugheit und Gebühr
zu unsrer
Triebe
Hütern, ,Und lenkt den Willen nur zu wesentlichen Gütern. Zwar
schlingt
ein zartes Band sich beiden Kräften um,
Und wenn die eine schweigt,
ist auch die andre
stumm ; Ein glänzender Verstand
vermag auch schön zu denken,
Und blofs aufs Blenden wird kein schöner Geist sich schränken: D o c h Eine herrschet stets und schwächt dor andern Macht, So wie bey vollem Mond in unbewölkter Nacht D e r ardern Sterne Heer mit blasserm Lichte funkelt, Und ihrer Nymfen Reitz Dianens Glanz verdunkelt. W e r hört dein Heldenlied, unsterblicher V i r g i l Hört deiner Dido Schmer«, und schmilzt nicht in Gefühl?
O D E R
» I E
V O t L K O
U M E N S T E
W
E L T.
igg
V . 651 — 666. Die Seelen stehen dir zu jedem Eindruck offen, üereit, w i e du befiehlst, zu fürchten und zu hoffen; W e n n N i s u s , halb entseelt, durch seinen Kufs die Flucht Der Seele seines Freunds noch aufzuhalten sucht, Den
letzten Hauch
empfängt aus dem geliebten Munde
Dann,
hingestreckt
auf i h n ,
aus hundertfacher
Wunde Sein eignes Leben strömt, w e r w ü n s c h t , indem er w e i n t N i c h t , 6elbst um diesen P r e i s , sich einen solchen Freund ? So hauchet durch die K u n s t , die Zauberkunst der Musen, D e r fühlende Poet in seiner Hörer Busen W e l c h eine Seel' er w i l l , — indefs ein A r c h i m e d M i t faltenvoller Stirn in seinen Cirkeln steht, Und ungerührt v o n d e m , was weiche Seolen reget, Den L a u f der Sfären mifst, der Körper Kräfte wäget.
So macht dort zarter S i n n ,
hier herrschender
Verstand Die zvyey Geschlechter uns i m Geistcrreich bekannt.
£00
D x i
N A T U R
D E R
V. 66; Das
anmuthsvolle
I I I S O I
635.
Voll;,
gemacht
mls
zu
be-
g l e i c h fällig z u
ent-
glücken, Empfing
ein f ü h l e n d H e r z ,
zücken, U n d selbst entzückt z u seyn.
D e s Mädchens
junge
Brust F ü h l t u n g e l e h r t den R e i t z der z u g e d a c h t e n L u s t . Sie f ü h l e n z ä r t l i c h e r , w e i l alle i h r e S i n n e n , E m p f i n d l i c h e r g e b a u t , v o n feinern G e i s t e i n rinnen. Die
muntre
Fantasie
nimmt,
weichem
Wachse
gleich, D i e B i l d e r lobhaft an ; ihr h o l d e s H e i z i s t r e i c h A n s a n f t e m W a l l u n g e n , u n d f r e y v o n den G e w i t t e r n , Von
Wuth
und
altem
Zorn,
die
unsre
Brust
erschüttern; S o w i e b e y heitrer L u f t s i c h die z u f r i e d n e See V o m btillen Z e f y r b l ä h t ,
es w a l l t die blaue H ö h '
I n i m m e r g l e i c h e m T r i o b , , u n d l o c k e t die N a j a d e n U m A m f i t r i t e n s i c h , m i t stillem S p i e l , z u baden. D e s Geistes Z ä r t l i c h k e i t , g e b i l d t , uns z u erfreu'n^ D r ü c k t a u c h dem schönen L e i b sein holdes W e s e n ein. Wie
reitzsnd
ist er n i c h t ?
Wen
mufs
entzücken ?
or
nicht
ODEII
D I E
W i l l ,
V i L I K O M I I E B S l t
J
v . 684 ~ 693. W i e laut
der M u n d
zijm K u f e ,
w i e strahlt
aus
ihren Blicken D i e sanfte L i e b e a n s , u n d legt uns H e l t e n an, D i e o h n e Schande selbst der W e i s e tragen fcai.n ! O T h o r e n ! die i h r uns die L i e b e Wifst,
dafs
ihr
der
Natur,
fliehen
nicht
lehret,
ohne
Strafe,
wehret; Sie schafft die L i e b 1 i n u n s , s i e Iäfst d i e S c h ö n e n blüb'n, Und r ä c h t d e n f r e c h e n S t o l z ,
an a l l e n ,
die sia
flieh'n. D o c h n i c h t n u r P a f i a gesellt sich unsern Scliöfien, D a r lorberreiche Pind
schallt
seihst
von
ihren
Tönen: H i e r i r r t n o c h S a f f o s L i e d , so süfs s t i m m t n i c h t der S c h w a n A n S t r y m o n s g r ü n e m R a n d sein f r o h e s Sterblied a n ; Sie s i e h t G e r m a n i e n u n d u n s r e r Z e i t z u E h r e n , G e i s t r e i c h e K a r s c h i n , dich, d e r M u s e n Z a h l vermehren ; D u r c h eine S c h ö n e f ü l l t I v o l u m b o ' s R u h m
die
Welt Und R o t v c n s
englisch L i e d e r t ö n t i m S t c r n c n feld. C)
1)IE N a t u r
202
nin
Dinoz
V. 659 — 713. I h r Schönen, ehrt den W e r t h , den die Natur euch schenkte, Erkennt den Rcitz, den sie in eure Seelen senkte! Zürnt,
dafs des Vortmheils und der Gewohnheit Macht,
E u c h um den schönsten Theil von euerm Schmuck gebracht? I m zarten Keim erstickt, noch eh sie aufgegangen, D e r Seele Fruchtbarkeit,; die Sorge f ü r die Wangen Verdrängt den edlern Wunsch auch sittlich schön zu seyn, Und a c h ! so flöfset ihr nichts als Begierden ein! E i n T o u t o u , ein A m a n t , ein Stutzerchen, zum Scherzen Kaum gut genug — w i e klein denkt ihr von euern Herzen W e n n solch ein Tand sie füllt! D e r bleibe stets entehrt, D e r euch., i h r Schönen,
einst des Fächers Kunst gelehrt;
Der
euch dem
jungen H e r r n ,
der
ohne
Seele
lachet. Dem stolzen Federhut und Westen hold gemachet, D e r einem schönen Kopf, voll Puder, leer an Geist,
ODER
DIE
VOllKCMMEIiilE WtLT,
203
V . 7 1 4 — 729Mit Blicken voll Gefühl die Augen folgen heifst, W o r i n der H i m m e l uns sich scheinet aufzuklaren. Wenn sie Z a y r e n s
Kampf mit edeln
Thränen
eliren. W i e sehr bedauern w i r Lucindeiis schönen M u n d , D u r c h den sie Suada schien,
eil er
uns
seihst
gestund W i e sehr w i r uns g e i r r t ; der sie-Cytheren gleichte. B i s er, so bald er sprach, die Grazien verscheuchte ; Den Mund
der, wenn ihn Geist und feiner Scherz, bewegt,
Entzückte Weisen selbst zu euern Füfsen legt.
D i e f s ist der Unterschied, nach welchem jede Klassen Der
Wesen
sich
in
zwey
Geschlechter
theilen
lassen. D a s , w o d^e ob're K r a f t die Seelen stärker macht, D a s keine Arbeit scheut,
und der Gefahren lacht,
Mit Schmerz und Blut und T o d ein tönend Nichts erringet, M i t tieferm Sinne d e n k f ,
und in die W a h r h e i t dringet;
D i e f s h a t D e u h a l i o n , w e n n nicht die Sage trögt,
£04
DIE
N A T U r . D F . R D I S r. I
V . 730 — 7ViM i t scliopfeiischcm W u r f aus hartem Stein g e f ü g t ; D i e andro hat ein Gott aus w e i c h e r m Ton gebauet, Und dem aninuth'gern I.eib ein zarter Herz vertrauet ; Sie lieben das Gefühl , und ihre w e i c h e Brust Ist auch empfindlicher, zu f a l s c h - u n d w a h r e r L u s t . Z w a r nahet
die N a t u r
oft Geist und L e i b
der
Schönen Der
Männer
rauhem
Art
und
Mavors
wilden
Söhnen; So w i e ein L y d i e r oft sein Geschlechte schmäht, U n d i m schwatzhaften Kor die Spindel
weibisch
dreht. W i e streut K a m i 11 a d o r t , w o h i n i h r M u t h sich dränget, I' urclit, Schrecken, F l u c h t und T o d ? E i n s c h w e r e r K ö c h e r hänget Den braunen Schultern a n ,
i h r gelbear Haar
fliegt
wild, Und
die
gedrückte B r u s t
beschützt ein goldner Schild.
Sie folgt Dianen n a c h , von L i e b e u n b e s i e g e t ; Von W a l d und J a g d a l l e i n ,
und wildem
vergnüget;
Streit
OD £ A
Ü l H
i U L L l i u i l ä U «
S I E
W i t t
V. 7AS — 75 2 Und doch verliifst sie nicht die angeborne A r t ; Sie,
die ihr Ileldenherz vor Amors Wacht verwahrt,
Entgeht nicht
der B e g i e r ,
( i l i r Tod
raufs
sie
bezahlen ) Der weibischen Begier in C h l o r e u s Raub zu strahlen, Sein Kocher lockt sie a n , sein lyrisches Gewand, Und der beschuppte Leib reitzt Aug und Wunsch und Hand; Und mitten in dem Steg, den ihre Waffen geben, Beschliefst sie,
als ein W e i b ,
i h r heldengleiche6
Leben. G )
D I E
N A T U R
D I U
D I N
o t
A n m e r k u n g e n .
1)
Seite 164.
Euklidis von Mcgara,
griechischer Pedant, seiner
der
Mitbrüder erscheint,
grofsen
ein alter
hier i m N a h m e n
GeOmeter gleiches
und
aller
nicht m i t
Nahmens
dem
verwechselt
werden mufs. 2)
S. 167.
E s i s t - b e h a u n t , dafs der R i t t e r L i n -
neus diese E i g e n s c h a f t e n , w e l c h e die Alten n u r an w e n i g e n Pflanzen b e m e r k t ,
an den meisten b e o b -
achtet hat. 3)
S. 171.
D e s k a r t e s liidlt ( w i e P e r e i r a ,
ein
gelehrter Spanier, v o r i h m s c h o n g e t l i a n ) d i e T h i e r o f ü r blofse Maschinen o h n e Seele. 4)
S. l ß o .
Hominis
caussa cuncta alia
genuine
zndetur Aatura , ma«nä et saevä mercede contra sua munera : ut nan sit satis aestimari, homiui
an tristior
wümantiuni
varie tegumsnta tillos, Pliaius
Noverca fuerit.
cunetorum tiibuit,
alienis
tanta nwlior
Ante omina unum.
velat
oynbus;
spinas,
setas, pilos, plumam, pennas, squamam,
veliera.
L.
VII.
cortices,
ceteris
coria
Hist. Natur.
testas,
parens
in proem.
O D E R
5)
D I E
V O t I. K O M M E N S T E W t L T ,
S. 2oi.
2.0J
S a f f o, K a r s c h i n , ( einer bessern
Zeit und eines bessern Schickfals w ü r d i g ; ) dieFrau D i l B o c a g e und E l i s a b e t h
Rowc,
fasserin der F r e u n d s c h a f t n a c h d e m
die VerTode,
werden hier genannt, w e i l sie damahls, als diefs Gedicht geschrieben w u r d e , ungefähr die einzigen Dichterinnen w a r e n ,
die der junge Verfasser aus
ihren W e i h e n kannte. 6)
S. 205.
V i r g i l s Äneis B. X I . v. 768. u. f.
I n h a l t des f ü n f t e n Buchs.
liirliläruiig der hauptsächlichsten Erscheinungen der Korperwelt.
D i e F o r m der D i n g e i s t so m a n n i g -
f a l t i g , als die Gesichtspunkte, w o r a u s sie gesehen werden.
D i e Gröfse,
der R a u m ,
die Z e i t ,
dio
Qualitäten der Körper u . s. f. sind blofs r e l a t i v e Dinge.
In w i e ferne d i e Sinnen uns h i n t e r g e h e n .
W i d e r l e g u n g der Skeptiker. Die W e l t ändert i m m e r fort i h r e G e s t a l t ; das Künftige l i e g t in dem Gegenw ä r t i g e n e i n g e h ü l l t ; alle Veränderungen sind nichts anders als E n t w i c k l u n g e n ,
w o v o n der Grund
der stufenweisen Veränderung liegt,
und
Verwandlung
w e l c h e m i t den Elementen vorgehet.
g e i s t i g e n W e s e n erheben sich aus
in
Dia
einer Gattung
IN H A L T
in die andre.
DES
F Ü N F T E N
BUCHS.
E r k l ä r u n g des Ursprungs
tablen und animalischen
Körper,
209
der v e g e -
mittelst
Hypothese. D i e Geister und N atiirae
dieser pfasticae,
w c l c h e v o n einigen zu B i l d u n g der K ö r p e r g e b r a u c h t w o r d e n , werden dieses Amtes entsetzt. T o d in der N a t u r ; neuen
Zustandes.
E s ist kein
der T o d ist die G e b u r t Die
grofsen
Weltkörper
eines sind
eben so w i e die k l e i n e m diesem T o d e u n t e r w o r f e n . Gemähldo eines K o m e t e n ,
der als ein
brennender
Planet betrachtet w i r d , —
eine durch i h n
verur-
sachte SüiuKlüth. / D e r U r s p r u n g unsers E r d b o d e n s nach W h i s t o u s
WIKLAHD»
W.
Hypothese.
J v t u .
I. B .
O
D X E N A T U R
D E R
D I N G E
ODER DIE
VOLLKOMMENSTE
F Ü N F T E S
WELT.
BUCH.
V. 1 — c. W i e F i d i a s den Stein, der Paros Spitzen weifst, Den ungeformten Stein zur Venus werden lieifst. Der Stoff liegt vor ihm d a , und wartet auf das Leben, Das, mit dädal'sclier Hand, der Künstler ihm w i r d geben ; Er aber baut aus ihm das schönste Meisterstück, Die ganze Göttin strahlt aus ihres Bildes B l i c k :
ODER
DIE
T O I L KOMM ENSTE
VVELT.
211
V . 7 — 23So gab der höchste Geist, der Schöpfer aller W e l t e n , I ) e m All
die
beste F o r m ;
es floh.' vor seinem Schelten
Das Chaos schüchtern hin, er streute seinen Schein, Und Ordnung und Verstand dem Stoff der Dinge ein. W e l c h eine Schönheit glänzt in allen seinen R e i c h e n ? W i e w e i s l i c h w e i f s er sie zu E i n e m Z w e c k zu gleichen? W i e lindt ein tiefer B l i c k selbst in der D ä m m e r u n g , Die unsre Augen s c h w ä r z t ,
Stoff zur
Bewunde-
rung! W i e strahlt die Kreatur vom mitgetheilten L i c h t e , Wie
schmückt
der Schatten
sie v o m göttlichen
Gesichte, Wie mahlt,
was,
ohne i h n ,
dem Nichts
sein
Hoffen gab, So prächtig einen Gott i n hellen Spiegeln a b ! Du, die du selber m i c h dem Findus zugeführet, W o des Asliräers L i e d • den
heil'gen Hain
noch
rühret, O M u s e , zeige m i r die Form der e w ' g e n W e l t , Und w a s für ein Gesetz sie e w i g d'rin erhält. W a s z w i n g t die Körper stets in fließende Gestalten,
DIE NATUR DES
212
DISCÜ
V . 24 — 40.
Dio wandelnd,
\vio die Zeit,
nie ihren
Ott
behalten? Was düngt die Eide stets mit ihrer Kinder Staub? Wodurch
wird
unser
Leib verhafster
Würmer
Raub? Ja welch ein Wunder heifst selbst irdische Planeten, Auf unbekannter Bahn, in dunkler Gluth errothen? Diefs, Gottin, leine mich, und leite meinen Sinn, Der deinem Antrieb folgt, zum Quell der Wahrheit hin. Diefs grenzenlose All von Welten und
von
Zeiten, Der volle Inbegriff umleibter Geistigkeiten, Mahlt sich in jeder Art im ideal'schen Reich Mit andern Farben ab, ist nie sich selber gleich. So viele Wesen sich mit andern Sinnen schmücken. Und Leiber andrer Art die volle Erde drücken; So viele Gattungen, in ungemefsner Bahn, Durch tausend Hiipmel sich der Gottheit ewig' nah'n : So vielfach ist die Art,
wie blofs uns zu vergnügen,
( Wohlthätiger Betrug!) die Sinnou uns betrügen;
ODER D I E V O L L K O M M E N S T E W E L T .
£13
y. 41-56. So vielfach ist in uns die ideal'scJic W e l t Die,
w i e er sie erblickt,
der Sinn f ü r w i r k l i c h hält.
Da doch, w e i t unter ihm, und über seinem IJaupte, D e r ' d a s als W e l t umschifft, was er ein S a n d k o r n glaubte. Und diesen rotlien Ball, den jener E r d e nennt, I m himmlischen Gefild' f ü r eine B l u m ' erkennt. Z w a r liegt auch aufser uns und in den
Gegen-
ständen, D i e ihren Ansflufs uns durch offne Sinnen senden, Ein Theil des Grunds davon;
doch die Beschaf-
fenheit Dos Leibes, welcher uns der Dinge Bilder leiht. Verändert
ihren
Druck;
so w i e
vom
lichten
Wagen, D e n durch die hohe L u f t äther'sqhe Pferde tragen, D i e Sonne gleiches L i c h t durch
ihren
Himmel
sprüht. U n d , w a s ihr gleich sich n a h t , in gleichem Feuer glüht; ( N i m m t ihre Kraft gleich ab, wenn sie sich mufs verbreiten, So wirket eie doch gleich aus allen ihren Seiten;)
D I E
NATTJH
D r R.
P M C T
V. 5 7 — 7°A l l e i n der Gegenstand, nicht gleich geschickt zum Schein, Satigt den geschenkten Glanz auf tausend W e i s e n ein. Und läfst den harten Strahl jetzt blau jetzt golden funkeln, Jetzt,
ganz v e r s c h l u c k t ,
den Stoff entfärben
und
verdunkeln. D o r t flattert niedrer Staub um deinen T r i t t i m Geh'n, Nein!
Welten
sind's,
die sich zu deinen Füfscn dreh'n;
D e r Cherub denkt w i e d u , w e n n v o n Gott nahen Himmeln, E r die Gestirne sieht im tiefen Ä t h e r w i m m e l n . D e r W u r m , den i n der Flutli ein N e c d h a m spielen sieht, D e r , z w a r unendlich k l e i n , doch Ströme v o n sich 6priihr, Ist i n dem T r o p f e n Nafs, der i h m ein W e l t m e e r dünket, W a s uns ein W a l l f i s c h i s t , der ganze Seen trinket. Selbst i n der Glieder Bau zeigt sich die Ähnlichkeit, D i e Einfalt der N a t u r , der gleiche Unterscheid;
«DER » I E T O t l K O M M t ü S I E WEET. V. 71 -
£lß
84-
Das klein're Seegeschopf, unsichtbare Tritonen, Und alle schreckt sein Grimm,
die sein Gebiat
bewohnen, Und so, w i e Needhams B l i c k , durch zauberisches Glas, Ein solch kaum sichtbar Moer mit einem Sandhorn mafs: So hält ein Dämon, der durch Zwischenwelten steiget, Wenn er sein leuchtend Ilanpt zu seinen Fölsen neiget, Und ihn ein ähnlich Glück die Erde linden läfst, Der Menschen Sammelplatz für ein Ameisennest. Und d u , zu dessen Lust oft ganze Länder weinen, W i e grofs, (erröthe n u r ! ) w i r s t du ihm w o h l erscheinen ? So ist das Kleine nur nach grofsem Mafsstab klein, Und Titan selbst w i r d dir was seine Sfäubchen seyn, Wenn du sein weites Reich m i t hohem Kreisen missest, In deren Tiefen du i h n , E r d , und dich vergissest.
2)6
D i e N a i c h d e b . D i Nor, V. 85 — k'O.
Und w i e der Piaum, so ist der Folge Mafs, die
Zeit,
Stets theilbar, und für u n s , bis zur Unendlichkeit. Vergleiche deine Dau'r m i t der Gestirne Leben, Bestimmt, die Himmelsluft Aoneli durchzusch weben; Sie scheint ein A u g e n b l i c k , d e r , ungebraucht, verschwindt, Doch w e n n O r i o n selbst sein wartend Grab einst findt. W i r d , gegen jene S f ä r , d i e , Gott! d i c h in sich stehet, E r eine Rose s e y n , die im M i t t a g verblühet. Das E u l c h e n ,
das,
voll L u s t , in der erwärmten Luft,
Satt von geliebtem L i c h t , dem süfsen Tode ruft, Sieht seinen Gott,
die S o n n ,
nur einmahl sich
entfärben, Und freut sich m i t dem T a g , den es v e r e h r t ,
zu
sterben; E i n Augenblick, der uns, von W o l l u s t leer, entweicht, Ist i h m zur L u s t ein T a g ;
s t i n kurzes Seyn verstreicht
In steter W i r k s a m k e i t , und d i e verlängt Sekunden, Und giebt der Jahre W e r t h den wohlgebrauchten Stunden.
OD EH
DIE
V O L L K O M M E N S T E
W t
LI.
ZIJ
V- ™ — 114. Auf gleiche Weise ist der Schule Qualität Nicht
was,
das
aufsev u n s ,
in
gleicher F o r m
-besteht. W a s diesem bitter d ü n k t ,
wird andern
lieblich
schmecken, Und dich belustigt w a s ,
w o m i t man mich Kann schrecken.
Vielleicht
dafs einen W u r m ,
der
in
der Kose
Tiriecht, I h r Glanz nicht r o t h bestrahlt. W i e viel entdeckt er nicht, Was w i r v e r w o r r e n sehn ?
W i e w i r d i h r süfses Rauchen
Ihn viel empfindlicher, als unsern Sinn, umhauchen? Die G l u t h ,
die uns zerstört,
wird,
gleich dem
lauen West, Der Sonne Bürgern
weih'n,
und Körpern
von
Asbest; W i e d e r , den Grönland schickt aus den polar'schen Gründen, Die holde Sonne liafst, und lechzt bey Abendwinden. So wandelt unser L e i b , das Werkzeug zum Gefühl, Des Gegenstands Gestalt,
und F o r m ist Sinnenspiel.
£ig
D u
NATITH
DER
D I S O I
V. 115 — 129. „ D o c h , da W o hat die Zeit ein Glück, das sie belohnen Kann? W o ist ein Schmerz der Z e i t ,
den der zu s c h w e r
befindet, D e r seiner H o f f n u n g Bau in Gott
und
Tugend
gründet? Dei B e v f a l l , den mein Herz bey jeder T h a t mir zahlt, Die meinen Tflicliten gleicht,
ist,
ob er gleich
nicht prahlt, Anständiger f ü r mich als tausend Ewigkeiten, Die magre Dichter m i r für die Gebühr bereiten. Hält seines Herzens m i c h ein F r e u n d ,
ein Weiser
t
•werth, So seyes, dafs mein L o b die Nachwelt nicht e r f ä h r t ! Was dieser Erde bleibt, kann m i c h nicht glücklich machen. liebt Stax sich über m i c h ? ich kann des T h o r e n lachen, Der, weil er, w i e sein Pferd, von edler Abkunft ist.
V i E R T E n
B r i e f .
"37
V . 146 — 152. Verstand J e n Bürgern Jäfst, und gern mein Hirn vermifst. F ü r Ruhm und Glück versteckt, der grofsen W e l t verborgen, W i l l i c h mein göttlich T l i c i l , Vorstand und Herz, besorgen. M i c h reitztkein klein'rerStolzalsauf verlafsnenllohn M i t munterm Fufs dem T r i t t der W e i s e n liachzngehn; Ich such und hoffe nicht des Zufalls eitle Gaben, Und für mein W o h l soll n u r den Dank der H i m m e l haben.
A
n
m
e
r
k
u
n
g
.
1) S. 535. Quurn illa tstigit, alitur et cresiit reäit, ti hoc ao veluti vineulis liberatus in. originem habet argumentum divinitatis suae, quod ilium divina dclectant, nec ut alienis interest sed ut suis. S enee 1.
WJELATTDJ
SURRT.
I.
R.
Y
F Ü N F T E R
B R I E F .
Nil admirari Jlfopß TCS £St lltlCt f
117!llLI,
Solaque quae possit facere et teruare
bcalum.
Hör at. Epist. VI. L. I.
V. 1 -
5.
D e r meisten Plagen H e e r , das unsre R u h bekriegt, Z e u g t die V e r w u n d e r u n g .
Nur d e r
lebt recht
vergnügt, O
Freundin,
der den W e r t h
der D i n g e
richtig
schätzet, U n d den n i c h t jeder Glanz
g l e i c h i n Erstaunen setzet.
Gleichgültig,
w e n n ein G e c k v o n W u n d e r d i n g e n spricht,
Für.
r t £ h V.
B r i e r.
6 -
539
19.
L o b e er w a s L o b v e r d i e n t ,
d o c h er
bewundert
nicht. N i c h t s ist ihm u n v e r h o f f t , und i n d e s W e i s e n O h r e n Hat Zufall, Unglück,
G l ü c k , die D e u t u n g
ganz
verloren.
Der Dummheit
Erstgeburt
w a r die
Verwun-
derung, Kaum,
dafs die E r d e n e u sich aus dem
Chaos
schwung, So deckte sie der W a h n m i t T e m p e l n und Altären. M a n sah die Götter s i c h ,
mehr als die Frösche, mehren;
In der b e w ö l k t e n L u f t , i n den gestirnten Höhn, W o etwas s c h i m m e r t e , Es donnert,
Luft
und
da w a r d ein Gott gesehn, Erd
hüllt
sich i n
falbe
Schatten, D e r F r ü h l i n g und sein W e s t v e r s c h w i n d e n auf den Matten, D e r Vögel L i e d verstummt,
die scheue S c h w a l b e flieht,
D i e W o l k e n stüTzen s i c h , der ganze H i m m e l g l ü h t ; Ein
solche»
Schauspiel
mufs
den
ersten
schrecken;
Hörer
g^o
M o K A U S C H E
B n u f
i,
V . 20 — 56. E r l ä u f t , s i c h , gleich dem W i l d , , in, Höhlen
zu
Verstecken;
E r staunt, er sinnt,
und findt dafs nichts g e w i s ser ist,
Als dafs ein Donneigott
den
Blitz .-ins W o l k e n
schiefst. So w i r d , w e n n
den Veistand die wahren Gründe fliehen,
Uns die V e r w u n d v u n g bald aus aller Unruh ziehen. Das ganze Geisteireich, und mehr als
Hesiod
Gottheiten ausgeheckt, die stelin i h r zu Gebot. Sie rufet E n g e l ab von den entfernsten Himmeln, Und lässet L u f t und E r d und F l u t h von Sylfen wimmeln. Dein P ö b e l , der sich nie zu denken unterwindt ' ) Verzeihe diesen Walin.
A l l e i n , w e n n Heiden sind,
D i e , w i e P y ß m a 1 i o n, sich selber Götzen schnitzet], Und s i c h , dem
Pöbel
gleich,
um einen
Schein
erhitzen, D e n v o n gemeinem Tand nur dieser Vorzug trennt, D a f s oft die halbe W e l t , ihn zu erhalten, brennt: Mag ein gedungnes L o b sie bis zum H i m m e l heben, Gewifs,
kein J u l i a n
c
)
w i r d ihnen diefs vergeben !
N e u s t e r
P> n I E F.
541
V. 37 — öiW i e Mein ist nach dem Mafs der Woisen ein August, N e n n t sein und m e i n Horaz i h n gleich der Völker Lust! W i e w e i t treibt Filipps Sohn die tolle Sucht zu siegen ? E r fand Auroren selbst in Titlions Armen liegen, Und brach sich LoTbern ab am feinsten Ocean. E i n C ä s a r sieht erstaunt des Helden Thaten an, D e n D i o g e n verlacht.
E r sieht im Uberwinden
WasGrofses, das ihn reitzt, es selber zu empfinden. Gebundne Könige zu seinen Füfsen sehn, E i n Herr der E r d e seyn, w i o grofs (denkt er) w i e schön ! Unseliger Gedank! w a s Blut hast du vergossen? In seine eigne Brust hast du den Dolch gestofsen! D e r Fürsten K ö n i g i n , der Helden Vaterstadt, D e r Götter gröfstem W e r k , das weder Mithridat, Noch
Pirrhus,
noch
Jugurth,
noch
Hannibal
bezwungen, Hat die B e w u n d e r u n g die Freyheit abgedrungen. Der Herr von seinem Herrn, der glänzende S e j a n, Vor dem das Rathhaus bebt, den niemand schrecken kann,
342
M O R A L I S C H
V.
B - B R I E F
E.
55-7».
D e r uns in seinem Blick den Gott der Erde zeiget, Vor dessen goldnem Bild sich schon der
Römer
beuget, Vor dem die Tugend flicht, der alle Laster nährt, Und schon m i t einem W i n k das Recht in Unrecht kehrt, Erzittert w e n n es b l i t z t , verspottet seine Götter So lang der Himmel lacht, u n d bebt i m
Donner-
wetter. Der bey O k t a v i e n u n d T u g e n d fühllos w a r . L ä u f t bey der Buhlerin K l e o p a t r a Gefahr. Den
rührt
die Hoheit
nicht,
die
edle
Seelen
schmücket, D e n eine L a m i a E i n Aug
m i t falschem Reitz
voll w i l d e r
Gluth,
ein
entzücket.
grazienvoller
Mund, Fällt einen Helden o f t , der gegen Helden stund. Sieh den Bewunderer v o n K r a s s u s M i l l i o n e n ; Trotz dem Pythagaros begnügt er sich an Bohnen, Und findet ungebraucht sein Gold b e w u n d e r n s w e r t h , Das ihn vom Anblick b l o f s , zur Qual der E r b e n , nährt; W i e der Kamäleon, w e n n der Bericht nicht lüget,
F i B t i E i
BUIEI.
343
V. 72 - 86Sieh ohne Speis und Trank blofs an der L u f t begnüget. Stax wacht und sinnt und läuft und streitet und gewinnt. E r rechnet auch im T r a u m , und guckt stets nach dem W i n d ; D o c h , würde seinem Wunsch kein Gold aus Peru fehlen, Was hat er dann davon? E r darf es sehn und zählen.
Zwar d e r tcheint noch beglückt, dem, was er wünscht und liebt, Aus Güte oder Zorn sein Stern gefällig giebt. D o c h , Freundin, sollt ich dir den armen Thoren mahlen, Der fast vor Neid zerplatzt, wenn reich're Thoren strahlen, Der Werke alter Kunst, Gemähide, Elfenbein, Japanisches Geschirr, Tapeten , Edelstein, Bewundert und entbehrt; die stolze Adelheide, Der eine Nachbarin in einem reichern Kleide Geduld und Farbe nimmt,
und die ein Diamant,
Ja nur ein Pflästorchen, das Chloen besser stand,
5 |oo. Des besten Weisen Bild e n t w i r f t m i t Meiäterzügen I h m X e n o f j J n , gleich grofs i m Schreiben und i m Siegen. E r sieht i m T h e o f r a s t die T h o r e n seiner Zeit, Hält sie an N e u e r e , u n d lacht der Ähnlichkeit. E r steigt an P i a t o n s Hand zum Urbild der I d e e n ; Und w e n n sein blödes A u g sich niüd u n d stumpf gesehen. L o c k t i h n ein T h e o k r i t zur Hirtenlust zurück. Bald macht i h n S o n e k a zum Meister v o m Geschick. E r sieht i m L i v i u s den W u c h s geringer Staaten, Als sie die Väter noch v o m L a n d aufs Rathhaus baten. W i l l er in seiner Brust der Tugend Reitz orhöhn, So läfst i h m sein P l u t a r c h
der Helden Bilder
sehn, W o v o n die Züge noch an edeln Seelen haften. D a n n f ü h r t ein B a k o n ihn durchs Feld|der W i s senschaften, U n d stürzt die Götzen um, w o v o r die halbe Welt, Z u r Schande der V e r n u n f t , abgöttisch niederfällt. A u c h folgeter erstaunt dem S o l o n Er
sieht ( u n d
zittert
nicht)
derPlaneten,
die
Kometen,
schweifenden
S I E B E N T E R
Y.
B
IOI —
r, i
E
F,
^/nj
116.
U n d w i e die W e l t e n s i c h ,
als d u r c h
Gewichte,
ziehn. E r siehts, u n d sinkt, o G o t t l anbetend v o r dich h i n .
So bildet Wissenschaft sein H e r z
und
seine
Triebe, B e f e u r t in seiner B r u s t des grofsen Schöpfers Liebe, H e l l t seine Blicke a u f ,
zeigt i h m die
Wahrheit
blofs, Und m a c h t sein edles H e r z in jeder R e g u n g grofs. E r selber w i d m e t o f t die M ü h der ersten M o r g e n , U n d später M i t t e r n a c h t , f ü r andrer W o h l zu sorgen. W a s uns sein Fleis g e s c h e n k t ,
trägt,
auch
nach
seiner F l u c h t I n eine befsro W e l t , in späten Altern F r u c h t .
Komm,
Freundin,
lafs uns j e t z t ,
an
seiner
Gattin Seiten, I h n i n des F r ü h l i n g s Sitz, z u r Abendlust begleiten. An seine W o h n u n g gTenzt die angenehmste Flur, E i n kleiner Sammelplatz der Schätze der N a t u r . Zwar
wird
das
Wasser
hier
nicht
königlich
gezwungen, D i e schöne E i n f a l t h a t h i e r alle K u n s t v e r d r ä n g e n ; WIELANPS
W. S e r n , . I. B.
A »
Mohali-SCHE
37°
Bfliiiri,
V. 1 1 7 — 1 3 1 . D e j Weisen
Urtlieil
fälaclit nickt
Praclit noch
Seltenheit ; Ihm ist die gröfste Kunst,
die ihren Schein verjneidt.
E i n kaum cntsprungner Bach,
der seine Sillber-
wellen Durch Rosenbüsche wälzt,
durchschleicht in tausend Quellen
Das blumenreiche Feld,
wo,
bis der Tag sich
kühlt, Der Bienen Emsigkeit in Florens Busen wühlt. InZeilcn abgetheilt durchschneidt der Bäume Menge Des Gartens weiten Piaum in schattenvolle Gänge, Bis w o die stille Fluth sich in ein Becken giefst, E i n immer grüner Hain die holde Scenc schliefst. Iiier ruft der Sommer
ihn
den Abend zu
geniefsen, Wenn
durch
die frische L u f t gelindro
Winde
iliefsen, Mit denen sich der Dampf gesunder Kräuter mengt. Und von den Baumen
schon der Schatten verlangt.
Daun irret er umher an seiner Gattin Seiten,
sich
S i e b e n t e r
B u i e f .
37'
y . 132 — 1 4 7 . Die holden Grazien, die frohen Zärtlichkeiten Sind scherzend neben i h r ;
ihm dünkt der stille Hain
An ihrer sanften Brust Elysium zu seyn. Iiier sehn sie aufmerksam w a s Thoren niem.ihls sehen; Bald lockt ein blühend Kraut sie,
bey i h m
still
zu stehen, Das oft an Form
und Zier
der Tulpe
Stolz
beschämt; Bald sehn sio w i e ein Quell aus Felsen sprudelnd strömt, Bald hören sie entzückt der Wälder Sängerinnen Im lispelnden Gebüsch ihr Abendlied beginnen. Dann führt sio ein Gespräch zum Schöpfer der Natur; Sie sehen sanft gerührt der weisen Liebe Spur Im kleinsten Gegenstand, und läutern ihr Vergnügen, Da sie des Gebers Lob zu ihren Freuden fügen. Jetzt führt der Abendstern sie in den Speisesaiii. Iiier zollt kein fremdes Land ein ekelhaftes M a h l ; Kein Koch, den Frankreich schickt, vergiftet uns mit Brühen;
37-2
M O
N
A L1 S
c
II E
BK
I E R E.
V. 143 — 165Kein W e i n vom Voi'gcbirg w i r d in den Flaschen glühen ; W ü r z t uns ein Sokrates mit Weisheit seinen Kohl» W e m mangelt der Fasan, der L a c h s , der Seekrebs wohl? Die
Freundschaft ohne Kupst
belobet
hier
die
Zungen, Das freye Herz w i r d nicht v o n List und Furcht gezwungen. Daun
singt ein D e m o d o k
der Tugend tapfre
Müh; E i n jeder Hörer f ü h l t dio Macht der Harmonie ; Jetzt r u f t ein Dorisch Lied erhabne Heldentriebe, Jetzt lockt ein weicher T o n die angenehme Liebe.
So nützt der Glückliche die vorgezählte Z e i t ; D i e Ruhe w o h n t bey i h m , die blasse Sorge scheut Sein unbewachtes Haus, mit seinem Stand s u f r i e d e n . W i r d er der'Vorsicht O h r m i t Bitten nie ermüden. D i e Freyheit ist sein Reich.
Kein Cäsar,
kein
Mecän, N i m m t f ü r sein Gluck den D . i n k ,
kein Höfling
h ö r t i h n flelin. Die Unterwürfigkeit, der Abhang von Befehlen,
S I E B E N T E
N
B R I E F .
573
V. 164 — 178Erstickt die Tugend o f t , und bildet kleine Seelen. E i n freyev Mann allein hat Aug und Mund und Ohr, Ist das was i h m beliebt, u n d stellt sich selber v o r . Die Freunde,
die
er sich gewäjilct,
nicht
gefunden, Hat Ähnlichkeit, Verdienst und Tugend i h m verbunden ; E r , der den Schmeichler f l i e h t , n i m m t den Arist n u r an, D e r i h n so edel liebt, dafs er auch strafen kann. ?) W a s fehlt dem Glücklichen zum reichesten Vergnügen? E r sieht ein B i l d ,
vermischt m i t seiner Freundin Zügen,
I n Kindern edler A r t ; es wallt in i h r e m B l u t D e r Mutter Zärtlichkeit, der väterliche M u t h . E r f o r m t ihr weiches Herz schon in der ersten Jugend, D i e noch kein Laster
kennt,
zu
unverfälschter
Tugend; Und sieht entzückt, w i e sich i h r auerichafFnes Bild Von seinem Fleifs gepflegt, in ihrer Brust enthüllt.
M o r a l i s c h e
o74
Eititic,
V . 179 — 1 9 2 E l i die Vernunft sie kennt,
lehrt er das Herr,
sie
üben; Ihn
wird
die N a c h w e l t
noch
in seinen Enkeln
lieben.
Diefs ist v o n K l e o n s Glück ein unvollkomm11er Rifs. Ist auch ein W u n s c h , den ihm die Vorsicht übrig liefs? E r gleicht dem Sokrates, nur nicht in seinen Plagen Und hat
in
sichrer R u h ,
warum
sich Fürsten
schlagen. Doch,
Freundin,
dieses Bild das
dir
vielleicht
gefällt, Ist nur des Witzes S p i e l , und zierti nie die W e l t . Welch
trauriges Geschick?
Es
lebt nur
in
Ge-
dichten ! Ich blättre unruhvoll in modernden Geschichten, A c h ! w e d e r D i o g e n , Plutarch noch A l i a n Z e i g t mir den Glücklichen, der Weisen F ö n i x , an. D e r Weisheit liebsten Freund lohnt A r m u t h , G i f t und E i s e n ; Kr soll, dem Glück zum T r o t z , der Tugend Stärke preisen.
S I E B E N T E
I\
B H I E F ,
575
V. 193 — 23Ö. D o c h also w i r d die H u l d der Vorsicht nicht vermifst, Dafs 6ie der Weisen Leid m i t W o n n e nicht versufsi, D i e , w i e Homers N e p e n t h ,
Ango
der Sorgen
denken In sanfte Schlummer hüllt.
Soll m i c h die A r m u t h kranken,
Die
minder
als
das Gold
der
weise
Tejer
scheut? 5 ) D i e Weisheit ist ein Schatz, den kein C i k u t a
4)
neidt. M e i n mitleidswerther F e i n d , soll der m i c h traurig machen. So lang m i c h T * * l i e b t ? Ich w i l l des T h o r e n lachen, Z o r n strafte n u r m i c h selbst.
„ S o l l t ' ich m i c h
ärgern ( s p r i c h t E i n D i c h t e r d o r t ) w e n n m i c h Pantil, die Wanze, sticht? Und da m i c h V a r i u s , Messala, F u r n u s lieben, Soll m i c h ein F a n n i u s , Tigelltis Gast, b e t r ü b o n ? " Sq dachte mein H o r a z ,
und wolil i h m !
Nur
w e r so Z u denken fähig i s t , w i r d seines Lebens froh.
57Ö
M O K A L I S C H E
V . 207 —
Er,
B R I E F E .
222.
den des Hofes Pracht vom Lande nie verwöhnet,
Verlicfs, um sein zu seyn, wenn er genug gefrölinet. Den schwelgenden Mecän, floh seinem Tibur zu, Und fand das echte Glück im Schoofs der freyen Kuh. An Aulons fruchtbarm Fufs, der mit Hymettus streitet, Da hat den Einsamen sein Satyr oft begleitet, Und die Zufriedenheit;
da reitzt' ihn oft cia Bach,
Der ans bemoostem Stein mit frischem Murmeln brach, Und dann durch Blumen Jlofs, zu Liedern die ihm gleichen. D a , w o die Schlummer nie dem Neid der Sorgen weichen, Und seiner Auen Schmelz den Marmor, überstrahlt, Womit Numidien der Römer Ästricli mahlt, S) Gcniefst er die Natur, die gleichfalls zu geniefsen Die Reichen in der Stadt durch Kunst erzwingen müssen. Dort gab die Weisheit ihm die edcln Lieder ein, Worin er uns belehrt, auch arm vergnügt zu seyn.
S I B B E S S E » .
B
R I E
V.
571
V . 223 — 234. Vergnügen!
Wunsch der W e l t , dem T h o r e n stets verwehret,
D i c h zeuget die N a t u r ; dich h a t , w e r diese höret. D e r zeigt mir, w e r er ist, v i e l besser als sein Bild, Und w a r es v o m A p e l l ,
der auf sein Schicksal schilt;
E r ist ein T h o r ! du w i r s t , w i l l s t du sein Klagen stillen, M i t sieben Indien nicht seino Wünsche füllen. D e m Weisen gnügt an 6ich; ein aufgeklärter Geist, D e m sich der D i n g e W e r t h
im wahren L i c h t e
weist, Verschliefst sein männlich Herz v o r W u n s c h und eiteln K l a g e n ; E r w i r d zu Delfi nie nach seinem Schicksal fragen; Und trägt ihn auf dem Strom zur nahen E w i g k e i t , E i n Argo oder K a h n , w a s ist der Unterscheid? 6)
378
Moralische
Briete.
A n m e r k u n g e n .
1 ) Seite 363., Ludwig Vives, ein Spanier, der im Anfang des ¡16. Jahrhunderts blähte und mit Feuer und Einsicht die Fehler der damaliligen Gelehrsamkeit und Filosofie aufdeckte. 2)
S. 373.
Horat.
L. I. Ep. X. v. 45.
3)
S. 375.
Anakreon.
4)
S. 575. Ein reicher Filz im Horaz.
5)
S. 376. Est ubi depellat somnos minus invida cura? Deterius Lybicis olet aut nitet herha lapillis? Horat.
6)
Ep. X. L.
I,
S. 377. Nave ferar magna an parva unus et idem, Horat.
A C H T E R
Ad summam Liier,
sapiens
honoratus,
B R I E F .
nno minor jmlcher,
est Jove
B e x dentquc
dives, Regum.
K a r a t . Ef>. VI. L.
I.
V. i — 6. "Warum ist Epiktet vergnügt im Sklavenkloid? Ist nicht Äsop ein Knecht? Was macht ihn so erfreut ? Kein Purpur schmückt ihr Haar, der goldncn Skia* ven Menge Macht ja um sie herum kein königlich Gepränge? Kein Volk verhungert ja zu ihrer Wollust nicht? Wo reimt ein Lohnpoet auf sie ein Lobgedicht?
Moralische
38
Biiieie.
V. 7 — 20. Wo
stellt
ein Heldenlied
der Welt
sie
zum
Exempel? W o schmückt ihr Marmor w o h l , zum Dank, Fortunens Tempel? A r m , unerkannt, im Staub, von allem Schimmer blofs, ( Ihr reichen Thoren hörts!) sind sie beglückt und grofs. War diefs P o l y k r a t e s ?
Wer zeigt mir dock die Thronen,
W o Laster,
Sorg' und ITnrm der Fürsten Ruhe schonen?
Nehmt dem geschminkten Glück den prahlerischen Schein, Der König wird ein Sklav, der Reiche dürftig seyn. W o Tugend und Verstand mit Arruutli sich verbinden, D a , Freundin, wohnt die Rull, da wirst du Ruhe linden; Den Pöbel wundert diefs.
Ich bin nicht grofs, nicht reich,
Ein jeder Erdensohn ist mir an Stande gleich. Kein König weifs von mir, auch bin ich überhoben Mecänen und August, wie mein Horaz, zu loben;
A C H T E R
B R I E T .
38I
V . 21 — 36. Mein Wissen runzelt nicht die immer freye Stirn, Auf
meine Lehren
schwört
kein, Schüler
ohne
Hirn; Hein Journalist
befiehlt dem Erdkreis
mich
zu
lesen, Und schützet mein Gedicht vor Heringslak
und
Käsen ; K u r z , ohne Glück und nach dem Mafs der Grofsen klein, Sollt' ich glückseliger als alle Grofsen seyn?
Diefs fafst der Pöbel nicht, er w i r d mich rasend nennen, Und, so gesund ich b i n , mir Nieswurz zuerkennen. E r kennt die Güter nicht,
die der in sich verschliefst,
Defs Sinn v o n Leidenschaft und W a h n gereinigt i s t ; Des Weisen Göttlichkeit,
das himmlische
Ver-
gnügen, In stete Harmonie Verstand und Ilerz zu w i e g e n ; D i e Schätze der N a t u r , die der allein besitzt, Den die Vernunft gelehrt, wie|sie der Weise nützt. Die E h r e , die sich nie den Edeln w i r d versagen, Die ihren R u h m mit sich in befsre Sterne tragen;
332
M O R A L I S C H E
I U I E F E ,
V . 37 — 49.
DieCs, Freundin, unser Glück, begreift der Pöbel nicht, Und lacht, wenn ein I ^ o e t l i 2 )
von Glück im
Kerker spricht. K o m m , Freundin, dir allein, und denen die dir gleichen, Versucht mein Pinsel sich, das Vorbild zu erreichen. Das ihm H o r a z entwarf. Den Weisen mählich dir. Schön, frey, im Purpurschmuck, gekrönt mit Ruhm und Zier, Und kleiner nur als Gott: Ihn soll ein Krösus sehen. Sehn soll er i h n , und ihm den Vorzug zugestehen! Der Weise nur ist schön. Was auch der T e j e r singt, Kein K l e o b u l u s ist, 3) dem hier der Streit gelingt, Wenn «ich Asop ihm stellt. I l i p p a r c h i a
soll
sagen, ( W e r wagts, des Anspruchs Recht den Schönen abzuschlagen? Ob,
vor dem weichen Reitz des
wäcliserncn
B a t h y l l , 4)
A C H T E R
B R I E F .
583
Y. 5 ° — 63. Ihr, bucklicht, Klein und alt, ein K r a t e s nicht gefiel? J u n g , angenehm, geliebt von artigen Narkisscn, Ergab sie sich aus W a h l des Weisen kalten Küssen. Gefiel nicht Sokrates, und glich doch dem S i l e n ? Narlufs!
dein Spiegel l ü g t ,
der Weise nur ist
schön! W i e arm ist K r a s s u s nicht, den w i r für glücklich preisen? Auf seine Schätze stolz, verachtet er den Weisen, Der seine Güter stets, w i e B i a s , bey sich trägt, Und nie von Dieben träumt, wenn "er des Schlummers pflegt. Doch, Krassus, richte selbst, w e m w i r d der Preis gehören? Dem,
welcher kummerfrey des Goldes kann entbehren,
Der woiter nichts bedarf,
als was
ihm
Gott
beschied, Und nicht nach seinem Glück durch alle Meere zieht? W i e , oder dem,
der stets von Wünschen überflieget,
584
Moralische
linitFi,
V . 64 — So. Und immer mehr begehrt und w e n i g e r geniefset, Je mehr Peru ihm z o l l t ? Hier ist daB U n h e i l leicht! D e r Weise darbet n i e , er hat sein Z i e l erreicht. Sein ruhend Herz empört kein Wunsch, noch mehr zu haben, D i e ganze W e l t ist sein.
W e m sind des Frühlings Gaben?
W e m ist des Sommers Pracht?
W e m strahlt des
Himmels H e e r ? D e n Thoren nicht, für die ist alles öd und leer. D e r Weise kann allein der Z w e c k e Band ergründen, Und überall den Stoff zu seinem Glücke finden.
S c h w e i g t nur zu seiner E h r ' , ihr Dave unsrer Zeit, Behaltet euer L o b und eure E w i g k e i t . D e r Weise ist v e r g n ü g t , die Tugend still zu üben, Sie krönt mit Himmelsglanz dio Seltnen,
die sie
lieben. L i e b t ihn ein Redlicher,
wünscht
ein entfernter
Freund: „ O ! wäre mein Geschick mit seinem doch v e r e i n t ! " So reitst ihn keine Sucht sich Lorbern zu erringen ; Ihr Helden, theilet sie mit euern Dichterlingen!
A C H T E R
V. 8 ' -
B R I E T .
585
94-
Der niemahls welke K r a n z , den uns die T u g e n d flicht, D e r ist uns L o h n s g e n u g ,
kennt gleich die Welt uns nicht.
D e n Schimmer, der uns selbst in unsorn Augen weihet, D e n jede schöne Tliat durch unsre Seele streuet, D u , F r e u n d i n , kennest ihn, ihm gleicht kein L o b gesang, Keiu L o r b e r , kein T r i u m f , kein Ordensband, kein Rang. D e r Vorsicht w ü r d i g seyn,
die
mütterlich uns
führet, D e m schönen Vorbild n a h n , das jetzt die Sterne zieret, Sich
selbst
der
spätsten
Welt
zum
Musterbild
erhöhn, In seiner eignen Brust dieselbe Tugend sehn, D i e mit Verwundrung man im Sokrates erblicket, D i e uns an Plinius, an F a n n i e n s ) entzücket; O diele Bewufstseyn zahlt kein Ruhm der ganzen Welt, Kein Weihrauch, kein A l t a r , den auch der T h o r erhält. WigLAirsi W. Svrrii. I. B.
B b
3ß6
M O R A L I S C H E
B R I E S E .
V . 95 — 107. Der Weise mir ist f r e y , auch w e n n ihn Ketten drücken, O f t leichter n o c h ,
als die,
womit
uns Fürstau
schmücken. D i e Seele bindet nichts als Wahn und Leidenschaft; D i e stürzpn sie v o m T h r o n ,
sonst keine äufsre
Kraft. H e r v o r , ans Tageslicht, ihr Anti-Epikteten, Der
Thorheit
Hausgesind,
und
schüttelt
eure
Ketten.' Ist Harpagon w o h l f r e y , den sein tyrannisch Geld Mit unsichtbarem Netz an sich verstricket hält? Gleich dem, w o m i t Vulkan das schone Paar umwunden, A l s er sein Ehgemahl in Mavors Arm gefunden. Ist S t e n t o r nicht ein S k l a v ,
der ß o d m e r «
Trefflichkeit M i t beiden Augen sieht, und doch aus Neid verschreyt? W a s er am Milton schilt, w i r d er am Griechen loben;
A c h t e r
BRIET.
5ß7
V . »o8 — 123. E r schweigt von Hallen L o b , und Neukirch wird erhoben. Schreib göttlich w i e Horaz,
findt auf der Alten
Spur Mit H a g e d o r n s Gefühl die reitzende Natur; Bist du sein Schüler nicht, er wird gebietrisch. tadeln. Nur seine Jüngerschaft kann matte Reime adeln! Was ist der reiche M o p s ?
der, seiner Frey-
lieit satt, Dos Königs Sklav zu seyn, das Land yerlassen hat. Wo seine Ahnen einst arn l1 eidhau sich ergetzten, Der S.onnen Ankunft sahn,
und selber Bäuma
setzten. Die unschuldsvolle Lust, die auf dem sichern Land Ein Cyrus, Xenofon, ein weiser Kato fand. Wird ihm gemein und alt; die Neuheit inufs das kleiden, Was ihn ermuntern^oll.
Ihr unerkauften Freuden,
Gefolg der Seelenruh, ihr Töchter der Natur, Beneidet von der Kunst, euch fühlt der Weise nur! Mops eilt, der Hain« L i e d , der Frühlingsbäche Rauschen,
383
M o R A t l S C H E
V.
B R I E F E .
— 138.
Um Welschlands Sängerin und Bälle zu vertauschen : E r eilt, der goldne Narr, aus dem verhafsten W a l d Voll Sehnsucht nach der Stadt; sein halbes Erbgut strahlt
An i h m , an Liverey, an Pferden und Karossen; Nufi schimmert er bey H o f , folgt als Trabant den Grofsen, Und ist in »einem Wahn der glücklichste der W e l t , W e n n einst ein
Seitenblick des Fürsten auf ihn fällt.
In mancherley Gestalt mufs hier sein Gold zerrinnen, E r ist des Hofes S p o t t , ein Raub der Tänzerinnen. W e r glaubt,
dafs diefs Gepräng,
diefs herr-
schende Gesicht, Diefs sklavische Gefolg,
uns
einen Knecht ver-
spricht? D o c h ist F o t i n ein K n e c h t , dem W i l l und Freyheit fehlen. W e n n war wohl je der Hof die Wohnstatt frayer Seelen? Sein Fürst sey ein T i b e r , doch höre den Fotin, E r ist mehr als T r a j a n , ihm weichet Antonin.
N e u n t e r
B r i e f .
V . 139 —
389
154.
Dem Sklaven bleibet kaum des Denkens W i l l k ü h r eigen. W i e ein Kamäleon mufs er die Farben zeigen Die ihm der V o r w u r f g i e b t , er ist nur Wiederschein, Und
w a s er T e d e t , w i r d der F ü r s t e n E c h o
Und du,
vor welchem
sich
seyn.
so viele Völker
bücken, Den Weisen blenden nicht
die Kronen, die dich schmücken ;
Es sey D o m i z i u s , dafs Fürsten vor dir knien; D i e halbe W e l t dient d i r , du einer Sängerin. Der
Weise
herrscht
allein,
ein
König
der
Begierden; Um seine Scheitel glänzt die Würde aller Würden, D i e Triebe dienen i h m , gebunden vom Verstand, In deren Fesseln sich manch Weltbezwinger wand. Des Weisen heitre Stirn und nie erhitzte Wangen, Sind stets von Seelenruh und stiller Freud' umfangen ; Sein königlicher Geist gebietet dem Gefühl, Und läfst 'sein folgsam Herz den Lüsten nie zum Spiel;
59»
Moralische
Bmtrt,
V . 155 — 166. Und wagt es die Begier,
die Ketten abzuschütteln,
So zähmet die Vernunft sie bald mit liärtern Mitteln. O
Freundin,
welch
ein B i l d !
Welch
eine
Hoheit krönt D e r Weisen, der vom Glück nicht einen Strahl entlehnt! Ihn übertrifft nur Gott an Trefflichkeit und W o n n e , E r ist der Gegenglanz der schöpferischen Sonne; Gleich G o t t , schöpft er aus sich die Freude,
die
ihn näbrt, Bey der er leicht den Schaum der Erdenlust entbehrt. A u c l A i n s , o F r e u n d i n , ist diefs hohe Glück vergönnet ! Diefs bürgt uns unser H e r z , der T r i e b , der in uns brennet, Der tugendhafte Trieb zu wahrer Trefflichkeit, D e r unverwandte Blick nach jener Ewigkeit, W o unsre Hoffnung b l ü h t ; diefs redliche Bestreben D e r V o r s i c h t , die uns f ü h r t , der Tugend treu zu leben; O 1 glaube, solch ein Herz, und solch ein Herz allein Hat innern W e r t h genug, um stolz darauf zu seyn !
A
c
H T B N
B R I E F .
391
A n m e r k u n g e n .
1)
Seite 3go.
Tolytrates von Samos w i r d von
den Alten als ein besonderes Beyspiel eines Lieblings des Glückes angeführt.
Sein Freund, der König
Amasis von Ägypten, rieth ihm einst, er sollte, dio Göttin Nemesis zu befriedigen, eine Kostbarkeit, die v o r andern selten und w e r t h w ä r e , ins Meer w e r fen.
Polykrates schmifs den von den Alten so sehr
gerühmten Siegelring hinein, welchen der Künstler Theodorus aus einem Smaragd verfertiget hatte, und der ihm aus einer grofsen Menge von Kleinodien vorzüglich lieb w a r .
Allein einige Tage darauf
fand ihn sein K o c h in dem Bauch eines Seefisches, der für ihn zubereitet werden sollte.
Dem unge-
achtet ist das Ende dieses grofsen Fürsten sehr tragisch gewesen. 2) S. 382.
Anspielung auf die berühmten Bücher
de Consolatione Philosophien:, Magister
welche
Boethius,
Palatii et cfficiorum unter dem Gothischen
König T h e o d o r i c h , im Gefängnifs schrieb, w o r i n ihn dioser durch falsche Beschuldigungen hintergangene Fürst einige Jahre schinachten und zuletzt enthaupten liefs.
59i
Moralische
Bhiiie,
g ) S. 382.
E i n L i e b l i n g des A n a k r e o n .
4 ) S.
Gleichfalls ein J ü n g l i n g r o n Saitios,
dessen Gemählde Anakreon i n der
Ode m i t M e i s -
terziigen e n t w i r f t . 5)
S. 385.
S. den 19. Brief des 7. B u c h s der
B r i e f e des P l i n i u s .
W i e r ü h m l i c h ist es dieser
F a t i n i a , von e i n e m P l i n i u s so sehr verein t w o r d o n zu s e y n !
A b e r w i e gTofs w i r d
P l i n i u s selbst i n
unscrn A u g e n , da er u n s den Karakter seiner F r e u n din so v o r t r e f f l i c h s c h i l d e r t ! „ W e l c h e K e u s c h h e i t ! ( r u f t er m i t E n t z ü c k u n g von i h r a n s , ) w e l c h e R e d lichheit! welche Klugheit! welche Groftmuth! — U n d w i e a n g e n e h m , w i e l e u t s e l i g w a r sie z u g l e i c h ! W i e w e n i g e n i s t es g e g e b e n , w i e F a n n i a , eben so V e r e h r u n g s w e r t h als l i e b e n s w ü r d i g z u s e y n !
O ge-
w i f s , sie w i r d ein B e y s p i e l u n s r e r F r a u e n b l e i b e n ; sie w i r d uns Männern selbst e i n M u s t e r des H e l d e n m u t h s s e y n , da w i r sie noch i n i h r e m L e b e n so sehr b e w u n d e r n , als jene H e l d i n n e n , deren V o r t r e f f l i c h k e i t uns die Geschichte lesen l ä f s t . " 6)
S. 389- A k t e , e i n e S k l a v i n , in w e l c h e N e r o ,
n a c h dem B e r i c h t des Sueton u n d T a c i t u s , so u n s i n n i g v e r l i e b t w a r , dafs er sie h e y r a t b e n w o l l t e , u n d d e f s w e g e n etliche g e w e s e n e
Consuls
zwang,
zu
s c h w ö r e n , dafs sie v o n k ö n i g l i c h e m Geblüte s e y .
N E U N T E R
B R I E F .
Qui lit'f et ne lit point pour devenir Perd son tems, sa lecture, Convainquons
par nos moeurs
Tous les Anti -savans
et par nos
t
du prix
de nos Epi
V. G l ücliselig,
meilleur,
et nest qu'un vil
tres
lecteur• habitudes,
études. di
verset.
1 - 6 .
wessen Herz schon in der ersten Jugend
Der Weisheit Reitz gefühlt, und die Gewalt der Tugend! Eh noch ein Vorurtheil das neue Auga trügt, Und Alcibiades den Aristid besiegt. O Kindheit! schönste Zier von der Gelehrten Leben, Da vorm erstauntenBlichnocli jeneHelden schweben.
IJI/'J
M o h A L I S C U I
B r . I E r E .
V . 7 — 12. Die m a n , w e i l uns die Kraft sie zu erreichen fehlt, Z u r Schande u n S r e r Z e i t , jetzt kaum für möglich hält; Da sich ins weiche Herz die schönen Bilder drücken, D i e im P o l y b i u s , im N e p o s uns entzücken!
O Lehrer jener Z e i t , d i e , aller Sorgen blofs, M i r w i e ein sanfter Bach, voll stiller Freuden, flofs, W i e ? soll ich euch vielleicht, um einen Duns zu fassen, Den Afterweisen g l e i c h , den Schulen überlassen? Soll i c h , taub für Horaz und blind fürTacitus, I m hochgelehrten Staub, den Stax
verschlucken
mufs, Aus allen Fansofis und Encyklopädien, W i e aus dem tiefsten Schacht die Wahrheit mühsam ziehen ? Lauft immer, wenn i h r w o l l t , versteckten Pfützen nach, D u r c h Blumen iliefst mir hier der Wahrheit lautrer Bach; Und bin ich nicht gelehrt, und mefs ich nicht die Seelen, Bey Sokrates wird mir kein Glück dep Weisen fehlen.
N e u n t e r
B R I E F .
395
V. 25 — 57Der
träumo K i r c h e m
gleich,
der
steig auf
Newtons Bahn, Dir, o K n s S i n i , nach, d e n r e i i z e K o n r i n g an; Mir schimmert don Athen von alter Tugend Bildern ; Den ich nachahmen 'will,
soll X c n o f o n mir schildern.
Ihr Dichter! wählet euch nur Helden auf dem Thron; Wer Esel einst besang, singt leicht vom Ilieron. Erhebt an Königen was ihr am Irus tadelt; Weil seino Tugenden kein Fürstenmantel adelt; Vergotten den August, damit einst Julian, Was ihm zum Menschen fehlt, der Nachwelt zeigen kann: M e i n H e l d borgt seinen Glanz nicht von gefärbten Steinen, Dem
Pöbel würd'
er nur
im Purpur
gröfser
scheinen. Z w a r deckt sein kahles Haupt kein Kranz, den Julius Um Bürgerblut erwarb; kein namenloser- Flufs Sah ihn in Indien, der Siege Zahl zu mehren,
GIJÖ
M O R A L I S C H E V.
38 —
B R I E T E . 52.
D i e angestammte Ruh verborgner Völker «tören. Doch lafs Eroberern den heuchlerischen Schein! Wie die Natur gefällt, so nimmt die Tugend ein. Ihr Glanz verspricht nicht viel, und schimmert nicht von ferne, Wie oft ein Kind des Sumpfs, ein Irrlicht, bleichte Sterne Zu überstrahlen meint; ein feineres Gesicht Findt ihre Schönheit nur, den Pöbel blendt sie nicht. Mein Lehrer Sol-.rates!
dich
will
ich nicht
erheben; Kein L o b , 50 grofs es sey, erreicht dein göttlich Leben; Diefä redet kräftiger von deiner Trefflichkeit, Als P y t h i a , die dir der Weisheit Preis bescheidt. Sein mattester Entwurf wird edle Herzen rühren, Und Helden andrer Art des Vorzugs
Preis ent-
führen. O Muse von Athen! o reitz' in meinem L i e d Die Anmuth,
die das Herz zu deinen Schriften zieht! 1)
N E U N T E R
B R I E F .
3^7
V. 53 — 66.
Kein S t a m m , m i t dessen R u h m Pokile 2 )
sich
geschmücket, Ilat meinen Sokrates in seiner Schoofs erblicket. Ihn übei- Könige durch i i c h nur zu erhöhn, Liefs aus unedlem B l u t ihn die Natur entstehn, Die ihr uns Ahnen zeigt, wenn, w i r euch sehen wollen. Glaubt ihr, dafs w i r in euch A m i l e ehren sollen. D i e euer Leben schändt?
D e r läugnet sein Geschlecht,
Der
seiner
Ahnen
Glanz
mit
eignen
Lastern
schwächt. Die Tilgend adelt n u r ; nur sie gab den K o r v i n e n Die L o r b e r , die am Haupt der E n k e l jetzt vergrünen. Mein Held entlehnet nichts von seines Stammes Glück, Sein Vorzug glänzt vielmehr auf sein
Gcschlecht
zurück.
Das Alter,
dessen Breuch des Menschcn W e r t h ntscheidet,
Um welches o f t ,
zu spät, der Greis sich selbit beneidet,
3 9 M o n A t l S C H E
BRIEFS.
V. 6 7 - 8 1 . Des Lebens L e n z , wcvrin die üppige Natur, Verscliwendrisch mit sich selbst und auf Vergnügen n u r Eiliitzt,
dem
süfsen Hang
sich
blindlings
oft
ergieber, Hat in Enthaltung ihn und Wissenschaft geübet. Z u jedem Lehrenden zog ihn der Wahrheit Schein; Da f ü h r t ' A r e l i e l a u s ihn bey der Weisheit ein, Weckt die Ideen, die in seiner Brust noch schliefen; Ein A n a x a g o r a s eröffnet ihm die T i e f i n Der wirkenden N a t u r ; ein andrer zeigt.ihm an, W i e Suadens Obermacht die Seelen fesseln kann. Des Lebens rechten B r a u c h , die süfse Kunst zu licbaji, ( D o c h keuscher als O v i d s , und schwerer auszuüben, ) L e h r t ihn D i o ' t i m a ; die Herzen auszuspähn, Sich und die Weisheit selbst nach jedes T r i e b zu drehn, Und die Gefälligkeit, die seinen Umgang schmückte ; Die Künste, sonder die es keinem Zeno glückte, T h a t dem gern Lernenden der schönen Freundin Mund, (Der, Doris, deinem glich) mit süfser A n m u t h k u n d ,
N e u n t e r
BRIE
f.
399
V. 85 — i o i . Sio lehrt ihn das Gesetz, von dem in allen Reichen Die folgsame Natur sich scheuet abzuweichen. Die einen schönen G e i s t , dem L e i b e , der gefällt, Bey Thieren und G e w ä c h s , harmonisch zugesellt. D i e wahre Schönheit w i r d uns selten hintergehen ; Eieläfst dieSeel' i m Aug, als w i e inrSpiegel, sehen, I h r Schönen, schränkt euch nicht auf kleine Ans sprücli 1 ein, Erkennt euch, selbst, und seyd zu stolz, n u r schön zu seyn! Sogar Armidens Reitz verblühet i m Geniefsen; Der Seele Schönheit n u r legt Seelen euch zu Füfsen, Seht wie Diotima der äufsern Reitze Macht Durch.
Geist
und
Wissenschaft- unwiderstehlich macht.
Wie glänzend ist ihr R u h m !
Die spätste W e l t
w i r d lesen, Ihr F r e u n d , i h r Schüler üey ein Sokrates gewesen. In solchen Schulen schrieb
sich dieser Jüng-
ling ein, D e n die Natur erlas, der Menschheit Zier zu seyn. Die Tugend, die zertlieilt an andern Wesen scheiner,
/joo
M O R A L I S C H E
B R I E F E .
V . 102 — 1 1 7 . Z u einem einz'gen Strahl w a r sie in ilim vereinet. .Sein bester Lelirer w a r ein richtiger Verstand , D e r seine» Lebens N o r m in seinem Busen fand. ,Der
w a r sein G e n i u s !
Den Geist v o n
seltnen
Kräften, ,Den unersehofbarn Fleifs in würdigen Geschäften, ,Die
herrschende
Vernunft,
die
kein
Gespenst
betrügt, .Kein blinder Sinnentrieb, kein Zufall überwiegt, D e n unbesiegten M u t h , den Neid und
Schmach
nicht dämpfet, D e r für ein Vaterland, das einst ihn tödtet, kämpfet. E i n menschenfreundlich H e r z , das fremdes Leiden tlieilt, Nicht mit den Thoren z ü r n t , sie lieber, schonend heilt, Und das nur L e b e n heifst,
f ü r andrer W o h l zu leben ;
Diefs giebt kein Unterricht, diefs mufs der Himmel geben.
E r , dem nicht eine Kunst zu lernen übrig blieb, D i e Anaxagoras und Demokrit beschrieb. Entdeckte bald den Tand der prahlerischen Weisen,
N e u n t e r
B i\ i e r .
/joi
V. iiß — »35D i e , unbekannt zu Haus, in fremde Welten reisen, Zu sehr uneingedenk, dafs zum gemeinen Wohl Des Weisen edler Fleifs allein sich üben soll. Was hilfts wie G o r g i a s ,
des Pöbels Lob zu haschen,
Mit langem Wortgepräng gelehrt von nichts zu waschen? Entflüfse deinem Mund Hj-mettens Süfsigkeit; Wann deine Redekunst sich nicht der Tugend leiht, So bist du ein M e 1 i t. Was sind die stolzen Künste, Die man von M e m f i s höhlt? 3) Gefärbte Wasserdünste, Die im Beschaun vergehn , wie Iris bunter Kreis! Die ganze Wissenschaft, die mit demantnem Fleifs Der weise Abderit, 4) von aller Welt entlehnet, Durch eignes Forschen noch in tausend
Bücher
dehnet, Stärkt sie das Heiz?
Macht sie, wie A g a tli en o r» Sohn,
Ein Bild der Mäfsigkeit aus einem P o l e m o n ? 5) Was weifs H i p p a r c h u s dann, wenn
er von
tausend Sternen Stand, Gröfsen und Bezirk, Verhältnisse und Fernen In Ziffern uns entdeckt, da er die Kraft nicht sieht Wieländs W. SurpL. I. Ji.
C G
402
M O R A L I S C H E
B R I E F E .
V . 136 — 150. D i e ihre Federn rührt, da ihn ihr Innres
flieht?
Was
Satuin
sieht
der,
der vielleicht uns vbin betraphtet?
E i n Stäubchen,
das er kaum aus Millionen achtet.
So siehst du Welten an, die in entwölkter Nacht D i r ein entkräftet L i c h t als Punkte sichtbar macht. W e l c h eine Finsternifs vermischt sich unsrer Klarheit ; K a u m tliun w i r einen Schritt in dem Gebiet der Wahrheit, So endet sich der Schein, den unsre D ä m m r u n g g a b . W e n seine Kenntnifs bläht, dem fehlt der w a h r « Stab Z u m Mafs der Wissenschaft; das Nichts v o n seinem Wissen, Wird,
will
er weise
seyn,
Sokrat ihn
lehren
müssen.
Die W e i s h e i t , die vor i h m , die H i m m e l nur durchspürt, Hat Sokrates zuerst zur Erden abgeführt. 6) E r lehite, w i e das I l e r z , den Quell in sich verschliefset, Aus ,dcm, nicht aus der W e l t , uns alles Übel fliefset.
N E U N T E R
B R I E F .
4°5
V . 151 — 167. E r , ein erklärter Feind von Wahn und Vorurtheil, Z e i g £ uns das ächte Gut, und macht die Herzen heil, Die jede Leidenschaft, von Weisheit nicht gereinigt, Mehr
als
das
stärkste
G i f t des wilden
Fiebers
peinigt. D i e T u g e n d , die K l e a n tli in eine L a r v e hüllt, D i e leicht ein zartes Herz mit Furcht und
Enkel
füllt; Die
Pflicht,
die A r i s t i p p
von
allem
Ernst
befreyet, Und, ohne roth zu seyn, in Lais Arm entweihet, 7) Z e i g t e r uns w i e sie i s t , streng jeglicher Begierd, D i e von der Pflicht uns lockt, und dann die R e u gebiert; D o c h lächelnd f ü r ein
Herz,
das
seine
Würde
fülltet, Und auf dem engen Pfad nach wahrem Glilcke zielet. D i e Gottheit, die der W a h n , zum Spott der klügern Welt, In tausend Götzen schneidt und eingekerkert hält, L e h r t e r , von Bildern f r e y , die unsrer E h r f u r c h t wehren, In ihren Schöpfungen entdecken und verehren; S i e lafs, P a r r o e n i d e s , des Weltbaus h r o n e s e y n ,
,H>4
MORALISCHE
B N U N ,
V . 168 — i83Alkmäon giefse sie i n die Gestirne e i n ; Dem Weisen der das Nichts von unserm Wissen kennet, Ist sie zu ehren n u r , nicht sie zu sehn, vergönnet. W i e ? dienet der dem H e r r n , den uns die Schöpfung zeigt, Der sein entheiligt Knie in Marmortcmpeln beugt? D e r kennt und ehret Gott, der ihm zu gleichen trachtet, Und seine Stimme nie i n der Natur verachtet! So lehrte Sokrates ! — Glückseliges Athen! Du hast den Mund g e h ö r t !
du hast den Mann
geselin! Du hast der Pflichten Bild in seinem Thun erblicket, D u sahst in ihm den Geist, der selber sich beglücket; Den Redlichen, den Freund, den Menschen, der die W e l t Für eine Vaterstadt uud uns für Brüder h ä l t ; Den Richter, den kein Drohn der Kritias beweget, Den E h m a n n ,
der mit Huld der Gattin Fehler traget, 8)
Den F r e u n d , der in der Schlacht, von gleicher Noth. bedroht,
N e u n t e
n
B
i\ i e
r.
V . i84 — 200. Doch seinen Leib zum Schild der Brust des Freundes both: 9) Ihr, deren Saiten nur von Weltbezwingern Hingen, Seht meinen Helden an, und schämt euch fortzusingen! Bleibt neben Sokrates ein Alexander grofs? Beglückter Xenofon! du wardst in seiner Schoofs Z u m Helden ausgebildt; die Kunst erhabner Seelen, D i e dich unsterblich macht, dem Glücke zu befehlen, That dir seyn Beyspiel kund, und rief die edle Lust Sein Ebenbild zu seyn in deine junge Brust. Wer
hätte
seinem
Werth
sich
nicht
ergeben
müssen? Selbst Alcibiades ward von ihm hingerissen? Sein Antlitz,
w o sich Ernst in Anrauth sanft ergofs,
Nahm schon die Seelen ein.
Von Venus Gaben blofs,
Verschönt er die Natur,
die ihn dem Delfin 10)
Mit Mitteln ohne Kunst,
die ihm die Weisheit
gleichte, reichte; B e y aufgeklärter Stirn und lächelndem Gesicht, Beleidigt unsern Blick die Fauncnnase nicht;
'|06
M o n A i I s c H'E
BRIEFE.
V. £01 — 214. Und darf er nicht beym M a h l , obgleich die Gästa lachen, Dem
schonen
Kritobul
den Vorzug
streitig
machen? n ) Im Schoofs der Armuth hat die Weisheit ihn beglückt. Vom Reichthum unbeschwert, vom Mangel nicht gedrückt, Vergnügt' er die Natur, die nie zu viol begehret, Und unterm Schieferdach des Marmors leicht entbehret. Nie, Vorsicht, hat er dich mit eitlem Flehn ermüdt; W a s fehlt dein, der sein Glück in sich gegründet sieht? Nie hat er euch beneidt,
ihr
Thoren
auf den
Thronen; Dem fehlts an Lorbern nicht, der misset Keine Kronen, Der in sich selber herrscht, und die Begier besiegt, Zu deren Füfsen selbst der W.eltbezwinger liegt. Gefällt mein Lehrer d i r ?
Erkennest du den
Weisen Den Plato, Xenofon, der tauben Nachwelt preisen?
N E U N T E R
B R I E E .
4°7
V . 215 — ¡231. Ist er der S o r g e n w e r t l i , die m e i n e n G e i s t b e m u h i j , U n d , ähnlich i h m zu seyn, mir Scherz und
Schlaf
entziehn? D o c h , F r e u n d i n , k ö n n t i c h dir v o n e i n e m solchen Leben, D e n w ü r d i g s t e n Besclilufs m i t Piatons Z u n g e geben, D a w ü r d e s t d u den Mann in seiner Gröfse sehn, D e n K e r k e r und A n j r t mehr als A p o l l
erhöhn;
S e h n , m i t E n t z ü c k u n g s e h n , w i e n u n der M e n s c h vergehet, U n d s t u f e n w e i s e sich z u einem G o t t erhöhet. Z w a r weintest du v i e l l e i c h t , v o n frommer W e h muth voll, D a f s hier das L a s t e r siegt, die T u g e n d leiden s o l l ; Doch
welche
Wollust
ist
so
süfs
als
solche
Schmerzen ? Sie i i n d das E i g e n t h u m v o n tugendhaften Ja,
Freundin,
traure n u r ,
wenn
Herzen,
Kerker,
Gift
und T o d D e m Besten seiner Z e i t , dem S t o l z der M e n s c h h e i t , droht! W e n n ein Aristofan i n spotterfüllten
Scenen
E s k e k l i c h w a g e n darf den W e i s e n z u
verhöhnen,
W e n n einen Sotvrates M e l i t z u m Urtheil führt,
4O8
M O K A I I I C H E
B R I E F E .
V. 232 — 248. U n d was Belohnung heischt, Stoff zur Verdammung wird; W e n n seiije F r e u n d ' i h m n u n zum Kerker folgen müssen, W e r tadelt sie und
uns,
wenn
unsre
Thränca
fliefsen?
Jedoch ein Sokrates w i l l n i c h t bejammert s e y n ; Bey eines Weisen T p d soll sich sein Freund e r f r e u n . E r fleht den Richtern nicht, die i h n zu beugen hoffen, Beym Urtheil lächelt er, die Kläger stehn betroffen, E r schlägt die L ö s u n g a u s , die i h m die F r e u n d schaft b o t h , Und fliegt dem Kerker z u , u n d segnet seinen T o d , Ihn, der das Göttliche, in u n s e r m L e i b verschlossen, Zurück zur Quelle f ü h r t , aus der es ausgeflossen. D o r t sieht i m reinen L i c h t , das u m die Gottheit fliefst. Sein nebelfreyer Geist das was w a h r h a f t i g i s t ; D o r t liegt der Plan v o r i h m , wornacli die Vorsicht handelt; D o r t findet er, die ihm zum H i m m e l vorgewandelt. Die E d l e n , deren Ruhm noch in Verdiensten lebt, D i e W e i s e n , denen er zu gleichen sich bestrebt.
N E T T S T E R
B
n
I E r.
409
V. 249 — 254So hofft mein Sokrates,
und lasset m i t Vergnügen
W e i t unter seinem Fufs die kleine E r d e liegen; E r n i m m t den Schierlingskelch, so f r e y v o n Angst und Gram, W i e dort Annlireon den Rosenbecher nahm, 12) Reitzt seine F r e u n d e , sich nach seinem Glück zu sehnen, Und lächelnd scheidet er von ihren f r o m m e n T h r ä n c n .
M o 11Ar.isc n e
A
1)
n
m
e
S e i t e 396.
r
k
B n u r » .
u
n
g
e
n
.
U m der S c h ö n h e i t u n d A n m u t h .
seiner S c h r e i b a r t w i l l e n , w u r d e X e n o f o n v o n D i c h t e r n spiner Z e i t d i e A t t i s c h e 2)
S . 397.
Muse
genannt.
So hiefs die v o r n e h m s t e öffentliche
G a l l e r i e i n A t h e n , v o n den v e r s c h i e d e n e n S c l i i l d e r e y e n , w o m i t sie v o n g n o t u s , Pandämus,
den
grofsen
Mykon,
Meislern
Poly-
«usgezicret w a r .
Sie
s t e l l t e n m e i s t e n s d i e T h a t e n des T h e s e u s u n d e i n i g e r b e i ü h m t e n A t h e n i e n s e r v o r , w i e Pausanias in
Atticis
w e i t l ä u f i g erzählt. 3)
S . 401.
M a n stund d a m a h l s in G r i e c h e n l a n d
i n d e r E i n b i l d u n g , dafs b e y d e n Ä g y p t i s c h e n P r i e s tern
tiefe
Geheimnisse
der
Weisheit
verborgen
l ä g e n , deren R u f den A n a x a g o r a s , D e m o k r i t u s , ja sogar
den
Plato,
Lebensweisheit
dessen
seines
Wissensdurst
gTofsen
Meisters
die
reine
nicht
zu
s t i l l e n v e r m o c h t e , n a c h M e i n f i i u n d Sais z o g . 3)
S. .'joi.
5)
S. 401.
Demokritus. Ein üppiger Athenischer
an w e l c h e m X e n o k r a t e s ,
Jüngling,
Agathenors Sohn, ei«
N E U S T E R
B R I E F .
4»
acht Soldatischer N a c h f o l g e r Piatons in der A k a d e mie,
das b e r ü h m t e W u n d e r v o n einer p l ö t z l i c h e n
Bekehrung wirkte.
M i t Rosen b e k r ä n z t , v o n Sal-
ben
in
triefend,
und
einer
seinen losen
Sitten
gemäfsen K l e i d u n g , taumelte P o l e m o n in die S c h u l e des e h r w ü r d i g e n A l t e n , zu
spotten.
UIJI seiner E r n s t h a f t i g k e i t er
ihn
e r b l i c k t e , v o n der
Mäfsigkeit zu
reden a n ,
und
machte
den J ü n g l i n g
so a u f m e r k s a m ,
in
Xenokrates kurzem
fing,
so
bald
dafs er seine Rosenkränze w e g w a r f ,
bald darauf
seine K l e i d e r z u s a m m e n z o g , sich unter dio L e h r l i n g e des X e n o k r a t e s b e g a b , und v o n S t u n d ' an ein so e i f r i g e r S c h ü l e r der W e i s h e i t und T u g e n d w u r d e , dafs er seinem
Lehrer
in
der
Akademie
folgen
konnte. 6)
S. 402.
cccultis
Socrates
ante eum Philosophi losophiam
7) einem,
et vitiis L.
in quibus
occupati fuirant,
et ad vitam
virtutibus quaest.
mihi videtur -primus a rebus
et ab ipsa natura involutis, communem
quaereret
etc.
omnes
avoeavisse
phi-
adduxisse,
11t de
Cicero,
Acad.
I. c. 4 ,
S. 40g.
D i e s e r liösische F i l o s o f
der i h m die L a i s v o r r ü c k t e :
antwortete
Lais
besitzt
m i c h n i c h t , i c h besitze sie. 8)
P. 404.
Unsere
Zeiten,
welche
mehrern
fälschlich angeklagten und verschrienen A l t e n G e rechtigkeit
w i e d e r f a h r e n lassen,
liabsn
auch
die
4i2
Moralische
Briefe.
bekannte Xantippe unschuldiger befunden, als m a n ehedem glaubte.
Indessen zeigen uns Stellen, aus
dem X e n o f o n , dafs sie eben nicht den zärtlichsten und sanftmüthigstenKaraktcr gehabt; denn Sokrates I-.eirathcte sie, u m sich an ihr in der Geduld u n d Menschenliebe zu üben. 9)
S. 405.
Sokrates rettete, nach der unglück-
lichen Schlacht bey Potidäa, Deinen v e r w u n d e t e n jungen F r e u n d , Alcibiades, indem er ihn sammt seinen Waffen mitten d u r c h einen feindlichen Haufen davon trug. 10)
S. 405.
In der Sammlung der Bilder der
Helden und grofsen ¡Männer des Alterthums, welche J o h a n n Angelus K a n i n i g e m a c h t , und d e C h e v r i e r e s ins Französische übersetzt zu Amsterdam 1 7 3 1 heraus gegeben h a t , ist ein Jaspis abgezeichnet, in welchen der Kopf des Theätetus geschnitten i s t , der statt der Mütze eine Larva h a t , die von der einen Seite einen D e l f i n , und von der andern den Sokrates vorstellet.
D i e Haare des Jünglings
machen den Bart des Alten a u s , und die Ähnlichk e i t , welche der kahle Kopf und die gebogene Nase dem Sokrates m i t einem Delfin g i e b t ,
widerlegen
die Gelehrten genugsam, welche diesen Weisen m i t Gewalt verschönern w o l l e n ,
ob ihnen gleich die
Augenzeugen Piaton und Xenofon z u w i d e r sind. Auf diesen Stein, w o T h e ä t e t u s , Sokrates und der Delfin alle drey einander ganz gleich sehen, welches
N E U N T E R
B R I E F .
413
auch mit 3em Zeugnisse der Alten überein k o m m t , folgen z w e y andere, w o Sokrates und Silenus einander so ähnlich s i n d , als ob sie Z w i l l i n g e w a r e n . n)
S. 406.
Dieser scherzhafte Streit des W e i -
sen mit dem schönen Kritobulus i s t , so w i e
ihn
X e n o f o n in seinem Gastmahl erzählt,
von
eines
den schönsten Beyspielen v o n dem w a s die Attische Urbanität und das Attische Salz genennt w u r d e , so uns aus
diesen glücklichen Zeiten ü b r i g
ben ist. 12)
S. 409.
Ode
KXVl.
geblie-
Z E H N T E R ,
B R I E F .
O Vraeclurum diems cum ctd ilhtd divinum animoruin cancilium coetumque proßciscar, citmque ex Jiac turbci et colluvîone dijçcdam! Cicero.
V. i Die
Weisheit,
die
allein
6. don Menschen leben lehrt,
Macht ihm den T o d beliebt,
der
andrer
Ruho
stört. E r hat nichts schreckliches f ü r aufgeklärte Seelen. D e r Aberglaube mag sich m i t Gespenstern quälen, E r öffnet unserm Blick ein paradiesicsh Feld, E i n Leben ohne Schmerz, und eine befsre Welt.
Z e h n t e r
BRIET.
415
V. 7 — 21. Z w a r eilet auch der Heid m i t unerjclirecktcm Muthe Z u m gegenwärtigen T o d , und zahlt mit theurem Blute D e n Zweig, von dem sein Land i h m ganze Wälder schenkt; D e r aber da,
n u r r e i t z t , w e n n Menschenblut ihn tränkt.
Voll Trotz h ö r t ein H u r o n z u m Tode sich verdammen, Lacht seine Mörder
an,
und
jauchzet
in
den
Flammen; Vor Alexandern zflndt der nackende K a l a n , D e r Inden H e r k u l e s , sich seinen Ilolzstofs an. Stirb T h o r , d o c h , hoffe nicht der Helden glänzend Leben, D i e ihr geweihtes Blut dem Vaterland gegeben; So stirbt der Weise n i c h t ! er lebet als ein H e l d ; Und fhefst sein heilig B l u t , so fliefst es f ü r die Welt. Sein Leben m i t dem T o d sokiatisch zu vertauschen. Darf i h n kein Vorurtlieil, nicht Solz noch W u t h berauschen. E r , vvelcEen die Vernunft die Kunst zu sterben lehrt,
4i6
MORALISCHE
BRIERE.
y. 22 — 35. Braucht keinea Mittels nicht, das die Vernunft entehrt; Die Wollust hat für ihn kein Paradies gebauet; Er lacht des Acherons, vor dem den Thoren grauet. W e n n Wahn und Leidenschaft des Pöbels Mutli erweckt, W e r nennt m i r die Gefahr, die seinen Unsinn schreckt? Doch, dafs ein freyor B l i c k , den keine I I o u T i s blenden, O Den nicht Bellona ruft mit Lorbern in den Händen; Noch m e h r , dafs selbst i m Sclioofs der irdischen Seligkeit, Ein
leichtgerührtes Herz des Todes Bild nicht scheut:
Diefs ist der Weisheit W e r k !
Nur sie schafft Heldenherzen,
Und lehrt den Sokrates dem Tod entgegen scherzen. W i e mitlcidwürdig ist, w i e aller Hoffnung blofs, W e r seiner Wünsche Ziel in dieser Welt versclil-fs ? Nicht klugen Wandrern gleich, die nur i h r Ziel ereilen,
Z E H N T E R
B A I S
F.
V. 5 6 - 5 2 . Und die kein L o t u s reitet, sich bey i h m zu verweilen. D e r arme Harpagon, dem nichts mehr übrig bleibt, W e n n ihn sein B i l d , der T o d , von seinen Säcken treibt; D i e schöne L y d i a , an die kein Schnitzbild rcichet, D e r , linidens Venus selbst,
nur
nicht an Härter
weichet; D e r Bruder v o m S i l e n , der weiche Sybarit, D e m nun mit W e i n und Kufs sein ganzes
Glück
entflieht; D e r prächtige Mecän, dem mit Numidschen Säulen Auf der getreuen See beschwerte Schiffe eilen, 5 ) In dessen .Eigenthum das halbe P a r o s gleifst, D e r zu Neptuns Verlust Gebürge niederreitet, 4 ) Als ob er ganz allein dem T o d sein Recht nioht zollte, Und sein Elysium sich hier erschaffen w o l l t e ; D i e a l l e , Freundin, sprich,
sind sie nicht
Thrä-
nen werth, D a mit dem letzten Hauch i h r ganzes Gut entfährt? W i e furchtbar mufs der T o d sich solchen Seelen mahlen, D i a ihm die Ewigkeit mit ihrem Glück bezahlen? '«ViKtAKD« \v. S v r r t . I. B, D d
/¡IQ
M O R A L I S C H E
B R I E T E .
V. 5 3 - 6 8 . D i e E w i g k e i t , die n u r dem Weisen brauchbar ist, D e r w i l l i g hier' e n t b e h r t ,
und
dort erst recht
geniefst. D o r t w o zu neuer L u s t den Geist Kein L e i b u m fasset, I n einer öden N a c h t , die Scherz und Freude hasset, W o die Natur kein Gold den öden Bergen g a b : W i e sehr w ü n s c h t da der T h o r auch seinem Geist ein G r a b ? Beglückt ist L y d i a , sie schonet unsrer Klagen; Sie stirbt m i t ilirem L e i b und w i r d davon getragen j Sie w u c h s und grünt 1 und blüht' und welkt', und fiel n u n ab, Und ihren schönsten T h e i l verschlingt
nunmehr
das G r a b ; F ü r eine Seele darf sie keine Rechnung geben, D i e w a r ein E m b r y o n und fing nie an zu leben. Doch
welch, ein
Theofrast m a h l t m i r den Tigell in,
In dessen eigner Brust der Höllen Flammen glühn ? D e r Feind des Vaterlands, die Geifsel seiner Bürger, Des
Fürsten
Sklav und H e r r ,
so vieler
Würger;
Heere
Z e h n t e r
B R I E F .
419
V. 6 9 - S t . E i n N e r o , ein Sejan, ein Filipp , ein
Gregor,
In welcher Schreckgestalt stellt der den Tod sich vor? Der Go'.tesläugner, den kein Blitz, kein Richter beuget, Der nicht den schwächsten Rest der Menschlichkeit gezeiget, In welchen
Schauern starrt sein nie
erschüttert'
Herz, Wenn sich der Tod ihm naht ?
Wie marternd ist
sein Schmerz? Mein Geist erliegt bestürzt din jammervollen Bildern, Ihr Schatten schreckt
ihn schon;
ihn mag ein
D a n t e schildern! Noch
glücklicher ist
der,
dir
zu
vergehen
glaubt, Wenn dem belebten Blut der Tod dnn Umlauf Täubt; Der mit gelafsnem Muth der Nerven
Ohnmacht
spüret, Und,
wie im N i r e t i p a n , 5 )
sich
siinft in»
Nichts verlieret. Doch welche Seligkeit? beyin blofsen Wort Vergehn,
420
Moralische
Briefe.
V . 82 — 98Erhebt mein ganze» H e r z , und glaubt schon »tili zu stehn. E i n Herz, v o n Wünschen h e i f i , die nie gesättige werden, Das mitten im Gennfs der Freuden dieser Erden Jsiiich. unbekannten
leclwt;
ein
Geist,
der sich
einpfindt, Und seine Grenzen nicht in Raum und Zeiten f i n d t ; W i e kann der ohne Angst an sein Vergehen denken, Und in des Undings Schlund gelafsne Blicke senken? D e r , dessen Unglück noch um unser Mitleid w i r b t , D e r an der kalten Brust der schönen
Thisbe
stirbt; Die D i d o , die Virgil so rührend jammern lässet» Dafs ihrer Tliränen Strom die unsrigen erpresset,' Ist minder hoffnungslos, als ein A v e r r o i s t ,
6
)
Defs abgeschiedncr Geist in dünne L u f t zerfliefst. Der ist bedauernswerth,
den
seine
Zweifel
quälen; Allein w i e nenn ich e u c h , i h r pöbelhaften Seelen, E u c h , die, zur Schmach der Z e i t , w o die Vern u n f t regiert, Die ungeborne Welt dereinst verachten w i r d ,
Z e h r t e t .
BRIET.
421
V. 99 — 1 >4E u c h Sklaven, d i e , der L u s t m i t Sicherheit zu fröhnen, Sich nach der L a i s T o d und nach Vernichtung s e h n e n ? 7) Vergeht n u r , die ihr so die Menschlichkeit e n t e h r t ; W e r solche W ü n s c h e t h u t ,
ist seiner
Wünsche
Werth. D o c h w e r sich menschlich f ü h l t ,
f ü h l t auch den
T r i e b zum L e b e n Sich bis z u r Ewigkeit i n seiner Brust erheben« Dieselbige B e g i e r , die uns zu Thaten zieht, D u r c h die der Helden L o b noch i n den
Sternen
glüht; D i e Memfis Herrscher trieb i n aufgebirgtcn Steinen V o r denen R o m n o c h s t a u n t , der Nachwelt grofs zu scheinen; D i e i n der Alten Brust die Tugend angefacht, D i e Zeit und Alterthum n u r glänzender g e m a c h t ; D i e d u r c h H o m e r u s M u n d der N a c h w e l t
vorge-
sungen. Und sich i n Maro k ü h n
dem Griechen nachge» Schwüngen;
Dieselbige Begier, die alle Grenzen scheut, Ist unserm Geist ein Pfand der Unvergänglichkeit.
422
M O R A L I S C H E
B R I E T E ,
V. 115 —129.
O selig,
w e r i n Gott der
Wesen
Endzweck
sieliet. Und besserm Leben zu m i t seinen Wünschen
fliehet!
W e r Iiier der T u g e n d schon m i t Eifer nachgestrebt, Und mitten in der Zeit der E w i g k e i t gelebt; Mit
Freuden
wird
er - sich
von
dieser
Erde
schwingen, Und zum beglückten Kor belohnter Weisen'dringen. I s t , F r e u n d i n , diese W e l t w o h l unsrer Herzen Werth, W o Tugend Schande m a c h t , und n u r das Laster ehrt? W o Leidenschaft ur.d Tand fast jede Tliat gebieret, W o Epiktetus dient, Domizian regiei'et; W o sich zum Mittelpunkt ein jeder selber setzt; Wo
man Verdienst und W i t z
nach Stand
und
R e i c h t h u m schätzt; Wo
Rapax
durch
die Kraft der
zaubrischcn
Dukaten, Uns m i t Verdiensten b l e n d t ; 0) w o die geringsten Thaten D e r T h o r e n , die das Glück, u n d nie i h r erhebt,
Werth,
Z r. ii i i e b
B r i e f , -
425
V. 130 —.144. Ein schmeichlerischer Sklav' in Erz und Marmor gräbt? N e i n , D o r i s , liier ists nicht, w o unsre Wohlfahrt blühet! Dort w o dein schöner Blick den weifsen Gürtol sicher, D e r seinen Silberglanz von tausend Erden lehnt. Die heisrer Sonnen Strahl zur Wohnung uns verschönt; 9) Dort ruft uns unser L o h n , dort freuen sich die Weisen, Dafs w i r zu ihrem Glück auf ihrer Strafse reisen. Dort
täuschet unsern Wunsch
kein
wesenloser
Wahn; Dort strahlt uns die Natur durch befsre Sinnen an; Dort endet alles W e h , dort lliefsen unsre Zähren* Nicht mehr von Gram erprefst, nur unsre Lust zu nähren. Dort sättigt unsern Geist ein unvergänglich Glück} Und eine Ewigkeit wird ihm zum Augenblick. So wenig schrecklichs hat der Tod für freye Augen, Die durch den äufsern Schein zum Grund zu dringen taugen!
424
ÄIORAtlSCHE
ÜHIEIt,
V. 145 — »62. Bebt auch ein Wanderer, in Wüsteney'n verirrt, Vor einem Freunde, der zum Ziel der Reis' ihn führt? Was, Kenner der Natur, hat un» der Welt gegeben? War nicht des Tliieres Tod der Weg zu diesem Leben? Pes Engels Leben ist des vot'gen Menschen Grab! So legt ein träger Wurm die goldne Hülle ab. Erhebt sich bun tbcschwingt in ungewohnten Lüften, Und nährt,
statt Erde,
sich mit junger Rosen Düften.
Vielleicht dafä uns auch do«, wo unser Glück jetzt winkt. Ein minder bittrer Töd in n e u e W e l t e n bringt? Kein unbeweglich Ziel zwingt uns in enge Kreise, Der Geister rege Kraft weicht
stets aus
ihrem
Gleise In eine gröfsre Sfär: So tritt aus seiner Bahn Ein kühner Mond, und glänzt entfernte Himmel an. O reiche Hoffnungen für aufgeklärto Seelen I Wird wohl, wer euch besitzt, sich A t t a l a Schätze Wählen ? Beynah versucht ihr mich, wie einst Sokratens Tod Und die Unsterblichkeit den edlen Jü 1 e 0 m b r o t.i°)
Z e
K T E n
B x i i r,
425
V. 163 — 168. Doch nein! ein kölner Sclilufs verbindet uns der Erden. Die E w i g k e i t verdient, mit flüchtigen Beschwerden Von uns erkauft zu seyn. Vollend erst deinen L a u f , Und steig,
auf engem Pfad, zum schönen Ziel hinauf;
Denn nur zum Sterben ward diefs Leben uns gegeben, Und wa9 der T o d uns schenkt, das ist das wabro Leben.
M o ß a r. i s c H e
42Ö
B k i k r e.
Anmerkungen.
1) Seito 4 j 6 . Diesen Nymfen des Malionimedischen Paradieses w i r d . liier die Gabe zu blenden nicht hyperbolischer W e i s e zugeschrieben ; denn sie liaben (nach der Versicherung der Kommentatoren des Korans) A u g e n , die so grofs Wie Ilühnereyer i und von solchem Glänze sind, dafs wenn sich eine v o n ihnen um Mitternacht auf Erden sehen liefse, sie es so helle mschen w ü r d e , als die Sonne am Mittag. 2)
S. 416.
Man w ü r d e m i c h sehr unglücklich,
verstehen, vyenn man meinte, i c l i r e c h n e hierdurch meinen W e i s e n unter die grofsen Männer des Herrn Deslandes,
die scherzend gestorben sind. Man nuifs
ein Solirates oder Thomas More Eeyn,
um dem
T o d e so entgegen scheTzen zu können, dafs die W e i s h e i t Antheil daran hat. 3) S. 417. 5. Horat.
Od.
18. L.
II,
und den
92. Brief des Seneka. 4)
S. 4i7-
Contractu pisces aequora sentiunt Actis in altum molibus; huc frequens Caementa demiltit redemtor, etc. Horat. L.III. Od.I.
Z E H R T E »
5)
S. 4,19.
B R I E T .
Nireupan
427
i s t das Paradies
oder
v i e l m e h r die Seligkeit der Siameser, w o r i n die Seein so glücklich ist, gar n i c h t s z u e m p f i n d e n n o c h zu b e g e h r e n . F o e , dessen.Meinungen d u r c h ganz Indien ausgebreitet sind, v e r w e i s e t auf eine eben so subtile u n d schläfrige Seligkeit, w e l c h e r E p i m e n i d e s voft Kreta sehr nahe g e k o m m e n seyn mufs, der in einer H ö h l e 57 J a h r e nach einander fortgeschlafen h a t ; w e n n d i e , nach des Apostels Z e u g n i f s , sehr unzuverlässigen K r e t e r , die es i h m n a c h s a g e n ,
nicht
gelogen h a b e n . 6)
S. 420.
So lieifsen einige freye K ö p f e , wel-
che sich die psychologischen Lehrsätze des A l e x a n d e r s von A f r o d i s i e n
u n d des A v e r r o e s ge-
fallen liefsen, und sich i m 15. S e k u l u m in Italien so f ü r c h t e r l i c h machten, dafs i h n e n d u r c h das letzte Lateranische Conciliuni E i n h a l t g e t h a n w e r d e n mufate, 7)
S. 421.
L a M e t r i e , z. B .
o)
S. 422.
Scilicet
uxorem
cum dote.
fidemque
et amicos Et
genus
et formam.
regina
pecunia
decorant
Suadela
donat, Et
bene nummatum
Venusque. Ilorat. 9) S. 423.
Sat. I. L.I.
D i e Milchstrafse w a r , nach der Mei-
n u n g einiger filosofischen Sekten, die W o h n u n g
der
/¡sg
MORALISCHE
te'igen Abgeschiedenen.
B a u n ,
Eavita,
vita in coelum est,
et in hunc coelum eorum qui jatn vixerunt et corpore laxati, erat inter
illum autem
incolunt is
flammas
lo cum,
splendidissimus circus
el'ucens,
a Graiis accepistis, orbemlacteum
vides; c andor
e
quem vos ut nuncupatis etc.
Cicero 10)
quem
in Somn. Scip.
S. 424. E i n Jüngling, den nach L e s u n g d e s
Gesprächs von der Unsterblichkeit der Seelen, w e l ehes Plato aus den letzten Reden des Sokrates verf a ß t e , eine so grofse Begierde nach dem zukünftigen L e b e n ergriffi dafs er sich ins Meer stürzte,
um
ungesäumt z u einer so grofsen Glückseligkeit
zu
gelingen.
ENDE
DES
I.
BANDES.