Buchkunde: Ein Überblick über die Geschichte des Buches [6th rev. and enl. Edition] 9783110949292, 9783598113901


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German Pages 396 Year 1998

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Ι. Voraussetzungen für die Entstehung des Buches: Die Schrift und die Beschreibstoffe
Vorbemerkung
Die Schrift
Die Beschreib- und Bedruckstoffe
II. Das geschriebene Buch, seine Herstellung und Ausstattung
Das Buch und seine gesellschaftliche Bedeutung
Die Buchformen
Die Herstellung und Gestaltung der mittelalterlichen Handschrift
Die Buchmalerei
III. Die Herstellung des gedruckten Buches — Erfindung und Entwicklung des Buchdrucks
Die Erfindung des Buchdrucks
Die Ausbreitung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert
Die Entwicklung des Buchdrucks vom 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts
Die Industrialisierung der Buchherstellung
IV. Die Buchkunst: Gestaltung und Ausstattung des gedruckten Buches
Der Buchkunst-Begriff
Die typographische Gestaltung der Inkunabeln
Die bibliophilen Unternehmen des Kaisers Maximilian
Stilgeschichtliche Gestaltungsmerkmale von der Renaissance bis zum Jugendstil
Die Buchkunstbewegung
Die neue Buchkunst in europäischen Ländern
Die Buchillustration
V. Die Herstellung und Gestaltung des Bucheinbandes
Die Handbuchbinderei
Die Industrialisierung der Buchbinderei und die Herstellung des Verlagseinbandes
Die Gestaltung des Bucheinbandes
Auswahl ergänzender und weiterführender Literatur
Sach- und Personenregister
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Buchkunde: Ein Überblick über die Geschichte des Buches [6th rev. and enl. Edition]
 9783110949292, 9783598113901

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säur

Fritz Funke

BUCHKUNDE Ein Überblick über die Geschichte des Buches

6., überarbeitete und ergänzte Auflage

Κ · G · Saur München 1999

Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme

Funke, Fritz: Buchkunde : ein Uberblick über die Geschichte des Buches / Fitz Funke. — 6., iiberarb. und erg. Aufl. — München : Saur, 1999 ISBN 3-598-11390-0

© Gedruckt auf säurefreiem Papier Alle Rechte vorbehalten/All Rights Strictly Reserved K.G. Saur Verlag GmbH & Co. KG, München 1999 Part of Reed Elsevier Printed in the Federal Republic of Germany Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlags ist unzulässig Satz: Fotosatz Herbert Buck, Kumhausen Druck: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Binden: Buchbinderei Schaumann, Darmstadt ISBN 3-598-11390-0

Vorwort Da für die bereits seit 1959 vorliegende und als Lehrbuch und Nachschlagewerk geschätzte „Buchkunde" ein unverminderter Bedarf besteht, haben sich Verlag und Autor entschlossen, sie nunmehr in 6., erneut überarbeiteter und ergänzter Auflage erscheinen zu lassen. Es hat sich für die an dem umfangreichen Stoff unter verschiedenen einschlägigen Fragestellungen interessierten Nutzer als praktisch und nützlich erwiesen, daß das Werk in ausgewogenen, knappen Formulierungen sich auf die wichtigsten Bereiche der vielfältigen Wirkungsgebiete und der weitgefächerten Kulturgeschichte des Buches, einschließlich der Schrift und der Beschreibstoffe, konzentriert. In geschlossenen Themenkomplexen sind die Fakten zu anschaulicher Information verarbeitet. Die neue Auflage berücksichtigt Veränderungen im Buch- und Druckwesen, die sich im letzten Jahrzehnt ergeben haben. Dabei ist vor allem auch die Computertechnik in der Buchherstellung berücksichtigt worden. Da aber in der Buchkunst, vor allem in der den zeitgenössischen Kunstströmungen und Ausdrucksformen angepaßten Illustration, bei all ihrer originellen Vielfalt und eigenen Qualität kaum besonders geartete Gestaltungstendenzen zu beobachten sind, wurde auf die bloße Aufzählung weiterer bekanntgewordener Künstler, auch im Interesse einer Umfangsbegrenzung, verzichtet. Für Unterstützung bei der Bearbeitung der Neuauflage ist erneut der Wissenschaftlichen Bibliothekarin Frau Lieselotte Reuschel sowie der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Frau Helma Schaefer und der Bibliothekarin Frau Uta Höbold vom Deutschen Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Bücherei Leipzig zu danken. Leipzig, August 1998

Fritz Funke

Inhalt ι. Voraussetzungen für die Entstehung des Buches: Die Schrift und die Beschreibstoffe Vorbemerkung

13

Die Schrift

13

Entstehung und Definition Vorstufen, formale und systematische Entwicklung Die Entstehung der Buchstabenschrift Die Keilschrift Die ägyptische Schrift Ansätze zur Entwicklung der Buchstabenschrift

13 14 14 15 15 17

Das Alphabet und seine Entwicklung Die älteste Buchstabenschrift und ihre Verzweigung Die griechische Schrift Die slawischen Schriften Die lateinische Schrift Abkömmlinge der griechischen und lateinischen Schrift

19 19 21 23 24 26

Die Weiterentwicklung des lateinischen Alphabets Vorkarolingische Schriftgruppen Die karolingische Minuskel Die gotische Minuskel, deutsche und lateinische Schreibschrift

28 28 30 31

Schreibmeister und Schreibkünstler Zur Geschichte der Paläographie Formen der Druckschrift Gebrochene Schriften der Frühdruckzeit Die Antiqua Kursiv und Schreibdruckschriften Die Fraktur Neue Formen im 19. Jahrhundert und die Entwicklung der Künstlerschriften im 20. Jahrhundert

33 35 37 38 40 46 47

Die Beschreib- und Bedruckstoffe Ursprüngliche Schriftträger Das Papier Die Erfindung durch die Chinesen Die Ausbreitung im Osten Die Ausbreitung nach Westen Die alte Herstellungsweise Technische Neuerungen bis 1800 Die Papiermaschine

50 54 54 55 55 55 56 57 58 59

8

Die Rohstoffe Die industrielle Herstellungsweise

60 61

Papierkunde und Wasserzeichenforschung

62

II. Das geschriebene Buch, seine Herstellung und Ausstattung Das Buch und seine gesellschaftliche Bedeutung

65

Die Buchformen

66

Die Tontafel Die Buchrolle Der Kodex

66 67 70

Die Herstellung und Gestaltung der mittelalterlichen Handschrift

71

Die Buchmalerei

75

Allgemeine Merkmale Anfänge der Uberlieferung Griechisch-römische und frühchristliche Beispiele Die Entwicklung im byzantinischen Reich Stilepochen Vorkarolingische Gruppen Karolingische Gruppen und Schulen Romanischer Stil Charakteristische Merkmale Frühromanik in Deutschland Hoch- und Spätromanik in Deutschland England Frankreich Italien Gotischer Stil Charakteristische Merkmale Frankreich und die Niederlande Deutschland Böhmen Italien England

75 76 77 78 81 81 85 88 88 89 89 91 91 93 93 93 94 94 96 98 98

9

ΙΠ. Die Herstellung des gedruckten Buches — Erfindung und Entwicklung des Buchdrucks Die Erfindung des Buchdrucks

99

Die Bedeutung der Erfindung Frühere Druckverfahren Stempel- und Siegeldruck Zeugdruck Blockdruck Druck mit beweglichen Schriftzeichen Einzelbuchstabenstempel

99 100 100 100 100 101 102

Gutenbergs Leben und Werk Herkunft und Straßburger Zeit Die ersten Mainzer Drucke, der Prozeß mit Fust und die Β 42 Zweifelhafte Zuschreibungen

102 102 103 105

Die Erfindung und ihre Technik Der Schriftguß Der Druckbetrieb

107 108 109

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen der Erfindung Die Buchdrucker Die Buchproduktion

111 111 112

Die Inkunabeln, ihre zeitliche Begrenzung, Erforschung und Verzeichnung

115

Die Ausbreitung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert

118

Deutschland Italien Frankreich England Die wichtigsten der übrigen europäischen Länder

118 127 130 131 132

Die Entwicklung des Buchdrucks vom 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts Gesellschaftliche und gewerbliche Merkmale der Entwicklung Der Buchdruck im Dienste von Reformation und Bauernkrieg Der Einfluß von Humanismus und Renaissance auf das Buchgewerbe Die Auswirkungen feudalabsolutistischer Verhältnisse auf die Entwicklung des Buchdrucks in Deutschland Beispiele charakteristischer Druckwerke Bedeutende Druckorte und Persönlichkeiten des deutschen Druck- und Verlagswesens Grundzüge der Entwicklung des Buchdrucks in europäischen Ländern Italien Frankreich Spanien Die Niederlande

133 133 135 139 142 147 155 163 163 166 172 173

10

England Rußland Die wichtigsten der übrigen europäischen Länder Die Industrialisierung der Buchherstellung

177 181 183 189

Grundzüge der Entwicklung Die industrielle Herstellung der Druckschrift Die Gießmaschine Das typographische Maßsystem Der Herstellungsvorgang Die Schriftgießereien Die Druckschriftproduktion nach dem zweiten Weltkrieg

189 193 193 193 194 196 198

Die industrielle Drucktechnik Hochdruck Die Schnellpresse Die Setzmaschinen Die Reproduktionstechnik Die Stereotypie und Galvanoplastik Flachdruck Die Lithographie Der Offsetdruck Der Lichtdruck Die Ubertragungsverfahren Tiefdruck Siebdruck Der Herstellungsvorgang

200 200 200 201 204 205 205 205 206 207 208 208 209 210

Charakteristische Entwicklungsmerkmale am Beispiel einiger Firmen

213

IV. Die Buchkunst: Gestaltung und Ausstattung des gedruckten Buches Der Buchkunst-Begriff

221

Die typographische Gestaltung der Inkunabeln

221

Die bibliophilen Unternehmen des Kaisers Maximilian

223

Stilgeschichtliche Gestaltungsmerkmale von der Renaissance bis zum Jugendstil

226

Die Buchkunstbewegung

230

Die Vorläufer in England und Deutschland Die Träger der deutschen Buchkunstbewegung Die Anreger Die Verleger Die Drucker und Schriftgießer

230 233 233 235 237

11

Die Die Die Die

Künstler Lehranstalten Pressen bibliophilen Gesellschaften

Die Auswirkungen der Buchkunstbewegung Die Pflege der Buchgestaltung nach dem zweiten Weltkrieg Die neue Buchkunst in europäischen Ländern England Frankreich Italien Die Niederlande Schweden Rußland und die Sowjetunion Polen Die Tschechoslowakei Ungarn Die Buchillustration

237 240 240 241 242 244 248 248 249 249 250 250 251 252 253 254 255

Die Bilddruckform, Originalgraphik und Reproduktion Der Buchholzschnitt Das Verfahren Die Illustration der Inkunabeln Deutschland Italien Frankreich Die Niederlande Illustratoren des 16. Jahrhunderts in Deutschland Beispiele der Holzschnittillustration des 16. Jahrhunderts in anderen Ländern .. Die Wiederbelebung des Holzschnittes und der Holzstich

255 255 255 258 258 267 269 270 271 278 281

Die Kupferstichillustration Technische Verfahren Aufkommen und Entwicklung bis zum 18. Jahrhundert Die Blüte der französischen Illustrationskunst im 18. Jahrhundert Die Kupferstichillustration außerhalb Frankreichs im 18. Jahrhundert

282 282 284 291 298

Illustratoren im 19. und 20. Jahrhundert Deutsche Illustratoren im 19. Jahrhundert Englische Illustratoren im 19. Jahrhundert Französische Illustratoren im 19. Jahrhundert Deutsche Illustratoren der Buchkunstbewegung und der Gegenwart Illustratoren der Buchkunstbewegung in europäischen Ländern

302 303 308 314 319 329

12

V. Die Herstellung und Gestaltung des Bucheinbandes Die Handbuchbinderei

335

Die Herstellung des Handeinbandes

335

Die Entwicklung des Buchbinderhandwerks

339

Die Industrialisierung der Buchbinderei und die Herstellung des Verlagseinbandes . . . .

342

Die Gestaltung des Bucheinbandes Die buchkundliche Bedeutung des Einbandes Der mittelalterliche Einband Stilmerkmale des Handeinbandes von der Renaissance bis zur Gegenwart Der Renaissance-Einband in Italien und Frankreich Die französischen Stilarten Die deutsche Einbandkunst Die englische Einbandkunst Die Stilarten im 19. Jahrhundert und die Einbandkunst im 20. Jahrhundert . . . . Supralibros und Exlibris Die Gestaltung des Verlagseinbandes

345 345 346 349 349 352 355 359 361 364 365

Auswahl ergänzender und weiterführender Literatur

369

Sach- und Personenregister

379

Ι.

Voraussetzungen für die Entstehung des Buches: Die Schrift und die Beschreibstoffe Vorbemerkung Voraussetzungen für die Entstehung des Buches sind eine entwickelte Schrift und ein geeigneter Beschreib- bzw. Bedruckstoff. Die Schrift ist nicht unmittelbar an das Buch gebunden. Sie entsteht und besteht auch unabhängig von ihm. Das Buch im hier gemeinten buchkundlichen Sinne jedoch bedarf der Schrift und eines beschreibbaren Materials. Als solches können die verschiedensten Stoffe dienen, insbesondere aber Stein, Ton, Leder, Papyrus, Pergament, Papier, die ebenfalls und vorwiegend für andere Zwecke als zur Buchgestaltung genutzt werden. Von ihnen hat sich das Papier als das für die Herstellung und Verbreitung des Buches am besten geeignete Material erwiesen. Das Buch bildet mit der Schrift und dem Beschreib- bzw. Bedruckstoff eine Wesenseinheit. Deshalb wird zunächst die Geschichte der Schrift sowie der Beschreib- und Bedruckstoffe, speziell des Papiers, eingeschränkt auf die Verwendung für das Buch, behandelt.

Die Schrift Entstehung und

Definition

Im Verlauf der Entwicklung menschlicher Gemeinschaften wird der Gebrauch von Schrift erforderlich, wenn mündliche Uberlieferungen, Verlaut- und Vereinbarungen nicht mehr den wirtschaftlichen Interessen und kulturellen Bedürfnissen entsprechen. Die gesellschaftlichen Verhältnisse müssen so weit fortgeschritten sein, daß eine führende Schicht von Amtsträgern, z.B. Priestern, entstanden ist, welche die Aufgaben der Verwaltung und Organisation des Gemeinwesens, die Pflege des Kultes und des Wissens übernimmt und dafür eine Schrift entwickelt und gebraucht. Infolgedessen bildet sich das Schreibwesen und ein Stand von Schriftkundigen aus. Dieser Vorgang ist im Verlauf der Menschheitsgeschichte zuerst bei den ältesten Kulturvölkern Mesopotamiens und Ägyptens, aber auch im alten China nachweisbar. Von den dort jeweils eigenständig erfundenen Schriftsystemen stehen das mesopotamische und das ägyptische mit der Entwicklung unserer heutigen Buchstabenschrift in ursprünglichem Zusammenhang. Unter Schrift versteht man verschiedenartige Zeichensysteme (vgl. Ideenschrift, Wortschrift, Silbenschrift, Buchstabenschrift) mit unterschiedlichem Formbestand (Bildzeichen, Keilzeichen, Strichzeichen). Die Zeichen kann man durch beliebige graphische Techniken (Schreiben, Zeichnen, Meißeln oder Ritzen, Malen, Drucken) und Mittel (Finger, Griffel, Feder, Meißel, Pinsel, Drucktype) hervorbringen. Sie haben den Zweck, sprachlich erfaßte Denkakte und Ereignisse festzuhalten und dienen der Mitteilung und Uberlieferung über Zeit und Raum hinweg oder als Gedächtnisstütze und Erinnerung für den Schreiber selbst. Voraussetzung der Schrift ist die Sprache. Ihr Sinngehalt und, auf fortgeschrittener Entwicklungsstufe, ihr Lautbestand werden von der Schrift fixiert. Dadurch kann eine Schriftsprache entstehen, die mundartliche Bindungen überwindet, und es vermag sich eine vom Gedächtnis und von mündlicher Uberlieferung unabhängige Literatur und Wissenschaft zu entwickeln. Die Fähigkeit der Schrift, Sinngehalt und Laute festzulegen, macht sie zu einem der wichtigsten Bestandteile der Kultur. Aber nicht alle Völker

14

Voraussetzungen für die Entstehung des Buches

haben eine eigene und ursprüngliche Schriftschöpfung hervorgebracht. Viele haben fremde Schriften übernommen und verschiedentlich abgewandelt. Es sind nur wenige große Systeme historisch wirksam geworden (Keilschrift, ägyptische Hieroglyphe, chinesische Schrift, Buchstabenschrift), und nur einige haben sich bis zur Gegenwart erhalten.

Vorstufen, formale und systematische Entwicklung Der Schrift gehen gewisse Vorstufen voraus wie gegenständliche oder zeichnerische Darstellungen verschiedener Art. Sie unterscheiden sich von der Schrift dadurch, daß sie nicht alle deren Merkmale aufweisen. So können gegenständliche Vorstufen zwar Mitteilungszwecken dienen, sie sind aber nicht, wie die Schrift, graphisch fixiert. Zeichnerische Vorstufen sind zwar graphisch hervorgebracht, aber sie erfüllen keinen Mitteilungszweck. Beispiele für Gegenstandsschriften sind u.a. Denkmäler, Kerbhölzer wie sie für Zähl- und Abrechnungszwecke verwendet wurden, Knotenschnüre, die für verschiedene Zähl- oder magische Zwecke oder als Erinnerungszeichen dienten usw. Beispiele zeichnerischer Vorstufen sind bildliche oder symbolische Darstellungen (Kreuz, Kreis, Sonnenrad usw.), auch Höhlen- und Felszeichnungen, ferner Eigentums- und Hausmarken, Gaunerzinken u.ä. Alle Zeichenformen der großen Schriftsysteme haben ihren Ursprung im Bild. In dem Stadium, in dem das zunächst realistische Bild als Schriftzeichen angesprochen werden kann, ist es meist bereits stilisiert und symbolisiert. So entwickelten sich aus dem Bildzeichen von der realistischen Darstellung abstrahierte Strichzeichen, die allmählich gleichbleibende Form annahmen und immer zur selben Bezeichnung verwendet wurden. Die Entwicklungsstufen führen von dem noch nicht an einen direkt ablesbaren Wortlaut gebundenen Zeichenkomplex der Ideenschrift — die nur nach ihrem Sinngehalt deutbar ist — zur Wortbildschrift, bei der jedem Bildzeichen ein eigener Begriff zugrunde liegt. Die nächste Stufe der Wortlautschrift ist phonetisiert, d.h. direkt auf den Lautbestand fixiert. Sie führt weiter zur Silbenschrift, die gleichlautende Silben mit demselben Zeichen schreibt. Die letzte Entwicklungsstufe, die der Buchstabenschrift, ist erreicht, wenn jedes Schriftzeichen nur noch einen Einzellaut bezeichnet. Dabei kommt man mit einer Mindestzahl von Zeichen aus. Wegen dieser Reduzierung auf eine verhältnismäßig geringe Zahl von Einzellautzeichen und wegen ihrer einfachen Form hat sich die Buchstabenschrift gegen die älteren komplizierten Schriftsysteme durchgesetzt. Als ein Beispiel können die völlig vom ursprünglichen Bildcharakter gelösten Formen des lateinischen Alphabets gelten. Die Buchstabenschriften sind entsprechend den sprachlichen und stilistischen Eigenarten bei den einzelnen Völkern modifiziert worden. Um eine genauere Wiedergabe sprachspezifischer Laute bemühen sich wissenschaftliche phonetische Systeme. Eine weitere Vereinfachung der Schriftform stellen die Kurzschriften dar.

Die Entstehung der Buchstabenschrift Die historische Entwicklung vom Bild zum Buchstaben vollzog sich über mehr als anderthalb Jahrtausend. Die ältesten Schriften entstanden im alten Vorderen Orient. Es sind die Keilschrift und die ägyptische Hieroglyphe (Hieroglyphe = heiliges Zeichen). Ihre Systeme enthalten wesentliche Merkmale und Stufen der Schriftentwicklung. Daneben kamen im östlichen Mittelmeerraum weitere Schriften in Gebrauch, die Entwicklungsstadien zwischen Wortbild- und Silbenschrift zeigen und vereinzelt Spuren von Einzellautzeichen erkennen lassen. Im Kreuzungsbereich dieser Schriften entstand die Buchstabenschrift im Laufe des 2. vorchristlichen Jahrtausends auf syrisch-phönikisch-palästinensischem Boden. Ihre vollkommene Ausbildung erreichte sie in den altnordsemitischen Schriften, zu denen die phönikische, kanaanäische und aramäische gehören.

Die Schrift

15

Es erhebt sich nun die Frage, ob ein entwicklungsgeschichtlicher Zusammenhang zwischen den einzelnen Ansätzen zur Buchstabenschrift besteht und welche Einflüsse sich auf deren Entstehung ausgewirkt haben. Dazu gibt es verschiedene Hypothesen. Die Keilschrift Als die früheste Schrift der Menschheit gilt die der Sumerer, der ältesten seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. geschichtlich bezeugten Einwohner Südmesopotamiens. Sie war ursprünglich eine reine Bilderschrift und entstand unter den gesellschaftlichen Verhältnissen der Tempelwirtschaft in den sumerischen Stadtstaaten (Ur, Lagasch, Uruk, Umman u.a.), in denen sich die Herrschaft von Priesterfürsten, die Tempel als kultische und wirtschaftliche Zentren, die Viehzucht und die Landwirtschaft, das Handwerk und die Bewässerungstechnik herausgebildet hatten. Die überwiegende Mehrzahl der Schriftfunde sind Wirtschaftstexte, dazu kommen Rechtsurkunden, Aufzeichnungen historischer Ereignisse und Herrscherlisten. Die Bildzeichen waren um 3000 v. Chr. aus älteren gerundeten Formen bereits zu einer eckigen Strichschrift umgebildet. Im Laufe des 3. Jahrtausends unterwarfen die semitischen Akkader aus Nordmesopotamien die Sumerer, übernahmen deren Schrift und wandelten die Strichelemente schließlich bei Drehung der Zeichen um 90 ° zu Keilformen. Die Bezeichnung „Keilschrift" wird auf mehrere Schriften angewendet, die ihrem System nach verschieden sind und auch für verschiedene Sprachen Verwendung fanden. Die Keile entstanden dadurch, daß ein Griffel von drei- oder rechteckigem Querschnitt übereck in feuchten Ton, den gebräuchlichen Beschreibstoff, gedrückt wurde. Keilschriftformen waren im gesamten alten Orient in Gebrauch. Es werden folgende Systeme unterschieden: das mesopotamische, das elamische, das altpersische und das syrische. Von diesen wurde das mesopotamische allein für die Sprache der Sumerer, der Babylonier und Assyrer, der Chaldäer, der Hethiter und einiger anderer Völkerschaften verwendet. Seit dem 2. Jahrtausend führten die Babylonier und Assyrer die Entwicklung fort; es ergaben sich beträchtliche Wandlungen. Das System der mesopotamischen Keilschrift enthält einen Grundbestand von Wortzeichen, zeigt aber schon fortgeschrittene Phonetisierung zur Lautschrift mit Silbenstruktur. Die ursprünglich sumerischen Wortzeichen wurden semitisch gelesen, aber auch als Silbenzeichen sowohl in semitischer als auch in sumerischer Lautfolge gebraucht; überdies konnte ein Zeichen mehrere Bedeutungen haben. Das erschwerte das Schreiben und Lesen dieser Schrift und führte zu verwirrender Vieldeutigkeit, der man mit Determinativen (auf einen bestimmten Bedeutungsbereich verweisende Zeichen) zu begegnen suchte. Die Schriftrichtung verläuft in alter Zeit senkrecht und linksläufig, später waagerecht und rechtsläufig. Seit dem 8. Jh. v. Chr. werden die mesopotamische, in den folgenden Jahrhunderten auch die anderen Keilschriften verdrängt und vergessen. Als erstem gelang es 1802 dem deutschen Sprachforscher Georg Friedrich Grotefend (1775 — 1853), die Grundlage zur Wiederentzifferung zu schaffen. Er ging von der persischen Keilschrift aus, die etwa zwischen dem 6. und 4. Jh. v. Chr. in Gebrauch war, nach einem selbständigen System vermutlich von den Königen Kyros oder Dareios erfunden wurde und ein Ubergangsstadium von der Silbenschrift zur Buchstabenschrift bildete (Abb. 1).

Die ägyptische Schrift Die ägyptische Hieroglyphenschrift entstand im Verlauf der Gründung des „Alten Reiches" etwa seit Ende des 4. Jahrtausends v. Chr. Ackerbau und Viehzucht und die Bewässerungstechnik waren entsprechend weit entwickelt. Kleinere politische Machtzentren (Gaue) entstanden. Schriftliche Aufzeichnungen wurden notwendig. Die ältesten überlieferten Zeugnisse betreffen wirtschaftliche Fakten und politische Ereignisse und den Kult. Auf der Grundlage der bereits entwickelten

Abb. 1: Oberteil vom Obelisk des assyrischen Königs Salmanassa II. (860 — 824 v. Chr.) mit Reliefbildern und Inschrift in Keilschrift über Tributzahlungen an den König

Die Schrift

17

bildnerischen Fähigkeiten der Ägypter entstanden die Bildzeichen dieser Schrift, deren System Anfang des 3. Jahrtausends abgeschlossen vorlag und sich seitdem nicht verändert hat. Die Schrift zeigt zugleich mehrere Stufen der allgemeinen Schriftentwicklung nebeneinander: Reste von Ideogrammen, Wort-, Silben- und Einzellautzeichen. Bei mehrfacher Bedeutung konnte neben das Bildzeichen auch die phonetische Schreibung des Wortes mit diesen Einzellautzeichen treten und außerdem durch Determinative das Begriffsfeld angedeutet werden, zu dem die gemeinte Bedeutung gehörte. Die Schrift umfaßt über 600 Zeichen und drückt nur Konsonanten aus. Die Schreibrichtung verlief zunächst senkrecht und linksläufig, später auch waagerecht, aber seltener rechtsläufig; die Zeichen blicken in entgegengesetzte Richtung (Abb. 2). Die 24 einkonsonantischen Lautzeichen wurden aber von den Ägyptern wohl noch nicht im Sinne einer Einzelbuchstabenschrift begriffen und verwendet; sie haben die Wortbildzeichen nicht zu ersetzen vermocht. Es muß deshalb fraglich bleiben, ob sie dem Prinzip einer echten Buchstabenschrift entsprachen. Jedoch gibt es wissenschaftliche Theorien, welche die Buchstabenschrift nach ihren Formen und Lautwerten auf die ägyptischen Hieroglyphen zurückzuführen suchen. Neben der meist für kulturelle Zwecke verwendeten hieroglyphischen Monumentalschrift entwickelte sich eine abgeschliffenere Form, die für profane Zwecke gebrauchte hieratische (Buch-) Schrift. Diese wird im 7. Jh. v. Chr. von der seit dem 10. Jh. aus ihr entwickelten und stark vereinfachten demotischen (volkstümlichen) Schrift ersetzt. Die hieratische Schrift wurde seitdem nur noch von den Priestern gebraucht (hieratisch = heilig, priesterlich). Im 3. Jh. n. Chr. setzte sich die koptische Schrift durch. Sie besteht aus der seit dem 2. Jh. v. Chr. in Ägypten verwendeten griechischen Schrift, die mit Resten der demotischen vermischt ist. Die Kenntnis der ägyptischen Hieroglyphen schwand seit der römischen Kaiserzeit. Dem Franzosen Jean-Franjois Champollion (1790 — 1832) gelang 1822 der erste ernst zu nehmende Wiederentzifferungsversuch an Hand des 1799 gefundenen Steins von Rosette, der eine Inschrift in zwei Sprachen und drei Schriften (Hieroglyphen, demotisch, griechisch) enthält. Vom Griechischen ausgehend, gelangte Champollion zur Lesung der Namen von Königen und schließlich auch zur Entzifferung ganzer Texte. Auf dieser Grundlage aufbauend, erkannte dann der deutsche Ägyptologe Richard Lepsius (1810-1884) das System der Schrift.

Ansätze zur Entwicklung der Buchstabenschrift Funde im alten Gubla, dem griechischen Byblos und heutigen Dschebail, zeigen eine Silbenschrift, deren System mit etwa 100 linearen Zeichen als Urbild der Buchstabenschrift aufgefaßt wird, weil diese am selben Ort in der folgenden Zeit belegt ist und im Zeichenbestand, der Schriftrichtung und dem Gebrauch eines Worttrenners an ihre Vorgängerin erinnert. Das System ist offenbar in loser Anlehnung an das Silbenprinzip der Keilschrift entstanden. 50 Zeichen zeigen Ähnlichkeit mit ägyptischen Hieroglyphen, andere erinnern an kretische oder sinaitische Formen. Diese sogenannte pseudohieroglyphische Schrift wird etwa in die erste Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. (z.T. auf 2000— 1800) datiert. Die Meinungen darüber gehen auseinander; die Begründung der Hypothese bleibt vage. Das Prinzip einer reinen Buchstabenschrift von etwa 28/29 Konsonantenzeichen verkörpert zum ersten Male die Sinai-Schrift. Sie erhielt ihren Namen vom ersten Fundort, dem Sinai-Gebirge. Später fand man auch Beispiele auf palästinensischem Boden, die älter waren als die sinaitischen. Der Erhaltungszustand der Dokumente ist schlecht und erschwert jede Bestimmung. Die Datierung schwankt zwischen 1800 — 1200 v. Chr. Da zu gleicher Zeit Ägypten unter der Fremdherrschaft der Hyksos stand, hat man die Schrift, ohne es beweisen zu können, mit diesem Volk in Verbindung gebracht. Sieben der Zeichen scheinen von den 24 Einsilben-Konsonantenzeichen der Ägypter entlehnt zu sein. Mit der pseudo-hieroglyphischen Schrift von Byblos stimmen zwei Zei-

18

Voraussetzungen für die Entstehung des Buches

Die Schrift

19

chen in der Form und im Lautwert und fünf nur in der Form überein. Man glaubt nun, aus der Buchstabenschrift sinaitische Formen herauslesen zu können und erblickt in einigen Buchstabennamen Hinweise auf die Sinai-Schrift. Bisher wurde lediglich ein Wort entziffert; die zugrundeliegende Sprache soll semitisch sein. Im alten Ugarit, dem heutigen Ras Shamra, wurde zwischen dem 14. und 13. Jh. v. Chr. die Keilschriftform zur Schreibung einer Buchstabenschrift von etwa 32 Zeichen verwendet. Manche Forscher behaupten, einige Zeichen würden mit solchen der babylonischen Keilschrift übereinstimmen, andere sehen keinerlei Verbindung zwischen beiden Systemen. Fünf Zeichen sind phönikischen ähnlich. Die Schreibrichtung verläuft von links nach rechts. Es gibt noch eine Reihe weiterer altmittelmeerischer Schriften, die mehr oder weniger Ansätze zur Buchstabenschrift zeigen und mit deren Erforschung und Entzifferung verschiedene Hypothesen verbunden wurden. Dazu gehören z.B. die altkretische (minoische) Schrift sowie die Formen der Linearschrift Α und B, ferner die kyprische Silbenschrift und verschiedene altkanaanäische Schriftfragmente.

Das Alphabet und seine Entwicklung Die älteste Buchstabenschrift und ihre Verzweigung Die erste vollendete Buchstabenschrift ist die seit etwa Mitte des 13. Jahrhunderts v. Chr. verwendete altnordsemitische Schrift. Die Bildung dieses Alphabets ist ein Tatbestand von größter kultureller Bedeutung, weil damit die Grundlage unserer heute gebrauchten Schrift sowie aller anderen Einzellautschriften geschaffen wurde. Die altnordsemitische Schrift hat zum ersten Male das alphabetische Prinzip verwirklicht. Man hatte erkannt, daß sich der Wortbestand der Sprache auf wenige Einzellaute reduzieren ließ und schrieb nun für jeden Laut ein einfaches lineares Zeichen. Gegenüber den alten komplizierten Systemen stellt das einen bedeutenden Fortschritt dar. Durch die Struktur der Sprache bedingt, werden aber im Semitischen nur die Konsonanten als Bedeutungsträger des Wortes bezeichnet. Die Deutung der Buchstabennamen (aleph, beth usw.), die erst aus späterer Zeit überliefert sind, ist nur in einigen Fällen gelungen, bei denen die Buchstaben nach dem Gegenstand benannt wurden, den das ihm zugrunde liegende Zeichen darstellt. Das Prinzip der Buchstabenordnung ist nicht geklärt. Die frühesten Beispiele der altnordsemitischen Schrift sind auf phönikischem Boden, im heutigen Libanon, gefunden worden. Die dort lebenden Phöniker unterhielten in ihren Städten bereits hochentwickelte Manufakturen und betrieben als seefahrendes Volk den Fernhandel. Diese wirtschaftlichen Bedingungen machten ein einfacheres, praktischer zu handhabendes Schriftsystem notwendig, als es die alten schwerfälligeren Systeme der Hieroglyphen und Keilschriften darstellten. Die ältesten Funde stammen aus der damals bedeutenden Handelsstadt Byblos. Es sind die Inschrift vom Sarkophag des Königs Ahiram, Ende des 13. Jh. v. Chr., und eine Bauinschrift des Königs Jehimilk, 12. Jh. v. Chr. Die Inschriften bestehen aus einer 22 Konsonanten umfassenden Schrift, aus der man sinaitische Formen glaubt herauslesen zu können. Einige Buchstabennamen im Hebräischen weisen ebenfalls auf die Sinaischrift hin. Die fortgeschrittene Entwicklungsstufe der altnordsemitischen Schrift ist daran zu erkennen, daß einige Zeichen, die in der sinaitischen und ugaritischen Schrift für verwandte Laute noch verschiedene Formen haben, jetzt zu einem Laut und zu einer Form vereinfacht sind. Die Schriftrichtung ist linksläufig. Die semitische Schrift umfaßt eine ältere nordsemitische und eine jüngere südsemitische Gruppe. Trotz ihrer Verschiedenheit gehen beide vom gleichen alphabetischen Prinzip und wohl auch vom gleichen Ursprung aus (Sinai-Schrift?). Zu diesen Gruppen gehören Schriften, die z.T. erloschen sind. Von den historisch wichtigsten und den heute noch gebrauchten sind folgende zu nennen:

Voraussetzungen für die Entstehung des Buches

20

Zur altnordsemitischen Gruppe gehören: 1. die phönikische, welche die ältesten semitischen Inschriften zeigen (Abb. 3). Aus der phönikischen Schrift geht die griechische und aus dieser die lateinische hervor, die beide wiederum Ursprung einer Reihe weiterer Schriftarten sind. 2. die kanaanäische, die sich bereits in der Inschrift eines Bauernkalenders von Gezer um 900 v. Chr. von der altphönikischen zu unterscheiden beginnt. Die kanaanäische Schrift lebt in einem Nebenzweig inschriftlich seit dem 5./6. Jh. und handschriftlich seit dem 10. Jh. n. Chr. in der samaritischen Gemeinde Nablus, dem biblischen Sichern, bis in neueste Zeit fort. 3. die aramäische, deren älteste Formen sich im 9. Jh. v. Chr. erkennen lassen und aus der sich im 2. vorchristlichen Jahrhundert einige bis heute erhaltene Schriftgruppen entwickelten.

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Abb. 3: Phönikische Inschrift der Mesa-Stelle, um 842 v. Chr.

Die wichtigsten Abkömmlinge der aramäischen Schrift sind: a) die lange Zeit literarisch und heute wieder als Umgangsschrift in der Republik Israel gebrauchte hebräische Quadratschrift (Abb. 4). Sie bildete sich zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und dem 2. Jh. n. Chr. heraus. Von ihr wurden verschiedene Kursivformen (rabbinische Schriften) und schließlich die im Anschluß an die Raschi-Schrift (11. Jh.) entstandenen modernen Kurrentschriften (Jiddisch, Jüdisch-Spanisch, Jüdisch-Tatarisch) abgeleitet. Zur Kennzeichnung der Vokale verwendete man seit dem 6. Jh. Systeme von Hilfszeichen (Punktation). Heute wird meist das infralineare tiberische benutzt, bei dem die Vokalzeichen unter den Konsonanten stehen. Es wurde etwa seit dem 8. Jh. in Tiberias, wo eine jüdische Gelehrtenschule bestand, ausgebildet.

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Abb. 4: Hebräische Quadratschrift mit Vokalzeichen und Akzenten

b) die syrische Schrift, vielleicht aus palmyrenischen Kursivformen entstanden, inschriftlich im 1. und 2. Jh. nachweisbar und als kursiver, bis 500 gebrauchter Duktus Estrangelo genannt.

Die Schrift

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Sie spaltet sich in die seit etwa 900 bis heute für das Neusyrische gebrauchte ostsyrische oder nestorianische und in die westsyrische oder jakobitische Schrift (Serto), aus der, durch Missionare vermittelt, verschiedene hochasiatische Schriften hervorgegangen sind; c) die arabische Schrift, die sich aus der nabatäischen Schrift, die wiederum von der mittelaramäischen abgeleitet ist, zwischen dem 4. und 6. Jh. bildete. Sie entwickelte als kufischer (benannt nach der mesopotamischen Stadt Kufa, einem Zentrum der Kalligraphie) bis ins 12. Jh. bestehender Duktus kalligraphische Formen. Daneben besteht für mehrere Sprachen eine Kursive, die Neschi-Schrift, die mit abgewandeltem Zeichenbestand und in verschiedenem Duktus zum Teil bis heute gebraucht wird. Sie umfaßt 28 Buchstaben, verwendet besondere Vokalbezeichnungen und wird linksläufig geschrieben. Mit der Ausbreitung des Islams wurde sie zur Weltschrift (Abb. 5). Sie wird heute vom lateinischen Alphabet zurückgedrängt.

Abb. 5: Arabische Druckschrift

Auch die ältesten indischen Schriften, die Brahmi- und die Kharosthi-Schrift, werden auf die nordsemitischen Buchstabenzeichen zurückgeführt. Das Brahmi-Alphabet war bereits im 5. Jh. v. Chr. geläufig; aus ihm gingen die zahlreichen verschiedenen modernen indischen Schriften hervor, u.a. die für das Sanskrit gebrauchte Nagari-Schrift und diejenige für das Pali, der in buddhistischen Texten verwendeten Volkssprache. Die aus der aramäischen des 5. Jh. v. Chr. entwickelte Kharosthi-Schrift wurde nur zwischen dem 3. Jh. v. Chr. und dem 5. Jh. n. Chr. benutzt. Von der südsemitischen Gruppe ist die altabessinische Schrift von Bedeutung, die um 350 entstand und deren spätere vokalisierte Form die rechtsläufig geschriebene, bis heute verwendete äthiopische Schrift ist. Die griechische Schrift Nach griechischer Überlieferung soll Kadmos der Phöniker die Schrift nach Griechenland gebracht haben. Die Griechen übernahmen wahrscheinlich im 11. Jh. v. Chr. die phönikischen Buchstabenzeichen. Die ältesten Funde stammen jedoch erst aus dem 8. Jh. v. Chr. (Dipylonkanne aus Athen mit Weihinschrift, Abb. 6). Die phönikischen Zeichen wurden nicht einheitlich verwendet, sondern in den einzelnen griechischen Stadtstaaten und Provinzen mit gewissen Abweichungen gebraucht. Man unterscheidet folgende Gruppen: 1. das auf den Inseln Thera, Melos und Kreta nachgewiesene archaische Alphabet, welches die den phönikischen ähnlichsten Zeichen aufweist; 2. das östliche (ionische oder milesische) Alphabet, an der Westküste Kleinasiens, einem Teil der Agäischen Inseln, den griechischen Kolonien im Ionischen Meer und auf Sizilien, mit gewissen Abweichungen aber auch auf einigen Inseln der Kykladen und in Attika (Athen) gebraucht; 3. das

Voraussetzungen für die Entstehung des Buches

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Abb. 6: Griechische Inschrift der Dipylonkanne (linksläufig), Athen 8. Jh. v. Chr.

westliche Alphabet, das sich auf dem übrigen griechischen Festland und in den westlichen Kolonien (Sizilien und Süditalien) findet. Diese Gruppen werden nach dem Auftreten der sogenannten Zusatzzeichen für die im Phönikischen nicht vorhandenen Laute, ph, kh, ks, ps unterschieden. Die Griechen nahmen an der phönikischen Buchstabenreihe einige Änderungen vor; die bedeutendste davon ist die Bezeichnung der Vokale mittels solcher phönikischer Buchstaben, die für die griechische Sprache keine Verwendung fanden. Damit war die Buchstabenschrift zur vollkommenen Lautschrift entwickelt und fähig, zur Wiedergabe der indogermanischen Weltsprachen zu dienen. Die Schriftrichtung verlief im Griechischen zunächst linksläufig, dann furchenwendig (bustrophedon = abwechselnd eine Zeile rechts-, eine linksläufig) und schließlich rechtsläufig. Im Jahre 403 v. Chr. wurden in Athen die alten Gesetze neu inschriftlich festgelegt. Dazu benutzte man das ionische (milesische) Alphabet. Unter der politischen und geistigen Autorität Athens setzte sich in der Folgezeit dieses Alphabet in allen Teilen Griechenlands durch und erhielt seine schöne klassische Gestalt. Die Griechen schrieben zunächst nur Großbuchstaben (Majuskelschrift). Unter verschiedenen stilistischen Schwankungen bildeten sich die Formen heraus, die bis heute gebraucht werden. Die ältesten Zeugnisse sind meist als Inschriften in Stein eingegraben überliefert (Monumental- oder Lapidarschrift; Abb. 7). Erst seit dem 4. Jh. v. Chr. ist uns die Schrift auf Papyrus bekannt („Klage der Artemisia", das Fragment der „Perser" des Timotheus von Milet). Sie rundet die ursprünglich eckigen Formen. Wir unterscheiden die Geschäftsschrift von der Buchschrift. Die Geschäftsschrift wird für Briefe, Urkunden usw. verwendet. Sie besitzt kursiven Duktus (Majuskelkursive), verbindet die Buchstaben mehr und mehr und zeigt im steigenden Maße persönliche Schreibgewohnheiten. Die Buchschrift, die sich enger an das Vorbild der Inschriften hält, wird für literarische Zwecke verwendet. Unzialen Charakter zeigen erst die gerundeten Formen des 4. Jh. n. Chr., die bis ins 12. Jh. gebraucht werden (Abb. 8). Die Herausbildung von Ober- und Unterlängen bei der Geschäftsschrift byzantinischer Zeit führte zur Entstehung einer neuen Buchschrift im 9. Jh., der Kleinbuchstabenschrift (Minuskelschrift), die in einer älteren und seit dem 13. Jh. in einer mit unzialen Elementen vermischten jüngeren Form vorliegt und die all-

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mählich die heutige Gestalt annahm. Aus ihr ist auch die neugriechische Kurrentschrift hervorgegangen.

Abb. 7: Griechische Majuskeln: Ehreninschrift der Stadt Athen für die Stadt Pergamon, 1. Jh.

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Abb. 15: Beneventanische Schrift

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D i e Schrift

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gen auf. Diese Kuriale (von Kurie = päpstliche Regierungsbehörde) wird Ende des 11. J h . von der Minuskel verdrängt. D i e im 5 . / 6 . J h . im südlichen Gallien geschriebene Halbunziale wurde durch irische M ö n c h e im Zuge der Missionierung in Irland eingeführt. Sie tritt in einem runden als Buchschrift verwendeten D u k t u s (irische Rundschrift) auf, der nur kurze Oberlängen mit charakteristischen dreieckigen Ansätzen bildet, besonders bei b und 1 eigenartige Ausbuchtungen der Schäfte zeigt und oft stark einander angeglichene, in Ligatur stehende F o r m e n enthält. Bezeichnend sind auch die mit kleinen P u n k t e n umsäumten Initialen. Eines der hervorragenden Anwendungsbeispiele ist das B o o k of Keils, eine vermutlich um 800 entstandene Evangelienhandschrift (s. S. 8 3 / 8 4 ) . N e ben der Rundschrift wird eine nach ihren spitz auslaufenden Unterlängen Spitzschrift ( A b b . 16) genannte und Minuskelcharakter aufweisende Kursive geschrieben. Sie hat die gleichen dreieckigen Ansätze an den Oberlängen wie die Rundschrift. D i e heute gebrauchte neuirische Schrift hat im wesentlichen die F o r m e n aus dem 1 1 . / 1 2 . J h . bewahrt.

φγ&τ\α\γι ö\ GxxxtVfyi6c&cri tuffcyvi prm cnrm oy^yö^ A b b . 16: Angelsächsische Spitzschrift, 1. H ä l f t e 8. J h .

England wird im 6. J h . direkt von R o m aus missioniert und erhält deshalb zunächst auch die in Italien übliche U n z i a l f o r m übermittelt. Zugleich aber macht sich, von irischen Klostergründungen ausgehend, ein starker Einschlag der irischen Schrift geltend. Aus der Uberschneidung beider F o r m e n bildet sich die angelsächsische Halbunziale ( A b b . 17), deren Blütezeit ins 8 . / 9 . J h . fällt. Sie wird von der seit dem 8. J h . entwickelten spitzschriftigen Minuskel verdrängt, die als Buch- und Geschäftsschrift verwendet wird. D e r angelsächsische Schriftstil trägt ähnliche Merkmale wie der irische. Im 10. J h . setzt sich die karolingische Minuskel durch (s. u.).

zb perqte· cormeira e>unrr · vanv ui^tkmribirp tncn# otubtrj- Kmc eitjiando pea A b b . 17: Angelsächsische H a l b u n z i a l e , 9. J h .

D i e nach Spanien gezogenen Westgoten verdrängten die dort gebrauchte Unziale, Halbunziale und Kursive mit einer eigenen, von der Minuskelkursive abgeleiteten Schriftform, der Visigotica (westgotische Schrift, nicht zu verwechseln mit der Wulfila-Schrift). Sie entwickelt sich seit etwa 800 und hält sich bis in das 12. J h . V o n anderen ähnlichen F o r m e n ist sie oft schwer zu unterscheiden ( A b b . 18); ihr unverwechselbares Charakteristikum ist das spitze „ g " (Cj); weiterhin das offene „ a " ( woLmtatz' cu partim uju trrotrrio . et oiferuatumc co nmu^a/^fAivttcres • cwm wSiM notanrw Abb. 25: Humanistische Kursive, 16. Jh.

Daraus entwickelte sich im Laufe der Zeit unter dem Einfluß der italienischen Cancelleresca (Kanzleischrift) die heutige lateinische Schreibschrift. Der Nürnberger Wolfgang Fugger (um 1515 — 1568) lehrt sie in seinem 1553 erschienenen Schreibbüchlein neben den deutschen Schriften als „lateinische Current". Unter verschiedenen Bezeichnungen und mit gewissen national bedingten Formnuancen wird sie in den Ländern verwendet, welche die Antiqua als Druckschrift gebrauchen. Außer in fremdsprachigen Texten kommt sie im 19. Jh. in Deutschland neben der „deutschen Schrift" auf, und es entsteht ein Streit zwischen Anhängern der einen oder der anderen Schreibweise. Der Gegensatz läßt sich historisch nicht begründen, da beide Formen ihren Ursprung in der karolingischen Minuskel haben. Aber die „deutsche Schreibschrift" wurde ebenso wie die Fraktur als Druckschrift seit dem 16. Jh. vor allem für deutschsprachige Texte verwendet und als spezifisch deutsch empfunden.

Schreibmeister und Schreibkünstler Im 15. Jh. ist das mittelalterliche Privileg des geistlichen Standes auf die verschiedenen Schreibämter endgültig gebrochen. Der Buchdruck verdrängt die Bücherschreiber, doch die Berufsschreiber finden in Kanzleien und als Schreiblehrer ein immer noch weites Betätigungsfeld. Die Kunst des Schreibens selbst wird in steigendem Maße Allgemeingut und die Schrift in der Hand des Einzelnen stark individualisiert. Einer der letzten großen Schreibermönche ist Leonhard Wagner (1454 — 1522), ein Benediktiner, der hauptsächlich in St. Ulrich und Afra in Augsburg wirkte, doch auch an anderen Klöstern als Lehrer tätig war. Eine seiner Hauptleistungen ist die „Proba centum scripturarum", ein Schreibmusterbuch, daran er seit 1507 arbeitete. Seit dem 13. Jh. bildet sich der Stand der Schreib- und Rechenmeister heraus. Sie lassen sich in den Städten nieder, betreiben dort im öffentlichen Auftrag oder privat Schreibschulen, in denen Schüler auch in Kost und Logis gehalten werden. Zum Unterrichtsprogramm gehören Schreiben, Lesen, Rechnen sowie Religion und Morallehre. Selbst wandernde Schreib- und Rechenmeister gibt es und solche, die gegen Entgeld Schreibunkundigen Schriftstücke aufsetzen. Die städtischen und privaten Schreibschulen werden von den Söhnen der Bürger besucht, die lediglich für ihren angestrebten praktischen Beruf die Grundkenntnisse im Schreiben, Rechnen und Lesen erwerben wollen. Für einen gelehrten Beruf mußte man die von den Städten und von der Kirche betriebenen Lateinschulen und die Universitäten absolvieren. Die Schreibmeister beginnen nun seit etwa Anfang des 16. Jh. Lehr- und Musterbücher, die sogenannten Schreibmeisterbücher, herauszugeben. Sie enthalten im Holzschnitt- und Kupferstichverfahren wiedergegebene Anweisungen zum Erlernen der verschiedensten Schriftarten für Schul- und Selbstunterricht sowie Vorlagen von Schriftsätzen zum Nachschreiben, dazu Schriftkonstruktionen und allerlei Zierschriften.

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Voraussetzungen für die Entstehung des Buches

Solche Bücher erscheinen zuerst in Italien, kommen seit den zwanziger Jahren des 16. Jh. in Deutschland auf und finden sich schließlich auch in den anderen westeuropäischen Ländern. Sie halten sich in Form der Vorlagenhefte für Kunst-, Plakat- und ähnliche Schriften bis zum heutigen Tage. Im 19. Jh. verschwindet der alte selbständige Schreibmeisterberuf. Seine Arbeit übernimmt der Schreiblehrer an den Grundschulen. Der bedeutendste deutsche Schreibmeister ist Johann Neudörffer d. A. (1497— 1563) in Nürnberg, der 1519 mit seinem „Fundament" das erste deutsche Schreibbuch herausbringt, dem 1539 sein berühmtes Hauptwerk „Anweysung einer gemainen Hanndschrift" und 1549 das „Gesprechbuchlein zweyer schüler" folgen. Neudörffer schafft methodisch und formal den Typus des deutschen Schreibmeisterbuches, der von seinem Schüler Wolfgang Fugger weiter ausgestaltet wird und bis ins 19. Jh. vorbildlich bleibt. Dabei verfehlt er auch auf außerdeutsche Meister seine Wirkung nicht (Abb. 26).

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Abb. 26: Deutsche Kurrent aus dem Schreibbüchlein des Nürnberger Schreibmeisters Wolfgang Fugger, 1553

Seit Anfang des 19. Jh. verliert die Schreibschrift an Ausdruckskraft, besonders infolge Verwendung von englischen Spitz- und Stahlfedern, die nicht mehr, wie die Breitfeder, von selbst Haarund fette Grundstriche abgeben, bei denen vielmehr betonte Striche durch Handdruck hervorgebracht werden müssen. Die allgemeinen Verfallserscheinungen der künstlerischen Form im 19. Jh. machen sich auch in der Schreibschrift bemerkbar, und nach dem Siegeszug der Schreibmaschine in Kanzleien und Büros seit Ende des Jahrhunderts verfällt die Handschrift völlig der Individualisierung.

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Die Schrift

Als Reaktion darauf begann William Morris (1834—1896) in England, noch bevor er sich der Erneuerung der Buchkunst zuwandte (s. S. 230), die Kunst der Handschrift zu pflegen. Er schrieb und schmückte Bücher nach Art der alten Meister. Von ihm angeregt, studierte der Arzt Edward Johnston (1872 — 1944) im Britischen Museum alte Handschriften und begeisterte sich dafür so sehr, daß er seinen Beruf aufgab, um sich ganz dem Schreibwesen widmen zu können. So wurde er als Lehrer und Schreiber zum maßgeblichen Erneuerer der Schrift. Er ging dabei von historischen, vor allem antiken Vorbildern aus und erstrebte deren vollkommene Beherrschung. Er brachte die selbstgeschnittene Kiel- und Rohrfeder wieder zu Geltung. Als er 1905 einem Ruf an die Kunstgewerbeschule in Düsseldorf krankheitshalber nicht folgen konnte, übernahm das Lehramt seine Schülerin Anna Simons (1871 — 1951). Sie verbreitete seine Lehrmethode und seinen Schreibstil auch durch die Ubersetzung seines Hauptwerkes „Schreibschrift, Zierschrift und angewandte Schrift" und wirkte später in München mit ihren eigenen Arbeiten ebenfalls vorbildlich. Fast gleichzeitig, aber in anderer Weise, erneuerte in Wien Rudolf von Larisch (1856 —1934) mit Johnston, die Schreibschrift. Beim Vergleichen alter Schriftstücke, mit denen er als höherer Beamter zu tun hatte, war ihm der Tiefstand des zeitgenössischen Schriftwesens bewußt geworden, und er begann, eine neue Schreibmethode zu entwickeln. Dabei lehnte er sich nicht an historische Vorbilder an, sondern benutzte einfaches Schreibwerkzeug wie den Quellstift, später auch die Breitfeder, und gelangte so zu modernen Formen. 1902 wurde er Lehrer an der Wiener Kunstgewerbeschule und gab 1905 sein Hauptwerk „Unterricht in ornamentaler Schrift" und von 1900 —1926 ,.Beispiele künstlerischer Schrift" heraus. Er sammelte in seiner „Pflegestätte für Schreibund Buchgestaltung" zwanglos einen Kreis von Gleichgesinnten um sich und wirkte als Lehrer in der Hauptsache für eine Erneuerung der Schreibschrift. Als dritter Vertreter der modernen Schreibkunst ist Rudolf Koch (1876 — 1934) zu nennen, der in handwerklicher Gesinnung und in seiner Arbeit den alten Schreibmeistern am nächsten kommt. Rein zufällig und als Autodidakt gelangte er zum Schreiben. Diese Kunst pflegte er in genialer Eingebung und als persönlichen Ausdruck. In erster Linie ist er praktischer Schreiber gewesen, der eine große Zahl handgeschriebener Bücher, Schriftblätter usw. verfertigte (Abb. 27). Für seine Druckschriftentwürfe war ihm das Schriftschreiben Ausgangspunkt, und er hat die Schriftgestaltung auch in verschiedenen anderen handwerklichen Techniken, wie dem Holzschnitt, der Metalltreiberei, dem Sticken und Weben betrieben. In der Tätigkeit Kochs kam in vollkommener Weise die getrennt verlaufene Entwicklung von Druck- und Schreibschrift wieder wie in alter Zeit zusammen (s. S. 238). Das Wirken von Johnston, Larisch und Koch hat alle Anwendungsgebiete der Schrift nachhaltig beeinflußt.

Z « r Geschichte der

Paläographie

Die Veränderungen, denen die Schriftformen im Laufe ihrer Entwicklung unterworfen waren, riefen das Problem der Lesbarkeit alter Handschriften, der Bestimmung ihres Alters, ihrer Herkunft und ihrer Echtheit hervor. Die Wissenschaft, die sich damit beschäftigt, ist die Paläographie. Ursprünglich und im engeren Sinne hat sie die griechische und lateinische Buch- und Urkundenschrift des Altertums und des Mittelalters zum Gegenstand. Aber auch mit anderen Schriftarten wie den deutschen, den englischen usw. beschäftigt sie sich. Außerdem muß sie die Epigraphik (Inschriftenkunde) berücksichtigen. Es geht dabei nicht um Entzifferung unbekannter Schriften, sondern um die speziellen Kenntnisse, Methoden, Kombinationen, die dazu dienen, alte bekannte Schriften richtig und fehlerlos zu lesen, ihr Alter und ihren Ursprungsort zu bestimmen und Irrtümer, die im Laufe der schriftlichen Uberlieferung eines Textes entstanden sind, aufzudecken und die ursprüngliche Lesart zu erkennen. In diesem Sinne ist die Paläographie ursprüng-

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Voraussetzungen für die Entstehung des Buches

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Abb. 27: Kalligraphisches Blatt von Rudolf Koch und Fritz Kredel zu Goethe „Götz von Berlichingen"

lieh eine Hilfswissenschaft der Urkundenlehre (Diplomatik) gewesen, hat sich aber seit dem 18. Jh. zur Hilfswissenschaft für Geschichte und Philologie entwickelt und Eingang in die Hochschullehre gefunden. Sie wird besonders in der Bibliothekswissenschaft und speziell für die Handschriftenkunde benötigt. Die Paläographie erwuchs aus einem Gelehrtenstreit in der 2. Hälfte des 17. Jh. in Frankreich. Damals herrschten Spannungen zwischen dem alteingesessenen Benediktinerorden, der über traditionsreiche Handschriftenschätze verfügte, und dem jungen Orden der Jesuiten, der in Konkurrenz zu den Benediktinern Handschriften sammelte und erschloß. Im Zusammenhang mit der Herausgabe von Heiligen-Viten (Acta Sanctorum) suchte der Antwerpener Jesuitenpater Daniel Papebroch (1628 — 1714) nachzuweisen, daß die meisten Urkunden der merowingischen Zeit ge-

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fälscht seien. Diese Urkunden besaßen aber die Benediktiner. Ihr gelehrtes Ordensmitglied Jean Mabillon (1632 — 1707) aus der Maurinerkongregation wurde beauftragt, den Sachverhalt zu prüfen und die Behauptung der Jesuiten zu widerlegen. Das Ergebnis seiner Arbeit war das Werk „De re diplomatica libri VI", 1681. Es stellt das grundlegende Werk der Urkundenlehre dar und enthält auch die Grundzüge einer Schriftkunde. Während sich aber Mabillon mit lateinischen Urkunden beschäftigte, schuf 1708 der Altertumsforscher und gelehrte Mauriner Bernard De Montfaucon (1655 — 1741) mit seinem Werk „Palaeographia graeca . . . " anhand griechischer Handschriften die Grundlagen der griechischen Paläographie und stellte diese selbständig neben die Diplomatik. Uber Mabillon hinausgehend, berücksichtigte seine Methode auch die Entwicklungsformen der einzelnen Buchstaben anhand datierter Handschriften. Unter denen, die auf dieser Grundlage die Paläographie weiterentwickelten, ragt der Italiener Scipione Maffei (1675 — 1755) hervor, der nachwies, daß die Formen, die Mabillon als „Nationalschriften" bezeichnet hatte, keine selbständigen Schriften nachrömischer Nationen, sondern Weiterbildungen der römischen Schrift sind, als deren grundlegende Formen er Majuskel, Minuskel und Kursive erkannte. Die Forschungen dieser Zeit faßten die beiden Mauriner Dene-Prosper Tassin (1697— 1777) und Charles Frangois Toustain (1700 — 1754) in dem anonym erschienenen Werk „Nouveau traite de diplomatique" 1750 bis 1765 zusammen, in dem sie die Ergebnisse in einer sehr differenzierten Klassifikation zu schematisieren versuchten. Außerdem haben sie die Majuskel in Kapitale und Unziale geschieden und die Halbunziale erkannt. Da aus den während der Französischen Revolution von 1789 aufgelösten Klöstern viel Urkundenund Handschriftenmaterial angefallen war, machte sich zu dessen Bearbeitung die systematische Ausbildung von Fachleuten, Archivaren und Bibliothekaren erforderlich. Zu diesem Zwecke wurde 1821 die Ecole des Chartes gegründet. Ihr berühmter Schüler Leopold Delisle (1826— 1910) machte als Leiter der Handschriftenabteilung, später als Generaldirektor der Bibliotheque Nationale, diese Bibliothek zu einem Zentrum der Paläographie. In Italien wurde 1857 zu Florenz die „Scuola di Paleografia e Diplomatica" gegründet. Besondere Förderung fand aber die Paläographie in der Vaticana, der Bibliothek des Vatikans in Rom, durch ihren Präfekten Kardinal Franz Ehrle (1845— 1934). Um die Herausgabe von Tafeln zu Studienzwecken hat sich in England die internationale „Palaeographical Society" (gegr. 1873) verdient gemacht. In Deutschland entwickelten sich die paläographisch-diplomatischen Studien besonders um das große, 1819 begründete Unternehmen „Monumenta Germaniae historica", und Gelehrte wie Wilhelm Wattenbach, Karl Zangemeister, Wilhelm Arndt, Franz Steffens waren um die Herausgabe von Lehrwerken und Schrifttafeln bemüht. Mit dem Wirken des Münchner Professors Ludwig Traube (1861 — 1907) wurde die Paläographie schließlich zur selbständigen kulturhistorischen Wissenschaft.

Formen der Druckschrift Die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg erforderte eine für dieses neue technische Verfahren der Textvervielfältigung geeignete Schrift. Sie konnte nur aus den zu dieser Zeit gebräuchlichen handschriftlichen Formen entwickelt werden. Obgleich Gutenberg die Absicht hatte, die Form des gedruckten Textes der des handschriftlichen anzupassen, zeigen die ersten durch Schnitt von Metallstempeln und deren Abguß hergestellten Lettern bereits, daß ihnen ein anderer Charakter innewohnte als den geschriebenen Buchstaben. Sie besaßen eine starre Gleichmäßigkeit und mußten Gestaltungsprinzipien berücksichtigen, die es ermöglichten, sie in jeder Wortverbindung zu einem harmonischen Satzbild zu fügen. Deshalb waren es vermutlich nicht nur die Schönheit und Feierlichkeit der für Bibel und Meßbuch verwendeten Schreibschrift (der Textura), die Gutenberg veranlaßte, sie als Vorbild für seine Typen zu wählen, sondern wohl auch deren bereits in der Handschrift durchgebildeten strengen Formen.

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Voraussetzungen für die Entstehung des Buches

Alle Druckschriften der Frühdruckzeit — bis hin zur Fraktur — gehen auf handschriftliche Vorlagen zurück. Aber schon in der 2. Hälfte des 15. Jh. beginnen italienische Künstler Schrift mit Zirkel und Lineal nach einem von ästhetischen Vorstellungen der Renaissance beeinflußten Formenkanon zu konstruieren. Seit dem 16. Jh. werden auch gezeichnete und konstruierte Buchstaben als Entwürfe für den Letternschnitt verwendet (s. S. 43). So wird die Entwicklung der Druckschriftformen wechselseitig von handschriftlichen und zeichnerischen Gestaltungsprinzipien bestimmt. Gebrochene Schriften der Frühdruckzeit Die Textura stellt als Druckschrift die ausgeprägteste Form der gotischen Minuskel dar. Sie zeigt doppelt gebrochene Schäfte und gebrochene Bögen und bietet damit Ansatzpunkte für mancherlei Verzierungen. Das Schriftbild erscheint bei enger gitterartiger Stellung der Buchstaben, bewirkt durch Betonung der Senkrechten, dunkel und feierlich, so daß die Schrift sich gut zu biblischen und liturgischen (d.h. für den Gottesdienst bestimmten) Texten verwenden ließ. Die Textura ist die Type der Donat- und Kalenderdrucke sowie der Β 36, der Β 42 und des Mainzer Psalters von 1457 (s. S. 103 f.). Sie wurde von verschiedenen Frühdruckern als Type für Meßbücher und Psalterien sowie als Auszeichnungsschrift übernommen. Außerhalb Deutschlands fand sie als Druckschrift auch in Paris und Nordfrankreich, bei holländischen Druckern und besonders in England als „Black letter" Verwendung. Seit dem 16. Jh. wurde sie in deutschen Drucken selten und meist nur noch zu Überschriften gebraucht, aber von den Schreibmeistern gepflegt. Von Schriftschöpfern der buchkünstlerischen Erneuerungsbewegung im 19./20. Jh. ist sie wieder als Texttype geschnitten worden. Die Gotico-Antiqua ist als Druckschrift die erste für allgemeine Zwecke gebrauchte Textschrift, die, wie es in der Druckersprache heißt, für den „Werkdruck" oder als „Brotschrift", mit der der Drucker sein Brot verdient, verwendet wird. Sie ist weniger repräsentativ gestaltet und damit einfacher und billiger in der Herstellung als die Textura, und sie wurde in kleineren, papiersparenden Graden geschnitten. Ihr Formcharakter nimmt eine Mittelstellung zwischen Antiqua und Gotisch ein. Wenngleich sie noch gotische Züge trägt, kam sie doch im 15. Jh. mit ihrem runden Duktus dem humanistischen Formempfinden entgegen. Charakteristisch ist das runde d, das noch geschlossene ν sowie das überdachte a (Abb. 28). Ihre Geltung im Frühdruck verdankt sie dem Wirken des ehemaligen Mitarbeiters Gutenbergs, Peter Schöffer (ca. 1420/30 — 1502), der sie zuerst durchformte und in dem 1459 erschienenen „Rationale divinorum officiorum" verwendete, einem Handbuch über gottesdienstliche Gebräuche, das der französische Kirchenrechtslehrer Guillelmus Durandus im 13. Jh. verfaßte. Die Anforderungen, die an die Type gestellt werden mußten, waren raumsparende Kleinheit bei größtmöglicher Lesbarkeit, wobei ein gewisses Schönheitsbestreben nicht außer acht gelassen sein wollte. In der 48zeiligen Bibel, die 1462 bei Fust und Schöffer erschien, wird sie in größerem Grade verwendet. In den ersten zwei Jahrzehnten der Friihdruckzeit bleibt sie die herrschende Gebrauchsschrift, erhält bei vielen anderen Druckern mannigfache Varianten und wird schließlich Mitte der achtziger Jahre von der Rotunda abgelöst.

contempiatione fui ftoma no trax pmuebomime femaperburit*ID iUa£tae maubttum ommto feculte Abb. 28: Gotico-Antiqua, Sensenschmidt, 1475

Die Schrift

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Die Rotunda schließt an handschriftliche italienische Formen an, die sich bereits im 13. Jh. zu entwickeln begannen (Abb. 29). Sie bildeten die Merkmale aus, welche auch den in der zweiten Hälfte des 15. Jh. geschnittenen Typen eigen sind. Ihre Grundzüge sind gotisch, aber die oft gemilderte Brechung der Schäfte ist bei den Buchstaben m und η nur oben festzustellen, während die Grundstriche unten glatt abschließen, was ebenfalls für f und langes s zutrifft. Bei anderen Buchstaben gehen die Brechungen bereits in Rundungen über, wie bei e und c, und d, o, q und ρ vertreten das runde Element am stärksten. Charakteristisch ist das zweistöckige a. Die Grundstriche werden in gleichmäßiger Stärke geführt und halten in Verbindung mit den noch vorhandenen Brechungen den gotischen Eindruck aufrecht, während d und ο das Schriftbild auflockern und den Duktus mehr breitgelagert als hochstrebend erscheinen lassen. Vor allem in größeren Graden eignet sich die Rotunda zur Auszeichnungsschrift und ist als solche verwendet worden. Die Type wurde zuerst in Italien von deutschen Druckern gepflegt. Ulrich Han benutzte sie 1467 in Rom als erster, und die venezianischen Drucker, allen voran Wendelin von Speyer und Nicolaus Jenson (um 1420 — 1480), verhalfen ihr zum Ansehen einer zeitgemäßen Gebrauchsschrift, die sich bald von Italien aus über Europa verbreitete. Der Augsburger Erhard Ratdolt (1447 — 1527/28) führte sie, von Venedig kommend, wo er eine Zeitlang als Drucker tätig war, in Deutschland ein. Er legte seinem Kundenkreis ein repräsentatives Schriftmusterblatt seiner Offizin vor, das die Rotunda in vollendet schöner Form zeigt. Neben der Antiqua wird diese Schrift in Deutschland vorzugsweise für lateinische Texte verwendet. Im Laufe des 16. Jh. verliert sich ihr Gebrauch in Europa, wenngleich sie von den Schreibmeistern als Schreibschrift noch geschätzt wird. Vereinzelt ist sie im Verlauf der Buchkunstbewegung neu geschnitten worden.

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In mannigfaltiger Form wurden Typen von Bastardaschriften verwendet. Ihre Grundlage war die als Geschäfts- oder Urkundenschrift gebrauchte gotische Kursive, die bereits in handschriftlicher Form als Buchschrift existierte. Man versucht sie heute nach landschaftlichen Gesichtspunkten zu gliedern. Denn während der Inkunabelzeit begann man in England, Frankreich und in Deutschland die in der Landessprache verfaßte Literatur, im Gegensatz zu lateinischen Texten, auch in einer eigenen Schrift zu drucken und benutzte dazu als Vorlage für den Schnitt die am jeweiligen Ort gebrauchte Bastarda. Diese Erscheinung ist bereits in den siebziger Jahren des 15. Jh. in Köln und Augsburg festzustellen. 1483 druckt Anton Koberger in Nürnberg eine deutsche Bibel in Bastardatypen, die bewußte Neuschöpfungen einer landessprachigen Schrift sind. Sie betonen ihre Herkunft von der Handschrift mit verschleiften Oberlängen bei d, h und 1. Die gleiche Erscheinung, wenn auch mit abweichender Typenbildung, zeigt die Schrift des 1485 bei Peter Schöffer in Mainz erschienenen „Gart der Gesundheit", die seitdem besonders in Westdeutschland gebraucht wird und die „Oberrheinische" heißt. Sie steht der Schwabacher sehr nahe. Die Schwabacher geht ebenfalls auf die gotische Kursive zurück. Sie wird schon zu ihrer Zeit als typisch deutsche Schrift empfunden, vorzugsweise für deutsche Texte und volkstümliche Lite-

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ratur verwendet und im allgemeinen auch nur auf deutschem Sprachgebiet gebraucht. Offenbar angeregt von Augsburger und Ulmer Vorgängern, erscheint sie 1485 in fast vollendeter Form bei Friedrich Creussner in Nürnberg. Seitdem setzt sie sich auch bei anderen Druckern und in anderen Orten durch und wird im 16. Jh. zur Type der Reformationsdrucke. Trotz ihrer gotischen Herkunft trägt sie renaissanceartige Stileigentümlichkeiten. Ihre Merkmale sind die bogenförmigen Rundungen der Grundstriche bei g und o, die oben und unten spitz aufeinanderstoßen, das ähnlich bogenförmig gebildete einfache a sowie die v-Form. Wie bei der Rotunda neigen e und c ebenfalls zur Rundung, und m und η sind nur oben gebrochen und schließen unten glatt ab. Eigene, das Schriftbild stark bestimmende Formen haben die Versalien erhalten. So entsteht ein breiter, behäbiger, fast derber Gesamteindruck (Abb. 30).

ΙζίφίΙιφα xmb bap ηκη emct: C S S bt werte» gibt man vomiunbc 6em bit νοι cm & ι κ φ bee willen Abb. 30: Schwabacher, Schönsperger, 1496

Der Name Schwabacher ist ungeklärt, weder ihre Herkunft noch ihre erste Verwendung lassen Zusammenhänge mit der Stadt Schwabach bei Nürnberg erkennen, obgleich zufällige Beziehungen nicht ausgeschlossen sind. In der Reformationszeit verwendet man in Wittenberg eine Schrift, die eine Sonderform der Schwabacher darstellt. Sie betont die Rundungen stärker und zieht die Grundstriche der Gemeinen (Kleinbuchstaben) weiter auseinander. Charakteristisch für diese Wittenberger Schrift ist der Gebrauch von Versalien der Schwabacher. Die Schwabacher hat viel zur Normierung der Druckschriften beigetragen. Lange Zeit herrscht sie im 16. Jh. vor, bis sie seit der Jahrhundertmitte von der Fraktur verdrängt wird. Danach kommt sie noch als Auszeichnungsschrift vor. Mit der Wiederbelebung von Kunstformen der Renaissance in der zweiten Hälfte des 19. Jh. wird als erste altdeutsche Schrift die Schwabacher neu geschnitten, und so hat sie im modernen Schriftschaffen wieder Aufnahme gefunden. Die Antiqua Nach dem Vorbild der von den Humanisten gebrauchten Schrift wurde seit Mitte der sechziger Jahre des 15. Jh. die Antiqua als Druckschrift insbesondere für lateinsprachige humanistische Werke entwickelt. Im Gegensatz zur gotischen Schrift besitzt sie an Stelle der Brechungen an den Schäften oben schräge oder gerade Anstriche und unten sogenannte Füßchen oder Serifen, das sind waagerechte als Basis des Buchstaben dienende Striche; an die Stelle der Brechungen in den Bögen treten wohlgeformte Rundungen. Die Betonung der Rundungen und das damit verbundene weite Auseinanderrücken der Schäfte, der Verzicht auf schnörkelhafte Ansätze, ergeben ein lichtes, klares Schriftbild und lassen die Waagerechte vorherrschen. Langes s und Schluß-s werden nebeneinander gebraucht. Der Strich wird in gleichmäßiger Stärke geführt, und die Versalien sind ziemlich breitgezogen. Die Antiqua wird von den deutschen Erstdruckern in Italien, Konrad Sweynheym (gest. 1477) und Arnold Pannartz, bereits mit ihren ersten in Subiaco gedruckten Werken um 1465 in den Buchdruck eingeführt. Die neue Type stand noch unter gotischem Einfluß und wirkte etwas schwer

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und eckig. Auch ein von beiden Druckern ab 1467 in Rom gebrauchter Neuschnitt erreicht noch nicht die klaren klassischen Formen. Diese gelangen in vollkommener Weise erst Nicolaus Jenson, einem der hervorragenden Drucker Venedigs, mit der Type, die er 1470 für einen Druck der Briefe Ciceros an Brutus verwendete. Wahrscheinlich aber hat Jenson zuvor als Schriftschneider in der Werkstatt des deutschen Erstdruckers in Venedig, Johann von Speyer, gearbeitet. Dann wäre die von diesem gebrauchte, gegenüber den ersten Versuchen von Sweynheym und Pannartz verbesserte Antiquatype die Vorstufe zu Jensons vollendeter Leistung. Jenson ging offenbar nicht mehr von der Handschrift aus, sondern nahm sich die römischen Steinschriften zum Vorbild, nach deren Capitalis-Buchstaben er ein harmonisch dazu passendes Minuskelalphabet schuf. So gelang es ihm, die Reste gotischen Einflusses abzustreifen und eine formvollendete, in ihrer Einfachheit schöne Type von klassischer Klarheit und Ebenmäßigkeit zu schaffen (Abb. 31). Die in dieser Art gebildete Antiqua nannte man später Mediaeval (die Mittelalterliche). Sie war in der Wiegendruckzeit und im 16. Jh. der herrschende Antiqua-Charakter. Doch mit dieser Meisterleistung hat Jenson nicht nur vorbildlich auf seine Zeitgenossen gewirkt; auch die modernen Schriftschöpfer haben auf seine Typen zurückgegriffen. So knüpften der englische Reformer der Druckkunst William Morris 1890 mit seiner „Golden Type" und 1900 der englische Buchkünstler Thomas James Cobden-Sanderson (1840 -1922) mit der Type der von ihm begründeten, privat betriebenen Doves-Press an die Jenson-Antiqua an, und in den zwanziger Jahren wurde sie in Amerika nachgeschnitten.

iufhtii qua no η a mofaica lege(feptima ci Moyfes nafcitur)fed naturali fuit ratione atteftatur.Credidic enim Habraam deo & Abb. 31: Antiquatype von Nicolaus Jenson, 1470

Den bedeutendsten Antiquaschnitt nach Jenson brachte noch in der Inkunabelzeit der Humanist und berühmte Meister des italienischen Buchdrucks in Venedig Aldus Manutius (1449 — 1515) heraus. Zunächst erschien in dem Traktat „De Aetna" von Pietro Bembo eine Vorform dieser Schrift, Bembo-Antiqua genannt. Wahrscheinlich hat sie der Kalligraph Francesco Griffo (da Bologna) geschaffen. Ihre vollendete Form liegt in der Poliphilus-Type vor, mit der 1499 die Dichtung „Hypnerotomachia Poliphili" gedruckt wurde (s. Abb. 65a, S. 129). Die Type erscheint feiner, schmaler und schlanker als die Jenson-Antiqua, behält jedoch deren Formprinzip bei. Auch sie hat für das Schriftschaffen der folgenden Jahrhunderte bis in die Gegenwart überragende Bedeutung erlangt. Im deutschsprachigen Raum wurde die Antiqua zuerst von Adolf Rusch in Straßburg um 1474 nach venezianischen Vorbildern gebraucht, und die deutschen Erstdrucker in Paris verwendeten sie ebenfalls seit 1470 für kurze Zeit. In Deutschland verhalf ihr der Baseler Drucker Johannes Amerbach (1441-1513) seit 1486 zur Geltung. Anfang des 16. Jh. beherrschten noch durchweg gotische Schriftformen den europäischen Buchdruck, und erst allmählich setzt sich die Antiqua durch. Bereits bei Jenson aber war es Brauch geworden, für lateinische Klassiker und die humanistische Literatur die Antiqua, für theologische oder auch juristische sowie für Literatur in der Landessprache gotische Typen zu verwenden. In Italien werden die gotischen Formen bald verdrängt, während sich in Deutschland die Schriftspaltung mit Frakturtypen für deutschsprachige und Antiquatypen für fremdsprachige Texte seit der Jahrhundertmitte einbürgert. Frankreich und Spanien gehen statt dessen in der ersten Hälfte

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des Jahrhunderts einheitlich zur Antiqua über, England folgt zum Jahrhundertende nach. Die Niederlande vollziehen den Ubergang erst im 18. Jh. etwa zur selben Zeit wie Schweden, und im 19. Jh. folgen schließlich die kleinen europäischen Länder des Nordens, Ostens und Südostens nach. Nördlich der Alpen war Basel Zentrum der Herstellung von Antiqua-Schriften. Von hier aus wurden viele europäische Offizinen beliefert. Den wesentlichsten Beitrag zur Weiterentwicklung der Antiqua leisteten jedoch französische Schriftschneider, allen voran der Schrift- und Buchkünstler Geofroy Tory (1480—1533). Seine vielbeachtete Antiqua-Versalienkonstruktion in seinem einflußreichen theoretischen Werk „Champ Fleury" und seine Gebetbücher, die als erste ihrer Art in zierlicher Antiqua gedruckt wurden, brachten die neue Type zu Ansehen. In erster Linie setzten sich humanistische Drucker, wie Jodocus Badius für den Gebrauch der Antiqua ein. Aus der berühmten Druckerfamilie Stephanus (Etienne) hatten Robert Etienne (tätig von 1526 bis 1559) und Simon de Colines (tätig von 1520 bis 1546) Verbindung mit dem bedeutendsten Schriftschneider Frankreichs in dieser Zeit, mit Claude Garamond (ca. 1480 — 1561), der zur Schule Torys gehörte. Garamond suchte die Theorien des Meisters in die Tat umzusetzen und erneuerte den Typenbestand von Etienne. Er schnitt, an das venetianische Vorbild anknüpfend, eine Reihe von Schriften. Die Garamond-Antiqua von 1540 zeigt gegenüber der Jenson- und Manutius-Antiqua ein eigenes Gepräge mit weiterentwickelten, verfeinerten und im Satzbild sehr harmonisch wirkenden Formen. Sie wurde bald die beliebteste Schrift ihrer Zeit. Selbst in Italien setzte sie sich durch. Auch der Begründer des großen niederländischen Druck- und Verlagshauses Plantin-Moretus, Christoph Plantin (um 1520 — 1589), bezog seine Schriften aus Paris, und die Typen Garamonds beherrschten den Schriftmarkt und den Buchdruck fast 250 Jahre lang. Heute ist die Garamond in Nachschnitten wieder sehr beliebt (Abb. 32).

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Abb. 32: Garamond-Antiqua

Die Schüler Garamonds, der Schriftschneider Guillaume Le Be (gest. 1598) und Robert Granjon (ca. 1545 — 1588) — der auch in Lyon und Paris druckte —, arbeiteten nach dem Vorbild ihres Meisters und waren u.a. in Italien tätig, Le Be in Venedig und Granjon für die päpstliche Druckerei in Rom. Während des 17. Jh. verbreitete in Deutschland die Frankfurter EgenolffLuthersche Schriftgießerei einen von ihr gefertigten Garamond-Schnitt, der im In- und Ausland Verwendung fand. Eine weitere Verbesserung der Antiqua nach Garamonds Vorbild brachte im 17. Jh., während die Typographie darniederlag, Christoph van Dyck (1601 — 1672) in Holland. Er arbeitete in erster Linie für die Druckerei der führenden Firma Elzevier, und mit ihren Büchern wurden seine Typen in Europa bekannt. Als Stempelschneider trugen auch die Brüder Voskens dazu bei, daß die Niederlande in dieser Zeit ein Hauptzentrum des Schriftgusses wurden und besonders den englischen Bedarf deckten. Auch der ungarische Schriftschneider Miklos Kiss von Totfalu, der zu den bedeutendsten seiner Zeit gehört, bildete sich in den Niederlanden. Die reformierte Kirche schickte ihn nach Amsterdam als Korrektor der dort gedruckten ungarischen Bibel. Dabei erlernte er die Buchdruckerei und den Schriftschnitt und erwarb sich in dieser Kunst europäischen Ruhm, zumal er vorzügliche Stempel für hebräische, armenische und georgische Typen schnitt, wovon die armenischen und georgischen die ersten ihrer Art waren. Er ist aber vor allem

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Schöpfer einer typengeschichtlich bedeutenden Antiqua-Schrift, die fälschlich dem Leipziger Schriftschneider Anton Janson zugeschrieben und nach diesem benannt worden ist. Als Kiss 1690 in seine Heimat zurückgekehrt war, sah er sich Verfolgungen ausgesetzt, die ihn an seiner Arbeit hinderten und seinen frühen Tod zur Folge hatten. In England hatte das Gießerei- und Druckgewerbe unter den scharfen Zensurbestimmungen zu leiden und konnte sich nicht entwickeln. Lediglich John Day (1522 — 1584) hatte sich in der zweiten Hälfte des 16. Jh. als Drucker und Schriftschöpfer hervorgetan und mit seiner Antiqua eine dem festländischen Typenschaffen gleichwertige Leistung vollbracht. Wenn im 17. Jh. auch der Erzbischof von Oxford, John Fell (1625 — 1686), die dortige Universitätsdruckerei mit einer eigenen Schriftgießerei ausstatten ließ, so führte er doch die benötigten Stempel und Matrizen der noch heute gebrauchten und unter dem Namen „Fell-Types" bekannten Schriften aus Holland ein. Ein wichtiges Ereignis in der Geschichte der Antiqua und zugleich einen Fortschritt in der Formgebung stellte die für die Privatpresse des französischen Königs Ludwig X I V . geschaffene „Romain du R o i " dar. Die Presse besaß zwar bereits vorzügliches Schriftmaterial mit den von Jean Jannon geschaffenen „caracteres de l'universite", den von Garamond geschnittenen „Grecs du R o i " und einer Sammlung orientalischer Typen, aber der König wünschte noch eine eigene repräsentative, von keiner anderen Druckerei gebrauchte Antiqua. So wurde 1692 eine Kommission von Experten der Königlichen Akademie der Wissenschaften beauftragt, eine vollkommene Antiqua-Type zu schaffen. Unter der Leitung des Abbes Nicolas Jaugeon wurde eine Buchstabenkonstruktion geliefert, deren mathematische Grundlage ein in 2304 Felder unterteiltes Quadrat war. Der Schnitt nach diesen Entwürfen wurde Philippe Grandjean (1666 —1714) anvertraut. Dieser hielt sich jedoch nicht an die pedantische Konstruktion, sondern ließ darüber hinaus künstlerische Gesichtspunkte walten, so daß die neue Type eine ansprechende Form erhielt. Ihr Hauptmerkmal ist die Ausbildung eines Gegensatzes von fetten und feinen Strichen und ihre gedrängte Form. Sie weist damit auf die Schriften des 18. J h . hin. Ihr mehrere Grade umfassender Schnitt zog sich bis 1745 hin. Angeregt durch die „Romain du R o i " schuf der Pariser Schriftgießer Pierre Simon Fournier (1712 — 1768) eine schmalgestellte Antiqua. Er fand mit seinen Schriften Anklang, gelangte zu großem Ansehen und wurde zu verschiedenen Unternehmen herangezogen. Sein bedeutendes Schaffen repräsentiert das „Manuel Typographique", das 1764 — 68 erschien und außer Schriften eine Fülle von Beispielen typographischen Schmucks enthält. Die von Fournier vorgebildeten schmallaufenden Typen wurden besonders in Holland geschätzt und verwendet. Hier erlangte das Haus Enschede auf dem Gebiet des Schriftschaffens die Führung. Mit der Wetsteinschen Schriftgießerei wurde 1743 ein bedeutender Bestand an alten Typen erworben und zugleich der Schriftgießer der Firma, Johann Michael Fleischmann (1701 — 1768), übernommen. In Wöhrd bei Nürnberg geboren, hatte er in der Stadt das Schriftschneiden gelernt und in der Lutherschen Gießerei in Frankfurt gearbeitet. Mit Enschede verband ihn bald eine enge Freundschaft, und Fleischmanns Schriften erfreuten sich großer Beliebtheit. Seine Antiqua zeigt die schmalen Formen in einer für die Enschede-Schrift sehr charakteristischen Weise und wurde selbst von Fournier kopiert (Abb. 33).

iigna, pifturas, hominum deniquc multorumque anim a l i u m fonjias, arborum etiam, fi modo fint decorae. Nihil magis, quam amplitudo commendet: idem orationibus cvcnit: quinetiam voluminibus autorita-AB CDEFGH IKLM NOPQRSTUVWXYZiEJ. Abb. 33: Fleischmann-Antiqua, 1761

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Inzwischen war in England mit William Caslon (1692 — 1766) ein Meister des Schriftschnittes tätig geworden, der dem Land den Anschluß an die europäische Entwicklung brachte und es unabhängig von dem ausländischen Schriftenmarkt machte. Er wurde der Stammvater eines bis 1873 fortlebenden Schriftgießergeschlechts. 1720 eröffnete er in London eine Gießerei und schuf außer orientalischen und gotischen Typen Antiquaschriften von nationaler Eigenart, jedoch nicht ohne holländischen Einfluß. Spätere Drucker des 19. und 20. Jh. griffen auf die Caslon-Typen zurück (Abb. 34).

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Abb. 34: Caslon-Antiqua

In ihrer Zeit „modern" waren die Schriften John Baskervilles (1706 — 1775), der ursprünglich Schreibmeister war und seine Typen aus der Handschrift entwickelte. Aber er fand damit in England wenig Anklang, dafür um so mehr auf dem Kontinent. Er betont den Unterschied zwischen fetten Grundstrichen und feinen Strichen, ohne schon die klassizistische Antiqua zu erreichen. Sein Schnitt zeichnet sich durch größere Schärfe als bisher üblich aus (Abb. 35 u. 79).

ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ abcdefghijklmnopqrstuvwxyz 1234567890 Abb. 35: Baskerville-Antiqua

Die mit der „Romain du R o i " eingeschlagene stilistische Entwicklung vollendeten die Typenschöpfungen des Franzosen Francois Ambroise Didot (1730 — 1804) und dessen Sohn Firmin (1764 — 1836) (s.a. S. 170). Ihre teils unter dem Einfluß von in Kupfer gestochenen Schriften stehenden Charaktere bilden den Gegensatz zwischen Grund- und Haarstrichen stärker aus und verkörpern damit den Typus der klassizistischen Antiqua. Im Vergleich zur Mediaeval wirkt sie lichter, bildet den Grundstrich kräftig und mit oben und unten sehr fein gezeichneten Ansätzen bzw. Füßchen. Die Rundungen bei b, c, d, e, ο sind halbmondförmig gebogen und laufen, wie alle anderen Rundungen und Querlinien, in sehr dünne Striche aus. Auch in den Versalien wird besonders bei Α, Η , Κ, Μ, N , U , V, W, Χ , Y der schroffe Wechsel von fetten und dünnen Strichen deutlich (vgl. Abb. 74). Sämtliche Formenmöglichkeiten dieser klassizistischen Antiqua werden nun in den Schriftschnitten des Italieners Giambattista Bodoni (1740 — 1813) erschöpft (s.a. S. 165 f.). Es kommt dabei zuweilen schon zu einer Ubertreibung des Gegensatzes zwischen fetten Grundstrichen und dünnen Haarstrichen. Durch das Hervortreten der Grundstriche wird auch noch die Senkrechte betont. Bodoni hatte bereits während seiner Tätigkeit an der Propagandadruckerei des Vatikans in Rom das Stempelschneiden erlernt, sich eine Zeitlang durch Verkauf von Stempeln seinen Lebensunterhalt verdient und begann schließlich für die Stamperia Reale des Herzogs von Parma eigene Schriften herzustellen, die aber von Fournier abhängig waren. 1771 fing er an, damit zu drucken, und 1788 erschien die erste Ausgabe seines „Manuale Tipografico", eine Sammlung von Schriftproben, die ihm rasch die höchste Bewunderung der Zeitgenossen eintrug. Ende des Jahrhunderts aber brachte er neue Typen im Stile Didots heraus. Bodonis großes Können als Drucker hat auch

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seinen Schriften große Wirkung in aller Welt verschafft; denn er beschränkte sich nicht nur auf Antiqua- oder Kursivtypen, sondern schnitt zahlreiche fremde Alphabete. 1806 druckte er damit die „Oratio Dominica", das Vaterunser, in 155 Sprachen. Das „Manuale Tipografico" von 1818 (2. Ausgabe) enthält allein 169 verschiedene Antiqua- und Kursivtypen. Im 19. Jh. ist Bodonis Antiqua immer wieder nachgeschnitten und gebraucht worden (Abb. 36 u. 72).

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Abb. 36: Bodoni-Antiqua

In Deutschland hatte das 18. Jh. eine Reaktion auf die Verwendung der Fraktur gebracht, und es waren Bestrebungen im Gange, die Antiqua auch für deutschsprachige Texte einzuführen. Seitdem steht die Frage „Antiqua oder Fraktur?" zur Debatte. Schweizer und deutsche Dichter traten in der Jahrhundertmitte für die Antiqua ein; dann übten Baskerville, Didot und Bodoni ihren Einfluß aus. Johann Friedrich Unger (1753 — 1804), Holzschneider, Drucker und Verleger sowie Schriftgießer in Berlin, verkaufte Didotsche Schriften, und selbst Schiller und Goethe neigten zur Antiqua und ließen einige ihrer Werke mit ihr drucken (s.a. S. 160). A m stärksten ist der Einfluß Didots und Bodonis bei dem Verleger und Drucker der deutschen Klassiker Georg Joachim Göschen (1752 — 1828) spürbar, der für seine Klopstock- und die beiden Wieland-Ausgaben eine von dem Jenaer Schriftgießer Johann Carl Ludwig Prillwitz geschaffene Antiqua verwenden ließ (s.a. S. 162). Der Schriftgießer, der die deutsche klassizistische Antiqua schuf, war Justus Erich Walbaum (1768 — 1839). Als Konditorlehrling hatte er Gefallen an der Herstellung von Formen gefunden und war so zum Stempelschnitt und zur Schriftgießerei gekommen. Seine 1799 in Goslar erworbene Werkstatt verlegte er 1803 nach Weimar. Hier stellte er Schriften her, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Seine Antiquatypen mildern den Gegensatz von fetten und dünnen Strichen, betonen auch weniger die Senkrechte und wirken dadurch ausgeglichener und ruhiger im Schriftbild. Sie existieren noch heute im Nachschnitt (Abb. 37).

ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ abcdefghijklmnopqrstuvwxyz 1234567890 Abb. 37: Walbaum-Antiqua

Anfang des 19. Jh. erschienen in England zwei Neuschöpfungen von Antiquatypen besonderer Eigenart. Die eine ist die Egyptienne. Sie erhielt ihren Namen auf Grund der Ägyptenbegeisterung dieser Zeit im Zusammenhang mit dem Napoleonischen Feldzug (1798/99), der Wiederentdeckung der altägyptischen Kultur und der Entzifferung der Inschrift des Steines von Rosette, der mit einem von Engländern gekaperten französischen Schiff namens „Eygyptienne" nach England kam. Die Bezeichnung der Schrift hat jedoch nichts mit ihrem Formcharakter zu tun. Die Buchstaben zeigen gleichmäßig starke Strichführung, einen Unterschied von fetten und Haarstrichen gibt es nicht mehr; auch die Füßchen sind in gleicher Strichstärke wie der übrige Buchstabenkörper gehalten. Sonst finden sich keinerlei Verzierungen, es ist lediglich die Grundform der Buchstaben wiedergegeben. Dabei wirkt die Schrift breit und behäbig nach Art der antiken Capitalis quadrata. Die Egyptienne tauchte noch vor 1806 als Reklameschrift auf Ladenschildern u.ä. auf, und 1815 erschien sie als Druckschrift in einer Probe des englischen Schriftgießers Vincent

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Figgins, 1820 in einem Auktionsverzeichnis der Schriftgießerei von William Thorne und 1830 in einer Probe der Schriftgießerei Andreae in Frankfurt. Im 20. Jh. wurde sie vielfach neu geschnitten und unter verschiedenen Namen auf den Markt gebracht, dabei nicht nur als Auszeichnungsschrift, sondern auch als Textschrift verwendet. Die zweite englische Neuschöpfung des 19. Jh. ist die Grotesk. Auch ihr Name wird nicht unmittelbar verständlich, vielleicht wurden ihre Formen als „grotesk" empfunden. Sie zeigt, wie die Egyptienne, gleichmäßig starke Strichführung, doch fehlen ihr die Füßchen. So stellt sie die einfache schmucklose Form der ältesten Steininschriften dar, sie gibt nur das Skelett der Buchstaben wieder, 1816 wird sie zuerst in einer Schriftprobe von William Caslon IV. gezeigt, und 1834 begegnet man ihr in einer Probe von Eduard Haenel in Magdeburg. Auch sie wurde für Auszeichnungszwecke, für Akzidenzen und in neuester Zeit selbst für Texte verwendet. Ihre blockschrifthafte Form kam den Bestrebungen der elementaren Typographie der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts entgegen, und seitdem erfuhr sie eine starke Wiederbelebung in verschiedenen Neuschnitten (Abb. 38).

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Abb. 38: Akzidenz-Grotesk

Kursiv und Schreibdruckschriften Als Kursivtype bezeichnet man im allgemeinen eine rechtsschräggeneigte, von der Antiqua abgeleitete Druckschrift. Ihrem Ursprung nach ist sie eine Schreibschrift. 1501 führte sie Aldus Manutius (1449 — 1515) in Venedig mit einer Vergil-Ausgabe in den Buchdruck ein. Diese Ausgabe ist die erste der berühmten kleinformatigen „Aldinen", die durchweg in dieser Kursive gedruckt sind. Auch sie ist wahrscheinlich von Francesco Griffo geschaffen und der in den italienischen Kanzleien gebrauchten Schrift, der Cancelleresca, nachgebildet. Wie die Handschrift sucht sie die Buchstaben kurrent miteinander zu verbinden, führt dieses Prinzip jedoch nicht konsequent durch, sondern wendet es nur bei bestimmten Lettergruppen an. Da als Versalien die Antiqua-Majuskeln übernommen werden, wirkt das Schriftbild unausgeglichen, weniger harmonisch, und auch die Einzelformen weisen typographische und technische Mängel auf. Trotzdem wird sie seit 1520 auch von anderen venezianischen Druckern verwendet und verschiedentlich verbessert. Francesco Griffo entwirft bereits 1503 eine neue Kursive für Hieronymus Soncinus, den bedeutendsten Meister der jüdischen Druckerfamilie in Venedig, die zum Drucke einer Petrarca-Ausgabe verwendet wurde. Hier vermeidet er die zahlreichen Ligaturen und gleicht die Versalien (Großbuchstaben) den Gemeinen ( = Kleinbuchstaben des Alphabets) besser an. Eine neue weiterentwickelte Kursivform schuf der Schreibmeister Ludovico degli Arrighi in Rom. Seine kalligraphischen, 1522 in Holzschnitt reproduzierten Schriftvorlagen zeigen eine Cancelleresca, die Anregung zu einem neuen Typenschnitt gab. Arrighi hat selbst verschiedene Kursivschnitte angefertigt und mit ihnen gedruckt. Bei ihm bleiben die Versalien noch aufrecht; doch löst er die einzelnen Gemeinen voneinander und formt sie geschmeidiger, klarer und besser lesbar als Griffo. Antonio Blado, der Kammerdrucker der römischen Kurie, griff das Beispiel Arrighis auf und schuf eine vollendete Kursive. Zahlreichen anderen Druckern dienten Arrighis und Blados Typen als Vorbild. Neuer Art ist die schöne, mit schrägstehenden Versalien ausgestattete und auf römische Kanzleischriften zurückgehende Kursive des venezianischen Druckers Francesco Marcolini. Zeitweilig war die Kursive in Italien eine Modeschrift.

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In Deutschland findet sich die Kursive zuerst bei Sebaldus Striblita 1510 in Erfurt. Seit 1519 aber ist sie bei Johann Froben in Basel zu Hause, und Frobens Typen werden selbst in Italien begehrt. Früh schon, 1524, verwendet auch der Wiener Drucker Johann Singriner schräge Versalien. Im allgemeinen aber kommt die Kursive in Deutschland nur als Auszeichnungsschrift vor. Dagegen gewannen die französischen Schnitte von Garamond nachhaltige Bedeutung. Er soll zum ersten Male zu seiner Antiqua gleich die Kursive mitgeschnitten haben, wie es in späteren Jahrhunderten üblich wurde. Robert Granjon vollendet auch diese Schrift seines Meisters Garamond. Noch im selben Jahrhundert erschien in England mit der Antiqua des John Day eine schöne Kursive. Seitdem gehört die Kursive zur Antiqua und macht deren Stilwandel mit, so daß auch ihre Geschichte der Geschichte der Antiqua entspricht. Bereits im 16. Jh. ging man über die Kursive noch einen Schritt hinaus und schuf die Schreibdruckschriften. Hans Kilian in Neuburg a.d. Donau verwendete seit 1545 eine deutsche Kanzleischrifttype als Auszeichnungsschrift und druckte 1557 ein ganzes Werk damit. Selbst das „Manuel Typographique" von Fournier zeigt die Probe einer deutschen Schreibschrift des 18. Jh. In Lyon schuf Granjon eine französische Type eigentümlichen Charakters, die „Civilite". Sie vereinigt gotische und Antiquaminuskelformen der zeitgenössischen Schreibschrift, ist aber mit ihren Schnörkeln schwer lesbar. Dennoch wurde sie zum Druck von Schulbüchern verwendet. 1557 brachte Granjon sie an die Öffentlichkeit und erhielt dafür ein Privileg auf 10 Jahre. 1558 übernahm sie Christoph Plantin in Antwerpen und verhalf ihr zur Verbreitung. Ihren Namen erhielt sie von der mit ihr gedruckten pädagogischen Schrift des Erasmus von Rotterdam „La civilite puerile" (1559). Größten Anklang fand sie in den Niederlanden für landessprachliche Drucke. Ein Erneuerungsversuch von Fournier schlug fehl. Ähnlicher Art war die „Financiere", die Schreibschrift des französischen Finanzministeriums, die im 16. Jh. ebenfalls als Druckschrift übernommen wurde. Auch die lateinischen Schreibschriften der folgenden Jahrhunderte finden gelegentlich Aufnahme unter den Druckschriften. Die Schriftproben Fourniers, Fleischmanns, Didots, Bodonis zeigen meist mehrere Arten. Die unter dem Einfluß der Spitzfeder entstandene ausdruckslose englische Schreibschrift vom Anfang des 19. Jh. fand über die Lithographie Eingang in den Akzidenzdruck und wurde als Auszeichnungsschrift für Titelsätze usw. verwendet. Die Schriftkünstler des 20. Jh. haben zahlreiche Schreibschrifttypen oft originellen und reizvollen Gepräges geschaffen. Auch Pinselschriften, insbesondere für den Akzidenzdruck, gehören zum Bestand der modernen Typographie.

Die Fraktur Als letzte bedeutende Schriftschöpfung der Frühzeit erscheint im zweiten Jahrzehnt des 16. Jh. die Fraktur. Ihre Entstehung ist umstritten; die Hypothesen ergeben etwa folgendes Bild: 1508 erhielt der geschäftstüchtige, durch zahlreiche Nachdrucke und illustrierte Bücher hervorgetretene Johann Schönsperger in Augsburg vom Kaiser Maximilian I. den Auftrag, nach Vorlagen Typen zur besonderen Verwendung herzustellen. Mit diesen wurde das 1513 vollendete Gebetbuch des Kaisers gedruckt. Die genannten Vorlagen lieferte wahrscheinlich der kaiserliche Sekretär Vinzenz Rockner, der auch die Schrift des 1517 vollendeten „Theuerdank" entwarf (s. Abb. 81, S. 225). Beide Typen greifen auf Schriftformen zurück, die man für kalligraphische Werke der kaiserlichen Kanzlei schon im 14. Jh. verwendete. Als Beispiel gilt die vom kaiserlichen Sekretär Johann Ried angefertigte Handschrift des Ambraser Heldenbuches. Die Gebetbuch- und die Theuerdank-Type stellen eine Vorstufe der Fraktur dar. Sie weichen zwar beide voneinander ab, zeigen aber eine Verwandtschaft, die vor allem in ihrer Abhängigkeit von der Handschrift be-

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gründet liegt. Ihren Formelementen nach sind es Bastarde aus Buch- und Schreibschriftformen genauso wie die ausgebildete Fraktur. Sie führen die Schäfte der Buchstaben meist schrägbetont, und ihre Versalien sind reich verschnörkelt. Die Theuerdank-Type wirkt leichter und im Satz lockerer und vertritt den Kanzleischriftcharakter stärker als die Gebetbuchtype. Ihre Eigenschaften finden eine Steigerung in der Gilgengartschrift. Diese ist schon im Theuerdank für die Signaturen gebraucht und wurde zum Druck des „Gilgengart (Liliengarten) einer yetlichen christlichen Seel", einem 1520/21 bei Schönsperger erschienen Andachtbuch verwendet. Sie macht ganz den Eindruck einer Kanzleischrifttype. Die genannten Typen tragen den Charakter einer Auszeichnungsschrift. Zur selben Zeit werden auch Versuche unternommen, eine Gebrauchsform davon zu entwickeln. So verwendete in Augsburg die Offizin von Sigmund Grimm und Max Wirsung 1520 eine ähnliche Type, die sich jedoch nicht durchsetzte. Erfolgreicher war die Fraktur, die in Nürnberg der Formschneider Hieronymus Andreä nach Entwürfen des Schreibmeisters Johann Neudörffer schnitt (Abb. 39). Zum ersten Male taucht diese Neudörffer-AndreaeFraktur im Holzschnitt als Textschrift der „Ehrenpforte" des Kaisers Maximilian 1515 auf, und im Typendruck läßt sie Dürer in der deutschen Ausgabe seines Triumphwagens zu dieser Ehrenpforte 1522 verwenden (s. S. 224). Andreä schneidet dazu fünf verschiedene Grade, und 1525 — 27 druckt er damit die theoretischen Werke Dürers. Der seit 1524 in Nürnberg ansässige Drucker Johann Petrejus gab 1525 eine Schriftprobe heraus, welche eine eigene Fraktur in zwei Graden zeigt. Um die gleiche Zeit besitzen die Wittenberger Presse von Lucas Cranach und Christian Döring und der Straßburger Drucker Wolfgang Koppel selbständige Frakturtypen.

Qifömt ptartmw fkjwrtf geftrtumapum/ii Abb. 39: Neudörffer-Andreae-Fraktur

Der Formcharakter der Fraktur wird bei den Kleinbuchstaben durch den Wechsel von bogenförmig geschwungenen und geraden Schäften bestimmt, so bei a, b, d, o, p, q, v, w. Die Großbuchstaben sind bauchig und geschwungen und tragen als Rudimente ihres Herkommens von der Schreibschrift kleine Schnörkel, die sogenannten „Elefantenrüssel". Der Gesamtcharakter der Schrift ist unruhig, schwellend, dunkel und entspricht barockem Empfinden. Die Fraktur läßt sich in kleinen Graden gut als Textschrift gebrauchen, während sie in großen Graden wie eine Auszeichnungsschrift wirkt. Allmählich setzt sich die neue Type gegen die altgewohnten Schriften, besonders die Schwabacher, durch, bis um 1600 die Fraktur den Vorzug genießt. Als einer der ersten druckt Hieronymus Rodler in Simmern seit 1530 mit Frakturtypen. Wesentliches zu ihrer Einbürgerung hat der Frankfurter Großunternehmer Sigismund Feyerabend (1528 — 1590) beigetragen, indem er die Typen zum Druck seiner volkstümlichen Ausgaben verwendete (s. S. 156). Eine besonders schöne und repräsentative Form der Fraktur schuf die Luthersche Gießerei in Frankfurt am Main. 1678 wurde

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sie geschnitten und mit weiteren, in der Form etwas abweichenden Graden Anfang des 18. Jh. vervollständigt (Abb. 40). Diese „Egenolff-Luthersche Fraktur" erweckte im 20. Jh. der Schriftgießer D. Stempel zu neuem Leben, und auch als Maschinenschrift für die Linotype-Setzmaschine ist sie verwendet worden.

abcbef^tinmnopqrfSiu^ppj

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Abb. 40: Luthersche Fraktur

Im 18. Jh. geriet die Fraktur unter dem Einfluß der Kupferstichtechnik in Verfall. Es machte sich Ablehnung gegen sie bemerkbar, die auf den allgemeinen Zeitgeschmack, der sich zum Klassizismus hin entwickelte, zurückzuführen ist. Zugleich aber setzten Erneuerungsversuche der Fraktur ein, die darauf zielten, das klare lichte Aussehen der Antiqua auch der Fraktur zu verleihen. Nach einem ersten Versuch, den Joachim Heinrich Campe in Verbindung mit dem Stempelschneider und Schriftgießer Georg Gollner in Halle 1790 unternahm und der mißglückte, setzte sich der Berliner Drucker und Verleger Johann Friedrich Unger für die Fraktur ein. Er unterhielt freundschaftliche Beziehungen zu Firmin Didot; und da er selbst nicht Schriftschneider war, ließ er sich Frakturproben von Didot schneiden. Diese zeigten jedoch, daß der große französische Schriftschöpfer an den Formproblemen der Fraktur völlig versagte. Daraufhin unternahm Unger mit Hilfe des Schriftschneiders seiner Offizin, Johann Christian Gubitz, selbst den Versuch, eine neue Fraktur zu schaffen, und legte das Ergebnis in einem 1793 erschienenen Bericht vor, fand jedoch keine allseitige Zustimmung. Weitere Versuche führten dann zu der Form, die Unger 1794 zum ersten Mal in einem Druck der Schrift „Die neue Cecilia" von K. Ph. Moritz veröffentlichte. Sie wirkte tatsächlich lichter und leichter und weniger verschnörkelt als die alte Fraktur und fand Anerkennung bei den Zeitgenossen. Diese Unger-Fraktur wurde in neuer Zeit von den Schriftgießereien H. Berthold und D. Stempel wieder herausgebracht (Abb. 41). Der Leipziger Drucker und Verleger Immanuel Breitkopf war mit dem ersten Versuch Ungers nicht einverstanden gewesen. In seiner Schriftgießerei wurde seit 1750 an einer neuen Fraktur gearbeitet, 1793 ließ er damit seine Schrift „Einige deutsche Lieder für Lebensfreuden. Versuch neuer deutscher Schriften" drucken. Auch diese Breitkopf-Fraktur wurde zu einer vielgebrauchten Schrift, nachdem sie 1915 D. Stempel erneut in den Handel gebracht hatte (Abb. 42). Nach dem Tode Breitkopfs war aus dessen Schriftgießerei noch ein anderer Neuschnitt, die Jean-Paul-Fraktur, hervorgegangen. Mit ihr wurden erstmalig 1798 für den Verlag Breitkopf & Härtel die „Palingenesien" von Jean Paul gedruckt. Auch dieser Schnitt wurde im 20. Jh. neu belebt.

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Abb. 41: Unger-Fraktur

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einer lateinischen Ausgabe und schließlich der ebenfalls illustrierte deutschsprachige „Belial" (1464), eine 1382 in lateinischer Sprache entstandene Dichtung, die den Kampf zwischen Christus und dem Satan um die Seele des Menschen in Form eines Prozesses schildert. 1466 ist Pfister gestorben. Erst 1481 erhält Bamberg mit dem aus Nürnberg zugewanderten Johann Sensenschmidt den zweiten Inkunabeldrucker, der im Auftrag des Fürstenhofs neben einigen amtlichen Drucksachen vorwiegend repräsentativ gestaltete liturgische Werke, Meßbücher, Breviere und Psalterien mit schönen großen Missaltypen in schwarz und rot druckt. In dieser Zeit ist Köln eine Metropole des Groß- und Fernhandels zwischen Süd- und Nord-, Ost- und Westeuropa, zugleich auch eines der in geistiger, geistlicher und politischer Hinsicht bedeutenden Erzbistümer, Sitz einer Universität und Pflegestätte scholastischer Theologie. 29 Frühdrucker haben in der Stadt gewirkt und ihren Einfluß in Norddeutschland, den Niederlanden und bis nach England hin geltend gemacht. Sie produzierten vorwiegend theologische Literatur in lateinischer Sprache. Ulrich Zell aus Hanau führte den Buchdruck in Köln ein und vertrat als erster diese Richtung. Er war Kleriker und hatte wahrscheinlich in Mainz das Drucken gelernt, wie die Verwandtschaft seiner Typen mit denen der Offizin von Fust und Schöffer vermuten läßt. Zunächst begann er ein Studium an der Universität, aber bereits 1466 erschien sein erster signierter Druck. Er brachte etwa 200 Schriften heraus, erst gelehrte lateinsprachige, später

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Erfindung und Entwicklung des Buchdrucks

erbauliche deutschsprachige meist geringen Umfangs und im kleinen Quartformat. Er konnte der Konkurrenz nicht standhalten, mußte als Lohndrucker arbeiten und schließlich die Druckerei ganz aufgeben, da er in Schulden geraten war. Von den übrigen hier erwähnenswerten Kölner Druckern arbeitete Arnold Therhoernen mit auffallend selbständigem Typenmaterial und wendete als erster gedruckte Blattzahlen an. Er druckte auch als erster Werke eines Zeitgenossen, des Kartäusers Werner Rolevinck. Johann Koelhoff, der aus Lübeck stammte, hat wahrscheinlich die Druckkunst in Venedig erlernt, denn seine Typen ähneln denjenigen des Wendelin von Speyer sehr, und seine Tätigkeit beginnt sogleich mit vollendeten Leistungen. Er verwendet als erster gedruckte Signaturen und bringt volkstümliche deutschsprachige unterhaltsame Literatur mit Holzschnitten und Randeinfassungen heraus. 1493 ist er gestorben, doch führte sein Sohn die Presse fort und läßt 1499 die mit zahlreichen Holzschnitten ausgestattete Kölner Chronik erscheinen. Mit 400 Drucken entfaltet Heinrich Quentell die umfangreichste Produktion. Er stammte aus Straßburg, beschäftigte zunächst als Verleger fremde Pressen und begann dann selbst zu drucken. Es ist fraglich, ob die um 1478 entstandene Kölner Bibel sein Werk ist. Diese liegt in zwei Ausgaben verschiedener niederdeutscher Dialekte vor und ist mit 113 bzw. 123 nachmals von Koberger verwendeten Holzschnitten geschmückt, (vgl. S. 259 u. Abb. 93). Offenbar hatten sich verschiedene Gesellschafter wie Kaufleute, Geldgeber, Verleger und Drucker speziell für dieses großangelegte Unternehmen zusammengetan, darunter auch Koberger. Im Jahre 1468 erscheint in Augsburg der erste Druck aus der Offizin von Günther Zainer. Dieser ist zuvor als Straßburger Bürger in der Zunft der Maler und Goldschmiede nachgewiesen und hat wohl bei Mentelin das Drucken gelernt. Die Stadt Augsburg war das Einfallstor für die Kunstund Geistesströmungen Italiens. Zainer bemühte sich, in seiner Typographie den Italienern gleichwertig zu sein, schuf sich Schriften halbgotischen italienischen Charakters und verwendete früh auch die Antiqua. Von besonderer Bedeutung ist er für die Entwicklung des Buchschmucks und der Illustrationen geworden (vgl. S. 259 f.). Er führte als erster im Holzschnittverfahren hergestellte und gedruckte Initialen und Randleisten ein, die handschriftlichen Vorlagen nachgebildet waren. Ferner pflegte er besonders das illustrierte deutschsprachige Buch zur Erbauung, Belehrung und Unterhaltung. Damit erschloß er dem Buchdruck zugleich neue Stoffe. Von den 22 Inkunabeldruckern in Augsburg nahmen sich weiterhin insbesondere Johannes Bämler, Anton Sorg, Johann Schönsperger, Vater und Sohn, und Jodocus Pflanzmann dieser Literatur an. Ein hervorragender Drucker war Erhard Ratdolt, dessen Wirken ein weiteres Beispiel für die Verbindung zwischen Augsburg und Italien darstellt. Er zeichnet sich durch seine buchkünstlerischen Fähigkeiten und seine Versuche im Druck von mehrfarbigen Holzschnitten aus. Ratdolt wurde 1447 in Augsburg geboren, hat aber zunächst seit 1462 in Venedig gewirkt (s. S. 128). Er war den Einflüssen italienischer Kunst zugänglich und hat diese in vorbildlichen Leistungen seiner Buchgestaltung und Buchausstattung verarbeitet. 1486 kehrte er nach Augsburg zurück. Er veröffentlichte ein Schriftmusterblatt, das erste Beispiel dieser Art. Solche Blätter führten zur Information und zur Werbung den Auftraggebern von Druckwerken die Schriften vor, die der Offizin zur Verfügung standen. Ratdolts Schriftbestand umfaßte neben der Antiqua und griechischen Lettern eine besonders schöne rundgotische Type (Rotunda) italienischen Gepräges in verschiedenen Graden. Damit druckte er zahlreiche liturgische Bücher für mehrere Städte. Mathematische und astronomische Werke gingen ebenfalls aus seiner Presse hervor. Den von ihm in Venedig entwickelten charakteristischen Renaissance-Buchschmuck führte er in Augsburg ein (Abb. 65; vgl. S. 260). Seine mehrfarbigen Holzschnitte und astronomischen Figuren sind die ersten ihrer Art im Buchdruck. Er starb 1528. Als Beispiel, daß auch Klöster sich dem Druckbetrieb zuwandten, sei St. Ulrich und Afra in Augsburg erwähnt. Das die Schreibkunst pflegende Kloster richtete eine, allerdings nur kurzfristig zwischen 1472 und 1474 arbeitende Druckerei ein. Dafür wurde das Inventar mit fünf Pres-

Die Ausbreitung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert

P.Candidi in libros AppiamTopbiilg Alexandrini ad Nico' laum quintü fuinmü pontificem Prgfatio lncipit fehciffime.

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Ppiani Alexandrini biftorii feu ue ' terü incuria:feu temporü imquitate deperdicä: & ueluti longo paftlum·' nio ad nos redeunteoptime:ac maxi me pötifex Nicolae quinte tuo nutu tuoqjimperio egt'gcalatinam facere inihtuw ut non modo apud nofitos nota eiTetfeduütas meiobiequij: fed adpofireros quoqj uircutis tug fama traniiret.Quid enimdignius tuis mentis impendi poccft/q uc ij: qui in fequentiguo bgc aliquando legen ε cu m gdificiorum magnitudinemornatü tntuebunc: quggtatenofttatuoaufpi' cioconfecta funt/te Nicolai] eumene intelligent: quinö mi' nofem in recuperandis hbnsi q in refticuendis moenibus buic urbi adbibueriscuram. Et pfe&o licet illa prgclara: & magna fmt.'qug manu & atteconihnt: δί a plurimis fu mm ο ingenio diligentiaq? parantur/prgihntiora tarnen babenda erunt: qug ftudiis adiunfta/ m on u men tis quo qj feru a η tu r h tteva m. It a q; qui Petri Bafilicg contiguam domum admiran t a te fhuetam quadrato lapide: quiHadriani molem uicifli'm reihtutä: qui deonä templu ab Agrippa conditu atefuffeetü etate noitra : qui plura alia bteui ceflura uetuftati ni tua Caritasadmouiflfet pias manus) eolde quoqj admiraricoueniet totlllultreslibros ad nos tua opera tradudtos egrgcis:nec tuam iäpienuä nomen dignitate cömemorationelaudis fug immunes prgterire: etil non buius temporis eife putem uiitutestuaseleganriori (lilo debitas in mediü proferre hoc folü dixerim te bis rebus gelhs aflecutum ut uerus prgful digniflimus prineeps baberere.Sed ut ad Appianü redeam Doleo equide fumme pater bis i libris

Abb. 65a: Randleiste und Initiale im Renaissancestil von Erhard Ratdolt, aus Appian „Römische Geschichte", Venedig 1477

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sen einer anderen Offizin erworben und Meister wie Günther Zainer, Johannes Bämler und Anton Sorg vermutlich zur Leitung des Unternehmens verpflichtet. In der kunstbeflissenen Reichs- und Kaufmannsstadt Nürnberg begann etwa seit 1469 Johann Sensenschmidt zu drucken. Aus Eger stammend, hat er wahrscheinlich in Mainz gelernt, sich mit Heinrich Keffer, einem ehemaligen Gehilfen Gutenbergs, verbunden und als Korrektor und Emendator (textkritischer Bearbeiter) den Leipziger Professor Andreas Frisner in das Geschäft aufgenommen, während der Jurist Heinrich Rummel ihn wissenschaftlich beriet und die Druckerei finanzierte. Sensenschmidt druckte viele juristische und theologische Werke in Folio und Großquart, darunter zwei lateinische und eine deutsche illustrierte Bibel. Sein Typenbestand zeigt selbständige Formen rundgotischer Art. Sie sind schön, kräftig, breitgelagert, gut lesbar und von hohem ästhetischem Reiz. Er konnte sich jedoch damit in Nürnberg nicht durchsetzen, zumal die Konkurrenz Kobergers rasch spürbar wurde. Deshalb siedelte er 1481 nach Bamberg über und trat dort als Lohndrucker in den Dienst des Fürstbischofs. Indessen hatte Anton Koberger (um 1440/45 — 1513) ein bedeutungsvolles Großunternehmen aufgebaut. Er soll es auf 24 Pressen und 100 Mitarbeiter gebracht haben. 1473 nennt ein Druckwerk zum ersten Male seinen Namen. Zunächst druckte er wenig, steigerte seine Leistungen sodann außerordentlich und betätigte sich seit den neunziger Jahren mehr und mehr als Verleger. Zur Organisation seines Betriebes gewann er kapitalkräftige stille Teilhaber, beschäftigte fremde Druckereien, bezahlte diese mit einem Teil der Auflage und beteiligte sich selbst an anderen Unternehmen. Er betrieb einerseits ein Sortiment-Ladengeschäft, indem er seine eigenen Veröffentlichungen mit denen fremder Pressen tauschte, unterhielt aber andererseits reisende Agenten und gründete überall in Europa Filialen, von Venedig bis Lübeck, von Paris bis Krakau und Ofen. Damit sicherte er sich ein genügend großes Absatzgebiet. Um überall Anklang zu finden, druckte er gängige Literatur in größeren Auflagen, hielt seine Bücher in der Ausstattung auf einem guten Durchschnitt und suchte Schrift und Satz zu vereinheitlichen und damit zu verbilligen. Mit besonderen Schriften stattete er nur seine Hauptwerke aus (vgl. S. 263). Diese sind die deutsche Bibel von 1483 mit den Holzschnitten der Kölner niederdeutschen Bibel, gedruckt in einer Vorform der Schwabacher, der „Schatzbehalter" (1491), ein Werk mit Betrachtungen biblischen Inhalts, das mit 96 blattgroßen Holzschnitten geschmückt ist, die „Revelationes" der hl. Brigitta von Schweden (1500) und schließlich die von dem Nürnberger Stadtphysikus Hartmann Schedel verfaßte „Weltchronik" (1493). Diese lehnt sich inhaltlich stark an andere Quellen an und spiegelt nur in den Schilderungen solcher Städte, die Schedel selbst bereist hat, eigene Anschauungen wider. Sie ist mit 1809 von Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff gefertigten Holzschnitten illustriert (s. S. 263). Koberger hat die Chronik im Auftrag zweier Nürnberger Kaufherren in lateinischer und deutscher Sprache gedruckt. Mehrere Nachdrucke erschienen bei Schönsperger in Augsburg. Nach dem Tode Kobergers im Jahr 1513 ging das Unternehmen stark zurück und erlosch 1526. Neben Koberger behaupten sich einige Drucker, die meist mit volkstümlicher Kleinliteratur der Konkurrenz des Großunternehmers auszuweichen suchen. Dazu gehören u.a. Marx Ayrer, Peter Wagner oder als Außenseiter Hans Folz, der als Barbier und Wundarzt eine Art Privatpresse besaß und darauf seine eigenen derben Schwänke und Fastnachtsspiele druckte. Besonders zu erwähnen sind Friedrich Creussner, der die „Germania" des Tacitus und Marco Polos Reisebericht druckte, ferner Georg Stuchs mit einer bedeutenden Produktion an liturgischen Drucken und Johannes Regiomontanus (1436 — 1476). Letzterer, Johannes Müller aus Königsberg in Franken, war einer der begabtesten Astronomen und Mathematiker seiner Zeit. Ein Nürnberger Patrizier richtete ihm zum Druck seiner eigenen und der wichtigsten mathematischen Werke der Alten eine Druckerei ein. Diese Presse arbeitete zwar nur kurze Zeit, lieferte aber Drucke von bemerkenswerter Schönheit. 1475 wurde Regiomontanus Bischof von Regensburg und in diesem Amt wegen einer Kalenderreform nach Rom berufen. Dort starb er bereits 1476.

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Unter der in Ulm erschienenen Buchproduktion der Inkunabelzeit ragen die deutschsprachigen, illustrierten und mit Buchschmuck versehenen Werke hervor, deren Herstellung aber offenbar die Drucker wirtschaftlich überforderte. Ulms Erstdrucker war Johann Zainer, wahrscheinlich ein Verwandter des Augsburger Günther Zainer, denn er ist wie dieser in Reutlingen geboren und hat ebenfalls in Straßburg das Drucken erlernt. 1473 erschien in Ulm sein erster datierter Druck, die „Pestordnung" des Stadtarztes Heinrich Steinhövel (1412 — 1482/83). Diese dem humanistischen Geist zugewandte Persönlichkeit scheint Zainers Tätigkeit stark beeinflußt zu haben. Denn neben einer deutschen Chronik, deren Verfasser er ist, erschienen von ihm ins Deutsche übersetzt Boccaccios „Von den berühmten Frauen" (1473) und die „Fabeln" des Asop (um 1476). Darüber hinaus druckte Zainer noch theologische Werke. Seine Bedeutung lag auf dem Gebiet des Buchschmucks und der Illustration, die er weiterentwickelte (vgl. S. 258). Zainer geriet in Schulden und mußte Ulm verlassen, kehrte später aber wieder zurück und wird bis 1523 als Buchführer erwähnt. Mit Zainer konkurrierten in Ulm Konrad Dinckmut und Lienhart Holl(e). Beide pflegten auch deutschsprachige Literatur. Unter Holies Drucken ragen die erste Ausgabe der „Cosmographia" (1482) des Ptolemäus mit Kartenholzschnitten und die drei illustrierten Ausgaben des „Buches der Weisheit" (1483/84), eine Sammlung altindischer Tierfabeln des sagenhaften indischen Philosophen Bidpai, hervor. Seine Antiqua ist nach venezianischen Vorbildern geschnitten, während seine deutsche Schrift Bastarda-Charakter zeigt. Dinckmut und Holl gerieten ebenso wie Zainer in Schulden, und Holl mußte sogar 1492 Ulm verlassen. Erst allmählich beginnt der Buchdruck in Norddeutschland Fuß zu fassen. Hier bildet Lübeck als Hauptstützpunkt der Hanse im Ostseehandel ein frühes Zentrum, von dem aus die Verbindungen bis Dänemark und Schweden reichen. Als erster ist seit 1472 Lucas Brandis in der Stadt tätig. Er gehört zu einer bedeutenden Druckerfamilie, stammte aus Delitzsch und druckte vorübergehend in Merseburg. Seine 1474/75 erschienenen Hauptwerke sind ein Druck vom „Jüdischen Krieg" des jüdischen Geschichtsschreibers Flavius Josephus (1. Jh.) und das „Rudimentum novitiorum", eine für Novizen bestimmte Weltchronik von einem unbekannten Verfasser. Sie zeichnen sich sowohl typographisch als auch durch besonders gestalteten Buch- und Bildschmuck aus und sind in der sogenannten Brandis-Type gedruckt, einer Schrift rundgotischen Charakters, die in verschiedenen Varianten von vielen norddeutschen Druckern gebraucht wurde. 1480 betätigte sich Lucas Brandis in Magdeburg als Schriftgießer, druckt jedoch bald darauf wieder in Lübeck, während inzwischen Johannes Snell, der wahrscheinlich bei den Rostocker Michaelisbrüdern gelernt hat, in Lübeck Fuß faßt und bald darauf in Odense und Stockholm druckt. Eine besondere Erscheinung sind die Mohnkopfdrucke, so genannt nach ihrer Verlegermarke, die drei Mohnköpfe in einem Wappenschild darstellt. Es handelte sich offenbar um eine Verlegergemeinschaft unter der Leitung des rührigen Hans von Ghetelen. Dieser ließ neben Lucas Brandis auch dessen Bruder Matthäus und Lübecks Meisterdrucker Steffen Arndes (vgl. S. 263) für sich arbeiten. Die Mohnkopfdrucke umfassen Werke niederdeutscher Literatur, davon als die wichtigsten die Bilderfolge eines Totentanzes (1489), die erste illustrierte Ausgabe des „Reineke Fuchs" und eine Übertragung von Sebstian Brants „Narrenschiff". In der nachmaligen Buchstadt Leipzig findet der Buchdruck erst verhältnismäßig spät Eingang. Marcus Brandis aus Delitzsch, einer der vier unter gleichem Familiennamen bekannten Wanderdrucker, der vermutlich wie sein Verwandter Lucas Brandis in Merseburg gewirkt hat, brachte 1481 den Nachdruck eines Apokalypse-Glossars heraus, das auf die damalige Bedrohung der Christenheit durch die Türken Bezug nimmt (De futuris Christianorum triumphis in Saracenos). Der Drucker ist bis 1487 und wiederholt auch später noch in Leipzig gewesen. Vorübergehend folgte ihm der ihm ebenfalls verwandte Moritz Brandis, der verschuldet von Leipzig nach Magdeburg weiterziehen mußte und dort als Drucker Bedeutung erlangte. Der in Leipzig bereits als Papierhändler ansässige Konrad Kachelofen wurde sodann der erste ständige Drucker der Stadt und ließ

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1485 sein erstes Werk erscheinen. Von den 9 Druckern, die noch in der Inkunabelzeit in Leipzig zu arbeiten begannen, vollbrachte er die besten Leistungen. Sein Hauptwerk ist ein für das Bistum Meißen bestimmtes, mit schönen Missal-Lettern und unter Verwendung von Rotdruck für Auszeichnungen typographisch meisterhaft gestaltetes Meßbuch, das jedoch wegen der damals in Leipzig herrschenden Pest 1495 in Freiberg vollendet werden mußte. Vor allem aber stellten die Leipziger Drucker Bücher für den Unterrichtsbetrieb an der Universität her, die als typographische Eigenart besonders weite Zeilenabstände zum Dazwischenschreiben aufweisen. Die stetig steigende Buchproduktion war weniger repräsentativ, sondern entsprechend dem kaufmännischen Geist der Stadt mehr auf praktische Bedürfnisse und den Umsatz ausgerichtet und entsprach inhaltlich dem zeitgenössischen Wissensbedarf. Dieser reichte von der lateinsprachigen Theologie bis zu verschiedenen deutschsprachigen Praktiken, u.a. einem Rechenbuch für die Kaufmannschaft, und der erzählenden Volksliteratur. Die bedeutenderen Leipziger Drucker, wie Kachelofen selbst und dessen Schwiegersohn Melchior Lotter, ferner Martin Landsberg und Jakob Thanner, die aus Würzburg kamen, sowie Wolfgang Stockei, der aus München zugereist war, haben bis weit in das 16. Jh. hinein ihre Tätigkeit auch für den Humanismus und die Reformation eingesetzt. Durch Marcus Brandis hatte dessen charakteristische rundgotische Type in Leipzig Eingang gefunden, während die aus Süddeutschland stammenden Drucker offenbar Schwabacher Formen heimisch machten. Im mitteldeutschen Raum hat sich in Erfurt eine dem Umfang nach zwar nennenswerte, aber qualitativ weniger hervorragende Buchproduktion entwickelt. Erfurt war damals eine bedeutende Universitätsstadt und begann gegen Ende des Jahrhunderts sich dem Humanismus zuzuwenden. Der erste Drucker aber ist der Buchbinder Johannes Fogel gewesen, der 1473 einen Ablaßbrief und einen lateinischen Almanach druckte. Auch ein weiterer, namentlich nicht genannter Drucker bevorzugte den Kalenderdruck. Einige Offizinen arbeiteten nur kurzfristig oder wurden von Wanderdruckern betrieben, so die von Hans Sporer, der zuvor aus Bamberg wegen des Druckes einer Spukgeschichte fliehen mußte und sich nun in Erfurt in größerem Umfang praxisbezogener deutscher Literatur widmete. In der Klosterdruckerei der Benediktiner auf dem Petersberg erschien 1479 als repräsentativer Druck ein Lektionar. Erst Wolfgang Schenck entwickelte ab 1499 ein umfangreicheres Druckprogramm mit theologischen und humanistischen Werken. Außer in Lübeck hat der Wiegendruck in Norddeutschland kaum hervorragende Leistungen hervorgebracht. In Rostock führten 1476 die„Brüder vom gemeinsamen Leben" den Buchdruck für liturgische und theologische Werke ein. Unter den in Magdeburg erschienenen Wiegendrucken sind die Meßbücher zu erwähnen, die der Erstdrucker Bartholomäus Ghotan 1480 und Simon Koch 1486 druckten, ferner die seit 1493 erschienenen liturgischen Drucke von Moritz Brandis. Fraglich erscheint, ob ein prächtiger, im Auftrag des Klosters Zinna hergestellter Marienpsalter zwischen 1493 und 1495 auch in diesem Kloster gedruckt worden ist. Er wurde mit 500 Illustrationen und mit Buchschmuck ausgestattet, und verwendet wurden die Typen des Leipzigers Konrad Kachelofen. Im Osten blieb die kleine Breslauer Presse des Geistlichen Kaspar Elyan (seit 1475) die einzige Druckerei der Frühzeit; sie brachte lediglich Gebrauchsliteratur für die Geistlichkeit heraus, während die größeren Meßbücher in Mainz und Straßburg bestellt wurden. Von den Schweizer Druckorten gehörte Basel bis 1501 noch zum Deutschen Reich. Wahrscheinlich bestanden hier im Frühdruck enge Beziehungen zu Mainz, und vermutlich ist Berthold Ruppel, der im Fust-Gutenberg-Prozeß als Zeuge auftrat, der Erstdrucker der Stadt gewesen. Mit ihm arbeiteten Michael Wenssler und Bernhard Richel. Sie druckten theologische und juristische Werke in lateinischer Sprache, während Martin Flach und schließlich auch Richel mit Holzschnitten illustrierte deutschsprachige Drucke herausbrachten. Flach hat mehrere Ausgaben des „Ackermann aus Böhmen", Richel den „Sachsenspiegel" und den „Spiegel menschlicher Behältnis" gedruckt. Seit Anfang 1477 wirkte in Basel Johann Amerbach. Er hatte in Paris studiert, den Magistergrad erlangt und wandte in seiner Druckertätigkeit mit großer Sorgfalt die gelehrte humani-

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stische textkritische Methode auf die Herausgabe theologischer Werke an. Seitdem wurde Basel zum europäischen Zentrum der wissenschaftlichen Editionstätigkeit. Vermutlich hat Amerbach nach seinem Pariser Studium in Venedig das Drucken gelernt, wie entsprechende Einflüsse in seiner Typographie erkennen lassen. Er benutzte anfänglich auch eine verschnörkelte gotische Schrift, verhalf jedoch seit Mitte der achtziger Jahre der Antiqua zum Durchbruch. Seine erfolgreiche Tätigkeit stützt sich auf die Mitarbeit von Humanisten, wie seinem früheren Lehrer und Rektor der Pariser Universität Johann Heynlin aus Stein am Rhein (auch Johannes a Lapide genannt), die für korrekte Texte sorgten. Für die Buchillustration ist von Bedeutung, daß in Basel wahrscheinlich der junge Dürer gewirkt hat (vgl. S. 265). Zu den aus der allgemeinen Produktion sich hervorhebenden illustrierten Werken gehört der von Michael Furter gedruckte „Ritter vom Turn" (1493), ein „Tugendspiegel", den der Chevalier Geoffroy de la Tour- Landry zur Belehrung seiner Töchter 1371/72 niederschrieb und der von dem Deutschen Markwart von Stein übersetzt wurde. Das reichillustrierte „Narrenschiff" von Sebastian Brant (1494), eine die menschlichen Narrheiten verspottende Satire des als Professor für Rechtswissenschaft in Basel lehrenden Verfassers, wurde als vielgespriesenes Werk ins Italienische, Französische, Englische und selbst ins Lateinische übersetzt. Ihr Drucker ist der Kleriker Johann Bergmann von Olpe, der überhaupt schön gedruckte und mit gutem Buchschmuck und Holzschnitten geschmückte Werke herausbrachte. Auch die Anfänge des im 16. Jh. bedeutendsten Baseler Druckers, Johann Froben, der aus der Amerbachschen Offizin hervorging, fallen in das letzte Jahrzehnt der Wiegendruckzeit. 1491 bringt er eine lateinische Bibel im Taschenformat heraus.

Italien Nach Deutschland kommt Italien größte Bedeutung für die Entfaltung des Buchdrucks zu. Das Land war im 15. Jh. auf dem Höhepunkt der Entwicklung seines Handels, der Geldwirtschaft und der Kultur angelangt. Von hier gingen die Kunstauffassung der Renaissance und die Weltanschauung des Humanismus aus. Das führte zu einer Blüte der Buchdruckerkunst. In 73 Orten kam es im Laufe der Wiegendruckzeit zur Einrichtung von Pressen. Zahlreiche deutsche Drucker haben in Italien Offizinen betrieben. Die ersten waren Konrad Sweynheym und Arnold Pannartz, die in dem Benediktinerkloster Santa Scolastica bei Subiaco in der Nähe von Rom zu drucken begannen. In einer Lactantius-Ausgabe von 1465 wird dieser Druckort zum ersten Male genannt, während die Drucker selbst sich erst in den „Epistolae familiares" des Cicero nennen, die 1467 in Rom erschienen, wohin die Deutschen ihre Presse inzwischen verlegt hatten. Das Programm beider Drucker war stark vem humanistischen Einfluß bestimmt, und so sind sie auch die ersten gewesen, die bereits in Subiaco die Antiqua schufen, welche zunächst noch nicht ganz von gotischen Formen frei erscheint. In Rom verwendeten Sweynheym und Pannartz dann schon eine reinere Antiquaform. Ihre Presse hatten sie im Hause der Brüder Massimo aufgestellt, und der Bischof von Aleria, Johannes Andreas de Bussis, förderte ihre Arbeit. Er richtete für sie ein Bittgesuch an den Papst Sixtus IV., daraus zu ersehen ist, daß die beiden Drucker mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Dennoch entfalteten sie eine reiche Tätigkeit und brachten bis 1472 36 Werke heraus, neben Kirchenvätern vor allem klassische antike Literatur. 1473 trennten sie sich. Pannartz druckte noch bis 1476, und Sweynheym starb 1477 über dem Druck einer Ptolemäus-Ausgabe, zu der er Karten im Kupferstich verwendete, die in das Werk eingebunden wurden. In Rom behalten während der ganzen Wiegendruckzeit deutsche Drucker die Führung. Neben Sweynheym und Pannartz arbeitet Ulrich Han aus Ingolstadt. Er druckte 1467 mit den „Meditationes" des Turrecremata das erste mit Holzschnittillustrationen geschmückte Buch in Italien (vgl.

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S. 267). Mit einem 1476 erschienenen Missale brachte er den im Typensatz hergestellten Musiknotendruck auf. Vor allem gab er lateinische Klassiker heraus und benutzte die Antiqua, nachdem er mit gotischen Lettern angefangen hatte. Insgesamt sind etwa 40 Drucker in Rom tätig gewesen. Eine hervorragende Stellung nimmt Venedig nicht nur unter den Frühdruckorten Italiens, sondern in der gesamten den Buchdruck ausübenden Welt ein. Wieder leisten fremde Drucker, in erster Linie deutsche, die maßgebliche Pionierarbeit. 1469 errichtet Johann von Speyer, ausgestattet mit einem Privileg auf fünf Jahre, die erste Presse. Diese wird nach seinem Tode im Jahre 1470 von seinem Bruder Wendelin weitergeführt, ohne daß das Privileg erneuert worden wäre, so daß sich bald auch andere Offizinen auftun. Die beiden Brüder benutzten neben gotischen Typen eine Antiqua, die der römischen überlegen war, und vollbrachten beispielhafte typographische Leistungen. Neben lateinischen Klassikern und juristischen Werken druckten sie mit Petrarcas „Canzoniere" 1470 das erste Buch der italienischen Literatur und 1471 die erste Bibel in italienischer Sprache. Bereits 1470 eröffnete der Franzose Nicolaus Jenson (um 1420 — 1480) seine Presse. Er soll als Münzmeister und Stempelschneider von dem französischen König Karl VII. 1458 beauftragt worden sein, in Mainz die neue Druckkunst auszukundschaften, war jedoch nicht nach Frankreich zurückgekehrt, sondern nach Venedig gegangen. Ihm kommt das Verdienst zu, die Antiqua in ihre vollendete Grundform gebracht zu haben, die bis heute wirksam ist. Bis zu seinem Tode 1480 hat er 150 Drucke veschiedener Wissensgebiete erscheinen lassen. Eine Wirtschaftskrise brachte ihn darauf, Gesellschafter als Geldgeber, vor allem den Frankfurter Handelsherren Peter Ugelheimer, an seinem Unternehmen zu beteiligen, was ihm schließlich zu großem wirtschaftlichem Erfolg gedieh. Die Form der Herstellungs- und Vertriebsgesellschaften, die Italiens Wirtschaft eigen ist, greift seitdem überhaupt auf das Gebiet des Buchdrucks über. Eine der bedeutendsten ist die von Lucantonio Giunta (1450 — 1517) geleitete. Allein 150 Druckereien waren an ihr beteiligt, darunter viele deutsche. Es mochte für einzelne Meister schwierig sein, sich gegen solche Großunternehmen zu behaupten. Nachhaltigen Einfluß hat der Augsburger Erhard Ratdolt auf den Buchdruck in Venedig ausgeübt. Er wurde mit den von ihm verwendeten Rankenornamenten in Bordüren und Initialen der Schöpfer des Buchschmucks im Renaissancestil (s. S. 267). Mit 15 Jahren war er bereits nach Venedig gekommen und hat hier zunächst in Gemeinschaft mit zwei anderen Deutschen, Bernhard Maler und Peter Löslein, später aber selbständig gedruckt. Zwischen 1462 und 1486 sind 66 Werke bei ihm erschienen, darunter solche mathematischen und astronomischen Inhalts. Der berühmteste italienische Drucker in Venedig, Aldus Manutius (1449 — 1515), war begeisterter Humanist, zugleich Gelehrter, Editor und Verleger und besonders dem Griechentum zugewandt. Er richtete sich eine Druckerei ein, aus der ab 1495 griechische Klassiker hervorgingen, darunter eine bemerkenswerte fünfbändige Aristoteles-Ausgabe. Die dazu benutzte Kursive geht auf handschriftliche Vorlagen der Zeit zurück. Obgleich bereits seit 1476 in Mailand und später auch in Florenz griechische Drucke sich besserer Vorbilder bedienten, beeinflußte die nicht ganz glückliche Wahl der Kursive des Aldus die griechischen Druckschriften lange Zeit. Auf dem Gebiet des Antiquadrucks hingegen hat Aldus Leistungen von besonderer Schönheit vollbracht. So druckte er 1499 mit einer ausgewogenen Type in vorzüglicher Satzgestaltung die „Hypnerotomachia Poliphili". Dieses Werk ist ein antikisierender allegorisch-mystischer Liebesroman, eine Traumdichtung des Dominikaners Francesco Colonna, mit Schilderungen erdachter antiker Bauten und Kunstwerke. Es ist in italienischer Sprache geschrieben und mit 170 höchst bemerkenswerten Umrißholzschnitten im Renaissancecharakter illustriert (Abb. 65 a). Seit der Jahrhundertwende gab Aldus auch kleinformatige Drucke antiker Autoren als Taschenausgaben heraus, die in einer Antiqua-Kursive gedruckt sind, der ersten ihrer Art. Von dem Bologneser Francesco Griffo nach der römischen Cancelleresca geschaffen, war sie zwar noch nicht vollkommen, doch von großer Wirkung. Sie wird zuerst in einer Vergilausgabe von 1501 verwendet. Seit dieser Zeit (1502) be-

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ua. *

Abb. 65a: Seite aus der „Hypnerotomachia Poliphili" von Franciscus Colonna, Venedig: Aldus Manutius 1499

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Abb. 66: Verlagssignet des Aldus Manutius, Venedig 1 4 9 4 - 1 5 1 5

dient sich Aldus Manutius auch seines charakteristischen Druckerzeichens, des Ankers mit Delphin (Abb. 66). Seine Bücher sind unter der Bezeichnung „Aldinen" zu begehrten Sammelobjekten geworden. Nach seinem Tode 1515 blieb die Offizin bis in die zweite Hälfte des 16. Jh. im Besitz der Familie. Die weitere überaus rege und vielseitige Druckertätigkeit in Venedig wird von etwa 150 Druckern geleistet, die über 4 000 Werke herausbringen. Mit dieser Produktion und deren Umsatz steht Venedig an erster Stelle unter den Druckstädten der Zeit. Von den übrigen italienischen Druckorten mögen summarisch mit den bedeutendsten Leistungen folgende erwähnt werden: in Florenz, wo Bernardo Cennini 1471 den Buchdruck eingeführt hatte, erlangte nach Johann Petri aus Mainz der aus der Diözese Breslau kommende Nikolaus Laurentii Bedeutung, besonders durch den Versuch, seine Drucke mit Kupferstichen zu schmücken (s. S. 284) und durch den Druck eines mit 31 gestochenen Karten versehenen geographischen Werkes (um 1480). Eine weitere Besonderheit in der Stadt stellte die Druckerei des Dominikanerinnenklosters dar, in der die Nonnen mit zwei Mönchen und weltlichen Druckern zusammen arbeiteten und geistliche sowie profane Literatur erscheinen ließen. Unter den 20 Offizinen der Stadt entwickelten sich wichtige Verlagsunternehmen wie das von Pietro Pacini (s. S. 269) und Filippo Giunta (ein Bruder des in Venedig wirkenden Lucantonio), der besonders griechische Werke in Auftrag gab. Auch die florentinische Illustrationskunst erlangte Bedeutung (s. S. 269). In Mailand begann 1470 Antonio Zarotto eine umfangreiche Buchproduktion vor allem mit liturgischen und klassischen Werken im Verlegerauftrag. Wie in Venedig kommt es hier zur Bildung von Großhandelsgesellschaften. Solche Verleger sind Philippus de Lavagna und die Familie de Castellino. Auch deutsche Drucker wie Leonhard Pachel, Ulrich Scinzenzeller und Christoph Valdarfer entfalten eine rege Tätigkeit. Die Deutschen führten die Holzschnittillustration in Mailand ein. Vorrangig deutsche Drucker waren auch in Neapel tätig. In den achtziger Jahren bestand unter der Leitung des Italieners Francesco del Tuppo eine deutsche Druckergesellschaft. Jüdische Meister wie Josua Salomon von Soncino übten den hebräischen Buchdruck aus. In Bologna, an dessen Universität die Jurisprudenz und ein umfangreicher Schreibbetrieb beheimatet waren, wurde traditionsgemäß auch die Druckertätigkeit vorwiegend auf die Produktion juristischer Werke eingestellt. Ferner haben neben anderen Städten Verona und Ferrara, wo als nennenswerter Drucker Lorenzo di Rossi arbeitete, bedeutende Leistungen aufzuweisen.

Frankreich Zunächst scheint man in Frankreich, besonders in Paris, den Bedarf an gedruckten Büchern aus dem Angebot deutscher Offizinen befriedigt zu haben. Schon Fust und Schöffer fanden hier ihr

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erstes großes Absatzgebiet. Bald folgten den Handelsbeziehungen auch die deutschen Drucker selbst. Die Initiative ging von humanistisch interessierten Gelehrten der Sorbonne aus. 1470 beriefen Johann Heynlin von Stein, der nachmals für Amerbach in Basel tätig war (vgl. S. 127), und Guillaume Fichet die deutschen Drucker Ulrich Gering, Michael Friburger und Martin Crantz nach Paris und richteten ihnen in der Sorbonne eine Offizin ein. Drei Jahre druckten die Gesellschafter für ihre gelehrten Auftraggeber wissenschaftliche lateinsprachige Werke in großformatiger Antiqua. Als 1473 die beiden Professoren Paris verließen, machten sich die Drucker wirtschaftlich selbständig, druckten nunmehr jedoch theologische Werke mit gotischen Typen. 1478 scheint sich die Gesellschaft aufgelöst zu haben: Gering nennt sich nur noch allein in den Drucken und geht verschiedentlich Verbindungen mit anderen Gesellschaftern ein. Von seinen früheren Teilhabern ist nicht viel bekannt. Inzwischen werden andere Offizinen in Paris gegründet, darunter solche, die von Franzosen betrieben werden. Pasquier B o n h o m m e beginnt 1486 als erster mit einem französischen Werk in drei Foliobänden, den „Grandes Chroniques de France". Hervorzuheben ist das Wirken des einen Großverlag anstrebenden Jean Dupre, der seit 1481 mit mehreren Teilhabern arbeitet und in anderen Städten Filialen unterhält. Er bringt die ersten illustrierten Bücher in Frankreich heraus. So hat er auch Livres d'Heures, die in Frankreich eine bedeutende handschriftliche Tradition besaßen, drucken lassen und begonnen, sie mit charakteristisch gewordenen, im Metallschnitt hergestellten Textumrahmungen auszustatten. Seitdem wird das reich illustrierte, als Luxusartikel leicht absetzbare Gebet- oder Stundenbuch für Laien in französischer Sprache massenweise produziert. N e b e n Dupre sind Philippe Pigouchet, der auch für den Verleger Simon Vostre druckte, der Verleger Antoine Verard und selbst der Deutsche Tilman Kerver an dieser Gebetbuch-Industrie maßgeblich beteiligt (vgl. S. 269). Verard verlegte außerdem hauptsächlich französische illustrierte Unterhaltungsliteratur, wie Ritterromane und Novellensammlungen, dazu auch Chroniken und antike Autoren in französischer Ubersetzung. Im letzten Jahrzehnt der Frühdruckzeit blühte in Paris das Verlagswesen auf. Von den 41 französischen Wiegendruckorten hat neben der Metropole Paris das am Kreuzungspunkt verschiedener Handelswege gelegene Lyon Bedeutung erlangt. Uber 50 Drucker haben hier produziert und ihren Absatzmarkt gesucht. Erstdrucker war Guillaume Le R o y aus Lüttich. Er wurde bei den deutschen Druckern Venedigs ausgebildet und in L y o n von dem Handelsherrn Barthelemy Buyer zusammen mit deutschen Gehilfen beschäftigt. N a c h dem T o d e seines Auftraggebers druckte er selbständig weiter und brachte französische illustrierte Ritterromane und Dichtungen des Mittelalters heraus. Allmählich gewannen die deutschen Drucker in L y o n die Oberhand. Hauptmeister sind Martin H u s s aus Botwar (Württemberg), der über Basel kam, w o er das Drucken lernte und sein Typenmaterial formte, und der humanistisch gebildete Johann Trechsel, der seit 1492 den Gelehrten und nachmalig führenden Pariser Buchhändler und Verleger Jodocus Badius Ascensius als Korrektor beschäftigte. Sein Hauptwerk ist eine Terenzausgabe von 1493, die sich durch wirkungsvolle szenische Illustrationen auszeichnet. 1498 ist Trechsel gestorben. Für den Lyoneser Buchdruck sind auch kleinformatige, mit einer raumsparenden Type hergestellte Bücher charakteristisch. Im französischen Buchdruck fanden allgemein gotische und rundgotische Schriften Verwendung, seltener die Antiqua. N a c h handschriftlichen Vorlagen bildete sich eine gotische Bastardschrift heraus, die die Schöpfungen deutscher Typographen beeinflußte.

England In England wird der Buchdruck von einem Landsmann eingeführt. Es ist der Kaufmann William Caxton (1422 — 1492), der in angesehener Stellung in Brügge tätig war und dort wohl auf die neue Kunst aufmerksam wurde. E r übersetzte für Margarethe von Y o r k , die Gemahlin Karls des Küh-

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nen, Herzogs von Burgund, eine französische Erzählung über den Trojanischen Krieg ins Englische und beabsichtigte, sie zu drucken. Deshalb ging er 1471 nach Köln und erlernte bei einem unbekannten Meister das neue Handwerk. Nach seiner Rückkehr verband er sich mit dem Kalligraphen Colard Mansion zur Gründung einer Presse und druckte zuerst seine Ubersetzung. 1476 begab er sich nach England und richtet in der Nähe der Westminster-Abtei eine Offizin ein, in der er bis 1491 vorwiegend Bücher in der Landessprache druckte. Dabei bevorzugte er mittelalterliche und zeitgenössische Literatur, betätigte sich weiterhin selbst als Ubersetzer, förderte damit die englische Schriftsprache und entwickelte überhaupt bewußt nationale Bildungsbestrebungen. Ab 1480 sind seine Drucke ab und zu mit primitiven Holzschnitten versehen, während die Typen, trotz niederländischen Einschlags, bodenständige Bastardschriften eigenen Gepräges darstellen. Nach Caxtons Tode führte der aus Wörth im Elsaß gebürtige Wynkyn de Wörde die Druckerei weiter. Er druckte viel, doch ohne nennenswerte Qualität. In London wurde er von Richard Pynson, der aus der Normandie kam und unter französischem Einfluß stand, jedoch englische Unterhaltungsliteratur bevorzugte, übertroffen. Die nationalenglische Richtung hielt ein weiterer englischer Drucker, Julian Notary, ein, während man in Oxford, wo vorübergehend eine Presse tätig war und wo auch der Deutsche Theoderich Rood aus Köln wirkte, lateinische und theologische Schriften druckte.

Die wichtigsten der übrigen europäischen Länder Auch in Spanien haben deutsche Drucker den Buchdruck angesiedelt. Als erstes Zeugnis gilt ein Ablaßbrief, der 1473 hergestellt wurde, ohne daß Drucker und Druckort bekannt sind. Der Typenbestand jedoch zeigt Kölner Charakter. Im Zusammenhang mit den Beziehungen der Ravensburger Handelsgesellschaft zu Spanien nahmen seit 1475 deutsche Drucker in Valencia, Saragossa und Barcelona ihre Tätigkeit auf. Sie benutzten zuerst die Antiqua, obgleich diese sich später nicht weiter durchsetzen konnte. Während die genannten Städte sich zu bedeutenden Druckorten entwickelten, wurden auch in anderen Städten Pressen errichtet, so in Burgos, Salamanca und Sevilla. In der Folgezeit kamen weitere deutsche Drucker nach Spanien, und der deutsche Einfluß blieb bis zum Ende der Wiegendruckzeit maßgeblich. Die Königin von Portugal berief 1495 deutsche Drucker nach Lissabon. Im gleichen Jahr eröffnete dort ein einheimischer Drucker seine Offizin, druckte das erst Buch in portugiesischer Sprache und vollbrachte gute typographische Leistungen. Die Frühdrucker in niederländischen, holländischen und belgischen Gebieten verarbeiten ausländische Einflüsse, vor allem solche aus Italien und Deutschland, sie erlangen aber bald Selbständigkeit in der Typengestaltung und Illustration. Alost und Utrecht sind die ersten Druckorte. 1472 begann in Alost (Aalst) Johann von Paderborn seine Tätigkeit, nachdem er wahrscheinlich in Venedig gelernt und kurze Zeit in Straßburg gearbeitet hatte. Später siedelte er nach Löwen über. Seine Drucke verraten die Qualität der venezianischen Lehre. Er benutzte Typen in italienischem Geschmack, legte Wert auf eine rein typographische Gestaltung ohne Schmuckelemente und arbeitete für die Universität. In Utrecht druckten zuerst 1473 Nikolaus Ketelaer und Gherard Leempt, die anspruchlose einheimische Typen benutzten. Bereits vor Johann von Paderborn hatte sich in Löwen der Deutsche Johann Veldener angesiedelt, der aber schließlich den Buchdruck aufgab und als Buchbinder arbeitete. Seit 1475 wirkte in Brügge Colard Mansion, der zunächst mit Caxton (s.o.) zusammen arbeitete. Seinen Typen ist anzumerken, daß er aus dem Stand der Kalligraphen kam. Der Buchdruck breitete sich in den Niederlanden schnell aus. Zu hoher Blüte entwickelte er sich in Antwerpen, wo sich unter anderen bemerkenswerte Persönlichkeiten wie Gerard Leeu und Jacob Bellaert mit der Herstellung illustrierter Bücher befaßten. Leeu kam aus Gouda, wo sich ebenfalls ein reger Druckbetrieb entwickelt hatte. Die meisten Pressen wurden in Deventer betrieben.

Die Entwicklung des Buchdrucks vom 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts

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Dänemark und Schweden werden vor allem von Lübeck aus betreut (s.o.). Johann Snell druckte 1482 in Odense und 1483 in Stockholm. Dort folgte ihm vorübergehend Bartholomäus Ghotan, der von Magdeburg über Lübeck nach Schweden kam. In Kopenhagen druckte als erster der Niederländer Gottfred af Ghemen aus Gouda. Der führende Wiegendruckort Polens wurde Krakau, dessen Universität geistiges Zentrum des Ostens war und die Buchdrucker anzog. Zunächst druckten deutsche Meister in lateinischer Sprache. Die ersten Erzeugnisse Krakauer Pressen blieben anonym, der Erstdruck ist ein Einblattkalender für das Jahr 1474. Nach weiteren unbezeichneten Inkunabeln, die wahrscheinlich von Kaspar Straube aus Dresden oder Leipzig hergestellt wurden, erscheinen 1491 die ersten Bücher in kirchenslawischer Sprache und in kyrillischer Schrift, gedruckt von Sweipold Fiol aus Franken. Vermutlich hat die Typen der aus Braunschweig stammende Formschneider Rudolf Borsdorf geschnitten, der mit Fiol deshalb einen Vertrag einging und sich verpflichtete, seine Kunst geheimzuhalten. Fiol wurde aber wegen hussitischer Ketzerei ins Gefängnis geworfen und mußte, um freizukommen, abschwören und eine Bürgschaft stellen. Schließlich zog er nach Ungarn weiter, wo er 1525 gestorben ist. Die erste tschechische Presse ist wohl in Pilsen von einem unbekannten Drucker gegründet worden, der 1468 die damals volkstümliche „Trojanische Chronik" erscheinen ließ und zu deren Druck eine spezifisch tschechische Bastarda benutzte. Es wird angenommen, daß der Buchdruck von Köln aus in das Land eingeführt wurde. Auch zu anderen deutschen Städten, besonders zu Nürnberg, bestanden enge Beziehungen, und man bezog von dorther tschechische Bücher. Bis 1500 siedelten sich in Prag, Winterberg (Vimperk), Brünn, Kuttenberg (Kutna Hora) und Olmütz Pressen an. Die wichtigsten Drucker in Prag waren Jonathan von Hohenmaut (Jonata ζ Vysokeho Myta), Jan Kamp und Johann Severin. Die beiden letzten betrieben die wohl größten Druckereien der Zeit in Böhmen. Aus der Zahl der anderen Frühdrucker mögen der in Kuttenberg arbeitende Martin von Tischnowitz und Mikulas Bakalar genannt sein, der in Krakau studierte. In Nürnberg erlernte er die Druckkunst und druckte seit 1488 in Pilsen gängige Literatur für die bürgerliche Bildung und Erbauung in tschechischer Bearbeitung, z.B. Breitenbachs „Reise in das Heilige Land". Der tschechische Frühdruck entwickelte sogleich gewisse nationale Eigenarten. Die meisten Bücher erschienen in tschechischer Sprache, und man verwendete neben der Schwabacher, der Textura und Rotunda auch eine eigene gotische Bastarda. Illustrationen und Buchschmuck wurden allerdings aus Deutschland importiert. Ebenso machte sich in Mähren durch deutsche Drucker das deutsche Element stärker bemerkbar. Als Erstdrucker Ungarns konnte Andreas Hess, der aus Venedig nach Budapest berufen worden war, keinen Anklang finden. In Rußland soll zuerst Bartholomäus Ghotan 1493 in Nowgorod eine Offizin zum Druck russischer Meßbücher eingerichtet haben. Er hat sich aber nicht durchgesetzt und soll von religiösen Fanatikern ermordet worden sein.

Die Entwicklung des Buchdrucks vom 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts Gesellschaftliche und gewerbliche Merkmale der Entwicklung Seit dem 16. Jh. bestimmt der Buchdruck die Wirtschaft und Kultur wesentlich mit. Das auf Kapital und Handel beruhende Buchgewerbe wurde zu einem progressiven Element, das die gesellschaftliche Entwicklung voranzutreiben half. Durch die teilmechanische Herstellungsweise im Druckwesen stieg die Buchproduktion und diente damit der Verbreitung von Ideen und Erkenntnissen, welche die religiösen und politischen Vorstellungen stark beeinflußten.

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Durch die Auswirkungen des Humanismus auf die Bildung und der Reformation und des Bauernkrieges auf das Denken und Handeln der Menschen stieg die literarische Produktion, vermehrten sich die Offizinen und breitete sich der Buchdruck in weitere Orte aus. Die bereits in den letzten Jahren des 15. Jh. zu bemerkende Normierung des Buches sowie die Methoden seiner Herstellung und seines Vertriebes wurden in den ersten Jahrzehnten des 16. Jh. so ausgebildet, wie sie sich unter den Bedingungen des landesfürstlichen Absolutismus bis Ende des 18. Jh. erhalten haben. Kennzeichnend sind die annähernd gleichbleibende Handhabung der Prinzipien für die Gestaltung des Buches, die Arbeitsteilung in Schriftherstellung, Satz und Druck, wobei die Vereinheitlichung des Typenmaterials, der Einsatz des Drucks zur massenhaften Vervielfältigung aller möglichen Publikationen, die Satzherstellung an die Druckerei gebunden blieb, der Schriftschnitt und -guß sich jedoch verselbständigen konnten. Schriftschneider, Schriftgießer, Setzer und Drucker wurden selbständige Berufe. Eine Arbeitsteilung vollzog sich auch zwischen dem Verleger, Drucker und Buchhändler. Die ursprüngliche Form, daß der Drucker zugleich Verleger war und für den Absatz seiner Ware selbst zu sorgen hatte, entsprach nicht mehr den Anforderungen der Produktion und des Marktes. Es entwickelten sich verschiedene Formen der Arbeitsteilung, wobei sich der Schwerpunkt in der Organisation des Herstellungsprozesses vom Drucker auf den Verleger verschob und der Buchhandel als selbständiger Gewerbezweig entstand. Der Produktionsprozeß wurde vom kaufmännisch arbeitenden Verleger bestimmt, der seine Aufträge an Buchdruckereien vergab und über Ausstattung und Ausführung des Druckes entschied. Es fand also eine Trennung zwischen Verlag und Druck statt, die aber nicht generell wirksam wurde. Es ergaben sich Zwischenformen, so daß der Verleger auch gelegentlich oder zeitweilig einen Druckereibetrieb besaß. Andererseits war es öfter der Fall, daß Druckereibesitzer den Buchverlag und Sortimentshandel ausübten (Druckerverleger) und daß Buchhändler selbst etwas verlegten, um am üblichen Tauschverkehr teilnehmen zu können und nicht bar zahlen zu müssen. Nicht selten sind Buchbinder, die ein Sortiment an Kleinliteratur unterhielten, zu Buchdruckern aufgestiegen. Der Druckereibetrieb wiederum konnte im Besitz eines Unternehmers sein (Druckherr), der selbst kein Fachmann war und die Druckerei von einem anderen, z.B. einem Faktor, leiten ließ. Oft kam es vor, daß die Witwe eines Druckers auf diese Weise ihren Betrieb fortführte. Im Erbgang haben sich Firmen auch über Generationen im Familienbesitz erhalten. Manche sog. Diener, Gesellen, Faktoren sind durch Einheirat zu Besitzern eines Betriebes geworden oder haben Druckereien käuflich erworben. Meist mußte der Rat der Stadt oder die Zunft der Einrichtung eines Betriebes oder dem Einsatz eines Meisters zustimmen. Weiterhin gab es Lohndrucker, die im Auftrag und auf Kosten eines Verlegers oder einer Behörde arbeiteteten. Im allgemeinen blieb der Drucker auf seine Zuständigkeit für den technischen Betrieb beschränkt und verlor an Einfluß auf die Buchproduktion. Auch Universitäten, Gymnasien, Fürstenhöfe ließen für ihre speziellen, lokalen und territorialen Zwecke Druckereien betreiben, die nebenher auf eigene Rechnung Kleinliteratur wie Kalender und Gelegenheitsdrucke produzierten. Im Verlauf des 16. und 17. Jh. sind in Deutschland darüber hinaus etwa 20 Klosterdruckereien oft nur kurzfristig und mit geringfügiger, weniger bedeutender Produktion tätig gewesen. Da nun der Drucker gegenüber dem Verleger an Bedeutung verlor und aus den Büchern immer weniger ersichtlich ist, wer sie gedruckt hat, verquickt sich die Geschichte des Buchdrucks mit der Verlags- und Buchhandelsgeschichte. Es bleibt im folgenden bei der Nennung von Firmen und Personen oft unerheblich, in welcher Weise ihre Leistungen sich auf Druck oder Verlag beziehen. Zunächst erreicht der Buchdruck in der ersten Hälfte des 16. Jh. einen Höhepunkt seiner Entwicklung, während er in der zweiten Hälfte Verfallserscheinungen erkennen läßt. Der Schwerpunkt der Buchherstellung verlagerte sich insbesondere in Verbindung mit der Reformation auf Druckstädte in Mittel- und Norddeutschland (Wittenberg, Leipzig). Als Handelsplätze für das Buch bildeten sich die Messen in Frankfurt/Main und später in Leipzig (s. S. 144) heraus.

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Der Buchdruck im Dienste von Reformation und Bauernkrieg Während der Reformation und im deutschen Bauernkrieg zeigte der Buchdruck zum ersten Male in seiner Geschichte die ihm innewohnenden Wirkungsmöglichkeiten als Kampf-, Werbe- und Aufklärungsmittel. Er wurde durch Luther und Müntzer bewußt in den Dienst einer Volksbewegung gestellt und bewies dabei seine große politische und ideologische Bedeutung. Das Buch war inhaltlich und äußerlich nicht mehr nur für einen kleinen Kreis gebildeter Schichten berechnet, sondern für die Massen, die in dieser Zeit in noch nie dagewesener Weise aufnahmebereit für die neuen Ideen waren, die es bot. So wurden z.B. unzählige billige Flugschriften und Traktate in großen Auflagen hergestellt, vom Volke begierig aufgenommen und weitergegeben. Die „Neuen Zeitungen" erschienen als Einblattdrucke oder in Heftform mit Nachrichten von politischen Ereignissen, Naturgeschehen und anderen Dingen, oft auch phantastischer Art. Unterhaltungsliteratur mit gesellschaftskritischem Inhalt kam in kleinformatigen billigen Ausgaben heraus, wie z.B. der Till Eulenspiegel, der 1510/11 in Straßburg bei Johann Grüninger erschien. Schmähschriften gegen Herren und Geistlichkeit, Streitschriften, besonders zwischen Luther und seinen Gegnern, und schließlich verschiedene Programmschriften mit sozialrevolutionärem Ideengut zogen das Eingreifen der Behörden und der Zensur nach sich. Zahlreich waren die Drucker und Händler, die wegen Verbreitung solcher Kampfschriften büßen mußten. Dieses Massenschrifttum setzt eine ebenfalls bisher nicht dagewesene zeitgenössische literarische Produktion voraus, in der das gelehrte Latein der Volkssprache wich. Dadurch wurde der Inhalt dieser Schriften auch den Angehörigen der unteren sozialen Schichten zugänglich. Die Flugschrift war das wichtigste publizistische Mittel der verschiedenen antifeudalen, reformatorischen und politischen Gruppen. Martin Luther leitete mit seinen als Plakatdruck lateinisch und deutsch erschienen Thesen gegen den Ablaßhandel im Oktober 1517 die Reformation ein. Seine Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation" (1520) entwarf ein Programm für eine Reichs- und Kirchenreform gegen die Macht der Papstkirche. Sie wurde innerhalb von 3 Wochen in 4 000 Exemplaren verkauft und erreichte insgesamt 15 Ausgaben. In der Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen" (1520) verkündete Luther die Glaubensfreiheit, wodurch die Bauern im Kampf gegen die Feudalherren bestärkt wurden. Der „Sermon von Ablaß und Gnade" (Inhalt der Thesen deutsch), erschien 1518 bis 1520 in 22 Ausgaben. Eine erste Gesamtausgabe von Luthers lateinischen Schriften bei Johann Froben in Basel 1518 war ebenso rasch vergriffen wie die folgende Auflage von 1519. Auch die volkstümliche Bibelübersetzung Luthers, als deren erster Teil das Neue Testament 1522 vorlag, erreicht von 1522 bis 1534 85 Ausgaben. Die vollständige Lutherbibel erlebte von 1534 bis 1574 rund 100 000 verkaufte Exemplare. Dazu kommen die Nachdrucke, über die sich Luther zwar heftig beklagte, die aber beweisen, welche Produktionsmöglichkeiten und welche Aufnahmebereitschaft für diese Druckererzeugnisse bestanden. Dabei wirkte sich im Verlauf der Entwicklung auch Luthers anschauliches Bibeldeutsch sprachbildend aus. Allerdings bedeutete die Steigerung der Quantität der Drucke eine Minderung ihrer technischen Qualität. Auch Thomas Müntzer, einer der ideologischen und politischen Führer im Bauernkrieg, verkündete seine Forderungen zur Umgestaltung der Gesellschaft nicht nur als Prediger, sondern bediente sich dazu der Presse. In seinen Flugschriften und Predigten begründete er, gestützt auf die Bibel, das Widerstandsrecht des Volkes gegen die als gottlos empfundene Obrigkeit und rechtfertigte die revolutionäre Gewalt. Seine Drucker sowie er selbst mußten deshalb Maßregelungen ertragen, und seine Schriften unterlagen der Zensur. Im Jahr 1524 erschienen vier Drucke Müntzers bei Nicolaus Widemar, der in Eilenburg ein Ausweichunternehmen des Leipziger Druckers Wolfgang Stockei betrieb, welches im Herzogtum Sachsen verbotene reformatorische Schriften druckte. Im gleichen Jahr brachte in Allstedt, dem Wirkungsort Müntzers als Prediger zu dieser Zeit, der Drucker Hans Reichardt zwei liturgische Werke Müntzers mit dem Material Widemars heraus.

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Einer der weiteren Drucker Müntzers war Hieronymus Höltzel (gest. um 1532) in Nürnberg, der auch Schriften von Karlstadt und für die aufständische Bauernschaft herstellte und dafür 1524 eingekerkert wurde. Er gehörte zu jenen Druckern, die für die progressiven Strömungen der Zeit eintraten. Bereits 1511 hatte er seine „Apologia" der Böhmischen Brüder gedruckt und war dafür verwarnt worden. Trotzdem arbeitete er weiter für die Böhmischen Brüder. Auch eine Flugschrift über den ungarischen Bauernaufstand zog ihm Bestrafung zu. Unter diesen Umständen geriet er schließlich in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Selbst der repräsentative Druck eines Missale für Eichstätt 1517 konnte ihn nicht retten, er mußte die Auflage sogar zum Teil verpfänden. Schlimmer ging es seinem Mitbürger Hans Hergot, der ebenfalls für Müntzer eine gegenlutherische Schrift druckte. Während des Besuches der Leipziger Messe 1527 als Buchführer vertrieb er die Sozialrevolutionäre Schrift „Von der neuen Wandlung eines christlichen Lebens". Sie war mit den Typen von Michael Blum in Leipzig gedruckt. Ob Hergot sie verfaßt hat, ist nicht erwiesen. Dennoch wurde er wegen Verkaufs der Schrift auf Befehl des sächsischen Landesfürsten Georg des Bärtigen hingerichtet. Da die meisten Flugschriften gegen die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse gerichtet waren, erschienen sie ohne oder mit fingierten Angaben von Druckern und Druckort. Viele von ihnen wurden in kleinen, vor der „Obrigkeit" sich verbergenden sogenannten Winkeldruckereien hergestellt. Auch die 12 Hauptartikel der Bauern erschienen 1525 anonym und wurden in 25 verschiedenen Ausgaben über das ganze Land verbreitet. Sie enthielten die Forderungen der Bauern gegen Adel, Fürsten und Geistlichkeit als Grundlage neuer Rechtsverhältnisse zwischen Bauern und Herren. Den einzelnen Aufständen des Bauernkrieges gaben sie ein gemeinsames Programm und eine geschlossene Stoßrichtung. Damit wurde die politische Bedeutung der Presse und des Buches besonders offenbar. Die Artikel wurden zuerst im März 1525 in Augsburg gedruckt, und nur in einer der 25 Ausgaben nennt sich einmal Paul Kost in Regensburg als Drucker. Dieser brachte außerdem zahlreiche Nachdrucke von Lutherschriften heraus und mußte für seine Tätigkeit im Kerker büßen. Als gesellschaftskritisches und programmatisches Kampfmittel gegen die Fürsten- und Pfaffenherrschaft wurde der Buchdruck auch von verschiedenen anderen Gruppen gebraucht. In Zwickau, wo Müntzer 1520 kurze Zeit nachdrücklich gewirkt hatte und in Verbindung mit den Wiedertäufern gekommen war, richtete Johann Schönsperger d.J. aus Augsburg 1523 eine Druckerei ein, die zunächst von Jörg Gastel geleitet wurde. Er druckte außer evangelischen und täuferischen die revolutionären Schriften des Hans Lochner, gen. Rott, der für die Sache des Volkes eintrat. Wegen kaiserfeindlicher Drucke mußten sich die Augsburger Winkeldrucker Hans Zimmermann und Hans Gegeler verantworten. Gegler wurde verfolgt, gefoltert und eingekerkert. Er stand in Verbindung mit David Denecker, der wiederholt wegen obrigkeitswidriger Schriften bestraft wurde, vor allem aber fliegende Blätter und „Neue Zeitungen" druckte. Als Vertreter des niederen Adels, aber noch verpflichtet der überholten mittelalterlichen Reichsidee, bekämpften Ulrich von Hutten und Franz von Sickingen die fürstliche Despotie. Für Hutten als Humanisten und Publizisten druckten u.a. Johann Schöffer in Mainz, aber auch Johann Grüninger in Straßburg, der sich sonst von reformatorischen Strömungen fernhielt. Dennoch brachte er die gesellschaftskritischen Moralpredigten des populären, spätscholastischen Straßburger Kanzelredners Johann Geiler von Kaisersberg heraus, der in origineller, volkstümlich drastischer Weise die Schäden in Staat und Kirche und die Unterdrückung der Armen geißelte. Er predigte z.B. über das aktuelle „Narrenschiff" von Sebastian Brant. Seine Predigten wurden nachgeschrieben und teils lateinisch, teils deutsch viel gedruckt. Grüninger verschaffte sich dafür sogar ein Privileg, das eines der ersten war. Auf dem Boden innerkirchlicher katholischer Reformen, aber gegen Luther, stand der gelehrte Franziskaner und reimgewandte Dichter Thomas Murner (1475 —1537), der 1524 in Straßburg eine eigene Druckerei betrieb, die von reformationsbegeisterten Volksmassen zerstört wurde. Mur-

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ner floh nach der Ausweisung aus Straßburg und vor der Auslieferung an die aufständischen Bauern nach Luzern, wo er wiederum eine Druckerei einrichtete, 1529 mußte er aber erneut wegen des Druckes lutherfeindlicher Schriften fliehen und seine Druckertätigkeit beenden. Mit seinen rund 6 000 Schwänken war Hans Sachs nächst Luther der fruchtbarste Schriftsteller der Zeit. Seine in Flugschriftform weit verbreiteten, in ihrer Gesellschaftskritik gegen alle Stände progressiven Dichtungen druckten vor allem in Nürnberg Hermann Hamsig und Georg Merckel. Noch zu seinen Lebzeiten besorgte der Augsburger Buchhändler Georg Willers ab 1558 die erste Gesamtausgabe. Das geistige Zentrum der Reformation war Wittenberg. Hier kam es 1502 zur Gründung einer Universität, die auch die Einrichtung einer Presse nach sich zog. Nach unbedeutenden Anfängen arbeitete der seit 1508 ansässige Johannes Rhau, genannt Gronenberg, als erster Drucker für Luther. Wahrscheinlich hat er auch 1517 den Erstdruck der Thesen herausgebracht. Infolge des Wirkens von Luther wurde Wittenberg auf drei Jahrzehnte zur produktivsten Druckstadt, (s.a. S. 275 ff.). 1519 gründete der Leipziger Melchior Lotter (1470 — 1549) eine Filiale in Wittenberg, die sein Sohn Melchior d.J. betrieb. Er brachte 1522 die sogenannte Septemberbibel heraus, das ist die von Luther auf der Wartburg angefertigte Ubersetzung des Neuen Testaments. Ihr folgte bereits im Dezember eine zweite Auflage, die Dezemberbibel. Auch die Ubersetzung der fünf Bücher Mosis erschien 1523 bei Lotter. Aber die literarische Produktion der Reformatoren war so groß, daß noch viele Pressen hinzugezogen werden mußten. So druckten Nikolaus Schirlentz, Joseph Klug, Hans Weiss, Georg Rhaw, Peter Seitz und Johann Kraft in Wittenberg. Hervorzuheben ist die Presse, die der berühmte Maler Lucas Cranach (1472 — 1553) mit Christian Döring einrichtete. Sie war seit 1523 im Betrieb und widmete sich besonders dem Bibeldruck. Später wurde Hans Lufft (1495 — 1584) der bedeutendste Bibeldrucker. Er wirkte bereits seit 1522, und seine Hauptleistung ist die erste Gesamtausgabe der Lutherbibel. Sie erschien reich illustriert 1534 (Abb. 67). Bis 1550 ließ ihr Lufft zahlreiche Auflagen folgen. Eine Reihe bedeutender Illustratoren sorgte für eine künstlerisch beachtenswerte Bebilderung und Ausstattung der Bibel. In den 70er Jahren jedoch begann der Rückgang im Buckdruck Wittenbergs. Aber auch in anderen Städten brachte die Reformation die Pressen in Schwung. In Nürnberg machte sich eine besonders radikale Richtung bemerkbar; hier druckten Hans Hergot und Hieronymus Höltzel (siehe oben). Bei ihm waren auch die Texte zu Dürers Holzschnittwerk erschienen. Friedrich Peypus druckte bereits 1524 Luthers Ubersetzung des Neuen und des Alten Testaments nach und versah sie mit Holzschnitten von Hans Springinklee und Erhard Schön. Wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren dagegen die Drucker Leipzigs ausgesetzt, da der sächsische Landesfürst Georg der Bärtige streng darüber wachte, daß keine reformatorischen Schriften erschienen. Martin Landsberg, Wolfgang Stockei, Jakob Thanner und Melchior Lotter d.Ä. stellten sich in den Dienst des Humanismus. Trotzdem konnten sie der wachsenden Notlage nicht Herr werden. Stockei siedelte nach Dresden über und arbeitete für den katholischen Herzog. Mit dessen Tode 1539 aber wurde die Reformation in Sachsen eingeführt und damit das Gewerbe aus der Beschränkung befreit. Daraufhin brachte 1541 Nikolaus Wolrab, der zuvor seit 1537 die strengkatholische Richtung vertrat und in Schulden geraten war, eine von Lucas Cranach d.J. und anderen illustrierte Lutherbibel heraus, die ihn jedoch nicht vor dem Ruin retten konnte. 1545 ging die Offizin ein, und Wolrab suchte in anderen deutschen Städten Fuß zu fassen. Auch in Straßburg standen die Drucker, mit Ausnahme von Grüninger, im Dienst der Reformation, ihnen voran Wolfgang Köpfel, der an der bedeutendsten Leistung des reformatorischen Buchdrucks in Straßburg beteiligt war, dem Gesangbuch von 1541. Es wurde von Georg Waldmüller, genannt Messerschmidt, gedruckt mit zweifarbigem Titel, einer Bordüre, kalligraphischen Initialen und Frakturschrift. In Augsburg war Silvan Otmar vom Druck erbaulich religiöser Schriften zum Nachdruck von Lutherschriften übergegangen und widmete sich diesem Geschäft mit Eifer. Er war der Sohn des

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Hans Otmar. Dieser hatte auch Werke der kirchlich konservativen Mystiker Heinrich Seuse und Johannes Tauler publiziert, ehe er noch vor Grüninger in Straßburg Sammlungen der vorreformatorisch-kritischen Predigten des Johann Geiler von Kaisersberg wie „Predigen teutsch" (1508) und „Das Buch Granatapfel" (1510) druckte. Heinrich Steiner, Melchior Ramminger und Philipp Ulhart betätigten sich fast ausschließlich als Nachdrucker reformatorischer Schriften und Flugschriften. Nachdrucke von Luthers Werken erschienen, von Hans Holbein mit Buchschmuck und Illustrationen ausgestattet, auch in Basel bei Adam Petri und Thomas Wolf. Reformatorische Streit-

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Schriften und Dialoge mit Randleisten und Holzschnitten druckte Pamphilius Gengenbach, und eine Reihe weiterer Drucker arbeitete im selben Sinne. T h o m a s Wolf und Johann Bebel wurden deshalb gefangengesetzt. In Zürich stellte sich Christoph Froschauer in den Dienst Zwingiis, dessen reformatorisches Wirken eng mit dem Buchdruck der Stadt verbunden war. Froschauer arbeitete seit 1519, war als Ratsdrucker tätig und druckte vor allem zahlreiche Bibeln in verschiedenen Sprachen. Seine erste Schweizer Bibel erschien 1524 bis 1529. Eine besonders prächtige Leistung stellen die foliogroßen deutschen Bibeln von 1531 und 1545 dar. Die Drucke zeichnen sich durch Schönheit, fehlerfreie Texte und Illustrationen aus. So verwendete Froschauer ein bekanntgewordenes Initialalphabet mit biblischen und geschichtlichen Bildern und ließ die Schweizer Chronik des Johannes Stumpf von 1548, aber auch die Tier-, Vogel- und Fischbücher des Conrad Gesner besonders reich mit Illustrationen ausstatten. E r starb 1564. Die Offizin wurde von seinem gleichnamigen Neffen fortgeführt.

Der Einfluß von Humanismus und Renaissance auf das Buchgewerbe In Verbindung mit der Reformation und dem Bauernkrieg wirkten sich verstärkt Humanismus und Renaissance in Deutschland auf den Buchdruck aus. In dieser weltanschaulichen und künstlerischen Bewegung kamen im hohen Maße sozial und politische Vorstellungen des Städtebürgertums zum Ausdruck, und es wurden bedeutende Leistungen in Wissenschaft, Literatur und Kunst vollbracht. Die Wirksamkeit der Humanisten war schon seit den letzten Jahrzehnten des 15. Jh. eng mit dem Buchdruck verbunden. Die Humanisten bearbeiteten textkritisch die antiken Autoren, biblische Quellen und auch ältere deutsche Literatur, gelangten zu einem neuzeitlichen realen Weltbild im Gegensatz zum mittelalterlichen kirchlichen Dogmatismus und förderten die Anwendung wissenschaftlicher Forschung im Dienste des Menschen. Naturwissenschaftliche und technische Stoffe vermittelten neue Erkenntnisse und erschlossen dem Buch neue Wirkungsbereiche. Die revolutionären Bewegungen der Zeit wurden dadurch in gewisser Weise ideologisch unterstützt. So trat der große Humanist Erasmus von Rotterdam (1467 — 1536) für eine in humanem Geist gehaltene Gesellschaftsordnung ein, kritisierte die Kirche und die Dogmen, später aber auch die Auswirkungen der Reformation und Luthers Lehre. 1511 war sein „ L o b der N a r r h e i t " (lat. „Stultitiae laus", griech. „ E n c o m i o n moriae") in Paris erschienen, eine satirische Rede der Narrheit über die menschlichen Dummheiten und gesellschaftlichen Schwächen, die 27 Auflagen erlebte und des Verfassers Weltruf begründete. Sein Hauptdrucker wurde Johann Froben (ca. 1450 — 1527) in Basel, zu dem er in freundschaftlichem Verhältnis stand und bei dem er sich mehrere Jahre aufhielt. In Zusammenarbeit mit Johann Amerbach und Johann Petri hatte Froben mit theologischen und juristischen Drucken begonnene. D a er selbst Latein, Griechisch und Hebräisch studiert hatte, widmete er sich seit 1513 ganz der humanistischen wissenschaftlichen Literatur und verlegte zahlreiche Arbeiten des Erasmus. Anfangs führte sein Schwiegervater, der gebildete, buchhändlerisch erfahrene Wolfgang Lachner die Verlagsgeschäfte. Aber auch mit anderen Verlegern, wie Franz Birckmann in Köln, stand Froben in Verbindung. E r entwickelte seinen Betrieb zur bedeutendsten europäischen Offizin für den Druck lateinsprachiger und griechischer Werke, die er in sorgfältig hergestellten und von ersten Künstlern ausgestatteten Ausgaben herausbrachte. E r beschäftigte namhafte humanistische Gelehrte als Korrektoren und druckte in Antiqua, der er auch eine Kursive hinzufügte. Als Hauptwerk der textkritischen Theologie erschien 1516 das von Erasmus von Rotterdam herausgegebene N e u e Testament in griechischer Sprache mit lateinischem Kommentar. Gleichzeitig vollendete er die noch von Amerbach begonnene Hieronymus-Ausgabe in 9 Bänden und begann die ebenso stattliche Ausgabe der Werke des Augustinus in 10 Bänden, die erst nach seinem T o d e vollendet wurden. Vorübergehend trat er auch

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für Luther ein mit der Herausgabe der lateinischen Schriften des Reformators 1518/19. Froben brachte es zu großem wirtschaftlichem Erfolg. N a c h seinem T o d e 1527 wurde die Offizin von seinen Söhnen und Enkeln bis in das 17. Jh. fortgeführt. Im Sinne des Humanismus und der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse wirkte in Basel eine große Reihe von Druckern, die die überragende Stellung der Stadt im Buchdruck das ganze Jahrhundert hindurch hielten. So erschien 1541 deutsch und 1550 lateinisch die „ C o s m o g r a p h e y oder Beschreibung aller Länder" des Sebastian Münster als grundlegendes Werk der neuzeitlichen Geographie bei Heinrich Petri und wurde in der Folgezeit vielfach aufgelegt. Johann Oporinus brachte nach einigen Schwierigkeiten und einer Gefängnisstrafe schließlich mit Zustimmung Luthers 1542 den Koran in der lateinischen Ubersetzung des Theodor Bibliander heraus. Der K o r a n galt damals als eines der gefährlichsten Bücher. In Venedig war bereits eine Auflage auf Befehl des Papstes verbrannt worden. Auch die Anatomie des Vesalius druckte Oporinus mit wertvollen Illustrationen. Z u m Mittelpunkt des deutschen Humanismus hatte sich Erfurt mit seiner Universität entwickelt. V o n hier aus wirkten starke Impulse des neuen Geistes auf die Lehre, die Wissenschaft und den Kampf gegen die Scholastik. Als erster Drucker in Deutschland benutzte Wolfgang Schenk (s.a. S. 126) in Drucken für den Magister Nicolaus Marschalk und andere Autoren griechische, z.T. aus H o l z geschnittene Typen, und Marschalk verwendete in seiner auf eigener Presse 1502 gedruckten hebräischen Grammatik ebenfalls z.T. holzgeschnittene hebräische Lettern. Sebaldus Striblita führte 1511 als erster die Antiqua-Kursive in den deutschen Buchdruck ein. Die wichtigsten Drucker mit der umfangreichsten Produktion waren Wolfgang Stürmer (1501 —1507 und 1521 - 1551), Mathes Maler (1511 - 1536) und Melchior Sachse (1525 - 1551). Stürmer, der anfangs einige humanistische Drucke hergestellt hatte, nahm nach einer längeren Pause den Druck von Reformationsschriften auf. Einer der interessantesten seiner Drucke ist das „Ehestandsarzneibuch", das ab 1540 in mehreren Auflagen erschien. Die Überschichtung des Humanismus durch die Reformation wird auch bei den anderen Druckern mit der Produktion zahlreicher Lutherschriften deutlich. Allein Johannes Loersfeld veröffentliche davon 110. Sowohl bei Stürmer wie bei Sachse erschien viel Kleinschrifttum. Neben kirchlich-reformatorischen und Lutherschriften druckte Melchior Sachse eine Reihe medizinischer Bücher, darunter das große Arzneibuch von 1546 mit Beiträgen verschiedener Autoren und 81 Holzschnitten. Weiterhin gingen mehrere Ausgaben des „Eulenspiegel", des Rechenbuches von A d a m Ries und andere praxisbezogene Kleindrucke aus seiner Presse hervor. Der bedeutendste Drucker war Mathes Maler. Er erwarb 1508 die Offizin von Wolfgang Schenk und druckte vor allem Schriften der Erfurter Humanisten, z.B. von Eobanus Hesse (Hessius), außerdem von Ulrich von Hutten und ebenfalls von Luther, sowie Verordnungen und andere amtliche Drucksachen. Selbst eine Schrift Müntzers und eine Ausgabe der Artikel der Bauern hat er veröffentlich. Erfurter Gelehrte wie Conrad Celtes, Crotus Rubeanus, Spalatin und Eobanus Hesse waren für die Herausgabe humanistischer Drucke auch anderenorts tätig. Rubeanus ist der Hauptautor des ersten Teils der schärfsten humanistischen Kampfschrift gegen den Klerikalismus in dieser Zeit, den „Epistolae obscurorum v i r o r u m " (Dunkelmännerbriefe), die zur Verteidigung Johann Reuchlins in dessen Streit mit Kölner Klerikern gegen die Vernichtung jüdischer Schriften geschrieben wurden (Abb. 68). Dieses Meisterwerk der Satire geht mit spitzer Feder der trockenen Scholastik, dem Mönchslatein und den klerikalen Zuständen zu Leibe. Die fingierten Dunkelmännerbriefe erschienen 1515 anonym bei Heinrich Gran, dem Erstdrucker in der elsässischen Stadt Hagenau. Sie wurden von dessen Korrektor Wolf Angst selbständig herausgebracht und als ein Aldus-Druck ausgegeben. Ein zweiter Teil erschein schon 1517 in Köln bei Heinrich von Neuss. Die Wirkung war stark, beschränkte sich aber auf lateinkundige Leser.

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des Dreißigjährigen Krieges auf seinen Geschäftsreisen ausgesetzt, sondern auch den Mißhelligkeiten der Zensur und den ungünstigen Verhältnissen im Buchhandel, wogegen er sich aber mit Geschick, Energie und Geschäftstüchtigkeit behauptete, so daß er sogar geadelt wurde. Er verstand, sich lukrative Privilegien zu verschaffen, z.B. für den gesamten Schulbuchverlag in Sachsen, scheute auch vor dem Nachdruck nicht zurück und betrieb einen gut organisierten, weitreichenden Buchhandel, der sich bis in kleine Städte erstreckte. Seine Produktion umfaßte einerseits ebenfalls breitenwirksame Literatur wie Kalender, Erbauungs-, Andachts- und Schulbücher, mit denen er den Markt zu beherrschen versuchte, aber auch unterhaltende volkstümliche Schriften wie Eulenspiegel, Faust, Genoveva und vor allem eine Reihe von großen Bibeln, unter denen die repräsentativste die sog. Weimarer oder Kurfürstenbibel ist. Sie erschien zum ersten Male 1641 und wurde von ihm und seinen Erben bis 1768 insgesamt vierzehnmal aufgelegt. Ihren Namen hat sie von den Bildnissen der drei Kurfürsten, den Ahnen ihres Auftraggebers Herzogs Ernst I., des Frommen von Sachsen-Gotha und Altenburg, nach dem sie auch die Ernestinische Bibel genannt wird. Ihre Illustrationen sind nach Vorlagen des bedeutenden Nürnberger Kupferstechers Joachim von Sandrart und anderen gestochen. Nach dem Tode Wolfgang Endters im Jahre 1659 ging das Erbe an dem Unternehmen an die Söhne und weiterhin an deren Kinder und zersplitterte sich dabei. Die männliche Linie von Wolfgang Endter starb mit den Großvettern Georg Andreas 1717 und Wolfgang Moritz 1723 aus. Der Druckereibetrieb wurde von dem ehemaligen Faktor Johann Gottfried Heinrich Ernesti selbständig übernommen. Die Konkurrenz für die Familie Endter stellten im norddeutschen Raum die Brüder Stern in Lüneburg dar. Zunächst hatte der Buchbinder Hans Stern 1587 mit einem Verlagsgeschäft begonnen, für das er in Ulzen, Goslar und Hamburg drucken ließ. Nach Übernahme des Geschäftes durch die Söhne Johann und Heinrich 1614 richteten diese 1623 eine eigene Druckerei ein. Die Brüder Stern brachten vor allem protestantisches religiöses Schrifttum und Bibeln heraus, druckten später aber auch Kalender, Fibeln und Gesangbücher. Die Stern-Bibeln gehören zu den bedeutendsten Druckwerken dieser Zeit. Sie erschienen zunächst mit Holzschnitten (1617), später mit Kupfern, die in der repräsentativen Ausgabe von 1711 nach Vorlagen von Malern der niederländischen Schule gestochen wurden. Die Brüder Stern verstanden es, fürstliche und kaiserliche Privilegien, die von ihren ursprünglichen Inhabern wegen der schweren Zeit des Dreißigjährigen Krieges nicht erneuert werden konnten, in ihre Hand zu bekommen und erhielten das alleinige Druckprivileg für Lüneburg und Umgebung. Fleiß und geschäftliche Regsamkeit, sorgfältiger Druck, gutes Papier, scharfe Typen und günstige Preise führten zu ihrem Erfolg. Sie beherrschten den Absatzmarkt von Amsterdam bis Wilna und bis in den mitteldeutschen Raum hinein. Gefördert von ihrem Herzog, reichte ihr Einfluß bis zum kaiserlichen Hof in Wien und führte dazu, daß sie geadelt wurden. Der Verlag bestand bis 1784, und die Druckerei konnte bis zur Gegenwart im Familienbesitz erhalten werden. In Wien, dem Sitz des deutschen Kaiserhauses, trafen internationale Strömungen, besonders literarische italienische und französische, auf die gegenreformatorische Bewegung. Hier wie in Prag und den österreichischen Erblanden sowie dem katholischen süddeutschen Raum wirkte sich der Einfluß der Jesuiten im Zensurwesen hemmend auf die Entwicklung des Buchgewerbes aus. Die Versuche der Jesuiten, selbst Druckereien einzurichten, wie bereits 1555 in Wien, hatten keinen großen Erfolg (s.a. S. 187). Allerdings haben Jesuitendruckereien im überseeischen Missionsdienst eine bedeutende Rolle gespielt. Zunächst unterhielt Hieronymus Vietor in Wien von 1510 bis 1531 neben seiner Krakauer Offizin eine Druckerei, die er mit Johann Singriener gegründet hatte. Dieser übernahm auch die Werkstatt des Wiener Frühdruckers Johann Winterburger 1519 und wirkte noch bis 1546. Die drei Meister kennzeichnen den ersten Höhepunkt des Wiener Buchdrucks. 1556 ließ sich der weitgewanderte Raphael Hoffhalter in Wien nieder. Er stammte aus Polen und hatte in den Niederlanden und in Zürich gearbeitet. In Wien entfaltete er eine beachtenswerte Tätigkeit, denn er war zugleich Buchhändler und Drucker, verstand sich auf den Form-

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schnitt und den Schriftguß und arbeitete mit anderen Künstlern zusammen. Schon in Wien druckte er Bücher für Ungarn. Dorthin zog er 1563 weiter, nachdem er, wahrscheinlich wegen Verbindung mit den Protestanten, Schwierigkeiten bekommen hatte (s.a. S. 187). Weiterhin gewann der Fremdsprachendruck in Wien an Bedeutung. Der erste Universitätsbuchdrucker seit 1572, Stephan Creutzer, brachte neben deutschen und lateinischen auch italienische, ungarische und hebräische Drucke heraus. Eines der größten Unternehmen, das ebenfalls fremdsprachig druckte, betrieb im 17. Jh. der aus Polen stammende Matthaeus Cosmerovius (1606— 1698). Seine Geschäftstüchtigkeit brachte ihm das Amt des Universitäts-, und den Titel eines Hofbuchdruckers ein. Auch der sprachgewandte Franz de Mesgnien (Meninski) (1623 — 1698) vollbrachte eine bemerkenswerte Leistung. Aus dem Elsaß gebürtig, war er in Italien, Polen und Konstantinopel gewesen, und auf Grund seiner außergewöhnlichen Sprachbegabung betrieb er seit 1675 in Wien eine Privatpresse, mit der er ganz allein von 1680 bis 1687 ein fünfbändiges Lexikon in arabischer, persischer und türkischer Sprache herstellte. Sein Typenmaterial ließ er sich von dem wandernden Nürnberger Schriftgießer Pankratius Lobinger anfertigen. Nach dem Fortgang Mesgniens statteten sich nachmals viele bedeutende Druckereien Wiens mit orientalischen Schriften aus. Der aus Antwerpen gekommene feinsinnige und sprachgebildete Johann van Ghelen erwarb 1678 die im Niedergang befindliche Druckerei von Johann Baptist Hacque, in der er gelernt hatte, und baute sie zu einem bedeutenden Unternehmen aus, das sich auf fremdsprachige, besonders italienische und vorzugsweise auf gängige Operntexte spezialisierte. Ghelen wurde kaiserlicher und italienischer Hofbuchdrucker. Nach seinem Tode 1721 bestand die Offizin noch bis 1857. Nach Mäßigung der Zensur und Aufhebung der Beschränkung für den Schriftguß nahm Wien im 18. Jh. an Bedeutung zu. Das lag vor allem an dem Wirken des Johann Thomas von Trattner (1717 — 1798). Dieser war durch Gunst des Kaiserhauses und durch rücksichtslose Geschäftemachern aus kleinen Anfängen zur beherrschenden Stellung im Wiener Buchgewerbe aufgestiegen. Das hinderte ihn nicht, in übelster Weise das schmutzige Geschäft des Nachdruckens zu betreiben, ohne daß ihm jemand etwas anhaben konnte. Seit 1739 hatte er bei van Ghelen gelernt. 1748 errichtete er zunächst mit geliehenen Geld eine Druckerei, die er dann durch eine Schriftgießerei, Schriftschneiderei, Kupferstichwerkstatt, Buchbinderei und eine Papiermühle erweiterte. Mit fast allen Privilegien ausgestattet, war er ob seines Geschäftsgebarens bei den Berufsgenossen wenig geschätzt, und sein Erfolg beruhte vor allem auf seinen Beziehungen zu der Hofgesellschaft. Außer ihm ist in Wien von Bedeutung der Universitätsdrucker Josef Lorenz Edler von Kurzböck (1736 — 1792), der als Hofbuchdrucker für Fremdsprachen und fremdschriftige Werke, in erster Linie orientalische, mit eigener Stempelschneiderei und Schriftgießerei tätig war. Leopold Johann Kaliwoda aus Prag dagegen widmete sich großen mit Kupfern ausgestatteten naturwissenschaftlichen Werken. In Berlin besaß der dortige Drucker Leonhard Thurneysser zum Thum (1530 - 1596), der nach dem Fortgang des aus Witterberg 1540 zugezogenen Erstdruckers der Stadt, Hans Weiss, 1574 im Grauen Kloster eine wissenschaftlichen Werken dienende Druckerei eröffnete, hebräische, griechische, syrische, arabische, persische und türkische Typen. Thurneysser mußte jedoch aus finanziellen Gründen seine Tätigkeit aufgeben. Die Offizin des Holländers Robert Roger in Berlin arbeitete 1686 wiederum für Fremdsprachendrucke. Sie durfte aber nur französische, lateinische und italienische Werke drucken. In beachtlicher Weise nahm das Typenmaterial für orientalische Schriften in den Druckereien zu. Aus einer alten thüringischen Buchdruckerfamilie, die in Basel und Kolmar ansässig geworden war und dort Offizinen errichtet hatte, stammte Georg Jakob Decker (1732— 1799) der 1751 nach Berlin kam und 1763 die Druckerei seines Schwiegervaters Johann Grynäus übernahm. Sie wurde mit Typen der führenden europäischen Schriftschöpfer ausgerüstet, eine Schriftgießerei eingerichtet und ein Verlag angegliedert. Zwei kleine Gelegenheitsdrucke, ein Lustspiel und eine Folge von

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„Bauerngesprächen" im Dialekt, brachten Decker den großen finanziellen Erfolg. Er bemühte sich um beste Druckleistungen und gute Ausstattung seiner Bücher, wurde Direktor der Lottodruckerei, erhielt neben anderen Privilegien eines für den Nachdruck französischer Literatur und avancierte schließlich zum Königlichen Geheimen Ober-Hofbuchdrucker. Mit 10 dafür im Schloß besonders eingerichteten Pressen druckte er 1782 bis 1787 sein Hauptwerk, die deutsche Ubersetzung der Schriften Friedrichs Π. von Preußen in 25 Bänden. Den Verlag übernahm 1789 sein Schwiegersohn H . A . Rottmann. Sein Sohn (1765 — 1819) gleichen N a m e n s wie der Vater, baute das Druckunternehmen seit 1792 weiter aus. Er setzte als erster deutscher Drucker, die von L o r d Stanhope in England konstruierte eiserne Presse ein, wandte 1815 die Stereotypie an, übernahm die Hofbuchdruckerei in Potsdam und betrieb seit 1794 eine Filiale in Posen. D a s alte Familienunternehmen in Basel verkaufte er. Als weitere führende Persönlichkeit im Buchgewerbe wirkte in Berlin, das auch als Verlagsort Geltung gewann, Johann Friedrich Gottlieb Unger (1753 — 1804), Sohn eines Buchdruckers, der in der preußischen Hauptstadt ansässig geworden war. Er lernte das Handwerk des Vaters in der Deckerschen Hofbuchdruckerei. In Ergänzung seiner Tätigkeit beschäftigte er sich auch mit dem Holzschnitt, der zu dieser Zeit wieder Belebung fand. So übernahm er 1800 eine Professur für Holzschneidekunst. 1780 hatte er eine Druckerei eröffnet und wurde 1788 Drucker der Akademie der Künste und mechanischen Großunternehmen, indem er neben einem aufblühenden Verlag ab 1791 auch eine Schriftgießerei betrieb. Außer seiner Bedeutung für den Schriftguß, besonders für die Erneuerung der Fraktur, ragte er als Verleger und Drucker der deutschen Klassiker hervor. E r war bestrebt, deren Werke in angemessener Ausstattung herauszubringen. Einige ihrer großen Dichtungen sind bei ihm erschienen, wie „ D a s Römische Carneval" (1789), „Wilhelm Meisters Lehrjahre" (1795/96) in 4 Bänden und „ N e u e Schriften" von Goethe in 7 Bänden (1792 bis 1800). Auch Schiller ließ bei ihm verlegen, und die Frühromantiker fanden seine Förderung. Schlegels Shakespeare-Ubersetzung (1797 bis 1810) und Schleiermachers berühmte „Reden über die Religion" (1799) hat er verlegt. N a c h seinem T o d e 1804 konnte seine Witwe das Verschuldete Unternehmen nicht mehr halten, so daß es 1809 K o n k u r s machte. In Leipzig wurde der Buchdruck infolge des Verbotes der reformatorischen Bewegung durch den Herzog von Sachsen stark behindert. Die Offizin Melchior Lotters z.B. zeigte seit 1520 einen Rückgang ihrer Produktion. N o c h zwischen 1518 und 1520 hatte Lotter eine große Zahl an Lutherschriften herausgebracht und ein blühendes Geschäft mit liturgischen, humanistischen, wissenschaftlichen und unterhaltenden Büchern betrieben. Außerdem erhielt er die Druckaufträge des Bistums Meißen und des Rates der Stadt Leipzig. Aber während die Reformation die Druckertätigkeit in anderen Städten belebte, schrumpfte die Anzahl der Pressen in Leipzig auf die Hälfte zusammen. Manche, die das Verbot des Druckes reformatorischer Schriften zu umgehen suchten, wie Valentin Schumann, Michael Blum, J a k o b Thanner, bekamen Unannehmlichkeiten mit der Obrigkeit (s. S. 137). N a c h Einführung der Reformation in Sachsen 1539 gewann das Buchgewerbe in Leipzig wieder an Bedeutung, so daß es schließlich in Konkurrenz mit dem Buchmarkt in Frankfurt am Main treten konnte. Zwischen dem 16. und 18. Jh. waren in Leipzig 86 Druckereien tätig. Manche ihrer Inhaber kamen aus dem Handelsstand, andere hatten studiert und akademische Grade erlangt. O f t kam ein Drucker durch Heirat einer Druckerwitwe oder durch Erbfolge in den Besitz einer Offizin. Auch die F o r m der Pacht war üblich. Charakteristisch für die Handels- und Messestadt ist, daß unter kaufmännischen Gesichtspunkten Verlagswesen und Buchhandel dominierten und die meisten Druckereien in ihren Dienst nahmen. Die Produktion war auf Wissenschaft und praktischen Bedarf ausgerichtet, wozu auch die in Leipzig erscheinende und zeitgemäß stark gefragte Erbauungsliteratur gehörte. Wenngleich aus der Menge des Kleinschrifttums kein Beispiel besonders hervorragt, so ist doch allgemein das Bemühen um gute Druckqualität und Ausstattung offensichtlich. Das zeigt sich u.a. an den hübschen Andachtsbüchern, die Valentin Bapst 1542 bis 1556 druckte und in charakteristischer Weise mit ornamentalen Rahmen

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um jede Seite versah. Ernst Vögelin, der 1556 die Druckerei durch Einheirat übernahm, baute sie zum leistungsfähigsten Betrieb der Stadt aus. Er druckte neben theologischer und humanistischer Literatur antike Klassiker in philologisch und typographisch besten Ausgaben, so daß er mit Aldus Manutius verglichen wurde. Des Kryptocalvinismus verdächtigt, mußte er aus Leipzig fliehen. Michael Lantzenberger pachtete die Druckerei und druckte Vögelins Verlagswerke nach, die aber von dessen Söhnen zum Vertrieb übernommen wurden. Henning Grosse (1575 — 1621), der Begründer der Leipziger Meßkataloge (s. S. 144), war unter den Verlegern die führende Persönlichkeit. Er ließ in Eisleben eine Druckerei betreiben und richtete 1604 eine zweite in Leipzig selbst ein. Mit ihm konkurrierte zeitweilig durch die Herausgabe eines zweiten Meßkatalogs Abraham Lamberg (1557 — 1629). Dieser besaß einen umfangreichen Verlag und gab die zeitungsähnlichen „Meßrelationen" heraus. Er druckte aber auch für den skrupellosen Nachdrucker Johann Francke in Magdeburg. Dieser brachte es ebenfalls zu einem beträchtlichen Verlag mit ausgedehntem Buchhandel, geriet jedoch infolge seiner Geschäftsgebaren in Schwierigkeiten mit Henning Grosse. Kurz vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges hatte Leipzigs Buchproduktion die Frankfurts überholt. Nach dem durch den Krieg verursachten Rückgang setzte erst ab 1680 der endgültige Aufstieg Leipzigs zur führenden Buchstadt ein. Dieser ist bedeutenden Großverlegern wie Fritzsch, Gleditsch und Weidmann zu verdanken. Zwischen ihnen bestanden geschäftliche Beziehungen und durch Heirat familiäre Bindungen. Johann Friedrich Gleditsch (1653 — 1716) war Gehilfe bei Johann Fritzsch, heiratete nach dessen Tode (1680) seine Witwe und gründete 1693 einen eigenen Verlag; zuvor hatte er die Firma Fritzschs an dessen herangewachsenen Sohn Thomas übergeben. Sein Bruder Johann Ludwig Gleditsch (1663 — 1741) heiratete die Witwe des 1681 von Frankfurt nach Leipzig übergesiedelten und früh verstorbenen Moritz Georg Weidmann und führte dessen Verlag, bis ihn 1714 der gleichnamige Sohn Weidmanns übernahm. Der wissenschaftliche Verlag von Gleditsch erlangte europäischen Ruf und wurde 1741 mit dem von Fritzsch vereinigt. Seine Produktion, wie die der anderen Firmen, umfaßte die alte gelehrte Literatur aller Gebiete ebenso wie die Werke bedeutender Wissenschaftler der Zeit. Auch die Ausstattung war besser als die Durchschnittsproduktion. Unter anderen Besitzern bestand der Verlag bis 1830 fort. Der Verlag Weidmanns hatte Handelsbeziehungen nach Warschau und Stockholm, nach Frankreich und Holland. Aber trotz großen gesellschaftlichen Ansehens, selbst am sächsischen Hof, betrieb Weidmann den Nachdruck und scheute sich nicht vor Manipulationen mit Privilegien und vor rigorosen Geschäftsgebaren. Nach seinem Tode wurde die etwas in Unordnung geratene Firma von 1746 bis 1787 von Philipp Erasmus Reich (1717 — 1787) geleitet. Dieser brachte das Unternehmen wieder in die Höhe und erlangte dank seiner buchhändlerischen Kenntnisse, seiner Tatkraft, Bildung und Beziehungen zu den Geistesgrößen seiner Zeit höchstes Ansehen. Der Verlag erreichte einen großen Produktionsumfang, hatte eine bedeutende Autorenschaft und gefiel mit der Ausstattung seiner Bücher. Bei ihm erschienen z.B. Wieland, Geliert und Goethe neben anderen führenden Schriftstellern. Reich gründete auch zwecks Neuordnung des Buchmarktes und des Geschäftsverkehrs 1765 die erste Buchhändlergesellschaft, den Vorläufer des „Börsenvereins" (s. S. 242 u. 245). Seit 1762 war Reich Teilhaber des Weidmannschen Verlages, der jedoch 1822 an Georg Andreas Reimer verkauft und nach Berlin verlegt wurde. Im 18. Jh. beginnt dann das Wirken der Drucker-Verleger-Familie Breitkopf. Bernhard Christoph Breitkopf (1695 — 1777), aus dem Harz gebürtig, kam 1714 als armer Geselle nach Leipzig und übernahm 1719 durch Heirat der Witwe des Johann Caspar Müller dessen alteingesessene Druckerei und Gießerei, der er 1723 einen Buchverlag anschloß. Den Aufstieg der Firma führte sein vielseitig tätiger und mit Eifer als Praktiker, Erfinder und Theoretiker arbeitender Sohn Johann Gottlob Immanuel (1719 — 1794) herbei. Dieser erlernte zunächst das Handwerk, neigte aber mehr der Wissenschaft zu, übernahm jedoch nach einem abgebrochenen Studium in Leipzig 1740 die Druckerei und Gießerei des Vaters und führte sie seit 1745 allein weiter. Er verbesserte die Bleilegierung, so daß die in seiner Gießerei hergestellten Lettern wegen ihrer größeren Härte als

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bestes Druckmaterial überall begehrt waren. Seit 1750 war er beständig um die Verbesserung der Fraktur bemüht. 1755 brachte er Notendrucke mit beweglichen Einzeltypen heraus, welche aus Notenzeichen mit angegossenen Teilen des Liniensystems gesetzt waren. Das Verfahren, Noten und Linien auf einen Kegel zu bringen, war bereits in der ersten Hälfte des 16. Jh. von dem französischen Musikdrucker Pierre Attaingnant erfunden worden, hatte sich aber nicht durchgesetzt. Man gab Musiknoten lieber im Kupferstich wieder oder mußte sie in doppeltem Druckgang — einmal Linien, dann Noten — unvollkommen drucken. In ähnlicher Weise versuchte Breitkopf den Landkartendruck mit Einzelzeichen durchzuführen, was sich jedoch nicht bewährte. 1789 hat er auch eine Probe mit beweglichen chinesischen Lettern hergestellt, die ohne praktische Bedeutung blieben, da das Verfahren ebenso ungeeignet war wie seine Versuche um den Bilddruck mit Einzelzeichen. Von seinen theoretischen Schriften sind hervorzuheben die „Nachricht von der Stempelschneiderey und Schriftgießerey" (1777), eine Auseinandersetzung mit der holländischen Firma Enschede, ferner seine Forschungen über den Ursprung der Spielkarten und die Einführung des Leinenpapiers, denen eine (nicht vollendete) Geschichte der Holzschneidekunst in Europa folgen sollte. Die Materialien dazu gab 1801 Ch.F. Roch heraus. Von einer geplanten Geschichte der Buchdruckerkunst erschien 1779 nur die Einleitung. Als Immanuel Breitkopf 1794 gestorben war, vermochten seine Söhne die Firma nicht weiterzuführen. Christoph Gottlob Breitkopf verband sich deshalb 1795 mit Gottfried Christoph Härtel, der nach dem Tode Breitkopfs 1800 Alleininhaber der Firma wurde und in dieser besonders den Notendruck ausbaute. Dadurch hat er später den Musikalien-Verlag und die Druckerei berühmt gemacht (s. S. 213). Zu den großen europäischen Drucker- und Verlegerpersönlichkeiten, welche die bei ihnen erschienenen Bücher rein typographisch im Stile des Klassizismus gestalteten, gehörte Georg Joachim Göschen (1752 — 1828). Er hatte aus ärmlichen Anfängen gegen manche von den Berufskollegen gemachten Schwierigkeiten seit 1785 einen modernen Großbetrieb mit Verlag, Druckerei und Gießerei aufgebaut. Die Druckerei verlegt er mit seiner Wohnung 1797 nach Grimma. Er suchte seine Verlagswerke in möglichst guter Qualität auf den Markt zu bringen. Goethe und Schiller ließen, bevor sie zu Unger wechselten, ihre Einzelwerke bei Göschen in Leipzig verlegen und drucken. Nach Goethes Italienreise kam es zwischen dem Dichter und dem Verleger auf Grund gewisser Differenzen zum Bruch. Goethe ging zu Unger über. Göschen schuf, um seine Fähigkeiten zu beweisen, gegen die Anfechtungen der Berufskollegen mit großem Eifer und unter persönlichen Anstrengungen mit der Herausgabe von Wielands Werken seine Hauptleistung. Diese Wieland-Ausgabe erschien 1794 bis 1801 in 36 Bänden und 6 Supplementen mit Kupfern geschmückt in Quartformat, repräsentativ vom Papier bis zum monumentalen Antiquadruck. Ihre folgte eine Oktavausgabe in 37 Bänden mit 6 Supplementen, die jedoch nicht illustriert ist. Nachdem 1823 Göschens Firma an seinen ältesten Sohn übergegangen war, wurde 1838 der Verlag an die Cottasche Buchhandlung in Stuttgart verkauft. Bereits 1659 hatte der Urgroßvater von Johann Friedrich Cotta (1764 — 1832) in Tübingen eine auf den Buchführer Philip Braun zurückgehende Buchhandlung erworben. Der Vater betrieb dann in Stuttgart die Hof- und Kanzlerdruckerei. J.F. Cotta übernahm 1787 die Tübinger Buchhandlung, verlegte sie 1811 nach Stuttgart und verband sie mit der Druckerei. Er baute das Unternehmen zu einem großen Verlag aus, der sich unter der Leitung seines feinsinnigen, umfassend gebildeten und vielseitig tätigen Besitzers vor allem dem Erbe der deutschen Klassiker widmete. Goethe ließ hier nach dem Tode Ungers in Berlin seine späteren Werke wie den „Faust" (I. Teil 1808; Π. Teil 1833), die „Wahlverwandtschaften" (1809), „Zur Farbenlehre" (1810), „Dichtung und Wahrheit" (1812 bis 1822), den „West-östlichen D i v a n " (1819) und die Ausgabe letzter Hand (Werke, 40 Bände, 1827-1842) herausbringen. Neben diesen Hauptvertretern des Buchgewerbes sind noch zwei Einrichtungen erwähnenswert: 1698 hatte August Hermann Francke in Halle zusammen mit der Gründung des Waisen-

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hauses eine Buchhandlung und 1701 eine Druckerei eingerichtet, die eine pietistisch-pädagogische und humanistische Richtung vertrat. Als Auftakt ihrer Tätigkeit wurden unter anderem die „Odyssee" und „Ilias" verlegt. 1725 Schloß man dem Unternehmen die Cröllwitzer Papiermühle an. Daneben war 1710 die Cansteinsche Bibelanstalt ebenfalls mit einer Druckerei gegründet worden. Beide Einrichtungen wurden 1712 mit dem Waisenhaus unter Francke vereinigt und widmeten sich vor allem dem Bibeldruck, der sie in aller Welt bekannt machte. Dem Neuhumanismus diente eine Reihe von Klassikerausgaben, die, seit 1778 von Professoren des Zweibrücker Gymnasiums herausgegeben, sich durch korrekten Text und guten Druck auszeichneten. Seit 1780 in eigener Druckerei mit Fournier-Typen gedruckt, tragen sie auf dem Titelblatt eine Kupfervignette und den Druckvermerk „Biponti, Ex Typographia Societatis"; danach wurden sie „Bipontinen" (lateinische Form von Zweibrücken) genannt. Die Druckerei wurde 1794 von den Franzosen zerstört, arbeitete aber seit 1798 in Straßburg weiter.

Grundzüge der Entwicklung des Buchdrucks in europäischen Ländern Italien In Italien erfährt der Buchdruck seit der Inkunabelzeit eine ähnliche Verbreitung wie in Deutschland. Fast jede Stadt besitzt im 16. Jh. eine Druckerei, und die Produktion geht ins Unübersehbare. Zahlreiche Qualitätserzeugnisse zeigen den Buchdruck im Stile der Renaissance und des beginnenden Barock reich ausgestattet und in üppiger Entfaltung. Die bedeutendsten Drucker arbeiten im Sinne des Humanismus. Die aufkommenden gegenreformatorischen Strömungen verlaufen mäßiger als in Deutschland. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ist im allgemeinen auch ein Qualitätsrückgang festzustellen. Lediglich Venedig behält seine überragende Bedeutung und behauptet sich als die Druckstadt mit der umfangreichsten Produktion der Welt. Aus der Fülle der Drucker ragen einige hervor, deren Werke im wesentlichen die Leistungsfähigkeit des italienischen Buchdrucks charakterisieren. In Venedig ist es zunächst die Offizin des Aldus Manutius (1449 — 1515), die mit zahlreichen griechischen und lateinischen Taschenausgaben in Kursivschrift eine in aller Welt begehrte Buchgattung einführt und damit eine Bewegung für die Kursivschrift hervorruft. In Zusammenarbeit mit bedeutenden Gelehrten, die Aldus als „Aldi Neacademia" um sich schart, hält er den wissenschaftlichen Ruhm seines Unternehmens bis zu seinem Tode 1515 aufrecht. Zunächst führt sein Schwiegervater Andreas Asolanus für seine Söhne die Offizin weiter, aber erst der Jüngste, Paulus Manutius, bringt das inzwischen in Schwierigkeiten geratene Unternehmen seit 1533 wieder hoch. Er ist ein hervorragender Philologe und versucht im Sinne seines Vaters zu wirken. Seine besondere Neigung gilt dem Aufspüren und Herausgeben alter Manuskripte. Auch er arbeitet mit anderen Gelehrten zusammen, besonders mit der in Venedig neu gegründeten Akademie. 1561 beauftragt ihn der Papst Pius IV. mit der Einrichtung einer Druckerei in Rom, die gegenreformatorischen Zwecken dienen sollte. Da er deshalb angefeindet wurde, zog er sich schließlich ganz auf wissenschaftliche Studien zurück. Nach seinem Tode 1574 führte sein Sohn Aldus Manutius der Jüngere, ebenfalls bedeutender Philologe, die Offizin weiter, gab sie aber 1585 auf. Er wurde 1590 zum Leiter der 1587 unter Papst Sixtus V. begründeten Stamperia Vaticana, der päpstlichen Druckerei, berufen. Während also seit Jahrhundertmitte die Manutius- Offizin allmählich zurückgeht, gelangt diejenige des Gabriele Giolito de Ferrari (gest. 1578) zu großer Blüte. 856 Werke sind aus ihr hervorgegangen. Giolito wurde neben Manutius der bedeutendste Drucker Italiens. Er lernte zunächst bei seinem Vater, und als dieser 1538 in Venedig eine Druckerei neu einrichtete, war er daselbst

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tätig. Aber schon 1541 machte er sich selbständig. Er vertrat zunächst eine weltoffene Richtung im Geiste der Renaissance und druckte die nationale italienische Literatur. Besonders setzte er sich für den Zeitgenossen Ariost ein, dessen „Orlando furioso" damals Aufsehen erregte. 28 Ausgaben brachte er davon heraus und druckte ferner zahlreiche Petrarca- und Boccaccio-Ausgaben mit erlesenen Illustrationen und Buchschmuck. Im Zuge der einsetzenden gegenreformatorischen Strömung aber wurde er von der Inquisition bedroht und änderte deshalb 1560 sein Programm: fortan erschienen bei ihm religiös- katholische Drucke und liturgische Werke. Schon 1559 druckte er die Erstausgabe der Liste der von der katholischen Kirche verbotenen Bücher, den „Index librorum prohibitorum". Unter seinem Sohn ging die Offizin schnell ein. Die führende Offizin in Florenz war diejenige des Filippo Giunta (1450 — 1517). Sie druckte seit 1497 griechische Werke und seit 1503 lateinische und italienische Klassiker nach Art des Aldus („Giuntinen"). Die Angehörigen der Familie Giunta arbeiteten auch in anderen Städten, so Lucantonio in Venedig, wo er in erster Linie liturgische Bücher druckte. Andere Mitglieder saßen in Lyon und in verschiedenen spanischen Städten. In der zweiten Jahrhunderthälfte tat sich der Holländer Lorenzo Torrentino als Drucker zeitgenössischer, mit reichem Bilder- und Initialschmuck ausgestatteter italienischer Literatur hervor. Von den Druckern in R o m sind Jacopo Mazzochi zu nennen, der 1521 die erste Sammlung antiker Inschriften herausbrachte, ferner Ludovico degli Arrighi aus Vicenza, der sich um die Gestaltung der Kursive verdient machte, und Antonio Blado, der Drucker der päpstlichen Kammer wurde und als erster das Privileg für die amtlichen Drucke erhielt. Seit Ende des 16. Jh. und im 17. Jh. ist auch Italien von dem allgemeinen Rückgang der Druckqualität berührt. N u r wenige Werke überragen die minderwertige Produktion einigermaßen. Die Buchausstattung nimmt großartige barocke Formen an, aber der Druck selbst bleibt typographisch und textlich fehlerhaft. Auf dem Gebiet des Notendrucks behält das Land die Führung. Die Noten werden im Kupferstich, teilweise aber auch im Typendruck wiedergegeben. Das wichtigste Unternehmen im 17. Jh. war die Gründung der päpstlichen Propagandadruckerei in Rom. Sie wurde 1626 unter der Bezeichnung „Tipografia Poliglotta della Sacra Congregazione de Propaganda Fide" im Zusammenhang mit der Missionstätigkeit dieser Kongregation eingerichtet und sollte kirchliche Bücher, Wörterbücher und Sprachführer in allen Sprachen herstellen. Kaiser Ferdinand II. hatte ihr illyrische Missaletypen zur Verfügung gestellt, und der erste Direktor der Druckerei und Stempelschneider, Stefano Paolino, vervollständigte das Material in kurzer Zeit mit Stempeln und Matrizen für 23 Sprachen. Die Druckerei dient der Verbreitung des katholischen Glaubens bis zum heutigen Tage. Napoleon hatte zwar das Typenmaterial beschlagnahmt, es wurde aber später zum größten Teil zurückgegeben. 1910 wurde die Propagandadruckerei mit der 1587 gegründeten Stamperia Vaticana zur Tipografia Poliglotta Vaticana zusammengelegt. Der Buchdruck kam im 18. Jh. in Italien auf lange Zeit und in vielen Orten, in denen er zum Teil neu Fuß faßte, über das Mittelmäßige nicht hinaus. N u r Venedig hielt seine althergebrachte führende Stellung. Man war hier und andernorts bestrebt, reich illustrierte Luxusdrucke zu schaffen, und eine Reihe tüchtiger Künstler wurde dafür beschäftigt. Allerdings fehlte es, von Goldoni abgesehen, an maßgeblichen zeitgenössischen Autoren, so daß man auf das überlieferte Literaturgut zurückgreifen mußte. Die bedeutendste Offizin der Stadt betrieb Antonio Zatta in der zweiten Hälfte des 18. Jh. Eine rege Tätigkeit entfaltete auch die geschäftstüchtige Offizin der Albrizzi. Almoro Albrizzi gründete z.B. 1724 eine Gesellschaft, deren Mitglieder sich verpflichteten, die für sie gedruckten Bücher zu kaufen. Auch in anderen Städten waren bemerkenswerte druckerische Unternehmen im Gange. So gründeten die literarisch gebildeten Brüder Volpi in Padua eine Offizin zum Druck antiker und italienischer Klassiker. Der Leiter der Druckerei wurde Guiseppe Comino, und die Presse nannte sich Tipografia Volpi-Cominiana. Doch arbeitete sie mehr als Liebhaberunternehmen und nicht um des Geschäftes willen. Außer ihr bestand in Padua seit 1684

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die Druckerei des katholischen Seminars. Sie brachte Klassiker heraus und suchte mit enzyklopädischen Werken die Wissenschaft im katholischen Sinne in interpretieren. Von hoher wissenschaftlicher Bedeutung war die seit 1721 in Mailand aufgestellte Presse der Societa Palatina. Diese Gesellschaft diente der Erforschung italienischer Geschichtsquellen und stellte in ihrer Druckerei unter anderen das umfangreiche und wissenschaftlich bedeutende, von dem Gelehrten L.A. Muratori herausgegebene Werk „ R e r u m Italicarum Scriptores" her (1723 ff.). Großen R u h m genoß das Unternehmen des Giovanni Battista Piranesi (1720 — 1778), der in R o m Kupferstichwerke über die Altertümer der Stadt herausbrachte, die er 1761 in eigenen Verlag nehmen konnte. D a s Unternehmen wurde von seinem Sohn Francesco fortgesetzt. Die im 18. Jh. allgemein in Europa feststellbare Reformbewegung auf dem Gebiete des Buchdrucks wird in Italien von einem einzelnen Manne, Giambattista Bodoni (1740 — 1813), getragen, der alle übrigen italienischen Drucker nicht nur an Leistungen, sondern auch an ihm zuteil gewordenen Ehren und an R u h m über seine Zeit hinaus überragt. 1740 zu Saluzzo in Piemont als Sohn eines Buchdruckers geboren, bei dem er das Handwerk erlernte, kam er frühzeitig in die

MANUA TIPOGRAFICO DEL

CAVALIERE

GIAiMBATTISTA BODONI

VOLUME

PRIMO.

PARMA PRESSO

LA

VEDOVA

MDCCCXVI II.

Abb. 72: Titelseite des „Manuale Tipografico" von Giambattista Bodoni, Parma 1818

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päpstliche Propagandadruckerei nach R o m , von deren Leiter er gefördert und zur Spezialisierung auf den Satz orientalischer Texte angeregt wurde. Dazu betätigte er sich im Stempelschnitt. Nachdem er seine Tätigkeit in R o m aufgegeben hatte, berief ihn der Herzog von Parma zur Leitung der von ihm errichteten Hofdruckerei, der Stamperia Reale. Diese Presse sollte dem Herzog und seinem Hofkreis Bücher ihres Geschmacks drucken, die aber nicht immer zu den großen literarischen Leistungen zählten. Bodoni entfaltetete an dieser Presse eine umfangreiche, 46 Jahre währende Tätigkeit. Zunächst arbeitete er mit Typenmaterial nach Fournier, schuf sich aber einen reichhaltigen Bestand eigener Typen von höchster Vollkommenheit. Dabei galt seine Aufmerksamkeit auch fremdartigen Schriften (s.a. S. 44 f.). Sein Herzog gestattete ihm schließlich 1791, eine Privatpresse einzurichten, mit der er Bücher nach eigenem Gutdünken drucken konnte. Bodoni entwickelte seitdem einen neuen Buchstil, der ganz in der allgemein in Europa angestrebten Richtung des klassizistischen, rein typographisch gestalteten Buches lag, welches er am vollkommensten verwirklichte. Schneeweißes Papier, tiefschwarze Druckfarbe, eine klar, doch kontrastreich geformte Type mit wechselnden fetten und Haarstrichen sowie ein ausgewogener monumental wirkender Satz mit charakteristischen Titelseiten in weitgesperrten Großbuchstaben sind die schmückenden Merkmale dieses Stils, der so gut wie ganz auf anderen Buchschmuck oder auf Illustrationen verzichtet. Seine druckerischen Leistungen brachten Bodoni höchste Ehrungen und die Bewunderung aller am Buchdruck interessierten Zeitgenossen ein, bis zum König von Spanien, dessen Hofbuchdrucker er wurde, oder bis zu Napoleon, der ihn belohnte, und bis zum Papst, der ihn ehrte. Die Proben seiner Typen faßte er im zweibändigen „Manuale T i p o g r a f i c o " zusammen, das 1818 nach seinem T o d e erschien (Abb. 72). Bereits 1806 hatte er in einer Zusammenstellung des „Vaterunser" in 155 Sprachen sein reiches, auch fremdschriftiges Typenmaterial vorgeführt. Die Ausgaben des Tasso (1789), H o r a z (1791), Vergil (1793), H o m e r (1808) und des Telemaque von Fenelon (1812) gehören zu seinen Hauptleistungen. T r o t z ihres meisterhaften Druckes zeigen aber Bodonis Werke nur mangelhaft edierte Texte. E s kam ihm eben nur auf die schöne Gestaltung um ihrer selbst willen, nicht auf den Inhalt an. In dieser Hinsicht war Bodoni der letzte Vertreter der alten, fast schon zum Ästhetizismus übersteigerten Buchkunst vor dem Beginn des Maschinenzeitalters.

Frankreich Auch in Frankreich nimmt das Druckgewerbe im 16. Jh. beträchtlich zu. In vielen Städten werden, nicht zuletzt auf G r u n d behördlicher Bedürfnisse, erste Druckereien eingerichtet, und die Leistungen der bedeutendsten Offizinen räumen Frankreich einen führenden Platz unter den die Buchdruckerkunst betreibenden Ländern ein. Die Entwicklung wird jedoch gehemmt durch religiöse Auseinandersetzungen und vor allem auch durch die kirchliche Zensur. Die Regierung fördert zwar die Drucker, geht aber scharf gegen sie vor, wenn auch nur andeutungsweise gegen den herrschenden Glauben verstoßen wird. Vorteilhaft wirkt sich im zweiten Jahrzehnt die Regelungen des Privilegienwesens aus, und 1571 wird eine Druckerkorporation gegründet, der auch Buchhändler und Buchbinder angehören und die die gewerblichen Belange regelt. Steht anfangs Frankreich noch unter dem Einfluß der Gotik, so werden doch bald Bestrebungen renaissancehafter Art wirksam, die eine nationale Strömung auslösen. Mit dem Wirken der beiden Drucker Badius und Stephanus (Estienne) setzt sich der Humanismus durch. Paris und L y o n bleiben die führenden Druckorte, auch Genf spielt eine Rolle. Charakteristische, die Zeiten überdauernde Leistungen werden auf dem Gebiet des Schriftschaffens vollbracht. J o d o c u s Badius Ascensius (1462 — 1535) genoß eine humanistische Ausbildung, hielt sich zum Studium in Italien auf, bevor er sich als Korrektur bei der Offizin des deutschen Druckers Trechsel in L y o n betätigte, siedelte aber dann nach Paris über und betrieb dort seit 1503 eine eigene

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Presse mit der Bezeichnung „Praelum Ascensianum". Er druckte Klassiker und literarische Werke der Zeitgenossen, darunter frühe Schriften des Erasmus von Rotterdam, und beeinflußte damit Frankreich stark im humanistischen Sinne. Durch eheliche Verbindung ging die Offizin in derjenigen des Henri Etienne-Stephanus auf. Henri Etienne (1460 — 1520) begründete eine große Druckerfamilien, die 160 Jahre im Gewerbe tätig war. Er erheiratete mit der Witwe seines ehemaligen Teilhabers Hygman die Offzin, betrieb sie zunächst mit Wolfgang Hopyl und war ab 1504 allein tätig. Er druckte philosophische und theologische Literatur, darunter 1509 die fünfsprachige Psalmenausgabe des Lefevre D'Etaples, die Luther für seine Ubersetzung benutzte. Seine Drucke stattete er mit eigenem RenaissanceSchmuck aus. Als er 1520 starb, heiratete seine Witwe Simon de Colines, der die Offizin weiterführte, bis sie 1525 Robert Etienne I. (1499 — 1559) übernahm. Dieser galt als ein hervorragender Philologe, vertrat einen Humanismus christlicher Prägung und druckte Klassiker- und Bibelausgaben. Er verfaßte den Thesaurus linguae latinae, den er seit 1532 in mehreren verbesserten Auflagen erscheinen ließ. Mit den bedeutendsten Buchkünstlern und Schriftschneidern seiner Zeit, Geofroy Tory und Claude Garamond, arbeitete er zusammen und genoß die Förderung und den Schutz des französischen Königs Franz I. Da er wegen seiner Textverbesserungen an der Bibel in Streit mit den Gelehrten der Sorbonne geraten war, siedelte er nach dem Tode des Königs um 1550 nach Genf über und bekannte sich zum Kalvinismus. Die Pariser Offizin blieb unter wechselhaftem Schicksal in Familienbesitz. Roberts Nachfolger in Genf wurde 1559 sein Sohn Henri II. (1528 — 1598). Philologe wie sein Vater und im gleichen wissenschaftlich-humanistisch-christlichen Sinne tätig, brachte er den Thesaurus linguae graecae 1572 heraus, das Gegenstück zum lateinischen seines Vaters. Er unterhielt Beziehungen zu großen Gelehrten und zu Ulrich Fugger, der sich an seiner Druckerei wirtschaftlich beteiligte. Henris Enkel führte die Firma bis 1664 weiter, hatte aber, wie schon Henri selbst, Streitigkeiten mit fanatischen Kalvinisten zu bestehen. Mehrere leistungsfähige Drucker vertraten in Paris neben Etienne dieselben humanistischen Anschauungen und druckten mustergültige Klassikerausgaben. Daneben pflegten andere die nationale zeitgenössische illustrierte Literatur. Eine besondere Persönlichkeit war Geofroy Tory (um 1480 — 1533). Er hatte mit Henri Etienne I. bei der Herausgabe lateinischer Texte zusammengearbeitet, war dann unter den Einfluß italienischer Kunst geraten, betätigte sich als Zeichner für den Holzschnitt und betrieb seit 1518 einen eigenen Buchhandel mit Verlag und Druckerei. Die Livres d'heures, die er herausbrachte, zeichneten sich durch eine neue Art der Gestaltung aus: sie enthielten Umrißholzschnitte und waren in Antiqua gedruckt, die Tory förderte. Sein theoretisches Werk „Champ fleury" (1529) handelte in merkwürdiger Weise über französische Sprache und Rechtschreibung und enthielt Buchstabenkonstruktionen in seltsam mystifizierter Darstellung. Es machte Tory so beliebt unter den Zeitgenossen, daß er zum Imprimeur du roi ernannt wurde. Wie schon in der Inkunabelzeit, war in Lyon ein starkes Element deutscher Drucker vertreten, z.B. die Firmen Trechsel, Johann Klein und Sebastian Gryphius. Auch zu Koberger in Nürnberg bestanden Beziehungen. Gryphius, aus Reutlingen gebürtig, nahm sich den humanistischen Baseler Buchdruck zum Vorbild. Er brachte auch, durch die Aldinen angeregt, kleinformatige Klassikerausgaben und Bibeln heraus. Bei den Gebrüdern Trechsel erschienen die berühmten Totentanzbilder und die Bilderbibel Hans Holbeins. In zwei Fällen machte sich das unselige Wirken der Inquisition bemerkbar: 1538 eröffnete der bedeutende, um eine sittliche Glaubenserneuerung bemühte Humanist Etienne Dolet eine Druckerei, nachdem er zuvor bei Gryphius hatte arbeiten lassen. Aber die von ihm gedruckten Werke wurden als ketzerisch verdächtigt und Dolet daraufhin nach langer Gefangenschaft 1546 in Paris verbrannt. Ahnlich erging es dem Mediziner Michael Servet, der für die Gebrüder Trechsel arbeitete. Sein heimlich außerhalb Lyons gedrucktes Hauptwerk „Restitutio christianismi", in dem er sich zur katholischen und protestantischen Theologie in Widerspruch setzte, fiel der Inquisition zum Opfer. Servet floh nach Genf und wurde dort auf Betreiben Calvins 1553 als Ketzer verbrannt.

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U m die Jahrhundertmitte entfalten in L y o n die Drucker und Verleger Jean de Tournes und Guillaume de Roville eine rege Tätigkeit mit besonders schönen Drucken (s.a. S. 280). Tournes siedelte aus Glaubensgründen nach Genf über, und dort bestand sein großes Verlagshaus noch bis in das 18. Jh.. Der Schriftschneider Granjon eröffnete eine eigene Druckerei, um die von ihm geschaffene Schreib-Druckschrift (Civilite) anzuwenden (s. S. 42 u. 47). Obgleich in Frankreich im 17. Jh. der Buchdruck in einer Anzahl weiterer Städte Fuß faßte, blieb auch hier das Gewerbe unter dem absolutistischen Königstum durch strenge Zensurbestimmungen und Zunftregeln gehemmt. Ludwig XIII. ließ durch Gesetz von 1618 die Verhältnisse im Gewerbe genau festlegen. Die Anzahl der Drucker in den einzelnen Städten wurde beschränkt. Die Geschäftsherren bildeten die unter Aufsicht des Staates stehende Syndikatskammer, welche die Angelegenheiten des Gewerbes zu regeln hatte. Oberste Zensurbehörde war die theologische Fakultät der Sorbonne. Infolge dieser Verhältnisse brachten es die Buchdrucker im allgemeinen zu keinen überdurchschnittlichen Leistungen und hatte mit wirtschaftlichen Sorgen zu kämpfen. N u r soweit das rege Interesse des Königs und seines Kardinals Richelieu sowie einer kleinen Schar hochgestellter Persönlichkeiten mit ausgesprochenen bibliophilen Neigungen reichte, fanden buchdruckerische Unternehmungen Förderung. Sie wurde u.a. dem Drucker Antoine Vitre zuteil, der zu den bedeutendsten der Zeit gehörte und zum königlichen Drucker für orientalische Sprache ernannt wurde. Er erhielt den Auftrag, die seit langem geplante Mehrsprachenbibel (Polyglotte) herzustellen. Dazu beschaffte der französische Gesandte in Konstantinopel orientalisches Typenmaterial, das von Guillaume Le Be und Sanlecque vervollkommnet wurde. Ein Stab von Gelehrten übernahm die Edition und Guy-Michel le Jay, Advokat am Gerichtshof, die nicht unbeträchtlichen Kosten. 1628 wurde der D r u c k begonnen, 1645 erschien das Werk in 10 Foliobänden. Ein dem Absolutismus des Königs entsprechendes und die französischen Verhältnisse überragendes Unternehmen bildete die Inbetriebnahme der königlichen Druckerei, der Imprimerie Royale. Schon 1620 hatte Ludwig XIII. sich im Louvre eine Privatpresse eingerichtet. Ihm eiferten einige der bibliophil gesonnenen Adligen nach. 1640 erfolgte die Gründung der Imprimerie Royale, die nach Aufmachung und mit eigenem Typenmaterial dem Repräsentationsbedürfnis des Königs auf dem Gebiet des Buchdrucks dienen sollte. Sie wurde mit den schönsten Antiquaschriften, mit griechischen und besonders den orientalischen Typen der Polyglottenbibel ausgestattet. Zur Leitung suchte man die besten Drucker zu gewinnen. Als erster fungierte Sebastian Cramoisy (gest. 1669), ihm folgte später Jean Anisson. 1693 gab Ludwig X I V . Befehl, eine eigene Antiquatype für die Druckerei zu schaffen. Sie wurde von Grandjean in verschiedenen Graden geschnitten, (s. S. 43 f.). Ihr Gebrauch war allein der königlichen Druckerei vorbehalten, und sie erhielt die Bezeichnung „ R o m a i n du R o i " . Die Imprimerie Royale eröffnete 1640 ihre Tätigkeit mit der „Imitatio Christi" des T h o m a s von Kempten; es folgten weitere theologische Schriften, Klassiker und Autoren anderer Wissensgebiete, besonders auch Werke zur Verherrlichung des Königtums und ähnliche Repräsentationsausgaben. Eine weitere Besonderheit ist die Klassiker-Reihe, die für den Gebrauch des Dauphin bearbeitet und erläutert war und von der seit den siebziger Jahren eine Folge von 64 Quartbänden erschien (Abb. 73). Im 18. Jh. wird die Buchkultur Frankreichs zum einen bestimmt von dem Kunststil der Adelsgesellschaft, dem R o k o k o , zum andern aber von den vorwärtsdrängenden Ideen der Aufklärung, die zur Französischen Revolution führten. Das französische Rokokobuch, welches kleinere Formate bevorzugt, ist mit Kupfern oft galanten und erotischen Einschlags, mit leicht beschwingten Vignetten und zierlichen Ornamenten geschmückt. Es wurde von Bibliophilen gern mit schönen Einbänden versehen. Andererseits erscheinen, zum Teil zunächst in wenig ansehnlichem Gewände, die Schriften Montesquieus und Rousseaus, die eine neue Staatslehre verkünden, oder Werke Voltaires gegen die religiöse Unduldsamkeit. Schließlich kommen die besten Köpfe der Aufklärung in der berühmten „Encyclopedie ou Dictionnaire . . . " (35 Bände, Paris 1751 bis 1780) von Diderot und D'Alembert zu Wort und Wirkung.

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DES EXPLICATIONS HISTORIQUES. Par tAcadlmk Royalt des Midaillcs fr des Infcriptions.

Abb. 73: Titel eines Drucks der „Imprimerie Royale", Paris 1702

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Erfindung und Entwicklung des Buchdrucks

Aber gerade die fortschrittlichen Werke der französischen Aufklärung sind meist im Ausland erschienen, da das Buchgewerbe in Frankreich bis zur Revolution unter strenger Zensur stand. Zwar waren der König und seine Umgebung der Bibliophilie zugetan und dilettierten selbst als Drucker, wie Ludwig X V . mit seiner Privatpresse oder Madame de Pompadour, die 1760 auf der Handpresse in Versailles Corneilles „Rodogune" herausbrachte. Aber dem Buchgewerbe gegenüber behielt sich der König persönlich scharfe und weitgehende Kontrollmaßnahmen vor: Die Anzahl der Drucker blieb im 17. Jh. genau bestimmt und beschränkt, und mit einer 1723 erlassenen Verfügung wurde dem Privatrat des Königs die Erteilung der Druckgenehmigung, die Zensur und die Entscheidung in Streitigkeiten übertragen. Diese Behörde hatte das Recht, alle Druckereien, besonders verdächtige, zu kontrollieren. Erst 1791 wurden Buchdruck und - handel zunftfreie Gewerbe und der Grundsatz der Pressefreiheit verkündet, wenn diese selbst auch in folgenden Zeit wieder aufgehoben bzw. eingeschränkt wurde. Auf technischem Gebiete beginnen sich allmählich die großen Erfindungen des 19. Jh. vorzubereiten: Das Punktsystem wird eingeführt (s. S. 193), die Stereotypie verbessert (s. S. 204), neue Typen werden geschaffen, und am Ende des Jahrhunderts konstruiert Louis Robert die erste Papiermaschine (s. S. 59). Drucker und Verleger sind meist noch eine Person. Die Imprimerie Royale zählt weiterhin zu den führenden Offizinen und bringt repräsentative Prachtwerke heraus. Die Leitung liegt fast das ganze Jahrhundert in den Händen von Angehörigen der Familie Anisson, beginnend mit Jean Anisson 1691, endend mit Alexandre Jacques Anisson Duperron, der 1794 hingerichtet wurde. Während der Revolution hieß die Offizin Imprimerie de la Republique und unter Napoleon schließlich Imprimerie Imperiale. In der Revolutionszeit wurden die Assignaten, das Papiergeld, von der Staatsdruckerei hergestellt, und für Napoleons Feldzug nach Ägypten mußte sie griechische Typen liefern. Der Kaiser bereicherte sie mit erbeutetem Typenmaterial, z.B. dem der Propagandadruckerei des Vatikans, das jedoch später zurückgegeben werden mußte. Napoleon richtete auch eine Druckerei in Ägypten ein, die unter dem Orientalisten J.J. Marcel arbeitete und, außer behördlichen Veröffentlichungen und einer Zeitung, wissenschaftliche Werke in arabischer Sprache druckte. Eine erwähnenswerte Sonderleistung stellt die Druckertätigkeit des Dramatikers Pierre Augustin Caron de Beaumarchais (1732 — 1799) dar. Als vielgewandter Mann beschloß er, Buchdrucker zu werden, um die Werke Voltaires herauszubringen. Er setzte sein ganzes Vermögen und seine Persönlichkeit dafür ein, erwarb sämtliche Manuskripte und Rechte für eine Gesamtausgabe, kaufte den Typenbestand der Offizin des verstorbenen englischen Druckers Baskerville auf und erlangte schließlich, der französischen Zensur ausweichend, in der damals zu Baden gehörenden Feste Kehl bei Straßburg (Strasbourg) 1780 die Erlaubnis zur Errichtung der Druckerei und zur Herausgabe der Werke. Das Unternehmen war zu großartig angelegt, als daß es für Beaumarchais ein geschäftlicher Erfolg werden konnte, obgleich dieser mit allen möglichen Mitteln, wie Subskription, Lotterie, Widmung an Katharina II. von Rußland, arbeitete. Dennoch erschienen zwischen 1783 und 1789 eine 70bändige Oktavausgabe und eine 92-bändige Duodezausgabe. Von einer geplanten Quartausgabe wurden nur die „Henriade" und die „Pucelle" gedruckt. 1795 stellte Beaumarchais das Unternehmen ein. Unter den französischen Druckern haben die Didots in dieser Zeit und weit über das Jahrhundert hinaus die größte Bedeutung erlangt. Von den Söhnen des als erster namhafter Drucker der Familie tätigen Francois Didot (1689— 1759) tat sich Franfois-Ambroise Didot (1720— 1804) als Verbesserer des von Baskerville zuerst benutzten Velinpapiers und des typographischen Punktsystem hervor. Das von ihm festgesetzte Maß des typographischen Punktes führte zu der heute in vielen Ländern gültigen N o r m der Schriftgrößen (s. S. 193 f.). Weiterhin entwarf er 1775 eine neue Type eigener Art, die von seinem Sohn Firmin Didot endgültig zu der bekannten DidotAntiqua geformt wurde, (s. S. 44). Außer auf dem Gebiet des Schriftgusses wurde Franfois-Ambroise als Buchdrucker und Verleger tätig (Abb. 74). Auf Grund seiner Verdienste ließ Ludwig XVI.

Die Entwicklung des Buchdrucks vom 16. bis Ende des 18. Jahrhunderts

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Abb. 81: Seite aus dem „Theuerdank", Nürnberg: Johann Schönsperger 1517

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Die Buchkunst

läge, von Schönsperger in Nürnberg zum Teil auf Pergament gedruckt; eine 2. Auflage kam 1519 heraus. Auch anderenorts und bei anderen Verlegern erschien das Werk, später textlich bearbeitet und erweitert. Der „Theuerdank" ist mit einer eigenen von Vinzenz Rockner entworfenen Schrift gedruckt, die ebenfalls eine Vorstufe der Fraktur darstellt. Um ihr handschriftliches Herkommen zu betonen, sind in stärkerem Maße als im „Gebetbuch" Schreibschnörkel angesetzt worden. Das Werk ist reich mit Holzschnittillustrationen ausgestattet. Leonhard Beck, Hans Burgkmair und H.L. Schäuffelin waren als Zeichner, Jost de Negker als Holzschneider tätig (Abb. 81). Als Fortsetzung des „Theuerdank" war der „Weißkunig" gedacht. Er sollte Leben und Taten Maximilians verherrlichen. Der Kaiser beteiligte sich wieder selbst an der Abfassung des Prosatextes, dessen endgültige Gestaltung Marx Treytzsauerwein, der schon am Theuerdank mitgearbeitet hatte, übernahm. Er wurde jedoch nicht vollendet, und obwohl die 236 Holzschnitte bereits zwischen 1514 und 1516 hauptsächlich von Hans Burgkmair und Leonhard Beck geschaffen worden waren, wurde nichts davon gedruckt. Die Holzstöcke gerieten in Vergessenheit. Erst im 18. Jh. fand man sie wieder auf. 1775 wurde das Werk von dem Abbe Felix Franz Hoffstätter bei Joseph Lorenz Kurzböck in Wien zum ersten Male in Druck gegeben. Von den zahlreichen weiteren Holzschnitt- und Druckwerken, die der Kaiser geplant hatte, ist als bedeutende druckerische Leistung die „Pforte der Ehren" hervorzuheben. Sie ist kein Buch, sondern ein überdimensionaler Holzschnitt, der von 192 Einzelstöcken zusammengedruckt wurde. Er stellt einen Triumphbogen dar, wie ihn sich die römischen Cäsaren in Stein bauen ließen. Die Einzelbilder schuf hauptsächlich Dürer zusammen mit anderen Künstlern, der Nürnberger Formschneider Hieronymus Andreae (gest. 1556) schnitt sie. Die Schriftgestaltung lag wahrscheinlich in den Händen des Nürnberger Schreibmeisters Johann Neudörffer d. A. Sie zeigt erstmalig die Fraktur in Holzschnitt. 1515 war das Werk vollendet. Zu diesem Triumphbogen sollte ein Triumphzug dargestellt werden, der aber unvollendet geblieben ist. Der Triumphwagen, von Dürer ausgeführt, wurde in einer Ausgabe mit deutschem Text und einer mit lateinischem Text (1522/23) herausgegeben. Die deutsche Ausgabe zeigt zum ersten Male die Neudörffer-Andreae-Fraktur im Typendruck.

Stilgeschichtliche Gestaltungsmerkmale von der Renaissance bis zum Jugendstil Das Schriftbild in den Drucken, die im ersten Viertel des 16. Jh. in Deutschland erschienen, ist vorwiegend von der Verwendung der Schwabacher bzw. der Oberrheinischen und der Wittenberger Schrift geprägt. Ihre breite derbe Form mit gemäßigten Brechungen ist zwischen Gotik und Renaissance angesiedelt und entspricht dem volkstümlichen Empfinden der Zeit. Sie ist vor allem auch die Schrift der Reformationsdrucke und der Flugschriften des Bauernkrieges und paßt gut zu dem in Holzschnitt ausgeführten Buchschmuck und den Illustrationen. Für lateinsprachige Drucke der Humanisten oder für wissenschaftliche Texte setzt sich auch in Deutschland die Antiqua durch, und es kommt zur Schriftmischung infolge Verwendung von Antiqua und deren Kursive für lateinische Wörter zwischen Texten in gebrochener Schrift. Gelegentlich wird die Antiqua auch als Auszeichnungstype, ebenso wie z.B. Formen der Gebetbuch- oder Theuerdankschrift gebraucht. Mit dem Ausklang der reformatorischen Bewegung findet die Schwabacher nur noch für Auszeichnungszwecke Verwendung, und die Fraktur wird bis in das 20. Jh. hinein zur allgemeinen deutschen Textschrift. Der in den Großformaten der Inkunabeln notwendige und lesefreundliche Zweispaltensatz ist in den kleinformatigen Drucken und Flugschriften, die auch fortlaufend schneller zu setzen waren, entbehrlich. Als Gestaltungselement für Titel und Zwischentitel sowie für Schlußsätze von Texten findet zuweilen der bereits in Inkunabeln anzutref-

Stilgeschichtliche Gestaltungsmerkmale von der Renaissance bis zum Jugendstil

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fende Satz in Dreieck- oder Trapezform Verwendung. Die Titel werden zum Barock hin gern im freien Zeilenfall um eine Mittelachse gestaltet. Größere Schriftgrade finden zur Auszeichnung in Vorreden, Widmungen und Uberschriften Verwendung. Ein bedeutendes, oft gebrauchtes Schmuckelement ist die Initiale, die in offener kalligraphischer Form, im geschlossenen Geviert als Ornament zum Teil auch mit Figuren und als Bildinitiale auftritt, nicht selten in weiß auf schwarzem Grund und im Holzschnitt bzw. in Punzmanier ausgeführt. In der Bildtypographie machen die verschiedenartigen Einpassungsmöglichkeiten von Holzschnitten in den Typendruck technisch keine Schwierigkeiten, da beide Hochdruckverfahren sind und zugleich gedruckt werden können. Als besonderer Schmuck der Reformationsdrucke gilt die Titeleinfassung. Sie bürgert sich etwa ab 1510 ein und wird zum charakteristischen Buchschmuck des 16. Jh. Der Titelsatz ist von einem ornamental, architektonisch und figürlich gestalteten Rahmen umgeben, der aus einem Stück geschnitten oder aus einzelnen Leisten zusammengestellt sein kann. Stilistisch sind diese Titeleinfassungen durch Renaissancemotive gekennzeichnet, und es ist zu beobachten, daß sie von humanistischen Druckern bevorzugt werden. So fließt in die figürlichen Darstellungen auch reiches humanistisches Bildungsgut ein. Motive aus der antiken Geschichte und Mythologie, Allegorien usw. stehen neben Ranken, Astwerk und Tieren. Besonders ausgeprägt ist die architektonische Titeleinfassung, in die Figuren, ganze Szenen und in späteren Jahrzehnten des 16. Jh. ganze Bildfolgen religiöser oder weltlicher Art kombiniert sind. Titeleinfassungen wurden oftmals nachgeschnitten und dienen heute zur Herkunftsbestimmung der Drucke. Alle maßgeblichen Buchillustratoren des 16. Jh. haben solche Titeleinfassungen geschaffen (Abb. 82). Die Fraktur mit ihrem bewegten und schwungvollen Formen und mit ihren verschnörkelten Initialen wurde zur Schrift des Barocks. Etwa seit Mitte des 16. Jh. bestimmt sie die Typographie in deutschsprachigen Drucken. Lateinische Wörter werden in Antiqua gesetzt. Am auffälligsten ist in dieser Zeit die Titelgestaltung. Die meist langatmig und umständlich formulierten Titel werden durch unterschiedlich große Schriftgrade und durch wechselnde Zeilenlängen zwar bewegt gestaltet, aber nicht klarer verständlich oder übersichtlicher, da die Hervorhebungen durch Schriftgröße oder Sperrungen nicht immer unserer gebräuchlichen typographischen Auffassungen entsprechen. Schriftmischungen sind nicht selten, und auch Rotdruck für Hervorhebungen wird angewendet. Solche barocken Titel füllen meist die Seite voll aus. Zu den charakteristischen Merkmalen gehört auch der Kupferstich als Illustrationsverfahren und insbesondere das Titelkupfer, welches dem typographischen Titel vorausgeht und, nur einseitig bedruckt, auch 2 Blätter umfassen kann (= Frontispiz; s. auch Abb. 104, S. 289). Es enthält allegorische Darstellungen, Autorenporträt, Huldigungen und Widmungen sowie die Titelformulierung. Ihm schließen sich oft umfangreiche weitschweifige Vorreden an, deren typographisches Bild durch größere Schriftgrade und Einzüge sowie durch Initialen belebt erscheint. Initialen mit ornamentalen oder bildlichen Darstellungen werden auch im Text in unterschiedlicher Größe (meist betont am Anfang) verwendet. Kopfleisten und SchlußVignetten sind meist noch im Holzschnitt ausgeführt, und die Schlußvignette stellt häufig florale Motive dar, die geometrisch angeordnet oder als Blumenkorb oder ähnliches gestaltet sind. Gelegentlich werden Seiten oder Kolumnen mit einfachen Linien umrandet, und das typographische Ornament kommt als Bordüre, Kopf- oder Schlußstück vor. Auch das Verlagssignet wirkt in Größe, ornamentaler und allegorischer Ausstattung als wesentliches Schmuckelement, das sowohl auf dem Titelblatt wie am Ende des Buches erscheinen kann. Das Satzbild ist manchmal durch Hervorhebung von einzelnen Sätzen oder Wörtern entsprechend ihrer Bedeutung stark gegliedert. Es ergibt sich so eine Art didaktische Typographie. Schwierigkeiten bereitet das Eindrucken von Kupfern in den Text, da das Tiefdruckverfahren in einem zweiten Druckgang ausgeführt werden muß und die Einpassung nicht immer gelingt. Deshalb sind die Kupfer auf Tafeln meist besonders eingebunden.

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Die Buchkunst

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Abb. 82: Titelbordüre von Hans Holbein, sog. „Cleopatra-Bordüre", Nachschnitt von Anton Woensam von Worms 1527

Stilgeschichtliche Gestaltungsmerkmale von der Renaissance bis zum Jugendstil

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In der zweiten Hälfte des 18. Jh. macht sich das Rokoko in der Buchtypographie, vor allem in der Ornamentik, in den Vignetten und Illustrationen bemerkbar. Ihm entsprechen auch die kleineren Formate, die aufgelockerte Textgestaltung und die kürzeren Titelformulierungen. Im letzten Viertel des 18. Jh. verschaffen sich gegenüber dem Rokokobuch klassizistische Stilmerkmale Geltung. Sie werden durch die Typen und Drucke Didots und Bodonis angeregt. Ihnen steht jedoch die Vorherrschaft der Fraktur entgegen. So werden in stärkerem Maße auch Antiquatypen für deutschsprachige Literatur verwendet, und es kommt zu Versuchen, die Fraktur einer Reform im klassizistischen Sinne zu unterziehen wie bei Breitkopf und Unger (s. S. 45 u. 49). Man bemüht sich um einfachere klarere Textstrukturen mit größerem Zeilendurchschuß, um ein lichteres Typen- und Satzbild und um kürzere Titelfassungen und läßt in der Titelei und im Satz proportioniert den freien Raum zur Geltung kommen. Es erscheinen von einzelnen Drucken auch mehrere Ausgaben mit verschiedenen Papiersorten (Schreibpapier, Velinpapier) und in unterschiedlichen Formaten (z.B. die Wieland-Ausgabe Göschens, s. S. 162) sowie in Antiquaoder Frakturdruck. Neben der Radierung gewinnt der Holzschnitt, dank der Bemühungen Ungers, wieder an Geltung. Im allgemeinen wird aber der Buchschmuck einschließlich der Illustrationen zurückgedrängt und eine reine, d.h. ohne diese Gestaltungselemente wirkende Typographie bevorzugt. Infolge der Anwendung klassizistischer Schriftarten, vor allem in der Manier Didots und Bodonis neben der Fraktur bis weit in das 19. Jh. hinein, verliert die Typographie in dieser Zeit schließlich an Ausdruckskraft. Auch die Stereotypie übt in dieser Hinsicht ihren Einfluß aus, und technisch-chemische Neuerungen in der Papierherstellung mittels der Maschine sowie der maschinelle Druck vermindern die ästhetische Wirkung der Bücher. Die Buchgestaltung erscheint infolgedessen verhältnismäßig ausdrucksleer mit der Verwendung von flauen Linien und typographischen Ornamenten, die beziehungslos gebraucht und miteinander kombiniert werden. Ein gern verwendetes Element ist z.B. die an- und abschwellende sog. englische Linie. Lithographie, Holzstich und Stahlstich beginnen das Erscheinungsbild der Bücher zu prägen. Erst nach den dreißiger Jahren treten in den bevorzugten Schriften reichhaltigere Gestaltungselemente in romantisierender Manier auf, wie Bildinitialen, Rankenwerk und Leisten sowie Textumrahmungen mit altdeutscher Ornamentik. Holzschnitt und Holzstich ermöglichen in vielgestaltiger Komposition die Verbindung der Bild- und Schmuckelemente mit dem Typendruck. Die Lithographie, als Illustration auch handkoloriert auf sog. Tafeln eingebunden, führt unter Verwendung von gezeichneten, ornamentierten, schattierten und oft vermischten Typenversalien, mit Federschriften und Federschwüngen und in bogenförmiger oder ovaler Gestaltungsweise ausgeführt, zu reichen Titelausstattungen. In der 2. Hälfte des 19. Jh. übte der Historismus durch Verwendung von Motiven verschiedener Stilarten und mit „altdeutschen Schriften" seinen Einfluß auf die Typographie aus. Die fotomechanischen Reproduktionsverfahren wie Strichätzung und Autotypie sowie der Farbdruck erreichten im Buchdruck noch nicht die erstrebte Qualität. Der allgemeine Verfall der Typographie und der künstlerischen Ausstattung des Buches wie es sich in Prachtwerken widerspiegelt, die, mit Schmuck überladen, den großbürgerlichen Repräsentationsbedürfnis dienten, sowie Mängel in den maschinell-technischen Herstellungsverfahren bei der Massenproduktion von Büchern, riefen eine Erneuerungsbewegung in der Buchgestaltung hervor. Dabei suchte man sich zunächst am Vorbild der alten Drucke des 15./16. Jh. zu schulen und übernahm für die Ausstattung spätgotische und Renaissancemotive in eklektizistischer Manier. Diese historisierende Richtung schlug schließlich ins Gegenteil um, in eine gewollte Modernität mit den eigenwilligen Formen des Jugendstils. Erst allmählich bildete sich aus diesem Suchen eine neue Buchkunst heraus, die schließlich von einer neuen Typographie und einem neuen Schriftschaffen aus ihren eigenen Stil fand und mit den modernen technischen Produktionsverfahren zu arbeiten lernte. Die Bestrebungen, die dazu führten, faßt man unter der Bezeichnung „Buchkunstbewegung" zusammen.

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In den europäischen Ländern zeigt die Typographie von der Inkunabelzeit bis zum Klassizismus und noch bis in das 19. Jh. hinein ähnlich gearteten Gestaltungsprinzipien, die von der allgemeinen Stilentwicklung abhängig sind. Die ornamentalen Formen und die Illustration werden aber auch von nationalen Eigentümlichkeiten beeinflußt. Die neue Buchkunstbewegung erfaßt alle europäischen Länder und wird von Künstlerpersönlichkeiten geprägt, die nationale Traditionen individuell verarbeiten.

Die Buchkunstbewegung Die Vorläufer in England und Deutschland Starke Impulse zur Erneuerung der Buchkunst gingen von englischen Privatpressen aus, deren Tradition in das 18. Jh. zurückreicht. Privatpressen dienen meist nicht geschäftlichen Interessen, sondern stellen, mit eigenen Typen arbeitend, eine Liebhaberei dar, deren Zweck das individuell und bibliophil gestaltete Buch in hoher Qualität ist. Dabei haben sie zu einem guten Teil die Hebung des Leistungsniveaus im Buchgewerbe angeregt. Aber auch gewerbliche Offizinen bemühten sich vorbildlich um Qualitätssteigerung. Eine solche Presse hatte 1789 Charles Whittingham (1767—1840) gegründet, 1810 in den Londoner Vorort Chiswick verlegt und nach diesem benannt. Als er 1840 starb, übernahm sie der Neffe, Charles Whittingham d.J. (1795 - 1876), und stellte sie in den Dienst seiner im Rückgriff auf Vorbilder des 18. Jh. stehenden Bestrebungen zur Belebung und Verbesserung der darniederliegenden Druckkunst. Seinen auf eine einfache, aber qualitätvolle Typographie zielenden Idealen entsprach die Caslon-Antiqua, die er an Stelle der klassizistischen wieder benutzte. In seinen buchkünstlerischen Bestrebungen und in wirtschaftlicher Hinsicht wurde er von dem bibliophil und literarisch interessierten William Pickering (1796 - 1854) unterstützt, der seit 1820 einen bedeutenden Verlag betrieb. Die Chiswick-Press erlangte unter beiden Männern größtes Ansehen und brachte die besten Erzeugnisse der Zeit hervor. Sie bestand noch bis 1962. Mit einer kleinen Privatpresse wirkte in ähnlicher Weise Charles Henry Olive Daniel (gest. 1919), der bereits als Knabe zu drucken begann und nach 1876 in Oxford die Fell-Types wieder benutzte. Von größerem Einfluß als diese privaten Bestrebungen war die 1877 in London veranstaltete Caxton-Ausstellung. Die dort gezeigten Meisterwerke des Buchdrucks der vergangenen Jahrhunderte ließen den allgemeinen Tiefstand der Zeit offenbar werden und gaben Anregung zur Besserung. Möglicherweise hat sie die bedeutendste Druckerpersönlichkeit dieser Zeit, William Morris (1834— 1896), angeregt, sich später der Buchreform zu widmen. Morris war Dichter und Kunsthandwerker. Er schloß sich der damaligen sozialistischen „Democratic Federation" in England an und betätigte sich vor allem auf verschiedenen Gebieten des Kunstgewerbes, um die Kunst wieder mit den praktischen Bedürfnissen zu verbinden. In seiner Druckertätigkeit knüpfte er an die Tradition der Frühdrucker an. Die Maschine lehnte er in erklärter Industriefeindlichkeit grundsätzlich ab und übte alle Verrichtungen für die Herstellung seiner Bücher handwerklich aus. 1891 begründete er in der Londoner Vorstadt Hammersmith die Kelmscott-Press (genannt nach seinem Landhaus in Keimscott an der Themse). Beraten von dem bedeutenden englischen Typographen Emery Walker (1851 - 1933) und unter Mitarbeit ähnlich gesinnter Künstler als Illustratoren (Walter Crane und Edward Burne-Jones), begann er eine umfangreiche Druckertätigkeit. Typen und Buchschmuck entwarf er selbst in Anlehnung an den gotischen Stil und in Nachahmung der alten Meister der Druckkunst. Seine Werke stattete er durchweg mit Holzschnitten aus. Die berühmtesten der 53 Drucke, die aus Morris' Presse hervorgingen, sind folgende: 1892 erschien die „Legenda aurea" des Jacobus de Voragine mit der nach ihr benannten „Golden Type", einer Antiqua, die auf diejenige des Nicolaus Jenson zurückging; das zweite bedeutende Werk war „The

Die Buchkunstbewegung

Che tcndre croppes.and the yonge sonne Fiatb in the Rain his hälfe court) yronne, Hnd enwli foweles malten melodye, Char olepen al the nyght with open eye. So prihetb hem nature in bir coragcs: Cbanne tongen folk to goon on pilgrimages, Hnd palm eres for to sehen otraunge 3trondes. Co feme balwee, liowtbe in sondry londee; Hnd specially, from every sbirc3 ende Of €ngelond, to Caunterbury they wende, Che hooly btisful martir for to seke. Chat hem bath bolpen whan that they were sec h e. T.L that in that seson on a day, rjf^L·*^ y I" Soutbwerh at the Ca bard as |1

Redy towendenonmypilgrvmCO Caunterbury with ful devout corage, Ht nygbt were come into that hostelrye Wet nyne and twenty in a compaignye, Of sondry fblh, by aventure yfalle In felaweshipe, and pilgrimes were they alle, Chat toward Caunterbury wolden ryde.

Abb. 83: Seite aus der Chaucer-Ausgabe mit Buchschmuck von William Morris und Illustrationen von Edward Burne-Jones, 1896

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Recuyell of the Historyes of Troye" mit der „Troy Type", die Typen Schöffers, Mentelins, Günther Zainers und Kobergers zum Vorbild nahm und gotischen Charakter trug, und als drittes besonders großformatiges und repräsentatives Buch kamen 1896 Chaucers Werke heraus, für die ein kleiner Grad der „Troy Type" verwendet wurde (Abb. 83). Der Chaucer-Druck gilt als die vollendetste Leistung englischer Druckkunst. Im Stile dieser Beispiele sind auch die kleineren Drucke der Presse erschienen. Durch ihre charakteristischen Typen, die in präraffaelitischer Manier gehaltenen Illustrationen und besonders durch die holzgeschnittenen gotisierenden Initialen und breiten Bordüren sind die Drucke der Kelmscott-Press unverkennbar. Nachdem Morris 1896 gestorben war, stellte seine Presse 1898 ihre Tätigkeit ein. Die Leistungen Morris' erregten in aller Welt großes Aufsehen und spornten begeisterte und aufgeschlossene Drucker zu ähnlichem Tun an. Aber Morris' Werk war im Grunde genommen stilistisch und technisch rückwärtsgewandt. Es regte zwar an, aber die neue Buchkunst mühte sich künftig um einen eigenen Stil unter Einbeziehung der technischen Möglichkeiten, die die maschinelle Buchherstellung bot. Lediglich in England nahmen die handwerklich betriebenen Privatpressen noch bis zum ersten Weltkrieg auf dem Gebiet der künstlerischen Buchgestaltung den Vorrang ein. Auch in Deutschland versuchten einige Drucker dem allgemeinen Tiefstand mit hochwertigen Leistungen zu begegnen. Sie hatten dabei das Vorbild älterer Meister vor Augen. In diesem Sinne wirkten Rudolf Ludwig Decker, Karl Berend Lorck und Eduard Wilhelm Drugulin. Eine besondere Gruppe bildete sich in den siebziger Jahren in München, die im Stil der Meister des 16. Jh. eine Hebung der Buchkultur zu bewirken suchte. Angeregt wurde sie von der Münchner Kunstgewerbeausstellung 1876, die auch auf anderem Gebiet die Aufmerksamkeit auf die deutsche Renaissancekunst lenkte und den sogenannten Münchner Stil, die Münchner Renaissance, hervorrief. Auf dem Gebiet des Buchdruckes äußerte sich das in einer zur Uberladung neigenden altertümelnden Typographie und einem eklektizistischen Buchschmuck. Verschnörkelte Auszeichnungsschriften und Initialen, Schwabacher und Fraktur in Schwarz und Rot und ein überreiches Beiwerk an Ornamenten und Figuren kennzeichnen diese Drucke, die zwar eine Besinnung und ein erster Versuch zur Erneuerung der Druckkunst waren, aber keine vorwärtsweisenden eigenschöpferischen Leistungen darstellten. Einer der maßgeblichen Vertreter dieser Richtung, der den historisierenden Stil, noch bevor er in der Breite verflachte, meisterhaft beherrschte, war Max Huttier (1823 - 1887). Ursprünglich Benediktinermönch, eröffnete er 1874 in München eine Kunstdruckerei und 1877 in Augsburg einen Verlag. Er brachte kirchliche katholische Werke in vorbildlicher Gestaltung heraus. Zur Popularisierung des neuen Geschmacks und der Stilform trugen viel die Abbildungswerke bei, die Georg Hirth in seinem 1871 gegründeten Münchner Verlag erscheinen ließ. In Mainz arbeitete Heinrich Wallau (1832 — 1925) im gleichen Sinne und leistete auf dem Gebiet des Akzidenz- und Werkdruckes ebenso wie im Druck bibliophiler Bücher Hervorragendes und Vorbildliches. Als Buch- und Schriftkünstler wirkte Otto Hupp (1859 — 1949) im Stile der Münchner Renaissance bis in die dreißiger Jahre des 20. Jh. Er bevorzugte heraldische Motive, entwarf einige die neue Typographie vorbereitende Schriften und betätigte sich publizistisch auf dem Gebiet der Buchgeschichte. Sein berühmt gewordener „Münchener Kalender" (erschienen 1895 —1935) repräsentierte seinen Stil vortrefflich. Auch die Hamburger Schriftgießerei Genzsch & Heyse (vgl. S. 197) unterstützte diese Bestrebungen über ihre Münchner Filiale mit der Wiederbelebung von Renaissanceschriften. Otto Hupp entwarf für sie Vignetten, Zierleisten und Schriften. Das Vorbild der genannten Gruppe fand bald Nachahmung, und Ende des 19. Jh. erlebte der altdeutsche Stil allgemeine Verbreitung. Daneben gingen einzelne Künstler mit besonderen Leistungen eigene Wege. So schuf der junge Maler und Graphiker Max Klinger 1880 den Buchschmuck zu einer im Stile der Prachtwerke geplanten Ausgabe des antiken Märchens „Amor und Psyche" von Apuleius, die unter der Hand des Künstlers zu einem einmaligen Beispiel in dieser Zeit wurde. Jede Seite ist mit einer Holz-

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schnittbordüre umrahmt, und zahlreiche eingeklebte Radierungen illustrieren den Text. Die Motive der Randleisten verarbeiten Antikes und Einflüsse der durch die großen Ausgrabungen des 19. Jh. wiedererschlossenen Kultur des Vorderen Orients. Im ganzen rückt das Werk von der altdeutschen Manier stark ab und weist in seiner buchkünstlerischen Einmaligkeit weit voraus (Abb. 84). Stolz nennen sich neben dem Drucker die Lieferanten des Papiers und die Hersteller der Holzschnitte auf dem Titelblatt. Als Verleger zeichnet Theodor Stroefer, München. Ebenfalls auf neuem Wege und von der üblichen altdeutschen Manier abrückend, wenngleich im Stoff der alten Zeit verhaftet, erschien die „Geschichte der rheinischen Städtekultur" von Heinrich Boos 1897 — 1901 in vier Bänden bei Stargardt in Berlin. Das Buch wurde in einer modernen Schwabacher bei Otto von Holten, der seine Druckerei in den Dienst der modernen Bibliophilie stellte, gedruckt und mit Bildern und Vignetten von Joseph Sattler ausgestattet. Drucktechnisch bedeutet es eine besonders gute Leistung. Eine solche repräsentierte auch die Ausgabe des Nibelungenliedes, welche die Reichsdruckerei als Leistungsprobe auf der Pariser Weltausstellung 1900 zeigte (erschienen bei J.A. Stargardt, Berlin 1898 — 1904). Sattler schuf dazu eigene Typen und farbige Illustrationen, die beide schon den Einfluß des Jugendstils verraten. Einen auf gotische Formen zurückgreifenden symbolisch-abstrakten Stil vertrat Melchior Lechter (1865 — 1936). Er arbeitete für den Asthetenkreis um Stefan George, gestaltete seit 1892 die „Blätter für die Kunst" und stattete 1897 „Das Jahr der Seele" von George und 1898 den „Schatz der Armen" von Maurice Maeterlinck aus. Diese Form der Buchgestaltung, die etwas von der gekünstelten, pathetischen Feierlichkeit Georgescher Dichtungen an sich hat, ist bezeichnend für diesen Künstlerkreis.

Die Träger der deutschen Buchkunstbewegung Die Anreger Die deutsche Buchkunstbewegung, die seit den neunziger Jahren als Teil einer allgemeinen Erneuerungsbestrebung auf dem Gebiete des Kunsthandwerks einsetzt, wird von einem großen Kreis verschiedenartiger Kräfte getragen, von Dichtern und Literaten angeregt, von Zeitschriften proklamiert und vorgeführt, von engagierten Verlegern in die Tat umgesetzt, durch eine Reihe von Pressen und gewerblichen Offizinen in Beispielen verbreitet und von einer großen Schar junger Künstler, die sich nunmehr auf das Schriftschaffen und den Buchschmuck spezialisieren, unterstützt. Diese Bewegung sucht dem Buch von der Schrift und dem Druck her ein neues modernes Gesicht zu geben und Typographie, Schmuck, Illustration und technische Herstellung in eine künstlerischen Gesichtspunkten entsprechende Einheit zu bringen. Das stilistische Gepräge erhielt die erste Phase der neuen Buchkunst durch den Jugendstil. Dieser hat seinen Namen nach der Zeitschrift „Jugend", die 1896 in München von den dortigen Sezessionisten (Künstlergruppe mit neuer eigener Richtung) ins Leben gerufen wurde und die die neuen schon vorher bemerkbaren Stiltendenzen vertrat. Man bemühte sich bewußt, mit dem Historismus zu brechen und ganz eigene Ornamentformen zu finden, die bald alle Kunstgattungen beeinflußten. Noch haftete der neuen Richtung ein Suchen und Tasten an, und zahlreiche Künstler verschiedenen Gepräges traten auf. In München verlegte seit 1896 Albert Langen die satirischkritische illustrierte Wochenschrift „Simplizissimus" und beschäftigte eine Anzahl der tüchtigsten Künstler, darunter als talentiertesten Thomas Theodor Heine (1867 — 1948). Sie beeinflußten die Buchgestaltung stark und sind auch für die bei Langen erscheinenden Bücher tätig gewesen. 1894 wurde in Berlin die Genossenschaft „Pan" gegründet, die 1895 eine gleichnamige Zeitschrift erscheinen ließ. Diese gaben Otto Julius Bierbaum und Julius Meier-Graefe unter Mitarbeit von Dichtern, Schriftstellern, Künstlern und Kunstgelehrten heraus. Sie begann sogleich Epoche zu machen, eine Kunstzeitschrift dieser auserlesenen, hohe Ansprüche erfüllenden Art hatte es

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Abb. 93: Blatt aus der Kölner Bibel, Köln: Heinrich Quentell u m 1478

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Seit 1490 tritt zuerst bei Heinrich Quentell in Köln eine besondere Art von Titelholzschnitten auf. Sie stellen Schulszenen dar und enthalten meist die Worte „Accipies tanti doctoris dogmata sancti" („Vernimm die Lehre des heiligen Doktors", d.i. Thomas von Aquin). Danach nennt man sie Accipies-Holzschnitte. Sie wurden nachgeschnitten und nachgedruckt und besonders für Schulund Lehrbücher verwendet. Von hohem und eigenständigem künstlerischem Gehalt sind die Bilder der niederdeutschen Lübecker Bibel, die 1494 bei Steffen Arndes erschien. Sie haben eine selbständige Formensprache voller innerlich ansprechender Aussagekraft. Charaktervoll und lebendig im Ausdruck, sind die Darstellungen von gemessenem Ernst. Eine gewisse Verwandtschaft in der Bildkomposition besteht zur Kölner Bibel, aber die Lübecker ist dennoch eine eigene Schöpfung. Die Schnitt-Technik ist geschmeidiger; dadurch wirken die Figuren natürlicher in Haltung und Gestik. Die Schraffuren sind dichter und erzeugen plastischere Wirkungen. Aber auch hier werden in einem Bild mehrere Szenen einer Episode zusammengefaßt und Architektur und Landschaft für die Raumtiefe genutzt. Es scheint, daß die Illustrationen nicht alle von der gleichen Hand geschaffen wurden. Ihr Hauptmeister, der Gegenstand verschiedener Hypothesen ist, könnte auch Urheber der kleinformatigen, einfach, doch packend gestalteten 56 Totentanzbilder sein, die 1489 aus der Lübecker Mohnkopfdruckerei hervorging. In den neunziger Jahren des 15. Jh. gehen neue Impulse für die Buchillustration von Nürnberg, Straßburg und Basel aus. In Nürnberg sind zunächst verhältnismäßig wenige, dafür dann um so bedeutendere illustrierte Drucke erschienen, und zwar bei Anton Koberger, der anfangs der Illustrationskunst nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Seine deutschsprachige Bibel von 1483 war zwar ein guter Verkaufserfolg, doch stellten ihre Illustrationen doch keine neue Leistung dar, da sie von den Stöcken der Kölner Bibel gedruckt wurden. Für eine „Legenda aurea" von 1488 verwendete Koberger eigenes für ihn hergestellte Holzschnitte, deren Figuren Verwandtschaft mit denjenigen einer Terenz-Ausgabe des Ulmer Konrad Dinckmut zeigen. 1491 erschien dann der „Schatzbehalter oder Schrein der wahren Reichtümer des Heils und ewiger Seligkeit". Das ist ein Werk mit erbaulichen Betrachtungen biblischer Texte von dem zeitgenössischen Theologen und Prediger aus Nürnberg Stephan Fridolin, das mit 96 blattgroßen Holzschnitten ausgestattet wurde. Koberger gewann als Illustrator Michael Wolgemut (1434— 1519), einen angesehenen Nürnberger Maler und Lehrer Dürers, der damals in dessen Werkstatt arbeitete. Wolgemut hatte bereits 1484 für Koberger den Titelholzschnitt zu der „Reformation der Stadt Nürnberg" (= Stadtgesetze) geliefert, der die Stadtheiligen Sebald und Lorenz mit dem Reichswappen und den beiden Nürnberger Stadtwappen darstellt. Durch die Illustrationskunst Wolgemuts, der wahrscheinlich auch Wilhelm Pleydenwurff (gest. 1494) hinzugezogen hat, ist der „Schatzbehalter" zu einem Hauptwerk der deutschen Buchkunst des 15. Jh. geworden. Hier treten schon deutlich die letzten künstlerischen Möglichkeiten des Holzschnitts zutage, die Ausdrucksgewalt der SchwarzWeiß-Technik ist spürbar, und Kompositions- und Stilelemente deuten sich an, wie sie Dürer wenige Jahre später in der Apokalypse in bisher noch nie dagewesener Weise angewendet hat. Damit begründete Koberger seinen Ruhm, die besten illustrierten Werke der Zeit herausgebracht zu haben, den er mit dem Druck der Weltchronik des Hartmann Schedel festigt. Es ist sicher, daß die 1809 Holzschnitte dieser Chronik von Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff und deren Werkstatt gefertigt wurden, wobei eine Mitarbeit des jungen Dürers nicht ausgeschlossen werden kann. Doch darf es nicht wundernehmen, daß unter dieser großen Zahl von Schnitten auch Durchschnittsware ohne besonderen künstlerischen Wert vorkommt. Wir finden den auch anderenorts üblichen Brauch, typisierte Bilder, wie Städte- oder Personendarstellungen, zu wiederholen. Einige Darstellungen sind aus anderen Quellen übernommen. Man glaubt auch beobachten zu können, daß verschiedene Schnitte nicht rechtzeitig fertig geworden sind oder daß sich sonstige Unstimmigkeiten bei der Herstellung ergeben haben, ein Zeichen für die Schwierigkeiten, die ein solches groß angelegtes Werk doch machte. Die Weltchronik weist einige bedeu-

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Abb. 94: Arche-Noah-Darstellung aus Hartmann Schedels „Weltchronik", Nürnberg 1493

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tende Leistungen auf; so den Titelholzschnitt, der Gottvater als Weltschöpfer darstellt oder die Predigt des Antichrist oder den künstlerisch hervorragenden Totentanz (Abb. 94). Bemerkenswert sind 23 deutsche Städtebilder, die offensichtlich nach der Natur gezeichnet sind und ein topographisch getreues Abbild ergeben. Einige von diesen Holzschnitten gehen über zwei Seiten. Einzelne Zuschreibungen an die beiden Künstler sind jedoch nicht möglich. Mit ihrem teils auf der Bibel, teils auf Kompilationen aus überlieferter historischer Literatur beruhenden Inhalt und den teils noch typisierenden, teils wirklichkeitsnahen Illustrationen sowie der weiterentwickelten graphischen Technik des Schraffierens, ist die „Weltchronik" ein Beispiel des Ubergangs von der mittelalterlichen Darstellungs- und Auffassungsweise von Geschichte und Kunst zur neuzeitlichen. Auf Grund des großen zeitgenössischen Interesses an diesem Werk druckte 1496 und 1500 Johann Schönsperger in Augsburg die deutsche und 1497 die lateinische Ausgabe mit verkleinerten Abbildungen nach. Diese sind durch ihre malerisch wirkende Schraffurtechnik wesentlich verändert und stammen vielleicht von Thomas Burgkmair. An bemerkenswerten mit Holzschnitten illustrierten Werken ging aus Kobergers Offizin auch ein Druck der „Revelationes" der Birgitta hervor. Er ist im Jahr 1500 auf Wunsch des Kaisers Maximilian erschienen und enthält 18 große Bilder, die zum Teil in besonderer Weise zusammengestellt und mit dem Text kombiniert sind. Sie entsprechen in der Bilderfindung einer Ausgabe dieses Werkes, die 1492 bei Bartholomäus Ghotan in Lübeck erschien, zeigen jedoch die weiterentwickelte Art der Holzschnitt-Technik Dürers, stammen aber vermutlich nicht von ihm. Obwohl der Buchdruck in Straßburg früh Eingang fand, setzt die nennenswerte Buchillustration erst später ein. Ab 1474 bringt Heinrich Knoblochtzer in größerem Umfang deutschsprachige, reich illustrierte Literatur auf den Markt. So druckt er gleich vier Auflagen des „Belial" mit Holzstöcken, die er möglicherweise von Heinrich Eggestein übernommen hat. Seine Illustrationsfolgen sind, neben eigenen Schöpfungen, oft von anderen Vorlagen abhängig, stellen aber dann meist Neuschnitte dar. Nach 1484 führte Knoblochtzer sein Geschäft mit illustrierten volkstümlichen Drucken und recht unterschiedlichem eigenem und zusammengetragenem Bildmaterial in Heidelberg fort. Nach derselben Methode und nicht weniger produktiv arbeiteten in Straßburg Martin Schott, Johann Grüninger und Johannes Prüss. Seit 1493 beginnen die Illustrationen Johann Grüningers, dessen Tätigkeit bis weit in das 16. Jh. hineinreicht, besondere Eigenart zu zeigen. Offenbar tritt er mit einer Künstlerschule in Verbindung, die bestrebt ist, den Holzschnitt nach Art der Kupferstichtechnik weiterzuentwickeln und dabei unter Schongauers Einfluß steht. Die Schattenpartien werden durch enge feine Strichlagen schraffiert, um damit eine kräftige Modellierung und starke Hell- und Dunkel-Gegensätze zu erzielen. Hier sucht der Holzschnitt seinen linearen Charakter zu verwischen, malerisch zu wirken und sich von der Kolorierung ganz unabhängig zu machen. Diese verfeinerte Technik findet in den Holzschnittfolgen Albrecht Dürers ihre höchste Vollendung. Wahrscheinlich hat sich Dürer zu dieser Zeit auf seiner Wanderung in Straßburg oder Basel aufgehalten. Sicher ist, daß er hier für die Briefe des Hieronymus, die 1492 bei Nikolaus Kessler in Basel erschienen, einen wenig bedeutenden Holzschnitt „Hieronymus in der Studierstube" geliefert hat, der jedoch stilistisch seine Herkunft von der Nürnberger Schule verrät. In Basel begann man zwar schon 1473 mit Illustrierung von Büchern, doch blieben diese Illustrationen zunächst handwerklich und standen unter fremden, besonders Ulmer, Einfluß. Von Bedeutung sind einige Leistungen des Bernhard Richel, wie das „Speculum humanae salvationis" von 1476, das auf die deutsche und französische Buchillustration eingewirkt hat. Von Amerbachs illustrierten Büchern möge das „Zeitglöcklein" erwähnt sein, dessen deutsche Ausgabe von 1492 nach dem Vorbild der Livres d'heures mit Randleisten versehen ist, die je aus vier Teilen zusammengesetzt sind und mannigfache Motive enthalten wie Ranken, Figuren, Tiere usw. Die interessantesten Bildinkunabeln brachte Johann Bergmann von Olpe heraus. Es sind dies das „Narrenschiff" von Sebastian Brant und der „Ritter vom Turn", den Michael Furter für Bergmann von Olpe druckte.

Abb. 95: Holzschnitt von Albrecht Dürer zu„Die heimliche Offenbarung Johannis", Nürnberg 1498

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Das 1494 erschienene „Narrenschiff" enthält zu jedem eine menschliche Torheit schildernden Kapitel eine bildliche Darstellung, die jeweils rechts und links von Randleisten eingefaßt ist. Die Bilder sind in ihrer freien unkonventionellen Komposition und ihrer lebendigen Anschaulichkeit eine sehr selbständige und mit großem Gestaltungsvermögen vorgetragene Leistung einer Werkstatt, in welcher der junge Dürer wahrscheinlich maßgeblich mitgearbeitet hat. Ahnlicher Art, doch mit Qualitätsunterschieden, sind die Illustrationen zum „Ritter vom Turn", an denen Dürer ebenfalls beteiligt gewesen sein könnte. Zu dieser Problematik gibt es aber verschiedene wissenschaftliche Meinungen. Dürers Tätigkeit in Basel wird außerdem mit einigen anderen Holzschnittwerken in Zusammenhang gebracht. Doch erst nach seiner Rückkehr nach Nürnberg legte er das große Holzschnittwerk der Offenbarung des Johannis in deutscher und lateinischer Ausgabe vor. Es erschien 1498 im Selbstverlag, den Text druckte Koberger (Abb. 95). Damit sind der Höhepunkt der Holzschnittillustration überhaupt erreicht und alle Möglichkeiten der Linientechnik erschöpft. Der Stil ist ganz realistisch geworden; mittels einer überlegen gehandhabten Schwarz-Weiß-Technik, die selbst Kreuzschraffuren, ohne die Klarheit des Bildes zu beeinträchtigen, auszuführen versteht, wird eine vollkommene malerische Wirkung, packende Lichtführung und ausgeprägte Modellierung erreicht. Der genialen Künstlerschaft Dürers gelingen unübertroffene Bildgestaltungen des oft schwierigen Stoffes, von denen die folgenden Meister nicht wieder losgekommen sind. Was von Dürer weiterhin mit den Holzschnittfolgen der kleinen und großen Passion sowie dem Marienleben, die alle drei 1511 als Buchausgaben mit lateinischem Text erschienen, geschaffen worden ist, bleibt eine der persönlichen künstlerischen Entwicklung des Meisters unterworfene Variante, Steigerung und Klärung des einmal Erreichten. Italien: In Italien wird das illustrierte gedruckte Buch vorwiegend von deutschen Druckern eingeführt. Die Weiterentwicklung des Buchholzschnittes durch italienische Künstler führt bald zu einer außerordentlichen Verfeinerung im Bildentwurf und der technischen Ausführung. Es entwickelt sich parallel zur italienischen Malerei ein höchst kultivierter, renaissancehaft idealisierender und antikisierender, am Naturvorbild geschulter Stil. Das früheste holzschnittgeschmückte Buch Italiens bringt Ulrich Han 1467 mit den „Meditationen" des Johannes de Turrecremata in Rom heraus. Die Illustrationen sind den Fresken einer römischen Kirche nachgeahmt, aber noch ziemlich roh geschnitten. Von den weiteren relativ wenigen in Rom erschienenen illustrierten Werken sind keine überragenden und die Entwicklung bestimmenden Leistungen zu verzeichnen. Eine bedeutende technische und künstlerische Neuerung für die Ausstattung von Büchern mit Ornamenten führte der Augsburger Erhard Ratdolt während seiner Druckertätigkeit in Venedig ein. Er wurde zum Schöpfer des gedruckten Buchschmucks im Renaissancestil, indem er schöngeschwungene Ranken, wie er sie in handgemalten Vorlagen fand, für Seitenumrahmungen (Bordüren) und Initialen in Holzschnitt übertragen ließ. Er benutzte dazu die Technik des Weißlinienschnittes, wobei das Ornament weiß auf schwarzem oder rotem Grund steht. Seine vorbildlichen Leistungen verdrängten den handgemalten Schmuck, wurden gern nachgeahmt und zu einem Chrakteristikum des venezianischen Buchschmucks. Daneben benutzte er Texteinfassungen mit anderen Ornamentmotiven in schwarzen Umrißlinien ohne Untergrund. Außerdem führte er bildhafte Darstellungen in mehreren Farben aus, indem er verschieden eingefärbte Platten nachund nebeneinander abdruckte. Besonders Wappen und Schutzheilige, aber auch wissenschaftliche Figuren wie die astronomischen Zeichnungen in der zweiten Auflage des „Sphaericum opusculum" des Johannes de Sacro-Bosco von 1482 sind auf diese Art wiedergegeben. In Mailand brachten die Deutschen Leonhard Pachel und Ulrich Scinzenzeler 1479 das erste mit Holzschnitten illustrierte Buch heraus, das zugleich mit dem Bildnis des Verfassers (Paulus Attavanti aus Florenz) das früheste Autorenporträt im Buchdruck enthält. Es ist als erstes Beispiel eines Renaissanceholzschnittes in einem deutschen Buch 1486 von Albert Kunne in Memmingen kopiert worden.

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Abb. 96: Holzschnitt aus der Malermi-Bibel, Venedig 1490

Auch in Neapel arbeiteten deutsche Drucker und Illustratoren. Sixtus Riesinger aus Straßburg läßt hier zunächst einige Bücher erscheinen, die mit steif und eckig geschnittenen Bildern versehen sind. Aber unter Francesco del Tuppo, der Riessingers Offizin übernahm, arbeitet ein Meister elsässischer Schule. Er kam über Lyon und Barcelona nach Neapel und lieferte für eine AsopAusgabe von 1485 sehr charakteristische Bilder, deren großformatige Figuren lebens- und humorvoll den Text illustrieren, während die Ornamentik der Bordüren spanisch-maureske Formen zeigt. Venedig und Florenz entwickeln sich besonders in den neunziger Jahren zu Zentren der italienischen Illustrationskunst. In Venedig erscheint im Verlag des Lucantonio Giunta eine Bibel, von Niccolo Malermi ins Italienische übersetzt und von Giovanni Ragazzo gedruckt, mit über 350 kleinen, z.T. frei der Kölner Bibel nachgebildeten Holzschnitten. Sie sind in einem feinen, fast zart wirkenden Umrißstil gehalten, der nur sparsam Schraffuren setzt und den Eindruck klassischer Klarheit bei wohlproportionierten Figuren, übersichtlicher Raumgliederung und flüssiger, weicher Linienführung erweckt. Dieser Umrißstil ist ein wesentliches Charakteristikum der italienischen Illustrationskunst (Abb. 96). Eine Ausgabe von Boccaccios Decamerone (1492) und Szenen aus dem Leben der Heiligen in den „Vite de Santi Padri" (1491) schließen sich in ihrer naturgeschulten freien und anmutigen Darstellung an. Daneben zeigt eine andere Stilgruppe, die mit den Illustrationen zur Postille des Nikolaus de Lyra (1489) beginnt, eigene Formmerkmale. Die Linienführung ist äußerst verfeinert, aber die Darstellung ist weniger realistisch als monumental steif. Werke, wie eine Ausgabe der Malermi-Bibel, gedruckt von Guillelmus Tridina (1493), oder das anatomische Werk Kethams, das Giovanni und Gregorio de Gregoriis 1493 druckten, verkörpern diesen Stil, der sich bis ins 16. Jh. hält. Besonders berühmt sind die antikisierenden Umrißholzschnitte der „Hypnerotomachia Poliphili", die 1499 bei Aldus Manutius erscheint (s. Abb. 65a, S. 129). Sie übersteigen den Stil der Malermi-Bibel zum Teil noch. Auch die venezianische Buchornamentik bevorzugt Ranken, die im stark antikisierenden Umrißstil gezeichnet sind.

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Nach den Versuchen des deutschen Druckers Nicolaus Laurentii in Florenz, die Kupferstichillustration einzuführen (s. S. 284), erfährt dort in den neunziger Jahren die Holzschnittillustration einen künstlerischen Höhepunkt. Es lassen sich verschiedene Stilphasen unterscheiden, die mit einer strengen Richtung, mit starken Umrißlinien und sparsamer Binnenzeichnung, doch lebendigdramatischer Darstellung, beginnen. Botticellis Einfluß ist hier wirksam. In anderen mehr erzählenden und in kultivierter Schnittechnik vorgetragenen Beispielen wirkt dagegen Ghirlandajo nach. Als Verleger des illustrierten florentinischen Buches tut sich Pietro Pacini da Pescia hervor. Auch der Bußprediger Girolamo Savonarola verstand es, den Buchdruck in den Dienst seiner Reformbewegung zu stellen und ließ seine zahlreich aufgelegten Schriften reich mit Bildern ausstatten, um ihre Aussagekraft zu erhöhen. Dabei gelang es den Illustratoren durchaus, ein entsprechend hohes Niveau zu halten. Ein charakteristisches Merkmal florentinischer Illustrationen sind die bilderrahmenähnlichen Umrandungen der Darstellungen. Die Hauptleistungen der Buchillustration in Ferrara sind die schön und reich ausgestatteten Bücher „ D e claris selectisque mulieribus" von Fra Filippo de Bergamo, das mit feingeschnittenen Porträts weiß auf schwarz ausgestattet ist, und die italienische Ausgabe der Briefe des Hieronymus mit kleinen Umrißholzschnitten. Beide erscheinen 1497 bei dem bedeutendsten Drucker Ferraras, Lorenzo di Rossi. Das erste in Verona gedruckte Buch, Valterius: De re militariae (1472), ist zugleich der erste und einer der besten illustrierten Drucke, die in dieser Stadt erschienen. Er enthält Kriegsmaschinen und Figuren im Umrißstil, die wegen ihrer Natürlichkeit in den Proportionen, in der Haltung und Bewegung und der Strichführung bemerkenswert sind. Frankreich: In Frankreich war auf dem Gebiet der Buchillustration Paris führend. Aber erst in den achtziger Jahren des 15. Jh. kamen die holz- oder metallschnittgeschmückten Werke zur Geltung. Starke Anregungen gingen von der hochentwickelten französischen Buchmalerei aus. Jean Dupre ist der erste, der illustrierte Bücher druckt und fördert. 1481 führt er die Randleiste und 1486 die Holzschnittinitiale ein. Später geht er dazu über, die bei ihm erscheinenden Livres d'heures mit Illustrationen und Leisten zu versehen. Die Produktion dieser Gebetbücher, die nach handschriftlichen Vorlagen ausgeschmückt sind, ist ein Hauptanliegen des französischen Illustrationsdruckes. Sie wurde besonders von dem Verleger Antoine Verard betrieben. Von der bei ihm erschienenen reich illustrierten Unterhaltungsliteratur ließ er jeweils ein Exemplar auf Pergament drucken und ausmalen. Der Schmuck und die Illustrationen der Livres d'heures sind im Metallschnitt ausgeführt, da dieser sich besonders gut zur Wiedergabe der feinlinigen Zeichnungen eignete. Auf Pergament gedruckt, wurden die Bilder gern ausgemalt. Die Randleisten zu den Totenvigilien, die Philippe Pigouchet druckte, enthalten Totentanzszenen. Die berühmteste und wirkungsvollste der in Frankreich beliebten Totentanzfolgen (Danse macabre) erschien bei Guy Marchant, der auch sonst eigenartige illustrierte Bücher herausbrachte. Dazu gehört ein weitverbreiteter Kalender (Compost et Calendrier des Bergiers, 1491) mit den grausigen Darstellungen der Höllenstrafen. Großen Einfluß hat das mit Illustrationen und Buchschmuck reich versehene Hauptwerk der Presse des Pierre le Rouge „ L a mer des histoires" (1488/89) gehabt. Es ist die Ubersetzung einer bei Lukas Brandis 1475 in Lübeck erschienenen Geschichtschronik, deren Illustrationen diejenigen der französischen Ausgabe beeinflußt haben. Früher noch als in Paris erschien in Lyon das erste illustrierte Buch Frankreichs. Es ist eine Ausgabe des beliebten Speculum humanae salvationis in der Landessprache und wurde von dem deutschen Martin Huss gedruckt. Allerdings stellen die dazu verwendeten Bilder noch keine eigene französische Leistung dar, sondern sind aus einer kurz zuvor in Basel erschienenen Ausgabe desselben Werkes übernommen worden. Da der Brauch, von fremden Vorlagen zu kopieren, in Lyoneser Drucken der Zeit allgemein üblich wird, kommt es auch nicht zu eigenständigen Illustrationsleistungen. Selbst die ersten Versuche, französische Dichtungen mit eigenständigen Illu-

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strationen auszustatten, die Guillaume Le Roy seit 1483 unternahm, bleiben unbedeutend. Erst die Terenzausgabe, die Jodocus Badius 1493 druckt, weist sich als selbständige Leistung aus. Die sehr lebendigen Theaterszenen befinden sich vor einer Art Bühnenarchitektur. Die Bilder zeigen Einflüsse der Lübecker Bibel und könnten von einem norddeutschen Meister entworfen sein, wenngleich die Linienführung feiner ist. Die Niederlande: Die Holzschnittillustration in den Niederlanden entwickelte schon sehr früh selbständige Stileigentümlichkeiten. Sie wurden durch den Austausch des Materials und fremde Anregungen beeinflußt. Der niederländischen Illustrationskunst gelangen Leistungen, welche die Entwicklung der Holzschnittkunst in Europa vorantrieben. Nach Anfängen, die bis auf 1475 und den Löwener Drucker Johann Veldener zurückgehen, entfaltete Gerard Leeu aus Gouda seit 1480 eine umfängliche und erfolgreiche Tätigkeit mit der Herausgabe illustrierter Werke, die in vielen Auflagen erschienen. Er siedelte jedoch 1484 nach

Abb. 97: Holzschnitt zu Oliver de la Marche „Le Chevalier delibere", Gouda: Gottfried van Os um 1486

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Antwerpen über. Dort vermehrte er sein Holzschnittmaterial unter anderem dadurch, daß er sich von Sorg in Augsburg Bildstöcke zu den Fabeln des Äsop lieh und in Frankreich Holzstöcke aufkaufte. Außer ihm illustrierten in Gouda und Antwerpen eine Reihe weiterer Drucker verschiedene ihrer Werke. In Gouda kam bei Godfridus van Os als Hauptleistung der „Chevalier delibere" von Olivier de La Marche 1486 heraus, eine Verherrlichung der Taten Karls des Kühnen. Die Holzschnitte dazu bedeuten in ihrer lebendigen, bewegt modellierenden Zeichnung und in der feindetaillierten Schnittechnik einen bemerkenswerten künstlerischen Fortschritt (Abb. 97). In Haarlem war Jacob Bellaert rege für den Illustrationsdruck tätig und tauschte Druckstücke offenbar mit Gerard Leeu aus, während in Zwolle Peter van Os Werke mit eigenständigem Bilderschmuck schuf. Colard Mansion in Brügge ist deshalb zu erwähnen, weil er in seiner Ausgabe von Ovids Metamorphosen von 1484 Holzschnitte verwendete, die stilistische Zusammenhänge zwischen französischen und deutschen Vorbildern aufzeigen.

Illustratoren des 16. Jahrhunderts in Deutschland Im 16. Jh. nimmt die Buchillustration an Umfang gewaltig zu. Das reich illustrierte Buch mit Initialen und ornamentalem Schmuck, ja ganze Bilderfolgen werden gleichsam zur Mode. Der Höhepunkt der künstlerischen Entwicklung liegt in der ersten Hälfte des Jahrhunderts. Später läßt die technische Qualität merklich nach. Als Illustratoren traten bekannte Maler hervor, die auch Aufträge für den Buchholzschnitt übernahmen. Einige haben die Holzstöcke gelegentlich selbst geschnitten. Meist wurden dafür spezielle Formschneider beschäftigt. Größere Druck- und Verlagsunternehmen besaßen eigene Formschneiderwerkstätten. Wie die gesamte Holzschnittkunst, stand auch die Buchillustration unter dem Einfluß Dürers. Er hatte in seinen Holzschnittfolgen das Höchste erreicht, was in technisch-formaler Hinsicht und im künstlerischen Ausdruck überhaupt möglich war. Bei der Apokalypse zum Beispiel, die immer wieder das rege Interesse der Illustratoren fand und zur Gestaltung reizte, ist man später kaum über Dürer hinausgekommen (s. Abb. 95, S. 264). Dennoch bringt das Jahrhundert eine große Zahl von Meistern hervor, die neben Dürer bestehen können und die die im 15. Jh. gewonnene künstlerische Selbständigkeit der Illustration behaupten. Ihr Werk kann hier nur angedeutet werden. Dürer selbst hat sich über seine Holzschnittbücher hinaus nur noch wenig mit der Buchillustration beschäftigt. So schuf er 1514 ein Hieronymusbild für die Lebensbeschreibung des Heiligen, 1517 ein schönes Kanonblatt für das Eichstädter Missale, beide bei Höltzel in Nürnberg erschienen, und schließlich entwarf er das Wappen für die „Reformation" der Stadt Nürnberg von 1521; auch versucht man, ihm einige Titelumrahmungen zuzuschreiben. Außerdem stattete er seine theoretischen Schriften, die „Unterweisung der Messung mit dem Zirkel und Richtscheit . . . " (1525), die „Proportionslehre" (1528) und die „Befestigung der Städte, Schlösser und Flecken" (1527) mit Abbildungen aus. Von Dürers Gesellen ist in stärkerem Maße Wolf Traut (gest. 1520) für die Illustration tätig. A m „Theuerdank" und an der „Ehrenpforte" des Kaisers Maximilian war er beteiligt. Neben einigen anderen Arbeiten zeichnen sich als Hauptwerk seine Bilder zur Legende des heiligen Franziskus (Nürnberg 1512 bei Holzel) insbesondere durch die beigefügten Landschaften aus. Auch die Illustrationen zu den von Konrad Celtes 1501 herausgegebenen Werken der Roswitha von Gandersheim werden ihm zugeschrieben. Von Dürers weiteren Schülern arbeiteten Hans Springinklee und Erhard Schön für Koberger, unter anderem für die Illustration von Bibeln, die dieser in Lyon drucken ließ, sowie an den Aufträgen des Kaisers Maximilian, wobei sich Springinklee am „Weißkunig", der „Ehrenpforte" und dem „Triumphzug" hervortat. Er schuf auch Bibelillustrationen für den bei Friedrich Peypus erschienenen Nachdruck der Lutherbibel (Teile des Alten Testaments und das Neue Testament 1524), während Schön unter anderem Illustrationen für tschechische Bibeldrucke lieferte.

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Hans Leonhard Schäuffelin (zwischen 1480 und 1540) gehört zu den Hauptmeistern der Nürnberger Dürer-Schule und zeichnete einen großen Teil der Holzschnitte für den „Theuerdank", den „Weißkunig" und den „Triumphzug" des Kaisers Maximilian. Er war mit Hans Baidung an der Illustrierung des „Speculum Passionis Christi" (1507 bei Ulrich Pinder) beteiligt und schuf dafür große, ausdrucksstarke Bilder in gut durchgeformter Zeichnung. Später ließ er sich in Nördlingen nieder und arbeitete vor allem für Augsburger Drucker und Verleger, denen er zahlreiche Illustrationen verschiedener Thematik lieferte. Seine hohe Illustrationskunst zeigen z.B. die figurenreichen, flächenfüllenden, in dichter Schraffurtechnik ausgeführten Szenen zu Ulrich Tenglers „Neuen Laienspiegel", der 1511 bei Hans Otmar in Augsburg erschien. Augsburg nahm auf dem Gebiet der Buchillustration einen besonderen Rang ein. Hier wirkte sich zuerst italienischer Einfluß aus. Zunächst zog Erhard Ratdolt die Künstler der Stadt zur Ausschmückung seiner liturgischen Drucke heran. Dann beschäftigten sie die Unternehmungen des Kaisers Maximilian. Hans Burgkmair d.A. (1473 — 1531) ist hervorzuheben. Seine glänzende repräsentative Kunst kam den Ansprüchen des Kaisers besonders entgegen. Er wurde unterstützt von dem Holzschneider Jost de Negker, dessen Können den Augsburger Künstlern sehr zugute kam. Die Bedeutung Hans Burgkmairs liegt darin, daß er als einer der ersten den Einfluß der italienischen Renaissancekunst in seinen Buchschmuck und seine Illustrationen aufgenommen hat. Das drückt sich in der ornamentalen Ausstattung, den prächtigen Details, den lebendigen Szenen und phantasiereichen Szenarien sowie in seiner gefälligen Art des Zeichnens aus. Uber den wesentlichen Anteil an der Illustrierung des „Theuerdank" und zum guten Teil des „Weißkunigs" hinaus hat er mehrere Missaledrucke Erhard Ratdolts und die Predigten des Geiler von Kaisersberg (1510/11) illustriert. Seine Bildstrukturen erscheinen unterschiedlich etwa im Vergleich mit den kleinen, gedrungenen, im wesentlichen auf die Figuren beschränkten Abbildungen zu Murners „Schelmenzunft" (1513 bei Silvan Otmar) mit den dichten, figurenreichen, in schweren architektonischen Rahmen stehenden Szenen zu Wolfgang Means „Leiden Christi" (1515 bei Hans Schönsperger). Ebenso umweltreiche Bildfülle findet sich in den Illustrationen zu Luthers Neuem Testament (1523 bei Silvan Otmar). Bemerkenswert, weil abweichend vom Rahmenschema, sind die Titelgestaltungen für Paul Ricius „In Apostolorum Symbolum Dialogus" (1514) und für die Erstausgabe der Gotengeschichte des Jordanis (1515), bei denen der Titel in groß angelegte Szenen eingefügt ist. Burgkmairs Bilderfindungen entsprachen der Weltvorstellung des vornehmen Renaissancebürgertums. Ein Hauptanteil an den für Kaiser Maximilian geschaffenen Holzschnittwerken kommt auch Leonhard Beck (um 1480 — 1542) zu, der überhaupt ein umfangreiches Schaffen für die Augsburger Buchillustration entfaltete, ohne den Rang der ersten Meister zu erreichen. Dagegen steht Jörg Breu (1480— 1537) mehr unter dem Einfluß von Hans Burgkmair. Er schuf die Illustrationen zu dem Konstanzer Brevier Erhard Ratdolts von 1516 und illustrierte für Hans Otmar 1509 eine Fortunatus-Ausgabe sowie für Hans Miller 1515 „Die ritterliche und lobwürdige Reise" des Ludovico Vartoman mit einfachen, klaren und sehr anschaulichen, den volkstümlichen Stoffen entsprechenden Bildern. Burgkmairs prächtigem Stil näherstehend in der Schraffurtechnik und im Landschaftlichen erscheinen die Schnitte zu Justinus „Wahrhaftige Historie", 1531 bei Heinrich Steiner. Beachtenswert sind seine Bemühungen, in Verbindung mit Jost de Negker den Hell-DunkelHolzschnitt zu fördern. Unter der Augsburger Illustrationskunst erweckt das Werk eines Meisters besondere Aufmerksamkeit, den man früher mit Hans Burgkmair gleichsetzte, der dann Petrarca-Meister genannt wurde und den man jetzt als Hans Weiditz festgestellt hat. Das Hauptwerk seines umfangreichen Schaffens sind die Illustrationen zu Petrarcas Schrift „Von der Artzney bayder Glück . . ." und zu Ciceros Schriften. Diese Werke wollte die Offizin Grimm und Wirsung herausbringen, aber das Großunternehmen ging über ihre Kräfte. Ein anderer Augsburger Drucker, Heinrich Steiner, erwarb die Holzstöcke und druckte sie seit 1531 mehrfach in Ciceros und Petrarcas Schriften ab.

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XXXVI

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Abb. 98: Holzschnitt von Hans Weiditz zu Cicero „Von den tugendsamen Ämptern", 1535

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Schließlich gelangten die Stöcke nach Frankfurt zu Egenolff und Feyerabend und zuletzt zu Steinmeyer. So wurden sie jahrzehntelang bis 1605 immer wieder benutzt. Die Bedeutung des Hans Weiditz liegt darin, daß seine Illustrationen mit hoher Kunstfertigkeit szenenreiche bis ins einzelne ausgearbeitete Schilderungen seiner Zeit geben, die sich heute auch kulturgeschichtlich auswerten lassen. An Beobachtung der Wirklichkeit und an Erzählergabe übertrifft dabei der Künstler alle seine Zeitgenossen (Abb. 98). Die Augsburger Illustrationen stellen das Frühwerk von Weiditz dar. Später begegnen wir ihm bei Straßburger Druckern; doch fallen diese Werke gegenüber den Augsburgern etwas ab. In Straßburg stand die Illustrationskunst in hoher Blüte. Weiditz schuf hier u.a. Pflanzenholzschnitte für das Kräuterbuch des Otto Brunfels (1532 — 1537 bei Johann Schott), der ihn deshalb in seinem Werk als hochberühmten Künstler preist. Neben Weiditz sorgten Illustratoren wie Urs Graf, Hans Wechtlin und vor allem Hans Baidung Grien (1484/85 — 1545) für reiche Ausstattung der Bücher. Letzterer war anfangs in Nürnberg tätig, wo er, wie oben erwähnt, Illustrationen zu dem „Speculum Passionis Christi" beisteuerte, die sehr drastisch und bewegt die Leiden Christi darstellen und für Baidungs Kunst charakteristisch sind. Ab 1509 bis zu seinem Tode 1545 wirkte er in Straßburg. Dort schuf er Titelbordüren für Johann Schott und verwendete dafür auch den Hell-Dunkel-Druck mittels einer Farbtonplatte. Für Grüningers Ausgabe des „Buches Granatapfel" von Geiler von Kaisersberg (1511) entwarf er blattgroße Illustrationen z.T. mit alltagsnahen Szenen, wie dem Koch mit dem Hasen oder Elisabeth als Spinnerin, und für Martin Flach schuf er die Holzschnittfolge zu einer Hortulus-animae-Ausgabe von 1512. In seinen Darstellungen herrscht temperamentvolle Bewegung, die sich selbst noch in den verschnörkelten und sich kräuselnden Faltenwürfen ausdrückt. Die Bedeutung des Künstlers beruht jedoch weniger auf diesen Illustrationen als auf seiner freien Graphik. Der Schweizer Urs Graf (um 1485 —1527/28) tritt in Straßburg zwischen 1503 und 1506 als Illustrator mit einer Passionsfolge für Johann Knobloch hervor. Uber Zürich gelangte er dann nach Basel. Hans Wechtlins Illustrationskunst ist stark von Dürer abhängig. Auch er hat Holzschnitte zu den Schriften des Geiler von Kaisersberg beigesteuert. Hervorzuheben sind seine Bordüren und die Illustrationen zum „Feldtbuch der Wundtartzney" von Hans Gersdorff (1517 bei Johann Schott). In der zweiten Hälfte des 16. Jh. wirkte mit Tobias Stimmer (1531 — 1584) noch einmal ein Illustrator von hohem Rang in Straßburg. Er leitete mit seinen ornamentalen und bildlichen Entwürfen die Holzschnittillustration zum Barock über. Hauptsächlich für Bernhard Jobin, daneben auch für Theodosius Rihel und in Basel für Thomas Guarin, sowie für den Verlag Feyerabends in Frankfurt a.M. hat er gearbeitet. Ab 1571 setzt seine fruchtbarste Schaffensperiode für den Holzschnitt ein. Zu der Fülle der Werke zählen die biblischen Bilder mit Versen von Johann Fischart, zu dessen „Geschichtsklitterung" und gereimter Eulenspiegelausgabe er ebenso Illustrationen beisteuerte, wie er für ihn Spottbilder auf Papst und Kirche schuf. Die Bibelbilder, die 1576 bei Guarin erschienen, brachten eine neue Bildauffassung in die Szenerie, Komposition und Dekoration der Illustrationskunst und wirkten lange Zeit schulebildend. Stimmer verwendete als Rahmen schweres, fast überladenes Architekturwerk mit allegorischen Figuren und Putten. Mit der Anwendung von Linienstrukturen, wie sie dem Kupferstich eigen sind, suchte er malerische Wirkungen zu erzeugen. Die Thematik der Buchproduktion, für die er arbeitete, war weit gespannt. Dazu gehörten z.B. das Neue Testament in der Ausgabe des Erasmus von Rotterdam, die Psalmen, eine Livius-Ausgabe, das Fechtbuch von Joachim Meyer, das Kräuterbuch von Hieronymus Bock, verschiedene Porträtwerke, eine Emblemata-Folge usw. Auch seine selbst gedichteten „Comedia" hat er illustriert. Seine Bildwerke waren bei den Zeitgenossen erfolgreich und beliebt, so daß selbst nach seinem Tode 1584 aus dem reichen Nachlaß an Zeichnungen, den Bernhard Jobin übernahm, noch lange Zeit Bücher ausgestattet werden konnten.

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Der Hauptmeister in Köln war Anton Woensam von Worms (gest. 1541), der vor allem für Peter Quentell und Eucharius Cervicornus vielerlei Ausstattungsmaterial wie Initialen, Ornamentleisten und Titeleinfassungen lieferte. Er führte damit den Stil der Renaissance in die Kölner Buchkunst ein. Trotz eigenen formvollendeten Könnens hat er sich oft an fremde Vorlagen, z.B. von Baseler und Nürnberger Künstlern, gehalten. Zu seinen charakteristischen Leistungen gehören die Leben-Jesu-Folge (1531 bei Cervicornus) und die Bilder zur Ubersetzung des Neuen Testamentes von Hieronymus Emser, dem Gegner Luthers (1529 bei Quentell), die neben den Illustrationen Behams in der Dietenberger-Bibel wieder verwendet wurden. Im deutschsprachigen Gebiet der Schweiz behält Basel seine in früheren Jahrzehnten gewonnene Bedeutung als geistiges und künstlerisches Zentrum. In den berühmten humanistischen Offizinen von Johann Amerbach und Johann Froben erschienen die Drucke im Typus des Renaissancebuches, geschmückt mit architektonischen Titelumrahmungen und historischen oder allegorischen Figuren, mit Kopfleisten über einigen Kapiteln, großen Initialen und oft reich verzierten Druckermarken. Der wissenschaftlichen humanistischen Literatur entsprach weniger das Bild als der Buchschmuck. Urs Graf entfaltete mit Entwürfen für Titeleinfassungen eine fruchtbare Tätigkeit. 1512 schuf er eine der frühesten architektonischen Bordüren für Adam Petri und sehr dekorativen, z.T. auch von venezianischen und römischen Vorbildern abhängigen Buchschmuck für Froben, der ihn zur Ausstattung seiner Druckwerke heranzog, bevor Holbein für ihn tätig wurde. Hans Holbein d.J. (1497— 1543) war der begabteste Illustrator in dieser Zeit. Zusammen mit seinem ebenfalls kurzzeitig für Buchausstattungen tätigen Bruder Ambrosius war er aus Augsburg gekommen und seit 1515 in Basel ansässig geworden. Johann Froben übertrug ihm die Ausstattung seiner Verlagswerke. Er schuf zunächst Titeleinfassungen und wurde ein Meister in deren Gestaltung. Charakteristisch für ihn ist die Verbindung einer reichen Renaissanceornamentik mit illustrativen Szenen biblischer oder klassischer Thematik und der portalähnlichen architektonischen Rahmenkonstruktion mit statuenhaften allegorischen Figuren in Art von Gewändeplastiken (s. Abb. 82, S. 228). Das Schema dieser Darstellungen hat lange nachgewirkt. Weiterhin hat Holbein mehrere Initialalphabete mit Kinderszenen und mit dem Totentanzmotiv geschaffen. Das berühmteste seiner Werke sind die Totentanzbilder, die 1538 bei den Brüdern Trechsel in Lyon als Buchausgabe mit lateinischen Uberschriften und französischen Versen erschienen. Sie stellen die künstlerische Vollendung des seit dem Mittelalter beliebten Themas dar und sind der Höhepunkt der Buchillustration dieser Zeit. Holbeins außerordentliches zeichnerisches Können kommt auch in den verschiedenen Bibelillustrationen zum Ausdruck, besonders in den 91 Bildern zum Alten Testament, die, schon in den zwanziger Jahren begonnen, erst 1538 ebenfalls bei den Brüdern Trechsel in Lyon erschienen. Holbein verbindet in seiner klaren, von italienischen Vorbildern abgeleiteten Formensprache natürliche Anschaulichkeit und sinnfällige Gefühlsbewegung mit einer geschmeidigen und ausdrucksreichen Linienführung. Besonders die von Hans Lützelburger zwischen 1523 und 1526 geschnittenen Stöcke geben Holbeins Entwürfe in kongenialer Weise wieder. Die in Baseler und Lyoneser Drucken vorkommenden Metallschnitte von Illustrationen und Schmuckelementen sind neben anderen vor allem von Jakob Faber wahrscheinlich mehr oder weniger frei nach Vorzeichnungen Holbeins ausgeführt worden. Ein reiches Betätigungsfeld erschloß sich der Buchillustration in Wittenberg, dem norddeutschen Zentrum der reformatorischen Druckertätigkeit. Hier sind in erster Linie Titelbordüren und Bibelillustrationen sowie die Bebilderung reformatorischer Kampfschriften geschaffen worden. Auch süddeutscher Einfluß aus der Donauschule bereicherte die norddeutsche Buchkunst, z.B. durch den aus Landshut nach Leipzig eingewanderten Georg Lemberger (gest. 1540). Er fertigte neben anderen bemerkenswerte Illustrationen sowohl für die Übersetzung des Neuen Testaments Luthers, das 1523 bei Melchior Lotter in Wittenberg erschien, als auch für die Ubersetzung Emsers, die 1527 Wolfgang Stockei in Dresden druckte. Außerdem schuf er Titelumrandun-

Abb. 99: Holzschnitt (Apokalyptische Reiter) aus der „Septemberbibel". Wittenberg: Melchior Lotter 1522

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gen für Wittenberger Drucke. Als Anhänger Luthers mußte er 1532 Leipzig verlassen. Michael Lotter verwendete in der 1536 in Magdeburg bei ihm gedruckten niederdeutschen Bibel die Illustrationsfolge Lembergers, die als sein Hauptwerk gilt und von Hans Lufft in der Ausgabe der Luther-Bibel von 1541 in Wittenberg übernommen wurde. In Wittenberg übte Lucas Cranach d.A. (1472 - 1 5 5 3 ) mit seinen Söhnen und seiner Werkstatt weithin und nachhaltig schulebildenden Einfluß aus. Auch er kam aus Süddeutschland und brachte Stileigentümlichkeiten der Donauschule mit. Es ist nicht immer sicher zu entscheiden, welche Werke ihm oder seinem Sohn Hans zuzuschreiben sind. Bevor er etwa seit 1520 zum Hauptmeister der reformatorischen Bewegung wurde, erschien bereits 1509 mit den Holzschnitten für das Wittenberger Heiltumsbuch eine seiner frühen bedeutenden Leistungen. Ihr schlossen sich Folgen der Leiden Christi und der Apostelmartern an, die mit anderen in der von Georg Rhaw 1547/48 gedruckten Hortulus-animae-Ausgabe wieder verwendet wurden. Mit den 21 großen Holzschnitten zur Apokalypse, den Initialen und dem Titelblatt für die erste Ausgabe von Luthers Ubersetzung des Neuen Testaments 1522 (Septemberbibel) beginnt die Folge der Wittenberger Bibelillustrationen (Abb. 99). Aus der Werkstatt Cranachs gingen auch die Abbildungen zu einer der schärfsten reformatorischen Kampfschriften, dem „Passionale Christi und Antichrist" (Johann Grunenberg 1521) hervor, die in wirksamer Darstellung die Leiden Christi dem antichristlichen Leben des Papstes gegenüberstellen. Auch bemerkenswerte Titeleinfassungen und Initialen hat Cranach mit den Mitarbeitern seiner Werkstatt und seinem Sohn Lucas geschaffen. Dieser versah zudem die 1539 bei Hans Lufft erschienene „Ringerkunst" des Fabian von Auerswald mit eindrucksvollen blattgroßen Lehrbildern kämpfender Männer. Eine der großen Leistungen der Wittenberger Buchkunst, die erste Gesamtausgabe der LutherBibel von Hans Lufft 1534, enthält neben prächtigem Schmuck wirkungsvolle Illustrationen eines namentlich unbekannten Meisters, der mit dem Monogramm MS zeichnet. Seine Bilder sind ähnlich denen von Hans Weiditz gestaltet und weisen Beziehungen zur süddeutschen Kunst auf (s. Abb. 67, S. 138). In Frankfurt a.M. entstand ein großer Bedarf an Illustrationsmaterial in den Unternehmen von Christian Egenolff und ganz besonders von Sigismund Feyerabend, dessen Verlagswerke populärer Art z.T. bereits Bilderbuchcharakter annahmen. Für ihre Ausstattung wurden erste Künstler von auswärts herangezogen wie Hans Sebald Beham, Virgil Solis, Jost Amman und Tobias Stimmer. Zudem griff Egenolff, um seinen großen Bildbedarf zu decken, auf ältere Holzschnittfolgen zurück, die er von anderen Offizinen aufkaufte, so z.B. von Heinrich Steiner in Augsburg. Auch die Theuerdank-Holzschnitte hat er wieder verwendet (s. a. S. 223 ff.). Hans Sebald Beham (1500 — 1550) gehörte zu den „drei gottlosen Malern" (zusammen mit Barthel Beham und Georg Pencz), die 1525 wegen revolutionärer, der Lehre Thomas Müntzers nahestehender Gesinnung aus Nürnberg verbannt wurden. Er hatte für Hans Hergot gearbeitet und lieferte für einen von Hieronymus Andreae 1526 hergestellten antipäpstlichen Druck die Bilder. Nach langer Wanderschaft wurde er seit 1533 der Hauptmeister Egenolffs. Die biblischen Bilder, die er für diesen sowie für die Dietenberger-Bibel des Peter Jordan in Mainz und die Illustrationen, die er für die Weltchronik Egenolffs 1534/35 schuf, hatten großen Erfolg. Auch Titelblätter hat er entworfen. Er gehörte zu den Vermittlern der Renaissancekunst, insbesondere mit seinem „Kunst- und Lehrbüchlein", das von 1546 bis über seinen Tod 1550 hinaus noch bis 1605 in acht verschiedenen Auflagen erschien. Virgil Solis ( 1 5 1 4 - 1562) war in Nürnberg ansässig und unterhielt eine große Werkstatt mit mehreren Formschneidern, schnitt jedoch auch selbst. Er schuf ein umfangreiches buchkünstlerisches Werk, verarbeitete darin aber vielfach Anregungen anderer Meister. Er pflegte eine klare, leichthändig erscheinende Zeichenkunst. In seinen Rahmenformen und Schmuckelementen verwendete er reiche Ornamentik aus Roll- und Bandwerk. Seine vielseitigen bildlichen Darstellungen sind in ihrer erzählerischen und genrehaften Weise sehr anschaulich gestaltet. In mit Kreuz-

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schraffuren arbeitender Hell-Dunkel-Technik bemüht er sich um malerische Wirkung, die dem Holzschnitt größte Feinheit der Linienausführung abverlangt. Von seinen zahlreichen Werken sind die Illustrationen zu der Vitruv-Ausgabe von Petrejus 1547/48 zu nennen, die nach italienischen Vorbildern geschaffen wurden. In seinen letzten Lebensjahren arbeitete er hauptsächlich für Sigismund Feyerabend, für den er Folgen „Biblischer Figuren" nach Wittenberger Vorbildern schuf. Diese wurden auch als Illustrationen verwendet und erlebten mehrere Auflagen. Virgil Solis hat ferner für Feyerabend Ausgaben des Ovid, Aesop, Reineke Fuchs sowie Architekturbücher, eine Passion und ein Betbuch, die Embleme des Alciat u.a. illustriert. Alle diese Werke fanden weite Verbreitung, und einige davon erschienen erst nach seinem Tode. Wahrscheinlich hat die Werkstatt des Virgil Solis in Nürnberg Jost Amman (1539 — 1591), aus Zürich übernommen. Jedenfalls ist er nach Solis Tode 1562 der Hauptmeister Sigismund Feyerabends geworden. Für diesen hat er, künstlerisch selbständiger als Solis und sehr fruchtbar im Schaffen, eine Reihe von Werken illustriert, die charakteristische Erzeugnisse des Verlages darstellen. Sie waren nicht nur von zeitgenössischer Wirkung, sondern haben auch kulturgeschichtliche Bedeutung erlangt. Dazu gehören das „Turnierbuch" (1566), das „Kriegsbuch" von Leonhard Fronsperger, das seit 1566 in verschiedenen Ausgaben erschien, weiterhin das „Ständebuch" mit den Darstellungen handwerklicher Arbeit und den Versen von Hans Sachs (1568), das ebenfalls mit Versen versehene „Frauentrachtenbuch" (1586), das „Kartenspielbuch" mit Szenen z.T. buchgewerblichen Genres (1588) und das „Wappen- und Stammbuch" (1589). Außerdem schuf er Illustrationen zu Werken des Livius (1568) und des Josephus Flavius (1569) sowie Bibelillustrationen. Das reiche, architektonisch strukturierte Ornamentwerk mit allegorischen Gestalten, das seine Darstellungen umrahmt, wurde auch als Vorlage für kunstgewerbliche Arbeiten genutzt. Sein Zeichenstil ist formgewandt und bereits vom Manierismus beeinflußt. Im Hinblick auf den allgemeinen Durchschnitt der Buchausstattung ist festzustellen, daß so, wie das Buch im 16. Jh. zur Massenware wurde, auch die Illustration und der Buchschmuck den Charakter von Massenerzeugnissen annahmen. Der große Bedarf an Material für die Buchausstattung konnte nicht nur von erstrangigen Meistern und nicht immer durch künstlerisch hochwertige Erzeugnisse gedeckt werden. Bedenkenloses Kopieren anerkannter und gefallender Arbeiten war üblich, Routine und konventionelle Formen breiteten sich aus, und die Darstellungen verflachten. Die Holzstöcke wurden immer wieder verwendet, nutzten sich ab und wurden unansehnlich. Es kam auch vor, daß eine Offizin ihren Bestand an Holzstöcken ganz willkürlich zur Bebilderung der unterschiedlichsten Werke benutzte. Dazu gesellte sich eine allgemeine Verschlechterung des Papiers und der Druckqualität. Den feineren Ansprüchen, die an reich ausgestattete Bildwerke der beginnenden Barockzeit gestellt wurden, genügte der Holzschnitt nicht mehr. Die oben genannten Meister arbeiteten z.T. auch schon für die Kupferstichillustration, die in der zweiten Hälfte des 16. Jh. den Holzschnitt abzulösen beginnt und dann die herrschende Illustrationsart wird.

Beispiele der Holzschnittillustration des 16. Jahrhunderts in anderen Ländern Die Freude am illustrierten Buch ist im 16. Jh. auch außerhalb Deutschlands festzustellen. Im allgemeinen herrscht der Stil der Renaissance mit seiner Vorliebe für ornamentales und allegorisches meist antikisierendes Beiwerk mit Architekturrahmen, mit der Meisterung der realen Bildwiedergabe und der Perspektive und einer alles Primitive des 15. Jh. überwindenden gefälligen Formsprache. Die Produktion ist groß und bietet eine Fülle guter und gleicher Leistungen. Wenn auch Italien zunächst etwas von seiner Vormachtstellung verliert, so ist doch besonders die venezianische Holzschnittkunst reich an beachtenswerten Beispielen, die sich durch erlesenen Geschmack und überlegene Technik auszeichnen. Feingearbeitete Titelumrahmungen und beson-

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ru es facerdos in aeternum fecundum ordinem Melchifedech. Dominus a dextris tuis, confregic in die ira? fux reges. Iudicabir in narionibus,impIebir rui; nas,conquaffabit capita in terra mul= torum. De torrente in via biber, propterca exaltabitcapuc.Gloria parrt,& HIio. ana. Dum clTet rex in accubitu fuo, nardus mea dedic odorem iuum. ana. Lacuaeius. Pfalrrms. Audate pueri dominum, laudate nomen domini. Sit nomen domini benediftu, ex hoc nunc &viq; in feculum. A iolis ortu viq-, ad occaiumjaudabu le nomen domini. Excelfus fuper omnes genres domic nus,& fuper cxlos gloria eius.

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Abb. 100: Holzschnittbordüre von Geofroy Tory, Paris um 1540

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ders die Bildinitialen wirkten stark auf den europäischen Buchschmuck. Künstlernamen ragen aus dem Werkstattbetrieb der Venezianer nicht hervor. Drucker wie Francesco Marcolini und Gabriele Giolito de Ferrari förderten mit zahlreichen illustrierten Publikationen die Holzschnittkunst. In Frankreich wird G e o f r o y T o r y zum führenden Buchkünstler, der den Stil der französischen Renaissance in Buchschmuck und Illustration prägt. E r bevorzugt nach italienischem Vorbild die Umrißzeichnung (Abb. 100). Beispielhaft begründen diese neue Geschmacksrichtung in Frankreich die nach Entwürfen Torys geschmückten Livres d'heures. Sie zeigen die sichere Formbeherrschung und die gefällige, geschmackvolle Gestaltungsart des Meisters. Der Mathematiker und Geograph Oronce Fine schmückte und illustrierte seine eigenen Werke in ausgezeichneter Weise. Feingeschnittene Umrißholzschnitte schufen auch Jean Cousin Vater und Sohn, ohne daß ihr Werk genau zu trennen und zu bestimmen wäre. Besonders in den Büchern, die der königliche Drucker Denis Janot herausbrachte, sind schöne, Cousin nahestehende Holzschnitte im Renaissancestil vertreten, wie Janot es überhaupt verstand, die ersten Illustratoren zur Ausstattung seiner Verlagsproduktion heranzuziehen. Ein reiches Betätigungsfeld fanden die Buchillustratoren in der beliebten volkstümlichen Literatur wie Ritterromanen, Sagen und historischen Stoffen und Dichtungen von Zeitgenossen. Zu den hervorragenden Meistern ist auch Jean G o u j o n zu zählen, der eigentlich Bildhauer und Architekt war und nur gelegentlich Vorlagen für den Buchholzschnitt schuf, die jedoch zu den besten der Zeit gehören wie das „Entree de Henri II. a Paris" (1549) und vermutlich die Holzschnitte zu einer Ausgabe der „Hypnerotomachia" des Poliphilus in französischer Sprache, die 1546 bei Jacques Kerver in Paris erschien. In L y o n wird der deutsche Einfluß in der Illustrationskunst spürbar. Koberger ließ in dieser Stadt Werke seines Verlages mit Illustrationen von Springinklee und Schön drucken, und schließlich brachten die Brüder Trechsel die genannten Bibelbilder und den Totentanz von Holbein heraus. Zahlreich sind auch die von französischen Künstlern illustrierten Werke, die vor allem durch die Lyoneser Drucker Jean de Tournes und Guillaume de Roville gefördert wurden. Für Jean de Tournes arbeitete Bernard Salomon. Seine Illustrationen sind kleinformatig, dabei jedoch sehr inhaltsreich und fein geschnitten. Salomon schuf als Hauptleistung Darstellungen zu Alciats Emblemata, die zu den besten dieser Art gehören, eine Folge von Bibelbildern mit Versen, die in mehreren Sprachen erschienen, und schließlich Bilder zu Ovids „ M e t a m o r p h o s e n " , die mit U m rahmungen versehen wurden. Neben Salomon ist in L y o n als Meister Pierre Eskrich tätig, der sich auch „ C r u c h e " oder „ V a s e " nennt. Er arbeitet für Roville, und zu seinen schönsten Werken gehören ebenfalls Illustrationen zu Alciats Emblemata und besonders Randleisten zu D u Chouls „Discours sur la castrametation et discipline militaire des R o m a i n s " (1555). In den Niederlanden widmete der berühmte Maler und Kupferstecher Lucas van Leyden (1494 — 1533) gelegentlich seine Kunst dem Buchholzschnitt. Er schuf zusammen mit J a n Swart von Groningen Bilderschmuck zu einer Bibel in niederländischer Sprache, die der Antwerpener Drucker Willem Vorsterman 1528 herausbrachte. Außerdem steuerte er zu einem der berühmtesten und reich illustrierten niederländischen Werke der Zeit, der „Cronijcke van Hollandt, Zeelandt ende Vrieslant", die J a n Seversz in Leiden druckte, die wertvollsten Holzschnitte bei. Vielfach lehnt sich der niederländische Buchholzschnitt an fremde, z.B. deutsche Vorlagen an und läßt in volkstümlichen Werken einen derben Z u g erkennen. So findet man es in Büchern, die T h o m a s van der N o o t in Brüssel herausbrachte. Der führende niederländische Drucker, Christoph Plantin, ist vor allem für die Entwicklung des Kupferstichs maßgeblich gewesen, benutzt aber im Frühwerk auch Holzschnittillustrationen, wie zu den emblematischen Schriften des Alciat und des Sambucus. Den Renaissancestil und die Titeleinfassungen führte Michiel Hillen ein (1519), er kopierte aber, wie auch spätere Drucker, meist ausländische, vielfach deutsche Meister. A u s den übrigen europäischen Ländern sind keine eigenständigen Leistungen der Buchillustration zu nennen, die die hier aufgezählten überragen.

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Die Wiederbelebung des Holzschnittes und der Holzstich Im 17. und 18. J h . hatte der Holzschnitt als Buchgraphik nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Er war meist für ornamentale Kopfleisten und Schlußstücke sowie zur groben Bebilderung von Flugblättern, Kalendern und anderen Kleinschriften verwendet worden. In Frankreich hielten im 18. Jh. Jean Papillon (1661 — 1733) und vor allem dessen Sohn Jean Michel (1698 — 1776) die Holzschnitt-Tradition wach. Z u m Teil arbeiteten sie mit Blaise Nicolas Lesueur zusammen, waren aber mehr für den Stoff- und Tapetendruck als für das Buchgewerbe tätig. Auch die bekannte Offizin von Plantin-Moretus in Antwerpen ließ von dem Holzschneider Christoffel Jegher Buchschmuck in Holzschnitt-Technik anfertigen, und Peter Paul Rubens nahm Jegher für die Ausführung seiner Entwürfe zur Buchausstattung in dieser Technik ebenfalls in Anspruch. Die Wiederbelebung des Holzschnittes nach alter Art betrieb in Deutschland Johann Georg Unger (1715 — 1788), der als Buchdrucker begonnen hatte und seit 1757 in Berlin als Holzschneider tätig war. Er verlieh dem Holzschnitt wieder künstlerischen Wert und erschloß ihn erneut der Buchillustration. Sein Sohn, der bekannte Berliner Drucker, Verleger und Schriftschöpfer Johann Friedrich Unger, förderte die Holzschneidekunst nicht nur durch eigene künstlerisch bedeutende buchgraphische Arbeiten, sondern auch theoretisch, indem er seit 1800 als Lehrer für dieses Fach an der Berliner Akademie der Künste und mechanischen Wissenschaften wirkte. Von Friedrich Wilhelm Gubitz ( 1 7 8 6 - 1 8 7 0 ) und Friedrich Ludwig Unzelmann ( 1 7 9 7 - 1 8 5 4 ) wurde

Abb. 101: Holzstich von Thomas Bewick zu einem Gedicht von Oliver Goldsmith

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dann in der ersten Hälfte des 19. Jh. die deutsche Holzschneidekunst zur vollen künstlerischen Entfaltung gebracht und zahlreiche Illustrationen geschnitten wie diejenigen von Gubitz für den deutschen Volkskalender (1835 ff.) oder für das Nibelungenlied (1840). Ein neues Holzschnittverfahren, der Holzstich, wurde in England wahrscheinlich schon Mitte des 18. Jh. angewendet. Man bediente sich dabei nicht mehr wie bisher des Langholzes, sondern des Hirnholzes, d.h. man nahm Platten, vor allem aus Buchsbaum, die quer zum Wuchs geschnitten waren. Es wurde auch nicht mehr mit dem Messer, sondern mit dem Grabstichel des Kupferstechers gearbeitet. Auf diese Weise konnte die Zeichnung auch hell in dunkel erscheinen, und das harte Material erlaubte feinste Strichlagen, ähnlich wie beim Kupferstich. Dieses Verfahren hat der Engländer Thomas Bewick (1753 — 1828) seit den siebziger Jahren des 18. Jh. weiterentwickelt, verfeinert und publik gemacht (Abb. 101). Er gewann dem Holzstich ganz neue tonige Ubergänge zwischen schwarz und weiß ab, so daß man ihn zeitweise auch Tonschnitt nannte. Im 19. Jh. war er ein vielgebrauchtes Reproduktionsverfahren für den Bilddruck in Zeitungen, Zeitschriften und Sachbüchern. Die großen Verlags- und Druckunternehmen unterhielten für die Herstellung der Druckstöcke „Xylographische Anstalten". Da der Holzstich feinste Liniengefüge wiedergeben kann, ist er auch für die Reproduktion von Zeichnungen bedeutender Illustratoren wie Adolph von Menzel (1815 - 1905) eingesetzt worden (s. Abb. 118, S. 308). Als originalgraphische Technik haben ihn Künstler im 20. Jh. verwendet. In der Gegenwart pflegen ihn Werner Klemke, G.K. Müller und viele andere. Gegen Ende des 19. Jh. kam noch eine andere Technik der Holzschnittkunst auf, bei der die Bildwirkung nicht mehr mit der Linie, sondern vorwiegend mit der Fläche erzielt wird (s. Abb. 122, S. 312). Diesen Flächenholzschnitt haben vornehmlich expressionistische Künstler genutzt. Man läßt dabei schwarze Flächen sich gegen weiße abheben und erhält damit eigenartige Gestaltungsmöglichkeiten. Die Bildromane des belgischen Malers und Graphikers Frans Masereel (1889 — 1972) z.B. sind in dieser Technik ausgeführt. In der heutigen Holzschnittkunst kommen auch Kombinationen von Linien-, Stich- und Flächentechnik vor. Allerdings werden im Auflagendruck von Büchern nicht die Originalholzstöcke, sondern Reproduktionen verwendet. Allgemein kann man feststellen, daß der Holzschnitt im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Buchkunstbewegung in zahlreichen Ländern heute wieder zu einer von vielen Künstlern bevorzugten Illustrationstechnik geworden ist.

Die Kupferstichillustration Technische Verfahren Obgleich der Kupferstich nur kurze Zeit nach dem Holzschnitt als Technik für den Bilddruck aufkommt, ist er doch erst seit der zweiten Hälfte des 16. Jh. in größerem Umfange zur Illustration von Büchern verwendet worden. Das lag daran, daß er ein Tiefdruckverfahren ist, welches zunächst bei der Kopplung mit dem Hochdruckverfahren des Buchdrucks technische Schwierigkeiten bot. Beim Tiefdruck wie Kupferstich und Radierung und ihren Abarten sowie beim Stahlstich und allen anderen Tiefdruckverfahren liegen die druckenden Teile vertieft im Druckstock. Für den Kupferstich verwendet man eine blankpolierte Kupferplatte (in neuerer Zeit auch andere Metalle) und gräbt die Zeichnung mit dem Grabstichel ein. Dieser ist ein scharfkantiger, vorn abgeschrägter Stahl mit einem Holzgriff. Man kann auch die Radiernadel als sogenannte „kalte Nadel" benutzen. Sie ist leicht und fast wie ein Zeichenstift zu handhaben. Dabei läßt man gern den beim Ritzen des Metalls ausgeworfenen Grat stehen, der sonst bei der Grabsticheltechnik entfernt wird. Er gibt dem Abdruck bestimmte Wirkungen. Nachdem die Zeichnung in die Kupferplatte einge-

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ritzt ist, wird diese eingefärbt. Man erwärmt sie dabei, damit sich die Farbe besser verteilt. Dann wischt man die Platte wieder blank, so daß die Farbe nur noch in den Vertiefungen haftet. Zum Abdruck benutzt man eine Presse, bei der ein Laufbrett zwischen zwei Walzen durchgezogen wird. Auf dem Laufbrett liegt die Platte und darauf das angefeuchtete Papier. Wenn nun das Laufbrett durch die Walzen läuft, üben diese einen so starken Druck, daß die in den Vertiefungen der Platte sitzende Farbe auf das Papier abgedruckt wird und die gesamte Platte sich auf dem Bogen abzeichnet. Deshalb erkennt man einen Kupferstich deutlich an dem in das Papier eingeprägten Plattenrand. Das Gravieren von Metallplatten war im Mittelalter besonders im Goldschmiedehandwerk bekannt. Es mag wohl auch vorgekommen sein, daß solche Platten eingefärbt und abgerieben wurden. Zum Zwecke der Bildverfältigung ist das Verfahren aber erst vor Mitte des 15. Jh. benutzt worden. Der älteste datierte Kupferstich, die Geißelung Christi von einem unbekannten Meister, zeigt die Jahreszahl 1446. Es sind im Laufe der Zeit verschiedene technische Abarten des Kupferstichs entwickelt worden, mit denen man bestimmte Wirkungen erzielen konnte. So kommt im 16. Jh. die Punktieroder Punzmanier auf. Dabei wird das Bild oder Teile davon durch feine, mehr oder weniger dicht beieinanderliegende und damit helle und dunkle Partien schaffende Punkte hervorgerufen. Man benutzt dazu den spitzen Punzhammer oder die Roulette, ein mit Zähnen besetztes Rädchen. Diese Technik wird im 18. Jh. gern in England angewendet. Dort ist zu dieser Zeit auch das Schabkunst- oder Mezzotintoverfahren weit verbreitet, das bereits vor der Mitte des 17. Jh. von dem Deutschen Ludwig von Siegen in Holland erfunden wurde. Man rauht dabei die Platte mit einem besonderen Instrument, dem Granierstahl, auf. Das Bild wird dadurch erzielt, daß man mit dem Schabeisen solche Flächen wieder glättet, die mehr oder weniger hell erscheinen sollen. Die nicht geschabten Stellen nehmen in den Vertiefungen Farbe auf und drucken dunkel. Die Schabtechnik ist also ein Flächenverfahren, mit dem starke malerische Wirkungen erzielt werden können. Ludwig von Siegen hielt die Technik geheim, weihte dann jedoch den Prinzen Rupprecht von der Pfalz ein. Holländischen Stechern, die bei der Arbeit behilflich sein mußten, wurde das Verfahren bekannt. Sie vervollkommneten es, und schließlich kam es auch in deutschen Werkstätten zur Anwendung. Anfang des 16. Jh. kommt eine Abart des Kupferstichs, die Radierung, auf. Sie ist ein Ätzverfahren. Die Platte wird mit einer säurebeständigen Schicht überzogen. Dann ritzt man mit der Radiernadel die Zeichnung in diese Schicht bis auf das Metall ein. Legt man nun die Platte in ein Säurebad, so wird an den freiliegenden Stellen das Metall geätzt. Man kann durch längeres oder kürzeres Ätzen und durch Abdecken einzelner Partien verschieden tiefe Linien erzeugen, die im Abdruck dickere oder feinere Zeichnungen ergeben. Der Abdruck wird nach Entfernung der säurebeständigen Schicht genauso wie beim Kupferstich erzielt. Das Ätzverfahren ist zunächst von Waffenschmieden zur Verzierung von Rüstungen und Waffen verwendet worden. Daniel Hopfer in Augsburg stellte von solchen geätzten Eisenplatten auch Abdrucke her, und die älteste datierte Radierung stammt von Urs Graf aus dem Jahre 1513. Zunächst in der freien Graphik verwendet, findet die Radierung erst im 18. Jh. in größerem Umfange Eingang in die Buchillustration. Auch die Radiertechnik kennt einige Abarten, wie das Aquatintaverfahren, bei dem Kolophoniumstaub auf die Platte aufgeschmolzen wird, was beim Ätzen ein dichtes feines Korn ergibt. Durch Abdecken und Wiederätzen kann man verschiedene Tonstufen erreichen. Bei der Kreideoder Crayonmanier wird der Ätzgrund mit verschiedenen, Punkte erzeugenden Instrumenten bearbeitet, so daß der Abdruck dieser Platten eine Kreidezeichnung vortäuschen kann. Legt man über einen weichen Ätzgrund einen Bogen körnigen Papieres oder ein Stück Stoff und zeichnet mit einem harten Stift so durch, daß der Ätzgrund abgelöst wird, erhält man unscharfe Linien, die ebenfalls im Abdruck einem weichen Kreidestrich ähneln. Dieses Verfahren heißt Vernis mou oder Weichgrundradierung. Die genannten Techniken können auch vermischt angewendet werden.

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F ü r den farbigen Kupferstich gebraucht man zwei Verfahren: Einmal wird jeder Teil der Platte, der eine bestimmte Farbe zeigen soll, mit dieser direkt eingefärbt. Dabei wird das Farbbild in einem Druckgang erzielt. Z u m anderen aber kann man mit mehreren in je einer Farbe eingefärbten Platten drucken. Dieses zum Vierfarbendruck führende Verfahren wurde seit 1710 von J a k o b Christoph le Blon aus Frankfurt a.M. in London und Paris entwickelt. Er druckte drei Farbplatten in den Tönen gelb, rot und blau und eine Schwarzplatte nach- und übereinander ab. Hatte er damit zunächst auch wenig Erfolg, so konnten er und seine Nachfolger schließlich das Verfahren durch Verwendung von weiteren Farbplatten verbessern und brauchbar machen. Im 19. Jh. kommt an Stelle des Kupferstichs der Stahlstich auf. Er ist von dem Amerikaner J . Perkens und dem Engländer K . Heath entwickelt und besonders für Reproduktionszwecke verwendet worden. Mit der härteren Stahlplatte erzielt man größere Auflagen, wie sie der wachsende Bedarf forderte. Stahlstiche wirken jedoch etwas nüchtern und hart. Man ist deshalb dazu übergegangen, Kupferstichplatten, mit denen feinere künstlerische Ausdruckswerte zu erzielen sind, galvanisch zu verstählen.

A u f k o m m e n und Entwicklung bis zum 18. Jahrhundert Erste Versuche, den Kupferstich zu Illustrationszwecken zu verwenden, finden sich bereits in der Frühdruckzeit. Konrad Sweynheym begann 1473 eine Ausgabe des geographischen Werkes von Ptolemäus vorzubereiten, die Karten in Kupferstich enthielt. Sie erschien 1478, nachdem Sweynheym gestorben war, bei Arnold Bucking in R o m . Etwa zur selben Zeit arbeitete Nikolaus Laurentii in Florenz an verschiedenen Werken, die mit Kupferstichen geschmückt werden sollten, davon die Dante-Ausgabe mit den Bildern nach Botticelli unvollendet blieb, während die „ G e o graphie" von Berlinghieri auch Kupferstichkarten der Ptolemäusausgabe zeigt. Diese ersten Versuche hatten die Schwierigkeiten erkennen lassen, die sich der Verwendung von Kupferstichillustrationen entgegenstellten: Sie waren einmal sehr kostspielig und zum anderen boten sich drucktechnische Probleme, denn Hoch- und Tiefdruck ließen sich nicht ohne weiteres miteinander verbinden. In der folgenden Zeit blieben deshalb Kupferstichillustrationen selten. Georg Reyser in Würzburg bringt einmal vier Kupferstiche in einem Wiegendruck, und die Ausgabe von Breydenbachs „Reise in das Heilige L a n d " , die 1488 in Lyon erschien, zeigt neben Holzschnitt- auch Kupferstichillustration. Ebenso hat sie Colard Mansion schon früh (1476) in einer Boccaccio-Ausgabe (Brügge, 1476) verwendet. Die Hauptmeister des Kupferstichs, wie Schongauer und Dürer, arbeiteten nicht für die Buchillustration, wenngleich Dürer für das „Haller Heiltumsbuch" von 1520 ein Kupferstichporträt beigesteuert hat, wie es zuvor Cranach für das „Wittenberger Heiltumsb u c h " von 1509 getan hatte. In stärkerem Maße gewinnt seit der Jahrhundertmitte die Kupferstichillustration in Italien an Boden, und in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts löst sie im allgemeinen die Holzschnittillustration ab. D a s mag mit dem neuen Stil- und Lebensgefühl des Barock zusammenhängen. Die im Grunde spröden Holzschnittlinien vermochten nicht den feinen Ansprüchen der Barockgraphik auf Tonwerte, schwungvolle Formen, bewegten starken Ausdruck zu genügen. Die malerische Bildwirkung des Kupferstichs entsprach mehr dem Geschmack der Zeit. So wie sich der Kupferstich als Illustrationsverfahren durchsetzte, ging auch eine Umorganisation der Buchgestaltung vor sich. Das Tiefdruckverfahren ließ sich schlecht mit dem Druck des Typensatzes verbinden. Deshalb druckte man die Kupfer getrennt und fügte die Tafeln dem Buche ein. Oder man ließ an Kapitelanfängen und -enden genügend Platz, um kleine Platten als Kupferleisten oder -Vignetten dort abzudrucken. Es bildet sich neben dem Titel im Typendruck auch ein bildlich oder ornamental verzierter, gern mit barocken Allegorien durchsetzter Kupfertitel heraus, und auch das Titelbild wurde auf gesonderten Tafeln dem Buche vorangestellt ( = Frontispiz).

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Der Kupferstich ist geeignet, dem Pracht- und Repräsentationsbedürfnis des Barockzeitalters zu dienen sowie größere Feinheiten bei der Illustration wissenschaftlicher und ähnlicher Werke, wie Anatomien, Karten, kunstgeschichtlichen Darstellungen usw. besser wiederzugeben. Es entstehen großformatige Tafelwerke über Festlichkeiten, Architekturen, Kriegs- und Festungsbauwesen, aber auch Reisewerke und kunsthandwerkliche Vorlagen verschiedener Art. Eine große Rolle spielen die Allegorien, die vielfältig mit der barocken Buchausstattung verwoben sind und ihr die eigentümliche Note geben. Mit den Emblemata-Sammlungen werden ganze Bilderfolgen solcher allegorischen Darstellungen herausgebracht (s. S. 151). Den Ausgangspunkt für die stärkere Beachtung des Kupferstichs als Illustrationsverfahren in Italien bildeten die Abbildungen antiker Kunstwerke und die Wiedergabe von Gemälden zeitgenössischer Künstler, wie zum Beispiel von Raffael. Solche Reproduktionsstiche, als deren Hauptmeister im 16. Jh. Marcantonio Raimondi gilt, wurden von rührigen Händlern und Verlegern, wie Antonio Lafreri in Rom, zu einer A r t Bildbücher zusammengestellt und vertrieben. Auch des Kartendrucks bemächtigte sich der Kupferstich, seitdem 1548 in Venedig eine PtolemäusAusgabe mit solchen Kupferstichkarten von Jacopo Gastaldi erschienen war. Besonders vorbildlich wirkte ein Sammelwerk mit Porträts antiker Kaiser (1548) und Kaiserinnen (1557), die Aeneas Vico nach Münzen und Medaillen stach. Mit Lebensbeschreibungen der Herrscher versehen, stellt es nicht nur eine reine Bilderfolge, sondern eines der ersten Beispiele der mit Kupfern illustrierten Bücher dar. Auch andere Inhalte fanden in dieser Zeit mittels des Kupferstiches zuerst in Italien ihre Darstellung. Dazu gehören die genannten Emblemata-Bücher und die Radierungen nach Zeichnungen von Odoardo Fialetti zu Guilio Casserios anatomischem Werk (Venedig 1627). Zögernd schlossen sich die Dichtungen an, wie 1564 eine Sammlung antiker Fabeln, die mit 100 ganzseitigen Radierungen geschmückt war, und 1584 eine italienische Ovid-Ausgabe. Beide erschienen in Venedig bei Giunta. Nördlich der Alpen wurde die Kupferstichillustration zuerst in den Niederlanden heimisch, und von hier gelangte mit auswandernden Künstlern das neue Illustrationsverfahren auch in andere Länder. Es war Christoph Plantin in Antwerpen, der sich als Drucker und Verleger von Kupferstichwerken hervortat. Als erstes dieser Bücher erschien bereits 1559 das „Leichengepränge Karls V." mit Stichen von Hieronymus Cock. A n bedeutenden Werken folgten dann die „Anatomie" des Juan de Valverde 1566, die „Humanae salutis monumenta", eine religiöse Dichtung mit einer Fülle von Kupfern in der Art der früheren Stundenbuchillustrationen, und schließlich die berühmte Polyglottenbibel, die von 1569 bis 1573 gedruckt wurde und außer dem Holzschnittschmuck große Titelkupfer enthält. Während in Frankreich sich die Kupferstichillustration erst richtig gegen Ende des 16. Jh. einbürgert und in dem aus Mainz stammenden Leonhard Gaultier ihren frühen Hauptmeister findet, ist in England bereits 1545 ein anatomisches Werk mit Kupfern erschienen, bearbeitet und kopiert von Thomas Geminus nach Vesalius. Im übrigen aber finden wir hier niederländische Künstler am Werke wie die Brüder Franz und Remigius Hogenberg und Jodocus Hondius. Nachdem einzelne Veröffentlichungen wie August Hirschvogels Kupferstiche zu seiner „Geometria" von 1543 und seine Radierungen zu einer Bibelkonkordanz oder wie das Wappenbuch von Virgil Solis 1555 und andere vorangegangenen waren, brachten die entscheidende Wende zur Kupferstichillustration in Deutschland seit den achtziger Jahren des 16. Jh. aus den Niederlanden eingewanderte Künstler. In Köln kam seit 1572 das Städtebuch von Georg Braun heraus. Als erstes seiner A r t enthält es Kupferstiche mit Stadtansichten aus aller Welt, die von Franz und Abraham Hogenberg und Simon van der Noevel nach Vorlagen verschiedener Künstler und unter Mitarbeit von Gelehrten gestochen wurden. Erst 1628 war die Ausgabe beendet. Es erschienen auch eine italienische und eine französische Ubersetzung des vorbildlich wirkenden Werkes. Abraham Hogenberg, ein Sohn des Franz, war in der ersten Hälfte des 17. Jh. der führende Illustrator in

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Köln. Auch der ursprünglich für Plantin in Antwerpen arbeitende Stecher Abraham de Bruyn war seit 1577 in Köln ansässig und schuf dort eine Reihe von bemerkenswerten Trachtenbüchern. Seit dem letzten Viertel des 16. Jh. entwickelt sich Frankfurt am Main zu einem Zentrum für die Herstellung und den Handel von Kupferstichwerken, insbesondere durch das Wirken der Familien de Bry und Merian. Theodor de Bry (1528 — 1598) war um 1570 aus Glaubensgründen von Lüttich nach Frankfurt ausgewandert, hatte dort eine Kupferstichhandlung gegründet und dieser einen Verlag angeschlossen. Zusammen mit seinen Söhnen Johann Theodor und Johann Israel brachte er eine große Zahl von Kupferstichwerken z.T. auch ohne Text heraus wie die Emblemsammlung von J.J. Boissard, Ornamentstiche sowie Porträtsammlungen. 1590 begann er mit der Herausgabe seines Hauptwerkes, dem aus dem Englischen übernommenen ersten Bericht des Thomas Hariot über dessen Expedition nach Virginia, eine umfangreiche Gesamtschilderung Amerikas, die mit Kupfern nach an Ort und Stelle entworfenen Zeichnungen ausgestattet ist. Das Werk erschien in 25 Teilen und wurde erst von den Söhnen De Brys 1634 vollendet. Matthäus Merian (1593 — 1650) aus Basel, den nach einer dreijährigen Lehrzeit in Zürich seine Wanderjahre nach Frankreich, durch die Niederlande und nach Deutschland führten, wo er überall Städtebilder zeichnete, heiratete die Tochter D e Brys und übernahm nach dem Tode seines Schwiegervaters 1652 dessen Geschäft in Frankfurt, das er zu einem florierenden Unternehmen ausbaute. Er gab 1625 bis 1627 Bibelillustrationen mit Versen in drei Sprachen heraus. Ferner erschienen bei ihm die „Archontologia cosmica", ein länder- und völkerkundliches Werk von Johann Philipp Abelin,

Abb. 102: Ansicht von Sonnenberg. Kupferstich aus Matthäus Merian „Topographia Franconiae", Frankfurt 1648

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gen. Godofredus, mit vielen Karten und Stadtplänen sowie 1633 dessen „Historische Chronica". An das letztere Werk Schloß sich dann das „Theatrum Europaeum", eine reich bebilderte Zeitgeschichte von 1635 bis 1723 in 19 Bänden an. Von kulturgeschichtlicher Bedeutung und als Anschauungsmaterial bis heute wichtig sind die „Topographien" mit über 2 000 Karten und Abbildungen sowie Beschreibungen von Städten deutscher Länder, Frankreichs und Italiens, die nach naturgetreuen Vorlagen wiedergegeben sind (Abb. 102). Sie erschienen seit 1642 mit Texten von Martin Zeiller und wurden nach dem Tode Merians von seinen Söhnen in 31 Teilen bis 1688 fortgesetzt. Matthäus Merian selbst hat sich als Künstler nur noch wenig an der Herstellung des umfangreichen Bildmaterials beteiligt. Er beschäftigte in seiner Kupferstecherei eine Anzahl fremder Kräfte, die Routinearbeit leisteten. Bei der Fülle der Produktion sah sich Merian auch gezwungen, die schneller und leichter zu handhabende Radierung an Stelle des mühsamen Kupferstichs anzuwenden. Nachdem der Vater 1650 gestorben war, führten seine Kinder das Geschäft weiter, das bis 1727 bestand. Seine begabte Tochter Maria Sibylla Merian (1647— 1717) wurde mit ihren Blumen- und Schmetterlingsbüchern berühmt. In der Zeit von 1679 bis 1717 veröffentlichte sie etwa 1 700 Kupferstiche, die ihre ausgezeichnete Beobachtungsgabe und ihre künstlerische Meisterschaft beweisen. In Augsburg war Dominicus Custos aus Antwerpen Anfang der achtziger Jahre eingewandert, hatte die Witwe des Kupferstechers Bartholomäus Kilian geheiratet und nachmals mit dessen und seinen Söhnen eine bedeutende Werkstatt und einen umfangreichen Handel betrieben. Er fertigte die Bildnisse zu mehreren großen Porträtsammlungen, wie diejenigen der Fugger (1593), der Herrscher von Tirol oder der sächsischen Fürsten (1601). Die Söhne Bartholomäus Kilians, Lukas und Wolfgang, sind in der ersten Hälfte des 17. Jh. die Hauptmeister der Stadt, arbeiten jedoch weniger für die Buchillustration als für den Porträt- und Kartenstich. Von hohem Rang sind auch die Jagd- und Tierdarstellungen des Johann Elias Riedinger (1698 — 1767), die zwar als Einzelblätter herauskamen und nicht als Illustrationen gedacht waren, aber gelegentlich zu Blattfolgen mit kurzem Text zusammengefaßt wurden, ein Verfahren, das man verschiedentlich anwendete. In Nürnberg fand mit dem Maler Joachim von Sandrart (1606— 1688) der Kupferstich einen Anreger und Förderer. Sein großes kunstwissenschaftliches Werk „Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste" (2 Bände, Nürnberg und Frankfurt a.M. bei Merian 1675 — 1679) ist eines der bedeutendsten Kupferstichwerke der Zeit und von mehreren Stechern mit zahlreichen Abbildungen ausgestattet (Abb. 103). Sandrart fertigte z.T. selbst die Zeichnungen dafür und gab genaue Anweisungen zu ihrer Ausführung. Auch an der Herausgabe anderer Kupferstichwerke beteiligte er sich, wie an der „Kurfürstenbibel" des Verlages Endter. Angehörige seiner Familie waren ebenfalls als Stecher und Radierer beschäftigt. Auch Christoph Weigel, Kupferstecher, Verleger und Kunsthändler in einer Person, war 1698 in Nürnberg ansässig geworden. Eine Besonderheit seiner Darstellungskunst zeigen die humorigen und drastischen Bilder zu einigen, damals beliebten und Unsitten der Zeit bloßstellenden Narrenbüchern, z.B. „Ein Schock Phantasten in einem Kasten" (1710). Außerdem illustrierte er Schriften des satirischen Volkspredigers Abraham a Santa Clara sowie religiöse Stoffe, Handwerker- und Trachtenbücher und Chroniken. In Nürnberg befand sich auch die Kartenmacherwerkstatt von Johann Baptist Homann (1664 - 1724), die seit 1692 bis ins 18. Jh. hinein bestand und deren 1702 gegründete Offizin auch geographische Werke hervorbrachte. Homann arbeitete zwar vielfach nach niederländischen und französischen Vorlagen, verhalf aber mit seinen Atlanten und Einzelkarten der darniederliegenden deutschen Kartographie wieder zu Ansehen. Ferner gehört der Kupferstecher, Kunsthändler und Verleger Johann Michael Seligmann (1720 — 1769) zu den tüchtigen Meistern, die vornehmlich für wissenschaftliche Publikationen arbeiteten. Seine kolorierten Darstellungen von Vögeln, Bäumen, Blumen, Mineralien zeichnen sich durch ihre große Genauigkeit aus. Für den Herzog von Bayern arbeitete in München vorübergehend Johann Sadeler, ein niederländischer Kupferstecher und Oberhaupt einer das gleiche Handwerk ausübenden Familie, aus

Abb. 103: Illustration aus Sandrart „Ternsche Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste", N ü r n b e r g 1675 - 1 6 7 9

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Abb. 104: Autorenporträt und Kupfertitel zu Paul Fleming „Gedichte", Merseburg: Christian Gottschalk 1685

deren Reihen Egidius Sadeler (1570 — 1629) der berühmteste und tüchtigste Meister geworden ist. Johann illustrierte in München Gebetbücher des Herzogs und jesuitische Schriften und arbeitete auch in anderen europäischen Städten für das Buchgewerbe. Neben den Hauptmeistern des 17. Jh. in Deutschland war eine große Zahl handwerklicher Stecher tätig. Sie hatten sich in Zünften organisiert und arbeiteten nicht selten im Familienbetrieb. Im allgemeinen diente der Kupferstich in dieser Zeit der Reproduktion von Gemälden, oder er war Porträtstich. Auch im Buch behielt er den Charakter des Einzelblattes bei und beschränkte sich auf das Autorenporträt, den Kupfertitel oder auf Darstellungen belehrender Art, die oft mit allegorischem Beiwerk überladen sind und wenig Kunstwert besitzen (Abb. 104). Wenngleich im 17. Jh. außerhalb Deutschlands der Kupferstich als freie Graphik von der Hand der sogenannten Malerradierer in hoher Blüte stand, blieb er im Bereich der Buchillustration auf dem Niveau handwerklicher Arbeit. Ebenso wie in Italien erfüllte in den Niederlanden der Reproduktionsstich seine besondere Aufgabe für die Verbreitung von Werken berühmter Maler. In der Werkstatt Peter Paul Rubens z.B. war dafür Cornells Galle (1576 - 1650) beschäftigt, der auch für die Buchillustration tätig wurde. Er entstammt einer Stecherfamilie, die seit dem 16. Jh. bereits für Plantin in Antwerpen arbeitete. Für dessen Nachfolger, Balthasar Moretus, schuf Cornelius Galle eine Reihe von Titelkupfern, die Peter Paul Rubens persönlich entworfen hatte. Ru-

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Abb. 105: Illustration von Allart van Everdingen zu Hinrek van Alkmar „Reineke der Fuchs" Deutsche Ausgabe von J. Chr. Gottsched, 1752

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bens stellte sich freilich nur auf Grund freundschaftlicher Beziehungen in Moretus' Dienst und überließ die Ausführung der Entwürfe den Reproduktionsstechern seiner Werkstatt, in der Galle beschäftigt war. Die Titelschöpfungen zeigen großangelegte, bewegte, allegoriengesättigte Darstellungen im Stile von Rubens' barocker Kunst. Größere Bedeutung haben auch die um 1656 entstandenen Radierungen des Allart van Everdingen zum „Reineke Fuchs" erlangt. Sie wurden fast 100 Jahre später der von Gottsched 1752 besorgten, bei Breitkopf gedruckten deutschen Ubersetzung beigegeben, die sich großer Beliebtheit erfreute (Abb. 105). Der Hauptmeister der Buchillustration in der zweiten Hälfte des 16. Jh. war der vielbegabte Romeyn de Hooghe (1645 - 1708), dessen Radierungen auch von kulturgeschichtlicher Bedeutung sind. Zahlreichen Büchern verschiedenster Thematik widmete er sein Können. Sein Stil ist von französischen Vorbildern beeinflußt. Er diente aber nicht nur der Darstellung von Festlichkeiten, Allegorien, biblischen Stoffen u.ä., sondern illustrierte als erster auch die Zeitgeschichte, gebrauchte die politische Satire und die Karikatur in Büchern und Flugblättern. Er bebilderte 1685 die „Contes et Nouvelles" des Lafontaine in fast schon rokokohafter Manier. Zeit- und Wirklichkeitsnähe und die Darstellung des Alltäglichen sind überhaupt Eigentümlichkeiten der niederländischen Illustrationskunst, denen wir zum Beispiel auch bei Jan Luyken (1649 — 1712), besonders in dessen „Het Menselyk Bedryf" (1694) begegnen, einer Schilderung verschiedener Berufsstände. Das Werk wurde bald nach seinem Erscheinen von Christoph Weigel auch in Deutschland herausgebracht. Luyken schuf ferner Bilder zu Reisebeschreibungen und historischen Werken und hat sich durch seine Bibelillustrationen und die Illustrationen eigener Erbauungsschriften ausgezeichnet. Caspar Luyken (1672 — 1708), der Sohn des Jan, illustrierte nur belletristische Werke, arbeitete für Weigel in Nürnberg und für deutsche Schriftsteller, ohne jedoch seinem Vater an Bedeutung gleichzukommen. In Frankreich boten neben der üblichen Illustrierung literarischer Werke, der Darstellung von Allegorien und Emblemen vor allem die Vorlagenwerke für die Architektur und Möbelkunst dem Kupferstich ein reiches Anwendungsgebiet. Die französischen Illustratoren haben sich zumeist in Italien geschult. Ihre Arbeit blieb handwerklich und zeigt keine eigenen Charaktereigentümlichkeiten und keine überragende Leistung. Von den fruchtbarsten Meistern ist Franjois Chauveau (1613 — 1676) zu nennen, der als Reproduktionsstecher tätig war und außerdem Werke von Lafontaine, Racine, Moliere und anderen illustrierte. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts arbeitete Israel Silvestre für die Bedürfnisse des Hofes und des Königs. Sein Hauptaugenmerk galt der Landschaftsdarstellung. In Italien blieb die Buchillustration ebenfalls weit hinter der freien Graphik zurück. Antonio Tempestas (1555 — 1630) Illustrationen zu Ovids „Metamorphosen" (1606) oder zu Tassos „Befreitem Jerusalem" (1607) verdienen Erwähnung. Dieser Künstler war sehr produktiv und hat auch zahlreiche Bildfolgen ohne Texte veröffentlicht. Größerer Erfolg war Odoardo Fialettis Buch über die Trachten der Ordensgeistlichen beschieden, das mehrere Auflagen erlebte und ins Französische übertragen wurde. Französischen Einfluß verrät Stefano della Bella, der eine zeitlang in Paris arbeitete und zahlreiche Radierungen für Festivitäten, Dichtungen usw. in geschickter und geschmackvoller Darstellung schuf. In England sind meist fremde Künstler tätig gewesen, unter denen der Tscheche Wenzel Hollar (1607— 1677), ein Merian-Schüler, den der berühmte englische Bibliophile Earl of Arundel nach London holte, lange von Einfluß geblieben ist.

Die Blüte der französischen Illustrationskunst im 18. Jahrhundert In Frankreich verbesserten sich im 18. Jh. die Bedingungen für die Entwicklung der Kupferstichillustration, die daraufhin hier ihre höchste Blüte erlebte. Paris bestimmte das gesellschaftliche Leben, die Kultur, die Mode usw. für ganz Europa. Tonangebend waren die feudale Gesellschaft,

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der H o f , der Adel, die Finanziers, unter deren Einfluß auch das Buch zu einem Luxusgegenstand wurde. Man suchte ihm durch reichen Kupferschmuck Kunst- und Sammlerwert und eine gewisse Delikatesse zu verleihen. Es wurde selbst Ausdruck der feudalen Gesellschaft, die ihr Milieu, ihre Gefühle, ihr Gebaren und sich selbst in der Illustration dargestellt sehen wollte. Diese Bedürfnisse zu befriedigen, entwickelte sich die Kupferstichtechnik zu höchster Vollendung. Sie allein war geeignet, die äußerste Feinheit der Zeichnung, großangelegte Kompositionen auf kleinem F o r m a t , die Atmosphäre der Landschaft wie des Innenraums mit den zartesten Ubergängen von Hell zu Dunkel, das Charakteristische des Stofflichen, das Flüchtige der Bewegung, das zierliche Ornament, kurz, den ganzen R e i z und Glanz der sinnlichen Erscheinung, mit äußerstem Raffinement vorzutragen. Stilistisch wandelte sich die französische Kupferstichillustration im 18. J h . vom pathetischen großformatigen Barock zum intimen nuancenreichen R o k o k o und sank schließlich ab zum steifen, idealisierenden Klassizismus. Während im Barock noch die großen Festivitäten und die weitläufigen Szenen vorherrschten, stellte das R o k o k o die zwar nicht weniger glanzvolle, aber intimere galante Szene im Boudoir, in den Parks und auch im Kostüm der Schäferspiele dar. Dabei fehlt selten ein Schuß mehr oder weniger starker Erotik. D e r gefühlsbetonte Ausdruck überzeugt nicht immer, und das echt Menschliche wird übertrumpft von der äußerlichen, pathetischen F o r m . D e r Mensch in seiner gesellschaftlichen Umwelt steht im Vordergrund, die Natur hingegen bleibt angedeutete und oft nur schematische Staffage. Zum Klassizismus hin wird die intime Szene wieder zum figurenreichen und tiefgegliederten Panorama großer, erhabe-

LIVR.E

VINGTtFSME

LO VIS par ks coßatfx, par Us routes des eois. Chcrclmt α milier Ics Francs & Ics Gaulas. Par tout tl void de loin lew defordrc & leur fane. Una pint que frnt Chefs, pour f / ß j J ß a c , Qui maigrt Ic defafire anirnmt leur naleur, Vacant ic cceur du Roy plus grand que fon tnalhcur. II rencontre vne troupe, & Volc.ide ic traiflre, Qui pafiit dc fon crime a l'afl?ec£ dc (on Aiatßre. T « trembles} dit Ic Prince. I 'n Chef -voyantfon Roy, Doit avoir dc la joyc} & non p-ts de I'cffroy. T t ij

Abb. 106: Illustration von Francois Chauveau zu Jean Desmarest de Saint-Sorlin „Clovis ou La France chrestienne", Paris 1657

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ner Vorgänge oder zur bürgerlich nüchternen Szenerie. Überhaupt gibt die gesamte Epoche in der Darstellung des Menschen nicht den einzelnen Charakter wieder, sondern den Typus der Zeit, modisch und schön. Unabhängig davon, ob man antike Autoren wie Ovid, Italiener der Renaissance wie Boccaccio, Tasso, Ariost oder die neuen französischen Dichter wie besonders Lafontaine, Moliere, Fenelon — von den Tagesgrößen ganz zu schweigen — illustriert, immer kommen die gekennzeichneten Grundzüge der Rokokoillustration zum Ausdruck, sei es im Gewand der antiken Mythologie, sei es im Milieu der zeitgenössischen Gesellschaft. Die Illustration beginnt in dieser Zeit an Selbständigkeit neben dem Text zu gewinnen. Nicht nur, daß ganzseitige Kupfertafeln einseitig bedruckt und gesondert zwischen den Text geheftet sind, auch in der künstlerischen Auffassung und Gestaltung vermag jetzt das Buchbild eigenwertig neben dem Text zu bestehen. Das führt so weit, daß man ganze Bildfolgen ohne Text herausbringt oder zu vorhandenen Bildfolgen erst den Text nachträglich schreibt. Aber die ganzseitige Kupfertafel ist nicht der einzige Schmuck des Buches. Auch über den Textanfängen oder am Schluß des Kapitels und des Buches werden Zierstücke angebracht (Vignette, Fleuron, Cul-de-lampe). Sie sind entweder rein ornamental oder auch figürlicher Art und können ganze Szenen darstellen. Gern werden Amoretten, allegorische Figuren oder Symbole verwendet. Außer diesem im Innern des Buches auftretenden Schmuck spielt das Titelkupfer seine herkömmliche Rolle. Die Wertschätzung der Kupferstichillustrationen brachte es mit sich, daß auch die Illustratoren höher als bisher geachtet wurden. Die Kupferstecher überwanden die zunftmäßige Bindung und errangen den Ruf „ordentlicher" Künstler, die in gesellschaftlich beachtenswerte Stellungen aufstiegen und oft sehr hoch bezahlt wurden. Ja, selbst Angehörige der höchsten Gesellschaftsschichten beschäftigten sich dilettierend mit dem Kupferstich. In dem Maße, wie die Produktion anwuchs, machte sich eine Arbeitsteilung notwendig. Oftmals stammte deshalb der Bildentwurf von einem anderen Künstler als die Zeichnung, und den Stich führte ein Dritter durch. Der Erfinder zeichnete dann mit „inv" (= invenit), der Zeichner mit „del" (= delineavit) und der Stecher mit „sculp" (= sculpsit). In zahlreichen Fällen wurde auch nicht nur ein einzelner Künstler mit der Illustration eines Werkes beauftragt, sondern mehrere lieferten die Bilder dazu. Die Schar der Illustratoren ist sehr groß, und viele haben Gutes geleistet. Die Darstellungen bewegen sich nach Form und Inhalt, wenn auch mit gewissen persönlichen Stileigentümlichkeiten, in dem oben gekennzeichneten Rahmen. Eine bestimmte Auswahl von Werken wird immer wieder bevorzugt. Aus der Fülle der Künstler mögen folgende aufgezählt sein: Als erster in der Reihe der Meister des 18. Jh. ist Bernard Picart (1673 — 1737) zu nennen, der von Paris nach Amsterdam emigrierte und hier der Lehrer holländischer Kupferstecher wurde und selbst für französische Auftraggeber arbeitete. Ist er auch in seinen zahlreichen Illustrationen noch nicht ganz vom Stil des 17. Jh. losgekommen, so zeigt er doch in seinem Buchschmuck bereits eine leichtere, lockere Hand im Sinne des neuen Stils. Als Auftakt der Kupferstichmode in Frankreich gelten die Illustrationen, die der dilettierende Regent Herzog Philipp von Orleans für das spätantike griechische Hirtengedicht des Longus „Les amours pastorales de Daphnis et Chloe", wahrscheinlich nicht ohne Hilfe seines Lehrers, des Rektors der Akademie, Antoine Coypel, schuf. Auch dieses Werk ist noch dem vorhergehenden Stil verpflichtet. Aber bereits mit Claude Gillots reizvollen Illustrationen zu den Fabeln des de La Motte (1719) vollzieht sich die Wandlung zu der neuen Illustrationsweise. Diese erreicht in den Werken von Franjois Boucher und Hubert Gravelot ihren Höhepunkt. Boucher ist in erster Linie Maler, hat aber mit den Illustrationen zu der sechsbändigen Moliere-Ausgabe, die 1734 erschien, und mit einigen Beiträgen zu Cervantes-, Boccaccio- und Ovid-Ausgaben nicht nur meisterhafte Schilderungen der Welt des Rokoko in künstlerisch vollendeter Form geschaffen, sondern damit auch weithin vorbildlich gewirkt (Abb. 107). Gravelot (1699 — 1773), mit bürgerlichem Namen Bourguignon, überflügelt mit seiner genial-lässigen Art und mit vollendetem technischem Können zuweilen schon die subtile Geschmacksrichtung der Zeit. Bei höchster Eleganz und Grazie agieren seine Figuren fast theatralisch, und statt des Ausdrucks spürt man

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Abb. 107: Illustration von Francois Boucher zu Ovid „Metamorphosen", Paris 1767-1771

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Abb. 108: Illustration von Hubert Gravelot zu Corneille „La suite du Menteur", Genf 1764

Routine und Schema. Eine Zeitlang wirkte Gravelot in London, wo er auch politische Karikaturen schuf. Es fällt schwer, eins seiner Werke als Hauptwerk zu bezeichnen, da viele von höchster Meisterschaft zeugen, seien es die Illustrationen zu Boccaccios „Decamerone" von 1757, zu Rousseaus „Nouvelle Heloise", zu der Racine- oder Voltaire-Ausgabe und mehreren anderen (Abb. 108). Neben Gravelot präsentieren sich als Hauptmeister der Zeit Cochin, Choffard, Moreau le Jeune, Eisen und Mariliier. Sie alle haben ihre besondere Eigentümlichkeit, sie alle halten aber ihre Darstellungen im oben gekennzeichneten Rahmen. Charles Nikolas Cochin Fils (1715 — 1790) und Pierre Philippe Choffard (1730 — 1809) waren Meister des dekorativen Buchschmucks, beide betätigten sich auch als Kunstschriftsteller. Cochin wußte die Feste des Hofes meisterhaft darzustellen und machte deshalb auch bald Karriere. Aber nach einer Italienreise, die ihm die Ausgrabungen von Herkulaneum vor Augen geführt hatte, hielt er die antike Kunst für vorbildlich und

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Abb. 109: Illustration von C.P. Mariliier zu Rousseau „La nouvelle Heloise", London um 1783

begann, sich gegen das Schmuckbedürfnis der Zeit zu wenden. In diesem Sinne illustrierte er Boccaccio, Tasso, Ariost, Homer. Als einer der ersten bahnte er damit den Weg zum Klassizismus. Charles Eisen (1720 — 1778) zeigt hinter seiner rokokohaften Routine und Eleganz ein kraftvolles, wirklichkeitsnahes, seiner flämischen Herkunft entsprechendes Wesen. Unter seinen zahlreichen Werken kennzeichnen die Lafontaine-Illustrationen (1762) und die Kupfer zu Dorats Werken, besonders zu „Les baisers" (1770) diese Eigenart. Das späte Rokoko in seiner routinierten, konventionellen, dabei höchst geschmackvollen Art vertritt Pierre Clement Marillier (1740— 1808; Abb. 109). Er ist einer der produktivsten Meister und beherrscht vor allem die Kunst der Vignette. Jean Michael Moreau le Jeune (1741 — 1817) dagegen ist der ausgesprochene Meister der Ubergangszeit. Rokokohaftes und Klassizistisches durchdringen sich bei ihm. Zunächst noch der alten Zeit verpflichtet, begeistert er sich für die Revolution und stellt sich schließlich wieder in den Dienst des Kaisertums. Sein Stil unterliegt der gleichen Wandlung. Unter zahlreichen anderen Werken schuf er die Kupfer für die „Choix de Chansons" (1773) des Jean Benjamin de la Borde, Stiche zur Kostümsammlung des Sigismund Freudenberger (1777), Illustrationen zu einer Moliere-Ausgabe von 1773 und zu der Voltaire-Ausgabe Beaumarchais' (1784— 1789; Abb. 110). 1792 erscheint der Revolutions-Almanach mit zeitgeschichtlichen Darstellungen von ihm, und 1799 illustriert er im Empirestil Salomon Gessners Werke. Mit der Revolution und in der Folgezeit wandeln sich Stil und Bildinhalte. War gelegentlich die Revolution selbst Thema der Darstellung, so bringt der Stil des Klassizismus doch in seiner

Abb. 110: Illustration von Jean Michael Moreau zu Voltaire „Les deux tonneaux". Kehl 1784-1789

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Orientierung auf die Antike wieder viel mythologisch-historisches Bildungsgut mit sich. Die Illustrationen werden steif und ausdrucksleer, die Technik verliert an Virtuosität, Raffinement und Wirkung. Die Kupferstichillustration verflacht. Als Meister des reinen Klassizismus mag PierrePaul Prudhon (1758 — 1823) genannt sein. Er illustrierte „Daphnis und Chloe" von Longus, Rousseaus „Nouvelle Heloise" und „Paul et Virginie" des Bernardin de Saint-Pierre in einer Prachtausgabe (1806). Die Kupferstichillustration außerhalb Frankreichs im 18. Jahrhundert Die Leistungen der französischen Illustrationskunst im 18. Jh. waren so überragend, daß sie in keinem der übrigen europäischen Länder erreicht wurden. Doch so, wie man den gesamten Lebensstil der Franzosen nachahmte, übte auch die französische Kupferstichillustration weithin ihren Einfluß aus. In Deutschland gab es zwar eine Reihe von Meistern mit beachtlichen künstlerischen Voraussetzungen, aber die Buchkunst war, von wenigen Sammlern abgesehen, bei weitem nicht so allgemein geschätzt wie in Frankreich, und die unzulänglichen finanziellen Mittel der Interessenten erlaubten auch nicht eine so großzügige luxuriöse Förderung dieser Kunst, wie sie sich die Pariser Adelsgesellschaft leisten konnte. Die deutsche Buchillustration erreichte nicht die technische Raffinesse und den künstlerischen Ausdruck der französischen, sie blieb im Durchschnitt handwerksmäßig und bieder. Dennoch hat gerade ein deutscher Meister, Johann Georg Wille (1715 — 1808), in Paris mit großem Erfolg schulebildend gewirkt, und der Berliner Georg Friedrich Schmidt (1712 — 1775) brachte es in der Seinestadt zu hohem Ansehen. Andererseits aber ragt Deutschland durch seinen Anteil an der Illustration wissenschaftlicher Werke, besonders der Pflanzen- und Tierbücher hervor, und deutsche Künstler wirken selbst an ausländischen Unternehmen dieser Art mit. Vogel-, Insektenund Pflanzenbücher waren seit dem 17. Jh. neben den Reisewerken sehr beliebt geworden. Im 18. Jh. kam es zu zahlreichen Veröffentlichungen dieser Art, die alle mit umfangreichen Folgen von Kupfern versehen waren, darunter auch farbige, von Hand kolorierte. Erinnert sei nur an die Schmetterlings- und Blumenbücher der Maria Sybilla Merian und an die Insektendarstellungen des Johann Rösel von Rosenhof (s. S. 149). In England und Frankreich kamen besonders schöne und kostspielige Werke dieser Art heraus. Der Stil der deutschen Kupferstichillustration bleibt bis 1750 barock. Dann wird die Rokokomode aufgenommen, aber bald macht sich darin der Gefühlskult Rousseauscher Prägung bemerkbar, und der steife, bürgerliche Zopfstil kündigt sich an. Er reicht bis in das 19. Jh. hinein parallel zum Klassizismus, der allen Schmuck ablehnt und das rein typographisch gestaltete Buch bevorzugt. Zu den Meistern des deutschen Rokoko zählt Adam Friedrich Oeser (1719 — 1799), der zunächst in Dresden wirkte und dann Direktor der Kunstakademie in Leipzig wurde. Ihm liegt besonders die Kleinkunst der Vignette mit anmutig leicht, etwas flüchtig hingezeichneten Entwürfen. Rokokohafter Charme, klassizistisch-allegorische Motive und ein wirkungsvolles Spiel mit HellDunkel-Gegensätzen, vor allem in den Vollbildern für Titelkupfer, durchdringen sich bei ihm. Er illustriert zeitgenössische Dichter wie Chr. Felix Weisse, M. Wieland, J. P. Uz, neben Schriftstellern minderer Bedeutung. Aber auch für eine Schrift Winckelmanns, mit dem er theoretisch zum Klassizismus neigte, schuf er Vignetten (Abb. 111). Als Stecher arbeitete für Oeser, wie überhaupt für eine ganze Reihe deutscher Illustratoren, Christian Gottlieb Geyser (1742— 1803). Er ist nicht nur nachschaffender Meister, sondern hat vielfach die fremden Entwürfe selbständig gestaltet und ihnen reichen Ausdruck verliehen. Seine Arbeiten zeigen manches Verwandte mit der französischen Illustrationskunst, so daß er nicht allein seiner umfangreichen Produktion wegen als einer der bedeutendsten Buchkünstler seiner Zeit gelten muß. Besonders nach Entwürfen von Jakob Wilhelm Mechau hat er Illustrationen geschaffen, die zu den besten deutschen Leistungen gehören.

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Abb. I l l : Illustration von Adam Friedrich Oeser zu Kreuchauf „Historische Erklärungen der Gemälde . . . " , Leipzig 1768

Die bekannte Vorliebe des preußischen Königs Friedrichs II. für französische Kultur veranlaßte diesen, für die Ausstattung seiner eigenen Werke nach dem Vorbild des französischen Rokoko den in Paris zu großem Ansehen gelangten Georg Friedrich Schmidt 1745 nach Berlin zu berufen. Obgleich dieser im französischen Geschmack zu arbeiten verstand, wie es der König wünschte, neigte er persönlich doch mehr Rembrandt zu. Auch Johann Wilhelm Meil (1733 — 1805) arbeitete für den König und darüber hinaus für einen großen Kreis von Verlegern und Autoren, darunter Lessing, Kleist, Ramler und Goethe. Seine Vignetten, die schon einen klassizistischen und einen realistischen Einschlag haben, gehören mit zu den besten deutschen Arbeiten dieses Genres. Der bedeutendste deutsche Illustrator des ausgehenden Rokoko und des bürgerlichen Zopfstils ist Daniel Nikolaus Chodowiecki (1726 — 1801). Er ist unabhängig von der Mode der Zeit und besitzt seinen eigenen sehr charakteristischen Stil. Mit Vorliebe schildert er die bürgerliche Gesellschaft, deren Milieu er bis ins kleinste liebevoll darzustellen versteht, nicht ohne seinen Figuren gelegentlich einen karikaturistischen Zug zu geben. Seine Laufbahn als Illustrator begann spät mit einer Folge zu Lessings „Minna von Barnhelm" im Genealogischen Kalender von 1770. Sie machte den Meister berühmt, so daß er bald die Fülle der Aufträge nicht mehr allein bewältigen konnte. Das gab seinen Arbeiten zuweilen unterschiedlichen künstlerischen Wert. Hauptsächlich schuf er kleinformatige Illustrationen für Kalender und Almanache, aber auch für zahlreiche literarische Werke, von denen diejenigen zu Goethes „Werther" und zu Lavaters „Physiognomische Fragmente" berühmt wurden (Abb. 112).

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WERTBÄ

Abb. 112: Illustration von Daniel Chodowiecki zu Goethe „Die Leiden des jungen Werthers", Berlin 1775

Im Sinne Chodowieckis, doch schon mehr dem 19. Jh. zugewandt, arbeitete Wilhelm Jury (1763 — 1829), während Johann Heinrich Ramberg (1763 — 1840) zwar in der Wahl von Thema und Motiv die von Chodowiecki eingeschlagene bürgerlich-volkstümliche Richtung hielt, stilistisch aber unter die verschiedensten Einflüsse geriet. Auch die Brüder Rossmässler, besonders Johann August, arbeiteten oft nach Chodowiecki und im Stile des Klassizismus und des Empire. In Süddeutschland hatten Anfang des Jahrhunderts die Nürnberger und Augsburger Stecherschulen im barocken Stil gewirkt. In der zweiten Jahrhunderthälfte wurde die Kupferstichkunst durch Aegidius Verhelst (1742 — 1818) in Mannheim belebt. Er suchte nach französischer Art zu illustrieren, benutzte aber meist fremde Vorlagen. In München wirkte Joh. Michael Mettenleiter (1765 — 1853) als der bedeutendste Meister, den man Chodowiecki gleichgesetzt hat. Auch in seinen Illustrationen machte sich das bürgerliche und volkstümliche Milieu bemerkbar. In den übrigen europäischen Ländern orientierte man sich meist noch stärker nach dem französischen Vorbild als in Deutschland. Außerdem arbeiteten französische Künstler für das Ausland oder ausländische hatten französische Schulen durchlaufen. In Holland machte der nach Amsterdam ausgewanderte Bernhard Picart nachhaltig Schule (s. S.293), und es gab kaum einen heimischen Illustrator, der nicht die Franzosen kopierte; meist aber blieben sie im Handwerklichen stecken.

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In England zeigte sich ebenfalls der starke französische Einfluß, zumal Gravelot mehrere Jahre in London wirkte (s. S. 295) und im übrigen das illustrierte Buch nicht solchen Vorzug genoß wie in Frankreich. Wie in Deutschland herrschte auch hier noch in der ersten Jahrhunderthälfte der Barockstil. Die Periode des Rokoko war nur kurz, und bald machte sich der Klassizismus bemerkbar. Zu den fruchtbarsten und glänzendsten Künstlern dieser Zeit gehört Thomas Stothard (1755 — 1834). Der in London ansässige Italiener Francesco Bartolozzi brachte seit 1770 die Wendung zum Klassizismus. Frei vom französischen Einfluß hielt sich William Hogarth (1797— 1864), der in seiner gesellschaftskritischen Art auch als Buchillustrator Hervorragendes leistete. Er führte die erzählende Bilderfolge in England ein. Die Schweiz fand in Salomon Gessner (1730 — 1780) einen Künstler, der über den üblichen französischen Einfluß hinaus nationale Eigenart in seiner Illustrationskunst auszudrücken verstand. Er durchdringt die Rokokomotive mit frischer, naturverbundener Empfindung. Bekannt als Idyllendichter, hat er seine eigenen Werke in vollkommener Einheit mit dem Text illustriert. Auch bei ihm machen sich neben ganz rokokohaften Zügen schon Anzeichen des Klassizismus bemerkbar. Seine eigenen Werke ließ er mehrfach in verschiedener Ausfertigung erscheinen. Daneben stach er für andere zeitgenössische Dichter (Abb. 113). Von den übrigen Leistungen schweizerischer Künstler sind z.B. diejenigen hervorzuheben, die Siegmund Freudenberger mit Balthasar Anton Dunker für das „Heptameron" der Margarete von Navarra (1780/81) vollbrachte. Von Gessner angeregt, wandte sich auch Johann Rudolf Schellenberg der Buchillustration zu und entwickelte sich zu einem der besten schweizerischen Illustratoren. Er arbeitete mit Chodowiecki zusammen für Lavaters „Physiognomische Fragmente", schuf Buchillustrationen und unter anderem eine Totentanzdarstellung. Das Rokoko ist bei ihm schon ganz überwunden.

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Abb. 113: Illustration und Buchschmuck von Salomon Gessner zu seinem eigenen Werk, Zürich 1777

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Obwohl in Italien die Kupferstecherei vor allem auf dem Gebiete der Gemäldereproduktion blühte, ist für die Buchillustration kein Meister europäischen Formats tätig gewesen. Anfangs herrschte noch das barock ausgestattete Prachtwerk vor, und die Illustratoren schulten sich am französischen Stil, bis schließlich Bodoni das klassizistische, rein typographisch gestaltete Buch zur Herrschaft brachte. Als Vertreter der großen Zahl meist unbedeutender Stecher könnte man Francesco Zucchi (1692-1764), die Brüder Schiavonetti, Giovanni Lapi (um 1710-1772), Pietro Antonio Martini (1729-1800) und Pietro Antonio Novelli nennen. Venedig war ein Zentrum der Buchkunst dieser Zeit, in dem zahlreiche Stecher, darunter auch ausländische, ansässig waren. Hier kamen die bedeutendsten Kupferstichwerke in der Offizin Albrizzi und bei Antonio Zatta heraus; so bei diesem Tassos „Gerusalemme liberata" (1745), bei jenem eine Dante-Ausgabe (1757), Ariosts „Orlando furioso" (1772/73) mit 1 900 Vignetten und Goldonis Werke in 44 Bänden mit 400 Stichen. Eine besondere Stellung nahmen die Piranesi in Rom ein. Giovanni Battista, der Vater (1720 — 1778), entwickelte sich vom Vedutenstecher zu einem der erfolgreichsten Meister des Architekturstichs, der besonders der Abbildung antiker Baudenkmäler diente. Seine Blätter faßte er zu Sammelbänden zusammen, denen archäologische Abhandlungen beigegeben wurden. Stilistisch zeigt das Werk der Piranesi deutlich die Wandlung vom Barock zum Klassizismus. Seit 1761 erschienen die Bücher im eigenen Verlag, der 1778 von Francesco, dem Sohne (um 1758 — 1810), übernommen wurde. Dieser dehnte das Programm der Bildbände auch auf andere antike Kunstgegenstände, z.B. Gemäldereproduktionen, Plastiken usw., aus. Wegen revolutionärer Umtriebe mußte Francesco Piranesi mit seinem Bruder Pietro aus Rom nach Paris fliehen und geriet dabei in englische Kriegsgefangenschaft. Obwohl durch das Eingreifen Napoleons befreit, hatten die Brüder doch das gesamte Kupferstichwerk verloren. Uber die Firma Didot, die 1835 bis 1838 eine neue Auflage herstellte, gelangten die Platten 1839 an die päpstliche Kupferstichdruckerei und von da 1870 in den Besitz des italienischen Staates. In allen übrigen europäischen Ländern kamen keine selbständigen illustratorischen Leistungen von Bedeutung außerhalb des französischen Einflusses zustande.

Illustratoren im 19. und 20. Jahrhundert Anfangs des 19. Jh. geht die Zeit der Kupferstichillustration zu Ende. Eine am Klassizismus geschulte oder von romantischen Kunstanschauungen beeinflußte und bald schon zum Biedermeier neigende neue Generation von Illustratoren und Stechern vermochte weder in künstlerischer noch technischer Hinsicht dem 18. Jh. Gleichwertiges zu bieten. Die Darstellungen litten an ungeschickter Idealisierung und steifer Zeichnung und spiegelten im sentimentalen Ausdruck und in genrehaften Zügen das bürgerliche Milieu der Zeit wider. Taschenbücher und Almanache in kleinen Formaten waren Tummelplätze solcher Erzeugnisse des Kupferstichs oder der Radierung. Eine Anzahl von Künstlern verlieh in sehr unterschiedlichen individuellen Stileigentümlichkeiten der Illustrationskunst dieser Zeit ihr Gepräge. Zur eigentlichen Buchillustration trat häufig der bereits aus früherer Zeit bekannte Gebrauch, literarische Stoffe in Bildfolgen ohne engere Bindung an einen Text und an das Buch darzustellen. Die Illustrationstechniken wurden in unterschiedlicher Weise genutzt. Die Lithographie, die es ermöglichte, mit verschiedenen Mitteln ohne Zwischenstufe direkt auf den Stein zu zeichnen, kam einer realistischen Kunstauffassung entgegen. Zunächst wurde auch handkoloriert, später aber die Chromolithographie verwendet. Auch der Stahlstich erlaubte, feinste Linien zu produzieren und in höheren Auflagen als von der Kupferplatte zu drucken. Der Holzschnitt leistete Bedeutendes in der Wiedergabe von linearen Zeichnungen, und der Holzstich wurde zum Tonstich, der Hell-Dunkel-Übergänge abstufen kann. Im letzten Viertel des 19. Jh. wurden dann die fotomechanischen Verfahren eingesetzt.

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Abb. 114: Illustration von Moritz Retzsch zu Goethes „Faust", 1820

Deutsche Illustratoren im 19. Jahrhundert In Deutschland wuchs zunächst eine Illustratorengeneration heran, die, zwischen Klassizismus und Romantik stehend, sich bemühte, in großangelegten Kompositionen und heroischmonumentalen Szenen zu arbeiten, ohne diese Entwürfe mit echtem Leben und eigenem Gehalt füllen zu können. Wesentlicher Einfluß ging von dem eigenartigen Umrißstil klassizistischer Prägung aus, den der von dem Engländer John Flaxman beeinflußte Jakob Asmus Carstens (1754 —1798) auf einer Ausstellung 1795 in Rom propagierte. Die farblose, nur auf den Umriß der Figur beschränkte Zeichnung sollte antikem Kunstgebrauch nachempfunden sein, und Carstens fand damit großen Anklang. In diesem Stile illustrierte Moritz Retzsch (1779 — 1857) Schillersche Gedichte und Goethes „Faust" und fand damit selbst des Dichters Beifall, wenngleich uns heute die schemenhaften Szenen befremden mögen (Abb. 114). Bonaventura Genelli (1798 — 1868) arbeitete im gleichen Stile bis über die Mitte des Jahrhunderts hinaus, war jedoch gehaltvoller und ausdrucksstärker als Retzsch. Er wählte sich Homers und Dantes Dichtungen zum Thema und brachte mehrere Folgen von ersonnenen Lebensläufen, wie den einer Hexe, eines Wüstlings, eines Künstlers heraus, Themen und Folgen, die zu dieser Zeit beliebt waren. Mehr der romantischen Richtung zugewandt, aber immer noch in der antikisierenden Manier, versah Peter von Cornelius (1783 - 1867) Goethes „Faust" und die Nibelungen mit Bilderschmuck, während eine

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geplante Shakespeare-Illustration unvollendet geblieben ist. Bei Cornelius macht sich der Einfluß Dürers bemerkbar, und mit den Zeichnungen zum „Taschenbuch der Sagen und Legenden" von 1812 und 1817 begründet er die altdeutsche Richtung der Romantik. Julius Schnorr von Carolsfeld (1794— 1872) illustrierte, von einem Auftrag für Fresken der Münchner Residenz angeregt, der „Nibelungen Not" zusammen mit Eugen Neureuther (1843), dessen besondere Begabung in der ornamentalen linearen Zeichnung für Randeinfassungen u.a. lag. Neben den Bildern für den „Faust" und für Schillers Gedichte schuf Schnorr von Carolsfeld Bibelbilder. Die Illustrationen zur sogenannten „Cottaschen Bilderbibel" (1850) verschafften dem Künstler weithin Ruhm. Außerdem brachte er 1853 bis 1860 das umfangreiche Tafelwerk „Die Bibel in Bildern" heraus. 1867 griff er noch einmal den Nibelungenstoff auf. Der religiösen Illustration in romantischer Art widmeten sich Friedrich Overbeck (1789 — 1869) und Joseph von Führich (1800 — 1876), beide wie Cornelius und Schnorr zu dem Kreis der Nazarener gehörend und in dem akademischen, von der italienischen Renaissance beeinflußten, etwas unpersönlichen Stil dieser Künstlergruppe arbeitend. Der weitaus bedeutendste dieser Künstler, der in vielem seinen eigenen Weg ging, war Alfred Rethel (1816 — 1859). Bei ihm wirkte noch der Umrißstil nach; auch die monumental-heroische Komposition hat er mit den Zeitgenossen gemeinsam, ebenso bringt er romantische Ideen zum Ausdruck. Aber seine lineare, für den Holzschnitt geeignete Kunst verwirklicht bereits realistisches Gedankengut, und eine bedeutende künstlerische Substanz wird der gewählten Form und der beabsichtigten Bildidee voll gerecht. 1840 steuerte er Illustrationen zu einer Nibelungenausgabe bei, schuf Bilder zu dem „Zug Hannibals über die Alpen" und schließlich die berühmte Bilderfolge des Totentanzes von 1848. In geistiger Umnachtung starb er 1859.

To troll! ber .peri' ÜiMntei giir itaung Ijuiuuü unb breitet eifrig ben roeiften Sdjnee über 2Beg unb Sieg. £od) and) l)icr gibt'* fur itjn feine Waft, mit Scfinujcl iinb iöefcn jerftikt ber Stro&enfetjrer lein niiiljjam SÜJerf unb ucrjiigt ben iilberburtigen Eliten Abb. 115: Illustration von Moritz von Schwind zum Münchner Bilderbogen „Herr Winter"

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Eine andere Art der deutschen romantischen Buchillustration charakterisieren die nachfolgend genannten Künstler. Sie sind weniger auf heroische Monumentalität und große Gesten aus als auf das Gemütvolle, Märchenhafte und die Schilderung des Einzelnen und Alltäglichen. So wußte der in München wirkende Wiener Moritz von Schwind (1804-1871) die Welt der Märchen besonders liebevoll zu schildern. Seine Kunst besitzt starke erzählerische Züge. Er schuf Bilderfolgen, bei denen die einzelne Darstellung in einen Gesamtrahmen eingefügt ist. Diese zyklenhaften Zeichnungen erschienen in den Folgen der „Münchner Bilderbogen", die von der xylographischen Anstalt Braun & Schneider in München seit 1850 herausgegeben wurden (Abb. 115). Solche Bilderbogen, die ganze Geschichten zur Unterhaltung, aber auch lehrhafte Stoffe für Leseunkundige und besonders für Kinder enthielten, waren im 18. Jh. aus den Einblattdrucken entstanden. Sie wurden oft in grober Holzschnittmanier ausgeführt. Weiterhin hat Schwind Bilderfolgen mit Märchenstoffen als Wanddekoration entworfen, wie „Aschenbrödel", die „Sieben Raben" und die „Schöne Melusine". Zu seinen besten Werken gehören die Illustrationen zu Mörikes „Historie von der schönen Lau" (Stuttgart: Göschen 1873).

Abb. 116: Illustration von Ludwig Richter aus „Fürs Haus", Leipzig 1861

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Abb. 117: Lithographie von Theodor Hosemann zu E.T.A. Hoffmanns Märchen „Meister Floh" aus seinen Gesammelten Schriften, Berlin 1844

Der volkstümlichste und produktivste deutsche Illustrator der Romantik und des Biedermeier ist der Dresdner Ludwig Adrian Richter (1803 — 1884) geworden. Eine Fülle von Buchillustrationen und die verschiedenen Mappen und Sammelwerke seiner graphischen Blätter schildern romantisch poetisiert das kleinbürgerliche oder dörfliche Leben seiner Zeit (z.B. „Fürs Haus", Dresden 1858 — 1861). Seine starke poetische Begabung ließ ihn zum gemütvollen Märchenillustrator werden (z.B. Musäus: Volksmärchen der Deutschen), der auch christlich-religiöse Gefühlswerte volkstümlich zum Ausdruck zu bringen weiß. Aber seine Stärke war zugleich auch seine künstlerische Grenze und die Grenze dieser das Leben und seine Probleme idyllisierenden Richtung überhaupt (Abb. 116.). Bei Theodor Hosemann (1807 — 1875), der ebenfalls zum romantisch-biedermeierlichen Kreis gehört, tritt ein ganz anderer Zug zutage. Er ist der Schilderer der Berliner Gesellschaft und des kleinbürgerlich-biedermeierlichen Großstadtmilieus geworden und zeigt in seinen zahlreichen im Grunde humoristischen oder grotesken Darstellungen einen gesellschaftskritischen Zug (Abb. 117). Von ihm stammen auch viele Kinderbuchillustrationen, wie überhaupt das Kinderbuch in dieser Zeit stärker beachtet wird. Ein weiterer Meister der Kinderbuchillustration ist der Münchner Graf Franz von Pocci (1807— 1876). In seiner manchmal etwas primitiv anmutenden Zeichenmanier

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liegt ebenfalls ein humoristisch-karikaturistischer, wohl auch kritisch gemeinter Ausdruck. Der Norddeutsche Otto Speckter (1807 —1871) dagegen folgte mehr der Art von Richter und widmete sich ebenfalls dem Kinderbuch. Dieses errang 1845 mit der unsterblichen, von dem Frankfurter Arzt Heinrich Hoffmann erfundenen Gestalt des „Struwwelpeter" seinen ersten bis heute wirksamen Welterfolg. Es prägte den Charakter des Kinderbilderbuches. Außer dem Kinderbilderbuch kam in dieser Zeit noch andere Bilderliteratur auf, die illustrierten und satirischen Zeitschriften. Nach englischem Vorbild brachten in den dreißiger Jahren Leipziger Verleger zur Förderung der Volksbildung sogenannte „Pfennigmagazine" heraus. 1843 begründete der Verlag J.J. Weber die erste „Illustrierte Zeitung", der bald bekannte und langlebige Familienzeitschriften wie die „Gartenlaube" (1853), „Uber Land und Meer" (1858) und „Daheim" (1864) folgten. Eine besondere Art dieser Zeitschriften waren die satirischen und die Witzblätter, die mit den „Fliegenden Blättern" (1844) und dem „Kladderadatsch" (1848) begannen. Von den Bilderbogenfolgen, die ähnlich den „Münchner Bilderbogen" im 19. Jh. verschiedene Verleger herausbrachten, seien die „Neuruppiner Bilderbogen" (um 1810 bis 1939) von Gustav Kühn erwähnt, die sich an die ländliche und kleinbürgerliche Bevölkerung wandte. Während an diese aber keine künstlerischen Ansprüche gestellt wurden, waren für das Münchner Unternehmen erste Illustratoren der Zeit wie Adolf Schrödter, Richter, Pocci, Speckter, Adolf Oberländer, Schwind und vor allem Wilhelm Busch tätig. Busch entwickelte sich zu einem hervorragenden humoristischen Illustrator eigenen Stils; nicht nur seine treffend karikierenden Zeichnungen, sondern auch seine gut pointierten Verse sind bis heute lebendig und beliebt geblieben. Die Illustratoren des 19. Jh. überragt Adolph von Menzel (1815 - 1905). Aus kleinen Verhältnissen stammend, bildete er sein Talent im Selbststudium. Von den drucktechnischen Verfahren nutzte er die Lithographie und den Holzstich. Scharfe Naturbeobachtung und Genauigkeit der Zeichnung zeigen seinen Stil dem aufkommenden Realismus zugewandt. Mit unvergleichlichem Können vermochte er flüchtige Bewegung, Atmosphäre, das Stoffliche und das Charakteristische einer Szene, der Figuren und der Gegenstände wiederzugeben. Menzel wurde berühmt durch seine Darstellungen zur preußischen Geschichte, insbesondere der Zeit Friedrichs II. Er schuf Illustrationen zum Leben und zu den Werken dieses Königs, die dessen Verherrlichung dienen sollten, in denen Menzel aber auch kritische Züge auszudrücken verstand. So z.B. illustrierte er die 1840 bei J.J. Weber erschienene „Geschichte Friedrichs des Großen" von Franz Kugler. Sie enthält 400 Illustrationen, die auf genauen historischen Studien beruhen und Meisterwerke der Holzstichtechnik sind (Abb. 118). Anfangs bestanden die Schwierigkeiten, brauchbare Holzschneider zu finden, bis sich Menzel in Friedrich Ludwig Unzelmann, Eduard Kretzschmar und den Brüdern Albert und Otto Vogel leistungsfähige Künstler herangebildet hatte. Friedrich II., sein Hof und seine Soldaten blieben fortan Menzels Hauptthema; er schuf Abbildungswerke über die Armee und illustrierte eine Privatausgabe der Werke des preußischen Königs. Auch Dichtungen, wie Chamissos „Peter Schlemihl" (1839) und Kleists „Der zerbrochene Krug" (1877), sind von Menzel mit Bildern ausgestattet worden. Bevor in der zweiten Hälfte des 19. Jh. die ersten Regungen moderner Graphik spürbar wurden, herrschte weithin der realistische vom Tonholzschnitt geprägte Stil, der in seiner Tendenz, den Text mit zeichnerischen und malerischen Mitteln episodisch auszumalen, die Grenzen der Illustration verwischte, selbst novellistisch wurde und sich einem stark aufgetragenen, ins Sentimentale abgleitenden Ausdruck hingab. Die fotomechanischen Reproduktionsverfahren unterstützten diese Geschmacksrichtung, die in protzig ausgestatteten, großformatigen Prachtwerken zum Ausdruck kam. Es ist eine Ausnahmeerscheinung, wenn in dieser Zeit sich ein bedeutender Künstler wie Max Klinger (1857- 1920) der Buchillustration widmet. Seine Radierungen zu der Ausgabe des Märchens „Amor und Psyche" von Apuleius, die 1880 bei Th. Stroefer in München erschien, stellen einen Markstein der Buchkunst dar (s. Abb. 84, S. 234). Erst mit der neuen Buchkunstbewegung hob sich das künstlerische Niveau der Buchillustration wieder.

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Abb. 118: Holzstich von Adolph von Menzel zu Franz Kugler „Geschichte Friedrichs des Großen", Leipzig: J.J. Weber 1840

Englische Illustratoren im 19. Jahrhundert In England wirken um die Wende vom 18. zum 19. Jh. zwei Außenseiter: William Blake (1757 - 1827) und John Flaxman (1755 - 1826). Blake geht in der Technik und im Darstellungsstil völlig eigene Wege, die man als Vorwegnehmen moderner Bestrebungen bezeichnen könnte. Er will im Buch zwischen Inhalt, Schrift und Bild wieder eine künstlerische Einheit schaffen. So veröffentlicht er eigene Dichtungen, indem er die eigenhändig ausgeführte Textgestaltung und Illustration von einer Kupferplatte druckt, die durch ein Atzverfahren so behandelt ist, daß die druckenden Teile wie beim Holzschnitt erhaben stehenbleiben. Die Abdrucke werden außerdem farbig

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Abb. 119: Seite aus William Blake „Songs of Innocence and of Experience", 1789- 1794

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getönt. Blake gestaltet seine Illustrationen, die den in seinen Dichtungen geäußerten mystischen Gedanken entsprechen, in einer eigenartigen symbolisch-visionären Darstellungsweise. Schon an den Titeln erkennt man diese Haltung: 1789 erschienen die „Songs of Innocence" und 1794 als Gegenstück die „Songs of Experience" (Abb. 119), dazwischen 1790 „The Marriage of Heaven and Hell" und 1804 „Jerusalem". Während Blake das klassizistische Ideal seiner Zeit ablehnte, hing ihm John Flaxman (1755 — 1826) um so stärker an. Er ist der Vertreter eines Umrißstils, mit dem er vor allem auch auf die deutschen Künstler anregend wirkte (s. S. 300). Seine Illustrationsfolgen zu Homer, Aischylos und Dante erschienen seit 1793 ohne Text in Buchform als Kupferstiche in Rom, Leipzig, London und Amsterdam und fanden ebenfalls rege Nachahmung. Ein Zug eigener englischer Wesensart kommt aber erst bei Illustratoren wie Rowlandson und Cruikshank zum Ausdruck. Es ist die Neigung zum volkstümlich derben Humor und zur gesell-

Abb. 120: Illustration in Aquatinta-Manier von Thomas Rowlandson zu Coombe „The Tour of Doctor Syntax", London 1817

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Abb. 121: Illustration von George Cruikshank zu Charles Dickens „Oliver Twist", Stuttgart 1841

schaftskritischen Karikatur. Thomas Rowlandson (1756 —1827) begann seine Laufbahn als Illustrator noch im 18. Jh. mit Kupferstichen, errang aber seinen Haupterfolg erst mit dem Werk „The Tour of Dr. Syntax" (1809), dem viele Bände folgten, in deren Mittelpunkt die groteske Figur des Geistlichen und Schulmeisters Dr. Syntax als Karikatur des englischen Durchschnittbürgers steht (Abb. 120). Unter den zahlreichen weiteren Werken ragt eine Totentanzfolge hervor, die bei allem Ernst des Themas doch den eigenartigen burlesken Zeichenstil des Künstlers spüren läßt. Die Illustrationen dieser Bücher sind koloriert, wie es damals in England beliebt war. In der Holzschnitt-Technik und ohne Kolorierung illustriert dagegen George Cruikshank (1792 - 1878) zahlreiche Bücher (Abb. 121). Auch er ist der Karikaturist der bürgerlichen Gesellschaft und schuf u.a. Bilder für deutsches Literaturgut wie Chamissos „Peter Schlemihl" (1832) und Grimms Märchen. Cruikshank arbeitete teilweise mit William Makepeace Thackeray zusammen, der als berühmter Schriftsteller auch eigens Werke in humoristischem Stil illustrierte. Mit beißendem Spott geißelte Thomas Landseer (1794 — 1880) die englischen Bürger in Gestalt der Affen in seinem Werk „Monkeyana" (1827). In anderen Illustrationen zeigt er einen Zug ins Dämonische, wie in dem Holzschnitt zu Robert Burns „Address to the Devil" (1830). Die englischen Karikaturisten hatten ihr Organ in dem seit 1841 bis heute bestehenden humoristisch-

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satirischen Wochenblatt „Punch". Ab 1842 erschienen die „Illustrated London News" als erste Zeitschrift, in welcher der Text dem Bild untergeordnet war. Ein Hauptthema der englischen Buchillustration dieser Zeit waren die Werke von Charles Dickens. Unter anderem fand hier John Leech ein Betätigungsfeld mit seiner Gabe, das Volksleben zu schildern. Gleichzeitig war er einer der Hauptmitarbeiter am „Punch". Unter dem Pseudonym „Phiz" wurde Hablot Knight Browne (1815— 1882) zum bekanntesten Illustrator der Werke Dickens. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. kommt ein neuer Stil auf, der dem derb-humoristischen und gesellschaftskritischen völlig entgegengesetzt ist. Durch den Einfluß der Präraffaeliten, die sich an den Stil der Vorgänger Raffaels anlehnten und eine neue gefühls- und naturbetonte Kunst mit einem neuen Schönheitsideal erstrebten, bekam die Buchillustration einen epigonalen, sentimentalen, theatralischen Zug. Das Religiöse spielte wieder eine Rolle, und die ganze Kunst wurde mit einem Hauch der Feierlichkeit umgeben. Unwirkliche, ätherische, zuweilen leicht süßliche Gestalten, die schön, aber wesenlos sind, werden pathetisch in Szene gesetzt. Sagen und Legenden bildeten den Stoff. Haupt der neuen Bewegung war Dante Gabriel Rossetti (1828 —1882), und ein großer Kreis von Buchkünstlern schloß sich dieser Richtung an, die bis in den Beginn der modernen Buchkunstbewegung hinein wirkte. So sind auch William Morris und Walter Crane (1845—1915) von ihr beeinflußt. Beide suchten wieder die künstlerische Einheit von Schrift,

Abb. 122: Illustration von Aubrey Beardsley zu Thomas Malory „Morte Darthur", London 1909

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Schmuck und Bild in der Buchkunst (s. Abb. 83, S. 231). Crane schuf Illustrationen zu Kinderund Märchenbüchern, zu Shakespeare und zur Bibel. Eine besondere Stellung in diesem Künstlerkreis nimmt Aubrey Vincent Beardsley (1872-1898) ein. Er leitet zur modernen Buchkunst über und gewinnt mit seiner in Schwarz-Weiß-Gegensätzen ausdrucksstark arbeitenden, linear und dekorativ wirkenden Kunst größten Einfluß in Europa (Abb. 122).

Abb. 123: Lithographie von Eugene Delacroix zu Goethes „Faust", Paris 1828

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Französische Illustratoren im 19. Jahrhundert Die neuen graphischen Techniken der Lithographie und des Holzstichs sowie die neue Kunstrichtung der Romantik bestimmen auch die französische Buchillustration Anfang des 19. Jh. Aber es kommt zu ganz anderen Ausdrucksformen als in Deutschland. Es fehlt der Zug ins Sentimentale, moralisierend Frömmelnde. Die französische Illustration neigte mehr zur Karikatur, und die spritzige französische Geistreichelei kommt gern in einer kritischen und spöttischen Spitze gegen das Bürgertum und schließlich in der politischen Karikatur zum Ausdruck. Die gesamte Darstellungsweise ist lebendiger und bewegter, gelegentlich mit einem Schuß ins PhantastischGroteske. Zu den Meistern dieser Illustrationskunst gehört Eugene Delacroix (1798 — 1863) mit seinen 1827 geschaffenen Lithographien zu Goethes „Faust" (Abb. 123) und den Bildern zu „Ham-

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Abb. 124: Illustration von Tony Johannot zu Lesage „Der hinkende Teufel", Pforzheim 1840

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let" von 1834 bis 1843. Einer der Hauptvertreter und der fruchtbarste Buchkünstler der französischen Romantik ist Tony Johannot (1803 - 1852), aus dessen zahlreichen Arbeiten die Illustrationen zu der mehrfach aufgelegten Don-Quijote-Ausgabe von 1836/37 hervorzuheben sind. Auch er hat u.a. den „Werther" (1845) und den „Faust" (1847) illustriert (Abb. 124). Jean Franjois Gigoux (1806— 1899) versah Lesages „Gil Blas" mit kleinen, in Holzstichtechnik lebendig und sehr fein ausgeführten Vignetten, Initialen und Ornamenten (1835). Der große Erfolg des Werkes machte den Holzstich in Frankreich populär. Als eine Gemeinschaftsarbeit von Künstlern romantischer Richtung kann das Werk über die alten französischen Baudenkmäler „Voyages pittoresques et romantiques dans l'ancienne France" von I.J.S. Taylor betrachtet werden. Es erschien in 23 Bänden von 1820—1878 bei Didot mit Lithographien verschiedener Meister, darunter Antoine Charles Horace Vernet (1758 — 1836). Wenn in Deutschland von Menzel ein historischer Stoff aus der preußischen Geschichte behandelt wurde, so gingen diesem Unternehmen in Frankreich vorbildlich wirkende Folgen graphischer Blätter über Napoleon und seine Armee voraus, die von A.C.H. Vernet zum Teil unter Mitarbeit seines Sohnes Jean Emile Horace Vernet (1789 — 1863) geschaffen wurden. Vor allem wirkte sich die „Histoire de l'empereur Napoleon" von Laurent de Ardeche (Paris 1839), die J.E.H. Vernet illustrierte, auf Menzels Werk aus. In den Illustrationen der Vernets, von denen noch die Lithographien zu den „Fables choisies" (1818 — 1820) genannt seien, tritt bereits die Wendung zum realistischen Stil ein. Einer eigenartigen Manier bediente sich Jean Ignace Isidore Grandville (1803 — 1847), um die bürgerliche Gesellschaft zu karikieren: er zeichnete, analog zur Fabel, Tiere in Menschengestalt und setzte sie in menschlichen Beschäftigungen und Gepflogenheiten in Szene (Abb. 125). Der geschickte Schilderer der eleganten Pariser Gesellschaft wurde Paul Gavarni (1804 — 1866). Er begann als Zeichner von Modeblättern und belebte dieses Metier wieder in künstlerischem Sinne. Besonders seine Lithographien für die politisch-satirische illustrierte Tageszeitung „Charivari" (1832 ff.) machten ihn berühmt und einflußreich. Als Buchillustrator arbeitete er für Werke Balzacs. Aber nicht nur die Vertreter der oberen Gesellschaftsschichten, auch das Proletariat wußte er darzustellen, wie in den in 18 Serien mit 329 Lithographien erschienenen „Masques et Visages" (1857) (Abb. 126). Der bedeutendste Schilderer der französischen bürgerlichen Gesellschaft und zugleich ihr schärfster Kritiker war der Karikaturist Honore Daumier (1808 — 1879). In der Zeitschrift „La Caricature" führte er zunächst einen scharfen Kampf gegen die führenden Politiker, bis 1835 die Zeitschrift verboten wurde. Seitdem arbeitete er am „Charivari" als Karikaturist und brachte umfangreiche Blattfolgen und Alben heraus, mit denen er satirisch gesellschaftliche Mißstände bloßstellte. Er gilt als der unbestrittene Meister der Lithographie im 19. Jh. Gegenüber seinen Arbeiten für Zeitungen und Zeitschriften treten die Buchillustrationen, die er u.a. für Fabeln von Lafontaine sowie für Werke Molieres schuf, zurück. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts überragt die französischen Illustratoren Gustave Dore (1832 — 1883). Als vielseitiger und schaffensfreudiger Künstler hat er das großformatige französische Luxusbuch dieser Zeit ausgestattet, Prachtwerke wie Dantes „Hölle" (1861), Cervantes „Don Quijote" (1863), Ariosts „Rasenden Roland" (1870) und besonders die Bibel mit 228 Bildtafeln (1866), die seinen Ruhm in weite Kreise trugen. Dore beherrscht bei großem Formenreichtum virtuos die graphischen Gestaltungsmittel und vermag vom Einzelnen bis zur großen dramatischen Szene alle Ausdrucksmöglichkeiten spielen zu lassen. Abgesehen von den genannten Prachtwerken hat er in seiner Frühzeit Karikaturen gezeichnet, sich dann aber ganz der Buchillustration gewidmet. Er stattete die Werke Rabelais' und die „Contes drolatiques" von Balzac mit Bildern aus, die als seine besten Schöpfungen geschätzt werden (Abb. 127). Die deutschen Romantiker und die später wirkenden Realisten, die französischen Karikaturisten, die englischen Humoristen und schließlich die Präraffaeliten sind die wesentlichen Vertreter der Buchillustration im 19. Jh. in Europa; alles andere ordnet sich ihrer Darstellungsweise ein und erreicht kaum die Bedeutung der angeführten, die Entwicklung bestimmenden deutschen, englischen und französischen Meister.

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Abb. 125: Illustration von Jean Ignace Isidore Grandville zu „Cent proverbes", Paris 1845

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Abb. 126: Illustration von Paul Gavarni zu „Le diable a Paris", Paris 1846

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Abb. 127: Illustration von Gustav Dore zu Cervantes „Don Quijote", Paris 1868

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Deutsche Illustratoren der Buchkunstbewegung und der Gegenwart Mit den Ende des 19. Jh. aufkommenden Bemühungen, eine neue Buchkunst zu schaffen, belebt sich auch wieder die Illustrationskunst. Anregungen des 19. Jh., wie sie von den Präraffaeliten und William Morris sowie von spätmittelalterlichen gotischen Vorbildern ausgegangen waren, werden mit neuen Stiltendenzen, denen des Jugendstils, vermischt. Zugleich tritt eine große Schar junger Talente mit unterschiedlichem künstlerischem Vermögen auf. Sie sammeln sich meist um die führende Zeitschrift der Bewegung „Pan", welche die Proben ihres Könnens und Wollens veröffentlicht. Der Grundsatz der neuen Buchkunst ist, das Buch wieder als eine künstlerische Einheit von Text, Typographie und Bildschmuck zu gestalten.

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Abb. 128: Illustration von Thomas Theodor Heine zu Pierre d'Aubecque „Die Barrisons", Berlin 1897

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Erste Repräsentanten sind Joseph Sattler (1867 - 1 9 3 1 ) und Melchior Lechter (1865 - 1936). Sattler schuf mit den Illustrationen zur „Geschichte der Rheinischen Städtekultur" ( 1 8 9 7 - 1 9 0 1 ) von Heinrich Boos und mit den Bildern zur Nibelungenausgabe für die Weltausstellung 1900 beispielhafte Werke. Sie lassen das Bestreben erkennen, das Bild dem Buch harmonisch einzuordnen, wirken flächenhaft, betonen die Linien und zeigen ornamentale, dem Jugendstil eigene Formen. Diese Merkmale, besonders die ornamentalen, werden zu allgemeinen Gestaltungselementen der modernen Buchkunst dieser Jahre. Das Ornamentale hat Melchior Lechter reich ausgeprägt (s. a. S. 231). Bei ihm tritt das Realistisch-Bildmäßige ganz zurück. Er arbeitet mehr für den Buchschmuck als für die Illustration, übernimmt dabei spätgotische Formen und gestaltet besonders Stefan Georges Werke in seinem formstrengen eklektizistischen und zu seiner Zeit sehr stark wirkenden Stil. Ein frühes charakteristisches Beispiel dieser Illustrationskunst ist das Titelbild zu Maurice Maeterlincks „Der Schatz der Armen" (1898). Auch bei Thomas Theodor Heine ( 1 8 6 7 - 1 9 4 8 )

Abb. 129: Titel von Marcus Behmer, 1911

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und bei anderen Illustratoren der in München erscheinenden satirischen Wochenschrift „Simplicissimus" bis hin zu Olaf Gulbransson (1873 — 1958) herrscht die ornamentale Linie, bei Heine mehr expressiv abstrahiert (Abb. 128), bei Gulbransson knapp, mit wenigen Strichen unvergleichlich charakterisierend. In anderer Weise, aber ganz dem Jugendstil ergeben, illustriert Heinrich Vogeler-Worpswede (1872 — 1942). In zartem eigenwilligem Linienspiel zeichnet er seine etwas wirklichkeitsentrückten Szenerien und Figuren und weiß seinen Bildern eine feine, etwas melancholische Stimmung zu geben (s. Abb. 85, S. 233). Einem eigenen idealisierenden und heroisierenden, an die Grenze des möglichen Ausdrucks streifenden Schönheitsideal hängt Fidus (= Hugo Höppener) nach; eklektizistisch und von dem Engländer Aubrey Vincent Beardsley beeinflußt, illustrierte Marcus Behmer (1879 - 1958) Oscar Wildes „Salome" (1903), Balzacs „Mädchen mit den Goldaugen" (1904) und Voltaires „Zadig" (1912) (Abb. 129). Eine eigenartige Stilwelle macht sich im ersten Jahrzehnt des 20. Jh. bemerkbar. Sie greift auf das Rokoko und das Biedermeier zurück. Rokokohaft in Gewand, Gebärde und Milieu lassen Karl Walser, Paul Scheurich und Alphons Woelffle ihre Figuren erscheinen. Einen „biedermeiernden Romantiker" hat man dagegen Emil Preetorius (1883 — 1973) genannt (Abb. 130). Er verwendete den Schattenrißstil (Claude Tilliers „Mein Onkel Benjamin") und arbeitete überhaupt mit Linien und Hell-Dunkel-Flächen wie in den Tafeln zu Chamissos „Peter Schlemihl" von 1907. Das Biedermeierlich-Romantische kommt in den Lithographien zu Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts" (1914) zum Ausdruck, die nicht so stilisiert formelhaft wie die oben genannten Illustrationen, sondern mehr realistisch ausgeführt sind. Auch ein Schuß Humor findet sich bei Preetorius. Trefflich und köstlich charakterisierend sind die Zeichnungen zu Gerstäckers „Herrn Mahlhubers Reiseabenteuer" (1917) ausgefallen, die sich vorzüglich dem Text einordnen. Bei den großen impressionistischen Meistern der Illustrationskunst, wie Lovis Corinth (1858 - 1925) und vor allem Max Slevogt (1968 - 1932), droht die Einheit von Bild und Typographie wieder gesprengt zu werden. Ihre Illustrationen sind oft zu selbständige künstlerische Schöpfungen, als daß sie sich dem Text ein- oder unterordnen ließen. Die Künstler greifen in ihrer Formenund Gestaltenfülle über die gesteckten Grenzen hinaus, wie Slevogt, dessen Zeichnungen oft ohne Rücksicht auf die Typographie den Satzspiegel überfluten, eine Manier, die nicht ohne künstlerischen Reiz ist. Slevogt ist der Hauptmeister dieser Impressionisten. Er dichtet gleichsam in seinen Illustrationen den Stoff mit zeichnerischen Mitteln weiter. Seine Technik ist die Lithographie. Märchen- und Abenteuerbücher hat er am liebsten illustriert. 1903 begann er mit „Ali Baba und die 40 Räuber", sein Hauptwerk wurde der „Lederstrumpf" (1909), zu Mozarts „Zauberflöte" schuf er Radierungen (1920). Schließlich gipfelte diese Art, Satzspiegel, Randzeichnungen und Tafelbilder miteinander zu verbinden, in dem Bilderschmuck zu Goethes „Faust II. Teil" (1927). Slevogts Kunst sucht die Bewegung, das Flüchtige der dramatischen, figurenreichen Szene zu gestalten. Manches verwischt er; manches betont er schlaglichtartig (Abb. 131). In den Kreis dieser Künstler gehört auch Hans Meid (1883 - 1957). Er arbeitet in der Technik der Radierung und der Federzeichnung und setzt die Illustrationen gegen den Schriftsatz ab. Er ist vielseitig im Ausdruck vom Schlichten, Zarten bis zum Dämonischen und weiß sich seinem Stoff und der typographischen Form gut anzupassen (Abb. 132). Aus der Schar der Künstler, die bis zur Gegenwart in unterschiedlich individuellen stilistischen Ausdrucksformen für diese Zeit Charakteristisches geleistet haben, können hier nur noch einige wenige hervorgehoben werden: Walther Klemm (1883 - 1957) schuf ausdrucksstarke, formal wohl durchgebildete Originalholzschnitte zu mehreren Standardwerken der Weltliteratur. Hugo Steiner-Prag (1880 — 1945) vollzog in seinen zahlreichen Illustrationen zu verschiedenen Stoffen den Ubergang vom Heiter-Graziösen zum Dämonisch-Spukhaften und deckte das Dunkle, Verborgene und Abwegige der menschlichen Existenz auf (Abb. 133). Diese Absicht entsprach der Grundstimmung, in der auch manche

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Abb. 130: Titel von Emil Preetorius, 1912

Werke einer expressionistischen Illustrationskunst gehalten sind, die psychologische Erkenntnisse, Spannungen und Probleme zum Ausdruck bringen wollen, dabei von überkommenen Darstellungsweisen abrücken und bewußt eine subjektive, manchem Betrachter schwer verständliche Formensprache benutzen. Zu den bedeutendsten Malern, die gelegentlich auch Bücher nach Art des Expressionismus illustriert haben und als Vertreter des „Malerbuches" gelten können (s. S. 328), gehören Ernst Ludwig Kirchner (Heym: Umbra Vitae, 1924), Paul Klee (Voltaire: Kandide, 1920) und Max Beckmann (Edschmid: Die Fürstin, 1919; Goethe: Faust II (1943/44), Apokalypse,

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