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German Pages 1023 [1024] Year 1999
ALBIN LESKY
GESCHICHTE DER GRIECHISCHEN LITERATUR
DRITTE, N E U BEARBEITETE U N D ERWEITERTE AUFLAGE
K G SAUR MÜNCHEN
1999
D I E S E A U S G A B E IST EIN U N V E R Ä N D E R T E R N A C H D R U C K DER D R I T T E N , NEU B E A R B E I T E T E N U N D E R W E I T E R T E N AUFLAGE, E R S C H I E N E N IM F R A N C K E VERLAG B E R N UND M Ü N C H E N 1971.
Die Deutsche Bibliothek
- CIP-Einheitsaufnahme
Lesky, Albin: G e s c h i c h t e der griechischen Literatur / Albin Lesky. J u b i l ä u m s a u s g . - Unveränd. Nachdr. der 3., neu bearb. und erw. A u f l . - München : Saur, 1999 ISBN 3 - 5 9 8 - 1 1 4 2 3 - 0
Θ Gedruckt auf s ä u r e f r e i e m Papier / Printed on a c i d - f r e e paper © 1999 by Κ. G. Saur Verlag G m b H & Co. KG, München Part of Reed Elsevier Printed in the Federal Republic of Germany Alle Rechte vorbehalten / All Rights Strictly Reserved Jede Art der Vervielfältigung ohne Erlaubnis des Verlags ist unzulässig Druck und Binden: Strauss O f f s e t d r u c k GmbH, M ö r l e n b a c h ISBN 3 - 5 9 8 - 1 1 4 2 3 - 0
DEM ANDENKEN RUDOLF HEBERDEYS
Z U R EINFÜHRUNG Die wahre Vermittlerin ist die Kunst. Über Kunst sprechen heißt die Vermittlerin vermitteln wollen, und doch ist uns daher viel Köstliches erfolgt. Goethe, Maximen und Reflexionen über Kunst Die Organe der Erkenntnis, ohne die kein rechtes Lesen möglich ist, heißen Ehrfurcht und Liebe. Auch dieWissenschaft kann ihrer nie entraten ; denn sie begreift und scheidet nur, was die Liebe besitzt; und ohne Liebe bleibt sie leer. Emil Staiger, Meisterwerke deutscher Sprache
Literaturgeschichte zu schreiben halten heutzutage manche für unfein, andere schlechtweg für unmöglich. Die zweite der genannten Meinungen hat einiges für sich, doch ist die Folge einer derart pessimistischen Haltung ein wenig erfreulicher Zustand. Wir haben für den Gegenstand knappe Übersichten, unter denen jene von WALTHER KRANZ als kleines Meisterwerk bei weitem voransteht, auf der anderen Seite aber die fünf Bände, die uns der gigantische Fleiß von WILHELM SCHMID geschenkt hat und deren letzter glücklich an das Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. herangekommen ist. Die Mitte zwischen diesen Extremen ist unbesetzt. Den handlichen Band, der unser Wissen um den Gegenstand so darstellte, daß er dem Studierenden Grundlage, dem wissenschaftlich Arbeitenden erster Behelf und jedem Interessierten Vermittler eines raschen und doch ausreichenden Zuganges zur Literatur der Griechen sein könnte, gibt es in deutscher Sprache nicht. Diese Lücke möchte miser Unternehmen füllen. Dabei ist die Bewältigung eines so umfangreichen Stoffes auf dem vorgesehenen Räume nur auf Grund einiger Einschränkungen möglich, die eine kurze Begründung verlangen. Die erste betrifft die griechisch-christliche Literatur, die den Rahmen dieses Bandes gesprengt hätte und an sich um ihrer Bedeutung willen eine gesonderte Behandlung verlangt. Nicht eben so leicht war es, Teile des jüdisch-hellenistischen Schrifttums auszuklammern, doch konnten sie nur in ihrer Randstellung zum Hauptthema Berücksichtigung finden. Man wird es ferner von keiner Geschichte irgendeiner Literatur verlangen, daß sie zu gleicher Zeit eine Darstellung des philosophischen Denkens und der Wissenschaften in dem betreffenden Gebiete sei. Nun sind diese Dinge für die Griechen vor allem in der Frühzeit schwieriger abzutrennen als sonstwo. Sie haben also ihre Behandlung gefunden, doch kann und will diese Literaturgeschichte nicht zugleich eine Geschichte der griechischen Philosophie und der griechischen Wissenschaften sein. Während sich das alles weitgehend von selbst versteht, bedarf eine andere Maßnahme eines besonderen Wortes. Dieses Buch stellt bewußt die großen und für das Werden des Abendlandes entscheidenden Leistungen in den Vordergrund. Hier abrißhafte Kürze zu vermeiden war nur möglich, wenn die Akzente nicht völlig gleichmäßig auf allen Erscheinungen lagen oder, um einen anderen Vergleich zu gebrauchen, wenn
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das Kartenbild nicht in allen seinen Teilen auf denselben Maßstab gestellt wurde. Es ist nicht unsere Absicht, die Namen der rund 2000 griechischen Schriftsteller, die wir kennen, alle zu verzeichnen und die Werke vollständig anzuführen, von denen wir außer dem Titel nichts wissen. Auch sind die einzelnen Epochen nicht mit der gleichen Einläßlichkeit behandelt. Während der Archaik und der Klassik der größte in diesem Rahmen mögliche Raum vorbehalten ist und die tragenden Erscheinungen des Hellenismus ebenfalls ausreichend gewürdigt werden sollen, ist die kaum übersehbare Fülle literarischer Hervorbringungen der Kaiserzeit wesentlich kürzer behandelt. Wir meinen, dies mit den eingangs bezeichneten Zwecken dieses Bandes wohl vereinigen zu können. Die Wissenschaft vom Altertum darf es gewiß nie verleugnen, daß sie durch den Historismus gegangen ist, der das klassizistisch verengte Hellenenbild aufsprengte und jeder Erscheinung an ihrem Orte volle wissenschaftliche Sorgfalt zuwandte. Man ist sich aber seit der ersten Nachkriegszeit des Rechtes und der Pflicht, das historisch Erfaßte in seiner Bedeutung zu werten, erneut bewußt geworden. Ein Werk, das auf letzte Vollständigkeit angelegt ist, mag einen Cassius Dio mit der gleichen Ausführlichkeit behandeln wie Thukydides und einen Musaios wie Homer, in einer Darstellung, die das Wesentliche vermitteln will, wäre dies widersinnig. Durch Verzichte der angeführten Art sollte den großen, über die Zeiten wirksamen Werken der griechischen Literatur der Raum für die Behandlung nach bestimmten Grundsätzen gewonnen werden. Es war nicht die Absicht des Verfassers, hier mit Einzelheiten zu sparen. Unsere Zeit ist dem Geschichtlichen gegenüber träge geworden, und hinter all den geistvollen Subjektivismen und oft recht schiefen Popularisierungen wird eine Scheu vor ehrlicher Auseinandersetzung und eine Verdünnung tatsächlichen Wissens erkennbar, die in beklemmender Weise an Vorgänge in der sinkenden Antike erinnert. Entwicklungen solcher Art möchte dieses Buch zu seinem bescheidenen Teile dadurch begegnen, daß es an den entscheidenden Stellen Fülle des Tatsächlichen nicht meidet und ebenso die wissenschaftliche Problematik zeigt. Was W E R N E R JAEGER einmal geschrieben hat (Gnomon 1951, 247), ist uns ein Leitwort: *Das eigentlich Wichtige sind... die Probleme, und wir haben unser Bestes getan, wenn wir sie offen halten und künftigen Geschlechtern lebendig überliefern.» Das Recht des Autors, seine eigene Stellung zu vertreten, ist mit der Würdigung anderer Sehweise durchaus vereinbar, und nicht selten wird auch das Einbekenntnis unseres Nichtwissens oder nicht gelöster Zweifel zur wissenschaftlichen Pflicht. Literaturgeschichte ist - und darum gehen ihr so viele aus dem Wege - heute mehr denn je in schwierige Antinomien gestellt. Genetische Entwicklung und Betrachtung der Erscheinungen in ihrer Eigenständigkeit, Bedingtheit durch die Umwelt und Ausprägung des Individuellen, Einfügung in das Genos und Durchbrechung seiner Schranken, unmittelbare Nähe zu den Werken auf Grund der allgemein menschlichen Voraussetzungen (aber Nietzsche hat vor der impertinenten Familiarität gewarnt!) und Distanz zu den Griechen als den von unserem Denken vielfach Getrennten: damit sind einige der gegensätzlichen Standpunkte bezeichnet, die ihren Anspruch anmelden. Wir vermeiden lange theoretische Auseinandersetzungen, bekennen es
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jedoch als unsere Überzeugung, daß hier echte Gegensätze vorliegen und jede der bezeichneten Positionen ein Stück Recht für sich beanspruchen kann. Fruchtbare Auseinandersetzung mit ihnen ist nur durch die Darstellung selbst möglich. Ihre schwierigste und in gewissem Sinne unerfreulichste Aufgabe ist die Gliederung in Epochen und deren weitere Unterteilung, da bei solchem Beginnen in jedem Falle lebendige Zusammenhänge durchschnitten werden. Zwar bieten sich die großen Abschnitte im Falle der griechischen Literatur ohne weiteres an, ihre Teilung ist jedoch schwierig und gefährlich. Es schien uns richtig, hier keine starre Systematik zu erzwingen, sondern das Einteilungsprinzip nach der Natur der Dinge zu wechseln. In der Archaik, der großen Zeit des Werdens, empfiehlt es sich, die Trennung nach Arten in den Vordergrund zu stellen, die Zeit der Polis verlangt eine zeitliche Unterteilung, während im Hellenismus zumindest anfangs die Entwicklung in starker örtlicher Trennung der Bereiche vor sich ging. In jedem Falle aber scheint es uns wichtig, durch diese und jede verwandte Gliederung nicht Sperren in einen Fluß einzubauen, der bald rascher, bald langsamer strömte, nie aber unterbrochen war. Mit dem Wunsche, die Problematik offenzuhalten, hängt es zusammen, daß dieses Buch auf Literaturangaben nicht verzichtet. Natürlich war nur eine Auswahl möglich, was unweigerlich ein subjektives Moment mit sich bringt. Im allgemeinen galt der Grundsatz, nach Möglichkeit die neuesten Zeugen der wissenschaftlichen Debatte anzuführen und neben der Bedeutung der einzelnen Arbeit auch das Maß in Rechnung zu stellen, in dem sie den Zugang zu weiterer Literatur ermöglicht. Weit entfernt davon, auch nur für die letzten Jahre Vollständiges zu bieten, möchten die Literaturangaben dem wissenschaftlich Arbeitenden überall die Schrittsteine für weiteres Vordringen zurechtlegen. Häufiger genannte Werke finden sich im Abkürzungsverzeichnis, das ominöse «a. O.» ist nur gesetzt, wenn der Leser nicht weit zurückzugehen braucht, und häufig ist damit oder einem «s. o.» aus dem Anmerkungsteil auf die unmittelbar voraufgehenden Literaturangaben verwiesen. Es ist hier nicht der Ort, die reichen bibliographischen Hilfsmittel der klassischen Philologie aufzuführen, doch sei neben L'année philologique als unentbehrlicher Grundlage noch J. A. NAIRNS Classical Hand-List (Oxf. 1953) und als sehr nützlich Fifty Years of Classical Scholarship (Oxf. 1954) genannt. Über die Anführungen im Laufe der Darstellung hinaus möchten wir auch an dieser Stelle zweier Werke gedenken, die unser Verständnis der griechischen Literatur für weite Abschnitte gefördert haben; wir meinen WERNER JAEGERS Paideia und HERMANN FRANKELS Dichtung und Philosophie desfrühenGriechentums. Eben weil das Werk außerhalb der philologischen Tradition steht, viele Dinge aber in origineller und überraschender Weise neu zur Debatte stellt, wollen wir schließlich einen Hinweis auf ALEXANDER RÜSTOWS Ortsbestimmung der Gegenwart, Zürich 1950, nicht unterlassen. WIBN
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Z U R ZWEITEN AUFLAGE Das Ziel einer Überarbeitung dieses Buches ergab sich seinem Verfasser aus dem wohlwollenden Urteil einzelner Fachgenossen, sie hätten an dem Werk eine brauchbare Arbeitshilfe gefunden. Mehr noch als in der ersten Auflage sollten in dieser Hinweise auf offene Probleme und erzielte Fortschritte gegeben werden. Die Erfüllung dieser Aufgabe hat sich als sehr mühsam erwiesen, aber diese Mühe bedeutete auch Freude: zeugen doch Wert und Menge der Produktion in den letzten Jahren von dem kräftigen Leben der Wissenschaft, die das antike Erbe unserer Zeit lebendig erhalten will. Daß die Auswahl notwendig nur begrenzt sein kann, daß der Wunsch, das Förderliche herauszugreifen, das Element des Subjektiven in sich enthält, all das braucht nur angedeutet zu werden. Maßgebend war auch in dieser Fassung der Wunsch, die angeführte Literatur so auszuwählen, daß sie weiterer Arbeit den Zugang zur älteren Geschichte der Probleme eröffnet. Nicht leichten Herzens habe ich dem Wunsch von Kritikern und Freunden (was in erfreulich vielen Fällen Personalunion bedeutet) nachgegeben und unter Verzicht auf das einheitliche Druckbild die Anmerkungen unter den Text gesetzt. Ein «s.u.» in ihnen bedeutet jetzt in der Regel den Hinweis auf die Literaturangaben am Ende des Kapitels. Nicht sehr viele Seiten dieses Buches sind ohne Änderung geblieben, einzelne Abschnitte wie jene über Homer und Piaton erforderten größere Einarbeitungen, ein neuer über pseudopythagoreische Literatur ist hinzugekommen. Wenn einiges von dem Neuen eine Verbesserung bedeuten sollte, so danke ich das nicht zum letzten der Hilfe anderer. Eingehende und fast durchwegs förderliche Kritiken haben Irrtümer richtig gestellt und wertvolle Hinweise gegeben. Es soll nicht Undank gegen die nicht Genannten bedeuten, wenn ich der Weise, in der mich J. C. KAMBRBEEK und FR. ZUCKER verpflichteten, besonders gedenke. Aber nicht allein die gedruckten Kritiken förderten, eine reiche Zahl von Zuschriften brachte spontane Hilfe in einem Maße, das mich zugleich beglückte und beschämte. Hier möchte ich vor allem WOLFGANG BUCHWALD und FRANZ DOLLNIG nennen, die sich auch für die Korrektur der Auflage zur Verfügung stellten und an das Buch mehr Mühe gewandt haben, als ich im Grunde verantworten kann. In zwei für das Ganze wichtigen Fragen habe ich an Grundsätzen festgehalten, die für die erste Fassung bestimmend waren. Zusammenfassungen gegenüber, die am Ende eines Abschnittes Werk und Wesen eines großen Autors in ein paar Sätze einfangen wollen, bin ich skeptisch geblieben. Das Streben nach Synthese in hohen Ehren, aber ich meine, daß ihm besser eine Darstellung genügt, die den Versuch macht, die Vielfalt der Erscheinungsweisen um eine feste Mitte zu schließen oder, wo dies nötig ist, am Ablaufe einer Entwicklung sichtbar zu machen. Der verschiedene Maßstab, in dem die einzelnen Epochen dargestellt sind, mußte zunächst aus einem äußerlichen Grunde festgehalten werden. War es doch anders
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nicht möglich, diese Literaturgeschichte i m Umfange eines (vielleicht immerhin noch) handlichen Bandes zu halten. Nach wie vor glaube ich aber, diese Verteilung der Akzente mit jenen Gründen rechtfertigen zu können, die in der Vorrede zur ersten Auflage ausgeführt sind. Mir wurden in einer ebenso gescheiten wie wohlwollenden Kritik die Worte entgegengehalten, mit denen ERNST ROBERT CURTIUS in seinen «Kritischen Essays zur europäischen Literatur» (2. A u f l . Bern 1954, 318) die Spätantike als Zeit der Fruchtfülle und Herbstsüßigkeit, der Weltweite und W a h l freiheit pries. U n d gewiß: wer wollte auch verkennen, was an Schönem und Bedeutendem in und zwischen Theokrit und Plotin liegt! Aber auch darüber, w o das geistige Europa gestiftet wurde, kann ein Zweifel nicht bestehen, und wenn es ein Fehler ist, die Dominanz der Rhetorik in der Spätzeit nicht für beglückend zu halten, muß sich der Autor dieses Buches durchaus schuldig fühlen. Vielleicht ist auch die Frage gestattet, ob die Worte v o n E. R. CURTIUS nicht etwa einen Meilenstein des Weges bezeichnen, auf dem er zu jenen Ausführungen über das verlöschende Licht von Hellas kam, v o n denen manche wünschen, der große Gelehrte hätte sie nicht geschrieben. W i r hoffen auch in unserer Zeit auf das Licht von Hellas, und so möchte dieses Buch in seiner neuen Form ein wenig dazu mithelfen, daß nicht Wirklichkeit werde, was als bedrückende Möglichkeit hinter einem W o r t JACOB BURCK HARDTS in den Historischen Fragmenten steht: Wir werden das Altertum nie los, solange wir nicht wieder Barbaren werden. WIEN
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ZUR DRITTEN
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Diese Neuauflage erforderte im Text einige Einfügungen, die besonders den in den letzten Jahren bekannt gewordenen Menanderstücken gelten. Eine durchgehende Neubearbeitung war bei den Literaturabschnitten und den Anmerkungen notwendig, sollte das Buch seine doppelte Aufgabe auch weiterhin erfüllen: Darstellung und brauchbares wissenschaftliches Arbeitsinstrument zu sein. Die angesichts der außerordentlich gesteigerten wissenschaftlichen Produktion sehr schwierige Auslese wurde unter dem Gesichtspunkt getroffen, daß die neu aufgenommenen Angaben Einblick in die Diskussion der einzelnen Probleme bis in deren jüngste Phase geben sollten. Einen besonderen Hinweis möchte ich an dieser Stelle auf ein Buch v o n RUDOLF PFEIFFER geben: History of Classical Scholarship. From the Beginnings to the End of the Hellenistic Age. Oxford 1968. In weit höherem Maße, als es der Titel erschließen läßt, sind hier literarhistorische und geisteswissenschaftliche Fragen mit so souveräner Meisterschaft behandelt, daß das W e r k eine wichtige Ergänzung zu jeder Geschichte der Griechischen Literatur bleibt. WIEN
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VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN AfdA Anzeiger für die Altertumswissenschaft Am. Journ. Arch. American Journal of Archaeology Am. Journ. Phil. American Journal of Philology Ann. Br. School Ath. Annual of the British School at Athens Ant. Class. L'Antiquité Classique Arch. f. Rw. Archiv für Religionswissenschaft Arch. Jahrb. Jahrbuch des Deutschen Archäolog. Instituts Ath. Mitt. Mitteilungen des Deutschen Archäolog. Instituts zu Athen B. Poetae Lyriá Graeci. Ree. Th. Bergk. vol. 2 u. 3. (1 enthält Pindar) Leipz. 1882 (Neudruck mit Indices von H. Rubenbauer 1914/15) BKT Berliner Klassikertexte herausg. von der Generalverwaltung der K. Museen zu Berlin Bull. Corr. Hell. Bulletin de Correspondance Hellénique Class. Journ. Classical Journal Class. Phil. Classical Philology Class. Quart. Classical Quarterly Class. Rev. Classical Review Coll. des Un. de Fr. Collection des Universités de France, publiée sous le patronage de l'Association Guillaume Budé. Paris, Société d'édition «Les Belles Lettres» (Doppelsprachig) D. Ernst Diehl, Anthologia Lyrica Graeca. 3. Aufl.: fase, ι, Leipz. 1949. 2, 19JO. 3,1952. Das Übrige in der 2. Aufl.: fase. 4,1936. fase. 5 u. 6,1942 mit Suppl. DLZ Deutsche Literatur Zeitung E. J. M. Edmonds, The Fragments of Attic Comedy. Leiden 1957-1961 F Gr Hist Felix Jacoby, Die Fragmente der griech. Historiker, ι fF. Beri. 1923 ff. (Die Autoren im allgemeinen nach nr. zitiert) Fränkel Hermann Frankel, Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums. New York 1951; 2. erw. Auflage Münch. 1961 Göttinger Gelehrte Nachrichten GGN Gnomon Gnom. Gymnasium Gymn. Philip Whaley Harsh, A Handbook of Classical Drama. Stanford u. Harsh Lond. 1948 Harvard Studies in Classical Philology Harv. Stud, Herrn. (E) Hermes (Einzelschriften) Hypomn. Hypomnemata. Untersuchungen zur Antike und zu ihrem Nachleben. Herausg. von A. Dihle, H. Erbse, W.-H. Friedrich, Chr. Habicht, Br. Snell. Göttingen ab 1962 Werner Jaeger, Paideia. 1, 4. Aufl.; 2 u. 3, 2. (3.) Aufl. Beri. 1959 Jaeger Journal of Hellenic Studies Journ. HelL Stud. Κ. Comicorum Atticorum fragmenta ed. Kock 1880-1888 H.D.F. Kitto, Greek Tragedy 3. ed. London 1961 Kitto Albin Lesky, Die tragische Dichtung der Hellenen. 2. Aufl. Göttingen Lesky 1964 Edgar Lobel - Denys Page, Poetarum Lesbiorum Fragmenta. Oxford LP 1955 Mnemosyne Mnem.
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Mus. Helv. N.
ABKÜRZUNGEN
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Museum Helveticum Tragicorum Graecorum Fragmenta ed. A. Nauck. 2. Aufl. Leipz. 1889; repr. mit Suppl. von Br. Snell, Hildesheim 1964 N. Jahrb. Neue Jahrbücher für das klassische Altertum Ost. Jahrh. Jahreshefte des Österr. Archäolog. Institutes in Wien Ox. Pap. B. P. Grenfell, A. S. Hunt, H. J. Bell, E. Lobel and others, The Oxyrhynchus Papyri. ifiF. Lond. 1898 fr. P. Roger A. Pack, The Greek and Latin Literary Texts from Greco-Roman Egypt. Sec. revised and enlarged ed. Ann Arbor 1965 Pap. Soc. It. G. Vitelli, M. Norsa ed altri, Pubblicazioni della Società Italiana per la Ricerca dei Papiri Greci e Latini in Egitto, iff. Firenze 1912fr. Par di Pass. Parola di Passato Pf. Rudolf Pfeiffer, Callimachus. 2 Bde. Oxford 1949/53 Pf. Hist. Rudolf Pfeiffer, History of Classical Scholarship. From the Beginnings to the End of the Hellenistic Age. Oxford 1968 Phil. Philologus PMGr Poetae Melici Graeci ed. D. L. Page. Oxford 1962 Pohlenz Max Pohlenz, Die griech. Tragödie. 2 Bde. 2. Aufl. Göttingen 1954 RE Pauly-Wissowa, Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft Rev. Et. Gr. Revue des Etudes Grecques Rev. Phil. Revue de Philologie Rhein. Mus. Rheinisches Museum Riv. Fil. Rivista di Filologia e d'Istruzione Classica Schmid Wilhelm Schmid, Geschichte der griech. Literatur.I. Müllers Handbuch der Altertumswiss. VII: χ, Münch. 1929.2,1934. 3,1940.4,1946. 5,1948 Schw. Beitr. Schweizerische Beiträge zur Altertumswissenschaft Severyns A. Severyns, Homère, χ, 2. Aufl. Bruxelles 1944. 2, 1946. 3, 1948 Stud. It. Studi Italiani di filologia classica Suda Suidae Lexicon ed. A. Adler, 5 Bde. Leipzig 1928-38 Symb. Osi. Symbolae Osloenses Tebt. Pap. Β. P. Grenfell, A. S. Hunt,J. G. Smyly, E.J. Goodspeed, The Tebtunis Papyri iff. Lond. 1902ff. Trans. Am. Phil. Ass. Transactions and Proceedings of the American Philological Association VS H. Diels - W. Kranz, Die Fragmente der Vorsokratiker. 11. Aufl. Beri. 1964 (Die Autoren werden nach den durchlaufenden Ziffern dieser Auflage zitiert) Wien. Stud. Wiener Studien Zet. Zetemata. Monographien zur klass. Altertumswiss. Herausgegeben von Erich Burck und Hans Diller
I DIE Ü B E R L I E F E R U N G DER GRIECHISCHEN L I T E R A T U R Der Umfang, in dem wir Schriftwerke der Griechen besitzen, ist ebenso wie der Zustand ihrer Überlieferung das Ergebnis von geschichtlichen Vorgängen, die über Jahrtausende reichen und von politischen und kulturellen Faktoren der verschiedensten Art bestimmt wurden 1 . D a im folgenden des öfteren von einzelnen Zeugen dieser Überlieferungsgeschichte die Rede ist, seien ihre wichtigsten Abschnitte einleitend skizziert. Bis tief in die Spätzeit der Antike haben die Griechen auf Papyrus geschrieben. Ägypten kannte diesen Beschreibstoffseit dem 3. Jahrtausend und hatte in der alten Welt das Monopol seiner Lieferung, da die Papyrusstaude nur in diesem Lande wuchs. Die kostbarste ihrer mannigfachen Verwendungen war die Herstellung der Papyrusblätter aus den Stengeln der Pflanze, die man in dünne Streifen schnitt. Z w e i Lagen von diesen, so übereinandergelegt und gepreßt, daß die Fasern der einen waagrecht (recto), die der anderen senkrecht (verso) verliefen, ergaben das Blatt, mehrere Blätter aneinandergeklebt die Normalform des antiken Buches, die Rolle. A u f solchem Papyrus haben die Autoren der Antike ihre Werke entworfen und in die endgültige Fassung gebracht, wenn sie für die erstgenannte Tätigkeit nicht den Notizblock aus Holztafeln vorzogen, deren vertiefte Innenfläche mit pechgefärbtem Wachs ausgefüllt war. All dieses höchst vergängliche Material erklärt es, daß wir, anders als in den modernen Philologien, nirgendwo bis zum Originale des Autors vordringen können. Wenn man gelegentlich für ein Papyrusfragment eine Vermutung in solcher Richtung wagte, so ändert das nichts daran, daß der Fall des Erzbischofs Eustathios von Thessalonike (12. Jh.), dessen Homererklärungen in seiner eigenen Handschrift in der Bibliotheca Marciana liegen, keine Parallele im Bereiche der antiken Autoren hat. Wohl aber können wir manches für die Art ermitteln, in der etwa die großen Dichter der Klassik ihre Manuskripte schrieben'. Durchwegs verwendeten sie Großbuchstaben, die ohne Worttrennung aufeinander folgten. Da auch Akzente und Hauchzeichen fehlten, war ein solcher Text ungleich schwieriger zu lesen als unsere Ausgaben. Auch für die Interpunktion war wenig getan. W i r wissen, daß attische Prosatexte der 1
A. DAIN, Les manuscrits. Paris 1949. G. PASQUALI, Storia delta tradizione e critica del testo. 2. ed. Firenze
1 9 3 2 . D e r s . Gnom.
23,
1 9 J I , 2 3 3 . H . HUNGER, O . STBGMÜLLEK, H . ERBSB, M . IMHOF, K . BÜCHNER, H . G .
BECK, H. RÜDIGER, Geschichte der Textüberlieferung der antiken und mittelalterlichen Literatur. B d . 1 : Antikes und mittelalterliches Buch- und Schriftwesen. Zürich 1961. Nachtr.: R . DBVKÍESSE, Introduction à l'étude des manuscrits Grecs. Paris 1954. 2 A . BÖMBR-W. MBNN, . Im Companion to Homer. London 1962, 504. A . SNODGRASS, Early Greek Armour and Weapons from the End of the Bronze Age to 600 B.C. Edinburgh 19Ö4.
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DAS HOMERISCHE
EPOS
Material eine Dauer über Jahrhunderte unglaubhaft erscheinen, und schwerlich kann diese Erklärung alle angeführten Fälle decken. Die Forschung ist heute über den Widerstreit zweier Meinungen noch nicht hinausgekommen. Anhänger der These, daß die epische Dichtung der Griechen in ihren Anfängen und in ihrer Troia-Thematik in die mykenische Zeit zurückreiche, führen die verschiedenen sprachlichen und sachlichen Elemente, die dieser Epoche angehören oder angehören können, auf direkte Tradition aus dieser Zeit zurück. WEBSTER, PAGE und WHITMAN zeigen in verschiedener Nuancierung große Zuversicht in der bezeichneten Richtung. Die Gegenposition vertritt neben anderen HEUBECK, zur Vorsicht neigt auch KIRK. Hier tritt das Trennende zwischen der Welt Mykenes und jener Homers in den Vordergrund. Auch wird die Möglichkeit betont, daß die als mykenisch angesprochenen Elemente nicht aus Dichtung dieser Zeit stammen, sondern Erinnerungen darstellen, die noch lange nach dem Zusammenbruche dieser Welt erhalten blieben und so in das Epos kamen. Überhaupt wird von dieser Seite den «dunklen» Jahrhunderten die entscheidende Bedeutung für die Ausformung der Sagenkreise und die Entwicklung der epischen Dichtung zugeschrieben. Wenn wir unsere eigene Auffassung anschließen, bleiben wir mit dieser natürlich ebenfalls auf dem Boden der Hypothese. Heldensang wird man in der feudalen Welt Mykenes annehmen müssen, das wurde bereits gesagt. Daß er schon daktylische Form hatte ist möglich, daß sein Inhalt Kämpfe und Abenteuer waren, ist in der Natur der Dinge gelegen. Es ist auch denkbar, daß manche der Gestalten, die wir aus dem homerischen Epos kennen, dort bereits eine Rolle spielten. Nichts aber spricht dafür, daß den Stoff solcher Dichtungen der Zug gegen Troia bildete und wir derart mit zeitgenössischer Poesie über ein historisches Unternehmen zu rechnen hätten. Vielmehr glauben auch wir, daß die Ausgestaltung des troischen Sagenzyklus in der Form mündlich tradierter Gesänge im wesentlichen in den sogenannten dunklen Jahrhunderten vor sich ging. Daß der wirtschaftliche Tiefstand dieser Zeit durchaus keine Gegeninstanz bildet, wurde bereits richtig erkannt1. Den Anteil der Griechen Kleinasiens und jenen des Stammlandes an dieser Entwicklung sauber zu scheiden ist unmöglich, doch wird man sich diesen nicht zu gering vorstellen dürfen. Auch Athens Anteil ist zu bedenken, ohne daß man es mit WHITMAN geradezu zur Wiege des Epos macht. Die Linie von Pylos über Athen in die Kolonien haben auch HAMPE und WEBSTER kräftig nachgezogen. In keinem Falle aber darf man sich die beiden Bereiche durch die Ägäis weltweit geschieden denken, das hat SCHADEWALDT eindringlich gezeigt 2 . Für die mykenischen Elemente in der homerischen Dichtung sind jedoch beide früher genannten Möglichkeiten in Rechnung zu ziehen, ohne daß wir gegenwärtig im Einzelfalle eine sichere Entscheidung wagen könnten. Direkte Tradition solcher Dinge und Formeln aus der mykenischen Welt ist denkbar, ebenso aber kann es sich um Reminiszenzen der unmittelbar folgenden Zeit handeln, in der all der Zerstörung 1 1
G. S. Knut, Mus. Helv. 17, i960, 189 und Proc. of the Cambr. Philol. Soc. No. 187, 1961, 46. Von Homers Welt und Werk. 3. Aufl. Stuttg. 1959, 98.
ILIAS UND ODYSSEE: SPRACHE UND STIL
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zum Trotz die Kontinuität der Überlieferung nicht einfach durchtrennt sein konnte; auch ist mit regionalen Unterschieden zu rechnen. So denken auch wir uns den Strom mündlicher Dichtung über Jahrhunderte reichend, bis er in das weite Meer der homerischen Epik mündete; höchst Altertümliches führte er in Resten mit sich, hat aber auf seinem W e g immer neue Elemente späterer Zeit in sich aufgenommen. Seltsam und geradezu symbolhaft vermengen sich die Dinge beim Schild des Achilleus. Bei der Beschreibung seiner Herstellung erinnern wir uns an mykenische Dolchklingen mit eingelegtem Buntmetall, für Form und Anlage des Bildschmuckes aber geben orientalisierende Bronzeschilde des 8. Jahrhunderts die nächste Parallele1. Wir können zusammenfassen : die Welt der homerischen Dichtung vereinigt reiche Bezüge auf die von großen Impulsen erfüllte Zeit ihrer Entstehung mit einer Haltung, die einer fernen Vergangenheit zugewendet bleibt; an diese erinnern einzelne Petrefakte, die in ihr eingeschlossen sind. Es ist etwas Wahres an der pointierten Formulierung von MYKES, daß diese Welt eben deshalb unsterblich wurde, weil sie so nirgends außerhalb der Phantasie des Dichters existiert hat. 7. SPRACHE UND
STIL
Stärker als in irgendeiner anderen Dichtungsgattung bestimmt im griechischen Epos der Vers die sprachliche Gestalt. Wir haben kein Wissen von Vorstufen, die sich eines anderen Maßes als des Hexameters bedient hätten, vielmehr führt der hochaltertümliche Aspekt zahlreicher Formeln zu der Überzeugung, daß dieser Vers in die Frühzeiten griechischer Epik zurückreicht. Da er innerhalb griechischer Maße eine Sonderstellung einnimmt und Erscheinungen wie die metrische Dehnung von Schwierigkeiten seiner Bewältigung sprechen, will die Hypothese von A. MEILLBT1, er stamme aus einer vorgriechischen Schicht, wohl bedacht sein. Die Gefahr der Monotonie, die das an sich strenge Maß bei reihenmäßiger Verwendung in sich barg, wurde auf verschiedenen Wegen gebannt. Zunächst einmal durch die Möglichkeit, Daktylen durch Spondeen zu ersetzen, was nur im 5. Fuß Ausnahme bleibt und im 4. Fuß Beschränkungen unterhegt, wenn auf ihn ein Einschnitt folgt. Auflockernd wirkt ferner bei jeder Reihensetzimg von Versen die Behandlung der Satzschlüsse, die auch bei Homer oft über das Hexameterende übergreifen (Enjambement). Häufig erzielt ein sinnschweres Wort durch seine Stellung am nächsten Versbeginn besondere Wirkung. Vollends entscheidend für die formalen Möglichkeiten des Hexameters ist die Mannigfaltigkeit der Einschnitte, die schon FRIEDRICH SCHLEGEL hoch gerühmt hat. Es handelt sich dabei nicht um die Notwendigkeit, Atempausen zu schaffen, sondern um ein Mittel, die Gliederung des Sinnes mit jener der Form nach bestimmten Regeln zur Deckung zu bringen. Die Stellen der möglichen Einschnitte sind im folgenden Schema bezeichnet. SCHADBWALDT a. O . 94 A . 7. Les origines indo-européennes des mitres grecs. Paris 1923. Κ . MARÓT, . Rhein. Mus. 97, 1954, 1 1 5 . 229. 289. C . F. R u s s o , . Acc. d. Lincei. Rend. d.
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classe di scienze mor., stor. e fil 1956, 14 (Versuch, die f ü r Dionysien und Lenäen bestimmten Stücke nach Szenischem zu scheiden). C . PRATO, Euripide nella critica di Ar. Galatina 1955. W . W . GOLOWNJA, Aristophanes. Moskau. A k d. Wiss. 1955 ; vgl. Gnom. 2 9 , 1 9 5 7 , 308. Κ . LEVER, The Art of Gr. Com. Lond. 1956. H.-J. NEWIGER, Metapher und Allegorie. Stud, zu Ar. Zet. 16. Münch. 1957. TH. GELZER, . Ant. u. Abendl. 8, 1959, 15. Ders., Der epirrhematische Agon bei Ar. Zet. 23. Münch, i960. K . REINHARDT, . Eur. Revue 14, 1938, 754; jetzt Tradition und Geist. Gött. i960, 257. O. SEEL, Ar. oder Versuch über Komödie. Stuttg. i960. T . B . L. WEBSTER, . Historia 8, 1959, 12.
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der Tat des Harmodios und Aristogeiton stand, breiter aus und sucht die Verdienste der Tyrannen um Athen zu gerechter Geltung zu bringen. Daß Thukydides zweimal den Irrtum über Hipparch korrigiert, kann angesichts des verschiedenen Charakters der beiden Partien keine Handhabe für analytische Schlüsse bieten. Es dürfte bereits deutlich geworden sein, wie die Erzählung des sizilischen Krieges besonders reich mit Reden ausgestattet ist. Dies gilt von den Vorbereitungen ebenso wie von dem Anfangsstadium der Kämpfe. So hören wir bei der ersten Aktion der Athener gegen Syrakus Nikias zu den Truppen sprechen (68), während eine Rede des Hermokrates über notwendige Maßnahmen indirekt gegeben wird (72). Ein Redekampf großen Ausmaßes (76-87) folgt bald darauf im Zusammenhange mit dem Versuche der Syrakusaner und der Athener, die Stadt Kamarina, die zwischen den Parteien steht, zu sich herüberzuziehen. Wieder spricht dort Hermokrates, der Aktivist der sizilischen Front, für die Gegenseite aber Euphemos, der Athens Gewaltpolitik in einer an den Melierdialog gemahnenden Weise vertritt. Für den Rest dieses Kriegsjahres hören wir von den Versuchen der beiden Parteien, neue Bundesgenossen zu gewinnen, entscheidend aber ist für die Ausweitung des Krieges das Auftreten des Alkibiades in Sparta. Dort zaudert man noch einzugreifen, aber Alkibiades stört die spartanische Bedächtigkeit auf. Die kriegsentscheidende Bedeutung seines Landesverrates wird durch seine große Rede (89-92) erhellt. Alkibiades rät zur Entsendung von Truppen und eines tüchtigen spartanischen Führers. Das wird Gylippos sein, und mit ihm wird die Not über das athenische Heer kommen, von der das siebente Buch berichtet. Alkibiades rät aber auch zur Besetzung Dekeleias im Norden Athens. Das trifft die Stadt auf schwerste, wie dasselbe Buch in einem eigenen Abschnitte (27 f.) ausführt. Mit dem Schlußteil des sechsten Buches stehen wir bereits im 18. Kriegsjahre, dessen Schilderung bis 7,18 reicht. Diesem Jahr ist also verhältnismäßig wenig Raum gegönnt, worin sich die Weisheit des Autors in der Disposition seines Stoffes verrät. Das voraufgehende Jahr mit der Vorbereitung und dem Anlaufen des großen Unternehmens ist breit geschildert, wobei besonders viele Reden dem Verständnis von Mächten, Menschen und Situationen dienen. In gleicher Dichte, wenngleich sparsamer in den Reden, ist die Darstellung des 19. Jahres mit der Katastrophe gehalten. Das 18. Jahr hingegen, das zwischen stolzem Hoffen und maßlosem Elend steht und in dem die Entscheidung noch nicht gefallen ist, erhält weniger Raum und Gewicht. Im Mittelpunkte steht die Belagerung von Syrakus, die sich zunächst nach der Besetzung der Höhe von Epipolai gut anläßt. Dann aber verändert das Eingreifen des Gylippos die Situation in einer Weise, die Nikias nötigt, von Athen Hilfe zu erbitten. Die Verlesung seines Briefes vor der Volksversammlung (7, 11-15) hat dieselbe Funktion wie die Reden, die in der Schilderung dieses Kriegsjahres, seiner eben erörterten Behandlung entsprechend, fehlen. Das siebente Buch - Macaulay hat es über alle Prosa gestellt, die er kannte - erzählt in seinem Hauptteil das 19. Kriegsjahr, dessen Behandlung auch noch die ersten sechs Kapitel des letzten Buches in Anspruch nimmt. Unheilverkündend beginnt der Be-
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rieht mit der Besetzung Dekeleias durch die Peloponnesier, die so Athen die nächste Verbindung mit Euboia und damit einen seiner wichtigsten Versorgungswege sperren (19). Thukydides sorgt auch weiterhin dafür, daß uns die Not, die dieser Griff für Athen brachte, nicht aus dem Blickfeld entschwinde. Für die Front von Syrakus, wo die Athener zur See noch die Lage beherrschen, Kap Plemmyrion aber an Gylippos verloren haben (22f.), ist man beiderseits um Verstärkungen bemüht. Demosthenes bricht mit solchen für Nikias auf, kann aber tausenddreihundert Söldner nicht mehr mitnehmen, die zu spät eintreffen. Die Athener müssen sie aus Geldnot zurückschicken, und das bietet den Anlaß zu breiterer Ausführung der militärischen und finanziellen Schwierigkeiten, in die sie der spartanische Griff nach Dekeleia brachte (27 f.) Der Überfall der zurückkehrenden Thraker auf Mykalessos und das Massaker, das nicht einmal Schulkinder verschonte, geben ein erschütterndes Beispiel für das, was in diesem Kriege möglich war (29). Thukydides hat sich dagegen gesichert, daß wir Attika als zweiten Brennpunkt dieser Kriegsphase aus dem Auge verberen, und kann im folgenden das Gewicht der Darstellung wieder auf Sizilien ruhen lassen. Dort bahnt sich in der wachsenden Seetüchtigkeit der Syrakusier eine für die athenische Flotte gefährliche Entwicklung an, aber noch zeigt sich - wer sollte da nicht an die Tragödie denken! - vor der Katastrophe berechtigte Hoffnung auf guten Ausgang. Demosthenes ist mit den Verstärkungen in den Hafen von Syrakus eingelaufen (42), die Athener werden vorübergehend wieder Herren der Lage, aber der entscheidende Stoß zur Wiedergewinnung der Höhe von Epipolai mißlingt (43 f.). Nun tritt Demosthenes selbst für den Abbruch des ganzen Unternehmens ein, aber Nikias zaudert, und als er sich zum Rückzug entschlossen hat, da schreckt eine Mondesfinsternis die Athener und bewegt sie, dreimal neun Tage zuzuwarten. Bei den Syrakusiern hat sich der Wille zur Abwehr zu dem Wunsche gesteigert, das feindliche Expeditionskorps zu vernichten. Schon sind sie auch im Schiffskampf die Stärkeren und entwickeln den Plan, den Athenern die Ausfahrt aus dem großen Hafen zu sperren (56). Hier, wo sich das Endstadium dieses wichtigen Kriegsabschnittes abzuzeichnen beginnt, ruft uns Thukydides nochmals die Ausmaße dieses Ringens in Erinnerung, indem er in zwei Abschnitten (5 7 f.) eine zusammenfassende Übersicht über die Verbündeten auf beiden Seiten gibt. In der immer wieder begegnenden Rahmentechnik läßt er auf diese Einlage die Ausführung der Hafensperre folgen. Daß die nun folgende Hafenschlacht mit dem mißlungenen Ausbruchsversuch der Athener ein entscheidender Akt im sizilischen Drama ist, hebt Thukydides in doppelter Weise hervor. Dem Kampfe läßt er die beiden Feldherrnreden des Nikias (61-64) und Gylippos (66-68) vorangehen, und nach seinem Ausgange stellt er eine bedeutungsvolle Beziehung zu Pylos her. Was die Athener dort den Lakedaimoniern antaten, als sie ihnen die Schiffe zerstörten und die Truppen auf Sphakteria abschnitten, das erleiden sie nun durch die Niederlage ihrer Flotte in Sizilien. Nun ist nur mehr der Landmarsch in befreundetes Gebiet übrig. Vor dem Auszug zu diesem letzten Marsch des Heeres hält Nikias eine Rede, die Thukydides meister* H . ERBSB (S.U.), 3 8 .
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haft aus dem Denken dieses in der Tradition gebundenen Mannes gestaltet hat. Das ganze Unternehmen mochte, so sagt er, als Übermut die Mißgunst der Götter erregt haben, aber dann darf es durch die gegenwärtige Not als gebüßt gelten, und es ist zu erwarten, daß sich das Glück wieder von den Feinden abkehre. Aber so maßvolle Rechnung einer frommen Seele stimmt in diesem Spiele nicht. Die Truppen werden auf einem qualvollen Marsche von den Syrakusiern aufgebracht; furchtbar sind die Verluste, furchtbar das Los der Gefangenen, die in die Steinbrüche gebracht werden oder sonst in Sklaverei geraten. Nikias und Demosthenes werden getötet. Die Behandlung des 19. Kriegsjahres reicht, wie wir bereits vermerkten, mit sechs Kapiteln in das achte Buch. Die beiden letzten dieser Abschnitte bringen Vorgänge zur Sprache, die in diesem Buche ständig wiederkehren und für den Schlußteil des Krieges Entscheidendes bedeuten: die persischen Satrapen Tissaphernes und Pharnabazos mischen sich in das Spiel. Der Bericht über das 20. Kriegsjahr (7-60) erzählt von drei verschiedenen Verträgen zwischen Lakedaimoniern und Persern, für die Tissaphernes verhandelt, und fügt jedesmal die Urkunden im Wortlaut bei. Vor dem dritten Vertragsabschluß haben sich auch die Athener mit einer Gesandtschaft an den persischen Satrapen gewendet. Im übrigen berichtet Thukydides für dieses Jahr von einer Reihe von Teilaktionen, bei denen es sich meist um den Abfall attischer Bündner auf den Inseln und in Kleinasien sowie um die Versuche ihrer Rückführung handelt. Immer kräftiger treten die Lakedaimonier mit ihren Verbündeten als ernst zu nehmende Gegner zur See in den Vordergrund. Im letzten Teil dieses Jahres bahnen sich Entwicklungen an, die im nächsten zum Tragen kommen. Bei der Flotte vor Samos arbeiten oligarchisch Gesinnte auf den Umsturz der Demokratie in Athen hin, während Alkibiades, um seine Rückkehr in die Heimat zu erreichen, bei Tissaphernes für diese intrigiert. Die Ereignisse des 21. Jahres ergeben für die betreffenden Abschnitte des achten Buches (61-109) lebhaftere Bewegung. Notwendig nimmt Athens Innenpolitik einen breiten Raum ein. Im Frühsommer 411 wurde die Demokratie durch den oligarchischen Putsch gestürzt, der alle Gewalt einem Rat von vierhundert Männern überantwortete. Hinter diesem Umsturz stand vor allem der Redner Antiphon, den Thukydides (68) mit besonderer Wärme würdigt. Anderseits verschweigt er den üblen Terror nicht, den dieses Regime ausübte. Die ablehnende Haltung der Flotte vor Samos erzwang bald ein Zurückgehen auf eine gemäßigte Verfassung. Sie stützte sich auf die fünftausend Bürger, die ihre Ausrüstung selbst besorgen konnten, und hat von Thukydides (97) unter dem Gesichtspunkte des Maßes hohes Lob erhalten. Der Abfall der Bündner, der besonders im Falle von Byzanz (80) und Euboia (95) kritisch ist, geht weiter, weiter auch die zwielichtige Rolle, die Tissaphernes hinter den Fronten spielt. Aber gegen den Schluß des Buches und damit des ganzen Werkes leitet das Eingreifen des Alkibiades noch einmal eine den Athenern günstige Wendung ein. Auf Samos wird er von Heer und Flotte freudig empfangen und zum Feldherrn gewählt. Der athenische Seesieg unter Thrasybul bei Kynossema und die Wiedergewinnung von Kyzikos leiten eine neue Phase des Krieges ein. Noch hören wir von
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erneuter Geschäftigkeit des Tissaphernes, da endet das Werk, oder besser gesagt, es reißt ab. Eine Frage, die uns das fünfte Buch stellt, kehrt mit dem achten 1 wieder. Die direkten Reden, die wir als besonderes Mittel thukydideischer Geschichtsdarstellung noch zu würdigen haben, fehlen da wie dort, wobei natürlich für das fünfte Buch die Grenze für unsere Betrachtung vor den Melierdialog fällt. Eine zweite Beobachtung tritt hinzu: in beiden Büchern finden sich Urkunden im Originaltext, also gleichsam als Rohmaterial, w o z u allerdings noch 4, 118 mit den Bestimmungen des einjährigen Waffenstillstandes kommt. Da ferner in den Büchern 5 und 8 mitunter die Hauptlinien der Entwicklung zugunsten verschiedenen Teilgeschehens vernachlässigt erscheinen, hat man wiederholt geschlossen, daß Thukydides an diese Partien nicht mehr die letzte Hand zu legen vermochte. Man kann die besprochenen Befunde auch anders erklären, sich für diese Zeitabschnitte auf den Zerfall des Geschehens in Einzelaktionen berufen und die Einlage der Urkunden mit dem Streben nach besonderer Deutlichkeit rechtfertigen; die natürlichste Auffassung bleibt aber doch die, daß Thukydides hier nicht mehr zur letzten Formung gelangte. W i r sind durch die eben erörterte Frage in einen Problemkreis geraten, der bis vor kurzem die deutschsprachige Thukydidesforschung fast ausschließlich in Anspruch genommen hat. So ausschließlich, daß man von einer thukydideischen Frage in ähnlichem Sinne wie von einer homerischen sprechen kann. Die Methode ist denn auch da und dort die gleiche gewesen. Anzuerkennen ist, daß Schichtenanalyse im Falle des Thukydides einen durchaus greifbaren Anhalt findet. Sagt er mis doch gleich im ersten Satze seines Werkes, daß er mit der Aufzeichnung des Krieges unmittelbar bei seinem Ausbruch begonnen habe, da er die Bedeutung des Kommenden voraussah. Da sich ferner verschiedenen Stellen einwandfrei entnehmen läßt, daß Thukydides an seinem Werke nach 404 gearbeitet hat, muß sich dessen Werden auf einen langen Zeitraum verteilt haben. Begründet hat die Analyse auf diesem Felde vor mehr als einem Jahrhundert FRANZ WOLFGANG ULLRICH, Professor am Hamburger Johanneum, mit seinen Beiträgen zur Erklärung des Thukydides (1, 1845. 2, 1846)*. Er ging dabei von zwei B e obachtungen aus. Die ersten Bücher enthalten keine Aussage über die Dauer des gesamtens Ringen, und die Bezeichnung des beschriebenen Krieges (δδε δ πόλεμος u.a.) ist so unbestimmt, daß die Kenntnis des gesamten Ablaufes mit seinen verschiedenen Phasen noch nicht vorauszusetzen ist. Ferner legte ULLRICH besonderes Gewicht auf das sogenannte zweite Prooimion (5, 26), das Kenntnis des Krieges bis zu seinem 1 Eine Analyse des 8. Buches bei E. DELBBECQUB, Thucydide et Alcibiade. Pubi, des Annales de la Fac. des Lettres d ' A i x en Provence. N . S. 49, 1965, und Thucydide livre VIII. Ibid. 57, 1967, der die eigenartige Struktur dieses Buches durch eine Schichten-Theorie erklären will. Zahlreiche Äußerungen zu der erstgenannten Untersuchung bei A . KLBINLOGBL. Gnom. 42, 1970, 187, 1 ; vgl. besonders K . v. FRITZ, Die griech. Geschichtsschreibung I Berlin 1967, A n m . 271 auf S. 327. Ältere Behandlungen dieses Buches bei M . TREU, Gnom. 40, 1968, 71J. 1 Jetzt F. W . ULLRICH, Die Entstehung des Thukydideischen Geschichtswerkes. (Die entscheidenden Partien) herausgeg. u. eingel. von H. HERTBR. Wiss. Buchgesellschaft Darmstadt 1968.
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Abschluß erweist und derart nach 404 geschrieben sein muß. Z u diesen Beobachtungen hat ULLRICH noch eine Reihe Indizien gefügt und ist derart zur Scheidung von zwei Hauptentwürfen gelangt. Der eine läge in den Büchern 1 bis Mitte 4 vor, umfaßte nur den ersten, zehnjährigen Kriegsabschnitt und wäre bald nach dem Frieden des Nikias (421) entstanden. Der zweite wäre nach dem Falle Athens (404) zu datieren und wäre mit dem Blick auf den Gesamtablauf entstanden. Außer den Büchern von der Mitte des vierten bis zum Schlüsse mußte ULLRICH dieser Arbeitsphase verschiedene Bezüge auf den späteren Kriegsabschnitt zuschreiben, die er in der ersten Werkhälfte anzuerkennen genötigt war. Hier mußte die Annahme späterer Einarbeitungen helfen, den Hypothesenbau vor dem Einstürze zu bewahren. Eine neue Wendung hat dieser Forschung für einige Zeit das Buch von EDUARD SCHWARTZ1 gegeben. Er suchte die Analyse zu verfeinern und hat wie bei der Zerteilung Homers mit der Feststellung von Widersprüchen und mit der Annahme von stehengebliebenen Doppelfassungen gearbeitet. Auch wurde als rechter Doppelgänger des Redaktors der homerischen Gedichte im Falle des Thukydides der Herausgeber zur Erklärung von Unstimmigkeiten bemüht. Die so gewonnenen Schichten suchte SCHWARTZ als Zeugnisse einer geistigen Entwicklung des Thukydides zu werten. Andere, wie SCHADEWALDT, sind auf diesem W e g e weitergegangen, und es schien möglich, von einem Thukydides strenger Tatsachenforschung einen späteren zu scheiden, der Geschichte verstehen und anderen dieses Verständnis vermitteln wollte. In der jüngsten Phase der Thukydidesforschung ging es darum, die mit großer Selbstsicherheit der Kritik gewonnene Schichtenteilung auf ihre Haltbarkeit zu untersuchen. Durch eine besonnene Überprüfung der Argumente hat vor allem HARALD PATZER unsere Position geklärt. Der Anhang seines Buches mit einem Katalog der Spät- und Frühindizien ermöglicht einen raschen Überblick über das Ergebnis. Sichere Spätindizien sind ziemlich häufig und verteilen sich über das ganze Werk. Hingegen sind Frühindizien, die noch ernsthaft in Frage kommen, äußerst rar und, wie PATZER zeigte, durchaus nicht alle von gleicher Beweiskraft. W i r müssen nochmals die Parallele zur Homerphilologie ziehen. Da wie dort ist die Forschung auf vielen Umwegen dazu gelangt, die uns erhaltene Form nicht mehr allein unter dem Gesichtspunkte der Zergliederung zu betrachten, sondern in ihrem Eigenrechte als Schöpfung hohen Ranges anzuerkennen und zu studieren. Unitarismus dieser Prägung, wie ihn für Thukydides vor allen JOHN H. FINLEY' vertritt, übersieht nicht, was der Endform vorausgegangen ist. Unser Homerkapitel suchte die Fülle von Voraussetzungen kenntlich zu machen, die uns die Gestalt der Ilias und Odyssee erklären, und für Thukydides kann sein eigenes Zeugnis nicht übersehen werden, das eine Arbeit von Jahrzehnten verbürgt. Was wir aber heute lesen, ist nicht die durch Das Geschichtswerk des Thuk. Bonn 1919; 2. A u f l . 1929. Außer in dem u. genannten Buche in . Lexis 2, 1949,34. P.-M. SCHUHL, Pl. et l'art de son temps (arts plastiques). 2. éd. Paris 1952. B. SCHWEITZER, PI. und die bildende Kunst der Griechen. Tübingen 1953. R. C. LODGE, Pl.S Theory of Art. Lond. 1953. E. HUBER-ABRAHAMOWICZ, Das Problem der Kunst bei PI. Winterthur 1954. P. VICAIRE, Platon. Critique littéraire. Paris i960; ders. Recherches sur les mots désignant la poésie et le poète dans l'œuvre de Platon. Paris 1964. L. RICHTER, Zur Wissenschaftslehre von der Musik bei PI. und Aristoteles. Beri, i960 (D. Akad. Sehr. d. Sekt. f . Altertumsw. 23). E. A . HAVELOC, Preface to Plato. O x f o r d 1963, wertet Piatons Feindschaft gegen die Dichter als Notwendigkeit auf dem Wege zu abstrakter Denk- und Sprechweise. W . J. VERDENIUS, Mimesis. Plato's Doctrine ofArtistic Imitation and its Meaning to us. 2nd impr. Leiden 1967. E. N . TIGERSTEDT, Plato's Idea ofPoetical Inspiration. Societas Scientiarum Fennica Helsinki 44/2,1969. 2
K. RBINHARDT, Pl.S Mythen. Bonn 1927. J. KERSCHENSTEINER (vgl. S. 571 Α. 3) mit reicher Lit. A.-J. FESTUGŒRE, . Phronesis 11, 1966, 117; ders., (Zur Frage der 'esoterischen' Philosophie Piatons). Arch. Gesch. d. Philos. 49, 1967, 255. Eue. DÖNT, Piatons Spätphilosophie
und die Akademie. Sitzb. Öst. Ak. Phil.-hist. KL. 251/3, 1967, 33. H. KUHN,
Gnom. 39, 1967, 335. K. GAISER, Piatons ungeschriebene Lehre. 2. Aufl. Stuttgart 1968. K. H. ILTING, (Piatons 'Ungeschriebene Lehre'. Der Vortrag über das Gute>. Phronesis 13, 1968, 1. Idee und Zahl. Studien zur platonischen Philosophie.
Vorgelegt von H.-G. GADAMER und W . SCHADBWALDT. Abh. Ak. Heidelberg 1968/2
(Verschiedene Beiträge). PH. MERLAN, (War Piatons Vorlesung 'Das Gute' einmalig?) Herrn. 96,1969, 705. 2
Begründet hat sie K. F. HERMANN, Geschichte und System der platonischen Philosophie. Heidelb. 1839.
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Es ist natürlich, daß nun alles das, was wir noch über Piatons Vorlesung Über das Gute wissen können, in die Mitte der von KRÄMER aufgeworfenen Fragen tritt. Es ist überliefert, daß die Lehre, die Piaton in den λόγοι περί τάγαθ-οϋ vortrug, von mehreren seiner Schüler schriftlich festgehalten wurde 1 . Auch bezeugen die Listen bei Diogenes Laertios3 j e eine Schrift Περί τάγαθ-οΰ für Aristoteles, Xenokrates und Herakleides. Den ausführlichsten Bericht über diese Vorträge lesen wir in der Harmonik des Aristoxenos von Tarent (44, 5 M.), der wiedergibt, was er Aristoteles erzählen hörte. Da seien Hörer in diese Vorlesung (άκρόασις) gekommen, weil sie erwartet hätten, etwas über die menschlichen Güter wie Reichtum, Gesundheit, Kraft zu erfahren. Als es aber durchaus mathematisch zuging, da hätten sie sich abgekehrt. Ursache dieses pädagogischen Mißerfolges sei der Mangel einer vorgängigen Aufklärung über das Thema gewesen. KRÄMER konnte zeigen, daß in diesem Bericht nichts auf eine einmalige Vorlesung weise, und hat der verbreiteten Lehrmeinung gegenüber die These aufgestellt, diese λόγοι περί τάγαθ-οϋ seien weder auf einen einzigenKurs beschränktnoch öffentlich gewesen; vielmehr handle es sich um einen für Piatons Schule typischen Vorgang. Dabei muß er die Nachricht bei Themistios (or. a i , 245 c) außer Kurs setzen, worin ihm andere schon vorausgegangen sind. Daß hier lediglich der Aristoxenosbericht ausgeschmückt wurde, ist in der Tat wahrscheinlich'. Während man sich anderseits daran gewöhnt hatte, von einer Altersvorlesung Piatons zu sprechen, hat KRÄMER die Tatsache ins Licht gestellt, daß für diesen Zeitansatz in den antiken Quellen überhaupt kein Anhalt gegeben ist. Er erklärt den so verbreiteten Spätansatz aus der Geschichte der Forschung, die gegen SCHLEIERMACHER wieder eine esoterische Lehre Piatons gelten ließ, diese aber als Philosophie des Alters von dem Großteil der Dialoge abtrennte. KRÄMER kommt in Abkehr von bisher gültigen Anschauungen zu einem stark abweichenden Bild der platonischen Lehre: bei den Vorträgen Über das Gute handelt es sich nach ihm weder um eine einmalige Vorlesung Piatons noch um eine seiner letzten Jahre. Überhaupt ist weit eher als eine geschlossene Lehre eine Reihe von Lehrgesprächen anzunehmen. (Wobei immerhin anzumerken ist, daß der eben genannte verläßlichste Bericht von άκρόασις spricht.) D i e λόγοι περί τάγαθ-οΰ sind nach KRÄMER nur ein anderer Ausdruck für eine esoterische platonische Philosophie, die von jeher neben den Dialogen stand oder besser den in ihnen vielfach sichtbar werdenden Hintergrund bildete. Weite Partien des Buches gelten dem Nachweise, daß von früher Zeit an die Dialoge auf die esoterische Lehre hin tendieren. Deren Wesen und Mitte ist für KRÄMER das Eine, das zugleich das Gute ist, als absoluter Seinsgrund. So stellt er Platon fester in die von Parmenides ausgehende Tradition und in die Reihe der um die άρχή bemühten Denker. Über Parmenides hinaus hat Piaton dem Prinzip des Einen ein anderes, das der Zweiheit (άόριστος δυάς), des Gegensätzlichen 1
Nachrichten darüber bei Simplikios, Phys. 151, io;de an. 28,7. Philoponos, Phys. $21,10,14; Jean.ys· 34ff· 5, 22. 4, 13. 5, 87, wozu für Aristoteles noch die Verzeichnisse des Hesych und Ptolemaios, sowie mehrere Verweise bei Alexander Aphr. kommen; die Stellen, bei KRÄMEH 412, A. 61 f. 1
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V g l . KRÄMER 404, A . 43. 4 0 4 - 4 0 9 .
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(μέγα - μικρόν) gegenübergestellt und aus der Durchdringung der beiden Prinzipien die W e l t in ihrer Vielheit erklärt. Da das Eine ebenso ontologische wie axiologische Bedeutung hat, ist in ihm auch unlöslich der platonische Arete-Begriff verwurzelt. Hingegen gehören die Ideen für den Piaton, den KRÄMER deutet, nicht primär zum Bestand der platonischen Ontologie, sie treten erst nachträglich zwischen den Seinsgrund des Eins und das einzelne, individuell Seiende, zwischen den Prinzipien die Vermittlung schaffend. Es war notwendig, dieses neue Piatonbild wenigstens mit einigen Strichen zu skizzieren. Die Forschung wird sich mit vielen Fragen zu befassen haben, die damit zusammenhängen. Ist die ontologische Fundamentallehre von dem Einen als Seinsgrund wirklich so weit zuriickzuverfolgen? In welchem Maße ist die Funktionsidentität des Einen und der Idee desGuten zu sichern? K o m m t dem Ideenkosmos tatsächlichnur eine verhältnismäßig sekundäre Bedeutung in Piatons Ontologie zu? Wieviel an Bezügen der Dialoge zu der Lehre v o n dem Einen als Seinsgrund ist durch die Interpration zu erweisen? Und endlich: wenn schon die Notwendigkeit, in den Vorträgen Über das Gute die Alterslehre Piatons zu finden, gefallen ist, muß dasselbe von der Möglichkeit, j a von der Wahrscheinlichkeit gesagt werden? Hier setzen wir eines der wichtigsten Zeugnisse des Aristoteles ein, durch das er in der Metaphysik (M 4. 1078 b 9) die Konzeption der Ideenzahlen von einer früheren Phase der Ideenlehre absetzt. A n einer ganzen Reihe von Stellen der Metaphysik1 stellt Aristoteles fest, daß Piaton außer den mathematischen eigene Ideenzahlen angenommen hat, die aus dem Eins und dem Gegensätzlichen (μέγα - μικρόν) als ihren Ursprüngen hervorgehen. Diese Lehre von den Ideenzahlen ist in der letzten Phase der Platonforschung Gegenstand lebhafter Debatten geworden. V o r allem hat HAROLD CHERNISS ihre Bedeutung bestritten und die Berichte des Aristoteles aus der Mißdeutung der Dialoge erklären und auf diese Weise abwerten wollen 2 . Daß diese Skepsis zu weit geht und die bezeichneten Berichte wertvolle Hinweise auf Piatons esoterische Lehre geben, dürfte KRÄMER wohl erwiesen haben 3 . Da nun Aristoteles an der oben zitierten Stelle der Metaphysik die Ideenzahlen einer späteren Phase des platonischen Philosophierens zuweist, anderseits aber diese Zahlen mit den beiden Prinzipien des Eins und des Gegensätzlichen zusammenbringt, ist es sehr zu überlegen, ob nicht dies alles zusammengenommen später Piaton ist. Da nun die Annahme sehr nahe liegt, Sinn dieser Ideenzahlen sei es gewesen, die Ordnung der Ideen durchschaubar zu machen, erhebt sich die weitere Frage, ob von hier aus Beziehungen zu jener Methode der Begriffsbildung, der Diairesis, zu finden sind, die in den Dialogen seit dem Theaitet stärker in den Vordergrund tritt und, wie wir wissen, i m Lehrbetrieb der Akademie eine große Rolle spielte. Das Bemühen, Zitiert bei KRÄMEH 2 50 f. So in Aristotle's Criticism of Plato and the Academy I. Baltimore 1944, repr. N e w Y o r k 1962, und besonders in The Riddle of the Early Academy. Berkeley 1945, deutsch: Die ältere Akademie. Ein historisches Rätsel und seine Lösung. Heidelberg 1966. 3 Gegen die Skepsis von CHBHNISS auch E. M . MANASSE, Bücher über Piaton. Philos. Rundschau. Beih. 2, 1961, 90, der an eine Alterslehre Piatons denkt. 1
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zwischen der Lehre von den Ideenzahlen und ihrer Entstehung einerseits und der diabetischen Strukturforschung anderseits eine Beziehung zu ermitteln, hat seinen stärksten Anstoß durch JULIUS STENZEL erhalten 1 . Man wird jedoch das Fazit aus den bisherigen Bemühungen kaum anders ziehen können, als dies KURT V. FRITZ getan hat', wenn er feststellt, daß mit unseren Mitteln weder Piatons Anschauung von der Entstehung der Ideenzahlen noch die Weise, in der er sie den Ideen zugeordnet hat, mit Sicherheit zu ermitteln ist. W o m i t freilich keineswegs schon gesagt ist, daß es solche Beziehungen nicht tatsächlich gegeben hat. Die Akademie hatte gewaltigen Zulauf. Da wird von einem Bauern erzählt, der nach der Lektüre des Gorgias von seinem Felde kam, von einem Chaldäer und gar von einer Dame in Männerkleidung. Wichtiger als Anekdoten dieser Art sind einige Namen, die uns ein Bild von dem Kreise um Piaton geben. Da sind die Pioniere der Mathematik, von denen wir Theaitet, den u m die Stereometrie Hochverdienten, schon kennenlernten. Kein anderer Zuzug ist jedoch für die Akademie so bedeutsam gewesen wie der des Eudoxos von Knidos 3 , der um 367 mit einer Gruppe von Schülern kam. Sein mathematischer Lehrer war Archytas gewesen, als junger Mann hörte er eine Zeidang Piaton, ging aber dann auf Reisen, die ihn zu längerem Aufenthalt nach Ägypten führten. Es folgte die Gründung einer Schule in Kyzikos und nach weiteren Wanderjahren der Aufenthalt in der Akademie, nach dem er schließlich in seine Heimat zurückkehrte. Seine Verdienste um die Mathematik, w o Proportionslehre, Theorie des Goldenen Schnittes und Exhaustionsmethode, ein wichtiger Schritt zur Infinitesimalrechnung, seine besonderen Leistungen bezeichnen, sind ebenso groß wie seine Wirkung auf die Entwicklung der Astronomie. Hier begründete er die Lehre von den konzentrischen Himmelssphären mit der Erde als Mittelpunkt. Durch die Bewegung dieser Sphären, die teils ineinander, teils miteinander kreisen, erklärte er die Bahnen der Planeten. A u f dem Gebiete der Ethik setzte er an die Stelle der platonischen Idee des Guten das in der Physis des Menschen gelegene Luststreben, dem jedoch der Bezug auf das Göttliche eignet 4 . Spärliche Nachrichten über Mathematiker der Zeit, darunter solche, die der Akademie nahestanden, gibt Proklos in seinem Kommentar zu Euklids Elementen. EinenLeodamas, Neokleides, Leon fassen wir gerade dem Namen nach und hören v o n dem erstgenannten, daß er Schüler Piatons war. Menaichmos, den Eudoxos ausbildete, 1 Zahl und Gestalt bei Piaton und Aristoteles. Leipz. 1924; 2. A u f l . 1933; ein Neudruck Darmstadt 1958. Weitere Arbeiten von O . TÖPLITZ und STENZEL bei KRÄMER 256, 26; dazu O . BECKER, Zwei Untersuchungen zur antiken Logik. Wiesbaden 1957. 2 Gnom. 33, 1961, 7; bes. 12. Positiver KRÄMER 434. 437. 3 SARTON (S. U.), 441. 447. Gnom. 24, 1952, 39. W . SCHADEWALDT, , ebda. S. 97) und M . POHLENZ (Nachr. Akad. Gött. Phil. hist. Kl. 1952/5, 99, 7) darauf verwiesen, daß die Vorschläge des Aristophanes v o n B y z a n z (Diog. Laert. 3, 61) für eine trilogische Anordnimg die tetralogische bereits voraussetzen. So bleibt eine in Tetralogien geordnete Ausgabe der Akademie wahrscheinlich, die bereits viel Unechtes als platonisch aufnahm und durchaus kein Erzeugnis kritischer Textbehandlung g e wesen sein muß. Diese Annahme ist mit dem Ansatz alexandrinischer Ausgaben durchaus v e r einbar, ohne daß w i r den Anteil des Aristophanes abgrenzen könnten. A u c h f ü r Derkyllides (2./1. Jh. v . C h r . ) ist eine Ausgabe bezeugt. D i e Theorie, daß ein einziges zu den Byzantinern gerettetes Platonexemplar Archetypus aller unserer Handschriften sei, ist heute gefallen. D i e indirekte Überlieferung (Neuplatoniker, Stobaios u.a.) sowie die Papyri (nr. 1386-1429 P. V g l . auch O . VINZENT, Textkrit. Untersuchungen der Phaidros-Papyri. Diss. Saarbrücken 1961; p. 153 zur Piatonüberlieferung mit Lit. P . J . SIJPESTEIJN, . Aegyptus 44, 1964, 26; ders., . Historia 15, 1966,185. Auch jener biographische Abriß des Ptolemaios, auf den die neuplatonischen Viten und die arabische Überlieferung zurückgehen, enthielt das Testament des Aristoteles. Dessen T e x t findet sich jetzt auch bei M . PLEZIA, Aristotelis epistularum fragmenta cum testamento. Warschau 1961. A . - H . CHKOUST, . In: Aristotle and Plato in the mid-fourth Century. Papers of the Symposium Aristotelicum held at Oxford in August 1957. Studia Graeca et Latina Gothoburgensia II. Göteborg I960, 19. Die Arbeit ist für die Problematik der Rekonstruktion dieser Schriften wichtig. A . - H . CHROUST, (Eudemus on the soul: A lost dialogue of Aristotle on the immortality o f the soul>. Mnem. s. 4, 19, 1966, 17; ders., (The psychology in Aristotle's lost dialogue Eudemus or on the soul>. Acta classica 9,
1966, 49.
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DIE HOHE ZEIT DER G R I E C H I S C H E N POLIS
Ebenfalls in die Jahre, in denen Aristoteles Akademiker war, gehört der Protreptikos mit der in Piatons Nachfolge stehenden Aufforderung z u m Leben im Geiste und mit dem Preise philosophischen Erkennens, der φρόνησις', als der höchsten dem M e n schen vorbehaltenen Möglichkeit. D i e Frage, ob der Protreptikos ein Dialog war, ist noch offen. JAEGER denkt an eine Werberede, deren formale Ahnen i m sophistischen Lehrbetrieb zu suchen wären. Andere wie D . J. ALLAN und H. LANGERBECK ' legen Gewicht auf die Tatsache, daß Cicero in seinem Hortensius den Protreptikos in der Form eines Dialoges nachbildete, und nehmen diese auch für die Schrift des Aristoteles an. D i e W e n d u n g an den kyprischen Fürsten Themison könnte sich dann so erklären, daß Aristoteles fingierte, er habe auf dessen Ersuchen ein Gespräch über die Bedeutung der Philosophie aufgeschrieben. D i e Fragmente aus dem Protreptikos5 hat INGRAM BYWATER 1869 beträchtlich durch den Nachweis vermehrt, daß in dem Buche des Iamblichos mit dem gleichen Titel zahlreiche Exzerpte aus der aristotelischen Schrift enthalten sind. Für deren Vermehrung und Abgrenzung hat JAEGER in seinem Aristotelesbuche Entscheidendes geleistet. Unausgeglichenheiten in dem Erhaltenen werden eher einem Iamblichos zur Last zu legen sein, der Aristotelisches mit Platonischem vermengt, als einem Aristoteles, der sich v o n Piaton wegbewegt 4 . A n d e m weithin platonischen Geiste des Protreptikos ist ein Z w e i f e l nicht erlaubt. Damit ist aber noch nicht eines der Kernprobleme der heutigen Aristotelesforschung entschieden, ob nämlich in dieser Schrift w i e auch i m Eudetnos, die platonische Ideenlehre als solche übernommen ist. Während JAEGER die Frage bejahte und als stärkste Stütze dafür die Partie aus Iamblichos (fr. 13 Ross) mit der Scheidung v o n wahrer Wirklichkeit und Abbildern verwendete, hat man neuestens berechtigte Z w e i f e l daran vorgebracht 5 , daß Aristoteles jemals die platonische Ideenlehre mit ihrem Chorismos zwischen einer transzendenten Wirklichkeit und den bloß in der Teilhabe existierenden D i n g e n der Sinnenwelt als seine Überzeugung vertreten hätte. N a c h dieser A u f fassung meinte Aristoteles mit der wahrenWirklichkeit in dem wichtigen fr. 13 (Ross) die normgebende Physis, die dem Menschen durch theoretische Erkenntnis zugänglich ist. 1
Ü b e r die Entwicklung des Begriffes JAEGER (S. U.), 82.
J
W . GEBSON RABINOWITZ, Aristotle's
Class.
Phil.
1
Gnom. 26,1954, 3.
Protrepticus and the Sources of its Reconstruction.
nutzung des Protreptikos
im Hortensius
Pubi, in
bezweifelt er. Z u m Verhältnis dieser Schriften O . GIGON, < C i c e r o
und Aristoteles). Herrn. 87, 1959, 154. - J. DÜRING, Aristotle's Stud. GraecaetLat.
Gothob.
12,1961;
1969; dazu E. DB STRYCKER, Gnom.
ders., Aristoteles.
Protrepticus.
Der Protreptikos.
nen Partien. A . - H . CHROUST, Protrepticus. Protreptikos des Aristoteles.
Text,
An
Attempt
at
Reconstruction.
Übers, u. Komm. Frankfurt a. M .
41, 1969, 233, mit wichtigen Ausfuhrungen Uber die stilistische und
qualitative Verschiedenheit der bei Iamblichos für den Protreptikos A Reconstruction.
des Aristoteles in Anspruch genomme-
Notre Dame, Ind. 1964. G . SCHNEBWBISS,
Diss. München 1966 (masch.). Lit. zu früheren Versuchen bei F. DIRLMEIER,
28, 1956, 343, ι , und W . SPOERRI, Gnom. 4
Univ. of Calif
16/1. 1957, mit zu weit getriebener Skepsis gegen die vorausgegangenen Versuche. Die B e -
Z u r Frage G . MÜLLER, MUS. Helv.
Der
Gnom.
32, i960, 18, 4.
17, i960, 134, der 143 zu der Formulierung gelangt: «nicht platoni-
sierender Aristoteles, sondern kontaminierender Iamblich.» 5
I. DÜRING, 337· 39. ΐ9 6 ι > 1 2 1 1 von dems. eine komm. Ausgabe Rom 1963. J. PÉPIN, . Am.Journ. Phil. 66,194J, 171. H. L. HUDSON-WILLIAMS, . Rhein. Mus. 102, 1959, 307. M . PUELMA,