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German Pages 440 Year 2020
Carl Schmitt / Duschka Schmitt Briefwechsel 1923 bis 1950
Carl Schmitt / Duschka Schmitt
Briefwechsel 1923 bis 1950 Herausgegeben von
Martin Tielke
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlag: Carl und Duschka Schmitt (© Privatbesitz) Alle Rechte vorbehalten
© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Das Druckteam, Berlin Printed in Germany ISBN 978-3-428-15845-4 (Print) ISBN 978-3-428-55845-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Inhalt Editorisches Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe an Duschka 1923/24 . . . Briefe 1924 bis 1929 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Briefe 1933 bis 1943 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46 . . . Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950 . . . . . . . . .
47 67 105 112 269 288
Verzeichnis der Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeugnisse über Duschka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht Hans Barions über das Begräbnis Duschkas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht Carl Schmitts an Pater Erich Przywara 1945/46 . . . . . . . . . . . . . . . . Tagebuchaufzeichnungen von Carl Schmitt vom 3. bis 5. Mai 1946 . . . . . . Sonntags-Sonnett an die Lagerdistel auf Revierstube 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief Duschkas vom 25. 7. 1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duschka und Jeanne Linn, Bonn 1927 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemälde Duschkas von Pallenberg (ca. Anfang 1930er Jahre) . . . . . . . . . . . Postkarte Carl Schmitts vom 11. 1. 1946 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeichnung des Leviathan von Franz Stassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Margarete und Werner Blischke mit Tochter Christina, ca. 1947 . . . . . . . . . Beichtzettel Carl Schmitts, Nürnberg, Ostern 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Carl Schmitt um 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Duschka in der Heidelberger Klinik sechs Tage vor ihrem Tod . . . . . . . . . . Todesanzeige Duschka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
401 403 407 410 414 419 420 421 422 423 424 425 426 427 427 428
Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429
Editorisches Vorwort Der hier vorgelegte Briefwechsel Carl Schmitts mit seiner Ehefrau Duschka Todorović umspannt einen Zeitraum von 27 Jahren und umfasst 234 Briefe, 154 von Carl Schmitt und 80 von Duschka, wobei die ersten 26 Briefe alle von Carl und nur aus seinem Tagebuch bekannt sind, in das er sie abschriftlich bzw. als Entwurf oder Regest notierte. Die übrigen Briefe liegen, sofern sie nicht als „Privatbesitz“ gekennzeichnet sind, sämtlich im Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland (Duisburg) in den Nachlässen von Carl Schmitt (RW 265 und RWN 260) und Piet Tommissen (RW 579). Der erste im Original erhaltene und sicher zu datierende Brief Schmitts stammt vom 25. Juni 1924. Von Duschka sind bis Oktober 1945 überhaupt nur zwei Briefe überliefert, und auch aus ihren letzten beiden Lebensjahren gibt es von ihr lediglich zehn Briefe. Die Korrespondenz zerfällt zeitlich in zwei große Blöcke: einmal in die 20er Jahre und sodann – mit mehr als zwei Drittel der Briefe den Schwerpunkt bildend – in die Zeit von Oktober 1945 bis zum Tod Duschkas am 3. Dezember 1950. Diese Schwerpunkte erklären sich durch die Trennungsphasen des Paares. Duschka litt in den 20er Jahren an Tuberkulose und hielt sich deshalb häufig fern von Schmitt in Krankenhäusern und Kurorten auf, auch fuhr sie mehrfach in ihre kroatische Heimat, was die Häufigkeit der Korrespondenz bedingte. Diese Abwesenheiten kulminierten von Mitte September 1928 bis Ende 1929, als sie im deutschen Kaiser-Friedrich-Krankenhaus in San Remo lag, unterbrochen durch mehrere Operationen in St. Gallen in der Schweiz. Danach war das Ehepaar nur noch kurzzeitig getrennt, weshalb der Austausch von Briefen selten wird. Das änderte sich Ende 1945. Jetzt war es zunächst Carl Schmitt, der abwesend war: Am 26. September 1945 wurde er von der amerikanischen Besatzungsmacht verhaftet und war bis zum 10. Oktober 1946 interniert, zunächst im Verhör-Zentrum des amerikanischen Geheimdienstes in Wannsee und dann im Internierungslager in Berlin-Lichterfelde. Erneut inhaftierte man Schmitt am 19. März 1947 und überstellte ihn zehn Tage später in das Gefängnis des Nürnberger Militärgerichtshofes. Sein Status war Zeuge und möglicher Angeklagter, „possible defendant, wie diese interessante Einrichtung des amerikanischen Strafprozesses heißt“.1 Am 21. Mai kehrte er schließlich als freier Mann in seine Geburtsstadt Pletten1
ECS, S. 96 (Vorwort zur spanischen Ausgabe 1960).
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Editorisches Vorwort
berg zurück, wo er mit Duschka und der Tochter Anima im Haus der Schwestern wohnte. Ein letzter Höhepunkt der Korrespondenz setzt 1949 ein, als Duschka ab September dieses Jahres wegen einer Krebserkrankung sich wiederholt zu längeren Aufenthalten in eine Heidelberger Klinik begab, wo sie dann auch starb. Der Schwerpunkt der Korrespondenz liegt also mit 201 Briefen in den Jahren 1945 bis 1950, wobei „Schwerpunkt“ sich nicht nur auf die bloße Zahl, sondern auch auf Umfang und Gehalt der einzelnen Schreiben, vor allem derjenigen Schmitts bezieht. Er hatte im Internierungslager zwar Schreibverbot bzw. er durfte nur einmal im Monat und nur maximal 20 Zeilen mit Bleistift und in Versalien an seine Frau schreiben – davon gibt es als einziges erhaltenes Zeugnis eine Postkarte vom 11. Januar 1946 –, aber er fand einen Weg, Briefe an der Zensur vorbei aus dem Lager zu expedieren, was er zu sehr langen und inhaltsreichen Schreiben nutzte. Diesen Teil der Korrespondenz hat Carl Schmitt selbst als wichtig und überlieferungswürdig angesehen; das entsprechende Konvolut ist von ihm mit folgender Notiz versehen: „Briefe aus dem Amerikanischen Camp Wannsee und LichterfeldeSüd, August [!] 1945–1946. Diese Briefe gehören zu meinem persönlichen Nachlass.“2 Zu Beginn ihres Briefwechsels erhält Carl am 21. August 1923 von Duschka eine (nicht überlieferte) Karte „mit schrecklichen orthographischen Fehlern“.3 Das war kaum verwunderlich, war doch die serbische Studentin erst seit wenigen Monaten in Deutschland. Allerdings war sie in der k.u.k.Monarchie aufgewachsen; die deutsche Sprache wird ihr mithin nicht völlig fremd gewesen sein. Doch auch ihr erster erhaltener Brief vom 25. Juli 1924 zeugt noch von einer gewissen sprachlichen Unbeholfenheit. Das besserte sich dann schnell; Duschka schreibt im Folgenden ein weitgehend fehlerfreies Deutsch. Der originale Text der Briefe ist nur sehr zurückhaltend geändert worden. Falschschreibungen von Orts- und Personennamen sind stillschweigend korrigiert („Uppsala“ statt „Upsala“, „Kütemeyer“ statt „Kütemeier“), ausgenommen Fälle, wo Absicht zu vermuten ist („Karlo“ statt „Carlo Schmid“). Die wechselnde Schreibweise von „Duschka“ und „Duška“ ist zugunsten der ersten vereinheitlicht. Französische Anführungszeichen, die Schmitt neben gelegentlichen deutschen benutzt, sind durchgehend auf deutsche umgestellt. Nicht korrekte Umlaute („Fränger“ statt „Fraenger“, „ueberhaupt“ statt „überhaupt“) sind korrigiert. Schmitt schreibt in den frühen Briefen „ß“ nach alter Rechtschreibung, nach 1945 fast nur noch „ss“, auch wo es nicht regel2 3
RW 265 Nr. 13459/1. TB III, S. 238 f.
Editorisches Vorwort
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konform ist. Die Briefe sind nach der aktuellen ß-Regel normiert. Spitze Winkelklammern deuten an, dass ein Wort nicht bzw. nicht sicher gelesen wurde; doch sind diese Fälle sehr selten. In eckigen Klammern stehen Zusätze des Herausgebers; auch das war nur in wenigen Fällen nötig. Schmitts Briefe sind immer handschriftlich, wobei er bis 1947 die deutsche Kurrentschrift, dann seine schöne und klare lateinische Schrift benutzt. Für Duschkas Briefe ins Camp und in das Nürnberger Gefängnis war Maschinenschrift obligat. Da Duschka offenbar im Schreibmaschineschreiben ungeübt war, hat Marlies Rosenhahn, die seit 1944 in Schlachtensee mit im Haus wohnte, diese Briefe geschrieben. Ansonsten schreibt auch Duschka mit der Hand. Während die handschriftlichen Briefe nicht besonders gekennzeichnet sind, ist bei den maschinenschriftlichen beim Nachweis ein „ms.“ hinzugefügt. Briefumschläge sind nur in wenigen Fällen bei den Briefen erhalten, finden sich jedoch zahlreich an anderer Stelle.4 Ihre Beschriftung ist nur dann wiedergegeben, wenn die Adresse aussagekräftig ist. Der Herausgeber bedankt sich bei der Enkelin Carl Schmitts, Beatriz Isabel Otero Schmitt, für die Überlassung und Abdruckgenehmigung der in ihrem Besitz befindlichen Briefe, wobei Ulla Held vermittelnd tätig war. Dem Verwalter des Schmitt-Nachlasses, Herrn Jürgen Becker, jetzt: Florian Meinel, dankt der Herausgeber für die Erlaubnis, die Briefe abzudrucken und die Archivmaterialien zu verwenden. Für Auskünfte sei gedankt: Christina Blischke, Marcus Dudek, Philipp Gahn, Carl-Erich Kesper, Klaus Kröger, Ursula Kunath, Reinhard Mußgnug, Barbara Nichtweiß, Martin Otto, Angela Reinthal, Wolfgang H. Spindler. Matthias Meusch, Emmy Julia Rains und Julia Nöltgen vom nordrhein-westfälischen Landesarchiv, Abt. Rheinland, in Duisburg haben bei der Zusammenstellung der unter unterschiedlichen Signaturen und in verschiedenen Nachlässen befindlichen Briefe engagierte Hilfe geleistet. Weiterhin haben folgende Institutionen die Arbeit unterstützt: Archiv der Humboldt-Universität Berlin, Alliiertenmuseum Berlin, Landesarchiv Berlin, Diözesanarchiv Berlin, Heimatmuseum Berlin-Zehlendorf, Staatsarchiv Nürnberg, Deutsches Literaturarchiv Marbach, Universitäts- und Landesbibliothek Bonn. Herrn Florian Simon sei gedankt für die Aufnahme der Edition in das Programm des Verlags Duncker & Humblot; Frau Heike Frank für die drucktechnische Betreuung. Gerd Giesler schließlich war es, der diese Edition angeregte und mit Rat und Tat begleitete. Aurich, im Oktober 2019
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RW 265 Nr. 21739.
Martin Tielke
Quellen und Literatur Angriffskrieg:
Carl Schmitt, Das internationalrechtliche Verbrechen des Angriffskrieges und der Grundsatz „Nullum crimen, nulla poena sine lege“. Hrsg., mit Anm. und e. Nachwort versehen von Helmut Quaritsch, Berlin 1994
Antworten:
Carl Schmitt, Antworten in Nürnberg. Hrsg. und kommentiert von Helmut Quaritsch, Berlin 2000
Bendersky (1983):
Joseph W. Bendersky, Carl Schmitt. Theorist for the Reich, Princeton 1983
Bendersky (2007):
Joseph W. Bendersky, Carl Schmitt’s path to Nuremberg. A sixty-year reassessment. In: Telos, 2007, vol. 139, S. 6–43
Biogr. Hb. A. D.:
Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Hrsg.: Auswärtiges Amt, Historischer Dienst, Bd. 1–5, Paderborn 2000–2014
BW d’Ors:
Carl Schmitt/Álvaro d’Ors, Briefwechsel. Hrsg. von Montserrat Herrero, Berlin 2004
BW Feuchtwanger:
Carl Schmitt/Ludwig Feuchtwanger, Briefwechsel 1918–1935. Hrsg. von Rolf Rieß. Mit e. Vorwort von Edgar J. Feuchtwanger, Berlin 2007
BW Forsthoff:
Carl Schmitt/Ernst Forsthoff, Briefwechsel Ernst Forsthoff Carl Schmitt (1926–1974). Hrsg. von Dorothea Mußgnug, Reinhard Mußgnug und Angela Reinthal, in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler und Jürgen Tröger, Berlin 2007
BW Huber:
Carl Schmitt/Ernst Rudolf Huber, Briefwechsel 1926–1981. Mit erg. Materialien. Hrsg. von Ewald Grothe, Berlin 2014
BW EJünger:
Ernst Jünger/Carl Schmitt, Briefe 1930–1983. Hrsg., komment. und mit e. Nachwort von Helmuth Kiesel, 2. Aufl., Stuttgart 2012
BW GJünger:
Gretha Jünger/Carl Schmitt, Briefwechsel Gretha Jünger Carl Schmitt (1934–1953). Hrsg. von Ingeborg Villinger und Alexander Jaser, Berlin 2007
BW Mohler:
Carl Schmitt, Carl Schmitt – Briefwechsel mit einem seiner Schüler. Hrsg. von Armin Mohler in Zusammenarbeit mit Irmgard Huhn und Piet Tommissen, Berlin 1995
BW Sander:
Carl Schmitt/Hans-Dietrich Sander, Werkstatt-Discorsi. Briefwechsel 1967‒1981. Hrsg. von Erik Lehnert und Günter Maschke, Schnellroda 2008
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Quellen und Literatur
BW Schnitzler:
Lilly von Schnitzler/Carl Schmitt. Briefwechsel 1919 bis 1977. Hrsg. von Rolf Riess. In: Schmittiana NF I, 2011, S. 113–256
BW Smend:
Carl Schmitt/Rudolf Smend. „Auf der gefahrenvollen Straße des öffentlichen Rechts“. Briefwechsel Carl Schmitt/Rudolf Smend. Mit ergänzenden Materialien hrsg. von Reinhard Mehring, 2. überarb. Aufl., Berlin 2012
BW Sombart:
Schmitt und Sombart. Der Briefwechsel von Carl Schmitt mit Nicolaus, Corina und Werner Sombart. Hrsg. von Martin Tielke in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler, Berlin 2015
DLA:
Deutsches Literaturarchiv, Marbach, Nachlass Ernst Jünger, Zugangsnummer HS.1994.0009, Briefe von Duschka, Carl und Anima Schmitt an Gretha Jünger
ECS:
Carl Schmitt, Ex Captivitate Salus. Erfahrungen der Zeit 1945/47, 4., erw. Aufl., Berlin 2015
Faulenbach:
Heiner Faulenbach, Ein Weg durch die Kirche. Heinrich Josef Oberheid, Köln 1992
FoP:
Carl Schmitt, Frieden oder Pazifismus. Arbeiten zum Völkerrecht und zur internationalen Politik 1924‒1978. Hrsg., mit e. Vorwort und mit Anmerkungen versehen von Günter Maschke, Berlin 2005
Gespräch:
„Solange das Imperium da ist“. Carl Schmitt im Gespräch mit Klaus Figge und Dieter Groh 1971. Hrsg., kommentiert und eingel. von Frank Hertweck & Dimitrios Kisoudis in Zsarbeit mit Gerd Giesler. Mit e. Nachwort von Dieter Groh, Berlin 2010
Giesler (2010):
Gerd Giesler, Carl Schmitt und die Künste in der Plettenberger Nachkriegszeit (Carl Schmitt opuscula/Plettenberger Miniaturen, 3), Plettenberg 2010
Giesler (2014):
Gerd Giesler, Carl Schmitt privat in Berlin. Adressen, Wohnungen und Gäste (Carl Schmitt opuscula/Plettenberger Miniaturen, 7), Plettenberg 2014
Glossarium:
Carl Schmitt, Glossarium. Aufzeichnungen aus den Jahren 1947 bis 1958. Erw., bericht. und komment. Neuausg. Hrsg. von Gerd Giesler und Martin Tielke, Berlin 2015
Hüsmert:
Ernst Hüsmert über Carl Schmitt. Herscheider Erinnerungen. Aus Gesprächen mit Stefan Osterhaus (Carl Schmitt opuscula/ Plettenberger Miniaturen, 10), Berlin 2017
Jugendbriefe:
Carl Schmitt, Jugendbriefe. Briefschaften an seine Schwester Auguste 1905 bis 1913. Hrsg. von Ernst Hüsmert, Berlin 2000
Mehring (2009):
Reinhard Mehring, Carl Schmitt. Aufstieg und Fall, München 2009
Quellen und Literatur
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Mehring (2012):
Reinhard Mehring, „Eine Tochter ist das ganz andere.“ Die junge Anima Schmitt (1931‒1983) (Carl Schmitt opuscula/ Plettenberger Miniaturen, 5), Plettenberg 2012
Mehring (2017):
Carl Schmitt: Denker im Widerstreit. Werk – Wirkung – Aktualität, Freiburg/München 2017
Mehring, Eisler:
Reinhard Mehring, Die Hamburger Verlegerfamilie Eisler und Carl Schmitt (Carl Schmitt opuscula/Plettenberger Miniaturen, 2), Plettenberg 2009
Meinel:
Florian Meinel, Der Jurist in der industriellen Gesellschaft. Ernst Forsthoff und seine Zeit, Berlin 2011
NDB:
Neue Deutsche Biographie. Hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 1 ff., Berlin 1953 ff.
OMGUS:
OMGUS-Handbuch. Die amerikanische Militärregierung in Deutschland 1945‒1949. Hrsg. von Christoph Weisz, 2. Aufl., München 1995
PuB:
Carl Schmitt, Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles 1923‒1939, 4. korr. Aufl., Berlin 2014
RW 265:
Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Duisburg, Nachlass Carl Schmitt
RW 579:
Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Duisburg, Nachlass Piet Tommissen
RWN 260:
Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Duisburg, Nachlass Carl Schmitt, Nachträge
Schick:
Christa Schick, Die Internierungslager. In: Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland. Hrsg. von Martin Broszat/Klaus-Dietmar Henke/ Hans Woller, München 1989, S. 301–325
Schmittiana:
Schmittiana. Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts. Hrsg. von Piet Tommissen, Bd. I–VIII, 1988–2003
Schmittiana NF:
Schmittiana. Beiträge zu Leben und Werk Carl Schmitts. Neue Folge. Hrsg. von der Carl-Schmitt-Gesellschaft, Bd. I‒ III, 2011‒2016
Schöbener:
Burkhard Schöbener, Die amerikanische Besatzungspolitik und das Völkerrecht (Schriften zum Staats- und Völkerrecht, 45), Frankfurt a. M. [u. a.] 1991
SGN:
Carl Schmitt, Staat, Großraum, Nomos. Arbeiten aus den Jahren 1916–1969. Hrsg., mit e. Vorwort und mit Anmerkungen versehen von Günter Maschke, Berlin 1995
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Quellen und Literatur
Spindler:
Wolfgang Hariolf Spindler, Eine Art Vergangenheitsbewältigung: Carl Schmitts Beichte 1947. In: Die neue Ordnung 62, 2008, S. 309–318
TB I:
Carl Schmitt, Tagebücher. Oktober 1912 bis Februar 1915. Hrsg. von Ernst Hüsmert, 2. korr. Aufl., Berlin 2005
TB II:
Carl Schmitt, Die Militärzeit 1915 bis 1919. Tagebuch Februar bis Dezember 1915. Aufsätze und Materialien. Hrsg. von Ernst Hüsmert und Gerd Giesler, Berlin 2005
TB III:
Carl Schmitt, Der Schatten Gottes. Introspektionen, Tagebücher und Briefe 1921 bis 1924. Hrsg. von Gerd Giesler, Ernst Hüsmert und Wolfgang H. Spindler, Berlin 2014
TB IV:
Carl Schmitt, Tagebücher 1925 bis 1929. Hrsg. von Martin Tielke und Gerd Giesler, Berlin 2018
TB V:
Carl Schmitt, Tagebücher 1930–1934. Hrsg. von Wolfgang Schuller in Zusammenarbeit mit Gerd Giesler, Berlin 2010
Tilitzki (1991):
Christian Tilitzki, Carl Schmitt – Staatsrechtslehrer in Berlin. Einblicke in seinen Wirkungskreis anhand der Fakultätsakten 1934‒1944. In: Etappe. Organon für Politik, Kultur, Wissenschaft 7, 1991, S. 62–117
Tilitzki (1998):
Christian Tilitzki, Die Vortragsreisen Carl Schmitts während des Zweiten Weltkrieges. In: Schmittiana VI, 1998, S. 191– 270.
VA:
Carl Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, 4. Aufl., Berlin 2003 (zuerst 1958)
van Laak:
Dirk van Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, Berlin 1993
Wieland:
Claus-Dietrich Wieland, Carl Schmitt in Nürnberg (1947). In: 1999. Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, 1, 1987, S. 96–122
Einführung Carl Schmitt war ein passionierter Briefschreiber. In seinem Nachlass finden sich rund 20.000 Briefe, was nur der erhaltene Teil einer weit umfangreicheren Korrespondenz ist, bei der es sich in der Regel um Gelehrten-Korrespondenz handelt. Obwohl Schmitt viele Frauen geliebt hat, fehlen – mit Ausnahme der hier veröffentlichten – entsprechende Briefe. Das gilt auch für Pauline Marie Dorotić („Cari“), mit der Schmitt 1915 die Ehe einging. Sie entwickelte sich bald zu einem Desaster, das Schmitt aus seiner Biographie zu tilgen suchte, indem er alle Zeugnisse dieser Verbindung vernichtete; konsequenterweise gibt es heute auch von dieser Frau keinen einzigen Brief. Ganz anders verhält es sich mit der zweiten Ehefrau Duška (Duschka) Todorović. Hinterließen die Ehejahre mit Cari bei Schmitt das bleibende Trauma des (Selbst-)Betrugs, so bedeutete die zweite Ehe mit Duschka eine kaum zu überschätzende Stabilisierung seines labilen, zwischen Verzweiflung und Euphorie ständig schwankenden Zustands. Da das Paar in den zwanziger Jahren und auch nach 1945 häufig getrennt war, nahm ihre Korrespondenz einen erheblichen Umfang an. Anfang Oktober 1924 notiert Carl Schmitt in seinem Tagebuch: „jeden Tag Duschka geschrieben, fast jeden Tag einen schönen Brief von ihr bekommen“.1 Und am 4. Dezember 1925 schreibt er an Duschka: „Duschkiza, ich weiß nicht, warum der Brief, den ich Dienstag schickte, so, wie jeden Tag, um 5 Uhr, nicht pünktlich angekommen ist.“ Die beiden Zitate wären insofern zu präzisieren, als Schmitt zu dieser Zeit oft mehrmals am Tag an Duschka schrieb. Doch sind aus diesen Jahren nur wenige originale Briefe erhalten, die ersten 26 Briefe – sämtlich von Carl Schmitt – sind überhaupt nur aus seinem Tagebuch bekannt, in das er sie eintrug. Die Briefe Duschkas konzentrieren sich auf die Jahre 1945 bis 1947, in denen Carl Schmitt im amerikanischen Internierungslager Berlin-Lichterfelde bzw. im Nürnberger Kriegsverbrechergefängnis inhaftiert war. Der Beginn der Beziehung zu Duschka Die Ehe mit Cari wurde am 2. März 1924 rechtskräftig geschieden. Schmitt hatte sein Scheidungsbegehren mit „arglistiger Täuschung“ begründet; Cari hatte ihr Geburtsdatum gefälscht und sich als aus kroatischem Adel stammend ausgegeben, war tatsächlich aber obskurer Herkunft, nämlich die 1
TB III, S. 371.
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Einführung
uneheliche Tochter einer Wienerin, die der Vater, ein Klempnergehilfe aus Agram, nachträglich legitimiert hatte. Um das zu beweisen, benötigte Schmitt die Übersetzung serbokroatischer Dokumente und wandte sich deswegen an die neunzehnjährige Studentin Todorović, die aus dem kroatischen Grozdanska stammte und zur serbischen Minderheit in Kroatien zählte. Sie hatte sich am 3. November 1922 an der philosophischen Fakultät der Bonner Universität eingeschrieben, um Nationalökonomie zu studieren. Keine drei Monate später lernte Schmitt sie kennen; am 22. Januar 1923 heißt es in seinem Tagebuch: „zu einer Serbin, die mir die Angelegenheit Agram übersetzt“. Beim anschließenden gemeinsamen Spaziergang am Rhein war er nahe daran, sich – wie es schnell bei ihm geschah – „zu verlieben“, war dafür dann aber doch „zu müde und gleichgültig“. Immerhin lud er die junge Frau ein, mit ihm zusammen am folgenden Abend seinen Freund, den Musikwissenschaftler Arnold Schmitz zu besuchen, von dem Schmitt sich gerne etwas auf dem Klavier vorspielen ließ, vorzugsweise Chopin. Bei dem Besuch fiel Duschka auf durch ihre hübsche Kleidung und ihr gutes Benehmen. Schmitt konstatiert, dass er mit seiner aktuellen Geliebten Lola Sauer „ziemlich fertig“ ist. Einige Tage später entdeckt er Duschka in seiner Vorlesung, was ihn „etwas nervös“ macht. Danach lädt er sie zum Essen ein, und wieder ist er angetan von ihrer schönen Kleidung, ihrer Freundlichkeit und ihren „wunderbaren dunklen Augen“. In den folgenden Wochen intensiviert sich die Beziehung. Je näher er sie kennenlernt, um so mehr ist Schmitt in Gedanken bei ihr, bewundert ihre Klugheit und Sicherheit und gewinnt sie „sehr lieb“. Zu Pfingsten schenkt ihr der Anti-Romantiker die Gedichte von Clemens Brentano. Gemeinsam besuchen sie die Mozart-Oper „Don Giovanni“, die Otto Klemperer in Köln aufführte, und während Schmitt meint, Elvira habe Don Juan betrogen, sagt Duschka: „sie hat sich selbst betrogen“. Damit war der sensible Punkt bei Schmitt berührt. Die Beziehung wächst langsam, aber stetig. Am 21. März konstatiert Schmitt „verzehrende Sehnsucht“. Doch die junge Frau hat einen Freund und bleibt gegenüber dem 15 Jahre älteren Professor, der schon ein Star der Universität war, zurückhaltend. Am 24. Mai erklärt sie ihm, er „dürfe nur ihr geistiger Vater und der Professor sein, niemals mehr“. Es dauert dann auch bis in den Herbst, dass erstmals von Küssen und Liebkosungen die Rede ist. Beide sollten aber – wie immer wieder verwundert bemerkt wurde – für die ganze Dauer ihres Zusammenlebens am „Sie“ festhalten. Duschka, obwohl nicht für Rechtswissenschaften eingeschrieben, erschien nicht nur in der Vorlesung Schmitts, sondern 1925 auch in seinem Seminar, wo sie, wie Ernst Rudolf Huber bezeugt, mit „erregend-aufhellenden Bemerkungen und Fragen“ in die Diskussion eingriff und in „ihrem fremdartigen Zauber, in der verhaltenen Intensität ihres Daseins, in der unkonventionellen Klugheit, die
Einführung
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sie auszeichnete“ auf „bezwingende Weise“ eine gute Figur machte im Kreis der berühmten Bonner Schüler Schmitts.2 Dass der Beginn der Verbindung mit Duschka in die Zeit der endgültigen Trennung von Carita Dorotić fällt, wurde für Schmitt mit seiner Neigung zur providentiellen Auslegung sogleich bedeutsam: Duschka „hat am 13. 2. (dem Tag meiner Eheschließung) Geburtstag. Unheimlich.“ Auch stellt er fest, dass „alle wichtigen Begegnungen mit Duschka den Mond im Wassermann haben! Also dieselbe Geschichte wie mit Carita.“ Tatsächlich aber wurde es eine ganz andere Geschichte. Der Briefwechsel Carl Schmitts mit Duschka ist das Dokument einer großen und dauernden Liebe. Dass das Paar sich siezte, hat zu der Vermutung verleitet, dass diese Ehe eine – wie es bei Katholiken heißt – „Josefsehe“ gewesen sei, also eine asexuelle. Der vorliegende Briefwechsel beweist die Abwegigkeit derartiger Spekulationen. Von der starken Verliebtheit Schmitts in den zwanziger Jahren, wie sie etwa in seinem Brief vom 17. Dezember 1924 mit der Litanei von Kosenamen zum Ausdruck kommt, bis zu seiner Sorge um und der verzweifelten Zuwendung zu seiner sterbenden Frau 1950 zeugen die Briefe Schmitts von einer anhaltenden und tiefen Zuneigung. Die Bewährungsprobe dafür kam nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als Carl Schmitt von der amerikanischen Besatzungsmacht inhaftiert wurde. Anderthalb Jahre schwebte über ihm die Drohung einer Anklage als Kriegsverbrecher. In dieser Zeit liegt der Schwerpunkt der überlieferten Korrespondenz, sowohl was den Umfang der Briefe betrifft als auch ihren Gehalt. Dem Geheimnis dieser Liebe kommt man auf die Spur über den Namen der Frau. Das serbische Wort „Duška“ bedeutet so viel wie „Seele“. Das mag Zufall sein; dass aber Schmitt dem gemeinsamen einzigen Kind ebenfalls den Namen „Seele“ (Anima) gab, der in keinem Heiligenkalender steht, war es nicht. Erstmals taucht „Seele“ in Schmitts Briefen an Duschka am 9. November 1923 auf, und im Folgenden sollte das bis zum Schluss immer und immer wiederholt werden, und noch in der Todesanzeige ist die „Kraft ihrer Seele“ hervorgehoben. Das Wort erscheint in einem doppelten Sinn, nämlich dass er ihre Seele ist wie auch vor allem umgekehrt. Im Begriff der „Seele“ verschmilzt Carl mit Duschka zu einer symbiotischen Beziehung. Das mag zunächst vage und unscharf erscheinen, meint jedoch etwas höchst Konkretes: Mit „Seele“ bezeichnet Schmitt das, was ihm fehlte und er mit Duschka kompensieren konnte: die in sich ruhende und auf ihn ausstrahlende Sicherheit, der Mut und die Gelassenheit dieser Frau, die damit ein Gegenbild war zur eigenen schwankenden, unsicheren und ängstlichen Persönlichkeit. Bei Duschka fand Schmitt den Halt, den er so bitter benötigte: „Die Gefahr der Entseelung ist groß, aber Sie sind meine Seele, liebe Duschka.“(12./13.6.46). 2
BW Huber, S. 371.
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Leid und Glück bis zum Jahr 1945 Nach der zivilrechtlichen Auflösung der ersten Ehe verlobte Schmitt sich Ostern 1925 mit Duschka und heiratet sie am 8. Februar 1926. Die fast 25 Jahre währende Verbindung war – trotz Schmitts notorischer Untreue – eine glückliche, aber auch sehr leidvolle Zeit. Zunächst war sie belastet durch die fragile Gesundheit Duschkas. Schon als Schmitt sie kennenlernte, war sie kränkelnd, und schließlich brach offene Tuberkulose aus; am Tag nach der Hochzeit hustete sie Blut. Reisen in klimatisch begünstige Orte – Kroatien, die oberitalienischen Seen, die italienische Riviera – halfen wenig; die Krankheit schritt fort und nahm lebensbedrohliche Formen an. Antibiotika zu ihrer Therapie gab es noch nicht; man behandelte sie einmal durch langwierige Aufenthalte in Heilstätten oder durch chirurgische Eingriffe. Beide Therapien kamen bei Duschka zur Anwendung. Bis 1929 hielt sie sich meistens an Kurorten oder in ihrer südlichen Heimat auf. Ab Mitte September 1928 lag sie über ein Jahr im deutschen Kaiser-Friedrich-Krankenhaus in San Remo. Dort verschlechterte sich ihr Zustand im März 1929 dramatisch, so dass Schmitt für mehrere Wochen nach San Remo fuhr. Das Paar traf detaillierte Vorbereitungen für ein Begräbnis in Plettenberg. Schmitt notierte im Tagebuch: „wir weinten ununterbrochen.“ Die Ärzte verlangten eine Operation. Schmitt wandte sich an seinen Bonner Kollegen, den Internisten Richard Siebeck, der, als er 1934 nach Berlin wechselte, Schmitts und 1949/50 in Heidelberg auch Duschkas behandelnder Arzt war. Siebeck empfahl den Sauerbruch-Schüler Alfred Brunner in St. Gallen, einen anerkannten Spezialisten für die chirurgische Behandlung der Lungentuberkulose. Von ihm wird Duschka im Mai und Juni 1929 mehrmals operiert. Sie überlebte, trug aber eine bleibende Beeinträchtigung ihrer Lungenfunktion durch einen Pneumothorax davon und war seitdem körperlich nur begrenzt belastbar. Ihre äußere Veränderung von einer schlanken zu einer korpulenten Frau dürfte in dieser Krankheitsgeschichte ihre Ursache haben. Die „Schwindsucht“ wurde üblicherweise mit der Empfehlung, gut und fett zu essen, bekämpft. Auch Schmitt drängte seine Frau, immer gut zu essen: „das Bärchen muss auch täglich schwerer werden und 1 Pfund zunehmen.“ (25.6.24). Nachdem Duschka Ende 1929 aus San Remo nach Berlin zurückgekehrt war, beruhigte sich die Situation. Die folgenden Jahre bis in den Zweiten Weltkrieg hinein waren für die Familie – am 31. August 1931 wurde die Tochter Anima geboren – die beste Zeit. Der Bruch in Schmitts beruflicher Karriere Ende 1936 – er verlor nach einem öffentlichen Angriff in der SSZeitung „Das schwarze Korps“ bis auf die Professur und den Staatsrat-Titel alle Ämter – hat daran nichts geändert, im Gegenteil: Er fällt zusammen mit dem Umzug in das beschauliche Dahlem, wo man unter der Regie Duschkas
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ein gastfreies Haus führte und mit einem großen Freundeskreis glückliche Jahre verbrachte. Das spiegelt ihre Korrespondenz insofern, als es aus diesen Jahren kaum Briefe gibt, da, abgesehen von kurzen Reisen, Carl und Duschka nicht getrennt waren. Diese glückliche Periode wurde in der Nacht vom 23. zum 24. August 1943 abrupt beendet, als ein Bombentreffer das Haus in der Kaiserswerther Straße 17 zur Hälfte zerstörte und unbewohnbar machte.3 Carl und Duschka – die Tochter Anima war im Juni wegen der Bombengefahr zu Verwandten der Schwägerin nach Cloppenburg evakuiert worden – konnten mit knapper Not ihr Leben retten und sahen sich nun obdachlos. Sie zogen in das Haus der Schwestern in Plettenberg, doch erhielt Schmitt keine Beurlaubung von seinen Lehrverpflichtungen und musste mit Beginn des Wintersemesters wieder in Berlin sein, wo er vorübergehend bei dem befreundeten preußischen Finanzminister Johannes Popitz wohnte. Zum 1. Dezember 1943 fand sich dann eine neue Bleibe in der Schönerer Zeile 19 (nach dem Krieg umbenannt in Kaiserstuhlstr.) in Schlachtensee. Auch hier gab es am 6. März 1944 einen Bombentreffer, der jedoch relativ harmlos blieb.4 Das Haus in Schlachtensee war groß,5 aber die Familie Schmitt bewohnte es nicht allein. Der intensive Bombenkrieg gegen die Reichshauptstadt hatte viele Menschen wohnungslos gemacht, dazu strömten Flüchtlinge aus dem Osten in die Stadt. Die Glücklichen, die noch eine Wohnung hatten, mussten zusammenrücken und den obdachlos Gewordenen Platz machen. Am 26. Februar war so Marlies Rosenhahn ins Haus eingezogen; sie hatte schon vorher im Haushalt geholfen und sollte bis zum Wegzug der Familie Schmitt aus Berlin neben Anni Stand eine wichtige Hilfe für Duschka sein; auch noch in Plettenberg führte sie Schmitt während Duschkas Klinikaufenthalt 1949 zeitweise den Haushalt. Im Februar 1945 wurde Schmitts Student Werner Blischke mit seiner Frau ausgebombt. Schmitt bot dem Paar, dessen fünf Monate alter Sohn auf der Flucht aus Westpreußen gestorben war und das 1947 eine kleine Tochter bekam, die Mansardenwohnung in seinem Haus an, wofür Blischke ihm lebenslange Dankbarkeit bewahrte. Im April 1945 lebten schließlich zehn fremde Personen mit im Haus. Je näher das Ende des Krieges rückte, um so chaotischer gestaltete sich die Situation.6 Schmitt wurde am 27. Januar 1945 zum Volkssturm eingezo3 Schmittiana NF I, 2011, S. 257–332 (hier S. 284 ff.); s. auch Abb. 13–15 bei Giesler (2014). 4 „Unsere Wohnung ist bei dem Tagesangriff am 6. März etwas demoliert worden, aber bewohnbar geblieben.“ C. Schmitt an G. Jünger vom 16. 3. 1944; BW GJünger, S. 89. 5 s. Abb. 20 bei Giesler (2014). 6 Die folgenden Details nach dem Tagebuch Schmitts aus dem Jahr 1945; RW 265 Nr. 19586 (Veröff. in Vorber.).
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gen, kam aber schon am 8. Februar wieder davon los. Ende April gab es tagelange Kämpfe in Schlachtensee, das schließlich die Russen eroberten, mit den üblichen Begleiterscheinungen: Anni Stand und Marlies Rosenhahn wurden vergewaltigt; es half ihnen nichts, dass sie sich mit Kopftüchern zu tarnen suchten. Carl Schmitt verhaftete man am Abend des 30. April. Der Offizier, der ihn auf der russischen Kommandantur verhörte, wollte zu seiner nicht geringen Verblüffung mit ihm über den Philosophen Bruno Bauer diskutieren; ein für Schmitt zu dieser Zeit zentrales Thema.7 Der Russe war offenbar ein gebildeter und juristisch versierter Mann; er erkannte in Schmitt den bedeutenden Gelehrten und schenkte ihm einen Aufsatz des sowjetischen Völkerrechtlers Korowin. Nicht nur, dass er ihn umgehend frei ließ, für den Nachhauseweg gab er ihm sogar zum Schutz eine militärische Begleitung mit. Zuhause angekommen sagte Schmitt zu Duschka: „Jetzt bin ich eine Geisel auf freiem Fuß“, worauf sie erwiderte: „Das waren wir unter Hitler auch.“ Schmitt dämmerte es aber, dass es mit seiner Freiheit bald zu Ende sein könnte und er sich für seine Unterstützung des NS-Staates würde verantworten müssen. Darauf bereitete er sich vor. Am 5. Mai heißt es in seinem Tagebuch: „Nachmittags ein Exposé in englischer Sprache entworfen, über meine Mitarbeit bei den Nazis.“ Dieses Exposé ist leider nicht überliefert; möglicherweise ist es identisch mit der in seinem Brief vom 12. Juni 1946 erwähnten „Notiz to any honest Christian Gentleman.“ Das Chaos dieser Tage erlebte Schmitt als ein Vakuum des Rechtszustandes, eine Annäherung an den Hobbesschen Kampf aller gegen alle. Auch in der eigenen Hausgemeinschaft war sich jeder selbst der Nächste. Schmitt war dem hilflos ausgeliefert, aber hier bewährte Duschka sich als die moderierende, umsichtig-überlegene Kraft. Sie beruhigte die keifende Hauswirtsfrau und vermochte dank ihrer Russischkenntnisse bei den ins Haus eindringenden Soldaten immerhin Plünderungen zu verhindern. Am 30. April 1945 notiert Schmitt in sein Tagebuch: „Alles hängt an Duschka. Sie ist die Ruhe und Gerechtigkeit selbst, in der leidund angsterfüllten sogenannten Hausgemeinschaft. Empfand dankbar dieses unglaubliche Geschenk, sie ist für mich alles gewesen, Haus und Heimat, Ehre und Ansehen, guter Ruf und eine gastliche Wohnung, hat es geschaffen, sie verwaltet es, sie verteidigt es. Ich war von tiefster Dankbarkeit erfüllt, als sich mir das in diesen Tagen aufdrängte.“
Die schwierigste, von beiden Ehepartnern die meiste Kraft fordernde Zeit sollten dann aber die Nachkriegsjahre werden. Im Februar war der Vorlesungsbetrieb an der Berliner Universität eingestellt, Schmitt am 8. Februar formell beurlaubt worden. Eine Wiedereinstellung nach Kriegsende war nicht zu erwarten; das Entlassungsschreiben des Rektors der Friedrich-Wil7
Vgl. seinen Bericht an P. Przywara im Anhang.
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helms-Universität datiert vom 29. Dezember 1945.8 Im April bezog Schmitt zum letzten Mal sein Gehalt. Da Ersparnisse kaum vorhanden waren,9 hing die Familie jetzt in der Luft und musste sehen, wie sie über die Runden kam. Schmitt ließ sich, um Lebensmittelkarten beziehen zu können, als „Wissenschaftler“ registrieren. Dass die Russen, die jetzt darüber zu entscheiden hatten, einen solchen zu würdigen wussten, hatte sich bereits bei dem Verhör am 30. April gezeigt. Nun bestätigte sich diese Hochschätzung insofern, als Schmitt am 18. Mai die „Schwerstarbeiterlebensmittelkarte“ zuerkannt wurde (während Duschka nur „die 5. Klasse“ erhielt).10 Die Höhe des Honorars, das er für sein Gutachten über den Angriffskrieg im Sommer 1945 von Flick bekam, ist nicht bekannt. Quaritsch beziffert es auf 10.000 RM, was zu hoch veranschlagt ist.11 Dieses Honorar hat für eine Weile den Lebensunterhalt gesichert, doch das wurde mühsamer. Schon 1945 sah sich das Ehepaar Schmitt gezwungen, Teile des Hausrats zu verkaufen.12 Als Schmitt dann im Lager war, lebte Duschka von Rücklagen und gab Russischunterricht. Dass sie ihren Mann wiederholt mit der Versicherung zu beruhigen sucht, dass das Geld „noch ausreicht“, unterstreicht die Begrenztheit der finanziellen Ressourcen. Das wird auch daran sichtbar, dass Duschka sich zu weiteren Untervermietungen gezwungen sah, obwohl das Haus schon ziemlich belegt war. Am 9. Februar 1946 teilt sie Carl mit, dass sie die drei Zimmer im Erdgeschoss, in denen die Bibliothek stand, an ein Büro vermietet habe. Schmitts Arbeitszimmer im Erdgeschoss wurde nach oben in das bisherige Schlafzimmer verlegt, Duschka schlief in dem kleinen Zimmer von Anima, Marlies Rosenhahn und Anni Stand mussten sich jetzt ein Zimmer teilen. „Auf diese Weise sind meine monatlichen Ausgaben um die Hälfte weniger, und ich brauche nicht viel Geld.“
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Abb. 22 bei Giesler (2014). Gewisse Ersparnisse müssen da gewesen sein; Schmitt weist Duschka am 1. 2. 1946 auf ein Konto bei der Plettenberger Sparkasse und schickt ihr auch eine Vollmacht dafür sowie eine Blanko-Unterschrift. 10 s. Tagebuch 1945. Die Zuteilung war nach fünf Gruppen gegliedert, wobei „Schwerstarbeiter“ die Gruppe 1 bildeten, während in der letzten Gruppe 5 Hausfrauen, Rentner und ehemalige Nazis rangierten. 11 Quaritsch hat diese Summe berechnet aus den dafür gezahlten Steuern (vgl. Angriffskrieg, S. 129) und bezieht sich auf eine Steuersumme von 2200 RM, die Duschka in einem Brief an Anni Stand nennt. Wie aus dem Brief Duschkas an Schmitt vom 9. 5. 1946 hervorgeht, zahlte sie aber an diesem Tag 1800 RM Steuern für das Gutachten- Honorar und 360 RM Kirchensteuer für die Jahre 1943 und 1944. Demnach dürfte sich das Honorar eher auf etwa 8000 Mark belaufen haben. 12 Mitteilung von Anni Stand an Quaritsch; Angriffskrieg, S. 129. 9
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Die amerikanische Entnazifizierung Im Juni/Juli 1945 kamen US-Truppen nach Berlin, und die Stadt wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt. Schlachtensee unterstand jetzt der amerikanischen Militärregierung. Die Amerikaner verfolgten gegenüber dem besiegten Land eine andere Politik als die Russen. Während die Sowjetunion die Deutschen durchaus differenziert sah – „Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk aber bleibt bestehen.“ (Stalin) – neigte man in den USA zu kollektiver moralischer Verurteilung und steigerte sich geradezu in eine Entnazifizierungshysterie. Das lag auch am starken Einfluss der Emigranten, die mit Erbitterung auf das Land blickten, das ihre Karriere zerstört und sie vertrieben hatte. Man erklärte die Deutschen allesamt für schuldig. Die Amerikaner, die kaum Kenntnis von der wirklichen Lage in Deutschland hatten, verließen sich auf das Urteil der Emigranten. Von ihnen kamen viele als Angehörige der US-Army zurück und waren der Besatzungsmacht eine unverzichtbare Orientierungshilfe im fremden Land, vor allem auch bei der „Entnazifizierung“. Diejenigen, die Schmitts Inhaftierung in Berlin und dann auch in Nürnberg betrieben, waren solche Emigranten: Karl Löwenstein, Wilhelm Dickmann, Ossip K. Flechtheim, Robert W. Kempner; allesamt Juristen, von denen zwei – Löwenstein und Flechtheim – vor ihrer Emigration mit Schmitt persönlich bekannt waren. Bei der zweiten Verhaftung im März 1947 hat möglicherweise Ernst Niekisch eine Rolle im Hintergrund gespielt.13 Die amerikanische Entnazifizierung bestand zunächst in umfangreichen pauschalen Internierungen.14 Man unterschied drei Gruppen: die eigentlichen Kriegsverbrecher, denen als erste in Nürnberg der Prozess gemacht wurde, sodann Personen, von denen die Amerikaner eine Gefährdung für die Sicherheit ihrer Truppen befürchteten, und schließlich die größte Gruppe, die man in „automatic arrest“ nahm. Dieser Personenkreis umfasste praktisch die gesamte Funktionselite des Landes, zu ihm gehörten alle Amtsträger der NSDAP, Angehörige der politischen Polizei, alle Offiziere und Unteroffiziere der Waffen-SS sowie anderer SS-Abteilungen, Generalstabsoffiziere, alle Amtsträger der Polizei mit höherem Rang als Leutnant sowie alle SA-Führer. Weiterhin alle politischen Amtsträger bis hinunter zum Dorfbürgermeister und Ortsgruppenleiter. Auch die wichtigen Personen in Industrie, Handel 13
Zu Flechtheim, der sich 1933 in Köln für eine Promotion bei Schmitt bewarb, von diesem aber abgelehnt wurde, vgl. Schmittiana II, 1990, S. 142–148. Die Beziehung Löwensteins zu Schmitt wäre eine nähere Untersuchung wert; er scheint gegenüber Schmitt eine Art Hassliebe empfunden zu haben. Bendersky hat seine in den USA liegenden Aufzeichnungen gesichtet; Bendersky (2007). Zur Rolle von Niekisch s. unten. 14 Zum Folgenden: Schick und Schöbener, S. 434 ff.
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und Landwirtschaft, dem Erziehungswesen, Finanz-, Justiz- und Zeitungswesen sowie Verlagshäusern waren automatisch zu arretieren. Ihnen allen wurde prima facie unterstellt, aktive Nationalsozialisten gewesen zu sein, sofern sie nicht in der Lage waren, das Gegenteil zu beweisen. Das war ein sehr grobes schematisches Raster, das die jeweiligen individuellen Umstände ignorierte und zwischen aktiven und nominellen Nationalsozialisten nicht unterschied. Zudem konnte durch die Umkehrung der Beweispflicht auch kaum die Rede sein von rechtsstaatlichen Grundsätzen. Die Kriterien waren weit ausgedehnt, und da die Amerikaner im Besitz der NSDAP-Mitgliederkartei waren, in der neben der Parteimitgliedschaft auch die in allen anderen der zahlreichen NS-Organisationen vermerkt war, kam es schnell zu umfassenden Inhaftierungen. Sie wurden vom amerikanischen Geheimdienst CIC (Counter Intelligence Corps) vorgenommen, weshalb genaue Zahlen nicht bekannt sind, denn Geheimdienste haben naturgemäß kein Interesse an derartigen Veröffentlichungen. Doch gibt es die begründete Vermutung, dass zwischen 1945 und 1948 insgesamt weit über 200.000 Zivilpersonen in der amerikanischen Zone inhaftiert waren. Damit war die amerikanische Zivilinternierung weitaus am umfangreichsten. Carl Schmitt wurde am 26. September 1945 verhaftet, also relativ spät und erst nach mehrfachem Drängen Löwensteins, der den Kreis der automatisch zu Arretierenden gerne noch weiter ausgedehnt hätte und ausdrücklich auch die ehemaligen Preußischen Staatsräte mit einbeziehen wollte.15 Die späte und zögerliche Verhaftung weist darauf hin, dass Schmitt nicht ins Visier des CIC geraten war, weil er nicht in das Raster des „automatic arrest“ passte. In seiner NSDAP-Mitgliedskarte war er lediglich als ein gewöhnliches Parteimitglied verzeichnet, das mit dem Eintrittsdatum 1. Mai 1933 auch nicht als „Alter Kämpfer“ gelten konnte. Weiteren NS-Organisationen hatte er – von berufsständischen wie Leiter der Fachgruppe Hochschullehrer, Mitglied der Hochschulkommission des Stellvertreters des Führers, Herausgeber der Deutschen Juristen-Zeitung abgesehen – nicht angehört, auch keine politische Funktion ausgeübt. Seine Staatsrat-Tätigkeit war politisch unwichtig und ab März 1936 auch inaktiv, im übrigen war sie weniger eine Tätigkeit als vielmehr ein bloßer Titel. Dass er als nicht hinreichend für eine Verhaftung angesehen wurde, erhellt daraus, dass andere Staatsräte wie etwa der Bischof Berning nicht in Haft waren und die Sowjets keine Bedenken hatten, Ferdinand Sauerbruch schon zwei Wochen nach der Kapitulation als Stadtrat für das Gesundheitswesen einzusetzen. Dennoch spricht Schmitt immer wieder davon, dass er in automatischen Arrest genommen worden sei, und in der Tat ist das der einzig mögliche Rahmen für seine Internierung. Ein Haftbefehl ist nicht bekannt, doch weiß man aus dem 15
Bendersky (2007), S. 19.
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Office Diary Karl Löwensteins, dass Schmitt „without charges“ festgenommen wurde.16 Für die ebenfalls von Löwenstein betriebene Beschlagnahme seiner Bibliothek am 16. Oktober ist der entsprechende Befehl zwar überliefert, doch auch hier konnte man weder einen Vorwurf formulieren, noch sich auf eine Rechtsgrundlage berufen. Es war ein pragmatisch motivierter Willkürakt des politischen Machthabers, der für seine Arbeit eine juristische Fachbibliothek benötigte. In internen Dokumenten ist das übrigens von den Amerikaner mit erkennbarem Unbehagen auch zugegeben.17 Carl Schmitt im Interrogation Center Wannsee und im Civilian Detention Camp Lichterfelde-Süd Schmitt kam nach seiner Verhaftung zunächst in ein Verhör-Zentrum („Interrogation Center“) in Wannsee, Endestraße/Ecke Königstraße, wo er mehrfach verhört wurde. Das Interrogation Center war kein Lager, sondern eine Einrichtung des amerikanischen Geheimdienstes CIC zur Informationsbeschaffung. Es unterlag strenger Geheimhaltung, weshalb die Quellen unzugänglich in den Archiven des amerikanischen Geheimdienstes liegen. Daher ist über die Verhöre Schmitts wie generell über dieses Center in Wannsee heute so gut wie nichts bekannt; die Grundstücke sind mit neuen Häusern bebaut. In Wannsee hatte Schmitt es, wie Duschka an Werner Weber schrieb, „besonders gut“. Das ist wohl in Relation zum Folgenden zu verstehen, denn am 31. Oktober wurde er in ein Zivil-Internierungslager, das „Civilian Detention Camp“ in Lichterfelde-Süd, Wismarer Str. 26–46, verbracht, und hier handelte es sich um ein „Massenlager mit brutaler Behandlung“.18 Das „Camp“ in Lichterfelde war unter nationalsozialistischer Herrschaft ein KZAußenlager gewesen; die Unterbringung in ehemaligen NS-Konzentrationslagern war verbreitete Praxis beim „automatic arrest“. Entsprechend waren auch die Lebensbedingungen der Inhaftierten: In baufälligen und zugigen Barackern schliefen sie in mehrstöckigen Betten, die mit Strohsack und Decke ausgestattet waren. Möblierung war kaum vorhanden, ebenso fehlte es an Essgeschirr; die Häftlinge mussten sich vielfach mit Konservendosen behelfen. Der amerikanische Diplomat Robert Murphy besichtigte ein derartiges Lager und schrieb darüber in seinen Erinnerungen: „Überrascht musste ich feststellen, dass unsere Gefangenen fast ebenso schwach und ausgemergelt waren wie die, die ich in den Nazilagern gesehen hatte.“ Der Lagerkom16
Bendersky (2007), S. 13 f. Vgl. Schmittiana NF I, 2011, S. 292 ff. (S. 299: Abb. der Beschlagnahmeverfügung). 18 Duschka an Werner Weber; RW 265 Nr. 13824, hier zitiert nach: Antworten, S. 11. Über die Verhältnisse in diesen Lagern vgl. Schick. 17
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mandant erklärte dem bestürzten Murphy, er habe die Häftlinge bewusst auf Hungerrationen gesetzt, damit die Nazis „ihre Methoden am eigenen Leib zu spüren bekommen“.19 Im Lager Lichterfelde waren einige hundert Personen inhaftiert; Schmitt spricht am 1. Februar 1946 von 400, am 12. März von 500–600 „teils anständiger, teils sehr übler Subjekte“. Hier sah er sich, was ihm ganz ungewohnt war, auf elementare Lebensbewältigung zurückgeworfen. Am 1. Februar 1946 schreibt er an Duschka: „4 Monate aus dem Blechnapf essen, auf dem Strohsack schlafen, am Stacheldraht entlang spazieren gehen, im Schmutz mit fremden Menschen leben, das ist für einen 58jährigen Mann anstrengend und zermürbend“. In der Anfangszeit der Lager kam es angesichts der großen Zahl von Inhaftierten zu Versorgungsengpässen. Im Winter 1945/46 gab es im Camp Lichterfelde drei Hungerperioden, die Schmitt nur überstand, weil Duschka ihn nach Kräften versorgte. So schreibt sie etwa am 26. November 1945: „Heute habe ich in einem Thermos-Topf schöne Suppe für Sie abgegeben.“ Das ging der Besatzungsmacht aber zu weit: Schmitt musste am 7. Dezember 1945 eine vorgefertigte maschinenschriftliche Mitteilung an seine Frau unterschreiben, welche lautete: „Da die Verpflegung absolut ausreichend ist, bitte ich von der Zusendung von Lebensmitteln abzusehen.“20 Diese Erklärung hielt Duschka nicht davon ab, ihren Mann auch weiterhin regelmäßig mit Lebensmitteln zu versorgen, zwar keine warmen Suppen in Thermostöpfen mehr, aber Kaltverpflegung in jeder Form. Die schwierige Ernährungssituation wird insbesondere an der mangelhaften Versorgung mit Fett sichtbar, so ist wiederholt vermerkt, dass Anima aus dem ländlichen Cloppenburg Schmalz und Wurst und Dr. Schranz aus Siedlinghausen Butter schickt, ebenso Joseph H. Kaiser aus Altenhundem. Auch die Schwestern in Plettenberg und die Schwägerin Claire in Köln versorgen Schmitt nicht nur mit Grundnahrungsmitteln. Mehrfach werden kleine Fläschchen mit Cognac ins Paket gelegt, die aber keine Chance haben, die Kontrollen zu passieren: „Cognacfläschchen werden stets ausgetrunken.“ (12.6.46). Der zum Haus in Schlachtensee gehörige Garten wird jetzt zum Nutzgarten; Duschka lässt, um Heizen zu können, Bäume fällen, baut Kartoffeln und Gemüse an, erntet Zwiebeln, Radieschen, Tomaten, Äpfel, Kirschen, Stachelbeeren, Pflaumen und Nüsse. Von allem schickt sie etwas ins Lager. Da die Lagerbaracken nicht winterfest waren, schickte Duschka auch Pakete mit Kleidung: wollene Unterwäsche, eine Kamelhaardecke, Lammfellpantoffeln; gegen seine Ischiasbeschwerden schickt sie Carl eine Flanellbinde und ein Heizkissen. Infolge seiner Krankheit – neben Ischias litt er 19
Robert Murphy, Diplomat unter Kriegern. Zwei Jahrzehnte Weltpolitik in besonderer Mission, Berlin 1965, S. 359. 20 RW 265 Nr. 12781.
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auch an einer alten Verletzung der Wirbelsäule – lag Schmitt oft auf der Krankenstation des Lagers.21 Die große Fürsorge Duschkas, ihre regelmäßigen Pakete, haben ihn zweifellos vor dem Schlimmsten bewahrt. Schmitt verlor Gewicht und teilt am 14. März 1946 mit, dass er jetzt 120 Pfund wiege und damit weniger als Anima. Er spricht von Toten im Lager, erwähnt einen Werner Scholz und meint, er selbst hätte das gleich Schicksal erlitten, hätte er nicht das Glück gehabt, treue Freunde zu finden. In der Tat war der kranke und mit nur geringer praktischer Lebensbewältigungskompetenz ausgestattete Schmitt, der sich nicht einmal einen Kaffee kochen konnte, notwendig auf Hilfe angewiesen. Er fand sie vor allem bei zwei CampGenossen. Der eine war der ehemalige Ministerialrat im Reichsfinanzministerium Karl Wever, mit dem er auf einer Stube lag, der andere der CharitéProfessor und letzte Rektor der Berliner Universität Lothar Kreuz, einer der renommiertesten Orthopäden Deutschlands. Wever sorgte „mit väterlicher Geduld für meine Exterieurs, kocht herrlichen türkischen Kaffee für mich, näht den Sengeschen braunen Rock, dass er nicht ganz auseinanderfällt, heizt den Ofen, kurz, ich habe hier einen Gehilfen meines Schutzengels gefunden.“ Kreuz nahm sich der Erkrankungen Schmitts an, bei dem die Ischiasbeschwerden im Winter 1945 sehr heftig waren. Zu beiden Männern entwickelte sich eine Freundschaft. Die ärztliche Hilfe von Kreuz vergalt Schmitt, indem er ihn in das Werk Theodor Däublers initiierte, dessen Gedichte Kreuz schließlich so vollkommen rezitieren konnte, dass es Schmitt war, als höre er den Dichter selbst.22 Schmitt und Kreuz begründeten im Lager die „Gesellschaft der Schneerätsel-Tierfreunde“, mit allerdings nur zwei ordentlichen Mitgliedern.23 So kann Schmitt nach mühsam überstandenem Winter am 15. Mai 1946 seiner Frau schreiben: Meine „Lage […] ist erträglich, aber nur durch den Glücksfall, dass Prof. K[reuz] sich meiner so gut angenommen hat und Geheimrat W[ever] so väterlich für mich sorgt.“ 21
Am 26. 2. 1945 hatte Richard Siebeck Schmitt bescheinigt, dass er ihn zwischen 1934 und 1941 wiederholt wegen einer „sehr schweren Ischias“ behandelt habe. „Die Erkrankung an Ischias ist wahrscheinlich auf eine Osteomyelitis der Wirbelsäule, die Herr Schmitt früher durchgemacht hat, zurückzuführen. […] Während der akuten Schübe muss Herr Schmitt mit strenger Bettruhe, Wärme und Medikamenten behandelt werden.“ Nach dem Weggang Siebecks von Berlin übernahm Dr. Helmut Wiens die Behandlung. Er stellte Schmitt am 25. 10. 1946 und am 24. 4. 1947 ähnliche Bescheinigungen aus. RW 265 Nr. 21454. 22 Vgl. Carl Schmitt, Einen Druckfehler betreffend. Leserbrief in der FAZ vom 15. 1. 1955 (wieder abgedruckt in: BW Sander, S. 464 f.). Kreuz, der 1951 sein Zusammensein mit Schmitt im Camp als „die denkwürdigste Zeit meines Lebens“ bezeichnete (RW 265 Nr. 8444), bedankt sich im Brief vom 19. 1. 1955 überschwänglich für den Leserbrief; RW 265 Nr. 8446. 23 RW 265 Nr. 8446. „Schneerätseltier“ ist eine Prägung aus Däublers Gedicht „Kalte Nacht“. Vgl. auch BW EJünger, S. 394.
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Im Lager herrschte generell Schreibverbot; das Schreiben von Briefen war streng limitiert. Die Gefangenen durften nur einmal im Monat mit Bleistift und in Versalien maximal 20 Zeilen an die engsten Angehörigen schreiben, und selbstverständlich mussten alle Briefe die Zensur passieren.24 Schmitt fand Mittel und Wege, diese Bestimmungen zu unterlaufen. Einen ersten Kassiber kann er am 1. Februar 1946 an Duschka schicken und freut sich „unendlich darüber, wenigstens schriftlich bei Ihnen anwesend sein zu können, und zwar mit meiner natürlichen Handschrift, nicht mit aufgezwungenen Buchstaben“. Ab jetzt schreibt er sehr lange und offene Briefe. Bei Duschka dagegen las die Zensur immer mit, entsprechend vorsichtig musste sie formulieren und durfte auf keinen Fall zu erkennen geben, dass sie die Schreiben ihres Mannes erhalten hatte. Um deren Eingang zu bestätigen, gab Schmitt ihr einen wechselnden Code vor, den sie auch geschickt in ihre Briefe einbaute. Er lautete etwa: „Gestern kam Annette zu Besuch.“ Als Überbringer solcher Kassiber kamen eigentlich nur Priester in Betracht, die als einzige Zugang zum Lager hatten; sie sind für derartige Dienste auch bezeugt.25 Doch der katholische Lagergeistliche Patti hat sich offenbar verweigert (14.2.46). Im Vorwort zur spanischen Ausgabe von „Ex Captivitate Salus“ nennt Schmitt 1960 einen amerikanischen Militärarzt namens Charles als Kurier. Von ihm erhielt er auch Papier in Gestalt eines Rezeptblocks im Format DIN A7 (10,5 x 7,4 cm), auf dem er in kleiner Schrift und Stenographie nach und nach Teile für „Ex Captvitate Salus“ und auch andere Notizen niederschrieb,26 während seine langschriftlichen Briefe auf anderem Papier geschrieben sind. Seinen Wohltäter preist Schmitt in höchsten Tönen: „seine Bildung und Humanität hat damals in unseren Augen die Ehre Amerikas gerettet“.27 Eine persönliche Begegnung mit Duschka war kaum möglich, da Besuche selbst der engsten Angehörigen in der Regel nicht gestattet wurden, und wenn doch, dann unter Aufsicht und nur für 10 Minuten. Duschka stellte immer wieder Anträge auf „Sprecherlaubnis“, und anfangs gab es auch Bewilligungen, etwa am 18. November und am 14. Dezember 1945. Doch bald wurden alle ihre Besuchsanträge rigoros abgelehnt; am 13. Juni schreibt Schmitt, dass seit Monaten jede Sprecherlaubnis verweigert worden sei. Er verabredet sich mit Duschka für eine bestimmte Zeit, wo er sie im „Durchblick“ wenigstens außerhalb des Lagers sehen kann. Aber das war riskant 24
s. Abb. im Anhang. Schick, S. 307. 26 Ein Beispiel mit stenographischen Tagebuchnotizen vom 3. bis 5. Mai 1946 findet sich mit langschriftlicher Übertragung im Anhang. 27 ECS, S. 97. Lediglich zwei von Schmitts Briefen an Duschka sind auf einem Rezeptformular geschrieben (vom 27. 3. und 18. 4. 1946). 25
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und musste unauffällig geschehen. Der Aufenthalt von Zivilisten in der Nähe des Lagers war verboten; Duschka durfte keinesfalls winken, sonst hätte sie Verhaftung riskiert, möglicherweise sogar Schlimmeres.28 Schmitts Inhaftierung im September 1945 fiel paradoxerweise zusammen mit einer Lockerung der Bestimmungen des „automatic arrest“. Demnach sollten nur noch solche Personen inhaftiert werden, von denen ein „security threat“ für die US-Armee ausging, und es sollten individuelle Prüfungen stattfinden. Zur praktischen Umsetzung ließen sich die Amerikaner aber viel Zeit. Die Gefangenen mussten einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen, was Schmitt am 5. Februar 1946 in Verbindung mit einem Entlassungsantrag auch tat.29 Ein deutsches, aus Laien zusammengesetztes Spruchkammergericht hatte dann jeden einzelnen Fall zu prüfen, wobei die Urteile dieses Gremiums natürlich nur empfehlenden Charakter hatten. Das letzte Wort behielt die Besatzungsmacht. Schmitts Spruchkammerverfahren fand am 27. Juni 1946 statt. Dazu hatte Duschka sieben Erklärungen angesehener Personen beigebracht,30 in denen bescheinigt wird, dass von Carl Schmitt keine Gefährdung der Sicherheit ausgeht. Der Ausschuss mit dem Referenten Erich Alenfeld, der als Jude in Berlin-Zehlendorf überlebt hatte, schlug einstimmig Schmitts Entlassung vor.31 Dem mochte sich der amerikanische Ausschuss, dem die Entscheidung darüber zufiel, nicht anschließen. „Ich armes geschundenes, isoliertes Individuum soll eine Gefahr bedeuten für die stärksten Militärmächte der Welt. Rührend, ganz rührend“, bemerkt Schmitt dazu am 9. September bitter zu Duschka. Sein NS-Engagement hatte sich im wissenschaftlichen Rahmen bewegt, aber mit der juristischen Bewertung von Schmitts Veröffentlichungen waren die amerikanischen Militärs überfordert. Den Ausschussvorsitzenden Major Radosta schildert Schmitt durchaus mit Sympathie – „R. macht einen vornehmen Eindruck, Silberhaar, ein venerable älteren amerikanischen Stils.“ –, doch den Schriften Schmitts stand er denkbar fern und hatte auch nicht vor, das zu ändern. Er erklärte rundheraus, Schmitt hätte ein so umfangreiches Werk publiziert, dass er sich nicht darin vertiefen könnte. So 28 Im Lager Altenstadt (Bayern) winkte eine Frau ihrem Ehemann zu, worauf der Posten des Lagers sie in den Kopf schoss; Schick, S. 307. 29 Der ausgefüllte Fragebogen ist im Nachlass erhalten: RW 265 Nr. 21780. Den Roman-Bestseller, den Ernst von Salomon 1951 über diesen Fragebogen veröffentlichte, hat Schmitt 1966 verkauft. 30 Es handelt sich um Alfons Adams, Ferdinand Friedensburg, Pfarrer Hermann Gebhardt, Karl von Lewinski, Hans Peters, Erich F. Podach, Wilhelm Schröder. Bemerkenswert ist, dass CDU-Politiker wie Friedensburg und Peters gemeinsam mit dem Kommunisten Schröder auftreten. 31 Landesarchiv Berlin, C Rep. 031-02-19-Nr. 161 (die Akte ist bis 2049 gesperrt und nur als Regest bekannt).
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schoben die Amerikaner eine Entscheidung aus Unsicherheit immer wieder hinaus; zur Verzweiflung Schmitts. Die Empörung des Juristen, über ein Jahr lang nicht zu erfahren, wessen man ihn beschuldigte, keinerlei Beweise für ein schuldhaftes Verhalten präsentiert zu bekommen, keine Anklage zu kennen, keine Möglichkeit einer Verteidigung zu haben, und auf seine wiederholten Entlassungsanträge nicht einmal eine Antwort zu erhalten, zieht sich als roter Faden durch die Briefe, die Schmitt aus dem Camp an seine Frau schreibt. Die Bitterkeit mancher Äußerung im „Glossarium“ hat hier ihre Grundlage. Hinsichtlich seiner Lage im NS-Staat war sich Schmitt mit seiner Frau einig: Sie sahen sich als „Geisel auf freiem Fuß“. Diese Sicht beschreibt eine Situation, wie sie vielleicht ab Ende 1936 zutraf, unterschlägt jedoch das heftige Engagement Schmitts in der Konsolidierungsphase des NS-Staates. Das Frappierende an seinen Briefen aus dem Camp ist, dass er hinsichtlich dieses Engagements selbst seiner Frau gegenüber keinerlei Problembewusstsein, geschweige denn Schuldbewusstsein erkennen lässt. Seine politische Publizistik in den ersten Jahren des Dritten Reiches, wo er mit zahlreichen aktuellen Zeitungsartikeln das Regime zu stützen suchte, wollte er jetzt als rein wissenschaftlich neutralisiert sehen. Dabei bezog er den berüchtigten Aufsatz „Der Führer schützt das Recht“ von 1934 ausdrücklich mit ein und meinte, dass dieser Text „eine verfassungsrechtliche Frage betrifft, und kein Zeitungsartikel ist“ (29.7.46). Er verteidigte seine Texte derart, weil er wusste: „there is nothing being brought against me other than what I have written.“32 Doch Schmitt war hier widersprüchlich. Einerseits bestand er auf dem wissenschaftlichen Charakter seiner Veröffentlichungen, andererseits betonte er politische Absichten, wenn es ihm opportun schien. Diese Zwiespältigkeit wird deutlich, als er seinen Aufsatz über die Weiterentwicklung des totalen Staates vom Februar 1933 zum Eckstein seiner Verteidigung machen will. Einmal nämlich „beweist“ dieser „meine eigene, vollkommen sachliche und wissenschaftliche Haltung“; er bezeichnet ihn sogar ungeachtet seines geringen Umfangs als eine seiner am besten gelungenen Arbeiten. Dann wieder unterstreicht er die politische Funktion dieses Textes, der dazu gedacht gewesen sei, Hitler von der Macht fernzuhalten. Er sollte die Reichstagsauflösung durch Schleicher vorbereiten, was Hitler „einen entscheidenden Schlag versetzt“ hätte (14.3.46). Im Auftrag der Schleicher-Mitarbeiter Ott und Marcks hätte er, schreibt Schmitt, dazu auch schon die Regierungserklärung Schleichers formuliert. Diese Verteidigungsstrategie scheiterte schon daran, dass die Amerikaner nicht gewillt waren, sich auf verfassungsrechtliche Dis32 So Schmitt am 11. April 1947 zu seinem Interrogator Kempner; Bendersky (2007), S. 39.
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kussionen einzulassen, weil es ihnen schlicht nicht möglich war. Der, dem es möglich gewesen wäre, war seit August 1946 nicht mehr im Lande; Karl Löwenstein kehrte, frustriert über die seiner Meinung nach nicht weit genug gehende Entnazifizierung, in die USA zurück. Damit fiel Schmitts hartnäckigster und einflussreichster Verfolger in der amerikanischen Militäradministration aus. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass Löwenstein von den USA aus weiter Schmitt verfolgte; die zweite Verhaftung im März 1947 ging möglicherweise auf ihn, der mit Kempner korrespondierte, zurück. Die Zwiespältigkeit des Staatsrechtlers ist durch seine Nähe zum Staat bedingt. Seine Position wird bei der Heraufkunft illegitimer Mächte „notwendig schief“, wie Ernst Jünger 1943 bemerkte.33 Jünger bezog sich dabei ausdrücklich auf Schmitt, doch gilt diese Aussage grundsätzlich für alle seine in NS-Deutschland gebliebenen Kollegen, die schon qua Profession in den Staat involviert waren. Über ihre Nachkriegssituation zeigt Schmitt sich in der Haft erstaunlich gut informiert (22.2.46). Mit Bitterkeit vermerkt er, dass in der amerikanischen Zone zwar die meisten Staatsrechtslehrer ihres Amtes enthoben, nicht aber interniert waren, obwohl doch mit seltenen Ausnahmen bei allen eine mehr oder weniger schwere NS-Belastung vorlag, die bei einigen auch größer war als bei Schmitt. „Wenn ein Kollege Sie fragen sollte, warum ich hier im Camp bin, so fragen Sie ihn, warum er nicht hier ist“, empfiehlt er am 20. März 1946 seiner Frau. Der Grund dafür, warum es gerade Schmitt traf, geht aus Löwensteins Memorandum vom November 194534 klar hervor: Schmitt war der prominenteste und – wie Löwenstein betonte – auch im Ausland bekannteste von allen deutschen Staatsrechtslehrern und eignete sich somit als Sündenbock für die gesamte Zunft, die jetzt ängstlich Distanz zu ihm hielt. Die Kollegen „haben mich längst abgeschrieben“, stellt er bitter fest. Lediglich sein alter Feind Otto Koellreutter schrieb ihm einen langen Brief ins Camp. Der einzige von allen Kollegen, der für seine Freilassung eintrat, war Hans Peters, was Schmitt gefreut hat (20.7.46). Diese Fürsprache ist erstaunlich, weil Peters für die Nichtwiederzulassung Schmitts an der Universität plädiert hat und dann auch eine treibende Kraft war gegen seine Aufnahme in die wiederbegründete Staatsrechtslehrervereinigung. Noch erstaunlicher ist, dass einer der Kollegen, die Schmitt schon früh in Plettenberg besuchten, ein jüdischer marxistischer Emigrant war: sein ehemaliger Schüler Otto Kirchheimer. Für Schmitt war das, wie er gerührt feststellt, „eine Regung menschlichen Interesses an meinem Schicksal“ (29.11.49). 33
Ernst Jünger, Pariser Tagebuch, Eintrag vom 14. 12. 1943 (Sämtliche Werke 3, S. 198). Schmitt bedankt sich 1948 „für die richtige Diagnose“; Glossarium, S. 98. 34 Vgl. Schmittiana NF I, 2011, S. 295 f.
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Ein junger Kollege aber hielt immer zu ihm und muss hervorgehoben werden: Hans Schneider. Er war Schmitt 1935 in seiner Vorlesung aufgefallen, und er hatte ihn Werner Weber als Assistent empfohlen. Obwohl schon 1939 zur Wehrmacht eingezogen, habilitierte Schneider sich 1940 und erhielt 1943 ein a. o. Ordinariat in Breslau, was er nur sporadisch ausüben konnte, da er durchgehend im Fronteinsatz war. Am 15. Januar 1945 wurde er an der Ostfront schwer verwundet, lag zunächst in einem Lazarett in Sachsen und ab April im Gertraudenkrankenhaus in Berlin-Wilmersdorf. Nach seiner Genesung wohnte er bei seinen Eltern in Friedenau und musste sich mit Gelegenheitsarbeiten für die Besatzungsmacht durchschlagen. Ab Dezember 1945 saß er ein Jahr im Gefängnis, weil er den Amerikanern unvollständige Angaben bei seiner Einstellung gemacht hatte. Im Briefwechsel ist immer nur von „Hannes“ die Rede. „Der arme, liebe Hannes ist mir viel wichtiger als sie alle.“ (16.5.46). Sowohl Schmitt wie auch Duschka hatten ein enges Verhältnis zu ihm, das die Eltern Schneiders mit einschloss. Aus dem Camp heraus versuchte Schmitt, sich für Schneider einzusetzen. Er bat Duschka, Koellreutter über ihn zu informieren, „damit sein Name unter die Kollegen kommt“. Ein weiterer Kollege, der freundschaftliche Verbindung hielt, war Werner Weber. Weber war auch Schüler Schmitts gewesen, und von diesen bezeugten manche eine auffallende Anhänglichkeit an ihren inhaftierten Lehrer; immer wieder kamen ehemalige Schüler zu Duschka und erkundigten sich nach dem Schicksal ihres Mannes, darunter sogar Kommunisten wie Wilhelm Schröder, der 1932 an der Handelshochschule von Schmitt promoviert worden war und jetzt als von den Sowjets eingesetzter Präsident die Zentralverwaltung des Post-und Fernmeldewesens in Berlin leitete. Er besuchte Duschka mehrfach in Schlachtensee und stellte Schmitt auch ein Leumundszeugnis aus. Das gastfreie Haus, das Carl und Duschka in Dahlem führten, hatte im Laufe der Jahre eine große Anzahl von Bekannten und Freunden gesehen. Einige von ihnen waren 1945 nicht mehr am Leben: „Die letzten Freunde, Popitz und Ahlmann, habe ich verloren. Jetzt kann jeder sich an mir seine Pfoten abwischen.“ (16.5.46). Andere Freunde wie Sava Kličković, William Gueydan de Roussel oder Pierre und Jeanne Linn, lebten im Ausland; wieder andere waren in Kriegsgefangenschaft oder verschollen. Die verbliebenen Freundschaften hatten sich nun zu bewähren, wobei an erster Stelle Haidi Hahm und Alfons Adams zu nennen sind, die Duschka in jeder Weise unterstützten. Ein neuer Freund wurde der Nietzsche-Spezialist Erich F. Podach, über dessen Beziehung zu Schmitt sonst nichts bekannt ist, der aber 1945/47 einer der wenigen Gesprächspartner für ihn war und während seiner Haftzeit in ständigem Kontakt zu Duschka stand, sie auch mit Lebensmitteln versorgte. Von außerhalb waren es Franz Schranz und Eugen Senge in Siedlinghausen, die Lebensmittel und warme Kleidung – den mehrfach erwähnten
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„Sengeschen braunen Rock“ (1.2.46) – sandten. Auch Arnold Schmitz und seine Frau Maria, die Patentante Animas, bewahrten Schmitt ihre Freundschaft, ebenso Ernst und Gretha Jünger, Erik Peterson und Wilhelm Neuß. Wichtig war schließlich der Zusammenhalt der Familie. Die alte Tante Louise kam aus Lichtenberg ständig nach Schlachtensee, um Duschka beizustehen, und die fünfzehnjährige Tochter Anima erfreute ihren Vater im Camp immer wieder mit originellen Briefen. Kaum werden im Briefwechsel die durch Schmitts NS-Engagement zerbrochenen Freundschaften erwähnt. Nur einmal fällt nach 1945 der Name seines bis 1933 engsten Freundes Georg Eisler. Duschka berichtet am 8. September 1947 Carl von ihrem Besuch bei einem „Dr. Br.“35, der seinerseits im April von Eduard Rosenbaum besucht worden war. Rosenbaum kam als britischer Offizier nach Deutschland und berichtete aus der Emigration. „Er hat von Eislers erzählt und ließ nichts Gutes an Ihnen.“ Man hätte gern Näheres erfahren, doch Duschka wollte die Einzelheiten mündlich berichten. Im Glossarium gibt es 13 Tage später ein Echo auf diese Mitteilung: „Rosenbaum taucht inzwischen auch wieder auf, läßt nichts Gutes an mir, haß- und ressentiment-erfüllt.“36 Ohne Bibliothek und von „erquickenden Gesprächen“, die er so liebte, abgeschnitten, war Schmitt im Camp zu geistiger Arbeit kaum in der Lage. Das war für ihn eine qualvolle Situation: „Oft kommen Anfälle von Produktivität; dann tut es mir weh, als hätte man mir die Augen ausgerissen, besonders wenn ich an meine Bücher denke.“ (15.5.46). Mit Lothar Kreuz konnte er sich zwar über Däubler unterhalten, aber ansonsten waren die Mitgefangenen kaum Gesprächspartner, und es blieb ihm nur die innere Emigration: Der Jugendstil-Maler Stassen „schimpft über die moderne Malerei, wobei ihn die ganze Stube unterstützt. Ich mache gute Exerzitien im Schweigen und sehne mich nach den schönen Bildern von Werner Gilles.“ (8.2.46). Völlig vom geistigen Leben isoliert war Schmitt jedoch nicht. Er las Zeitungen und Zeitschriften, was erlaubt war, und er hatte auch einige wenige Bücher, die er im intensiven Lektüremodus des Mittelalters las. Vor allem aber hielt er sich an die Dichter: „Was ein Dichter bedeutet, lernt man erst als Gefangener schätzen.“ (1.8.46). Die von ihm am höchsten geschätzten Dichter waren aber nicht Hölderlin oder Goethe, nicht die „verblüffend guten“ Reime (Glossarium, S. 243) Gottfried Benns und auch nicht Theodor Däubler. Es waren dezidiert katholische Dichter: Annette von Droste-Hülshoff mit ihrem Zyklus „Das geistliche Jahr“ und Konrad Weiß. Duschka gibt er am 20. Juli Hinweise, wie sie die hermetische Lyrik von Weiß richtig 35
Unklar, wer gemeint ist. Glossarium, S. 13. Der Kommentar zu dieser Stelle (S. 409) muss entsprechend korrigiert werden. 36
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verstehen kann. Er bittet sie, an Franz Schranz zu schreiben, „dass ich den Christlichen Epimetheus von Konrad Weiß seit dem ersten Tage der Haft ununterbrochen studiere und herrliche Dinge entdecke.“ (12.3.46). Die überreichen Annotationen in seinen beiden Exemplaren dieses Buches dürften hauptsächlich aus dieser Zeit stammen.37 Siedlinghausen war für Schmitt darum ein besonderer Bezugspunkt, weil dieser Ort ihn mit Konrad Weiß verband und weil er die Sehnsucht nach dem Sauerland befeuerte: „An die roten Ebereschenbeeren an der Chaussee [von Siedlinghausen] nach Bödefeld denke ich mit großer Sehnsucht.“ (1.8.46). Entlassung und erneute Haft in Nürnberg Im Camp Lichterfelde blieb Schmitt bis zum 12. September 1946, als man dieses Internierungslager auflöste und er wieder in das Interrogation Center nach Wannsee kam. Am 4. Oktober wurde Duschka dort über eine Stunde vernommen, und am 10. Oktober, also nach über einem Jahr, kam Schmitt frei.38 Zuhause kam er in noch beengtere Verhältnisse als im Lager, da viele Zimmer durch Untervermietung belegt waren. Das Haus in der Kaiserstuhlstraße war offenbar durch den Bombenschaden vom 6. März 1945 immer noch beschädigt.39 Dazu stand ein Winter vor der Tür, der zu den härtesten seit langer Zeit gehörte. Am 24. Januar 1947 schreibt Schmitt an Ernst Jünger: „Die künstlichen Paradiese der modernen Technik sind auf ununterbrochenes Funktionieren angelegt; sie verwandeln sich sofort in echte Höllen, wenn das Funktionieren unterbrochen wird, durch Stromsperren, Gassperren, Rohrbrüche, Aufhören der Kanalisation usw.“40 Und am 20. Februar illust37 Konrad Weiß, Der christliche Epimetheus, [Berlin] 1933 (Widmungsex. von K. W. mit seinem Gedicht „Justitia“); RW 265 Nr. 23187; weiteres Exemplar: RW 265 Nr. 28921. Beide Exemplare sind ganz zerlesen und von Schmitt über und über mit Anmerkungen versehen. Letzteres hat er in rotes Leinen neu aufbinden lassen und vorne und hinten Seiten beigebunden, die eng beschrieben sind. 38 In der Literatur – z. B. Antworten, S. 11; Mehring (2009), S. 442 – ist zu lesen, dass Schmitt Anfang 1946 vom Camp Lichterfelde in ein „Civilian Detention Camp“ nach Wannsee verlagert wurde. Das stimmt weder terminologisch noch chronologisch: Die Einrichtung in Wannsee war im Unterschied zum „Civilian Detention Camp“ in Lichterfelde kein Internierungslager, sondern ein „Interrogation Center“. Und was die Datierung betrifft: Duschka schreibt am 23. 9. 1946 an Franz Schranz, dass Schmitt am 12. 9. von Lichterfelde nach Wannsee gebracht wurde; Privatbes., maschr. Abschr. in: RW 579 Nr. 528. Auch aus vorliegendem Briefwechsel geht das hervor. Von ihrer eigenen Vernehmung am 4. 10. schreibt Duschka am 26. 1. 1947 an Gretha Jünger; BW EJünger, S. 625. 39 Vgl. Brief Duschkas vom 6. 8. 1947: „Die Auflösung hat etwas Trauriges, obwohl ich mich sehr darüber freue, die große Belastung eines beschädigten Hauses loszuwerden.“ 40 BW EJünger, S. 196. Vgl. die ähnlichen Formulierungen in: ECS, S. 84.
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riert er diese allgemeine Aussage in einem Brief an Wilhelm Neuß mit seinen konkreten Lebensumständen: „Wir sitzen hier in Berlin zu viert in einem kleinen Zimmer, einer hat jetzt Diphteritis bekommen […]. Ringsum verhungern und erfrieren die Menschen.“41 In der einzigen Stube, in der vier Menschen lebten, in der gekocht, gewaschen, gebügelt, Besuch empfangen wurde, arbeitete Carl Schmitt jetzt mit einem – für den Bezug von Lebensmittelkarten wichtigen – Status, der ihm erst nach vielen Formalitäten und wochenlangen Laufereien zuerkannt wurde: als „freischaffender Wissenschaftler“.42 Seine körperliche Konstitution war nicht die beste; er ermüdete schnell und musste wegen seines Rückenleidens viel liegen. Das Ende der Kälte bedeutete noch nicht ein Ende des Elends; erst am 6. August 1947 kann Duschka nach Plettenberg berichten, dass nun endlich die Rohrbrüche behoben seien. Die Freiheit währte für Schmitt kein halbes Jahr. Mit Brief vom 17. März 1947 teilte ihm Ossip K. Flechtheim mit, dass er erneut verhört werden sollte.43 Zwei Tage später wurde er verhaftet und zunächst in das Gefängnis in der Ringstraße in Lichterfelde eingeliefert, wo Duschka ihn zweimal besuchen konnte.44 Von dort kam er am 25. März wieder in das Interrogation Center Wannsee. Was war der Grund für die erneute Verhaftung Schmitts, und wer waren die treibenden Kräfte? Da die Beteiligten Flechtheim und Kempner sich sehr inkonsistent dazu äußern und die CIC-Akten geheim gehalten werden, kann man nur spekulieren. Immerhin gibt Duschka einen Hinweis. Sie schreibt in ihren Briefen an Gretha Jünger und Wilhelm Neuß, Schmitt sei einen Tag vor seiner Abreise von Wannsee drei Stunden lang verhört worden mit dem Ziel, die Anklage gegen ihn vorzubereiten. Einer der Vernehmer habe mit Ernst Niekisch in Verbindung gestanden.45 Niekisch hatte 1946 in seinem Buch „Deutsche Daseinsverfehlung“ geschrieben, dass Schmitt mit seiner Freund-Feind-Unterscheidung die Theorie entwickelt hätte, die dann von der SA und SS in die Praxis umgesetzt worden wäre; 41
ULB Bonn, Nachlass Neuß, unverzeichnet. Vgl. auch den Brief Duschkas an Gretha Jünger vom 26. 1. 1947 mit detaillierter Schilderung des Lebens in einem Raum, in: BW EJünger, S. 624–626. 42 Duschka an Gretha Jünger vom 26. 1. 1947: „Es waren viele Formalitäten nötig, wochenlange Laufereien, bis C. S. als ‚freischaffender Wissenschaftler‘ registriert wurde.“ (BW EJünger, S. 625). Am 18. 3. 1947 wurde Schmitt vom Bezirksamt Zehlendorf eine Bescheinigung als „aktiver freischaffender Wissenschaftler (Gutachter)“ ausgestellt. Damit standen ihm Lebensmittelkarten der Gruppe 3 zu; s. Abb. bei Giesler (2014), S. 18. 43 RW 265 Nr. 3681. 44 Die Darstellung beruht auf Berichten, die Duschka am 17. 4. 1947 an Gretha Jünger (BW EJünger, S. 626–629) und am 20. 4. 1947 an Wilhelm Neuß gibt (ULB, Nachlass Neuß, unverzeichnet). 45 Über das von Ossip K. Flechtheim geleitete Verhör Schmitts am 27. März gibt es unterschiedliche Versionen; vgl. Schmittiana II, 1990, S. 142–148.
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Schmitt sei mithin als der geistige Vater der Vernichtungslager anzusehen.46 Das war eine schwerwiegende Anklagekonstruktion, die sehr viel konkreter war als der pauschale „automatic arrest“. Für Schmitt war Niekisch verantwortlich für diese für ihn so gefährliche Situation, und es wird verständlich, warum er den Mann, mit dem er früher „manche gute Flasche Wein geteilt“ hatte, und der über Schmitts Freund-Feind-These eigentlich besser hätte informiert sein müssen, fortan nur noch als bösartigen Verleumder sah. Auch seine Beziehung zu Ernst Jünger war seitdem belastet dadurch, dass Jünger weiterhin freundschaftlich mit Niekisch verkehrte. Am 29. März wurde Schmitt in das Gefängnis des Internationalen Militärgerichtshofes nach Nürnberg überstellt, wo er nach 22stündiger Zugfahrt am 30. März ankam. Einen Tag vor seinem Abtransport nach Nürnberg gab Duschka für ihren Mann im Center Wannsee Proviant für die Reise ab: eine Thermoskanne, drei Eier, Speck, Fett, Zucker und Nescafé. Gleich nach seiner Ankunft schreibt Schmitt einen Brief, der nicht erhalten ist. Am 6. April folgt ein weiterer Brief, in dem er seine Haftbedingungen schildert. Er sitzt im Justizpalast, d. h. im historischen Zellengefängnis, das dem Gerichtsgebäude angeschlossenen ist, in einer Einzelzelle. Verglichen mit den Verhältnissen im Camp Lichterfelde waren die äußeren Bedingungen hier fast luxuriös. Carl schildert Duschka seine Situation: Die Verpflegung sei gut; das Brot bekomme ihm „ausgezeichnet“; sogar mit Zigaretten und Pfeifentabak werde er versorgt. Die Zelle sei zwar etwas kalt, aber er friere nicht, da warme Decken vorhanden seien, „auch die Flanellbinde von der guten Tante Louise und das Mützchen“. Die Tatsache, dass er in einer Einzelzelle liege, störe ihn nicht, im Gegenteil. Duschka wisse doch: „die Einsamkeit war immer meine Freundin“, sie gebe ihm „neue Antennen und neue Sensorien, Ahnungen und Witterungen“. Wie angenehm Schmitt aber auch die äußeren Haftbedingungen schildert, so war doch klar, dass die Bedrohungslage für ihn diesmal eine andere Dimension hatte. Im Camp war sie diffus gewesen – und allerdings gerade damit auch belastend –, in Nürnberg wurde sie sehr konkret. Hier waren wenige Monate zuvor die Hauptkriegsverbrecher zu Todesstrafen bzw. langen Haftstrafen verurteilt worden; in eben dem Gefängnis, in dem Schmitt saß, hatten die Hinrichtungen stattgefunden, darunter auch die seines Protektors Hans Frank. Jetzt standen die Nachfolgeprozesse an. Durch die erneute Verhaftung und das durch die unheilvolle Schmitt-Exegese von Niekisch bestimmte „Steppenverhör“47 war die sonst so sichere 46
Ernst Niekisch, Deutsche Daseinsverfehlung, Berlin 1946, S. 82. Der Bericht Duschkas in: BW EJünger, S. 627. 47 „Die Gespräche mit Niekisch sind Steppenverhöre gewesen. Das endet damit, dass man umgelegt wird.“ Glossarium, S. 377. „Steppenverhör“ bezieht sich auf den gleichnamigen Roman von Werner Helwig.
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und mutige Duschka schwer getroffen. In ihren Briefen an Carl wusste sie das zu verbergen, doch gegenüber Gretha Jünger schüttete sie ihr Herz aus: „Nach zehn qualvollen Tagen, mit unendlichen Wegen, habe ich mich wieder gefangen, und habe die innere Kraft wiedergefunden, um alles zu ertragen.“ Sie sah keine Freunde mehr, die noch zu Schmitt hielten, lediglich zwei ehemalige Schüler hätten sich angeboten.48 Duschka war nun ohne Hoffnung und anscheinend der Überzeugung, dass ihrem Mann eine Verurteilung zu einer schweren Haftstrafe bevorstand. Sie richtete sich auf einen Abschied für lange Zeit ein und bemühte sich um die prominenten Verteidiger Otto Kranzbühler und Hermann Jahrreiß; beide mit Erfahrung beim Nürnberger Gerichtshof und schon in dem Hauptkriegsverbrecherprozess mit Mandaten betraut. Im Verzeichnis der Nürnberger Häftlinge ist Carl Schmitt mit folgendem Haftgrund verzeichnet: „Leading Nazi propagandist in field of International Law & Nazi theories“.49 Daraus eine justizfeste Anklage zu machen, war der Auftrag des stellvertretenden US-Chefanklägers Robert W. Kempner. Der war damit jedoch hoffnungslos überfordert. Nicht nur hat er Schmitt „schlechterdings stümperhaft“ verhört,50 er wusste als Jurist selbstverständlich auch, dass „Nazipropagandist“ für eine Anklage nicht ausreichte. „Schreibtischtäterschaft“ hatte das Nürnberger Gericht schon in seinem Urteil über Baldur von Schirach am 30.9./1.10.1946 als Anklagegrund ausgeschlossen. Kempners Vernehmungen waren auch nicht – wie Schmitt es gewünscht hätte – wissenschaftliche Diskussionen, sondern sie bestanden hauptsächlich in moralischen Vorwürfen. Die mögen beliebig berechtigt gewesen sein, justiziabel waren sie nicht. „Wegen was hätte ich den Mann anklagen sollen“, sagte Kempner später, und so sah er sich schließlich gezwungen, Schmitt freizulassen. Am 6. Mai 1947 schreibt dieser an Duschka, dass er „soeben“ aus dem Gefängnis entlassen sei, sich aber vorläufig noch in Nürnberg als „voluntrary witness“ zur Verfügung halten müsse. Kempner brauchte ihn noch zur Vorbereitung des Wilhelmstraßen-Prozesses. Es gab unterschiedliche Grade von freiwilligen Zeugen. Wenn man sie für schuldig hielt, waren sie im Gefängnis des Justizpalastes in einem besonderen Flügel untergebracht und wurden wie Gefangene behandelt. Das traf auf Schmitt nicht mehr zu, denn er wohnte jetzt in einem „schönen Haus“ in der Muggendorfer Straße 2a „ganz ordentlich in einem Zimmer“, hatte ein sauberes 48
„[…] einer kennt den Lehrer seit 25 Jahren, und der andere seit 15, einer ist kath. Pfarrer und der andere Rechtsanwalt“ (Brief vom 17. 4. 1947; BW EJünger, S. 628). Mit dem kath. Pfarrer dürfte Werner Becker gemeint sein, mit dem Rechtsanwalt Hubertus Bung; s. dessen Entlastungszeugnis für Schmitt vom 8. 4. 1947 (RW 265 Nr. 20377) sowie unten den Brief Duschkas vom 20. 4. 1947. 49 Staatsarchiv Nürnberg, KV-Prozesse Generalia L-2, Buch 4, S. 196. 50 So das Urteil Quaritschs in: Antworten, S. 24.
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Bett mit frischer Wäsche, konnte mittags in der amerikanischen Messe essen und sich in der Stadt frei bewegen. Sogar Zeugengeld erhielt er. In der neuen Unterkunft trifft er auf die Bekannten Erich Gritzbach und Rudolf Diels, der dann schrieb, Schmitt sei ihm mit dem Ruf Ulrich von Huttens „Es ist eine Lust zu leben“ entgegengetreten.51 Er schaut sich das „furchtbar zerstörte Nürnberg“ an und begegnet auf der Straße Hermann Jahrreiß mit seiner Frau, mit denen er zu Abend speist, und dem er nun sagen kann, dass die Anfrage Duschkas wegen Übernahme eines Mandats obsolet geworden war. Auch besucht er einen Vortrag des Kirchenhistorikers Joseph Lortz, in dessen Mainzer Institut er später seine 1952 zurückgegebene Bibliothek vorübergehend unterbringen sollte. Schmitt schrieb für Kempner noch ein letztes Gutachten über die Staatssekretäre und überreichte es ihm am 13. Mai.52 Wann genau er Nürnberg verließ, ist unklar. Er hatte die Absicht, die Reise durch einen Besuch bei Lilly von Schnitzler in Frankfurt zu unterbrechen, jedenfalls traf er am 21. Mai in Plettenberg ein. Damit war die zweite, zunächst so bedrohlich scheinende Haft, so schreibt er an Duschka, „nicht schlecht für mich geendet“. Intensivierung der religiösen Praxis Die Zeit der Inhaftierung Schmitts war verbunden mit einer Belebung seiner religiösen Praxis. Gleich zu Beginn der Lagerhaft lässt er sich von Duschka sein Gebetbuch schicken (9.10.45), und in den Briefen sowohl Carls wie auch Duschkas ist ihr geistliches Leben ein wichtiges Thema: „Wir bleiben Gotteskinder, auch wenn uns die Menschen quälen und entwürdigen. Wir glauben an den gekreuzigten Gott. Das ist wunderbar.“ (11.6.46). Duschka bekannte sich als Serbin zur katholisch-orthodoxen Religion und nahm, wie in ihren Briefen immer wieder erwähnt ist, aktiv am Leben der Berliner russisch-orthodoxen Gemeinde teil. Regelmäßig besuchte sie die Gottesdienste in der Kirche des Hl. Wladimir in Wilmersdorf, zu deren Priestern Sergius Poloshensky und Michail Radziuk sie engen Kontakt hielt. Ebenso war der orthodoxe Archimandrit Johann Schachovskoj, der in Schlachtensee wohnte, gut bekannt mit Duschka wie auch mit Carl Schmitt, mit dem er sich 1944 über Jacques Maritain austauschte.53 Während für Duschka die enge Beziehung zu ihrer Kirche eine problemlose Selbstverständlichkeit war, lagen die Dinge bei Carl komplizierter. Zwar 51
Rudolf Diels, Lucifer ante portas, Zürich [1949], S. 322. In der deutschen Ausgabe (Stuttgart 1950) fehlt diese Stelle. 52 Die insgesamt vier Gutachten, die Schmitt für Kempner schrieb, hat Quaritsch veröffentlicht; Angriffskrieg, S. 68–114. 53 Schmittiana VII, 2001, S. 348 f.
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bekannte er sich lebenslang dezidiert als Katholik, doch lebte er nach dem Scheitern seines zweimaligen Versuches, die erste Ehe auch kirchenrechtlich für ungültig erklären zu lassen, seit der Eheschließung mit Duschka in Bigamie und war von den Sakramenten ausgeschlossen, was ihn von seiner Kirche entfremdete. In der Haftzeit sollte sich das ändern. Schmitt zeigt sich in seinen Briefen als jemand, der seinen Glauben praktizierte. Priestern war für das Abhalten von Gottesdiensten der Zutritt zum Lager gestattet, und Schmitt ging regelmäßig zur Messe und hatte das Messbuch von Schott in Gebrauch. Von den 400 bis 600 Lagerinsassen nahmen 20 bis 30 am katholischen Gottesdienst teil; eine kleine Minderheit, die sich gegen den auch hier grassierenden antirömischen Affekt behaupten musste (16.5.46). Die Messe wurde „rührend arm und einfach“ in einer Baracke gelesen. Schmitt fungierte dabei als Messdiener, „weil kein anderer da ist“ (1.2.46). Bei dem Lagergeistlichen handelte es sich um den italienischen Jesuiten Gioacchino Patti, der im Dezember 1946 an der Berliner Universität eine indologische Dissertation einreichte und Professor für Indologie an der Universität Rom war. Wilhelm Neuß schreibt am 8. November 1946 an Erik Peterson, er habe von Schmitt einen langen Brief erhalten, der „von einer tiefen religiösen Umkehr“ zeuge, wofür Patti ausschlaggebend gewesen sei; Patti habe auf Schmitt „einen ganz starken Eindruck“ gemacht.54 In Duschkas Briefen ist Patti auch wiederholt als ihr Besucher in Schlachtensee erwähnt. Nachdem er Ende 1946 nach Rom zurückgekehrt war, erkundigte er sich bei Duschka im Sommer 1947 „ganz besonders um Sie besorgt“ (6.8.47) nach Schmitt.55 Zweifellos ist Schmitts Glaubenspraxis durch die Grenzerfahrung seiner Haft neu belebt worden. Doch dürfte Patti nicht entscheidend dafür gewesen sein, und der Begriff „Umkehr“ ist von Neuß zu stark gewählt. Der Ausschluss von den Sakramenten lag Schmitt schon vorher wie ein Stein auf dem Herzen; das Dogma „extra ecclesiam nulla salus“ trieb ihn um. In einem Brief an Neuß spricht er im Februar 1947 davon, „oft“ eine Wiederaufnahme des kirchlichen Scheidungsprozesses überlegt und auch konkrete Anläufe dazu gemacht zu haben. Hier heißt es: „An die Weiterführung des unglücklichen Prozesses habe ich oft gedacht. Zuletzt habe ich vor zwei Jahren mit meinem hiesigen Ordinarius und mit dem zuständigen Geistlichen, einem Herrn Piossek lange darüber gesprochen. P. riet mir ab, den Prozeß weiter zu verfolgen und meinte, ich solle abwarten, ob ich nicht eine Todeserklärung der verschollenen früheren Frau erreichen könne. Das liegt mir aber 54
Der Brief Schmitts ist nicht erhalten und nur bekannt durch den Bericht von Neuß darüber in seinem Brief an Erik Peterson (frdl. Mitteilung der entsprechenden Auszüge von Barbara Nichtweiß). 55 RW 265 Nr. 29750. Auslöser für Pattis Brief vom 21. 6. 1947 an Duschka war ein Gespräch mit Peterson in Rom.
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gar nicht. Die Sache ist für mich sehr qualvoll, besonders das Jahr Camp war traurig in dieser Hinsicht.“56
Die Annäherung an die Kirche vollendet sich bei Schmitts zweiter Verhaftung im März 1947. Vor seinem Abtransport nach Nürnberg konnte er noch mit Duschka sprechen und äußerte dabei seinen Wunsch, „zu den Sakramenten zu gehen“. Duschka setzte sich mit dem Gefängnisseelsorger in Wannsee, dem Dominikaner Odilo Braun, in Verbindung und gab ihm das Versprechen, mit Schmitt nicht mehr die Ehe zu vollziehen, also sich des Geschlechtsverkehrs zu enthalten.57 Daraufhin erklärte der Priester sich bereit, Schmitt die Beichte abzunehmen und ihm auch die Kommunion zu bringen. Dazu kam es in Berlin nicht mehr. In Nürnberg konnte Schmitt aber dann beichten, und am Ostersonntag hat er die Kommunion empfangen. In seinem Brief aus Nürnberg meldet er Duschka am 6. April: „Ich bin zu den Sakramenten gegangen und darüber sehr glücklich.“ Auch in den folgenden Briefen ist mehrfach vom Empfang der Kommunion die Rede. Nachdem Schmitt 21 Jahre von den Heilsmitteln seiner Kirche ausgeschlossen war, konnte er sie jetzt erstmals wieder empfangen. Seine Beichte ist quittiert von der Nürnberger Pfarrei St. Anton; die Bestätigung hat Schmitt zusammen mit dem Duschka-Briefwechsel aufbewahrt.58 Die Exkommunikation erlosch also nicht erst mit dem Tod seiner Frau, sondern schon Ostern 1947. Die Jahre in Plettenberg Während Carl ab dem 21. Mai 1947 im Haus der Schwestern in Plettenberg lebte, konnte Duschka Berlin noch lange nicht verlassen. Sie hatte alle Hände voll damit zu tun, den großen Haushalt aufzulösen und den Umzug ins Sauerland zu bewerkstelligen. Aus ihren Briefen wird ersichtlich, eine wie schwere, sich über Monate hinziehende Last das für sie war. Am 23. August meldet sie nach Plettenberg, dass sie 30 Pakete schicken will, die sie mit dem Handwagen zum Postamt nach Nikolassee fährt. Carl möge die Bindfäden sorgfältig ablösen und zurückschicken. Duschka räumte auch Schmitts Archiv auf und tauschte – man liest es nicht ohne Beklemmungen – zweieinhalb Zentner „altes Papier“ gegen neues Schreibmaschinenpapier ein. Um den Hausrat zu transportieren, ließ Duschka vom Tischler aus den Bücherregalen, die seit der Wegnahme der Bibliothek funktionslos ge56
Schmitt an Neuß vom 20.2.1947 (ULB Bonn, Nachlass Neuß, unverzeichnet). Im katholischen Kirchenrecht ist der „Ordinarius“ der Inhaber der Kirchengewalt, letztlich der Papst, auf Diözesanebene der Bischof. Schmitt dürfte sich wohl an den Berliner Generalvikar als Vertreter des Bischofs gewandt haben, der ihn an den für die Ehegerichtsbarkeit zuständigen Offizial Alois Piossek wies. 57 Vgl. Spindler. 58 RW 579 Nr. 676/12; s. Abb. im Anhang.
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worden waren, Kisten anfertigen, für deren Transport ein Spediteur zu besorgen war. Der Flügel stellte ein besonderes Problem dar. Er war, um die Einnahmesituation Duschkas aufzubessern, an einen Professor Steiner in der Nachbarschaft vermietet. Duschka fragte einen Händler nach Verkaufsmöglichkeiten, die aber als schwierig eingeschätzt wurden, zumal das Instrument bei dem Bombentreffer 1943 zahllose tiefe Löcher durch Glassplitter erhalten hatte. In Berlin sei dafür kaum ein Preis zu erzielen, besser wäre es, den Flügel nach Westdeutschland zu schaffen, woraufhin Schmitt sich bei dem höheren Bahnbeamten und ehemaligen Camp-Genossen Werner Haustein nach den Möglichkeiten eines Transports durch die Bahn erkundigt. Er forcierte die Sache aber nicht, denn da er in Plettenberg den Flügel seiner Schwester Anna benutzen konnte, war er geneigt, das Instrument Steiner billig zu überlassen. Doch Duschka hing daran; viele Erinnerungen an die glücklichen Dahlemer Jahre waren damit verbunden. Erst nach ihrem Tod wurde der Flügel 1951 verkauft. Der Transport des Umzugsgutes war in dem besetzten und geteilten Nachkriegsdeutschland ein besonderes Problem. Es war nicht möglich, so ohne weiteres von einer Besatzungszone in eine andere umzuziehen, schon gar nicht, wenn es durch die russische ging. Man benötigte zahlreiche Papiere, eine Umzugsgenehmigung, einen Interzonenpass, eine Reisebescheinigung usw. Die Dokumente mussten ins Russische übersetzt, fotokopiert und notariell beglaubigt sein. Zudem änderten die Russen öfter ihre Bestimmungen, so dass die mühsame Beschaffung der Unterlagen von vorne begann. Schließlich gab es noch Spannungen mit dem Nachmieter, der zum vereinbarten Termin am 1. Oktober einzog, obwohl Duschka und Anni noch nicht alle erforderlichen Unterlagen für den Umzug beisammen hatten und bei Haidi Hahm provisorisch unterkommen mussten. Der Möbeltransport konnte erst Ende Januar 1948 stattfinden und wurde, da Duschka inzwischen in Plettenberg lebte, in Berlin von Anni Stand organisiert, die die Sachen auf dem Bahnhof in Halensee eigenhändig verladen hat.59 Der anstrengende Umzug bildete nicht das ganze Ausmaß der Belastung Duschkas. Sie plante von Berlin aus auch die Einrichtung der neuen Wohnung in Plettenberg, versuchte, über Schranz in Siedlinghausen Öfen zu beschaffen, ermahnte ihren Mann, ausreichend für Holz und Kohle zu sorgen, bat ihn, sich mit dem Tapezierer Schmandt in Plettenberg in Verbindung zu setzen, damit er die Zimmer am Brockhauser Weg in Ordnung brächte; Schmandt sollte ihr auch Tapetenmuster nach Berlin schicken. In der neuen Küche, die als solche ja nie vorgesehen war, musste der Herd angeschlossen sowie ein Wasseranschluss gelegt werden. Besorgt fragte sie ihren Mann, wer denn für ihn kocht. Duschka war eine tapfere Frau und neigte nicht zur 59
s. ihre Briefe an Duschka, in: RW 265 Nr. 29942.
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Klage, aber in diesen Monaten entfuhr ihr doch immer wieder ein Seufzer: „Ich kam vor lauter Arbeit und Laufereien kaum zur Besinnung“(3.10.47). Mit dem Umzug nach Plettenberg blieb die Lage angespannt. Auch hier war die Wohnsituation im Haus am Brockdorfer Weg durch Untermieter beengt, in den Briefen begegnen die Fräulein Heul, Lueg und Geschke, die mit im Haus lebten und hinauskomplimentiert werden mussten. Vor allem aber spitzte sich die finanzielle Lage jetzt weiter zu; die Ersparnisse waren aufgebraucht. Schmitt musste seinen Schwestern Miete zahlen und während Duschkas Abwesenheit auch Kostgeld. Schon während er in Nürnberg inhaftiert war, sah er sich gezwungen, seine Schwester Anna um zu Geld bitten, und in seinen Briefen ist in den folgenden Jahren auffallend oft von Geld die Rede, von (bescheidenen) Honoraren für – zunächst anonyme – Veröffentlichungen, für ein Gutachten, das er für seinen Schüler Hans Franzen anfertigte, und von zu bezahlenden Schulden. Die Belastung lag aber auch hier vor allem bei der realistischen Duschka; Schmitt hatte kein Verhältnis zum Geld. Er blieb auf die Unterstützung von Freunden angewiesen. Besorgt erkundigt sich 1947 Erik Peterson bei Wilhelm Neuß, ob Schmitt Geld brauche, und im April 1948 lässt er ihm 500 Mark überweisen.60 Der 1948 unter dem Namen „Academia Moralis“ gegründete Verein hatte den Zweck, Schmitt durch Vorträge in der Diskussion zu halten und ihm auch finanziell zu helfen.61 Peterheinrich Kirchhoff richtete ein Konto ein, auf das Freunde Geld für Schmitt überweisen konnten.62 Auf Drängen von Werner Weber und anderen bewarb Schmitt sich im Januar 1950 um ein Forschungsstipendium der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, doch wurde sein Antrag im Hauptausschuss abgelehnt.63 Erst als 1951 mit der bundesgesetzlichen Regelung der im § 131 Grundgesetz garantierten Beamtenversorgung Schmitt eine Pension zugestanden wurde, war er finanziell abgesichert.64 Duschkas Krankheit zum Tode „Nach diesen anstrengenden Jahren seit der Ausbombung würde ich mich sehr freuen auf einen kleinen gepflegten Haushalt und auf einige stille Jahre“, hatte Duschka am 8. September 1947 nach Plettenberg geschrieben. In der Tat war sie in diesen Jahren über alle Maßen belastet, zumal wenn man 60
Peterson an Neuß vom 4. 4. 1948; ULB Bonn, Nachlass Neuß, unverzeichnet. Neuß an Schmitt vom 17. 4. 1948; RW 265 Nr. 29740. Die 500 RM wurden wenige Wochen später durch die Währungsreform entwertet. 61 van Laak, S. 52–63; Schmittiana IV, 1994, S. 119–156. 62 s. den Kontoauszug in BW Forsthoff, S. 533, Abb. 4. 63 Schmittiana NF I, 2011, S. 315 f. 64 s. die dazu die von Schmitt ausgefüllten Formulare; RW 265 Nr. 21566 und 21268.
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ihre körperliche Behinderung durch den Pneumothorax bedenkt, den sie als Folge ihrer Lungenoperationen davongetragen hatte. Dazu plagten sie Knieprobleme, die schon im Sommer 1945 durch eine Operation hätten behoben werden sollen, die sie aber immer wieder aufschob und erst Ende September 1946 machen ließ. Die Erfüllung ihres Wunsches nach einigen stillen Jahren in Plettenberg sollte ihr nicht mehr beschieden sein. Am 16. Januar 1948 warnt Siebeck Schmitt, dass seine Frau ihre Kräfte nicht überlasten dürfe: „Sie muss doch immer etwas aufpassen.“65 Im Januar 1949 schreibt Schmitt an Gretha Jünger, dass Duschka ihm Sorgen mache, sie habe einen Arzt in Hagen aufgesucht, aber eigentlich käme nur Siebeck in Heidelberg für sie in Frage.66 Das war der Beginn eines langen und qualvollen Sterbens. Im September 1949 ist von einer Reise Duschkas nach Heidelberg die Rede, die sie „endlich“ gemacht habe. In der rechten Lunge wurden drei Abszesse festgestellt, vor allem aber zeigten die Röntgenuntersuchungen ein Krebsgeschwür im Dickdarm.67 Dessen komplizierte Operation am 27. Oktober durch den Chirurgen Karl Heinrich Bauer erforderte einen Klinikaufenthalt bis in den Dezember. In diesen Wochen kam Marlies Rosenhahn aus Berlin nach Plettenberg, um Schmitt den Haushalt zu führen; Anni Stand war inzwischen in Hildesheim bei einem englischen Major in Diensten und erst Anfang 1950 abkömmlich. Das Weihnachtsfest 1949 verbringt Duschka zuhause, doch schon im Februar geht es ihr wieder schlechter, und am 12. April ist sie erneut in Heidelberg. Im Sommer litt sie „Tag und Nacht an fürchterlichen Schmerzen“, die am 30. Juli ihre letzte Fahrt in die Klinik erzwangen.68 Die Nachrichten, die Schmitt dann aus Heidelberg erhielt, machten klar, dass der Krebs in ein letales Stadium getreten war. Wirbelsäule und Rippen zeigten Knochenerweichung, dazu gab es Metastasen im Bauch.69 Noch klammerte Schmitt sich an die Erfahrung von 1929, als die Situation ähnlich hoffnungslos schien, aber als er Ende August seine Frau in Heidelberg besuchte, war er doch erschrocken über den rapiden Verfall ihrer Kräfte. Hatte sie im Juli die Fahrt nach Heidelberg noch allein unternommen, so konnte sie jetzt keine drei Schritte mehr gehen; am 6. September kann sie das Bett nicht mehr verlassen und kaum noch sitzen. Über die Finanzierung der Operationen in Heidelberg und der langen Klinikaufenthalte 1949 und 1950 (Privatstation!) suchte Carl seine Frau zu beruhigen: „Machen Sie sich auch keine Sorgen wegen des Geldes. Das wird sich alles von selber finden.“ (7.11.49). Aber nichts fand sich von selber, schon gar nicht die Bezahlung 65 66 67 68 69
RW 265 Nr. 29827. BW GJünger, S. 113. Angaben nach dem Brief Duschkas an Gretha Jünger vom 30. 9. 1949; DLA. BW GJünger, S. 133. Angaben nach dem Brief Duschkas an Gretha Jünger vom 13. 8. 1950; DLA.
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von Rechnungen. Auch hier hing es an Duschka, sich sogar im Sterben darüber noch Gedanken zu machen. Sie bat Gretha Jünger um Geld zur Bezahlung der Klinikrechnungen und Peterheinrich Kirchhoff bat sie um die „letzte Liebesgabe“, die Überführung ihrer Leiche nach Plettenberg zu bezahlen.70 Beide haben diese Bitten mit großer Selbstverständlichkeit erfüllt. Der Sarg mit der toten Duschka kam mit der Bahn von Heidelberg und wurde vom Bahnhof in Plettenberg-Eiringhausen zum katholischen Friedhof gebracht, wobei Carl den von einem Pferd gezogenen Leichenwagen begleitete. Dabei hat er, wie Ernst Hüsmert bezeugt, ununterbrochen gestikulierend geredet. Die Menschen, die das sahen, glaubten, er habe gelacht.71 Tatsächlich betäubte er so – wie auch am Tag der Beerdigung (s. den Brief von Barion im Anhang) – seinen Schmerz, den er, als etwas Intimes, zu verbergen suchte, wie er überhaupt zurückhaltend war mit persönlichen Bekenntnissen. Er hat es lebenslänglich vermieden, von sich selbst öffentlich zu sprechen. „Ein wissenschaftlich denkender Mensch spricht lieber von sachlichen Problemen“ und „geht psychologischen Selbstbespiegelungen aus dem Wege“, heißt es in „Ex Captivitate Salus“.72 Wie schwer ihn aber der Verlust Duschkas getroffen hat, offenbarte er guten Freunden, etwa Gretha Jünger, der er von den vielen Beileidsschreiben berichtet, von Menschen, die „sich ihrer von einer einzigen Begegnung, einem einzigen Wort her noch nach Jahrzehnten erinnern. Aber das alles macht ihre Abwesenheit für mich noch drückender“. Während seiner Spanienreise im Sommer 1951 war er „oft halb wahnsinnig wegen der Abwesenheit von Duschka“.73 Als Johannes Popitz monatelang in der Todeszelle auf seine Hinrichtung warten musste – während übrigens Duschka ihm jede Woche ein Paket mit Plätzchen und Kuchen in die Zelle schickte (22.10.45) –, waren Goethe und Fontane sein Trost. Carl Schmitt konnte sich nur wundern, wie jemand in dieser Lage mit solchen bildungsbürgerlichen Beständen auskam.74 Seine eigene Ressource war ein Christentum, das den leidenden Christus ins Zentrum stellte und für das die Karwoche den Höhepunkt des Kirchenjahres bildete.75 Konrad Weiß und Léon Bloy waren ihm dafür die vornehmsten Zeugen. Am Ende seines Beitrags, der für die Festschrift zum 60. Geburtstag 70
Duschka an Gretha Jünger; BW EJünger, S. 682. Hüsmert, S. 17. 72 ECS, S. 76. 73 BW GJünger, S. 149 und 152. 74 Gespräch, S. 96. 75 „Die Gottesdienste der Karwoche sind ein wunderbarer Trost und haben eine geheimnisvolle Kraft.“ (17.4.46). Vgl. auch Glossarium, S. 83. In Droste-Hülshoffs Gedichtzyklus „Das geistliche Jahr“ war es das Gedicht „Gründonnerstag“, das auf Schmitt den stärksten Eindruck machte. 71
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von Popitz gedacht war und nicht mehr erscheinen konnte,76 zitiert Schmitt Konrad Weiß mit dem Satz: „Unsere Kraft wurzelt in unserem Leidvertrauen“.77 Laut Weiß war der Garten Gethsemane das Bild für den menschgewordenen und leidenden Gott, wie es im Heilsplan vorgesehen war. So muss auch der Mensch sein Leid annehmen, was Duschka und Carl aus ihrem Verständnis als Christen tun. Im Camp schreibt Carl diesen Satz von Konrad Weiß an Duschka (1.8.46), und sie beruft sich ebenso darauf, als im September 1949 der Tumor bei ihr entdeckt wurde.78 Beide sind der Überzeugung: „Wir werden wunderbar geführt und alles enthüllt seinen Sinn erst später, wenn es uns nicht mehr als Gegenwart behelligt.“ (9.6.46). So sind Schmitts Klagen über die Ungerechtigkeiten und Entbehrungen des Lagerlebens zu relativieren. Er nimmt sie an als im Plan Gottes beschlossen und vertraut auf dessen „unerforschliche Wege“ (Röm 11,33). In einem Satz Léon Bloys fasste sich das für ihn wie auch für Duschka zusammen. Er ist im Briefwechsel erstmals am 4. Dezember 1945 zitiert und wird in den folgenden Briefen 13 Mal, sowohl von Duschka wie von Carl geradezu beschwörend wiederholt: „Tout ce qui arrive est adorable“, Alles was geschieht, ist anbetungswürdig.
76
Carl Schmitt, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, Tübingen 1950; kommentierter Wiederabdruck in: VA, S. 386–429. 77 Konrad Weiß, Zum geschichtlichen Gethsemane, Mainz 1919; Neuausgabe, Bigge-Ruhr [1945], S. 5. 78 Duschka an Gretha Jünger vom 22. 10. 1949; DLA.
Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe an Duschka 1923/24 Aus der ersten Zeit ihrer Beziehung, die im Januar 1923 in Bonn begonnen hatte, sind nur Briefe von Carl Schmitt in Form von Auszügen und Entwürfen aus seinem Tagebuch erhalten. Duschkas Briefe sind so gut wie nicht überliefert; es gibt von ihr lediglich einen Brief vom 25. 7. 1925 und einen weiteren vom 30. 9. 1933. Dann setzt die Überlieferung erst wieder am 9. 10. 1945 ein. Von August bis zum 10. Oktober 1923 hielt Duschka sich bei ihrer Familie in Kroatien auf.
1923-08-29 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 474
29. 8. 23: Entwurf eines Briefes an Duschka. 3 Karten habe ich von Ihnen bekommen, liebe Duschka, zu meiner größten Freude. Inzwischen hoffe ich nur, dass dieser Brief Sie in bester Zufriedenheit bei Ihrer Schwester antreffe. Seit Anfang August liege ich krank zu Bett, seit voriger Woche im Krankenhaus im Bonner Talweg .1 Einmal habe ich einen Ausflug nach Heisterbach2 gemacht, ich versuchte dort, Ihnen eine Karte zu schreiben, aber man konnte auf die Karte doch nicht schreiben, was eigentlich schön war: es ist alles wie an jenem Morgen, als wir zusammen da waren; auch der Spuk spaziert noch herum; in dem Wald, hinter der Mauer, stehen noch die schlanken Bäume in derselben Pracht, die edle Treue dieser Natur hat mich sehr gerührt. Ich muss Ihnen etwas bekennen: dass ich die Zettel mit der Übersetzung des Gedichtes EHE verloren habe,3 Fräulein
1
Carl Schmitt hatte sich wegen Rippenschmerzen für einige Tage in das Bonner Krankenhaus der Barmherzigen Brüder begeben, wo die Ärzte aber keine organische Krankheit feststellen konnten. 2 Schmitt erinnert sich hier an einen Ausflug, den er am 11. 7. 1923 mit Duschka nach dem Kloster Heisterbach bei Königswinter unternommen hatte; vgl. TB III, S. 222. 3 Bezieht sich wahrscheinlich auf Übersetzungen des serbischen Dichters Milutin Bojić, die Schmitt zusammen mit Duschka erarbeitete; s. unten.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Schifrin4 hat der Frau Woschin die Entschuldigung übermittelt. Dr. Rick5 will für Fräulein T[adić]6 auch eine Familie suchen, in der [sie] die Art Anschluss findet, die sie sucht, er meint, das Beste wäre die Frau de Jonge7, bei der Carroll8 gewohnt hat. C. hat sein Examen mit ausreichend bestanden (heimlich hatte er gut erwartet); aber er ist trotzdem sehr vergnügt und erstaunt über den Erfolg, , habe ich mit Fräulein Schifrin einen Spaziergang gemacht und, mit großem Interesse, sie besser kennengelernt. [Diese Woche] hatte ich Besuch von einem Irländer9, der kein Wort Deutsch konnte. Vorgestern ist er abgereist. Ich freue mich sehr auf Duschanka und ihre Übersetzung10, noch mehr darauf, Sie in München wiederzusehen. Wenn ich die Ausreise [schaffe] (die Grenze ist wieder bis 15. September gesperrt)11, fahre ich diese Woche nach Altena. Es hat mir wieder sehr wohl getan. Ich wünsche Ihnen gute Erholung und viel Freude in diesen Ferien und mir selbst wünsche ich einen langen Brief von Ihnen, liebe Duschka. Ich bleibe Ihr Carl Schmitt
4
Rachel Schifrin, geb. 1895 in Gomel/Mogilew (Russland), wohnhaft in Berlin, am 1. 5.1922 in Bonn eingeschrieben zum Studium der Landwirtschaftskunde. Schifrin war offenbar eine Freundin von Duschka; vgl. TB III, S. 230 und passim. 5 Karl Rick (1882–?), Anglist, erster Übersetzer Schmitts von: Carl Schmitt, Die Rheinlande als Objekt internationaler Politik (The Rhinelands as an object of international politics, Cologne: Rhenish centre party 1925); vgl. RW 579 Nr. 286. Duschka nahm bei Rick Englischunterricht; s. TB III, S. 266 f. 6 Zlata Tadić (1901–?) aus Starigrad bei Otok Ilvar, Jugoslawien, ab 21.10.1922 in Bonn eingeschrieben für Philologie, zuvor drei Semester in Zagreb und Berlin, Freundin von Duschka: vgl. TB III, S. 205. 7 Witwe des Regierungsbaumeisters Peter de Jonge in der Bonner Lessingstr. 45. 8 Mitchell Benedict Carroll (1898–nach 1983), von Schmitt 1923 promoviert mit einer Arbeit über „Die wirtschaftlichen Forderungen in Friedensverträgen“, später Richter und Steuerrechtler in den USA; vgl. TB III, S. 192. 9 Bernard McKiernan (1875–1927), irischer Priester, den Schmitt wohl durch seine Geliebte Kathleen Murray kannte; vgl. TB III, S. 142 u. ö. 10 Wie Schmitt während seiner Beziehung zu seiner irisch-australischen Geliebten Kathleen Murray sich intensiv mit irischer Literatur beschäftigte, so bei Duschka mit serbischer. Eine geplante Veröffentlichung kam nicht zustande. 11 Die Grenze der französischen Besatzungszone, in der Bonn lag.
Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe 1923/24
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1923-09-17 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 484 f. (vgl. S. ebd., S. 247)
An Duschka, 17. 9. 23. Das Opfer der Gesprächigkeit, die sich an diesem schönen Morgen, nach einem Spaziergang im Tau, während des Frühstücks bei mir regt, sollen Sie werden, liebste Duschka. Ich habe Ihren schönen Brief aus Ilok12 erhalten, auch die Karten, und bin in großer Erwartung, sowohl des Duschka-Entschlusses, als des Kniefalls. Wie schön, dass Sie sich Ihrer Ferien so gut freuen können. Hören Sie nicht auf, das zu tun. Haben Sie ein Bild von Bojić13 bekommen? Ich habe seine Gedichte in diesen westfälischen Wäldern viel gelesen. Aber das Land ist ihm fremd. Zwar ist es heidnisch, aber ein hartes, unschlechtes Heidentum. Auch das Läuten des Angelus, das sonst jeder Landschaft einen Schimmer von Humanität verleiht, bleibt hier wirkungslos. Ein böses, starres, hartes Heidentum, das sich inzwischen in den Tälern als Eisenindustrie betätigt und in dieser Form die wunderschönen Wälder und Flüsse beschmutzt und zerstört und dem Kadaver Deutschlands die Taschen plündert. O, ein Wort, stumm, ohne eine edle Regung oder Geste. Sie dürfen nicht an bes Uswika14 denken, wenn Sie von der Stummheit dieser Gegend hören. Das bes Uswika von Bojić ist doch einer der schönsten Ausdrücke menschlicher Haltung und Größe, die schönste Rede über das Schweigen. Diese dagegen ist böse, von allen Musen verlassene Stummheit und ein brutaler Rationalismus der Weißen, damit man heute die Welt beherrscht; mit Rohstoff und Eisenindustrie. Das eiserne Zeitalter. Aber man braucht nur 10 Minuten zu gehen und man ist in prachtvollen Wäldern, alten Ruinen von Burgen und Höfen, aus denen seltsame Abenteuer und exzentrische, geniale Menschen hervorgegangen sind. Der einzige Dichter, der in diesem Land gewohnt hat, ist Grabbe15, eine tolle Mischung von bizarrer Verrücktheit, Trunksucht, erhabenster Rhetorik (erin-
12
Kroatische Stadt an der Donau. Milutin Bojić (1892–1917), serbischer Dichter. Mit Duschka zusammen übertrug Schmitt Gedichte von ihm ins Deutsche; vgl. TB III, S. 203 f. und passim (S. 570: Abdruck des Gedichts „Magdalena“), sowie am Schluss des Aufsatzes üner „Illyrien“ das Gedicht „Bes Uswika“ (jetzt in: SGN, S. 483–490), das auch noch 1948 im Glossarium zitiert ist (S. 153). 14 Die Übersetzung des Gedichts „Bes Uswika“ von Milutin Bojić findet sich in Schmitts Aufsatz „Illyrien. Notizen von einer dalmatinischen Reise“. In: Hochland 23, 1925, S. 293–298 (auch in: SGN, S. 483–490). 15 Christian Dietrich Grabbe (1801–1836), Dramatiker. Grabbe wird hier für das Sauerland reklamiert, was nicht zutrifft: Er kam aus Detmold. 13
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
nern Sie sich, Duschka: die Geister schweben, erstaunend auf den Stufen16), kosmischer Phantasie.
1923-09-Ende Sept. Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 485
Jetzt, im September, bin ich immer noch hier. Ich wollte schon am 7. nach Frankfurt reisen, aber am Tage vor der Abreise ging ich noch einmal in die Berge und stürzte einen steilen Abhang hinunter. Ich hätte dreimal den Hals und den Schädel brechen können und blieb nur durch ein Wunder am Leben.17 Doch war mein Gesicht sehr verunstaltet, dass ich mich für Wochen nicht mehr unter Menschen zeigen kann. Auf diese Weise haben die Berge mich bei sich behalten. Es wurde herrliches Wetter mit warmer, herbstlicher Sonne. Ohne Anfang und ohne Ende laufen die Tage dahin, einmal war ich in einem abgelegenen Gebirgsdorf18 und ging in die Schule, wo mich der Lehrer eine Stunde unter sich zeichnen ließ. Ich dachte an Ihren Freund in Mazedonien. Nächste Woche reise ich aber doch bestimmt nach München. Wollen Sie mir dorthin Nachricht geben? Ich habe inzwischen lange, fast 3 Wochen, nichts von Ihnen gehört. Wie mag es Ihnen gehen? Sind sie zufrieden und guter Dinge? Ich wünsche es Ihnen von Herzen, Duschka, und wollte, ich hätte etwas dazu beigetragen. Stets Ihr Carl Schmitt
1923-11-02 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 494
Freitag, 2. 11. 23, morgens ½ 10. Duschka, ich bin noch ganz entrückt von einem Traum und der Sentimentalität seiner Eindrücke; ich fühlte, wie Sie mir die Augen küssten und das unendlich beglückende Gefühl verwandelte sich im Traum in eine lange, süße Melodie, deren Töne ich mit den Augen zu hören glaubte. Das war eine 16
Schmitt zitiert aus Grabbes Drama „Herzog Theodor von Gothland“, 4. Akt, 5. Szene. 17 Die Darstellung entspricht nicht dem Tagebuch: Schmitt stürzte bei einer Radtour am 10. 9.; s. TB III, S. 245. 18 Die Rede ist von dem Weiler Hülschotten, wo der befreundete Bernhard Wüst Lehrer war; vgl. TB III, S. 242.
Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe 1923/24
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glückselige Verbindung und Vermischung von visuellen und auditiven Empfindungen und einer herrliche Dotation. Tausend Mal küsse ich Ihre Hand, immer bleibe ich Ihr Carl 1923-11-09 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 491 f.
An Duschka Freitagmorgen, 9 Uhr (9. 11. 23). Um ½ 8 habe ich meinem Vetter zur Bahn begleitet und dann einen Spaziergang zum Venusberg gemacht, in der frischen Kälte und Anonymität des Morgens, beschienen von einer verheißungsvollen Morgensonne. O, liebe Duschka, auf den Wegen, die wir so oft gegangen sind, waren Sie auch heute an meiner Seite. Sie durften nicht sprechen, weil es zu kalt war und Sie angestrengt hätte. Ich selbst habe immer gesprochen, voll Dankbarkeit gegen Sie und Ihre Güte. Mit einem glücklichen Vertrauen habe ich immer nur an Sie gedacht, im Tau des Morgens und in einer von der Morgensonne gesegneten Anonymität – Bleiben Sie immer bei mir, Duschka, ich bin ganz Ihre Seele. 1923-11-12 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 498
Duschka, Montag abend, 12. November, ½ 11. Sind Sie schon zu Bett gegangen, liebe Duschka? Ich wollte, ich könnte es bewirken, dass Sie niemals wieder traurig werden und stets guter Dinge sind. Aber was bin ich für ein schwaches, hilfloses, ohnmächtiges armes Kind. Heute Abend bin ich um 10 Uhr nach Hause gekommen. Ich hatte Professor Kaufmann19, der von 6–8 eine Vertretung gehalten hatte, mit seiner Frau eingeladen. Das Gespräch und der Wein haben mir den Schlaf vertrieben, ich will immer mit Ihnen sprechen und habe versucht, meine Vorlesung über Völkerrecht für Sie aufzuschreiben.20 Das ist aber alles ein sachliches Ding 19
Erich Kaufmann (1880–1972), seit 1913 Professor für Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie in Bonn. Schmitt hatte zu ihm zunächst ein freundschaftliches, ab etwa 1927 scharf ablehnendes Verhältnis. Seine Ehefrau Hedwig, geb. Pankok (1892– 1973), besuchte die Vorlesungen Schmitts. 20 „[…] dann zu Hause die Vorlesung über Völkerrecht geschrieben, für mein liebes Kind Duschka.“ TB III, S. 267. Schmitt pflegte seine Vorlesungen frei bzw. auf der Grundlage von Notizen zu halten.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
und wenn ich vom Grundsatz der Absolution des Einzelnen und von den gemauschelten Schiedsgerichten spreche, so ist mir, als sähe ich Sie auf der Straße und müsste höflich grüßend weitergehen, ohne mit Ihnen gesprochen zu haben. In dem Wunsch, mit Ihnen zu sprechen, habe ich Ihre schöne Bibel, mein Geburtstagsgeschenk,21 aufgeschlagen und traf die Stelle Johannes, Kapitel 21, Vers 5: Christus fragt den Petrus: Liebst du mich? Und wiederholt die Frage dreimal; Petrus ist traurig, dreimal so gefragt zu werden und antwortet: Herr, du weißt alles, das musst du doch auch wissen, dass ich dich liebe. Es war ein seltsamer Trost, dass ich gerade diese Stelle in Ihrer Bibel aufschlage. Liebe, schöne, gütige Duschka, ich kann nicht vergessen, wie gut Sie gegen mich waren, als Sie mich auf der Straße vor dem Bahnhof zu sich riefen. Ich wollte, ich könnte Sie fröhlich machen, meine Liebe und meine Dankbarkeit ist sehr groß. Ich küsse Ihr Herz und bin, Duschka, ganz Ihre Seele.
1923-11-14 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 499
14. 11. 23, abends 9 Uhr Dass ich in Sorge um Sie bin, kann ich nicht verhindern, ich will es auch gar nicht. Alles ist gut so, wie es ist, weil ich weiß, dass Sie bei mir sind. Gehen Sie gleich zu Bett, liebes Kind. Ich küsse Ihre Augen [dieser Satz ist gestrichen]. Auf Wiedersehen [gestrichen]. Liebe Duschka, ich freue mich darauf, Sie morgen Nachmittag wiederzusehen, eigentlich . Sie wissen alles, was in mir vorgeht, wie glücklich Sie mich gemacht haben und wie sehr ich dem Schicksal danke. Seien Sie niemals traurig, Sie wissen, dass Sie mir dadurch weh tun. und dass ich dem Schicksal danke, das uns zusammengeführt hat. – Inzwischen lese ich noch etwas Turgenjew, das Nest des Adels22 (alles ist ja nur der Wunsch, mit Ihnen, Duschka, zu sprechen); dann werde ich wohl einschlafen. Ich bin ziemlich müde. Sie müssen Ihren Kopfschmerz schonen, brauchen Schlaf, schönes Herzenskind; bald sind Sie wieder guter Dinge und brauchen auch wieder eine Stunde, wo sie von selber anfangen zu singen, liebe Duschka, liebe schöne, gütige Frau. Ich küsse Ihre Augen und Ihr Herz. 21
Novum Testamentum Graece et Germanice. Hrsg. von Eberhard Nestle. 11., verb. Aufl., Stuttgart 1921. Mit Anmerkungen und Widmung: „Carl Schmittt von Duška 11. Juli 1923. Bonn am Rhein“ (Privatbesitz). 22 Ivan Turgenev, Ein Adelsnest, München [1922].
Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe 1923/24
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1923-11-29 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 497
Donnerstag, 29. 11. (nach dem schönen Spaziergang mit Duschka) nachts 12 Uhr: Ich habe einige Stunden schön gearbeitet und das Zimmer ist wunderbar ruhig, in der Stille der Nacht bin ich so weit entfernt vom Tag, dass ich mich meiner Überschwänglichkeit, meiner Dankbarkeit, meinem Glück gegen Sie, Duschka, ganz überlasse. Ich fühle mich getragen von meiner Liebe zu Ihnen. Jetzt, wo der helle und laute Tag mich nicht ablenkt und verwirrt, sehe ich mit den Augen meines innersten Bewusstseins und höre mit dem inneren Ohr, ich verstehe mit der inneren Rationalität, ohne das konstruktive Gewebe der Ratio. Was ich sage, ist immer wieder: Gehen Sie nicht weg, Duschka, schönste Frau, bleiben Sie bei mir. Aber das sage ich nicht in Angst, sondern in tiefstem Glück, in wunderbarer Ruhe und Seligkeit, weil jedes Glück nach Ewigkeit verlangt und kein anderes kennt. Wie zittere ich in dem Glück dieser unerklärbaren Ruhe und möchte weinen, wie ein Kind, das nach langen Reisen in die Heimat kommt. Auch das ist nicht Angst, Duschka, Sie können es sich denken: Wie ein Baum in einem unerwarteten, milde erlösendem Regen vor Glück zittert. Wie schön sind Sie, Duschka. Ich küsse Ihre Hände, Ihre Augen, ihren Mund. Nehmen Sie mich auf in Ihre Arme und an Ihr Herz und in Ihre Seele.
1923-12-01 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 497
Samstagmorgen, 9 Uhr (in Köln im Examen23), 1. 12. 23. An Duschka. Heute Morgen, während der Fahrt nach Köln, habe ich mich immer mit Ihnen unterhalten, Duschka, sehr redselig, und in meinem Kopf ging alles noch tausend Mal schlimmer durcheinander, als es in meinen Worten gewesen wäre, wenn ich laut mit Ihnen hätte sprechen können: ob es Ihnen gut geht, wie Sie geschlafen haben, ob Sie einen Brief erhalten haben, der Sie beruhigt, ich dachte an die Stunden Ihres Stundenplans (war es Conrad24) oder Gide – L’I[mmoral]iste25), ob wir bald einmal wieder zusammen nach 23 24 25
Schmitt nahm am Oberlandesgericht Köln Referendarexamen ab. Joseph Conrad (1857–1924), polnisch-britischer Schriftsteller. André Gide, L’Immoraliste (1902).
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Köln fahren und wann wir einmal miteinander die frische Munterkeit einer Morgenreise erfahren. Es ist mir ja ganz unmöglich, mich auch nur eine Sekunde wohl zu fühlen, ohne Sie herbeizuwünschen. Nicht wahr, liebste Duschka, dann schreibe ich schnell ein Wort. Jetzt muss ich mich gleich verabschieden, Herzenskind, das Examen beginnt. Bis heute Abend, Liebste, Duschka, auf Wiedersehen. Ich küsse Ihren Mund, küsse Sie, die Augen, Ihre Seele.
1923-12-10 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 500 f.
Montagabend, 10 Uhr (10. 12. 23). Ich war nicht zu Hause, als Sie mich besuchten, Duschka, und ich war traurig, dass ich Sie nicht gesehen habe, und glücklich, dass Sie hier waren. Ich fühlte Ihre freundlichen Worte, „seien Sie guter Dinge“, wie eine Hand auf meiner Schulter. Jetzt habe ich ein paar Stunden sehr gut gearbeitet und die Nacht fing an, sich meines Geistes zu bemächtigen. Schöne Begleiterin meines Lebens, ich fühle den Blick Ihrer Augen und höre den Schritt Ihrer Füße an meiner Seite. Auch wenn mein Geist sich verliert, sind Sie bei mir, auch in fernen phantastischen Gegenden. Ich trage Sie in mir und weiß, dass ich von Ihnen getragen werde. Ihre Karte ist auf meinem Tisch wie eine weiße Blume. Erst war ich traurig, dass ich nicht zu Hause war, als Sie kamen, jetzt denke ich daran, dass ich Sie morgen sehe, nachdem ich erwacht sein werde. Ich freue mich über die Herzensgüte Ihres Entschlusses, mich zu besuchen. Wie anders ist mein Zimmer, seitdem Sie darin waren, wie anders mein Leben, seitdem Sie darin eingetreten sind, meine Augen sind anders, seitdem Sie sie küssten. Bleiben Sie bei mir, Duschka. Ich küsse Ihre Hände, aus denen ich ein so schönes Leben empfangen habe. In der Freude eines wunderbaren Glücks bin ich ganz Ihre Seele.
Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe 1923/24
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1923-12-29 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 504
Samstag Morgen ½ 12 Uhr. Liebe Duschka, es ist eine große Freude, Ihre beiden Bilder im Zimmer zu haben.26 Ich habe das Bild der guten, liebevollen, mütterlichen Duschka gestreichelt und das Bild der anderen Duschka bewundert, in Liebe und Dankbarkeit zu Ihnen, meine einzige Duschka. Heute Morgen, als ich immer wieder durch Besuch und berufliche Rücksichten gehindert wurde, zu Ihnen zu kommen (denn es wurde mir lange bis zum Nachmittag und ich wollte nicht nur Ihren beiden Repräsentanten danken für die beglückende Güte, die Sie gestern Abend mir bewiesen). Heute Morgen fühlte ich den schönen Trost der beiden schönen Bilder. Wir alle Drei grüßen Sie herzlich. Ich bin glücklich, dass Sie mir ein so schönes Weihnachtsfest bereitet haben und küsse dankbar Ihre Hände. Liebe Duschka, ich bin Ihre Seele.
Duschka war am 3. Januar 1924 zu ihren geschiedenen Eltern nach Daruvar und Agram gefahren und kam erst Ende April zurück, um dann in das Kloster Heisterbach im Siebengebirge zu gehen. 1924-01-14/15 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 509 f.
(Aus dem Brief an Duschka) Montag, den 14. Januar, ½ 6 Uhr nachmittags: Heute Morgen und heute Nachmittag, als die Post kam, dachte ich sicher, es käme eine Nachricht von Ihnen, liebe Duschka, denn ich weiß gar nicht einmal Ihre Adresse. Einen Augenblick konnte ich wieder sehr traurig werden und in die alte Verzweiflung fallen. Aber ich sah gleich, dass es ein hässliches, törichtes Unrecht wäre, gegen Sie und gegen mich selbst. Mein Bild der gütigen, schönen Duschka hat mich liebevoll angesehen. Bleiben Sie bei mir, liebe Duschka, bei Ihrer Seele.
26 Duschka hatte Schmitt am 20. 12. zwei Fotografien von sich geschenkt; TB III, S. 290.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Gestern Abend habe ich mit dem Dr. Schmitz27 im Bürgerverein zu Abend gegessen, war also um ½ 10 Uhr schon wieder zu Hause und um 10 im Bett. Ich bin erkältet, müde und traurig. Die liebe gute Duschka, Ihr schönes Bild, tat ihr Bestes; sie ist so gut und mild, aber sie spricht nicht. Die andere ist wie KPOTKA28; einen Augenblick fürchtete ich mich, aber auch wenn ich ganz müde und traurig bin, bleibe ich reinen Herzens Ihre Seele. Dienstag, 15. 1., abends 9 Uhr: Sind Ihre Augen noch fröhlich und gesund, wie in Heisterbach, liebe Duschka? Seien Sie immer guter Dinge. Dass Sie den guten Gedanken hatten, mir das schöne Bild zu schenken, hat Ihnen ein Engel eingegeben. Ich wüsste nicht, wie ich Trost finden sollte, wenn alles in mir, meine Nerven, mein Blut, protestiert und revoltiert wegen Ihrer Abwesenheit und verlangt, dass Sie kommen. Wenn ich nur wüsste, ob es Ihnen gut geht und ob Sie guter Dinge sind. Sie wissen, wie leicht ich mir Sorgen mache. Die Madonna29 an der Universität fragt nach Ihnen. Ich glaube oft, wir gehen wiederum durch den Garten. Der Orion steht prachtvoll am Himmel, in edler Treue. Oft überwältigt mich meine Dankbarkeit, wenn ich mir des Glückes bewusst werde, das ich aus Ihren Händen erhielt; wenn ich auch oft traurig bin, so kenne ich doch nicht mehr diese verzehrende, auflösende, vernichtende Verzweiflung, die mich jahrelang quälte. Ein grenzenloses Vertrauen und [die Gewissheit], dass Sie bei mir bleiben, ob ich recht habe oder unrecht, ob ich Erfolg habe oder nicht, ob ich mutig oder verzagt bin. Welch ein Glück, unfassbar, aber darum doch nicht unwirklich, sondern eine innige Gewissheit. 1924-01-18 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 509
An Duschka Aus dem Brief vom 18. 1. 24: Ich schreibe Ihnen heute einfach die Notizen, die ich in irgend einer Stunde gemacht habe. Das ist kein Brief, Duschka, doch zeigt es Ihnen mit der unbedenklichen Offenheit, die ich Ihnen gegenüber habe, wie es mir geht. 27
Arnold Schmitz (1893–1980), Musikwissenschaftler, ein enger und lebenslanger Freund Schmitts. 28 Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Krotkaja (Novelle), 1876; dt. Titel: „Die Sanfte“. 29 Madonna mit Kind, Figur über dem Eingang der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn; s. auch TB III, S. 211, 213, 279, 284, 287, 296, 301, 316.
Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe 1923/24
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Denn Ihnen ist nichts von mir verborgen. Mein Leben geht äußerlich regelmäßig wie in einem Traum weiter. Es ist gut, dass Ihre Bilder bei mir sind. Seien Sie guter Dinge und fleißig und immer so pünktlich mit dem Zubettgehen. Ich fühle, dass Sie an mich denken, und habe, in sonderbarer Bewusstheit Ihrer Güte, nur den einen Wunsch, dass Ihr Leben glücklich und harmonisch werde. Sie werden es sein, liebe Duschka; es soll hinschweben wie eine schöne, lange Melodie, wie die wunderbare lyrische Stelle aus dem Andante, das Sie so lieben.30 Immer und in allem bleibe ich Ihre Seele. 1924-02-01 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 511
An Duschka, 1. 2. 23 [recte: 1924] Ich fühle, dass Sie bei mir sind. Was Sie mir tun, ist mehr, als menschliche Dankbarkeit vergelten kann. Ich weiß wohl, wie nahe Sie mir sind. Das Gefühl des Vertrauens und die Sicherheit überwältigt mich oft. Wirklich: a new a noble heart within me woke.31 Es ist Ihr Herz, ich bin Ihre Seele. Liebe Duschka, ich bringe gleich den Brief zur Post, ich glaube, ich brauche ihn nicht einschreiben zu lassen, über den drolligen Postboten freue ich mich sehr. Sie brauchen mir nicht gleich zu antworten, Duschka, Sie müssen immer ganz ruhig bleiben; ich sehe Sie wohl und bin nicht ungeduldig, wenn ich warten muss, wohl aber traurig, wenn ich denke, dass es Ihnen gesundheitlich nicht gut geht. Auf Wiedersehen, liebe schöne Duschka, seien Sie ruhig und fröhlich und immer guter Dinge. Grüße an Ihre Bücher von mir. Ich bin bei Ihnen und weiß, dass Sie bei mir sind. Ich bin Ihre Seele. 1924-02-08 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 513
Brief an Duschka, Freitag, 8. 2. 24: Kaum hatte ich gestern den Brief für Sie zur Post gebracht, so fielen mir tausend Dinge ein, die ich hätte schreiben wollen, liebe Duschka; aber ich 30
Die Rede ist vom 2. Satz der Siebten Symphonie von Beethoven; s. TB III, S. 272 und 297. 31 Schmitt zitiert Francis Thompson; s. TB III, S. 426.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
musste mich zunächst doch damit beruhigen, dass ich meine Intuition kenne; Sie wissen alles, was mich betrifft, was ich tue und denke und was in mir vorgeht. Dieses Vertrauen macht mich glücklich. Ich habe Ihren Brief oft gelesen. Vieles von Ihrem Wesen ist doch schon in mich übergegangen. Sie haben meine falsche Annuität, meine Gewaltsamkeit geheilt, und alle intuitiven Möglichkeiten wachgerufen; oder vielmehr: Ihre große intuitive Kraft in mich hineinfließen lassen; nun leben Sie in mir, ein Teil Ihres Wesens ist in mir. Mit einem Gefühl überirdischer Freude trage ich Sie, liebe Duschka. Wie lebendig sind Sie noch in meinem Arbeitszimmer! Ihre beiden Bilder und die leibhaftige Erinnerung, dass Sie in diesem Zimmer waren, meine Bücher freundlich ansahen, alles ist noch so unmittelbar wie am ersten Tag. Ich habe heute schön gearbeitet und wünsche, dass Sie auch ruhig und gleichmäßig waren. Innige Küsse in Ihre Hand und bin immer bei Ihnen als Ihre Seele.
1924-02-11 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 513 f.
Am 11. 2. an Duschka nach Daruvar: … Ich habe Ihr Bild betrachtet, ich kann nicht mehr zu Bett gehen, weil es mich freundlich und zufrieden ansieht. Es ist ein unbestechlicher Spiegel. Ich sehe, dass ich Ihre Seele bin und jede Trübung auch Sie trübt und jeder klare Glanz in Ihnen leuchtet. … Ihnen klage ich in der Dämmerung zurück, in der Stunde, die ich liebe, erfüllt von einer stillen ruhigen Sehnsucht. … Das Bild ist wirklich ein täglicher okkulter Anreger. Es ist nicht möglich, zu beschreiben, mit welcher Sicherheit und mit welchem Verständnis Ihre Briefe als Antwort auf meine geheimsten Fragen, Wünsche und Regungen eintreffen. Montagabend: Erst wollte ich den Brief heute Nachmittag zur Post bringen, aber weil Dr. Schmitz kam, habe ich zu schreiben schließen müssen. Ich hatte den Umschlag schon zugemacht. Aber ich konnte Ihnen nicht in der Eile Nachricht geben. Das habe ich ja von Ihnen, meiner schönen Lehrerin, gelernt, niemals ungeduldig zu sein und nach den wunderschönen drei Briefen, die ich heute von Ihnen bekam, fühle ich das noch viel stärker. Übermorgen, an Ihrem Geburtstag, denke ich an Sie und wollte, ich käme wieder zu Ihnen, wie Sie es in Ihrem Briefe erzählt haben. Mit Dr. Schmitz
Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe 1923/24
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habe ich einen Spaziergang gemacht und über russische Musik – Strawinski gesprochen. Eigentlich sprach ich nur mit Ihnen. Wir werden aber wieder miteinander sprechen können, Duschka. Mit jedem Brief fühle ich mehr, wie gut Sie gegen mich sind. Ich kenne mich nicht wieder, wenn ich frühere Notizen von mir sehe, und alle die Auswüchse der Angst, des Misstrauens, schrecklichster Verzweiflung aus der Überzeugung eines fundamentalen Betrugs lese. Ich schrieb einmal auf: Three things …32 Ein schrecklicher Vers von dem Iren Pearse33. Heute sehe ich etwas anderes: Ihr gütiges Antlitz und den unendlichen Trost vertrauensvoller Liebe. Nehmen Sie mich auf in Ihr Herz. Ich bin Ihr Freund und Ihre Seele. Bleiben Sie bei mir, schöne, Geliebte Frau.
1924-02-15 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 516
Heute Abend bekam ich Ihren Brief, Duschka. Ich antworte Ihnen, weil ich Ihnen nichts verschweigen möchte, auch das Letzte nicht, in einiger Unruhe34. Ich habe am Dienstag vor 8 Tagen, am 5. Februar, Fräulein Tadić getroffen. Sie erzählte mir, Sie hätten ihr geschrieben und freuten sich, nächstens nach Agram zu gehen, um dort die russischen Schauspieler zu sehen. Ich hatte morgens einen Brief von Ihnen bekommen und die Bemerkung von Fräulein T. traf mich deshalb, weil Sie mir nichts davon geschrieben hatten. Ich sah meine Torheit ein und erholte mich langsam; ich wollte Ihnen keinen Vorwurf machen, ich hatte niemals daran gedacht, Ihnen zu verargen, dass Sie nach Agram zu dem russischen Schauspiel reisen und durfte auch nicht darüber nachdenken, warum Sie es mir nicht mitteilen. Dann schrieben Sie mir einige Tage später von den beiden Schauspielerinnen; aber nichts davon, dass Sie nach Agram reisen wollten. Ich war nicht einen Augenblick misstrauisch, ich hätte mich geschämt, es zu sein. Heute aber schreiben Sie, dass Sie nach Agram reisen, wegen Ihrer Brille. Warum verschweigen Sie mir, dass Sie wegen des russischen Schauspiels reisen? Fürchten Sie, dass ich misstrauisch bin? Ich habe es vermieden, mit Fräulein T. seit einigen Tagen zusammenzutreffen, um nicht den Anschein zu erwecken, als wollte ich etwas über Sie fragen. O Gott, ich war nicht misstrauisch gegen Sie. Sie brauchen mir nicht zu sagen, warum Sie nach Agram reisen, Duschka. Ist es 32
„Three things I see through love, / Sin and death, and pain.“ Aus dem Gedicht „The stars stand up“; s. TB III, S. 480. 33 Padraic Pearse (1879–1916), irischer Dichter und Freiheitskämpfer, von den Engländern hingerichtet. 34 Zum Folgenden TB III, S. 311 f. und 512.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
meine Schuld, dass es mich so aufregt? Haben Sie nicht von jedem Tag eine Notiz? Sie wissen alles von mir, Sie dürfen nicht glauben, mein Misstrauen zu schonen, wenn Sie mir dergleichen verschweigen wollen. Ich habe alles Misstrauen überwunden. Sie dürfen mich nicht hineinstoßen. Bitte, Duschka, liebe Duschka, lesen Sie jeden Tag nach, den ich geschrieben habe; meine Seele war rein von Misstrauen. Aber wenn vor ihr Sie mich so gewarnt haben, dann warne ich Sie: etwas zu verschweigen. O wie schön ist Ihr Brief. Sie sind meine treue Frau. Ich will nichts anderes sein und bleiben als immer und in allem nur Ihre Seele. (Diesen Brief habe ich verbrannt).
1924-02-15/16 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 517
Duschka, Sie schreiben, ich solle mir keine Beschränkungen auferlegen; o Duschka, es sind für mich keine Beschränkungen. Ich bin zu allen Menschen sehr freundlich und arbeite ruhig, weil ich an Sie denke. Aber andere Interessen als Sie habe ich nicht. Ich weiß, dass Sie es verstehen und nicht vergessen. So wie ich mein Glück fühle, stört mich alles, was nicht von Ihnen kommt. Je serais mon propre apostat. […] Heute Abend, als ich zur Universität ging (ich habe eine Seminarübung eingelegt, wegen des Schlusses des Semesters) gab mir der Briefträger einen Brief von der Reise nach Agram. Ich war sehr glücklich, etwas von ihr zu erhalten und habe heute Abend ihn immer wieder gelesen, und ihre große Güte und ihren liebevollen Trost mit unendlicher Dankbarkeit empfunden. [mehrere Zeilen nicht deutbar] Gute Nacht, liebe Duschka, ich küsse Ihre Hand in großer Liebe. […] Samstagmorgen, 10 Uhr, 16. 2.: Sind Sie schon nach zurückgekehrt, Duschka? Ich möchte diesen Brief gleich zur Post bringen, vielleicht erreicht er Sie in 3 Tagen. Die letzte Woche bin ich von Tag zu Tag ruhiger geworden, ich habe viel nachgedacht und mich geprüft, ob ich Ihre Güte und Liebe verdiene. Wie liebevoll Sie in Ihrem letzten Brief zu mir sprechen, ist kaum fassbar. Vielleicht lächeln Sie, wie damals am Venusberg, über die Knabenhaftigkeit meines Ernstes, aber Sie verstehen es doch, wenn ich Ihnen sage, wie sehr ich in der ruhigen Sammlung dieser letzten Woche fühlte, dass ich mich reinen Herzens Ihre Seele nennen kann. Geliebte Frau, ich küsse Ihre Hände, dankbar über den schönen Brief, und will nichts anderes sein und bleiben als Ihre Seele, immer und in allem Ihre Seele. – (Am 16. 2. zur Post).
Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe 1923/24
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1924-02-25 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 520
Liebe Duschka: seien Sie nicht böse und missverstehen Sie es nicht, wenn ich Sie bitte, mir zu schreiben; sicher habe ich, wenn Sie diesen Brief erhalten, Ihren Brief schon bekommen und unsere Briefe kreuzen sich; wenn Sie aber nicht geschrieben haben sollten, so dürfen Sie nicht böse sein, wenn ich Sie bitte, bald zu schreiben. Ich bitte nicht aus Verzweiflung oder einem hässlichen Grund, ich habe nur das Bedürfnis, von neuem von freundlichen Worten zu hören, von Ihnen gehört zu werden. 1924-02-26 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 521
26. 2., 11 Uhr. Ich schrieb abends an Duschka: O, mein liebes Duschkakind. Jetzt muss ich zu Bett gehen, weil ich zu müde bin, weiter zu arbeiten. Diese letzte Woche habe ich sehr viel gearbeitet. Ich fügte 5 Stunden Völkerrecht ein, lese täglich eine Dissertation und habe viele Besprechungen mit den Doktoranden. Der arme Student aus Hagen, der so entsetzlich verbotenes Deutsch sprach und schrieb, hat mich durch eine besonders schöne und fleißige Dissertation sehr überrascht.35 Das war eine Freude für mich. Duschkakind, ich darf Ihnen nicht verschweigen (Sie wissen es sicher), dass ich in Sorge auf eine Nachricht von Ihnen warte. Montag vor 8 Tagen bekam ich Ihren Brief aus Zagreb vom 13., dann nichts mehr. Sind Sie nach zurückgekehrt? Sind Sie auch nicht krank? Ich will ganz ruhig bleiben, aber wenn morgen oder übermorgen ein Brief von Ihnen kommt, werde ich doch aufatmen. Heute schlafe ich in meinem Arbeitszimmer. Im Schlafzimmer hört man die ganze Nacht die Hähne krähen, und die vielen Arbeiten haben mich nervös gemacht. Ich freue mich wie ein Kind, in diesem Zimmer zu schlafen, unter den Büchern, die Sie angesehen haben. Das Bett steht in der Ecke, wo der kleine Schrank stand. Die Augen fallen mir zu vor Müdigkeit. Gute Nacht, liebe Duschka. Von ganzem Herzen wünsche ich, dass es Ihnen gut geht. Ich küsse Ihre Hände und Ihre Augen; seien Sie gut und freundlich zu Ihrem müden Knaben. 35 Walther vom Dahl (1901–1943), war 1924 von Schmitt mit der Dissertation „Über die Umwandlung der Stellung der Frau im öffentlichen Recht“ mit der Note „gut“ promoviert worden, später Richter in Hagen, im 2. Weltkrieg gefallen.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1924-02-27 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 522
Schrieb abends 27. 2. an Duschka: schilderte den Tag, dass ich vergebens auf den Briefträger wartete. Nicht böse sein, Duschka, dass ich solche Sorgen habe, nicht böse sein. Ich kann es nicht ändern; ich will Sie nicht veranlassen zu schreiben, wenn Sie nicht können, es ist nur für mich schwer, nicht zu wissen, ob es Ihnen seit dem 13. Februar, diese 14 Tage, gut geht. Ich bin nicht verzweifelt oder innerlich böse; nur seien Sie so gut und warten Sie nicht zu lange mit einer, wenn auch kurzen Nachricht. Liebes Sorgenkind, ich wollte, die Zeit der Trennung wäre vorüber. Aber ich will ganz ruhig bleiben und mich nicht unwürdig zeigen. Ich bin sicher, dass mich kein unedler Gedanke befällt, so stark ist auch in der größten Unruhe mein Bewusstsein, dass ich wirklich Ihre Seele bin. 1924-03-02 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 524
Brief an Fräulein Tadić (mitgegeben Montag, 3. 3. 24), geschrieben Sonntag 2. 3. abends: Morgen früh fährt Fräulein T[adić] nach Zagreb, morgen [recte: heute] Abend will ich ihr diesen Brief geben und weil ich morgen wegen des Referendariums in Köln bin, will ich heute Abend schreiben, in der Ruhe meines Zimmers. Morgen Abend komme ich müde von Köln zurück und denke dann, wie oft sie mich liebevoll und gütig aufgenommen hat, wenn ich müde war. Liebe Freundin, [nachträglich Eingefügtes nicht deutbar] Ich freue mich, Ihnen einen Brief durch eine gemeinsame Bekannte zu übersenden, sodass er nicht durch die Postkästen geht. Einmal werde ich auch nach Jugoslawien reisen, nicht wahr, Duschka. Jetzt muss ich mich mit Briefen begnügen und kann Sie nur bitten, immer fröhlich zu bleiben und nicht traurig zu werden. Ich lebe immer noch in der großen freudigen Erleichterung, die Ihr letzter Brief mir bereitet hat. Er hat mich innerlich von Sorgen befreit. Es ist leicht verständlich, dass ich oft an Sie denke, besonders wenn das Wetter so schlecht ist wie jetzt. Eau de Col. bringt Ihnen T. auch mit. Ferner ein paar Stücke Völkerrecht. Ich bin nicht ganz fertig geworden, das müssen Sie entschuldigen, fleißige Duschka. Wenn ich von Bonn abreise, schreibe ich Ihnen noch; Sie müssen mir einmal nach Berlin und einmal nach Jena schreiben, dann kann ich gut arbeiten und habe Freude und Mut. Das Wichtigste kann ich Fräulein T. nicht mitgeben und nicht sagen. Aber Sie wissen es. In großer Sehnsucht Ihre Seele.
Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe 1923/24
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1924-03-06 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 525
6. 3. 24, nach Heisterbach, Brief an Duschka: Die Fröhlichkeit einer Reise in der elektrischen Bahn nach Oberdollendorf, die Fahrt über die Rheinbrücke, schöne Morgensonne, die nun ein weiter silberner Streifen [ist], der Weg zum Kloster, am Kloster, um 12 in Heisterbach, am Kloster traf ich Mittwoch die freundliche Schwester, die unsere Zimmer in Ordnung machte, sie gab mir gleich Ihr Zimmer, beim Mittagessen hatte man für 2 gedeckt, und fragte traurig, ob denn „das Fräulein“ nicht gekommen sei. Ich musste das leider verneinen. Nach dem Essen habe ich einen langen Spaziergang gemacht (es ist alles geblieben: das Essen, das Boot, der Pfau, [mehrere Zeilen nicht deutbar]). Abends um ½ 6 war ich zu Hause, nach dem Kaffee ging ich auf mein Zimmer, war ganz bei Ihnen, fühlte in und konnte in wundervoller Ruhe arbeiten und eine sehr schöne Einleitung zu meinem Vortrag36 schreiben, in dem ganzen Glück einer solchen Produktivität. Liebe Mutter meines Lebens, ich sende Ihnen aus diesem schönen Zimmer meine großen und neuen Kräfte und neues Leben, schöne Mutter meines neuen Lebens.
1924-03-21/22 Carl Schmitt an Duschka TB III, 526
Brief an Duschka (21./22. 3. 24): Heute habe ich mir den Klavierauszug der Oper Otello37 gekauft. Übermorgen wird hier das Shakespearsche Drama gegeben, mit einem berühmten Schauspieler aus Berlin als Othello; ich gehe wahrscheinlich hin. Alles das brachte mir wieder zum Bewusstsein, was ich Ihnen verdanke, liebe Duschka: Ich fühle mich ganz frei, bewundere die Größe des Dramas, ich liebe Othello, den armen, edlen Othello, aber ohne die quälenden Identifikationen, die mich früher so furchtbar zerrieben.38 Liebe Frau, liebe Mutter dieser wundervollen, beglückenden Freiheit. In großer Liebe küsse ich Ihre Hand. 36
Gemeint ist Schmitts Referat auf der Tagung der Staatsrechtslehrervereinigung in Jena, s. unten, Brief vom 18. 4. 1924. 37 Oper von Giuseppe Verdi nach dem Schauspiel „Othello“ von Shakespeare. 38 Shakespeares Othello ist eine der literarischen Figuren, in denen Carl Schmitt sich spiegelte und seine Gefährdung sah. Im Illyrien-Aufsatz heißt es: „Die fabelhafte Figur Othello, der schwarze Gatte der weißen Desdemona, ‚Der gelben Wüste brauner Sohn‘, der Krieger ohne Heimat und ohne soziales Milieu, dessen Eifersucht nur der giftgrüne Schleier ist, in dem sich die Konsequenz eines Heimatlosen-Schick-
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Am 22. (Englisch): Fühlen Sie nicht, wie sich mein Wesen verändert hat, wenn ich von Othello spreche? Ich sehe ihn als einen unglücklichen Bruder, vor dessen Schicksal ich durch Ihre Liebe und Güte bewahrt blieb.
1924-04-18 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 529
Brief vom 18. 4. 24 An Duschka, Plettenberg: Mein Herz ist voll von Erwartung und Ungeduld, ich kann Ihnen nicht Englisch schreiben, liebe Duschka, Sie haben einen sehr ungeduldigen Jungen. Dienstag (22.) fahre ich nach Bonn und erwarte Sie dort, und bitte inzwischen darum, ob ich Sie nicht in Köln abholen darf, vielleicht geben Sie mir telephonisch Nachricht. Seit langem ist dies der erste Tag, dass ich mich wieder in Ruhe sehnen kann. Die vielen Fragen, die ich an Sie richten möchte, muss ich alle mir [für] nächste Woche aufsparen. Wenn Sie nur fröhlich und guter Dinge nach Bonn zurückkehren, so ist alles andere ziemlich gleichgültig. Duschka, heute Morgen habe ich vor dem Frühstück einen herrlichen Spaziergang auf den Berg gemacht, den ich so liebe und wo ich im September letzten Jahres so oft an Sie dachte, Bojić las und mich meinen Gedanken überließ. Die Morgensonne hat mich gesegnet und ich möchte Ihnen den Segen weitergeben, wie ich Sie in der Kirche bekreuzigt habe. Liebe Freundin meines Lebens. Ihren schönen Brief habe ich heute in großer innerer Ruhe wieder gelesen, dankbar und erstaunt, wie gut Sie gegen mich sind und wie wirksam Sie mir geholfen haben. Ich erinnere mich besonders der Ungeduld, mit der ich in Berlin Ihren ersten Brief erwartete, und welcher Trost, welche Erleichterung und Befreiung es war, als ich ihn erhielt. Heute wünsche ich Ihnen eine schöne Reise nach Deutschland, damit Sie nicht traurig sind. Oft habe ich gefürchtet, Sie wären nicht zufrieden. Alles das müssen wir in wenigen Ta-
sals psychologisch verhüllt, der seine Frau nicht erschlägt oder ersticht, sondern erwürgt, um ihre weiße Reinheit nicht mit rotem Blute zu entweihen, der dunkle Held eines farbenfrohen Schauspiels, der Mohr mit dem germanischen Namen Otto, dem man ein italienisches Diminutiv angehängt hat, das ihn wie eine Schelle lächerlich macht, der edle General Othello, der arme, einsame Othello mit seinem germanischen Schicksal – er gehört vielleicht symbolisch nach Illyrien.“ (SGN, S. 485). Über seine Frau Duschka sagte Schmitt: „Sie hat mich vor dem Schicksal des Othello bewahrt; sie ist mein einziger Halt.“ (TB III, S. 328). Siehe auch Andreas Höfele, No Hamlets. German Shakespeare from Nietzsche to Carl Schmitt, Oxford 2016, S. 160– 191.
Aus den Tagebüchern Schmitts überlieferte Briefe 1923/24
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gen besprechen. Ich bin sicher, dass es wie Dunst vergeht. Seien Sie nie traurig, liebe Duschka. In Bonn muss es jetzt herrlich sein. Der Frühling ist dieses Jahr spät, sodass Sie in die schönste Blüte hinein kommen. Wird Ihre Kusine mit Ihnen reisen? Das wäre schön. Sie wird ein wunderbares Sommersemester haben. An dem Referat in Jena habe ich inzwischen noch etwas Arbeit, um das Referat druckreif zu machen. Es soll nämlich in wenigen Wochen schon veröffentlicht werden.39 Von der Konferenz in Jena kann ich Ihnen viel erzählen und freue mich sehr darauf, es zu tun. Alles hat für mich Interesse nur an dem Reflex durch Sie. Sehr erstaunt war ich über die landschaftliche Schönheit Thüringens und verstehe jetzt, warum Goethe sich dort sein ganzes Leben wohl fühlen konnte. Auch das werden wir einmal zusammen sehen, liebe Duschka. Reisen Sie schön, liebe Duschka, strengen Sie sich nicht an, lassen Sie in Köln dem Bärchen helfen, der doch sicher müde sein wird, und kommen Sie bald, bald zu Ihrer Seele.
1924-04-28 Carl Schmitt an Duschka TB III, S. 531
28. 4. 24, abends ½ 9 in Heisterbach Zum Abendessen kam ich nach Heisterbach, es waren ziemlich viele Leute da und etwas lärmend. Ich ging gleich nach dem Essen in den Buchenwald hinter der Mühle und dann den Weg herauf bis zu den Tannen, wo unser Schneebärchen stand. [Mehrere Wörter wegen Streichung und Überschreibung nicht deutbar] [Die Berge] waren verschlossen und schweigsam, aber tröstlich und beruhigend. Ich dachte an mein Kind, das vielleicht krank ist, und wollte oft traurig werden. Was würde aus mir, wenn Sie nicht bei mir blieben? O Gott. Ich will aber ganz ruhig bleiben. Die Berge und Wälder lagen in der Abendstille, in sich versunken. Um ½ 9 ging ich nach Hause. Wie schön ist dieses Tal, aber ich kann nicht mehr wissen, wie schön es von Natur ist, es ist für mich schön durch den Segen Ihrer Liebe. Ich fühle ihn überall, wo ich hier gehe. In der Abendruhe fühlte ich immer nur eine innige 39 Auf der Jenaer Tagung der Staatsrechtslehrer vom 14.–15. April 1924 hielt Schmitt ein Referat mit dem Titel „Die Diktatur des Reichspräsidenten nach Art. 48 der Reichsverfassung“, das in den „Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer“, Bd. 1, Leipzig 1924, S. 63–104 erschien (1928 dann übernommen in: Carl Schmitt, Die Diktatur, 2. Aufl., München/Leipzig 1928, S. 212– 259).
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Bitte in meinem Herzen, liebe Duschka: dass Sie auf mich hören, wenn ich Sie bitte, etwas Ihrer Gesundheit wegen zu tun. Erfüllen Sie mir diesen Wunsch. Heute Abend fühle ich wieder, wie sehr mein Leben in Ihrer Hand ruht, auch physisch in Ihnen ruht, auch in Ihrem geliebten schönen Körper. Ich bin wirklich Ihre Seele. Hören Sie auf mich: Bald kommen Sie, bald habe ich Sie wieder. Dann richten wir Ihren Aufenthalt in Bonn so ein, dass Ihre Gesundheit nicht leidet und dass Sie immer fröhlich sind. Ich darf Sie darum bitten. Ich bitte doch auch für Ihre Seele.
Briefe 1924 bis 1929 Nach der Rückkehr aus Kroatien hielt sich Duschka zur Erholung von ihrer Tuberkulose im Kloster Heisterbach im Siebengebirge auf. Mit dem nachfolgenden Brief beginnt eine zwar lückenhafte, aber ausschließlich aus erhaltenen Briefen bestehende Korrespondenz bis zum Tod von Duschka Schmitt. 1924 (?) Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Freitag Mittag ½ 12 Liebe Duschka, gestern abend kam ich müde nach Hause, ich war bei Dr. Schmitz, es war sehr hübsch, aber ich bin des abends lieber zu Hause. Ich war so müde, dass ich traurig gleich zu Bett ging. Aber während das brave Bärchen schläft, konnte ich nicht schlafen, ein paar Mal wurde ich wach, erst gegen 4 Uhr schlief ich ein, sodass ich erst im 10 aufstand und jetzt natürlich in größter Eile bin. Duschkizakind, ich will diesen Brief jetzt schon zur Post geben, damit Sie ihn Sonntag morgen sicher bekommen. Das Geld schicke ich gleich mit der Post. Jetzt muss ich schnell gehn, liebe Cicala, sonst komme ich nicht aus mit der Zeit. Gestern nachmittag hat der unfreundliche Postbeamte das Geld nicht mehr angenommen, weil es eine Minute nach 6 war. Nicht böse sein, dass dieser Brief kurz ist, liebes Herzenskind. Morgen, Samstag, schreibe ich mehr und antworte in Ruhe auf den schönen, langen Brief von Dienstag abend. Niemals bange sein, kleine Mumimac, immer etwas schönes träumen, und wenn das Wetter hässlich bleibt, kommen Sie nach Bonn zu Ihrem Carl. Schöne Duschka, ich küsse Sie in großer Liebe.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Vom 22. Juni bis Ende Juli 1924 befand sich Duschka in dem bergischen Luftkurort Ruppichteroth, ca. 30 Kilometer östlich von Bonn. 1924-06-25 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Mittwoch morgen, 10 Uhr 25. Juni Duschka, Ihr erster Brief aus Ruppichteroth hat mir diesen Vormittag verschönt. Gütige, liebe Frau, wie schön ist Ihr Brief. Ich war ganz nahe bei Ihnen. Sie dürfen nicht weinen, mein armer kleiner Rationalist. Ich bin nicht weit von Ihnen. Sie müssen sich gut erholen, damit Sie sich noch einige Wochen in Bonn aufhalten können. Herzenskind. Bald wiegen Sie auch mehr als 109 Pfund. Nur noch etwas Geduld. Ich war so glücklich über Ihren Brief, Duschka. Ich las eine Zeile Däubler, bevor ich anfing zu arbeiten (heute morgen habe ich keine Vorlesung und bleibe in meinem Zimmer), freute mich über einen Vers, den ich früher gern zitierte: „Sicher wie die Sonne, Hoffend wie der Mond.“ später heißt es: „Einsam wie die Sonne, Suchend wie der Mond.“40 und fühlte Sie immer bei mir, liebe schöne Freundin. Jetzt muss ich fleißig sein. Es ist nicht weit bis Sonntag morgen, nicht bange sein, ich bleibe bei Ihnen, ich bin Ihre Seele. abends 7 ¼ Diesen Nachmittag habe ich mit Frau Dr. Schmitz41 auf der Terrasse des Königshof Kaffee getrunken; der Vertreter von Prof. Kaufmann, Bilfinger42, war auch dabei. Frau Schmitz käme gern einmal nach Ruppichteroth; ihr 40
Aus: Theodor Däubler, An Mailand, in: ders., Hymne an Italien. Maria Schmitz, geb. Füth (1895–1977), Ehefrau von Arnold Schmitz. 42 Carl Bilfinger (1879–1958), Staatsrechtler, 1922 Habilitation in Tübingen, danach Lehrstuhlvertretung in Bonn, 1924 o. Prof. in Halle, mit Schmitt befreundet; vgl. TB III und IV. 41
Briefe 1924 bis 1929
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Mann ist mit Cecil43 nach Köln, deshalb hatte sie Zeit. Von 5–6 hatte ich Vorlesung; nach der Vorlesung sprach ich mit einem Doktoranden, bis jetzt, Duschka. Es ist so schönes Wetter, dass ich immer frage, was Sie wohl tun. Ihren schönen Brief habe ich bei mir in der Brieftasche. Es wäre wirklich schön, wenn Sie sich gut erholten und mindestens 10 Pfund an Gewicht zunähmen, liebes Bärchen. Die russische Ausgabe der Brüder Karamasoff ist gekommen. Soll ich sie Sonntag mitbringen? Krotkaja44 bekommen Sie dieser Tage. Dr. Schmitz möchte auch einmal gern nach Ruppichteroth kommen. Ich sagte ihm, dann müsse er gehn, wenn ich keine Zeit habe und müsse Ihnen etwas vorspielen. Vielleicht tut er das. Gleich wird wohl mein Bruder eintreffen. Ich will den Brief um 8 zur Post bringen, damit Sie regelmäßig Nachricht haben, mein Herzenskind. Bald werden Sie bei mir in meinem schönen, ruhigen Zimmer sein. Ihre Bibliothek wird täglich schöner. Aber das Bärchen muss auch täglich schwerer werden und 1 Pfund zunehmen. Hat Fräulein Herzfeld45 immer noch Ähnlichkeit mit Fräulein Schifrin? Heute bekam ich eine kleine Broschüre von einem Jenenser Professor zugeschickt. Er zitiert viele Sätze aus dem „Parlamentarismusbuch“46. Jedesmal, wenn ein Zitat kommt, bin ich bange, ob der Satz die Probe auch besteht und fest auf seinen Füßen ruht. Aber es scheint wirklich gut zu sein. Ich freue mich schrecklich darauf, Ihnen später meine Entwürfe vorzulesen. Sie sind mein Gewissen. O Duschka, ich liebe Sie aus ganzem Herzen, Alles sind Sie hier für mich, sogar meinen Namen haben Sie mir gegeben, wie eine Mutter ihrem Kind. Wie schön sind meine Namen! Aber das Schönste bleibt, dass ich Ihre Seele bin, Duschka.
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Cäcilie, genannt Cecil (1922–2011), Tochter des Ehepaars Schmitz. Titel einer Erzählung von Dostojewski (dt. „Die Sanfte“), die von einem ungleichen Paar handelt, wobei die Frau schließlich Selbstmord begeht; eines der literarischen Werke, in denen Schmitt seine eigene Situation wiederfand. Vgl. TB III, S. 259, 320, 492, 509, 522; TB IV, S. 99. 45 Nicht ermittelt. 46 Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, München/Leipzig 1923; 2. erw. und bearb. Aufl., ebd. 1926. 44
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1924-07-25 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13769/1–247
25. VII. 24 Carl, lieber Carl, ich wollte ich wäre tatsächlich Ihre Freude und nicht nur Ihre Sorge. Cicala ich konnte diesen Nachmittag nicht schlafen ich war nervös. Noch einen Tag und dann ist mein lieber lieber Knabe bei mir und wird viel erzählen. Heute las ich in „Pro“: „Othello hat nicht der Eifersucht wegen Desdemona und sich getötet, sondern weil man ihn seines Ideals geraubt hat.“ Ich fand das sehr schön Cica. Morgen sind Sie in Köln Cica und kommen sicher sehr müde. Ich wollte ich könnte Sie abwarten und Sie ruhen bei mir aus; schön wie im Winter. Cicala nicht vergessen dass Sie mir versprochen haben ein Wäcker zu besorgen und die Nacht gut ausschlafen. Cicala nicht traurig nicht bange sein ich bin bei Ihnen und werde nie weggehen. Ich küsse Ihre Auge und Hände und bleibe immer Ihre treue Frau Duschka. Von September 1924 bis Frühjahr 1925 hielt Duschka sich zur Kur in Lugano auf. Schmitt reiste vom 20. Dezember 1924 bis zum 5. Januar 1925 zu ihr. 1924-12-08/09 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 671,6 Fräulein Duschka Todorović Lugano – Ruvigliana Kurhaus Monte Bré Schweiz
Montag abend ½ 11 Mein schönes Herzenskind Duschka, ich sage Ihnen müde gute Nacht und sehne mich nach Ihnen. 47
Auf der Rückseite von Blatt 2 stenogr. Notiz Carl Schmitts.
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Dienstag morgens 6 Uhr Schlafen Sie schön weiter, Duschkiza, ich bin aufgestanden, um zu arbeiten, und bin guter Dinge, weil ich denke, dass Sie artig schlafen und etwas Schönes träumen. 10 Uhr O liebe Duschka, Ihren wunderschönen Brief von Sonntag erhielt ich schon heute morgen. Er hat mich sehr gerührt. Meine liebe Duschka, ich kann verstehn, dass ein innerlich so gesunder Mensch wie Sie nicht zufrieden sein kann in der Untätigkeit eines Kurhaus-Lebens. Aber Sie sind bald gesund und bei mir. Sie sind nicht weniger meine Seele, wie ich Ihre Seele bin. Nur dürfen Sie nicht weinen. Nicht wahr, das wäre Unrecht. Duschkiza, dann dürfen Sie aber erst recht nicht das arme Bärchen schimpfen, weil es so bav schläft. Wenn Sie es schimpfen, lobe ich es dafür. Es ist klüger als die fleißige Studentin. Die Übersetzung wird fertig, nur nicht bange sein.48 Vor allem sollen Sie schlafen und gut essen, und sich nicht mit Arbeitseifer, Ehrgeiz und solchen Dingen quälen. Braves, artiges, kluges Bärchen, Sie werden gelobt, weil Sie so gründlich schlafen. Freitag in einer Woche reise ich schon ab, kaum noch 10 Tage, und ich bin bei Ihnen. Ich freue mich wie ein Knabe auf die Ferien. Schönste, liebste Duschka. Dienstag nachmittag ½ 5 Liebe Duschkiza, es hat mich doch angestrengt, dass ich seit 6 Uhr aufgestanden bin. In den Ferien ruhe ich gut aus, Milalu. Ich habe Ihren schönen Brief von Sonntag noch zweimal gelesen, mit großer Freude und Dankbarkeit. Jetzt sind Sie mein fröhliches Duschkakind und dürfen nicht mehr bange und selbstquälerisch sein. Tausendmal küsse ich Sie in großer Liebe, und immer bin ich Ihre Seele. Meine schöne, liebe Duschka.
48 Die Rede ist von einer geplanten gemeinsamen Übersetzung der Gedichte des serbischen Dichters Milutin Bojić.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1924-12-14 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 671,1–2
Sonntag abend 7 Uhr Duschka, liebe Duschka, jetzt ist der Sonntag bald vorbei, und ich bin doch noch lange nicht fertig mit meiner Arbeit und ganz unzufrieden mit mir. Es wird doch Zeit, dass es Ferien gibt, ich bin sehr nervös und kann nicht mehr gut arbeiten. Mit großer Freude denke ich daran, dass ich nächsten Sonntag schon bei Ihnen bin, liebste Duschka, und dass dieser Brief nur ein paar Tage vor mir ankommt. Seien Sie ihm nicht böse, dass er alle Zeichen meiner Überarbeitung trägt und nicht so schön geputzt ist wie ein Brief, der in guter Ruhe und Sammlung geschrieben wurde. Seien Sie gut gegen ihn, wie gegen Ihren Knaben, wenn er Samstag müde ankommt. Ich habe Sie von Herzen lieb, meine Duschka und bin immer und in allem Ihr Carl. Ich denke trotz der vielen Arbeit oft an Sie und sage Ihren Namen, den ich auch liebe, und freue mich, dass Sie gut gegen mich sind.
1924-12-17 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 671,8
Mittwoch, 17 Dezember nachmittags 5 Uhr Dankeschön, liebe Duschkiza, für den Brief von Montag. Ich bin sehr fröhlich, übermorgen abend fahre ich schon. Jetzt bin ich fleißig und muss noch vieles besorgen. Ich wäre sehr froh, wenn Sie in Bonn wären, Duschkiza, und sobald Sie gesund sind, müssen Sie kommen; aber die Monate Januar bis März sind zu gefährlich. Gleich habe ich Übungen, dann wollte ich zum Abschied bei Schmitz zu Abend essen. Oft sage ich alle Ihre Namen: Duschka, Duschkiza, Duschkala, Mumima, Mimamu, Lalilu, Lulali, Mumimi, Hasenfuß, Bärchenkind, Herzenskind, Engelkind, meine liebe Tochter, meine liebe Frau, meine liebe Seele, meine liebe Duschka. Ich bin Ihr Carl und habe Sie unendlich lieb.
Briefe 1924 bis 1929
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1924-12-18 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 671,4
Donnerstag nachmittag ½ 5 Schöne, schöne Duschkiza, jetzt schreibe ich diesen Brief, der vielleicht nur ein paar Stunden vor mir ankommt, und sage Ihnen, dass ich mit größter Freude an die Reise denke, die mich zu Ihnen führt. Ihren herrlichen Brief von Dienstag bekam ich eben, vielen Dank, mein Herzenskind. Sie sind gut und liebevoll gegen mich, dafür bin ich Ihnen unendlich dankbar. Ich packe selbst ein, es ist nicht viel, ich nehme nur einen Anzug mit. Morgen abend habe ich Prof. Kaufmann und seine Frau eingeladen, zu Schwarz49. Um 12 holt mich ein Auto in meiner Wohnung ab und bringt mich nach Beuel, wo ich 12.43 abfahren soll. Auf Wiedersehn, meine liebe Duschka, jetzt aber wirklich auf Wiedersehn. Ich küsse Sie in großer Freude und habe Sie schrecklich lieb und bin immer und in allem Ihr Carl Nach ihrer gemeinsamen Kroatien-Reise vom 14. August bis zum 24. September 1925 (s. TB IV) trennten sich Schmitt und Duschka; er kehrte nach Deutschland zurück, während sie zu ihren Verwandten nach Daruvar fuhr. Erst am 12. Dezember kehrte sie nach Deutschland zurück. 1925-09-25 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Freilassing (1. deutsche Station) Morgens 7 Uhr Meine liebe, schöne Duschka, liebes, gutes Kind, liebe, schöne Braut, ich wollte, dieser Brief träfe Sie in Daruvar ebenso glücklich und fröhlich an, wie er mich heute verlässt. Erst allmählich sehe ich ganz (was ich zum Teil schon wusste), dass unsere Reise wirklich die schönste Reise meines Lebens war und bin glücklich und dankbar in der Erinnerung an jeden Tag, den wir zusammen waren. 49
Weinrestaurant Schwarz, Bonn, Kaiserstr. 19–21.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Sind Sie gut in Daruvar angekommen und sind Sie zufrieden und guter Dinge? Ich freue mich sehr auf die ersten Nachrichten von Ihnen. Ist Ihr Vater zufrieden abgereist?50 Ich grüße ihn herzlich und habe mich gefreut, dass ich ihn kennen lernen konnte. Hoffentlich ist er immer gut gegen Sie. Duschkiza, die Reise war gar nicht anstrengend. Bis Jesenice51 fuhr ich mit dem Deutschen, der in Zagreb eingestiegen war, ein junger Kaufmann aus Thüringen, der in Mostar und Umgebung Stechzwiebeln aufkauft und den Transport nach Deutschland begleitet. Er konnte interessant erzählen. Aller Großhandel ist in den Händen der Juden. Er war entsetzt über die Verkommenheit der Frauen in Belgrad und Zagreb. Von Jesenice bis Salzburg habe ich gut geschlafen, trotz der Zollrevisionen. Mein Körbchen erregte immer Interesse, aber sehr wohlwollendes und ist nicht untersucht worden. Auf der ganzen Reise, bis jetzt, konnte ich liegen. Von Salzburg ab wurde es aber ziemlich kaltes und nasses Wetter. Ich bin so munter, dass ich in München nicht gleich ins Hotel, sondern erst zu Prof. Muth52 gehen will, und Krause53 anrufen. Vielleicht kann ich dann abends bei Muth bleiben, sodass ich gar kein Hotel brauche. Von Jesenice ab tat es mir manchmal weh, dass ich allein bin, weil ich mich erinnerte, wie wir dieselbe Strecke zusammen gereist sind. Jetzt bin ich aber gar nicht traurig. Bis gleich, Duschkiza, ich will vom Fenster, wo ich dies schreibe, weggehn, weil es etwas zieht. 8 Uhr Traunstein, ich habe aus dem Fenster gesehn, ob vielleicht Frau Dr. Schmitz in den Zug einsteigt, aber natürlich war das nicht der Fall. Es ist kühles und nasses Wetter, Mimicu; ich küsse Sie tausendmal. Bubica, ich schicke jetzt 100 M. im nächsten Brief
50 Den Vater Duschkas, Vasilije (Vaso) Todorović (1872–?) haben Schmitt und Duschka vom 20. bis 24. in Agram getroffen. Er fuhr dann wieder nach Podravska Slatina zurück, wo er getrennt von seiner Ehefrau, die in Daruvar lebte, wohnte. TB IV, S. 7. 51 Jesenice war letzter Bahnhof vor dem Karawankentunnel und Grenzbahnhof. (Schmitt schreibt „Jessenica“). 52 Carl (Karl) Muth (1867–1944), Publizist, gründete 1903 die dem „Renouveau catholique“ verpflichtete Monatsschrift „Hochland“, die er bis zu ihrem Verbot 1941 herausgab und in der Schmitt fünf Aufsätze veröffentlichte, darunter auch einen Bericht über seine „Illyrien“-Reise. 53 Georg Alexander Krause (1885–1955), mit Schmitt befreundeter Ingenieur, Erfinder und Fabrikbesitzer.
Briefe 1924 bis 1929
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10 Uhr vor München, jetzt muss ich eilen, Duschkiza, der Zug kommt gleich an. Ich konnte mich schön waschen und sogar rasieren und bin sehr munter und springe wie ein kleiner Löwe. Schöne, liebe, gute Duschka. Ich küsse Sie tausendmal, von ganzem Herzen. Ich bin bei Ihnen und bin Ihre Seele. Immer guter Dinge und guten Mutes sein, Duschkakind! Ihr Carl
1925-09-25 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Freitag abend ½ 10 im Bett, Hotel Rheinischer Hof (am Bahnhof München) Schönes Bübchen, sind Sie auch schon zu Bett gegangen und schlafen Sie brav? Immer an Ihre Gesundheit denken und nicht vergessen, dass Ihre Gesundheit ein Teil meiner Gesundheit ist. Heute war ein ereignisreicher Tag. Ich war munter und gesund, trotz der langen Reise und spürte trotz des vielen Laufens nichts von den Rückenschmerzen. Um 10 kam ich in München an und ging gleich zur Redaktion des Hochland, wo ich Professor Muth traf. Mein Aufsatz ist schon gedruckt,54 das Heft erscheint nächste Woche. Prof. Muth, dem ich lebhaft von Dalmatien erzählte, wollte absolut einen Aufsatz von mir über meine Reise, wenn es auch nur lose Notizen seien. Vielleicht diktiere ich etwas, das wären ein paar hundert Mark. Dann ging ich zu Krause und aß bei ihm zu Mittag. Isi55 hat eine Blinddarmoperation (durch Drachter56) und liegt im Krankenhaus; es geht ihr aber verhältnismäßig gut. Krause und seine Frau fragten immer nach Ihnen. Ich sah mit Freude und Stolz, wie man Sie gern hat und respektiert. Nach dem Essen ruhte ich nicht aus, sondern traf Dr. Feucht-
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Carl Schmitt, Der Status quo und der Friede. In: Hochland 23/1, 1925, S. 1–9 (jetzt kommentiert in: FoP, S. 51–72). 55 Liselotte („Isi“) Krause, Tochter von Georg Alexander Krause und seiner Ehefrau Elise. 56 Richard Drachter (1883–1936), Chirurg an der Universitäts-Kinderklinik München.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
wanger57 und sprach über 2 Stunden mit ihm. Dann traf ich den Herausgeber, dem ich die Staatsphilosophie versprochen hatte und wurde sie endgültig los.58 So wurde es 7 Uhr. Um ½ 8 aß ich mit Krauses und Frau Professor Degkwitz59 in einem Restaurant zu Abend und jetzt bin ich schon zu Bett; sehr müde und will jetzt schlafen. Gute Nacht, meine Duschka, meine Seele, schöne liebe Duschka. Ich küsse Sie tausendmal, besonders die lieben Äpfelchen. 1925-09-26 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Samstag morgen 10 Uhr Duschkiza, bald reisen wir zusammen, frühstücken zusammen; das ist viel schöner. Ich gehe gleich zur Bank, dann besuche ich Isi im Krankenhaus und esse mit Frau Krause zu Mittag. Ich habe gut geschlafen. Der Rücken ist ganz gesund, wie durch ein Wunder. Ich treffe nachher auch Drachter. Den Aufsatz über Illyrien will ich doch schreiben. So kann ich auch Bojić und Meštrović60 erwähnen. Die Flasche Proschek61 will ich mit Krause trinken, heute abend. Das Körbchen ist schon halb leer. Isi bringe ich eine Traube (war noch übrig). Es ist sehr kalt, Duschka, aber zum Glück warme Sonne. Lies nachher, schönes Herzenskind. Bald habe ich Ihren ersten Brief. Ich küsse Sie von ganzem Herzen, liebe Duschka, lieber guter Kamerad, liebe Braut, schöne verenica62. Immer Ihr Carl 57
Ludwig Feuchtwanger (1885–1947), Leiter des Verlages Duncker & Humblot, in dem Schmitt hauptsächlich veröffentlichte; vgl. BW Feuchtwanger. 58 Schmitt traf Manfred Schröter (1880–1974), Philosoph, Redakteur der Neuen Münchner Nachrichten und Lektor im Verlag R. Oldenbourg, der für das von ihm und Alfred Bäumler herausgegebene Handbuch der Philosophie (München 1927– 1934) einen Beitrag von Carl Schmitt vorgesehen hatte, den dieser jedoch zurückzog, weil er nicht mit Othmar Spann zusammen erscheinen wollte. Schröter versuchte allerdings noch am 15. Oktober, Schmitt zur Mitarbeit zu bewegen; vgl. seine beiden Briefe, RW 265 Nr. 14657 und 14658. 59 Eva Degkwitz, Ehefrau des Kinderarztes Prof. Rudolf Degkwitz (1889–1973). 60 Ivan Meštrović (1883–1962), kroatischer Bildhauer, dessen Statue des Dichters Marko Marulić Schmitt in Split bewundert hatte; s. TB IV, S. 337; SGN, S. 486. 61 Prošek, dalmatinischer Dessertwein, heute ein Massenprodukt, früher von gehobener Qualität und nur zu besonderen Anlässen getrunken. 62 verenica (serbo-kroat.) = Verlobte.
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1925-09-28 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Montag morgen 10 Uhr. Heute habe ich mit dem Reisen Glück, liebe Duschka. Um 6.40 fuhr ich von München ab, im allerletzten Augenblick bekam ich den Zug. Ich habe ein Coupé für mich allein, kann schön liegen und lesen und bin schon um 12 in Frankfurt. Der Zug fährt sehr schnell. Von Krauses habe ich mich gestern abend verabschiedet. Wir haben den Proschek getrunken, der ausgezeichnet war aber ganz anders schmeckte, als der in Split. Es ist merkwürdig mit diesen dalmatinischen Weinen. In Frankfurt will ich bei Schnitzler63 anrufen und Herrn Sandhagen64 besuchen. Gesundheitlich geht es mir vorzüglich. Ich bin sehr munter. Eben habe ich, für den Aufsatz Illyrien, einige Gedichte von Bojić gelesen. Bes uswika ist großartig und entspricht ganz dem Illyrischen: kein Land ist uns fremd, überall ist unsere Heimat. Morgen bin ich in Bonn. Dann finde ich vielleicht schon einen Brief von Ihnen, liebe Duschka, schöne, liebe Braut. Montag abend ½ 7 Schönes Bübchen, feine Mimima, liebe Duschka. Wo sind Sie jetzt? Ich fange schon an, ungeduldig auf Weihnachten und den April zu warten. Heute war ich bei Schnitzler und habe dort zu Mittag gegessen. Um ½ 5 bin ich gegangen, weil ich um 5 fahren wollte, habe aber den Zug verfehlt. Jetzt fahre ich morgen früh um ½ 10 und bin um 1 Uhr in Bonn. Frau von Schnitzler geht es sehr gut; ich habe ihr von Dalmatien erzählt und sie sagte sofort, das müßte ich aufschreiben und dem Prinzen Rohan65 für seine Revue geben. Aber wenn es dazu kommt, dass ich etwas scheibe, so bekommt es Prof. Muth für das Hochland. Ich freue mich doch, morgen nach Hause zu kommen. Täglich wächst meine Sehnsucht nach unserm Häuschen. In Bonn ist vielleicht auch ein Brief von
63
Mit dem Ehepaar Georg und Lilly von Schnitzler war Schmitt seit seiner Münchener Zeit befreundet; vgl. Schmittiana NF I, 2011, S. 113–256. 64 Anton Sandhagen (?–?) in der Erwachsenenbildung in Frankfurt a. M. tätig, versorgte Schmitt mit Büchern; vgl. seine Briefe, RW 265 Nr. 12232–12238. 65 Karl Anton Prinz Rohan (1898–1975), Jurist, Publizist, Herausgeber der „Europäischen Revue“ und Gründer des „Europäischen Kulturbundes“.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Ihnen. Dann bin ich sehr fleißig und sparsam. Auch in München war ich sparsam, Bubica. Herr Sandhagen war nicht zu Hause. Was tun Sie jetzt, liebe Duschka, und was macht Ihr Vater. Herzliche Grüße an alle Verwandten. Ich denke viel über die Reise nach. Liebe, schöne Duschka, ich küsse Sie tausendmal von ganzem Herzen und bin Ihre Seele, meine liebe Duschka.
1925-10-01/02 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Donnerstag, 1. Oktober morgens 10 Uhr Liebe Duschka, hoffentlich geht es Ihnen gut und sind Sie gesund und fröhlich. Ich habe mich über Ihr Telegramm sehr gefreut. Jetzt müssen Sie aber bald einen Brief schreiben, Schlingel, denn ich bin seit einer Woche ohne Nachricht. In Bonn ist das Wetter schön, aber kalt. Meine Wohnung ist entsetzlich kalt, eine wahre Eishöhle. Ich könnte nicht noch einen dritten Winter hier wohnen bleiben, obwohl sie sehr schön ist. Doch ist mein Hexenschuß ganz geheilt; ich habe nur Schnupfen. Von heute ab wird geheizt. Vorgestern, Dienstag, nachmittag ging ich zu Dr. Schmitz. Er war gerade im Begriff, nach Dortmund zu reisen, wo er jede Woche am Konservatorium Unterricht gibt. Seine Freude war groß, mich wiederzusehn. Wir haben uns für morgen, Freitag abend verabredet und essen dann die Ölsardinen, die Nüsse, trinken den Maraschino66, und erzählen uns von den Ferien. Frau Dr. Schmitz kommt erst am 3. Oktober zurück. Alle haben sich gut erholt. Bei Ännchen67 war ich gestern nachmittag. Das gute, brave Kind war gerade am Üben. Ihr Zimmerchen ist hübsch, die Frau, bei der sie wohnt, ordentlich und freundlich. Die Eltern haben das Haus zum Glück nicht gekauft.68 Der Verkäufer, der erst 45.000 Mark haben wollte, ist bis auf 35.000 heruntergegangen. Da sieht man, wie dumm es gewesen wäre, zu kaufen. Den Eltern 66
Dalmatinischer Kirschlikör. Anna Margarethe Schmitt (1902–1954), jüngste Schwester von Carl Schmitt, machte zu dieser Zeit in Bonn eine musikalische Ausbildung. 68 Schmitts Eltern wollten in Plettenberg ein Haus kaufen, was sie nicht taten, sondern später ein neues Haus am Brockhauserweg 10 bauten. 67
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geht es gut, auch Ännchen. Sie will Ihnen bald schreiben, sobald wir Ihre Adresse haben. Auch Frau Braschoß69 will Ihnen schreiben und fragte nach Ihrer Adresse. Gestern war ich auch auf der Bank und habe 300 Mark nach Zagreb schicken lassen. Müllenbruck70 hat Ännchen sagen lassen, er könne mit dem Geld nicht bis zum März warten. Ich will dieser Tage nach Rheinbach fahren. Für den 12.–16. Oktober habe ich eine Vortragsreise durch das Ruhrgebiet (Münster, Duisburg, Essen, Gladbeck, Recklinghausen) angeboten bekommen; wenn man mir 600 Mark gibt, nehme ich an. Leider ist meine Wohnung so kalt, dass ich nicht richtig arbeiten kann. Wenn ich die 600 Mark bekomme, kann ich Müllenbruck am 1. November 2000 M schicken. Gestern abend kam plötzlich Kluxen71. Er will noch einige Tage bleiben und erzählt von seinen Geschichten. Ich war gestern abend ziemlich müde. Jeden Tag wird meine Sehnsucht nach unserer Wohnung größer. Ich bin ganz einsam ohne Sie, Duschka, und nur Sie können die Einsamkeit von mir nehmen. Ich küsse Sie von ganzem Herzen, liebe, schöne Braut, und bin Ihre Seele Abends 10 Uhr, im Bettchen Duschkiza, heute habe ich mir ein elektrisches Heizkissen und einen Strahlenwärmer gekauft, zusammen 63 M. Jetzt friere ich nicht mehr. Wo stecken Sie, Bübchen; ich habe lange nichts mehr von Ihnen gehört. Ich glaube, dass ich einen Aufsatz „Illyrien“ zusammenbekomme. Das wären wieder 2–300 M. Ich bin sehr geizig geworden. Mein Rücken ist ganz gesund. Ich kann springen wie ein Hase. Gute Nacht, liebe Duschkiza, bald sind Sie bei mir. Ich küsse Sie tausendmal, die Äpfelchen und den lieben Mund. 69
Vermieterin Duschkas in der Bonner Argelanderstr. 43. Mit ihr freundete Duschka sich an und blieb lebenslang in Kontakt; vgl. Briefe von Frau Braschoß an Duschka in RW 265 Nr. 29942, RW 579 Nr. 934. Am 23. 11. 1950 schrieb sie, immer noch in der Bonner Argelanderstr. 43 wohnend, an Duschka: „[…] Ich meine immer, wir müssten den Herrn Professor wieder hier in Bonn haben. Ich kann mir immer noch so gut vorstellen, wie er so kameradschaftlich u. fürsorglich mit seinen Studenten war u. die Hörsäle nicht groß genug für seine Vorlesungen waren.“ 70 Möbeltischler in Rheinbach, wo Carl und Duschka Mobiliar für ihre geplante gemeinsame Wohnung bestellt hatten. Schmitt schreibt den Namen unterschiedlich, hier „Möllenbruck“; vgl. TB IV, S. 21, Anm. 133 und S. 53, wo die Person nicht identifiziert ist. 71 Franz Kluxen (1887–1968), Kaufmann und Kunstsammler, seit der gemeinsamen Schulzeit auf dem Gymnasium in Attendorn mit Schmitt befreundet, in Straßburg Kommilitone; „seine Geschichten“ bezieht sich auf die Trennung von seiner Frau; vgl. unten, Brief vom 15. 10. 1925; TB IV, S. 10.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Freitag morgen 10 Uhr. 2. Oktober. Liebes Schlingelkind, jetzt werde ich bald ungeduldig wegen des Briefes. Aber ich bin nicht böse und auch nicht bange. Ich habe ein paar sehr gute Seiten über „Illyrien“ geschrieben und bin deshalb munter. Um 12 kommt Kluxen mit einem Professor aus München. Die Vorträge im Ruhrgebiet kommen zustande. In meinem Arbeitszimmer ist es gut geheizt und gar nicht mehr kalt. Die Bärchenbibliothek ist brav und artig. Ich küsse Sie in großer Liebe, schöne Duschka. Um 12 Uhr kam Müllenbruck und wollte Geld haben für das Esszimmer, für das Sie ihm schon im August 1/3 (also über 800 M) Anzahlung versprochen hätten. Ich ging mit ihm zur Bank und gab ihm 1000 Mark, womit er anscheinend zufrieden war. Auf Wiedersehn, Duschkiza, Schreiben Sie bald Ihrem Carl
1925-10-05/06 (?) Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Montag abend ½ 12 Gute Nacht, Duschkiza. Ich bin erst spät nach Hause gekommen, aber ganz munter. Mit großer Liebe denke ich an Sie und wünsche Sie herbei. Liebe, schöne, gute Duschka. Dienstag morgen ½ 10 Ich dachte heute morgen plötzlich mit großer Besorgnis an Ihre Schwester, liebe Duschka. Wie geht es ihr und wo ist sie jetzt? Wie geht es Ihnen selbst, schöne, liebe Duschkiza. Ich habe gestern etwas zu Hause gearbeitet, den Tisch aufzuräumen versucht, und mit einigen Doktoranden gesprochen. Um 5 kam Gurian72 und brachte mir Besprechungen meines „römischen Katholizismus“, dann ging ich zu Kluxen, der im Hotel zu Bett liegt, weil er erkältet ist. Wir sprachen lange, um 11 ging ich müde nach Hause, aber wie ich ins Zimmer trat, das
72 Waldemar Gurian (1902–1954), Politikwissenschaftler, von Max Scheler 1923 promoviert, zunächst mit Schmitt befreundet, in der Schweizer Emigration ab 1934 sein gefährlicher Gegner; vgl. Schmittiana NF I, 2011, S. 59–111.
Briefe 1924 bis 1929
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schön warm und wunderbar ruhig war, wurde ich wieder munter und las noch etwas herum. Heute kommt Frau Dr. Schmitz von Bayern zurück. Auf Wiedersehn, liebes, schönes Herzenskind Duschka. Dienstag abend ½ 12 Bübchen, schönes Kindchen, gute Nacht, Mimuma. Ich habe Sie von Herzen lieb und denke immer, dass Sie bald kommen müssen. Liebe Duschka. Frau Dr. Schmitz sieht sehr gesund und dick aus, sie hat sich offenbar großartig erholt. Über die schöne Tasche, die ich ihr brachte, hat sie sich sehr gefreut. Die kleine Cecil schlief schon, ich habe sie nicht gesehn. Ich habe Frau Kluxen gesehn und bin ziemlich erschöpft von dieser üblen Geschichte.73 Gute Nacht, meine liebe Duschka.
1925-10-07 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Mittwoch, 11 Uhr. in Köln, Examen. Das Examen ist langweilig, die Geschichten von Kluxen sind deprimierend und abstoßend, ich freue mich, wenn ich ruhig für mich zu Hause in der Wohnung bin. Liebe Duschka, ich bin sehr sparsam, leider aber nicht fleißig genug. [Auf] die Vorträge, die ich vom 12.–16. Oktober in Münster, Essen, Duisburg usw. halten soll, habe ich mich noch gar nicht vorbereitet. Es wird schon gut gehn. Schreiben Sie mir bald, Duschka, wie es Ihnen geht, wie Sie den Tag verbringen und ob Sie zufrieden sind. Ich küsse Sie von ganzem Herzen, schönes, liebes Bübchen und denke oft an unsere schöne Reise. Auf Wiedersehn, liebe Duschka.
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s. oben, Brief vom 1. 10. 1925.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1925-10-07 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Bonn, 7. Oktober 1925 Mittwoch abend 9 Uhr. Mein armes, kleines Kind, ich bekam Ihren Brief von Freitag und Samstag, als ich von Köln zurückkam und war traurig und besorgt, weil Sie nicht zufrieden sind. Schöne, liebe Duschka, gehen Sie bald nach Italien, und leben Sie ganz Ihrer Gesundheit. Sonst wird es vielleicht noch schlimm. Über dem Lande, in dem Ihre Verwandten wohnen, scheinen keine guten Sterne zu stehn. Sie haben ja jetzt Geld, um jederzeit abreisen zu können. Die Aussteuer bekommen Sie schnell, und es ist nicht nötig, jetzt schon alles zu kaufen. Lassen Sie sich nur nicht entmutigen, braves Bübchen. Heute sah ich in Köln das Oktoberheft des „Hochland“ mit meinem Aufsatz.74 Morgen schicke ich Ihnen ein Exemplar. Ich bin sehr damit zufrieden. Hoffentlich kommt das Geld auch bald. Auf die Reise vom 12.–14. Oktober freue ich mich, denn ich bekomme 600 Mark dafür. Ich bringe diesen Brief gleich zum Kasten, damit Sie ihn bald bekommen und nicht mehr traurig sind. Ich küsse Sie tausendmal und habe Sie immer lieb. Deshalb dürfen Sie nicht traurig sein, meine schöne, brave, gute Duschka. Ich bin bei Ihnen, Ihr Junge, und Ihr Carl
1925-10-10/11 (?) Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Samstag mittag, 1 Uhr Liebes, armes Herzenskind Duschka, ich habe gestern abend Ihren Brief noch mehrmals gelesen und warte jetzt voll Sorge auf Nachrichten von Ihnen und Ihrer Schwester. Heute morgen habe ich gut gearbeitet und einiges erledigt, sodass ich jetzt nicht mehr so unzufrieden mit mir bin. Ich dachte daran, am Zehnhoff75 in 74
Carl Schmitt, Illyrien. Notizen von einer dalmatinischen Reise. In: Hochland 23/1, 1925, S. 293–298 (komment. Wiederabdr. in: SGN, S. 483–490). 75 Hugo am Zehnhoff (1855–1930), Jurist und Politiker (Zentrum), von 1919 bis 1927 preußischer Justizminister. Schmitt war in Düsseldorf Referendar bei ihm und
Briefe 1924 bis 1929
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Berlin zu besuchen, der immer zu Bett liegen soll. Ich könnte von Recklinghausen aus leicht hinfahren, in 7 Stunden. Aber es ist teuer und wird mich 150 Mark kosten im ganzen. Ich weiß noch nicht, was ich tue. Gestern abend habe ich mich endlich von Kluxen und seiner Begleitung verabschiedet. Jetzt will ich gleich zu Schmitz gehn, um mich mit ihm zu verabreden. Bis nachher, schöne, liebe Duschkiza. Ich wollte, Sie wären bei mir und nicht traurig. Ich küsse Sie tausendmal, liebes Kindchen. Samstag abend 11 Uhr Schönstes, liebes Herzenskind Duschka, heute nachmittag kam Ihr Brief von Dienstag und Mittwoch an. Wie schrecklich traurig ist das mit Ihrer Schwester. Ich hoffe aber immer noch, dass sie am Leben bleibt. Morgen, Duschkiza, fahre ich nach Münster. Ich will nicht nach Berlin reisen, sondern Donnerstag wieder hier sein. Die Briefe kann ich mir nicht nachschicken lassen, weil ich zu oft den Aufenthaltsort wechsle: Montag Münster, Dienstag Gladbeck, Mittwoch Recklinghausen. Es wird nicht anstrengend sein. Leider fällt Essen und Duisburg aus, sodass ich nur 450 Mark bekomme. Bübchen, seien Sie nicht bange. Traurig müssen Sie ja sein, in solchem Unglück, aber innerlich dürfen Sie niemals verzweifeln. Ich habe Sie von Herzen lieb und weiß, dass ich Ihre Seele bin. Gute Nacht, schöne, liebe Duschkiza, mein gutes, innig geliebtes Kind. Sonntag morgen 11 Uhr in der Rheinuferbahn Mein Bübchen, mein Kindchen, mein Engelchen, liebes braves Duschkakind, wenn Sie sehen, dass es für Ihre Gesundheit gefährlich wird, so müssen Sie abreisen und kommen Sie nach Bonn. Nicht bange sein, klug sein und ein tapferes Mädchen. Bibubac, ich kann in Köln mit Kluxens Auto nach Münster fahren, das ist fein, und eine große Ersparnis an Geld und Nerven. Um 5 oder 6 bin ich schon in Münster. Wir wollen mal sehn, was aus den Vorträgen wird. Jetzt fahre ich diese Strecke nach Köln, wo wir beide so oft zusammen gefahren sind und hoffentlich bald wieder zusammen fahren. Schönes Duschkakind, ich küsse Sie tausendmal und habe Sie schrecklich lieb. hatte seitdem in ihm einen väterlichen Freund; vgl. TB I, S. 405–409. Am Zehnhoff litt an Gicht und trat deswegen 1927 von seinem Ministeramt zurück.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Grüßen Sie alle Ihre Verwandten herzlich von mir, besonders den Vater, auch Ihren Schwager und sagen Sie ihm meine Teilnahme. Ich bin Ihre Seele.
1925-10-11 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz, Postkt. (Poststempel Düsseldorf 11. 10. 1925)
Düsseldorf Sonntag mittag 1 Uhr. Herzliche Grüße in Erinnerung an unsere schöne Reise! Immer Ihr Carl
1925-10-12 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz, Postkt., Poststempel Münster
Montag 12. Oktober abends 6 Uhr. Um ½ 9 beginnt der Vortrag, Duschka; es geht mir sehr gut, hoffentlich sind Sie nicht traurig und geht es Ihrer Schwester besser. Viele herzliche Grüße immer Ihr Carl
1925-10-13 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz, Postkt., Poststempel Gladbeck
13. 10. 25 Herzliche Grüße aus Gladbeck (mitten im Industriegebiet). Carl
Briefe 1924 bis 1929
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1925-10-13 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Recklinghausen am Bahnhof. Dienstag abend 10 Uhr Liebe Duschka, gestern habe ich in Münster einen Vortrag gehalten, heute in Gladbeck, einem schrecklichen Industrienest von 60.000 Einwohnern. Doch war das Publikum hier viel besser als in Münster. Morgen bin ich in Recklinghausen, übermorgen wieder zu Hause. Dann habe ich wieder Nachricht von Ihnen. Oft ist meine Sehnsucht ganz schrecklich. Ich war in Münster auch wegen des Prozesses bei den Popovi76, die viel feiner waren als in Köln und mir Hoffnungen machten. Aber wir wollen sehn. Ich traue diesen Oppas nicht. Donnerstag nachmittag 4 Uhr. Recklinghausen Gestern abend ist der Vortrag sehr gut verlaufen. Jetzt reise ich nach Hause und bin in großer Spannung auf Ihre Nachrichten, liebe Duschka. Diese Industriegegend ist landschaftlich ganz furchtbar, aber es gibt viele schöne, geschmackvolle Häuser. Ich traf in Recklinghausen eine Kusine, die dort verheiratet ist und sehr schön wohnt; sie hat einen Witwer mit 5 Kindern geheiratet. Um ½ 7 bin ich in Köln, ½ 8 in Bonn. Ich will den Brief gleich hier abschicken und schreibe Ihnen morgen ausführlicher, Bubiba, wenn ich Nachrichten von Ihnen habe. In herzlicher Liebe immer Ihr Carl
76 Popovi (serbo-kroat.) = „Priester“. Nachdem die kirchliche Annullierung seiner Ehe in erster Instanz von dem Offizialat Köln abgelehnt worden war, ging Schmitt in Berufung, für die das Offizialat Münster zurständig war.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1925-10-15 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Bonn, Donnerstag abend 10 Uhr. 15. Oktober Bübchen, mein liebes Bübchen, schöne, liebe Duschkiza, wenn ich später von einer Reise in unsere Wohnung zurückkehre, wie heute abend, dann werde ich Sie ganz schrecklich küssen und lieb haben. Ich wollte, Sie wären bei mir und nicht so weit weg. Aber bald ist Weihnachten, und wenn Sie gesund bleiben und klug acht geben, dann kommen Sie nach Bonn und wir können uns viel erzählen. Ich bin um ½ 8 nach Hause gekommen. In Köln traf ich im Zuge Frau Dr. Schmitz, ganz zufällig, mit der kleinen Cecil. Zu Hause fand ich Ihre beiden Briefe, von Freitag und Sonntag. Ich war sehr glücklich, besonders über den schönen, langen Brief von Sonntag und hörte mit großer Freude, dass es Ihrer Schwester besser geht. Dann saß ich eine Stunde im Zimmer und dachte nach über uns beide, liebe Duschka. Um 9 ging ich zum Essen zu Kieffer77, jetzt bin ich wieder in meinem Zimmer, froh, für mich allein zu sein. Die Reise hat mich nicht so viel angestrengt, wohl der Anblick der Zustände in Kluxens Haus. Seine Frau, von der er sich trennen will, ist eine kleine, intelligente Jüdin, offenbar ganz von ihm terrorisiert und ganz unterwürfig, sodass sie mir leid tat. Es war geplant, dass sie beide nach Hamburg zu Eisler78 fahren, um mit ihm zu überlegen, was man für die Frau tun kann. Ich wollte nicht im Auto mitfahren. Wenn ich mich sehr gesund fühle, will ich jedoch Sonntag nach Hamburg mit der Bahn fahren und Eisler treffen. Doch bin ich noch nicht entschlossen und will noch bis morgen warten; ich würde Eisler gern sehen, auch noch andere Bekannte in Hamburg treffen. Andrerseits ist mir die Ehegeschichte von Kluxen unheimlich, und nachdem ich Ihre Erzählung über Pannwitz79 gelesen hatte, wurde mir das alles noch abstoßender, als es schon war. Ich glaube aber, dass ich der Frau helfen und Kluxen davor bewahren kann, Unrecht zu tun. 77
Bahn-Hotel Kieffer, Bonn, Bahnhofstr. 28. Georg Eisler (1892–1983), Bruder von Schmitts Straßburger Kommilitonen Fritz Eisler, aus einer Hamburger Verlegerfamilie, war engster Freund Schmitts bis 1933. Die Beziehung zerbrach infolge von Schmitts NS-Engagement. Nachdem Eisler aus der amerikanischen Emigration zurückgekehrt war, kam es kurz vor seinem Tod 1983 zu einer Versöhnung; vgl. Mehring, Eisler. 79 Rudolf Pannwitz (1881–1969), Dichter und Kulturphilosoph, lebte seit Mai 1925 auf Korćula, wo Schmitt ihn am 16. 9. 1925 besucht hatte. Über seinen Besuch berichtet er in einem Brief an Theodor Däubler vom 18. 11. 1925; Schmittiana VII, 2001, S. 360 f. 78
Briefe 1924 bis 1929
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Dass man Ihnen zumutet, die Haushälterin von Pannwitz zu werden, ist allerdings naiv und im Grunde unverschämt. Es ist gut, dass ich Pannwitz meine „Politische Romantik“ schon mit einer Widmung geschickt habe. Ich könnte es jetzt nicht mehr und werde ihm auch nicht schreiben. Mir sind alle diese Ehegeschichten so widerwärtig, dass ich es als unsauber empfinde, solche Bekannte zu haben.80 O liebe Duschka, wenn Sie bei mir sind, wird es uns leicht, für uns zu bleiben. Kommen Sie bald. Gehen Sie jetzt zu Frau Banner81, wo Sie gut ausruhen und kochen lernen können, und Weihnachten sind wir zusammen. Ich spreche viel mit Ihnen und schreibe sehr wenig. Die letzten Wochen bin ich psychisch müde und traurig, und habe keine andere Freude als den Gedanken an Sie. Kommen Sie bald, liebe Duschka. Ich lege Ihnen die Zeitungsausschnitte über Münster und Gladbeck bei. Von Recklinghausen habe ich keinen. Nächste Woche muss ich wieder nach Münster zu dem geistlichen Gericht. Wenn ich Sonntag nach Hamburg fahre, komme ich Donnerstag über Münster zurück. Man fährt nach Hamburg von hier über Münster, so, Bübchen: [Zeichnung des Streckenverlaufs]. André82 wird wahrscheinlich in 8 Tagen nach Bonn kommen, sodass ich Freitag zurück sein müßte, wenn ich fahre. Morgen muss ich die Steuererklärung für das letzte Vierteljahr machen, dann noch einen Schriftsatz für Münster; vielleicht nützt er; der Geistliche in Münster, der Vorsitzende des Gerichts, hat es mir empfohlen. Nach Münster muss ich wegen des Prozesses nächste Woche auf jeden Fall. Ich wäre deshalb diese Tage besser in Münster geblieben, aber meine Sehnsucht, für mich in meinem Zimmer zu sein und Ihre Briefe in Ruhe zu lesen, war zu groß. Seien Sie also nicht böse über die unpraktische Hin- und Herreiserei, liebe Hausfrau. Gute Nacht, meine Duschka. Ich bin bei Ihnen und bin Ihre Seele. Täglich wachsen wir inniger zusammen. Bleiben Sie immer ein tapferes, kluges Kind, dann sehen wir uns bald fröhlich wieder und brauchen nichts zu fürchten. Ich küsse Sie in großer Liebe. Schlafen Sie schön, mein schönes Bübchen. Der kleinen Jowanka lasse ich heute nach Daruvar etwas Schokolade schicken; an Ihre Adresse, Bubica. 80
Pannwitz, über dessen Eheprobleme Duschka offenbar berichtet hatte, ließ sich 1927 von seiner ersten Frau Helene, geb. Otto (1887–1966) scheiden. 81 Nicht ermittelt. 82 André Steinlein (1891–1964), Rechtsanwalt in Vic-sur-Seille (Lothringen), Sohn des gleichnamigen jüngeren Bruders von Schmitts Mutter. Mit dem Vetter war Schmitt seit Schülerzeiten zusammen.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Liebe, schöne Cicala, ich küsse Sie und habe Sie lieb. Immer und überall bin ich Ihr Carl Duschkiza, ich habe für die Vorträge 400 M bekommen, für den Hochlandaufsatz nur 180 Mark; für den Kölner Vortrag nur 150. Heute muss ich 300 M Steuern bezahlen. Ich schreibe noch ein paar Notizen „Illyrien“ und bin dann mit diesem Monat zufrieden. Auf Wiedersehn, mein liebes Lämmchen.
1925-10-16 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Freitag nachmittag 2 Uhr Kleines Babichen, Ihren Brief von Freitag und Samstag, in dem Sie Nachrichten über die Besserung Ihrer Schwester geben, erhielt ich erst heute morgen, später als den von Sonntag, weil das Babichen die Adresse so geschrieben hatte: Bonn am Rhein, Endenicher. (Allee und 20 hatte es weggelassen.) Aber ich war doch froh, den Brief zu bekommen und freute mich sehr über die Nachricht von Ihrer Schwester; noch mehr allerdings darüber, dass Sie klug und verständig sind und immer an Ihre Gesundheit denken, mein schönes Herzenskind Duschka. Heute morgen habe ich ein paar Kleinigkeiten erledigt. Nach Hamburg will ich lieber nicht reisen. Ich habe André telegraphiert, dass er besser schon morgen kommt. Ende nächster Woche beginnt schon allmählich die Vorlesungsarbeit. Ich habe viele Dissertationen zu lesen, darunter auch die von Dimitroff.83 Mein Zimmer ist gut geheizt und ich wollte, Sie wären bei mir. Bubica, in Bonn sind jetzt keine Marokkaner mehr.84 Vielleicht gehen die Franzosen auch bald. Ich bin sehr neugierig auf unsere Wohnung. 83 Einen Bonner Doktorand Schmitts mit dem Namen Dimitroff gibt es nicht. Schmitt hielt im Wintersemester 1925/26 eine Vorlesung über Völkerrecht, für die er vielleicht folgende Würzburger Dissertation las: G. Dimiter Dimitroff, Das Problem der nationalen Minderheiten unter bes. Berücks. der Lage auf dem Balkan, R.- u. staatswiss. Diss., Würzburg 1924 (Mschr.). Wegen des Themas mag er darüber auch mit Duschka gesprochen haben, die ja zur serbischen Minderheit in Kroatien gehörte. 84 Für die Besetzung des Rheinlandes wurden von Frankreich auch marokkanische Kolonialtruppen genutzt, was auf deutscher Seite als Demütigung empfunden wurde.
Briefe 1924 bis 1929
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Diesen Brief will ich noch nach Daruvar schicken. Wenn Sie nach Zagreb zu Frau Banner gehn, müssen Sie immer gut ausruhen. Die Krankheit Ihrer Schwester ist für uns eine ernste Mahnung. Wenn es sich um Ihre Gesundheit handelt, dürfen wir nicht nach den Pfennigen fragen. Bald sind Sie meine Frau; dann brauchen wir nicht mehr wie zwei arme Hasen in der Welt herumzulaufen. Sobald ich weiß, dass Sie in Zagreb sind, schreibe ich gleich an die Adresse der Frau Banner. Grüßen Sie Ihre Verwandten herzlich von mir, besonders Onkel und Tante Bubić, und sagen Sie ihnen, dass es auch mir sehr leid tut, sie nicht in Zagreb gesehen zu haben.
1925-10-25/27 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Hamburg, Sonntag abend ½ 12 im Bettchen. Schöne, liebe Duschkiza, heute abend war ich bei der Mutter von Georg Eisler zum Abendessen, eine sehr lebhafte, kluge und aktive Frau, mit ihren 65 Jahren von einer staunenswerten Vitalität.85 Um ½ 11 kamen wir zurück. Dienstag reise ich über Münster zurück nach Bonn. Ich habe heute mit besonderer Freude und Dankbarkeit an Sie gedacht, liebe Duschka, als Georg Eisler meinen Aufsatz über Illyrien gelesen hatte und sagte, hier hätte ich zum allererstenmal wirklich so gesprochen, wie es meine eigentliche Art wäre, und es gäbe nichts, was so charakteristisch für mich wäre, wie dieser Aufsatz. Das freute mich, nicht nur in der Erinnerung an unsere schöne Reise, sondern noch viel mehr deshalb, weil ich fühlte, dass ich erst durch Sie zu mir selber gekommen bin, lieber Schutzengel Duschka. Gute Nacht, Herzenskind. Ich bin Ihre Seele und habe Sie unendlich lieb. Montag abend 10 Uhr im Bettchen. Heute bekam ich Ihren Brief von Montag, den 19.; zu meiner großen Freude, liebe, schöne Duschka. Heute war ich den ganzen Tag in der Stadt, nachmit85 Ida Ernestine Eisler (1862–1939), bei der Schmitt während seines HamburgBesuches vom 22. bis zum 28. Oktober wohnte.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
tags bei der alten Frau Eisler zum Kaffee. Sie hat uns beide nach Hamburg eingeladen. Georg Eisler sagte mir, wenn ich Geld für ein Haus brauchte, würde er es mir gern leihen. Hoffentlich kommen wir aber ohne Schulden aus, nicht wahr, Duschkiza. Bubica, Sie müssen nach dem Essen immer gut ausruhn. Das müssen Sie mir versprechen, nicht wahr, Herzenskind. Auch müssen Sie brav auf Ihr Gewicht achten, Bübchen, und ein starkes Bärchen werden, nicht mager. Gute Nacht, liebe, schöne Duschka. Schlafen Sie schön. Ich küsse Sie von ganzem Herzen. Dienstag, den 27. Oktober nachmittags 6 Uhr. Bübchen, ich habe mich bereden lassen, noch einen Tag zu bleiben. Morgen fahre ich aber sicher, erst nach Münster (zu den alten Oppas), dann nach Bonn zurück. Ich bin sehr gern in Hamburg; es ist eine großartige Stadt, sie wird Ihnen gefallen, ich freue mich schon auf die Reise. Auch auf die Reise an die Plitvicer Seen. Nur müssen Sie immer schön an Ihre Gesundheit denken, mein Herzenskind, brav essen und schlafen, Duschkiza. Es regnet hier viel, ich habe mir heute einen Schirm gekauft, für 20 Mark; Sie müssen auch einen haben, Bubicakind. Bald ist Weihnachten, dann sind wir fröhlich und guter Dinge. Ich küsse Sie tausendmal von ganzem Herzen und bin immer und überall Ihr Carl Eislers lassen herzlich grüßen!
1925-11-01 (?)86 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz, Fragment
[…] Meine Wohnung ist schön sauber gemacht und sieht sehr fein aus, sodass ich Sehnsucht nach unserer Wohnung bekam. Es ist aber bitter kalt, und man kann keine Stunde im Zimmer sitzen. Nachher will ich zu Dr. Schmitz gehn. Das Wetter ist schön klar. Bonn ist jetzt eine herrliche Stadt, in der herbstlichen Buntheit der Bäume. Von den Popovi in Münster ist noch keine Nachricht da. 86
Datierung unsicher, s. aber TB IV, S. 14.
Briefe 1924 bis 1929
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Ich bin sehr guter Dinge, Duschkiza, und habe Sie schrecklich lieb. Tausendmal küsse ich Sie, die Äpfelchen, die Hände, und bin bei Ihnen, Herzenskind Duschka. Die Reise, die wir gemacht haben, wird in meinen Erinnerungen immer schöner. Auf Widersehn, schönes, liebes Engelkind.
1925-11-21 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Samstag morgen 10 Uhr 21. November Jetzt habe ich aber viele Nachrichten aus Zagreb, liebes Duschkakind, zwei schöne Briefe, über die ich mich sehr gefreut habe, weil Sie ein so kluges und braves Kind und eine so verständige Tochter sind. In 4 Wochen kommen Sie schon nach Bonn, das ist nicht mehr lange. Andrerseits ist es lange genug, um den Haushalt zu lernen, Duschkiza. Zur Ergänzung könnten Sie noch etwas in Bonn lernen. Das genügt. Es ist gut, wenn Sie nach Weihnachten einige Wochen bei mir bleiben, und im Februar nach Italien reisen. Wir haben viel zu besprechen und ich habe wenig Zeit wegen der vielen Arbeit. Das Examen in Köln war gestern schnell zu Ende, weil 2 Leute zurücktraten. Ich habe bei Dr. Münch87, dem Vorsitzenden des akademischen Katholikenverbandes zu Mittag gegessen, einem sehr sympathischen Kleriker, ganz reiner Typus eines Kelten. Nachmittags fuhr ich müde nach Hause. Die vielen Dissertationen, die ich lesen muss, machen mich krank. Nur die Arbeit von Lohmann88 ist sehr gut und interessant; ich weiß nicht, ob ich sie magna oder summa cum laude nennen soll.89 Es ist kaltes Wetter. Duschkiza, kaufen Sie sich einen schönen Pelz, damit Sie nicht frieren.90 87 Franz Xaver Münch (1883–1940), kath. Priester, Generalsekretär des Katholischen Akademikerverbandes; vgl. TB IV, S. 24. 88 Karl Lohmann (1901–1996). Seine Dissertation hatte den Titel „Die Delegation der Gesetzgebungsgewalt im Verfassungsstaat“, in den Promotionsakten der Bonner Juristischen Fakultät mit dem Klammerzusatz: „(Das Problem der Ermächtigungsgesetze)“. Lohmann wurde aber erst 1928 promoviert und hatte dann eine wechselhafte akademische Karriere. Von 1938 bis 1941 war er Assistent Schmitts; s. TB IV, S. 15; TB V passim. 89 Schmitt bewertete die Arbeit mit „magna cum laude“. 90 Am folgenden Tag heißt es im Tagebuch: „2 schöne Briefe von Duschka, aber sie will einen Pelz für 450 Mark kaufen, das macht mich doch etwas nüchtern.“ (TB IV, S. 25).
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Sie dürfen nicht klagen, dass Sie die Korrekturen des Illyrien-Aufsatzes so spät bekommen haben, Mimici, dafür bekommen Sie als erster den fertigen Abdruck. Jetzt aber nicht mehr schimpfen, Cicala. Heute will ich Müllenbruck schreiben, dass er mir den Schreibtisch schickt. Die Möbel sind sehr teuer. Bei Dr. Münch sah ich herrliche Stücke, die er sich diesen Herbst aus Italien mitgebracht hat, sie kosten einschließlich des Transports noch nicht ¼ dessen, was die Sachen in Deutschland kosten; dabei ist es unmöglich, so schöne und solide Sachen in Deutschland zu bekommen. Es [ist] alles zu teuer in Deutschland. Ich mag mir auch keinen Anzug mehr machen lassen, seitdem mir André gesagt hat, wie billig die Kleider in Straßburg sind. Ich weiß nicht, liebe Duschka, warum ich immer so unzufrieden bin. Vielleicht ist es der Steinlein91, der mich quält. Sicher wird es besser, wenn Sie kommen. Sie müssen aber viel Geduld mit mir haben. Jetzt mache ich mir die Freude und bringe diesen Brief an den Zug 11.48 nach Frankfurt und werfe ihn selbst in den Postwagen. Auf Ihr Bild freue ich mich ganz schrecklich. Duschkiza, wenn Sie gelegentlich (es hat Zeit) in die Bibliothek Strossmayer92 kommen, sehen Sie dort bitte nach, was von Solowjeff darin ist. Stroßmayer hat ein Werk von Solowjew auf seine Kosten drucken lassen. Auf Wiedersehen, schöne, liebe Duschka, ich küsse meine schönen Äpfelchen und habe Sie von Herzen lieb. Immer und überall, zufrieden und unzufrieden, bin ich Ihre Seele, Ihr Knabe und Ihr Carl
91 Anspielung auf die unklaren Familienverhältnisse in der aus der Familie Steinlein stammenden Mutter Schmitts; vgl. TB IV, S. 100 f. („Steinlein-Schicksal“); Schmittiana V, 1996, S. 284, 291–293. 92 Josip Juraj Strossmayer (1815–1905), kroatischer kath. Theologe, Bischof und Politiker, förderte Wissenschaft und Kunst, war mit dem russischen Religionsphilosophen Wladimir Solowjew (1853–1900) befreundet, mit dem gemeinsam er für die Annäherung von orthodoxer und römisch-katholischer Kirche eintrat. Daher war er auch gegen das Unfehlbarkeitsdogma des Papstes.
Briefe 1924 bis 1929
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1925-11-23/24 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Montag abend, 23. November ½ 11 Liebe Duschka, gestern, Sonntag morgen bekam ich zwei Briefe von Ihnen, die Sie Mittwoch und Donnerstag geschrieben haben. Jetzt kommen die Briefe schnell. Ich bin sehr froh darüber, dass es Ihnen in Zagreb so gut geht und danke ihnen herzlich für die schönen, langen Briefe. Ich habe ein paar schwere Tage hinter mir. Samstag mittag bekam ich ein Telegramm von meinem Bruder, dass ich nach Köln kommen soll, weil der Vater von André93 da [ist]. Von André hatte ich gerade einen Brief bekommen; er muss Hypotheken, die er in Papiermark zurückbezahlt hat, aufwerten, nach dem neuen Aufwertungsgesetz; es macht viel Geld aus, 35.000 Mark, sodass er in großer Sorge ist. Ich dachte, es handelte sich um diese Aufwertungssache und fuhr nach Köln. Der Onkel wollte aber nur mit mir sprechen und schimpfte über André. Ich hörte von meinem Bruder etwas, was mich sehr traurig machte94 und mich in dem Gefühl bestärkte, immer betrogen zu werden. Dazu der Onkel, der von seinen Geschichten erzählt.95 Gestern, Sonntag, war Haecker96 und Seewald97 bei mir, er hat in Düsseldorf und Trier einen Vortrag gehabt. Auch dieser Besuch war deprimierend. Abends war ich mit Peterson98 bei Schmitz; müde und gleichgültig. 93
André Steinlein (1865-nach 1950), Bruder von Schmitts Mutter, Vater des gleichnamigen Vetters, reicher Grundstücks- und Immobilienmakler in Lothringen, der die Entscheidung des jungen Carl Schmitt zum Jurastudium beeinflusst hat und ihn auch finanziell unterstützte. 94 „Jup erzählte, dass Bernhard Wüst über med. Einzelheiten meiner Ehe wüsste.“ TB IV, S. 25. 95 Möglicherweise sind seine Eheprobleme gemeint; er ließ sich im folgenden Jahr scheiden; s. TB IV, S. 100. 96 Theodor Haecker (1879–1945), Essayist und Übersetzer, der nach seiner Konversion 1921 zu einem der bekanntesten katholischen Publizisten Deutschlands wurde. Schmitt lernte ihn 1915 in München kennen und schätzte ihn als Polemiker wie als Kierkegaard-Vermittler. Über den Besuch in Bonn vgl. TB IV, S. 25, über das später distanzierte Verhältnis Schmitts s. Glossarium. 97 Richard Seewald (1889–1976), Maler und Schriftsteller, war von 1924 bis 1931 Professor an den Kölner Werkschulen. Schmitt und Seewald kannten sich während ihrer Zeit in München, worüber Seewald in seinen Erinnerungen – er schrieb vier Autobiographien – nicht durchweg zuverlässig berichtet. 98 Erik Peterson (1890–1960), seit 1924 Prof. für Kirchengeschichte und Neues Testament in Bonn, 1930 Konversion zur röm.-kath. Kirche und Übersiedlung nach Rom.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Zu Hause hatte ich Herzklopfen und konnte nicht schlafen, die ganze Nacht lag ich wach. Es geht mir nicht gut. Ich will jetzt versuchen zu schlafen. Gute Nacht, liebe Duschka. Dienstag abend 9 Uhr. Heute morgen bekam ich Ihren Brief von Freitag abend; liebe Duschka, ich war sehr froh darüber und freute mich, dass Ihnen der Mantel, den Sie gekauft haben, gut gefällt, und dass Sie so klug und fleißig sind und gesund und stark bleiben. Wenn Sie gleich Geld brauchen, schreiben Sie es bitte sofort, sonst schicke ich Ihnen Anfang Dezember 300. Es geht sehr schnell; in 3 Tagen ist es in Zagreb. Sie müssen immer pünktlich leben, das ist das gesündeste, dann schadet Ihnen auch das Klima nicht viel. Heute ging es mir besser. Ich erzähle Ihnen Weihnachten, was mich so traurig gemacht hat. Es ist gut, dass es Ihnen jetzt auch besser geht und die schlimmen Tage der Krankheit Ihrer Schwester vorbei sind. Ich möchte Weihnachten nicht nach Plettenberg zu meinen Eltern. Wir werden schon das Richtige finden, liebe Duschkiza, und schöne Weihnachten haben. Dass Ihnen der Illyrien-Aufsatz gefällt, freut mich herzlich. Finden Sie, dass ich ihn besser anonym veröffentlicht hätte? Ich esse abends immer zu Hause und bin zufrieden, niemand zu sehn. Meine Einsamkeit wird von Tag zu Tag größer. Ich bin froh, dass ich Ende Oktober nicht nach Frankfurt zu Schnitzlers gefahren bin.99 Am liebsten bin ich in meinem Arbeitszimmer. Mitten in meinen schrecklichen Selbstquälereien macht mich der Gedanke an Sie wieder glücklich und ich bin beruhigt in dem Vertrauen auf Sie. Meine liebe, gute, schöne Braut, liebe verenica, liebe Duschka.
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Schmittiana NF I, 2011, S. 138.
Briefe 1924 bis 1929
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1925-11-25 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Mittwoch morgen, 25. November. ½ 11 Wie glücklich bin ich, liebe Duschhka, dass ich heute morgen Ihren Brief von Sonntag bekam, in dem Sie so freundlich und gut mit mir sprechen. Jetzt bin ich auch froh, dass ich diesen Brief nicht schon gestern abgeschickt habe; sonst hätten Sie einen traurigen Brief bekommen und wären traurig geworden. Jetzt kann ich Ihnen aber einen fröhlichen Brief schreiben, liebe, schöne Duschka, und Ihnen sagen, dass Sie mich wieder ruhig und glücklich gemacht haben. Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass mir die Trennung noch nie so schwer geworden ist, wie dieses mal. Das kommt daher, dass ich mich immer mehr ausschließlich auf Sie verlasse und nach den vielen Enttäuschungen mit den Menschen, alle meine Vertrauensbedürftigkeit auf Sie konzentriere. Liebe Duschka. In 3 Wochen kommen Sie schon wieder zu mir. Das ist schön. Dann sind wir sehr lustig und guter Dinge, und dass ich jetzt oft traurig war, vermehrt dann nur unsere Freude. Dafür, dass Sie so klug sind, regelmäßig leben, schön kochen lernen, sich schöne Kleider kaufen und gesund und stark werden, lobe ich Sie sehr. Was soll man denn einem so braven Kind zu Weihnachten schenken? Die Korrekturen des Illyrien-Aufsatzes brauchen Sie nicht zurückzuschicken. Ich bin glücklich, dass Ihnen der Aufsatz gefällt. Er ist eine schöne Erinnerung an unsere Reise. Dass die kleine Gepid Caka100 mit der Übersetzung des Gedichtes nicht in allen Einzelheiten zufrieden ist, versteht sich von selbst. Aber das ist nicht schlimm. Schreiben Sie mir bitte, liebe Duschkiza, was Ihnen an dem Aufsatz am besten gefällt. Heute habe ich 4 Stunden Vorlesung und muss eilen. Jetzt werde ich sehr schön dozieren, weil ich wieder fröhlich bin, und denke an Sie, meine gute Duschka, liebe, schöne verenica. Ich küsse Sie und bin Ihre Seele. Von ganzem Herzen immer Ihr Carl
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Nicht ermittelt.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1925-11-26 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Donnerstag abend ½ 8 26. November. Liebes Herzenskind, liebe Duschka, Sie haben ein gutes Werk getan mit Ihren schönen Briefen und haben mich gesund und glücklich gemacht. Heute morgen bekam ich Ihren eingeschriebenen Brief von Sonntag und Montag. Die Korrektur der einen Zeile, die Sie noch anbringen wollen, ist schön (und natürlich auch richtig),101 aber es ist leider zu spät, weil die ganze Auflage des Heftes schon fertig gedruckt ist (12.000 Exemplare), sodass sich nichts mehr ändern lässt. Wie schade! Die Zeile ist, wie ich jetzt sehe, eigentlich der Höhepunkt des Gedichts. Wir wollen uns darüber nicht ärgern; Bibicic, liebe Cicala, nicht wahr, sondern nächstens besser aufpassen. Heute habe ich in den Übungen eine Klausurarbeit schreiben lassen und dadurch 2 Stunden gespart. Nächsten Dienstag ist schon der 1. Dezember! Dann kommen Sie in 14 Tagen. Duschkiza, ich sehe, dass der 15. Dezember ein Dienstag ist. Wenn Sie an diesem Tage von Zagreb abreisen, kommen Sie gerade am 17., also an einem Donnerstag an. Das ist kein guter Tag, weil ich Mittwoch und Donnerstag soviele Vorlesungen habe. Sie müssen es so einrichten, dass Sie am Freitag abend oder Samstag morgen ankommen. Dann habe ich mehr Zeit und kann mich der Freude des Wiedersehns ganz überlassen. Wann schicken Sie denn das Bild, das Sie mir versprochen haben, liebes Kind Duschka? Ich möchte gern dem serbischen Unterrichtsministerium ein Exemplar meines Illyrien-Aufsatzes schicken, wegen des Gedichtes von Bojić. Schreiben Sie mir bitte die Adresse richtig auf, Mimima. 10 Uhr Liebe Duschka, ich habe schön gearbeitet, in meinem Zimmer und Sie oft herbeigewünscht. Könnten Sie vielleicht schon am Freitag oder Samstag vor dem 15. Dezember kommen? Schreiben Sie es mir bald, denn wenn Sie früher kommen, also vor dem 17. Dezember, könnte ich am folgenden Sonn101 Bezieht sich wohl auf die zweite Strophe von des Gedichts „Bes uswika“, wo es heißt: „jetzt versuche ich dich, Schicksal!“, was Duschka offenbar anders übersetzt haben wollte; vgl. TB IV, S. 28.
Briefe 1924 bis 1929
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tag, 20. Dezember, nach Mainz fahren und Kiener102 treffen. Sie können aber auch mitfahren, wenn Sie Freude an der Reise haben und nicht zu müde sind. Ich weiß noch nicht genau, wann die Ferien anfangen. Ich habe die vielen großen und kleinen Bilder besehen, die ich von Ihnen habe, und mich sehr gefreut. Jetzt sage ich gute Nacht und küsse Sie von ganzem Herzen, meine liebe, schöne Duschka.
1925-11-27 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Freitag morgen 10 Uhr 27. November. Liebe Duschkiza, den langen Brief von Montag abend bekam ich heute morgen. Danke schön, liebes Herzenskind. Ich will Ihnen schnell antworten, damit Sie vielleicht Sonntag diesen Brief schon bekommen. Wenn Sie in den Weihnachtsferien kommen, müssen Sie einige Wochen bleiben. Es wird mir schwer, Sie wieder wegreisen zu lassen. Sie haben es ganz richtig gefühlt, dass mir die Trennung kaum erträglich ist. Auch ist vieles zu besorgen in Bonn. Jetzt hat man mir eine Wohnung von 6 Zimmern, Poppelsdorfer Allee 56, I. Etage, angeboten, die man sofort beziehen könnte. Wir wollen Weihnachten alles am Standesamt erledigen. Die popovi sollen machen was sie wollen. Schöne, liebe Duschka, Sie haben einen sehr ungeduldigen, wilden Knaben. Seien Sie immer gut zu ihm, auch wenn er es nicht verdient. Ich küsse Sie tausendmal und habe Sie schrecklich lieb. Immer bin ich Ihr Carl
102 Fritz Kiener (1874–1942), Historiker, Professor in Straßburg und seit Schmitts Straßburger Dozententätigkeit mit diesem befreundet; vgl. TB II, S. 505 ff.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1925-11-28 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz Gospođica Duschka Todorović Zagreb Trenkova ul. 13II Jugoslawien
Samstag abend 10 Uhr 28. November Heute las ich in der Zeitung, dass auch in Zagreb große Überschwemmungen und Dammbrüche waren. Geben Sie mir bitte bald Nachricht, liebe Duschkiza, ob Sie nicht davon betroffen werden. Um 5 Uhr habe ich mit Ännchen bei Scharrenbroich103 Kaffee getrunken. Sie ist ein gutes, braves Kind, dabei klug und gescheit. Leider konnte ich sie in den letzten Wochen fast niemals sehn. Auch zu Dr. Schmitz komme ich selten. Gestern abend war ich bei Beyerhaus104 eingeladen. Ich konnte nicht gut ablehnen. Kaufmann war auch da, mit seiner Frau, und einige Professoren. Es war langweilig. Nachher las ich noch eine Stunde Othello. Ein höchst geheimnisvolles Kunstwerk, das ich immer von neuem bestaune. Heute morgen freute ich mich über eine Entgegnung von Goethe, die ich zufällig las. Jean Paul, ein berühmter romantischer Schriftsteller, dessen hundertsten Todestag man jetzt feiert, hat einen in Deutschland vielzitierten Satz geschrieben, den Goethe in dem Tagebuch seines Enkels fand: „Der Mensch hat 2 ½ Minuten: eine zu lächeln, eine zu seufzen und eine halbe zu lieben, denn mitten in dieser Minute stirbt er.“ Dazu schrieb Goethe zornig in das Tagebuch: Ihrer sechzig hat die Stunde, Über tausend hat der Tag. Söhnlein, merke dir die Kunde, Was man alles leisten mag.105
103
Konditorei und Café in Bonn, Bahnhofstr. (Hansa-Eck). Gisbert Beyerhaus (1882–1960), habilitierte sich 1920 in Bonn, wo er Privatdozent für mittlere und neuere Geschichte war, ab 1932 o. Professor in Breslau. 105 Korrekt: „Der Mensch hat dritthalb Minuten: eine zu lächeln, eine zu seufzen und eine halbe zu lieben; denn mitten in dieser Minute stirbt er. (Jean Paul). – Ihrer sechzig hat die Stunde, / Über tausend hat der Tag, / Söhnchen, werde dir die Kunde, / Was man alles leisten mag.“ Goethes nachgelassene Werke, Bd. 16, Stuttgart/Tübingen 1842, S. 72. 104
Briefe 1924 bis 1929
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Das hat mit gut gefallen. Leider verschwende ich tausende von Minuten in Gleichgültigkeit, Unlust, und in andern dummen Zuständen. Heute abend war ich aber ziemlich fleißig, habe zu Hause zu Abend gegessen und eine Dissertation erledigt. Die Dissertation von Frl. Esser habe ich abgelehnt. Neulich war ihr Vater bei mir, ein braver Mann, mit weißen Haaren und klagte sein Leid wegen der Tochter. Als er Tränen in den Augen hatte, tat er mir doch sehr leid.106 Lämmchen. In 14 Tagen kommen Sie schon nach Bonn. Nicht traurig sein. Wir dürfen uns nicht gegenseitig traurig machen. Duschkiza, haben Sie an Müllenbruck geschrieben? Ich will heute Mittag die Wohnung in der Poppelsdorfer Allee besehn; aber ich möchte doch nicht gern dort wohnen. Es ist zwar nicht die laute Seite (also nicht die, auf der der Bürgerverein ist), sondern eine ziemlich ruhige Stelle, nahe am Botanischen Garten; aber trotzdem gefällt mir die Straße nicht; nur wenn die Wohnung besonders schön ist kommt sie für uns in Betracht. Auf Wiedersehn, liebe Duschka, seien Sie nicht bange und nicht traurig. Ich küsse Sie von ganzem Herzen und bin immer bei Ihnen, immer Ihr braver Junge und Ihr Carl
1925-12-04 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Freitag nachmittag ½ 5. Heute habe ich zwei Briefe von Ihnen bekommen, liebe Duschka, beide von Mittwoch. Wenn Sie meine Freude verstehen wollen, liebste Frau, müssen Sie sich erinnern, wie Sie sich freuten, als ich vorigen Winter einmal unerwartet zu Ihnen in Ihr Zimmer kam, vormittags, vor meiner Vorlesung, während Sie brav nach Ihrem Stundenplan arbeiteten. Ich freue mich über Ihre schönen Briefe wie ein Kind. Meine schöne, gute Duschka. Wie freundlich sind Sie gegen mich. In 10 Tagen kommen Sie schon, das ist herrlich. Fragen Sie genau nach dem Reiseplan und schreiben Sie mir genau, Mimumi. Gleich kommt ein Assessor wegen seiner Dissertation. Bis nachher, liebe Bubiba. Ich küsse Sie in großer Liebe. 106 Für das Frl. Esser setzte sich nicht nur der Vater, sondern auch der Bruder bei Schmitt ein; vgl. TB III, S. 381; TB IV, S. 26.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Duschkiza, ich weiß nicht, warum der Brief, den ich Dienstag schickte, so, wie jeden Tag, um 5 Uhr, nicht pünktlich angekommen ist. ½7 Liebe Duschka, ich arbeite schön in meinem Zimmer. Schutzengel, liebe Frau, Sie sind bei mir. Ich freue mich, in Ruhe und Stille zu arbeiten. Gute, schöne Duschka. Mein Kind, meine liebe Frau. Ich küsse Ihre schwarzen Haare und die schönen, lieben Augen.
1925-12-05 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Samstag morgen ½ 11 Danke schön, meine liebe, freundliche, schöne Duschkiza, für Ihren Brief von Donnerstag morgen. Heute geht es mir nicht gut, Cicala, gestern abend habe ich mich beim Abendessen erkältet, jetzt tut mir das rechte Auge weh, es sind rheumatische, reißende Schmerzen. Hoffentlich ist es bald wieder besser. Natürlich bin ich ärgerlich, dass ich nicht ordentlich arbeiten kann. Vorgestern abend hat hier ein Literat aus Frankfurt eine Rede gehalten, gegen mein Buch vom römischen Katholizismus107; ein paar Studenten und Dr. Gurian haben es mir gestern erzählt, ich bin selber nicht dagewesen. Es ist mir auch ziemlich gleichgültig, mich interessierte nur, dass endlich bei den Studenten der Sinn für klare Unterscheidungen erwacht. Sie hätten sich sicher auch gefreut, Duschka, über das Überlegenheitsgefühl, das diese Studenten empfanden, weil sie in meinem Seminar etwas gelernt haben, und irgend ein Geschwätz von einer sachlichen Erörterung sofort unterscheiden können. Bald sind Sie bei mir, liebe Duschka. Schreiben Sie mir genau, wann und wie Sie reisen wollen. Ich küsse Sie tausendmal von ganzem Herzen. Immer und in allem bin ich Ihr Carl Danke, Duschkala, für das schöne Bild von Luini108.
107
Carl Schmitt, Römischer Katholizismus und politische Form, Hellerau 1923; 2. Aufl. München 1925. 108 Bernardino Luini (ca. 1480–1532), ital. Maler.
Briefe 1924 bis 1929
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1925-12-20 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz109
Sonntag, 20 Dezember ½ 12 Schöne, liebe Duschkiza, ich bin guter Dinge und freue mich sehr, Sie heute abend wiederzusehn. Tausen Püffchen, kleine Bubica von Ihrem Carl Carl und Duschka Schmitt heirateten am 8. Februar 1926 auf dem Standesamt in Bonn, am folgenden Tag hustete Duschka wieder Blut und reiste zur Erholung nach Kroatien, von wo sie nach dem 12. März zurückkehrte. Von Ostern bis Ende Juni 1926 hielt sie sich wieder in Ruppichteroth auf. 1926-03-04/05 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz
Donnerstag, abends ½ 11 4. März. Liebe Duschka, jeden Tag freue ich mich, dass Sie meine Frau sind und dass Sie bald kommen. Heute morgen kam Ännchen um 10 Uhr zu mir, wir kauften dem Vater Zigarren (er hat am 6. März Geburtstag) und brachten sie zur Post. Dann ging ich zur Quästur; für die Vorlesungen bekam ich 2700 Mark (im ganzen 4200 M für dieses Semester, 1500 Mark habe ich schon im November bekommen, wieviel hatten Sie gerechnet, Bubica?)110; dann ging ich zu Frau Braschoß wegen des Elterschen Hauses; der Vermittler soll morgen oder übermorgen kommen.111 Nachmittags hatte ich Sitzung des Volkswirtschaft109
Auf dem Briefbogen und mit dem Briefumschlag des Hotels „Holländischer Hof (Hotel de Hollande)“ Mainz. 110 Die Rede ist von den Kolleggeldern Schmitts. 111 Es handelt sich um das Haus des am 5. 11. 1925 verstorbenen Professors für Klass. Philologie Anton Elter in der Bonner Dechenstr. 2; vgl. unten, Brief vom 4./5. 3. 1926.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
lichen Prüfungsamtes; nachher habe ich mit dem Nationalökonomen Beckerath112 zu Abend gegessen und mich sehr schön unterhalten. Bubica, muss ich Müllenbruck am 15. März 1500 Mark schicken? Schreiben Sie es mir bitte, liebe Mumima. Jetzt gehe ich ins Bett. Die letzte Woche habe ich keinen Kaffee getrunken; deshalb schlafe ich besser. Ich küsse Sie tausendmal, meine schöne, liebe Duschka und bin immer von Herzen Ihr Carl Freitag nachmittag 6 Uhr Duschkiza, heute habe ich keine Nachricht von Ihnen bekommen. Wie geht es Ihnen, liebes Herzenskind. Der Häuservermittler Schlangen113 war heute morgen bei mir; die Besitzer verlangen für das Haus von Elter 40.000 Mark. Ich habe 31.000 Mark geboten, 10.000 Anzahlung und je 7000 in 3 Jahresraten. Der Kurator sagte mir, das Ministerium würde mir vielleicht eine größere Summe als Vorschuss auf das Kolleggeld geben, das wäre schön; dann brauchten wir keine Zinsen zu bezahlen. Ich will deshalb auch nach Berlin fahren, habe aber zur Vorsicht auch an Georg Eisler geschrieben, ohne ihn um das Geld zu bitten. Das Honorar für die Völkerbundbroschüre114 habe ich noch nicht bekommen. Meinem klugen Kameraden werde ich aber die versprochenen Prozente sicher geben und nichts abziehen; das wäre zu häßlich. Im letzten Semester haben zusammen fast 900 Studenten bei mir gehört. Ich bin sehr müde, liebe Duschka, und muss doch bald ausruhn; ich kann fast nichts mehr arbeiten. In diesem Augenblick kommt Dr. Schmitz. Ich bringe diesen Brief 7. 11 an den Zug. Morgen bekomme ich sicher Nachricht von Ihnen, dann bin ich fröhlich und guter Dinge. 112
Herbert von Beckerath (1886–1966), seit 1925 Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften und Direktor des Instituts für Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften in Bonn, emigrierte 1933 in die USA, wo er bis zu seiner Emeritierung 1955 lehrte. Er war der Vetter des mit Schmitt befreundeten Nationalökonomen Erwin von Beckerath (1889–1964). 113 Heinrich Schlangen, Immobilienmakler, Bonn, Marienstr. 43. 114 Carl Schmitt, Die Kernfrage des Völkerbundes (Völkerrechtsfragen, H. 18), Berlin 1926. Komment. Wiederabdr. in: FoP, S. 73–193.
Briefe 1924 bis 1929
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Ich küsse Sie tausendmal, mein liebes, schönes Herzenskind Duschka und habe Sie innig lieb. Immer bleibe ich Ihr Carl und Ihre Seele. Nicht die Händchen aus dem Bettchen strecken beim Schlafen, mein kleines liebes Sorgenlämmchen. Von Mitte September 1928 bis Oktober 1929 lag Duschka im deutschen Kaiser-Friedrich-Krankenhaus in San Remo, unterbrochen durch Aufenthalte in St. Gallen, wo sie im Mai/Juni 1929 mehrmals operiert wurde; aus dieser Zeit ist keine Korrespondenz erhalten. Carl Schmitt besuchte seine Frau vom 7. März bis zum 9. April 1929 in San Remo. Bevor Duschka nach Deutschland zurückkehrte, fuhr sie zu ihrer Familie nach Kroatien. 1929-10-21 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz115 Gospođica Duschka Todorović Daruvar Postfach 47 Jugoslawien
Montag, 21. Oktober 1929 Liebste, schönste Duškica, heute morgen um 10 Uhr bin ich in Madrid angekommen. Der Sekretär des spanisch-deutschen Intercambio brachte mir Ihren Brief von Donnerstag an den Zug. Vielen herzlichen Dank, mein liebes Herzenskind, ich war sehr glücklich, dass es Ihnen gut geht und dass Sie so schöne und liebe Briefe schicken, die immer im richtigen Augenblick eintreffen. Meinen Vortrag116 halte ich Mittwoch abend. Von den Leuten des Intercambio117 habe ich keinen guten Eindruck, zum Glück kommt Dr. Adams118 115
rid. 116
496.
Geschrieben auf dem Briefbogen des Hotel Nacional, Paseo del Prado, MadCarl Schmitt, Der unbekannte Donoso Cortés. In: Hochland 27, 1929, S. 491–
117 Centro de Intercambio Intelectual Germano-Español, Institut für deutsch-spanischen Wissenschaftsaustausch, ein Vorläufer des Deutschen Akademischen Austauschdienstes.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
morgen abend. In Barcelona war es sehr schön und ich muss Ihnen tausend Dinge erzählen.119 Die größten Eindrücke sind: der Blick vom Montserrat, dann ein Stiergefecht (eine Corrida wie die Spanier sagen) und die kastilische Hochebene, in der Madrid liegt. Morgen gehe ich in den Prado, das berühmte Museum. Ein Stiergefecht ist – wenn es mit guten Stieren und guten Stierkämpfern gemacht wird – ein aufregendes, in seiner Art heroisches Schauspiel; Sie hätten wahrscheinlich zuerst Mitleid mit den herrlichen, prachtvollen Stieren, die getötet werden, aber der Mut, den die Torreros zeigen, ist zu groß, als dass man nicht begeistert würde. Oft steht der Toreador eine Viertelstunde vor dem mächtigen, wütenden Tier, entgeht den großen und spitzen Hörnern immer nur im letzten Augenblick und nur um einige Millimeter, es ist wirklich ein Kampf zwischen Mensch und Tier, und das hebt den Vorgang über allen Sport und gibt ihm eine furchtbare Realität. Auf dem Montserrat wird ein Marienbild verehrt; ich habe Ihnen eine Karte davon geschickt und schicke Ihnen hier im Brief ein kleines Medaillon zum Andenken. Ich wollte auch Frau Schmitz eins schicken. Auf Wiedersehn, mein schönes Bübchen, grüßen Sie die Schwester, die Ihnen pauvre mousse120 vorgesungen hat, herzlich von mir, und seien Sie immer fröhlich und niemals bange. Ich küsse Ihre lieben Augen und bin von ganzem Herzen Ihr Carl
118
Alfons Adams (1899–1973), Leiter des Intercambio (deutsch-spanische wissenschaftliche Vermittlungsstelle) in Madrid, hatte Schmitt zu seinem Vortrag in Madrid verpflichtet; zu Adams vgl. Schmittiana VIII, 2003, S. 133–135 sowie seine „Erklärung“ vom 15. 6. 1946 (RWN 260 Nr. 357). 119 In Barcelona hatte Schmitt auf Einladung des Europäischen Kulturbundes seinen Vortrag „Die europäische Kultur im Zwischenstadium der Neutralisierung“ gehalten, den er dann 1932 unter dem Titel „Das Zeitalter der Neutralisierungen und Entpolitisierungen“ der 2. Auflage seines „Begriff des Politischen“ beifügte. 120 Le pauvre mousse, franz. Volkslied.
Briefe 1933 bis 1943
1933-06-11 Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz121
Sonntag abend, 11. 6. 33122 Herzliche Grüße aus Berlin, liebe Duschka. Soeben bin ich aus Hamburg hier angekommen.123 Gleich gehe ich zu Popitz124. In Hamburg war es nicht schön.125 Herr Dr. Stapel126 will Mittwoch abend spät von Bonn zu uns kommen und bei uns übernachten. Ich komme Mittwoch morgen zurück. Das Hotel ist sehr gut; ich habe ein ruhiges Zimmer. Viele Grüße und Püffchen für Sie und Anima127 von Ihrem Carl
121
5–6. 122
Geschrieben auf dem Briefbogen des Hotel Bristol, Berlin, Unter den Linden
Datum nachträglich notiert. Vor der Verwaltungsakademie in Hamburg hielt Schmitt einen Vortrag über das Thema „Ermächtigungsgesetz und nationalsozialistischer Rechtsstaat“; vgl. TB V, S. 292. 124 Johannes Popitz (1884–1945), Finanzwissenschaftler und von 1933 bis 1945 preußischer Finanzminister. Als Mittelpunkt der „Mittwochsgesellschaft“ wurde er nach dem 20. Juli verhaftet und am 2. Februar 1945 hingerichtet. Mit Schmitt und Duschka war er seit 1929 bis zu seiner Hinrichtung eng befreundet. 125 Bezieht sich offenbar auf die zerbrechende Freundschaft mit Georg Eisler. 126 Wilhelm Stapel (1882–1954), Mitherausgeber der Zeitschrift „Deutsches Volkstum“, leitende Position in der Hanseatischen Verlagsanstalt, Hamburg, wo Schmitt jetzt veröffentlichte; vgl. Schmittiana V, 1996, S. 27–108. 127 Anima Schmitt, Tochter von Carl und Duschka Schmitt, geboren am 20.8.1931; Mehring (2012). 123
106
Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Ab dem Sommersemester 1933 war Schmitt an die Universität Köln berufen worden und bezog eine Wohnung in Köln-Lindenthal. Für das Wintersemester erhielt er eine Berufung nach Berlin. Duschka organisierte die Umzüge. 1933-09-09 Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz128
Frau Staatsrat Prof. Dr. Carl Schmitt Köln a. Rh. Lindenthal Pfarriusstr.
Berlin, 9. 9. 33 Liebe Duškica, herzlichen Dank für Ihren Brief. Ich lasse mir also den von Ihnen 3 x angezeichneten Anzug machen; ferner eine Gehrock-Hose. Für die Eröffnung des Staatsrates (Freitag vormittag)129 brauche ich: 1) 2) 3) 4)
Gehrock mit Weste Zylinder Lackschuhe Weiße Handschuhe(für alle Fälle) (kein frisches Hemd).
Schicken Sie es bitte bald, liebe Mucala. Wollen Sie nicht selber kommen? Wenn Sie meinen, dass es finanziell geht, tun Sie es doch bitte. Ich habe schrecklich viel Arbeit. Einen schönen Sonntag wünscht Ihnen und Anima Ihr Carl
128
5–6.
Geschrieben auf dem Briefbogen des Hotel Bristol, Berlin, Unter den Linden
129 Schmitt war in den neuen Preußischen Staatsrat berufen worden, über dessen feierliche Eröffnung es eine offiziöse Darstellung gibt: Ernst-Ewald Kunckel, Der Preußische Staatsrat. Görings Arbeit am Neubau des Reiches. Mit acht Abbildungen, Berlin o. J. [1933].
Briefe 1933 bis 1943
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1933-09-30 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13770
Köln-Lindenthal 30. IX. 33. Lieber Carl, ich hatte auf Ihren Anruf gewartet um wegen der Post Befehl zu erhalten. Heute schicke ich Ihnen 10 Briefe und hoffe dass alle gut ankommen. – Gleich nach Ihrer Abreise hatte der Landrat Kramach130 aus Berlin angerufen. Abends hatte der Geheimrat Eckert131 angerufen und bat mich Ihnen zu bestellen, dass die Sache wegen der er Sie am Morgen aufsuchte viel ernster sei als er es am Vormittag noch dachte. – Abends kam auch ein Telegramm; ich lege es dem Brief bei; ebenfalls den eingeschriebenen Brief. Anima dankt ihrem liebsten Papa für die schöne Karte. Hoffentlich geht es Ihnen wieder ganz gut. Für den Vortrag wünsch[e ich] Glück! Zu Hause ist alles in Ordnung. Anima ist sehr lieb und munter. Frl. Böcke ist noch nicht zurück. Lotte kommt heute abend. Morgen mittag kommt Üssi132 an, Anima freut sich schon. Viele herzliche Grüße von Ihrer Duschka und Tochter Anima.
1937-08-01 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13456; Ansichtstk. „Alte Kirche Stockum, Kreis Arnsberg“
1. August 1937 Liebe Duschka, herzlichen Dank für die Pakete, die Samstag abend gut angekommen sind; auch für die Post. Ich will diese Woche noch viel wandern, was mir gut bekommt. Den Eltern geht es sehr gut, auch Jup133, Üssi und Ännchen. Claire Luischen und Augustchen134 sind lieb und artig; das Haus 130
Nicht ermittelt; möglicherweise Falschschreibung. Christian Eckert (1874–1952), Rektor der Universität Köln. Er war mit Schmitt seit 1926 bekannt und unterstützte 1933 seine Berufung nach Köln; s. TB IV, S. 110; TB V, S. 188 f., 284. 132 Auguste („Üssi“) Schmitt (1891–1992), Schwester von Carl. 133 Josef („Jup“) Schmitt (1892–1978), jüngerer Bruder von Carl Schmitt, Arzt im rechtsrheinischen Köln-Humboldt, An der Pulvermühle 23. 134 Claire-Louise und Auguste waren Töchter von Schmitts Bruder Jup. 131
108
Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
ist angenehm und geräumig.135 Dienstag den 10. Aug.136 will ich zurückfahren; bitte liebe Duschka bestellen Sie für den 10. Aug.137 nachm. Frl. Ruf (B7, 2403). Ich freue mich sehr darauf, wenn wir einmal alle 3 zusammen hier sind. Schicken Sie mir bitte die wichtigere Post einfach (mit der Plettenberger Adresse) gleich nach. Wenn die Sonderdrucke meines Aufsatzes in Emges138 Zeitschrift139 fertig sind, hätte ich gern gleich 10 Stück (ich habe 100 bestellt[)]; Schweinichen140 weiß darüber Bescheid (J2, 2674). Auf Wiedersehn, meine liebe Duschka, ich erzähle Ihnen ausführlich, wenn ich zurück bin. Inzwischen küsse ich Sie und Anima herzlich, grüße das ganze Haus, übermittle die Grüße der Eltern und Geschwister und bleibe immer Ihr Carl
1937-09-03141 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13457; Ansichtskt. „Köln, St. Gereon“
Liebe Duschka! Carl kam eben an, wir freuten uns sehr und senden viele Grüße Jup Über Carls unverhofftes Kommen haben wir uns alle sehr gefreut. Besonders schön ist es für Jüpchen. Carl ist zu hilfreich und gut. Herzlich grüßt vielmals liebe Duschka mit Anima stets Ihre Claire142 mit Kindern. Herzliche Grüße Carl
135
In diesem Jahr ist das neue Haus am Brockhauserweg 10 in Plettenberg von den Eltern und den Schwestern Carls bezogen worden. 136 Schmitt schreibt irrtümlich „9. Aug.“. 137 Gemeint ist wohl der 11. Aug. 138 Carl August Emge (1886–1970), Rechtsphilosoph, war von 1935 bis 1945 Kollege Schmitts an der Berliner Universität. 139 Carl Schmitt, Der Staat als Mechanismus bei Hobbes und Descartes. In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 30, 1937, S. 622–632 (Sondernummer René Descartes); jetzt in: SGN, S. 139–151. 140 Otto von Schweinichen (1911–1938), Jurist und Philosoph, Assistent von C. A. Emge und Schriftleiter des Archivs für Rechts- und Sozialphilosophie. 141 Poststempel. 142 Claire, geb. Hamaekers (1895–1966), Ehefrau von Schmitts Bruder Josef („Jup“).
Briefe 1933 bis 1943
109
1938-04-29 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13458; Ansichtstkt. „Föhrerinnen“
29. 4. 38 Liebe Duschka, in Flensburg143 und in Düppel war es sehr schön; heute abend soll der Kieler Vortrag144 stattfinden; morgen, Samstag, komme ich gegen 12 Uhr nachts nach Hause; in Hamburg treffe ich A. E. Günther145. Hoffentlich geht es Ihnen und dem ganzen Hause gut. Herzlichst Ihr Carl
1943-09-21 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/1; Pkt. Abs.: „Prof. Schmitt, Plettenberg II“ An: „Frau Professor Schmitt, Cloppenburg/Oldenburg, bei Weßling, Bahnhof“146
Liebe Duschka, ich schreibe diese Karte Dienstag morgen um ½ 7 am Bahnhof Hagen, wo ich heute morgen gut angekommen bin; um 7.12 reise ich von hier nach Plettenberg. In Berlin habe ich alles erledigt, was möglich war; 2 kleine Koffer habe ich als Handgepäck, 4 große (1 Z) als Passagiergut mitgebracht; 4 Bücherkisten sind schon zugenagelt; die Wäschekiste besorgt
143 In der Verwaltungsakademie Flensburg hielt Schmitt am 28. 4. einen Vortrag über „Volkgruppenrecht“; s. Mehring (2011), S. 383 mit Anm. 20. 144 Es handelt sich um einen Vortrag über Hobbes’ „Leviathan“, den Schmitt bereits am 21. 1. 1938 in Leipzig gehalten hatte und am 29. 4. in Kiel wiederholte. Daraus entstand die Monographie „Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes“. 145 Albert Erich Günther (1893–1942), Publizist, Mitherausgeber der Zeitschrift „Deutsches Volkstum“. 146 Schmitt schreibt über die Folgen der Ausbombung seines Hauses in der Kaiserswerther Str. 17 in der Nacht vom 23. auf den 24. August 1943. Duschka brachte die Tochter Anima zu der Familie Weßling nach Cloppenburg und kam dann auch nach Plettenberg. Anima besuchte in Cloppenburg die Schule bis 1948. Die Beziehung nach Cloppenburg ergab sich über Schmitts Kölner Schwägerin Claire, die daher stammte, und deren Kinder ebenfalls nach Cloppenburg geschickt worden waren; vgl. Mehring (2012).
110
Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Frau Hahm147. Herr P[opitz] war ganz rührend, Blötz148 und Weber-Schumburg149 haben mich an die Bahn gebracht. Winckelmanns150 Wohnung ist zerstört, er selbst liegt mit Rücken- und Beinquetschungen im Krankenhaus. Bleiben Sie gesund und kommen Sie Ende der Woche nach Plettenberg! Grüßen Sie alle Bekannte und geben Sie Anima ein Küsschen. Stets Ihr Carl 21. 9. 43
1943-09-22 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/2
22. 9. 43 Liebe Duschka! Ich bin jetzt wieder in Plettenberg; die 4 Koffer, die ich als Passagiergut mitgenommen habe, sind auch richtig angekommen. Von Frl. Schamitz soll ich Ihnen sagen, dass Sie doch wegen Jelena eine Entscheidung treffen sollen. Das Arbeitsamt hat sie freigegeben, aber sie möchte wissen, wo sie dran ist; sie hat auch die Möglichkeit, zu Verwandten nach Wien zu gehen, käme aber lieber zu Ihnen. Wegen der Belohnungen für Herrn Haenel (vom Reisebüro, der mir wieder einen Schlafwagen besorgt hat) meinte Frau Hahm, man solle seiner kranken Frau ein halbes Pfund Butter oder eine Ente schenken. Am meisten verdient gemacht hat sich der
147 Haidi Hahm, geb. Blåfield, gebürtige Finnin, wohnte in der Gelfertstr. 13a, war in Berlin als Kulturkorrespondentin für Skandinavien akkreditiert, Übersetzerin, Ehefrau von Prof. Dr. Konrad Hahm, Direktor des Museums für deutsche Volkskunde. Mit dem Ehepaar waren Schmitts befreundet. Haidi Hahm hat sich bei der Ausbombung Schmitts 1943 um die Bergung des Hausrats und der Bibliothek gekümmert und hatte bis zum Wegzug der Familie Schmitt aus Berlin engen Kontakt zu Duschka. Zahlreiche Briefe von ihr an Duschka in: RW 265 Nr. 29942. 148 Ferdinand Blötz (1901–1967), Jurist, Berliner Bekannter. 149 Erland Weber-Schumburg (1913–?), Jurist, Schmitt ermutigte ihn 1944 bei seiner Hamburger Promotion über „Das schwedische Erbrechtsgesetz vom 5. März 1937“ (s. Weber-Schumburg an Schmitt vom 14. 8. 1944; RW 579 Nr. 416). Seit 1942 war er Syndikus einer Aktiengesellschaft in Berlin. Nach Schmitts Ausbombung 1943 hatte er ihm sehr geholfen und insbesondere die Manuskripte und Bücher gerettet; s. Schmittiana NF I, 2011, S. 187 f. 150 Johannes Winckelmann (1900–1985), Jurist und Max Weber-Herausgeber; mit Schmitt seit 1938 bekannt.
Briefe 1933 bis 1943
111
Oberbaurat Hodler151, der alle Arbeit übernommen hat, sodass ich ruhig abreisen konnte. Er wohnt bei Popitz, seine Frau und Kinder sind in Hameln a. d. Weser, wo sie wahrscheinlich Fett genug haben. Das eilt alles nicht. Alles weitere besprechen wir mündlich! Grüßen Sie Anima herzlich und seien Sie selber herzlich gegrüßt von Ihrem Carl
151 Otto Hodler (1901–1990), zu ihm vgl. Martin Tielke, Dunkelmann und Lichtgestalt. Carl Schmitt, Johannes Popitz und der Widerstand. In: Sinn und Form 65, 2013, S. 484–507 (hier S. 488–490).
Der Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46 Carl Schmitt wurde am 26. September 1945 vom amerikanischen Geheimdienst CIC (Counter Intelligence Corps) verhaftet und zunächst in ein Verhör-Lager („Interrogation Center“) in der Königstraße/Ecke Endestraße in Wannsee gebracht, wo er mehrfach verhört wurde. Am 31. Oktober kam er in das „Civilian Detention Camp“ in Lichterfelde-Süd, Wismarer Str. 26–46; es war unter nationalsozialistischer Herrschaft bis zum 21. April 1945 ein KZ-Außenlager gewesen; entsprechend waren die Lebensbedingungen. 1945-10-09 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13771; ms.152
Berlin-Schlachtensee, 9. 10. 1945, Dienstag Lieber Carl, herzlichen Dank für Ihre Karte vom 4. September153. Heute gebe ich ein Paket für Sie ab mit den Sachen, die Sie gewünscht haben. Ich habe ein großes Weißbrot geröstet und lege dazu noch 10 Äpfel. Das Gebetbuch und die Handschuhe sind dabei. Bitte schreiben Sie mir, ob Sie die Wolltasche mit den Sachen, die am 30. September abgegeben wurden, erhalten haben. Es waren die schönen weißen Wollstrümpfe dabei. Am Donnerstag, den 4. Okt. habe ich einen Karton abgeben lassen mit Brot, Wurst und Äpfeln; ein Wollkissen und ein Brief war dabei. Ich bin überzeugt, dass Sie die Sachen erhalten, aber vergessen Sie trotzdem nicht, mir zu schreiben, wann die Pakete ankommen. Ich will versuchen, immer am Montag und Donnerstag für Sie Brief und Päckchen abzugeben. Schreiben Sie mir, ob Sie Wäsche brauchen oder sonst etwas. Kann man die schmutzige Wäsche abholen zum Waschen? Zu Hause ist alles in Ordnung. Ich war mit Anni154 von Donners152
Rückseite von C. Schmitt eng mit stenogr. Notizen beschrieben, datiert 8.– 14. 12. 1945. 153 Wahrscheinlich muss es „Oktober“ heißen. 154 Anni Stand (1915–1997), hatte als Gutssekretärin gearbeitet, kam 1938 als Haushaltshilfe zur Familie Schmitt, war nach dem Tode Duschkas eine wichtige Stütze für den in lebenspraktischen Dingen unbeholfenen Schmitt.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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tag bis Sonntag in Lübbenau; die Reise hat Anni Spaß gemacht. Tante Louise155 hat das Haus verwahrt. Alle lassen herzlich grüßen, auch Hannes156, der oft vorbeikommt. [hs.:] Ich hoffe, dass Sie bald wieder zu Hause sind und freue mich auf den Tag, wo Sie am Stehpult arbeiten und bei Ihren Büchern sind. Herzlichst Ihre Duschka P.S. Ich lege einige Zeitungen bei. Heute will ich zum Herrn Pfarrer gehn.
1945-10-10 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13772; ms.157
Berlin-Schlachtensee, 10. 10. 1945158 Lieber Carl, heute sind es schon zwei Wochen, dass Sie von zu Hause weg sind; ich hoffe, dass Sie bald zurückkommen. Vor acht Tagen hatte ich Gelegenheit, an unsere Tochter Anima zu schreiben und an den alten Vater159. Von meinen serbischen Verwandten aus Jugoslawien habe ich noch keine Nachricht. Ich habe gehört, dass augenblicklich Professor Quincy Wright160 in Berlin ist; schade, dass Sie ihn nicht sehen können. Es war Ihr alter Wunsch. Ich 155
(1874–?) Frau von Onkel Philipp in Lichtenberg. Hans Schneider (1912–2010), Staatsrechtler, hatte bei Schmitt studiert, war 1940 aber von dem Schmitt-Schüler Werner Weber habilitiert worden. 1943 a.o. Professor in Breslau. Von 1939 Kriegseinsatz, der am 15. 1. 1945 mit einer schweren Verwundung endete. Nach seiner Genesung lebte er bei den Eltern in Berlin-Friedenau und musste sich mit Gelegenheitsarbeiten (u. a. als Fremdenführer für amerikanische Soldaten) über Wasser halten. Erst 1951 erhielt er eine Professur in Tübingen, seit 1955 in Heidelberg. In einem Brief vom 5. 11. 1945 an den Director of Intelligence, in dem Schneider sich als „Legal Consultant in the Transport Division“ vorstellt, erhebt er als Schüler und jüngerer Kollege Schmitts Protest gegen die Konfiszierung von dessen Bibliothek (RW 265 Nr. 14018). 157 Auf der Rückseite stenogr. Notizen von C. Schmitt. 158 Darunter von C. Schmitt mit Bleistift notiert: „erh. 16. 10. 45“. 159 Johann Schmitt (1853–1945), Vater von Carl Schmitt. 160 Quincy Wright (1890–1970), amerikanischer Politikwissenschaftler, war als Berater des amerikanischen Hauptanklägers Jackson bei den Nürnberger Prozessen tätig. Wie Schmitt beschäftigte er sich mit dem Problem des Krieges. Vgl. ECS, 156
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
lerne jetzt Englisch; am Dienstag und Freitag habe ich Stunde. Anschließend hat Anni und Marlies161 auch Stunde; wir sind sehr eifrig im Lernen. Morgen, am Donnerstag, will ich für Sie ein Paket abgeben mit geröstetem Brot, einer Dose Wurst und etwas Margarine. Zwei Trauben, zehn Äpfel und 20 Nüsse aus dem Garten lege ich dabei als besonders lieben Gruß für Sonntag. Ich freue mich auf Post von Ihnen. Heute haben Sie sicher geschrieben. Wie ist das mit der Wäsche. Könnten Sie in einen Karton die schmutzige Wäsche einpacken und im Büreau abgeben? Ich will morgen im Büreau anfragen, ob ich am Montag die Wäsche abholen könnte. Bitte legen Sie auch den Beutel vom gerösteten Brot dabei. Ich schicke Ihnen heute eine Nummer vom Tagesspiegel. Der Artikel über Hugo Preuß wird Sie interessieren. Ich weiß, dass Sie Ihren Vorgänger sehr verehrten.162 Herr Pfarrer John163 läßt herzlich grüßen; er wollte Sie besuchen, wenn er die Erlaubnis bekommt. Ich habe am Dienstag um Sprecherlaubnis gefragt und leider keine bekommen. Es ist so schönes Wetter; hoffentlich brauchen Sie nicht zu frieren. Dr. Podach164 erzählt mir, dass er neulich zufällig Ernst Niekisch165 getroffen hat. Ich freue mich, dass er die vielen Jahre im Gefängnis ausgehalten hat; er ist fast blind und geht auf zwei Stöcken. Er hat mit Podach sehr warmherzig über Sie gesprochen und erzählt, dass er manche Flasche guten Wein mit Ihnen getrunken hat. S. 11 f.: „Ich bin heute – trotz Quincy Wright – der einzige Rechtslehrer dieser Erde, der das Problem des gerechten Krieges, einschließlich leider des Bürgerkrieges, in allen seinen Tiefen und Gründen erfaßt und erfahren hat.“ 161 Marlies Rosenhahn, eine Freundin von Anni Stand, wurde Ende Februar 1945 ausgebombt und dann im Haus Schmitts in Schlachtensee aufgenommen (vgl. Brief Duschkas an G. Jünger vom 20. 12. 1945 und an Anima vom 28. 2. 1945; DLA, Zugangsnr. HS.1994 0009). Später arbeitete sie als Sekretärin in der Evangelischen Verlagsanstalt in Ostberlin. Marlies schrieb die Briefe Duschkas in die Maschine. 162 Der Schöpfer der Weimarer Reichsverfassung Hugo Preuß (1860–1925) war Vorgänger Carl Schmitts auf dem juristischen Lehrstuhl an der Berliner Handelshochschule. Schmitt widmete ihm 1930 einen anerkennenden Vortrag, der auch in erweiterter Form als Monographie erschien; Schmittiana III, 1991, S. 131. 163 Alexander John (1903–2003), kath. Priester, von 1936 bis 1971 Pfarrer an der St. Michael-Kapelle und der Kirche „Zu den Zwölf Aposteln“ in Berlin-Schlachtensee. 164 Erich Friedrich Podach (1894–1967), Literaturwissenschaftler und Ethnologe, Nietzsche-Spezialist, emigrierte von 1933 bis 1940 in die Schweiz, kehrte dann nach Deutschland zurück und arbeitete im Verlag Otto Schwartz & Co. Nach dem Krieg wurde er Zehlendorfer Kulturbeauftragter und hatte engen Kontakt zu Schmitt. 165 Ernst Niekisch (1889–1967), nationalrevolutionärer politischer Schriftsteller. In den folgenden Briefen wird deutlich, wie das positive Verhältnis Schmitts in bittere Ablehnung umschlägt, nachdem Niekisch Schmitt öffentlich mit falschen Angaben kritisierte.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Alle lassen herzlich grüßen. Ich hoffe auf ein frohes Wiedersehn und bin herzlichst Ihre [hs.:] Duschka P.S. Am Dienstag den 9. Okt. habe ich ein Paket abgegeben und ein Brief lag darin.
1945-10-17 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13773; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 17. 10. 45 Lieber Carl, heute sind es drei Wochen, dass Sie im Gästehaus bei den Amerikanern sind. Ich mache mir oft Sorgen, wie es mit Ihrem Leiden Ischias und der Verletzung der Wirbelsäule wird bei dieser Kälte. Ich tröste mich, wenn Sie krank würden, dass Sie auch einen Arzt bekommen. Auch hoffe ich, dass Sie bald nach Hause kommen. Gestern ist der erste Brief vom 11. 9. von unserer Tochter Anima angekommen. Ich war sehr glücklich über die guten Nachrichten. Das Kind hat geschrieben: In Plettenberg und Köln geht es allen gut. Wir schreiben uns oft. Von Gottfried Weßling166 habe sie die freudige Nachricht, dass er mit einer Verwundung am rechten Arm in Gmunden im Salzkammergut in einem Lazarett ist. Dem Patenkind167 in Kirchhorst geht es sehr gut; wir sollten es besuchen, wenn wir nach dem Westen reisen. Die Schule hat noch immer nicht begonnen. – Anima ist sehr fleißig. Sie hat ein Märchen illustriert, und das ist in einer Buchhandlung ausgestellt. Sie schreibt sehr vergnügt und will uns trösten. Sie freut sich auf unsere serbische Reise, um den serbischen Großvater zu sehen. Das wird in diesem Jahr sicher nicht sein. Ich habe Gelegenheit, einen Brief für unser Kind nach dem Westen mitzugeben. Am gleichen Tag kam ein Brief von Frau Olms168. Sie hat am 26. Juli eine Tochter bekommen. 166
Sohn der Gasteltern von Anima in Cloppenburg (s. unten, Brief vom 26. 11. 1945). 167 Carl Alexander Jünger (1934–1993), zweiter Sohn von Gretha und Ernst Jünger, Patenkind Carl Schmitts. 168 Margarete Olms, Ehefrau eines Majors, der am 20. 2. 1945 bei Küstrin als vermisst gemeldet wurde (Brief Duschka an Anima vom 21. 2. 1945; DLA, Zugangsnr. HS.1994 0009). Im „Ostpreußenblatt“ vom 5. 4. 1951 findet sich unter der Rubrik
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Es geht ihr mit dem Kind in jeder Beziehung gut. Ihr Mann hat aus russischer Gefangenschaft noch nicht geschrieben. Frau Olms hat sich über unseren Brief sehr gefreut. Sie ist mit Anima in brieflicher Verbindung. Anima schreibt: Liebste Mamica, Du brauchst Dir um mich überhaupt keine Sorgen zu machen. Der Brief war für mich eine große Beruhigung. Ich schicke Ihnen morgen ein Paket. Das gewünschte Nähzeug, ein paar Wollstrümpfe und ein Hemd mit Kragen. Zum Essen schicke ich ein geröstetes Weißbrot, 20 Äpfel, eine Dose Wurst, 125 g Margarine, Zwiebeln und 30 Pellkartoffeln. Von Tante Louise ein kleines Gläschen Gelee. Es tut mir leid, dass ich nicht mehr 2 mal in der Woche Pakete für Sie abgeben darf. Gestern habe ich einen Brief gebracht. Nächste Woche werde ich um Sprecherlaubnis bitten. Haben Sie bitte das Paket vom 11. Okt. erhalten; ein Brief war dabei. Liebster Carl, im Hause lassen alle herzlich grüßen – Tante Louise betet für Sie und lässt ebenfalls herzlich grüßen. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen und bin herzlichst Ihre [hs.:] Duschka P.S. Anbei noch eine Bemerkung für das Büro, betreffend die Nachforschungen über das verlorene Paket vom 30. Sept., es war eine braune handgewebte Wolltasche, die ich mit den Sachen und dem Brief abgegeben habe bei dem Posten. Ich hatte noch einen englischen Dolmetscher dabei. – Es war also kein verschlossenes Paket. Ich hatte so großes Vertrauen auf die Ehrlichkeit der amerikanischen Soldaten und hoffe noch immer, dass sich diese Tasche findet. 1945-10-22 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13774; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 22. Okt. 45 Lieber Carl, Herzlichen Dank für Ihre liebe Karte vom 18. 10., ich habe mich über Ihre Zeilen sehr gefreut. Heute kam ein Brief aus Plettenberg. Ich war so glück„Vermisst“ folgende Notiz: „[…] Das erste Bataillon unter Führung von Major Olms ging voran, und zum Erstaunen des dahinter stehenden 2. Bataillons kehrte kein Mann zurück.“ Schmitt war im Besitz eines Manuskripts von Olms, nach dessen Verbleib sich Margarete Olms 1952 erkundigt; RW 265 Nr. 10625.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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lich über die lieben Worte und die rührende Handschrift Ihres alten Vaters, dass ich Ihnen den Original-Brief beilege. Der liebe, alte Vater hat die Amerikaner mit den Russen verwechselt; aber selbst in dieser Verwechslung liegt vielleicht ein gutes Omen. Ich habe Gelegenheit, nach dem Westen einen Brief zu schicken. Ich wollte noch nicht schreiben, dass Sie seit 3 Wochen nicht zu Hause sind; einmal um dem alten Vater keinen Kummer zu bereiten und zweitens, weil ich hoffe, dass Sie bald nach Hause kommen. In diesen Tagen wird es gerade 1 Jahr, dass Ihr Bruder Jup aus dem Gefängnis in Düsseldorf herauskam.169 Die arme Claire hat damals sehr gelitten; deshalb war ich so froh über die Nachricht, dass es Ihrem Bruder Jup jetzt so besonders gut geht. Für mich ist es tröstlich, dass Sie sich im „Gästehaus“ befinden.170 Doch muss ich oft an das alte serbische Märchen denken, in dem erzählt wird, dass der arme Bruder als Gast beim reichen Bruder hungrig nach Hause geht. Deshalb bin ich dankbar für die großzügige Art, dass man wenigstens einmal in der Woche ein Paket abgeben kann. Wenn ich die Pakete fertig mache, denke ich daran – wie schön waren die Pakete, die ich meinem Freund Johannes im vorigen Jahr in das Gefängnis jede Woche sandte.171 Ich bin traurig, dass ich für Sie die schönen Sachen nicht mehr habe; aber zu Ihrem Namenstag hoffe ich, etwas backen zu können. Gestern hatten wir einen schönen Sonntag gehabt. Wir haben den Ofen geheizt und ich hatte viel Besuch. Eine warme Stube ist heute besondere Sonntagsfreude. Der Maler Asmus172 hat sein erstes Bild, das er hier im Hause gemalt hat, gezeigt. Das Motiv waren Sonnenblumen, sehr schön und erinnert an seinen Lehrer Schmidt-Rottluff173. Am Freitag war ich bei Dr. Friedensburg174; er war leider verreist und seine Frau war entzückend wie immer. Sie hat mich eingeladen zu dem nächsten 169
Jup hatte im Frühjahr 1944 gegenüber einer Patientin gesagt: „Der Krieg ist verloren“, wurde denunziert und im SS-Gefängis in Düsseldorf inhaftiert. Am 26. Oktober 1944 wurde er auf Grund von Bemühungen Carl Schmitts mit der Auflage, als praktischer Arzt in Köln stets erreichbar zu sein, vorläufig freigelassen. Ein Strafverfahren ist nicht erfolgt. (Frdl. Auskunft von Klaus Kröger). 170 In einem Brief an Werner Weber vom 18. 11. 1945 schreibt Duschka, dass ihr Mann es in dem „Interrogation Center“ in Wannsee „besonders gut“ hatte, während das Camp Lichterfelde ein „Massenlager mit brutaler Behandlung“ sei. Zit. nach: Antworten, S. 11. 171 Johannes Popitz, der auch zu Duschka ein sehr freundschaftliches Verhältnis hatte, saß bis zu seiner Hinrichtung über ein halbes Jahr im Gefängnis. 172 Vermutlich Hermann Asmus (1887–1968), Theatermaler, vor allem für den Film tätig. Duschka schreibt immer „Asmuss“. 173 Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976), expressionistischer Maler. 174 Ferdinand Friedensburg (1886–1972), liberaler Politiker (DDP), 1933 entlassen, 1945 Mitgründer der CDU, 1946 stellvertretender Oberbürgermeister von Groß-
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Sonntagskonzert am 28. 10. Es haben sich angesagt mehrere hohe Offiziere von der russischen Regierung, und Dr. Friedensburg braucht mich als Dolmetscherin für die bessere Verständigung. Ich habe versprochen zu kommen; es mutet mich immer sehr heimatlich an, wenn ich mich mit den Russen unterhalten kann. Dr. Friedensburg hat von seinem Sohn175 aus Freiburg Nachricht. Er hat sich als Rechtanwalt niedergelassen und plaidiert in der französischen Sprache vor den alliierten Gerichten und hat mit Erfolg viele Leute freigesprochen. Das wird Sie doch freuen, von Ihrem Doktoranden zu hören! Am Sonnabend hatte ich Besuch von Prof. Kohlrausch176. Er war sehr enttäuscht, dass er Sie zu Hause nicht angetroffen hat. Er ist jetzt Dekan in der Fakultät und fragte, ob er nicht etwas für Sie tun kann. Ich wusste nichts zu sagen als dass Sie sich freuen würden über einige Zeilen von ihm. – Ich fürchte mein Brief wird zu lang und deshalb will ich schließen. Im Hause lassen alle herzlich grüßen. Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen und bin herzlichst Ihre [hs.:] Duschka P.S. Am Freitag, den 19. Oktober hat Anni ein Paket mit Brief für Sie abgegeben. Ich hoffe, Sie haben es bis Sonntag bekommen. Ich schicke heute einen Umschlag mit Zeitungen.
Berlin, ab 1952 MdB. Friedensburg war Schmitt dankbar, weil er 1944 seinen Sohn (1917–2009) promovierte, obwohl es politisch inopportun war (s. folgende Anm.). Friedensburg stellte Schmitt 1946 auch ein Entlastungszeugnis aus (RWN 260 Nr. 357). Schmitt hatte zu Friedensburg allerdings, wie aus seinem Tagebuch von 1945 (RW 265 Nr. 19586) hervorgeht, ein kritisches Verhältnis. 175 Ferdinand Friedensburg (1917–2009), Jurist, Diplomat, in der NS-Zeit aus dem Justizdienst ausgestoßen, war 1944 der letzte Doktorand Schmitts. Seine Dissertation „Der Kriegsschauplatz insbesondere als Ausdruck rechtlicher Raumauffassung“ hätte als „defätistisch“ verstanden werden können, weshalb Schmitt sie vorsichtshalber nicht zur Veröffentlichung empfahl; s. Tilitzki, wo (S. 107 f.) auch das Gutachten Schmitts abgedruckt ist. 176 Eduard Kohlrausch (1874–1948), Strafrechtler, Prof. an der Berliner Universität; wurde bei Neueröffnung der Berliner Universität 1946 zum Dekan der juristischen Fakultät ernannt.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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1945-10-24 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13775; ms.177
Berlin-Schlachtensee, den 24. Okt. 1945 Lieber Carl, heute vormittag war ich in Dahlem. Es war ein wunderschöner Herbsttag. Ich bin an unserer zerstörten Wohnung vorbei gegangen und habe die ausgebrannte Stätte liebevoll begrüsst.178 Mir war so fröhlich zumute, dass ich durch den Park singend ging und dachte an die schönen Verse von Bojić in dem Gedicht bez Uzvika; besonders an die letzte Strophe.179 Mit Haidi [Hahm] war ich in einer Ausstellung der modernen Kunst; es war sehr mäßig. Dabei hatte ich Sehnsucht, die kostbaren Blätter von Gilles180, Nolde181 und Nay182 in dem Atelier zu sehen wie in den verflossenen Jahren. Wir haben schön zu Mittag gegessen und haben Sie dabei vermisst. Gegen 5 Uhr war ich zu Hause und habe noch fleißig englisch gelernt. Wenn Sie nicht bald nach Hause kommen, werde ich Ihnen auch noch englisch schreiben können. Heute hörte ich, dass man jetzt nach allen Zonen in Deutschland schreiben kann. Der Gedanke ist so schön, dass ich es kaum glauben kann. Unser armes Kind wird darüber glücklich sein. Dadurch wird die Trennung leichter zu ertragen sein. Solange Sie nicht zu Hause sind, bleibe ich in Berlin; erst nach Ihrer Rückkehr reise ich nach dem Westen, um den lieben alten Vater und unser Kind zu besuchen. Bitte heben Sie den Brief von dem alten Vater gut auf. Er ist für mich eine seltene Kostbarkeit. Ich hoffe, dass er Ihnen viel Freude bereitet hat. – Morgen, am Donnerstag, gebe ich ein Paket mit Brief für Sie ab. Könnte ich mir die leeren Kartons abholen? Es ist so schwer, welche zu bekommen. 177 Unter dem Datum stenogr. Vermerk Schmitts mit Datum 29. 10., offenbar Empfangsvermerk. 178 Foto des ausgebrannten Hauses bei Giesler (2014), S. 16. 179 Abgedruckt in: SGN, S. 488. 180 Werner Gilles (1894–1961), spätexpressionistischer Maler, befreundet mit Carl und Duschka Schmitt, in deren Haus in der Kaiserswerther Str. 17 in Berlin er 1941 auch wohnte, und die Bilder von ihm besaßen. 181 Emil Nolde (1867–1956), expressionistischer Maler. Emil und Ada Nolde waren mit dem Ehepaar Schmitt befreundet. 182 Ernst Wilhelm Nay (1902–1968), Maler und Graphiker. Im Nachlass Schmitts gibt es neun Brief von Nay an Carl und Duschka Schmitt aus der Zeit 1936 bis 1948.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Im Hause lassen alle herzlichst grüßen und wünschen, dass Sie bald nach Hause kommen. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka
1945-11-15 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13776; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 15. Nov. 1945 Mein liebster Carl, heute kam ein Brief aus Plettenberg mit der traurigen Nachricht, dass unser lieber Vater am 6. Nov. um ½ 2 Uhr morgens gestorben ist. Die Beerdigung hat am Sonnabend, den 10. Nov. stattgefunden. Üssi schreibt, er ist ohne Todeskampf friedlich in die Ewigkeit eingegangen. – Es tut mir so leid, dass wir ihn vor seinem Tode nicht mehr sehen konnten. Um so dankbarer bin ich, dass wir durch unsere Ausbombung vier Monate bei dem lieben Vater verleben konnten. Ich habe aus der Zeit sehr liebe Erinnerungen. Nach Ihrer Freilassung wollen wir die Gräber besuchen. Ihre beiden Schwesterm, Üssi und Ännchen, schreiben, wir sollten bald kommen. Am Sonntag, den 4. Nov., waren Jup und Claire bei dem alten Vater. Am 2. Nov. hat der liebe Vater noch eigenhändig zu Ihrem Namenstag gratuliert. Die Schrift war sehr zitterig und die Worte undeutlich, deshalb habe ich den lieben Brief behalten, und Sie können ihn lesen, wenn Sie wieder frei sind. Mein liebster Carl, ich wollte Ihnen noch sagen, dass ich gerne mit Ihnen nach Plettenberg gehen würde, um unseren Lebensabend dort zu beginnen; vielleicht schon im Frühjahr. Wir könnten die erste Etage für uns schön einrichten. Vielleicht wären Ihre Heimat und die lieben Gräber die besten Helfer, um die schrecklichen Erlebnisse des letzten Krieges zu überwinden. Die Sehnsucht nach dem Westen wird immer größer. – Ich habe für Sonntag die Sprecherlaubnis bekommen und komme zwischen 2 und 4 Uhr. Morgen geben wir das Paket ab, ein Verzeichnis der geschickten Sachen liegt bei. Gott beschütze Sie, mein liebster Carl. Herzlichst [hs.:] Ihre Duschka Anni und Marlies lassen herzlich grüßen!
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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1945-11-26 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13777; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 26. Nov. 1945 Liebster Carl, Heute habe ich in einem Thermos-Topf schöne Suppe für Sie abgegeben, morgen wollte ich den Topf wieder abholen. Hoffentlich klappt das! Wir möchten Ihnen gerne manchmal auch warmes Essen bringen. Morgen und Donnerstag bekommen Sie wieder ein Paket, Inhaltsverzeichnis liegt immer bei. – Heute kam ein sehr schöner Brief von Anima; ich bin so glücklich, dass es unserm Kind so gut geht! Frau Weßling hat ihren 60. Geburtstag gefeiert. Die ganze Familie ist so glücklich, dass der Sohn Gottfried wieder zu Hause ist. Er hat eine schwere Verwundung am rechten Arm. – In der Schule gefällt es Anima jetzt besonders gut. Ein Herr aus Oldenburg und ein englischer Offizier haben die Schule besichtigt. Anima musste eine englische Geschichte erzählen. Dann hat sich der Herr sehr ausführlich nach Ihnen erkundigt. Das hat Anima gefreut. – Im Westen wird man sich sehr wundern, dass Sie verhaftet sind. Ich hoffe, dass Sie bald freigelassen werden, und dass wir zusammen Weihnachten feiern werden. – Bis jetzt habe ich noch keinen Brief bekommen, seitdem Sie in diesem Lager sind. Machen Sie sich um uns keine Sorgen, wir sind noch gesund und halten tapfer alles aus. Am Abend sitzen wir um den Ofen und üben die Weihnachtslieder, lernen Englisch und schreiben Briefe. Wir sind in Gedanken immer bei Ihnen und alle lassen herzlich grüßen. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1945-11-28 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 19619; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 28. 11. 45 Liebster Carl, heute war ich mit Anni in Dahlem in unserer alten Gegend. Wir haben bei Haidi zu Mittag gegessen; es war besonders hübsch. Herrn Geheimrat183 habe ich auch gesehen. Er erzählte, dass er neulich unsere Bibliothek gesehen hat. Sie ist gut untergebracht und wird jetzt katalogisiert. Der Oberst sagte zu ihm, das sei Eigentum von Prof. Schmitt und er bekäme die Bibliothek wieder. Sie könnten auch in der Bibliothek arbeiten, wenn Sie freigelassen werden. Nachmittags kam auch die Auguste184. Sie lässt Sie herzlich grüßen und hat große Sehnsucht, Sie wiederzusehen. Morgen bringe ich Ihnen ein Paket und möchte gern die leeren Kartons immer wieder zurückhaben; Sie können sie doch sicher im Office abgeben. Morgen früh kommt Dr. Adams185. Ob Sie wohl seinen Brief erhalten haben, den er damals nach Wannsee schrieb? – Gerade eben kommt Ihre Karte vom 12. Nov. an. Hoffentlich brauchen Sie nicht zu sehr frieren und können bald entlassen werden nach Hause. Herzliche Grüße von allen und die herzlichsten von Ihrer [hs.:] Duschka
183
Karl von Lewinski (1873–1951), Jurist und Diplomat, seit August 1945 komissarischer Leiter des „Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht“ in Berlin-Dahlem. Durch langjährige diplomatische Tätigkeit in den USA hatte er gute Kontakte zur Beatzungsmacht. Er intervenierte im September und Dezember 1945 bei Karl Löwenstein wegen Schmitts Bibliothek, die am 16. 10. 1945 beschlagnahmt worden war, und stellte Schmitt auch ein Entlastungszeugnis aus; vgl. Schmittiana NF I, 2011, S. 310 f.; Angriffskrieg, S. 129, Anm. 18. 184 Code zur Bestätigung eines an der Zensur vorbei gesandten (nicht erhaltenen) Briefes von Schmitt. 185 Alfons Adams.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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1945-12-04 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13778; ms.186
Berlin-Schlachtensee, den 4. 12. 1945 Liebster Carl, Wir sitzen mit Tante Louise gemütlich um den Ofen und denken herzlich an Sie. Die Tante stopft Ihre Strümpfe, Anni stickt, und Marlies spielt Klavier. – Gestern kam ein wunderschöner Brief an von Ihrem Bruder Jup. Er hat so schön geschrieben über den Tod des lieben alten Vaters. Er lässt Ihnen sagen, er würde uns immer beistehen, Sie möchten sich keine Sorgen machen. Üssi und Ännchen haben auch sehr lieb an Sie gedacht. – Vor einigen Tagen habe ich die Antwort auf meine Eingabe bekommen. Wir werden sie abschreiben und Ihnen zuschicken. Sie ist persönlich vom Chef des Stabes unterschrieben. Gestern hat sie Herr Dr. Sarre187 mitgenommen, am Sonntag bekomme ich sie wieder. – Am Sonntag kommt Haidi und noch einige Bekannte zum Adventstee. Heute habe ich Ihnen ein Paket gebracht, es war nicht voll. Darin waren: 1 geröstetes Brot, 10 Äpfel, 20 Kartoffeln, 3 Mohrrüben, viele Zeitungen, und das Buch das „Geistliche Jahr“ von Annette von Droste-Hülshoff.188 Ich habe in jedes Paket 10 Äpfel gelegt und hoffe, dass Sie es auch bekommen haben.189 – Uns geht es recht gut und wir halten uns tapfer. In der englischen Sprache machen wir gute Fortschritte.
186 Auf der Rückseite auf den 11. 12. 1945 datierte stenogr. Notizen von C. Schmitt, wovon zu lesen: „atheism or catholicity“. 187 Friedrich-Carl Sarre (1901–1968), mit der Vertretung Schmitts bei der amerikanischen Besatzungsmacht beauftragter Rechtsanwalt, hatte in der NS-Zeit Beziehungen zum Widerstand. 188 Der Gedichtzyklus „Das geistliche Jahr“ von Annette von Droste-Hülshoff (1797–1848) war für Schmitt ein zentrales Werk. Möglicherweise schickte Duschka: Annette von Droste-Hülshoff, Gedichte, Leipzig o. J. (RW 265 Nr. 26709). Das Buch trägt die Widmung: „Duschka Schmitt von ihrem Aennchen, Berlin, Osterferien 1932“ und ist mit zahlreichen Anmerkungen Carl Schmitts versehen. Vielleicht schickte Duschka aber auch das Exemplar von Pfarrer John (s. unten, S. 167). 189 Am 7. 12. 1945 musste Carl Schmitt eine Erklärung für Duschka unterschreiben, wonach im Lager „die Verpflegung absolut ausreichend“ sei (RW 265 Nr. 21781/38). Das hielt Duschka nicht davon ab, weiterhin Esspakete zu schicken.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Ich hoffe, dass Sie vor Weihnachten noch freigelassen werden; wenn es aber nicht sein sollte, lieber Carl, wollen wir es hinnehmen und auch dazu sagen: tout ce qui arrive est adorable.190 Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Tante Louise, Anni und Marlies lassen herzlich grüßen.
1945-12-09 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13779; ms.191
Berlin-Schlachtensee, den 2. Advent 1945 Liebster Carl, heute erhielt ich Ihren schönen langen Brief vom 28. Nov. Ich habe mich sehr gefreut über die guten Nachrichten von Ihnen. Hoffentlich haben Sie es auch etwas warm, damit Sie nicht [zu] frieren brauchen. – Machen Sie sich um uns keine Sorgen, ich habe Geld genug noch für ½ Jahr. So lange möchte ich gern noch in Berlin bleiben. Nach Cloppenburg oder Plettenberg möchte ich z. Zt. nicht. Im Frühjahr wird man besser reisen können. Bis dahin werden Sie sicher auch freigelassen, dann reisen wir zusammen zu dem Grab des lieben Vaters. Die Wohnung ist vorläufig noch angenehm; ich werde einige Zimmer vermieten. Diese praktischen Fragen berate ich alle mit Haidi; sie ist immer rührend besorgt und hilfsbereit. Wir sehen uns jeden Mittwoch. Morgen habe ich einen Adventstee. Es kommen Haidi, Dr. Wiens192 und noch einige Bekannte. Frau Asmus wird uns die Bilder von Schmidt-Rottluff zeigen. Vielleicht kommt auch Paul Dierkes193; seine Skulpturen haben bei der letzten Ausstellung eine bessere Kritik gehabt als sonst. Anni freut sich sehr auf diesen Tee; Sie können es raten, warum! (Annis schöner Dr.).
190 „Alles was geschieht, ist anbetungswürdig.“ Der Satz von Léon Bloy war eines der Lieblingszitate Schmitts; vgl. z. B. Glossarium, S. 7 und 407. 191 Am Rand stenogr. Notizen von C. Schmitt. 192 Dr. Helmut Wiens in der Fasanenstraße 71 war nach dem Weggang Siebecks von Berlin 1941 behandelnder Arzt Schmitts. RW 265 Nr. 21454, vermutlich auch von Duschka; s. unten, Brief Duschkas vom 31. 7. 1946. 193 Paul Dierkes (1907–1968), Bildhauer und Graphiker, stellte schon 1945 in der Berliner Galerie Rosen aus.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Herr Grewe hat uns aus unserem Wachs schöne Kerzen gegossen, 30 Stck. und Anni hat einen wunderschönen Adventskranz geflochten und so ist unsere große Stube festlich geschmückt. Der Ofen heizt jetzt sehr gut und wir haben es jeden Abend schön warm. Wir freuen uns alle auf morgen, weil es zu Weihnachten still bei uns sein wird. Am 1. Weihnachtstag wird Tante Louise bei uns sein. Am 2. Feiertag sind wir bei Frau Hahm eingeladen. – Ich habe für Sie ein schönes Weihnachtsgeschenk bestellt bei dem Graphiker Leistikow194; ich bin selbst sehr gespannt! Heute kam ein besonders schöner und lieber Brief von Gretha195 aus Kirchhorst, ich habe mich sehr gefreut! Unserm lieben Patenkind geht es gut. Wegen Anima machen Sie sich keine Sorgen, lieber Carl, unserm Kind geht es sehr gut. Tante Üssi sorgt rührend für Anima, und Tante Ännchen wird auch gerne helfen. Jup und Claire sind auch da und stehen uns zur Seite. Ihrem Bruder Jup geht es sehr gut, weil er Opfer des Faschismus196 ist, und als Arzt hat er in Köln sehr viel zu tun. – Heute kam auch ein Brief von Frau Gremmels197; ihr Mann ist in englischer Gefangenschaft; es geht ihm gut. – Am Mittwoch bringe ich das Paket mit Wäsche. Die leeren Kartons habe ich alle bekommen, vielen Dank! Jetzt bringe ich nur jeden Mittwoch das Paket und schreibe zweimal in der Woche Briefe. – Wir sind gesund und halten uns tapfer. Anni und Marlies lassen herzlich grüßen. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka
194 Hans Leistikow (1892–1962), Gebrauchsgraphiker, Sohn des Malers Walter Leistikow; zu dem Weihnachtsgeschenk vgl. folgenden Brief. 195 Gretha Jünger (1906–1960), Ehefrau von Ernst Jünger. 196 Auf Veranlassung der Besatzungsmächte wurden nach dem Krieg Ausschüsse für die Opfer des Faschismus gegründet, die im Dritten Reich Verfolgten Unterstützung durch Geld- und Sachleistungen gewährten. Schmitts Bruder Jup, der einige Monate im SS-Gefängnis in Düsseldorf inhaftiert war (s. oben, Brief vom 22. 10. 1945), hat eine Anerkennung als „Opfer des Faschismus“ stets abgelehnt. Auch eine Entschädigung für den Wiederaufbau seines kriegszerstörten Kölner Hauses in der Lahnstr. 5 hat er abgelehnt. (Frdl. Auskunft von Klaus Kröger). 197 Ehefrau von Karl Heinrich Gremmels (1913–1977), Jurist, 1940 von Schmitt promoviert, war von 1945 bis 1947 in englischer Gefangenschaft, wurde 1949 Stadtdirektor in Königslutter; vgl. seinen Briefwechsel mit Schmitt in: Schmittiana VII, 2001, S. 51–109.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1945-12-19 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13780; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 19. Dez. 1945198 Liebster Carl, Ihren schönen, langen Brief vom 9. Dez. habe ich erhalten und mich sehr gefreut über den lieben Brief und die guten Nachrichten. Heute habe ich das Weihnachtspaket abgegeben; es ist sehr bescheiden. Die Trostaria von dem Dichter Günther199 ist dabei, geschrieben von dem Graphiker Leistikow. Ich bin sehr gespannt, wie es Ihnen gefällt. Für mich ist es die größte Weihnachtsfreude, dass ich Sie am Freitag gesehen und gesprochen habe. In einigen Tagen ist das Weihnachtsfest, wir wollen nicht traurig sein. Bei brennenden Kerzen wollen wir gedenken unserer Lieben und Freunde, die gestorben, gefallen und hingerichtet sind. Das Leid, das wir getragen haben, wird unser Schatz werden. Ich hoffe, dass unsere kleine Familie die nächsten Weihnachten glücklich zusammen feiern wird und den Schmerz der Trennung tapfer ertragen wird. Wir wollen auch gedenken der Freunde und Lieben, die in vielen fremden Ländern mit uns fühlen und viel Leid getragen haben in den letzten Jahren. Es sind auch viele, die ich Weihnachten trösten muss, vor allem die alten Eltern von Hannes200. – Ich hatte in dieser Woche viel Besuch. Am Sonntag kam Hans Jünger201 und brachte Grüße aus Kirchhorst. Dem Patenkind und den Eltern geht’s gut. Er wohnte bei Ernst Niekisch, und ich habe Grüße bestellen lassen. Zwei Abende waren stud. jur. Altmann202 und Dr. Podach hier. Sie lassen alle grüßen und freuen sich, wenn Sie wieder zu Hause sein werden. – Mit Hannes habe ich gestern ½ Stunde gesprochen, er lässt herzlich grüßen. – Unser Ofen brennt gut, und wir sitzen jeden Abend in der warmen Ecke. Ich habe die Erlaubnis, im Garten 3 trockene Bäume zu fällen und habe 2 Män198
Unter dem Datum von C. Schmitt notiert: „erhalten 2. 1. 46“. Johann Christian Günther (1695–1723), Lyriker, sein Gedicht „Trostaria“ gehörte zu den Lieblingsgedichten Schmitts. 200 Der Sohn Hans Schneider saß im Gefängnis; s. unten, Brief Duschkas vom 6. 3. 1946. 201 Hans Otto Jünger (1905–1976), Physiker, Bruder von Ernst Jünger. 202 Rüdiger Altmann (1922–2000), politischer Publizist, wurde 1943 als Soldat so schwer verwundet, dass er dienstuntauglich war und bei Schmitt studieren konnte; s. van Laak, S. 262–265. 199
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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ner, die uns das Holz sägen. Wir brauchen nicht zu frieren, machen Sie sich keine Sorgen um uns! – Haben Sie die warmen Pantoffeln bekommen aus Lammfell? Es ist mir ein großer Trost, dass Ihre Verpflegung jetzt so gut ist und dass Sie nicht [zu] frieren brauchen. Trotzdem tut es mir leid, dass ich Ihnen jetzt nur einmal im Monat ein Paket schicken darf. – In Plettenberg ist alles in Ordnung. Ich bekomme von Ihren beiden Schwestern oft Post. Sie sorgen alle rührend für unser Kind. – Anni und Marlies werden schöne Weihnachtslieder singen und lassen herzlich grüßen. Ein gesegnetes Weihnachtsfest und die herzlichsten Grüße von Ihrer [hs.:] Duschka
1945-12-28 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13781; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 28. Dez. 1945 Liebster Carl, draußen ist ein heftiger Sturm, ich sitze am wärmenden Ofen und möchte gern mit Ihnen erzählen. Heute war ich mit Anni in der Stadt. Wir haben uns eine Ausstellung in der Schlüterstrasse angesehen. Dabei war ein wunderbarer Leistikow „Der Leviathan“. Er hat eine Reihe Zeichnungen gemacht, die unter dem Einfluss der Gespräche mit Ihnen und der Schrift „Land und Meer“203 entstanden sind. Sie hätten große Freude daran. Dann waren wir in der Galerie Rosen204. Eine Gedenkausstellung von Macke205; es waren wunderbare Sachen, ich hätte sie gerne mit Ihnen zusammen gesehen. Was für herrliche Werke hat die deutsche Malerei geschaffen! Leider ist von unserem Freund Gilles noch keine Nachricht.206 – 203
1942. 204
Carl Schmitt, Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung, Leipzig
Die Galerie Rosen wurde im August 1945 am Kurfürstendamm 215 eröffnet und stellte die während der NS-Zeit unterdrückte Avantgarde aus. 205 August Macke (1887–1914), expressionistischer Maler. 206 Werner Gilles, der vor der Zerstörung des Hauses in der Kaiserswerther Str. 17 ein häufiger Gast bei Schmitts war und zeitweise auch bei ihnen wohnte, lebte von 1945 bis 1948 in Vöcklabruck. Im Nachlass Schmitts gibt es von ihm aus der Zeit von 1933 bis 1945 30 Briefe und 10 Postkarten an Duschka.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Als wir aus der Stadt nach Hause kamen, fanden wir viel Post, Briefe und Päckchen. Von unserer Tochter Anima war ein langer, schöner Brief vom 13. Dezember. Das Kind schreibt: „Es tut mir sehr leid, dass unser lieber Papa verhaftet worden ist. Ich bete viel für ihn und hoffe zuversichtlich, dass der liebe Gott alles zum Guten wenden wird.“ Anima war sehr fleißig. Für das Nikolausfest hat sie große Illustrationen gemalt. Ein englischer Offizier hat bei ihr ein Märchenbuch bestellt nach dem ausgestellten Modell. Er brachte ihr dafür 2 Pfund Kaffee und viel Schokolade als Geschenk. Die Hälfte von dem Kaffee schenkte sie Frau Weßling, und die andere hat sie für ihren liebsten Papa aufgehoben. Was für ein tüchtiges Kind! Diese Neigung zur Malerei hat etwas Rührendes. Ich habe oft große Sehnsucht, das Kind zu sehen. Es ist bald ein Jahr, dass wir uns zuletzt gesehen haben. Aber es ist für mich viel schöner, wenn wir im Frühjahr das Kind und unsere lieben Verwandten gemeinsam besuchen können. – Es ist mir ein großer Trost, dass unser Kind in so guten Verhältnissen lebt und von der hiesigen Not nichts merkt. – Am Heiligabend nachmittags ging ich zu Leistikows um meine Gegengabe (sie bestand aus serbischen Textilien) für die Trostaria zu bringen. Er hielt mich fest und ich habe mit ihm und seiner Frau eine festliche Stunde verlebt. Es gab herrlichen Kaffee und Kuchen! Er zeigte mir eine zauberhafte Zeichnung von Walfischen und Schiffen. Er freut sich, Ihnen diese Kunstwerke bald zu zeigen. – Wir haben zu Hause Heiligabend festlich und andächtig verlebt. Den 126. Psalm haben wir gelesen und die Geburt Christi bei Lukas. Dazu noch „Gethsemane“ von Annette von Droste-H[ülshoff]. Die Kreuzigung Christi hat uns sehr beschäftigt; über diese Zusammenhänge habe ich viel nachgedacht. Unser Fest war still und besonders weihnachtlich. Am 1. Weihnachtstag saßen wir in der warmen Stube und haben uns herrliche Aquarelle von Schmidt-Rottluff angesehen. Wir haben den Tag sehr genossen! Am 2. Tag waren wir bei Haidi. Es waren Gäste wie im vorigen Jahr, doch fehlten die Männer. Dr. Höhne207 hat wunderbar Geige gespielt; besonders schön war Gluck208. Wir haben alle herzlich an Sie gedacht. – Ich hoffe, dass Sie das Weihnachtpaket und meinen Brief noch vor dem Fest bekommen haben. Ich sandte Ihnen im Paket das kleine serbische Pfännchen, damit Sie sich als Arznei Kaffee machen konnten. (Gemahlener Kaffee war dabei.) Am Sonnabend, den 22. Dez. gab ich noch ein kleines Paket mit 2 Hemden, 4 Kragen, 3 Handtüchern und Taschentüchern ab. –
207 208
Nicht ermittelt. Willibald Gluck (1714–1787), einer der bevorzugten Komponisten Schmitts.
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Gute Nacht, mein liebster Carl, Gott beschütze Sie, und das Neue Jahr möchte Ihnen die Freiheit wiedergeben! Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Anni und Marlies lassen herzlich grüßen; Silvester kommt Tante Louise.
1946-01-03 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13782; ms.209
Berlin-Schlachtensee, den 3. Jan. 1946 Liebster Carl, über Ihren lieben Brief vom 21. Dez. habe ich mich sehr gefreut, er kam zu Neujahr. Ihre Grüße und Wünsche habe ich alle weitergegeben. Silvester kam Tante Louise und verlebte Neujahr bei uns; es war sehr gemütlich! Sie hat Ihre Socken so schön angestrickt,die bekommen Sie im Paket, das ich am 16. für Sie abgeben werde. Ihre Schwestern Üssi und Ännchen haben für Sie schöne Plätzchen geschickt; das kommt alles in das nächste Paket. Die Briefe, die für Sie ankommen, lasse ich abschreiben und schicke Ihnen die Abschrift. Die Originale behalte ich, das werde ich jetzt laufend machen. Bis jetzt schickte ich an Sie die Abschrift des Briefes von Anima, von Üssi210 und von Dr. Maiwald211, jedes für sich. – Ich bekam einen besonders freundlichen und rührenden Brief von dem Vorstand der Hanseaten212, die Sie sehr herzlich grüßen lassen. – Vor einigen Tagen war Frl. Mache hier. Sie erzählte, dass Prof. Peters213 aus der engl. Gefangenschaft zurückgekommen sei. Er war in Berlin und wird an 209
Auf der Rückseite stenogr. Notizen von C. Schmitt, mit chronologischer Zeitleiste von 1910 bis 1943 und einigen klarschriftlichen Namen, wovon zu lesen: „1929 … G[iorgio] del Ve[cchio], Mosca … Barcelona … D[onoso] C[ortés] … 1935 Holland (Utrecht, Leiden …) … Slatina …“. 210 Auguste Schmitt an Carl vom 17. 12. 1945; RW 265 Nr. 12741. 211 Maiwald an Schmitt vom 8. 12. 1945; RW 265 Nr. 8975. Serge Maiwald (1916–1952), Jurist, 1943 von Schmitt promoviert und habilitiert (s. Tilitzki, S. 104 f.), gründete 1946 die Zeitschrift „Universitas“, in der er seinem Lehrer ein Forum bot. Vgl. Schmitts Nachruf auf ihn in: Zeitschrift für Geopolitik 7, 1952, S. 447–448; Wiederabdr. in: FoP, S. 872–876; vgl. auch Glossarium, S. 271. Zu dem besonderen Verhältnis Schmitts zu Maiwald vgl. G. Maschke in: FoP, S. 874–876. 212 Hanseatische Verlagsanstalt, wo Schmitt seit 1933 publizierte. 213 Hans Peters (1896–1966), Staatsrechtler und Politiker, wurde 1928 Professor in Breslau, 1946 an der Berliner Universität und war einer der treibenden Kräfte
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
der hiesigen Universität Vorlesungen halten, sobald sie eröffnet wird. Herr Pfarrer John brachte vor Weihnachten einen Brief214 für Sie; wir haben ihn abgeschickt. – Gestern war ich in Dahlem und wollte Pfarrer Gebhardt215 besuchen, aber er war nicht zu Hause. Jeden Mittwoch bin ich mit Anni bei Haidi in Dahlem, es ist immer gemütlich und nett bei ihr. Sie lässt sehr herzlich grüßen und alles Gute wünschen. – Am 30. Dez. habe ich mit den alten Eltern Hannes besucht; er lässt herzlich grüßen. Am Nachmittag war das Hauskonzert bei Dr. Friedensburg, der Präsident216 lässt herzlich grüßen. Die Musik war sehr schön, die Gedichte weniger. – Ich war heute im Lager und habe um Ihre Wäsche gebeten. Am Sonnabend sollte ich die Wäsche abholen. Ich freue mich sehr darauf und werde Ihnen alles in Ordnung bringen für das nächste Paket. Ich möchte gern alle 14 Tage die Wäsche abholen und hoffe, dass es erlaubt wird. – Heute habe ich einen Zentner Kohlen bekommen wegen meiner Lungenoperation217, nächste Woche bekomme ich Holz. Wir sitzen jeden Abend um den warmen Ofen und schreiben und lesen. Wir haben immer viele Briefe zu schreiben. Heute kam ein Brief von Paul Dierkes. Er hat uns eingeladen, ihn in seinem Atelier zu besuchen. – Ich freue mich, dass unser Kind in so glücklichen Verhältnissen lebt und keine Not leidet. Machen Sie sich keine Sorgen um uns! Wir ertragen alles mit Humor und es geht uns gut. – Am nächsten Donnerstag beginnen wir wieder mit den engl. Stunden, es macht uns viel Freude. Morgen habe ich bei Frau Friedensburg218 russisch, sie hat schon gute Fortschritte gemacht. – Wir denken viel an Sie und hoffen, dass Ihre Freilassung bald stattfindet.
gegen eine Rückkehr Schmitts an die Universität (Gutachten v. 17. 6. 1946, Humboldt-Universität zu Berlin, Universitätsarchiv, Juristische Fakultät, Nr. 524, Bl. 5–6) und die Aufnahme Schmitts in die Staatsrechtslehrervereinigung. Desungeachtet stellte er Schmitt 1946 ein Leumundszeugnis in seinem Entnazifizierungsverfahren aus; s. unten, Briefe Duschkas vom 20. 6., 4. 7., 20./22. 7. 1946. Levin von Trott zu Solz, Hans Peters und der Kreisauer Kreis. Staatslehre im Widerstand, Paderborn usw. 1997. 214 John an Schmitt vom 20. 12. 1945; RW 265 Nr. 6567. 215 Hermann Gebhardt (1893–1956), von 1930 bis 1956 kath. Pfarrer von St. Bernhard in Berlin-Dahlem, Königin-Luise-Str. 33; zwei Briefe von ihm aus 1945 und 1946 im Nachlass Schmitts. (RW 265 Nr. 4667 f.). Gebhardt war auch Religionslehrer von Anima und stellte Schmitt ein Entlastungszeugnis aus. (RW 265 Nr. 21781). 216 Friedensburg war seit dem 1. 8. 1945 Präsident der Deutschen Zentralverwaltung für Brennstoffindustrie in der sowjetischen Besatzungszone. 217 Duschka litt als Folge mehrerer Operationen 1929 an einem Pneumothorax. 218 Nelly Friedensburg, geb. Schilling (1895–1975).
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Am 8. Februar ist unser 20. Hochzeitstag; vielleicht sind Sie dann zu Hause. Für mich ist es ein Trost, dass Ihre Verpflegung jetzt gut ist, und die Baracken geheizt sind. Schreiben Sie mir bitte, wie es Ihnen gesundheitlich geht. Soll ich Ihnen irgendwelche Bücher bringen zum Lesen? Oder haben Sie sonst Wünsche? – Die Zeitung gebe ich einmal in der Woche ab. Heute gab ich die Zeitung und ein Heft von der Zeitschrift „Auslese“219. Dr. Podach besuchte mich und hat sich nach Ihnen erkundigt. Er sagte, dass er große Sehnsucht hat nach einem Gespräch mit Ihnen, und Sie möchten bald nach Hause kommen. – So, mein lieber Carl, jetzt muss ich aufhören, es ist spät geworden. Mit Anni und Marlies haben wir schöne Weihnachtslieder gesungen. Am 7. Jan. sind serbische Weihnachten. Ich denke oft an meine Heimat und möchte wissen, ob meine Eltern, Geschwister und Verwandten noch am Leben sind. An die vielen serbischen Bäuerinnen, denen ich geholfen habe, nach Serbien abzureisen, denke ich auch.220 Wie werden sie in diesem Jahr Weihnachten feiern nach so vielen, unsagbaren Leiden. Und wie wird ihre Freude groß sein, wenn sie ihre geraubten Kinder wiederfinden! – An meine Freunde, die ich aus dem Konzentrationslager befreit habe, denke ich auch.221 Wie werden sie glücklich sein, nach so vielen Jahren wieder in der Heimat unter elterlichem Dach Weihnachten zu feiern! Was würden alle meine Schützlinge sagen, wenn sie wüssten, dass Sie jetzt viele Monate in Schutzhaft sitzen und ich keine Möglichkeit habe zu helfen. – Corri und Heini Popitz haben sehr lieb geschrieben und lassen herzlich grüßen.222 Gute Nacht, mein lieber Carl, Gott beschütze Sie und tröste Sie! Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Anni und Marlies schicken herzliche Grüße und Wünsche für das kommende Jahr.
219 Neue Auslese aus dem Schrifttum der Gegenwart. Hrsg. vom Alliierten Informationsdienst München (erschien monatlich von 1945–1948). 220 In Duschkas Heimat, dem zu Kroatien gehörenden Slawonien, wurden im 2. Weltkrieg Serben verfolgt und Kinder von ihren Eltern getrennt; die Mütter wurden als Zwangsarbeiterinnen nach Deutschland geschickt. Duschka hat das internationale Rote Kreuz darüber informiert und sich für die Zusammenführung der Kinder mit ihren Müttern eingesetzt. 221 Gemeint sind serbische Zwangsarbeiterinnen (s. oben). 222 Cornelia Popitz (1922–1987) und Heinrich Popitz (1925–2002), Kinder von Johannes Popitz.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1946-01-07 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13783; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 7. Jan. 1946 Liebster Carl! Heute haben wir viele Briefe bekommen aus Cloppenburg. Anima hat sehr lieb geschrieben, dann Onkel Gerd und Mia Weßling. Anbei schicke ich Ihnen die Abschrift des Briefes von Mia.223 Es wird Sie sicher freuen, soviel Gutes von unserem Kind zu hören. Wir brauchen uns wirklich keine Sorgen zu machen. Anima schrieb, dass Tante Claire sie so reich beschenkt hat. Ein neues, seidenes Sommerkleid hat sie bekommen und nette Kleinigkeiten. Das finde ich rührend von Claire! Ich freue mich auf ihren ersten Brief. – Heute habe ich mit Anni Holz gefahren. Wir bekamen 5 Ztr. Holz (wegen meiner Lungenoperation) von Carbonia224 und einen Handwagen voll von Frau Friedensburg. Nun sind wir für den Winter gut versorgt; unsere Stube ist schön warm! – Viele liebe Grüße von Anni und Marlies, Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka 1946-01-11 Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13468, Ptkt.225
11. 1. 1946 MEINE LIEBE DUSCHKA, LASSEN SIE BITTE GLEICH EIN HEIZKISSEN AM LAGER ABGEBEN FÜR MICH. HERZLICHE GRÜSSE CARL [darunter von anderer Hand:] OK . 223
Die Abschrift des Briefes von Maria Weßling an Duschka Schmitt vom 27. 12. 1945 liegt diesem Brief bei; weitere Abschrift unter RW 265 Nr. 17960. Onkel Gerd und Tante Mia waren der Halbbruder und die Schwägerin von dem Kaufmann Georg Weßling, bei dem Anima wohnte; vgl. Mehring (2012), S. 4 f. 224 Brennstoffhandel in Berlin-Steglitz, Schloßstr. 41 a. 225 Mit Bleistift und in Versalien geschrieben. Als Absender: „PROF. CARL SCHMITT, BLN-LICHTERFELDE, CIVILIAN DETEN[TION] CAMP, AM TELTOWKANAL“. Darunter Stempel „MILITARY CENSORSHIP, CIVIL MAILS, 11970“. Poststempel „Berlin-Charlottenburg 2, 14. 1. 46“ (s. Abb. im Anhang).
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1946-01-11 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13784; ms.
Berlin-Schlachtensee, 11. Jan. 1946226 Mein liebster Carl, Die serbischen Weihnachten sind nun auch vorüber;227 ich hatte einen sehr schönen Traum von meiner Schwester und Frl. Dr. Samić228. Es war sehr festlich, und der Traum machte mich fröhlich. Ich hatte das Gefühl, dass meine Schwester noch lebt und hoffe, dass es bald möglich sein wird, auch aus Jugoslawien Nachricht zu bekommen. Am vorigen Mittwoch war ich mit Anni in Dahlem; es war sehr interessant. Wir waren auch im Hause Popitz um nachzusehen, wie es dort geht. Das Schicksal dieser Familie geht mir besonders nah.229 Danach waren wir bei Haidi zum Mittagessen; es war sehr gemütlich. Sie hat uns rührend verwöhnt, wie immer. Ich bekam für Sie ein schönes Buch von dem Amerikaner Melville „Benito Cereno“ zum Lesen.230 Es wird Ihnen sicher gefallen. Ich schicke das Buch am nächsten Mittwoch in dem Paket ab. Gegen Abend besuchten wir unseren Pfarrer Gebhardt. Er war besonders nett. Sogar unsere Anni, die keine Pfarrer leiden mag, war von ihm begeistert. Er gab mir eine Empfehlung an den Kardinal Graf Preysing231. So wurde ich heute nachmittags von seiner Eminenz empfangen. Ihr Name war dem Kardinal bekannt. Ich freue mich sehr, dass ich Maritain232 Grüße bestellen konnte. 226
Darüber von C. Schmitt notiert: „Freitag“; darunter: „erh. 16. 1. 46“. Die orthodoxe Kirche richtet sich nach dem julianischen Kalender und feiert Weihnachten am 6./7. Januar. 228 Juristin, mit der zusammen Duschka sich während des Krieges um serbische Kinder kümmerte, deren Mütter als Zwangsarbeiter nach Deutschland verbracht waren. 229 Johannes Popitz wurde am 2. 2. 1945 hingerichtet, seine Frau starb 1936 an Krebs, der älteste Sohn Hans fiel am Ende des Krieges. Übrig blieben die Tochter Cornelia und der Sohn Heinrich. 230 Herman Melville, Benito Cereno, erschien in dt. Übersetzung erstmals in Berlin 1938 und dann 1945 in Zürich. Merkwürdigerweise hat Duschka vergessen, dass dieses Buch Carl Schmitt wohlbekannt war, und dass darüber im Hause Schmitt Anfang Februar 1941 mit Ernst und Gretha Jünger diskutiert wurde. Gretha von Jeinsen [= Gretha Jünger] Die Palette. Tagebuchblätter und Briefe, Hamburg 1949, S. 46 f. 231 Der Bischof von Berlin, Konrad (seit Anfang 1946:) Kardinal von Preysing (1880–1950), war einer der entschiedensten NS-Gegner im hohen Klerus der katholischen Kirche in Deutschland. 232 Jacques Maritain (1882–1973), franz. thomistischer Philosoph, war in den zwanziger Jahren mit Schmitt befreundet, kritisierte ihn dann 1936 öffentlich in seinem Buch „Humanisme intégral“; Schmittiana V, 1996, S. 210–213; Thomas Marsch227
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Es sind jetzt 20 Jahre her, dass er in unserem Hause Gast war.233 In diesem Zusammenhang wurden viele schöne Erinnerungen wach. Was hat sich in diesen Jahren alles ereignet. Wieviel Unglück ist über Frankreich und Deutschland gekommen. Die großen Opfer sind vielleicht das gute Saatkorn für eine geheime Liebe der beiden Völker. Von unserer Tochter habe ich gute Nachrichten. Das Kind ist fleißig und fühlt sich glücklich mit ihrer Malerei. Sie hat für den Opa Weßling etwas gemalt für seine Krippe und bekam dafür Schmalz. Das schickte sie uns als Liebesgabe. Ihre Schwester Üssi schickte ein Päckchen mit Zwiebeln für Sie. Unsere Verwandten im Westen sind rührend besorgt um uns und schreiben sehr oft. Sie hoffen, dass Sie bald freigelassen werden und dass wir Sie dann besuchen können. Anima hat auch große Sehnsucht, ihren lieben Papa nach so langer Zeit wiederzusehen. Ich habe trotz allem eine große innere Fröhlichkeit und bin guten Mutes. Bis jetzt sind wir noch gesund und haben unter der Kälte nicht gelitten. Der Winter ist uns gnädig. Ich freue mich auf Ihren nächsten Brief um zu hören, wie es Ihnen geht und ob Sie meine Briefe alle bekommen. Zu Hause ist alles in Ordnung. Machen Sie sich keine Sorgen um uns, auch um unser Kind nicht. Anima ist bei guten Menschen, die sie lieb haben und für sie gut sorgen. Für mich ist es ein großer Trost, dass unser Kind die gute katholische Erziehung bekommt und somit die Tradition der Familie bewahrt bleibt. Ich hoffe auf ein frohes Wiedersehen und bin mit den herzlichsten Grüßen Ihre [hs.:] Duschka Unsere liebe Anni und Marlies lassen herzlich grüßen. Pfarrer Gebhardt lässt Sie herzlich grüßen und sagen, dass er bei der Messe im Memento täglich Ihrer gedenkt. Viele Freunde lassen herzlich grüßen.
1946-01-17 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13786; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 17.1.1946 Liebster Carl! Am Dienstag morgen kam Ihre kurze Karte wegen des Heizkissens; ich habe sofort das Kissen eingepackt und im Lager abgegeben (2 Frottier- und ler, Karl Eschweiler (1886–1936). Theologische Erkenntnislehre und nationalsozialistische Ideologie, Regensburg 2011, S. 46 ff. 233 s. TB IV, S. 188 f.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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2 Leinen-Handtücher waren dabei). Nachträglich habe ich von Marlies erfahren, dass das Heizkissen nicht sehr heiß wird. Vielleicht ist es möglich, im Lager das Kissen von einem Elektriker nachsehen zu lassen. Ich vermute nun, dass Sie wieder an Ihrem alten Leiden Ischias krank geworden sind und mache mir etwas Sorgen. – Gestern habe ich das Januar-Paket abgegeben, ich hoffe, dass es Ihnen Freude machen wird. Von verschiedenen Seiten habe ich Liebesgaben für Sie bekommen. – Das Paket mit der schmutzigen Wäsche habe ich erhalten. Geben Sie bitte jede Woche die Wäsche mit Leergut ab, damit wir für das nächste Paket alles in Ordnung bringen können. Gestern waren wir wieder in Dahlem bei Haidi zum Mittagessen. Ich gehe so gerne die alte Wege durch den Thielpark, die für mich mit so vielen schönen Erinnerungen verbunden sind. Bei Haidi war es schön gemütlich; wir wünschen uns jedesmal, dass Sie beim nächstenmal dabei sein können. Neulich traf ich Herrn Geheimrat234, er erzählte mir, dass unsere Bibliothek jetzt nach dem ehem. Luftgaukommando, Kronprinzenallee, hingebracht worden ist.235 Er hat mit Prof. Löwenstein236 über Ihre Bibliothek gesprochen. Prof. Löwenstein hätte geäussert, dass gar kein Zweifel darüber besteht, dass Sie die Bibliothek wieder zurück bekommen. Heute kam ein lieber Brief von Anima hier an. Dem Kind geht es sehr gut, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Sie ist bei guten Menschen. Sie scheibt: „Du kannst Papa auch sagen, dass wir jetzt in Geometrie den Satz des Pytagoras und Euklid durchgenommen haben. Er hat mir früher schon viel davon erzählt, und es ist wirklich außerordentlich interessant. Überhaupt gefällt mir jetzt Algebra und Geometrie besser denn je.“ Üssi und Ännchen schreiben mir oft; gestern kam ein rührender Brief von Claire. Sie lassen Sie alle herzlichst grüßen. Am Sonntag, den 13. 1., war serbisches Neujahr. Ich hatte Teebesuch gehabt. Haidi und Leistikow waren hier. Wir saßen am warmen Ofen, und es war sehr gemütlich. – Ich denke oft an den schönen serbischen Schnaps, den mein Vater schickte; bei dieser Kälte bekommt man Sehnsucht danach. Tempora mutantur. 234
Karl von Lewinski. Die Bibliothek Schmitts wurde vom Document Center am Wasserkäfersteig in das US-Hauptquartier in der Kronprinzenallee 170–172 (heute: Clayallee) überführt. 236 Karl Löwenstein (1891–1973), Jurist, 1933 Emigration in die USA, kam 1945 als Legal Advisor der amerikanischen Besatzungsmacht nach Berlin und betrieb die Verhaftung Carl Schmitts sowie die Beschlagnahme seiner Bibliothek, über die er ein Gutachten anfertigte; vgl. Schmittiana NF I, 2011, S. 257–332. 235
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Anni und Marlies lassen herzlich grüßen. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Anbei das Verzeichnis des Paketes vom 16. 1. 5 9 2 2 1
Hemden Kragen Unterjäckchen Unterhosen Nachthemd
1 1 6 3
Leibbinde Handtuch Taschentücher Paar Strümpfe
1 Karton Frau Hahm 1 ” Plätzchen Üssi 1 ” ” Ännchen 1 ” Dextropur 1 ” Herz 1 Stck Rhodonkuchen 1 Stck Schokolade 10 Äpfel Zwiebel, Kaffee, Zucker, Salz 1 Stck Wurst
1946-01-22 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13787; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 22. Jan. 1946 Liebster Carl, gestern versuchte ich, um Sprecherlaubnis zu bitten, aber leider ohne Erfolg. Ich versuche noch einmal, den Antrag mit der Post zu schicken. – Hoffentlich kommt bald von Ihnen ein Brief, damit ich höre, wie es Ihnen geht. Der letzte Brief, den ich bekam, ist vom 21. 12., das ist schon einen Monat her. Am Sonntag war der Hl. Johannes.237 Es war schönes frostiges Wetter; ich bin nach langer Zeit in die Kirche in der Nachodstr. gegangen.238 Es war ein wunderbarer Gottesdienst. Alle haben sich gefreut, dass ich wieder da war.
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Johannes der Täufer. In der Nachodstr. 10 in Berlin-Wilmersdorf befand sich die Kirche des Hl. Wladimir der russisch-orthodoxen Gemeinde, deren aktives Mitglied Duschka war. 238
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Vater Sergius239 und Vater Michail240 lassen herzlich grüßen. Vater Johann ist von Paris nach Amerika gegangen und bleibt jetzt dort.241 Irgendjemand hat ihm nach Amerika geschrieben, dass Sie in Schutzhaft sind. Auf dem Rückweg dachte ich an das Fest des Hl. Johannes in meinem Elternhaus. Ob der Vater in diesem Jahr seinen Hauspatron feiern konnte, oder ist er schon lange tot? Vielleicht dauert es nicht mehr lange, bis man alles erfahren kann. Ich sah in Erinnerung die festliche Tafel mit dem traditionellen Truthahnbraten. – Das Evangelium des Hl. Johannes ist besonders eindrucksvoll gewesen. Ein Archimandrit hielt eine schöne Predigt, wie der Hl. Johannes vom Kaiser geköpft wurde, weil er die Wahrheit sprach. Diese Geschichten sind einem so nah und verwandt geworden, nach all dem, was man gelitten hat, und ihr Sinn ist für uns wichtiger als bisher. – Gestern, nachmittags, kam Dr. Siebenhaar242; er ist aus der englischen Gefangenschaft, wo er es besonders gut hatte, glücklich heimgekehrt. Er lässt herzlich grüßen und hofft, Sie bald zu Hause begrüßen zu können. Aus dem Westen kam viel Post an von Leuten, die sich nach Ihnen erkundigten. Joseph Kaiser243, Altenhundem, hat nach Pl[ettenberg] geschrieben; ich habe ihm geantwortet. Franz Wemhöner244, Dortmund, hat auch nach Pl. geschrieben, ebenfalls Dr. Schranz245, ich habe beiden sofort geantwortet. Veronica246
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Sergius Poloshensky (?–?), seit 1934 Priester der russisch-orthodoxen Kirche in Berlin. 240 Michail Radziuk (?–?), seit 1936 Priester der russisch-orthodoxen Kirche in Berlin. 241 Ioann Schachovskoj (1902–1989) war Archimandrit der russisch-orthodoxen Kirche in Berlin und wohnte benachbart zu Schmitt in Berlin-Schlachtensee. 1945 ging er nach Paris und 1946 in die USA, am 11. 5. 1947 wurde er in New York zum Episkop (Bischof) geweiht, 1961 wurde er Erzbischof von San Francisco; vgl. Michael Shkarovskij, Die Kirchenpolitik des Dritten Reiches gegenüber den orthodoxen Kirchen in Osteuropa (1939–1945), Münster 2004 (vor allem Kap. 2). Schachovskoj hatte auch zu Schmitt Kontakt und diskutierte mit ihm über Maritain; s. Schmittiana VII, 2001, S. 348 f. 242 Hermann Siebenhaar (1902–?), ursprünglich kath. Priester, studierte ab 1934 Philosophie und Sprachen und ab 1936 die Rechte, gab 1938 den Priesterberuf auf, wurde 1939 von Schmitt promoviert; Tilitzki, S. 92. 243 Joseph H. Kaiser (1921–1998), Jurist, ab 1955 Prof. in Freiburg, von Schmitt als Nachlassverwalter eingesetzt. 244 Nicht ermittelt. 245 Brief vom 16. 2. 1946; RW 265 Nr. 14518. Franz Xaver Schranz (1894–1961), Landarzt in dem Hochsauerlanddorf Siedlinghausen, Mäzen und Mittelpunkt eines großen Kreises von Intellektuellen und Künstlern; Schmittiana III, 1991, S. 63–88. 246 Veronica Schranz, nach ihrer Heirat „Runte-Schranz“ (1924–2007), Ärztin, Tochter von Franz Schranz, besuchte schon als junges Mädchen die Familie Schmitt in Berlin.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
studiert in Bonn. Prof. Barion247 aus Bonn hat an Schranz geschrieben und sich nach Ihnen erkundigt. Dr. Niermann248 war einige Wochen auf der Flucht von Stettin und ist stark geistesgestört in Siedlinghausen angekommen und wurde in eine Nervenanstalt eingeliefert. – Ich bekam einen rührenden Brief von Dr. Haustein249 aus Bielefeld; er arbeitet vorläufig bei der Bahndirektion in Bielefeld. – Von Gretha aus Kirchhorst kam ein wunderschöner Brief an; sie ist leider noch immer verzweifelt über den Tod ihres Sohnes und findet keinen Trost. Von Ihrem Bruder Jup kam ein rührender Brief heute an; er hat große Sehnsucht, Sie wiederzusehen und freut sich auf die erste Unterhaltung mit Ihnen nach all den Erlebnissen des letzten Jahres. Er hat als Arzt sehr viel zu tun, weil in Köln viele Krankheiten herrschen. Claire sorgt rührend für uns und unser Kind. Machen Sie sich keine Sorgen! Anima geht es sehr gut, sie schreibt vergnügte Briefe und ist fleißig. Sie freut sich auch auf unseren Besuch nach so langer Zeit. Heute ist gerade 1 Jahr, dass ich unser liebes Kind zuletzt gesehen habe. Für mich ist es ein großer Trost, dass ich weiß, dass es Anima so gut geht. – Bei uns ist alles in Ordnung; wir leiden keine Not und ertragen alles mit Humor und verlieren nicht den Mut. Wenn wir abends um den Ofen sitzen, ist es recht lustig. – Anni und Marlies lassen herzlich grüßen. Morgen fahren wir nach Dahlem. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka
247
Hans Barion (1899–1973), kath. Kirchenrechtler, verlor wegen seiner NS-Nähe seine Professur, enger Freund von C. Schmitt; s. Thomas Marschler, Kirchenrecht im Bannkreis Carl Schmitts. Hans Barion vor und nach 1945, Bonn 2004. 248 Konrad Niermann (1888–1947), Jurist, Freund von Franz Schranz; s. Schmittiana III, 1991, S. 80 f. 249 Werner Haustein (1894–1959), Jurist, seit 1922 bei der Reichsbahn tätig, wurde als höherer Beamter von den Amerikanern in „automatischen Arrest“ genommen und dürfte Schmitt hier kennengelernt haben. 1952 wurde er Leiter der Rechtsabteilung in der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn in Frankfurt. Er bot Schmitt in der Zeitschrift „Der Eisenbahner“ 1949 ein Forum; seine Briefe an Schmitt unter RW 265 Nr. 29929; s. Schmittiana II, 1990, S. 131 und 157, Anm. 79.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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1946-01-25 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13788; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 25. Jan. 1946 Mein liebster Carl, jetzt sind es schon vier Monate, dass Sie sich in Schutzhaft befinden, und ich hoffe, dass die Überprüfung Ihres Falles auch bald an die Reihe kommen wird, und dass Sie dann freigelassen werden. Die Erklärung von General Clay250 in der Zeitung hat für viele einen Trost gebracht.251 Heute habe die ich russische Stunde gegeben bei Frau Friedensburg. Sie lernt fleißig und findet die russische Sprache schön. Sie lässt Sie herzlich grüßen. Am Sonntag ist wieder das Hauskonzert; ich gehe hin. Weil sie russische Gäste erwartet, braucht sie mich als Dolmetscherin. Anni und ich lernen fleißig englisch. Sie werden staunen, wenn Sie nach Hause kommen. Jetzt muss ich Ihnen noch berichten über die eingegangene Post. Von Frl. Hahn252 aus Kiel kam Nachricht, dass Prof. Freyer253 mit Familie in der Nähe von Leipzig lebt. Das war für mich eine große Freude; ich habe gleich heute an Prof. Freyer geschrieben. Von Dr. Georg Krause (München) kam ein sehr lieber Brief an mich an. Ich werde Ihnen die Abschrift schicken.254 Georg Krause schrieb, dass er mich bald besuchen wird; darauf freue ich mich sehr! Seine Frau Issy und der kleine Andreas leben in Schliersee. Er arbeitet in der Nähe von München in Pfaffenhofen in den Labors eines Freundes, weil seine zerstört sind.
250
Lucius D. Clay (1898–1978), US-General, zunächst stellvertretender, ab 15. 3. 1947 Militärgouverneur und Oberbefehlshaber der US-Landstreitkräfte in der amerikanischen Besatzungszone und dem amerikanischen Sektor von Berlin. 251 Nachdem die Amerikaner zunächst unter dem Druck der amerikanischen Öffentlichkeit eine sehr rigorose Entnazifizierung betrieben hatten („automatic arrest“), änderten sie Anfang 1946 diese Politik. Neben Säuberung und pauschaler Bestrafung rückte jetzt das individuelle Verhalten und Rehabilitierung in den Blick. General Clay war ein Befürworter dieser Linie. 252 Else Hahn (?–?), war die Sekretärin von Wilhelm Ahlmann. 253 Hans Freyer (1887–1969), Philosoph, Soziologe und Historiker, von 1925– 1948 o. Prof. für Soziologie an der Univ. Leipzig, von 1941–1945 Direktor des Deutschen Wissenschaftlichen Institutes in Budapest, wohin er Schmitt zu Vorträgen einlud. 254 Georg A. Krause an Duschka Schmitt vom 16. 1. 1946; RW 265 Nr. 8201.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Heute kam von Ihrem Freund Emil Langenbach255 ein rührender Brief an mich.256 Er ist so gebildet von gutem, alten Stil; ich schicke Ihnen die Abschrift. Von Prof. Siebert257 kam ein kurzer Brief, in dem er schreibt, dass er auch an Sie an das Lager geschrieben hat. Hoffentlich bekommen Sie auch alle die Briefe, die ich an Sie schicke! Von Anima kamen verschiedene Liebesgaben, ein Päckchen mit Honigkuchen für ihren liebsten Papa. Das Päckchen schicke ich auch für Sie ab. Gestern war Dr. Adams258 hier. Er ist über eine Woche an Ischias krank gelegen und sieht so verhungert aus. Ich habe ihn eingeladen am Freitag zum Mittagessen. Ich mache mir Sorgen, dass Sie bei diesem Wetter auch Ischias bekommen werden und nicht mehr Ihr gutes Bett haben, aber hoffentlich etwas ärztliche Pflege. Auf einen Brief von Ihnen warte ich täglich; der letzte ist vom 21. Dezember. Wie traurig, dass Sie nur so selten schreiben dürfen. Soll ich in dem nächsten Paket etwas geröstetes Brot schicken? Uns geht es noch gut, und wir wollen diese schwere Zeit mutig ertragen, indem wir auf ein frohes Wiedersehen hoffen. Anni und Marlies lassen recht herzlich grüßen. Gott beschütze Sie, lieber Carl, und seien Sie herzlichst gegrüßt von Ihrer [hs.:] Duschka
1946-01-28 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13789; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 28. Jan. 46 Liebster Carl, am Sonnabend kam Ihr lieber Brief vom 13. Jan. hier an; ich habe mich über Ihre lieben Zeilen sehr gefreut. Es freut mich ganz besonders, dass Sie alle Briefe auch bekommen. – An unseren 20jährigen Hochzeitstag habe ich auch schon viel gedacht. Wenn es auch traurig ist, dass wir ihn nicht zusammen 255 Emil Langenbach (1888–1970), Plettenberger Jugendfreund von Schmitt, Syndikus des Plettenberger Fabrikantenvereins und Aktivist im Sauerländischen Gebirgsverein; Schmittiana V, 1996, S. 154; Hüsmert, S. 20. 256 Emil Langenbach an Duschka Schmitt vom 15. 1. 1946; RW 265 Nr. 13785. 257 Wolfgang Siebert (1905–1959), seit 1938 Professor für Arbeitsrecht an der Berliner Universität, 1945 entlassen, später Prof. in Göttingen und Heidelberg. 258 Alfons Adams.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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feiern können, so wollen wir doch dankbar sein für die 20 gesegneten Jahre, und vor allem dankbar sein, dass unser liebes Kind von der hiesigen Not verschont geblieben ist. Gestern war ein sehr schönes Konzert bei Dr. Friedensburg. Ein russischer Oberst war mit seiner Frau auch als Gast [da]; er kennt Jugoslawien sehr gut; auch den General Avshich259 von der jugoslawischen Delegation in Berlin. Ich werde den General aufsuchen, sobald ich erfahre, wie er zu erreichen ist. Vielleicht kann ich etwas über Ivo Andrić260 erfahren. – Die Frau des Obersten war Dozent in Leningrad. Sie haben eine Tochter von 14 Jahren, die in Karlshorst zur Schule geht. Wir hatten gemeinsame Bekannte vom Moskauer Künstlertheater. Diese Bekanntschaft hat mir viel Freude gemacht. Die Frau wollte mich in den nächsten Tagen besuchen, damit ich ihr helfe als Dolmetscher bei den Einkäufen in der Stadt. Mit dem Präsidenten Dr. Friedensburg habe ich gesprochen über Ihren Schüler Dr. Schröder261. Er ist Kommunist und Präsident der Zentralverwaltung Post. Dr. Friedensburg sieht ihn bei den Sitzungen in Karlshorst und wird ihm Grüße bestellen. – Gleichzeitig mit diesem Brief schicke ich ein Päckchen mit Honigkuchen für Sie ab und ein paar Plätzchen. Zu meinem Geburtstag werde ich etwas backen, und das bekommen Sie in dem nächsten Paket. Wie geht es mit Ihrem Ischias; es tut mir leid, dass wir Sie nicht zu Hause pflegen können. Anima habe ich alles aus Ihrem Brief abgeschrieben, was für das gute Kind bestimmt war. Gott beschütze Sie, lieber Carl! [hs.:] Herzlichst Ihre Duschka Anni und Marlies grüßen herzlich.
259
Generalleutnant I. Avshich war Mitglied der jugoslawischen Militärmission, die ab Mitte 1945 auf die ehemalige jugoslawische Botschaft in Berlin folgte und im gleichen Gebäude in der Rauchstr. 17–18 residierte (Duschka schreibt „Awschitsch“). 260 Ivo Andrić (1892–1975), Schriftsteller (Nobelpreisträger 1961) und Diplomat, war von 1939 bis 1941 jugoslawischer Botschafter in Berlin und hatte während dieser Zeit Verbindung mit Carl Schmitt. 261 Wilhelm Schröder (1890–1972) wurde 1932 an der Berliner Handelshochschule mit der Arbeit „Die verfassungsmäßige Garantie der Institution des Berufsbeamtentums“ promoviert. Er trat 1945 der KPD bei und wurde von der sowjetischen Militäradministration mit der Leitung der Zentralverwaltung für das Post- und Fernmeldewesen in der sowjetischen Besatzungszone betraut. Später machte er eine politische und wissenschaftliche Karriere in der DDR. Laut seiner Erklärung für den Deutschen Sicherheits- und Prüfungsausschuss kannte er Schmitt seit 1928 und hat mehrere Jahre wissenschaftlich mit ihm zusammengearbeitet; RWN 260 Nr. 357; TB V, S. 121, 201, 470.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1946-02-01 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 19619 RW 265 Nr. 13469, ms. Abschrift
Anfang Februar Meine liebe Duschka, ich habe eine Möglichkeit, Ihnen zu Ihrem Geburtstag zu gratulieren und freue mich unendlich darüber, wenigstens schriftlich bei Ihnen anwesend sein zu können, und zwar mit meiner natürlichen Handschrift, nicht mit aufgezwungenen Buchstaben.262 Wir haben Ihren Geburtstag so oft und in so verschiedenen Situationen begangen, dass wir hoffen dürfen, auch den 13. Februar dieses Jahres 1946 später als eine gute Erinnerung im Gedächtnis zu bewahren, weil die Trennung dieser schlimmen Zeit uns nur noch enger gebunden hat. Bisher haben wir uns, trotz vieler Leiden, nicht entwürdigt und nicht entseelt. Das ist das Wichtigste und soll so bleiben. Für Sie fürchte ich in dieser Hinsicht nichts, und ich selber habe diese 4 Monate ertragen, ohne zu verzweifeln. Feiern Sie also Ihren Geburtstag mit allen guten Freunden und Bekannten, mit allen Erinnerungen an Verstorbene und Lebende und seien Sie sicher, dass ich bei Ihnen bin und an Ihrer Freude teilnehme. Oft mache ich mir große Sorgen, unnütze aber unwiderstehliche Sorgen, besonders des Abends, wenn ich an Ihre Lage denke und die täglichen Gerüchte von Wohnungsbeschlagnahme, Maßnahmen gegen Pgs und ähnliches im Lager herumschwirren. Sie können sich keine Vorstellung von dem Seelenzustand der Lagerinsassen machen, die meistens schnell der Stacheldrahtpsychose verfallen und Tag und Nacht Kombinationen schmieden, wobei die Ich-Besessenheit der Deutschen in phantastischen Dimensionen zu Tage tritt. Ich will Sie auch nicht mit meinen hilflosen Sorgen und Befürchtungen bange machen, nur möchte ich Ihnen sagen, dass Sie ohne Rücksicht auf meinen hiesigen Aufenthalt nach dem Westen gehen und sich dort einrichten sollen, wenn es Ihnen richtig scheint. Niemand kennt die Dauer meiner Haft. Die lügenhaften Versicherungen baldiger Entlassung sind mir widerwärtig geworden. Das alles gibt nur Enttäuschungen und verlorene Zeit, torture par l’espérance.263 Ich sitze in einer automatischen Schlinge und es tut mir weh zu denken, dass Sie sich soviele vergebliche Mühe um mich gegeben haben, während unsichtbare Hände, an die Sie gar nicht herankommen, diesen Au262
Wie die Postkarte vom 11. 1. 1946 zeigt, war es den Gefangenen nur erlaubt, alle 14 Tage zu schreiben und nur mit Bleistift und in Druckbuchstaben. Jetzt hat Schmitt eine Möglichkeit gefunden, an der Zensur vorbei Briefe an Duschka zu schicken. 263 Titel einer Erzählung von Auguste Villiers de l’Isle-Adam.
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tomatismus handhaben. Glauben Sie mir, liebe Duschka, dass dies das Schlimmste meiner Leiden ist. Die Zeit vergeht schnell und unsere Mittel und Reserven sind klein. Der Leviathan, in dessen Fängen ich jetzt sitze, ist ein herzloses, gnadenloses Tier. Seien Sie deshalb nicht traurig. Auch wenn Sie keine Sprecherlaubnis bekommen (ich höre eben, Mittwoch den 31. Januar, dass Ihr schriftliches Gesuch abgelehnt worden ist), wollen wir nicht traurig sein. Und die neue Universität Berlin kann mir nichts mehr nehmen und noch weniger geben.264 Ich will lieber die Gelegenheit benutzen, Ihnen von mir zu erzählen. Alle Ihre Briefe habe ich erhalten, verhältnismäßig schnell. Der Brief vom 12. Januar, mit der Nachricht von Ihrem Besuch beim Kardinal, kam am 16. Januar an, der vom 17. Januar mit der Äußerung Löwensteins über meine Bibliothek, am 23. Januar; der vom 22. (mit den Nachrichten über Schranz und Barion) am 28., und der vom 25. (mit den Nachrichten über Freyer, G. Krause, Langenbach) am 31. Januar. Am 16. erhielt ich Ihr großes Paket, in dem nichts fehlte. Am 30. Januar habe ich ein Wäschepaket für Sie in der üblichen Weise abgegeben (mit dem Heizkissen, das ich nicht mehr brauche, 2 Handtüchern, 2 Oberhemden, 1 wollenen Unterhose und 1 wollenen Unterjacke, 1 Paar Wollstrümpfen und 3 Taschentüchern). Hoffentlich haben Sie es richtig erhalten. Ich habe jetzt genug Wäsche, zu viele Oberhemden, am liebsten sind mir Oberhemden mit festem Kragen. Alles was zuviel ist, ist eine Belastung. Es wird viel gestohlen; mir ist bisher, dank glücklicher Umstände, nur die Nickel-Seifendose gestohlen worden, ferner 2 Löffel. Die schönen Taschenmesser sind mir abgenommen worden. Im Ganzen bin ich gut durchgekommen. Die Ischias ist nach 8 Tagen vorübergegangen. 4 Monate aus dem Blechnapf essen, auf dem Strohsack schlafen, am Stacheldraht entlang spazieren gehen, im Schmutz mit fremden Menschen leben, das ist für einen 58jährigen Mann anstrengend und zermürbend, aber hier sind 76jährige Männer, die es aushalten, und so will ich lieber schweigen, solange es nicht schlimmer wird. Ihrer Wäsche muss ich heute noch ein besonderes Loblied singen. Ein Glück, dass es Ihnen gelungen ist, mir reine Wäsche zu besorgen. Die Freude an der 264
Carl Schmitt war zunächst Ende Juni 1945 von seinem Kollegen Eduard Spranger, der zum kommissarischen Rektor der Universität eingesetzt war, besucht worden, wobei klar war, dass die Beantwortung eines Fragebogens zu NS-Aktivitäten (RW 265 Nr. 21465) Voraussetzung einer Weiterbeschäftigung als Professor war. Das lehnte Schmitt ab. Spranger bekam als Rektor dann Probleme mit den alliierten Besatzungsmächten, war auch im Juli sieben Tage von den Amerikanern im Camp Wannsee inhaftiert und wurde schließlich im Oktober seines Amtes enthoben. Der Nachfolger im Rektorenamt, Johannes Stroux, hat Schmitt mit Schreiben vom 29. 12. 1945 (RW 265 Nr. 15916; Abb. bei Giesler [2014], S. 18) aus seiner Professur entlassen. ECS, S. 9–12; Schmittinana NF II, S. 146–152.
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frischen, in unserm Haushalt besorgten Wäsche, ist in meinem gegenwärtigem Zustand ganz unbeschreiblich. Sie kennen die schöne Stelle aus dem Lustspiel von Shakespeare: Wenn je die Glocken Euch zur Kirche weisen, wenn je Ihr saßt an guter Menschen Tisch usw.265 Heute würde ich auch die saubere, in einem Haushalt gereinigte Wäsche zu solchen guten Dingen rechnen, die Zeichen und Ausdruck eines menschenwürdigen Lebens sind. Von Einzelheiten will ich noch erwähnen: den herrlichen Kuchen, die wunderbaren Zwiebeln von der Tante Üssi, den schönen Kaffee. Die Kost ist jetzt nicht mehr so reichlich; schicken Sie also im nächsten Paket noch etwas geröstetes Brot, liebe Duschka, nicht soviel Wäsche, vor allem nur 1 Oberhemd und 1 Paar Strümpfe, 1 Hosenträger. Die schönen Lammfellpantoffeln, die ganz fabelhafte Flanellbinde, die schönen warmen Strümpfe, das Kopfkissen, die Kamelhaardecke, alles hat mir gut über die schlimmste Zeit hinweg geholfen. Meine Schuhe sind noch gut, dank der Schuhwichse. Sie sehen, ich bin noch nicht verwahrlost. Ein Mitglied des Popitz-Kreises266, Geheimrat Wever267, Bekannter von Geheimrat von L[ewinski], aus der Gelfertstraße 14a, sorgt mit väterlicher Geduld für meine Exterieurs, kocht herrlichen türkischen Kaffee für mich, näht den Sengeschen braunen Rock,268 dass er nicht ganz auseinanderfällt, heizt den Ofen, kurz, ich habe hier einen Gehilfen meines Schutzengels gefunden. Im November ist seine Frau gestorben, er durfte nicht zur Beerdigung, sein Sohn Peter ist gemütskrank zu Hause und schreibt seinem Vater keinen einzigen Brief. [Folgende 2 Sätze nachträgl. eingeschoben:] Eben (Freitag Abend) ist ein Brief von ihm eingetroffen. Es eilt also nicht. Vielleicht kennt Frau H[ahm] ihren Nachbarn.269 Wenn Sie einmal gelegentlich hingehen und sich mit dem Jungen unterhalten wollten (indem Sie ihm Grüße von seinem Vater sagen) und schreiben Sie mir offen Ihren Eindruck von dem Jungen, damit ich dem besorgten Vater berichten kann. Die deutschen Zeitungen sind eine deprimierende Lektüre, die ich mir gern erspare. Das einzige, was mich wirklich interessierte, war die Rede des französischen Anklagevertreters in Nürnberg, de Menthon270 (Tagesspiegel vom 265
Shakespeare, Wie es Euch gefällt, II/7. Die „Mittwochsgesellschaft“, deren Mittelpunkt Johannes Popitz war. 267 Karl Wever (1882–1960), bis 1945 als Ministerialdirektor im Reichsfinanzministerium tätig. Er gehörte nicht der Mittwochsgesellschaft an. In seinem Nachlass im BA Koblenz (N 1203) liegen unveröff. Erinnerungen von ihm. 2 Briefe und 1 Postkarte von 1946–1955 von ihm im Nachlass Schmitts (Schmitt schreibt „Wewer“). 268 Von Eugen Senge-Platten; s. unten, Brief vom 12./14. 3. 1946. 269 Haidi Hahm wohnte in der Gelfertstr. 13. 270 François de Menthon (1900–1984), Politiker, Jurist, franz. Hauptankläger im Nürnberger Prozess 1945/46, hielt am 17. Januar 1946 seine Eröffnungsrede, in der 266
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27. Januar), deren geistige Herkunft mich auf das Lebhafteste beschäftigt und an die Gespräche mit Maritain erinnert. Der Wunsch nach einem Gespräch mit Pierre Linn271 ist wieder heftig erwacht. Ob wir das noch einmal erleben? Ich wage es nicht, das zu hoffen. Ebenso der Wunsch, mit den spanischen Freunden zu sprechen. Hoffentlich ist das Manuskript meines Madrider Donoso-Vortrages vom Mai 1944 gerettet, der heute aktueller ist als je.272 Bei den deutschen Zeitungen tut mir nur leid, dass Sie soviel Mühe mit dem Aufschreiben des Namens und dem Hinbringen haben. Bücher habe ich genug. Der Benito Cereno hat mich sehr erfreut. Sagen Sie der guten Frau H[ahm] meinen herzlichen Dank und meine Glückwünsche zu ihrem Geburtstag, am 12. Februar. Grüßen Sie auch Leistikows. Seine schöne graphische Darstellung des Gedichts „Endlich“ hat hier viele getröstet;273 viele haben es sich abgeschrieben und ihrer Frau geschickt. Hoffentlich kann ich Leistikows neue Zeichnungen einmal sehen. Hier ist ein netter junger Maler, Hans Bloch274, ein Elsässer, der von Macke herkommt, lange in Spanien war und Antonio de Luna275 gut kennt. Er hat sehr schöne Aquarelle von Mondello (Sizilien), Toledo und andern Landschaften gemalt und neulich gehört, dass Buchholz276 bald nach Berlin zurückkehrt. Ein andrer alter Maler, Franz Stassen277, 77 Jahre alt, großer Wagnerianer, der im alten Stil malt, hat mir für Anima einen Leviathan gezeichnet,278 mit einem hübschen Vers von dem er weit in die geistige Geschichte Deutschlands zurückging, um den Nationalsozialismus zu erklären. 271 Pierre Linn (1897–1966), Bankdirektor in Paris, seit den zwanziger Jahren mit Schmitt befreundet, übersetzte 1927 Schmitts „Politische Romantik“ ins Französische; vgl. TB IV. 272 Den Vortrag hatte Schmitt in spanischer Sprache am 31. Mai 1944 in Madrid gehalten; vgl. Tilitzki (1998), S. 239 f. u. 246. Er erschien 1949 erstmals anonym auf Deutsch in: Die Neue Ordnung 3, 1949, S. 1–15; dann zusammen mit drei anderen Aufsätzen zu Donoso Cortés als Monographie: Carl Schmitt, Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation. Vier Aufsätze, Köln 1950. 273 Gemeint ist das Gedicht „Trostaria“ von Johann Christian Günther. 274 Hans Bloch (1909–1998), expressionistischer Maler; zwei Briefe von 1951 und 1954 im Nachlass; vgl. auch BW Sombart, S. 58. 275 Antonio de Luna García (1901–1967), spanischer Jurist und Diplomat; ein Brief von 1949 im Nachlass (RW 265 Nr. 8948). 276 Gemeint ist der Buch- und Kunsthändler Karl Buchholz (1901–1992), der unter schwierigen Umständen in Berlin bis in die 1940er Jahre eine Galerie expressionistischer Malerei betrieb, wo Duschka Schmitt Kundin war; vgl. BW Sombart, S. 214. Auch verbotene Bücher wurden bei ihm unterm Ladentisch verkauft; vgl. René König, Niccolo Machiavelli, München/Wien 1979, S. 356. Nach dem Krieg ging Buchholz nach Kolumbien, wo er bis zu seinem Tode blieb. 277 Franz Stassen (1869–1949), am Jugendstil orientierter Maler und Buchillustrator mit engen Beziehungen zu Siegfried Wagner. Stassen schuf vier Wandteppiche für Hitlers Reichskanzlei; Hitler nahm ihn 1944 in die „Gottbegnadeten-Liste“ auf. 278 RW 265 Nr. 19619; s. Abb. im Anhang.
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alten Hans Thoma279. Ich habe die Zeichnung meinem letzten Brief vom 13. Januar beigelegt und bin gespannt, ob sie mit dem Brief ankommt. Meine Briefe brauchen anscheinend etwa 4 Wochen, ehe sie bei Ihnen ankommen. Da wir nur einmal im Monat schreiben dürfen, ist das eine traurige Art der Korrespondenz. Mit unendlicher Dankbarkeit empfing ich die Nachrichten über Anima. Der Weihnachtsbrief, den sie mir geschrieben hat, ist ganz wundervoll und würde jedem Vater die größte Freude bereiten. Dadurch ist eine schwere Sorge von uns genommen. Weßlings sind wirklich unsere Wohltäter geworden. Auch dass Jup und Claire so gut sind, und die Schwestern in Plettenberg nicht versagen, ist ein großer Trost. Für Plettenberg schicke ich Ihnen, für alle Fälle, eine Vollmacht für die Sparkasse und füge sie diesem Briefe bei. Die Nummer des Kontos habe ich vergessen. Für alle Fälle füge ich noch eine Blanko-Unterschrift bei. Ihre Nachrichten über die allmählich wieder auftauchenden Freunde sind für mich besonders trostreich, weil heute jeder Freund dreifachen Wert besitzt. So können Sie sich meine Freude über Ihre Mitteilungen von Georg Krause und Hans Freyer denken. Sie haben dadurch viel Schreibarbeit, aber Sie wissen auch, wie schön das ist. Fragen Sie Hans Freyer nach dem Manuskript seiner „Europäischen Weltgeschichte“.280 Haben Sie Nachricht von W. Weber281? Wenn Sie ihm schreiben, fragen Sie ihn nach Roßkopf282. Der Schwiegersohn des oben genannten 77jährigen Malers Franz Stassen ist in Leipzig Generalintendant der Oper und kennt beide, Roßkopf und seine Frau Grete Bäumer283, sehr gut; er heißt Schüler284. Von Georg von Sch[nitzler]285 279 Hans Thoma (1839–1924), Maler. Der Vers lautet: „Vom Leviathan der Welt umfangen / Sitzt die kleine Menschenseele in Furcht und Bangen / Das Untier kann sie ja spielend verschlingen / Und sie möchte so gern sein Loblied singen.“ 280 Die „Weltgeschichte Europas“ von Hans Freyer erschien erstmalig 1948 im Verlag Dieterich in Wiesbaden. Für Schmitt dürfte besonders interessant gewesen sein, dass Freyer mit dem Begriff „Katechon“ arbeitet. 281 Werner Weber (1904–1976), Jurist, Bonner Schüler Schmitts, seit 1942 Prof. in Leipzig. 282 Veit Roßkopf (1898–1976), Germanist, Publizist und Rundfunkredakteur, für Schmitt wegen seiner Beschäftigung mit Hölderlin und Konrad Weiß interessant; vgl. TB V; BW EJünger; Schmittiana IV, 1994, S. 285–288. 283 Margarete Bäumer (1893–1969), Opernsängerin (Sopran), seit 1933 mit Veit Roßkopf verheiratet, später geschieden. Über ihre Erfolge an der Leipziger Oper vgl. Schmittiana III, 1991, S. 120. 284 Hans Schüler (1897–1963), Opernregisseur und Intendant. 285 Georg von Schnitzler (1884–1962), Vorstandsmitglied der I.G. Farben, in Nürnberg 1948 zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, 1949 vorzeitig entlassen. Schmitt war mit ihm seit seiner Münchener Zeit bekannt und vor allem auch mit seiner Ehefrau Lilly von Schnitzler befreundet. TB I; BW Schnitzler.
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habe ich Nachricht durch einen Mitgefangenen, der 6 Monate mit ihm im Frankfurter Gefängnis war; Frau von Sch[nitzler] kam mehrmals mit Liselotte286, um ihm von draußen zu winken. Auch Winckelmann ist in einem Camp in Hessen; er soll sehr munter und guter Dinge sein. Die Rehabilitation des Staatsrates Furtwängler287 ist sehr lehrreich und mit großem Geschick und guter Regie gemacht worden, vielleicht aber doch zu früh, wenn auch nicht so viel zu früh wie Ferdinand288. Von Anni würde ich auch gern etwas hören. Hat ihre Schwester Emmi sich gemeldet? Und Herr von Lüneburg289? Wie steht es mit ihren Möbeln? Was macht Marlies? Über die Grüße der Beiden habe ich mich immer gefreut. Grüßen Sie herzlich wieder. Unklar ist mir, was eigentlich in Kirchhorst mit Ernst J[ünger] selber vor sich geht. Läßt man ihn weiterarbeiten?290 Vergessen Sie auch nicht, Pfarrer Gebhardt, John und Vater Sergius von mir zu grüßen, und den guten Dr. Adams291, der heute (Freitag) zu Ihnen kommt. Sind die Bilder von Gilles noch da? Grüßen Sie sie von mir! Eben (Freitag abend) kommt Ihr Brief vom 28. Januar. Tausend Dank! Mein Brief vom 13. Januar hat dieses Mal nur 14 Tage gebraucht. Haben Sie mein Wäschepaket vom 30. 1. geholt? Wann holen Sie das Nächste? Nicht vor Mitte Februar! Seien Sie vorsichtig mit den Russen, liebe Duschka. Hier wird jeden Sonntag Messe gelesen (rührend arm und einfach in einer Baracke) von einem italienischen Geistlichen,292 der Professor an der römi286
Tochter von Georg und Lilly von Schnitzler. Wilhelm Furtwängler (1886–1954), Dirigent, war wie Schmitt Preußischer Staatsrat. 1945 bekam er von den Amerikanern Auftrittsverbot, wurde trotz vieler Fürsprachen erst Ende 1946 von einer deutschen Spruchkammer als „Mitläufer“ klassifiziert und konnte nach einigem Hin und Her ab Mai 1947 wieder uneingeschränkt tätig sein. Der von Neid und Hass geprägte Widerstand gegen Furtwängler kam vor allem aus den USA; die Russen hatten ihn dagegen schon Ende 1945 zur Rückkehr aus der Schweiz nach Berlin aufgefordert. 288 Ferdinand Sauerbruch (1875–1951), Arzt, obwohl wie Schmitt Preuß. Staatsrat, wurde er schon zwei Wochen nach der Kapitulation von den Sowjets in Berlin als Stadtrat für das Gesundheitswesen eingesetzt. 289 Bevor sie zur Familie Schmitt kam, hatte Anni Stand als Hauswirtschafterin bei der Adelsfamilie von Lüneburg auf Schloss Essenrode im Landkreis Gifhorn gearbeitet. Hier dürfte Ernst von Lüneburg (1881–1961) gemeint sein. 290 Ernst Jünger weigerte sich 1945, den Entnazifizierungs-Fragebogen der Besatzungsmacht auszufüllen und erhielt daher bis 1949 in der Britischen Zone Publikationsverbot. 291 Alfons Adams. 292 Gioacchino Patti S. J. (1903–1980), hatte in Berlin Sanskrit, Pali und alte persische Sprachen studiert und mit der Dissertation „Samavāya. Eine Betrachtung über diese Kategorie im Nyaya-Vaicesika-System und über ihre Bedeutung für das Kausalitätsprinzip und für den Atomismus im Rahmen der übrigen ind. philos. Systeme“ 287
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schen Universität, der sog Gregoriana, ist, und zwar als Indologe. Er hat in Berlin den Doktor gemacht und wohnt bei den grauen Schwestern in Gesundbrunnen. Ich diene ihm die Messe, weil kein anderer da ist. Er ist ein kluger und gelehrter Mann und hofft auf die Vereinigung mit der Ostkirche. Die sonntägliche Messe ist eine große Stärkung; es sind etwa 20–30 Menschen anwesend (von 400). Die vielen kommenden Gedenktage werde ich nicht vergessen. Am 2. Februar, Mariä Lichtmess, ist der Jahrestag von Popitz’ Tod; am 8. unser Hochzeitstag; am 13. Ihr Geburtstag; dazwischen die Geburtstage von Frau Hahm und, wenn ich mich recht erinnere, von Oberheid293. Vor allem aber hoffe ich, dass Sie Ihren Geburtstag würdig feiern können und dieser Brief Sie gut erreicht. Erwähnen Sie den Brief bitte nicht, auch nicht bei näheren Bekannten; bestätigen Sie den Empfang etwa so: Die Wiederbegegnung mit Annette hat mich gefreut.294 Seien Sie nicht traurig um mich, schreiben Sie mir oft und seien Sie von ganzem Herzen innigst geküßt von Ihrem Carl
1946-02-08 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13471
8. Februar 1946 Liebe, gute Duškica, heute morgen, am Tage der 20. Wiederkehr unseres Hochzeitstages, hat mir der gute Geheimrat W[ever] ein rührendes Gedicht überreicht und dann ein Pfännchen hervorragenden türkischen Kaffees gemacht. Wie haben Sie die(Maschr.) Ende 1946 an der Berliner Universität promoviert (Titel von 1946 ohne Besitznachweis nur im WorldCat und mit falscher Schreibung des Vornamens: „Goachino“. Druckausgabe Rom 1955). Patti schrieb 1947 aus Rom an Schmitt (RW 265 Nr. 29750); s. auch unten, Brief Duschkas vom 6. 8. 1947. 293 Heinrich Oberheid (1895–1977), Nationalökonom und evang. Theologe, schloss sich 1933 den Deutschen Christen an und wurde Bischof der Rheinischen Provinzialkirche, zog sich aber aufgrund interner Streitigkeiten von diesem Amt wieder zurück und wurde 1937 Pfarrer der Thüringischen Landeskirche. Nach 1945 aus dem kirchlichen Dienst entlassen, ging er zurück in die Wirtschaft und arbeitete als Generalbevollmächtigter einer Düsseldorfer Stahlfirma. Er war seit 1926 ein enger und lebenslanger Freund Schmitts, worin auch die beiden Ehefrauen einbezogen waren. NDB 19, S. 386 f.; Faulenbach. 294 Der Satz ist ein Code, woraus deutlich wird, dass dieser wie auch die folgenden Briefe Schmitts an der Zensur vorbei gingen. Offenbar hatte Schmitt einen Kontaktmann dafür.
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sen Vormittag verbracht? Oft muss ich denken, dass Sie es viel schwerer haben als ich, denn die Nachrichten aus der sogenannten Freiheit sind beunruhigend, und sprechen nur von Hunger, Kälte und Verfolgungen. Aber wir wollen tapfer bleiben und uns nicht selber um das Verdienst unserer vielen Leiden und Prüfungen bringen. Inzwischen werden Sie meinen Brief zum Geburtstag erhalten haben. Hoffentlich kommt auch dieser Brief gut an und macht Ihnen Freude. Von Ihnen habe ich inzwischen den Brief vom 28. mit der Abschrift des Briefes von G. A. Krause erhalten. Ich habe am 5. Februar das große Formular (mit den 131 Fragen) ausgefüllt und einen Entlassungsantrag gestellt,295 wie die meisten permanent automatic prisoners, ohne mich in große Hoffnungen zu wiegen. Was sollen wir nach den bisherigen permanenten Enttäuschungen noch erwarten? Zudem las ich in der Auslese296 Nr. 4 (am Schluss) eine Notiz über den jüdischen Prof. Sinzheimer, der neulich gestorben ist und dessen Tod der Anlaß zu einem üblen Ausfall gegen mich (als den „wendigen Lakaien Franks“297) gemacht worden ist. Ich schreibe Ihnen das, liebe Duschka, damit Sie im Bilde sind, auch gegenüber Dr. Sarre und Geheimrat v. L[ewinski]. Möglichkeiten der Verteidigung habe ich nicht, die Art und Weise, wie man in einem solchen Lager mundtot ist, können Sie sich nicht vorstellen. Aber glauben Sie nicht, brave Duškica, dass ich verzagt oder mürbe wäre. Ich bin durch diese lange Probe von vielen Verwöhntheiten geheilt und fühle mich seelisch sehr gestärkt.
295
Die Amerikaner waren dazu übergegangen, die NS-Belastung individuell zu überprüfen und forderten die Beantwortung eines detaillierten Fragebogens. Während Schmitt den Fragebogen der Universität, den Eduard Spranger ihm im Juni 1945 vorlegte, nicht ausfüllte, hat er diesen beantwortet, was offenbar Bedingung seiner Entlassung war; RW 265 Nr. 21780. 296 Neue Auslese. Eine Monatszeitschrift. Im Jahrgang 1945, Nr. 4, S. 126–128, findet sich ein Nachruf auf den im September 1945 verstorbenen Arbeitsrechtlers Hugo Sinzheimer (1875–1945). 297 In dem Nachruf wird das 1938 in Amsterdam erschienene Buch „Jüdische Klassiker der Deutschen Rechtswissenschaft“ von Sinzheimer erwähnt, um dann fortzufahren: „Das Buch ist eine Antwort auf die Verfälschung der geschichtlichen Wahrheit durch die Nationalsozialisten und ihre opportunistischen Mitläufer, die die Werke jüdischer Denker aus den deutschen Bibliotheken verbannten. Der Gegensatz zwischen dem kümmerlichen Unflat der Äußerungen des Reichsministers Frank und seines wendigen Lakaien Carl Schmitt – ihre Äußerungen sind in Sinzheimers Buch nachzulesen – und der wissenschaftlichen Darstellung Sinzheimers müsste jedem deutschen Juristen und jedem deutschen Akademiker die Schamröte ins Gesicht treiben.“ (S. 127). Hans Frank (1900–1946), Jurist, führender Nationalsozialist, wurde 1933 Präsident der „Akademie für deutsches Recht“, als welchem ihm Schmitt zuarbeitete. Frank wurde im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess schuldig gesprochen und am 16. 10. 1946 hingerichtet.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Meine Freude, Ihnen einen Glückwunsch senden zu können, ist umso größer, weil wir seit dem 13. Januar keinen Brief mehr schreiben durften und auch noch keine neue Erlaubnis abzusehen ist; ferner sollen wir in Zukunft nur auf Formularen und nicht mehr als 20 Zeilen schreiben dürfen. Erschrecken Sie also nicht, wenn ein derartiger Brief kommt; das bedeutet in der Sache keine Verschlechterung. Ihr Paket erwarte ich zum 20. Februar; erst an diesem Tage gebe ich Ihnen die schmutzige Wäsche von mir. Schicken Sie mir nur das eine (grau-leinene) Oberhemd mit festem Kragen, und nur 1 Paar Strümpfe, 1 Handtuch usw. Ich habe sonst zuviel Wäsche, und das ist eine Belastung. Ich schreibe Ihnen, was ich brauche. Vorläufig bin ich noch im Revier298 und besteht kein Grund zur Besorgnis. An die gemeinsamen Freunde denke ich oft. Neulich fiel mir auch Heinz Brauweiler299 wieder ein, da hier viele Ministerialbeamte aus dem Arbeitsministerium sind. Mit dem Geistlichen, der die Messe in der Baracke liest, Dr. Patti, spreche ich gern. Ob Pfarrer John ihm sein Exemplar meines „Römischen Katholizismus“ einmal leihen könnte (da die Grauen Schwestern in Schl[achtensee] vielleicht mit denen in Gesundbrunnen in Verbindung stehen300)? Der alte Maler Franz Stassen pfeift eben, als großer Wagnerianer, zu Ehren dieses Tages den Brautmarsch aus Lohengrin als Ständchen. Er ist ein netter Gesellschafter, erzählt viele interessante Dinge von Richard und Siegfried Wagner, von Cosima und dem Haus Wahnfried und schimpft über die moderne Malerei, wobei ihn die ganze Stube unterstützt. Ich mache gute Exerzitien im Schweigen und sehne mich nach den schönen Bildern von Werner Gilles. Auf die nächsten Nachrichten von Ihnen, von Anima, von Anni und Marlies und von allen Freunden und Bekannten freue ich mich ungeheuer. Bis jetzt sind alle Briefe gut angekommen; sogar das entzückende Päckchen mit dem Honigkuchen von Anima ist (trotz des Verbotes von Päckchen) in meine Hände gelangt. Von Siebeck301, Smend302, Siebert, Huber303, Forsthoff304
298 Schmitt lag auf Grund seiner Ischias-Beschwerden auf der Krankenstation des Lagers. 299 Heinz Brauweiler (1885–1976), Jurist und Publizist, 1932/33 Dozent an der Deutschen Hochschule für Politik, mit Schmitt seit 1929 bekannt; vgl. TB V, S. 18 und passim. 300 Pfarrer John war auch Seelsorger an der Michaelskapelle im Kloster der Grauen Schwestern in der heutigen Altvaterstraße 8 in Schlachtensee, unmittelbar benachbart zu Schmitt. 301 Richard Siebeck (1883–1965) Internist, 1924 Prof. in Bonn, 1931 Heidelberg, 1934 bis 1941 an der Charité in Berlin, dann Leiter der Ludolf-Krehl-Klinik in Heidelberg. In seiner Berliner Zeit war Siebeck behandelnder Arzt Carl Schmitts, in
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würde ich gern Näheres erfahren, aber vielleicht ist das noch verfrüht. Doch könnten Sie einmal an Siebeck schreiben, dass ich jetzt von Prof. Kreuz305 behandelt werde. Dann wüßte ich gern, wer alles von unserer Fakultät bei der Eröffnung der neuen Universität anwesend war.306 So, meine liebste Duschka, jetzt eilt es mit der Expedition dieses Briefes, den Sie als 2. Begegnung mit Annette bestätigen können. Viele herzlichen Grüße und Wünsche zu diesem Tage, in der kühnen Hoffnung, dass wir ihn, wenn Gott es will, in 5 Jahren mit unserer Tochter und allen guten Verwandten und Freunden fröhlich und würdig feiern können. Ich küsse Sie von ganzem Herzen und bin immer Ihr Carl
Heidelberg 1949/50 Duschkas (s. unten). Mit Schmitt war er seit seiner Bonner Zeit bekannt. 302 Rudolf Smend (1882–1975), Staats- und Kirchenrechtler, seit 1922 Professor für öffentliches Recht in Berlin, 1935 nach Göttingen strafversetzt, dort 1945/46 Rektor, wichtiger Gesprächspartner Schmitts; NDB 24, S. 510 f.; BW Smend. 303 Ernst Rudolf Huber (1903–1990), Doktorand Schmitts und in der Endphase der Weimarer Republik sein wichtiger Mitarbeiter, seit 1941 Prof. in Straßburg, nach 1945 zunächst keine Professur, 1952 Honorarprofessor in Freiburg, 1957 Professor in Wilhelmshaven, 1962 Göttingen; vgl. BW Huber; TB V, S. 50 und passim. 304 Ernst Forsthoff (1902–1974), 1925 von Schmitt promoviert, seit 1943 Prof. in Heidelberg, im Februar 1946 auf Anordnung der Militärregierung entlassen und erst 1950 wieder eingestellt; Meinel; BW Forsthoff. 305 Lothar Kreuz (1888–1969), Orthopäde und Traumatologe, seit 1937 Prof. an der Berliner Charité und Leiter des Oskar-Helene-Heims für Körperbehinderte in Berlin-Dahlem, letzter Rektor der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, im 2. Weltkrieg beratender Orthopäde des Oberkommandos der Wehrmacht, von 1945 bis 1947 in amerikanischer Haft, 1948 als „entlastet“ eingestuft und später Professor in Tübingen. – Ende Juli 1945 war er zusammen mit Eduard Spranger im Camp am Wannsee inhaftiert. Darüber schreibt Spranger: „Ich wurde sieben Tage in einem Stacheldraht-Compound in Wannsee festgehalten. Dort lernte ich den letzten Rektor der Universität, den berühmten Orthopäden Kreuz, kennen, und es war auch sonst eine ganz vergnügte Zeit.“ Eduard Spranger, Berliner Geist. Aufsätze, Reden und Aufzeichnungen, Tübingen 1966, S. 35. 306 Die Berliner Universität wurde durch Befehl Nr. 4 vom 8. 1. 1946 der Sowjetischen Militäradministration mit einem Festakt am 29 1.1946 neu eröffnet, nachdem der Lehrbetrieb schon am 20. 1. aufgenommen worden war. Die sowjetische Besatzungsmacht bestand auf „Neueröffnung“ statt „Wiedereröffnung“, weil nämlich dann die vier Alliierten gemeinsam die Kontrolle ausgeübt hätten, während jetzt die Universität unter alleiniger sowjetischer Aufsicht stand. So wurden bald auch schon die alten „bürgerlichen“ Professoren verdrängt. Vom juristischen Lehrkörper waren noch im Amt: Heinrich Mitteis, Wilhelm Wengler, Eduard Kohlrausch. Ilko-Sascha Kowalczuk, Geist im Dienste der Macht. Hochschulpolitik in der SBZ/DDR 1945 bis 1961, Berlin 2003.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1946-02-09 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13790; ms.307
Berlin-Schlachtensee, den 9. 2. 46 Liebster Carl, eben habe ich festgestellt, dass ich fast 10 Tage keinen Brief geschrieben habe. Ich bitte um Verzeihung, und anschließend werde ich Ihnen erklären, wie es dazu kam. Wir hatten nämlich einen kleinen Umzug innerhalb unserer Wohnung. (In den 10 Tagen habe ich Ihnen verschiedene Abschriften geschickt und hoffe, dass Sie auf diese Weise für meine Briefe entschädigt worden sind. Einen Brief von Dr. Georg Krause, von Emil Langenbach und vom Lehrer Schöler308 haben wir geschickt und heute einen von Dr. Gerstenberg309.) Wenn ich auch überzeugt bin, dass Sie die Bibliothek wieder zurück bekommen, so kann es noch etwas dauern, deshalb habe ich mich entschlossen, die drei Räume unten zu vermieten. Ich habe es gut vermietet an ein Büro, das am 1. Februar schon eingezogen ist. Ihr Arbeitszimmer haben wir nach dem 1. Stock gebracht, wo bisher unser Schlafzimmer war. Dieses ist jetzt in dem kleinen Zimmer von Anima. Marlies schläft jetzt in dem Zimmer mit Anni zusammen. Das Zimmer daneben bewohnt Frl. Biedermann310. Unten haben wir das große Wohnzimmer mit dem Ofen für uns alle. Mit dem Umräumen hatten wir viel Arbeit; aber es ist sehr schön geworden. Auf diese Weise sind meine monatlichen Ausgaben um die Hälfte weniger, und ich brauche nicht viel Geld. Anfang März werde ich Graf Westarp311 Unterricht in der russischen Sprache geben, zweimal in der Woche. Damit verdiene ich das Geld für meine englischen Stunden, und es macht mir auch Freude. – 307
Oben links stenogr. Notizen Schmitts. Karl Schöler, Lehrer in Plettenberg, an C. Schmitt vom 22. 1. 1946; RW 265 Nr. 14476. 309 Carl Wilhelm Gerstenberg an C. Schmitt vom 5. 2. 1946; RW 265 Nr. 4727. Gerstenberg, von dem es in der HU-Bibliothek das Manuskript einer nicht zum Abschluss gekommenen Dissertation von 1928 gibt, hatte Schmitt im Sommer 1945 als Benutzer seiner Privatbibliothek kennengelernt. In seinem Brief schreibt er über Schmitts Verfassungslehre, die in der NS-Zeit nicht wieder aufgelegt werden konnte, weil Schmitt an der Widmung für seinen gefallenen jüdischen Freund Fritz Eisler festhielt. 310 Berta Biedermann; vgl ihre Schreiben an Duschka (RW 265 Nr. 18627). 311 Theodor Graf von Westarp (1890–1959), Geschäftsführer der Philips-ValvoWerke, die er dank seiner Russischkenntnisse in Absprache mit der sowjetischen Militärregierung in Berlin wieder in Gang brachte. Michael Seufert, Levantehaus. 308
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Lieber Carl, Sie sollen sich um mich keine Sorgen machen, ich hoffe, mit jeder Situation fertig zu werden. Außerdem bin ich nicht verlassen, ich habe unsere lieben Verwandten und Freunde, die mir immer in Not helfen werden. Ich halte es für richtig, die Wohnung in Berlin zu halten; es ist ein Privileg, in Berlin zu wohnen. Dabei denke ich immer an meinen Freund Popitz. Außerdem ist mir diese unglückliche, schwer gestrafte Stadt sehr lieb geworden, trotz des offenbaren Fluches, der über sie gekommen ist. – Am letzten Mittwoch fuhr ich mit Anni zu Haidi nach Dahlem. Wir hatten etwas Zeit und machten noch einen kleinen Bummel, wobei wir viele alte Bekannte trafen. Es war eine herrliche Begrüßung. Die Frau Schneider erzählte mir, dass sie endlich Nachricht hat von ihrem Sohn Kurt; er ist in Bayon in Gefangenschaft und hat alles gut überstanden. Sie lässt Sie herzlich grüßen. Die Schwester von meinem Schützling Gemüse-Denius traf ich auch und meinen alten Zigarrenfreund. Alle lassen herzlich grüßen. Dann traf ich auch zufällig meine Freundin Annette, von der ich so lange nichts hörte. Sie erzählte mir soviel tröstliches von ihrem Bruder, dass ich ganz glücklich war. Ich hatte das Gefühl, als wenn man in das alte Heimatdorf zurückkehrt. Bei Haidi war es sehr gemütlich, sie verwöhnt uns jedes Mal ganz rührend. Am Nachmittag ging ich noch zu Frau Friedensburg, um mit ihr Russisch zu üben. Sie begleitete ihren Mann nach Freiberg i. S., wo die Bergakademie eröffnet wurde. Sie hatte den Marschall Schukow312 als Tischherrn und hat dafür mit rührendem Eifer russisch gelernt. Sie schenkte mir einen Topf mit Sauerkohl, den ich sehr stolz nach Hause brachte, zu der allgemeinen Freude. – Ich hatte sonst viele Bekannte gesprochen, von Dr. Schmidt313 sollte ich grüßen und von Dr. Sarre und ganz besonders herzlich mit Liebeserklärung von ihrem Landsmann aus der Eifel314, der so entzückend rheinisch spricht. – Unsere Marliese hat Nachricht von ihrem Bruder Ernst aus der englischen Gefangenschaft, nachdem er 14 Monate nicht geschrieben hat. Anni bekommt oft Post von ihrer Schwester Emmi und hat gute Nachrichten von ihrem Bruder. Sie war etwas erkältet, und deshalb werden wir erst nach meinem Geburtstag waschen. Gestern war ich am Lager und wollte Ihr Paket mit Wäsche abholen, weil ich dachte, dass Sie am 30. 1. die Wäsche abgegeTradition und Moderne, Hamburg 2012. Westarp wohnte benachbart in der Schopenhauerstr. 11. 312 Georgi Konstantinowitsch Schukow (1896–1974), Generalstabschef der Roten Armee und Chef der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland. 313 Walter Schmidt (1889–?), Rechtsanwalt, gehörte zur Konzernführung von Flick und hatte in dessen Auftrag Schmitt im Sommer 1945 mit dem Gutachten über den Angriffskrieg beauftragt; vgl. Angriffskrieg, S. 125 ff. 314 Nicht ermittelt.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
ben haben. Der Mann, der bei der Ausgabe hilft, sagte mir, es sei kein Paket für mich da. Ich war enttäuscht, hoffe aber, dass das Paket nicht gestohlen ist, vielleicht können Sie nachfragen. Ich komme am Dienstag und will wieder nach dem Wäschepaket fragen. Also diesmal bekommen Sie Ihr Paket nicht am 13., sondern eine Woche später am 20. Febr. Ich werde auch geröstetes Brot schicken und einige rohe Kartoffeln. Gestern haben wir den 8. Febr. bescheiden und fröhlich gefeiert und haben uns ausgemalt, wie wir den Tag in 5 Jahren zur silbernen Hochzeit feiern werden. Dabei dachte ich an Georg Krause, wie rührend er unsere Verlobung gefeiert hat.315 Ich würde mich sehr freuen, ihn bald zu sehen. – Heute kam eine Karte von unserem Freund Gilles über das Rote Kreuz. Die Karte ist vom 1. August aus Vöcklabruck mit der kurzen Nachricht, dass er sich wohl befindet. An seinen Bildern habe ich viel Freude, und ich hoffe, dass er eines Tages in Berlin ankommen wird. – Die guten Nachrichten von Annette waren für mich wie ein kostbares Geschenk!316 Den Geburtstag werde ich mit einigen guten Freunden feiern und an die Lieben denken, die nicht dabei sein können. Mit Anni und Marliese teile ich mein Los, und wir sind eine tapfere Familie, die nicht leicht unterzukriegen ist. Sie werden uns bestimmt loben, wenn Sie wieder nach Hause kommen. Gotte beschütze Sie, lieber Carl Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka 1946-02-14 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 19619
14. 2. Liebste Duschka, gestern, am Abend Ihres Geburtstages, erhielt ich Ihren schönen, langen Brief vom 9. Februar. So wurde mir Ihr Geburtstag, an dem ich oft und sehnsuchtsvoll an Sie gedacht hatte, doch noch ein Freudentag. Mit den neuen Leiden des Gefangenen-Daseins sind auch einige neue Freuden entstanden, und dazu gehört auch ein solcher tröstlicher Brief, der einen stärkt und ermutigt. Jetzt denke ich fast fröhlich an die tapfere Familie in der Kaiserstuhlstraße und bin vor etwaigen neuen Schikanen nicht mehr bange. 315
TB IV, S. 5. Code, mit dem Duschka den Erhalt der Kassiber Schmitts (s. dessen Brief vom 1. 2. 1946) bestätigt. 316
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Auch die beiden Abschriften der Briefe von Schöler und Langenbach habe ich erhalten. Anni verdient einen ganz besonderen Extra-Dank dafür, dass sie den etwas stolprigen Brief des braven, alten Bibelforschers abgeschrieben und mir durch ihr Huh! am Schluß den größten Spaß gemacht hat. Dem lieben Emil Langenbach müssen Sie schreiben, dass ich ihm herzlich danke und ihn bitten lasse, mir die sauerländischen Berge aus meinem Camp heraus herzlich zu grüßen und meiner zu gedenken, wenn er einen besonders schönen Blick auf die Berge und Täler tut, wie vom Sonneborn oder von der Hohen Lenscheid aus. Aber auch der gute Schöler hat ein Wort des Dankes verdient. Am meisten aber die gute Tante Üssi, deren Bruderliebe diese Plettenberger Briefe in Gang gebracht hat. Ich habe heute eine besondere Bitte an Sie, liebe Duschka. Der P. Patti, der bei uns in der Baracke die Messe liest, hat, als Jesuit, Beziehungen zu dem P. Przywara317 in München. Ich darf ihm hier keinen Brief mitgeben. Aber wenn Sie ihm den beil. Bericht318 bringen wollten, würde er ihn wahrscheinlich an Przywara schicken oder Ihnen dessen Adresse sagen, sodass Sie ihn schicken könnten. Leider wohnt Patti ziemlich weit, wie ich Ihnen schon schrieb, in Gesundbrunnen, bei den Grauen Schwestern. Er ist tagsüber, werktags wenigstens, meist zu Hause, aber es ist doch unsicher, ob man ihn trifft. Sie könnten ihn auch bitten, eine heilige Messe für den Opa zu lesen und ihm dafür etwas geben, wenn Sie soviel haben (10 oder 20 M.). Das Ganze überlasse ich aber Ihnen, denn es ist nicht nötig. Der beil. Bericht, den ich nach Notizen vor dem 26. September abschreibe, liegt mir in der jetzigen, grauenhaften Knebelung meiner geistigen Produktivität sehr am Herzen; er ist kein Brief an Przyw., sondern ein von Ihnen vorgefundenes Exposé, das Sie an seinen Adressaten leiten. Wenn Sie aber aus irgendeinem Grunde, auch wegen des Inhaltes des Berichts, keine Lust haben, an einen Jesuiten heranzutreten, lassen Sie es nur, liebe Duschka. Wenn Sie noch ein Exemplar „Land und Meer“ haben, schicken Sie ihm (Przywara) eins mit.
317 Erich Przywara S. J. (1889–1972), Philosoph und Theologe, bis zu ihrem Verbot 1941 verantwortlicher Redakteur der Jesuitenzeitschrift „Stimmen der Zeit“; Martha Zechmeister, Gottes-Nacht. Erich Przywaras Weg negativer Theologie, Münster 1997. – Schmitt dürfte Przywara 1928 in Davos, wo beide Vorträge hielten, kennengelernt haben. Er hat ihn hoch geschätzt und beteiligte sich 1959 an der Festschrift für ihn: Carl Schmitt, Nomos – Nahme – Name. In: Siegfried Behn (Hrsg.), Der beständige Aufbruch. Festschrift für Erich Przywara S. J., Nürnberg 1959, S. 92–105 (auch in: SGN, S. 573–591), wo Schmitt das Werk Przywaras als „eine der großartigsten Antworten, die der deutsche Geist auf den ungeheuerlichen Challenge einer durch zwei Weltkriege geprägten Epoche gegeben hat“ bezeichnet (SGN, S. 586) (Schmitt schreibt, wie auch in seinem „Bericht“ „Pzywara“). 318 s. Anhang.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
(Sind noch einige Exemplare da?), schreiben Sie aber das Jahr 1941 auf die Titelseite.319 Ich bin in der Verengerung, die mein jetziges Dasein mit sich bringt, zu einem eigenen Urteil kaum noch imstande. Tun Sie also, was Ihnen gut scheint, Duškica, und scheiben Sie mir, was ich tun soll. Sie werden nicht viel Zeit zum Schreiben haben, trotzdem möchte ich wissen, wie Ihr Geburtstag verlaufen ist, auch der von Frau Hahm. Auf das Paket am 20. freue ich mich sehr. Wegen des Wäschepakets vom 30. 1. habe ich gefragt und gehört, dass es gestern (Mittwoch, den 13.) abgeholt worden ist. Ich will versuchen, erst am 27. Februar ein Wäschepaket als Leergut für Sie bereitlegen zu lassen. Die Wäsche eilt gar nicht, weil ich bequem mit meinem Vorrat an reiner Wäsche auskomme und erst sehen muss, was in dem Paket vom 20. ist. Leider ist hier alles unberechenbar und der Gefangene ein wehrloses Objekt wechselnder Maßnahmen hoher und niedriger Stellen und teils anständiger, teils sehr übler Subjekte. Mit großer Sehnsucht denke ich oft an Hannes320. Wissen Sie etwas von ihm? Oft möchte ich auch wieder in einigen meiner Schriften lesen, Begriff des Politischen, oder Legalität;321 aber bei der Unberechenbarkeit aller Lager-Maßnahmen ist es besser, nichts in dieser Hinsicht zu versuchen. Ich habe schon zwei schöne Taschenmesser verloren und bin froh, dass Sie die Uhr von Onkel Philipp322 haben. Heute zieht das Revier um in eine andere Baracke des gleichen Lagers. Ob es für mich eine Verbesserung ist, müssen wir abwarten. Das beil. MickyMaus-Bild hat ein junger kranker Lagergenosse gezeichnet. Ist die Zeichnung des Leviathan, die meinem Brief vom 13. Jan. beilag, angekommen? Jetzt muss ich abbrechen, liebste Duschka. Ich denke in großer Liebe an Sie und Ihre tapfere Familie, grüße alle Freunde und Bekannten herzlich und küsse Sie innigst. Immer und überall Ihr Carl
319 Das Reclambändchen „Land und Meer“ von C. Schmitt erschien nicht 1941, sondern 1942. 320 Hans Schneider. 321 Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, Berlin 1928 u. ö. (s. jetzt die synoptische Ausgabe der verschiedenen Fassungen von Marco Walter, Berlin 2018); Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, München/Leipzig 1932 (8., korr. Aufl., Berlin 2012). 322 Philipp Schmitt, ein jüngerer Bruder von Carl Schmitts Vater Johann, war Drucker in Berlin-Lichtenberg.
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Legen Sie die beil. Bleistiftnotizen zu den anderen des Annette-Buches, liebe Duschka.323 Ich habe neulich vergessen, den Zinn-Becher324 zu rühmen, er hat mich treu begleitet und ist eine tröstliche Erinnerung.
1946-02-15 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13791; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 15. 2. 1946 Liebster Carl, wir sitzen in der warmen Stube, und ich will Ihnen berichten, wie schön der Geburtstag war. Anni hat ihre ganze Kunst angewandt, um aus 5 Eiern, die aus Köln kamen, schöne Kuchen zu zaubern. Das ist ihr auch großartig gelungen! Unsere Wohnstube war festlich geschmückt; Anni und Marliese schenkten mir wunderbaren weißen Flieder, Frau Blischke325 Maiglöckchen und Frau Asmus zwei große Zweige zarte Schneebälle. Eine große Vase mit gelben Forsythien und eine große Vase mit Kätzchen standen auf dem Fußboden als Vorboten des Frühlings. Für diese blumenarme Zeit war es besonders festlich. Die Briefe und Päckchen von außerhalb kamen auch alle pünktlich an. Anima schrieb mir einen langen, schönen Brief,326 Üssi, Ännchen und Tante Louise haben an mich gedacht. Ich hatte viele Freuden, aber das schönste war, dass ich Nachricht von Annette hatte. Nachmittags kamen meine Gäste. Haidi hatte sich besonders schön gemacht. Sie brachte mir ein 323 „Annette-Buch“ dürfte eine Code-Bezeichnung sein für die verbotenerweise stenografisch notierten Gedanken, aus denen dann „Ex Captivitate Salus“ entstand und wofür Schmitt Rezeptformulare benutzte, die ihm ein amerikanischer Arzt namens „Charles“ gab. Sie sind im Nachlass zusammen mit einigen Briefen an Duschka unter der Signatur RW 265 Nr. 19619 erhalten. Vgl. das spanische Vorwort Schmitts zu ECS von 1958, in: ECS, S. 96–100. 324 Schmitt verschenkte gern Zinnbecher mit der Aufschrift καὶ νόμον ἔγνω; vgl. etwa BW EJünger, S. 235; BW Forsthoff, S. 120. 325 Margarete Blischke und ihr Ehemann Werner Blischke (1917–1984), der wegen einer schweren Kriegsverwundung demobilisiert war und Jura studierte, waren nach ihrer Ausbombung Ende Februar 1945 von Schmitt in seinem Haus in Schlachtensee aufgenommen worden und bewohnten die Mansardenwohnung. Schmitt bezeichnete Werner Blischke gegenüber seiner Tochter als „Lieblingsschüler“ (frdl. Auskunft von Christina Blischke). Später war Blischke Ministerialdirigent in Bonn; Antworten, S. 44, Anm. 107. 326 Die zahlreichen Briefe Animas an ihre Mutter finden sich in: RW 265 Nr. 29942.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
englisches Wörterbuch, schöne Blumenzweige und einen großen Pflaumenkuchen. Frau Friedensburg brachte ein Weckglas mit Bohnen und Dr. Adams viele gute Wünsche. Annis schöner Doktor327 war leider verhindert. An dem festlichen Tische haben wir Sie alle vermisst und herzlich an Sie gedacht. Sonst hat der Tag das Gepräge des guten Geistes unseres Hauses gehabt, und alle waren sich einig: es war so schön wie früher! Gegen 6 Uhr kam Asmus mit seiner Frau. Er brachte mir ein Stilleben als Geschenk. Es stellt drei große Muscheln dar und ist hier im Hause entstanden. Es ist wunderbar gemalt und von eigenartiger Komposition. Ich fand es rührend, dass er sich davon trennte. Seine übrigen Arbeiten, die er zeigte, haben den anspruchsvollen Damen gut gefallen. Frau Friedensburg ging in guter Stimmung gegen 7 Uhr nach Hause. Am Abend kam noch Frl. Spitzer. Wir haben zu 8 Personen bescheiden zu Abend gegessen. Es gab schönen Kartoffelsalat und Schnittchen. Gegen ½ 10 Uhr kam noch das Ehepaar Blischke herunter. Haidi ging in Begleitung von Alfons gegen 11 Uhr fort. Mit Blischkes hatten wir noch schöne Lieder gesungen bis 1 Uhr nachts. Die Lieder erinnerten mich an die Bonner Zeit vor 20 Jahren. So ist der Tag harmonisch verlaufen, und ich nehme es dankbar an als Zeichen für eine bessere Zukunft. Wenn ich auch von meinem Liebsten getrennt war, so fühlte ich mich umgeben von großer Liebe und geborgen gegen die Härten der Zeit. – Am Dienstag, den 12. 2., war ich am Lager und bekam das Paket mit Wäsche, auch das Heizkissen; es war alles in Ordnung. – Über Ihren lieben Brief vom 13. Jan. habe ich mich sehr gefreut, eine Zeichnung für Anima war nicht dabei. Das Kind ist noch immer begeistert für Malerei. Sie hat mir eine hübsche Zeichnung zum Geburtstag geschickt. Neulich war ich bei dem Kaufmann Wolcke und hörte, dass Gesine vor 3 Wochen in Berlin war. Das Schloss ist von den Russen völlig zerstört und ausgeplündert. Sie ist ganz arm geworden. – Vor einigen Tagen kam ein lieber Brief von Frl. Dr. Hasbach328 aus Friedrichshafen; ihre Geschwister haben alle das Kriegsende gut überstanden. Am 1. April soll der Postverkehr mit dem Ausland wieder aufgenommen werden. Ich bin so gespannt auf die ersten Nachrichten aus Jugoslawien. Ich will Ihnen auch weiterhin die Zeitungen schicken; es macht mir keine Mühe, Ihren Namen zu schreiben. Ich lese gerne die Zeitung; sie ist doch ein Spiegel, und manchmal wird man an die Tierfabeln erinnert, dass es beinah lustig anmutet. – Morgen bin ich bei Haidi eingeladen zum Geburtstagskaffee; sie hat am Sonnabend frei vom Institut und hat den Geburtstag verlegt. Meine neuen 327
Vermutlich der im Brief vom 9. 12. 1945 erwähnte Dr. Wiens. Marie Hasbach (1891–1978), Nationalökonomin, nach 1945 Fürsorgerin beim Luther-Bund, stand seit den 20er Jahren in losem Kontakt zu Schmitt; s. TB IV, S. 63 u. ö. 328
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Büro-Mieter sind sehr angenehm und ruhig. – Ich habe an das Office noch einmal um Sprecherlaubnis gebeten und außerdem um die Hausschlüssel, die sie damals mitgenommen haben. Vielleicht kann ich am Mittwoch die Schlüssel bekommen, wenn ich das Paket bringe. Nun muss ich aufhören. Gute Nacht, lieber Carl, Anni und Marlies lassen herzlich grüßen, sie wollen auch selber schreiben. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka [hs.:] Tante Louise ist hier und grüßt herzlich.
1946-02-22 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13470
Freitag morgen Meine liebe Duschka, Wieder habe ich eine Möglichkeit zu schreiben und mache mit großem Vergnügen davon Gebrauch. Am Mittwoch nachmittag, den 20. Febr., kam Ihr großes Doppelpaket richtig in meiner Stube an. Das Brot und die Kartoffeln sind eine wichtige Ergänzung unseres Essens, die Plätzchen und der Kuchen eine Erinnerung an Ihren Geburtstag, die herrliche Wäsche ist geradezu eine Verjüngung. Ich brauche nicht alles einzeln aufzuzählen, weil ich heute in größter Eile schreiben muss und will mich mit diesem Wort herzlichen Dankes begnügen. Am Dienstag, 26. Febr., gebe ich wieder alte Wäsche mit dem Leergut ab; hoffentlich funktioniert es wieder wie bisher. Sie können wahrscheinlich nicht ermessen, liebe Duschka, was die saubere Wäsche in meinem gegenwärtigen Zustand bedeutet. Ich komme aber gut aus bis zum nächsten Monat; Sie brauchen sich nicht zu eilen. Der Vortrag von Vater Johann [Schachovskoj] über Puschkin war ebenfalls im Paket. Dafür besonderen Dank. Jetzt hätte ich noch gern den Großinquisitor in der deutschen Inselausgabe329 und, wenn Sie ihn zur Hand haben, Swedenborg (ein kleines graues Buch).330 Die Zeitungen sind mit der Post richtig angekommen. In der neuen Stube ist es sauberer, aber auch etwas kälter. Doch halte ich es gut aus. Ich glaube, Sie wären mit meinem Zustand zufrieden. Auch die 329
u. ö.
F. M. Dostojewski, Der Großinquisitor (Insel-Bücherei 149), Wiesbaden 1914
330 Emanuel Swedenborg, Himmel, Hölle, Geisterwelt. [Eine Ausw. aus dem. lateinischen Text in dt. Nachdichtung von Walter Hasenclever], Berlin 1925.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
heute einsetzende neue Kälte hoffe ich ohne Schaden zu überwinden. Bald beginnt der 6. Monat meiner Gefangenschaft und ich bin noch nicht zermürbt oder geknickt, wie viele andere. Wir wollen also nicht besorgt sein, wenn es auch noch länger dauert. Die Kontrolle ist verschärft; im ganzen weht wieder ein schärferer Buß-Wind; Sie können sich denken, welcher Typ ihn anbläst. Jeder Aufenthalt von Zivilisten in der Nähe des Lagers ist verboten; jeder unzensurierte Schriftwechsel mit Inhaftierung bedroht usw. Leergut nur Montag und Dienstag abholen. Um Hannes mache ich mir große Sorgen. Ich sehe jetzt, wie sehr ich ihn in den 5 Monaten von Mai bis September 1945 lieb gewonnen habe. Die meisten Staatsrechtslehrer der amerikanischen Zone sind ihres Amtes enthoben, aber nicht verhaftet; nur Walz331 (München), der das Kulturinstitut in Agram gründete und leitete, sitzt bei den Franzosen in Rottweil (Württemberg). Mein alter Feind Koellreutter hat mir ins Camp einen langen Brief geschrieben.332 Das finde ich umso rührender, als bisher, außer Siebert, kein Kollege auf den Gedanken gekommen ist, mir zu schreiben. Koellreutter hat viel Unglück erlebt, sein ältester Sohn ist bei Agram von Partisanen erschossen worden. In München ist nur Exner333 (der Verteidiger von Jodl334, Freund von Erwin Jacobi335, den wir in Leipzig 1932 während des Prozesses336 kennen lernten) geblieben. Kisch337 in München ist ausgebombt und hat seine
331 Gustav Adolf Walz (1897–1948), Völkerrechtler, leitete von 1942 bis 1945 das Deutsche wissenschaftliche Institut in Agram, 1945/46 inhaftiert. Walz schloss sich an Schmitts Großraumtheorie an und wollte sie weiter entwickeln; vgl. auch Glossarium, S. 159. 332 Otto Koellreutter (1883–1972), Völkerrechtler, Prof. in München, 1945 amtsenthoben, hatte Schmitt kritisiert: sein Neohegelianismus sei mit dem NS nicht vereinbar (Bendersky (1983), S. 222 ff.). Nach 1945 gab es einen freundschaftlichen Briefwechsel. In dem erwähnten Brief vom 6. 2. 1946 informiert Koellreutter Schmitt über die Situation der Kollegen; RW 265 Nr. 8000. 333 Franz Exner (1881–1947), Kriminologe und Strafverteidiger. 334 Alfred Jodl (1890–1946), Generaloberst und Chef des Wehrmachtführungsstabes, wurde im Hauptkriegsverbrecherprozess in Nürnberg zum Tode verurteilt und am 16. 10. 1946 hingerichtet. 335 Erwin Jacobi (1884–1965), Professor für Staats- und Kirchenrecht in Leipzig, von 1933 bis 1945 zwangsweise in den Ruhestand versetzt; Martin Otto, Von der Eigenkirche zum Volkseigenen Betrieb. Erwin Jacobi (1884–1965). Arbeits-, Staatsund Kirchenrecht zwischen Kaiserreich und DDR, Tübingen 2008; Briefwechsel in: Schmittiana NF I, 2011, S. 33–57. 336 Gemeint ist der Prozess Preußen contra Reich, in dem Schmitt das Reich vertrat. 337 Wilhelm Kisch (1874–1952), seit 1916 Prof. für Zivilrecht in München. Schmitt hatte in Straßburg Vorlesungen bei ihm gehört. 1933 Mitbegründer und stellvertr. Präsident den Akademie für Deutsches Recht.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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ganze Bibliothek verloren. Heckel338 wurde wegen des Fragebogens vor ein amerikanisches Gericht gestellt, aber freigesprochen. Mezger339 in München (der Strafrechtler) verteidigt Neurath340 in einer Spezialfrage (der sog. conspiracy nach angelsächischem Recht). Jahrreiß341 (Köln) ist Mitarbeiter Exners im Prozeß; er hat K[oellreutter] geschrieben, dass die Plädoyers der Verteidiger erst nach Ostern beginnen werden. Sie sehen, dass wir noch lange Zeit haben. Forsthoff in Heidelberg soll noch im Amt sein;342 von Huber343 hört man nichts. Giese344 in Frankfurt (der Schwager Crampes345, des Freundes von Georg Krause) liest wieder, ebenso Smend und viele andere. Wolgast346, Maunz347 und Gerber348 sind suspendiert, bemühen sich aber um ihre Wiedereinsetzung und die Erlaubnis zur Collaboration. Ich schreibe Ihnen das, liebe Duškica, nicht weil ich es für sehr wichtig halte, sondern zur Information für Hannes. Vielleicht schreiben Sie Koellreutter ein Wort des Dankes (Prof. Otto Koellreutter, Pullach bei München, Margaretenstr. 6), etwas vorsichtig formuliert, in meinem Namen; sagen Sie ihm, ich hätte ihm gern ein Exemplar meines „Diskriminierenden Kriegsbegriffes“349 von 1937 geschickt, aber meine Bibliothek sei beschlagnahmt, dazu ein Wort der Teilnahme für ihn und seine Frau. Schreiben Sie
338
Johannes Heckel (1889–1963), Staats- und Kirchenrechtler, Prof. in München. Edmund Mezger (1883–1962), Strafrechtler, seit 1932 Prof. in München. 340 Konstantin von Neurath (1873–1956), Diplomat, von 1932 bis 1938 Reichsaußenminister, 1939 bis 1943 Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. 341 Hermann Jahrreiß (1894–1992), Staats- und Völkerrechtler, war in den Nürnberger Prozessen als Verteidiger tätig. Duschka schrieb ihm am 1. 4. 1947 einen Brief und bat ihn, die Gründe für Schmitts Inhaftierung in Nürnberg herauszufinden. Sie fragte, ob er im Fall einer Anklage die Verteidigung übernehmen würde; RW 265 Nr. 13761; vgl. auch Schmittiana VII, 2001, S. 330; Angriffskrieg, S. 142–144. 342 Ernst Forsthoff behielt nach dem Krieg zunächst seine Heidelberger Professur, wurde aber im Februar 1946 entlassen; Meinel, S. 304 ff.; BW Forsthoff. 343 Ernst Rudolf Huber war als Prof. an der Universität Straßburg seit Frühjahr 1945 stellungslos und hing, wie er in einem Brief schreibt, „beruflich ganz in der Luft“; BW Huber, S. 27. 344 Friedrich Giese (1882–1958), Prof. für Staatsrecht in Frankfurt, blieb zunächst unbehelligt, wurde aber dann am 5. 3. 1946 entlassen. 345 Hans Crampe (1896–?), Manager im Oetkerkonzern. 346 Ernst Wolgast (1888–1959), Prof. des öffentlichen Rechts, 1946 Verteidiger in den Nürnberger Prozessen. 347 Theodor Maunz (1901–1993), Staats- und Verwaltungsrechtler, bis 1945 Prof. in Freiburg. 348 Hans Gerber (1888–1981), ab 1941 Prof. für öffentliches Recht in Freiburg. 349 Carl Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff, München/ Leipzig 1938 (jetzt in: FoP, S. 518–597). 339
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Koellreutter vor allem über Hannes, damit sein Name unter die Kollegen kommt. Mir selber ist der ganze Kollegenbetrieb fremd geworden, und ich würde es als Erniedrigung empfinden, mich um das Placet eines fremden Eroberers zu bemühen und gegenüber Amerikanern und Juden die Rolle zu spielen, die z. B. Tasić350 in Serbien gegenüber den Deutschen gespielt hat. Vielleicht interessiert einiges davon den Dr. Walter Sch[midt] zu dem ich großes Vertrauen habe. Haben Sie ein Exemplar meines Gutachtens?351 Oft denke ich an meine armen Geisteskinder, die in eine feindliche Welt hineingeboren wurden. Das sind Gemütsregungen, die zeigen, dass ich doch noch etwas produktives Interesse habe und noch nicht ganz erstorben bin. Sie wollen also für Berlin optieren, tapfere Duschka. Mir ist alles recht, wenn ich nur, ohne die Schande und ohne die Schändungen meines gegenwärtigen Zustandes, wieder etwas arbeiten kann. Der Traum von Plettenberg ist vielleicht nur eine Kindheitserinnerung, und wir wollen ihn nicht forcieren. Wenn ich Sie nur endlich wiedersehen könnte, und zwar nicht in den 10 Minuten einer kontrollierten Sprecherlaubnis, die ein Peiniger huldvoll erteilt, sondern als ein freier Mensch, der weiß, worin die Freiheit besteht. Hoffentlich bekomme ich bald Nachricht von Ihnen, einen schönen Brief, wie den letzten vom 9. Februar. Heute morgen hat mir Herr Geheimrat W[ever] wieder schönen Kaffee in dem türkischen Pfännchen gemacht. Das von Leistikow so schön geschriebene Günthersche Gedicht wird immer von neuem abgeschrieben. Grüßen Sie alle Freunde und Bekannten von mir, besonders natürlich Annilein und Marliese. Hat Anima wieder geschrieben? Vielleicht ist das Geistliche Jahr der Annette [von Droste-Hülshoff] doch noch zu schwer und bitter für sie, aber das werden wir ja sehen; sie soll vor allem nicht dem religiösen Kitsch verfallen. Fragen Sie sie einmal, ob sie auch Schach spielen gelernt hat; das ist ganz interessant. Ob ihre mathematische Begabung anhält? Da ich nicht weiß, wie lange ich Ihnen auf diesem Weg noch schreiben kann, habe ich heute in Eile noch einmal geschrieben. Seien Sie immer vorsichtig, kluge Duschka, und bleiben Sie im übrigen bei unserm bewährten Satz: Tout ce qui arrive est adorable. Hoffentlich bleibt auch Hannes dabei.352 Dieser Satz wird immer schöner, je mehr er sich bewähren muss. 350
Đorde Tasić (1892–1943), Jurist (Schmitt schreibt „Tassić). Die Rede ist von Schmitts Gutachten über den Angriffskrieg, das der Rechtsanwalt Walter Schmidt in Auftrag gegeben hatte; vgl. oben, Brief Schmitts vom 9. 2. 1946. 352 Am 23. 4. 1945 hatte Schmitt Hans Schneider ein Exemplar von „Land und Meer“ geschenkt und als Widmung „Tout ce qui arrive est adorable“ hineingeschrie351
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Ich küsse Sie von Herzen, liebste Duschka, und bleibe immer Ihr Carl Teilen Sie mir bitte mit, ob Sie an Przywara geschrieben haben; Sie können seinen Namen nennen; Koellreutter nicht nennen.
1946-02-24 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13792; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 24. 2. 1946 Liebster Carl, Heute Nachmittag war im Hause Friedensburg ein schönes Konzert. Boccherini, Schubert und Chopin wurde gespielt. Eine Etüden von Chopin, welche Sie früher oft gespielt haben.353 Herrn Reinshagen354 habe ich auch dort getroffen, er lässt herzlich grüßen. – Sie haben in Ihrem letzten Brief geschrieben, dass Sie einen Entlassungsantrag gestellt haben; darüber habe ich mich sehr gefreut. Jetzt habe ich etwas Hoffnung, dass Ihr Fall überprüft wird und dass Sie dann bald freigelassen werden. Mit Herrn Präsidenten Friedensburg habe ich darüber gesprochen. Er wollte an Sie schreiben und ist gerne bereit, für Sie auszusagen und über Ihre Person Auskunft zu geben bei den amerikanischen Stellen, die über Ihre Freilassung entscheiden. Ebenso wollten Herr Pfarrer Gebhardt und Herr Dr. Adams an Sie schreiben und sind bereit, über Ihre Person auszusagen. Sie können bei einer Vernehmung diese Namen als Zeugen angeben.355 – Nächste Woche wollte ich nach Pankow fahren und den General der serbischen Militärmission356 aufsuchen und mit ihm besprechen, damit er mir eine Bescheinigung gibt über meine jugoslawische Staatsangehörigkeit, die ich immer neben meiner deutschen beibehalten habe. Herr Geheimrat [von Lewinski] meint, dass diese Bescheinigung wichtig ist wegen unserer Bibliothek. Ich werde Ihnen sofort berichten, wie der Besuch verlaufen ist. –
ben. Am 1. 5. schreibt Schmitt, dass der Satz von Hans Schneider täglich mehrmals zitiert wird (Tagebuch 1945, RW 265 Nr. 19586, Veröff. in Vorber.). 353 Wahrscheinlich Op. 25 Nr. 7; vgl. TB III, S. 167 u. ö. 354 Wahrscheinlich Adolf Reinshagen (?–?), im Berliner Adressbuch von 1943 als Ministerialrat, wohnhaft in der Wasgenstr. 17 in Schlachtensee nachgewiesen. 355 Tatsächlich haben alle drei Genannten entlastende Erklärungen für Schmitt abgegeben; RW 265 Nr. 21781. 356 Generalleutnant I. Avshich (s. oben, Brief Duschkas vom 28. 1. 1946).
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Am 16. Februar war ich bei Haidi zu dem Geburtstag eingeladen. Es waren viele Gäste wie im vorigen Jahr, die Sie alle vermisst haben. Leistikows, Linden357, Herr Höhne, Ruth Hoffmann358 und Auguste lassen alle herzlich grüßen. Herr Höhne hat sehr schön Geige gespielt; vor allem „Gluck“. Alle haben wir gewünscht, im nächsten Jahr mit Ihnen an diesem Tag ein gutes Glas Wein zu trinken. Am Mittwoch, den 20. Februar habe ich für Sie ein Paket abgegeben (unten das Verzeichnis). Ich hoffe, dass Sie alles in Ordnung erhalten haben. Am nächsten Tag kam das Päckchen mit Zwiebeln aus Cloppenburg; ich werde es morgen mit der Post abschicken. Ich habe viele Liebesgaben aus dem Westen bekommen. Von Dr. Schranz kam gestern ein Päckchen mit Butter, 250 g;359 das fand ich besonders rührend! Ich werde diese Woche schöne Plätzchen backen für Ihr nächstes Paket. – Machen Sie sich keine Sorgen um uns, wir brauchen nicht zu hungern, weil unsere Freunde im Westen so rührend für uns sorgen. Wir sind nicht verlassen. Annis Kameraden kommen alle 14 Tage am Sonntag und sägen für uns Holz. Wir haben noch genug zum Heizen und können nicht erfrieren. Trotzdem freuen wir uns in diesem Jahr ganz besonders auf die ersten Sonnentage. Auf unsere gemeinsame Reise nach dem Westen freue ich mich sehr, und auf den ersten Spaziergang zu den Gräbern der lieben Eltern. Am Geburtstag des Vaters wird in Plettenberg eine Messe gelesen für die verstorbenen Eltern. Üssi und Ännchen schreiben mir sehr oft360 und sorgen rührend für unser Kind. Wir wollen den Mut nicht sinken lassen und hoffen auf eine bessere Zukunft. Gott beschütze Sie, lieber Carl! Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka 357 Heinrich Linden (1884–1964) Kaufmann. Schmitt an Neuß vom 20. 2. 1947: „Neulich habe ich dem Sohn einer hiesigen Bekannten, Linden, eine Empfehlung an Sie geschrieben. Ich weiß nicht, ob der junge Mann sich schon bei Ihnen gemeldet hat. Jedenfalls wären Frau Schmitt und ich Ihnen dankbar, wenn Sie ihm mit einem guten Rat helfen könnten. Die Eltern des jungen Mannes habe sich uns in einer sehr schweren Zeit als hilfsbereite Freunde erwiesen. Die Familie stammt aus Bonn, der alte Herr Linden ist der Typus des guten ehrlichen Kaufmanns, ein sehr tüchtiger, gebildeter und humaner Mann, den wir sehr gern haben.“ (ULB Bonn, Nachlass Neuß, unverzeichnet). Eine Empfehlung zur Drucklegung der Dissertation des Sohnes schrieb Schmitt am 14. 12. 1949 an Marianne Grewe, Lektorin des H. S. Köhler Verlages in Stuttgart (RW 265 Nr. 13041). Duschka bat Linden 1950 vergeblich um Hilfe zur Bezahlung ihrer Klinikrechnungen (s. ihren Brief an Gretha Jünger vom 22. 9. 1950; DLA). 358 Ruth Hoffmann (1893–1974), Malerin und Schriftstellerin. 359 s. RW 265 Nr. 14518. 360 Die Briefe von Auguste und Anna Schmitt in: RW 265 Nr. 29942.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Schreiben Sie mir bitte, ob Sie die Briefe vom Präsidenten Friedensburg361 und Dr. Adams362 erhalten haben. Anni und Marlies grüßen herzlich. Anbei das Verzeichnis des Pakets vom 20. Febr. Rhodonkuchen Plätzchen ” Üssi Schokolade Marlies Kaffee Brot Kartoffeln
Puschkinbuch Hosenträger 2 Oberh., 4 Kragen 3 Paar Strümpfe 2 Jäckchen, 1 Unterhose 1 Nachthemd 1 Schlafanzug
1946-03-01 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 19619
1. 3. 46 L. D.363 Gestern, Donnerstag abend, erhielt ich Ihren Brief vom 15. Febr. mit dem schönen Bericht über Ihren Geburtstag. Unendliche Freude und Erleichterung. Das schöne Wetter des Vorfrühlings, das gelegentlich eintritt, macht einen traurig, und ist schwerer zu ertragen, als Winter und Regen. Brave Duschka, dass Sie die Wohnung so tapfer halten. Am Dienstag abend, den 26. brachte mir jemand Ihre Grüße und die Mitteilung, dass Sie das Wäschepaket und die Schlüssel bekommen haben. (Für den Fall, dass das Inhaltsverzeichnis fehlt: 2 Oberhemden (braun u. grau gestreift), 3 Paar Wollstrümpfe, 1 Nachthemd, 4 Kragen, davon 3 braun, 2 Wollunterhosen, 1 Woll-Unterjacke, 1 Zwirnunterjacke, 4 Taschent., 1 Schlafanzug, 2 Handtücher). Oberhemden mit weißen Manschetten sind nicht empfehlenswert. Auch die Zeitungen sind gestern gekommen. Vielen Dank, liebe Duschka. Ich bekomme hier Zeitungen durch andere Kameraden. Die wichtigste ist die amerikanische „Neue Zeitung“364 aus München, die 2x wöchentlich erscheint
361
F. Friedensburg an C. Schmitt vom 25. 2. 1946; RW 265 Nr. 4369. Alfons Adams an C. Schmitt vom 24. 2. 1946; RW 265 Nr. 34 und 35. 363 Anrede und Datierung nachträglich mit Bleistift zugefügt. 364 Die qualitativ hochwertige „Neue Zeitung. Eine amerikanische Zeitung für die deutsche Bevölkerung“ wurde von der amerikanischen Besatzungsmacht herausgegeben und erschien von Oktober 1945 bis Januar 1955. 362
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
und nicht mit der „Neuen Zeit“365 zu verwechseln ist. Das werden Sie aber längst wissen. Ich wollte Ihnen heute nur sagen, dass Sie sich einmal die Nummer vom 18. Febr. ansehen mögen, S. 4, mit der Nachricht über Georg von Sch[nitzler] und aus Bad Godesberg, wo man die Privatbibliothek Himmlers in der Villa von Prof. Eckhardt366 gefunden hat. Dann in einer folgenden Nr. die Erklärung des Generals McClure zum Fall Furtwängler.367 Diese Erklärung ist besonders lehrreich; sie zeigt, dass die A[merikaner] schon diskutieren und ihre Argumentation ist ein Dokument der moralistisch gefärbten Barbarei gegenüber Kunst und Wissenschaft. Ultimi barbarorum368. Es wird zum Verbrechen, am Geburtstag des Staatschefs ein Konzert dirigiert zu haben! Wenn Mitglieder des Staatsrats nicht in öffentlichen Funktionen bleiben dürfen, warum bleibt dann Berning369 Bischof von Osnabrück? Aber wir wollen nicht argumentieren. Das beil. Exposé370 müssen Sie nicht zu wichtig nehmen. Sie sehen aber, dass ich noch nicht ganz erstorben bin, und das macht Ihnen vielleicht Freude. Wenn einer Zeit hat, lassen Sie es bitte mit einigen Durchschlägen abschreiben. Vielleicht ist es für Podach eine Art Fortsetzung unserer Gespräche. Sagen Sie ihm, was übrigens der Wahrheit entspricht, dass ich durch seine Mitteilung dieser Rundfunkrede Mannheims371, die ich dann in der 365 „Neue Zeit“ war der Titel einer seit Juli 1945 erscheinenden Tageszeitung der CDU, die von der sowjetischen Besatzungsmacht lizensiert war. Sie war bis 1989 die Zeitung der CDU in der DDR. 366 Karl August Eckhardt (1901–1979), Rechtshistoriker, wechselte 1932 von der Handelshochschule Berlin an die Universität Bonn, zwischenzeitlich war er von 1935 bis 1937 an der Berliner Universität. Eckardt war aktiver SS-Mann mit engem Kontakt zu Himmler und ein gefährlicher Gegner Schmitts. 1945 als Prof. entlassen und ab 1950 als Privatgelehrter im heimatlichen Witzenhausen lebend. 367 Der US-General Robert A. McClure (1897–1957) war Direktor der „Information Control Division“, die die Medienkontrolle in der amerikanischen Besatzungszone ausübte. In Reaktion auf Stimmen, auch in den USA (u. a. Yehudi Menuhin), die Furtwängler rehabilitiert sehen wollten, erklärte McClure am 20. 2. 1946 öffentlich, dass Furtwängler „Staatsrat“ gewesen sei und daher nicht wieder in seine Position als Dirigent der Berliner Philharmoniker zurückkehren dürfe. 368 „Die letzten der Barbaren“, mit der Parole „ultimi barbarorum“ protestierte Spinoza 1672 gegen politische Verrohung in den Niederlanden. 369 Wilhelm Berning (1877–1955), kath. Bischof von Osnabrück, war wie Wilhelm Furtwängler und Carl Schmitt Preußischer Staatsrat. 370 Carl Schmitt, Antwortende Bemerkungen zu einem Rundfunkvortrag von Karl Mannheim. In: ECS, S. 13–24. 371 Karl Mannheim (1893–1947), Soziologe und Philosoph, seit 1930 Prof. in Frankfurt, 1933 entlassen und Emigration nach England, wo er Prof. an der Universität London wurde. Schmitt war mit Mannheim seit den 20er Jahren bekannt, im Tagebuch äußert er sich 1931 sehr negativ und antisemitisch über ihn (TB V, S. 109); Mehring (2017), S. 119–129. Da Schmitt schreibt, dass das Exposé seit September in
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Auslese fand, zu dem Exposé veranlaßt wurde, und dass das Exposé vom Sept. her noch in meinem Schreibtisch lag. Wenn es ihm Spaß macht, kann er es nach London und an K. Mannheim schicken, aber ohne meinen Namen.372 Möglicherweise hat auch Alfons373 Interesse daran, oder Walter Sch[midt] oder sonst ein ehrlicher und anständiger Mensch, dessen Bildung dafür ausreicht. Ich kenne Ihre Vorsicht und verlasse mich darauf. Dies ist also schon der 5. Besuch Annettes. Wie lange es so weiter geht, weiß ich nicht, aber ich bin jetzt sicher, dass ich mir nicht zuviele Sorgen machen darf. Oft denke ich so lebhaft an Sie, dass ich Sie unmittelbar anwesend meine, oft bin ich traurig, aber alle diese wechselnden Stimmungen machen mich nicht wehrlos. Sie kennen mich ja, liebste Duschka. Ich kann mir keine Illusionen mehr machen, nachdem ich einen tiefen Einblick in die Wirklichkeit unserer Lage getan habe, aber ich bin deshalb noch lange nicht hoffnungslos oder verzweifelt. Ich habe innerlich viel gelernt und erkannt, und das ist ein großer Gewinn. Vor allem habe ich gesehen, dass ich mit Ihnen in tiefster Seele verbunden bin und dass darin ein wunderbarer Trost liegt. Sagen Sie Dr. G[erstenberg], dessen Brief vom 5. Febr. ich erhalten habe, er möchte die versprochene Fortsetzung seines Berichtes über meine Verfassungslehre bald schicken. Lassen Sie auch Mutius374 Nachricht geben, dass ich in alter und treuer Freundschaft an ihn denke und dass ein Gespräch mit ihm zu den Dingen gehört, die ich mir am meisten wünsche. Wegen Patti bin ich auf eine Nachricht begierig, er heißt mit seinem Vornamen Pater Joachim. Wie ist es mit meinem Römischen Katholizismus? Ich hätte ihn gern einmal wieder in der Hand. Kann Pfarrer John ihn nicht einmal leihen? Allerdings ist sein Geistl. Jahr der Annette schon arg zerlesen. Doch ist das ein gutes Zeichen. Ich freue mich darauf, einmal mit unserer Tochter über diese Gedichte zu sprechen. Das gute, liebe Kind. Ich lasse den Leviathan375 noch einmal zeichnen. Das ist keine moderne Malerei und wird Anima große Freude machen. seinem Schreibtisch lag, wird die von Podach mitgeteilte Rundfunkansprache Mannheims und nicht der Zeitungsbericht der Anlass zu seinem Text gewesen sein. 372 „Das ist damals nicht gelungen und war später nicht mehr möglich“, vermerkt Schmitt zum Abdruck dieses Exposés in ECS, S. 23. 373 Alfons Adams. 374 Bernhard von Mutius (1913–1979), war von 1934 bis 1935 Assistent Schmitts an der Berliner Universität, arbeitete ab 1949 im DDR-Außenministerium, wurde 1950 wegen Spionage verhaftet und saß bis 1955 in einem sowjetischen Straflager, worüber er unter dem Pseudonym „Bernhard Roeder“ ein Buch schrieb („Der Katorgan“, Köln/Berlin 1956). Später arbeitet der Freund von Nicolaus Sombart für den Europarat; Schmittiana III, 1991, S. 153–155; BW Sombart, S. 89, 95 f., 99. 375 Von Franz Stassen; s. oben, Brief Schmitts vom 1. 2. 1946.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Am meisten denke ich, von den Freunden und Bekannten, an Hannes. Er ist von allen Bekannten, situationsmäßig von Deutschland her gesehen, der Wichtigste. Ich hörte, dass sein Breslauer Kollege, Prof. Helfritz376, als Ordinarius für öffentl. Recht nach Erlangen kommen soll. Vielleicht teilen die Eltern ihm das mit und suchen einmal Verbindung mit Helfritz. Aber ohne mich zu nennen, denn H. ist einer meiner dümmsten Feinde.377 Ich bin mit Walz der einzige internierte Professor des öffentlichen Rechts. Walz war alter, zunächst ganz ehrlicher Nazi und ein wirklicher Gelehrter,378 wenn auch sehr eng; seine Mitarbeit mit den Kroaten hat er schon bei seinem letzten Besuch, um Weihnachten 1944, bitter bereut. Die Saat des Unrechts wächst auf allen Seiten mächtig weiter. Der Kardinal Graf Galen hat in der römischen Kirche Santa Maria dellʼ Anima sehr schön gesprochen.379 Ich dachte an unser gutes Kind, als ich das las. Oft denke ich auch an Alfons und seinen Bruder Paul380, an dem ich mit großer Liebe hänge. Könnte Alfons nicht das beil. Exposé seinem Bruder mitteilen? Auch das, was ich Przywara berichtet habe, obwohl er Przyw. nicht schätzt, soviel ich mich erinnere. Sagen Sie Alfons auch, dass Prof. K[reuz] sich nicht nur als mein Retter, sondern auch als ein Prachtkerl bewährt hat, mit keinem der jetzt dozierenden Kümmerlinge zu vergleichen. Im übrigen: let’s not waste our time in apologies and regrets. Meine Liebe zu allen treuen Freunden ist durch Ihren schönen Geburtstagsbericht lebhaft entflammt. Allen bin ich von Herzen dankbar, besonders Annilein und Marlies, die Sie extra grüßen müssen. Sie selber, liebste Duschka, grüße und küsse ich in alter Liebe als Ihr getreuer und unveränderlicher Carl 376
Hans Helfritz (1877–1958), Prof. für Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht in Breslau, ab 1945 in Erlangen. 377 Dazu: Thomas Ditt, „Stoßtrupp Fakultät Breslau“. Rechtswissenschaft im „Grenzland Schlesien“ 1933–1945, Tübingen 2011. 378 Zu Schmitts Hochschätzung von Walz vgl. Glossarium, S. 159 und 462. 379 Clemens August Graf von Galen (1878–1946), seit 1933 Bischof von Münster, berühmt wegen seiner Predigten gegen die „Vernichtung unwerten Lebens“, wofür er am 18. 2. 1946 zum Kardinal ernannt wurde. In der erwähnten Predigt sprach er über die schwierige Lage in Deutschland und forderte die Regierungen der Siegermächte auf, Gerechtigkeit walten zu lassen. Wenn der Papst jetzt drei deutsche Bischöfe zu Kardinälen ernenne, so zeige er damit, dass er nicht das ganze deutsche Volk für verbrecherisch halte. 380 Paul Adams (1894–1961), Journalist, Bruder von Alfons Adams, im Glossarium als einer der wenigen treuen Freunde bezeichnet (Glossarium, S. 125); Schmittiana III, 1991, S. 117–124; Schmittiana VIII, 2003, S. 133, 142; TB III und IV, passim.
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1946-03-01 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13793; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 1. März 1946 Liebster Carl, in der Stube ist es warm und still, alle sind schlafen gegangen, und ich freue mich, Ihnen zu berichten über die letzten Tage. Am Dienstag, den 26. 2. war ich am Nachmittag im Lager und habe die Wäsche abgeholt. Das Paket war in Ordnung. Ich gab für Sie eine Nummer des „Aufbau“381 ab; es war darin ein interessanter Aufsatz von dem Präsidenten Friedensburg.382 – Ich wollte gerne die Hausschlüssel von Ihnen haben, deshalb habe ich an das Office geschrieben.383 Ich hatte auch um die Sprecherlaubnis gebeten. Der junge Beamte vom Office sagte mir, dass er mir geantwortet hat, und wenn ich die Antwort habe, möchte ich kommen und die Schlüssel holen. Nun warte ich auf den Brief und hoffe, dass ich vielleicht doch die Sprecherlaubnis bekomme. Ich glaube noch immer an die besondere Menschlichkeit der Amerikaner, wie sie Melville in seinen Büchern beschrieben hat. Am Dienstag sandte ich mit der Post ein Päckchen mit Zwiebeln und zwei Stückchen Wurst; es kam von unserem Kind und ich hoffe, es wird Ihrer Gesundheit gut tun und Sie etwas erfreuen. Am Mittwoch früh fuhr ich mit Anni nach Pankow. Ich habe den serbischen General angetroffen.384 Er war sehr liebenswürdig und meldete mich bei seinem juristischen Berater, Dr. Mikačić385. Mit ihm hatte ich eine sehr interessante Unterhaltung von 1 ½ Stunden gehabt. Er kennt persönlich Exzellenz Ivo Andrić und erzählte mir, dass Andrić in Belgrad lebt als Schriftsteller und dass es ihm gut geht. Es sind auch einige neue Erzählungen von ihm erschienen über Bosnien, die möchte ich gerne lesen. Ich freue mich sehr, dass ich ihm Grüße schicken kann und auch meinem Onkel, Professor Bubić in Belgrad. Das Gespräch war sehr angenehm und anregend. – Bei Haidi waren wir gegen 2 Uhr zum Mittagessen angekommen. Abends um 6 Uhr ging ich mit Marlies in ein russisches Konzert in Zehlendorf. Es sang unser Kirchenchor, ich traf viele Bekannte. Vater Michail hat mich 381
1934 in New York gegründete Zeitschrift der deutsch-jüdischen Emigration. Ferdinand Friedensburg, Um die Einheit des Reiches. In: Aufbau, 1946, H. 1, S. 23–31. 383 Brief vom 25. 2. 1946; RW 265 Nr. 13766. 384 Generalleutnant I. Avshich; s. oben, Brief Duschkas vom 28. 1. 1946. 385 Davor Mikačić (1909–1985), Jurist, später Prof in Zagreb. 382
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
eingeladen am Sonnabend, den 9. 3. nach der Kirche bei ihm zum Abendessen; das wollte ich gerne machen. So war Mittwoch ein Tag reich an Eindrücken, und abends war ich rechtschaffen müde. Donnerstag haben wir immer von 5–7 die englische Std., abends kam Dr. Podach und blieb bis 11 Uhr. Er hat uns einen hochinteressanten Vortrag gehalten über die Schizophrenie. Wir haben viel gelacht; es ist sehr schade, dass er kein Prof. geworden ist. Er lässt herzlich grüßen und hofft sehr, mit Ihnen bald ein Gespräch führen zu können. Heute Nachmittag hatte ich die russische Std. bei Frau Friedensburg; im Anschluss an die Arbeit haben wir immer eine nette Plauderstunde. Sie erinnert mich immer an Frau Popitz386, obwohl ich nicht sagen könnte, warum. Als ich nach Hause kam, fand ich einen Besuch, der schon ½ Std. auf mich wartete. Es war der Präsident Dr. W. Schröder von der Central-Post-Verwaltung. Er wollte sich nach Ihnen erkundigen. Er bedauerte, dass Sie noch immer nicht freigelassen sind. Er wollte gerne für Sie eine Erklärung abgeben,387 weil er Sie seit 1928 gut kennt und überzeugt ist, dass Sie für die Amerikaner keine Gefahr bedeuten. Er wollte entweder an Sie schreiben oder an den Offizier, der über Ihre Freilassung entscheidet. Sie können sich darauf berufen. Ich hoffe, dass die Überprüfung Ihres Falles nicht mehr lange dauern wird und freue mich auf die Zeit, wo Sie wieder bei uns sind. – Von unserer Tochter habe ich fröhliche Briefe; sie sind sehr beschäftigt mit den Vorbereitungen zum Karneval. Von Claire kamen gestern 4 Päckchen mit Liebesgaben, sie ist in Cloppenb[urg] gewesen. Ich bin sehr gespannt auf ihren ersten Bericht über die Kinder. Anni freut sich auch auf unsere Reise nach Cloppenburg; wir dachten, Mitte April zu reisen. Sie traf neulich Annette und freute sich sehr. – Von Prof. Weber kam ein rührender Brief an. Die Kinder waren viel krank, auch Frau Weber. Sie lassen sehr herzlich grüßen. Draußen ist herrliches Winterwetter; dabei denke ich, ob Sie’s wohl warm genug haben in Ihrer Baracke? Ich habe oft das Gefühl, dass Sie bald mit uns in der Ofenecke sitzen werden und fröhlich erzählen über die verflossenen Tage. Gute Nacht, lieber Carl, Gott schütze Sie! herzlichst Ihre [hs.:] Duschka
386
Cornelia Popitz, geb. Slot (1890–1936). Im Nachlass Schmitt findet sich die Trauerrede von Pastor Quittschau auf sie; RW 265 Nr. 20760. 387 RW 265 Nr. 21781.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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1946-03-06 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13794; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 6. März 46 Liebster Carl, heute morgen freute ich mich über die winterliche Landschaft; aus unserem Fenster sah man herrliche Bilder. Es war der Geburtstag von unserem lieben Vater. Ich dachte an diesen Tag vor 2 Jahren. Ich war in Plettenberg und habe das Festessen zubereitet und dem guten Vater gratuliert. Sie hatten in Berlin den ersten großen Tagesangriff mit viel Schaden in unserer Wohnung.388 Ich habe heute mit großer Liebe und Verehrung an den lieben Vater gedacht und habe Sehnsucht, mit Ihnen gemeinsam sein Grab zu besuchen. Eine Seelenmesse für ihn wollen wir lesen lassen, wenn Sie freigelassen sind; ich wäre in der Kirche allein zu traurig gewesen. Ihre Schwestern in Plettenberg haben heute die Messe für die lieben Eltern lesen lassen. Bald wollte ich Herrn Pfarrer John besuchen. Heute war ich mit Anni in Dahlem. Wir fahren bis Lichterfelde-West und gehen dann durch den Park. Ich liebe diesen Weg, der für mich verbunden ist mit vielen schönen Erinnerungen. Heute sah der Park wie verzaubert aus unter der weißen Schneedecke. Haidi hatte uns festlich bewirtet; es war so gemütlich in ihrer warmen Stube. Am Abend hatte ich noch mit Herrn Geheimrat gesprochen, er besucht öfters Hannes in der Lehrter Str.389 Wir hatten auch Peter W[ever]390 besucht für eine halbe Std. Er hat sich lebhaft unterhalten über das Zeitalter des Wassermanns, hat Interesse für Augendiagnostik und Theosophie. Er hat versprochen, seinem Vater jetzt öfters zu schreiben. Die Umgebung, in der er lebt nach dem Tod der Mutter, wird für seine Interessen wenig Verständnis haben. Offenbar ist ein Defekt vorhanden, aber seine Interessen liegen auf dem
388
Demnach muss Anfang März 1944 auch die Wohnung Schmitts in Schlachtensee durch Bomben getroffen worden sein. 389 Hans Schneider saß seit Dezember 1945 im Gefängnis in der Lehrter Straße in Berlin-Moabit. Er hatte den Amerikanern ungenaue Angaben in seinem Einstellungsfragebogen gemacht, weswegen er zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Auf Grund eines Gnadengesuches der Mutter und der Bekennenden Kirche wurde die Haft auf ein Jahr reduziert. Ende September 1946 kam er frei (s. unten, Brief Duschkas vom 17. 5. 1946 sowie frdl. Mitteilung von R. Mußgnug). Auch ihm brachte Duschka frische Wäsche und Lebensmittel ins Gefängnis; s. ihren Brief an G. Jünger vom 20. 12. 1945 und an Anni Stand vom 22. 5. 1946 (DLA, Zugangsnr. HS.1994 0009). 390 Der psychisch kranke Sohn von Schmitts Zellengenossen Wever (s. Brief Schmitts vom 1. 2. 1946).
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
geistigen Gebiet, und das Wesen hat etwas Sympathisches. Er sagte, dass er im Jahr 1938 Ihre Vorlesungen noch besucht hat. Gestern war ich mit Anni in der Stadt. Wir hatten die Miete bezahlt und besuchten die Ausstellung bei Rosen.391 Er hat Werner Heldt392 und Paul Dierkes ausgestellt. Es war für mich eine große Freude, die Bilder von Heldt wiederzusehen. Er ist vor kurzem aus der Gefangenschaft zurückgekehrt. Ich habe ihn für Sonntag zum Mittagessen eingeladen und freue mich sehr, ihn zu sehen! Von Dierkes waren einige besonders schöne Plastiken; eine kleine Bronzefigur „Alte Tante“, die ich zauberhaft schön finde, stark beeinflusst von Barlach. Nach der Ausstellung haben wir Dierkes in seinem Atelier in der Niebuhrstr. besucht, es war sehr nett. Er erzählte, dass er dieser Tage nach Cloppenbg. fahren wollte mit einem englischen Auto.393 Vielleicht ist aber auch alles Fantasie. Hans Kuhn394 ist Kulturwart in Baden-Baden. Vietta395 ist in Hamburg, und der Maler Becker396 ist auch aus der Gefangenschaft zurück. Dierkes wollte eine Ausstellung machen in Hamburg, Köln und Baden-Baden. – Am Montag früh kam Ihr Schüler, Referendar Ohnsorge397, und erkundigte sich nach Ihnen. Er lässt herzlich grüßen. Es geht ihm gut, er arbeitet in Sachsen. Am gleichen Morgen kam auch Alfons; er erzählte, dass er Ihnen geschrieben hat und brachte mir die Abschrift seines Briefes398. Seiner Frau und den Kindern geht es gut. Am Sonntag Nachmittag kam überraschend Frau Bahlmann399 mit den beiden Jungens zu Besuch. Sie hatte auch Heiligabend Nachricht von ihrem Sohn Jens400 aus Amerika bekommen. (Nachdem sie 1 ½ Jahre ohne Nachricht war.) Darüber habe ich mich ganz besonders gefreut! Sie lässt herzlich grüßen und alles Gute wünschen. – 391
s. oben, Brief Duschkas vom 28. 12. 1945. Werner Heldt (1904–1954), Maler, mit Duschka und Carl Schmitt bekannt (s. unten, Duschkas Brief vom 12. 3. 1946), wurde am 28. 12. 1945 aus britischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Über die Ausstellung vgl. Lucius Grisebach (Hrsg.), Werner Heldt, Nürnberg/Berlin 1989, S. 49 f. 393 Paul Dierkes kam gebürtig aus Cloppenburg. 394 Hans Kuhn (1905–1991), Maler und Graphiker. 395 Egon Vietta (1903–1959), Essayist, Dramaturg und Kritiker. 396 Franz Becker (1907–1990), Maler. 397 Werner Ohnsorge (1904–1985) Byzantinist und Archivar, ab 1961 Honorarprof., ab 1960 o. Prof. für Mittlere und neuere Geschichte in Hamburg. 398 RW 265 Nr. 34 (Abschrift), Nr. 35 (Original). 399 Emmy Bahlmann (?–?) wohnte zeitweise im Haus Kaiserstuhlstraße 19. Duschka war Patentante ihres Sohnes Heiner; s. Bahlmann an Duschka in: RW 265 Nr. 29942. 400 Jens Bahlmann war seit den Kämpfen um Aachen als vermisst gemeldet (Brief Duschkas an Anima vom 21. 2. 1945; DLA, Zugangsnr. HS.1994 0009). 392
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Neulich las ich in der Zeitung folgende Notiz: Die Universität Berlin ernannte für ihre juristische Fakultät folgende Leipziger Gelehrte zu ordentlichen Professoren: Prof. Richard Lange401, Sprach- und Prozessrecht, Prof. Otto de Boor402, bürgerliches Recht und Prof. Erwin Jacobi403, öffentl. Recht. In der philosophischen Fakultät wurde zum ordentl. Prof. der engl. Philologie Prof. Dr. Schnecking404, Jena, ernannt. – Sonst bei der Eröffnung der Universität waren von der jur. Fakultät folgende Kollegen anwesend: Prof. Kohlrausch, Erbe405, Peters und Meerwarth406. Ich wollte einmal in die Buchhandlung gehen und Frl. Mache besuchen. – Gestern bekam ich von Prof. Weber eine sehr traurige Nachricht; er schrieb, dass mein liebes Patenkind Axel407 schwer erkrankt sei an Scharlach und Diphterie, und dass die Ärzte wenig Hoffnung haben. Es würde mir [hs.:] sehr leid tun, wenn sie das Kind verlieren sollten, nach all den Sorgen, die sie bisher hatten. Ich habe ihm gestern einen langen Brief geschrieben. Anni und Marlies grüßen herzlich. Gute Nacht, lieber Carl! Gott beschütze Sie. Herzlichst Ihre Duschka.
401 Richard Lange (1906–1995), Prof. für Strafrecht in Jena. Den Ruf an die Berliner Humboldt-Universität lehnte er ab, stattdessen wurde er 1949 Prof. an der Freien Universität in Berlin. 402 Hans-Otto de Boor (1886–1956), Prof. für Bürgerliches Recht in Leipzig. Er lehnte den Ruf nach Berlin ab und wurde 1950 Prof. in Göttingen. 403 Auch Erwin Jacobi lehnte den Ruf ab und blieb Prof. in Leipzig. 404 Das muss ein Missverständnis sein; einen Anglistikprofessor dieses Namens gab es in Jena nicht. Hier besetzte 1946 Hermann Martin Flasdieck (1900–1962) das anglistische Ordinariat; 1947 wechselte er nach Heidelberg. 405 Walter Erbe (1909–1967), war kommissarischer Dekan der Jur. Fakultät, später Prof. in Tübingen. 406 Rudolf Meerwarth (1883–1969), Nationalökonom und Statistiker, kommissarischer Dekan der Staatswissenschaftlichen Abteilung. Duschka schreibt „Maiwald (oder Merwald?)“. 407 Drittes Kind von Werner Weber und seiner Ehefrau Marta. Weiterer Pate war übrigens Hans Barion.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1946-03-06/08 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 19619
6. März Heute denke ich an unsern guten Vater und Opa.408 Er war für 57 Jahre meines Lebens, in den verschiedensten Entwicklungsstadien und Situationen, ein Teil meiner Existenz, und ist das heute noch, für den ganzen übrigen Rest meines diesseitigen Daseins. Auf seine stille und bescheidene Weise hat er mehr getan als alle Aktivisten und Geldverdiener in einer ganz auf Geldverdienen eingestellten Welt. Jetzt liegt er auf dem schönen Friedhof über Eiringhausen. Wer weiß, ob, und wann und wie, wir einmal noch an seinem Grabe stehen und beten können. Ich fühle, dass ich immer mehr von seinem Schicksal übernehme, seitdem er gestorben ist, das war sein Erbe an mich, das ist in der gegenwärtigen Lage die Hilfe, die er mir schickt. Er war hilflos gegenüber dem rasenden Ich-Wahn seiner Umgebung, und so ist er auch der Katastrophe dieses Ich-Wahns entgangen. Uns wird das nicht mehr möglich sein, aber wir haben wenigstens die Erinnerung an ein wirkliches Lamm unter den Wölfen. Mit den Kartoffeln komme ich gut aus; Geheimrat W[ever] sucht die Keimenden rechtzeitig aus und teilt alles schön ein. Ein wahres Glück, denn das Essen ist so knapp wie in den schlimmsten Hungerwochen des Herbstes. Doch halte ich es bisher ohne Schaden aus. Könnte mir H. Freyer nicht einmal direkt schreiben? Sind meine Manuskripte noch gut verwahrt? Vorsicht, auch gegenüber Frau H[ahm]. Ich hörte, der Verlag Stalling in Oldenburg sei wieder zugelassen; vielleicht ist Hans Zehrer409 wieder darin tätig. Haben Sie noch einige Exemplare „Land und Meer“? Ich habe keinen schwarzen Zwirn mehr. Mein brauner Rock ist sehr geflickt, aber einige Monate geht es noch. Weiße Kragen sind sehr unpraktisch, weil sie in einer Stunde schmutzig sind. Das beste wäre ein grauer Schawl. Aber ich bin noch nicht verwahrlost, und ehe wir uns meinetwegen Sorgen machen, wollen wir lieber den Sommer abwarten. Es war trotz allem gut, dass ich schon im Herbst 1945 meiner Illusionen beraubt wurde und nicht erst, wie Mezger, im März 46.410 Deutschland 408
Johann Schmitt, der Vater Carl Schmitts, wurde am 6. März 1853 in Bausendorf (Eifel) geboren. 409 Hans Zehrer (1899–1966), Journalist, trat 1941 in den Vorstand des Verlags Stalling ein und übernahm nach dem Tod Heinrich Stallings 1942 die Leitung. 1943 wurde er eingezogen und schied damit praktisch aus dem Verlag aus, der nach dem Krieg von den Alliierten verboten wurde und bei dessen Neulizensierung 1948 Zehrer keine Rolle mehr spielte. Stattdessen wurde er im Februar 1948 Chefredakteur vom „Sonntagsblatt“ und von 1953 bis 1966 Chefredakteur der „Welt“. 410 s. unten, S. 178 und 208.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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steht immer noch vor der großen Option zwischen Westen und Osten, Churchill ist eine Art Katéchon, aber Donoso Cortés411 hat schon vorausgesagt, dass die liberale Bourgeoisie jede echte Entscheidung verwirrt. Ich möchte zu gern mit Antonio de Luna sprechen und Alvaro d’Ors412. In Spanien fällt die erste Entscheidung. Jetzt kommen viele Gedenktage: am 9. Carl Alexander413, am 19. Namenstag von Jup, am 24. Geburtstag von Ännchen, am 26. von Ernst Jünger, am 7. April Tante Üssi. Schreiben Sie doch dem armen Ännchen; sie ist ja doch mein Schwesterlein, und will von mir getröstet sein.414 8. 3., in Eile, grüß Sie Gott, liebste Duschka, seien Sie guten Mutes; ich bin gar nicht bange und freue mich, Ihnen guten Tag sagen zu können. Trotz aller Traurigkeit meines jetzigen Daseins bin ich sofort fröhlich, wenn ich an Sie und an meine tapfere Familie denke. Schreiben Sie mir bald, seit dem Brief vom 9. Februar habe ich keinen Brief von Ihnen (nur die Abschriften). Immer und überall von ganzem Herzen Ihr Carl
1946-03-12 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13795; ms.
Berlin-Schlachtensee, 12. März 1946, Dienstag Liebster Carl, heute schien die Sonne, und die Erde roch nach Frühling, so dass wir an die Gartenarbeit denken. Den Winter haben wir bisher gut überstanden und wir hoffen, dass Sie auch nicht zu frieren brauchen. In diesen Tagen kommt wohl ein Brief von Ihnen, auf den ich mich sehr freue. Die Briefe von Pfarrer Gebhardt, Dr. Adams, Präsident Schröder und Präsident Friedensburg 411
Juan Donoso Cortés (1809–1853), span. Diplomat und Geschichtsphilosoph. Álvaro d’Ors (1915–2004), Prof. für Römisches Recht in Granada und Santiago; s. BW d’Ors. 413 Der 9. März 1934 ist der Geburtstag des zweiten Jünger-Sohnes Carl Alexander, dessen Pate Carl Schmitt war. 414 Zitat aus Wagners „Lohengrin“; recte: „Am Ufer harrt mein Schwesterlein: Das muss von mir getröstet sein.“ 412
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
werden Sie wohl erhalten haben.415 Heute bekam ich einen Brief von Frau Schmitz aus Wiesbaden. Prof. Schmitz ist vor einigen Wochen nach Hause gekommen, nachdem er im Kriege viel Schweres und viel Schönes erlebt hat. Ich bin glücklich über diese Nachricht; die arme Mumi416 wird es jetzt leichter haben. Die beiden lassen Sie sehr herzlich grüßen. Am Sonnabend war ich in der Kirche; es war wunderschön. Vater Michail hatte eine Beerdigung gehabt und bat mich am kommenden Samstag zum Abendessen. In der Kirche traf ich meine lieben Bekannten zum ersten Mal seit Kriegsende. Anna N. Rauert sah besonders hübsch aus, und es geht ihr sehr gut. Fürstin Troubetzkoy417 arbeitet als Übersetzerin für vier Sprachen bei der englischen Militärregierung; sie war sehr zufrieden. Auch sonst hatte ich mit vielen alten Freundinnen ein herzliches Wiedersehn. Alle lassen Sie herzlich grüßen und beten für Sie. Es war so schön, bei brennenden Kerzen die frommen Menschen zu sehen. – Wir hatten einen schönen Sonntag gehabt. Der Maler Heldt kam zum Mittagessen. Es war für mich eine große Freude, ihn wiederzusehen. Er hat sehr interessant erzählt über seine Kriegserlebnisse. Seine alte Mutter hat den Krieg gut überstanden, und ihre drei Söhne sind am Leben geblieben. Werner Heldt hat viele von seinen Bildern gerettet; ich bin sehr gespannt auf seine neuen Arbeiten. Er lässt Sie herzlich grüßen und freut sich auf die Stunde, wo er sich mit Ihnen wieder unterhalten kann. Unsere Stube fand er viel schöner als in Dahlem; sie ist auch sehr gemütlich und geschmückt mit vielen Blumen, richtig wie im Frühling. Nachmittags um 5 Uhr kam die Mutter von Igor. Ihr Besuch hat mir viel Freude gemacht. Sie erzählte viel von Semjonow418, dass er gerne nach Berlin zurückkäme und noch keine Erlaubnis hat. Er hätte sich so sehr herzlich nach uns Beiden erkundigt und grüßen lassen. Vater Johann lebt in der Nähe von New York und es soll ihm recht gut gehen. Die Mutter von Igor brachte heute ein großes Weißbrot und etwas Kaffee für Sie und lässt sehr herzlich grüßen. Das hat mich sehr gerührt; sie wäre beleidigt gewesen, wenn ich es nicht angenommen hätte. Am Sonntag waren auch noch die beiden Kameraden von Anni [da] und haben Holz gesägt. So war viel Leben im Hause. Gestern kam Tante Louise, die 415
Entlastungszeugnisse für Schmitt; RW 265 Nr. 21781. Maria Schmitz war die Patentante von Anima Schmitt und wurde in der Familie „Mumi“ genannt; zahlreiche Brief von ihr an Duschka in: RW 265 Nr. 29942. 417 Fürstin Marina Troubetzkoy, geb. Prinzessin Gagarina (1893–?). 418 Jurij N. Semjonow (1894–1977), russ. Wirtschaftsgeograph, war wie Duschka in der russ.-orthodoxen Gemeinde Berlin aktiv, hatte in Dahlem benachbart (Kreuznacher Str. 38) gewohnt und ging nach dem Krieg nach Schweden, wo er sich mangels Gesprächspartnern unwohl fühlte; vgl. seinen Brief an Schmitt vom 14. 9. 1950, in: Schmittiana VII, 2001, S. 345–348; Schmittiana VI, 1998, S. 275–277; s. Abb. 8 bei Giesler (2014). 416
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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wieder viel auf dem Herzen hatte; dazu kam am Nachmittag noch Frau Schneider419. Es war sehr gemütlich mit den alten Damen. Heute fuhr Tante Louise ganz vergnügt nach Hause. Auf Ihrem Schreibtisch liegt noch der schöne Apfel, den Sie zurückgelassen haben. Das gesamte Zimmer duftet danach. Jedes Mal wenn ich vorbeigehe denke ich, der Apfel wartet noch auf Ihre Rückkehr. Ich freue mich sehr auf Ihren nächsten Brief und grüße Sie herzlichst Ihre [hs:] Duschka Von Prof. Walz kam heute eine Karte. Die Abschrift geht morgen an Sie ab. Anni bestellt ebenfalls liebe Grüße. Morgen, am Mittwoch, bringen wir das Paket für Sie, und anschließend gehen wir zu Haidi zum Mittagessen. Anbei das Inhaltsverzeichnis.420 [von Marlies Rosenhahn:] Lieber Herr Professor, all den Grüßenden möchte ich mich auch noch anschließen. In Gedanken und Gesprächen sind wir ja so oft bei Ihnen. Aber bitte stellen Sie sich nicht vor, dass wir Trübsal blasen. Heute Abend z. B. sind wir wieder sehr fidel. Frau Professor konnte sich so köstlich amüsieren über ihren Einstieg durchs Küchenfenster (die Haustür ist nicht ganz in Ordnung), dass wir so herzhaft angesteckt wurden. Recht herzliche Grüße [hs.:] Marlies 1946-03-? Carl Schmitt an Duschka Kopie, Privatbesitz; Fragment
[…] Ich habe die Briefe von Üssi,421 von Ännchen422 und Hans Freyer423 erhalten. Pfarrer Gebhardt424 schrieb mir ebenfalls einen schönen Brief. Danken Sie allen herzlich dafür. Die Zeitschrift „Aufbau“ mit dem Aufsatz von Friedensburg ist richtig angekommen.425 Vor allem aber das großartige Päckchen 419
Maria Schneider, Mutter von Hans Schneider; Briefe von ihr an Duschka in: RW 265 Nr. 29942. 420 Fehlt. 421 Vielleicht RW 265 Nr. 12742 (vom 5. 2. 1946). 422 RW 265 Nr. 12736. 423 H. Freyer an Duschka Schmitt vom 19. 2. 1946; RW 265 Nr. 4324. 424 H. Gebhardt an C. Schmitt vom 22. 2. 1946 RW 265 Nr. 4668. 425 s. oben, Brief Duschkas vom 1. 3. 1946.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
mit dem Stück Mettwurst und den Zwiebeln, eine wahre Lebensspeise in dieser hungrigen Zeit. Am 4. März habe ich einen Karton mit einigen leeren Gläsern und einem Handtuch im Office zum Abholen abgegeben. Das nächste Paket von Ihnen wird wohl erst am 20. März kommen können; ich würde dann die alte Wäsche am 25. oder 26. März in der alten Weise für Sie bereit legen. Es ist freilich alles unberechenbar, häufiger Wechsel der Regelungen und absolute Rechtlosigkeit auf allen Seiten. P[atti] hat mir das Buch von Martin Delp „Tragische Existenz“ versprochen.426 Frl. Gotthelf hat eine Photokopie meines „Römischen Katholizismus“; hat sie sie zurückgegeben und ist sie noch in Berlin? […] Am 6. März kamen die Zeitungen an (der Tagesspiegel bis 3. März); vielen Dank. Die Nachricht, dass Erwin Jacobi als Professor des öffentlichen Rechts nach Berlin berufen ist, gibt zu vielen Überlegungen Anlass. Dass der Vorstoß Furtwänglers verfrüht war, sieht heute jeder. Diese Erkenntnis kann einen trösten, wenn man in den Leiden und Depressionen der Gefangenschaft die Geduld verliert und meint, draußen in der Freiheit seien große Dinge zu tun und man dürfe den Schiebereien der Bußgewinnler das Feld nicht überlassen. Solche Stimmungen überwältigen einen öfters, aber es ist leicht, ihre Sinnlosigkeit zu erkennen. Allzu aktive Regungen sind übrigens schon durch den Hunger gedämpft. Die Verhaftung von Prof. Mezger427 aus München, der in Nürnberg an der Verteidigung beteiligt war, ist ein Symptom, auch für meine Lage. Vor dem Juni oder Juli kann der Prozess nicht zu Ende sein; vorher also wohl auch keine Entlassung. Ich hätte zu gern Legalität und diskriminierender Kriegsbegriff; aber es ist wirklich nicht gut, sie jetzt zu schicken. Vielleicht könnte mir Tante Claire einmal von Köln ein Päckchen direkt ins Lager schicken. Päckchen aus Berlin sind verboten, doch habe ich bisher 2 (1 mit Honigkuchen, 1 mit Zwiebeln) erhalten. […]
426
Nicht Martin, sondern: Alfred Delp, Tragische Existenz. Zur Philosophie Martin Heideggers, Freiburg 1935; s. unten, Brief vom 18./20. 3. 1946. A. Delp war zusammen mit Popitz am 2. 2. 1945 hingerichtet worden. 427 Edmund Mezger war einige Wochen in Nürnberg inhaftiert, weil man ihn verdächtigte, dem Sicherheitsdienst der SS angehört zu haben. Der Verdacht war aber nicht zu erhärten. Mezger konnte 1948 auf seinen Münchener Lehrstuhl zurückkehren.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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1946-03-12/14 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13472
Dienstag, den 12. März Vorigen Sonntag habe ich den Formularbrief428 geschrieben. Gestern, Montag, kam morgens der Brief vom 24. Februar und abends der vom 1. März. Der erste, der am 26. zur Post gegeben war, hat fast 14 Tage gebraucht, um in meine Hände zu gelangen, während die Briefe bisher meistens nur 3–4 Tage unterwegs waren. Über die vielen Nachrichten bin ich sehr erfreut. Wegen des Besuchs in Pankow429 hatte ich mir etwas Sorgen gemacht, aus mehreren Gründen und von beiden Seiten her (der östlichen und der westlichen), aber es scheint ja gut gegangen zu sein. Wunderbar, dass sich endlich ein Fenster zu Ihrer Heimat zu öffnen scheint, auch wieder eine Nachricht von Andrić kommt. Nur von Ihrer j[ugoslawischen] Staatsangehörigkeit schreiben Sie noch nicht. Vorsicht, dass man Sie nicht verschleppt. Zum Unterschied von L[ewinski] bin ich der Meinung, dass es auf das Schicksal unserer armen Bibliothek leider keinen großen Einfluß haben wird, ob Sie oder ich noch eine andere Staatsangehörigkeit haben. Bei der heutigen Lage Deutschlands, Europas und der Welt kann das ebensogut ein Grund zu neuen Komplikationen sein. Hier, in meiner gegenwärtigen Lage, gewinnt man erstaunlich klare Einsichten. Es ist eine große Übung im geduldigen Schweigen und in der Erkenntnis menschlicher Niedertracht. Umso mehr hat es mich gerührt, dass sich noch einige Männer gefunden haben, die für mich eintreten: Fr[iedensburg], dessen Brief430 gestern Abend eintraf, Pfarrer G[ebhardt] und der gute Dr. W[alter] Sch[midt]. Ich weiß nicht, was es praktisch nützt, aber es genügt schon dieses Interesse an einem Gefangenen und (glauben Sie mir das) total Entrechteten. Kein einziger Berliner Kollege hat sich gemeldet. Das ist gut so. Wenn Sie noch Interesse für Universitätsangelegenheiten haben, müssen Sie in der „Neuen Zeitung“ vom 3. und 11. März die Geschichte von dem Münchener Rektor Prof. Alb. Rehm431 lesen, der wegen „Frechheit“ abgesetzt worden ist, weil er gesagt hat, es hätte auch in den 12 Jahren einwandfreie wissenschaftliche Arbeit in Deutschland gegeben. Diese Sache ist noch
428 Vermutlich der offiziell zugelassene Brief im Unterschied zu den an der Zensur vorbei gesandten. 429 s. oben, Brief Duschkas vom 1. 3. 1946. 430 Friedensburg an C. Schmitt vom 25. 2. 1946: RW 265 Nr. 4369. 431 Albert Rehm (1871–1949), klass. Philologe, von Mai 1945 bis Februar 1946 erster (kommissarischer) Nachkriegsrektor der Münchener Universität.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
wichtiger als der Niemöller-Streit432. Nachfolger Rehms wurde Prof. Karl Vossler433. Er war 1944 in Spanien und Portugal und hat dort, ebenso wie ich, Vorträge gehalten. Ich kann Ihnen nur raten, diese „Neue Zeitung“, die in München erscheint, stets aufmerksam zu lesen. Auch die englischen Lektionen, die in jeder Nummer stehn, sind gut; vielleicht kann man sie ausschneiden und Anima schicken. Haben Sie die Hausschlüssel inzwischen erhalten? Ich gebe nicht viel auf die freundlichen oder tröstlichen Redensarten, mit denen man uns gelegentlich traktiert, wie man einem Verhungernden aus Humanität eine Zigarette anbietet. Deshalb tut es mir auch immer so leid, wenn ich höre, dass Sie sich soviel um eine Sprecherlaubnis bemühen und immer abgewiesen werden, liebe, gute Duschka. Sie wissen, wie ich darüber denke. Aber Sie wissen auch, dass ich Ihnen in nichts hineinrede und Ihnen Ihren Weg lasse. Wir beide haben einen sehr verschiedenen Stil, und jeder muss seiner eigenen Methode treu bleiben. Umso schöner, wenn das gemeinsame Resultat für uns beide glücklich ist. Man kann wirklich neugierig darauf sein. Ich werde schnell alt und dem guten alten Opa immer ähnlicher. Nur so alt wie der Opa werde ich nicht werden, und meine jetzige Lage ist nicht dazu angetan, das Leben zu verlängern. Vorigen Sonntag hatte ich einen merkwürdigen Traum: Wir hatten Gäste im Haus, viele Freunde, es war gerade eine Pause; ich suchte Sie und fand Sie unten im Garten, wo Sie auf ein Kleid warteten, das Anni bringen sollte; dabei dachte ich mir, ob Anni die versprochenen Möbel nun wirklich erhalten hat und ob ich Ihnen dafür noch eine Unterschrift oder Vollmacht schicken soll. Schreiben Sie mir, ob Sie etwas Derartiges brauchen. In Anni wird jetzt wohl wieder ihr Wandertrieb erwachen. Ich denke mit großer Dankbarkeit an ihre Treue während über 2 schweren Jahren. Auf Ihre Reise im April bin ich gespannt. Lassen Sie sich nicht durch Rücksichten auf mich von der Reise nach dem Westen abhalten. Ich glaube nicht an eine schnelle Entlassung und Befreiung aus dem Buß- und Rache-Automatismus, in dem ich gefangen sitze. Aber ich bin auch nicht verzweifelt, liebe Duschka, und voller Dankbarkeit dafür, dass wir alle diesen Winter überstanden haben.
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Der evang. Theologe und NS-Gegner Martin Niemöller (1892–1984) war ein scharfer Kritiker der alliierten Besatzungspolitik in Deutschland. 433 Karl Vossler (1872–1949), Romanist, war 1937 in München zwangsemeritiert, doch wegen seines wissenschaftlichen Ansehens 1944 zum Leiter des Deutschen wissenschaftlichen Instituts in Madrid ernannt worden. Das Rektorenamt, das er schon einmal 1926/27 innehatte, übte er nur vom 1. 3. bis 31. 8. 1946 aus. Carl Schmitt kannte ihn aus dem Dozentenkolloquium Max Webers in München 1920.
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Donnerstag 14. März Gestern Nachmittag kam Ihr großartiges Doppelpaket. Liebe Duškica, ich war tief gerührt und überrascht, weil ich es erst für den 20. März erwartet hatte. Alles: Wäsche, Kuchen und Gebäck, Kaffee, Zucker und die 2 Büchlein (Großinquisitor und Däubler) sind richtig in meine Hände gekommen. Auch die Zwiebeln. Ich wollte Sie schon lange bitten, Anima wegen ihrer schönen Päckchen zu danken, Honigkuchen, Wurst und Zwiebeln. Das ist in diesem kümmerlichen Wassersuppen-Dasein etwas Unglaubliches. Schreiben Sie ihr, dass ich mit 14 ½ Jahren meinem Vater solche kostbaren Geschenke nicht machen konnte. Ich wiege jetzt weniger als 120 Pfd, also weniger als Anima. Aber im Vergleich zu den meisten andern ist es noch nicht einmal so schlimm, dank Ihrer guten Fürsorge und dank Prof. K[reuz]. Schreiben Sie Anima auch, sie solle Schach spielen lernen, das ihr wahrscheinlich große Freude machen wird, wenn sie mathematische Begabung hat. Ich freue mich sehr darauf, mit ihr zu spielen und habe hier etwas gelernt. Das nächste Paket mit schmutziger Wäsche gebe ich zum 26. März ab, sodass es an diesem Tage abgeholt werden kann. Ich habe jetzt genug Wäsche und zu viele weiße Kragen. Es wäre schade, hier in der Baracke die schöne Wäsche abzunutzen. Auch halte ich es für gefährlich, zuviel Wäsche hier zu haben, weil sonst das Gepäck zu unübersichtlich und die Gefahr des Verlustes (bei Umzug und Verlagerungen) zu groß wird. Die meisten haben hier nur 1 Hemd, und von allem nur 1 Stück. Nun denken Sie sich einmal eine „Gemeinschaft“ von 5–600 Menschen, die sich gegenseitig bis in jedes körperliche Detail täglich und stündlich mit hass- und neiderfüllten Augen beobachten und jede Beobachtung zum Gegenstand ihres boshaften Geschwätzes machen. Hier sind keineswegs nur gebildete Leute, und auch die gebildeten – ! Dr. Schranz hat einen Dankesbrief verdient. Nicht nur wegen der Butter. Schreiben Sie ihm, dass ich den Christlichen Epimetheus von Konrad Weiß434 seit dem ersten Tage der Haft ununterbrochen studiere und herrliche Dinge entdecke. Senges435 brauner Wollanzug hält sich fabelhaft; der gute Geheimrat W[ever] kämpft mit Nadel und Garn gegen die wachsende Auflösung; bisher erfolgreich. Einige Wochen geht es noch, vielleicht auch noch 434
Konrad Weiß, Der christliche Epimetheus, [Berlin] 1933 (Widmungsex. von K. W. mit seinem Gedicht „Justitia“); RW 265 Nr. 23187; weiteres Exemplar: RW 265 Nr. 28921. Beide Exemplare sind ganz zerlesen und von Schmitt überreich mit Anmerkungen versehen. Letzteres hat er in rotes Leinen neu aufbinden lassen und vorne und hinten eng beschriebene Seiten beigebunden. 435 Eugen Senge-Platten (1890–1972), befreundeter Bildhauer in Siedlinghausen; Egon Pfeifer (Hrsg.) Eugen Senge-Platten zum 100. Geburtstag, Fredeburg 1990.
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einige Monate. Ich schlafe sogar in diesem wunderbaren Gewand und habe mich dadurch in der Baracke ohne große Erkältungen gesund gehalten. Statt auf Stroh schlafe ich jetzt auf Holzwolle, die sauberer, aber nicht so warm ist. Seife habe ich noch genug. Bei Marlies muss ich mich noch für die Schokoladenplätzchen extra bedanken. In meinem Schreibtisch waren an der Rückseite in den Fächern viele Sonderdrucke von Aufsätzen, an denen mir besonders liegt. Sind die auch mitgenommen worden? Das wäre schade, denn es waren ausgesuchte Sachen. Wichtig ist für mich im Augenblick ein Sonderdruck, von dem noch mehrere Exemplare da waren: Weiterentwicklung des totalen Staates in Deutschland (Febr. 1933) aus der Europäischen Revue.436 Dieser Aufsatz ist sehr bedeutungsvoll, weil er den Augenblick des Umschlags vom 30. Januar 1933 sehr gut trifft und meine eigene, vollkommen sachliche und wissenschaftliche Haltung beweist. Er war für Ott437 und Schleicher438 geschrieben, um eine weitere Reichstagsauflösung vorzubereiten, die Hitler einen entscheidenden Schlag versetzt hätte. Das haben aber gerade das Zentrum und die demokratischen Parteien durch ihre gemeinsame Front gegen Schleicher verhindert. Zeigen Sie den Aufsatz einmal Dr. Podach (der Aufsatz ist das innerpolitische Gegenstück zu Podachs wichtiger These, dass außenpolitisch MacDonald439 den Sturz Schleichers und damit die Machtergreifung Hitlers verursacht hat). Sie können auch jedem Interessenten erzählen, dass ich bereits die Regierungserklärung formuliert hatte (im Auftrag von Ott und Marcks440), mit der [von] Schleicher im Feb. 33 der Reichstag aufgelöst werden sollte, und dass der genannte Aufsatz als publizistische Vorbereitung dieser Auflösung gedacht war. Das wird Podach interessieren, aber auch jeden, der verfassungsrechtlich und geschichtlich an dem richtigen historischen Bild interessiert ist, vielleicht auch Friedensburg und den Geheimrat L[ewinski]. Es ist eine meiner am besten gelungenen Arbeiten, so klein [sie] ist (4–5 Seiten). 436
Carl Schmitt, Weiterentwicklung des totalen Staates in Deutschland. In: Europäische Revue IX/2, 1933, S. 65–70 (mit Nachbemerkung auch in: VA, S. 359–366). 437 Eugen Ott (1889–1977), Generalmajor und Diplomat, gehörte mit Schmitt zu den Beratern Schleichers bei dessen Überlegungen, Rechte und Linke von der Macht fernzuhalten; s. TB V passim. 438 Kurt von Schleicher (1882–1934), General und Politiker, wurde im Dezember 1932 Kanzler, trat am 28. 1. 1933 zurück, da Hindenburg die angestrebte Auflösung des Reichstags ablehnte. Im Zuge der „Röhm-Morde“ wurde er 1934 ermordet. 439 Ramsay MacDonald (1866–1937), britischer Premierminister von 1929 bis 1935. 440 Erich Marcks (1891–1944), Offizier der Reichswehr, unter den Reichskanzlern Papen und Schleicher Reichspressechef, nach der „Machtergreifung“ wieder zur Truppe, gefallen als General in der Normandie. (Schmitt schreibt „Marx“). Vgl. die Schreiben von der Ehefrau Elisabeth Marcks an C. und Duschka Schmitt, in: RW 265 Nr. 29942.
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Es wäre sehr schade, wenn sie verloren gegangen wäre. In den „Positionen und Begriffen“ ist der Aufsatz abgedruckt.441 Hoffentlich bekomme ich bald Nachricht von Ihnen, liebste Duschka. Grüßen Sie Annilein und Marlies herzlich. Ich küsse Sie in inniger Liebe und bin immer Ihr Carl Wie oft ist Annette gekommen? Schreiben Sie mir eine unauffällig Zahl (z. B. gegen 6 oder gegen 7 kam plötzlich A.) und seien Sie immer sehr vorsichtig.
1946-03-18/20/22 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13473 und 12781
Montag 18. 3. L. D. Vorige Woche ist eine Unterbrechung eingetreten, eine harmlose Panne. Heute wollte ich nur fragen, ob Sie sich schon um eine Einreisegenehmigung für Plettenberg bemüht haben. Soviel ich weiß, ist das nötig. Hier sind für diese Woche große Änderungen zu erwarten, denen ich mit geduldiger Ruhe entgegensehe. Das beil. Gedicht ist für den netten Dr. Podach bestimmt. Das Buch von Alfred Delp442 „Tragische Existenz“ (1935 bei Herder in Freiburg erschienen) habe ich gestern (Sonntag) von Pa[tti] erhalten; es ist sehr bedeutungsvoll und würde Dr. Pod[ach] interessieren; Podachs Buch über Nietzsches Zusammenbruch (1930) ist von Delp zitiert. Ich habe jetzt viel zu viel Hemden; ein schönes weißes Leinenhemd habe ich (wie viele andere) geschenkt bekommen. Weiße Kragen sind im Lager ganz unmöglich. Hoffentlich funktioniert es am 26. mit der Wäsche. Ich schreibe dann, was ich für das nächste Paket brauche. Nur nicht zu viel Wäsche. Mittwoch 20. 3. Gestern abend erhielt ich die 2 Briefe (vom 6. März und vom 12.), vielen Dank für die vielen guten Nachrichten, und vielen Dank an Anni, Marlies und die gute Mutter von Igor, die den Kaffee gestiftet hat, den mir Geh. R. 441
Carl Schmitt, Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles 1923–1939, 4., korr. Aufl., Berlin 2014, S. 211–216. 442 Alfred Delp S. J. (1907–1945), kath. Theologe, als NS-Gegner am 2. 2. 1945 hingerichtet.
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W[ever] jetzt wieder morgens im Pfännchen kocht. W[ever] war von dem Besuch bei Peter tief gerührt und dankt tausendmal. Das Paket ist in allen Einzelheiten am 13. richtig angekommen. Dass Werner Heldt wieder da ist, scheint mir ein gutes Omen. Heute las ich in Heft 2 des „Aufbau“ einen Aufsatz von Ernst Niekisch über „den Vorraum des Faschismus“.443 Das wäre doch schön, wenn ich einmal wieder mit Niekisch sprechen könnte. Lassen Sie ihm sagen, dass ich seit Jahren einer der sehr seltenen Bruno Bauer-Kenner444 geworden bin. Dann las ich einen amerikanischen Aufsatz im Februarheft von Readers Digest über den N[ürnberger] Prozeß; endlich gehen die A[merikaner] auf meine Fragestellung ein, und damit ist die Sache gewonnen, gleichgültig wie sie in der politischen Praxis weiter verläuft. Sie können sich meine Aufregung denken. Machen Sie Walter Sch[midt] und Dr. Sa[rre] auf den Aufsatz aufmerksam (Murray C. Bernays, The Legal Basis of the Nuremberg Trials,445 besonders der letzte Teil), vor allem auch Geheimrat L[ewinski]. Der arme Hannes. Wenn er es nur aushält! Wegen Przywara tun Sie, was Sie für richtig halten; es ist nicht alles gut, was mir in der Atmosphäre des Camp einfällt. Hier ist große Unruhe unter den Gefangenen, weil einige nach Wannsee, andere nach draußen (in ein Lager bei Marburg in Hessen), andere wieder anders verlagert werden sollen. Bei446 der allgemeinen Unsicherheit (alle Anordnungen kommen im letzten Augenblick, die größten Veränderungen werden 10 Minuten vorher befohlen, sodass immer ein großes Durcheinander besteht) entstehen alle möglichen Gerüchte. Über die Haftentlassung scheint der deutsche Prüfungsausschuss zu entscheiden, an den die Entlassungsgesuche weitergegeben werden. Dorthin müssten dann auch die Erklärungen von Friedensb[urg], W. Schröder und Pf. Gebhardt gehen, doch ist es richtiger, sich erst einmal über diesen Prüfungsausschuss zu informieren. My heart, by many snares beguiled has grown timorous and wild.447 Die Karte von Walz ist noch nicht angekommen; auch nicht der Brief von Alfons A[dams] und der von W. Schröder. Dass Schmitz wieder bei seiner Familie ist, macht mir besondere Freude. In dem Brief von Friedensb[urg] ist mein Name Schmitt immer falsch geschrieben: Schmid. Ob ich noch einmal mit Arnold Schmitz das langersehnte musikgeschichtliche Gespräch über Tonica 443
137.
Ernst Niekisch, Im Vorraum des Faschismus. In: Aufbau, 1946, H. 2, S. 122–
444 Im Glossarium zählt Schmitt den Junghegelianer Bruno Bauer neben Konrad Weiß und Francisco de Vitoria zu „meinen 3 Namen“ (S. 19); s. auch seinen Bericht an E. Przywara im Anhang. 445 Murray C. Bernays, The Legal Basis of the Nuremburg Trials. In: Readers Digest, February 1946, S. 56–64. 446 Ab hier liegt der Brief unter der Signatur RW 265 Nr. 12781. 447 Zitat aus dem Gedicht „To Olivia“ von Francis Thompson; vgl. TB III, S. 58.
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und Dominante führen werde? Das gehört zu den Dingen, die ich mir wünsche, wenn mich solche kindlichen Wunschgelüste überfallen. Auch ein Gespräch mit Sava [Kličković]448 gehört dazu. Ich glaube, dass Sava mich am tiefsten und reinsten verstanden hat und dass meine Gedanken in ihm am fruchtbarsten weiterleben und weiterwachsen. Von Ernst J[ünger] hört man nichts. Schade. Auch nicht von Hamburg. Der arme Axel Weber! Wenn ein Kollege Sie fragen sollte, warum ich hier im Camp bin, so fragen Sie ihn, warum er nicht hier ist. Herzliche Grüße, liebe Duschka, und einen innigen Kuss Ihres Carl Nicht mehr soviele Oberhemden schicken. Einge Zwiebeln, die stark keimen, schicke ich am 26. mit der Wäsche zurück; man kann sie im Garten setzen. (Guter Rat von Geheimrat W[ever].) Dieses ist Sendung 7. 22. 3. Herzliche Grüße, liebe gute Duschkica. Diese Woche ist noch keine große Änderung eingetreten; schreiben Sie bald! 5. 3.: Der schöne Brief von Anima ist angekommen.
1946-03-24 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13796; ms.
24. III. 1946449 Liebster Carl! Heute habe ich wirkliche einen festliche Sonntag gehabt. Frl. Spitzer holte mich um 10 Uhr mit dem Wagen ab, und wir fuhren in die Staatsoper zu der Begrüßungsfeier des Kardinals von Preysing.450 Die Feier hatte ein sehr 448
Sava Kličković (1916–1990), Serbe, seit 1936 Schüler Schmitts in Berlin, 1940 Promotion; Tilitzki (1991), S. 95 f. Schmitt war Trauzeuge von Kličković und unterhielt lebenslang freundschaftlichen Kontakt mit ihm und seiner Familie (umfangreiche Korrespondenz im Nachlass). 449 Darunter stenogr. Notiz von C. Schmitt mit Daten 27. 3. und 8. 4. 450 Konrad von Preysing war am 22. Februar 1946 die Kardinalswürde verliehen worden; am 24. März wurde er in der Deutschen Oper in Berlin mit einem Festakt empfangen, an dem die Vertreter aller Besatzungsmächte sowie der Oberbürgermeister von Groß-Berlin teilnahmen.
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schönes Programm (ich lege es dem Brief bei), aber das Schönste war der Segen des Kardinals und seine einfachen christlichen Worte. Die Ansprache von Frau Dr. Maxsein451 war besonders schön, klug und rhetorisch gut aufgebaut. Sie hat auf die weltumspannende Macht der katholischen Kirche hingewiesen. Es war eine würdevolle Feier und ergreifend, als das Lied „Großer Gott wie loben dich“ von allen Gläubigen gesungen wurde. Nach der Feier fuhr ich mit dem Wagen in die kleine russische Kirche, wo ich noch den Schluss der Liturgie mitbekam. Ich traf auch meine uralte Freundin; wir haben uns beide herzlich gefreut über das Wiedersehen. Vater Sergius begrüßte mich auch. Er hat sich nach Ihnen erkundigt, erwidert herzlich Ihren Gruß und wünscht, dass Sie bald freigelassen werden. Beim Vater Michail war ich zum Mittagessen; es war rührend einfach und schön. Er schickt Ihnen das heilige Brot und die kleine Ikone des hl. Johannes. (Beides schicke ich morgen als Päckchen ab.) Gegen fünf Uhr kam ich nach Hause und ging dann zu Herrn Reinshagen, wo ein Hauskonzert war. Er spielte selbst Klavier: Bach, Händel, Haydn, Beethoven und Mozart, und eine Sängerin hat hübsch gesungen. Er lässt Sie herzlich grüßen. Gegen 19 Uhr war ich wieder zu Hause. Wir haben schön zu Abend gegessen und saßen hübsch in unserer Ofenecke. Nun möchte ich Ihnen über die verflossene Woche berichten. Ich bekam sehr viel Post und hatte viel Besuch. Am Dienstag war ich in der Karlsbaderstrasse, und als ich wieder zu Hause war, kam die alte Frau Schneider und Frau Rudorf zu Besuch, und es war noch viel zu erzählen. Bei Böcke war in der Wohnung fast alles geplündert, sonst geht es ihnen gut. Als die Damen fortgingen, kam noch Alfons kurz vorbei. Am Mittwoch waren wir in Dahlem bei Haidi; es war sehr gemütlich. Unsere Anni war stark erkältet und musste am Donnerstag zu Bett bleiben. Es geht ihr wieder besser; sie hat Reisefieber. Gegen Abend kam Herr Präsident Schröder und wollte sich nach Ihnen erkundigen. Er erzählte mir, dass er eine Erklärung abgegeben hat für Ihre Freilassung.452 Sobald er eine Antwort hat, wollte er wiederkommen. Er lässt Sie herzlich grüßen. Vom Westen kamen Liebesgaben, und am Freitag habe ich für Sie Plätzchen gebacken für das nächste Paket. Über Ihren lieben Brief, der am Donnerstag kam,453 habe ich mich sehr gefreut; ich lese ihn jeden Tag bis der nächste Brief kommt und freue mich über Ihre Buchstaben. Ich freue mich, dass die Kälte nachgelassen hat, und Sie werden nicht mehr frieren. Jetzt kommt wirklich der Frühling, und die Sonne wird uns alle wärmen. In den nächsten Tagen werden es sechs Monate Ihrer Haft. Die Zeit ist lang, 451
Agnes Katharina Maxsein (1904–1991), Mitbegründerin der Berliner CDU und 1946 deren stellvertretende Vorsitzende, von 1952 bis1969 MdB. 452 RW 265 Nr. 21781. 453 Von Schmitt am Rand notiert: „21. 3.“
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und doch ist sie schnell vergangen. Sie sind jeden Tag als Gast bei uns, und ich hoffe, eines Tages werden Sie in Wirklichkeit unser liebster Gast sein. Wir wollen unser Kreuz in Liebe tragen und daran festhalten: „tout ce qui arrive est adorable“. In der vergangenen Woche sind viele schöne Briefe angekommen, die ich heute nur kurz erwähnen will. Üssi sandte mir den Artikel im „Schwarzen Korps“ vom 10. Dezember 1936,454 in dem Sie angegriffen wurden; ich werde ihn gut verwahren. Von Frau Jessen kam ein schöner Brief. Uwe ist bei ihr, und sie möchte gerne im Frühjahr wieder nach Berlin.455 Von Ernst J[ünger] kam ein sehr lieber Brief an. Von Dr. Schranz456 und von Dr. Maiwald457. Von unserer Tochter kamen mehrere Briefe mit einer sehr lustigen Beschreibung des Karnevalsfestes. Dem Kind geht es sehr gut. Sie hat Sehnsucht nach uns und freut sich auf einen Besuch. Ich will mich diese Woche erkundigen, wie es mit der Reiseerlaubnis steht. Bald schreibe ich wieder. Gott beschütze Sie, lieber Carl. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Von Anni und Marlies gleichfalls viele herzliche Grüße. 1946-03-27 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13474
27. März (Mittwoch) Heute ist der Todestag der Mutter. Ich habe heute morgen sehr schön und lebhaft von Ihnen geträumt, liebste Duschka. Gestern sind 150 Mann ab454 Üssi hatte 1936 mit einer Postkarte an den Schriftleiter des „Schwarzen Korps“ gegen den Angriff auf ihren Bruder protestiert (RW 265 Nr. 12738), sich dann aber doch nicht getraut, die Karte abzuschicken, die sie stattdessen an Carl zur Kenntnis gab (RW 265 Nr. 12739). 455 Käthe Jessen, geb. Scheffer (1896–1983), Witwe des Nationalökonomen Jens Jessen, der dem Widerstand angehörte und 1944 hingerichtet wurde. Die Familien Schmitt und Jessen hatten in Dahlem benachbart gewohnt und waren befreundet; vgl. die Entlastungserklärung von Käthe Jessen für Schmitt, RWN 260 Nr. 357. Käthe Jessen bekam keine Pension und lebte zunächst von der Vermietung ihres Hauses, trat später in Berlin wieder in den Schuldienst ein, wo sie Mathematik und Physik unterrichtete; vgl. ihre Briefe an Duschka in: RW 265 Nr. 29942 sowie unten, Brief Duschkas vom 24. 9. 1946. 456 RW 265 Nr. 14518. 457 Serge Maiwald an C. Schmitt vom 3. 3. 1946; RW 265 Nr. 8976. Die erwähnten Brief von Jünger und Schranz sind nicht überliefert. Sehr viele Briefe von Maiwald unter RW 265 Nr. 29919.
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transportiert worden, wahrscheinlich in ein Lager nach Hessen. Seit vorigen Dienstag (19.) habe ich keine schriftlichen Nachrichten von Ihnen. Aber am Sonntag hörte ich, dass Sie bei den Grauen Schwestern waren. Vielen Dank! Hoffentlich sind Sie verständigt worden, dass Sie wegen der Unterbrechung in der vorigen und vorvorigen Woche nicht besorgt sind. Und hoffentlich kann ich Ihnen bald wieder Nachricht geben. Mit den Vorräten des Paketes vom 13. habe ich bis jetzt gereicht. Könnten Sie sich einmal bei Herrn von Staa458 und dem Verlag de Gruyter erkundigen wegen meines Manuskripts „Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft“?459 Lassen Sie es beim Verlag. Kann die Festgabe zum 60. Geburtstag von Popitz später einmal erscheinen?
1946-04-05 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13797; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 5. April 1946 Liebster Carl! Das Wetter ist plötzlich so warm geworden, und wir freuen uns, dass der Winter vorbei ist. Unser Garten wird von einem Gärtner in Ordnung gebracht, und Anni hat schon fleißig gesät. Der Garten soll uns im Sommer ernähren; wir wollen fleißig darin arbeiten, damit wir viel ernten können, wenn Sie nach Hause kommen. – Letzter Sonntag war für uns ein Festtag. Wir hatten einen frommen Gast460 zum Mittagessen, und wir haben das Gefühl, er hat uns Glück und Segen gebracht. – Am Nachmittag kam Frl. Ulrich mit einem Brief von Frl. Dr. Samič vom 26. 1. 46. Ihre Heimkehr nach Jugoslawien war recht abenteuer458
Wolf Meinhard von Staa (1893–1969), seit 1934 Ministerialdirektor im Reichserziehungministerium, wegen seines Einsatzes für die „entartete Kunst“ 1937 in den Ruhestand versetzt, seit 1939 Teilhaber und Geschäftsführer des Verlags de Gruyter. 459 Der Beitrag, der vielleicht die deutlichste Distanz Schmitts zum NS markiert, basiert auf Vorträgen, die Schmitt an verschiedenen Orten zwischen 1943 und 1944 gehalten hat. Er sollte in der Festschrift erscheinen, die zum 60. Geburtstag von Johannes Popitz am 2. 12. 1944 im Verlag de Gruyter geplant war (vgl. Schmittiana V, 1996, S. 222 f.), die aber auf Grund der Verhaftung von Popitz nach dem 20. Juli hinfällig geworden war. Erstmals erschien der Text dann 1950: Carl Schmitt, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, Tübingen 1950 (mit einem Kommentar Schmitts auch in: VA, S. 386–429). 460 P. Gioacchino Patti S. J.
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lich verlaufen. Jetzt ist sie in Kapela, wo sie alles in Hülle und Fülle haben. Von ihr kam nun die erste Nachricht von meinen serbischen Verwandten. Mein Vater lebt, und es geht ihm recht gut. Meine Schwester war im Herbst mit ihrer Familie in Kapela zu Besuch, und es geht allen gut. Kličković, Ciča461, Rada und Ivanka sind alle in Lačarak. Die kleine Jelena462 gedeiht gut. Sava wechselt zwischen hohen Posten und tiefen Kellern. Ich bin glücklich über diese Nachrichten und warte nun mit Spannung auf die ersten Briefe (und auf den ersten Schinken aus dem väterlichen Hause). Am Dienstag war ich in Karlshorst463 bei dem Referenten für kirchliche Angelegenheiten. Ich hatte einen Auftrag von der russischen Kirche wegen des Druckes eines Kirchenkalenders. Es war sehr interessant, und ich habe den ehrenvollen Auftrag mit Erfolg erledigt. Am Montag war Klaruschka bei mir zum Mittagessen und Tee. Sie lebt in traurigen Verhältnissen in Sacrow und weiß nichts von ihrem Mann. Der treue Louis besucht sie alle 14 Tage und tröstet sie. Sie lässt Sie herzlich grüßen. Es war so schön, mit ihr die Erinnerungen an gemeinsame Freunde wachzurufen. Die Frau Admiral Groos464 ist arm und verlassen auf der Straße in Potsdam gestorben; ein trauriges Schicksal. – Am Mittwoch kam ein Student aus Kiel und brachte Grüße von Prof. Schelsky465, er lebt in einem Landhaus in Bad Bramstedt, Holstein. Vor einigen Tagen kam ein Brief von Schmoller466; darüber habe ich mich ganz besonders gefreut. Die Abschrift haben wir Ihnen heute gesandt.467 Von Prof. Weber kam die traurige Nachricht, dass mein liebes Patenkind Axel am 18. März gestorben ist. Das hat mir sehr leid getan; es ist so schwer, die armen Eltern zu trösten. Wir hatten für unsere Reisevorbereitungen bis jetzt sehr viel Lauferei und hoffen, dass es nun klappen wird. Anima schreibt immer, wir möchten kommen. – Am Mittwoch waren wir bei Haidi; es war so schön sommerlich auf 461
Ehefrau von Sava Kličković. Tochter von Sava und Ciča Kličković. 463 In Berlin-Karlshorst war der Sitz der sowjetischen Militärregierung. 464 Otto Groos (1892–1970), Admiral im Oberkommando der Wehrmacht. Schmitt kannte Groos vermutlich aus der 1939 gegründeten „Gesellschaft für europäische Wirtschaftsplanung und Großraumwirtschaft“, in der Groos zum „Führering“ gehörte, während Schmitt im wissenschaftlichen Beirat saß. 465 Helmut Schelsky (1912–1984), Soziologe. Sein Verhältnis zu Schmitt hat er in seinen „Lebenserinnerungen an Carl Schmitt“ dargestellt (unveröff. Typoskript im Nachlass Schelsky, ULB Münster). 466 Gustav von Schmoller (1907–1991), Diplomat, war 1934/35 Assistent von Schmitt, der ihn 1944 promovierte, 1964 bis 1968 Botschafter in Schweden, umfangreicher Briefwechsel mit Schmitt; vgl. TB V; Tilitzki (1991), S. 106 f. 467 Möglicherweise RW 265 Nr. 13918 und irrtümlich auf den Tag der Abschrift (5. 4.) datiert. 462
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ihrem Balkon. Annette haben wir auch getroffen, sie war ganz entzückend! Unsere Anni freut sich schrecklich auf die Reise, sie kann es nicht abwarten. Wie schön wäre es, wenn Sie mit uns reisen könnten! Am 10. April bringen wir das Paket für Sie. Die kleine Ikone von Vater Michail und das hl. Brot habe ich nicht als Päckchen geschickt, sondern werde es dem Paket beilegen. – Anbei eine Übersicht meiner Briefe, die ich geschrieben habe: 15. 2., 24. 2., 1. 3., 6. 3., 12. 3., 15. 3.468, und 24. 3. Dazwischen habe ich viele Abschriften geschickt. Der Brief von Anima war sehr lieb. Von Üssi und Ännchen bekomme ich oft Post, sie sorgen rührend für unser Kind. Claire war in Cloppenburg und schickte uns vier Päckchen. Ich freue mich sehr, unsere lieben Verwandten nach so langer Zeit wiederzusehen; ganz besonders freue ich mich auf eine Unterhaltung mit Jup. – Wenn wir verreisen, wird Tante Louise das Haus verwahren und Marliese Ihre Post besorgen. Anni freut sich auf die Ostereier! Bald schreibe ich wieder. Tante Louise bringt das Petrusblatt469 für Sie. Die Rede des Kardinals finde ich wunderbar; ich freue mich noch immer, dass ich bei der Begrüßungsfeier war. Gute Nacht, lieber Carl, Gott beschütze Sie! Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka
1946-04-11 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13475
11. April Meine liebe Duschka, auf diesem Wege sende ich Ihnen herzliche Ostergrüße und -wünsche! Ich bin immer bei Ihnen, und Ihre schönen Briefe haben es bewirkt, dass ich mich wie bei Ihnen anwesend fühle. Hoffentlich können Sie das Osterfest in guter Gesundheit feiern, mit Anni und Marlies und guten Freunden und Bekannten. Ich denke an Sie und die tapfere Familie und bin voller Dankbarkeit, dass wir diesen Winter überstanden haben ohne großen Schaden zu erleiden. Über die Fastenzeit bin ich gut hinweggekommen. Jetzt naht die Karwoche, die ich diesesmal im Camp verbringe. Das schöne Laienbrevier470 468
Fehlt. Kath. Kirchenzeitung für das Bistum Berlin. 470 Laienbrevier. Tagzeitengebet im Geiste der Liturgie. Als Veröffentlichung des Kath. Akademikerverbandes bearb. von der Abtei Maria Laach, Berlin 1932. T. 1: 469
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von Senge und Schranz, das Ihrem gestrigen Paket beilag, wird mir helfen, diese inhaltreichen Tage nicht gedankenlos vorübergehen zu lassen. Ihren Brief vom 24. März und das schöne Paket vom 10. April habe ich richtig erhalten. Vielen herzlichen Dank, für das Brot, die Plätzchen, die Schokolade (die wohl von Marlies ist), den fabelhaften Kaffee, den Zucker und die großartige Blutwurst. Auch die Wäsche stimmt. Dass Sie auch an Bücher gedacht haben, war sehr lieb; sie sind alle richtig in meine Hände gelangt (Legalität471, Kriegsbegriff472, Rede von J.473, Laienbrevier Bd. I, Swedenborg, K. Weiß). Das Paket kam zur rechten Zeit. Es hatte bereits eine scharfe Hungerperiode eingesetzt (zum 3. Mal seit Ende September, und zum drittenmal glücklicherweise durch Pakete von Ihnen gestoppt). Auch die Briefe sind gut angekommen. Ich habe Ihnen am 9. April den Formularbrief geschrieben. Animas Brief vom 18. März474 ist wundervoll, eine unbeschreibliche Freude. Ich füge einen Zettel für sie bei. Der guten Tante Üssi, die am 7. April Geburtstag hatte, müssen Sie von mir schreiben, auch dem guten Dr. Schranz, dem Sie sagen müssen, dass Konrad Weiß mich im Lager diese 7 Monate als treuer Schutzengel begleitet hat. Maiwald müssen Sie nach Tübingen schreiben, dass er den dortigen Prof. Karl Schmid475 (Carlo Schmid, der bei uns zu Besuch war und Baudelaire-Übersetzungen vorgelesen hat) von mir grüßen und über mein Schicksal informieren soll, auch auf meine Abhandlung vom diskriminierenden Kriegsbegriff von 1938 hinweisen soll. Karlo Schmid ist ein ausgezeichneter Typ, ich fürchte aber, dass er jetzt zu schnell und zu früh herausgestellt und verbraucht wird.476 Erinnern Sie sich an ihn? Er war mit Ernst J[ünger] gut befreundet. Advent bis Pfingsten, T. 2: Die Zeit nach Pfingsten. (Schmitt hat das mit Anmerkungen versehene Buch 1966 verkauft.) 471 Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, München/Leipzig 1932 (8., korr. Aufl. Berlin 2012). 472 Carl Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff (Schriften der Akademie für Deutsches Recht/Gruppe Völkerrecht, 5), München 1938 (komment. Wiederabdr. in: FoP, S. 518–597). 473 Vielleicht „Jackson“? Die Eröffnungsrede von dem amerikanischen Chefankläger Robert H. Jackson bei dem Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess erschien 1946 im Druck. 474 RW 265 Nr. 12627. 475 Carlo Schmid (1896–1979), Staatsrechtler und Politiker. Er änderte nach 1945 seinen Vornamen Karl in Carlo, um nicht mit Carl Schmitt verwechselt zu werden. Das Verhältnis Schmitts zu ihm wurde spätestens 1950 kritisch; vgl. Glossarium, passim. 476 In der Tat wurde die Einschätzung Carlo Schmids durch Carl Schmitt bald negativ, er kritisierte ihn als eitlen Schöngeist; vgl. z. B. Glossarium: „Es gibt eben zwei Carl Schmitt: den exoterischen (der sich infolgedessen Carlo nennt) und den esoterischen.“ S. 370. s. auch BW EJünger; BW GJünger.
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Dass Ernst J[ünger] geschrieben hat, freut mich sehr.477 Wie mag es ihm gehn? Wie meinem Patenkind? Wie der Hanseatischen Verlagsanstalt? Stalling in Oldenburg soll, wie ich höre, wieder in Betrieb sein. Herr von Staa, vom Verlag de Gruyter, hat noch das Manuskript meines Vortrages über die Lage der Rechtswissenschaft. Es ist übrigens dort ganz gut aufgehoben. Hoffentlich sind der Nomos der Erde478 und die anderen Manuskripte ebenfalls noch an ihrer alten oder einer sonstigen guten Stelle. Wie war das Mittagessen am Sonntag dem 31. März mit P.479? Vielen Dank für die Grüße! Wie gefällt er Ihnen? – In diesem Augenblick erhielt ich Ihren Brief vom 5. April. Tausend Dank, liebe Duschka! Das sind ja viele Nachrichten, über die guten Nachrichten aus Ihrer Heimat bin ich überglücklich. Dass der gute alte Deda480 noch lebt, hätte ich kaum noch zu hoffen gewagt; dass sie alle noch leben ist wunderbar, Ihre Schwester, der gute, liebe Sava, nein, ich bin ganz betäubt von so vielen guten Nachrichten. Auf den Brief von Schmoller bin ich sehr gespannt. Liebste Duschka, ich schreibe in Eile und schicke Ihnen einige ältere Briefnotizen mit, obwohl manches rein Stimmungsmäßige (z. B. der Wunsch Niekisch einmal wieder zu sprechen) schon überholt ist. Aber manches wird Sie doch noch interessieren und ist eine Antwort auf einige Ihrer Fragen. Werner W[eber] und seine Frau tun mir herzlich leid. Schreiben Sie ihm auch von mir, dass ich den armen Axel nicht vergessen werde; er war bei meinem letzten Besuch in L[eipzig], im Dezember 1944, so tüchtig und eifrig. Ob Werner Becker481, der Studentenseelsorger in L[eipzig] war, jetzt wieder dort ist? Das schöne Gedicht „Endlich“ in der graphischen Darstellung von Leistikow habe ich über meinem Bett aufgehängt; es hat nicht nur mich, sondern auch viele Leidensgenossen getröstet und ist über ein dutzendmal abgeschrieben worden.
477
Aus dem Jahr 1946 sind keine Schreiben Jüngers an Duschka oder Carl Schmitt überliefert. 478 Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Köln 1950. Schmitt spricht hier so, als habe das erst 1950 erschienene Buch bereits als Manuskript vorgelegen. 479 Es dürfte sich um Pater Patti handeln, denn Schmitt konnte am Sonntag den 5 Mai mit ihm darüber sprechen; s. unten, seinen Brief vom 1. 5. 1946. 480 Deda = serb.-kroat. „Großvater“. Es handelt sich um Vaso Todorović, den Vater Duschkas in Kroatien, der für Anima „Deda“ war. 481 Werner Becker (1904–1981), ein Lieblingsschüler Schmitts aus seiner Bonner Zeit, 1925 mit summa cum laude für eine Dissertation über Hobbes promoviert, danach Zweitstudium der kath. Theologie, 1932 zum Priester geweiht, Studentenseelsorger in Leipzig; vgl. Werner Becker, Briefe an Carl Schmitt. Hrsg. und mit Anm. versehen von Piet Tommissen, Berlin 1989; TB III, TB IV.
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Liebe Duškica, ich habe jetzt viel zu viel Wäsche, besonders zu viele Oberhemden. Ich komme mit einem Oberhemd eine Woche aus; Salz habe ich auch zu viel. Ein Handtuch genügt für 1–2 Wochen. Seife habe ich genug. Die Rasierseife reicht bis Juni; der Rasierpinsel bis Juli. Für Ihre Reise wünsche ich Ihnen viel Glück. Auch dem braven Annilein. Wenn Sie nur heil wieder nach Hause zurückkommen! Aber Sie haben ja schon viele Erfahrungen. Oft denke ich nach, ob Sie auch Geld haben und was ich tun könnte, aber solche Gedanken enden immer nur in traurigen Depressionen, weil ich hilflos, wehrlos, mundtot und gefesselt bin. Die Vertrauensseligkeit, mit der ich im August und September gehandelt habe, ist mir jetzt gründlich ausgetrieben worden und wird mir durch tägliche neue Erfahrungen immer noch gründlicher ausgetrieben. Alle die humanen Lügen (von 3–4 Wochen Haft oder Rückgabe der Bücher nach 6 Wochen) waren wohlberechnete Irreführungen. Also wollen wir uns wegen meines Schicksals nichts mehr vormachen und abwarten, ob und wann mein Schutzengel mich aus diesem Elend herausführt. Ich bleibe trotz allem bei unserem schönen Satze: tout ce qui arrive est adorable. Auch für den armen Hannes, und ich möchte mit keinem Bußgewinnler tauschen. Vater Sergius bitte ich für [die] schöne Ikone und das heilige Brot herzlich zu danken. Es hat mich sehr gerührt. Hoffentlich halte ich auch den weiteren Teil meiner Gefangenschaft aus. Bisher ist es gegangen, dank Ihrer Hilfe und Prof. K[reuz]. (Könnten Sie ihm einmal eine Kleinigkeit, Plätzchen, durch Frau S. schicken?) Lassen Sie mich nicht zu lange ohne Nachricht, gute, liebe Duschka, bleiben Sie tapfer und gesund, grüßen Sie Anni, Marlies, Tante Louise, Frau Haidi und alle von mir, sagen Sie allen meine Ostergrüße und -wünsche, und seien Sie selber herzlich geküßt von Ihrem Carl
1946-04-13 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13798; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 13. April 1946482 Liebster Carl! Wir hatten die ganze Woche viel Lauferei gehabt für unsere Reise. Der gute Vater Michail ist am Dienstag und Mittwoch unermüdlich mit uns gelaufen. Wir hatten alles bekommen, aber leider sind am 10. April neue Bestimmun482
Unter dem Datum von Schmitt notiert: „Samstag“.
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gen herausgegeben, und damit wurde alles ungültig. Zunächst war ich sehr traurig und enttäuscht und übermüdet. Aber wenn man es überlegt, ist es grotesk, dass man für eine Reise von Berlin bis Hannover so viele Schwierigkeiten hat und so viele Laufereien, dass man eher zu Fuß hingekommen wäre. Unsere Anni wird am Dienstag als Flüchtling nach Hildesheim reisen; sie freut sich sehr auf diese Reise und das Wiedersehen mit Emmi. Es wird für sie schwer sein, das Elternhaus zu finden und die Gräber ihrer Lieben zu sehen und die zerstörte Heimatstadt. Sie wird nach Ostern Anima besuchen. Ich versuche weiterhin, eine Reisebescheinigung zu bekommen. Vielleicht ist es sogar besser, wenn ich Ostern noch hier bin. In der Kirche finde ich großen Trost und fühle mich ganz in Ihrer Nähe und habe neue Kraft, diese Situation zu ertragen. Wir haben Grund, für vieles im Leben dankbar zu sein, und wollen auch diese Zeit der Prüfung in Demut ertragen und unsere Fröhlichkeit bewahren. – Morgen ist Palmsonntag und bald ist Ostern. Wir werden auch dieses Fest getrennt verleben, doch im festen Glauben an die Auferstehung Christi. Ich hätte Sie so gerne gesehen, aber ich habe auf meinen Antrag auf Sprecherlaubnis keine Antwort bekommen. Oft denke ich an den schönen Vers von Bojić: „Mit der Lieblichkeit der nächtlichen Träume erleichte ihnen den schweren Tag.“ Am Mittwoch habe ich für Sie das Paket abgegeben. Die Kartoffeln bekam ich zu spät, und so werde ich sie am kommenden Mittwoch bringen. Gestern Nachmittag besuchte mich Frau Olms. Sie hatte wegen ihrer Wohnung in Potsdam zu tun. In etwa 10 Tagen wollte sie zurückreisen nach Westfalen. Von ihrem Man hat sie noch keine Nachricht. Heute kam von Grete Oberheid ein Brief.483 Heinrich ist zu Neujahr aus der Gefangenschaft heimgekehrt, allerdings sehr krank. Von Prof. Schmitz kam ein sehr schöner Brief, ich werde Ihnen die Abschrift schicken. Gestern erhielt ich einen Brief von Dr. Ziegler aus Hamburg, er ist seiner Stellung enthoben.484 Der Brief war besonders schön, und er lässt Sie herzlich grüßen. Von Dr. Epting kam auch ein langer Brief.485 So, mein lieber Schatz, jetzt höre ich auf. Ich freue mich auf Ihren April-Brief, der wohl bald kommen wird. Von Frau v. Medem 483
Margarete Oberheid an Duschka, in: RW 265 Nr. 29942. Benno Ziegler (1894–1949), Geschäftsführer der Hanseatischen Verlagsanstalt und Verleger Carl Schmitts. Die Hanseatische Verlagsanstalt wurde von der britischen Besatzungsmacht liquidiert. 485 RW 265 Nr. 3238. Karl Epting (1905–1979), Romanist, aktiv in der NS-Kulturpolitik im besetzten Frankreich, 1940–1945 Leiter des Deutschen Instituts in Paris, 1946–1949 in dem franz. Militärgefängnis Cherche-Midi inhaftiert, 1949–1951 Lektor im Greven Verlag Köln, wo Schmitt publizierte, 1952–1969 im höheren Schuldienst. 484
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kam gestern ein Brief; Eberhard ist in russischer Gefangenschaft.486 Sie hat eine Karte von Dezember im März erhalten. Hoffentlich kommt er gesund wieder! Liebster Carl, ich wünsche Ihnen frohe Ostern und grüße Sie herzlichst Ihre [hs.:] Duschka [hs. Zusätze anderer:] Viele liebe Ostergrüße sendet Anni. Ich möchte mich diesen Grüßen sehr herzlich anschließen Marlies
1946-04-17 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13799; ms.
17. April 1946 Mittwochs nachts Mein liebster Carl, heute morgen habe ich im Lager ein Paket mit Kartoffeln für Sie abgegeben. Es war noch dabei ein Päckchen mit Zwiebeln und ein Stück Wurst, das von Anima kam für ihren liebsten Papa. Das Wetter war so freundlich, ich kaufte auf dem Heimweg noch 40 kleine Tomatenpflanzen und ging fröhlich nach Hause. Als ich nach Hause kam, fand ich zwei Päckchen und Ihren lieben Brief vor. Für Ihre lieben Zeilen danke ich herzlich; ich freute mich, Ihre Buchstaben zu lesen. Ich sollte wieder einen Weg machen wegen der Reisebescheinigung, aber ich fand es unpassend in der Karwoche und blieb lieber zu Hause. Unsere Anni ist am Dienstag abgereist, und so habe ich unseren Haushalt allein zu versorgen. Ich räumte die ganze Speisekammer aus, schrubbte und putzte mit Vergnügen und war gegen 5 Uhr fertig. Dann trank ich Tee, zog mich um und wollte in die Kirche gehen zur Beichte. In der Tür traf ich Frau Olms, die erschöpft und müde von Potsdam kam. Sie suchte Nachtquartier, und ich habe mich herzlich über ihren Besuch gefreut. In der Kirche war es wunderschön. Vater Michail betete auch für Sie nach meiner Beichte. Es ist eigentlich viel sinnvoller, dass die Reise noch nicht zustande kam vor Ostern. Die Gottesdienste der Karwoche sind ein wunderbarer Trost und haben eine geheimnisvolle Kraft. Ich fühlte mich so reich und beschützt gegen alles Übel der Welt. Auf der Heimfahrt habe ich so in486 Eberhard von Medem (1913–1993), Jurist, war Assistent Schmitts. Er war bis 1949 in russischer Gefangenschaft, danach in der Bundesrepublik Karriere als höherer Verwaltungsbeamter.
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tensiv an Sie gedacht und über die Lösung einiger Fragen der Communion nachgedacht.487 Dabei hatte ich das Gefühl und die Zuversicht, dass ein guter Schutzengel Sie beschirmt vor aller Bosheit der Welt. Sorgen Sie [sich] nicht um uns, wir sind nicht verlassen; es sind so viele Fäden der Liebe und Freundschaft, die uns erreichen. Genauso wie wir glauben an die rechte Stunde des Todes, wollen wir glauben auch an die rechte Stunde der Freiheit. Auch sie ist in Gottes Hand und nicht in Feindeshand. Deshalb darf unsere Geduld nicht erlahmen. Von Pfarrer John bekam ich den „Römischen Katholizismus“, worin ich mit großer Freude lese, und Ende der Woche gebe ich das Buch weiter. Gott beschütze Sie lieber Carl, wir wollen Ostern fröhlich sein und Gott für Alles danken. Herzlichst [hs.:] Ihre Duschka Von Frau Olms – mit der wir gerade plaudern – und mir viele gute Wünsche für ein gesegnetes Osterfest Marlies
1946-04-18 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13476488
18. 4., Gründonnerstag Gute, liebe, schöne Duschka, diese Karwoche und das Osterfest dieses Jahres ist trotz aller Trennung und Einsamkeit gnadenreich und voller Trost. Ich denke mit inniger Liebe an Sie und Anima und hoffe von Herzen, dass Ihre Reise gut verläuft. Gestern (Mittwoch) ist das Paket mit Kartoffeln, Zwiebeln und Wurst angekommen, herzlichen Dank! Es waren 2 Anwälte, Verteidiger, von Nürnberg hier und sprachen davon, ob ich nicht an der Verteidigung beteiligt werden könnte. Zweischneidige und undankbare Angelegenheit. War einer bei Ihnen wegen der Bibliothek? Hat L[ewinski] noch ein Exemplar meines Gutachtens489? (schreiben Sie: meiner „Vorlesung“). Reisen Sie ohne Sorgen und grüßen Sie Anni, Marlies und Tante Louise. Küssen Sie unser gutes Kind von mir. Seien 487
Die Rede ist von einer möglichen Kommunion Carl Schmitts, der jedoch exkommuniziert war; ein Problem, das während seiner zweiten Verhaftung in Nürnberg gelöst wurde. Vgl. dazu unten und Spindler. 488 Auf einem Rezeptzettel des „Medical Corps“ geschrieben. 489 Gemeint ist: Angriffskrieg.
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Sie nachsichtig mit Tante Ännchen. Jup, Üssi, Tante Claire, die 3 Nichtchen, alle Bekannten und Freunde müssen Sie von mir grüßen. Ich küsse Sie herzlichst, liebste Duschka, und bleibe immer Ihr Carl Vielen Dank für die Abschrift von Schmollers schönem Brief.490
1946-04-29 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13800; ms.491
29. April 1946 Liebster Carl, Morgen sind es zwei Wochen, dass unsere Anni abgereist ist. Ich habe von ihr schon zwei Briefe bekommen. Anfang Mai fährt sie zu Anima; das wird eine große Freude sein für beide. Ich habe im Haus und Garten sehr viel zu tun. Tante Louise kommt jede Woche einige Tage und hilft mir beim Putzen. Es war nötig, nach dem langen Winter einen gründlichen Hausputz zu machen. Wir haben Ihr Arbeitszimmer gründlich geputzt, und ich habe mit großer Freude Ihren Schreibtisch und das Aktenregal geordnet. Die Archivsachen, die Korrespondenz und Ihre Manuskripte und Vorlesungen sind alle so geblieben, weil sie zu Ihren persönlichen Sachen gehören. Neulich war Dr. Podach hier, und er wollte einen Sonderdruck haben von dem Artikel „Die Weiterentwicklung des totalen Staates“492. Ich freute mich, dass ich ihm den Wunsch erfüllen konnte. Über das Buch „Benito Cereno“ von Melville war er restlos begeistert. Gestern brachte er für Sie eine kleine Dose Kaffee und schickt viele herzliche Grüße. Er meint, es wäre schon die höchste Zeit, dass man Sie frei lässt; er wartet mit Sehnsucht auf ein Gespräch mit Ihnen. Am Karsamstag, als ich gerade meinen Kuchen in den Ofen schieben wollte, kam der Sohn vom Bildhauer Lehmbruck493, um sich nach Ihnen zu erkundigen. Er studiert in Tübingen und trifft sehr oft den Staatsrat Prof. Carlo Schmid, von dem er erzählte, dass er die moderne Kunst fördert und von den Bildern von Gilles schwärmt. Ich habe ihm Ihre jetzige Adresse gegeben und an Carlo Schmid viele Grüße bestellt. Von Ernst Jünger hat er erzählt, dass er jetzt von den Amerikanern zugelassen ist, 490
RW 265 Nr. 13918. Auf der Rückseite stenogr. Notizen von C. Schmitt. 492 Darüber von Duschka hs.: „Europäische Revue, 1933“. 493 Guido Lehmbruck (1917–1985), Rechtsanwalt; vier Briefe und 1 Postkarte im Nachlass Schmitt; RW 265 Nr. 29698. 491
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und dass ein neues Buch von ihm in dem Zinnen-Verlag in München gedruckt werden sollte.494 Ich bin auf das Buch sehr gespannt. Von Dr. Ziegler bekam ich einen sehr schönen Brief; er ist nicht mehr im Vorstand der Hanseaten, und fast alle Mitarbeiter sind entlassen, Stapel auch. Er lässt Sie sehr herzlich grüßen und freut sich auf ein Gespräch mit Ihnen. – Die Auferstehungsliturgie in der Kirche war um ½ 12 Uhr nachts; es war ganz wunderbar. Anschließend war die Messe des hl. Johannes; das Evangelium war in fünf Sprachen vorgelesen: Altkirchenslawisch, Griechisch, Latein, Deutsch und Russisch. Um 6 Uhr morgens war die Kirche zu Ende. Dann war ich eingeladen bei Vater Michail. Es war eine festliche Tafel für 14 Gäste. Alle bekamen wir ein schönes Osterei, Schinken und ein Glas Wein. Der Vater Michail hat auf Ihr Wohl getrunken und für Ihre Freilassung. Es gab ein schönes Menu, Tee und Kuchen. Die ganze Art der Gastfreundschaft erinnert mich an meine serbische Heimat. Die Gäste waren welterfahren, klug und sympathisch. Ganz entzückend war eine alte Dame von 75 Jahren. Gegen 8 Uhr haben wir uns verabschiedet, und ich fuhr ganz fröhlich nach Hause. Am zweiten Ostertag kam Tante Louise und nachmittags Herr und Frau Schneider.495 Meine Stube war herrlich mit Blumen geschmückt. Haidi brachte mir aus unserem Trümmergarten aus Dahlem entzückende Blütenzweige von meinem Mandelbaum. Diesen Baum schenkte mir vor vielen Jahren Frau Popitz. Dieser Tage dachte ich daran, dass es jetzt sieben Monate sind, dass Sie sich in „Schutzhaft“ befinden. So lange saß auch unser Freund, der Minister Popitz, in Haft, bis sein Todesurteil auf Befehl Hitlers vollstreckt wurde. Es ist ein Buch erschienen über den 20. Juli, in dem sehr viel von Popitz die Rede ist; ich will Ihnen das Buch im nächsten Paket schicken.496 Am letzten Mittwoch gab ich für Sie ein Päckchen ab. Es waren drei Eier, ein Stück Butter und etwas Tee und Brot; dazu meine Osterkerze aus der Kirche und geweihtes Brot von Vater Michail. Die Butter kam aus Westfalen von Ihrem Schüler, Joseph Kaiser, aus Altenhundem; das hat mich sehr gerührt. Als ich zu Hause war, kam gegen 7 Uhr die Annette; sie wusste nicht, dass Anni verreist war. Sie hat entzückend erzählt, und ich freue mich, wenn sie wiederkommt. Von Anima kam heute ein schöner Brief aus Köln für Sie; ich schicke Ihnen die Abschrift, ebenfalls einen Brief von Ihrem Schüler Dr. Franzen497. 494 Ernst Jünger konnte erst ab 1948 in Deutschland im Verlag Klett, Stuttgart, wieder erscheinen. Im Zinnen-Verlag München (der 1946 im Verlag Desch aufging) hat er nicht publiziert. 495 Die Eltern von Hans Schneider. 496 Es handelt sich um: Franz Reuter, Der 20. Juli und seine Vorgeschichte, Berlin 1946. 497 Hans Franzen (1911–2007), Rechtsanwalt, von Schmitt 1939 habilitiert; Tilitzki (1991), S. 74 f.; Hans Franzen, Im Wandel des Zeitgeistes 1931–1991. Euphorien, Ängste, Herausforderungen, München 1992.
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Gestern hatte ich einen schönen Sonntag. Haidi war bei mir zum Mittagessen; wir haben sehr herzlich an Sie gedacht. Nach unserem schönen Mittagessen haben wir auf dem Balkon in der Sonne gelegen und dann schönen Tee getrunken. Nachher haben wir im Garten die jungen Pflanzen begossen. Der Garten macht mir viel Freude und viel Arbeit. Marlies hilft mir fleißig abends beim Begießen. Der Bruder von Marlies ist aus der englischen Gefangenschaft wohlbehalten zurückgekommen. Nun will ich schließen und schreibe bald wieder. Gute Nacht, liebster Carl. Gott beschütze Sie. Herzlichst [hs.:] Ihre Duschka
1946-05-01 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13477
1. Mai 1946 Liebste Duschka, schnell ein paar Worte, die hoffentlich an Sie gelangen, sei es vor, sei es nach Ihrer geplanten Reise, für die ich Ihnen Glück und Erfolg wünsche! Ich bin noch in der fröhlichen Stimmung, die mir Ihr letzter Brief vom 17. April (aus der Karwoche) bereitet hat und die durch den entzückenden Brief Animas498 aus Köln noch verstärkt wurde. Die Briefe und Abschriften sind gut angekommen, auch die Pakete und Päckchen, besonders die 3 Ostereier, über die ich sehr gerührt war. Vielen Dank, liebste Duschka! Jetzt bin ich auf Ihre Reise gespannt. Wollen Sie auch nach Plettenberg reisen? Lassen Sie sich in Nichts durch Rücksichten auf mich bestimmen! Ich werde die nächsten Monate schon überstehen, nachdem ich den Winter glücklich hinter mich gebracht habe. Seit einer Woche ist die Verpflegung wieder besser; wer weiß für wie lange, aber ich brauche jetzt kein Brot und keine Kartoffeln mehr. Heute, am Namenstag des guten Onkel Philipp, denke ich natürlich an Tante Louise, von der Sie lange nichts mehr geschrieben haben. Aus dem Brief von Hübner499 entnehme ich, dass Sie ihm geschrieben haben. Hatten Sie einen bestimmten Grund? Ich fürchte, er ist einer dieser deutschen Ich-Verbohrten, die nur von sich selber sprechen können, bei aller 498
Vom 23. 4. 1946; RW 265 Nr. 12725. Brief von Hübner an Duschka Schmitt vom 12. 4. 1946; RW 265 Nr. 6300. Walter Hübner (1884–1970), Anglist, seit 1930 Honorarprofessor in Berlin, 1948 Mitbegründer der FU Berlin. 499
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Gutmütigkeit und Tüchtigkeit, die sie sonst haben mögen. Immerhin hat er wenigsten höflich geantwortet. Wenden Sie sich nicht meinetwegen an solche Leute, liebe Duschka. Ich bin hier in argen Händen, an die brave Typen wie dieser Hübner überhaupt nicht herankommen. Vergessen Sie auch nicht, wieviele Feinde sich heute auf meine Kosten austoben können (denken Sie nur an die anonymen Briefe, die ich jahrelang bekommen habe) und wieviele Feiglinge sich heute auf meine Kosten entlasten und herausputzen können, da ich ja immer abwesend bin. Das ist doch der praktische Sinn und Effekt eines solchen Internment, das mich zu der niedrigsten Sorte von Nazis herabstößt, um mich auf diese besonders perfide Weise zu erniedrigen und zu vernichten. Was die Nazis getan haben, war tierisch, was mir geschieht (und tausenden von ehrlichen Deutschen) ist teuflich. Also machen Sie sich keine unnütze Mühe, auch nicht mit Gesuchen um Sprecherlaubnis. Es tut mir immer weh, wenn ich daran denke, dass Sie meinetwegen Bittgänge machen, womöglich zu irgendeinem kaltschnäuzigen Schinder, der nur seine Rache genießt, wenn er Sie abweist. Ich weiß nicht, was mir den Haß sovieler Menschen zugezogen hat und möchte gern einmal jemand sehen, dem ich Böses getan habe, von Mensch zu Mensch. Aber darauf kommt es ja in dem Automatismus nicht an. Ist Prof. Hans Peters noch in Berlin? Er war ein- oder zweimal bei uns zu Besuch und kann sich eigentlich nicht über mich beklagen. Fragen Sie doch einmal danach. Ich glaube nicht, oder ich kann es nicht glauben, dass er sich an der allgemeinen Hetze gegen mich beteiligt. Im übrigen hatten Sie wohl recht, auch nicht zu Kohlrausch zu gehen. Peters dagegen ist Katholik und daher wenigsten von dem antirömischen Affekt frei, der bei den andern sehr stark ist. Meine Isoliertheit, gegenüber einer kompakten Masse heterogenster Feinde, ist vollständig, liebe Duschka. Also beten wir, wie seit 10 Jahren, den 73. Psalm und warten wir ab, wie Gott das von den Menschen Bösgemeinte zum Richtigen wendet. Sie, liebe Duschka, haben mir in der Karwoche so schön geschrieben. Das hat mich umso mehr getröstet und gestärkt, als ich eine besonders tröstliche Karwoche in der Gefangenschaft gehabt habe, die ich auch neben den Karwochen, die ich früher in Rom verbrachte, nicht entbehren oder missen möchte. Tout ce qui arrive est adorable. Jetzt aber genug von diesen Dingen. Reisen Sie fröhlich, und machen Sie sich keine Sorgen um mich. Erzählen Sie Jup von mir. Er ist klug und hat Recht behalten.500 Ich will mich bemühen, meine Anwandlungen von Sorge um Geld und Auskommen zu unterdrücken und mich solange aufrecht zu halten, wie es geht. Alles andere ist nicht in meiner Macht. Hoffnungen auf Geh. Rat v. L[ewinski] sind wohl auch vergeblich gewesen. Also bleiben wir 500 Mit „Recht behalten“ meint Schmitt wohl die frühzeitigen Warnungen Jups vor seinem NS-Engagement; vgl. TB V, S. 288.
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geduldig. „Vergangenheit die Zeit, die Gegenwart Geduld, die Zukunft Ewigkeit.“501 Schreiben Sie gelegentlich an Maiwald nach Tübingen, er scheint ein treuer Junge zu sein. Über die Briefe von Siedlinghausen und von Arnold Schmitz habe ich mich herzlich gefreut. Üssi hat ein Päckchen aus Plettenberg geschickt, das angekommen ist: Knäcke-Brot und etwas Zucker. Ich habe noch etwas Kaffee, den mir der gute Geheimrat W[ever] kocht. Prof. K[reuz] ist unvermindert freundschaftlich, sogar liebevoll gegen mich. Frau Olms bitte ich bestens von mir zu grüßen. Der Brief von Ziegler würde mich interessieren, aber es ist wohl besser, ihn nicht in Abschrift zu schicken. Vielleicht kann Claire mir etwas Rasierseife, Lanolin und Haaröl besorgen, aber nicht im Päckchen schicken, weil zuviel gestohlen wird, auch eine Tube Zahnpasta. Oft, wenn ich an meine verstorbenen Freunde wie Popitz, Ahlmann502, Theodor Haecker denke, möchte ich ein Wort über mich selber sagen, schon um den perfiden Vorwurf der „Undurchsichtigkeit“ zu beantworten, mit dem Spranger503 und viele andere gegen mich arbeiten. Auch meiner vielen guten Schüler wegen. Oft nehme ich auch einen Anlauf, aber in dieser fürchterlichen Unfreiheit ist eine Konzentrierung auf eine geistige Lage nicht möglich; es ist schon viel, wenn man sich nicht in voller Verzweiflung einfach fallen läßt, wie manche, die ich hier habe sterben sehen. Ob es mir vergönnt ist, noch ein freies, offenes Wort zu sagen, ist Gnade, wie Leben und Tod nur Gnade sind. Hier wird erzählt, die Entlassungsgesuche würden von einem Major Radosta504 in der Ringstr. bearbeitet. Der Name klingt analog Montenegro505, 501
Recte: „Vergangenheit die Zeit, / Gegenwart Geduld, / Zukunft die Ewigkeit.“ Aus: Annette von Droste-Hülshoff, Das geistliche Jahr, Gedicht „Am Charsamstag“. 502 Der blinde Bankier und Jurist Wilhelm Ahlmann (1895–1944) gehörte zum Widerstand gegen Hitler und verübte am 7. September 1944 Selbstmord, um seiner Verhaftung zuvorzukommen. Schmitt, der mit ihm befreundet war, widmete ihm 1950 „Ex Captivitate Salus“ und beteiligte sich auch an der Gedenkschrift für Ahlmann: Tymbos für Wilhelm Ahlmann. Ein Gedenkbuch. Hrsg. von seinen Freunden, Berlin 1951. 503 Eduard Spranger (1882–1963), Philosoph und Pädagoge, Prof. an der Berliner Universität, von Mai bis Oktober 1945 kommissarischer Rektor. In dieser Eigenschaft befragte er Schmitt im Juni 1945 wegen einer möglichen Wiedereinstellung (s. oben, Brief Schmitts vom 1. 2. 1946). Zum „Vorwurf der Undurchsichtigkeit“ s. ECS, S. 9–12. 504 Adolph J. Radosta (1902–1981), Major der US-Army, 1946/47 Chairman des Military Government Security Review Board; OMGUS, S. 715. Radosta war auch Vorsitzender des amerikanischen Prüfungsausschusses, der über Schmitts Entlassung entschied. 505 Vermutlich handelt es sich um Daniel Montenegro, Mitarbeiter des CIC und möglicherweise Vernehmer Schmitts im Interrogation Center Wannsee; ab 1948 amerikanischer Vizekonsul in Berlin.
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und die bittere Erfahrung, die sich für mich mit diesem Namen verknüpft, bewahrt mich vor Illusionen. Wir wollen unsern Weg weiter gehn, Duschka. Ich freue mich, dass ich Ihnen für Ihren schönen Karwochenbrief danken kann und hoffe nur, dass dieser Zettel Sie noch erreicht, um Ihnen und allen guten Bekannten meine Grüße zu sagen. Ihren frommen Gast von Ende März506 will ich nächsten Sonntag nach dem „römischen Katholizismus“ fragen; auch in dieser Hinsicht ohne große Erwartungen. Bleiben Sie tapfer, küssen Sie unser gutes Kind und alle Verwandten, suchen Sie auch Schranz zu sprechen, vielleicht telefonisch, und geben Sie mir bald Nachricht. Ich küsse Sie von Herzen und bleibe immer Ihr Carl
1946-05-09 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13478, unvollständig
Donnerstag, 9. Mai, vormittags 10 Uhr. Liebste Duschka, ich benutze wieder eine Möglichkeit, Ihnen einige Briefe und Pakete zu bestätigen. Hoffentlich kommt es in Ihre Hände (schreiben Sie mir: Annette war in der Maiandacht). Ihr Brief vom 29. April mit dem schönen Osterbericht, ist am vorigen Montag, 6. Mai, angekommen. ebenso der entzückende Osterbrief von Anima aus Köln. Die Briefe kamen an, als ich den Formularbrief vom 5. Mai für Sie gerade abgegeben hatte. Ich freue mich deshalb besonders, Ihnen den Empfang bestätigen zu können. Die Abschrift des Briefes von A. Adams (vom 24. Feb.)507 ist vorige Woche eingetroffen. Das Original habe ich nicht erhalten, wohl aber das des Briefes von Friedensburg.508 Ein Brief von Dr. W. Schröder ist nicht angekommen. Die Abschrift des Briefes von Franzen509 habe ich erhalten. Die 2 Mittwochspakete von gestern sind eingetroffen, mit Wäsche (Sommerunterzeug, 1 Oberhemd grau gestreift, kein Nachthemd, Schlafanzug und 3 bunte Kragen, 1 Frottierhandtuch, 1 anderes Handtuch, 1 Paar Wollstrümpfe), zwei großen Broten, geröstetes Weißbrot, 1 kleine Dose Kaffee, Tee. Das Päckchen von Anima mit Wurst und Zwiebeln, Schokolade 1 Tafel und 1 Stückchen, eine 506 507 508 509
Pater Patti, s. oben, Brief Schmitts vom 11. 4. 1946. RW 265 Nr. 34. Ferdinand Friedensburg sen. an C. Schmitt vom 25. 2. 1946; RW 265 Nr. 4369. Hans Franzen an C. Schmitt vom 29. 4. 1946; RW 265 Nr. 4044.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Dose Plätzchen, 2 Exempl. „Land & Meer“, kein Buch den 20. Juli). In dem andern Paket war der Prager Anzug. Heute gebe ich das Leergut mit alter Wäsche zum Office, in der Annahme, dass Sie es Dienstag abholen. Leider ist alles sehr unsicher. Der Prager Anzug ist viel zu schade für das Camp und erregt nur Neid und Hohn gegen die Staatsräte und die „verblödeten Beamten“. Ich werde den Anzug vorläufig hier aufbewahren und gebe Ihnen Nachricht, wenn ich ihn zurückschicke. Meine Bitte, kein Brot mehr zu schicken, hat Sie leider nicht rechtzeitig erreicht. Ich habe jetzt soviel Brot, dass ich Geheimrat W[ever] abgeben muss. Er hat es übrigens verdient, denn er sorgt rührend für mich. Bisher hatte ich jeden Morgen mein Pfännchen türkischen Kaffee, das er auf einem Stück Holz kocht. Von Tante Claire kamen aus Köln Dienstag 3 weitere schöne Päckchen mit 5 von Anima herrlich bunt gemalten Ostereiern, Haferflocken, Backobst und Zwiebeln. Von Tante Ännchen ein Päckchen aus Plettenberg, mit schönem Zwieback. Kartoffeln habe ich noch; sie keimen stark, aber Geheimrat W[ever] sucht sie gut aus; das Kochen ist schwierig, weil der Zimmerofen nicht mehr geheizt wird. [Rest des Briefes abgetrennt; auf der Rückseite Aufstellung des Wäschepakets vom 10. 5.]
1946-05-09 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13801; ms.
9. Mai 1946 Donnerstag Abend Liebster Carl, in Gedanken bin ich immer so lebhaft mit Ihnen beschäftigt, dass ich gar nicht merke, wie schnell die Tage vergehn, und dass ich wieder eine Woche nicht geschrieben habe; ich bitte um Verzeihung. Es ist bei uns immer sehr lebhaft durch die Arbeit und durch die vielen Menschen, die kommen, nach Ihnen zu fragen, und solche, die Hilfe brauchen. Am Sonntag wollte ich gerade zu Mittag essen und dachte, es ist so ungewöhnlich, dass ich allein esse, da kam Haidi, die immer rührend um mich besorgt ist. Sie ist eine treue Nachbarin geblieben. Am Nachmittag kam gegen 4 Uhr Frau Olms; sie hat vieles in ihrer Wohnungsangelegenheit zu regeln und hat bei mir Obdach gefunden bis zu ihrer Abreise in der nächsten Woche. Unsere Anni ist schon über drei Wochen verreist; Tante Louise hilft mir sehr schön in dieser Zeit im Haushalt, und wir waren sehr tüchtig. Ich muss oft verschiedene Wege besorgen und bin beruhigt, wenn ich weiß, dass die Tante das Haus verwahrt.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Heute vormittags war ich in der Drakestraße beim Finanzamt; ich habe die Steuer für das letzte Honorar510 im Jahre 1945 bezahlt in Höhe von RM 1800,–. Die Kirchensteuer für das Jahr 1943 und 44 habe ich auch bezahlt in Höhe von 360,–. Nun bin ich sehr froh, dass alles in Ordnung ist; der Referent hat sich über eine Stunde mit mir unterhalten über viele interessante Fragen. Es interessierte ihn besonders die Frage der Reichstagsauflösung im Februar 1933. Die Deutschen sind doch ein erstaunlich gebildetes und belesenes Volk, besonders in der mittleren Beamtenschicht. Dafür hatte ich immer eine große Bewunderung; ich hoffe, dass diese spezifisch deutsche Eigenschaft trotz der jetzigen Not nicht verloren gehen wird. Gegen 2 Uhr holte mich Frl. Spitzer zu der Siegesparade am Brandenburger Tor als Dolmetscherin für Russisch ab. Die Quadriga leuchtete am blauen Himmel und darüber die rote Fahne. Die Musikkapellen der vier Siegermächte mit ihren schönen Instrumenten waren interessant zu vergleichen. Ich sah zum ersten Mal die Russen im Parademarsch, es war eine ausgesucht schöne Truppe. Das schöne militärische Bild weckte bei mir die Erinnerung an die große Siegesparade Unter den Linden nach dem französischen Feldzug; ich hatte mir damals die Parade mit der kleinen Anima von der Universität aus angesehen. Das Kind hatte noch den Siegeszug gemalt und hatte große Freude an den vielen schönen Pferden und Reitern. Am letzten Sonnabend kam ein Student Harms und brachte Grüße von Weber-Schumburg. Er hat sein Haus in Krauchenwies gerettet und lebt in Sigmaringen als Strafverteidiger bei den französischen Gerichten; es geht ihm sehr gut. Morgen bekomme ich die Februarnummer von Reader’s Digest und freue mich, den Artikel von Murray C. Bernays511 zu lesen. Ich habe seit Ostern keine englische Stunde mehr gehabt und werde Anfang Juni wieder Englisch lernen. Im Mai habe ich noch sehr viel Arbeit im Haus und Garten, und es war auch sonst vieles in Ordnung zu bringen. Nächste Woche wollte ich nach Pankow fahren zu den Jugoslawischen Militärmission, um mich zu erkundigen, ob es eine Möglichkeit gibt, dass ich von meinen serbischen Verwandten Pakete bekomme. Unser Garten ist sehr schön angelegt, und ich hoffe, dass er auch gut tragen wird; er macht uns viel Arbeit und viel Freude. Am 1. Mai habe ich ein kleines Päckchen für Sie abgegeben; es war ein Stück Wurst und Zwiebeln. Gestern habe ich das große Paket abgegeben und in einem großen Karton einen guten dunkelgrauen Anzug für Sie. Ich hoffe, dass Sie alles gut bekommen. Ich habe Ihnen sagen lassen, dass ich nächsten 510
Duschka bezahlte die Steuer für das Honorar, das Schmitt für sein Gutachten über den Angriffskrieg schrieb. Quaritsch schätzte die Höhe des Honorars auf ca. 10.000 RM, wobei er allerdings die Kirchensteuer für 1943 und 1944 mitrechnete; Angriffskrieg, S. 129. Tatsächlich dürfte also das Honorar niedriger gewesen sein. 511 s. oben, Brief Schmitts vom 18./20./23. 3. 1946.
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Mittwoch komme und Ihren schmutzigen Anzug abholen möchte, um ihn in Ordnung zu bringen. Diesmal habe ich nur wenig Wäsche geschickt. Wir wollen nächste Woche waschen, und dann bringe ich Ihnen die Wäsche. Es war viel besser, dass ich mit Anni nicht verreist bin; es war noch viel Wi[chtiges]* für mich zu regeln. Wenn es möglich wird zu reisen, würde ich erst Ende Mai reisen und nicht früher. Anima wird glücklich sein über Annis Besuch; ich in sehr gespannt auf Annis Bericht aus Cloppenburg, vor allem, was sie über unser liebes Kind berichten wird. Anima schreibt so schöne Briefe; Sie haben sicher Ihre große Freude daran. Von Ihren Schwestern bekomme ich liebe Briefe512; sie wollten Ihnen alle kleine Päckchen schicken. Ich habe in dem letzten Paket 750 gr Plätzchen geschickt; Sie können etwas davon verschenken. Wenn die Liebesgaben aus dem Westen kommen, werde ich wieder schöne Plätzchen für Sie backen. Am Sonnabend gehe ich morgens zu Haidi. Wir wollen uns zusammen die Ausstellung von E. W. Nay in der Galerie Rosen ansehen. Ich bin sehr gespannt. Vorher werde ich noch mit Herrn Geheimrat v. Lewinski sprechen. Liebster Carl, ich hoffe, dass Ihre Gefangenschaft nicht mehr so lange dauern wird und dass Sie trotz mancher Entbehrungen die Zeit gut überstehen; es beten so viele gläubige Christen dafür. Um uns machen Sie sich keine Sorgen; wir leiden keine Not. Aus meinem alten serbischen Geschlecht habe ich ein Erbe an Urkraft mitbekommen, mit dem sich das irdische Kreuz im Namen Christi mit einer gewissen Freude und Stolz tragen lässt. Gute Nacht, liebster Carl. Gott beschütze Sie! Herzlichst Ihre [hs:] Duschka Tante Louise lässt herzlich grüßen. Ich schicke zwei Drucksachen mit Zeitungen. Dr. Podach lässt herzlich grüßen – von ihm war die kleine Dose mit Kaffee. * Beim Tippen mit Feuereifer merkte ich gar nicht, dass die Seite inzwischen zuende war – daher der kleine Schönheitsfehler. Es gedenkt Ihrer recht innig [hs:] Marlies Inhalt des Paketes vom 8. Mai 1946: 2 1 1 1
Graubrote zu 1500 gr Weißbrot, 1000 gr, geröstet Schachtel mit Plätzchen Schachtel mit Wurst und Zwiebeln 512
In: RW 265 Nr. 29942.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1 Tafel Schokolade u. ein Stück Schokolade 100 gr Kaffee, 50 gr Tee, 1 gekochtesEi [hs:] 1 Hemd, 1 Jäckchen, 1 Unterhose, 2 Handtücher 2 Paar Socken, 6 Kragen, 2 x Land u. Meer.
1946-05-15 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13479
Mittwoch, den 15. Mai Liebste Duschka, seit Ihrem Brief vom 29. April (Bericht über Ostern) bin ich ohne Nachricht; vielleicht kommt dieser Tage ein Brief von Ihnen. Vor allem weiß ich nicht, ob Sie gereist sind oder nicht und wann Sie zurückkehren. Hoffentlich haben Sie meinen letzten Brief (vom 10. Mai) erhalten und richtig verstanden. Ich möchte uns vor enttäuschenden Hoffnungen bewahren, auch vor unnützer Aktivität. Im Grunde weiß ich, dass Sie mich richtig verstehen und alles richtig machen. Also nochmals vielen Dank für den wunderschönen, tröstlichen Brief vom 29. April und den entzückenden Bericht Animas über Köln. Schreiben Sie ihr, ich wäre auf den Bericht über die Zauberflöte besonders gespannt (ich habe als Obersekundaner 1905 die Zauberflöte in Köln gehört, die erste Opernaufführung meines Lebens, die Oma in Plettenberg hielt mich schon für verloren513). Anima braucht mir nicht alle 14 Tage zu schreiben; es genügt, wenn sie einmal im Monat schreibt. Claire Louischen gratuliere ich zu ihrem Geburtstag am 20. Mai. Hatten Sie einen besonderen Grund, liebe Duschka, mir den Prager Anzug zu schicken? Ich habe ihn vorigen Sonntag getragen. Von Hemden hätte ich gern (im nächsten Monatspaket) das braune Hemd mit festem Kragen und das alte braune Seidenhemd, dessen beide Kragen in Ihrem letzten Paket waren. Ist das Wäschepaket Dienstag 14. Mai abgeholt worden? Dem Sommer sehe ich ohne große Sorgen entgegen, soweit es sich um eine Weiterführung meiner jetzigen Lage handelt. Diese ist erträglich, aber nur durch den Glücksfall, dass Prof. K[reuz] sich meiner so gut angenommen hat und Geheimrat W[ever] so väterlich für mich sorgt. Es ist nicht das Verdienst der Menschen, die mich in diese Baracke gebracht haben, dass ich es bisher lebend überstanden habe. Wenn man zuviel davon spricht, dass es erträglich ist, werden diese Menschen schon dafür sorgen, dass ich auf eine 513 Vgl. Schmitts Begeisterung für Mozart in seinem Brief vom 3. 12. 1905 an die Schwester Auguste; Jugendbriefe, S. 40 f.
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kalte Weise zugrunde gehe. Bisher hat Gott mir geholfen und, ebenso wie in der Nazi-Zeit, das, was böse gemeint war, zum Guten gewendet. Deshalb ist es mir auch nicht möglich, große Anstrengungen zu machen, um Hilfe zu finden. Lassen wir die verehrten Kollegen ihren Neid und Haß nur austoben, und lassen wir die andern, die aus Feigheit schweigen, ihre angsterfüllte neue Rolle, die Buß-Rolle spielen, nachdem sie 12 Jahre Heil Hitler geschrien haben, wie alle andern. Was mich plagt, ist nur eine törichte Sorge, es könnte Ihnen in Berlin schlecht gehen. Dabei weiß ich wohl, dass Sie sich zu helfen wissen. Meine Sehnsucht nach dem Sauerland unterdrücke ich absichtlich. Ich will keine Pläne mehr machen. Oft kommen Anfälle von Produktivität; dann tut es mir weh, als hätte man mir die Augen ausgerissen, besonders wenn ich an meine Bücher denke. Oft überwältigt mich die Schande, 9 Monate hinter Stacheldraht zu sitzen, ohne von Sachverständigen meines Faches gehört zu sein. Aber das gehört ja zu meiner eigenen ZeitDiagnose. Alles, was ich geschrieben habe, der Begriff des Politischen insbesonders, erhält durch meine gegenwärtige Situation unerwartete, neue Bestätigungen und geschichtliche Kraft. Weiß Adams etwas von Rauschenbach514? Pierre Linn ist mir wichtiger als Maritain, Hannes steht mir näher als Kohlrausch, Smend, und die andern, damals so eifrigen Mitglieder der Akademie für Deutsches Recht.515 Die schmutzige, crapule-hafte Gemeinheit von Frank ist eine Schande, die wir wieder gut machen müssen, oder jedenfalls richtig stellen müssen, nachdem er in Nürnberg das ganze deutsche Volk für seine Gemeinheiten in Polen verantwortlich gemacht hat, um sich in die allgemeine Buß-Pflicht zu verdrücken. Canaille bis zum letzten Atemzug.516 So, liebe Duschka, jetzt geht es mir wieder gut. Schreiben Sie mir bald (ich hoffe, dass heute oder morgen Nachricht von Ihnen kommt). Wenn Sie mir eine wichtige kurze Nachricht zu geben haben, können Sie Frau Sch[indler] bitten (im Notfall, sonst nicht; oder wenn Sie eine Frage stellen wollen, die ich noch nicht beantwortet habe). Ich kann mir ja überhaupt keine Vorstellung von draußen mehr machen. Oft überwältigt mich die Sehnsucht, Sie wiederzusehn. Doch liegt auch das in Gottes Willen und nicht in dem der Menschen, weder von uns, noch derjenigen, die uns jetzt so teuflich quälen, über ein Jahr nach bedingungsloser Kapitulation. 514
Nicht ermittelt; s. TB V, S. 14 u. ö. Im Unterschied zu Eduard Kohlrausch war Rudolf Smend nicht Mitglied der Akademie für Deutsches Recht. 516 Hans Frank bekannte sich in der Todeszelle zum katholischen Glauben und schrieb das bußfertige Buch „Im Angesicht des Galgens“. Im Glossarium bezeichnet Schmitt seine Zusammenarbeit mit Frank in der Akademie für Deutsches Recht als „Selbsttäuschung“ und setzt sie in Bezug zum „Betrug des ersten Eheversuchs“; Glossarium, S. 131. 515
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Bald ist der Geburtstag unserer guten Oma. Wie gut, dass Sie Nachrichten aus Ihrer Heimat haben! Grüßen Sie alle Verwandten und Freunde von mir, liebste Duschka, und seien Sie herzlich umarmt von Ihrem Carl (Bestätigung: Robert Mohl hat sich gefunden). 1946-05-16 (?) Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13467
Donnerstag nachmittag, 5 Uhr Liebste Duschka, eben sind wir gewogen worden; ich wiege 60,8 Kg, fast 1 Kg mehr als vorige Woche. Sie brauchen sich also keine Sorgen wegen meines Hungers zu machen. Den fabelhaften neuen Anzug sehe ich mir mit einem gerührten Lächeln an und frage mich, wann ich ihn wohl einmal tragen werde. Sie werden es nicht für möglich halten, dass ich mit dem alten spanischen grauen Sommeranzug von Ende September bis heute gut ausgekommen bin, und dass der Sengesche braune Anzug mein tägliches Gewand ist. Das Döschen Kaffee ist wohl von Dr. Podach. Tausend Dank an ihn! Könnte er mir nicht einmal sein Nietzsche-Buch über die Lou oder noch besser das von 1930 besorgen?517 Ich gebe es bestimmt zurück, das Buch über den 20. Juli lag nicht im Paket (nur zwei Exemplare „Land und Meer“). Hoffentlich bekomme ich es noch. Wo mag das schöne Weihnachtsexemplar von Land und Meer, das für Anima in Paris eingebunden wurde, jetzt sein? Zuletzt war es im Refugium in Jups Schrank in Pl[ettenberg]. An Joseph Kaiser in Altenhundem müssen Sie besonders nett schreiben. Ich lasse ihn fragen, ob er noch an unser Hegel-Gespräch denkt. Wie steht es mit Ihrer Reise? Tun Sie nur, was Ihnen richtig scheint. Sie können die Lage besser beurteilen als ich in meiner Hilflosigkeit. Ich mache mir keinerlei Hoffnungen, wie ich Ihnen schon schrieb. Unter den Kollegen ist keiner, der sich für mich verwendet oder [mich] gar verteidigt; alle haben mich längst abgeschrieben. Ach liebste Duškica, das ist so gleichgültig. Der arme, liebe Hannes ist mir viel wichtiger als sie alle. Den meisten geht es ja schon wieder ganz gut. Smend ist oben auf, und viele genießen ihr neues Glück. Wir wollen sie nicht darin stören. Die letzten Freunde, Popitz und 517 Erich F. Podach, Friedrich Nietzsche und Lou Salomé. Ihre Begegnung 1882, Zürich/Leipzig [1938]; ders., Nietzsches Zusammenbruch. Beiträge zu einer Biographie auf Grund unveröffentlichter Dokumente, Heidelberg 1930.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Ahlmann, habe ich verloren. Jetzt kann jeder sich an mir seine Pfoten abwischen. Ich weiß nicht, ob Sie noch wegen meiner Entlassung tätig sind, gute Duschka. Sie werden wohl allmählich gemerkt haben, was das für ein Problem ist. Geheimrat v. L[ewinski] wollen wir nicht lästig fallen, auch nicht Sarre. Die neuen Vernehmungen in Lichterfelde (Ringstr.) geben zu vielen Lager-Gerüchten Anlass. Ich kümmere mich nicht darum. Es würde mir nur leid tun, wenn Sie meinetwegen Nachteile haben. Sie selber sind heute wichtiger als ich, der ich hier im Automatismus sitze, vom Leviathan geschnappt. Ob und wann er mich wieder ausspuckt, müssen wir abwarten. Wenn ich den Erniedrigungen des Camp erliege, ist es kein schlechter Tod für einen deutschen Lehrer und Forscher des Völkerrechts und des Verfassungsrechts. Ihr schöner Osterbericht hat mich sehr gestärkt. Sagen Sie Vater Sergius meinen herzlichsten Dank. Patti hat wenig Zeit. Für die Kirche bin ich nur ein räudiges Schaf. Wir wollen uns in dieser Hinsicht nichts vormachen, liebe Duschka. Aber ich will Ihnen doch noch sagen, dass der antirömische Affekt auch hier im Lager grassiert und auch vor einem Gefangenen keineswegs halt macht. Wie mag es Erwin von Beckerath518 gehn? Schade, dass Anima ihn und Prof. Neuß519 in Bonn nicht besucht hat. Neuß hätte ihr schöne Gemälde zeigen können. Den Wintermantel behalte ich noch. Kommt Anni nach Berlin zurück? Wollen Sie nicht lieber auch in den Westen gehn, zu Anima? Für mich werden die Zeiten nicht besser werden, am wenigsten in Berlin. Walz ist nach 7 Monaten von den Franzosen entlassen worden, Mezger ist ebenfalls schon wieder entlassen. Ich bin also der einzige Professor. Sie können unmöglich noch lange auf mich warten, liebe Duschka. Sorgen Sie für unser Kind, und glauben Sie nicht, dass ich unsern alten Vers vergesse: Tout ce qui arrive est adorable. Ich küsse Sie von ganzem Herzen und bleibe immer Ihr Carl Liebe Duškica, Schreiben Sie mir gleich, ob es mit dem Wäschepaket am Dienstag (14. Mai) geklappt hat; ich habe einige Befürchtungen. Die schöne Flanellbinde trage ich noch; sie hat den ganzen Winter gehalten und ist noch sauber. Grüßen Sie Tante Louise und Marlies! Seien Sie nicht traurig, wenn ich ein bisschen gejammert habe. 518
Erwin von Beckerath (1889–1964), Nationalökonom, behielt nach dem Krieg seine Bonner Professur; Schmittiana NF III, 2016, S. 125–128, 190–219. 519 Wilhelm Neuß (1880–1965), kath. Theologe und Kunsthistoriker, Prof. in Bonn und mit Schmitt seit dessen Bonner Zeit befreundet; TB III und IV; Schmittiana VII, 2001, S. 328–333.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1946-05-17 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13802; ms.
Berlin-Schlachtensee, 17. Mai 1946 Freitagmorgen Mein liebster Carl, Draußen ruft so schön der Kuckucksvogel und weckt einen so freundlich; es ist ein sehr schöner Maimorgen. Gestern hatte ich eine sehr frohe Botschaft. Auf ein Gnadengesuch hin ist das Urteil über Hannes von fünf Jahren auf 1 Jahr herabgesetzt. So wird er, so Gott will, im September herauskommen. Neben dem Gnadengesuch der Mutter hat die Bekenntniskirche ein Gnadengesuch gemacht. Haidi ist deshalb bei dem Bischof Dibelius520 gewesen. Beide Gesuche hat der Geheimrat gemeinsam abgegeben vor 4 Wochen. Ich freue mich so sehr mit den alten Eltern. Herr Geheimrat erzählte mir vor einer Woche, dass er Herrn Oppenheimer521 getroffen hat und mit ihm ausführlich gesprochen hat über die Leute, die in Schutzhaft sind. (Herr Oppenheimer war früher Rechtsanwalt in Berlin, und jetzt ist er Adjutant bei General Clay.) Er hätte geäußert, dass er hoffe, dass im Juni eine neue Regelung der Schutzhaft herauskommen wird, indem den wirklichen Schuldigen ein Verfahren gemacht werden soll, und die anderen sollen freigelassen werden. „Endlich bleibt nicht ewig aus.“522 Um mich machen Sie sich keine Sorge; mein Geld reicht noch für ein ganzes Jahr. Vielleicht sind Sie an Ihrem Geburtstag wieder zu Hause. Herzlichst [hs.:] Ihre Duschka
520
Otto Dibelius (1880–1967), ev. Theologe, aktiv in der Bekennenden Kirche, ab 1945 Bischof, ab 1949 auch Ratsvorsitzernder der Evangelischen Kirche in Deutschland. 521 Fritz Oppenheimer (1898–1968), Jurist, emigrierte 1937 nach England, 1940 in die USA, bis Juni 1946 wichtige Stellung in der Rechtsabteilung der amerikanischen Militärregierung in Deutschland, danach wieder in den USA. 522 Zitat aus dem Gedicht „Trostaria“ von Joh. Chr. Günther.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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1946-05-19 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13803; ms.
Berlin-Schlachtensee, 19. Mai 1946 Sonntag abends Liebster Carl! Heute war ein schöner, stiller Sonntag. Tante Louise ging am Sonnabend mittags nach Hause und kommt am Montag nachmittags wieder. Sie hilft mir sehr schön bei der Hausarbeit und ist gerne hier. Ich hatte gekocht, im Garten alles nachgesehen und Briefe geschrieben. Am Nachmittag kam Frau Geheimrat Soehring vorbei. Sie hat großes Leid zu tragen, weil sie nicht weiß, wo sich ihr Mann befindet und ob er überhaupt noch lebt.523 Er ist vor einem Jahr von den Russen abgeholt. Von Frau von Quednow524 hat sie gute Nachrichten; sie schreiben sich Briefe. Als sie fortging, habe ich mit Marlies sehr schön zu Abend gegessen. Dann haben wir unseren Garten begossen; damit haben wir jeden Abend zwei Stunden zu tun; deshalb freuen wir uns besonders, wenn es regnet. Heute haben wir die ersten Stachelbeeren aus dem Garten gegessen. Oft haben wir schon Gartenkresse als Salat gehabt. Ich habe einen netten Gärtner, der gerne philosophiert und sehr schön den Garten bearbeitet. Blischkes und Asmus und Frl. Biedermann haben alle Gartenland bekommen und sind eifrig dabei, ihr Land zu bearbeiten. Der Garten sieht schön aus. Gestern war Annis Geburtstag. Ich hatte einen bescheidenen Honigkuchen gebacken und meine Stube herrlich mit Blumen geschmückt. Haidi war bei mir zum Tee. Anni hat in Cloppenburg sicher schöne Kuchen gehabt; ich bin gespannt auf den ersten Bericht. Am Freitag war ich in der Maiandacht und traf auch Annette.525 Tante Louise wollte auch mit mir in die Maiandacht gehen. Vor einiger Zeit hatte Prof. Hübner ein Buch zurückgeschickt und einen Brief dazu geschrieben.526 Ich hatte ihm geantwortet und mitgeteilt, dass Sie in Schutzhaft sind und auf seinen Brief nicht antworten können. Daraufhin hat er mir geschrieben, und ich habe Ihnen die Abschrift zugeschickt. Ich 523 Otto Soehring (1877–1945), im Auswärtigen Amt tätig, wurde in sowjetischer Haft zum Tode verurteilt und am 12. 11. 1945 hingerichtet. Schmitt lernte ihn 1931 bei Margot von Quednow kennen; TB V, S. 123. 524 Margot von Quednow (1888–?), Tochter des preußischen Generals Ernst von Hoeppner, seit 1909 verheiratet mit Max von Quednow, der 1915 als preußischer Hauptmann in Frankreich fiel, seit 1928 für einige Zeit Geliebte Schmitts, war 1937 von Berlin nach Bayern verzogen; TB IV, S. 237 und passim; TB V, passim. 525 Code, mit dem Duschka den Erhalt eines Briefes von Schmitt bestätigt; s. oben, Brief Schmitts vom 9. 5. 1946. 526 s. oben, Brief Schmitts vom 1. 5. 1946.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
habe an ihn keine Bitte gerichtet; das würde ich an keinen Professor tun, auch an Peters nicht. Machen Sie sich deshalb keine Sorgen. Den schönen grauen Anzug habe ich Ihnen geschickt nur deshalb, weil ich dachte, der andere müsste schon sehr schmutzig sein, und Sie würden den Anzug gerne wechseln. Wenn Sie es wollen, könnten Sie den alten grauen Anzug mit dem Leergut abgeben, und ich könnte ihn entflecken und bügeln und Ihnen wieder zurückbringen. Am Mittwoch, dem 15. Mai, habe ich alte, schmutzige Wäsche abgeholt; es war alles in Ordnung. Am Mittwoch will ich Ihnen etwas saubere Wäsche bringen. Das Buch über den „20. Juli“ habe ich noch nicht bekommen; es ist überall ausverkauft; ich hoffe, es noch zu bekommen. Es freut mich, dass Sie so viele Päckchen bekommen haben. Anima schrieb mir, Onkel Jup war so begeistert über die schön gemalten Eier, dass er meinte, Anima müsste unbedingt auf eine Kunstakademie.Ich bin wirklich gespannt, was Anni über unser Kind berichten wird. Ich möchte nicht gerne reisen, bevor Anni nicht zurückkommt. Wenn ich reisen sollte, werde ich Ihnen sofort Nachricht geben. Es tut mir leid, dass diese Reise Sie bloß unnütz beunruhigte; ich bin froh, dass ich hiergeblieben bin. Meine Korrespondenz ist etwas im Rückstand; ich habe viele Briefe zu beantworten. Das hoffe ich in dieser Woche tun zu können. Neulich hatte ich einen so schönen Traum von Cica, als wenn sie mich hier in Berlin besuchte. Ich muss noch viele Briefe nach Jugoslawien schreiben. Von Gretha und Ernst Jünger kam ein sehr schöner Brief an.527 Auch von Joseph Kaiser.528 Ich schicke bald einige Abschriften. So, mein liebster Carl, für heute will ich schließen. Ich freue mich, dass Ihre Verpflegung wieder besser ist; wenn Sie Hunger haben sollten, schreiben Sie es mir bitte, ich würde Ihnen sofort Brot schicken. Ich warte auf die Päckchen von Anima, damit ich Ihnen etwas Schönes bringen kann. Oft lese ich in Ihren Schriften mit großer Freude und meine dabei, Ihre Stimme zu hören. Ich mache mir keine Illusionen über unsere Situation, aber trotzdem bin ich vor nichts und niemandem bange und habe den besten Schutz, den ein Mensch haben kann: unser reines Gewissen. Wir haben Gott für Vieles zu danken und wollen immer an unseren Leitsatz denken: „tout ce qui arrive est adorable.“ Gott beschütze Sie, liebster Carl, und bewahre Sie vor Schwäche und Ungeduld. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Tante Louise und Marlies lassen herzlich grüßen. 527 528
Nicht überliefert. Joseph H. Kaiser an C. Schmitt vom 4. 5. 1946; RW 265 Nr. 7012.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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1946-05-26 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13804; ms.
Berlin-Schlachtensee, 26. Mai 1946 Sonntag abends Liebster Carl, Heute hatte ich einen schönen Sonntag und möchte Ihnen gerne berichten über die letzte Woche. Von Hannes sollte ich Ihnen viele herzliche Grüße bestellen; ich hatte ihn heute vormittags besucht und konnte mich eine halbe Stunde mit ihm unterhalten. Er sieht gut aus und ist guten Mutes; wir hoffen, dass er bald nach Hause kommt. Darauf freuen wir uns alle mit den alten Eltern. Mittags kam Haidi, und wir haben sehr schön gegessen und geplaudert. Sie erzählte mir, dass Herr Geheimrat529 gestern mit Cap[tain] Radosta gesprochen hat über Ihren Entlassungsantrag. Der Antrag liegt noch nicht bei ihm vor. Am Mittwoch wollte ich mit Haidi bei Telefunken530 deshalb vorsprechen. Alfons war öfters hier und lässt Sie herzlich grüßen; er meint auch, jetzt müsste der Antrag bearbeitet werden. Manchmal denke ich, wir werden Ihren Geburtstag zusammen feiern können und freue mich darauf. Am Freitag war ich bei Frau Friedensburg zum Tee eingeladen, und anschließend hatten wir die russische Stunde; sie war ganz entzückend und lässt Sie herzlich grüßen. Als ich nach Hause kam, kam bald darauf Frau Dr. Wolff.531 Sie brachte uns Grüße aus Plettenberg und hat nett erzählt. Sie wohnt jetzt mit ihrem Mann in Plettenberg. Oft besucht sie Üssi. Ich hatte sie schön bewirtet mit Tee und Butterbrot mit Zwiebeln. Sie lässt Sie herzlich grüßen. Am Mittwoch, 22. V., war ich am Lager und habe ein kleines Päckchen für Sie abgegeben als Medizin (Zwiebeln, 2 gek. Eier u. Stückchen Wurst). Ich hoffe, Sie haben es gut erhalten. Es ist mir noch immer nicht gelungen, das Buch über den 20. Juli zu bekommen; es ist überall ausverkauft. Von Anni ist ein schöner Brief aus Cloppenburg angekommen und 10 Päckchen mit Eiern, Zwiebeln und Haferflocken. Ich will schöne Plätzchen für Sie backen; das große Paket ist am 5. Juni fällig. Am nächsten Mittwoch will ich versuchen, etwas Wäsche für Sie abzugeben. 529
Karl von Lewinski. Die Rede ist vom Telefunkenwerk Zehlendorf. Der Gebäudekomplex diente den US-Streitkräften in Berlin als Hauptquartier. 531 Emmi Wolff, geb. Achterrath (1889–?), Plettenberger Jugendfreundin Schmitts; vgl. Jugendbriefe. Ihr Mann (1886–?) war Studienrat in Plettenberg. (Duschka schreibt „Wolf“). 530
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Anima ist so glücklich, dass Anni sie besucht hat; sie haben sich viel zu erzählen. Anni wird auch Animas Garderobe in Ordnung bringen, weil das Kind aus allem herausgewachsen ist. Ich will mir die Reisebescheinigung besorgen und erst Ende Juli reisen, damit ich zu Animas Geburtstag in Cloppenburg sein kann. Anni wollte auch nach Plettenberg reisen. Ich habe oft große Sehnsucht nach Plettenberg zu reisen, aber am liebsten wollte ich mit Ihnen zusammen reisen, damit wir unsere lieben Gräber besuchen. Gott beschütze Sie, liebster Carl und bleiben Sie guten Mutes. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Tante Louise hat sich sehr gefreut, dass Sie an Onkels Namenstag gedacht haben. Sie hilft mir sehr schön bei der Hausarbeit und ist besonders eifrig beim Gießen im Garten, damit alles wächst und gedeiht. Tante Louise und Marlies lassen herzlich grüßen. [hs.:] Am 19. Mai schickte ich einen Brief ab.
1946-06-03 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13805; ms.
Berlin-Schlachtensee, 3. Juni 1946 Montag abends Liebster Carl, gestern war ein schöner, stiller Sonntag. Meine Stube war festlich mit Blumen geschmückt, und ich habe große Sehnsucht nach meinen Lieben gehabt, die alle fern sind. Trotzdem hatte ich das Gefühl, sie wären alle um mich herum, und in Gedanken war es eine lebendige Unterhaltung. Ich wollte viele Briefe schreiben, aber nur zwei hatte ich fertig, an Anima und Anni, und dann kam Haidi zu Besuch. Wir hatten ein besonders schönes Abendessen und haben gemütlich geplaudert. Sie ist immer um mich besorgt und rührend hilfsbereit. Wir haben uns so schön vorgestellt, wenn Sie wieder mit uns am Tisch sitzen, und hoffen, es wird noch in diesem Sommer sein. Am letzten Mittwoch bin ich mit Haidi bei Telefunken gewesen wegen Ihres Entlassungsantrages. Major Sternberg532 wollte nachsehen, wo der Antrag liegt, und wenn er ihn findet, wollte er ihn zu Capt. Radosta schicken. Herr Geheimrat war bei Herrn Radosta und hat mit ihm über Ihren Fall gesprochen. Herr Radosta hat gesagt, dass, wenn er den Entlassungsantrag hat, er 532 Frederick Sternberg (?–?), im Civil Administration Committee der amerikanischen Besatzungsmacht tätig.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Sie bald zum Verhör bestellen wird. An diesem Mittwoch soll ich wieder bei Herrn Sternberg bei Telefunken anfragen. Ich werde im Anschluss daran mit Herrn Geheimrat sprechen und werde Ihnen bald berichten. Mit Tante Louise war ich in der Maiandacht; es war besonders schön. Ich traf Annette und hoffe, sie wird mich bald besuchen.533 Robert Mohl und Eberhard haben in der Kirche so schön gesungen. Diese Woche habe ich sehr viel zu tun mit der Wäsche und im Garten, damit es zu Pfingsten schön ist. Morgen backe ich Plätzchen für Sie. Anni sorgt rührend für uns und schickt uns oft Päckchen. Sie wird erst Ende Juni zurückkommen. Tante Louise hilft mir ganz eifrig im Haushalt und begießt den Garten. Nach Pfingsten muss ich zum Zahnarzt gehen; ich wollte zu Dr. Schweinfurth534 gehen. Zu Pfingsten möchte ich gerne noch viele Briefe schreiben an unsere Freunde. In die Stadt gehe ich jetzt ungerne, am liebsten bin ich zu Hause und im Garten. Oft kommen Leute und erkundigen sich nach Ihnen. Neulich war Dr. Gerstenberg hier; ich werde Ihnen einige Briefe von ihm schicken.535 Am Sonntagvormittag war Ihr Schüler Ohnsorge536 hier. Er lässt herzlich grüßen und hofft, dass er Sie bald zu Hause antreffen wird. Alfons537 ist rührend besorgt um Sie und kommt jede Woche vorbei. Für heute will ich schließen. Diese Pfingsten werden wir wohl getrennt feiern, aber Sie sind täglich unser liebster Gast. Ich denke an die schöne Predigt vom Bischof von Galen über den heiligen Geist. Dort finden wir die Kraft, um unsere Not mit Würde zu tragen und hoffen auf schönere Zeiten. Gott beschütze Sie, liebster Carl. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Lieber Herr Professor, zum Pfingstfest möchte ich Ihnen auch einen ganz besonders herzlichen Gruß senden. [hs.:] Marlies
533
Soll heißen, sie erhofft sich bald einen Brief von C. Schmitt. Auch „Robert Mohl“ und „Eberhard“ sind ein Code. 534 Rudolf Schweinfurth, Zahnarzt in Nikolasee, Prinz-Friedrich-Leopold-Str. 11. 535 RWN 260 Nr. 357; RW 265 Nr. 4725. 536 Werner Ohnsorge (Duschka schreibt „Ohnesorge“). 537 Alfons Adams.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1946-06-09/10 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 19619
Pfingstsonntag, abends 6 Uhr Liebste Duschka, meine Pfingstgrüße sind wohl noch nicht angekommen, aber ich denke den ganzen Tag an Sie und freue mich über die Rosen, von denen noch eine blüht, und genieße die herrlichen Sachen aus Ihrem Paket, Kaffee, die Plätzchen, Kirschen, Erdbeeren, den Kuchen, die Eier, den Honig, das Brot. Alles ist gut angekommen (nur die kleine Kognakflasche war wieder leer; die Kontrolle läßt nichts derartiges durch). Also vielen herzlichen Dank, vor allem auch für die schöne, saubere Wäsche und den Sommermantel. Mein Pfingstbrief vom 5. und 6. Juni ist verloren gegangen, leider auch das schöne Manuskript meiner „Selbstverortung“538, S. 7–17. Nun, das war eine Fügung, die ihren Sinn haben wird. Hoffentlich kommt dieser Brief wenigstens an, damit Sie sich keine Sorgen machen. Haben Sie den vorangehenden Brief mit Seite 1–6 des Manuskr. erhalten? Darin, dass der letzte Brief verloren gegangen ist, sehe ich einen Wink und eine Warnung. Es ist vielleicht besser, solche Beschäftigungen mit sich selbst, wie ich sie da begonnen hatte, nicht fortzusetzen.539 Gut, dass ich den entzückenden Brief von Anima (vom 21. Mai) nicht beigefügt hatte, sonst wäre der auch verloren gegangen, und das hätte mir am meisten weh getan. Ich hatte Sie in dem verlorengegangenen Brief gebeten, nicht mit Kohlrausch zu sprechen, wegen des Schmidt-Leichner540, von dem ich vorher geschrieben hatte. Dann hatte ich noch gefragt, ob Sie nicht einmal gelegentlich wieder zu dem Sohn von Geheimrat W[ever] gehen könnten, über den der Vater einige beunruhigende Nachrichten hat, während der Junge seit langem wieder nicht schreibt. Wegen Geheimrat von L[ewinski] hatte ich gefragt, ob man ihm nicht Honorar geben muss und ob Sie das Geld dafür haben. Den Wintermantel habe ich zum Leergut gegeben; er kann gelegentlich abgeholt werden. Wäsche habe ich jetzt genug für den ganzen Juni. Den schönen grauen Anzug habe ich heute beim Messedienen getragen. Was den Geistlichen anbetrifft, so dürfen Sie nicht vergessen, dass er alles unter dem 538
Es dürfte sich um eine Fassung des titelgebenden Textes aus ECS, S. 55–78, handeln. 539 „Ich habe hier von mir selbst gesprochen, eigentlich zum erstenmal in meinem Leben. Ein wissenschaftlich denkender Mensch spricht lieber von sachlichen Problemen.“ ECS, S. 76. 540 Erich Schmidt-Leichner (1910–1983), Rechtsanwalt in Berlin, ab 1947 auch als Verteidiger in den Nürnberger Prozessen tätig.
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Gesichtspunkt der nicht-kirchlichen Ehe sieht. Wir haben recht daran getan, uns an die Kirche zu wenden, aber wir wollen jetzt nichts mehr von ihr erwarten. Was Ernst J[ünger] schreibt,541 ist wohl nur eine Ablenkung. Ich danke Gott, dass mir meine Einsamkeit und Isoliertheit in aller Klarheit zum Bewußtsein gekommen ist. Das gehört zu den bittern, aber heilsamen Früchten dieses Camp-Daseins. Seit dem 7. Mai habe ich keine Päckchen mehr erhalten. Ihr letzter Brief ist vom 19. Mai. Am meisten denke ich an Hannes, für dessen wunderbaren Brief ich besonders dankbar bin. Dann habe ich noch eine große Bitte: Haben Sie noch den „sternhellen Weg“ von Däubler542? Ich hätte ihn gern, auch meine Däubler-Broschüre543 aus dem Jahre 1916. Hier ist eine große Däubler-Begeisterung ausgebrochen. Prof. K[reuz] liest Däubler ganz großartig vor. Oft glaube ich, Däubler selbst zu hören und fühle mich in meine Referendarzeit zurückversetzt. Mit dem letzten Brief (vom 6. 6.) ist auch ein kurzer Brief für Anima verloren gegangen. Vielleicht ist auch das richtig. Ich hatte ihr geschrieben, dass sie den lateinischen Text der Liturgie verstehen lernen und sich dafür ein[en] „Schott“544 verschaffen soll (ich habe das Meßbuch von Schott, das die Großeltern ihr zur ersten Heiligen Kommunion geschenkt haben). Das Pfingstgedicht von Annette [von Droste-Hülshoff] ist besonders traurig. Aber ihre ergreifende Ehrlichkeit ist so groß, dass es doch wieder tröstend und erhebend ist. So, liebe Duschka, jetzt habe ich eigentlich weiter nichts geschrieben, als den letzten Brief wiederholt. Ich hätte Ihnen an diesem schönen PfingstAbend lieber einen schönen Brief geschrieben. Aber Sie kennen mich ja, liebste Duschka, und lesen in meiner Seele, auch wenn ich nicht bei Ihnen bin. Es ist wunderbar, dass ich in die Lage gekommen bin, alle die vielen schönen Erinnerungen, die uns miteinander verbinden, von Anfang an zurückzurufen. Für uns alle, die wir den April 1945 überlebt haben, hat ein neuer Lebensabschnitt begonnen, für alle von uns, auch für Jünger und die Glücklichen, die nicht ihrer Freiheit beraubt und nicht outlaw gemacht worden sind. Aber für wenige ist es eine solche Verifizierung, wie für mich. So 541
Brief nicht erhalten. Theodor Däubler, Der sternhelle Weg, Leipzig 1919 (RW 265 Nr. 22615). 543 Carl Schmitt, Theodor Däublers „Nordlicht“. Drei Studien über die Elemente, den Geist und die Aktualität des Werkes, München 1916.Vier Exemplare im Nachlass: RW 265 Nr. 28349, 22570, 22571, 29400 (mit vielen Anm. u. Einlagen); 3. Aufl. Berlin 2009. 544 Nach dem Herausgeber P. Anselm Schott benanntes Messbuch der röm.-kath. Kirche, das die lateinischen Texte mit einer deutschen Übersetzung versieht, um den Laien eine Mitfeier der Messe zu ermöglichen. 542
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
ist z. B. die kleine Schrift über den Begriff des Politischen heute tausendmal aktueller als vor 20 Jahren, als ich sie in Friesdorf formulierte. Was bedeutet das alles? Wir werden wunderbar geführt und alles enthüllt seinen Sinn erst später, wenn es uns nicht mehr als Gegenwart behelligt. Wie wunderbar die scheinbar so harten Monate des Winters 1928/29 und des Sommers 1929 waren, als Sie krank in San Remo und St. Gallen lagen, erkenne ich erst heute in seiner ganzen Tiefe. Wir wollen also nicht kleiner sein als unsere Wirklichkeit. Sie haben mir so schön geschrieben: Gott schütze Sie und bewahre Sie vor Schwäche und Ungeduld. Das ist jetzt mein tägliches Gebet. Wo mögen Sie heute Abend sein, liebe Duschka? Grüßen Sie alle Freunde und Angehörigen, die gute Tante Louise, Marlies, Haidi, die Eltern von Hannes, Dr. Podach und geben Sie mir bald Nachricht. Ich küsse Sie von Herzen und bin immer Ihr Carl Pfingstmontag, morgens 8 Uhr. Liebe Duschka, ich schreibe schnell noch ein paar Zeilen, weil ich diesen Brief gleich abschicken muss. Seien Sie unbesorgt wegen des verlorengegangenen Briefes; er ist wahrscheinlich gestohlen worden (im Wagen des Überbringers). Man kann gespannt sein, was daraus wird. Ich bin aber sehr fröhlich. Ich will mein Glück nochmals versuchen und schicke noch einige Tagebuchnotizen auf kleinen Zetteln.545 Verwahren Sie sie gut. Wenn Ihnen diese Art der Korrespondenz oder dieser Weg nicht richtig scheint, verständigen Sie mich irgendwie. Vielleicht ist es nicht richtig. Aber mir scheint es besser zu sein, eine Möglichkeit zu benutzen, um Ihnen wenigstens ein Zeichen zu geben, als hier einfach abzusinken und lautlos zu verschwinden. Also Mut, liebe Duschka. Wir bleiben Gotteskinder, auch wenn uns die Menschen quälen und entwürdigen. Wir glauben an den gekreuzigten Gott. Das ist wunderbar. Denken Sie an den Vers von Bojić, den wir so oft besprochen haben: Nicht als Sklaven brachte uns ein Schicksal her, Bräutigame sind wir, die zur Hochzeit kamen.546 Das ist ein schöner Pfingstvers. Vergessen Sie die Bücher von Däubler nicht. Schreiben Sie Ernst J[ünger] von meinen Untersuchungen zum Begriff des justus hostis, ein Begriff, der richtiger und edler ist als der des justum bellum.547 Die arme Gretha tut mir so leid. Soll ich Ihnen den Brief von Anima vom 21. Mai schicken? Er ist 545
RW 265 Nr. 19619. TB III, S. 229; TB V, S. 372, 374. 547 Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Köln 1950 (5. Aufl. Berlin 2011), im Sachregister unter „Justus hostis“. 546
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lieb und lustig. Ich füge noch einige Zeilen für Anima bei, die Sie abtrennen und ihr schicken können, wenn Sie das für richtig halten. Auf Wiedersehn, Duškica! Immer Ihr Carl Pfingstmontag 1946 Meine liebe Anima! Dein Brief vom 21. Mai war für mich eine große Pfingstfreude. Hoffentlich habt Ihr in Cloppenburg ein schönes Pfingstfest gehabt. Lern fleißig weiter, damit Du ein gutes Abitur machst. Kannst Du schon einigen Worten oder Sätzen der lateinischen Liturgie während der heiligen Messe folgen? Habt Ihr dort das Messbuch von Schott, mit deutschem und lateinischem Text? Ich habe hier Dein Exemplar, das Dir die lieben Großeltern von Plettenberg zur ersten Heiligen Kommunion geschenkt haben. Welche Art von Drama wünschest Du Dir? Ein historisches (und aus welcher Zeit?), oder ein bürgerlich-gesellschaftliches? oder eine Schicksalstragödie? Mit happy end oder dem Gegenteil? Hoffentlich können wir das einmal gründlich besprechen. Grüße alle Bekannten, besonders Weßlings bestens von mir. (Anni wird wohl schon abgereist sein.) Ich umarme Dich herzlich und bleibe immer und überall Dein getreuer Vater
1946-06-11 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13806; ms.
Berlin-Schlachtensee, 11. Juni 1946, Dienstag Liebster Carl, es ist wieder ein großer Feiertag vorüber, und Sie müssen noch immer die Leiden der Gefangenschaft ertragen. Wir haben zu dem Festtag alle schön vorbereitet und festlich geschmückt und herzlich Ihrer gedacht. Von Anima und Anni kamen schöne Briefe und Päckchen, besonders liebevoll zusammengestellt. Ich habe an meine Lieben gedacht und konnte fröhlich sein in der Hoffnung, dass ich Sie bald wiedersehe. So habe ich mit Marliese still und friedlich die Pfingsttage verlebt. Marlies spielt mir oft abends vor, Mozart oder Gluck; ich höre es in Erinnerung an die Tage, wo Sie uns so oft vorgespielt haben und hoffe, dass diese Trennung nicht mehr lange dauert.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Am Mittwoch, den 5. Juni, habe ich ein großes Paket für Sie abgegeben und Ihren Gabardinemantel. Hoffentlich war es eine kleine Pfingstfreude für Sie. Vom Lager ging ich zu Telefunken wegen Ihres Entlassungsantrages. Dort habe ich eine halbe Stunde gewartet; unterdessen wurden Ihre Akten nachgesehen. Dann kam Herr Capt[ain] Hirsch548 und teilte mir mit, dass Ihr Entlassungsantrag angekommen ist, und dass er ihn binnen 3 Tagen zu Herrn Radosta schicken wird. Ich zeigte ihm den Brief vom Brigad. General Milburn549 (vom 27. Nov.) und frug, ob es nötig wäre, an den General zu schreiben wegen Ihrer Entlassung, weil es mir zu lange dauert. Er antwortete mir, es sei nicht mehr nötig. Darauf habe ich noch gefragt wegen der Erklärung der beiden Präsidenten für Sie, Friedensburg und Schröder, ob es nötig wäre, die Erklärung noch an Herrn Radosta abzugeben. Er sagte, die Erklärungen seien ihm bekannt, und es wäre nicht nötig, diese noch einmal abzugeben. Er versprach mir noch einmal, dass Ihr Antrag in 3 Tagen bei Radosta sein wird. Morgen gehe ich also zu Capt. Radosta und werde anfragen. Herr Geheimrat wollte auch bei Herrn Radosta noch einmal vorsprechen. Ich werde mich jetzt jeden Mittwoch danach erkundigen. Am Donnerstag war ich bei Herrn Geheimrat in seinem Büreau am Kurfürstendamm. Er wird für mich eine Sprecherlaubnis beantragen, und [ich] hoffe, sie wird nicht abgelehnt. Anschließend war ich in einem Photokopiegeschäft und habe den Artikel, der im „Schwarzen Korps“ gegen Sie erschienen war, photokopieren lassen in 5 Exemplaren. Ich werde morgen die Kopien abholen und schicke Ihnen auf jeden Fall eine zu; vielleicht brauchen Sie dieses Dokument beim Verhör. Dass Sie am 29. Mai den Entlassungsantrag noch einmal wiederholen sollten, hängt mit meinem Besuch bei Telefunken und mit meinem Gespräch mit Herrn Major Sternberg zusammen. Das Leergut habe ich am Dienstag, den 4. Juni, abgeholt; es war alles in Ordnung. Den grauen Anzug werde ich reinigen lassen. In dem Paket vom 5. Juni sandte ich ein kleines leeres Fläschchen; ich dachte, Sie könnten es gut gebrauchen; unten ein Verzeichnis des Inhalts dieses Paketes. Am Mittwoch, den 22. Mai, gab ich ein kleines Päckchen für Sie ab; ich war 4.15 Uhr am Lager und der nette kleine Jude war so freundlich und nahm mir das Päckchen ab, obwohl es nach 4 Uhr war. Ich sagte ihm, es seien Zwiebeln im Päckchen, und das sei Medizin für Sie (außerdem waren 3 hartgekochte Eier und ein Stück Wurst darin). Ich hoffe, dass Sie das Päckchen erhalten haben und dass es nicht verloren gegangen ist.
548
Möglicherweise Hans Hirsch (1916–2015), aus Stuttgart gebürtiger Agrarwissenschaftler, emigrierte 1938 in die USA, diente bis 1947 in der US-Army. 549 Bryan L. Milburn (1896–1991), Brigadegeneral, Chief of Staff der amerikan. Militärregierung; OMGUS, S. 93.
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Von Veronica kam ein sehr lieber Brief zu Pfingsten an.550 Sie bekommen bald die Abschrift. Claire hat auch sehr lieb geschrieben. Onkel Jup wollte für Anima die Kunstakademie bezahlen. Ich finde es rührend, aber ich finde es selbstverständlich, dass unsere Tochter erst das Abitur macht. Von Emil Langenbach kam eine nette Karte an; er hat mit Üssi zusammen eine Wanderung gemacht und die heimatlichen Berge von Ihnen gegrüßt. Ich hoffe, wir werden noch in diesem Jahr zusammen auf den Saley551 steigen. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Inhaltsverzeichnis: 1 Brot 1500 gr 1 Karton Plätzchen 1 Honigkuchen 3 hartgekochte Eier 1 Glasdose Kaffee ca. 100 gr 1 Karton Kirschen von Haidi — 4 Hemden u. Kragen 4 Paar Socken 3 Taschentücher 4 Handtücher 1 Unterhose 2 Unterjacken 1 Nachthemd 1 leeres Fläschchen
1946-06-12/13 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13480
Mittwoch, 12. 6. Vielen Dank, liebste Duschka, für Ihren Brief vom 26. Mai, den ich gestern abend (11. 6.) erhielt. Ich antworte Ihnen heute in Eile, weil ich noch einmal (zum letzten Mal) die Möglichkeit habe, Ihnen eine Sonder-Nachricht zukommen zu lassen. Hoffentlich kommt dieser Brief in Ihre lieben Hände und lesen Ihre Augen diese Zeilen, gute, liebe Duškica. Ich habe mich über Ihre 550
Veronica Schranz an C. Schmitt vom 30. 5. 1946; RW 265 Nr. 11962. „Hausberg“ Carl Schmitts bei Plettenberg, auf den er bei jedem Besuch in Plettenberg stieg. 551
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Nachrichten sehr gefreut. Schreiben Sie mir bald wieder. Machen Sie sich keine zu großen Sorgen um mich. Es ist wunderbar, dass ich diese ¾ Jahr überstanden habe. Anscheinend kommt jetzt für mein Camp-Dasein eine Veränderung, aber auch das will ich in Geduld abwarten. Die Schwächeanfälle werde ich ertragen, auch die Anfälle des Entsetzens vor soviel Ungerechtigkeit und kalter Knebelung. Ob mein 2. Entlassungsantrag (vom 29. Mai) dasselbe Schicksal hat wie der erste (vom 5. Februar), nämlich einfach liegen zu bleiben oder zu verschwinden, wollen wir ebenfalls abwarten. Die Schlinge der Automatic ist furchtbar, bis in alle Einzelheiten des lautlosen Todes, aber Gott hat mich bisher beschützt, und an Ernst J[üngers] Lieblingsvers „Ihr werdet auf Schlangen und Skorpione treten, ohne dass es Euch schadet“552, habe ich oft denken müssen. Seien Sie also ohne Sorge um mich. Die Gefahr der Entseelung ist groß, aber Sie sind meine Seele, liebe Duschka. So, jetzt noch einige Kleinigkeiten. Das Päckchen, das Sie am 22. Mai abgegeben haben (mit Zwiebeln, 2 Eiern und Wurst), habe ich nicht erhalten. Üssi hat am 23. Mai eine Karte aus Pl[ettenberg] geschickt553 und geschrieben, dass sie am 18. Mai ein Päckchen an mich geschickt hat; das ist bisher noch nicht angekommen. Geben Sie keine Päckchen mehr für mich ab. Den Wintermantel habe ich vorigen Freitag zum Leergut gegeben. Das nächste Wäschepaket ist erst im Juli zulässig. Ich möchte aber vorher einige schmutzige Wäsche als Leergut schicken; schreiben Sie mir, ob Ihnen das passt, für den 25. Juni. Ich habe Wäsche genug und komme bequem aus. Im übrigen ist alles unberechenbar. Cognacfläschchen werden stets ausgetrunken. Dass Anima von Anni etwas betreut wird, hat mich sehr getröstet. Das gute arme Kind kennt ja meine wirkliche Lage noch nicht und kann sie auch nicht ahnen. Das größte Vertrauen habe ich zu Tante Üssi; ihre Karte aus Pl[ettenberg] hat mich unendlich gefreut. Die Nachricht über Frau Wolff ist sehr schön. Gut, dass sie mit ihrem Mann in Pl[ettenberg] ist. Ob wir noch einmal dorthin kommen werden? Hoffentlich gelingt Ihre Reise Ende Juli. Reisen Sie, auch wenn ich nicht dabei bin, Duschka. Hoffentlich ist der vorige Brief (die Wiederholung des verloren gegangenen Thomasbriefes) in Ihre Hände gekommen. Wenn ich darüber von Ihnen bald eine Andeutung erhalten könnte, wäre ich besonders dankbar. Der Verlust der 10 ManuskriptSeiten (7–17) ist schade, aber kein Unglück. Ernst J[ünger] schrieb davon, dass mir mein Aufsatz zum 30. Juni zum Vorwurf gemacht wird; ich habe darüber eine Antwort bereits vor einem Jahr an Friedensburg geschrieben; 552
Lk 10,19. Schmitt wies Jünger im Juli 1939 auf diese Stelle, was dann in den wenig später erscheinenden „Marmorklippen“ Jüngers ein wichtiges Motiv war; vgl. BW EJünger, S. 85 f. 553 RW 265 Nr. 12743.
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sie liegt in einem grünen Aktendeckel, dort liegt übrigens auch noch meine rührende Notiz to any honest Christian Gentleman.554 Wirklich rührend als Zeichen deutscher Naivität; jedes Wort „honest“, „Christian“, „Gentleman“ ist zum Hohn geworden. Oft denke ich jetzt an den Hauptmann Grüninger555. Es gibt heute noch weniger Recht als unter den Nazis. Mit Gr[üninger] hatte ich ein schönes Gespräch über B[enito] Cereno (Okt. 1941 in Paris). Wer hätte damals an die Möglichkeit gedacht, dass B. Cereno als Pirat behandelt wird. Aber trotz alledem, liebste Duschka, ich bin nicht entseelt. „Wehrlos, doch in nichts vernichtet“, wie Konrad Weiß sagt.556 Ich bin durch meine Gedankenarbeit von 1910 bis 1945 auf meine jetzige Lage so wunderbar vorbereitet und ausgerüstet worden, dass ich immer von neuem über die Fügungen Gottes staunen muss. Alles hatte seinen Sinn als geistige Rüstung. So bin ich jetzt ad praedestinata promptus et paratus.557 Grüßen Sie die gute Tante Louise herzlich von mir, auch Marlies (der ich für ihre Abschriften vielmals danke) und Haidi und die guten Eltern von Hannes (wie schön, dass Sie ihn sahen!). Schreiben Sie gelegentlich an Jos. Kaiser in Altenhundem und fragen Sie ihn nach dem Prof. Hugelmann558 in Münster; und dann hoffentlich bis zum nächsten Brief, Anfang Juli! Ich umarme Sie von ganzem Herzen, liebe Duschka, und bin und bleibe Ihr unveränderlicher Carl Donnerstag, 13. 6. Der beiliegende gestrige Brief soll erst heute morgen abgehen. Ich benutze das, um Ihnen noch schnell ein paar Mitteilungen zu machen, liebe Duschka. Vor allem, um Ihnen für das kostbare Geschenk zu danken, das gestern glücklich eintraf und von dem ich mit K[reuz] gestern abend die ersten Proben genommen habe. Wunderbar. Wie kommen Sie daran? Unglaublich. Ich fühle mich noch heute morgen davon beschwingt. Es gehörte zu diesem Pfingstfest, trotz der kleinen Verspätung um einige Tage. Also tausend Dank, liebste Duschka, Ihnen und allen, denen eine Anerkennung für ihre Mitwirkung an dieser schönen Pfingstgabe zukommt. 554
Sowohl die „Antwort“ wie die „Notiz“ sind nicht erhalten. Horst Grüninger (1900–1945) war Odonnanzoffizier von Hans Speidel in Paris und mit Jünger befreundet, über den Schmitt ihn 1941 in Paris kennenlernte (s. BW EJünger). Grüninger besuchte Schmitt dann auch in Berlin. 556 Konrad Weiß, Der christliche Epimetheus, Berlin 1933, Eingangsgedicht; von Schmitt auch in ECS (S. 14, 86) und Glossarium (S. 89) zitiert. 557 „zum Vorausbestimmten bereit und gerüstet“, Zitat aus der Vita Sancti Bonifatii des Willibald von Mainz, Kap. 5. 558 Karl Gottfried Hugelmann (1879–1959), österr. Jurist, seit 1934 Prof. in Münster, ging nach seiner Emeritierung 1944 nach Göttingen, wo er noch bis 1947 lehrte. 555
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Dann wollte ich Ihnen noch sagen, dass ich Rasierseife bekommen habe und für 2 bis 3 Monate damit ausreiche. Mein Rasierpinsel wird dünner, reicht aber wohl auch noch einige Zeit aus, ebenso die Klingen. Schließlich noch eine weniger erfreuliche Meldung: wir dürfen keine Wäsche mehr im Leergut mitschicken, nur leere Gläser usw. Das ist aber für mich im Augenblick nicht so schlimm. Ich habe noch Wäsche bis Mitte Juli, und dann ist vielleicht schon wieder eine andere Situation. Die dicken weißen Strümpfe von Anima und die weiße Wolljacke habe ich für alle Fälle immer im Koffer. Der Besuch, den Sie Mittwoch den 29. mit Haidi gemacht haben, hat offenbar die Wirkung gehabt, dass man sich nach meinem Entl. Antrag erkundigt hat und ich den Befehl bekam, nochmals einen Antrag zu stellen. Denken Sie einmal darüber nach, um meine Lage richtig zu verstehen, vor allem meine Zurückhaltung. Ohne die Intervention vom 29. Mai hätte die Sache noch jahrelang irgendwo liegen oder vielmehr verschwunden sein können, und niemand hätte danach gefragt. Das sind unsere „Anträge“. Ich warte ab, ob dieser zweite Antrag ein besseres Schicksal hat. Sie verstehen jetzt vielleicht auch, warum jede Sprecherlaubnis seit Monaten rigoros abgelehnt worden ist. Vergessen Sie nicht, dass ich völlig abgeschnitten bin, völlig mundtot gemacht, und was das im Bewußtsein eines Juristen bedeutet, der weiß, was fair trial und due process of law besagen will. Ein lawyer als outlaw[…]. [Textverlust] Auf Wiedersehn, Duschka, tout ce qui arrive est adorable! [Anlage: Zettel mit folgender Aufstellung:] Ich habe erhalten am Mittwoch
(Mittw.)
15. 17. 18. 23. 27.
Mai: Mai: Mai: Mai: Mai:
2 Pakete Zeitungen Brief Duschka vom 9. Mai Brief Frau Olms Päckchen von Tante Üssi (Knäckebrot und Zucker) (Nachrichten über Hannes und Geheimrat v. L[ewinski]) 28. Mai: Brief von Duschka vom 19. Mai 29. Mai: Paket über K.559 (Wäsche, grüner Schlafanzug, Plätzchen usw. alles richtig, nur die kleine Cognacflasche leer) 31. Mai: 3 Brief-Abschriften
559 Möglicherweise „Kreuz“, für den Frau Schindler Pakete lieferte; s. unten, Brief Duschkas vom 2. 6. 1946.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
(Mittw.)
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4. Juni 5. Juni:
Brief von Anima aus Cl[oppenburg] vom 21. Mai560 Paket Wäsche, Kaffee, Kuchen, Erdbeeren, Kirschen, Honig usw., alles richtig (nur die kleine Cognacflasche wieder leer) 11. Juni: Brief Duschka vom 26. Mai, Dr. Gerstenb[erg] vom 31 Mai561 Karte von Tante Üssi aus Pl[ettenberg] vom 23. Mai
1946-06-13 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13807; ms.
13. Juni
Berlin-Schlachtensee, Donnerstag abends
1946562,
Liebster Carl, draußen regnet es so gemütlich, Tante Louise sitzt bei mir und strickt, und ich wollte Ihnen noch einige Zeilen schreiben. Gestern vormittags war ich mit Haidi im Büro des Herrn Radosta. Von dem Chefsekretär habe ich erfahren, dass Ihr Entlassungsantrag bei dem deutschen Sicherheits- und Prüfungsausschuss Berlin-Zehlendorf jetzt vorliegt. Es wurde mir versprochen, dass – sobald die Akten vom Prüfungsausschuss zurückkommen – dieselben Herrn Radosta vorgelegt werden. Anschließend war ich in der Stadt und habe die Photokopie geholt; das war sehr gut. Ebenfalls habe ich jetzt die Broschüre vom „20. Juli“. Ich schicke sie Ihnen mit dem Petrusblatt. Heute nachmittag besuchte mich ein Herr von dem deutschen Prüfungsausschuss. Er wollte gerne noch Unterlagen zu Ihrem Entlassungsantrag haben. Ich konnte ihm einiges geben und auch den Angriff aus dem „Schwarzen Korps“. Ich habe ihm versprochen, die Erklärungen der Herrn Präsidenten, Friedensburg und Schröder, des Pfarrer Gebhardt und von Alfons Adams zu besorgen. Er kommt am Sonntag vormittags zu mir und holt die Erklärungen ab; er war sehr vornehm und sympathisch. Er erzählte mir, dass er noch morgen zu Professor Peters in die Universität gehen wollte, um auch von ihm eine Erklärung über Sie einzuholen. Morgen werde ich herumlaufen, um alles zu besorgen. In der nächsten Woche soll der Ausschuss über Ihren Entlassungsantrag entscheiden.563 Diese Entscheidung wird dann Herrn Radosta vorge560
RW 265 Nr. 12628. RW 265 Nr. 4728. 562 Im Original „1943“. 563 Am 27. 6. wurde Schmitt von dem deutschen Sicherheits- und Prüfungsausschuss vernommen; der Ausschuss schlug einstimmig seine Entlassung vor (Brief 561
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
legt. Liebster Carl, jetzt habe ich etwas Hoffnung, dass Sie zu Ihrem Geburtstag zu Hause sein werden; das wäre für mich die größte Freude. Von Dr. Gerstenberg kam ein Brief an, den er an den Präsidenten Dr. Franz Scholz564 geschrieben hat; diese Abschrift schicke ich Ihnen zu. Dr. Gerstenberg war hier und fragte an, ob Sie die Verteidigung des Generals Otto von Stülpnagel565, Militärbefehlshaber in Frankreich, übernehmen wollten. Ich habe ihm geraten, diese Anfrage an Sie direkt zu richten und hoffe, dass Sie den Brief im Lager nun erhalten haben.566 Ich konnte in diesem Falle für Sie nicht antworten; trotz seinem manchmal etwas verworrenem Stil hat er eine rührende Verehrung und Anhänglichkeit für Sie. Meinen letzten Brief habe ich zu schnell beendet, damit Marlies ihn noch tippen konnte, und deshalb hole ich heute nach, was ich vergessen habe mitzuteilen. Am Dienstag nachmittag kam Ihr lieber Brief vom 2. Juni, über den ich mich sehr gefreut habe. Ich fand auch am Dienstag ein Exposé von J. Bodin,567 das ich mit großem Interesse und Freude lese. In diesem Jahr tragen die Pflaumenbäume besonders gut; ich freue mich, wenn ich daran denke, dass wir sie zusammen pflücken werden; dann backe ich Ihnen schönen Pflaumenkuchen. Tante Louise und Marlies lassen herzlich grüßen. Gute Nacht, mein liebster Carl, bleiben Sie guten Mutes. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka [hs.:] Freitag. Heute war ich bei Herrn Geheimrat von Lewinski. Er gibt eine Erklärung an den Prüfungsausschuss über Ihre Beziehung zu Popitz.568 Duschkas vom 5. 8. 1946 an Franz Schranz; Kopie in: RW 576 Nr. 528). Die Entscheidung darüber lag allerdings bei den Amerikanern. 564 Franz Scholz (1873–1958), Jurist, von der britischen Besatzungsmacht 1945 zum Präsidenten des Bezirksverwaltungsgerichts in ihrem Sektor ernannt, dann aber entlassen, weil er in der NS-Zeit höherer Richter war. Der Brief von Gerstenberg an Scholz vom 7. 6. 1946 im Nachlass Schmitt; RW 265 Nr. 4732. 565 Otto von Stülpnagel (1878–1948), General, von Oktober 1940 bis Februar 1942 Militärbefehlshaber in Frankreich, bat wegen Differenzen mit Hitler (insbesondere wegen Geiselerschießungen) im Februar 1942 um seinen Abschied. Anfang August 1945 wurde er in Lüneburg von der britischen Besatzungsmacht verhaftet und im Dezember 1946 an die Franzosen übergeben. Noch vor seinem Prozess erhängte er sich am 6. Februar 1948 im Gefängnis in Paris. 566 RWN 260 Nr. 357. Gerstenberg war, wie aus seinem Brief hervorgeht, mit der in Berlin lebenden Ehefrau Stülpnagels verwandt. 567 Ein Code, der den Erhalt eines Briefes betätigt (s. folgenden Brief). 568 RW 265 Nr. 21781.
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1946-06-15 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 19619
Samstag, 15. 6. Liebe Duschka, zu meiner größten Freude habe ich noch einmal die Möglichkeit, Ihnen auf diesem Wege Nachricht zu geben. So kann ich Ihnen gleich für Ihren Brief vom Montag, den 3. Juni danken, den ich Dienstag, den 11. Juni, erhielt und der mich sehr glücklich gemacht und von vielen Sorgen befreit hat, weil ich jetzt weiß, dass Anni zurückkommen will. Auch dass Tante Louise, Haidi und Marlies so treu zu uns halten und Alfons A[dams] ebenfalls, ist für mich ein großer Trost und wichtiger als alles andere. Und dass der schöne Gesang von Robert Mohl und Eberhard Ihr Ohr erreicht hat, macht mir große Freude. Hoffentlich haben Bodin und Thomas den gleichen Erfolg, so, wie dieser letzte Bote, den wir Johann nennen wollen, in Erinnerung an die vielen, schönen Johannistage der letzten 20 Jahre, an die Träger dieses schönen Namens und Ihren Hauspatron.569 Die Einzelheiten über Ihren Besuch bei St[ernberg] bestätigen das, was ich Ihnen schon geschrieben habe. Warten wir ab, inwieweit es dem 2. Antrag besser geht als dem ersten. Die Automatik ist ein dunkles Labyrinth, in dem das Opfer mit verbundenen Augen und geknebeltem Munde von maskierten Henkern hin und her geführt wird. Genug davon. Sprecherlaubnis gibt es nicht; Schreiben darf ich jeden Monat einmal 20 Zeilen, die eine Antwort auf wochenlang zurückliegende Fragen darstellen und nach Wochen ankommen. Sagen Sie das auch dem Dr. G[erstenberg], dessen Anfrage ich erhalten habe. Natürlich würde mich die Aufgabe interessieren, zumal Stü[lpnagel] mir auf dem Wege über Ernst J[ünger] sehr sympathisch geworden ist und ich seine großen Verdienste von Paris her kenne.570 Aber ich bin jetzt gefesselt. Auch wäre es nicht gut, wenn ich jetzt mit dieser Art Tätigkeit auffallen und mit der Absicht einer solchen Tätigkeit Interesse erregen würde. Sagen Sie Dr. G. vor allem, dass ich mich über den Vorschlag nicht nur gefreut, sondern mich, angesichts der Persönlichkeit von Stü., dadurch auch sehr geehrt gefühlt habe. Im übrigen glaube ich nicht, dass mein Gutachten571 der eigentliche Grund für die Behandlung ist, die ich erfahre. Es ist wahrscheinlich auch nicht der 569
Das sind alles Codes über an der Zensur vorbei geschickte Briefe. BW EJünger; Ernst Jünger, Strahlungen I (Sämtliche Werke, 2); Sven Olaf Berggötz, Ernst Jünger und die Geiseln. Die Denkschrift von Ernst Jünger über die Geiselerschießungen in Frankreich 1941/42. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 2003, H. 3, S. 405–472. 571 Gemeint ist: Angriffskrieg. 570
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Aufsatz zum 30. Juni.572 Näher kommen dem Kern schon die Ausführungen der Tagung Okt. 38.573 Nun, das muss ich mir klar machen. Wir machen uns keine Illusionen. Die Uniform, die ich 1934 oder 35 bekam, stammt, wie Sie wissen, von Lasch574, bezieht sich also auf die Akademie für Deutsches Recht, nicht etwa Partei. Im übrigen ist mir noch kein Vorwurf mitgeteilt worden. Von einem „Verhör“ habe ich bis heute nichts vernommen. Ich wollte Ihnen noch sagen, dass es durchaus möglich ist, dass der einzelne Vernehmer oder Funktionär, wie St[ernberg] ein anständiger Mensch ist. Das hebt leider das oben gezeichnete Gesamtbild nicht auf. Dass Haidi mitgegangen ist zu St[ernberg] hat mich tief gerührt. Soviel Tonus hätte ich nicht erwartet. Umsomehr bin ich ihr dafür dankbar. Alfons müssen Sie einmal nach seinem Bruder Paul fragen, von dem ich seit einem Jahr ohne Nachricht bin. Von Ännchen kam gestern ein Päckchen aus Pl[ettenberg] mit Zwieback und Plätzchen, leider halb leer, und wohl nicht auf der Post ausgeraubt. Ihr herrliches Pfingstgeschenk haben wir (K[reuz] u. ich) auf Ihr Wohl geleert. Fabelhaft. Wegen Hannes dachte ich noch, dass vielleicht sein Lehrer Prof. Erik Wolf575 in Freiburg (Br.) etwas für ihn tun könnte, wenn das noch nötig ist. Leider ist es noch nicht ganz sicher, ob dieser Brief in Gang kommt. Ich will es aber doch versuchen und noch einen Augenblick mit Ihnen plaudern, liebste Duschka. Dass Sie große Sehnsucht haben, nach Anima und Ihren serbischen Verwandten, kann ich mir wohl denken. Ihre Reisepläne müssen Sie ohne Rücksicht auf mich einrichten. Ich halte es noch einige Monate aus. Meine treuen Begleiter, der Zinnbecher576, die Kamelhaardecke und das Kopfkissen haben mich täglich getröstet. Die harten Lehren haben mir nicht geschadet. Ihre schönen Pakete, mit Wäsche und577 schnell Schluss, herzlichen Kuss. Ihr Carl 572 Carl Schmitt, Der Führer schützt das Recht. Zur Reichstagsrede Adolf Hitlers vom 13. Juli 1934. In: Deutsche Juristen-Zeitung vom 1. 8. 1934; wieder abgedruckt in: PuB, S. 227–232. 573 Schmitt meint vermutlich seinen Vortrag „Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff“, den er am 19. Oktober 1937 auf der 4. Jahrestagung der Akademie für Deutsches Recht hielt und der 1938 im Druck erschien (komment. Wiederabdr. in: FoP, S. 518–597). 574 Karl Lasch (1904–1942), war seit 1934 Direktor der Akademie für Deutsches Recht. 575 Erik Wolf (1902–1977), Rechtsphilosoph, Straf- und Kirchenrechtler, Prof. in Freiburg, wo Hans Schneider 1937 von ihm promoviert wurde. 576 Schmitt hatte sich Zinnbecher machen lassen mit der Gravur „Auf Gerechtigkeit allezeit“. Zu besonderen Anlässen hat er einen Becher verschenkt. 577 Der Brief bricht hier ab; die letzten Sätze sind sehr hastig geschrieben.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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1946-06-20 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13808; ms.
Berlin-Schlachtensee, 20. Juni 1946, Fronleichnam Liebster Carl, die Woche ist mir sehr schnell vergangen, und heute an dem großen Feiertag möchte ich Ihnen berichten, was ich alles erledigt habe. Gerade heute werden Ihre Akten mit den sieben Erklärungen für Ihre Freilassung dem Sicherheits- und Prüfungsausschuss578 vorgelegt. Ich halte es für ein gutes Zeichen, dass es an diesem Feiertag geschieht, und die Zahl sieben ist eine gute Zahl. In der kommenden Woche wird Ihr Entlassungsantrag bearbeitet und entschieden, und es kann möglich sein, dass Sie von dem Prüfungsausschuss zum Verhör vorgeladen werden. So wird der Beschluss wohl Ende Juni bei dem Major (befördert) Radosta vorliegen. Am Freitag nachmittags war ich in Dahlem bei Herrn Pfarrer Gebhardt und bei Herrn Geheimrat von Lewinski. Beide waren sofort bereit, die Erklärungen für Sie abzugeben. Am Samstag vormittags kam Dr. Adams und schrieb hier eine sehr schöne Erklärung.579 An Herrn Präsidenten Schröder sandte ich ein Telegramm und bat um einen Besuch. Er kam am Sonnabend um 4 Uhr vorgefahren und hat sofort bereitwilligst die Erklärung für Sie niedergeschrieben. Im Anschluss daran besuchte er persönlich den Referenten, Herrn Alenfeld580, und erklärte bei ihm noch persönlich seine Auffassung über Ihren Fall. Ich übergab Herrn Schröder eine Photokopie des Angriffs im „Schwarzen Korps“ gegen Sie; er freute sich sehr über dieses Dokument, weil sein Exemplar bei seiner Ausbombung vernichtet wurde. Herrn Geheimrat und Herrn Pfarrer Gebhardt gab ich ebenfalls eine Kopie. Am Samstagabend holte Marlies die Erklärungen in Dahlem ab. Mit den Abschriften hatte sie bis 2 Uhr nachts zu tun; sie ist ein rührendes Kind. Während ich auf Marlies wartete, besuchte mich Dr. Podach mit seiner Frau. Weil es recht kalt war, machte ich Feuer im Ofen, und wir saßen gemütlich in der Ecke. Er freute sich zu hören, dass Ihr Entlassungsantrag nun bearbei578
Es handelt sich um den „Deutschen Sicherheits- und Prüfungsausschuss“. Diese und folgend genannte Erklärungen in: RW 265 Nr. 21781 sowie RWN 260 Nr. 357. 580 Dr. Erich Alenfeld (1891–1977), Bankkaufmann, 1933 entlassen, konnte als Jude in Berlin überleben und wurde Referent im Deutschen Sicherheits- und Prüfungsausschuss, Berlin-Zehlendorf, Beerenstr. 25. Alenfeld stellte zahlreiche Leumundszeugnisse in Entnazifizierungsverfahren aus; vgl. Irène Alenfeld, Warum seid Ihr nicht ausgewandert? Überleben in Berlin 1933 bis 1945, 2. Aufl., Berlin 2012. 579
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
tet wird und hat sich selbst angeboten, auch eine Erklärung für Sie abzugeben, welcher ich gestern Abend Herrn Alenfeld hingebracht habe.581 Herr Präsident Friedensburg sandte seine Erklärung durch Boten an den Referenten, Herrn Alenfeld. Die Erklärung von Prof. Peters lag gestern auch bei dem Referenten vor. Prof. Peters hat sich ebenfalls für Ihre Freilassung erklärt. Der Beschluss des Prüfungsausschusses bedeutet keine Entnazifizierung, erklärte mir der Referent; das fand ich selbstverständlich. Ich hoffe, dass ich alles in Ihrem Sinne getan habe und nichts versäumt habe. Wir können doch dankbar sein, dass sieben Männer mit guten Namen für Sie eintreten. Das empfinde ich trotz Ihrer Isoliertheit als einen schönen Trost und eine erstaunliche Fügung. Deshalb habe ich Vertrauen auf einen guten Abschluss der Formalitäten und viel Hoffnung, dass Sie zu Ihrem Geburtstag vielleicht schon bei uns der liebste Gast sein werden. Sollte es etwas länger dauern, wollen wir auch nicht den Mut verlieren. Am 3. Juli wäre das Paket wieder fällig; es ist so schade, dass man jetzt nur alle vier Wochen ein Paket abgeben kann. Am Dienstag habe ich das Leergut abholen wollen und den Wintermantel. Der deutsche Helfer sagte mir, Sie hätten nichts abgegeben; darüber war ich erstaunt. Der amerikanische nette Junge, der so gut Deutsch spricht, sagte mir, dass ich den Wintermantel nicht bekommen kann. Ich möchte Sie bitten, sich im Office nach Ihrem Mantel zu erkundigen. Ich komme am nächsten Dienstag, den 25. Juni, wieder zum Lager, um den Wintermantel abzuholen. Sollte ich den Mantel wieder nicht bekommen, werde ich an den Lagerkommandanten einen Brief schreiben und um die Herausgabe des Wintermantels bitten. Gestern habe ich im Auftrag von Frau Schindler ein Paket für Herrn Prof. Kreuz abgegeben. Die kleine Almuth hat den Arm gebrochen, und deshalb konnte Frau Schindler nicht selbst zum Lager gehen. Am nächsten Montag ist der Namenstag unseres lieben Vaters. Ich denke daran, wie schön wir diesen Tag gefeiert haben mit unseren treuen Freunden und unseren Hauspatron geehrt haben und will einige Zeilen an Exzellenz Andrić schreiben. Als ich neulich in Dahlem war, traf ich auf der Straße die beiden Nachbarjungens Thomas und Johannes. Die sind prächtig gewachsen und waren lieb und munter. Ich warte auf Post von Anima und Anni; die letzte Post kam vor Pfingsten und die vielen Liebesgaben. Die gute Anni hat auch an Hannes etwas geschickt, Schinken und Eier. Das finde ich rührend lieb. Heute ist ein stiller Tag, und ich habe vor, noch viel zu schreiben. Von Mumitante kam ein sehr lieber Brief.582 Arnold Schmitz hat die Professur in 581 582
Die ausführliche Erklärung von Podach vom 18. 6. 1946 in: RWN 260 Nr. 357. In: RW 265 Nr. 29942.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Mainz angenommen und mit Vorlesungen schon begonnen.583 Sie wohnen noch in Wiesbaden und hoffen, im Herbst eine kleine Wohnung in Mainz zu bekommen. Ich will gleich einen Brief an die liebe Mumi schreiben; sie macht sich große Sorgen, weil ich so lange nicht geschrieben habe. So, mein liebster Carl, bald schreibe ich wieder. Ich hoffe, dass die Wochen Ihrer Schutzhaft bald gezählt sind und dass Sie auch die letzten Tage mit Gottes Hilfe gut überstehen. Tante Louise ist bei mir und hilft mir rührend. Zu Sonntag habe ich ihre beiden Freundinnen, Frl. W. und L., zum Tee eingeladen. Im Garten reifen jetzt die Erdbeeren, und so kann man manche Freude machen. Mein Gemüseland steht gut und wird uns helfen bei der Ernährung. Ich habe 80 Tomaten gepflanzt zu der größten Freude von Tante Louise. Sie blühen mächtig und haben schon grüne Früchte; die Tante zählt die Tage bis sie reif werden und auf dem Frühstückstisch stehen. Eben war Alfons hier, um sich zu verabschieden; er wollte am 25. Juni nach Menden zu seiner Familie reisen. Vielleicht sehen wir uns in Westfalen. Oft habe ich Sehnsucht nach Plettenberg und unseren lieben Verwandten. Bleiben Sie guten Mutes; ich schreibe bald wieder. Alle lassen herzlich grüßen und freuen sich auf ein Wiedersehen zu Hause. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Den „sternhellen Weg“ von Däubler habe ich leider nicht im Hause. Ich werde versuchen, ihn von anderer Seite zu bekommen.
1946-06-27 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13809; ms.
Berlin-Schlachtensee, 27. Juni 1946 Donnerstag abends Liebster Carl, gestern nachmittags war ich bei Leistikows und habe für Sie das Geburtstagsgeschenk besorgt. Es ist eine wunderbare Zeichnung, angeregt durch Ihr Land und Meer. Ich überlege noch, ob ich sie am Mittwoch, den 3. Juli abgebe mit dem Paket. Ich war so glücklich, dass ich durch den Tausch für meine serbischen Textilien die zauberhaft schöne Zeichnung erwerben konnte, von der ich seit Heiligabend geschwärmt habe. Deshalb war ich heute besonders fröhlich in Erwartung Ihres Geburtstages. Die Gäste für diesen 583
Arnold Schmitz wechselte von seiner Breslauer Professur auf eine in Mainz.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Festtag habe ich mir schon eingeladen (Leistikow und seine Frau und Haidi) für 6 Uhr zur Vesper. Manchmal denke ich, vielleicht werden Sie mit uns am Tisch sitzen können; was wäre das für eine Freude. Mit Tante Louise habe ich heute den Einmachkeller gründlich geputzt; wir waren sehr fleißig. Zur Belohnung bekam ich sieben Päckchen von Anima. Das gute Kind hat die Päckchen rührend besorgt. Um 7 Uhr kam Frau Leistikow, um Salat von mir zu holen; wir haben Tee getrunken und Brot mit Schmalz gegessen und Zwiebeln und Radieschen aus dem Garten. Das war ein seltener Genuss. Ich gab für Leistikow ein Schmalzbrot mit. Wenn ich durch den Garten gehe, überlege ich, was ich Ihnen schicken könnte. Für das nächste Paket habe ich Rohkost und Obst (Stachelbeeren und Kirschen). Morgen backe ich die Plätzchen. Ich bin so fröhlich in Erwartung Ihrer baldigen Heimkehr. Am Dienstag war ich am Lager und habe den Wintermantel bekommen und den Karton. Über die Zeichnung habe ich mich sehr gefreut. Der Blick ist besonders gut getroffen. Sagen Sie bitte Herrn Stassen meinen herzlichen Dank. Den hl. Johannes habe ich still gefeiert mit Tante Louise, und wir haben herzlich an Sie gedacht; ich hoffe, dass Sie unseren Gruß bekommen haben. Am Spätnachmittag kam Frau Schneider und trank bei mir Kaffee. Hannes geht es erträglich; er hofft, noch vor September nach Hause zu kommen. Von Dr. Sarre bekam ich gestern einen freundlichen Brief; er schrieb, dass er nach dem Westen verreist und Mitte August wieder in Berlin sein wird und lässt Sie herzlich grüßen. Ännchen hat mir neulich einige Familienneuigkeiten mitgeteilt. Onkel André und Tante Anna haben geschrieben: Vetter André, Vetter Eduard und Cousine Margret haben geheiratet. So, mein lieber Schatz, jetzt muss ich aufhören. Auf baldiges Wiedersehen. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka
1946-07-04 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13810; ms.
Berlin-Schlachtensee, 4. Juli 1946 Donnerstag abends Liebster Carl, gestern vormittags war ich am Lager und habe das Doppelpaket für Sie abgegeben. Ich hoffe, dass Sie alles gut erhalten haben. Diesmal habe ich das
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Buch über den römischen Katholizismus beigelegt; vielleicht lesen Sie gerne darin. Die Zeichnung von Leistikow habe ich noch nicht abgegeben; ich werde es versuchen am nächsten Mittwoch. Ich freue mich auf Ihren JuliBrief, der bald kommen muss. Von Anni kam ein sehr schöner Brief mit einem Bericht über die Pfingstferienreise mit Anima, die 12 Tage gedauert hat. Sie waren in Hildesheim, in Essenrode beim Herrn von Lüneburg zum Reiterfest, dann in Hannover und in Kirchhorst. Anni schrieb ganz begeistert von Gretha und Ernst Jünger. Ich hoffe, dass Sie bald einen Reisebericht von Anima erhalten. Von Ännchen kam gestern ein sehr lieber Brief an. Anima wird am 5. Juli mit Lisbeth Weßling von der Mühle nach Köln reisen zu Tante Claire. Von Anni bekam ich vom 23. Juni eine Karte. Sie war in Köln und machte mit Claire eine Dampferfahrt nach Godesberg und war auf dem Drachenfels; sie schrieb voller Begeisterung. Von Köln wollte sie nach Plettenberg reisen. Ich freue mich, dass Anni so schöne Ferien hatte; sie wollte Anfang [Juli] nach Berlin kommen. Ich hoffe, dass die Rückreise gut verläuft und bin sehr gespannt auf Annis Bericht. Am Sonntag hatte ich Besuch von Frl. Mache und Herrn Schneider. Beide lassen herzlich grüßen. Frl. Mache wollte mir berichten über die Erklärung von Prof. Peters; sie freut sich sehr, dass er so mutig für Ihre Freilassung eingetreten war. Den Nachmittag hier draußen hat sie sehr genossen. Zum Abendessen kam Haidi; es war sehr gemütlich. Für Sonntag, den 7. Juli, bekam ich eine Einladung zu der Eröffnung einer Kunstausstellung in Potsdam. Es werden Werke von Gilles, Heldt, Kuhn, Becker, Dierkes und Seitz584 gezeigt. Ich wollte mit Haidi und Marlies hingehen. Die Eröffnung findet um 3 Uhr statt; wir freuen uns sehr darauf. Ich hoffe, Sie werden diese Ausstellung auch noch sehen können. Es ist jetzt richtiger, heißer Sommer wie in Serbien. In unserem Garten wächst und gedeiht alles. Draußen blühen die Linden; ich liebe diesen betäubenden Duft. Oft habe ich große Sehnsucht, mit Ihnen spazieren zu gehen; ich hoffe, dass dieser Wunsch auch bald in Erfüllung geht. Ich habe viel Arbeit in Haus und Garten, und die Zeit geht schnell dahin. Für Sie wird es viel schwieriger sein, die Zeit zu ertragen. Morgen wollte ich nach Dahlem gehen, um mit Herrn Geheimrat [v. Lewinski] zu sprechen. An Ihrem Geburtstag werde ich besonders herzlich an Sie denken; wir wollen fröhlich sein in Erinnerung an die vielen gemeinsamen Jahre und in Hoffnung an die Jahre, die uns noch bevorstehen. Auch an diesem Tage werde ich nicht vergessen, dass wir für Vieles im Leben dankbar sein müssen. Deshalb wollen wir unser Kreuz mit Stolz und Demut ertragen. Ich 584
Gustav Seitz (1906–1969), Bildhauer und Zeichner.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
sende Ihnen die herzlichsten Glückwünsche zu Ihrem Geburtstag und möchte Sie bitten, nicht traurig zu sein. Wir wollen Sie mit Liebe und Treue umgeben und trösten in Ihren Leiden der Gefangenschaft. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Inhalt des Pakets vom 3. Juli: 1 1 1 1 1 1 1 1
Blechdose mit Plätzchen Weißbrot, geröstet, 1000 gr Graubrot, 1000 gr Schachtel mit Kirschen Wurst, 2 Pfund Glas mit Bohnenkaffee Glas mit Zucker Glas mit Kaffeeersatz
2 2 3 1
Frottierhandtücher Leinenhandtücher Hemden, 3 Kragen, 3 P. Socken x Unterwäsche, 1 Schlafanzug
im 2. Karton war Rohkost: 200 Mohrrüben Bund Zwiebeln Karton m. Radieschen ” m. Stachelbeeren ” m. Zwieback
1946-07-19 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13811; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 19. Juli 46 Liebster Carl, eben merke ich, dass ich den letzten Brief vor 14 Tagen geschrieben habe. Ich bitte um Verzeihung und möchte heute vieles nachholen. In den beiden letzten Wochen war ich sehr intensiv mit Ihnen beschäftigt und hoffe, dass Sie etwas davon gespürt haben. Als ich am letzten Mittwoch fröhlich nach Hause kam, fand ich unsere gute Anni als Überraschung zu Hause vor. Sie hat die Heimreise gut und schnell überstanden. Ich bin sehr glücklich, dass alles gut geklappt hat; ich machte mir schon etwas Sorgen. Nun hatte sie sehr viel zu berichten. Sie hat sich gut erholt und ist nach Herzenslust herumgereist und hat viele Freude gehabt.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Am Mittwoch vor Ihrem Geburtstag war ich mit Haidi in Werder; wir hatten schöne Kirschen bekommen, und an demselben Abend habe ich einen herrlichen Kuchen gebacken. Ich versuchte, am Donnerstag und Freitag nachmittags am Lager ein Päckchen mit Kirschkuchen für Sie abzugeben, aber leider ohne Erfolg. Als ich nach Hause kam, habe ich für meine Gäste ein schönes Essen gekocht. Um 8 Uhr saßen wir um den Tisch und haben herzlich an Sie gedacht. Es waren Tante Louise, Haidi, Leistikow mit Frau, der Maler Heldt und Marlies. Vor dem Essen sagte Marlies den 23. Psalm auf; das war unser Gruß und Dank an Sie. Ich freute mich, dass ich meine Gäste so sehr verwöhnen konnte, es kamen so viele Liebesgaben für Sie. Die Gäste gingen um 11 Uhr nach Hause; es war ein besonders schöner Abend. Am Freitag kam Frau Friedensburg zum Tee und wollte meinen Garten besichtigen. Wir haben den schönen Kirschkuchen gegessen, den ich für Sie abgeben wollte; es war alles zu Ehren Ihres Geburtstages. Am 6. Juli bekam ich Bescheid, dass Sie in Zehlendorf vorgeladen waren und sich sehr geschickt verteidigt haben. Der Prüfungsausschuss hat einstimmig Ihre Freilassung vorgeschlagen. Ihre Akten sind am 9. Juli bei Herrn Major Radosta angekommen; nun kann es wohl nicht mehr lange dauern. Ich bin am Mittwoch Abend mit Anni nach Dahlem gefahren und habe mit Haidi sehr nett zu Abend gegessen. Nachher habe ich mich sehr lange mit Herrn Geheimrat unterhalten, er wollte heute mit Herrn Major Radosta sprechen. Vielleicht kommen Sie noch im Juli nach Hause, das wäre eine Freude! Haidi hat neulich 2 schöne Flaschen Wein bekommen und freut sich sehr, für Ihren Empfang Wein zu haben. Anni hat zu Ihrem Geburtstag eine schöne Wurst geschickt, und Marlies hat Kaffee geschenkt. Nun haben wir alles, um Sie zu empfangen. Von Anima ist ein lieber Brief für ihren Papa angekommen; wir schicken ihn zu. Anima ist jetzt während der Ferien in Köln, und dann wollen sie alle nach Plettenberg, wenn die Kinder in Köln Ferien bekommen. In Plettenberg warten sie mit Sehnsucht auf unseren Besuch. Von Dr. Schranz kam ein lieber Brief585, ein neues Buch: Zum geschichtlichen Gethsemane von Konrad Weiß586 und 250 gr Butter. Haidi schenkte Ihnen ein Wörterbuch DeutschEnglisch und Englisch-Deutsch. Leider wollte man mir am Mittwoch diese Bücher nicht abnehmen; nun wartet alles auf Sie zu Hause. – Herzlichen 585
Schranz an Duschka Schmitt vom 26. 6. 1946; RW 265 Nr. 13898v (Abschrift). Konrad Weiß, Zum geschichtlichen Gethsemane, Bigge-Ruhr [1945]. Von dem erstmals 1919 erschienenen Buch hat Schranz unmittelbar nach dem Krieg eine Neuausgabe machen lassen (Exemplar im Nachlass: RW 265 Nr. 23206). Schon 1933 hatte Schranz den Christlichen Epimetheus von K. Weiß finanziert; vgl. Schmittiana VII, 2001, S. 216, Anm. 16. 586
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Dank für Ihren lieben Brief vom 1. Juli. Über die lieben Zeilen habe ich mich ganz besonders gefreut. Auf ein baldiges frohes Wiedersehen! Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka
1946-07-20/22 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13481
L. D. Heute, am 20. Juli, will ich Ihnen auf gut Glück ein paar Zeilen schreiben. Dieses Datum bringt für uns soviele Erinnerungen mit sich, dass es unsere Gedanken von selbst zusammenführt. Mein Geburtstag war durch Ihren Brief und Ihr großes Paket verschönt. Hoffentlich waren Sie nicht traurig, wegen Ihrer enttäuschten Erwartungen, gute, liebe Duschka. Das ist meine einzige Sorge. Dass die Zeichnung von Leistikow nicht bei mir eingetroffen ist, soll uns auch nicht betrüben. Ich hoffe, sie später zu sehen und freue mich darauf. Lassen Sie sich auch nicht durch die kleinen Gemeinheiten der Menschenquäler betrüben, in deren Hände Gott uns gegeben hat, um uns zu belehren und von törichten Illusionen zu befreien. Ihre Briefe vom 20. 6., 27. 6., 4. 7., die Gratulationen von Tante Louise587 und Hannes588, Anni, der Brief von Marlies589 zum Geburtstag, alles ist richtig angekommen; ebenso das Riesenpaket (2 Kartons) vom 3. Juli und das für Prof. K[reuz] vom 17. Juli. Ich war also reichlich versorgt und konnte meinen Geburtstag großartig begehen. Prof. K[reuz] kocht das Gemüse und deckt mir jeden Abend einen herrlichen Tisch gemäß Psalm 23. Sonst habe ich nur noch einen einzigen Brief erhalten, von Dr. Franzen590 in Wiesbaden, Sonnenburgerstr. 31. Schreiben Sie ihm ein Wort des Dankes. Annis Brief aus Plettenberg kam am Geburtstag an, auch Ihr Brief vom 4. Juli. Machen Sie sich keine Sorgen um mich, Duschka. Ich wiege jetzt 63 Kg. Sorgen Sie für sich selbst und Ihre Gesundheit. Wegen der Reise zu Anima lassen Sie sich nicht durch Rücksichten auf mich stören oder abhalten. Waren Sie beim Zahnarzt? Wie steht es mit der kleinen Operation591, die schon vor einem Jahr (durch Ferdinand592) hätte gemacht werden sollen?
587 588 589 590
Louise Schmitt an C. Schmitt vom 5. 7. 1946; RW 265 Nr. 13838. Hans Schneider an C. Schmitt vom 29. 6. 1946; RW 265 Nr. 14026. Marlies Rosenhahn an C. Schmitt vom 8. 7. 1946; RW 265 Nr. 11760. Hans Franzen an C. Schmitt vom 23. 6. 1946; RW 265 Nr. 4045.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Am Mittwoch den 17. Juli, 11 Uhr, hatte ich die große Freude, Sie zu sehen und zu winken. Die Freude war umso größer, als sie unerwartet und nicht verabredet war. Ich sah Sie mit Frau Sch[indler] das schwere Paket schleppen und nachher, auf dem Rückweg, in dem Durchblick zur Chaussee. Am 8. Juli wurde ich plötzlich wegen des jungen Friedensb[urg] vernommen; angeblich hatte er Partei-Aufträge und Ämter; ich konnte nur wahrheitsgemäß sagen, dass ich das nicht wusste und auch nicht für möglich hielt. Fragen Sie gelegentlich vorsichtig den Vater oder die Mutter, um was es sich eigentlich handelt. Mir wurde das nicht gesagt. Im „Kurier“ vom 8. Juli steht ein Aufsatz von Emge über die Schwester Nietzsches. Für Podach wichtig. Für mich ein Anzeichen meiner hoffnungslosen Situation. Also Emge ist frei und darf publizieren. Gegen mich sind wieder üble Beschimpfungen publiziert worden, im 6. Heft des Aufbau, von Georg Lukács593, dem Hofhegelianer Stalins. Das Heft enthält auch Aufsätze gegen Jünger und Heidegger. Einige Dutzend deutscher Professoren entlasten sich heute auf meine Kosten. Das ist der Sinn meiner Festsetzung, die mich wehrlos machen soll. Die Schrift von Franz Reuter über den 20. Juli594 ist nicht gut; ein schwacher Selbstverherrlichungsversuch des Verfassers. Die Schrift über den Röm. Katholizismus hat Patti. Wenn Pfarrer John reklamieren sollte, sagen Sie ihm das. Sein Buch „Das Geistl. Jahr“ der Annette habe ich noch hier. Sollte es verloren gehen, soll John nicht böse auf mich sein; ich verwahre es so gut es geht, aber hier ist alles unberechenbar, und ich weiß nicht, wo ich morgen bin. John soll sich damit trösten, dass dieses Büchlein einem armen und verzweifelten Menschen zum stärksten Trost geworden ist. Ich hoffe es bald zurückgeben zu können. Ich hatte wieder einige Ischiasanfälle. Prof. K[reuz] hat mich – angeblich – auf die Krankenliste gesetzt, aber nicht die erste, auf der nur Alte über 65 Jahre und offene Tuberkulose stehen, sondern auf eine erweiterte 2. Liste. 591 Wahrscheinlich wegen Problemen, die Duschka mit ihrem Knie hatte; s. ihre Briefe an Anni Stand vom 22. 5. und 2. 6. 1946 (DLA, Zugangsnr. HS.1994 0009) sowie an Gretha Jünger vom 26. 1. 1947, in: BW EJünger, S. 624. 592 Ferdinand Sauerbruch. 593 Georg Lukács (1885–1971), Philosoph und Literaturwissenschaftler. In seinem Aufsatz „Die deutsche Soziologie zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg“ (in: Aufbau 1, 1946, S. 585–600) referiert er Positionen Schmitts der 20er Jahre und stellt ihn als wissenschaftlichen Wegbereiter Hitlers dar, der konsequenterweise „zum führenden juristischen Ideologen der Welteroberungspläne Hitlerdeutschlands“ wurde. Seine „Theorie beruhte auf dem faschistischen Dogma ‚Reich‘. […] So hatte Schmitt schon im Jahre 1938 im voraus die ‚völkerrechtliche‘ Apologie für die hitlersche Aggression, für seine Vergewaltigung der Völker geschrieben.“ (S. 600). 594 s. oben, Brief Duschkas vom 29. 4. 1946.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Ob es stimmt und ob diese Liste überhaupt nicht schon hier im Lager verschwunden ist, wie das normalerweise geschieht, weiß ich nicht. Bei der Krankheit und der Hitze wird das Wäscheproblem allmählich akut. Es wird behauptet, dass im Lager eine Wäscherei eingerichtet werden soll. Das wäre ganz schlimm. Diese Art „Betreuung“ ist grauenhaft. Die guten Sachen verschwinden, und die andern werden restlos zerstört. Bis Ende August kann ich mir noch helfen. Was im September sein wird, wollen wir abwarten. An unser armes Kind denke ich oft. Sie ist sehr begeisterungsfähig, und das ist gut. Aber auch eine große Gefahr, wie ich an mir selber sehe. Wenn die Lager an deutsche Behörden übergeben werden (wie es in einem Erlass McNarneys595 heißt), wird meine Situation nicht besser. Der wahre Grund meiner Gefangenschaft (es ist nicht „Schutzhaft“) in einem wirklichen „Lager“, ist nicht „Automatik“. Das ist alles Lüge. Es ist auch nicht der Aufsatz zum 30. Juni. Das ist nur Vorwand. Sprechen Sie aber bitte nicht über diese sachlichen Vorwürfe gegen mich, über keinen, auch nicht das, was ich Ihnen neulich schrieb. Jede Erörterung solcher Dinge ist nur ein Vorwand zu neuen Vorwürfen, unabsehbar. Sprechen Sie, wenn überhaupt, nur von diesem Verfahren d. h. davon, dass ich seit 10 Monaten ohne Vernehmung von Sachverständigen, krank festgehalten werde. Dass wenigstens Hans Peters für mich eingetreten ist596, hat mich gefreut, der einzige von allen Kollegen. Für Prof. K[reuz] haben gleich drei Fachkollegen (aber nicht Ferdinand597!) Bescheinigungen gegeben, dass er seine akademische Laufbahn seiner wissenschaftlichen Leistung verdankt. Über mich wird überall, auch hier im Lager, das Gegenteil erzählt. Das Schönste, was ich bisher im Lager erlebt habe, ist die Däubler-Begeisterung von Prof. K[reuz] und die treue Hilfe von Geheimrat W[ever]. Das ist freilich nicht alles. Das Wunderbarste ist der Trost, den ich bei Konrad Weiß und Annette [von DrosteHülshoff] finde. Das ist so stärkend und erhebend, dass diese 10 Monate in einem moralischen und physischen Mülleimer für mich einen schönen und tiefen Sinn erhalten haben. Bei aller Genialität Däublers, war es doch richtig, dass ich mich schließlich für Konrad Weiß entschieden habe, völlig unbewußt, in den Jahren 1932/34. Wie schön, dass Sie mir „Tantalus“ geschickt haben. Dort ist ein Gedicht (in dem Metrum der alkäischen Strophe) mit dem Schluss:
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Joseph T. McNarney (1893–1972), US-General, von November 1945 bis Januar 1947 amerikanischer Oberkommandierender in Europa und Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland; OMGUS, S. 91 f. 596 RW 265 Nr. 21781. 597 Ferdinand Sauerbruch.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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So wird der Sinn, je mehr er sich selber sucht, Aus dunkler Haft die Seele geführt zur Welt, Vollbringe was Du musst, es ist schon Immer vollbracht und du tust nur Antwort.598 22/7 Diese Verse habe ich mir viele hundertmal vorgesagt, in allen Situationen, Tag und Nacht. Für Sie, liebste Duškica, bemerke ich noch, dass Sie vor dem 2. Vers (Aus dunkler Haft) noch einmal ein „So wird“ in Gedanken ergänzen müssen, um den Satz grammatisch besser zu verstehen. Hat Dr. Schranz uns das Christliche Gethsemane von K[onrad] W[eiß] geschickt? Wie ist es nur möglich, dass Niekisch in einer von ihm mitherausgegebenen Zeitschrift solche Angriffe auf Ernst J[ünger] erlaubt, ohne sich auch nur ein wenig zu distanzieren?599 Ob Annilein zurück ist? Es ist sehr schwer, von der britischen in die russische Zone zu reisen und umgekehrt auch. Vielleicht kommt morgen (Dienstag 23. 7.) ein Brief von Ihnen mit Nachrichten. Setzen Sie sich nicht mehr den Unverschämtheiten des „kleinen, netten J[uden]“ aus!600 Montag abend, 22. 7. Jetzt muss ich diesen Brief schnell abschließen, Duschka. Meine einzige Sorge ist, dass Sie sich durch die fortwährenden Enttäuschungen Ihrer Erwartungen meiner baldigen Rückkehr doch allmählich betrüben lassen. Tun Sie das nicht, liebste Duschka. Das Wichtigste ist, dass Sie gesund bleiben. Grüßen Sie alle guten Leute von mir, Tante Louise und Marlies, denen Sie für ihre schönen Geburtstagsbriefe extra danken müssen, Haidi, Leistikows, Hannes und seine Eltern, Podach und alle, die für mich eingetreten sind. Wie meine Vernehmung am 27. Juni verlaufen ist, haben Sie vielleicht besser erfahren können, als ich selbst.601 Ich habe keinen klaren Eindruck, beson598 Konrad Weiß, Tantalus, Augsburg 1929 (Exemplar im Nachlass: RW 265 Nr. 23205). Neben den Versen hat Schmitt den Rhythmus notiert. Fünf Tage nach seiner Entlassung aus dem Camp, am 15. 10. 1946, schreibt Schmitt an Schranz: „Wenn man mich nach der Formel meines Lebens fragt, muss ich die alkäische Strophe aus dem Tanatlus zitieren, die meine Frau Ihnen mitgeteilt hat.“ (Privatbes., Kopie in: RW 579 Nr. 528). Diese Verse stehen 1950 auch in der Todesanzeige für Duschka, s. Abb. im Anhang. Vgl. auch Glossarium, S. 49. 599 Gemeint ist: Wolfgang Harich, Ernst Jünger und der Frieden. In: Aufbau 2, 1946, S. 556–570. 600 Vgl. Brief Duschkas vom 11. 6. 1946. 601 Im Landesarchiv Berlin findet sich ein kurzer Bericht über das Untersuchungsergebnis der Spruchkammer, ihre Entscheidung sowie eine Stellungnahme zu
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ders weil die Beisitzerin, eine junge Dame, meine Antworten mit höhnischem Lächeln aufnahm, sodass ich mich tief erniedrigt und entwürdigt fühlte und nur mit Mühe meine äußere Ruhe bewahren konnte. Die größte Gefahr bei mir ist, dass mich nach 10 Jahren Nazi-Terror602 diese Art von fortgesetzter Misshandlung schließlich gleichgültig macht und meine Verachtung dieser Unfähigkeit, anständige Menschen von andern zu unterscheiden, in offene Uninteressiertheit übergeht. Aber das kennen Sie ja bei mir und ich verspreche Ihnen, mich zusammen zu nehmen, habe es übrigens in der Vernehmung auch getan. Niekisch hätte mit einem guten Wort alles für mich tun können, aber er tut es nicht; er will wohl seine Rache auskosten. Lassen wir ihm diesen Reichtum. Grüßen Sie auch die Plettenberger, vergessen Sie nicht, Ännchen zum Namenstag (26.) und Claire zum 12. August von mir zu gratulieren, auch Claire-Louischen. Jup wird seinen Geburtstag vergnügt feiern. Bis zu Animas Geburtstag und Namenstag und Üssis Namenstag Ende August haben Sie hoffentlich wieder Nachricht von mir. Ich umarme Sie herzlichst, liebe gute Duschka, und bleibe immer Ihr Carl Hoffentlich kommt diese Taube gut an; sie soll Angelica heißen.603
1946-07-29 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13482
29. 7. L. D. Heute nachmittag ½ 3 holte ein freundlicher Soldat die Wäsche ab (ich lag noch zu Bett), nachher kam der Ihnen bekannte „nette Kleine“ und verlangte meinen Paß, in einer Weise, die mir wieder zum Bewußtsein brachte, dass ich total entrechtet und jedem wehrlos ausgeliefert bin. Hoffentlich haben Sie die Bescheinigung von Siebeck erhalten.604 Es ist rührend, dass Sie sich soviel Mühe machen. Ich rechne mit neuen Schikanen, und jedes Argument wird in gehässiger Weise gegen mich verdreht. Warten wir also ab! Dass mir meine Schmitts Entlassungsantrag; C Rep. 031-02-19-Nr. 161 (frdl. Mitteilung von Kerstin Schubert; die Akte ist bis 2049 gesperrt). 602 Schmitt rechnet also ab den Angriffen des „Schwarzen Korps“ auf ihn im Jahre 1936. 603 Code, mit dem Duschka diesen Brief bestätigen soll. 604 Attest des Internisten Siebeck über die Ischiaserkrankung Schmitts; vgl. unten, Brief Duschkas vom 31. 7. 1946.
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Spanien-Reisen jetzt zum Vorwurf gemacht werden, ist doch eigentlich unglaublich. Prof. Theodor Süss605, jetzt Ministerialdirektor beim bayerischen Kultusministerium in München und dort Hochschulreferent, vorher Rektor in Erlangen, hat doch auch in Spanien Vorträge gehalten; ebenso gleichzeitig mit mir, 1944, Geheimrat Prof. Karl Vossler, in München der von der amerik. Regierung eingesetzte vorige Rektor der Universität München, und viele andere. Ich kann bloße Verdächtigungen nicht widerlegen. Versuche ich aber jetzt, diese Dinge zu klären, so ist das wieder ein Vorwand, meine Entlassung hinauszuschieben. Ein Jahr lang hat man mir versichert, dass mir kein Vorwurf gemacht wird; jetzt auf einmal soll ich mich rechtfertigen, und der Versuch einer Rechtfertigung droht, die Ursache zu weiterer Haft zu werden. So etwas an „Verfahren“ habe ich nicht für möglich gehalten. Ich sage Ihnen das ohne jede Ungeduld, liebste Duschka. Es ist nur zu Ihrer Information. Es hat mir weh getan, dass Sie mich schon Anfang Juli zurück erwarteten und sich auf unwahre Versprechungen verlassen haben. Ich habe überlegt, ob ich an Süss scheiben soll, habe es aber schließlich nicht getan. Die Angriffe gegen mich in Zeitschriften wie Aufbau zeigen Ihnen meine Lage. Ich habe keinen angegriffen, der im K.Z. saß; mich aber darf man heute als aussätzigen Hund behandeln, weil ich mundtot gemacht worden bin. Man lacht mich aus, wenn ich mich auf Popitz berufe und sagt: Alle Nazis haben heute Entlastungszeugen, die tot sind. Wenn ich ein gutes Argument vorbringe (wie den Hinweis, dass der Aufsatz über den 30. Juni eine verfassungsrechtliche Frage betrifft, und kein Zeitungsartikel ist) sagt man: Sie sind als guter Dialektiker bekannt. Mein einziger Wunsch war, einmal mit verfassungsrechtlichen Fachleuten sprechen zu können, in der Atmosphäre wissenschaftlicher Objektivität, in der ich stets gearbeitet und produziert habe; stattdessen liege ich jetzt im 11. Monat hinter Stacheldraht auf Holzwolle, von Rückenschmerzen gepeinigt, in einem Lager, in dem Schwarzmarktschieber und grauenhaftes Zeug mit anständigen Menschen auf einer Stufe behandelt werden. Auch das, liebe Duschka, sage ich ohne jede Bitterkeit, nur um Sie vor Illusionen zu bewahren. Seien Sie nicht um mich besorgt. Ich habe meine innere Freiheit gefunden und kann Recht und Unrecht besser unterscheiden als diejenigen, die mir heute Unrecht tun. Was ich fürchte ist nur, dass Ihnen die fortwährend enttäuschten Erwartungen vielleicht eines Tages doch schaden und Ihnen die Zeit zu wichtigen Entschlüssen darüber verloren geht. Am vorigen Mittwoch (17. Juli) um ½ 12 war ich sehr glücklich.606 Das war wunderschön und hat mich sehr gestärkt. Grüßen Sie auch Anni von mir. 605
Theodor Süss (1892–1961), Jurist, seit 1943 Prof. in Erlangen, wo er 1945 Rektor war, bevor er im gleichen Jahr Ministerialdirektor in München wurde. 606 Schmitt hatte Blickkontakt mit Duschka.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Übermorgen schaue ich wieder aus. Kommen Sie dann aber nicht mehr; es ist nicht ohne Risiko, und Sie wissen, dass ich mich auch auf Einsamkeit verstehe. Schicken Sie bitte vorläufig kein Brot und keine Wäsche; ich komme gut aus und habe zu viel Gepäck. Wann ich vor den R[adosta-]Ausschuss komme, weiß ich nicht. Also Geduld, liebste Duschka. Das wichtigste ist, dass Sie gesund bleiben und unser Kind richtig erzogen wird. Es scheinen hier im Lager Veränderungen bevorzustehen, aber ich bin vor den Teufeln nicht mehr bange. Grüßen Sie Annilein, Marlies, Tante Louise und alle . Ich küsse Sie herzlichst. Immer Ihr Carl
1946-07-31 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13817; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 31. [7.] 46 Liebster Carl, Herr Geheimrat v. Lewinski hat im Büro des Herrn Major Radosta wegen Ihrer Freilassung gefragt. Es wurde ihm gesagt, dass erst die Kranken entlassen werden und dass in Ihren Akten nichts von Ihrer Krankheit steht. Ich sollte das ärztliche Attest besorgen. Deshalb war ich heute im Lager, um das Attest von Prof. Siebeck607 bei Ihnen abzuholen und bat um die Bescheinigung von Prof. Kreuz über Ihre Krankheit. – Ich freute mich sehr, dass ich die Erlaubnis bekam, Ihre alte Wäsche abzuholen; dadurch wird Ihr Gepäck leichter. Das Attest von Prof. Siebeck werde ich gut verwahren. Morgen gehe ich mit Anni zu Dr. Wiens. – Jetzt sind es volle 10 Monate seit Ihrer Internierung, und es kann sich wohl noch um einige Wochen handeln bis zu Ihrer Freilassung. Wir warten mit großer Freude auf Ihr Kommen! – In der vorigen Woche kam ein lieber Brief von Gueydan de Roussel608 aus Lausanne an. Ich hatte mich sehr darüber gefreut. Er hat Anima zur Erholung eingeladen und wollte uns Lebensmittel schicken. Nun bin ich gespannt, 607
RW 365 Nr. 21454. RW 265 Nr. 5494. William Gueydan de Roussel (1908–1997), Schweizer Jurist, seit 1933 mit Schmitt befreundet; vgl. Schmittiana III, 1991, S. 52–62. 608
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wann das erste Paket ankommen wird. Von Prof. Walz kam eine nette Karte an. Heute erhielt ich einen Brief von Frl. Hahn vom 31. Dezember aus Kiel. Der Brief war sieben Monate unterwegs. Sie hat darin den Tod von Dr. Ahlmann geschildert; er hat eine wunderbare Haltung gehabt!609 Heute kam ein sehr lieber langer Brief von Frau Oberheid610. Bei mir haben sich viele Briefschulden angesammelt; es ist so schön, dass Anni wieder hier ist. Wir wollen fleißig schreiben und alles beantworten. Bei Dr. Schweinfurth bin ich in Zahnbehandlung, er macht bis zum 20. August Ferien. Die kleine Operation, die Ferdinand machen sollte, werde ich von Prof. Gohrbrandt611 machen lassen; ich habe mit Dr. Wiens darüber gesprochen, aber es eilt noch nicht; machen Sie sich keine Sorgen um mich. Ich habe mich im Sommer gut erholt. Der Garten macht mir viel Freude. Ich freue mich, wenn ich Ihnen etwas aus dem Garten schicken kann. Die schönen Zwetschgen färben sich schon; bis sie reif werden, hoffe ich, sind Sie wieder zu Hause. Auf die Verzögerungen mit Ihrer Freilassung bin ich immer gefasst, und die kleinen Enttäuschungen können mich nicht erschüttern. Ich mache mir keine Illusionen, trotzdem bin ich überzeugt, dass Ihre Freilassung erfolgen wird, wenn es auch noch etwas dauert. Wir müssen beide Geduld haben und für Vieles dankbar sein und dürfen nicht verzweifeln. Gottes Wege sind wunderbar. Fortsetzung Mittwoch, 31. Juli 46 Liebster Carl, der schöne Monat Juli ist zu Ende, und wir wollen freudig auf Sie weiter warten. Heute habe ich das Doppelpaket für Sie abgegeben. Die schöne Wurst aus Cl[oppenburg] ist das Geschenk von der guten Anni zu Ihrem Geburtstag. Das Nachthemd ist ein Geschenk von Tante Louise. Die Rohkost ist ein Gruß aus dem Garten. Ich hoffe, dass Sie alles gut erhalten und dass es Sie etwas tröstet und erfreut. Die Zeichnung von Leistikow habe ich nicht abgegeben; sie wartet auf Sie zu Hause. Morgen wollte ich mit Anni eine Ausstellung von Werner Heldt in Weißensee ansehen.612 Es ist so schön, das Anni wieder hier ist; sie hat sich auf der Reise gut erholt. Sie hat so viel Nettes von Anima erzählt; sie soll sogar ein 609 Ahlmann hat sich erschossen, benötigte dazu aber, da er blind war, die Hilfe seiner Sekretärin Hahn. 610 Margarete Oberheid (1896–1977), Ehefrau von Heinrich Oberheid; viele Briefe von ihr und Heinrich Oberheid an Duschka in: RW 265 Nr. 29942. 611 Erwin Gohrbrandt (1890–1965), Chirurg und Hochschullehrer, wurde 1945 Stellvertreter Ferdinand Sauerbruchs im Amt des Stadtrats für das Gesundheitswesen in Berlin. 612 Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft im Januar 1946 wohnte Werner Heldt in Berlin-Weißensee und konnte dort in kleinen Galerieen ausstellen. Siehe
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
hübsches Mädchen sein, dass man sich auf der Straße nach ihr umdreht. Mich hat es besonders gefreut, dass sie sehr ordentlich ist. Wir brauchen uns keine Sorgen um unser Kind zu machen. Neulich traf ich auf der Straße die Schwester Angelika und freute mich sehr. Alles Gute, liebster Carl, bleiben Sie gesund und munter. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka
1946-08-01 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13459
1. 8. L. D. Gestern war für mich ein großer Festtag. Dass ich Sie gesehen habe, macht mich für einige Tage wieder fröhlich und ruft die alten Zeiten zurück. Nachmittags kamen dann noch die beiden großen Pakete und Ihr Brief vom 19. 7. und der von Anni. Die frischen Kartoffeln habe ich gestern abend mit K[reuz] gegessen, er hat sie herrlich gekocht und Fett dazu gestiftet. Das herrliche Obst, das Gemüse, die Plätzchen, die schöne Wäsche, alles ist gut und richtig angekommen. Extra Erwähnung verdienen 1) die fabelhafte Wurst, die wohl von Anni aus Oldenburg613 mitgebracht ist; 2) der Kaffee; 3) die Eierpflaumen und 4) die Tafel Milchschokolade, die wohl von Marlies stammt. Ich danke allen tief gerührt und empfinde das alles noch als Fortsetzung meines Geburtstags hinter Stacheldraht. Sagen Sie allen herzlichen Dank! Der Kaffee war gerade zu Ende, als der neue eintraf. Geheimrat W[ever], der ihn mir so schön kocht, ist morgen zur Busseallee (Rad[osta-]Ausschuss) bestellt, wird also wohl bald entlassen. Man rechnet 2–3 Wochen. Es werden jetzt sehr viele entlassen. Ob ich dabei bin, müssen wir in Geduld abwarten. Ich habe den Eindruck, dass ich in Berlin besonders ungünstig sitze und die Sabotage der Entlassungsaktion hier schlimmer ist als anderswo. Prof. Bieberbach614 z. B., der damals im November von Lichterfelde in das Lager nach Marburg kam, ist schon entlassen. Bei der Undurchdringlichkeit dieses dunklen Systems bin ich wehrlos gegen jedes Unrecht. Ich mache mich also auf alles gefasst. Schicken Sie aber keine Wäsche mehr, bis ich schreibe; ich Wieland Schmied, Werner Heldt. Mit einem Werkkatalog von Eberhard Seel, Köln 1976, S. 39. 613 Gemeint ist Cloppenburg im Oldenburger Münsterland. 614 Ludwig Bieberbach (1886–1982), Mathematiker, bis 1945 Prof. an der Berliner Universität, dort auch Dekan und Prorektor.
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habe jetzt genug. Dass der deutsche Ausschuss meine Freilassung beantragt hat, freut mich. Vielen Dank für Ihre Bemühungen. Der Vorgesetzte von R[adosta] soll ein Oberst Heinrichs615 sein; haben Sie davon gehört? Dass Geheimrat von L[ewinski] sich trotz seines hohen Alters so bemüht, rührt mich sehr. Tut Sarre etwas? Die Bücher sind aufregend interessant. Dass der gute Dr. Schranz an mich gedacht hat, ist ein großer Trost. Seine Anhänglichkeit an Konrad Weiß ist rührend. Er hat das Buch vom geschichtlichen Gethsemane offenbar auf seine Kosten neu drucken lassen. Das Buch ist, wie alles Wichtige aus der Zeit von 1919–1939, heute aktueller als je und wirkt noch unmittelbarer als vor 20 Jahren. Im Innern des deutschen Geistes gehen erstaunliche Dinge vor sich. Unsere Kraft liegt wirklich in unserm Leidvertrauen.616 Das Unrecht, das mir und tausenden ehrlichen Deutschen heute geschieht, gehört zu diesem Leid. 1 Korinther 4, 9–14. Die beiden Hefte der von Maiwald herausgegebenen Zeitschrift617 sind ebenfalls interessant, freilich in anderer Weise. Es ist sehr nett von M., dass er sie mir zuschickt. Danken Sie ihm dafür und frage Sie ihn nach Dr. G. von Schmoller, in Dußlingen bei Tübingen; beide haben ja bei mir in Berlin mit einer völkerrechtlichen Arbeit promoviert und wollten sich habilitieren. Im 2. Heft ist unter den für die folgenden Hefte angekündigten Aufsätzen einer von Prälat Kreutz618 in Freiburg (Br.) über die Aufgaben des CaritasVerbandes. Könnten Sie bei Maiwald anfragen, ob er bei diesem Prälaten K. anfragen will, ob der Prälat sich noch seines Namensvetters, des Professor K. (ohne t!) erinnert, und zwar von Beuthen her, wo Prof. K. 1934 auf dem Krüppelfürsorgekongress in Beuthen einen Vortrag gehalten hat, in dem er sich gegen die Zwangssterilisation der Mißbildungen ausgesprochen hat. Es wäre wichtig, wenn Prälat K. sich dessen noch erinnerte, auch ob er Prof. K. damals persönlich kennen gelernt hat. Maiwald kann die Frage an Prälat K. damit motivieren, dass Maiwald von einer Bekannten (das sind Sie) danach gefragt worden ist und Prof. K. seit über einem Jahr in Automatic Arrest ist, ohne dass sachliche Vorwürfe gegen ihn persönlich erhoben worden sind, außer dass man ihn damals, 1942, ebenso automatisch zum SS-Sturmbannführer gemacht hat,619 wie er heute automatisch in Haft sitzt. Es wäre ebenso 615
Vermutlich: William F. Heimlich (1911–1996), s. OMGUS, S. 704. Zitat aus: Konrad Weiß, Zum geschichtlichen Gethsemane, Mainz 1919, Nachdruck Bigge-Ruhr [1945], S. 5. 617 Serge Maiwald gab seit 1946 die Zeitschrift „Universitas“ heraus. 618 Benedikt Kreutz (1879–1949), kath. Priester, seit 1921 Präsident des Deutschen Caritasverbandes. 619 Das ist nicht ganz korrekt: Kreuz, der übrigens schon 1933 in die SS eintrat, wurde 1943 Standartenführer. 616
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
interessant wie in der Sache wichtig, ob Prälat K. sich noch erinnert und bereit ist, das zu bestätigen. Maiwald kann ja zunächst fragen, ob es den Prälaten interessiert. Der Trost, der in dem Buch von K. Weiß liegt, ist unerschöpflich. Schreiben Sie das dem guten Dr. Schranz620. Er hat mit dieser Zusendung ein Werk der Barmherzigkeit erfüllt, und zwar im höchsten Grade; er hat einen Gefangenen besucht, der um der Gerechtigkeit willen verfolgt wird, und hat noch einen ganz hohen Besucher, Konrad Weiß, mitgebracht. Was ein Dichter bedeutet, lernt man erst als Gefangener schätzen. Schreiben Sie ihm das, auch von der schönen alkäischen Strophe im „Tantalus“.621 An die roten Ebereschenbeeren an der Chaussee nach Bödefeld denke ich mit großer Sehnsucht.622 So, liebste Duschka, hoffentlich kommt diese Brieftaube an; die vorige hieß wieder Thomas; diese Veronica. Grüßen Sie Annilein besonders herzlich, danken Sie allen Gratulanten, Tante Louise, Marlies, Haidi, Leistikows, Frau Friedensb[urg] und seien Sie herzlich geküßt von Ihrem Carl
1946-08-04 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13460
4. 8., Sonntag vorm. 11 Uhr L. D. Beim Gottesdienst habe ich an Sie gedacht und Ihnen und dem ganzen Haus von Herzen alles Gute gewünscht. Wie schön, dass Marlies den 23. Psalm an meinem Geburtstag vorgelesen hat. Vorgestern, Freitag 2. 8., war ich zur Vernehmung in der Busseallee, zusammen mit 7 andern Gefangenen, darunter Geheimrat W[ever]. Es war sehr anstrengend, weil wir von ½ 10 bis 6 abends ohne Essen draußen waren. Ich habe es aber körperlich ausgehalten. Ich wurde als letzter von 5–6 vernommen. Die Vernehmung dauerte eine Stunde (bei den andern meist nur 620
Am. 5. 8. und 23. 9. 1946 schreibt Duschka an Schranz; Privatbes., Kopie in: RW 579 Nr. 528. 621 s. oben, Brief Schmitts vom 20./22. 7. 1946. 622 Die Ebereschen an der Chausse von Siedlinghausen nach Bödefeld werden in den Briefen Schmitts an Schranz mehrfach erwähnt; Privatbes., Kopien in: RW 579 Nr. 528.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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½ Stunde). Das Ergebnis war, dass R[adosta] sagte, ich hätte soviel publiziert, worin er sich nicht vertiefen könne; er wolle sich den Aufsatz im Schwarzen Korps übersetzen lassen (das ist schlimm, denn er hat keine Ahnung davon, was das bloße Faktum eines solchen Aufsatzes, unabhängig vom Inhalt bedeutet; er wird die Verleumdungen, die dort gegen mich vorgebracht werden, als Tatsachen nehmen; ich habe das schon einmal bei einem Interrogator erlebt). Ferner fragte R., ob ich Garanten dafür nennen könnte, dass ich mich nicht zum Schaden der Besatzungsmächte betätigen werde. Ich sagte, ich sei seit 11 Monaten von jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschnitten und könnte nur mit diesem Vorbehalt einige Namen nennen: Friedensburg, Hans Peters, Pfarrer Gebhardt, Dr. A. Adams, deren Erklärungen bereits dem Deutschen Ausschuß vorgelegen hätten, und dass im übrigen, wenn mein Wort nicht genügt, ich nicht wüsste, was ich sonst noch für Garantien geben könnte. Von jenen Erklärungen wußte R. nichts, auch nichts von meinen früheren Vernehmungen. Sternberg war nicht anwesend, Hirsch nur eine Viertelstunde; außer R. war im Ganzen nur ein jüngerer Mann (angeblich soll er Ordy heißen), Dolmetscher und die Stenotypistin anwesend. Es ist, als ob nach 11 Monaten alles wieder von vorn anfängt. R. sagte am Schluss einige freundliche Worte darüber, dass die Sache noch näher untersucht werde. Das erinnerte mich sehr an die freundlichen Worte Montenegros vom September vorigen Jahres. Im Zusammenhang mit der Frage der Garantien meines künftigen Verhaltens fragte R., ob meine Frau noch lebe und ob ich Kinder hätte. Es wäre vielleicht zu überlegen, ob Sie R. oder noch einmal Sternberg oder Hirsch aufsuchen und persönlich zu sprechen suchen. R. macht einen vornehmen Eindruck, Silberhaar, ein venerable älteren amerikanischen Stils. Hirsch scheint intelligent zu sein, ich kenne aber natürlich seine Gesinnung nicht. Der Dolmetscher ist nett und freundlich, aber natürlich nur für Kleinigkeiten wichtig. Von der wirklichen Lage im Deutschland der Nazi-Zeit wissen die Amerikaner nichts. Auch R. ist ganz beziehungslos. Der Name „Popitz“ sagt ihm nichts; auch als er hörte, dass Sie Serbin sind, wußte er nicht, was das in meinem Zusammenhang bedeutet. So steht es also, liebste Duschka. Ich habe versucht, Ihnen einige wichtige Punkte mitzuteilen. Es ist möglich, dass ich in einigen Wochen entlassen werde; es ist aber auch das Gegenteil möglich. Geheimrat W[ever] wird wohl bald (1–2 Wochen) entlassen; ebenso ein höherer Beamter aus München, der bei den 8 Vernommenen war. Bei mir liegt es anders. Aber ich sage Ihnen nochmals, dass ich meine innere Freiheit gefunden habe. Lassen Sie sich in Ihren Reiseplänen nicht beirren. Die schönen Sachen des letzten Paketes machen uns (K[reuz] und mir) große Freude, bisher täglich abends ein gedeckter Tisch nach Psalm 23. Vielen Dank! Oft denke ich an Werner Weber in Leipzig; ob man nichts von Werner Becker erfahren kann, der
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Studentenseelsorger in Leipzig war? Der Brief von Anima ist noch nicht angekommen. Seien Sie vorsichtig mit Briefen. Sagen Sie Maiwald, dass die Aufsätze von Steinbüchel623 und Thielicke624 mich besonders interessiert haben. Er soll Thielicke fragen, ob er mein Buch über den Leviathan (1938)625 und Land u. Meer626 kennt. Hat Sarre noch das Manuskript von Dr. Fraenger über H. Bosch?627 Ob Fraenger noch lebt? Auf Wiedersehn, liebste Duschka! Herzliche Grüße an Tante Louise, Annilein und Marlies! Bleibt gesund und verliert den Mut nicht! Sehen wir uns Mittwoch um 11? Immer Ihr Carl
1946-08-10 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13812; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 10. Aug. 1946 Liebster Carl, am Mittwoch war ich in der Busseallee und anschließend in Dahlem und Lichterfelde. Ich besorgte schöne Blumen für Marlieschen und ging fröhlich nach Hause. Gestern haben wir den Geburtstag von Marlies sehr schön gefeiert. Ihre Eltern und Geschwister haben wir eingeladen und den Maler Heldt, für den Marlieschen schwärmt. Es war richtig eine schöne Geburts623
Theodor Steinbüchel, Ehrfurcht. In: Universitas 1, 1946, S. 129–145. Theodor Steinbüchel (1888–1949), kath. Moraltheologe, seit 1941 Prof. in Tübingen, dort von 1946 bis 1948 Rektor. 624 Helmut Thielicke, Die Wirklichkeit des Dämonischen. In: Universitas 1, 1946, S. 19–34, 146–161. Helmut Thielicke, ev. Theologe, seit 1945 Prof. in Tübingen. 625 Carl Schmitt, Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes. Sinn und Fehlschlag eines politischen Symbols, Hamburg 1938 (4. Aufl. mit Nachwort von Günter Maschke, Stuttgart 2012). 626 Carl Schmitt, Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung, Leipzig 1942 (9. Aufl., Stuttgart 2018). 627 Wilhelm Fraenger (1890–1964), Kunsthistoriker. Es handelt sich um das Manuskript des 1947 erschienenen Buches: Wilhelm Fraenger, Hieronymus Bosch. Das Tausendjährige Reich. Grundzüge einer Auslegung, Coburg 1947. Schmitt hat die Entstehung dieses Buches beratend begleitet u. a. durch seine Besuche im Prado; vgl. Wilhelm Fraenger, Korrespondenz mit Hans Arp, Carl Schmitt und Franz Roh. In: Sinn und Form 57, 2005, S. 303–330; Elmar Jansen, Gnostischer Grenzgänger. Wilhelm Fraenger. In: ebd., S. 293–302.
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tagsfeier. Am Abend hat Heldt so schön Klavier gespielt, und wir haben schöne Lieder gesungen, als erstes. Lobe den Herrn, und dann „Meerstern ich dich grüße“. – Vor der Geburtstagsfeier, 3 Uhr mittags, kam noch Herr Geheimrat W[ever] mit seinem Sohn Peter zu Besuch. Ich habe mich sehr gefreut über die Grüße, die er mir brachte. Wir haben ihm Tee und Geburtstagskuchen angeboten. Nun hoffe ich, dass wir uns bald gemeinsam unterhalten können. Der Besuch hatte etwas Rührendes und war für mich eine besondere Freude. Heute hat uns Tante Louise besucht nach langer Zeit. Wir sitzen gemütlich um die Tischlampe und machen Handarbeit und warten mit Sehnsucht, bis Sie zu Hause sind. Jetzt ist so schönes Herbstwetter; unsere Tomaten reifen, und die schönen Pflaumen färben sich blau. Sie müssen bald nach Hause kommen, dann backen wir schönen Pflaumenkuchen. Jeden Nachmittag liege ich mit Anni in der Sonne auf dem großen Balkon; sonst sind wir fleißig in Haus und Garten und haben viel zu schreiben. Bald schreibe ich mehr. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka Tante Louise, Anni und Marlies lassen herzlich grüßen!
1946-08-12 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13461
12. 8. L. D. Heute schicke ich ein paar Zeilen für Anima zum Geburtstag. Seien Sie nicht traurig, dass Sie nicht bei ihr sind. Ich denke täglich mit großer Sehnsucht an Sie alle. Geheimrat W[ever] ist vorigen Mittwoch entlassen; der Maler Stassen am Samstag. Meine Sache scheint sich hinzuziehn. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, noch viel zu unternehmen. Die unsichtbaren Betreiber dieses Verfahrens werden dadurch nicht beschwichtigt, sondern nur bösartiger. Ich bin nun einmal die Zielscheibe der Rachsucht von Menschen, die heute ihre Instinkte austoben können. Das Camp wird bald aufgelöst; angeblich binnen 30 Tagen. Wenn ich dann noch nicht entlassen bin, komme ich in ein anderes Lager, nach Wannsee oder auswärts.628 Das sind schlimme Möglichkeiten; aber vielleicht besteht noch ein Schimmer von Hoffnung, dass es 628 Nach der Auflösung des Lagers Lichterfelde wurde Schmitt am 12. 9. 1946 wieder nach Wannsee gebracht. (Brief von Duschka an Schranz vom 23. 9. 1946; Kopie in: RW 579 Nr. 528).
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
nicht dazu kommt. Was von den freundlichen Redensarten zu halten ist, mit denen man zum Besten gehalten wird, werden Sie inzwischen auch erfahren haben. Annilein hatte recht, als sie sich vorigen Sommer nicht mit dem Freund von Frl. Sp[itzer] an einen Tisch setzen wollte. Ich habe jetzt zuviel Wäsche; schicken Sie keine mehr. Vor der Verlagerung habe ich auch wegen meiner vielen Sachen einige Sorge. Jetzt, wo Geheimrat W[ever] nicht mehr für mich sorgt, wird alles schnell verkommen. Schade um die guten Sachen. Ich bin glücklich, Sie Mittwoch zu sehen; vorigen Mittwoch war es sehr deutlich. Seien Sie aber sehr vorsichtig; gestern ist wieder eine arme Frau, die winkte, verhaftet worden. Bisher bin ich auch über die schwersten Stunden hinweggekommen, liebste Duschka; seien Sie also um mich nicht bange. „Deinen Gang am Daseinsrande schützen unerfaßte Bande.“629 Ich küsse Sie von ganzem Herzen und grüße alle treuen Freunde. Immer und in jeder Lage und in jedem Lager bleibe ich, was ich immer war, daran kann keine Menschenbosheit etwas ändern. Noch einen herzlichen Kuss Ihres Carl
1946-08-13 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13813; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 13. Aug. 1946 Liebster Carl, morgen hat unsere einzige Tochter Geburtstag. Wir wollen uns freuen, dass es unserem Kind so gut geht und wollen weiterhin auf ihren guten Schutzengel vertrauen. Oft habe ich große Sehnsucht nach Anima, aber wir wollen tapfer sein und abwarten, bis wir zusammen reisen können. In Plettenberg wartet man mit Freude auf uns. Oft habe ich mir ganz lebhaft vorgestellt, dass wir zum Friedhof spazieren gehen. Vielleicht wird es noch in diesem Jahr sein! Am letzten Sonnabend war ich in der Busseallee und habe 5 Erklärungen (von Gebhardt, Schröder, Friedensburg, Lewinski und Dr. Adams), die dem deutschen Ausschuss vorgelegen hatten, in engl. Übersetzung Herrn Major 629 Aus: Theodor Däubler, Das Nordlicht, Gedicht „Der Nachtwandler“. Dieses Gedicht zitierte Schmitt auch in der Nacht vom 23./24. 8. 1943, in der sein Haus bombardiert wurde; vgl. Frank-Rutger Hausmann, Die Überlegenheit der Sprache der Unterlegenen. In: FAZ vom 5. 11. 2004.
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R[adosta] überreichen lassen.630 Es wurde mir wieder gesagt, es handelte sich noch um einige Tage bis zu Ihrer Freilassung. Morgen früh werde ich mich wieder erkundigen. – Gestern, am Sonntag, waren Anni und Marlies im Atelier von Heldt eingeladen, und ich hatte Herren Geheimrat W[ever] zum Tee. Frl. Mache kam zufällig dazu. Wir hatten Pflaumenkuchen, und es war sehr gemütlich. Mein Gast hat entzückend erzählt und einige Gedichte vorgelesen. Gegen Abend kam noch Frau Olms; sie ist für einige Tage nach Potsdam gekommen. Sie hat bei uns zu Abend gegessen und übernachtet und lässt herzlich grüßen. Von ihrem Mann hat sie noch keine Nachricht. – Herr Geheimrat hofft, dass er Sie beim nächsten Besuch zu Hause antreffen wird. – Neulich sah ich Thomas und Veronika in Dahlem und habe mich ganz besonders gefreut.631 Heute war Frau Schneider bei uns zum Tee. Sie erwartet Hannes am 27. September und bereitet sich schon für den Empfang vor. Am 25. August wollte Frau Weber632 nach Berlin kommen für einige Tage, um ihre alten Freunde zu besuchen. Am Freitagvormittag besuchte mich Vater Michael und Frau Scharawoff; Igor ist Ende Juli aus dem Lager entlassen worden mit einer Bescheinigung, dass es ein Irrtum war. – Vater Johann hat jetzt eine Kirche in Los Angeles in Kalifornien. Heute war ein großer Feiertag, an dem in der Kirche das Obst gesegnet wird, ich habe schöne Äpfel und Pflaumen gestiftet. So, mein lieber Schatz, jetzt muss ich aufhören. Gute Nacht, auf baldiges, frohes Wiedersehen! Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka An Dr. Maiwald will ich bald schreiben. Anni und Marlies lassen herzlich grüßen.
1946-08-19 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13462
19. 8. L. D. Vielen Dank für den schönen Vormittagsbesuch und das schöne Paket von Mittwoch (Pflaumen, Tomaten, Gurken, Kartoffeln, Heringssalat, Kaffee und 630
RWN 260 Nr. 357. Code, mit dem der Erhalt eines Briefes bestätigt wird. 632 Marta Weber, Ehefrau von Werner Weber; Briefe von ihr an Duschka in: RW 265 Nr. 29942. 631
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
die Schokolade). Alles ist gut angekommen und hat herrlich geschmeckt. Der Brief vom 10. Aug. (mit dem Bericht über den Geburtstag von Marlies) ist ebenfalls gut angekommen, und zwar schon am 15. August, mit der Karte von Geheimrat W[ever]633; ebenso die Briefe von Anima (ein entzückender Geburtstagsbrief), Frau Schmitz634 und Schranz. Vielen Dank. Am 16. Aug. ist ein Transport von über 100 Mann nach Darmstadt (angeblich) abgegangen; dass ich nicht dabei war braucht nicht zu bedeuten, dass ich bald entlassen werde. Auch dass das Lager aufgelöst werden soll, ist noch keine Gewissheit dafür. Vielleicht werden noch Zeugen vernommen, ich denke z. B. Pf. Gebhardt und Prof. Peters. Aber die eigentliche Entscheidung liegt in unsichtbaren Händen, und die „Nachforschungen“ sind ein bequemer Vorwand, mich noch länger festzuhalten. In der amerik. Neuen Zeitung vom 12. 8. finden Sie einen Bericht über Vorträge, die Prof. Karl Löwenstein zu dem Thema „Demokratie“ gehalten hat. Alles bewegt sich noch in der Diskussion, die ich seit 1923 führe. Sie werden verstehen, dass ich traurig werde, wenn ich mich so mundtot gemacht sehe. In 2–3 Wochen werde ich wohl wissen, ob ich noch längere Zeit festgehalten werde, obwohl dieses Lager aufgelöst wird. Wir müssen abwarten. Versprechen Sie sich nicht zuviel von Gebhardt und Peters, auch wenn sie günstig aussagen; der Hass gegen mich sitzt versteckt und arbeitet im Dunkeln. Aber selbstverständlich ist es gut und freut es mich von Herzen, wenn Sie für mich eintreten. Heute kam ein Brief von Liliane aus Frankfurt.635 Sie hat Heinrich O[berheid] in Godesberg besucht und findet ihn wunderbar abgeklärt. Ihr Mann ist seit 15 Monaten in Haft. Am 8. Juli 1945 ist sie zur kath. Kirche übergetreten. Prinz Roh[an] ist seit über einem Jahr in Haft.636 Ein Camp-Genosse, der entlassen worden ist (Karl Durst637) hat ihr Grüße von Benito Cereno gebracht, über die sie sich sehr gefreut hat. Ihre Adresse ist jetzt Frkft. a. M., Windmühlenstr. 16. Sie wohnt in 3 Zimmern. Lilo ist ebenfalls dort; Gabriele glücklich und zufrieden in Madrid.638 633
RW 265 Nr. 17964. RW 265 Nr. 13898. 635 Nicht erhalten, vgl. Schmittiana NF I, 2011, S. 170. Der auf den 29. 11. 1946 datierte Brief Lilly von Schnitzlers (ebd. S. 171 ff.) entspricht aber der Inhaltsangabe Schmitts und ist möglicherweise falsch datiert. 636 Karl Anton Rohan war vom 29. 12. 1945 bis 14. 7. 1947 zunächst in amerikanischer, dann in österreichischer Haft. 637 Karl Durst (1892–1949), Ministerialbeamter im Reichsarbeitsministerium, wurde im Entnazifizierungsverfahren 1948 in die Kategorie „Entlastet“ eingestuft. Schmitt gedenkt an seinem 65. Geburtstag seiner; Schmittiana NF II, 2014, S. 291. 638 Lilo (Liselotte) und Gabriele sind Töchter von Lilly und Georg von Schnitzler. 634
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Sagen Sie Marlies nachträglich meine Geburtstagswünsche und Tante Louise (mit vielem Dank für das Nachthemd) meine Gratulation zum Namenstag am 25. Aug. – Das Wiedersehn am Mittwoch den 17. August war sehr schön, trotz einer Unterbrechung. Heute habe ich einen Karton Leergut (leere Gläser mit einigen Servietten) im Office abgegeben. Versuchen Sie, das gelegentlich abzuholen. Leider darf ich keine schmutzige Wäsche mitgeben. Bald beginnt ein neuer Abschnitt meines Lebens, ob besser oder schlechter wollen wir in Geduld abwarten. Ich grüße alle Bekannten und Freunde, besonders das gute Annilein, und bleibe von ganzem Herzen immer Ihr Carl
1946-08-26 Duschka an Carl Schmitt RW 579 Nr. 676, ms.639
Berlin-Schlachtensee, den 26. 8. 46 Liebster Carl, heute sind es 11 Monate seit Ihrer Internierung; das ist eine lange Zeit und für Sie angefüllt mit vielen Leiden. Wir warten, dass Sie bald nach Hause kommen und freuen uns auf Ihre Heimkehr! Heute habe ich für Sie Plätzchen gebacken und dabei gedacht – zum wievielten Male. Das Wetter ist recht herbstlich geworden, aber im Garten wächst und gedeiht alles gut. Nächste Woche wollen wir etwas einmachen. Bald werden wir 3 Bäume fällen und für das Holz sorgen, damit wir schön heizen können, wenn Sie zu Hause sind. Einen Ofen wollen wir auch noch besorgen. Wir freuen uns auf den Winter, weil Sie dann bei uns sein werden. Ich hoffe, es dauert nicht mehr lange bis zu Ihrer Freilassung. Morgen früh werde ich mich in der Busseallee wieder erkundigen. Gestern war ich bei Frau Schneider zum Tee eingeladen. Frau Weber ist von Leipzig gekommen; wir hatten uns viel zu erzählen. Dr. Werner Becker war bei Frau Weber und hat sich nach uns erkundigt und sich angeboten, ob er nicht etwas für uns tun könnte. Morgen kommt Frau Weber mit Frau Schneider zu mir zum Mittagessen; wir wollen es besonders hübsch machen. – Von Anima kam ein lieber Brief an, Mitte September bekommt sie Herbstferien. 639
Am Rand des 3. Absatzes stenogr. Anmerkungen von Schmitt.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Alle Freunde lassen herzlich grüßen. Gott beschütze Sie, liebster Carl und bleiben Sie guten Mutes! Auf frohes Wiedersehen, Herzlichst [hs.:] Ihre Duschka
1946-08-26/27 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13463
26. 8. (Montag), Vorm. 10 Uhr L. D. Gestern habe ich den ganzen Tag an die gute Oma gedacht und an die vielen, schönen Namenstage, für die wir Gott dankbar sein müssen. Heute morgen hatte ich einen Traum, den ich Ihnen erzählen möchte. Ich war in einem lebhaften Gespräch mit einem sympathischen alten Franzosen, den ich im Traum als den alten Louis Gillet640 empfand (von der Académie française, der im Herbst 1936 während der Olympiade einmal bei uns in Steglitz zu Gast war und mit seiner Zigarette das Tischtuch verbrannt hat). Ich erzählte ihm eifrig von Tocqueville641; der alte Franzose machte sich Notizen und schrieb auf „Démocratie en Amérique“. Dann zitierte ich einen Ausspruch von Sainte-Beuve642: Tocqueville est un vaincu, qui accepte sa défaite.643 Der Alte stimmte mir zu und fand das sehr richtig; aber ich merkte, dass er es anders verstand und dass er meinte: un vainqueur, qui accepte sa défaite. Als ich erwachte und aufstand, wusste ich, dass ich von Georges Sorel644 geträumt hatte. Dadurch fühlte ich mich außerordentlich gestärkt und gehoben. 640
Louis Gillet (1876–1943), franz. Kunst- und Literaturhistoriker. Alexis de Tocqueville (1805–1859), franz. politischer Publizist, dessen Analyse der Demokratie Schmitt bewunderte, und mit dessen Selbstverständnis als Geschlagener er sich identifizierte; vgl. ECS, S. 25–34. 642 Charles-Augustin Sainte-Beuve (1804–1869), franz. Schriftsteller und Literaturkritiker. 643 In „Ex Captivitate Salus“ erscheint dieses Zitat mit genauerer Zuschreibung: „C’est un vaincu qui accepte sa défaite. Das hat Guizot von ihm gesagt und SainteBeuve hat es eifrig kolportiert. Es war bös gemeint. Der literarische Kritiker benutzt es als einen Giftpfeil, um den berühmten Historiker tödlich zu treffen.“ ECS, S. 31 f. 644 Georges Sorel (1847–1922), franz. Sozialphilosoph, den Schmitt in Deutschland eingeführt hatte; vgl. vor allem: Carl Schmitt, Die politische Theorie des Mythus (1923). In: ders., Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar – Genf – Versailles, 4. korr. Aufl., Berlin 2014, S. 11–21. 641
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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Der Traum ist ganz wunderbar. Wenn Sie einmal wieder an E[rnst] J[ünger] schreiben, teilen Sie ihn bitte mit, womöglich wörtlich. Ich denke mir, dass die gute Oma mich an den alten Georges Sorel erinnern und dadurch in die passende Gesellschaft bringen wollte, nachdem ich solange mißhandelt und beleidigt worden bin. Den ganzen Vormittag ging ich wie im Traum beglückt herum. Das konnte ich mir leisten, weil ich seit 2 Tagen allein im Zimmer bin. Das Revier und das Lager ist halb leer. Was nun aus mir wird, müssen wir abwarten: ob ich freigelassen werde, oder nach Wannsee, oder in ein anderes Lager abtransportiert werde. Ich hoffe, dass Sie im letzten Falle bald verständigt werden und meine alte Wäsche nicht verloren geht (man darf bei einem Transport nicht mehr als 3 Stück Gepäck mitnehmen). Ich habe Pa[tti] gestern Konrad Weiß, Geschichtl. Gethsemane und meinen Diskrim. Kriegsbegriff gegeben (in K. W. sind viele Zettel mit Notizen); den Christl. Epimetheus hat er schon, wie ich Ihnen schon schrieb. Hoffentlich erhalten Sie die Bücher. Von vorigen Mittwoch erzählte er mir. Ich freue mich immer noch über Ihr Gesicht, Ihr Haar und das rote Halstuch. Auch Annilein war sehr lieb. Ich konnte sie sehr deutlich sehn. Wenn ich Anfang September noch nicht entlassen bin, teilen Sie das bitte Herrn Ministerialdirektor Karl Durst (wie Hunger und Durst) in MünchenAllach, Buhnweg 30, mit, zugleich mit einem Glückwunsch für seine silberne Hochzeit, die Ende September stattfindet. Durst ist mit Geheimr. W [ever] entlassen und hat auf der Reise nach München in Frankfurt L[illy von] S[chnitzler] besucht. Er hat sich hier sehr an mich angeschlossen. Während des 1. Weltkriegs war er Artillerie-Offizier in demselben Regiment wie Erich Kaufmann, den er infolgedessen kennt. Ich mochte ihn gern; er ist ein typischer bayrischer Verwaltungsbeamter und erinnerte mich an August Schaetz645. Er hat uns zur silbernen Hochzeit eingeladen. Dann habe ich noch etwas auf dem Herzen, das Joseph Kaiser in Altenhundem betrifft. Schreiben Sie ihm, dass er sich, wenn er Bücher von mir lesen will, am besten mit Dr. Franz Schranz in Siedl[inghausen] und vielleicht auch mit Emil Langenbach in Pl[ettenberg] in Verbindung setzen soll. Er kennt nicht einmal „Land und Meer“. Emil L. könnte ihn einmal auf seinen Wanderungen besuchen; oder er selbst Dr. Schranz in S[iedlinghausen]. In Tübingen soll Jos. Kaiser Maiwald aufsuchen.
645 August Schaetz (gefallen 1917), Assessor, im 1. Weltkrieg Schmitts Kollege und Freund im Stellvertretenden Generalkommando in München (vgl. TB II). Schmitt widmete ihm seinen „Begriff des Politischen“.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Nachm. 4 Uhr. Ich habe einen Karton mit Wäsche zum Abholen ins Office gegeben, liebe Duschka, als Leergut. Hoffentlich bekommen Sie es. Das Inhaltsverzeichnis lege ich diesem Brief bei; es ist aber vielleicht nicht ganz genau, weil alles in großer Eile geht. Das ist der Lager-Stil, auch bei Verlagerungen. Man wartet tage- und wochenlang und wird dann plötzlich in einigen Minuten mit „Sofort!“ irgendwohin kommandiert. Ist das Leergut mit den leeren Gläsern (von voriger Woche) in Ihre Hände gekommen? Warten Sie jetzt mit neuer Wäsche, bis ich weiß, wohin ich komme. Ich habe noch frische Wäsche bis Oktober. Auch mit dem Wintermantel hat es wohl noch bis dahin Zeit. Ich bin jetzt aufbruchsbereit; das ist für die nächsten 3 Wochen das beste. Nur keine torture par l’espérance. 27. 8., morgens 9 Uhr. Ich freue mich sehr darauf, Sie morgen zu sehen, liebe Duschka. Hoffentlich ist das Wetter nicht zu schlecht. Seien Sie um mich nicht besorgt, auch wenn es jetzt vielleicht noch nicht zur Entlassung kommt. Seien Sie sehr vorsichtig mit der Nennung des Namens von GdR [Gueydan de Roussel]; er steht auf allen schwarze Listen.646 Aber er ist ein treuer Freund. Die letzten Briefe von Ihnen (vom 10. 8. erhalten 15. 8.) scheinen nicht durch die Zensur gegangen zu sein. Eben habe ich mir ein Pfännchen türkischen Kaffee gekocht (ich bin immer noch allein in dem Zimmer, in dem ich mit Stassen und Geheimr. W[ever] war). War Hans Bloch, der Maler, bei Ihnen? Wie geht es Dr. Podach? Es ist doch traurig, dass ein Mann wie Emge sich heute noch als Nietzsche-Experte aufspielen kann,647 während man einen Kenner wie Podach nicht einmal belohnt. Lesen Sie in einer der letzten Nummern der „Berliner Hefte“ (erscheint, wie alles Gute, im französischen Sektor) den Aufsatz „Ernst Jünger und der 73. Psalm“648; gleichzeitig erschienen mit einer stupid dummen Karikatur auf Jünger im „Ulenspiegel“649. Beides zu-
646 Gueydan de Roussel arbeitete während des 2. Weltkriegs in Paris mit der französischen Kollaboration zusammen, insbesondere bei der Verfolgung der Freimaurer, weswegen er 1945 in Frankreich zum Tode verurteilt wurde. Das Urteil konnte, da er seit 1944 in der Schweiz lebte, nicht vollstreckt werden. Gueydan emigrierte 1948 nach Argentinien und blieb mit Schmitt in brieflichem Kontakt; Lucien Sabah (Ed.), Journal de Gueydan „de“ Roussel. Un agent de la Bibliothèque nationale et de la Gestapo, Paris 2000 (Tagebuch 1940–1944). 647 Emge war von 1939 bis 1945 Leiter des Nietzsche-Archivs in Weimar. 648 Dieter Bassermann, Ernst Jünger und der 73. Psalm. In: Berliner Hefte 1, 1946, S. 105–109. 649 Karl Schnog, Das intellektuelle Raubtier Ernst Jünger. In: Ulenspiegel. Literatur, Kunst, Satire 1, 1946, Erstes Juliheft.
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sammen ein schönes Beispiel der neuen Humanität des gereinigten Deutschland. Morgen hat die gute Üssi Namenstag. Grüßen Sie Tante Louise, Annilein, Marlies, Haidi, Podach, Leistikow, alle guten Leute. Ist H. Peters in Berlin? Wissen Sie, ob man ihn oder Pf[arrer] Geb[hardt] überhaupt gefragt hat? Es wäre übrigens doch nur Schein und miserables „simulacrum“ der Humanität. Ich küsse Sie herzlichst, liebe Duschka, und bin immer Ihr Carl Hoffentlich haben Sie Veronica und ihre Nachfolgerin gesehen. Dieses ist Augusta. Lesen Sie Matthäus 2, 15–18 (schönes Beispiel für Automatik). Endlich, endlich muss der Neid Endlich auch Herodes sterben!650
1946-09-03 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13464
3. 9., Vorm. ½ 12 L. D. Vielen Dank für Ihren Brief vom 26. 8., den ich gestern erhielt. Ich habe den Eindruck, dass Sie von den fortwährenden Enttäuschungen ermüdet und traurig geworden sind. Arme liebe Duškica, das dürfen Sie nicht sein. Tout ce qui arrive est adorable! Daran müssen wir festhalten. Auch ist wohl das Schlimmste überstanden, was diese Gefangenschaft angeht, und für den Rest wollen wir nicht schwach werden. Die Erzählungen von Frau Weber waren wohl auch traurig und bedrückend. Und die arme gute Frau Schneider! Das Paket von voriger Woche war großartig. Vielen Dank! Die vielen schönen Sachen haben großartig geschmeckt. Ich habe noch viele Äpfel, Tomaten und war sparsam. Besonderen Dank für die Schokolade, die Wurst und den Kaffee, die Plätzchen; es ist wirklich unglaublich, dass Sie mir soviel schicken. Ich konnte Sie am 28. 8. in dem Durchblick gut sehen, hatte aber den Eindruck, dass Sie traurig sind. Ihr Gespräch mit den Grünen651 war lustig zu sehen. Auch Annilein. Sie dürfen nicht traurig werden, Duschka, auch nicht darüber, dass Sie von Anima getrennt sind.
650
Aus dem Gedicht „Trostaria“ von Joh. Chr. Günther. Recte: „… kann der Neid“; vgl. Glossarium, S. 166. 651 Gemeint ist die Farbe der US-Uniform.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
P[atti] hat einen Aufsatz von mir über Kleist und Däubler;652 hoffentlich bringt er ihn zu Ihnen. Lesen Sie ihn; er ist zum Namenstag von Anima geschrieben. Wenn Zeit und Lust genug vorhanden ist, lassen Sie ihn mit einigen Durschschlägen abschreiben, besonders für Schranz und Paul Adams. Die Einsamkeit meiner Stube und einige Pfännchen türkischen Kaffee, die ich mir selber kochte, haben zur Entstehung beigetragen. Wenn ich weiß, dass Sie nicht traurig sind, bin ich auch nicht traurig und freue mich meiner Gedanken. Ich habe jetzt wieder einen Stubengenossen. In meiner Sache erfahre ich nichts. Ich weiß nicht, ob es gut ist, dass Sie sich noch weiteren Enttäuschungen aussetzen. Tun Sie das lieber nicht, Duschka. Vielleicht ist schon längst entschieden, dass ich ein Jahr und länger festgehalten werde; vielleicht wartet man das Nürnberger Urteil ab653. Ich habe es bisher überstanden und hoffe, noch mehr ertragen zu können. Sehen wir uns morgen, um 11, wieder? Kommen Sie nicht extra dahin! Ruhen Sie lieber gut aus. Das Wichtigste ist, dass Sie gesund bleiben, gute, liebe Duschka. Mir fehlt nichts; auch keine Wäsche; Brot habe ich sogar zuviel. Ich schreibe gleich, wenn mir etwas fehlt. Von Werner Becker würde ich gern mehr hören. Er hat wohl noch Sinn und Gefühl für das Unrecht, das mir geschieht. Ach liebste Duschka, könnte ich es doch machen, dass Sie immer fröhlich sind. Ich küsse Sie von Herzen und bin immer Ihr Carl Viele Grüße an Anni, Tante Louise, Marlies, Schneiders und alle guten Freunde! Ich füge eine stenographische Abschrift des vorhin genannten Aufsatzes bei. Auf Wiedersehn!
1946-09-04 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13814; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 4. September 1946 Liebster Carl, heute morgen hatte ich einen schönen Traum gehabt, Sie wären nach Hause gekommen; dadurch war ich den ganzen Tag fröhlich. Endlich, Endlich 652
Carl Schmitt, Zwei Gräber (Sommer 1946), in: ECS, S. 35–53. Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg endete am 1. Oktober 1946. 653
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kommt einmal. – Morgens kam auch Ihr lieber Brief vom 25. August an. Herzlichen Dank für Ihre lieben Zeilen. Den Brief vom 29. 7. habe ich ebenfalls erhalten. Am Sonntag war Haidi zum Tee bei uns, wir hatten schönen Pflaumenkuchen gebacken und bedauert, dass Sie nicht dabei waren. Meine Stube war so schön geschmückt mit Blumen. Am Montag abend kam Dr. Podach mit seiner Frau; wir hatten ihnen von dem schönen Kuchen angeboten. Er wartet mit Sehnsucht auf Ihre Rückkehr und lässt herzlich grüßen. Anni und Marlies haben immer viel Spaß, wenn Dr. Podach kommt. Wir hatten die Pflaumen geerntet und alle bedacht; etwas haben wir auch eingemacht. Einen Zweig haben wir zurückgelassen, bis Sie kommen. – Gestern Nachmittag kam Frau v. Mutius. Sie hatte einen Brief bekommen von ihrem Sohn, und er bat die Mutter, uns zu besuchen und herzliche Grüße zu bestellen. Sie war sehr glücklich, dass er seit dem 5. August freigelassen ist. Er wohnt in München. Von den Amerikanern hat er die Erlaubnis, sein Buch drucken zu lassen. Wir haben uns gut unterhalten, es war sehr interessant! – Am Mittwoch, den 28. August, habe ich ein Doppelpaket für Sie abgegeben, unten ein Verzeichnis des Inhalts. Ich hoffe, dass Sie alles gut erhalten haben; die Rohkost ist ein Gruß aus unserem Garten. Ihre beiden Kartons mit Leergut habe ich erhalten, es war alles in Ordnung. Nächste Woche wollen wir waschen. Gestern haben wir den ersten Baum gefällt und heute zerschnitten. Es war so schönes Wetter für die Holzarbeiten. Wenn es regnet, denke ich immer, wie mag es Ihnen gehen, mit Ihrer Ischias. Am Sonnabend wollte ich mich wieder erkundigen wegen Ihrer Freilassung. Das letzte Mal wurde mir gesagt, anfangs September würde der Fall bearbeitet. – Anima sorgt rührend mit Onkel Gerd654 für die Päckchen und schreibt nette Briefe. An ihrem Geburtstag hatte sei für eine Latein-Arbeit und Mathematik eine 1 bekommen. Ich hoffe, dass wir unser liebes Kind noch in diesem Jahr sehen werden und unsere lieben Verwandten. Von Jup kam ein lieber Brief an, einige Zeilen lasse ich abschreiben: „Vor einigen Tagen erhielt ich einen Brief aus Straßburg von unserem Onkel André, er bat mich besonders, Carl vielmals zu grüßen. Gesundheitlich geht es ihm noch trotz seiner 80 Jahre sehr gut, er ist noch fähig, auf die Jagd zu gehen und zwar mit Erfolg, wie er stolz berichtet. Den übrigen Verwandten im Elsass geht es ebenfalls noch gut, nur die gute Tante Lisa aus Gerstheim ist gestorben. Vetter André Soissong655 war in japanischer Gefangenschaft
654 655
Gerd Weßling in Cloppenburg; vgl. Mehring (2012). Sohn der Schwester von C. Schmitts Mutter.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
von Indochina aus, wo er als französischer Offizier Dienst tat. Er ist gesund zurückgekehrt.“ Von Veronica und Augusta soll ich herzlich grüßen.656 – Wir müssen für Vieles dankbar sein und wollen guten Mutes bleiben. Ich freue mich, wenn ich in den herbstlichen Wäldern mit Ihnen spazieren gehen kann! Herzlichst [hs.:] Ihre Duschka Paket 28. August 46 Plätzchen Kaffee, Zucker Wurst, 2 Stck. in der Zwiebelschachtel Filetsteak Zwiebel Tomaten Pflaumen Birnen 13 Stck. Äpfel 13 ”
Pfirsiche Bohnen Kohlrüben Kohlrabi Kartoffeln ------------------2 Paar Socken
[hs.:] Viele herzliche Grüße Anni und Marlies
1946-09-08 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13815; ms.657
Berlin-Schlachtensee, den 8. Sept. 1946 Liebster Carl, der heutige Sonntag war besonders schön; mit Anni hatten wir uns vorgenommen, allein zu sein und fleißig Briefe zu schreiben. Es kam aber anders; gegen 1 Uhr mittags kam Frau Jessen. Das war für mich eine freudige Überraschung. Wir hatten ein schönes Mittagessen und vieles zu erzählen. Es wurden viele schöne und viele traurige Erinnerungen wach. Frau Jessen sieht gut aus und ist munter und reizend wie früher. Ihren Kindern geht es gut. Sie 656
Code, mit dem der Erhalt des Briefes vom 26./27. 8. bestätigt wird. Auf der Rückseite stenogr. Notizen von C. Schmitt, offenbar Konzept eines Briefes an Duschka. 657
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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hat vieles hier zu regeln und fährt dann wieder nach Flensburg zurück. Am Dienstag kommt sie zu uns zum Abendessen. Nachmittags war ich mit Anni fleißig; ich hatte für Anima vorbereitet, aus alten Sachen neue Wäsche zu nähen. Anima ist aus allem herausgewachsen. Frl. Hüttner näht das erste Tanzkleid (aus einem weißen Kleid von mir) für den Abschlussball der Tanzstunde. Gegen Abend kamen Herr und Frau Schneider, sie haben bei uns zu Abend gegessen. Sie freuen sich auf Hannes. Von Dr. Maiwald kam ein lieber Brief und ein Heft Universitas. Ich muss noch viele Briefe schreiben; meine Briefschulden sind groß. Unsere Marlies ist gestern verreist für drei Wochen nach Tabarz in Thüringen. Ich will mit Anni fleißig sein, morgen haben wir große Wäsche. Am Sonnabend war ich in der Busseallee; sie waren alle nett zu mir. Vielleicht entscheidet sich in der nächsten Woche etwas über Ihre Freilassung. Wir müssen noch etwas Geduld haben und daran festhalten: tout ce qui arrive est adorable. – Am Sonnabend war ich mit Anni bei Haidi zum Mittagessen, es war recht gemütlich! Alle Freunde lassen herzlich grüßen. Uns geht es noch gut, und wir sind munter. Herzlichst [hs.:] Ihre Duschka Tante Louise und Anni lassen herzlich grüßen.
1946-09-09 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13465
9. 9., Montag vorm. 9 Uhr L. D. Gestern war ein so schöner Herbst-Sonntag, dass ich den ganzen Tag mit großer Sehnsucht an Sie dachte und mir ausmalte, was Sie wohl tun, ob Sie im Garten sind, oder auf dem Balkon liegen, oder Besuch haben. Die schönen Herbsttage machen einen noch sehnsüchtiger als die schönen Frühlingstage. Gestern in der Hl. Messe habe ich P[atti] wieder die Messe gedient. Er spricht freilich wenig mit mir; schließlich sind wir für ihn doch nur Aussätzige, aber das stört mich nicht im Geringsten. Hat er Ihnen inzwischen das Büchlein vom Röm. Kath. gebracht oder direkt an Pfarrer John zurückgegeben? Er hat noch 3 Bücher von K. Weiß, und 2 Aufsätze (einen über die Gräber von Kleist und Däubler, 9 Seiten, einen zweiten, von 5 Seiten, über den französischen Historiker Tocqueville,658 beide müssen Sie unbedingt le658
Die beiden Aufsätze sind eingegangen in: ECS, S. 35–53 und 25–33.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
sen). Mit großer Liebe denke ich an unser Kind; dass ihm der Gesang der Jünglinge im Feuerofen659 so gut gefällt, ist ganz rührend. Etwas von meinem Geschmack hat sie doch geerbt. Wie geht es Annilein, Marlies und den andern treuen Freunden? Bleiben Sie nur gesund, Duschka, das ist das Wesentliche. Es ist wichtiger, dass Sie gesund bleiben, als dass ich es bleibe. Seien Sie nicht leichtsinnig mit Schleppen von schweren Sachen. Wir sollen diese Woche noch nach Wannsee. Vielleicht können wir uns Mittwoch um 11 noch im Durchblick sehen. Die Gerüchte wechseln aber jeden Tag. Heute heißt es, dass das Revier erst Donnerstag nach Wannsee kommt.660 Prof. K[reuz] hat heute Geburtstag; zum zweitenmal in diesem Camp. Ich habe ihm einige Äpfel und die Däubler-Broschüre661 geschenkt, auch ein paar Plätzchen in dem Blechkasten, die ich zu diesem Zweck verwahrt hatte. Ich bin ihm zu großem Dank verpflichtet. Er hat fast ein Jahr lang treu für mich gesorgt. In den entsetzlichen Wochen des November 1945 wäre ich ohne ihn wohl zu Grunde gegangen, wie der arme Werner Scholz662. Die Däubler-Begeisterung von Prof. K[reuz] ist groß, ebenso sein Däubler-Verständnis. Ich habe in dieser Hinsicht viel von ihm gelernt. Deshalb will ich ihm als eigentliches Geburtstagsgeschenk das Nordlicht schenken.663 Erkundigen Sie sich doch bitte einmal, ob es noch zu haben ist und was es kostet. Fragen Sie gelegentlich auch einmal bei Hans Freyer an, ob Frau Bienert664 aus Dresden noch lebt. Sie wäre über den Däubler-Enthusiasmus von Prof. K[reuz] bestimmt sehr glücklich. Mit meiner Wäsche komme ich gut aus. Wenn Sie im Oktober wieder etwas schicken, tun Sie bitte den schönen Wollschal von Anima mit den blauen und roten Punkten dazu. Er hat mir gut über den letzten Winter in Lichterfelde hinweggeholfen. Ferner habe ich keine Schuhwichse mehr. Aber die Schuhe sind noch gut und sauber, und ich bin nicht verwahrlost. Es ist wunderbar, wie ich durch die völlig unerträglichen Zustände dieses Jahres hinweg gekommen [bin]. Voller Dankbarkeit bete ich den Vers der Apostelgeschichte 12,11. Sagen Sie das Werner Becker. Tun Sie deshalb auch nichts 659
Dan 3. Das war richtig: Schmitt wurde am 12. 9. von Lichterfelde nach Wannsee verlegt; vgl. Brief Duschkas an Franz Schranz vom 23. 9. 1946; Kopie in: RW 579 Nr. 528. 661 Carl Schmitt, Theodor Däublers „Nordlicht“. Drei Studien über die Elemente, den Geist und die Aktualität des Werkes, 3. Aufl., Berlin 2009. 662 Nicht ermittelt. 663 Schmitt schenkte ihm später das Buch mit der Widmung: „Höre, o Mensch, Pan ist erwacht!“; Glossarium, S. 74. 664 Ida Bienert (1870–1965), Kunstsammlerin und Mäzenin Theodor Däublers; vgl. TB I; TB II, S. 39 und passim. 660
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mehr in meiner Sache. Sie sollen sich nicht meinetwegen erniedrigen, liebe, gute Duškica. Seit dem 23. Aug. 1945, eigentlich schon seit August, als ich von Sp. gewarnt wurde,665 bin ich in den Händen der Menschen, die mich verfolgen und gefangen setzen, ohne bisher eine einzige Anklage erhoben zu haben, ohne mir zu sagen, weshalb man mich verfolgt. Vor dem R[adosta]-Ausschuss habe ich am 2. Aug. 1946 zum ersten Mal gehört, dass ich eine Gefahr für die Besatzungsmächte darstelle. Ich armes geschundenes, isoliertes Individuum soll eine Gefahr bedeuten für die stärksten Militärmächte der Welt. Rührend, ganz rührend. Ich habe im Okt. 45 dem damaligen Vernehmer mein Wort als anständiger Mensch angeboten, dass ich mich korrekt und loyal verhalten und nichts unternehmen werde, wenn man mich, meinetwegen mit Hausarrest, freilässt. Er hat nicht geantwortet. Ich habe dasselbe Angebot an R[adosta] gemacht, am 2. August 1946, wiederum ohne einer Antwort gewürdigt zu werden. Stattdessen will man Garanten. Wer ist denn Garant? Soll dieser Garant sich als Geisel stellen, oder was ist der juristische Sinn dieser Garantie? Warum genügen die 7 Erklärungen nicht, die vor dem Deutschen Ausschuß abgegeben worden sind? (Vielleicht sind die der Präsidenten aus dem russischen Sektor mir sogar schädlich?! Seien Sie sehr vorsichtig mit allem, was sich auf Russisches bezieht!) Der Aufsatz im Schw[arzen] Korps wird gegen mich benutzt wegen des Satzes „CS wurde Antisemit“. Die Lügen der Gestapo werden geglaubt, wenn sie mir schaden. Überlegen Sie einmal diese Sachlage und geben Sie lieber die törichten Illusionen und Erwartungen auf. Was man Ihnen zum Trost hinwirft, ist Schmonzologie. Der arme Geheimrath v. L[ewinski] ist bedeutungslos. Auf meine Krankheit wird keine Rücksicht genommen, so wenig wie auf die von dem armen Werner Scholz. Seien Sie also vernünftig, liebe Duschka. Warum glauben Sie mir nicht, was ich seit 1 Jahr sage? Ich mache mir Sorge wegen Ihrer fortwährend enttäuschten Erwartungen. Ich bin nicht dumm geworden in diesem Jahr. Seien Sie eine tapfere Serbin. Ich bin gar nicht mutlos oder bange. Hoffentlich bekomme ich bald Nachricht von Ihnen (diese Taube heißt Renate). Ich küsse Sie herzlich. Immer Ihr Carl Kann Anima nicht einmal Dr. Schranz und Veronica besuchen?
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Unklar, wer und was gemeint ist.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1946-09-17 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 13466
17. 9., Dienstag abend Das war ein schöner Nachmittag. Der türkisblaue Shawl war entzückend. Offenbar sind auch meine Sorgen wegen Ihrer Gesundheit nicht ganz begründet, liebe Duschka. Seien Sie aber immer vorsichtig. Ich bin hier im Revier, kann den ganzen Tag liegen und habe es insofern erträglich, dank der rührenden Fürsorge von Prof. K[reuz]. Hoffentlich brauche ich nicht in die Baracke. Morgen dürfen wir schmutzige Wäsche als Leergut herausgeben; ich schicke einen Karton mit: 1 Nachthemd, 4 Handtücher, 2 Taschentücher, 3 Oberhemden, 5 Kragen, 1 Unterjacke (Wolle), 1 Paar Wollstrümpfe, 2 Servietten. Es gehen wieder Gerüchte, dass die Entscheidung über die etwaigen Entlassungen bis 15. Okt. ergehen sollen. Aber bei dem Unrecht, das ich jetzt ein Jahr erleide, kommt es auf etwas mehr nicht an. Ihr Paket von Mittwoch war großartig und hat mir über diese Woche hinweggeholfen, der Kuchen, die Trauben, Bohnen, Zwiebeln, Gurken, Tomaten, Pflaumen, Kaffee, Schokolade, alles war wunderbar, auch der Geburtstag von Prof. K[reuz] ist dadurch sehr schön geworden. Vergessen Sie nicht, Min. Direktor Karl Durst in Allach bei München zur silbernen Hochzeit zu gratulieren und ihm mitzuteilen, dass ich noch nicht entlassen bin. Durst war in Frankfurt bei Liliane, er will auch Georg Krause besuchen und schreiben; vielleicht schreibt er an Pf. John. Smend ist Mitglied des Weltkirchenrates geworden. Von G.d.R. [Gueydan de Roussel] würde ich gern Näheres erfahren; vielleicht kann man ihm meinen Aufenthalt mittelbar sagen. Ist es denn möglich, dass ein Gelehrter und Jurist von Namen, wie ich es bin, lautlos verschwindet, wie von der Gestapo oder GPU666 verschlungen? Kein Vorwurf wird mir gemacht, und doch sitze ich seit 1 Jahr mit gemeinen Verbrechern in einem fürchterlichen Lager. Sollte es in ganz Deutschland keinen Juristen mehr geben, den das interessiert, alle meine ausländischen Freunde wird es sicher interessieren. Das ganze Verfahren ist rätselhaft. Vielleicht sabotiert irgendein rachsüchtiger Emigrant, lässt die Akten verschwinden, oder irgendetwas Derartiges. Je mehr ich über meine Vernehmungen nachdenke, um so rätselhafter wird mir das alles. Ich will Ihnen nicht noch einmal von dieser Sache anfangen, aber on se lasse de tout excepté de penser. Zum Glück habe ich es bisher ertragen, dank Ihrer Hilfe und der Hilfe von Prof. K[reuz]. Wir wollen also nicht verzweifeln. Ich bin so fröhlich über 666
Sowjetische Geheimpolizei.
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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den Anblick dieses Nachmittags, dass ich denke, das Schlimmste ist überstanden. Meine Sorgen um Sie, Ihre Gesundheit, Ihre ökonomische Lage hören nicht auf. Ich sehe aber, dass Sie tapfer sind, und das bin ich auch. Dieses Jahr des Unrechts hat mich auf mich selbst zurückgeworfen und zur Besinnung gebracht. Haben Sie den Aufsatz über die Gräber von Kleist und Däubler? Er ist eigentlich für Anima geschrieben. Ich war mit ihr am Grabe Kleists im Oktober 1944. Von Plettenberg habe ich lange nichts gehört. Aber die Menschen haben nicht gern mit Unglücklichen zu tun, und darin soll man sie auch nicht stören. Auch Jüpchen nicht. Die beste ist Üssi. Wir sind jetzt von meiner Heimat abgeschnitten. Aber auch das wird seinen Sinn haben. Ist Hannes wieder zurück? Was machen Annilein und Marlies; grüßen Sie alle von mir, und danken Sie Marlies für die schöne Schokolade. Wer besorgt eigentlich den großartigen Kaffee? Oft erwacht meine Neugierde nach Bekannten, aber das unterdrücke ich schnell. Dass sich 7 Menschen für mich eingesetzt haben, ist doch schon wieder tröstlich. Aber heutzutage sind ja Empfehlungen oft gefährliche Dinge, besonders in einem 4 Zonen-System mit heterogenen Machthabern. Was uns bei dem einen empfiehlt, kostet uns bei dem andern Freiheit und Leben. Dabei gibt es noch Leute, die sich über meine Definition des Politischen moralisch entrüsten! Das schlimmste ist, dass man fürchten muss, den Leuten zu schaden, wenn man, als Geächteter und Verfemter wie ich es jetzt bin, nur ihren Namen nennt. In dem Dunkel eines solchen Systems ist jeder Verdacht möglich. Es ist die Stunde und die Macht der Finsternis. Für mich als Juristen eine große Belehrung. Auf Wiedersehn, liebe, schöne, gute Duschka! Ich wiederhole, seien Sie vorsichtig, geben Sie sich nicht zu großen Hoffnungen hin. Es gibt kein Recht mehr in Deutschland, wer weiß, ob überhaupt noch auf der Welt. Für einen Christen ist das kein Grund zur Bestürzung; heute ist das Fest der 7 Wundmale des heiligen Franziskus. Bleiben Sie tapfer und seien Sie herzlich geküßt von Ihrem Carl
1946-09-24 Duschka an Carl Schmitt Privatbesitz, ms.; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
Berlin-Schlachtensee, den 24. 9. 46 Mein liebster Carl, am Donnerstag wird es 1 Jahr, dass Sie in Gefangenschaft sind; das sind 365 Tage mit vielen Plagen, wie es einmal der Kardinal von Berlin so schön sagte. Wir wollen Gott danken, dass wir es bis jetzt überstanden haben und
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
hoffen, dass uns die Gnade auch weiterhin nicht verlässt. Das Jahr hat uns viel Leid gebracht, aber auch viele stille Freuden, und es war trotz aller Not eine Bereicherung unseres Lebens. Ich habe eine innere Fröhlichkeit und bin vor nichts bange; Sie begleiten mich täglich von früh bis spät, und ich fühle Ihren Trost. Wir warten mit Freude und Sehnsucht auf Ihre Heimkehr und werden die Geduld nicht verlieren. – In der letzten Woche sind 3 Briefe von Lichterfelde zurückgekommen, die ich nach Wannsee umadressierte. Am Donnerstag den 10. Sept. haben wir ein Paket für Sie abgegeben, diesmal war es leider ohne Plätzchen (Äpfel, Birnen, Tomaten, Zwiebel, 1 Glas Marmelade, 1 Brot, 1 Universitas). Heute kam Ihre liebe Karte; Sie bekommen im nächsten Pakt alles nach Wunsch. Heute war ich in der Busseallee. Herr Ordi hat mich für Mittwoch wieder bestellt und wollte mir Bescheid sagen über Ihre Freilassung. Am Freitag kam Dr. Franzen und wollte sich nach Ihnen erkundigen; er hat bei uns zu Abend gegessen und lässt herzlich grüßen. Am Sonnabend kam Frau Jessen zu uns zum Mittagessen; ich hatte mich sehr gefreut über diesen Besuch. Sie hat ihre Wohnung wiederbekommen und hofft, bis Mitte Okt. mit ihren Kindern wieder in Berlin zu sein. Sie hat ihr Haus als Gästehaus für die Universität eingerichtet, und das ist ihr neuer Beruf. Das Haus wird geheizt und sie ist selig. Morgen kommt sie zu uns zum Abendessen. Am Sonntag war Haidi bei uns zum Mittagessen. Sie brachte mir einen wunderbaren Strauß roter Nelken mit. Meine Stube war so schön geschmückt; ich hatte einen schönen Strauß mit Sonnenblumen. Es war ein schöner herbstlicher Sonntag. In der vorigen Woche haben wir für Anni einen Ofen gekauft; sie hat viel Freude an ihrer Stube. Wir sägen jetzt eifrig das Holz für den Winter und haben viel Spaß dabei. Aus Lausanne kam ein schöner Brief an. Gueydan hat geschrieben, dass er uns ein Paket von 10 Pfd. über Dänemark und ein zweites über Zürich gesandt hat. Ebenfalls ein Paket an Anima von 10 Pfd. Nun sind wir sehr neugierig, ob alles gut ankommen wird. Ich werde ihm bald schreiben. Der Brief war ganz entzückend. Heute habe ich an Dr. Schranz geschrieben und an Joseph Kaiser. Ich habe immer viel zu schreiben und sitze gerne abends allein. Neulich habe ich gekramt und alte Fotos gefunden, von Bonn, San Remo und Köln. Ich war so glücklich an dem Abend, und es wurde viele schöne Erinnerungen wachgerufen. Die letzten 20 Jahre waren eine reiche und schöne Zeit, mit allen traurigen Erlebnissen. Die alten Fotos mit den Eltern aus Bonn haben mich tief gerührt; ich spüre noch immer ihre liebevolle Hand. Gute Nacht, liebster Carl, Gotte beschütze Sie vor aller Bosheit der Welt. Herzlichst Ihre [hs.:] Duschka
Briefwechsel während der Internierung Schmitts in Berlin 1945/46
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[Zusatz von Anni Stand:] Tante Louise hat fleißig bei der Holzaktion geholfen. Jetzt sitzt sie gemütlich bei der Lampe und strickt und sendet herzliche Grüße. Marlies ist auch gerade aus Tabarz zurückgekehrt; somit ist unsere tapfere kleine Familie wieder vollzählig und gedenkt Ihrer in alter Liebe und Verehrung. Alles Gute und viel[e] herzliche Grüße Ihre [hs.:] Anni
1946-09-27 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13816; ms.
Berlin-Schlachtensee, den 27. 9. 1946 Liebster Carl, gestern war ein herrliches Herbstwetter, dass man gerne im Garten spazieren ging. Am Nachmittag bin ich endlich zu Prof. Gohrbrandt gegangen. Morgen soll die Operation gemacht werden, deshalb gehe ich in das Westsanatorium667 für 2–3 Tage. – Von Gueydan kam ein lieber Brief für Sie in französischer Sprache; er wartet auf Sie zu Hause. – Heute Morgen war ich in der Busseallee und bekam die Auskunft, dass Sie in 8–14 Tagen freigelassen werden. Wir wollen hoffe, dass es wahr wird. Herzlichst Ihre Duschka [Zusatz von Anni Stand und Marlies Rosenhahn:] Samstag-Abend, den 28. 9. 46 Sehr verehrter, lieber Herr Professor, heute morgen habe ich Frau Prof. ins Westsanatorium begleitet; sie war fröhlich und guter Dinge. Es ist ja auch nur eine kleine, harmlose Operation. Heute nachmittag war ich bei Hannes und überbrachte als Abgesandter der Familie Schmitt unser aller herzlichste Glückwünsche668 nebst etwas Nahrhaftem. Hannes sieht sehr frisch und wohl aus und ist unverändert. Vielleicht 667 668
Charlottenburger Krankenhaus in der Joachimstaler Straße 20. Zur Entlassung aus dem Gefängnis; s. oben, Anm. 389.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
ist er sogar etwas netter noch geworden. Die Familie ist restlos glücklich. Wir haben bei schönem Kaffee und Kuchen nett geplaudert und viel an Sie gedacht. Hannes lässt herzlich grüßen und freut sich auf ein baldiges Wiedersehen. Alles Liebe und Gute weiterhin und herzlichste Grüße [hs.:] Ihre sehr ergebene Anni [hs.:] Auch ich möchte Ihnen einen herzlichen Gruß senden. Marlies
Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947 Da das Lager Lichterfelde aufgelöst wurde, kam Carl Schmitt am 12. September 1946 wieder in das „Interrogation Center“ nach Wannsee; am 10. Oktober wurde er entlassen, jedoch am 19. März 1947 erneut verhaftet und am 29. März in das Gefängnis des Internationalen Militärgerichtshofs nach Nürnberg überstellt. 1947-04-06/09/11 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 676/5
Nürnberg Justizpalast I.S.D.669 Ostersonntag abend 6. 4. 47 Meine liebe Duschka, wie mögen Sie diesen Ostertag verbracht haben? Ich denke an Sie, an unser Kind, an alle Verwandten und Freunde und bin begierig auf die erste Nachricht. Ich habe ein sehr schönes Osterfest gehabt. Morgens hörte ich die Osterglocken der Nürnberger Kirchen und den Gesang der Vögel im Gefängnishof und dachte an den schönen russischen Ostergruß: Christus ist erstanden. Bei den Osterglocken erfreuten mich die Verse aus „Wie es Euch gefällt“ „Wenn je die Glocken Euch zur Kirche riefen“.670 Ich muss doch noch einmal mit Andrić darüber sprechen. Um 11 war Gottesdienst, ein schönes Hochamt. Ich bin zu den Sakramenten gegangen und darüber sehr glücklich.671 Ihre Ostern, liebe Duschka, werden Sie in der russischen Kirche wohl erst nächsten Sonntag feiern. Sagen Sie dann allen Freunden meine Osterwünsche, dem guten Vater Michael, der guten Antonina Nikolajewna672, auch Juri Semjonow und allen andern; sie sollen nicht aufhören, für mich zu beten. 669 Information Services Division; die Abteilung der amerikanischen Militärregierung, die mit der Entnazifizierung und Umerziehung des deutschen Volkes befasst war. 670 Shakespeare, Wie es Euch gefällt, 2. Akt, 7. Szene. 671 Da Schmitts erste Ehe von der Kirche nicht annulliert wurde, lebte er kirchenrechtlich in Bigamie und war damit von den Sakramenten ausgeschlossen. Über die Gründe, warum er dennoch zu den Sakramenten gehen konnte, vgl. Spindler. 672 Nicht ermittelt, vermutlich eine Mitarbeiterin der russ.-orthodoxen Kirchengemeinde.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Ich bin jetzt schon 1 Woche hier. Wie ich Ihnen schrieb, ist das Essen gut. Es ist manchmal etwas kalt in der Zelle, aber ich friere nicht bei den guten Wolldecken. Das Kopfkissen und die schöne dicke Decke sind wunderbar, auch die Flanellbinde von der guten Tante Louise und das Mützchen. Ich habe auch den Nes-Kaffee und das Fett aus den Dosen in die Zelle nehmen dürfen, auch den Zucker. Wenn Sie mir etwas in Dosen schicken, kann es mir umgegossen werden. Oft vermisse ich meinen Ehering, aber es ist nicht zweckmäßig, ihn jetzt zu schicken. Von Büchern wünsche ich mir den Lukan, den Werner Weber mir zu Weihnachten geschenkt hat.673 Immer noch tut es mir leid, dass ich unserm braven Kind den lange geplanten Brief nicht geschrieben und auf den herrlichen Brief vom Januar noch nicht geantwortet habe. Hoffentlich kann ich das bald nachholen. Wie geht es Anni? Ist sie schon gereist? Wart Ihr am Karfreitag in der Johannespassion? Ich denke oft an die Fidelio-Aufführung, die wir mit Veronica sahen.674 Ein wunderbarer Trost ist die Erinnerung an die cis-Moll-Etüde von Chopin, die uns Arnold Schmitz so schön vorspielte.675 Grüßen Sie ihn und seine Frau herzlichst, wenn Sie ihm schreiben, auch Cecile. Mit großer Liebe denke ich an Sava. Heute, am Schluss des Hochamts, haben wir „Großer Gott wir loben Dich“ gesungen, wissen Sie, Duschka, wie damals, bei der Goldenen Hochzeit der guten Eltern. Also ein schönes Osterfest habe ich gehabt und, und das Tedeum kam mir aus dem Herzen und aus ganzer Seele. (Fortsetzung Mittwoch, 9. 4.) Aber, liebste Duschka, „das ist nur für diesen Tag“676, nämlich Ostern, und nicht für jeden. Heute wollte ich Sie bitten, meine letzte Reservebrille (Horn673 Marcus Annaeus Lucanus, Marci Annaei Lucani Pharsalia sive de Bello Civili libri X. [Beigefügt:] Eidemque adscriptum Carmen ad Pisonem [= Laus Pisonis] Gottlieb Cortius rec. et plurimis locis emendavit, Lipsiae 1726. RW 265 Nr. 27049 (Mit Anm.). Auf dem Vorsatz Besitzvermerk: „Carl Schmitt, 10. 12. 46, geschenkt von Werner Weber“ sowie Hinweis auf die Stelle I, 225, wo es heißt: „Hic, ait, temerataque iura relinquo“ (Hier lasse ich das misshandelte Recht zurück); vgl. Glossarium, S. 511. 674 Im Februar 1943 hatte Veronica, die 18jährige Tochter von Franz Schranz in Siedlinghausen, Schmitt in Berlin besucht und mit ihm in der Staatsoper eine FidelioAufführung erlebt. Darüber schreibt sie: „C. S. hatte sich ein richtiges Programm für mich ausgedacht. Außer den Besuchen in Museen und Galerien, zu denen er mich am Morgen vor seiner Tätigkeit begleitete, da mir der Verkehr mit der U- und S-Bahn fremd war, durfte ich einen Abend in der Loge von Hermann Göring sitzend, die Oper ‚Fidelio‘ hören […]“; Schmittiana III, 1991, S. 75 f. 675 Chopin, Op. 25 Nr. 7; vgl. TB III, S. 146 u. ö. 676 Zitat aus: Annette von Droste-Hülshoff, Das geistliche Jahr, „Am Ostermontage“.
Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947
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brille) zu suchen und sorgfältig bei sich zu verwahren. Ich habe die Erlaubnis, meine beiden Brillen (eine ist mehr für Kurzsichtigkeit, die andere für Astigmatismus) tagsüber in meiner Zelle zu haben, abends muss ich beide abliefern. Das funktioniert ganz gut, aber ich weiß, dass es keine neuen Brillen mehr gibt, wenigstens nicht die, die ich brauche. Sehen Sie also bitte einmal nach und heben Sie die letzte Reservebrille gut auf, damit ich Sie nötigenfalls darum angehen kann. Ich kann in meiner Zelle sehr viel liegen. Das ist gut. Gestern bin ich wieder rasiert worden. Ich habe noch etwas Nes-Kaffee, Zucker und ein Stückchen Speck. Vielen Dank dafür. Sie haben mir einmal in das Camp geschrieben: Gott schütze Sie vor Schwäche und Ungeduld. Nun, Geduld habe ich gelernt. Seien Sie selber aber auch nicht ungeduldig in dem Eifer, mir zu helfen, brave Duschka. Ich schreibe, was ich brauche. Immer wieder muss ich sagen, dass das Essen gut ist; das Brot ist sehr schön weiß und bekommt mir ausgezeichnet. Vor Ostern haben wir eine Schachtel Zigaretten (20 Stck.), eine Schachtel Pfeifentabak (Half & Half) und eine Schachtel Zündhölzer erhalten. Fast täglich werden wir für etwa 1 Stunde in den Gefängnishof geführt. Heute war es in der Aprilsonne schön. Machen Sie sich also keine Sorgen. Die Ischiasanfälle der Übergangszeit des Frühjahrs werde ich schon überwinden. Schicken Sie keine Kleider und keine Wäsche; ich darf nur das Nötigste haben; schicken Sie aber bitte Briefumschläge; ich habe keine mehr; und 24 Pfg-Marken (höchstens 10). Freitag, 11. 4.: es geht mir gut, schreiben Sie bald; herzliche Grüße, immer Ihr Carl
1947-04-12 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 676/11
Nürnberg, Justizpalast I.S.D. Samstag, den 12. April 1947 Liebe Duschka, inzwischen bin ich vernommen worden677 und möchte Sie, mit Erlaubnis des Vernehmers, bitten, mir folgende Schriften von mir zu besorgen: 1) Legalität und Legitimität 2) Diskriminierender Kriegsbegriff 3) den Aufsatz aus der Europ. Revue 1933 (Feb.), „Weiterentwicklung des totalen Staates“, 677 Die erste Vernehmung durch Robert Kempner fand am Nachmittag des 3. 4. 1947 statt. Das Protokoll in: Antworten, S. 51–56.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
und sie an die Adresse „Amerikanische Anklagebehörde, Nürnberg, Justizpalast“ zu schicken, mit einem Vermerk für Prof. Carl Schmitt I.S.D. Wie Sie das postalisch machen, ob als Drucksache, zusammen oder getrennt, oder als Paket, überlasse ich Ihnen. Die „Völkerrechtliche Großraumordnung“ werde ich hier von der Anklagebehörde bekommen. Es handelt sich um die Frage (ich bin noch nicht angeklagt), wieweit ich die theoretische Untermauerung der Hitlerschen Großraumpolitik befördert und dadurch Verbrechen gegen den Frieden (Angriffskrieg), gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen habe. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Bücher bald schicken könnten, falls Sie sie zu Hause haben. Besonders wichtig ist mir der Aufsatz aus der Europ. Revue von 1933. Wenn Sie Ihr eigenes Exemplar opfern wollen, wäre das sehr lieb. Ich weiß, dass die Bücher nicht mehr zu beschaffen sind. Noch einen Wunsch habe ich, liebe Duschka. Irgendwo muss noch ein altes Schulschreibheft mit gutem Papier liegen. Das hätte ich gern, auch zwei, wenn soviel da sind. Zwar bekomme ich hier Schreibpapier, aber keine Hefte, wie ich sie gewohnt bin. Vielleicht schicken Sie sie mir mit den Büchern. Dann habe ich noch eine, freilich nicht so dringende und wichtige Bitte: Pfarrer Baron678 hat ein Exemplar der Politischen Theologie, das Maiwald gehört; Pf. Baron möchte das an Herrn Dr. Niebecker679, Direktor des Franziskanerinnen-Klosters in Olpe (Westfalen) schicken. Grüßen Sie unsern guten Pfarrer herzlich und sagen Sie ihm, er möchte beim hl. Messopfer an mich denken, aber auch, wenn er einmal wieder guten Wein trinkt, sich meiner erinnern. Ich füge den Beichtzettel über meine Osterbeichte 1947 bei, mit der Bitte, ihn dem Pfarrer und P. Odilo680 zu zeigen. Wie mag es Ihnen jetzt gehn, meine liebe, gute Duschka? Hoffentlich haben Sie es nicht zu schwer. Wegen mir dürfen Sie sich keine Sorgen machen und nur nicht zuviel Eifer! Schicken Sie nur, was ich Ihnen schreibe; es wäre zu schade um die Sachen und die Arbeit. Ich denke in einiger Liebe an Sie und unser Kind. Sie sind meine Seele, liebste Duschka. Ich küsse Sie herzlich und bleibe immer Ihr Carl 678
Joseph Baron (1874–1953), von 1915 bis 1951 kath. Pfarrer an St. Antonius in Berlin-Friedrichshain. 679 Heinrich Niebecker (1901–1947), kath. Theologe. In einem Brief Schmitts an Wilhelm Neuß vom 20. 12. 1946 heißt es: „[…] Dann wollte ich Sie noch nach einem Geistlichen aus dem Sauerlande, Dr. Niebecker, Direktor des Franziskanerinnenhauses in Olpe, fragen, den ich auf eine phantastische Weise in einer Bombennacht in Hagen September 1944 kennen gelernt und dann wieder aus den Augen verloren habe.“ (ULB Bonn, Nachl. Wilhelm Neuß, unverzeichnet). 680 Odilo Braun OP (1899–1981), der Dominikaner und NS-Gegner war von 1945 bis 1958 Gefängnisseelsorger in Berlin; vgl. Spindler, S. 314 f.
Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947
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Viele Grüße an Anni, Marlies und alle guten Leute! Hoffentlich kommt bald ein Brief von Euch! Grüßen Sie auch Vater Johann, Vater Michael und den guten Pater Eche681. Sie sollen alle für mich beten.
1947-04-20 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 676/2
Nürnberg, Justizpalast I.S.D. den 20. April 1947, Sonntag abend Meine liebe Duschka, vorgestern, Freitag, erhielt ich Ihren Brief von Karfreitag, zu meiner großen Freude. Es war die erste Nachricht seit den 3 Wochen, die ich jetzt hier bin. Vielen herzlichen Dank. Das Päckchen habe ich noch nicht erhalten. Ich schreibe Ihnen gleich, wenn es kommt. Vielleicht sind inzwischen auch meine Briefe in Berlin eingetroffen, besonders der wichtige Brief, in dem ich um einige Bücher bat. Ihre Nachrichten haben mich sehr erfreut, besonders die über den guten Onkel Adam682. Hoffentlich ist er über die meine Person betreffenden Nachrichten nicht zu sehr erschrocken. Grüßen Sie alle Freunde herzlich von mir, besonders den guten Dr. Podach. Sie können mir so oft schreiben, wie Sie wollen. Pakete und Päckchen dürfen dagegen nur 2 im Monat geschickt werden. Es wäre schön, wenn wir den Monat April dafür noch ausnutzen könnten. Ich schrieb Ihnen schon, was ich brauche; schon jetzt freue ich mich auf die Zeit, wenn es wieder Zwiebeln gibt und auf das Oldenburger Schwarzbrot. Die Sachen, die Sie am Freitag, den 28. März, im Camp in Wannsee abgegeben haben, habe ich erhalten; die Thermos-Flasche ist leider zerbrochen. Die 3 Eier haben mir auf der langen Reise nach Nürnberg sehr gut getan. Von dem fabelhaften Speck und dem Fett (vielen Dank an Ännchen!) habe ich vor einigen Tagen das letzte verbraucht; ebenso vom Zucker und Nes-Kaffee. Dass Sie mutig und tapfer sind, liebe Duschka, weiß ich. Das tröstet mich sehr. Sorgen mache ich mir nur manchmal wegen Ihrer Gesundheit. Ich habe mich bisher gut gehalten und bin nicht mutlos. Die psychischen und moralischen Reserven, die sich in meinem Leben angesammelt haben, sind sehr groß, und die Einsamkeit war immer meine Freundin, auf die Sie nicht ein681
Nicht ermittelt. Ein serbischer Verwandter von Duschka; s. Brief Schmitts an Duschka vom 4. 5. 1947. 682
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
mal eifersüchtig waren, gute Duschka. Diese Gewohnheit, mich auf mich selbst zurückzuziehn, kommt mir jetzt zugute und gibt mir neue Antennen und neue Sensorien, Ahnungen und Witterungen. Ich langweile mich in der Einzelhaft keine Sekunde, my senses are quickened by forebodings, wie T. S. Eliot sagt683, und daran müssen Sie denken, wenn Sie sich meine Lage vorzustellen suchen. Seien Sie nicht bange und nicht zu eifrig um mich. Was Sie mir von meiner sauerländischen Heimat schreiben, hat mich geradezu beglückt. Am Geburtstag der Tante Üssi, am 7. April, habe ich beiden Schwestern einen Brief nach Plettenberg geschrieben. Am meisten bin ich auf Nachricht von Anima begierig und ihre Osterreise an den Rhein. Neulich habe ich von ihr geträumt und wurde dadurch sehr lebhaft an Sie erinnert. Auch von Jup und den Straßburger Verwandten hätte ich gern etwas gehört. Ich wurde neulich wieder an René Capitant684 erinnert und die Zeit, als er noch (mit Fritz Kiener) Professor in Straßburg war. Sie kennen mein Lieblingszitat: Tout ce qui arrive est adorable. Ob wir einmal das Grab des Großvaters685 in Gerstheim besuchen? Jup wird sicher einmal wieder hinfahren, sobald es geht. Ich mache keine Pläne mehr. Gott macht das besser als wir törichten Stümper. Gut, dass wir immer an den Gekreuzigten geglaubt haben und nicht an die hässlichen Götzen menschlicher Einbildung. Heute, diesen Sonntag, bin ich wieder zu den Sakramenten gegangen. Das war wunderbar. Lesen Sie einmal das schöne Gedicht der Annette vom Fronleichnamstag, und sagen Sie auch Anima, dass sie es lesen soll. Grüßen Sie auch den Vater Michael und Antonina Nikolajewna, an die ich oft denke; beide sollen für mich beten. Können Sie erfahren (vielleicht über Onkel Jup oder Arnold Schmitz), ob Fritz Kiener noch lebt? Viele Grüße an Anni, Marlies, Haidi und alle guten Menschen! Bald schreibe ich mehr. Herzlichen Gruß und Kuss von Ihrem Carl
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„senses are quickened by subtile forebodings“, aus: T. S. Eliot, Murder in the Cathedral. 684 René Capitant (1901–1970), frz. Jurist, Politologe und Politiker; Mitglied der Résistance, Minister in de Gaulles Exilregierung. Seit 1931 mit Schmitt in Berlin bekannt. 685 Franz Josef Anton Steinlein (1833–1911), Großvater mütterlicherseits von Carl Schmitt; s. Schmittiana V, 1996, S. 283 und 291–293.
Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947
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1947-04-20 Duschka an Carl Schmitt Privatbesitz, ms.; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
Brief Nr. 1 20. April 1947 Mein liebster Carl, heute sende ich Ihnen die herzlichsten Sonntagsgrüße und danke herzlich für Ihren lieben Brief vom 2. April, den ich am letzten Donnerstag erhielt. Mit dem schönen Brief haben Sie mir große Freude gemacht. Auch ich führe viele Gespräche mit Ihnen und denke gerne an unsere letzten Spaziergänge im tiefen Schnee. Wir haben jetzt sehr schönes Wetter und mittags liege ich immer in der Sonne. Bald fangen die Obstbäume an zu blühen. Ich freue mich, dass man Ihnen monatlich zwei Pakete schicken darf. Leider können wir von Berlin nur 2-Pfund-Päckchen schicken. Deshalb habe ich nach Cloppenburg geschrieben, man möchte Ihnen ein Paket schicken, ca. 5 Pfund. Am Sonnabend habe ich von hier ein Päckchen geschickt von 2 Pfund (das braune Hemd, eine Leibbinde, 3 Taschentücher, 3 Paar Socken, 1 Handtuch – darin eine Tüte Neskaffee, eine Tüte Zucker, 1 Tüte mit 3 Tafeln Schokolade). Es war leider nicht im Karton, sondern in Papier gepackt, aber ich hoffe, dass es gut ankommt. Wenn Sie jetzt Ihre Tüten haben, könnte man Ihnen die Sachen, die man Ihnen abgenommen hat, zurückgeben. (Ich meine Kaffee, Zucker u. Fett). Von einem Verteidiger hörte ich, dass man Päckchen und Briefe ohne Einschränkung schicken darf. Bitte schreiben Sie mir auch, ob das stimmt. Soll ich Ihnen Zeitungen und Zeitschriften schicken? Wie wird es mit der Wäsche, ob Sie dieselbe auch nach Hause schicken dürfen, oder ob sie dort gewaschen wird, oder müssen Sie selber waschen? Herr Prof. Jahrreiß hat eine Sprecherlaubnis beantragt, um mit Ihnen wegen der Verteidigung zu sprechen. Ich hoffe, dass diese Besprechung schon stattgefunden hat. Ich hörte, er wäre bereit, die Verteidigung zu übernehmen, wenn die Anklage erst im Herbst käme, weil er im Sommer in Köln sein muss. Von Dr. Kranzbühler686 habe ich noch keine Antwort. Inzwischen sind viele schöne Briefe für Sie angekommen, die Sie leider nicht lesen können. Ich werde sie kurz beantworten und Ihre jetzige Adresse angeben. Von Prof. Neuß kam ein schöner, langer Brief. Er schrieb, dass unsere Anima ihn am 1. April besucht hat mit Claire-Louischen zusammen. Das hat ihn sehr er686 Otto Kranzbühler (1907–2004), Marinerichter, Verteidiger von Dönitz und Flick in den Nürnberger Prozessen. Duschka hatte auch ihn mit Brief vom 1. 4. 1947 gefragt, ob er gegebenenfalls die Verteidigung von Carl Schmitt übernehmen würde; RW 265 Nr. 13762.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
freut und er schrieb, sie sei ein prächtiges Menschenkind. Als Ostergabe schickte er mir das kleine Bild von Stefan Lochner „Die Geburt Christi“. Von Hubertus Bung687, der als Rechtsanwalt tätig ist, kam ein Brief an mich, in dem er sich als Zeuge anbietet, um für Sie auszusagen. Sie können mir schreiben, ob Sie darauf Wert legen. Anbei ein Auszug aus dem Brief: „Sie wissen, dass ich in der wissenschaftlichen Welt zur untersten Rangklasse zähle und mir daher in den Angelegenheiten Ihres Herrn Gemahls keine Bedeutung zuschreiben darf, die ich nicht habe. Andererseits bin ich davon überzeugt, dass viele von den besseren Herren, die durch Ihren Herrn Gemahl erheblich gefördert worden sind, heute aus Feigheit mit ihren Bekundungen zurückhalten, und dass viele auch nicht mehr existieren. Unter diesen Umständen kann ein Zeugnis wie das meine an Wert gewinnen. Was mich besonders veranlasst, den Mund aufzutun, ist aber der Umstand, dass ich wohl der einzige noch erreichbare Zeuge bin, der über die Hintergründe der Affäre Schwarzes Korps im Jahre 1936 etwas vollständiger unterrichtet ist, vollständiger sowohl als Ihr Herr Gemahl selbst, und vollständiger auch, als der Unglücksrabe wider Willen Dr. Krauß. Diese Sache, so wie ich sie sehe und bezeugen kann, muss von großem Wert für die Beurteilung der Situation Ihres Mannes während der ganzen 12 Jahre sein … Sollten Sie Ihren Herrn Gemahl sprechen oder ihm schreiben können, so bitte ich um verehrungsvolle Empfehlungen und Grüße an ihn.“ Heute Morgen war Frau Jessen hier. Dr. Podach kommt öfters abends. Am Freitag war ich bei Frau Friedensburg. Tante Louise war gestern hier. Alle lassen herzlich grüßen. Von Gretha kam ein langer, lieber Brief, in dem sie sich anbietet, wenn Sie auf sie Wert legen, als Zeugin aufzutreten. Sie berichtete auch, dass Niekisch an sie geschrieben hat: „Ohne von mir autorisiert zu sein, hat mein Gewährsmann C. S. gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass ich mich von ihm abgekehrt habe; natürlich war er dazu, unabhängig davon, wie ich wirklich zu C. S. stehe, nicht befugt.“ Das ist doch sehr merkwürdig. Von Jürgen H. kam ein kurzer Brief. Er hat seine Reise gut überstanden, aber es war zu anstrengend und er wurde krank. Doch hoffe er, bald die Grüße an Prof. Schindler bestellen zu können. 687
Hubertus Bung (1908–1981), mit Schmitt seit 1927 bekannt, war sein Student und Assistent beim NS-Rechtswahrerbund; TB IV, S. 207, TB V, S. 318 u. ö.; Schmittiana II, 1990, S. 100 f. In seinem ausführlichen Zeugnis vom 8. 4. 1947 sagt Bung, dass Schmitt seit dem 30. Juni 1934 von der Gestapo bespitzelt wurde. Das habe sich auf „abfällige Äußerungen“ gestützt, „die im Hause Schmitt über ns. Einrichtungen, Persönlichkeiten und sogar über den Führer gefallen“ seien. „Hinzu kam das zähe und öffentliche Festhalten C. Schmitts am kirchlichen Christentum.“ RW 265 Nr. 20377.
Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947
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Gilles wird morgen abreisen. Anni, Marlies und Tante Louise haben schöne Bilder bekommen. Alle drei lassen herzlich grüßen. Meine Briefe werde ich jetzt laufend nummerieren und bitte Sie, dasselbe zu tun, damit wir eine Kontrolle haben. Herzlichst Ihre [o. Unterschrift]
1947-04-28 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 676/9
Nürnberg, Justizpalast I.S.D. den 28. April 1947. Montag abend Liebste Duschka, ich habe diese Woche auf einen Brief von Ihnen gehofft, nachdem ich vorige Woche, am 21. April, Ihren Brief von Karfreitag (4. April) erhalten habe; es ist aber noch nichts gekommen, auch nicht das Päckchen. Ich will aber doch nicht länger mit meinem Brief an Sie warten, damit Sie sich keine unnötige Sorgen machen und schreibe Ihnen dann gleich nochmals, sobald ich etwas von Ihnen erhalte. Natürlich bin ich in großer Erwartung Ihrer Nachrichten, besonders über Ihre Gesundheit, und male mir oft aus, wie es Ihnen allen geht, auch Anima und Onkel Adam. Die Zeit vergeht sehr schnell. Ich schreibe viel, und Sie kennen meine Freude an klaren Gedanken und guten Formulierungen. So vergehen mir oft die Tage wie im Fluge. Abends kommt manchmal eine melancholische Anwandlung und etwas Sorge um Sie. Ich bin weder körperlich noch geistig verwahrlost. Jetzt wird das Wetter auch wärmer. Gelegentlich bekomme ich ein Buch aus der Bibliothek und freue mich, wenn es lesenswert ist. Neulich war es sogar sehr interessant, und ich möchte, dass Anima es liest: von Rudolf Huch, Wilhelm Brinkmeyers Abenteuer (1926 erschienen), eine moderne (d. h. für den Beginn des 20. Jahrhunderts geltende) Jobsiade, mit der Schilderung eines norddeutschen Typs von verbummelten Gymnasiastem, der mir von meiner Schulzeit her wohlbekannt ist und den Anima im Oldenburgischen sicher auch schon gesehen hat, wie bei unserm großen Künstler Paul688, voll durchtriebener Ironie, Ulk und Eulenspiegelei. Onkel Jup wäre wahrscheinlich auch davon entzückt. Vielleicht kennt Anni das Buch oder kann es durch ihre Schwester auftreiben. Ich liege viel, und das ist ein Glück. Meine Gedanken kreisen um Sava, den ich doch besonders liebe und nicht vergessen kann, und alle Freunde, den 688
Gemeint ist wohl Paul Dierkes.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
guten Vater Michael und die liebe Antonina Nikolajewna. Ist die GillesAusstellung eröffnet, und war Gilles dabei? Oft denke [ich] an Ahlmann und wie traurig er gestorben ist, auch Glaise689 ist so gestorben. Was hören Sie aus Ihrer Heimat? Ich hoffe doch, bald von Ihnen ausführliche Nachrichten zu bekommen. Was Sie mir schicken können und sollen, schreibe ich Ihnen. Von Eiringhausen habe ich auch noch nichts wieder gehört. Meine Lage ist unverändert. Und wie ist es bei Ihnen? Mit unserer Wohnung, mit Tante Louise, Anni, Marlies, Haidi und Dr. Podach? Haben Sie die Bücher besorgt, um die ich vor 14 Tagen bat? Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen um mich zu machen, liebste Duschka. Sie kennen mich ja, und das Unglück zerstört nicht meine Seele. Ich küsse Sie von ganzem Herzen, Duschka, und bleibe immer und überall Ihr Carl
1947-04-28 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13818
Brief Nr. 2 Berlin-Schlachtensee, 28. April 47, Montag abends Mein liebster Carl, Ihre beiden lieben Briefe vom 6. u. 12. April habe ich erhalten am gleichen Tage, vorige Woche am Donnerstag. Das war für mich eine große Freude und ein echter Trost, dass Sie so schöne Ostern hatten innerhalb der Gefängnismauern. Wir waren in der Johannespassion und haben herzlich an Sie gedacht. Inzwischen werde Sie wohl auch meine Briefe erhalten haben. Ich hatte ebenfalls ein wunderbares Osterfest. Gestern haben wir die kleine Tochter von Danilo690 in der Nachodstraße691 getauft. Sie bekam auf den Wunsch von Vater Michael den Namen Maria. Es 689
Edmund Glaise von Horstenau (1882–1946), Bevollmächtigter Deutscher General bei der Faschisten-Regierung in Kroatien, trat in den Nürnberger Prozessen als Zeuge auf, beging am 20. 7. 1946 Selbstmord. 690 Danilo A. Stojanović, wohnte in Berlin-Britz, Fritz-Reuter-Allee 78; Briefe von ihm an Duschka, darunter auch Fotos seiner kleinen Tochter in: RW 265 Nr. 29942. Von beiden Töchtern war Duschka Patentante; vgl. unten, ihren Brief vom 12. 8. und 25. 9. 1947. 691 In der Kirche der russisch-orthodoxen Gemeinde.
Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947
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war eine wunderbare Feier. Anschließend war die Trauung. Danilo hätte Sie gerne als Trauzeugen gehabt, wenn Sie hier gewesen wären. Vater Michael hat wunderschön zelebriert. Schade, dass Sie nicht dabei sein konnten. Nach der Feier war ich bei Danilo eingeladen. Seine Frau hat alles rührend vorbereitet. Es war eine festliche Tafel mit echter serbischer Gastfreundschaft. Wir waren 10 Personen zum Kaffee und zum Abendessen. Um 10 Uhr bin ich nach Hause gefahren und kam um ½ 12 hier an. Mein Patenkind ist sehr lieb, und der Tag hat mir viel Freude gebracht. Heute vormittags hat Vater Michael für unsere kleine Familie, die in alle Winde zerstreut ist, einen Bittgottesdienst gehalten. Das hat mich sehr gerührt. Bei den brennenden Kerzen habe ich mit großer Liebe an Ihre Haftzelle gedacht. Anschließend war ich bei Vater Michael eingeladen zum Mittagessen. Er hat mir schöne Sachen für Sie geschenkt, aus einem Paket von Vater Johannes. Ein ganzes Pfund Kaffee hat er für Sie gestiftet. Nun möchte ich gerne wissen, ob Sie den Kaffee so gebrauchen können, oder ob ich ihn gegen Neskaffee eintauschen soll. Ich schicke Ihnen bald ein Päckchen. Den Kakao können Sie trocken zum Weißbrot essen. Diese Liebe zu Ihnen hat mich sehr gerührt. Vater Johannes wird am 11. Mai in New York zum Bischof (Episkop) geweiht. Das ist für uns alle eine große Freude und Hoffnung. Die beiden gewünschten Schriften habe ich an die Anklagebehörde abgeschickt. Den Aufsatz aus der Europ. Revue bekomme ich erst am Mittwoch und werde ihn sofort abschicken. Für Sie habe ich die beiden Hefte, etwas Briefpapier u. Briefmarken abgeschickt. Hoffentlich kommt alles gut an, es ist alles eingeschrieben abgeschickt. Lukan folgt. Anni u. Marlies werden am 12. Mai verreisen. Wenn ich alles geordnet habe, fahre ich vielleicht mit. Wir freuen uns alle auf die Reise. Zu Hause ist alles in Ordnung. Das Wetter ist wunderschön, auch wenn es regnet. Heute bekomme ich von Üssi und Ännchen sehr liebe Briefe. Sie warten mit Sehnsucht, dass ich komme. Frau Friedensburg hat Besuch von ihrem Sohn, Schwiegertochter und Enkelkind. Sie sagte mir heute, dass ihr Sohn mich bald besuchen wollte und sich anbieten wollte, für Sie als Zeuge aufzutreten, falls Sie ihn gebrauchen können. Von Rechtsanwalt Bung kam ein Brief, in dem er sich wieder angeboten hat, für Sie auszusagen.692 Er hat Jup in Köln besucht und machte auf Jup einen sehr guten Eindruck. So, mein lieber Schatz, jetzt muss ich Schlafen gehen. In unserer kleinen Kirche beten viele fromme Seelen für Sie und senden herzliche Grüße. Gott beschütze Sie in Ihrer Gefängniszelle. Herzlichst Ihre Duschka 692
Hubertus Bung an Carl Schmitt vom 16. 4. 1947; RW 265 Nr. 2228.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
P.S. Am Sonntag, den 4. Mai, wird die Ausstellung von Gilles eröffnet. Er ist am 23. IV. abgereist und lässt vielmals grüßen.693
1947-04-30 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 676/7
Nürnberg, Justizpalast I.S.D. Mittwoch, den 30. April 1947 Liebste Duschka, heute habe ich Ihr Päckchen erhalten, das mit der Post aus Berlin kam; vielen herzlichen Dank! Der Inhalt: 1 Leibbinde, 1 Oberhemd (mit festem Kragen, dunkel), 3 Taschentücher, 3 Paar Sommerstrümpfe, 1 Handtuch, 3 Cellophantüten (Zucker, Kaffeepulver und Schokolade). Ich bin sehr froh, dass ich die Sachen habe. Ich schreibe Ihnen, wenn ich wieder etwas brauche. Hoffentlich kann ich Ihnen bald etwas Erfreuliches mitteilen. Gestern habe ich hier 3 Sachen aus der Wäsche bekommen, die gut gewaschen sind: meine grün-gestreifte Schlafjacke (die Hose wollte ich nicht in die Wäsche geben), ein weißes Oberhemd mit festem Kragen (Schuler) und ein weißes Handtuch. Ich entnehme aus dem Inhalt des Päckchens, dass Sie meine ersten Briefe (vom 31. 3. und 2. 4.) erhalten haben. Dann werden die andern auch bald kommen. Ich freue mich sehr auf einen Brief von Ihnen, von Anima und Onkel Adam. Morgen, am Tage des hl. Philipp, werde ich an den guten Onkel Philipp und Tante Louise denken. Nach unserm Kind habe ich große Sehnsucht; vielleicht sehe ich es doch noch einmal wieder. Ich traf dieser Tage wieder einen der unendlich tiefsinnigen Verse der Annette: „Wer um ein Gut der Welt die Sehnsucht sich verdarb, den muss der finstere Geist umfahren.“ Das steht in dem Gedicht zum 1. Advent-Sonntag. Vielleicht habe ich mich von dem üblichen Stil schon so entfernt und in die Druidensprache der armen Annette so hineingelebt, dass mir niemand mehr folgen kann. Ich wollte Ihnen noch sagen, dass das Papier, mit dem das Päckchen eingepackt war, den Klebstoff nicht gut hält; die aufgeklebte Adresse war abgegangen. Doch ist es trotzdem noch gut in meine Hände gelangt. 693 Werner Gilles war zehn Tage bei Duschka zu Besuch; vgl. BW EJünger, S. 629.
Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947
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Nochmals herzlichen Dank, liebste Duschka und alle guten Wünsche für Sie, Anni, Marlies, Tante Louise, Antonina Nikolajewna und alle Freunde. Ich will heute schnell den Empfang bestätigen und kann hoffentlich bald einen inhaltreicheren Brief schreiben. Von ganzem Herzen Ihr Carl 1947-05-03/04 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 13819; ms. Abschr.: RW 265 Nr. 29802/1
Brief Nr. 3 Sonnabend, 3. Mai 47 Liebster Carl, ich sitze am Oliva[er] Platz auf einer sonnigen Bank und schreibe Ihnen diesen Brief. In einer Stunde muss ich zu meiner Schneiderin gehn, die mir einige Kleider in Ordnung bringen wird. So freue ich mich, Ihnen etwas erzählen zu können. Am Dienstag um 7 Uhr abends war ich für zwei Stunden bei Irina694. Wir hatten eine schöne Unterhaltung gehabt, wie zwei alte, gute Bekannte. Sie gehörte tatsächlich zu den Schülerinnen von Madame Linn695, die damals vor 17 Jahren für mich beteten während meiner Operation. Die Fäden sind oft seltsam. Ihre Eltern waren nicht zu Hause. Sie wollte mich wieder einladen. Am Karfreitag stand sie in der Kirche mit brennender Kerze neben mir, und ich dachte, das ist Irina. An Pierre Linn habe ich geschrieben; jetzt habe ich seine Adresse. Am Mittwoch kam die Schwester von Anni für einige Tage zu Besuch. Vorigen Sonnabend habe ich das Wohnzimmer unten aufgelöst. Am Mittwoch habe ich oben das schöne große Balkonzimmer für mich eingerichtet. Es ist besonders schön geworden, und ich fühle mich wohl in meinen beiden Zimmern. Am 1. Mai kamen viele Leute zu Besuch und am Abend noch Dr. Podach mit seiner Frau. So war meine Stube gleich eingeweiht. Oft tut es mir leid, dass ich es im Winter für Sie nicht so eingerichtet habe. Manchmal bin ich traurig, dass Sie jetzt bei dem schönen Wetter nicht zu Hause sein können. Ich denke viel an Ihre Haftzelle und hoffe, dass unsere liebevollen Gedanken und Gebete Sie dort erreichen und trösten. Gestern vormittags habe ich mir meinen Benito Cereno abgeholt und hatte ein sehr interessantes Gespräch. 694 695
Nicht ermittelt. Jeanne Linn, Ehefrau von Pierre Linn.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Gestern mittags habe ich endlich die versprochenen Gaben für Herrn Geheimrat [v. Lewinski] überreicht. Ich konnte ihn selbst nicht sprechen; er hatte eine Sitzung, aber ich freue mich, ihn bald zu sehen. Gegen Abend war ich bei Frau Sch[neider] eingeladen. Es war sehr gemütlich. Von Hannes [Schneider] bekam ich den Sonderdruck, den Sie gewünscht haben.696 Es war sehr schwierig, ihn aufzutreiben, doch freue ich mich, dass es noch gelungen ist. Alle lassen herzlich grüßen. Fortsetzung Sonntag, 12 Uhr nachts: Mein liebster Carl! Eben bin ich nach Hause gekommen. Bei herrlichem Mondschein ging ich durch den Thielpark und habe an unsere vielen schönen Spaziergänge gedacht. Heute nachmittags war die Eröffnung der GillesAusstellung. Nachher war ich bei Haidi eingeladen. Sie hat mich sehr verwöhnt, wir hatten einen richtig schönen Sonntag gehabt und haben herzlich an Sie gedacht. Gestern erhielt ich Ihren lieben Brief vom 20. April, über den ich sehr glücklich war. Es kam ein wunderbarer Trost aus Ihren Zeilen. Wir bleiben dabei: „Tout ce qui arrive est adorable.“ Gestern kam auch ein Brief von Günther Krauss, den ich in Abschrift697 beifüge. Es interessiert mich ganz besonders, was Sie dazu sagen. Ich warte noch mit der Antwort. Gute [hs.:] Nacht liebster Carl! Herzlichst Ihre Duschka Tante Louise ist heute gerade hier und lässt herzlich grüßen sowie Anni, Emmi und Marlies.
696
Die Rede ist von dem Aufsatz Schmitts über die „Weiterentwicklung des totalen Staates in Deutschland“ aus der Europäischen Revue vom Februar 1933; s. oben Brief Schmitts vom 12. 4. 1947. 697 Die Handschrift reißt hier ab; der Schluss des Briefes ist nur in der ms. Fassung erhalten.
Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947
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1947-05-04 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 676/16
Nürnberg, Justizpalast I.S.D. Sonntag, den 4. Mai 1947 Liebste Duschka, vorgestern, Freitag, erhielt ich Ihren Brief vom 15. April und die Abschrift des Briefes von Anima vom 29. März. Sie können sich meine große Freude denken. Inzwischen werden auch meine späteren Briefe vom April bei Ihnen angekommen sein, freilich der vom 20. oder 28. April wohl noch nicht. Die Post von und nach Berlin geht langsamer als die nach Westfalen. Von Ännchen erhielt ich, ebenfalls am 2. Mai, schon die Antwort auf meinen Brief vom 7. April. Wie schön, dass Sie ein so reiches Osterfest gehabt haben, liebe Duschka! Über die Ausstellung der Bilder von Werner Gilles müssen Sie mir noch ausführlicher schreiben, auch über ihn selbst. Aber auch von Ihren serbischen Verwandten, besonders Onkel Adam. Kommt er noch zu Ihnen? Ist Anni ihrem Frühjahrs-Wandertriebe schon gefolgt? Der arme Herr v. Stackelberg698! Der Brief von Anima ist wundervoll. Das Kind macht mich glücklich mit seinen schönen Briefen. Ich überlege, ob ich ihr nicht doch von hier aus schreiben soll. Auf ihren Bericht über die Rheinreise bin ich sehr begierig, besonders den Besuch bei dem guten Prof. Wilhelm Neuß in Bonn. Meine Sehnsucht nach einem Wiedersehn mit ihr ist groß. Ännchen hat einen lieben und herzlichen Brief geschrieben und sagt, dass sie sich auf Euer und auch auf mein Kommen freut. Wie es freilich mit meinem Kommen steht, weiß ich nicht. Ich bin auch nicht ungeduldig. Vor einigen Tagen hatte ich einen schönen Traum von meinem Vater: wir wollten zur Bahn, ich fürchtete den Zug zu versäumen, er ging mit freundlicher Bescheidenheit neben mir, ich war ungeduldig, er war unendlich geduldig. Ein schöner, lehrreicher Traum. Wenn sich mein liebes Patenkind699 wieder gemeldet hat, schreiben Sie ihm Grüße von mir und sagen Sie ihm, er solle als angehender Lateiner folgenden Satz übersetzen: Quia scio omnia pendere ex consulis Dei, exitum rerum patienter expecto.700 Soviel kann er sicher schon. 698
Heinrich von Stackelberg (1905–1946), Wirtschaftswissenschaftler, war am 12. 10. 1946 in Madrid, wo er eine Gastprofessur hatte, an Lymphdrüsenkrebs gestorben; s. TB V, S. 293. 699 Carl Alexander Jünger (1934–1993), der zweite Sohn Ernst Jüngers. 700 „Da ich weiß, dass alles vom Ratschluss Gottes abhängt, erwarte ich den Ausgang der Dinge geduldig.“ Mit dem sinngemäß gleichen Zitat hat Schmitt am
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Nochmals vielen Dank für das schöne Päckchen! Auch die Schokolade ist gut angekommen. Den Nes-Kaffee genieße ich sehr. Sie wissen: Der Gott, der Kaffee wachsen ließ, der wollte keine Lorke.701 Im übrigen ist es wahrhaftig so, dass nur Asketen wissen, was Genüsse sind. Ich schrieb Ihnen schon, dass ich weder geistig noch körperlich verwahrlose. Seien Sie also nicht in Sorge um mich, gute, schöne Duschka. Schreiben Sie mir, wie es Ihnen gesundheitlich geht und strengen Sie sich nicht zu sehr an. Der harte Winter hat uns doch sehr zugesetzt, mich selber freilich auch gut abgehärtet, was mir in dieser Übergangszeit sehr zugutekommt. Im übrigen kann ich Ihnen über meine Lage nicht viel sagen. Wenn eine Veränderung eintritt, werde ich Sie gleich zu verständigen suchen. Heute bin ich wieder zur hl. Kommunion gegangen; vorher hatte ich eine merkwürdige Begegnung, die mich tief ergriffen hat. In einer alten Zeitung, auf einem zerlesenen Blatt, stand ein Gedicht von Konrad Weiß zum Palmsonntag, ein wunderbares Gedicht über ein Kind, das am Palmsonntag einen Zweig Weidenkätzchen trägt. Mir fiel der „Christliche Epimetheus“ von ihm ein, das zerlesene Exemplar, das mich so lange begleitet hat. Hoffentlich ist es nicht verloren.702 So, meine liebe Duschka, jetzt hoffe ich, bald etwas von Ihnen zu hören. Sagen Sie allen Freunden und guten Bekannten meine Grüße und seien Sie herzlich geküsst von Ihrem alten und unveränderlichen Carl
31. 1. 1945 Ernst Jünger zum Tode seines Sohnes Ernstel kondoliert; vgl. Martin Tielke, Der stille Bürgerkrieg, Berlin 2007, S. 132 f. sowie Abb. 5 und 6. 701 Frei nach Ernst Moritz Arndt: „Der Gott, der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte.“ 702 In der erhaltenen Bibliothek Schmitts finden sich drei Exemplare des Christlichen Epimetheus. Davon ist eins (RW 265 Nr. 23197) ungelesen; die beiden anderen (RW 265 Nr. 23187 und 28921) sind völlig zerlesen und über und über mit Anmerkungen versehen; das eine (28921) ist neu gebunden, wobei vorne und hinten eng beschriebene Seiten mit eingebunden sind. Die Annotationen sind teils klarschriftlich, teils in Steno.
Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947
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1947-05-06 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 676/18
Nürnberg, den 6. Mai 1947 Dienstag nachm. 3 Uhr Liebste Duschka, eben bin ich aus der Haft entlassen worden und soll jetzt in das Haus für voluntary witnesses, d. h. freiwillige Zeugen, wo ich als Zeuge zur Verfügung stehen muss, aber sonst frei bin, in die Stadt gehen darf usw. Wie lange das dauert, weiß ich noch nicht. Im Augenblick warte ich auf den Wagen, der mich mit meinem Gepäck dorthin fährt. Ich werde gleich telegrafieren und möchte Ihnen jetzt nur einen ersten Gruß aus der Freiheit schicken. Eben traf ich Gritzbach703, der auch dort ist und erzählte, Diels704 sei auch da. Nun, da bin ich ja gespannt. Gestern abend erhielt ich noch Ihren Brief vom 28. März; vielen Dank, liebe Duschka. Es ist möglich, dass ich bald reisen kann; dann fahre ich also, wenn man mir keine Schwierigkeiten macht, nach Plettenberg, obwohl ich große Sehnsucht nach Ihnen habe, liebe Duschka. Abends ½ 8 Eben habe ich ein Telegramm an Sie nach Berlin aufgegeben und Ihnen meine jetzige Adresse mitgeteilt. Üssi und Ännchen habe ich um 200 Mark telegrafisch gebeten. Die 100 M., die Sie mir noch in Wannsee schickten, sind hier verloren gegangen. Das ist nicht schlimm. Ich wohne ganz ordentlich in einem Zimmer und habe ein Bett mit frischer Wäsche. Mit meiner Leibwäsche komme ich noch gut aus. Heute ist ein schöner Maiabend. Ich habe mir das furchtbar zerstörte Nürnberg angesehen und denke mit Sehnsucht an Sie und unser gutes Kind. Bald gebe ich Ihnen, eventuell telegrafisch, weitere Nachrichten. Diels wohnt auch hier, doch habe ich ihn noch nicht gesehen. Lilly M.705 war am Samstag hier, um ihren Mann zu sehen. Grüßen Sie alle Bekannten herzlich von mir und seien Sie vielmals geküsst von Ihrem Carl 703
Erich Gritzbach (1896–1968), war persönlicher Referent Görings und 1937 Verfasser seiner offiziellen Biographie, auch Mitglied des Preußischen Staatsrates. Seit 1939 stand Gritzbach in vorsichtiger Opposition zum Regime. 704 Rudolf Diels (1900–1957), Chef der preußischen Polizei, dann der Gestapa, musste diesen Posten 1934 an Heydrich abtreten, wurde aber von seinem Protegé Göring mit verschiedenen Stellungen in Politik und Wirtschaft versorgt. Diels trat in den Nürnberger Prozessen als Zeuge auf. 705 Lilly von Schnitzler; „M.“ steht für ihren Mädchennamen Mallinckrodt.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1947-05-08 Carl Schmitt an Duschka RW 579 Nr. 676/14
Nürnberg, den 8. Mai 1947 Muggenhoferstr. 2a Meine liebe Duschka, heute morgen habe ich Ihnen ein Telegramm geschickt, dass ich wahrscheinlich Mitte nächster Woche, also am 14. oder 15. Mai, nach Plettenberg abreise. Jedenfalls ist es mir so in Aussicht gestellt worden. Ich bin hier in einer durchaus angenehmen Situation als freiwilliger Zeuge, wohne in einem schönen Haus, bin ganz frei, bekomme sogar Zeugengeld, und esse mittags in der sog. Messe, amerikanisch. Sonst muss ich mich selbst verpflegen. Gestern hatte ich ein Gespräch mit Diels,706 der auch hier wohnt und Sie grüßen lässt. Abends um ½ 7 traf ich auf der Straße Jahrreiß mit seiner Frau, wir haben zusammen zu abend gegessen, er hat mir von Ihrem Brief erzählt.707 Ich bin froh, dass ich ihm in nichts verpflichtet bin. Kranzbühler ist auch hier; ich soll ihn dieser Tage kennen lernen. Um 8 hörte ich noch in der Stadt den Vortrag des Münsterschen Professors Lortz708, ein Bekannter Eschweilers709 von Braunsberg her, der Pfingsten zu Schranz nach Siedlinghausen will. So sehen Sie, dass es mir nicht schlecht geht. Nur mit dem Essen ist es sehr knapp. Heute morgen kamen telegraphisch 200 Mark von Ännchen an; das ging sehr schnell. Dienstag abend habe ich darum gebeten, Donnerstag früh war 706 Über diese Begegnung schreibt Diels: „Mit dem Ausruf des Ulrich von Hutten am Beginn humanistischer Weltfreudigkeit: ‚Es ist eine Lust zu leben!‘ trat mir, nach dreijähriger Einzelhaft im Nürnberger Gefängnis [!], der Professor Carl Schmitt entgegen. Wie unzählige Deutsche hatte er, hinter Stacheldraht und in engen Zellen, über schmerzhaften körperlichen Leiden, die Gewissheit gewonnen, dass sich der Geist einer neuen und anderen Fröhlichkeit vorbereitet, wie er der erhabenen Einsicht des Physikers Planck schon erschienen war. Dem forschenden Geiste hat sich in dieser Wende die Existenz Gottes wieder aufgedrängt.“ Rudolf Diels, Lucifer ante portas. Zwischen Severing und Heydrich, Zürich [1949], S. 322. 707 Duschkas Anfrage an Jahrreiß vom 1. 4. 1947, ob er im Falle einer Anklage Schmitts dessen Verteidigung übernehmen würde; RW 265 Nr. 13761. 708 Joseph Lortz (1887–1975), Kirchenhistoriker, von 1929 bis 1935 Professor an der Staatlichen Akademie Braunsberg, dann in Münster. Nach 1945 wurde er Professor in Mainz und Direktor des Instituts für Europäische Geschichte, in dem er 1952 die von den Amerikanern freigegebene Bibliothek Schmitts unterbrachte; s. Schmittiana NF I, 2011, S. 321 f. 709 Karl Eschweiler (1886–1936), mit Schmitt seit seiner Bonner Zeit befreundeter kath. Theologe, ab 1928 Professor in Braunsberg; Thomas Marschler, Karl Eschweiler (1886–1936). Theologische Erkenntnislehre und nationalsozialistische Ideologie, Regensburg 2011.
Der Briefwechsel während der Haft in Nürnberg 1947
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das Geld schon da. Ich dachte mir, dass Sie dann mein Telegramm auch schon haben werden, aber mit Berlin ist es schwieriger. Dem Aufenthalt in Plettenberg sehe ich mit einiger Sorge entgegen. Aber hoffentlich kommen Sie auch bald, liebste Duschka. Die letzte Nachricht, die ich von Ihnen habe, ist von Mitte April; vielleicht liegen noch Briefe von Ihnen irgendwo in einem Büro. Ich möchte zu gerne wissen, ob Sie gesund sind, ob Sie viele Schwierigkeiten haben, was Anni und Marlies machen usw. Lassen Sie sich nicht durch Möbel etc zu sehr aufhalten. Das wichtigste sind Sie selbst, schöne Duškica. Vor der Reise graut mir etwas, aber es wird schon gehen. Vielleicht bleibe ich einen Tag in Frankfurt.710 Es sieht so aus, als würde ich jetzt wirklich nach Plettenberg kommen. Vielleicht kann ich dann Pfingsten schon Anima sehen. Ich wage es kaum zu glauben. Ich küsse Sie herzlich, liebe Duschka. Seien Sie nicht besorgt. Dieser Abschnitt, der am 19. März begann, hat bisher nicht schlecht für mich geendet. Grüßen Sie alle Freunde und Bekannten, vor allem Antonina Nikolajewna und Vater Michael. Ich bin und bleibe immer Ihr Carl
710 Möglicherweise besuchte Schmitt in Frankfurt Lilly von Schnitzler; er bedankt sich jedenfalls am 10. 6. 1947 für einen Besuch bei ihr; vgl. Schmittiana NF I, 2011, S. 173.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950 Seit dem 21. Mai 1947 lebte Carl Schmitt als freier Mann in seiner Heimatstadt Plettenberg. Duschka hatte in Berlin noch mit der Auflösung des Haushalts zu tun und kam erst im Oktober nach Plettenberg. 1947-07-28 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/2–3
Hildesheim, 28. VII. 47 Montag Mein liebster Carl, am Freitag früh bin ich gut in Hildesheim angekommen; Marlies holte mich an der Bahn ab. Anni war in Essenrode711, wir konnten nicht weiter und mussten auf sie warten. Ich hatte also noch gut Zeit und große Sehnsucht, Frau Jünger zu sehn. So fuhr im am Samstag früh mit Marlies nach Hannover und von dort nach Kirchhorst. Gegen 9 Uhr waren wir im Pfarrhaus.712 Es empfing uns Luise, das frühere Mädchen. Wir saßen in der schönen Bibliothek und warteten bis Frau Jünger kam. Es war eine sehr herzliche Begrüßung. Zum Frühstück kam auch der Hausherr. Wir waren sehr schön empfangen und bewirtet. Ich freue mich sehr, dass ich den Besuch gemacht habe. Das war so ein schöner Abschluss meiner Reise. E[rnst] J[ünger] gab mir zwei Bücher von Léon Bloy für Sie und eine Zeitung. Den Artikel über Carl Schmitt bekam Emmi713 zugeschickt von Max714. Sie können alles behalten. Morgen früh um ½ 6 Uhr reisen wir nach Bad Harzburg. Von dort mit dem Omnibus nach Braunlage und Hohegeiß. Dort geht es herüber.
711 Anni Stand besuchte ihren früheren Arbeitgeber, die Familie von Lüneburg auf Schloss Essenrode, 12 Kilometer nördlich von Braunschweig. 712 Von 1939 bis 1948 lebte Ernst Jünger mit seiner Familie im ehemaligen Pfarrhaus von Kirchhorst bei Hannover. 713 Schwester von Anni Stand. 714 Nicht ermittelt.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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So, mein lieber Schatz, jetzt muss ich aufhören. Von B[erlin] telegrafiere ich sofort. Alle lassen herzlich grüßen. Für Sie, Anima und Üssi und Ännchen, sowohl Clairelouischen viele herzliche Grüße von Ihrer Duschka und Mamica Viele liebe Grüße, Anni. Wir eilen jetzt alle zum Biertrinken. Herzlichst Marlies. Viele Grüße, Emmi.
1947-07-31 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/3; Telegr.
Berlin-Schlachtensee, 31. 7. Mittwoch morgen in Berlin gut angekommen. Herzlichst Duschka Schmitt
1947-08-06 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/4–5, 19
Berlin-Schlachtensee, 6. August 47, Mittwoch Mein liebster Carl, heute vor acht Tagen sind wir wohlbehalten in Berlin angekommen. Unsere Reise durch den Harz war sehr schön, ebenfalls der Spaziergang durch den Wald. Die nächtliche Fahrt mit einem Kohlenzug war fröhlich und warm. Zu Hause stürzten allerhand Aufgaben auf mich ein, [so] dass ich heute den ersten ruhigen Tag hatte. Erst musste man laufen nach dem Arbeitsamt und die Lebensmittelkarten besorgen. Dann sind viele Handwerker im Hause gewesen, Maurer, Klempner und Elektriker. Heute sind endlich die Rohrbrüche beseitigt. Bei Herrn Pfarrer J[ohn] war ich mehrere Male. Ob er die Wohnung bekommt, wird sich noch herausstellen. Gestern war der Verwalter hier, um die Wohnung zu besichtigen, weil die Unrra715 ein Haus sucht. Ich freue mich sehr, die Wohnung aufzugeben. Die schönen Plettenberger Berge 715 United Nations Relief and Rehabilitation Administration. Die Organisation kümmerte sich um die Displaced Persons. Duschka schreibt „Unra“.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
sehe ich oft vor mir. Wir werden noch sehr viel Arbeit hier haben, bis wir abreisen können. Erst müssen wir alles ordnen und packen. Tante Louise ist am Montag nach Hause gegangen. Antonina W. Scharawoff ist verreist bis Ende August. Gestern ist Marlies nach Hause gegangen, weil ihre Mutter verreist ist. Am 1. Sept. wird sie ganz nach Hause übersiedeln. Die Auflösung hat etwas Trauriges, obwohl ich mich sehr darüber freue, die große Belastung eines beschädigten Hauses loszuwerden. Am Freitag abend war Herr Dr. Podach mit seiner Frau hier. Wir hatten eine Speise mit Äpfeln und etwas Tee gemacht. Am Samstag abend war Frau Hahm zum Abendessen hier. Sie ist am Sonntag nach dem Westen abgereist und kommt am 1. September wieder. Heute Abend waren Frau Schneider und Hannes hier und haben mit uns gegessen. Unsere Kost ist sehr bescheiden. Morgen kommt Danilo und bringt uns die Gaben aus Jugoslawien. Darauf warten wir mit Sehnsucht. Als ich nach Hause kam, hatte ich eine große Freude. Es lag ein lieber Brief von Madame Linn vor,716 und von Irina, die ihn brachte, eine Schachtel mit Schokolade und ein Stück Seife. Gestern war ich bei Irina und holte zwei Briefe ab, welche über Paris kamen. Der eine war von Prof. Patti und der andere von Prof. Peterson, beide ganz besonders um Sie besorgt.717 Wenn ich die Briefe beantwortet habe, werde ich sie Ihnen zuschicken. Inzwischen habe ich viele Briefumschläge besorgt und werde morgen ein Päckchen für Sie abschicken. Sagen Sie bitte Üssi meinen herzlichen Dank für ihre Mühe; die Päckchen sind alle gut angekommen. Ich denke oft an Euch und möchte gerne wissen, wie es Euch geht. Heute ist Anima wohl nach Cloppenburg abgereist. Wie war es mit den Kindern?718 Wer hat für Euch gekocht? Ich habe bis jetzt noch nicht geschrieben, nur ein Telegramm geschickt, dass wir gut angekommen sind. Für Anima habe ich einige Kleinigkeiten nähen lassen zum Geburtstag. Ich musste noch oft denken an den Abschiedsbesuch und die beiden Kinder. Nun freue ich mich auf Ihren ersten Bericht über die Wanderungen. Ich schreibe bald wieder. Ob Sie wohl zu Dr. Schranz gefahren sind? Vergessen Sie bitte nicht, die drei Öfen zu bestellen bei Dr. Schranz719 und etwas für Holz und Kohle zu besorgen. So mein lieber Schatz, jetzt muss ich schließen. Herzliche Grüße von Ihrer Duschka 716
Vgl. Glossarium, S. 61. RW 265 Nr. 29750 (Patti); Brief von Peterson nicht erhalten. 718 Anima und ihre Kusine Claire-Louise Schmitt aus Köln waren zu Besuch in Plettenberg. 719 In der Nähe von Siedlinghausen produzierte die „Olsberger Hütte“ Zimmeröfen, die Schranz wahrscheinlich beschaffen sollte, was zunächst nicht gelang. Am 7. 11. 1947 wendet Schmitt sich deshalb an Gremmels, der auch nicht helfen kann. Am 17. 11. erhält Schmitt dann einen Ofen (Schmittiana VII, 2001, S. 66–72). 717
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Für Üssi und Ännchen viele herzliche Grüße, auch für Frl. Geschke720. Antonina W. Scharawow ist verreist bis Ende August. Viele herzliche Grüße an alle. Ihre Anni
1947-08-07 (?) Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/18–19, 5
Donnerstag morgens Liebster Carl! Ich wollte Ihnen noch einige Zeilen über unseren Besuch bei Jünger schreiben. An einem Sonnabend bin ich morgens gegen 9 Uhr mit Marlies in Kirchhorst angekommen. Luise hat uns empfangen und Frau Jünger geweckt. Wir waren sehr herzlich begrüßt und mit einem herrlichen Frühstück bewirtet. Ernst Jünger war ganz rührend. Mit seinem Auge ist es nicht gut. Er wird das Auge ohne die Operation wahrscheinlich verlieren.721 Die Voraussetzungen für die Operation (15 Wochen im Dunkeln auf dem Rücken zu liegen) sind ihm zu lästig. Mit der Ernährung haben sie auch Schwierigkeiten. Frau Jünger wäre es lieb, wenn wir sie Ende Oktober besuchen würden, wenn sie geschlachtet haben. Er ist sehr verträumt und versponnen und viel angenehmer als früher. Ich sehe vom Fenster schöne Bäume und Ebereschen, aber die Berge haben sich meinem Auge tief eingeprägt. Der Patenjunge ist entzückend; ich freue mich, wenn er uns in Plettenberg besucht. Herzlichst Ihre Duschka [Anliegend ein Zettel:] Donnerstag den 7. August abgeschickt: 1.
Päckchen (Karton) Briefbogen Briefumschläge 6 Paar Socken Konrad Weiß 720
Fräulein Geschke arbeitete zeitweise als Haushälterin im Haus. Ernst Jünger ließ sich in Göttingen wegen einer Netzhautablösung operieren; vgl. BW GJünger, S. 98 f. 721
292
2.
Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Päckchen Lucan Briefumschläge
Bitte Bindfaden nicht durchschneiden, sondern geduldig aufmachen und mit leeren Kartons an mich zurückschicken. Duschka 1947-08-12 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/6–7
Berlin-Schlachtensee, 12. August 47 Liebster Carl, morgen werden es zwei Wochen, dass wir wieder zu Hause sind. Der Tage vergehen schnell, weil wir sehr beschäftigt sind. Gestern kam Ihr lieber Brief vom 6. August, über den ich mich recht herzlich gefreut habe. Von Anima kam auch ein lieber Brief. Ich denke viel an Sie und mache mir oft Sorgen, ob Sie gut versorgt werden. Es wäre vielleicht ganz schön, wenn Sie 10–14 Tage zu Dr. Schranz gefahren wären. Ich will an Veronica schreiben, auch wegen der Öfen. Am Donnerstag (7. VIII.) war Danilo hier und brachte von Frau Stuparević722 die Gaben. Es war 1 kg Speck und eine Dose von 1 kg Schmalz. Von wem es kommt, weiß ich noch nicht genau; ich will Frau Stuparević besuchen und mich bedanken. Den Speck haben wir probiert und am nächsten Tag als Päckchen mit einigen Äpfeln an Sie abgeschickt. Sind Sie sparsam, damit es lange für Sie zum Frühstück reicht. Wir leben hier von Äpfeln und Tomaten, Gemüse und Pilzen, alles aus eigenem Garten. Der Herbst ist herrlich und die reichtragenden Äpfel[bäume] ein wunderbarer Anblick. Ich will Ihnen Tomaten und Äpfel schicken. Am Freitag war ich bei Frau Jessen. Es war sehr schön. Sie hat schwer zu kämpfen gegen bösartige Intrigen. Uwe723 wird an seinen Onkel in Köln bald das schuldige Geld bezahlen. Zum Winter wollte er nach Berlin kommen, um hier zu studieren. Gegen acht Uhr ging ich herüber zu Irina, um den Brief für Madame L[inn] abzugeben. Der Vater machte mir auf, und Irina kam auch, und sie baten mich sehr herzlich hereinzukommen. Wir haben uns gut unterhalten, und Irina schenkte mir eine Dose Kaffee (450 gr). Sie wollte mich gerne einmal abends besuchen. Von dem Kaffee werde ich 722
Nicht ermittelt. Uwe Jessen, 1925 geborener Sohn von Jens und Käthe Jessen, wurde Jurist und Richter in Berlin. 723
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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die Hälfte Ihnen schenken. Am Sonntag haben wir [es] uns sehr schön gemacht auf dem Balkon. Anni hat einen herrlichen Apfelkuchen gebacken und guten Kaffee gekocht. Wir hatten Werner Heldt eingeladen, und dazu kam noch Mössinger724. Marlies war den ganzen Sonntag hier. Sie kann sich so schlecht an die Armut des Elternhauses gewöhnen. Es war ein sehr schöner Nachmittag, wir haben es alle genossen. Schade, dass Sie nicht dabei waren. Alle lassen herzlich grüßen. Am Vormittag war ich in der Kirche; es war sehr schön, aber durch die weite Fahrt etwas anstrengend. Vater Michael freute sich sehr und lud mich für Donnerstag zum Mittagessen. Am Montag und Dienstag war Tante Louise hier. Frl. Biedermann hat an den beiden Tagen genäht, und wir haben alle fleißig geholfen. Es war fast alles für Anima als Geschenk zum Geburtstag. Morgen schicken wir das Päckchen ab. Heute nachmittags war ich bei Frl. Wunderlich wegen Frau A[dams] Leider habe ich sie nicht angetroffen, weil sie Spätdienst hatte. Entweder kommt sie am Freiag zu mir, oder ich fahre noch einmal hin. Gestern abends war Dr. Podach hier. Er jammert sehr nach Ihnen, es fehlt ihm die Unterhaltung. Morgen nachmittags bin ich bei Danilo eingeladen, um seine Töchter zu bewundern. Ich freue mich, mein süßes Patenkind zu sehen. So, mein lieber Schatz, jetzt habe ich über alles berichtet. Augenblicklich gibt es drei interessante Ausstellungen in Berlin, von Hans Kuhn, von E. W. Nay und von Nolde zu seinem 80. Geburtstag. Ich will alle drei noch besuchen. Das gehört alles noch zum Abschied von Berlin, und zwar zum äußerlichen. Innerlich ist der Abschied vollzogen, und ich feue mich sehr auf mein schönes Exil im Sauerland. Gute Nacht, liebster Carl Herzlichst Ihre Duschka 1947-08-17 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/9–11, 12–14
Berlin-Schlachtensee, Sonntag, den 17. VIII. 47 Liebster Carl, den heutigen Sonntag habe ich zu Hause richtig genossen und fleißig Briefe geschrieben (an Prof. Patti, an Vater Johannes, an Gueydan, Veronica und 724 Wilhelm Mössinger, Jurastudent, Hausbewohner in der Kaiserstuhlstr. 19; vgl. unten, Brief Duschkas vom 25. 9. 1947 sowie Mössingers Briefe an Duschka; RW 265 Nr. 29942 und an Schmitt; RW 265 Nr. 29723.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Claire). Dazwischen hatte ich noch Besuch von Friedensburg725 junior und am Abend von dem alten Herrn Schneider726. Alle lassen herzlich grüßen. Am Mittwoch, den 13. war ich draußen bei Danilo. Die kleine Mara ist tüchtig gewachsen; die zweite Tochter ist zart und hübsch. Es war ein schöner Nachmittag mit viel Kuchen und gutem Kaffee. Abends gab es ein schönes Essen. Ich kam gegen 12 Uhr nach Hause. Alle lassen Sie herzlich grüßen. Die Mutter von Danilo ist großartig. Es tut ihnen leid, dass wir fortziehen. Am Donnerstag war ich in der Kirche und anschließend bei Vater Michael zum Mittagessen. Vater Michael ist auf der Reise krank geworden und ist noch nicht hergestellt. Seine Reise war sehr interessant. In München hat er auch Prof. Stepun727 besucht und zur Rede gestellt wegen des besagten Vortrags in Stuttgart. Er hat alles zugegeben und bereut. Das hat er nicht erwartete, dass er sich deshalb vor Vater Michael noch verantworten muss. Am Nachmittag gab es schönen Kaffee, dazu kam noch mehr Besuch. Gegen 6 Uhr war ich bei Frl. Hüttner und habe für Anima und Claire-Louischen die Kleider in Arbeit gegeben. Als wir verreist waren, kam Herr Lehmbruck zu Besuch und ließ seine Karte hier und bat, ihn zu besuchen. Er wohnt Xantener Str. 10, gegenüber von unserer Schneiderin. Ich machte dort einen Besuch und traf die alte Frau Lehmbruck728 zu Hause. Sie freute sich sehr und hat mich zwei Stunden festgehalten. Es war ganz rührend. Gegen 10 Uhr kam ich nach Hause. Gestern Abend besuchte mich Frl. W[underlich] Sie wartete auf Nachricht von Adams und wusste nichts über die Sachen, die abgeholt werden. Es sind verschiedene Mieter im Hause, und es wäre am besten, wenn Frau A[dams] persönlich nach hier käme, um alles zu regeln, weil sonst niemand Bescheid weiß und sich niemand um die Abholung der Sachen kümmern kann.729 Ich bin sehr gespannt, ob sich M[arens]730 gemeldet hat und ob irgendetwas abgemacht wurde. Bis jetzt scheint mir alles nur ein ferner Plan zu sein. Ich habe bis zum 1. Oktober noch sehr viel Arbeit, um alles zu regeln. Viele Pakete muss ich noch packen. Schöne Kartons habe ich hier bekommen, aber es fehlt mir an Bindfaden. Ich möchte Sie bitten, alle Karton und Bindfäden mir sofort zurückzuschicken. Die Kartons muss ich pro St. 3 Mark bezahlen. Ich lege dem Brief heute die Zettel bei über die abgeschickten 725
Ferdinand Friedensburg. Vater von Hans Schneider. 727 Fedor Stepun (1884–1965), Religionsphilosoph. Über den genannten Vortrag in Stuttgart nichts ermittelt. 728 Anita Lehmbruck, geb. Kaufmann (1879–1961), Witwe von Wilhelm Lehmbruck. 729 Es handelt sich vermutlich um den Umzug von Alfons Adams nach Menden; s. unten, Brief Duschkas vom 14. 9. 1947. 730 Vermutlich Spediteur. 726
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Sachen. Bitte um sofortige Bestätigung nach Empfang der Sachen, damit ich weiß, ob es gut ankommt, weil ich noch viele Pakete schicken möchte. Ich mache mir oft Sorgen, ob Sie auch nicht zu sehr hungern müssen. Morgen schicke ich Ihnen den Kaffee mit Dose 300 gr. Der Kaffee muss vor dem Zubereiten noch einmal gemahlen werden. Seien Sie sparsam damit. So, mein lieber Schatz, jetzt muss ich aufhören. Wir haben noch herrliches Wetter. Jeden Mittag liege ich 1–2 Stunden in der Sonne und nehme Abschied von den Kiefern und dem blauen Himmel. Der Garten mit den reifenden Äpfeln sieht paradiesisch aus. Am Mittwoch ist Animas Geburtstag. Ich wollte Irina, Vater Michael und Hannes einladen. Danach wird abgeräumt und eingepackt. Am Donnerstag bin ich bei Frau Friedensburg eingeladen und am Dienstag bei Dr. Podach. Nun habe ich alles berichtet. Grüßen Sie herzlich Üssi und Ännchen. Ich werde bald schreiben und für alles danken. Ich habe sehr viel Arbeit und hoffe, mit allen Sorgen und der Arbeit gut fertig zu werden und zur rechten Zeit. Gute Nacht, liebster Carl. Gott beschütze Sie, und seien Sie nicht traurig. Herzlichst Ihre Duschka Anbei die Briefe von Peterson, Patti und Madame Linn. Alle sind beantwortet, mir ist die Hand lahm vom Schreiben. Das Briefpapier von Gremmels ist sehr schön; soll in Plettenberg bleiben. Gestern ist Annis Schwester für einige Tage hier angekommen. [Anliegend 3 Zettel:] Einsch. 8 Oberhemden 1 Nachthemd Einschr. 2 Oberhemden Kragen 2 Wollhemden 1 Unterhose Beides am 16. VIII. abgeschickt.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Paket 10 Pfd. am 16. VIII. abgeschickt. 1 Paar Schuhe 3 Paar Socken, dicke, braun 1 ” ” ” , weiß 4 ” ” schwarzmeliert, Wolle 3 ” ” schwarz, Wolle 5 ” ” schwarz, dünne 4 ” ” graue, dünne 7 ” ” graue, helle ----------1 Paar Handschuhe, grau, Leder 1 ” Handschuhe, grau, Wildleder 1 x Lederriemen 1 x Ohrenwärmer 1 Kästchen mit Stopfgarn 1 Kästchen mit ” 1 Paar Fausthandschuhe 1 x Katzenfell alte Gamaschen Päckchen, Einschreiben, am 16. VIII. abgesch. 1 Schlafhose 1 Nachthemd 1 Unterhose 4 Jäckchen 1 Hemd, weiß Paket 14 Pfd. mit Äpfel am 16. VIII. abgeschickt. 1947-08-22 (?) Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/28–29; unvollständig
[…] An Animas Geburtstag wollte ich mir einen schönen Tag machen. Die Stube habe ich mit Blumen geschmückt, und am Abend waren Tante Louise und Hannes bei uns zum Abendessen. Es war recht gemütlich. Ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr den Tag mit unserer großen Tochter zusammen feiern können. Am Donnerstag war ich bei Frau Friedensburg zum Abendessen eingeladen. Sie war sehr lieb. Gegen 9 Uhr kam auch Herr Präsident. Beide lassen herzlich grüßen. Ich habe ihr das Tischchen geschenkt, und sie schenkte mir
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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zwei Flaschen Wein (Moselwein) für Sie. Heute Abend fuhr ich noch schnell zu Irina. Ich brachte ihr für Madame Linn ein Deckchen in venezianischer Spitze731 und einige Pracht-Äpfel und freue mich sehr, dass ich noch rechtzeitig kam. Montag früh reist Irina nach Paris und kommt am 20.–25. September wieder. Auf die Antwort von Madame Linn freue ich mich sehr. Wir möchten gerne nach dem 25. Sept. bald abreisen. So lange müssen Sie noch Geduld haben. Die ganze nächste Woche habe ich mit dem Räumen zu tun, und dann werde ich viele Besuche machen. Übrigens hat mir Dr. Sarre geschrieben und bat mich, ihn anzurufen. Er wollte wissen, wie es Ihnen geht. Montag werde ich dort anrufen. Nun habe ich noch eine Bitte. Könnten Sie mit Schmandt732 sprechen, ob er nicht sofort am Anfang September das Balkonzimmer in Ordnung bringen kann. Die Decke muss ausgebessert werden und gestrichen. Er hoffte, Tapete zu bekommen; vielleicht kann er mir ein kleines Muster von der Tapete zuschicken. Wir wollten es nicht so ganz hell haben wie das Wohnzimmer. Es ist möglich, dass die Sachen von Tante Claire bis zum 15. September dort ankommen. Deshalb möchte ich es auf jeden Fall bis Mitte September mit Instandsetzung fertig haben, damit man Claires Sachen einrichten kann. Es wäre auch gut, wenn Frl. Heul bis zum 15. September ausziehen kann, damit man alle Kisten in dieses kleine Zimmer stellen kann. Es werden ungefähr 15 Kisten sein. Ich werde diesbezüglich noch an Ännchen schreiben, aber Sie können auch gleich mit ihr die Sache besprechen. Ich hoffe, dass keine Verzögerung eintritt. Wenn ich am Ende September ankomme, möchte ich bis Ende Oktober fertig sein. Wegen dem Ofenbezugsschein ist es gut, wenn Sie selber zum Wirtschaftsamt gehen und dort anfragen. An Veronica habe ich wegen der Öfen geschrieben. In Oktober ist der Winter vor der Tür. Unsere Nussbäume tragen wunderbar. […]
731
Vgl. Glossarium: „Mme Schmitt demande, si la lettre de août 1947 pour Mme Linn est arrivée et un petit cadeau de septembre – petite dentelle de Vénise .“ (S. 61). 732 Josef Schmandt, Inhaber eines Tapeten- und Farbengeschäfts in Plettenberg. (Duschka schreibt „Smandt“).
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1947-08-23 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/14–15
Berlin-Schlachtensee, 23. August 47, Samstagabends Mein liebster Carl, gestern kam Ihr lieber Brief vom 18. August. Ich freute mich sehr über Ihren ausführlichen Bericht und war nur etwas traurig, dass Sie von mir noch keinen Brief erhielten. Ich habe fleißig geschrieben und Päckchen und Pakete geschickt. Ich freue mich über die Bestätigung der vier Päckchen bis jetzt. Bitte die folgenden Päckchen und Pakete sofort zu bestätigen. Für mich ist es sehr wichtig zu wissen, ob alles gut ankommt, damit ich mich mit den weiteren Sendungen einrichten kann. Am 20. VIII. schickte ich ein Päckchen E[inschreiben] an Sie ab; neben der Dose mit Kaffee 300 gr. und anderen Kleinigkeiten war [darin] eine Schachtel von 20 amer. Zigaretten für die liebe Üssi. Am 22. VIII. schickte ich ein Paket von 14 Pfd. mit schönen Äpfeln für Sie und Üssi. Wir haben Üssi alles aufgegessen, solange ich in Pl[ettenberg] war. Ich habe vor, noch viele Pakete mit Wäsche und sonstigen Sachen zu schicken und werde alles Abgeschickte genau anmelden. Es werden ca. 30 Pakete werden. Kartons und Bindfaden habe ich besorgt, und nächste Woche wird eifrig gepackt. Sie könnten von den Kartons den Bindfaden abmachen und zurückschicken. Die Sachen lassen Sie in den Kartons, weil Sie nicht auspacken können und noch kein Platz haben. Die Kartons mit den Äpfeln bitte auspacken und auf die Obstborden legen, nachsehen, dass keine faulen [darunter sind] und natürlich nach Herzenslust essen. Am Donnerstag, den 21. VIII., ist Emmi abgereist mit einem Lastwagen. Sie konnte zwei Kisten mitnehmen und einen Koffer mit Wäsche. Der Koffer bleibt vorläufig in Hildesheim. Sie bekommen von ihr noch Nachricht. Wenn Üssi die Kisten bekommt, möchte sie gleich öffnen und nachsehn. Heute kam ein Telegramm von Emmi, dass die Reise sehr gut verlief. Darüber bin ich sehr froh. Sie wollte bald wieder mit dem Lastwagen nach Berlin kommen für einige Tage. Ich habe viel Arbeit und Vieles zu überlegen, um diese schwierige Aufgabe zu lösen. Am Montag wollte ich zu einem Spediteur gehn und die ganze Woche packen. Die sonnigen Tage waren für die Äpfel sehr gut. Auf unserem Balkon haben wir die Sonne reichlich genossen und [sind] ganz braun geworden. Marlies ist jetzt bei ihren Eltern. Jeden Sonntag kommt sie zu uns. Anni geht es gesundheitlich nach der Impfung nicht gut. Sie ist fleißig und freut sich auf den Westen. So, mein lieber Schatz, jetzt muss ich schließen. Viel tausend herzliche Grüße von Ihrer Duschka
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1947-09-02 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/20–21
Berlin-Schlachtensee, 2. September 47, Dienstag abends spät Liebster Carl, Jetzt habe ich Ihnen schon mehrere Tage nicht geschrieben, weil ich keine Ruhe dazu hatte. Die Sorgen mit der Auflösung der Wohnung haben mich sehr in Anspruch genommen. Jetzt bin ich einen Schritt weiter gekommen und freue mich, Ihnen etwas zu berichten. Die letzte Augustwoche waren wir sehr mit Packen beschäftigt. Am 25. u. 26. August sind viele Päckchen und Pakete abgeschickt worden. (An Sie und Üssi adressiert.) Am Donnerstag haben wir Äpfel abgenommen. Mössinger hat uns dabei geholfen und hat bei uns zu Mittag gegessen. Er wird bald an Tante Üssi schreiben. Seine Frau erwartet im September ein Kind. Er hat in Berlin schöne alte Möbel gekauft und wird sich in Frankfurt eine Wohnung einrichten. Er hofft, dass er noch im Laufe September die geliehenen Sachen seiner Tante Claire zurückgeben kann. Am Freitag, 29. VIII., haben wir sechs Pakete mit Äpfeln an Sie und Üssi abgeschickt. Überall lag ein Zettel dabei, wie sie zu behandeln sind. Ich hoffe, dass die Pakete gut ankommen, obwohl der Duft aus den Kartons strömte. Wir packen meistens acht Pakete, und dann fahre ich mit Anni den Handwagen nach Nikolassee. Das macht alles viel Arbeit. Überhaupt, die Auflösung eines solchen Haushaltes ist heutzutage recht kompliziert: Wir sind noch immer unverdrossen dabei zu Werke. Am Sonnabend kam Herr Pfarrer John und teilte mir mit, dass er in dieser Woche die Einweisung bekommen wird. In den letzten zwei Wochen wankte die Sache, weil die jüdische Gemeinde diese Wohnung haben wollte für den Rabbiner Dr. Munk733. Es ist mir angenehmer, wenn der Pfarrer die Wohnung bekommt, weil er doch die Büroräume seit Mai gemietet hat. Er freut sich auch, weil es so nah bei der Kirche ist. Am Montag war ich in der Stadt bei einer Firma wegen dem Versand von meinem Hausrat. Heute war ich in Steglitz und habe einen Packer bestellt; dabei habe ich auch einen Besuch bei Charlotte Berger und der alten Blumenfrau Dietze gemacht. 733 Michael Munk (1905–1985), emigrierte 1938, kehrte 1947 aus New York nach Berlin zurück und war Gastrabbiner der Jüdischen Gemeinde Ost-Berlin und Rabbiner für das DP-Lager Potsdamer Chaussee 87, in dem von 1946 bis 1948 rund 30.000 jüdische Flüchtlinge aus dem Osten untergebracht waren. Nach Auflösung des Lagers ging Munk 1948 wieder zurück nach New York.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Frau Hahm ist von ihrer Reise zurückgekommen und war am Sonntag bei uns zum Mittagessen. Nächsten Sonntag sind wir bei ihr zum Essen. Meine Tinte ging zu Ende, deshalb schrieb ich mit Bleistift. Mein Hausrat wird wahrscheinlich Mitte September abgehen und soll in 10 Tagen am Ziel sein. Mein lieber Schatz, jetzt muss ich aufhören. Grüßen Sie alle herzlich. Ich freue mich sehr über Ihre so ausführlichen Briefe. Morgen kommt Marlies, und wir wollen alles scheuern. Tausend herzliche Grüße von Ihrer Duschka.
1947-09-08 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/16, 21–23
Berlin-Schlachtensee, Montag, 8. IX. 47, abends Mein liebster Carl, heute ist ein schöner ruhiger Abend, und ich freue mich, Ihnen zu schreiben. Draußen regnet es, und in der Stube ist es sehr gemütlich, trotzdem es schon halb abgeräumt ist. Für Ihren lieben Brief mit Heidekraut-Blümchen danke ich herzlich, auch für den schönen Bericht über den Besuch von Tante Mia. Es tut mir auch leid, dass ich nicht dabei sein konnte. Vielen Dank für die Karte mit den schönen Grüßen. Mein lieber guter Schatz, Sie dürfen nicht böse sein, wenn ich nicht oft schreibe. Durch die Auflösung der Wohnung bin ich sehr eingespannt; es gibt viel Arbeit und viel zu überlegen, und sehr viel Lauferei, Obst zu ernten und die vielen Pakete zu packen. Am Freitag und Samstag haben wir den ganzen Tag mit dem Packer gepackt. Es werden etwa 20 Kisten sein. Aus alten Regalen musste ich Kisten und fehlende Deckel beim Tischler machen lassen. Übermorgen kommt der Packer wieder, um alles zuzunageln. Heute war ich mit Anni bei der Transportfirma. Die Photokopie über die Zuzugsgenehmigung musste die Polizei beglaubigen, und eine eidesstattliche Erklärung durfte mir ein Rechtsanwalt beglaubigen. Als ich alles abgeben wollte, sagte man mir, dass nun auch alles ins Russische übersetzt werden muss. Also noch eine Besorgung mehr. Morgen werden wir noch alle Küchen- und Kellermöbel scheuern und zusammenstellen. Am 15. Sept. wird mein Hausrat abgeholt; wir machen alles mit großer Freude. Nach diesen anstrengenden Jahren seit der Ausbombung würde ich mich sehr freuen auf einen kleinen gepflegten Haushalt und auf einige stille Jahre.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Nun muss ich Ihnen noch berichten, lieber Carl, über meinen Besuch bei Dr. Br.734 Am Mittwoch war ich von 1 – ½ 3 bei ihm; es war eine sehr interessante Unterhaltung. Etwa im April hatte er Besuch von Dr. Rosenbaum735 (ehemals Hamburg) aus London als engl. Offizier. Er hat von Eislers erzählt und ließ nichts Gutes an Ihnen. Ich erzähle Ihnen alles mündlich. In dem Paket vom 22. VIII. waren etwa 12 Pfd. Äpfel und eine dicke Unterhose. Die Äpfel sollen Sie mit Üssi sich gut schmecken lassen. Anbei schicke ich ein Verzeichnis über die abgeschickten Päckchen und Pakete, damit Sie eine Kontrolle haben. Das X bedeutet, dass Sie den Empfang bereits bestätigt haben. Die Pakete wiegen meistens 14 Pfd. und sind von uns sehr gut verpackt. In den 5 Paketen mit Äpfeln liegt oben in jedem ein Zettel mit Anweisung, ob die Äpfel für Weihnachten sind oder für sofort zum Essen. Morgen werde ich wieder Äpfel sortieren und Pakete abschicken. Ich schicke anschließend das Verzeichnis der abgeschickten Sachen. Es interessiert mich, ob etwas gestohlen wird. Der Hausrat mit Küchen- und Kellereinrichtung wird voraussichtlich am 25. September in Pl. eintreffen. Sie möchten bitte mit Üssi und Ännchen überlegen, wo man die Sachen stellt. Ich denke, für die Kisten müsste man im Keller Platz machen, weil ich sie im Keller auspacken kann. Um Platz zu schaffen könnte man meine Koffer vom Keller nach dem Boden bringen. Ich halte es für selbstverständlich, dass Ännchen für uns das Balkonzimmer frei macht. Kurz nach 25. September hoffe ich mit Anni in Plettenberg einzutreffen. Bis Ende Oktober will ich mit der Einrichtung meiner Wohnung fertig sein und vor dem Winter noch etwas für meine Gesundheit tun. Am Sonntag waren wir bei Haidi in Dahlem. Es war herrliches Wetter, und sie hat uns sehr verwöhnt. Zwischen den anstrengenden Tagen des Räumens genießt man ganz besonders einen solchen Tag. An Ännchen habe ich auch geschrieben wegen Frl. Heuel, dass es besser wäre, wenn sie am 15. September auszieht. Zwanzig Kisten brauchen viel Platz. Es ist sicher nicht allzu schwierig, in Pl. ein möbliertes Zimmer zu bekommen. Die Tinte und die Feder sind schlecht, und so muss ich schließen. Gute Nacht, mein lieber Schatz. Wir kommen bald. Herzlichst Ihre Duschka Viele herzliche Grüße für die liebe Üssi, Ännchen und Frl. Geschke. 734
Nicht ermittelt. Eduard Rosenbaum (1887–1979), Jurist und Nationalökonom, Studienfreund von Schmitt, emigrierte 1934 nach England und wurde zum scharfen Kritiker Schmitts. Am 21. 9. 1947 notiert Schmitt im Glossarium: „[…] Rosenbaum tauchte inzwischen auch wieder auf, läßt nichts Gutes an mir, haß- und ressentiment-erfüllt […]“. Das dürfte sich auf den Bericht Duschkas beziehen. 735
302
Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
[anliegender Zettel:] Päckchen und Pakete 25. VIII. 25. ” 25. ” 25. 25.
” ”
26. 26. 26.
” ” ”
29. 29. 29. 29.
” ” ” ”
2 Pakete 3 Pakete 1 Päckchen ----------2 Päckchen 1 Paket ----------1 Päckchen 1 Päckchen 1 Päckchen ----------1 Paket 2 Paket[e] 3 Paket[e] 1 Paket
Bücher Bücher Acten
Üssi Carl Üssi X
E.
(Zinn, Stickerei) Fotos
Carl X Carl
E. E. E.
Schlösser Flicken u. Zinn Schürze u. Bücher
Üssi Carl X Anima
Serb. Deckchen Äpfel Äpfel Äpfel
Carl Carl Üssi Claire
E.
Der Transport für die Hausratsachen wird bezahlt, wenn sie in Pl. ankommen. Üssi u. Ännchen möchten bitte für uns auslegen.
1947-09-14 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/17–18
Sonntag abends Liebster Carl, heute morgen kam Ohnsorge zu Besuch. Er hat mit uns gefrühstückt und viel Interessantes erzählt. Er hofft, im Herbst nach Berlin umzusiedeln. Seine Anhänglichkeit ist rührend. Er lässt Sie herzlich grüßen. Heute war es ein gemütlicher Sonntag. Es hat viel geregnet, und ich habe viele Briefe geschrieben. Am Nachmittag war Marlies hier. Jetzt wollen wir zu Abend essen und nachher noch ein Kleid für die kleine Christina nähen. Sie wird am nächsten Sonntag getauft. Anni und Herr Winkler sind Paten. Herzlich Ihre Duschka.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1947-09-14 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/23–24
Berlin-Schlachtensee, 14. September 47, Sonntag nachts Liebster Carl, nach einem sehr heißen Tag hat es heute Abend geregnet. Das war besonders schön, um Briefe zu schreiben. Wir hatten heute einen schönen Sonntag gehabt bei der Familie Schneider. Dazu noch eine ganz große Freude. Ich wollte zum Abschied von Berlin noch ein Konzert von Furtwängler hören.736 Die Karten waren schon vor zwei Wochen ausverkauft. Wir gingen am Titania-Palast vorbei, als das Morgenkonzert zu Ende war. Ich ging herein und wollte nach Frau von Rechenberg737 fragen. Sie ist nicht mehr bei F[urtwängler], aber ich erreichte ihre Nachfolgerin. Ich trug ihr mein Anliege vor und bekam drei Karten für Dienstag abend im Funkhaus. Das kam uns märchenhaft vor, und wir haben große Freude. Morgen ist noch ein schwerer Arbeitstag. Am Dienstag morgen geben [wir] die Sachen ab, und am Abend sitzen wir im Konzert, ganz herrlich. – Gestern sandte ich die neuen Kleider an Claire-Louise und Anima nach Köln. Der Schlingel schreibt wenig. Sie wollte in den Ferien nach Köln; ich schrieb ihr, sie möchte sich lieber um ihren Papa etwas kümmern als um die Premieren in Köln. Nun bin ich gespannt, wie sie es gemacht hat. Ich freue mich sehr, dass Tante Mia in Plettenberg war, und wäre gerne dabei gewesen. Herzlichen Dank für Ihre lieben Briefe vom 30. VIII. und 8. IX. Es wäre gut, wenn Sie mir bei der Bestätigung der Pakete das Datum der Paketkarte schreiben würden. Dann habe ich eine bessere Kontrolle. Am 29. VIII. schickte ich 5 Pakete mit Äpfel an Sie und Üssi. Morgen werde ich auch viele Pakete fertigmachen mit Äpfeln und Wäsche. Bis zur Abreise haben wir noch viel Arbeit. Ich hoffe, dass ich alles gut erledigen kann. Dann kommen noch die Abschiedsbesuche. Bei Behling738 war ich noch nicht. Ich rufe in dieser Woche noch an. Es freut mich, dass Sie morgen in Siedlinghausen
736
Wilhelm Furtwängler, der wie Schmitt von Göring ernannter Preußischer Staatsrat war, konnte erst ab Mai 1947 wieder in Berlin dirigieren. Da das Konzerthaus zerstört war, wich man in den Titania-Palast in Steglitz aus. 737 Freda von Rechenberg war langjährige Sekretärin Furtwänglers und Ehefrau von Johannes Winckelmann. 738 Kurt Behling (1906–1975), Rechtsanwalt, von 1938 bis 1945 Verteidiger am Volksgerichtshof, nach dem Krieg auch bei den Nürnberger Prozessen.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
sein werden.739 Ich bin gespannt, ob Dr. Schranz die Öfen besorgt hat. Auf Ihren Bericht freue ich mich sehr und grüße herzlichst. Ihre Duschka Anni ist wieder gesund. Auf frohes Wiedersehen. Mit Pfarrer John habe ich alles gut geregelt. Nun muss ich noch die Sache Mache in Ordnung bringen. Ob der Umzug nach Menden740 durch Marens noch im Herbst ausgeführt wird?
1947-09-15/16 (?) Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/27–28; unvollständig
[…] Unsere Untermieter sind alle sehr traurig, dass wir fortziehen. Das war eine vorbildliche Hausgemeinschaft. Asmus wollten uns an einem Abend noch zum Kaffee einladen. Heute gehn wir zu Frl. Biedermann zum Kaffee, um ihre neue Wohnung zu sehn. Sie hat ein schönes Zimmer bekommen. Frau Scharawoff wollte uns auch noch zum Abschied einladen. Sie hat uns wunderschönen Tee geschenkt für Sie; wir haben aber etwas für uns gebraucht, weil wir sonst zu arm sind. Vater Michael zeigte mir neulich das Geschenk für Sie. Es ist eine große silberne Münze mit dem St. Georg, sehr hübsch. Es ist sehr traurig, dass wir fortziehen. Morgen schicke ich Ihnen einige alte Briefe. Es war sehr interessant, Ihr Archiv aufzuräumen. Ich habe 2 ½ ctn. [Zentner] altes Papier davon weggebracht in ein[en] Papierladen und bekomme die Hälfte davon neues Schreibmaschinenpapier. Die wichtigen Sachen habe ich aufgehoben. Noch 5 St[unden] habe ich Arbeit mit dem Sortieren, dann werde ich fertig sein. Ich habe es gern getan; es waren viele schöne Erinnerungen. Nächste Woche wollte ich Herrn Geheimrat besuchen und Dr. Behling und sonst noch einige Abschiedsbesuche machen. […] [evtl. dazu gehörig:] Montag und heute war Tante Louise hier. Sie ist traurig, dass wir fortziehen. Vor dem Winter hat sie etwas Angst. Seit einigen Tagen ist es hier herbstlich und kühl geworden. Wir können nicht mehr auf dem Balkon liegen. Wenn wir Ende September nach Plettenberg kommen, wird es schon winterlich. Veronica hat auf meinen Brief sofort geantwortet; sie wollten für die Öfen sorgen. Das sind Öfen, in denen man alles brennen kann, Holz und Briketts 739
S. 11. 740
Laut Glossarium war Schmitt am 13. 9. in Siedlinghausen; s. Glossarium, Gemeint ist wohl der Umzug von Alfons Adams; s. unten.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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und auch kleinen Koks. Es ist für mich schwer, Frl. Antonie meine Wünsche zu äußern, um nicht unbescheiden zu werden. Es wäre schön, wenn man für die beiden Öfen Heizmaterial hätte. Die Menge überlasse ich Ihrem Ermessen. Am Montagnachmittag war ich bei Dr. Sarre; er wollte mich sprechen. Ich bekam auch den ungeschriebenen Brief, und er freute sich, dass es Ihnen gut geht. Er lässt Ihnen sagen, dass Dr. Veit in Verbindung mit Ihnen treten möchte, um Ihnen sein neuerschienenes Buch zu schenken.741 Anbei die Adresse und herzliche Grüße. Morgen um 12 Uhr bin ich bei Dr. Broermann742. Er wollte mich sprechen, weil er gehört hat, dass Sie jetzt Ihre Bibliothek zurückbekommen könnten. Ich traue der Sache nicht recht. Am Sonntagvormittag war die Christina Blischke in der Kirche (Kirchstraße) getauft. Es war eine schöne Taufe. Unsere Anni war Patin743 und Herr Winkler. Am Sonnabend haben wir noch ein schönes Kleid und Schürzchen genäht, und Anni hat ein silbernes Kettchen mit Kreuz noch geschenkt. Ich hatte das Steckkissen von Anima geliehen. Christina hat sich musterhaft benommen. Am Nachmittag waren wir zum Kaffee eingeladen. Es gab schönen Kuchen. Anschließend wollte ich viele Briefe schreiben, aber es kam anders. Nach 5 Uhr kam Herr Geheimrat Wever. Er blieb bis 7 Uhr und hat nett erzählt. Er hoffte bestimmt, Sie irgendwann in Plettenberg zu besuchen. Nach 6 Uhr kam noch dazu Dr. Gerstenberg. Er wollte Ihre Adresse haben, weil er am Donnerstag nach dem Westen fährt. In Bonn wollte er einen Bekannten besuchen und anschließend auch Sie in Plettenberg besuchen. Die beiden Bücher mit den Aufsätzen hat er gebracht; es sieht gut aus, Sie werden Ihre Freude haben. Übrigens hat Dr. P[odach] neulich den getroffen. Er hat 1½ Stunde mir von Ihnen gesprochen. Die Einzelheiten werde ich Ihnen mündlich erzählen. [Zusatz Anni Stand:]
741
Otto Veit, Die Flucht vor der Freiheit. Versuch zur geschichtsphilosophischen Erhellung der Kulturkrise, Frankfurt a. M. 1947. Mit diesem Buch des Nationalökonomen Otto Veit (1898–1984) setzt Schmitt sich in den folgenden Wochen in seinem Glossarium intensiv auseinander. 742 Johannes Broermann (1897–1984) Verleger, seit 1938 Inhaber des Verlags Duncker & Humblot, dem Hausverlag Schmitts bis 1933 und wieder ab den 50er Jahren. 743 Das erste Kind Blischkes, ein Sohn, war im Alter von 5 Monaten auf der Flucht von Westpreußen gestorben (Brief Duschkas an Anima vom 28. 2. 1945; DLA, Zugangsnr. HS.1994 0009). Für die Tochter Christina sollte Duschka Patin werde, was sie dann auf Grund der Konfessionsverschiedenheit nicht wurde (frdl. Auskunft von Christina Blischke, Bonn).
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Lieber Herr Professor, ich habe größtes Interesse, am 20. 9. drüben zu sein und setze alles daran, dass es auch gut klappt. Auf frohes Wiedersehen, viele Grüße allen. Ihre Anni
1947-09-25 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/15–16
Berlin-Schlachtensee, 25. IX. 47 Donnerstag nachts Mein liebster Carl, [den] letzten Brief schrieb ich Ihnen vor zehn Tagen, als ich dachte, alles klappt wunderbar. Am 15. IX., als ich alle Papiere abgeben wollte, erfuhr ich, dass Umzugsgut gestoppt sei. Das war eine große Enttäuschung und brachte mir viel Sorgen und viel Arbeit. Diese Woche bekomme ich Bescheid, ob die Sachen aufs Lager genommen werden oder ob ich sie hier im Keller unterbringen muss. Am Dienstag, den 30. IX., zieht Herr Pfarrer John ein.744 Vielleicht kann ich mit Anni noch eine Woche in Ihrem Zimmer wohnen, um alles abzuwickeln. Die Sachen von Mössinger sind auch noch nicht abgeholt. Heute sandte ich Ihnen ein Telegramm, damit Sie nicht vergebens warten. Von Frau Meinecke745 fährt am 16. Oktober ein Lastwagen nach Schwelm in Westfalen. Vielleicht kann ich damit fahren. Einen Interzonenpass kann ich nicht bekommen, aber eine Reisebescheinigung für Flüchtlinge habe ich bekommen. Gestern und heute haben wir den ganzen Tag gepackt und viele Pakete abgeschickt. Morgen müssen wir noch den ganzen Tag packen, dann werden alle Schränke leer sein. Anni wartet noch immer auf ihre Einweisung in Hildesheim. Es ist alles recht schwierig. Die beiden letzten Monate waren voll Arbeit und Spannung und Sorgen. Ich freue mich, wenn ich alles überstanden habe und bei Ihnen in Plettenberg angekommen bin. Den Brief von Ännchen habe ich bekommen. Ich hätte sehr viel dazu zu sagen, aber bei der vielen Arbeit, die auf mir lastet, fehlt mir leider die Zeit zum Schreiben. 744
Ab 1947 befand sich das Pfarramt der kath. St. Michaelsgemeinde in der Kaiserstuhlstr. 19. Die Gemeinde nutzte zunächst die Kapelle St. Michael der Grauen Schwestern in der benachbarten Altvaterstr. 9, baute dann 1953–54 in der Wasgenstr. 49 eine neue Kirche, die das Patronat „Zu den hl. Zwölf Aposteln“ erhielt. 745 Antoni Meinecke, Ehefrau von Prof. Friedrich Meinecke, deren Tochter in Schwelm lebte (s. auch unten, Brief vom 25. 9. und 5. 10. 1947).
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Sagen Sie ihr bitte meine herzlichen Grüße. Von Frau Adams746 kam gestern ein Brief. Sie schrieb noch nichts Bestimmtes über ihren Umzug. Ich würde mich gerne anschließen. Morgen will ich Frau Adams ein Telegramm schicken, um Genaueres zu erfahren. So, mein lieber Schatz, nun habe ich alles berichtet. Am 16. IX. habe ich ein herrliches Furtwängler-Konzert gehört im Funkhaus, mit Anni und Marlies. Der Beifall war riesengroß. Am 19. IX. waren wir bei Tante Louise; es war rührend, wie sie uns bewirtet hat. Am 21. IX. haben wir die zweite Tochter von Danilo getauft; ich war wieder die Patin. Wir waren sehr schön bewirtet mit Kuchen und schönem Braten zum Abendessen. Am 23. IX. war ich bei Linden zum Tee eingeladen. Am Mittwoch, den 24. IX., hatte ich viel Besuch, Danilo, Frau von Medem, Hannes und Ingrid Bahlmann. Ihnen und Üssi die herzlichsten Grüße von Ihrer Duschka.
1947-10-03 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/24–25
Berlin-Schlachtensee, 3. Oktober 47 Freitag nachts Liebster Carl, herzlichen Dank für Ihren lieben Brief mit dem ausführlichen Bericht (vom 26. September). Ich war auch traurig über die Verzögerung, die eingetreten ist. Sie hat für mich viele Unannehmlichkeiten bereitet. Am Montag, den 29. Septm., bin ich mit Anni zusammen auf Annis Zimmer gezogen und [habe] die übrigen Zimmer für Herrn Pfarrer geräumt. Meine Sachern habe ich in die Plättstube bringen lassen. Die Kisten stehen in der Halle und müssen nächste Woche heraus, weil in der Halle die Decke gemacht wird. Nun hoffe ich, dass es nächste Woche mit allem klappen wird und dass die Sachen abgehen. Ich brauchte wieder eine neue Bescheinigung, die musste ich fotokopieren und russisch übersetzen lassen und abgeben. Es sind unglaublich viele Laufereien. Herr Pfarrer wohnt auch schon im Hause, und dadurch ist eine völlig andere Atmosphäre entstanden. Unsere Untermieter sind sehr traurig, dass wir fortziehen. Es ist noch einiges abzuwickeln, und wir hoffen, am Freitag, den 10. X., hier das Haus zu verlassen und für einige Tage noch 746
Clementine Adams, Ehefrau von Alfons Adams.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
zu Frau Hahm zu ziehen. Anni hat heute ein Telegramm von Emmi bekommen, dass ihre Zuzugsgenehmigung erteilt ist. Darüber sind wir sehr froh, nun kann Anni alles besorgen, um ihre Möbel zu Emmi zu schicken. Wir waren sehr fleißig mit Wegräumen und Auflösen. Inzwischen sind viele Pakete und Päckchen abgeschickt worden. Ich hoffe, dass dieselben gut ankommen wie [die] bisherigen. Wir haben vor am Montag, den 13. Oktober, von Berlin abzureisen, wenn wir mit allem fertig werden. Ich freue mich sehr auf Plettenberg und einen stillen und beschaulichen Winter. Die Sachen werden voraussichtlich zwischen dem 15. und 20. Oktober dort eintreffen. Ich kam vor lauter Arbeit und Laufereien kaum zur Besinnung und hatte wenig Zeit zum Scheiben. Ich werde glücklich sein, wenn ich diese schwierige Aufgabe erledigt habe, und wenn ich die Plettenberger Berge vor mir sehe. Wenn ich durch die Straßen gehe, nehme ich fröhlich Abschied und denke daran, wie oft wir zusammen hier gegangen sind und in was für verschiedenen Situationen. So, mein lieber Schatz, jetzt muss ich schließen; es ist spät geworden. Heute Nachmittag kam Meister Leopold, um Abschied zu nehmen; er lässt herzlich grüßen. Antonina N[ikolajewna] hat mir für Sie Tee geschenkt, den bringe ich mit (200 gr). Gute Nacht mein lieber Schatz. Herzlichst Ihre Duschka Bitte die Äpfel manchmal zu kontrollieren, damit sie nicht faulen. Herzliche Grüße für die liebe Üssi, Ännchen u. Frl. Geschke. [Zusatz vom Anni Stand:] Lieber Herr Professor, nun wird noch alles gut gehen! Ihr Pfarrer, mit dem wir gar nicht zufrieden sind, lässt uns den Abschied vom Haus leicht werden. Den Abschied von Berlin soll er uns aber nicht vermiesen; wir gehen die letzten Tage zu Frau Hahm. Viele Grüße allen Ihre Anni
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1947-10-05 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/25–26
Berlin-Schlachtensee, 5. Oktober 47 Sonntag vormittags Liebster Carl, heute ist ein stiller Sonntagvormittag, Anni ist in der Kirche, weil Erntedankfest, das kleine Öfchen brennt gemütlich, und ich freue mich, in Ruhe an Sie schreiben zu können. Den ganzen Morgen habe ich lebhaft an Sie gedacht, und wäre gerne in Pl[ettenberg] gewesen. Die letzten Monate waren angefüllt mit Arbeit, und es war eine große Anspannung, in der wir gelebt haben. Gestern war ich bei der Firma, und leider sind wieder neue Schwierigkeiten; die Russen lassen die Wagons nicht durch und verlangen wieder etwas Neues. Nun muss ich Montag eine neue Firma suchen, welche die Sachen aufs Lager nehmen kann, bis sie verladen werden können. Wir wollen am Donnerstag oder Freitag zu Frau Hahm ziehen, weil hier das Zimmer gebraucht wird. Die letzten Tage wollen wir auch lieber ohne Haushalt sein vor der Abreise. Nun hoffen wir, am 15. Okt. abreisen zu können. Wir freuen uns sehr, endlich in Pl. zu sein nach all diesen Anstrengungen der letzten Wochen. Gestern kam Ihr lieber Brief vom 30. Septm. mit den guten Nachrichten. Anni hat sich sehr gefreut und hat Ihnen sofort geschrieben. Sie vermutet, dass ihre Tante in dem Brief Pakete ankündigt. Ich freue mich auch sehr, dass Frl. Heul zum 15. Okt. auszieht. Dann kann ich sofort, wenn ich komme, meine Küche einrichten. Ich muss den Herd anschließen und das Wasser in der Küche legen lassen von der Toilette. Ännchen schrieb in ihrem letzten Brief, dass sie bereit wäre, in das Zimmer von Frl. Heul zu ziehen, um das Balkonzimmer für uns frei zu machen. Für den Fall, dass Ännchen noch nicht in das Refugium kann, wenn Frl. Lueg noch nicht ausgezogen ist, würde ich vorschlagen, dass Ännchen vielleicht lieber das frühere Zimmer von Frl. Geschke für ihre Sachen nimmt (wo Sie jetzt wohnen). Wenn ich komme, lasse ich dann das Balkonzimmer streichen und die Decke machen und möchte es bald einrichten. Die Sachen von Claire werden bis Ende Oktober ankommen. Ich freue mich auf die kleine Küche und unseren kleinen Haushalt, den ich mir sehr schön machen möchte und pflegen möchte, dass alles blitzt, wie das in Westfalen die gute Sitte ist. Mit dem Umziehen von Ännchen hat es natürlich Zeit, bis ich komme. Heute wollte ich noch einmal an Dr. Schranz schreiben wegen der Öfen. Wie ist es geworden wegen Holz und Kohle? So, mein lieber Schatz, jetzt habe ich alles berichtet. Hier ist es schon herbstlich kalt geworden, aber noch immer schön ohne Regen. Wir sind froh, dass wir noch den kleinen Ofen haben und heizen können. Wie ist es bei Ihnen? Oft mache ich mir Sorgen, ob Sie nicht frie-
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
ren. Könnten Sie bitte mit Scherer747 sprechen, ob er nicht mit dem Wagen nach Schwelm fahren kann, um etwas für uns abzuholen. Wenn Sie von Schwelm ein Telegramm bekommen, müsste man hinfahren und [es] abholen. Es ist wahrscheinlich, dass ich dann schon in Pl. bin und selbst hinfahren kann. Die Tochter von Frau Prof. M[einecke]748, unsere frühere Nachbarin, ist in Schwelm verheiratet. Das ist nicht weit von Plettenberg. Ich freue mich, dass die Kleider in Köln angekommen sind. Es wundert mich sehr, dass keins von den Kindern sich bislang bedankte. Ich hatte so große Freude an den hübschen Kleidern, und die Arbeit war sehr teuer. Ein Kleid 150 RM. Frl. Hüttner hat mir noch sehr schön meine Kleider umgeändert und passend gemacht. Herr Linden wollte nach Pl. ein Paket schicken und darin einen blauen Wollstoff für Anima und einen Schotten-Stoff für Anni für Weihnachten. Sein Sohn hat in Altena einen Freund, und Herr Linden frug, ob er manchmal nach Pl. kommen dürfte, um sich mit Ihnen zu unterhalten. Nun muss ich aufhören. Grüßen Sie herzlich Üssi und Ännchen. Auf ein frohes Wiedersehen! Herzlichst Ihre Duschka Von Frau Adams bekam ich ein Telegramm, dass Transport augenblicklich unmöglich und Brief unterwegs.749 Vor einigen Tagen bekam ich einen netten Brief von Frau A[dams].
1949-06-03 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/4; Ansichtskt. „Dominikanerkloster Walberberg“
Walberberg, 3. 6. 49 Meine liebe Duschka, viele herzliche Grüße aus W[alberberg], wo es mir gut geht.750 Ich wünsche Ihnen, Anima, Claire-Louise, Tante Üssi und Ännchen ein schönes Pfingst747
Josef Scherer, Fuhrunternehmer in Plettenberg. Friedrich Meinecke (1862–1954), Historiker, seit 1914 Prof. in Berlin, Gegner des NS, 1948 erster (Ehren-) Rektor der Freien Universität Berlin, deren Historisches Seminar seinen Namen trägt. Meinecke wohnte in Dahlem, Am Hirschsprung 13. Schmitt und Meinecke hatten ein Verhältnis gegenseitiger, wenn auch nicht unkritischer Anerkennung. 749 Der Umzug wurde offenbar von der in Menden beheimateten Familie Adams organisiert. 750 Dies ist einer von mehreren Aufenthalten im Dominikanerkloster St. Albert in Walberberg, wohin Schmitt sich zurückzog, um seinen „Nomos der Erde“ druckfertig 748
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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fest. P. H. [Peterheinrich] Kirchhoff751 habe ich den 9. als Tag Eures Besuches in W[alberberg] vorgeschlagen. Ich freue mich sehr darauf, Euch dann zu sehen. Im Zuge von Hagen nach Köln traf ich Herrn v. Mallinckrodt752. Bald mehr! Stets Ihr getreuer C. S.
1949-06-12 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/5; Ansichtskt. „Dominikanerkloster Walberberg“
12. 6. 49 Liebste Duschka, gestern und heute, Sonntag, war ich in Godesberg;753 wir haben alle bedauert, dass Sie nicht da waren. Heute, Sonntag abend, werde ich ½ 9 in Mainz ankommen bei Arnold Schmitz. Von dort gebe ich weitere Nachricht. Im Laufe der Woche komme ich nach Plettenberg zurück. Herzliche Grüße und Wünsche an Euch alle von Eurem Carl [Zusätze:]754 Recht herzliche Grüße! Günther Krauss Mit kompatrinellem Gruß H. Barion Liebe Frau Schmitt, wir vermissen Sie sehr. Herzliche Grüße auch an Anima. Ihre Grete Oberheid
zu machen. Mit Eberhard Welty war Schmitt seit 1933 bekannt, als Welty bei ihm in Köln Vorlesung hörte; vgl. Schmittiana II, 1990, S. 128 ff. 751 Peterheinrich Kirchhoff (1886–1973), ursprünglich Musiklehrer, nach dem Ersten Weltkrieg Unternehmer und Politiker, Mitbegründer der CDU im Kreis Altena, 1949–1950 Bürgermeister von Werdohl, 1953–1961 MdB. Hüsmert, S. 21 f. 752 Gustav Wilhelm Otto von Mallinckrodt (1892–1982), Bankier, Bruder von Lilly von Schnitzler; s. Schmittiana NF I, 2011, S. 162. 753 aus Anlass der 2. Tagung der Academia Moralis bei Heinrich Oberheid; Schmittiana IV, 1994, S. 126 f., 147 f. (Protokoll). 754 Die folgenden Personen bildeten den engeren Kreis der Academia Moralis; s. Schmittiana IV, 1994, S. 119–156.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Viele herzliche Grüße Erika F. Bung755 und Hubertus Bung K. Tiesler756 W. Schmitz757 Ihr alter H[einrich] O[berheid] Ihnen und Anima herzliche Grüße 758
1949-09-07 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/6; Ansichtskt. „Dominikanerkloster Walberberg, Kapelle“
7. 9. 49 Liebe Duschka, gestern, Dienstag, bin ich gut hier angekommen; es war sehr heiß; heute regnet es sehr; für Ihre Reise nach Heidelberg ist das auch besser. Ich denke an unsern lieben kleinen Schatz auf der Reise nach Italien.759 Wegen des Vit[oria]-Aufsatzes760 habe ich gefragt, aber noch keine sichere Antwort wegen der Höhe761. Reisen Sie gut nach Heidelberg, liebe Duschka, und machen Sie sich keine Sorgen. Herzliche Grüße und Wünsche für Sie, Üssi und Ännchen. Immer Ihr C. S.
755
Erika Felizitas Bung, geb. Faßbender (1911–1994). Karl Tiesler (1904–1988), ev. Pfarrer in Mülheim, wo er über Forsthoff und Oberheid Schmitt kennenlernte; nach dem Krieg Pfarrer in Bielefeld. 757 Wilhelm Schmitz (1912–1989), Jurist, AEG-Vorstandsmitglied, Freund von Günther Krauss; Schmittiana IV, 1994, S. 120. 758 Peter Oberheid (1921–2003), Industriekaufmann, Sohn von Margarete und Heinrich Oberheid. 759 Anima Schmitt hatte von Margarete Oberheid eine Italienreise geschenkt bekommen. 760 Carl Schmitt, Francisco de Vitoria und die Geschichte seines Ruhmes. In: Die Neue Ordnung 3, 1949, S. 289–313. (Ohne Angabe des Verfassers). 761 des Honorars. 756
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1949-09-11 Duschka an Carl Schmitt Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
Plettenberg i. W., 11. September 49 Lieber Carl, Herzlichen Dank für Ihre Karte aus Walberberg. Gleichzeitig kam ein Brief von Anima aus Tübingen. Herr Kaiser hat in Baden-Baden das Visum für Anima bekommen, und sie wollten zur Eröffnung des Kongresses am Donnerstagabend 10 Uhr pünktlich in Assisi sein. Ich denke auch viel an den kleinen Schatz, wie mag sie sich zurechtgefunden haben. Nun bin ich allein und fleißig zu Hause. Vor zwei Tagen kam ein Brief von Prof. Siebeck an. Ich lege ihn bei. Selten war ich vor so einem Dilemma und wusste nicht was tun. Nach langem Überlegen habe ich beschlossen, erst am 22. o. 23. September nach Heidelberg zu fahren. Es ging nicht gut, dass ich in der Klinik 2 Wochen auf Prof. Siebeck warte; das wäre zu teuer. So habe ich auf die Autofahrt verzichtet. Ich werde an Prof. Forsthoff und Prof. Achelis762 kurz schreiben. Ihre Briefe schicke ich gleichzeitig nach Walberberg. Ich las, dass Prof. Stödter763 mit seiner Frau am 17. September Sie besuchen wollte. Ich bin ja zu Hause, und wenn Sie ihn kommen lassen wollen, kann ich Ihnen noch alles schön machen. Ich würde mich freuen, auch Sie, lieber Carl, noch vor meiner Abreise zu sehen. Aber lassen Sie sich durch diesen Wunsch nicht in Ihren Plänen stören. So, mein lieber Schatz, jetzt muss ich aufhören. Zu Hause ist alles in Ordnung. Mischo ist lieb und fängt schrecklich viele Mäuse. Heute war wunderschönes Wetter. Alles Gute und herzlichste Grüße von Ihrer Duschka.
762
Johann Daniel Achelis (1898–1963), Mediziner, bis 1934 Ministerialreferent im preuß. Kultusministerium, dann Prof. für Medizin in Heidelberg, 1945 von der amerik. Militärregierung entlassen, später in der pharmazeutischen Industrie tätig. 763 Rolf Stödter (1909–1993), Jurist und Reeder in Hamburg. Seine Frau war die Juristin Helga Stödter (1922–2011), die auch als Verteidigerin am Alliierten Gerichtshof in Nürnberg tätig war.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1949-09-13 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/9–10
Walberberg, Dienstag, den 13. September Meine liebe Duschka! Gestern Abend um ½ 9 kam ich gerade nach Hause, als Sie telefonisch anriefen. Ich habe mich sehr gefreut, Ihre Stimme zu hören. Wir wurden unterbrochen, aber das Gespräch war in der Hauptsache wohl zu Ende. Heute möchte ich Ihnen schnell mitteilen, dass ich Freitag abend 8 Uhr, womöglich mit dem Eilzug, nach Plettenberg zurückkehren möchte. Es ist besser, wenn Stödter uns in Pl[ettenberg] trifft. Auch habe ich hier nichts mehr zu erledigen. Der Spanier764 will heute vormittag kommen; Zierold765 morgen nachmittag; Barion heute nachmittag. Dr. Warnach766 war Samstag hier. Es ist besser, wenn ich jetzt wieder etwas für mich arbeite. Von Anima erhielt ich eine Karte aus Tübingen, in der sie schreibt, dass alles wunderbar klappt, und dass sie nach Mittenwald fährt, um von dort nach Italien zu reisen. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Dass Sie, liebe Duschka, schließlich doch in Plettenberg geblieben sind und Ihre Heidelberger Reise verschoben haben, war vielleicht doch richtig. Hoffentlich kommt die Reise doch einmal zustande. Ihr Brief ist heute morgen mit der Post noch nicht angekommen. An Stödter schreibe ich gleichzeitig. Gestern nachmittag war ich bei Prof. Neuß in Bonn; es war sehr deprimierend. Er reist übrigens im Oktober nach Spanien und hat schon alle Ausweise. Ich freue mich sehr darauf, Sie Freitag abend wiederzusehen und hoffe, Sie gesund und fröhlich anzutreffen. Mit herzlichem Gruß und Kuss immer Ihr Carl
764
Rafael Calvo Serer (1916–1988), Historiker und Philosoph. Kurt Zierold (1899–1989), Verwaltungsjurist, in verschiedenen Kultusministerien tätig, 1949 Geschäftsführer der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, 1952–1964 Generalsekretär der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Zierold wollte Schmitt ein Stipendium verschaffen; s. Schmittiana NF I, 2011, S. 315 f. 766 Walter Warnach (1910–2000), Philosoph, Kunstkritiker. 765
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Im September begibt Duschka sich nach Heidelberg in die von dem Internisten Richard Siebeck geleitete Ludwig-Krehl-Klinik. Dort werden ein Krebsgeschwür im Dickdarm sowie Abszesse in der Lunge festgestellt. Die Operation kann den Krebs nicht aufhalten, so dass sie im April 1950 erneut und am 30. Juli zum letzten Mal nach Heidelberg fährt. 1949-09-30 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/11–13
Plettenberg, 30. 9. 49, Freitag Meine liebe Duškica, heute Morgen kam Ihr Brief vom 28. Sept. hier an. Vielen herzlichen Dank! Wir sind alle sehr froh, Nachricht von Ihnen zu haben. Es war gut, dass Sie endlich die Reise nach Heidelberg gemacht haben. Das Ergebnis der Untersuchung wollen wir in aller Ruhe abwarten. Das wichtigste ist, dass Sie endlich bei einem richtigen Arzt sind. Grüßen Sie Prof. Siebeck herzlich von mir. Ihr Reisebericht hat uns natürlich auf das höchste interessiert. Von Blischke lege ich eine Karte bei. Sie müssen ihn auf der Rückreise besuchen.767 Von hier ist nicht viel besonderes zu berichten. Es geht alles seinen normalen Gang. Wir essen bei Tante Ännchen zu Mittag, bisher war es immer gut und angenehm. Abends essen wir formlos, ohne darunter zu leiden. Anima geht jeden Morgen pünktlich in die Schule. Sie ist gesundheitlich ganz ausgezeichnet in Verfassung. Mischo768 zeigt sich wenig und kommt nur zum Mittagessen. Von der Ratte ist nicht die geringste Spur mehr zu finden; sie scheint das Zimmer geräumt und auf das Feld zurückgekehrt zu sein, falls Mischo sie nicht doch noch gefangen hat. Deswegen brauchen Sie sich wirklich keine Sorge mehr zu machen, liebe Duschka. Tante Ännchen besorgt die Milch und macht mein Bett. Alles ist völlig normal. Gestern, Donnerstag, erschien plötzlich Alfons Adams, der sich mit einer Karte angemeldet hatte, aber die Karte kam nur einige Minuten vor ihm um 9 Uhr morgens an. Wir haben uns gut unterhalten; er hat bei Tante Ännchen 767
Werner Blischke, der schon in Berlin für die amerikanische Militärregierung gearbeitet hatte, war jetzt in Frankfurt für sie tätig; die Familie war von Berlin nach Frankfurt umgezogen. Kurz darauf wurde er Referendar im hessischen Justizdienst; s. seinen Brief an Schmitt vom 4. 7. 1949 (RW 265 Nr. 1454) sowie Briefe an Duschka in: RW 265 Nr. 29942. 768 Kater.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
mit zu Mittag gegessen. Um 3 Uhr holte uns der Wagen von Peterheinrich [Kirchhoff] ab, wir tranken bei ihm in Werdohl Kaffee und fuhren zu viert nach Iserlohn, um die Ausstellung von Wessel769 zu sehen. Alfons Adams fuhr aber gleich nach Menden weiter. Die Ausstellung war insofern interessant, als Wessel viel philosophische und literarische Spekulation in seine Bilder malt, worunter die Farben leiden; aber wahrscheinlich ist es so, dass er kein Meister der Farbe ist und den Mangel mit Spekulationen ausgleicht. Wir haben viel geredet, bis ½ 10 abends. Er hat in Iserlohn ein herrliches Atelier in einem alten Turm. Das müssen Sie sich einmal ansehen. Berke770 kann er nicht vertragen; das ist ihm zu „abstrakt“. Was er „Figurismus“ nennt, ist Literatur. Montag wollen Kirchhoffs zu Frl. Thomée771 nach Altena fahren und auch Holthaus772 mitnehmen. Den Besuch, den Schroers773 für den 9. Oktober angesagt haben, will ich absagen. Es wird mir zuviel. Dienstag den 27. 9. waren Gaupp774 und Kreutzer775 zum Kaffee bei uns; wir haben uns gut unterhalten. Post ist nicht viel gekommen in diesen Tagen, auch keine Geld. Auf die ersten Nachrichten von Maiwald und Jos. Kaiser bin ich gespannt. Bisher schweigen beide. Aus Assisi ist für Anima ein Brief von Francesco Vincente776 gekommen. Es ist herrliches Wetter. Bisher haben wir den Ofen nicht anzumachen brauchen. Ich schicke Ihnen den Ljesskow und den Notizblock; ferner einen Brief einer mir unbekannten Frau Koch. Frl. schickte eine Rechnung über 24,60 Mark; ich habe sie auf Anfang Oktober vertröstet. Tante Üssi schreibt nett aus dem Oldenburgischen. Dass Prof. Brecht777 Ihnen Blumen schickte, ist lieb und rührend. Forsthoff müssen Sie viel erzählen; ich überlege immer noch eine Antwort auf seinen Brief, hoffe aber im Stillen, dass ich sie ihm mündlich geben kann.778 Han769
Wilhelm Wessel (1904–1971), Maler und Graphiker in Iserlohn; Giesler (2010), S. 12 ff. 770 Hubert Berke (1908–1979), Maler und Graphiker. 771 Margret Thomée, s. unten, Brief vom 3. 10. 1949 (Schmitt schreibt „Thomae“). 772 Heinrich Holthaus (1903–1980), Bildhauer, arbeitete von 1946 bis 1953 in Plettenberg-Eiringhausen; Giesler (2010), S. 11 f.; Hüsmert, S. 20 f. 773 Rolf Schroers (1919–1981), Schriftsteller; van Laak, S. 251–255. 774 Nicht ermittelt. 775 Nicht ermittelt. 776 Nicht ermittelt. 777 Franz Josef Brecht (1899–1982), Philosophieprofessor in Heidelberg, 1945 entlassen, ab 1950 an der Wirtschafthochschule Mannheim. 778 Gemeint ist vermutlich eine Antwort auf den Brief Forsthoffs vom 18. 9. 1949; BW Forsthoff, S. 54–56.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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nes Schneider arbeitet fleißig an seinem Korreferat für Heidelberg (20. Oktober soll der Kongress statfinden).779 Sagen Sie Forsthoff, es sei in England 1948 eine Schrift über Nürnberg erschienen von einem angesehenen alten Juristen, J. H. Morgan (Prof. emeritus des Verfassungsrechts an der Universität London), die meine Gutachten vom Sommer 45 bezüglich der Kriminalisierung des Angriffskrieges bestätigt, ohne mich natürlich zu nennen.780 Grüßen Sie alle, Forsthoff, Achelis, Brecht; schreiben Sie mir auch, ob Siebeck noch jugendlich ist, und fragen Sie nach Kütemeyer781. So, meine lieben Duschka, damit will ich für heute schließen. Befolgen Sie alle Ratschläge von Prof. Siebeck gut und haben Sie keine andere Sorge als dass Sie sich richtig ausheilen und erholen. Ich will bald wieder nach Walberberg gehen, vielleicht schon nächste Woche, wenn nichts dazwischen kommt, z. B. ein Besuch von Schmoller, der sich angemeldet hat. Lassen Sie sich die Äpfel und Trauben gut schmecken und seien Sie nicht zu eilig mit Ihrer Abmagerungskur! Herzliche Grüße und Küsse Ihres Carl [Zusatz von Anima:] Liebe Mamica! Vielen Dank für Deine Zeilen an mich! Hier klappt alles gut, die Ratte lässt nichts von sich sehen und hören. Der nächtliche Schreck hat sie wohl vertrieben. Mischo benimmt sich gleichfalls gut. Die Schule ist ganz nett, heute haben wir schon wieder einen Aufsatz geschrieben. (Ich durfte meine Reise anbringen.) Gleich muss ich zum Spanisch, ich schreibe bald mehr. Viele, viele liebe Grüße und viel Erholung und Freude Deine Tochter Anima Grüße alle, die Du triffst und die ich kenne, auch herzlich von mir.
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Auf der Staatsrechtslehrertagung 1949 in Heidelberg hielt Hans Schneider einen Vortrag. 780 J. H. Morgan, The great assize. An examination of the law of the Nuremberg Trials, London 1948. 781 Wilhelm Kütemeyer (1904–1972), philosoph.-theolog. Schriftsteller und psychosomatisch-anthropologisch orientierter Mediziner. Über seine Kierkegaard-Darstellung vgl. Glossarium, S. 20 und 23.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1949-10-03 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/15
Plettenberg, Montag, 3. Oktober 1949 Meine liebe Duschka! Herzlichen Dank für Ihren Brief vom 28. September! Es ist gut, dass der Eiter jetzt endlich beseitigt wird. Seien Sie deshalb nicht traurig, dass es lange dauert. Wenn die Sepsis eingetreten wäre, so wäre das tausendmal schlimmer gewesen. Dem guten Prof. Siebeck bin ich unendlich dankar. Seinen Brief mit der Bescheinigung habe ich erhalten.782 Heute habe ich Ihnen 200 M (von den 400 für Oktober) mit der Post geschickt. Ich hoffe, noch etwas Geld zu bekommen (Haustein hat heute 70 M geschickt783); den Antrag wegen der 500 M extra stelle ich nicht gern, besonders jetzt nicht, wo die Frist wegen der Entnazifizierung abläuft. Am 18. Oktober müssen die Anträge eingereicht sein. Ich will Ihretwegen mit dem Mann, der das bisher in Plettenberg machte, sprechen; eventuell müssen Sie einen Antrag unterschreiben. Was mich selber angeht, so kann ich mich noch nicht entschließen. Haustein rät mir zu, aber es gibt dabei ein Risiko für mich, und der Gewinn im günstigsten Falle wäre die Aussicht auf eine höchst problematische und erniedrigende Pension. Ihr Fall, liebe Duschka, liegt ganz anders und einfach. Mit diesem Brief schicke ich die Abmeldung beim Lebensmittelamt, die ich heute morgen besorgt habe. Frl. Wustrau habe ich 24,60 M bezahlt. Ich habe mir ein Paar Schuhe bei Grote gekauft, für 29,50. Für die Reise nach Köln Mitte Oktober hoffe ich mit 30 M auszukommen. Ännchen habe ich 40 M für 10 Tage Kostgeld bezahlt. Die Miete noch nicht. Tante Üssi ist noch nicht zurück. Gestern nachmittag hatte ich Besuch von einem Referendar aus Köln, abends von Johanna und Luischen, die heute morgen abgereist sind. Ich habe 2 Lot Kaffee dafür gestiftet und etwas Butter und Wurst. Von Dr. Albert Hofmann784 aus Basel erhielt ich einen höchst interessanten Aufsatz über ein Phantastikum aus der Mutterkorn-Gruppe, das Hofmann an 782
RW 265 Nr. 29827. Honorar für Schmitts Aufsatz über das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, der in der Zeitschrift „Der Eisenbahner“ unter dem Autorennamen „Präsident Haustein“ in mehreren Folgen erschien; s. unten, Brief Schmitts vom 5. 10. 1949. 784 Albert Hofmann (1906–2008), mit Ernst Jünger befreundeter Chemiker, entdeckte bei seiner Forschung am Getreidepilz Mutterkorn das LSD, das er in Selbstversuchen ausprobierte. 783
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sich selber ausprobiert hat. Der Aufsatz ist im Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie erschienen, Bd. LX, 1947. Fragen Sie bitte Prof. Siebeck, ob er Interesse dafür hat. Heute Nachmittag werde ich mit Kirchhoffs und Holthaus Frl. Thomées Sammlung785 besehen. Anima ist brav und fleißig. Mohler wird Ende Oktober heiraten.786 Jos. Kaiser und Maiwald haben sich noch nicht gemeldet. Von der Ratte ist tatsächlich nichts mehr zu merken. Mischo ist meist bei Tante Ännchen. Viele herzlichen Grüße und Küsse und alle guten Wünsche von Ihrem Carl Viele, viele lieben Grüße, Brief soll folgen!!! Anima 1949-10-05 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/17–19
Plettenberg, 5. Oktober Mittwoch mittag Meine liebe Duschka, heute morgen kam Ihr Brief von vorigen Sonntag hier an. Inzwischen werden Sie meinen 1. Brief vom 30. 9. und den Ljesskow, und den 2. Brief von Montag, dem 3. 10., sowie die 200 M erhalten haben. Das Nachthemd schicken wir gleich als Päckchen. Wenn Sie mehr Geld brauchen, schreiben Sie bitte gleich. Ihr Brief von Sonntag klingt etwas traurig. Ich fürchte, dass Sie zu schnell wieder zurück wollen, wegen des Geldes oder aus anderen Gründen. Das dürfen Sie nicht tun, liebe Duschka. Jetzt, wo Sie angefangen haben, müssen Sie die Behandlung durch Prof. Siebeck auch gründlich zu Ende führen. Vor allem muss der Eiter ganz aufhören, sonst werden Sie im Winter wieder krank. Machen Sie sich also keine Sorgen, mein guter Schatz. Wir werden 785 Es handelt sich um die Kunstsammlung des Altenaer Landrats Fritz Thomée (1862–1944), die nach seinem Tode unter den Erben aufgeteilt wurde; hier ist der an die Tochter Margret Thomée gefallene Teil gemeint. 786 Armin Mohler (1920–2003), Publizist, 1949 bis 1953 Sekretär von Ernst Jünger und Lektor des Heliopolis-Verlages, arbeitete an seiner Dissertation über die Konservative Revolution, was ihn zu Schmitt führte. Mohler heiratete 1949 Edith Weiland. Vgl. Carl Schmitt, Briefwechsel mit einem seiner Schüler. Hrsg. von Armin Mohler, Berlin 1995.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
hier ganz gut fertig. Das Mittagessen bei Tante Ännchen und das Abendessen oben bei uns, das Anima sehr schön kocht, das geht ganz gut. Im Haushalt ist alles in bester Ordnung. Die Elektrizitätsrechnung belief sich auf 22,50 Mark; ich habe sie bezahlt. Tante Üssi will Samstag zurückkehren. Ich habe jetzt noch 140 M. Für die Reise nach Köln will ich 40 M zurücklegen; bleiben noch 100 Mark, mit denen Anima und ich bequem noch einige Wochen auskommen. Mischo hat diese Nacht das Küchenfenster schmutzig gemacht, indem er von außen daran sprang, um ins Zimmer zu kommen. Von der Ratte fehlt jede Spur. Ännchen hat heute Wäsche. Sie wäscht mir 1 Oberhemd, 3 Kragen und 3 Taschentücher, sodass ich für meine Reise nach Köln genug habe. Leider kann ich die Leibbinden (die alte Flanell und die von Frl. Geschke gestrickten) nicht finden. Wissen Sie, wo sie sind? Ich versuche für Hannes das Heft 4 des Repetitoriums zu machen; es ist eine schauerliche Arbeit.787 Ich schreibe heute Frl. Euteneuer, um ihr etwas zu diktieren. Gestern und heute vormittag habe ich den Ofen im Arbeitszimmer angemacht. Es ist aber nachmittags herrlichstes Wetter. Montag nachmittag war ich mit Kirchhoffs und Holthaus bei Frl. Thomée in Altena. Die Sammlung ist geradezu wunderbar, eine wirkliche Galerie, mit ganz großen Kostbarkeiten, Bilder von Rogier van der Weyden788, Madonnen und Plastiken, die viele Millionen Dollar wert sind. Einen solchen Reichtum hätte ich nicht erwartet. Sie müssen das unbedingt sehen. Abends haben wir bei Kirchhoffs zu Abend gegessen und etwas Wein getrunken. Wir waren aber alle etwas müde. Gestern morgen, Dienstag, kam endlich der erwartete, hochdiplomatische Brief von Joseph Kaiser aus Tübingen. Darüber wird Anima Ihnen besonders berichten; sie hat den Brief in ihr Italienisches Tagebuch aufgenommen und abgeschrieben; so schön ist er; so fein formuliert. Anima kam nicht darin vor; er hat sie auch nicht am Schluss grüßen lassen, während er bittet, Frau Schmitt seine Empfehlungen und Grüße zu sagen. Im übrigen erzählt er von den bedeutenden Gesprächen, die er in Rom mit dem Jesuitenpater Dr. Leiber789 gehabt hat, der jeden Abend dem Heiligen Vater Vortrag hält. Der Heilige Vater selbst hat Joseph in einer Audienz empfangen und mit ihm ein Gespräch über die Konkordatslage in Deutschland geführt. Joseph will Ende 787
Schmitt schrieb durch Vermittlung von Hans Schneider ein Repetitorium zum Völkerrecht, das zwischen 1948 und 1950 in vier Teilen anonym erschien; nicht einmal der Verleger Freymark kannte den Verfasser; s. Schmittiana II, 1990, S. 128. Erstmals unter Schmitts Namen wurde das Repetitorium veröffentlicht von Günter Maschke in: FoP, S. 701–802. 788 Rogier van der Weyden (gest. 1464), flämischer Maler. 789 Robert Leiber (1887–1967), von 1924 bis 1958 einflussreicher Privatsekretär Eugenio Pacellis, der die Konkordate des Landes Preußen und des Deutschen Reiches mit dem Vatikan aushandelte und 1939 Papst Pius XII. wurde.
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Oktober nach USA reisen und deutet an, dass er mich vorher noch einmal sehen wird. Heute, Mittwoch morgen, kam ein Brief von Maiwald aus Meran, vom 28. September. Er bedauert, dass er Anima nicht nach Assisi begleiten konnte; sehr nett und höflich, aber die beiden wesentlichen Punkte – Animas Rückreise und die Drucklegung meiner Abhandlung790 – sind mit Schweigen umgangen. So mein lieber Schatz, das sind die wichtigsten Mitteilungen. Ich habe etwas Rheumatismus im rechten Arm und kann deshalb nicht schön schreiben. Haben Sie Forsthoff das Gutachten und den Vitoria-Aufsatz gegeben?791 Es freut mich, dass Ihnen der Vitoria-Aufsatz gefallen hat. Bisher ist er ohne Echo geblieben. Haustein schrieb, dass die Eisenbahner-Zeitung mit meinem 2. Artikel nicht zufrieden war, weil der Aufsatz zu kritisch wäre.792 Es ist schwer, den Ton richtig zu treffen. Tante Ännchen wäscht heute Ihr Nachthemd, wir schicken es Ihnen sofort, wenn es fertig ist. Auf Wiedersehn, liebe Duschka, lassen Sie sich Zeit für Ihre Gesundheit und grüßen Sie alle guten Bekannten herzlich von mir. Ich bleibe stets Ihr Carl Anima will extra einen Brief schreiben. Ihren Klassenaufsatz über Italien hat Frl. Dr. Crummenerl793 als „ausgezeichnet“ zensiert und mit dem Antrag für den Goethepreis794 eingereicht. 790
Carl Schmitt, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft. Zur komplizierten Drucklegung dieser Schrift vgl. Schmittiana V, 1996, S. 182–190. 791 Gemeint ist das Gutachten über die Kriminalisierung des Angriffskrieges vom Sommer 1945; laut Versandliste (RW 265 Nr. 19600) ging es am 26.9.1949 an Forsthoff; ebenso der spanische Druck des Vitoria-Aufsatzes. 792 In der Zeitschrift „Der Eisenbahner“ schrieb Schmitt unter dem Autorennamen „Haustein“ in mehreren Folgen über das Grundgesetz: Präsident Haustein (= Carl Schmitt), Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. In: Der Eisenbahner 2, September 1949, S. 194–195; November 1949, S. 241–242; Dezember 1949, S. 266– 267; ebd. 3, Januar 1950, S. 5; März 1950, S. 55–60; April 1950, S. 105–106. Wieder veröffentlicht in: Klaus Hansen/Hans J. Lietzmann (Hrsg.), Carl Schmitt und die Liberalismuskritik, Opladen 1988, S. 175–194. Haustein entschuldigte sich am 24. 3. 1949 für die Autorenangabe: „Leider ist eine Panne passiert. Denn obwohl ich ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, ich sei nicht der Verfasser, bin ich als solcher bezeichnet worden. Das ist mir umso peinlicher, als ich dabei auch noch als Präsident aufgeführt worden bin.“ Nach: Schmittiana II, 1990, S. 131. 793 Charlotte Crummenerl (?-1999), von 1945 bis 1959 Lehrerin am Gymnasium Plettenberg, ab 1959 Direktorin des Ricarda-Huch-Gymnasiums in Hagen. 794 Am 21. 5. 1950 schreibt Schmitt an Mohler: „Anima hat den von der Kultusministerin von Nordrhein-Westfalen gestifteten Goethepreis für 6 Bühnenbilder erhal-
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1949-10-16 Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/40; Postkt.795
Meine liebe Duschka, heute haben wir einen schönen Nachmittag bei Günther Krauss in dem Notariatsbüro von Frau Krauss verbracht. Mittwoch werde ich wahrscheinlich in Wiesbaden sein; ich versuche dann vielleicht Donnerstag nach Heidelberg zu kommen. Das wäre schön. Ich schreibe Ihnen bald mehr. Onkel Jup ist sehr erfreut über meinen Besuch. Nebel796 traf ich gestern. Montag bin ich wieder in Plettenberg. Marlies ist sehr fleißig; Anima auch. Herzliche Grüße von Ihrem Carl [Zusätze anderer:] Nehmen Sie unsere herzlichsten Grüße und Wünsche für eine baldige Genesung entgegen. Wir gedenken Ihrer weiterhin in der Hoffnung, Sie bald wieder in unserer Mitte zu begrüßen. Ihre Hubertus und Erika Bung Liebe Frau Schmitt, heute erst kam Ihr Brief und Ihre Adresse. Wir machen uns große Sorgen um Sie. Sehr viel liebe Wünsche und Grüße. Ihre Grete Oberheid Mit besten Wünschen und kompatrinellen Grüßen. H[ans] B[arion] Liebe Duschka! Auf der Rückreise konnte ich nicht in Heidelberg Station machen. Es wäre wunderbar, wenn Sie nach Genesung in Godesberg aussteigen könnten. Wir haben große Sehnsucht, Sie zu sehen. Gute Besserung! Stets Ihr HO [Heinrich Oberheid] K. Tiesler
ten; offenbar hat niemand geahnt, dass sie das Kind eines Teufelsanbeters ist.“ BW Mohler, S. 82. 795 Poststempel „Bad Godesberg, 16. 10. 1949“. 796 Gerhard Nebel (1903–1974), Altphilologe, Schriftsteller, Essayist.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1949-10-18 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/21
Plettenberg, Dienstag, 18. 10. 49 Meine liebe Duschka! Gestern, Montag mittag, bin ich von Köln hierher zurückgekehrt. Ich fand Ihren Brief vom 15. Oktober und die Mitteilung von Siebeck hier vor und war dadurch wieder etwas beruhigt. Frau Oberheid hatte mich sehr in Angst versetzt. Vielen Dank für die schönen Briefe, auch die an Anima und Marlies! Ich erhielt Samstag in Köln ein Telegramm aus Wiesbaden, von Dr. Franzen, der wegen eines Gutachtens fragt und mich Mittwoch (morgen) Abend mit dem Wagen nach Wiesbaden abholen lässt.797 Wie lange ich da bleibe, weiß ich noch nicht, vermutlich 1–2 Tage. Einen Augenblick dachte ich daran, nach Heidelberg zu kommen. Aber das wäre doch zu weit (über 100 km, hin und zurück über 200). Auch möchte ich nicht gerade während der Tagung der Staatsrechtslehrer plötzlich dort erscheinen, als ob ich diesen hässlichen Verfolgern und Verleumdern auch noch nachlaufen wollte.798 Für Montag, den 24., bin ich bei dem Industriellen Schieweck799 in Isingheim bei Eslohe eingeladen und möchte mit Peterheinrich dahin fahren. Ende Oktober will Ernst Jünger mit Nebel 2 Tage in Werdohl verbringen. Auf den Befund wegen der Darmblutung bin ich natürlich sehr gespannt. Bleiben Sie ohne Sorge in der Klinik, liebe Duschka. Ich habe in der letzten Woche Hannes das Heft 4 des Repetitoriums geschickt;800 das macht vermutlich 200 Mark. Für das Gutachten bekomme ich sicher 300 Mark. Auf diese Weise haben wie wieder etwas Geld. Das Honorar von Christ & Welt801 ist immer noch nicht eingetroffen. 797
Hans Franzen hatte 1948 in Wiesbaden eine Rechtsanwaltskanzlei gegründet. Die 1938 aufgelöste „Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer“, wurde 1949 wiederbegründet und tagte erstmalig am 20.–22. Oktober dieses Jahres in Heidelberg. Dabei grenzte man die Aufzunehmenden auf „voll amtierende“ Professoren ein, wodurch die wegen NS-Belastung nicht wieder eingestellten ausgeschlossen blieben; vgl. BW Forsthoff, S. 51 ff. 799 Erich Schieweck (1897–1980); s. Todesanzeige, RW 265 Nr. 21181. 800 s. oben, Brief vom 5. 10. 1949. 801 In der Zeitung „Christ und Welt“ vom 6. 10. 1949 hatte Schmitt unter der Verfasserangabe „st.“ eine Rezension verfasst von: Egmont Zechlin, Maritime Weltgeschichte. Altertum und Mittelalter, Hamburg 1947 (wieder abgedruckt in: SGN, S. 478–480). 798
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Ich habe mich in Köln ganz furchtbar erkältet. Die Tagung der Academia moralis802 war schön, besonders Kaffee und Kuchen, mit dem Frau Dr. Krauss803 und ihre Mutter sich sehr viel Mühe gegeben hatten. Mein Vortrag litt unter meiner Erkältung, die Diskussion litt unter der Neigung Oberheids, lutherische Predigten zu halten, statt zum Thema zu sprechen. Es waren etwa 20 Mann anwesend und 10 Frauen. Wir haben Ihnen eine Karte geschrieben. Ich war sehr bedrückt, weil ich die Nachricht von der eingetretenen Blutung am Samstag durch Frau Oberheid erhielt. Alle lassen Sie herzlich grüßen. Anima ist sehr fleißig in der Schule und wird Ihre Aufträge besorgen. Marlies macht den Haushalt sehr schön. Das beste wäre, wenn sie noch einige Tage oder Wochen nach Ihrer Rückkehr bliebe. Arnold Schmitz werde ich schreiben; vielleicht kann ich mich mit ihm in Mainz treffen. Peterheinrich kam gestern Abend noch, als ich wegen meiner Erkältung zu Bett lag, und brachte eine Flasche Rotwein. Tante Claire und Jup lassen vielmals grüßen. Jup schickt Ihnen den beiliegenden Zeitungsausschnitt. Derselbe Fälscher hat auch viele Berkes gefälscht.804 Ihre Mitteilungen über Frau Jünger, Frau Sombart805 und die schönen Besuche, die Sie bekommen haben, waren für mich eine große Freude. Grüßen Sie alle herzlich von mir, besonders auch Prof. Brecht, den ich sehr liebe. An Achelis werde ich die 2 Gräber schicken.806 Ich habe jetzt durch das Gutachten viel Arbeit. Ob Hannes oder seine Frau Sie wohl besuchen, anlässlich der Tagung? Hannes hat am Donnerstag, den 20., nachmittags ein Referat. Frau Jünger schreibe ich bald nach Goslar. In Köln haben alle über die Strahlungen, die sie „Selbstbestrahlungen“ nannten, geschimpft. Winckelmann schrieb aus Frankfurt, dass er krank ist und wegen Gastritis etc. in die Klinik muss. 802
Die Academia moralis entstand aus einem Freundeskreis Schmitts, der sich 1947 zusammenfand, um „Carl Schmitt in seiner Arbeit und seinem Sein zu stärken.“ Der Name „Academia moralis“ erscheint erstmals um die Jahreswende 1948/49. Ab 1952 war er unter dem Namen „Verein der Freunde der Academia Moralis e. V.“ in das Vereinsregister Düsseldorf eingetragen. Schmitt spricht hier von der 3. Tagung am 15. 10. 1949 im Büro von Günther Krauss in Köln, auf der er einen Vortrag über die „Lage der europäischen Rechtswissenschaft“ hielt; vgl. van Laak, S. 52–63; Schmittiana IV, 1994, S. 119–156 (bes. S. 127 f.). 803 Maria Krauss-Flatten (1909–2001), Rechtsanwältin und Notarin, Ehefrau von Günther Krauss. 804 Dem Brief liegt ein Zeitungsausriss vom 8. 10. 1948 bei, in dem über die Verhaftung des Kunstmalers Robert Schuppner (1896–1966) berichtet wird, der u. a. Bilder von Nolde fälschte. 805 Corina Sombart (1893–1970), Ehefrau von Werner Sombart und Mutter von Nicolaus Sombart; BW Sombart. 806 „2 Gräber“ ist ein Kapitel aus ECS, S. 35–53.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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So, mein guter, lieber Schatz, pflegen Sie sich gut und sorgen Sie dafür, dass Sie den Aufenthalt in Heidelberg gründlich ausnutzen. Ein Glück, dass die Blutung nicht in Plettenberg eingetreten ist. Ich küsse Sie herzlich und bleibe immer Ihr Carl
1949-10-24 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/27–30
Plettenberg, 24. 10. 49, Montag Meine liebe Duschka! Ich bin immer noch glücklich, dass ich Sie gesehen habe und mit Ihnen sprechen konnte, wenn es leider auch nur für eine Stunde war. Sie dürfen sich keine Sorgen machen und müssen nur an die Wiederherstellung Ihrer Gesundheit denken. In dem Unglück einer Krankheit ist es dann doch wieder ein Glück, einen so wunderbaren Arzt wie Siebeck zu haben. Wegen des Geldes steht es jetzt auch besser als bisher. Ich kann Ihnen gleich noch etwas schicken, wenn Sie es brauchen. Heute will ich Ihnen nur einige Nachrichten geben. Ich habe Blischkes in Frankfurt in ihrer Wohnung besucht. Die Freude war rührend. Frau Blischke war besonders lieb und entzückend, auch Christinchen. Blischkes wollen Sie bald, vielleicht schon am nächsten Wochenende (30. Okt.) in Heidelberg besuchen. Ich bin um 1 Uhr in Frankfurt bei Blischkes eingetroffen; wir haben über ¾ Stunden in Frankfurt gesucht, um die Wohnung (im Burgfeld 128) zu finden. Um ¼ 4 nachmittags fuhr ich mit dem Eilzug über Siegen nach Plettenberg und kam ½ 9 zu Hause an. Dort war alles in bester Ordnung. Anima und Marlies waren gerade im Kino, Tante Üssi saß in ihrer Küche und machte Bohnen ein. Auf dem Stehpult lag sehr viel Post, angenehme und unangenehme. Ein schöner Brief von Hannes mit dem Heft 3 des Repetitoriums, eine Einladung für Montag (heute) abend nach Isingheim zu dem Generaldirektor Schieweck, und 2 Briefe von P. Eberhard Welty807. Ein ka807 Eberhard Welty OP (1902–1965), Dominikaner und Sozialethiker, Dozent an der Albertus-Magnus-Akademie, der Hochschule des Klosters Walberberg, gehörte in der NS-Zeit dem Widerstand an, gründete und leitete seit 1946 die Zeitschrift „Die Neue Ordnung“, hatte 1947 maßgeblichen Einfluss auf das Ahlener Programm der CDU. Welty hatte Schmitt schon am 22. 12. 1948 gebeten, ihm den Aufsatz über Donoso Cortés für die „Neue Ordnung“ zu überlassen; für etwaige Schwierigkeiten
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
tholischer Privatdozent, Frhr. von der Heydte808, der schon auf dem Katholikentag gegen mich aufgetreten ist, hat einen sehr üblen denunziatorischen Aufsatz gegen meinen Vitoria-Aufsatz in der „Friedenswarte“ in Genf veröffentlicht.809 Daraus entstand in Frankfurt ein großer Aufruhr gegen mich, sodass P. Welty am Donnerstag, auf telefonischen Anruf von Kogon810, nach Frankfurt fuhr, um das Schlimmste zu verhindern. Während ich ahnungslos meine Gespräche811 in Wiesbaden führte, wusste ich nicht, dass zu gleicher Zeit, einige Kilometer entfernt, eine solche Gewitterwolke aufgezogen war. Nun herrscht natürlich große Aufregung, und ich muss bald nach Walberberg. Leider ist P. Alexander812 von W[alberberg] weggegangen, sodass ich den wichtigsten Freund dort verloren habe. Ferner lag auf meinem Stehpult ein Telegramm von Prof. Beste813: Überraschend war Stepun814 am Samstag nach Neheim gekommen und hielt dort in einer Privatgesellschaft einen Vortrag über Dostojewski. Ich wollte Beste anrufen, aber die Leitung war gestört. Jetzt hoffe ich, ihn dieser Tage zu treffen. Stepun wird wohl inzwischen von Neheim abgereist sein. Gestern, Sonntag nachmittag, war ich wie üblich bei Peterheinrich in Werdohl. Alle lassen Sie herzlich grüßen und Ihnen einen guten Verlauf der würde er die Verantwortung übernehmen; Schmittiana II, 1990, S. 128 ff. Zahlreiche Briefe von Welty in RW 265 Nr. 17911 ff. und RW 579 Nr. 566. 808 Friedrich August Freiherr von der Heydte (1907–1994), Staats- und Völkerrechtler, CSU-Politiker, wurde 1950 von Erich Kaufmann habilitiert und war später Prof. in Mainz und Würzburg. Er gehörte seit 1948 dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an und war Anhänger des Naturrechts. 809 Friedrich A. von der Heydte, Francisco de Vitoria und die Geschichte seines Ruhmes. Eine Entgegnung. In: Die Friedens-Warte. Journal of International Peace and Organization 49, 1949, H. 4/5, S. 190–197. 810 Eugen Kogon (1903–1987), Politikwissenschaftler und Publizist, gründete 1946 mit Walter Dirks zusammen die linkskatholische Zeitschrift „Frankfurter Hefte“. Kogon hatte seine letzten Gymnasialjahre im Dominikanerinternat in Vechta verbracht, wo Pater Laurentius Siemer (s. unten) Rektor und Eberhard Welty sein Klassenkamerad waren; seine Erinnerungen an diese Zeit bezeichnete Kogon als „Glücksfall meines Lebens“; die Dominikaner hatten von daher einen gewissen Einfluss auf ihn. Ansgar Lange, Eugen Kogon als christlicher Publizist. In: Die Neue Ordnung 58, 2004, Nr. 3.; vgl. auch Schmittiana II, 1990, S. 128 ff. 811 Die Rede ist von dem Gutachten für Hans Franzen; s. oben, Brief vom 18. 10. 1949. 812 Alexander Siemer OP (1899–1971), Bruder von Laurentius Siemer OP (s. unten, Brief vom 7. 11. 1949). 813 Theodor Beste (1894–1973), gebürtig aus Neheim, war ab 1939 als Professor für Betriebswirtschaft Kollege Schmitts an der Berliner Universität, nach 1945 Prof. in Köln. 814 Fedor Stepun und Th. Beste waren seit ihrer gemeinsamen Zeit an der TH Dresden befreundet.
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Operation wünschen. Frau Kirchhoff hat das Buch von Semjonow, Die Eroberung Sibiriens815, besorgt und schickt es Ihnen nach Heidelberg. Es war noch eine nette alte Dame, die Schwester der verstorbenen Frau Kirchhoff, mit ihrer Tochter da. Alle sind gespannt auf den Besuch von Ernst Jünger. Wegen der Zuzugsgenehmigung von Frau Jünger meinte Peterheinrich, eine Wohnung sei in Werdohl nicht zu beschaffen; ob sie ohne Wohnung eine Zuzugsgenehmigung bekommen könne, sei zweifelhaft, aber nicht unmöglich; sie solle den Antrag an das Wohnungsamt stellen und ihm schicken, dann werde er versuchen, sie zu empfehlen. Über diese Dinge entscheidet nicht der Bürgermeister, sondern der Stadtdirektor. Ich habe kein angenehmes Gefühl bei der Sache. Doch werde ich an Frau Hahm schreiben. Ich habe Ihnen noch nicht erzählt, dass ich am Freitag, den 14. Oktober, in Elberfeld, als Nebel mich am Bahnhof abholte, plötzlich Herrn vom Bruck816 begegnete, der zufällig von Pyrmont aus in Wuppertal war. Er sieht glänzend, ja strahlend aus und war sehr glücklich über unsere Begegnung. Natürlich lässt er Sie vielmals grüßen. Heute, Montag, werde ich nachmittags um 3 von dem Wagen des Herrn Schieweck abgeholt und abends zurückgebracht. Anima kommt eben aus der Schule, eifrig und vergnügt. Ich füge noch einen Brief von Gebhard817 mit 2 interessanten Jünger-Photos und eine Seite eines älteren Briefes von Hans Schneider bei. Schade, dass ich Ernst Forsthoff nicht gesehen habe. Ich habe jetzt sehr viel Arbeit, hoffentlich wird sie nicht von Frankfurt her gestört. Dass es mit dem Vitoria-Aufsatz zu besonderen Eclats kommen würde, habe ich geahnt. Auf Wiedersehen, mein lieber, schöner Schatz! Ich küsse Sie herzlich und bleibe immer Ihr Carl P.S. Schreiben Sie mir über den Besuch bei Brecht, mit Hans Schaefer818 und Kütemeyer, auch wie Kütemeyer aussieht. Der Arzt Dr. Metten vom Krankenhaus in Heggen (Bruder des berühmten Metzgermeisters in Finnentrop) ist auf der Autobahn verunglückt, 2 seiner Kinder sind verbrannt, er selbst und seine Frau mit schweren Brandwunden verletzt. Die Kinder sind vorgestern beerdigt worden. 815 Juri N. Semjonow, Die Eroberung Sibiriens: ein Epos menschlicher Leidenschaften. Der Roman eines Landes, Berlin 1937. 816 Fritz vom Bruck, Industrieller, in der NS-Zeit Direktor der Hoesch AG. 817 RW 265 Nr. 29590. Klaus Gebhard (1896–1976), Fabrikant, Kunstsammler und Mäzen in Wuppertal. 818 Hans Schaefer (1906–1961), Althistoriker, seit 1941 Professor in Heidelberg.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Gestern war in unserm Haus geheizt. Das schöne Wetter scheint zu Ende zu sein. Ich war gestern bei Knauers819, die Sie herzlich grüßen lassen. Christ & Welt hat das Honorar noch nicht geschickt. Hannes will bald die 200 M schicken. Der Maler Hundt820 war bei Frau Kirchhoff; als diese erwähnte, dass die Bilder, die wir damals zusammen besahen, auch Ihnen nicht gefallen haben, sagte Hundt: Frau Schmitt braucht noch lange nichts von Malerei [zu] verstehen, wenn ihr Mann auch preußischer Staatsrat war. [Zusatz von Marlies Rosenhahn:] Liebe Mamiҫa, schnell – bis mein Abwaschwasser warm ist – möchte ich noch ein paar Zeilen an Sie schreiben. Die Nachricht, die Herr Professor von seiner Reise am Sonnabend abend mitbrachte, hat uns alle sehr bestürzt. Wir können nur hoffen und Ihnen wünschen, dass Sie die Operation ohne irgendwelche Folgen überstehen. Jedenfalls werde wir an den schweren Tagen mit unseren Gedanken und Wünschen bei Ihnen sein. Ungefähr 14 Tage wird es mir noch möglich sein, hier zu bleiben. Dann allerdings wird es höchste Zeit, an die Rückreise zu denken, denn ich möchte nicht bis zur Kälte warten, um meinen Weg über die Grenze – wobei ich zweimal durch Gräben hindurch muss – anzutreten. Es wird mir diesmal schwer, wieder nach Berlin zurückzukehren. Das Leben dort ist ein nicht enden wollender Kampf um innere und äußere Freiheit. Und doch möchte ich meiner Heimatstadt nicht untreu werden. – Hier geht das Leben seinen gewöhnlichen Gang. In den nächsten Tagen wollen wir Wäsche waschen, d. h. Anima wird die Waschfrau bestellen. Wir hoffen nur auf besseres Wetter, damit das Trocknen nicht so lange dauert. Es ist unser Wunsch, Sie würdig zu vertreten und den Haushalt so gut wie möglich in Gang zu halten. In allen Geschäften in Eiringhausen wird meine Zugehörigkeit an der serbischen Tasche erraten. Alle fragen, ob Sie wohl verreist seien und bedauern, Sie nicht selbst bedienen zu können. Im Kino waren wir auch einmal und haben den Film „Begegnung mit Werther“821 gesehen, der teilweise sehr hübsche Stellen hatte, im Großen und Ganzen aber auch mehr versprochen hatte. 819
Walter Knauer (1901–?) war Mitglied der Geschäftsleitung der Schraubenfabrik Graewe & Kaiser in Plettenberg-Eiringhausen und Vorstandsmitglied der dortigen Kunstgemeinde. 820 Hermann Hundt (1894–1974). 821 Verfilmung von Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werther“ unter der Regie von Karl Heinz Stroux, 1949.
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Wir genießen also unser Dasein, besonders ich, denn die arme Anima wird durch ihre Schularbeiten, die die Lehrer natürlich nur aufgeben, um den Schülern das Leben schwer zu machen, sehr in Anspruch genommen. Und nun, liebe Mamiҫa, hoffen wir auf gute Nachrichten von Ihnen. Mit herzlichen Grüßen bin ich Ihre Marlies
1949-10-29 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/25
Pl. 29. 10. 49 Samstag abend Liebe Duschka! Wir warten jetzt alle auf die erste Nachricht über die Operation. Vielen Dank für Ihren Brief von Mittwoch! Ich habe heute 300 M an Sie geschickt. Alle lassen Sie herzlich grüßen und Ihnen guten Ausgang der Operation wünschen: Peterheinrich und Frau, Bestes (bei denen ich gestern einen Tag zu Besuch war; Stepun war sehr traurig, dass wir nicht da waren), Herr Bender822 und natürlich alle Tanten und Marlies. Ich schreibe Ihnen bald mehr; im Augenblick habe ich viel Arbeit. Hannes hat aus Göttingen geschrieben und 240 M geschickt, für das Heft 4.823 Hinter der Denunziation von der Heydte[s] steckt entweder Kaufmann oder Kogon. Ich bin aber nicht mehr besorgt. Die schlauen Bösewichter wussten nicht, dass der Aufsatz gleichzeitig in der führenden spanischen Zeitschrift erschienen ist, und zwar mit meinem Namen.824 Inzwischen ist auch das Honorar von Christ & Welt eingetroffen: 40 M. Das ist genug für die kleine Glosse. Bestes waren wieder sehr gastfreundlich. Morgen nachmittag fahre ich wieder nach Werdohl. Montag abend ist ein Vortrag eines Freundes von Holthaus über einen neuen Dichter, Peters825, im Hause von Pleuger826. 822
Nachbar am Brockhauser Weg in Plettenberg. vgl. oben, Brief vom 5. 10. 1949. 824 Carl Schmitt, La justificación de la ocupación de un nuevo mundo (Francisco de Vitoria). In: Revista española de derecho internacional 2, 1949, S. 13–45. 825 Friedrich Ernst Peters (1890–1962), schleswig-holsteinischer Schriftsteller; s. folgenden Brief. 826 Rudolf Pleuger (1900–1984), niedergelassener Arzt in Plettenberg und Chefarzt des dortigen Ev. Krankenhauses. 823
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Auf Wiedersehen, mein lieber Schatz! Wir haben uns alle über Ihren schönen langen Brief gefreut und hoffen, dass wir bald wieder gute Nachricht von Ihnen bekommen. Mit herzlichem Gruß und Kuss Ihr Carl
1949-11-03 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/34–35 An Frau Duschka Schmitt aus Plettenberg z. Zt. (17 a) Heidelberg Chirurg. Klinik Abt. 2, Privatabt. Prof. Bauer Rödenweg 8
Pl. 3. 11. 49, Donnerstag Mein lieber, guter Schatz, heute Morgen kam der Bericht von Prof. Bauer827 über die Operation; er ist sehr beruhigend und schließt mit der Hoffnung, dass Sie selber bald schreiben können. Das wäre ja wunderschön, aber strengen Sie sich nur nicht zu schnell wieder an. Die Hauptsache ist, dass Sie sich ganz wieder erholen. Bei Prof. Bauer habe ich mich bedankt. Ihr Brief vom Samstag, den 29. Oktober, ist gestern morgen hier eingetroffen. Inzwischen werden Sie unsern Brief vom gleichen Tage und die 300 M erhalten haben. Hier läuft alles in guter Ordnung ruhig weiter. Marlies will allerdings schon dieses Wochenende weg, aber vielleicht bleibt sie noch eine Woche. Anni schreibt sehr nett, aber sie kann vor Dezember (frühestens) von dem englischen Major nicht loskommen. Anima geht seit heute wieder zur Schule. Vorigen Montag abend war bei Pleugers ein Vortrag eines Freundes von Holthaus, Ter Nedden828, über den Dichter Friedrich Ernst Peters. Der Vortrag war gut, etwas zu lang (2 Stunden), und der behandelte Dichter respektabel, aber nicht überwältigend. Es waren etwa 40 Menschen da, darunter 827
Karl Heinrich Bauer (1890–1978), Chirurg, Prof. in Heidelberg und Leiter der Chirurgischen Universitätsklinik. Bauer war ein Mitbegründer der modernen Onkologie. 828 Eberhard Ter Nedden (1908–1986), Theologe und Philologe.
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Frl. Crummenerl und Frau Greve829. Pleugers waren sehr nett und lassen Sie grüßen und gute Besserung wünschen. Peterheinrich fuhr Anima und mich im Wagen hin und zurück. Er war mit seiner Frau auch anwesend. Nachher hatten wir mit dem sehr sympathischen Herrn Ter Nedden ein schönes Gespräch über den Reim. Heute morgen schickte der gute Maiwald 100 M. Ob das Vorschuss auf meine Abhandlung ist, weiß ich nicht. Prof. Carl Brinkmann schickte ein neues Buch über den deutschen Nationalökonomen Friedrich List, das er dem Andenken von Popitz, Jessen, Harms830 und Saemisch831 gewidmet hat.832 Beste erzählte, Brinkmann habe auch eine schwere Operation hinter sich. Ich muss ihm einmal schreiben. An Tante Louise haben wir das Paket gestern eingeschrieben abgeschickt, genau wie Sie geschrieben haben. Mohler schrieb mit seiner Frau eine Karte aus Paris,833 wohin er seine Hochzeitsreise gemacht hat. Einen Brief von Frau Winckelmann834 lege ich bei; ebenso einen von Frau Hahm835, der ich geschrieben habe. Auch den Brief von Frau Jünger kann ich Ihnen nicht vorenthalten.836 Da haben Sie viel zu lesen und brauchen sich nicht mit Konrad Weiß zu plagen. Heute nachmittag um 4 will Peterheinrich mich nach Werdohl abholen lassen. Ernst Jünger und Nebel sollen heute dort erscheinen. Nebel hatte mich für gestern, Mittwoch abend, nach Wuppertal eingeladen, wo auch Sogemeier (!)837 mit eingeladen war. Ich bin aber nicht hingefahren, weil es mir zu anstrengend war. Nun bin ich gespannt, was es mit unserer großen Primadonna heute nachmittag gibt. Der gute Peterheinrich hat schon Lampenfieber von soviel Prominenz. Die Angelegenheit Vitoria ist noch in der Schwebe. Der erste Zweck der Asylschändung ist erreicht: allgemeine Angst und Terror, der jeden Versuch, noch einmal etwas zu veröffentlichen unmöglich macht. Auch Marianne Grewe schreibt nicht mehr wegen des Nomos.838 Das war wohl auch der 829
Ilse Greve (1911–2002), Englischlehrerin Animas (Schmitt schreibt „Grewe“). Bernhard Harms (1876–1939), Nationalökonom, Gründer des Instituts für Weltwirtschaft, mit Popitz befreundet. 831 Friedrich Saemisch (1869–1945), Finanzwissenschaftler und -politiker. 832 Carl Brinkmann, Friedrich List, Berlin/München 1949. 833 RW 265 Nr. 9597. 834 Freda Winckelmann an C. Schmitt vom 31. 10. 1949; RW 265 Nr. 18045. 835 RW 265 Nr. 29942. 836 BW GJünger, S. 121 f. 837 Martin Sogemeier (1893–1962), Wirtschaftsfunktionär, Syndikus in der Eisenund Stahlindustrie; vgl. TB V, S. 241 u. ö. 838 Marianne Grewe, geb. Partsch (1913–2004) war die Ehefrau von Wilhelm Grewe und leitete von 1945 bis 1950 den H. S. Koehler-Verlag in Stuttgart, in dem 830
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Zweck der ganzen Sache. Maiwald schreibt ebenfalls ausweichend und sehr vorsichtig. Doch ist das alles nicht so wichtig, wenn die Walberberger Patres fest bleiben und vor allem, wenn die Spanier richtig reagieren. Es ist aber schwer, sich mit ihnen zu verständigen, weil die Briefe seit einigen Wochen sämtlich von der Zensur geöffnet werden. Vertrauen habe ich am meisten zu Álvaro d’Ors. Günter Krauss soll für die Neue Ordnung einen Gegenaufsatz schreiben und will das auch tun. P. Eberhard Welty hält gut stand. Werner Weber ist neben Kaufmann in den Vorstand der Staatsrechtslehrervereinigung gewählt worden. Von Gueydan der Roussel kam ein Brief aus Argentinien an.839 Er ist ganz Pionier geworden und baut in den Kordilleren eigenhändig für sich und seine Familie ein Haus, das bald fertig ist. Erhard Hürsch840 ist noch nicht bei ihm erschienen. Seine Frau hat sofort nach der Landung in Buenos Aires eine Tochter geboren, das dritte Kind. Es wäre gerade Wahnsinn gewesen, wenn ich nach Buenos Aires gefahren wäre.841 So, mein lieber, tapferer Schatz, jetzt will ich aufhören. Vielleicht bekommen wir bald einen schönen Brief von Ihnen. Grüßen Sie alle Heidelberger Bekannten, Brechts, Forsthoff, Frau Sombart und Nikolaus, vor allem den guten Siebeck und seine Frau. Hans Schaefer hat mir einen kleinen interessanten Aufsatz geschickt. Von Kütemeyer müssen Sie mir noch mehr erzählen. Haben Sie ihm den Namen Theodor Haecker genannt? Ich küsse Sie herzlich und wünsche Ihnen eine gute, gründliche Genesung, liebste Duschka. Mit vielen Grüßen bleibe ich immer Ihr Carl [darunter von Anima:] Schmitt seinen „Nomos der Erde“ zu veröffentlichen hoffte. Vgl. Schmitts Brief an sie vom RW 265 Nr. 13041. 839 RW 265 Nr. 5461. 840 Erhard Hürsch (1920–2009), Photograph und Journalist. 841 Schmitt hatte schon 1948, ermuntert durch Gueydan de Roussel und Prof. Marcelo Sanchez Sorondo von der Universität in Buenos Aires, eine Emigration nach Argentinien ins Auge gefasst und sich um eine Einreisegenehmigung bemüht (vgl. RW 265 Nr. 8880, 13236), die er am 1. 8. 1949 auch vom argentinischen Generalkonsulat in Frankfurt erhielt (RW 265 Nr. 3041, 13028, 4707), zusammen mit einer Informationsbroschüre (RW 265 Nr. 19081). Von Josef Wüst ließ er sich die Habil.Schrift von Wilhelm Rohmeder (Argentinien. Eine landeskundl. Einführung, Buenos Aires 1937) zuschicken. In einem ausführlichen Brief vom 4. 8. 1949 informierte ihn dann Bernhard Wüst, der Argentinien mehrfach bereist hatte und genau kannte, über die dortige Situation und schildert sie sehr negativ (RW 265 Nr. 18431). Vgl. Schmittiana II, 1990, S. 127; Schmittiana III, 1991, S. 56; Schmittiana V, 1996, S. 157.
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Liebe Mamicica! Gerade komme ich aus der Schule, die heute (leider) wieder angefangen hat und freue mich, von Dir gute Nachrichten zu hören. Ich würde Dich sehr gerne in Heidelberg abholen (so bald wie möglich natürlich). Hier ist nichts besonderes passiert. (Papa hat es entschieden leichter, Dir viel zu schreiben, aber er sieht es durchaus nicht ein.) Marlies und ich haben vor einigen Tagen gewaschen und gleich alles gebügelt. Frau Gansler verreist für 14 Tage zu ihrem Sohn nach Bayern. – Hoffentlich bekomme ich die „Primadonna“842 auch noch zu sehen. Viele herzliche Grüße und recht gute + schnelle Erholung Deine Anima Ich soll Dich von Hugo + Lisbeth Kirchhoff, Ernstchen843, Sechtenbecks, Böckers u. Langs grüßen. (Die letzten machen Dich bald zum Mythos!)
1949-11-07 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/37
Pl. 7. 11. 49, Montag Meine liebe, gute Duschka, heute morgen kam Ihr erster Brief nach der Operation. Es hat mich sehr gerührt, dass Sie trotz der Schmerzen geschrieben haben. Geben Sie gut acht, und sorgen Sie gut für Ruhe und Genesung. In allem Unglück war es doch ein großes Glück, dass Sie in Heidelberg bei Prof. Siebeck sein konnten. Machen Sie sich auch keine Sorgen wegen des Geldes. Das wird sich alles von selber finden. Die Hauptsache ist, dass Sie sich gründlich erholen von der schweren Operation. Grüßen Sie Prof. Siebeck und Bauer bestens von mir, und sagen Sie ihnen, wie sehr ich für ihr Interesse und ihre Bemühungen dankbar bin. Meinen Brief vom 2. oder 3. Nov. werden Sie erhalten haben. Er war etwas verklebt, weil ich ihn in Eile noch einmal aufmachen musste, um den Zettel von Marlies hinein zu tun. Marlies ist vorgestern mittag abgereist, nach Cloppenburg, von da will sie über Hildesheim und die schwarze Grenze nach Berlin zurück. Ich habe ihr 50 M gegeben, für die Reise. Sie wollte sie nicht nehmen, aber es ging doch nicht anders. Was sie nicht für die Reise 842
Ernst Jünger. Ernst Hüsmert (1928–2017), Ingenieur und Dichter, Schulfreund von Anima und seit 1947 in Plettenberg enger Vertrauter Carl Schmitts. 843
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
braucht, will sie Anni geben. Von Anni erwarten wir noch Nachricht. Inzwischen ist Frl. Geschke zurückgekommen; sie will mit Ännchen den Haushalt machen. Sie brauchen sich also keine Sorgen zu machen, liebe Duschka. Der Besuch von E[rnst] J[ünger] war sehr anstrengend und ganz unfruchtbar. Am Donnerstag nachmittag (3. Nov.) traf er mit Nebel in Wuppertal ein; wir verbrachten den Nachmittag und den Abend mit Peterh[heinrich Kirchhoff] bis 12 Uhr abends. Die beiden waren noch ziemlich verschwiemelt von dem Abend vorher, an dem sie bei Gebhard bis morgens 4 Uhr getrunken hatten. Am folgenden Tag, Freitag, kamen sie für eine Stunde nach Plettenberg, wiederum sehr müde. Denn in der Nacht vorher war noch ein Frl. von Broich844 aus Wuppertal hinter Jünger hergefahren, kam 12 Uhr nachts bei uns in Plettenberg an und fuhr weiter nach Werdohl, als sie hörte, dass Jünger dort war. Die beiden haben sich dann noch im Hotel zur Post weiter unterhalten. „Das sind so Missgeschicke des Berufs“, sagte Jünger dazu.845 Freitag mittag hatte Anima sich von 11 Uhr ab in der Schule frei genommen. Wir fuhren um ½ 1 nach Werdohl, aßen dort zu Mittag, und fuhren ½ 3 nach Iserlohn zu Wessels. Dort besahen sie das Atelier von Wessels. Um ½ 5 fuhren sie nach Wuppertal zurück. Ich stieg, todmüde, um 5 in Letmathe aus und fuhr mit der Bahn, mit Anima zusammen, nach Plettenberg zurück. Wir beide [waren] völlig erledigt. Der Egoismus Jüngers ist grotesk. Er kann wohl nur noch mit Milliardärinnen und Anbeterinnen umgehen. Mit Frau Kirchhoff hat er kaum ein Wort gesprochen. Peter[heinrich] war entsetzt über die enge, armselige Stimme. „Diesen Kehlkopf möchte ich nicht sehen“, meinte er. Mir tat Jünger in seiner grotesken Ich-Verpanzerung fast leid. Die arme Frau Jünger! In der Sache von der Heydte ist P. Welty vorigen [?] nochmals mit P. Laurentius Siemer846 und P. Koster847 von Walberberg (zu Dritt!) nach Frankfurt 844
Sigrid von Broich, aus Wuppertal gebürtige Journalistin, war das, was man in Rockmusikerkreisen ein „Groupie“ nennt. Gerhard Nebel am 25. 7. 1948 an Jünger: „Vor Fräulein von Broich bin ich, als vor einer Hysterikern, gewarnt worden. Sie soll Zelebritäten ihre Bettgenossenschaft aufdrängen.“ Ernst Jünger/Gerhard Nebel, Briefe 1938–1974, Stuttgart 2003, S. 214. 845 Über Carl Schmitt sagte Jünger 1943: „Als klassischer Rechtsdenker ist er der Krone zugeordnet, und seine Lage wird notwendig schief, wo eine Garnitur des Demos die andere ersetzt. Bei der Heraufkunft illegitimer Mächte bleibt an der Stelle des ersten Kronjuristen ein Vakuum, und der Versuch es auszufüllen geht auf Kosten der Reputation. Das sind so Mißgeschicke des Berufs.“ Ernst Jünger, Strahlungen, Eintrag vom 14. 12. 1943. Schmitt hat diese Beschreibung sehr gefallen. Er verwendete sie 1951 für einen Verlagsprospekt des Greven-Verlags und hielt das „für die richtige Diagnose“ (Glossarium, S. 98). 846 Laurentius Siemer OP (1888–1956), Provinzial der Dominikaner, aktiv im NSWiderstand, konnte sich nach dem 20. Juli erfolgreich der Verhaftung entziehen. Er war mit Eberhard Welty Herausgeber der Zeitschrift „Die Neue Ordnung“.
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gefahren, um weitere Angriffe von von der Heydte und einem Prof. Karl Thieme848 zu verhüten. Dieser letzte, ein Konvertit, der in der Schweiz lebt, Bekannter von Peterson, scheint der schlimmste zu sein. P. Welty hat mich gebeten, bald nach Köln zu fahren und mit P. Laurentius zu sprechen.849 Ich habe vor, ihn Donnerstag, 10. Nov., in Köln zu besuchen. Dann werde ich wohl auch die weiteren Hintergründe kennenlernen. So, mein lieber Schatz, das weitere soll Anima schreiben. Ich küsse Sie herzlich und bleibe immer Ihr Carl Das Päckchen an Tante Louise ist eingeschrieben abgeschickt; genau wie Sie es wünschten. Herr Linden hat einen blauen Wollstoff geschickt; seinen Brief lege ich bei. Anima will heute Abend extra schreiben;850 alle, Tante Üssi, Ännchen, Peterheinrich und Frau, Benders, Prof. Barion, Hannes lassen herzlich grüßen und gute Genesung wünschen. Gestern (Sonntag) Abend war bei Tante Ännchen ein Konzert, zu dem auch Peterheinrich mit Frau (und 4 Flaschen Moselwein) erschienen ist.
1949-11-12 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/41; Ansichtskt. „Köln am Rhein“
12. Nov. 49 Liebe Duschka, ich war Mittwoch bis heute in Köln und fahre morgen, Sonntag, nach Plettenberg zurück. Dort schreibe ich Ihnen einen langen Brief. Sie dürfen sich keine Sorgen machen. 847 Mannes Dominikus Koster OP (1901–1981); vgl. die Dissertation über ihn von Piotr Napiwodzki OP (auch online: https://core.ac.uk/download/pdf/20638488.pdf). 848 Karl Thieme (1902–1963), Historiker und Politikwissenschaftler, 1927 Dozent an der Berliner Hochschule für Politik, 1931 Prof. an der PH Elbing, 1933 als NSGegner entlassen, konvertierte 1934 zum Katholizismus, emigrierte 1935 in die Schweiz, wo er mit Waldemar Gurian zusammenarbeitete, ab 1947 Prof. in Mainz. Ein weiterer Angriff seines Bruders ließ sich aber nicht verhüten: Hans Thieme, Carl Schmitts Apologie. In: Deutsche Universitätszeitung vom 17. 11. 1950. 849 Welty an Schmitt vom 5. 11. 1949; RW 265 Nr. 17915. Welty berichtet von den vierstündigen Gespräch in Frankfurt, an dem auch Walter Dirks, v. d. Heydte und Thieme teilnahmen. 850 Der Brief Animas, in dem der Besuch Ernst Jüngers mit jugendlicher Rücksichtslosigkeit geschildert ist, ist abgedruckt in: Mehring (2012, S. 22 f.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Viele herzliche Grüße. Ihr Carl [Zusätze anderer:] Auch ich wünsche Dir gute Besserung und keine Langeweile. Üssi. Viele Grüße. Päule Mischo geht es gut. Er grüßt auch. Die besten Wünsche zur baldigen Genesung. Ihr Schwager Jup. Viele Grüße von Claire u. Claire-Louischen. Wünsche Ihnen, l[iebe] Frau Schmitt, gute Besserung u. sende Ihnen die herzlichsten Grüße. Frau K. Hamaekers851.
1949-11-16 Duschka an Carl Schmitt Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
Heidelberg, 16. XI. 49 Mittwoch abends Mein liebster Carl, wenn Sie wüssten, mit welcher Sehnsucht und Spannung ich auf den Sonntagsbrief warte mit dem Bericht aus Walberberg. Die Karte hat mich etwas beruhigt, herzlichen Dank. Auch für das Geld, 350 M, danke ich sehr herzlich. Heute möchte ich Ihnen noch einige Zeilen schreiben, damit Sie nicht warten wie ich. An Tante Üssi schrieb ich schon, dass am Samstag und Sonntag Frau Blischke mich besuchte. Wie merkwürdig, dass sie gerade an dem Geburtstag von Tante Louise kam. Sie war ganz rührend. Am Montag frug ich bei der Visite Prof. Bauer, ob er von Breslau den General Marcks kannte. Es stellte sich heraus, dass Prof. Bauer den General nach der Verwundung bei Przemisl wieder hergestellt und geheilt hat. Er kannte ihn sehr gut, war mit ihm befreundet, kannte genau seine Einstellung zu Hitler und zu dem 20. Juli. Er wusste, dass er den Ehrentod an der Front gesucht hat. Prof. Bauer hat noch viele Brief von Marcks.
851
war.
Vermutlich eine Schwester von Jups Frau Claire, die eine geborene Hamaekers
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Die Erinnerung an Marcks und die Zeit von Schleicher an hat mich tief erregt. Hat Ihnen eigentlich Frau Jünger davon geschrieben, dass sie auf einem Schloss den General Ott bei einer großen Abendgesellschaft getroffen hat?852 Am Montagvormittag besuchte mich Forsthoff. Er hat die Friedenswarte gelesen. Ich wollte ihn nicht darum bitten, es ist für mich noch etwas zu früh, üble Sachen zu lesen; ich wollte die Genesung nicht damit stören. Frau Forsthoff hat sich angeboten, für mich zu besorgen, wenn ich etwas brauche. So habe ich f. meine Wünsche . Heute kamen zwei Buben und brachtem mir das Netz voll mit Zitronen, und Äpfel. Das war ein all Besuch in meiner Krankenstube. Gleichzeitig kam Frau Bilfinger mit Blumen und . Sie sehen, mein liebster Schatz, wie lieb für mich von allen Seiten gesorgt wird. Frau B. kann reizend erzählen. Sie hat auch Däubler gekannt. Heute Nachmittag war Prof. Brecht für einer Stunde hier. Er lässt Sie und Anima herzlich grüßen. Heute war ich zum ersten mal richtig angezogen, Fortschritt. Die Wunde ist geheilt; ich kann baden. Viele liebe Grüße für die Tanten und alle Bekannte. Viel tausend liebe Grüße für Sie und Anima von Ihrer Duschka
1949-11-17 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/39
Plettenberg, den 17. November, Donnerstag Heute Morgen, liebe Duschka, kam Ihr Brief an, in dem Sie so schön erzählen, dass Sie sich gut erholen und Eidotter mit Zitrone nehmen. Das ist brav. Ich tröste mich oft damit, dass ich mir sage, nirgendwo hätten Sie es besser finden können als in Heidelberg. Dass Prof. Bauer so besorgt ist, rührt mich sehr. Das wichtigste ist, dass Sie nichts übereilen und nicht meinen, Sie müssten so schnell wie möglich nach Plettenberg zurückkommen. Wenn es gelingt, Sie jetzt vollständig auszukurieren, haben wir noch viel Glück gehabt. Vorigen Sonntag bin ich von Köln zurückgekommen. Der P. Laurentius Siemer in Köln war ganz großartig und stand ganz auf meiner Seite. Auch der gute Pater Eberhard Welty. Infolgedessen werden die Frankfurter Hefte (von 852
Über Gretha Jüngers Kritik an Ott vgl. BW GJünger, S. 175 f.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Kogon geleitet) einen gegen mich gerichteten Aufsatz von Prof. Karl Thieme nicht veröffentlichen. Sie haben aber eine sehr gehässige Mitteilung darüber im Nov. Heft der Frankfurter Hefte veröffentlicht.853 Mir ist das gleich. Ich fürchte auch den Aufsatz von Prof. Thieme nicht. Dieser ist Konvertit und ein Freund Petersons, dessen Rolle in der ganzen Angelegenheit nicht recht klar ist. Ich glaube nicht, dass Kaufmann der eigentliche Urheber ist. Natürlich hat er davon gewusst und sich wohl auch gefreut; von der Heydte wollte sich wohl auch bei Kaufmann beliebt machen, um endlich eine Professur zu erhalten. Der eigentliche Treiber ist Thieme. Das Ganze ist aber im Endergebnis nur Reklame für meinen Vitoria-Aufsatz, neben dem der Artikel von der Heydtes wie eine dummdreiste Wichtigmacherei abfällt. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen deswegen zu machen, liebste Duschka. In Köln traf ich noch Marcus854 und Epting, der im Verlag von Marcus Organisationsleiter ist. Marcus hat große Verlagspläne. Broermann vom Duncker & Humblot Verlag, an den er geschrieben hatte, hat ihm bisher nicht geantwortet. Ich weiß nicht recht, ob ich ihm auch noch schreiben soll. Es kommt ja doch alles von selbst, und ein böse gemeinter Streich wie der des von der Heydte ist besser wirksam als alles, was ich von mir aus unternehmen könnte. P. Laurentius meinte auch, ich könnte mich in Köln entnazifizieren lassen, wo er den maßgebenden Mann kennt. Diesen habe ich auch schon kennen gelernt. Aber bis jetzt kann ich mich doch nicht entschließen. Bei Marcus im Verlag müsste ich Fragebogen ausfüllen etc. Bei Maiwald ist das nicht nötig. Dieser hat den Vortrag über die Lage der Europäischen Rechtswissenschaft jetzt gedruckt;855 ich habe heute die Korrektur bekommen. Maiwald will Anfang Dezember nach Plettenberg kommen. 853
Unter „Mitteilungen“ findet sich hier ein kurzer Text der Redaktion, in dem auf die Kritik von der Heydtes an Schmitt hingewiesen wird und dann heißt: „Uns liegt ein Manuskript von Professor Karl Thieme vor, das in diesem Zusammenhang scharf mit Carl Schmitt abrechnet. Wir haben uns mit der Schriftleitung der ‚Neuen Ordnung‘ in Verbindung gesetzt und festgestellt, dass die Umstände wesentlich komplizierter sind, als es den Anschein hatte. Wir halten es noch nicht für so geklärt, dass wir bereits Stellung nehmen möchten. Die Schriftleitung der ‚Neuen Ordnung‘ wird es vorerst in der Dezember-Ausgabe der Zeitschrift selbst tun.“ (Frankfurter Hefte 4, 1949, S. 985); vgl. Schmittiana II, 1990, S. 128 ff. 854 Carl Marcus (1911–1989), durch den Rechtsphilosophen Carl August Emge lernte er vermutlich in Berlin Carl Schmitt kennen; während des Krieges war Marcus für den Geheimdienst, Büro Jahnke, tätig, danach von 1945 bis 1948 Oberbürgermeister von Rheydt. Siehe Ulrich Schlie, Carl Marcus (1911–1989) und das JahnkeBüro im Fadenkreuz anglo-amerikanischer Dienste im Zweiten Weltkrieg. In: Diplomaten und Agenten. Nachrichtendienste in der Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Hrsg. von Reinhard Doerries, Heidelberg 2001, S. 85–111. 855 Carl Schmitt, Die Lage der europäischen Rechtswissenschaft, Tübingen: Internat. Univ.-Verlag 1950.
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Jup und Claire waren wieder sehr gastfreundlich. Jup möchte gerne wissen, wie der histologische oder sonstige Befund des Tumors war, den man herausgeschnitten hat. Die drei Kinder habe ich wenig gesehen. Claire-Louise hatte ein schönes neues Kleid, bei dessen Entstehen Anima mitgewirkt hat. Ich war Mittwoch/Donnerstag in Walberberg, Donnerstag bis Sonntag in Köln. Ernst Jünger hat sich bei Peterheinrich sehr schön schriftlich bedankt und ein Exemplar der Marmorklippen mit einer schönen Widmung geschickt. Darüber haben sich alle sehr gefreut, sodass ihm nun alles verziehen ist. Ich war gestern Abend bei ihm. Er lässt Sie herzlich grüßen, ebenso Frau Kirchhoff und Frl. Stewens856, die nun hoffentlich bald eine Anstellung bekommt. Ännchen ist wieder sonderbar und schwierig. Tante Üssi arbeitet fleißig im Garten. Anima ist fleißig an ihren Schularbeiten. Sie hat die Einsamkeit sehr genossen. Frl. Geschke wird Ihnen wegen des Haushalts schreiben. Ich weiß mich vor Briefschulden kaum zu retten. Sonntag kommt Frl. Schnevoigt857 von Frankfurt nach Plettenberg. Sie hat Frl. Hasbach in Frankfurt gefunden. Diese ist in der Lutheran World Foundation, Frankfurt-Höchst, Brüningstr. 36. Sie war ganz glücklich von uns zu hören. Frau von Schnitzler hat aus Oberbayern geschrieben,858 wo sie bei Erna Hanfstaengel859 und Frau von Mallinckrodt860 bis Mitte Dezember bleibt. Georg, den sie öfters besucht, ist noch im Gefängnis in Landsberg, bis April 1950.861 Ihren Brief von Sonntag, den 6. November fand ich bei meiner Rückkehr von Köln vor. Ich bin Ihnen dafür sehr dankbar, liebe Duschka. Aber Sie dürfen sich nicht so mit Briefen anstrengen, wo Sie so viele Besuche haben und volle Ruhe brauchen. Den langen Brief über meine Kölner Reise, den 856 Marie Stewens (1899–1981), Germanistin aus Wetter, wo sie auch mit der Familie Kesting bekannt war, Schwägerin von Peterheinrich Kirchhoff. Sie bekam eine Anstellung als Studienrätin für Deutsch und Geschichte in Witten; Glossarium, S. 35 u. ö.; Schmittiana IV, 1994, S. 272–284. 857 Marlies Schnevoigt, Mitarbeiterin des Herder-Verlags, später einer pharmazeutischen Firma in Barcelona. 858 Lilly von Schnitzler an C. Schmitt vom 11. 11. 1949, in: Schmittiana NF I, 2011, S. 185 f. 859 Erna Hanfstaengel (1885–1981), Dame der Gesellschaft in München, mit Hitler befreundet, Schwester von Ernst Hanfstaengel. 860 Vermutlich Lydia von Mallinckrodt (1893–1982), geb. Andrussow, Ehefrau des Bankiers Gustav Wilhelm Otto von Mallinckrodt; vgl. BW Schnitzler, S. 162; Brief an Duschka vom 21. 3. 1947 in: RW 265 Nr. 29942. 861 Georg von Schnitzler ist bereits Ende 1949 entlassen worden.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
ich Ihnen auf einer Karte aus Köln versprochen hatte, habe ich nun leider doch nicht schreiben können, aber Sie sind mir deshalb nicht böse, meine liebe, gute Duschka. Alle Ihre Grüße habe ich bestellt; alle lassen Sie herzlich wieder grüßen. Grüßen Sie von mir alle gemeinsamen Bekannten, besonders den guten Prof. Siebeck und seine Fau, auch Forsthoff, dem ich noch einen Brief schuldig bin, und seien Sie herzlich geküsst von Ihrem Carl Ich bringe den Brief gleich zur Post, damit er noch vor Sonntag bei Ihnen ankommt. Mischo ist ganz besonders lieb und hat offenbar große Sehnsucht nach Ihnen.
1949-11-20/21 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/42; Kunstkt. „Kopf der hl. Elisabeth von Tilmann Riemenschneider“
Werdohl, 20. 11. 49 Liebe Duschka, herzlichen Dank für Ihren Brief von Donnerstag, der sich mit meinem Brief gekreuzt hat. Wir haben uns alle sehr gefreut, dass Sie sich so gut erholen. Morgen schreibe ich mehr. Anima ist sehr lieb und fleißig. Frau Kirchhoff hat mir die „Palette“862 geliehen. Immer Ihr Carl [Zusätze anderer:] Sehr geehrte, liebe Frau Schmitt, wir freuen uns über jede gute Nachricht und hoffen, Sie bald wieder zu sehen. Mit herzlichen Grüßen Ihr Peterheinr. Kirchhoff Herzliche Grüße und viele gute Wünsche. Ihre Hilde Kirchhoff Liebe Micacica! Ich habe gerade mit Frl. G[eschke] gewaschen u. bin furchtbar stolz. Tausend Grüße Anima. 21. 11. 49 862 Gretha von Jeinsen [= Gretha Jünger], Die Palette. Tagebuchblätter und Briefe, Hamburg 1949.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1949-11-22 Duschka an Carl Schmitt Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
Heidelberg, 22. XI. 49 [darunter von C. S.:] Dienstag. Liebster Carl, herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Sonntagsbrief mit den vielen guten Nachrichten. Damit war ich reichlich entschädigt für das lange Warten. Wie schön, dass die Patres sich so mutig gezeigt haben und zu Ihnen halten. Nun bin ich sehr gespannt, ob Sie mit dem Druck bei Maiwald zufrieden sein werden. Jetzt werde ich mir die Friedenswarte durch Forsthoff besorgen lassen und sie lesen. Prof. Bauer habe ich die Bitte von Jup wegen des histologischen Befundes übermittelt und ihm die Adresse von Jup gegeben. Das tut er nicht gerne, er sagte zu mir, dass er sonst nur an den überweisenden Arzt diesen Bericht gibt, aber ich hoffe, er wird es doch tun. Ich sagte zu ihm, es sei ein Schwager, den ich sehr liebe und der immer ein lebhaftes Interesse an meinem Schicksal hatte. Eben fuhr ein schönes Schiff den Neckar herunter. Gestern hatten wir ein bezaubernd schönes Wetter gehabt mit viel Sonne. Ich war dreimal im Garten spazieren. Am Sonntag besuchte mich Prof. Siebeck. Er hat mich untersucht und will mich gerne noch in seiner Klinik behandeln, damit ich bald reisefähig werde. So werde ich morgen Vormittag wieder über den Neckar fahren in die Klinik zu Siebeck. Ich hoffe, dass ich mich dort schnell erholen werde. Gestern früh habe ich zum ersten mal wieder gebadet, das war wunderbar. Heute muss ich also wieder packen und weiterziehen. Als mich Prof. Siebeck einmal kurz nach der Operation besuchte, erzählte er mir, dass am Abend vorher Prof. Koellreutter bei ihm als Gast war. Sie hatten sich seit der Schulzeit nicht mehr gesehen. Prof. K. ging es ganz gut, er ist durch die Revision des Urteils aus dem Arbeitslager freigekommen, und Prof. Kaufmann hätte sich für K. eingesetzt, dass er mit vollem Gehalt emeritiert wurde.863 Das wollte ich Ihnen immer schon berichten, und jedesmal habe ich es vergessen.
863 Otto Koellreutter wurde im Spruchkammerverfahren 1947 als Hauptschuldiger eingestuft und zu fünf Jahren Arbeitslager verurteilt. Aufgrund seiner Berufung stufte man ihn als minderbelastet ein und entließ ihn nach 13 Monaten. 1949 wurde seine Amtsenthebung rückgängig gemacht,1952 wurde er regulär emeritiert.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Am Sonntagnachmittag besuchte mich Frau Sombart für einige Stunden; sie lässt herzlich grüßen. Gestern Nachmittag kam die Frau von Prof. Schäfer864, die ich nur einmal bei dem Tee bei Brechts gesehen habe. Sie brachte mir schöne Blumen und erzählte, dass ihr Mann noch heute schwärmt von den Vorlesungen, die er bei Ihnen in Bonn gehört hatte. Er ließ fragen, ob er mich auch besuchen dürfte. Es ist eine merkwürdige Sache mit Heidelberg. Ich möchte bitten um den der und einmal und hier. Adio mein liebster Schatz, grüßen Sie alle herzlich, besonders Anima. Herzlichst Ihre Duschka Ich habe etwas Muskelkater von gestern.
1949-11-24 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/43–44
Plettenberg, Donnerstag den 24. November 1949 Meine liebe Duschka, Ihr Brief an mich ist vorigen Samstag hier angekommen, der Brief an Tante Ännchen gestern. Wir sind alle sehr optimistisch und freuen uns, dass Ihre Heilung so gut weitergeht. Der Eifer und die Sorge der beiden Ärzte, Siebeck und Bauer, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Wie merkwürdig, dass Bauer den General Marcks865 kannte. Weiß er auch die Adresse von Frau Marcks?866 Bei uns läuft der Haushalt ganz ruhig weiter. Am Montag war Wäsche. Anima ging nicht zur Schule, sondern machte mit Frl. Geschke unsere ganze Wäsche. Es ging sehr gut; sie haben auch schon gebügelt. Animas Fleiß und Tüchtigkeit macht mir große Freude. Sie ist ein liebes und kluges Kind. Das Mittagessen kocht Frl. Geschke. Die Einkäufe macht Anima. Ich habe Frl. Geschke gestern 20 M als Anzahlung gegeben. Sie selber, liebe Duschka, 864
Hans Schäfer war seit 1932 mit Charlotte, geb. Schrömbgens (1907–1992), verheiratet. 865 Schmitt, bei dem Marcks auch privat Gast war, hat ihn sehr geschätzt, vgl. TB V, S. 89 u. ö. 866 Die Ehefrau von Marcks, Elisabeth Marcks, geb. Tietgen (1894–1965) hat auf Schmitt großen Eindruck gemacht; vgl. TB V, S. 243. Von Erich und Elisabeth Marcks liegen etliche Briefe im Nachlass Schmitts.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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können ja später mit ihr abrechnen. Frl. Geschke will auch helfen, wenn Sie zurückkommen. Anima freut sich schon auf die Reise nach Heidelberg zu Ihnen. Sonntag war ich bei Peterheinrich Kirchhoff in Werdohl. Wir haben Ihnen eine Karte geschrieben. Gestern, Mittwoch, war Alfons Adams hier und besprach mit mir die Sache von der Heydte – Thieme. Er meinte, es wäre vielleicht besser gewesen, wenn Thieme den Aufsatz gegen mich veröffentlicht hätte. Paul Adams schreibt sehr traurig aus München.867 Seine Freundin Ilonka ist immer noch krank. Von Ernst Jünger erhielt ich seinen neuen Roman „Heliopolis“ mit einer Widmung.868 Mohler schreibt auch aus Ravensburg.869 Die Palette von Frau Jünger habe ich inzwischen gelesen; sie ist sympathischer als die Strahlungen ihres Mannes. In Heliopolis ist ein spannendes Kapitel, Ortners Erzählung. Das Buch ist ein Meisterwerk restloser Verwertung jedes Einfalles und der Zusammenstellung völlig verschiedenartiger Elemente zu einem großen Buch.870 Ich habe es noch nicht über mich bekommen, an Jünger zu schreiben. Auch Frau Jünger habe ich noch nicht geschrieben.871 Der Bruder von Hans Liss872 (erinnern Sie sich an den Rittmeister vom Volkssturm, 1944/45, der im August 45 von den Russen abgeholt wurde) ein Dr. Konrad Liss873, schrieb rührend aus Lüdenscheid; er und seine Schwester874 möchten mich gerne sehen, um über ihren Bruder zu sprechen. Sie hatten meinen Namen in Jüngers Strahlungen gelesen und haben von Jünger meine Adresse erhalten. Ich besuche sie vielleicht im Lauf der nächsten Woche in Lüdenscheid. Vorher muss ich wahrscheinlich noch einmal nach Walberberg, Ende November oder Anfang Dezember. Schieweck aus Isingheim will mich im Wagen mitnehmen. Frl. Schnevoigt kam gestern, als Alfons Adams hier war und erzählte von Frl. Hasbach, die bei der Lutheran World Federation in Frankfurt tätig ist. 867
RW 265 Nr. 168. RW 265 Nr. 22017. 869 RW 265 Nr. 9599. 870 Zu der äußerst kritischen Bewertung von „Heliopolis“ durch Schmitt vgl. Glossarium, S. 213, 216, 219 f. 871 Während Schmitt sich in einem Brief vom 25. 11. 1949 an Ernst Jünger eher zurückhaltend über „Heliopolis“ äußert (BW EJünger, S. 241 f.), hat er Gretha Jünger deswegen Anfang Januar in einem heftigen Nachtgespräch in Plettenberg „wenig schonend attakiert“; BW GJünger, S. 126 f. 872 Hans Liss, Major d. R., mit Schmitt durch die Zeit beim Volkssturm 1945 bekannt; TB 1945; Schmittiana II, 1990, S. 125. 873 Konrad Liss (1898–1967), Volkslieddichter, Drehbuchautor und Journalist. 874 Käthe Liss (1890–1973), Musikpädagogin; vgl. ihren Brief vom 22. 11. 1949, RW 265 Nr. 29704. 868
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Sie war ganz glücklich, von uns zu hören und möchte uns gerne wiedersehen. Herr Stiefel875 ist im Januar d. J. gestorben. Ich musste mehrmals zum Zahnarzt. Für Haustein habe ich wieder einen Aufsatz geschrieben.876 Werner Weber schrieb einen etwas gequälten Brief.877 Einen Brief von Herrn Linden lege ich bei.878 Maiwald will in der ersten Dezemberhälfte nach Plettenberg kommen. Sonst ist hier nichts wichtiges passiert. Die Angriffe in den Frankfurter Heften scheinen aufzuhören. Günther Krauss schreibt für die Neue Ordnung einen Aufsatz über Vitoria.879 Heute las ich in der Zeitung, dass Prof. Radbruch880 in Heidelberg, mein Verfolger, im Alter von 71 Jahren gestorben ist. An Forsthoff habe ich immer noch nicht geschrieben, auch nicht an Brecht. Ich werde mit den vielen Briefschulden nicht mehr fertig. Deshalb dürfen Sie auch nicht ungeduldig sein, liebe Duschka, dass ich Ihnen nicht öfters schreibe. Alle Leute fragen nach Ihnen und freuen sich, wenn Sie wieder nach Plettenberg kommen. Von Ott erzählte Ernst Jünger (bei seinem Besuch in Werdohl vor 14 Tagen), dass Ott ein gut gekleideter, etwas geheimrätlich vorsichtiger Mann geworden sei, der bei einem Adeligen in Süddeutschland wohnt und dort das Archiv verwaltet. Er habe sich vorsichtig nach uns erkundigt, ohne weitere Fragen zu stellen.881 Tante Ännchen hat sich über Ihren Brief sehr gefreut. In den letzten Tagen war sie wieder manchmal unerträglich; hoffentlich geht das vorüber. Emil Langenbach will morgen Abend Tante Üssi besuchen. So mein lieber guter Schatz, das sind unsere Nachrichten. Sorgen Sie gut für Ihre Gesundheit, und seien Sie nicht ungeduldig und unvorsichtig. Anima wird Ihnen noch schreiben; sie hat sehr viel zu tun. Alle grüßen Sie bestens und lassen Ihnen gute Genesung wünschen. 875
Nicht ermittelt. Über das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, s. oben, Brief Schmitts vom 5. 10. 1949. 877 RW 265 Nr. 17758. 878 RW 265 Nr. 29700. 879 Günther Krauss, Die totalitäre Staatsidee. In: Die Neue Ordnung 3, 1949, S. 494–508. 880 Gustav Radbruch (1878–1949), Politiker und Rechtswissenschaftler, 1921– 1926 Reichsjustizminister in der Weimarer Republik, ab 1926 Prof. in Heidelberg, 1933 entlassen, 1945 wieder eingestellt. Zu Schmitts Abneigung („Homo homini Radbruch“) vgl. Glossarium. 881 Schmitt hatte „große Sympathie für Ott“ (TB V, S. 202) und schrieb ihm, nachdem er 1949 seine Adresse in Tutzing erhalten hatte, doch blieb Ott reserviert und antwortete nicht; vgl. Glossarium, S. 95. 876
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Ich küsse Sie herzlich und bleibe immer Ihr Carl Hat Nicolaus Sombart schon über die Strahlungen geschrieben?
1949-11-25 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/45; Ansichtskt. „Parkhotel Haus Rechen Bochum, Klubräume“
Pl. 25. XI. 49 Liebe Duschka, heute morgen erhielt ich Ihren schönen Brief vom 22. November; gestern habe ich Ihnen einen Brief an die Chirurg. Klinik geschickt. Auch Ihr Brief an Anima ist heute angekommen. Vielen Dank! Wir freuen uns, dass es Ihnen besser geht und dass Sie sich noch bei Prof. Siebeck erholen. Die Bitte von Onkel Jup habe ich wohl falsch übermittelt; er wollte nicht von Prof. Bauer unmittelbar einen Bericht, sondern nur Sie veranlassen, einmal danach zu fragen. Hoffentlich hat Prof. Bauer das nicht zu sehr verübelt. Nächste Woche schreibe ich mehr! Herzlich Ihr Carl [Zusatz von Anima:] Herzlichen Dank für Deinen lieben Brief. Ich schreibe Dir noch heute einen Brief. Viele, viele Grüße von Mischo und Deiner Anima.
1949-11-29 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/46
Dienstag abend 29. Nov. 1949 Meine liebe Duschka! Wir hoffen nun alle, dass Sie über die schlimmsten Sorgen und Schmerzen hinaus sind. Anima freut sich auf die Reise zu Ihnen und hat schon Urlaub vom 7.–14. Dez. bekommen. Über Ihren Brief vom 22. habe ich mich sehr gefreut. Die Nachricht, dass Koellreuter jetzt sein volles Gehalt wieder bekommt, erklärt es mir, warum er nicht mehr schreibt. Der Angriff von der
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Heydtes und der Frankfurter Hefte ist in der allgemeinen Gleichgültigkeit untergegangen, also ganz ungefährlich. Kaufmann tanzt auf meinem Grabe. Diese Woche, Freitag, fahre ich mit Herrn Schieweck nach Walberberg, für einen Tag. Sonntag will ich mit Wollenweber882 nach Werdohl, zu Peterheinrich. Dienstag nachmittag (6. Dez.) fahre ich mit dem Auto von Peterheinrich nach Lüdenscheid, um Dr. Liss und seine Schwester zu besuchen. Das ist das Programm. Frl. Hasbach hat einen rührenden Brief geschrieben. Ich antworte ihr dieser Tage. Sie wohnt in Höchst bei Frankfurt a. M. An Brecht habe ich die zwei Gräber geschickt.883 Schmoller kommt vielleicht in der nächsten Woche nach Plettenberg. Sonst ist nichts passiert. Vorgestern, Sonntag mittag, fuhr plötzlich ein dicker, gelber amerikanischer Wagen vor, mit der dicken Inschrift USA. Ich dachte schon, ich würde wieder einmal abgeholt. Anima machte auf. Wer war es? Ich glaube nicht, liebe Duschka, dass Sie es raten würden. Es war Otto Kirchheimer884. Dick geworden, sonst unverändert. Wir haben uns 2 ½ Stunden gut unterhalten, dann fuhr er weiter nach Düsseldorf. Er ist in Washington beim State Department und wollte nur sehen, wie es mir geht. Mit Ex captivitate war er nicht zufrieden, weil eine Erklärung über mein Verhalten 1933 fehle. Den Vitoria-Aufsatz gab ich ihm mit.885 Mir hat der Besuch Freude gemacht. Ich glaube im übrigen nicht, dass er in der Sache viel bedeutet. Es war eine Regung menschlichen Interesses an meinem Schicksal, mehr nicht. Aber das war es und insofern immer noch sympathischer als das typische Verhalten der deutschen Kollegen. K[irchheimer] war auf dem Staatsrechtslehrertag in Heidelberg. Über Jüngers „Heliopolis“ hat Friedhelm Kemp eine ziemlich tödliche Besprechung geschrieben und in der Südd. Zeitung veröffentlicht.886 Er spricht von Jüngers angestrengten Fortschritten in der désinvolture, dem peinlichen 882
S. 20.
Gustav Wollenweber (?-1960), Leiter der Sparkasse Plettenberg; Hüsmert,
883 Am 25. 11. 1949 verschickte Schmitt das Typoskript von „Zwei Gräber“ aus: ECS, S. 35–53; s. Versandliste, RW 265 Nr. 19600. 884 Otto Kirchheimer (1905–1965), wurde 1928 von Schmitt promoviert, emigrierte 1933 nach Frankreich, 1937 in die USA. Kirchheimer, ein Lieblingsschüler Schmitts, war in Paris Mitarbeiter von Horkheimers Institut für Sozialforschung, von 1944–1952 arbeitete er beim „Office of Startegic Services“, dem Vorläufer des CIA, später war er Professor an der New School for Social Research. 885 Den spanischen Druck: Carl Schmitt, La justificación de la ocupación de un nuevo mundo (Francisco de Vitoria). In: Revista española de derecho internacional 2, H. 1, 1949, S. 13–45; s. Versandliste, RW 265 Nr. 19600. 886 Wieder veröffentlicht in: Friedhelm Kemp, Von Poesie bewegt. Hrsg. von Joachim Kalka, Göttingen 2017, S. 327–329. Friedhelm Kemp (1914–2011), Schriftsteller, Literaturwissenschaftler, Übersetzer.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Streben nach „erlesener Geistigkeit“ und sagt (mit Recht): Obwohl Jüngers Erkenntnis auf den Opfersinn gestoßen ist, wird hier schließlich nichts geopfert. „Die ganze Welt liegt wie unter dem teleskopischen Blick eines gläsernen Auges, dessen Träger uns versichert, dass ihm daran der Star gestochen worden sei.“ Mit diesem Satz schließt die Besprechung. Ich fürchte, Jünger ist viel zu selbstverpanzert, als dass er die Gefährlichkeit einer solchen Besprechung überhaupt bemerkt Von Frau Jünger habe ich nichts mehr gehört. Ich bin immer noch traurig von dem letzten Besuch Jüngers in Werdohl und Plettenberg. Das war trostlos. Mohler hat einen rührenden Brief aus Ravensburg geschrieben.887 So, liebe Duschka, das sind unsere Nachrichten. Anima hat gestern Abend den Aufsatz für Haustein geschrieben, viel besser und schneller als Frau Euteneuer. Sie ist überhaupt sehr lieb und brav und backt schon fleißig für Weihnachten. Ännchen ist traurig dran. Aber wir hoffen alle, dass Sie es einigermaßen erträglich finden, wenn Sie nach Plettenberg kommen. Grüßen Sie alle gemeinsamen Bekannten von mir. Leider habe ich immer noch nicht an Forsthoff geschrieben; seien Sie so gut und entschuldigen Sie mich bei ihm. Geben Sie bald Nachricht, wie Anima es machen soll, ob sie abends nach der Ankunft in Heidelberg gleich zu Forsthoff gehen soll. Wieviel Geld soll ich ihr mitgeben, oder soll ich es lieber schicken? Morgen oder übermorgen kommt hoffentlich wieder ein Brief von Ihnen. Darauf freue ich mich schon. Ich küsse Sie herzlich, liebe Duschka und bleibe immer Ihr Carl Frl. Göschenhofer888 hat einen rührenden Brief aus Berlin geschrieben. Corrie889 ist in Salzburg in Tirol bei einem längeren Kursus. 1949-12-01 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/48
Pl. 1. Dez. 49 Donnerstag Meine liebe Duschka, gestern morgen kam Ihr Telegramm, heute Ihr Brief. Anima rüstet sich schon für die Reise. Sie fährt Samstag, 10.48 von Plettenberg, nimmt in Finnentrop den D-Zug nach Frankfurt, wo sie 15.30 ankommt, fährt 16.05 ab Frankfurt 887 888 889
RW 265 Nr. 9599. Nicht ermittelt. Cornelia Popitz (1922–1987), Tochter von Johannes Popitz.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
mit einem Eilzug nach Heidelberg, wo sie 17.55 (also gegen 6 Uhr abends) eintreffen soll. Dann kann sie noch zu Ihnen in die Klinik kommen. Wir sind alle sehr glücklich, dass Sie wieder gesund sind und schon reisen können. Peterheinrich wird Sie gern in Finnentrop abholen. Aus Ihrem Brief entnehme ich, dass Sie am 8. ankommen. Teilen Sie uns die Zeit noch genau mit. Es ist sehr viel zu erzählen, liebste Duschka. Ich fahre morgen früh mit Herrn Schieweck nach Walberberg, will aber womöglich morgen abend wieder in Pl. sein und übermorgen, Samstag morgen, Anima nach Finnentrop bringen. Dieser Brief soll Samstag vormittag in Heidelberg sein, deshalb schicke ich ihn gleich ab. Ich lege 2mal den „Gesang des 60jährigen“ bei, einen für Siebeck, und einen für Brecht.890 Auf Wiedersehen, liebe Duschka, viele Grüße an alle Bekannte, besonders an Siebeck und Forsthoff, und eine gute Reise von Heidelberg nach Plettenberg! Herzlich Ihr Carl Pierre Linn lässt Sie herzlich grüßen; er hat einen schönen und interessanten Brief geschrieben.891 [Zusatz von Anima:] 1000 Grüße hocherfreut! Bis Samstag! Deine Anima
1950-01-05 (?) Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/3; Ansichtskt. „Dominikanerkloster Walberberg“
Meine liebe Duschka, gestern (Dienstag) abend habe ich Sie bei Benders anrufen wollen, aber das Gespräch nach langem Warten schließlich abbestellt. Seit gestern bin ich in Walberberg, Ende der Woche fahre ich zu Onkel Jup und hoffe, nächsten Dienstag wieder in Plettenberg zu sein. An Hannes habe ich geschrieben. Von Köln aus will ich noch einmal versuchen, Sie abends bei Benders anzu890
Es handelt sich um das mit „11. Juli 1948“ datierte Typoskript von „Gesang des Sechszigjährigen“, das dann in ECS, S. 92 f. abgedruckt wurde. Vgl. auch Schmitts Versandliste, RW 265 Nr. 19600. 891 RW 265 Nr. 8863.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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rufen, sagen wir Samstag abend ½ 9. Bei Oberheid war es sehr schön. Zierold habe ich gesprochen, hoffentlich mit Erfolg.892 Adams habe ich geschrieben, dass er am 4. 2. kommen soll. Ich freue mich darauf, Euch alle bald wiederzusehen und grüße herzlich. Immer Ihr Carl
1950-04-13 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/3
Pl. 13. 4. 50 Herzliche Grüße, liebe Duschka, und alle guten Wünsche! Wir freuen uns auf Ihren ersten Bericht! Ich schicke Ihnen den Brief des armen, lieben Mössinger. Sonst ist hier noch nichts neues von der Lenne zu melden. Das spanische Buch über mich habe ich erhalten; eine aufregende Sache.893 Nikolaus Sombart hat einen kleinen, aber sehr bedeutenden Aufsatz (Diktat der Arbeit)894 geschickt. Sagen Sie ihm, wenn Sie ihn sehen, dass ich ihm schreiben werde. Die Schlüssel haben sich trotz langem Suchen nicht gefunden.895 Tante Üssi ist schon gestern Abend 8 [Uhr] wieder angekommen; sie bedauerte sehr, Sie nicht mehr angetroffen zu haben. Anima ist gut abgereist. Viele Grüße an alle Freunde und Bekannten, besonders an Prof. Siebeck! Herzlichst Ihr Carl
892 In der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft hatte es Ende 1949 die Anregung gegeben, Schmitt angesichts seiner angespannten Finanzlage ein Stipendium zu gewähren, was der Generalsekretär der Notgemeinschaft, Kurt Zierold, unterstützte. Schmitt stellte daraufhin im Januar 1950 einen Antrag, der aber dann im Hauptausschuss auf Widerstand stieß. Zierold schrieb ihm am 20. 3. 1950: „Ich bin nicht mehr sehr optimistisch; die Menschen sind engherziger und nachtragender als ich glaubte.“ Vgl. Schmittiana NF I, 2011, S. 315 f. 893 José Caamaño Martínez, El pensamiento jurídico-político de Carl Schmitt, Santiago de Compostela 1950. Exemplar mit Anmerkungen und Einlagen im Nachlass: RW 265 Nr. 28173. Es handelt sich um die Dissertation von J. Caamaño Martínez (1921–1992), der später Professor für Rechtsphilosophie an der Universität Santiago war. 894 Nicht ermittelt. 895 Nicolaus Sombart hatte seine Hausschlüssel verloren und meinte, sie bei seinem Besuch in Plettenberg vergessen zu haben; vgl. BW Sombart, S. 28 f.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1950-04-14 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/7–8
Freitag mittag Hier, liebe Mamica, schicken wir Ihnen das sonderbare Päckchen aus Madrid. Bevor ich Conde896 schreibe, will ich doch lieber Ihre Meinung hören. Gestern abend las ich im „Monat“ (eine Zeitschrift, die nur 1 Mark kostet) einen Bericht über Hitlers letzte Tage.897 Daraus ergab sich, dass der letzte deutsche Chef des Generalstabes, ein General Hans Krebs898, am Abend des 30. April 1945 mit dem General Schukow in Berlin ein wichtiges Gespräch hatte. Es war gerade um die Zeit, als ich von den Russen verhaftet war. Dieser General Krebs war sehr russenfreundlich und scheint ein wichtiger Mann zu sein. Wenn der Aufsatz Sie interessiert, müssen Sie ihn sich kommen lassen (Heft 26 des Monat, Seite 136 folgende). Mich hat das tief beeindruckt, und die Erinnerung an jene Verhaftung und was Sie damals sagten, geweckt (Sie sagten: Das ist Ihre erste Begegnung mit dem Osten.) Bald schreibe ich mehr. Heute Nachmittag kommt Frl. Schnevoigt (anstrengend). Einen Brief von Erhard Hürsch lege ich bei, liebste Duschka. Herzlichen Kuss von Ihrem Carl
896
Francisco Javier Conde (1908–1974), span. Jurist, Philosoph und Diplomat, studierte 1933 bis 1934 in Berlin bei Schmitt und übersetzte ihn ins Spanische; Schmittiana III, 1991, S. 17 f. 897 H. R. Trevor-Roper, Hitlers letzte Tage. Wege der historischen Quellenforschung. In: Der Monat 3, 1950, H. 26. 898 Hans Krebs (1898–1945), der gut Russisch sprach, ging im Auftrag von Goebbels am frühen Morgen des 1. 5. (nicht am 30. 4.) zu General Tschuikow, Oberbefehlshaber der 8. sowjetischen Gardearmee, um ihm den Tod Hitlers mitzuteilen und einen Waffenstillstand anzubieten, was Tschuikow an Generalstabschef Schukow weiterleitete. Nach Rücksprache mit Stalin lehnte Schukow das Angebot unter Hinweis auf die alliierte Vereinbarung der „bedingungslosen Kapitulation“ ab, was wiederum Goebbels ablehnte. Daraufhin nahm sich Krebs am Abend des 1. Mai das Leben.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1950-04-16 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/2; Ansichtskt. „Bonn. Universität“
Pl. 16. 4. Samstag Liebe Duschka, hoffentlich sind Sie gut in Heidelberg angekommen! Wir haben heute Besuch von Herrn v. Medem und bedauern es sehr, dass Sie nicht dabei sind. Vorgestern war Dr. Epting hier. Herzliche Grüße und Wünsche Ihres Carl [Zusätze anderer:] Sehr verehrte, liebe Frau Professor! Es hat mir ganz besonders leid getan, Sie und Anima hier nicht antreffen zu können in diesem schönen Heim, dem Sie noch ganz die alte vertraute Atmosphäre bewahrt haben. Ich darf Ihnen recht gute Besserung wünschen u. hoffen, Sie bei einem demnächst im Zusammenhang mit einem Vortrag von [Erwin von] Beckerath vorgesehenen Besuch wiedersehen zu können. Mit den ergebensten u. herzlichsten Grüßen Ihr Eberhard v. Medem Viele Grüße Anni
1950-04-18 Duschka an Carl Schmitt Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
Heidelberg, 18. April 1950 Liebster Carl, heute, morgens, kam Ihre liebe Karte an, über die ich mich sehr gefreut habe. Am Sonntag hatte ich viel an zuhause gedacht und an den Besuch von Medem. Ich hätte ihn zu gerne gesehen und für ihn etwas Gutes gekocht. Das hat nun Anni sicher gut besorgt. Die bisherigen Untersuchungen haben ergeben, dass sich keine Metastasen gebildet haben. Die Rippenschmerzen sind wahrscheinlich Neuralgie. Seit zwei Tagen bekomme ich Rückenschmerzen und habe gewisse Linderung der Schmerzen. Heute sind auch die Knie geröntgt worden um zu sehen, ob Veränderungen vorhanden sind.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Von Prof. Brunner899 kam aus Zürich ein Telegramm, dass er morgen vormittags mich in der Klinik besuchen wird. Ich freue mich sehr, ihn wiederzusehen. Auf dem Büro erzählte man mir, dass von Tübingen angerufen wurde. Dr. Maiwald ist krank geworden, lag eine Stunde ohnmächtig, und wird heute Nachmittag hier in der Klinik eingeliefert. Er kommt mit dem Wagen, und seine Sekretärin wird ihn begleiten. (Ich nehme an, dass es Frau von Renner ist.). Morgen wird Prof. Siebeck hier sein, dann muss er wieder verreisen. Aber er kann Maiwald wenigstens selber untersuchen. An Dr. Haustein habe ich gestern geschrieben und gebeten, die Fahrt zu verschieben auf Samstag oder Sonntag. Bis jetzt habe ich nur an Forsthoff geschrieben, weil ich noch zu viel Schmerzen hatte. Heute werde ich mich auch noch bei anderen Bekannten melden. Nun bin ich sehr gespannt auf die Meinung von Prof. Brunner. Ich schreibe bald wieder. Von Anima kam auch heute die Karte aus Köln. Viele herzliche Grüße an Anima, Anni und Tante Üssi und Ännchen. Herzlichst Ihre Duschka Bitte Arnold Schmitz und die Familie Kirchhoff in Werdohl herzlich zu grüßen.
1950-04-20 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/5
Plettenberg, den 20. April 1950 Donnerstag Liebe Duschka! Am vorigen Montag kam Ihr erster Brief aus Heidelberg an, der Ihre Ankunft mitteilte, heute morgen der von Dienstag nachmittag, der uns auf den Besuch Brunners bei Ihnen sehr gespannt macht. Ich will Ihnen heute herzlich für die beiden Briefe danken und kurz berichten, was hier in Plettenberg passiert ist. Am Tage nach Ihrer Abreise, Mittwoch den 13. 4., kam Tante 899 Alfred Brunner (1890–1972), Mediziner, Spezialist für die chirurgische Behandlung der Lungentuberkulose, wegen der er Duschka 1929 in St. Gallen mehrmals operiert hatte; seit 1941 Professor an der Universität Zürich und Direktor der dortigen Chirurgischen Universitätsklinik.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Üssi schon aus Köln zurück. Tante Claire ist den 2 Kindern900 nach Cloppenburg nachgefahren. Am Donnerstag den 14. 4. kam das spanische Buch über mich von José Caamaño,901 mit vielen anderen Briefen, darunter von Victor Leemans aus Antwerpen,902 sodass ich viel zu schreiben hatte; Freitag 15. 4. nachmittags kam Epting; wir haben wegen der Drucklegung und Publikation meiner 3 Schriften (Nomos, Ex captivitate und Donoso) bis zum Samstag mittag gesprochen; er gab mir Vorschuss, 50 M. und versprach noch mehr, etwa 100 im April und ebenso im Mai. Epting wohnte bei uns, im Arbeitszimmer. Samstag abend kam Medem; er brachte 2 Flaschen herrlichen Rheinwein mit, den wir gleich tranken, war frisch und nett und völlig unverändert; er hofft, bei Zierold angestellt zu werden. Er wohnte bei uns. Sonntag nachmittag holte Peterheinrich uns ab, Medem trank bei ihm Kaffee und fuhr ½ 7 von Werdohl nach Godesberg zurück. Ich blieb bis ½ 10 und war ziemlich müde. Montag den 17. 4. kam Alfons Adams um 9 Uhr und fuhr nachmittags ½ 6 wieder zurück. Auf Dörr mache ich mir keine Hoffnung mehr.903 Abends um 10 kam Anima aus Köln zurück, etwas übermüdet von den vielen Eindrücken, über die sie Ihnen selber schreiben soll. Dienstag vormittag musste ich nach Altena zum Finanzamt, es ging leidlich. Auf der Rückreise besuchte ich für eine halbe Stunde Peterheinrich in Werdohl, weil Beckerath abtelegraphiert hatte. Mittwoch, gestern abend, kam Maria Weßling; sie wohnt in Animas Zimmer. Das Nähere sollen Ihnen unsere 3 Damen, Anima, Anni und Mia, selber erzählen. Ich schicke Ihnen 2 Durchschläge von Briefen, die Sie interessieren werden. Der Brief über Jünger ist von Gottfried Neesse904. Christ u. Welt vom 13. 4. (mit der Zuschrift von Kempner905) habe ich als Drucksache geschickt. Im übrigen warten wir gespannt auf die Auswirkungen meiner Veröffentlichung 900
Anima und ihre Kusine Claire-Louise besuchten Weßlings in Cloppenburg. Im Auftrag von Caamaño hatte der Verlag Porto in Santiago am 1. 4. ein Exemplar an Schmitt geschickt; vgl. RW 265 Nr. 17206. 902 Leemans an Schmitt vom 14. 4. 1950; RW 265 Nr. 8674. Der flämische Sozialwissenschaftler und Politiker Victor Leemans (1901–1971) hatte 1933 die erste Monographie über Schmitt veröffentlicht; Schmittiana VII, 2001, S. 317–320. 903 Richard-Eugen Dörr (1896–1975), Chemiker, Erfinder und Industrieller. Rolf Stödter hatte Dörr dafür gewonnen, Schmitt einen Beratervertrag für die Phrix-Werke zu geben, um ihn so finanziell zu unterstützen. Daraus ist offenbar nichts geworden; s. Mehring (2009), S. 465; Brief von Dörr an Schmitt vom 4. 5. 1949, RW 265 Nr. 2992. 904 Gottfried Neesse (1911–1987), Jurist, Beamtenrechtler, Kollege Schmitts an der Berliner Universität. 905 Robert Kempner (1899–1993), einer der vier Stellvertreter des Chefs der amerikanischen Anklagebehörde in den Nürnberger Nachfolgeprozessen. Er vernahm Schmitt und hatte sich gegen eine Anklage und für eine Rehabilitierung ausgespro901
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
und auf den Geldbriefträger. Dass Maiwald so krank ist, tut mir sehr leid. In diesem Augenblick ist das besonders traurig. Dass eine große Gemeinheit gegen mich präpariert wird, ist klar. Das Asyl in Walberberg ist endgültig zerstört. In den Ankündigungen der „Neuen Ordnung“ werden meine Aufsätze nicht mehr genannt und die von v. d. Heydte umso stärker hervorgehoben. Ich hätte mir das selber voraussagen müssen, aber ich lasse mich gern illusionieren und enthusiasmieren. Arnold Schmitz erwarten wir Morgen, Freitag, 4 Uhr in Finnentrop. Peterheinrich schickt den Wagen. Wir mussten gestern noch extra nach Mainz telegraphieren, weil das erste Exemplar des Bach-Buches906 noch nicht ganz ausgedruckt ist und er schrieb, er könne „doch nicht mit leeren Händen kommen“! Ich freue mich sehr auf seinen Besuch. Hoffentlich macht Ihnen der Besuch Brunners die erwartete Freude, liebe Duschka. Grüßen Sie alle Freunde und Bekannten herzlich. Nächste Woche hoffe ich Kesting907 zu sehen. Seien Sie nicht traurig und geben Sie uns bald wieder Nachricht. Herzliche Grüße und Wünsche von Ihrem Carl [Zusatz von Anima:] Liebe Mamica! Die Mischis sind reizend u. temperamentvoll. Fibbes ist zum ersten Mal aus eigener Kraft in die große Welt gestiegen. Reaktion: fürchterliches Geschrei. Viele liebe Grüße Deine Anima [Zusatz von Auguste Schmitt:] Herzlichen Gruß von Ihrer Üssi. Schade, dass ich Sie bei meiner Rückkehr von Köln [nicht] getroffen habe. Ich kam schon am Mittwoch Ihrethalben wieder.
chen; seine diversen Äußerungen zu Schmitt sind allerdings nicht konsistent; vgl. Antworten, passim; BW Forsthoff, S. 380. 906 Arnold Schmitz, Die Bildlichkeit der wortgebundenen Musik Johann Sebastian Bachs (Neue Studien zur Musikwissenschaft, 1), Mainz 1950. Schmitz widmete das Buch Carl Schmitt zum 60. Geburtstag. Exemplar mit Anmerkungen und Einlagen im Nachlass: RW 265 Nr. 29174. 907 Hanno Kesting (1925–1975), Soziologe, Kommilitone von Reinhart Koselleck und Nicolaus Sombart in Heidelberg, habilitierte sich 1966 bei Arnold Gehlen und wurde Professor in Bochum. Er stammt aus Witten, wohin Schmitt über Frau Kirchhoff Kontakt hatte.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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[Zusatz von Anni Stand:] Liebe Mamica, uns geht’s ausgezeichnet. Wir schwelgen in ländlichen Genüssen! Die Strickepidemie hat auch Mia ergriffen! 1000 liebe Grüße Anni [Zusatz von Maria Weßling:] Verehrte, liebe Frau Professor! Gestern kam ich hier an und bin ganz begeistert von der wunderschönen Aussicht, die ich hier von Animas Zimmer genieße. Ich wünsche Ihnen gute Besserung und Erholung und grüße Sie herzlichst Ihre Maria Weßling
1950-04-24 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/9
Pl., 24. 4. 50, Montag Georgs-Tag Meine liebe Duschka! Arnold Schmitz war von Freitag nachmittag bis gestern hier. Freitag kam er um 16.02 in Finnentrop an, wo Anima und ich ihn mit dem Wagen von P. H. Kirchhoff abholten. Er wohnte bei Ostermann908. Wir haben uns sehr schön unterhalten. Freitag abend nach dem Essen waren wir im Musikzimmer von Tante Ännchen. Schmitz spielte uns etwas vor, Anima spielte die Chaconne von Händel, sehr schön. Samstag nachmittag ½ 6 fuhren wir nach Werdohl, tranken dort Kaffee, und um 8 fand der Vortrag statt. Ich war mit Anima dort; von Bekannten waren noch da: Colsman909 mit Frau und Sohn, Meyer-Giesow910 mit Frau, zwei Ärzte, Hans Weber911, und einige andere. Arnold Schmitz sprach sehr gut; Meyer-Giesow protestierte aber lebhaft gegen die „Historisierung“ von Bach. Es war sehr anregend und dauerte bis 908
Hotel in Plettenberg-Eiringhausen. Alfred Colsman (1873–1955), Ingenieur, Generaldirektor des Zeppelin-Konzerns, war nach 1945 kurzzeitig Bürgermeister seiner Heimatstadt Werdohl. 910 Walter Meyer-Giesow (1899–1972), Schüler von Hans Pfitzner, Dirigent in Dresden und Berlin, zuletzt am Stadttheater Hagen. 911 Hans Weber (1925–?), Student, später Gymnasiallehrer, 1974–1988 Prof. für Anglistik an der Universität Wuppertal. 909
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
½ 3 Uhr morgens. Am Sonntag morgen stand ich um ½ 8 schon wieder auf und holte A. Schmitz bei Ostermann ab. Weil wir nicht ganz sicher waren, ob P. H. Kirchhoff den Wagen schicken würde, fuhren wir 9.14 mit der Bahn nach Finnentrop. Um 11 kam aber der Wagen pünktlich, und P. H., seine Frau und der Fahrer Schröder waren gekränkt, dass wir so wenig Vertrauen zu ihnen gezeigt hatten. Um 11.11 fuhr Arnold Schmitz mit dem Zug nach Frankfurt zurück. Leider hatte er etwas Nierenschmerzen. So, liebe Duschka, das ist in Eile der erste Bericht über den Besuch von Arnold Schmitz. Heute morgen ist viel Post gekommen, und ich muss zahllose Briefe schreiben. Vom Greven-Verlag912 sind 150 M gekommen. Wir haben also wieder etwas Geld. Frl. Maria [Weßling] ist sehr lieb und nett. Anima schläft auf dem Speicher und hat wenig Zeit für den Besuch. Ännchen war wieder etwas verrückt, so dass wir sie nicht mit nach Werdohl nehmen konnten. Anni ist fleißig wie immer. Ich schicke Ihnen hier einen Einschreibe-Brief von Prof. Steiner; der Brief kam heute morgen an. Antworten Sie ihm selbst. Vielleicht kann auch Haustein Ihnen einen Rat wegen des etwaigen Transportes geben. Ich weiß nicht, was der Transport kostet. Ich meine, es wäre das Einfachste, Steiner den Flügel billig zu lassen.913 Aber ich weiß, dass Sie sich nicht davon trennen wollen. Also entscheiden Sie selbst, wie Sie es für richtig halten. Hoffentlich geht es Ihnen gut und bekommen wir bald gute Nachrichten von Ihnen. Dass ich von Maiwald nichts höre, beunruhigt mich sehr. Aber Sie werden mir wohl bald etwas von ihm erzählen. Auf Wiedersehn, liebe Duschka, viele herzliche Grüße von uns allen, besonders von Ihrem Carl 912 Der Greven Verlag in Köln – „ein überaus solides Unternehmen (durch eine fabelhafte Fahrplan- und Adressbuch-Druckerei krisenfest)“; BW Sombart, S. 31 – verlegte seit 1828 das „Fremden-Blatt der Stadt Köln“ sowie Adressbücher und andere Verzeichnismedien. Am 26. 4. 1949 bekam der Verlag die Lizenz als Buchverlag und gab jetzt auch Sachbücher und Belletristik heraus. Für Schmitt war Greven nach 1945 der erste Verlag, in dem er seine monographischen Schriften publizieren konnte. 913 Es geht um den Flügel Schmitts, der an einen Prof. Steiner vermietet war. Duschka wollte ihn im Zuge der Wohnungsauflösung in Berlin verkaufen, was sich jedoch hinzog und erst 1951 gelang. Das Problem war auch, dass der etwa 17 Jahre alte Flügel der Marke Kohl durch den Bombentreffer 1943 beschädigt war. Bei dem Brief von Döll (s. unten, Brief vom 24.8.50) liegt ein von dem Sachverständigen Emil Manthey angefertigtes Gutachten vom 25. 1. 1944, wonach der Flügel „durch Feindeinwirkung“ „an allen Teilen des Äußeren durch Glassplitter und Glasscherben sehr stark beschädigt worden“ sei, „so dass viele Hunderte von größeren und kleineren Löchern entstanden sind. Die Löcher sind so zahlreich und so tief, dass sie durch ein Abschleifen der Oberfläche nicht verschwinden würden.“ RW 265 Nr. 18627.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1950-05-02 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/29–30
Heidelberg, 2. Mai 50 Dienstag Liebster Carl, gestern, mittags, bin ich von meiner Reise wohlbehalten zurückgekehrt. Es war sehr schön, aber etwas anstrengend. Am Mittwoch gegen Abend bin ich mit Dr. Haustein in Frankfurt angekommen. Die Tochter Ilse und ihr Verlobter waren auch da. Die Frau H[austein] ist lieb und nett, aber man muss sich an ihr Aussehen erst gewöhnen. Am Donnerstag habe ich mit Frau H[austein] gefrühstückt und fuhr dann zum Hauptbahnhof, von wo ich telefonieren konnte. Frau Winckelmann, auf die ich mich am meisten gefreut habe, war leider nicht in Frankfurt. Sie war in Honnef am Rh. zur Erholung. Dr. Winckelmann holte mich um 1 Uhr zum Mittagessen. Die Unterhaltung war interessant, und er war sehr freundlich. Ich berichte Ihnen mündlich über das Gespräch. Um 3 Uhr begleitete mich Dr. W. zu Fuß durch schöne Anlagen zu Frau von Schnitzler. Dort tranken wir Kaffee. Georg v. Sch[nitzler] hat mir besonders gut gefallen. Er hat durch die letzten Jahre so menschliche Züge bekommen. Das Ehepaar Schnitzler will uns Ende Mai besuchen in Plettenberg.914 Um 6 Uhr fuhr ich nach Höchst zu Frl. Dr. Hasbach. Sie war ganz entzückend. Abends war ich noch in der Familie Haustein. Am Freitag 11 Uhr fuhr ich nach Mainz. Die Fahrt war sehr schön an blühenden Gärten vorbei. Zum Mittagessen war ich in Mainz. Die Frau Schmitz hat wieder ihre passive Zeit, und Purzel915 war auch krank. Sie waren alle sehr lieb und herzlich. Die Töchter sind musterhaft erzogen. Am Sonntag waren wir im Dom, und anschließend machten wir einen Spaziergang durch die Stadt. Am Sonntag nachmittags habe ich die Universität besichtigt. Die Tage in Mainz waren sehr schön, Arnold Schmitz hat sich geärgert, dass das Bach-Buch916 noch nicht heraus war. Heute sind wieder viele Aufnahmen gemacht wegen der Schmerzen im Rücken und den Rippen. Ich bin nun wirklich gespannt, ob man etwas findet.917 914 Tatsächlich fand der Besuch am 3./4. Juni 1950 statt; s. den Brief Georg von Schnitzler vom 8. 6. 1950 in: Schmittiana NF I, 2011, S. 190 f. 915 Spitzname der Tochter Maria Magdalena (Madeleine); vgl. die Briefe Schmitts an Arnold Schmitz, Joh. Gutenberg Univ. Mainz, Universitätsarchiv, Nachlass A. Schmitz, Nr. 35. 916 Arnold Schmitz, Die Bildlichkeit der wortgebundenen Musik Johann Sebastian Bachs (Neue Studien zur Musikwissenschaft, 1), Mainz 1950. 917 „Duschka war die ganze Zeit schwer krank und litt Tag und Nacht an fürchterlichen Schmerzen, von denen man nicht wusste, ob sie reine Nervenschmerzen oder
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Ich wollte am Donnerstag oder Freitag reisen und freue mich, wieder zu Hause zu sein. Ich schicke noch ein Telegramm. Es ist dunkel, ich bringe schnell den Brief zum Kasten. Viele herzliche Grüße an alle im Hause. Herzlichst Ihre Duschka
1950-07-31 Duschka an Carl Schmitt Privatbesitz, RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
Heidelberg, 31. Juli 1950 Montag nachmittags Liebster Carl, gestern bin ich planmäßig in H. angekommen. Koffer und Umsteigen war kein Problem. Die Reise war angenehm, besonders durch eine mitreisende Frau, die sich durch seltene Güte auszeichnete. Als ich im Zug saß dachte ich, wir sind alle Drei schöne Nachtwächter. Der Regenmantel, die Lektüre und mein Proviant, alles blieb zurück. Zum Glück hatte ich meinen schwarzen Sommermantel im Koffer, sonst wäre ich „Gologuza“918, wenn ich zum Röntgen muss. Ich hoffe, Anima wird mir den Mantel und die Lektüre zuschicken. Die gute Frau gab mir ein Stück Kuchen und einen Pfirsich, so habe ich nicht gehungert. Sie reiste mit zwei Nichten und war eine unglaublich liebe Tante. Am Abend besuchte mich noch Herr Prof. Siebeck. Er war sehr lieb. Am Donnerstag reist er in Ferien. Er wollte vorher noch die Untersuchung abschließen. Heute vormittags wurden viele Röntgenaufnahmen – Rippen und Wirbelsäule – gemacht, Blutprobe und Blutsenkung und EKG Herzaufnahme. Am Nachmittag noch eine Rippenaufnahme. Mittags besuchte mich Frau Prof. Siebeck. Schwester Änne ist am Samstag in Urlaub gefahren. Ich wohne auf der anderen Hälfte der Station als früher, bin aber sehr gut aufgehoben. Morgen werde Aufnahmen vom Magen und Darm gemacht. Ich habe viel Schmerzen und fühle mich wach und elend. Aber ich hoffe wenigstens, dass man die Ursache finden wird, die mich so quält. So mein lieber Schatz, das ist der erste kurze Bericht. Metastasen (als Folge des Darmkrebses) sind. Schließlich ist sie dann am 30. Juli wieder nach Heidelberg in die Siebeck’sche Klinik gegangen.“ Schmitt an Gretha Jünger, 12. 8. 1950; BW GJünger, S. 133. 918 „gologuza“ (kroat.) = „nackt“.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Ich denke viel an Euch und sende viele herzliche Grüße Mamica Viele herzliche Grüße an die liebe Üssi und das freche Ännchen. Das Türeknallen kann ich ihr nicht verzeihen.
1950-08-03 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/10
Plettenberg, 3. 8. 50 Donnerstag Liebe, gute Duschka, gestern erhielten wir zu unserer großen Freude Ihren ersten Brief aus Heidelberg mit dem Bericht über Ihre Reise. Inzwischen wird die Untersuchung schon weit fortgeschritten sein. Bei uns ist alles planmäßig verlaufen. Frau Scholz hat gestern schön gewaschen. Anima ist brav und fleißig. Mischo hat 4 Junge, ein grauer (wie Fibbes) und drei schwarze. Gestern abend war ich mit Holthaus bei Peterheinrich, der morgen nach Süddeutschland fährt, über Oberammergau. Er hat mir heute morgen 20 Flaschen Wein geschickt. Holthaus fand den Berke großartig, meinte aber, Berke habe zu Hause noch schönere. Am Mittwoch, den 9. Aug. kommen 3 Mann aus Hamburg vom Redaktionsstab des Sonntagsblattes für einen Abend zu Besuch und wohnen bei Ostermann.919 Den Brief von Appel920 lege ich bei. Ich habe viel Arbeit mit der Drucklegung und muss gut aufpassen, um Dummheiten zu verhindern. Ob ich nach Frankfurt und Heidelberg fahren kann, ist noch nicht sicher. Samstag fahre ich mit Anima zu Beste nach Neheim und [zu] Alfons Adams nach Menden. Frau Adams ist in der Eifel zur Erholung. Die 500 Mark von Greven sind gekommen; ich kann aber nur über 400 verfügen. Wieviel soll ich Ihnen schicken? Anima muss ich 30 Mark Schulden bezahlen. Haben Sie schon Forsthoff gesehen? Ich möchte ihn gerne sprechen, aber bis jetzt ist das ganz unmöglich. Die Universitas hat das Honorar noch nicht geschickt. Im Augustheft erscheint wieder ein Aufsatz von mir.921 Ich habe mir noch einige Exemplare von Ex captivitate bestellt, aber noch nicht erhal919
Vgl. RW 0265 Nr. 29914. RW 265 Nr. 458. Appel war ein Pariser Buchhändler, der Schmitt in Berlin während des Krieges kennenlernte. 921 Carl Schmitt, Drei Stufen historischer Sinngebung. In: Universitas 5, 1950, S. 927–931 (Rezension von: Karl Löwith, Meaning in History, Chicago 1949). 920
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
ten. Bald muss ich die Einkommensteuererklärung machen, die am 15. August fällig ist. Von Mohler erhielt ich ohne Brief den Aufsatz Ernst Jüngers über Nihilismus, den er in der Heidegger-Festgabe veröffentlicht hat.922 Heidegger ist jetzt wieder Professor an der Universität Freiburg. Koellreutter will mich im September besuchen. Jetzt sind wir alle gespannt auf Ihren nächsten Bericht. Anima will erst nach dem 20. August nach Cloppenburg fahren. Wollenweber, den ich heute Morgen traf, lässt grüßen und gute Besserung wünschen; alle Krankheiten sind von der Seele her heilbar, sagt er. Mit Recht. Auch Peterheinrich und Frau Kirchhoff lassen grüßen. Vorgestern Abend kam auch Otto Kaiser923 aus Teindeln; er bedauerte, dass er Sie nicht sah; seit 1923 haben wir uns nicht mehr gesehen. Tante Üssi ist lieb und milde, Ännchen sieht man nicht. Es ist schlechtes Wetter, zwischendurch aber mal eine Stunde Sonne. Ich müsste Frau Jünger schreiben, aber es wird mir schwer. Haben Sie Prof. Brecht und Hans Schaefer schon gesehen? Ist Nicolaus noch in Heidelberg?924 Viele herzlichen Grüße, liebe Duschka, von uns allen, von Anima, Tante Üssi, Mischo und besonders von Ihrem auf baldige Nachricht wartenden Carl Das Päckchen ist sicher inzwischen angekommen. Anima bügelt heute den ganzen Tag. Kommen Sie bald wieder zu uns, Mamica. [Zusatz von Anima:] Liebe Mamica! Der Mischo hat seine Rasse großartig behauptet, ein Mischi ist süßer als der andere. (Ein schwarzer hat einen ganz kleinen schwarzen Kragen um den Hals.) Papa ist bis jetzt noch nicht verhungert, die Wäsche ist bereits gebügelt, kurz, es klappt großartig. Mein Selbstbewusstsein wächst laufend. 1000 liebe Grüße, 13 davon an alle, die ich kenne, also bleiben für Dich 987 von Deiner Tochter Anima.
922
Ernst Jünger, Über die Linie. In: Anteile. Martin Heidegger zum 60. Geburtstag, Frankfurt 1950. 923 In TB III ist von Theodor Kaiser aus Teindeln, einem Weiler zwischen Plettenberg und Werdohl, die Rede. 924 Nicolaus Sombart ging 1951 mit einem Habilitationsstipendium nach Paris; s. BW Sombart; Nicolaus Sombart, Pariser Lehrjahre 1951–1954, Hamburg 1994.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1950-08-07 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/11
Plettenberg, Montag, 7. August 1950 Meine liebe Duschka, gestern, Sonntag abend, bin ich mit Anima von einer kleinen Reise nach Neheim und Menden zurückgekehrt. Wir haben uns gut unterhalten, wurden bei Bestes sehr verwöhnt, wohnten im Hotel Nies, und waren gestern nachmittag von ½ 6 bis 9 bei Alfons Adams in Menden, wo wir uns über die guten und schönen drei Kinder, besonders Nenna, sehr gefreut haben. Anima soll Ihnen mehr davon erzählen. Wir warten hier auf Ihren 2. Brief und das Ergebnis der Untersuchung. Ich habe heute morgen das 1. Exemplar von Ex captiviate bekommen und schicke es Ihnen gleich. Übermorgen, Mittwoch nachmittag, kommen die 3 Hamburger vom Sonntagsblatt. Sonst ist nichts neues passiert. Mischo sorgt gut für seine 4 Kinder, die alle noch leben. Bestes und Adams lassen Sie alle grüßen und Ihnen gute Besserung wünschen. Sagen Sie bitte allen Heidelberger Bekannten meine besten Grüße, besonders Forsthoff. Ich küsse Sie herzlich und bleibe immer Ihr Carl
1950-08-10 Duschka an Carl Schmitt Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
Heidelberg, 10. August 50 Donnerstag abends Liebster Carl, herzlichen Dank für das Buch und die Widmung. Ex Captivitate Salus ist ein wunderbares Buch. Die Seiten lesen sich so schön, dass man traurig ist, wenn man aufhören muss. Es tut mir leid, dass ich zu der Begrüßung des Buches nicht ein Glas Wein, mit Ihnen und Anima, trinken konnte. Mit diesem Buch fühle ich mich besonders verbunden, als wenn ich ein Teil davon mitgelitten habe. Ich habe hier in der Buchhandlung zwei Exemplare bestellt. Eines wollte ich Frl. Nücker (Heilgymnastikerin) schenken, weil sie Dr. Ahlmann pflegte und
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
sehr verehrte. Das zweite wollte ich Frau Brecht schenken zur Genesung. Sie ist gestern aus der chirurgischen Klinik nach Hause gekommen, wo sie lange Zeit bei Prof. Bauer war. Erst gestern habe ich mich aufgerafft, bei Freunden anzurufen und mich [zu] melden. Frau Sombart wird mich morgen besuchen, und dann verreist sie nach dem Allgäu. Ich freue mich, sie zu sehen. Frau Bilfinger lag krank an einer leichten Grippe. Sie werden nicht verreisen, weil sie in ihrem Hause Umzug haben. Sie haben das Haus jetzt für sich allein, und werden unten wohnen und oben das Archiv einrichten. Sie hat etwas besonders Liebes, ich mag sie sehr gerne. So mein lieber Schatz, jetzt habe ich alles berichtet. Ich fühle mich noch immer sehr schwach. Einschlafen kann ich erst zwischen 2 und 3 Uhr nachts. Die Verpflegung ist sehr gut und mein Appetit leidlich. Die Hitze ist sehr groß. Oft bin ich traurig, denke über meine Lage viel nach und warte in Ergebenheit, welche Schläge man zu ertragen hat. Viele liebe Grüße von Ihrer Duschka Der Brief muss fort, morgen schreibe ich an meine liebe Anima.
1950-08-14 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/14
Plettenberg, Montag, 14. August Meine liebe Duschka, heute morgen kamen zwei Briefe von Ihnen an: einer für Anima und einer für mich. Wir haben sie beide beim Frühstück in unserer schönen Küche gelesen, waren glücklich, Nachricht von Ihnen zu haben und traurig, dass Sie sich so schwach fühlen und soviel leiden müssen. Mit großer Spannung erwarten wir nun die drei Parisiens925, die morgen vormittag eintreffen sollen. Ich überlege, ob ich nicht im Anschluss an diesen Besuch zu Ihnen nach Heidelberg fahre, weil Haustein mich erwartet und – in seiner rührenden Hilfsbereitschaft – auch schon Beziehungen mit Karl Korn von der Fr[ankfurter] Allg[emeinen] Z[ei]t[un]g angeknüpft hat. Ich würde, je nachdem, erst nach Frankfurt fahren. Sie bekommen noch rechtzeitig Nachricht.
925
Appel mit zwei Begleitern; s. Karte vom 15. 8. 1950.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Ob ich wohl bei Forsthoff wohnen kann? Oder bei Bilfinger, der mehr Platz hat. Forsthoff habe ich heute den Brief von Koellreutter geschickt.926 Gestern habe ich stöhnend die Einkommen-Steuer-Erklärung für 1948 und 49 gemacht. Jetzt muss ich an den Greven-Verlag schreiben wegen einiger Korrekturen. Gestern vormittag war ich bei Knauers, die bald in die Ferien fahren und Ihnen herzliche Grüße und Wünsche sagen lassen. Anima ist eine gute Hausfrau und macht bei allen Gästen den besten Eindruck. Im Augustheft der Universitas ist ein Aufsatz von mir erschienen927; im gleichen Heft einer von Ihrem Freund, dem Chirurgen Brunner.928 Ich schicke Ihnen das Heft. Wenn Kütemeyer da ist, könnten Sie ihm Ex captivitate einmal zeigen. Peterheinrich schickte eine Ansichtskarte aus Badenweiler. Joseph Kaiser hat bei einer Tagung in Königstein Kaufmann getroffen, der sofort über das Referat des armen Joseph herfiel und es zerriss. Der junge Friedensburg hat nochmals aus Speyer geschrieben.929 Epting ist sehr eifrig um den Nomos bemüht;930 er lässt Sie herzlich grüßen und Ihnen gute Besserung wünschen, liebe Duschka. Immer denke ich an die Zeit vor 7 Jahren. Genau am 15. August 1943, eine Woche vor der Ausbombung, hat Appel sich in Berlin von uns verabschiedet. Vor 3 x 7 Jahren, 1929, war ich nach der Operation bei Ihnen in St. Gallen. Damals sind Sie wieder gesund geworden. Heute müssen Sie es auch, gute Duschka. Sie haben noch viele große Aufgaben hier! Auf Wiedersehn, liebste Duschka! Ich küsse Sie herzlich und bleibe immer Ihr Carl
926
Vgl. BW Forsthoff, S. 76 und 382. In seinem Brief vom 22. 7. 1950 (RW 265 Nr. 8001) berichtet Koellreutter Schmitt über die Staatsrechtslehrertagung in Heidelberg. 927 s. oben, Brief vom 3. 8. 1950. 928 Alfred Brunner, Die Chirurgie des Brustkorbs. In: Universitas 5, 1950. 929 RW 265 Nr. 29581. 930 Carl Schmitt, Der Nomos der Erde im Völkerrecht des Jus Publicum Europaeum, Köln: Greven 1950 (5. Aufl. Berlin: Duncker & Humblot 2011).
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1950-08-15 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/1; Ansichtskt. „Plettenberg-Bahnhof/Sauerland“
Dienstag, 15.8.50 Liebe Duschka, Herr Appel ist mit seinen beiden Freunden pünktlich um ½ 12 hier eingetroffen. Die Herrschaften haben mit Anima in Attendorn gegessen und die AttaHöhle besehen. Ich habe vor, Donnerstag nach Frankfurt zu fahren und Donnerstag abend 19.31 in Heidelberg zu sein. Könnten Sie Forsthoff benachrichtigen? Ich kann abends ½ 8 wohl noch für einen Augenblick zu Ihnen kommen. Ich freue mich sehr, Sie bald wiederzusehen, meine liebe Duschka. Herzlich Ihr Carl [Zusatz von Appel?:] Ich bedauere sehr, Sie nicht gesehen zu haben und hoffe, dass Sie bald gesund nach Plettenberg zurück kommen werden. Meine besten Wünsche zur Genesung und meine besten Grüße G. C.
1950-08-15 Duschka an Carl Schmitt RW 265 Nr. 29802/8–9
Heidelberg, 15. August 50 Dienstag nachmittags Liebster Carl, ich hoffe, dass Sie inzwischen den Bericht von Prof. Siebeck erhalten haben. Nun bin ich zwei Wochen hier und habe selbst den Eindruck, schwer krank zu sein. Heute hat Prof. Spang931 zum zweiten Mal die Novocain-Einspritzungen vorgenommen, gegen die neuralgischen Schmerzen. Das erste Mal haben sie die Schmerzen für etwa fünf Tage gedämpft. Er gibt sich die größte Mühe. Ich hatte ihn gebeten, an Jup einen Bericht zu schicken. Jeden zweiten Tag bekomme ich Bestrahlung, die zunächst mal sehr anstrengend sind. Welche Heilwirkung sie bringen werden, kann ich noch nicht sagen. 931 Konrad Spang (1909–2005), Oberarzt an der Ludolf-Krehl-Klinik in Heidelberg, seit 1948 a.o. Prof. in Heidelberg. (Duschka schreibt „Spanger“).
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Frl. Nücker massiert und trainiert meine Beine, weil das Gehen versagte seit Samstag. Ich bewege mich nur im Zimmer, indem ich mich an die Möbel stütze. Der Schlaf bessert sich ein wenig. Es ist sehr schwül und laut. Von den Schwestern werde ich rührend betreut. Das ist der Bericht über meine Lage. Am Sonnabend ist Prof. Forsthoff hier gewesen. Ich habe ihm so ziemlich berichtet, was ich wusste, aber er freut sich natürlich mehr, wenn er einmal persönlich mit Ihnen sich unterhalten kann. Zu der gleichen Zeit kam Frau Bilfinger932 und wollte nicht herein, weil ich Besuch hatte. Sie gab ihren schönen Blumenstrauß und Trauben ab und ging. Es hat mir leid getan, dass ich sie nicht sehen konnte. Heute Morgen gab sie ein kleines Päckchen Kaffee ab; es passte gerade schön, weil ich keinen mehr hatte. Am Sonntag abend kam noch Frau Sombart zum Abschied, mit reichen Gaben. Aus dem Garten einer Tante von Furtwängler brachte sie mir zehn herrliche Pfirsiche. Die Tante wollte mir noch öfter etwas bringen. Das ist so echt Corina. Eine schöne Flasche Rotwein brachte sie auch; davon trinke ich jeden Abend ein Glas als Schlafmittel. Das herrliche Stück Kuchen konnte ich noch Ernst H[üsmert] anbieten, der mich auch am Sonntag abend besuchte. Inzwischen wird er Ihnen schöne Grüße von mir gebracht haben. – Heute denke ich viel an Euch alle und den Besuch aus Paris.933 Nun bin ich sehr gespannt auf den nächsten Bericht, vor allem, ob er Madame Ponceau934 besucht hat. Anbei noch die Adresse von Prof. Siebeck: Hinterwössen, Post Oberwössen Obb. Am nächsten Sonntag hat unser gutes Kind Geburtstag. Morgen werde ich Anima gratulieren. Mit herzlichsten Grüßen Ihre Duschka Es wäre wunderbar, wenn Sie mich besuchen könnten, liebster Carl Herzlichst Ihre Duschka
932
Margarethe Bilfinger, geb. Schuler (1887–1951). C. G. Appel mit zwei Begleitern; s. oben vom 15. 8. 1950. 934 Michelle Ponceau, Witwe des von Schmitt geschätzten Philosophen Amédée Ponceau (1884–1948); BW Mohler, S. 85; BW Sombart, S. 48 f., 165; Glossarium, S. 212, 479. 933
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1950-08-24 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/12–13
Donnerstag, 24. 8. 50 Liebe, gute Duschka, Anima macht das Päckchen mit dem Pfund Kaffee für Schwester Anna zurecht; ich will Ihnen schnell von meiner Rückreise berichten, damit der Brief noch ins Paket kommt und Sie alles vor Sonntag erhalten. Ich bin vorigen Montag mittag von Heidelberg nach Frankfurt gefahren, ging vom Bahnhof Frankfurt gleich in die Wohnung Haustein, wo Frau Haustein mich schon erwartete. Dort ruhte ich von 2–4 Uhr aus. Winckelmanns, die ich telefonisch zu erreichen suchte, waren verreist; zu Schnitzlers kam ich nicht mehr, weil der Wagen von Haustein vergeben war. Die Tochter von Haustein lag krank (Gallenkolik) zu Hause. Den ganzen Nachmittag und Abend sprach ich dann mit Haustein, dem ich auch den Brief von Döll935 zeigte. Haustein musste am andern Morgen nach Bonn. Wir gingen um 6 Uhr früh zusammen zur Bahn. Ich war schon vor 12 Uhr mittags in Plettenberg und fand dort viele Korrekturen vor, ferner einen schönen Brief von Maiwald,936 der von Ex captivitate sehr beeindruckt ist. Dann waren noch 3 (drei!) Briefe aus Wilflingen da, von Frau Jünger937, Carl Alexander938 und Mohler939, alle wegen des bevorstehenden Besuches von Ernst Jünger in Plettenberg. Anima fand das etwas viel. Ich werde aber Frau Jünger nett schreiben.940 Dienstag abend erschien Hans Zehrer mit Frau, Sekretärin und einem Begleiter; sie waren alle müde von der Fahrt. Wir haben uns bei einem Glas Moselwein gut unterhalten. Sie wohnten in Plettenberg im Schützenhof, bei Ostermann war kein Platz mehr. Am andern morgen haben Anima und ich mit ihnen im Hotel gefrühstückt. Anima war von Zehrer begeistert und fand ihn großartig; sie wird Ihnen noch darüber schreiben. Heute mittag erschien unerwartet der weniger interessante Referendar Krug941 aus Remscheid und holte sich Bücher über Hobbes. Ich habe in großer Eile die 2. Korrektur des 935 Klaus Döll in Berlin versuchte, den Flügel, der in der Plettenberger Wohnung nicht unterzubringen war, im Auftrag Duschkas zu verkaufen. Doch sei das in Berlin schwer möglich, da hier Instrumente „so gut wie gar nicht zu verkaufen“ seien. Man müsse ihn nach Westdeutschland schaffen, wo das besser ginge (vgl. Brief von Döll an Duschka, RW 265-18627). Schmitt sprach mit Haustein über einen möglichen Transport mit der Bahn. 936 Vgl. Schmittiana V, 1996, S. 188. 937 BW GJünger, S. 135 f. 938 RW 265 Nr. 6581. 939 RW 265 Nr. 9610. 940 BW GJünger, S. 137 f.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Nomos erledigt, weil Epting schon ungeduldig wurde. Neue Exemplare von Ex captivitate habe ich noch nicht; morgen kommen hoffentlich welche, ich schicke gleich eins an Siebeck942. Ich hatte soviel Arbeit mit den Korrekturen, dass ich noch nicht an Forsthoff oder Haustein meinen Dank schreiben konnte. Jup ist auch da, geht morgen[s] in die Wälder spazieren, badet dann nachmittag[s] und trinkt abends ein Glas Bier. Er erholt sich gut. Alle lassen Sie herzlich grüßen, liebe Duschka, auch Frau Neuhäuser943, die sich sehr eingehend nach Ihnern erkundigt hat. Haustein will Sie bald besuchen. Bei Frl. Frei waren wir noch nicht, gehen aber bald hin, auch zu Frau Bender. Ich bin durch die Eile, mit der es jetzt an die Publikation des Nomos geht, etwas benommen. Grüßen Sie alle Bekannten von mir, die Reise nach Heidelberg war für mich sehr wichtig. Jup zeigte mir den Bericht von Prof. Spang, der im Grunde alles offen lässt. Wir müssen Geduld haben, liebe Duschka, und uns an unsern alten Satz halten: tout ce qui arrive est adorable. Morgen ist der Namenstag von Anima,944 da wollen wir zum Grabe der guten Oma gehen. Anima ist lieb und brav. Jetzt grüße und küsse ich Sie herzlich, liebe Duschka und bleibe immer Ihr Carl Ich füge diesem Brief eine Abschrift des Todesurteils von Popitz bei, die Dr. Wirmer945 gestern geschickt hat, schicken Sie es bitte gelegentlich zurück; vielleicht interessiert es auch Forsthoff. [Zusatz von Anima:] Ich schreibe Dir bald über den Besuch von Zehrer. [Ihn] zu malen traue ich mich nicht ganz, er hat zuviel hintergründige Substanz. Herzlichste Grüße Deine Anima
941
Hans Günter Krug (1926-nach 1985), promovierte 1951 in Köln zum Dr. iur. mit der Dissertation „Der Souveränitätsbegriff in der Staatslehre des Thomas Hobbes“; später Oberstadtdirektor von Remscheid. 942 Schmitt schickte das Buch am 26. 8. an Siebeck; vgl. Versandliste, RW 265 Nr. 19600. 943 Nicht ermittelt. 944 Bezieht sich auf „Louise“, den 2. Vornamen von Anima. 945 RW 265 Nr. 18250. Otto Wirmer (1903–1981), Rechtsanwalt und Schüler Schmitts; der Bruder Josef Wirmer wurde als NS-Gegner 1944 hingerichtet; viele Briefe von Wirmer im Nachlass. Vgl. TB IV, S. 229.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1950-09-04 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/15
Plettenberg, Montag 4. September Liebe Duschka! Heute morgen kam endlich Ihr Brief, auf den wir uns schon lange gefreut hatten. Vielleicht hat es Ihnen einige Erleichterung gebracht, dass inzwischen die Schwüle aufgehört hat und das Wetter kühler geworden ist. Bei uns ist es richtig kalt. Gestern (Sonntag) nachmittag hat Anima bei uns im Arbeitszimmer sogar den Ofen angemacht. Vielen Dank für Ihre Nachrichten und Mitteilungen! Wir müssen jetzt Geduld mit Ihrer Krankheit haben. Anima geht seit Freitag wieder zur Schule, aber Samstag und heute war es nicht so streng, wegen des Plettenberger Schützenfestes. Wir haben uns hier einigermaßen mit unserm kleinen Haushalt eingerichtet. Fräulein Frey kocht gut für uns zu Mittag; abends essen wir ein Butterbrot. Wein ist nicht mehr da; es geht aber auch so. Morgen, Dienstag, kommt Frau Scholz zum Waschen; Anima hat die Wäsche schon eingeweicht. Besuch haben wir nicht gehabt. Jup geht täglich 4–6 Stunden spazieren. Er hat sich wunderbar erholt. Die Psoriasis ist ganz verschwunden. Tante Claire war gestern hier und ist heute mittag wieder abgereist. Wir waren heute morgen zu dritt – Claire, Jup und ich – am Grabe der Eltern auf dem Friedhof. Briefe sind nicht viele gekommen; eine Karte von Frau Hahm946 füge ich bei. Leider sind auch keine Korrekturen des Nomos gekommen, hoffentlich kommen sie bald. Das Echo auf den Aufsatz in der Frankf. Zeitung947 war nicht groß. Aber ich habe noch keine Nachricht von der Redaktion. Maiwald ist noch in Freudenstadt im Krankenhaus. Peterheinrich will Mittwoch zurückkommen. Etwas schönes muss ich Ihnen noch erzählen, liebe Duschka. Der Pflegesohn von Emmi Achterrath948, ein Schwede namens Thorolf Hillblad949, war für einige Stunden in Plettenberg, auf der Durchreise; er ist jetzt im Exporthan946
RW 265 Nr. 29942. Carl Schmitt, Die Weisheit der Zelle. In: FAZ vom 26. 8. 1950 (auch in: ECS, S. 55–78). 948 Plettenberger Jugendfreundin von Schmitt. 949 Thorolf Hillblad (1917–2012), Journalist und Kaufmann, studierte ab 1939 an der Berliner Universität, 1941 trat er freiwillig als Kriegsberichterstatter in die Waffen-SS ein, kehrte 1945 nach Schweden zurück, wanderte 1954 nach Argentinien aus (Schmitt schreibt „Hilbrand“). 947
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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del, ein sympathischer, angenehmer Mann von etwa 35 Jahren. Ich wollte ihn fragen, ob er ein Exemplar von Ex Captivitate mit nach Schweden nehmen wollte, um es an Semjonow zu schicken. Aber bevor ich noch davon gesprochen hatte, erzählte er in seinem langsamen schwedischen Tonfall: er habe einen Freund in Uppsala, einen Russen namens Semjonow, den er alle 2 oder 3 Monate besuche. Wenn er nächstens wieder hinkommt, wird er Semjonow von Plettenberg und von Ihnen erzählen.950 Auch Frau Semjonow und Fedja kannte er gut; Fedja soll ein fleißiger, sehr begabter Junge geworden sein und sehr brav. Paeschke vom „Merkur“ schrieb,951 dass er Nabokov952 auf dem Kongress für Kulturelle Freiheit in Berlin getroffen hat. An Frau von Schnitzler habe ich ein Exemplar von Ex Captivitate geschickt, auch an Arnold Schmitz. Holthaus, der gestern mittag hier einen Besuch machte, hat auch eins bekommen. Auf den Besuch von Ernst Jünger bin ich gespannt. Sie können sich darauf verlassen, liebe Duschka, dass ich mich zusammennehmen werde. Dass Haustein Sie besucht hat, ist rührend. Ich bin immer müde und ohne Energie. Jup meint aber, ich solle den Bruch noch nicht operieren lassen. Im „Spiegel“ stand viel über Sauerbruch; sehr unsympathisch.953 An Forsthoff habe ich noch nicht geschrieben, will es aber bald tun. Bei Prof. Schaefer habe ich mich entschuldigt; er hat sehr korrekt geantwortet.954 So, mein lieber guter Schatz, das als erste Antwort auf Ihren lieben Brief vom 31. August. Anima wird Ihnen noch extra schreiben. Tante Üssi und Jup lassen herzlich grüßen, Ännchen (die 10 Tage verreist war) ebenfalls. Anima spielt die cis-Moll-Etüde von Chopin sehr schön. Das ist meine größte Freude.955 Ich küsse Sie herzlich, liebe Duschka und bin immer Ihr Carl 950 Semjonow bedankt sich am 7. 10. 1950 für das Exemplar, das er von Hillblad erhalten habe; RW 265 Nr. 15105. 951 RW 265 Nr. 10769. Hans Paeschke (1911–1991), Journalist, mit Schmitt seit 1940 bekannt (s. Schmittiana II, 1990, S. 132), gründete 1947 zusammen mit Joachim Moras die Zeitschrift „Merkur“, die er bis 1978 leitete. 952 Nicolas Nabokov (1903–1978), amerikanischer Komponist russischer Herkunft, Vetter des Schriftstellers Wladimir Nabokov. 953 Sauerbruch. Als Kassenpraxis-Löwe. In: Der Spiegel Nr. 35 vom 31. 8. 1950. 954 Hans Schaefer an Schmitt vom 28. 8. 1950; RW 265 Nr. 12299. 955 Op. 25, Nr. 7. Über Schmitts besondere Beziehung zu dieser Musik vgl. TB III sowie oben, Brief Duschkas vom 24. 2. 1946 und Schmitts vom 6. 4. 1947.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1950-09-05 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/17
Plettenberg, Dienstag, 5. September 1950 Meine liebe, gute Duschka, wir sind alle so traurig über den Brief, den Üssi heute morgen erhalten hat.956 Als ich Ihnen gestern schrieb, dachte ich noch nicht, dass Ihre Kräfte so schnell schwinden. Natürlich werden wir alles tun, was Sie schreiben. Ich wollte Sie noch bitten, mir gleich telegraphisch Nachricht geben zu lassen, wenn ich mit Anima nach Heidelberg kommen soll. Auf den Bericht von Prof. Siebeck warte ich noch, aber ich weiß, dass Sie selber am besten über sich im Bilde sind. Einen kleinen Funken Hoffnung habe ich doch noch, wenn ich mich daran erinnere, dass Sie vor 21 Jahren in San Remo und St. Gallen auch so schlimm, ja fast hoffnungslos krank waren. Es ist gut, dass unser Kind so klug und brav ist. Jetzt, wo sie für alles im Haushalt zu sorgen hat, sehe ich, wieviel Substanz sie von Ihnen geerbt hat und freue mich darüber, dass sie sich so gut bewährt. Die letzten 4 Wochen sind wir uns viel näher gekommen als in früheren Jahren. Sie ist ernst und nachdenklich, ohne ihre jugendliche Fröhlichkeit zu verlieren. Das ist sehr schön. Ich wollte gestern in meinem Brief nicht nach dem Geld fragen. Heute habe ich mir 400 Mark auf der Sparkasse geholt, sodass ich jederzeit reisen kann. Hans Zehrer und Haustein werden mir mit Geld aushelfen, wenn es nötig ist. Haben Sie an Linden geschrieben und hat er geantwortet? Die Karte von Frau Hahm wegen des Flügels habe ich gestern beigefügt, weil ich nicht wusste, dass es Ihnen so schlecht geht. Ich werde an Frau Hahm schreiben, Sie brauchen sich nicht darum zu kümmern. An Frau Oberheid habe ich auch geschrieben. Heute morgen kam ein wunderschöner Brief von Georg Daskalakis957 aus Athen, der Sie herzlich grüßen lässt und fragt, ob er Ihnen nicht etwas schicken soll. Er schreibt so treu und anhänglich, dass ich ganz gerührt bin. Erwin von Beckerath schrieb aus Bad Ems,958 wo er sich erholt und wo er in 956
In seinem Brief vom 24. 8. 1950 an C. Schmitt hatte Siebeck geschrieben: „Es ist ein Wendepunkt in Ihrem und damit auch in Frau Schmitts Leben eingetreten.“ RW 265 Nr. 15140. 957 RW 265 Nr. 2777. Georgios Daskalakis (1912–1994) wurde 1938 von Schmitt habilitiert und war später Verfassungsjurist in Athen. 958 Schmittiana NF III, 2016, S. 217.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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der Frankfurter Allg. Zeitung die „Weisheit der Zelle“ gelesen hatte.959 Er teilt mit, dass seine Frau durch eine Penicillin-Kur geschädigt wurde; sie wurde wegen einer Bronchieektasie behandelt. Madame Ponceau hat wieder eifrig geschrieben;960 sie hat Maritain vor die Alternative gestellt. Ich habe ihr geantwortet, dass ich nicht unbedingt Wert darauf lege, mit Maritain wieder befreundet zu werden, damit er nicht meint, ich liefe ihm als dem Sieger nach. So, mein lieber, guter Schatz, jetzt küsse ich Sie herzlich und bitte Sie, nicht bange zu sein wegen Ihrer beiden Waisenkinder. Anima, die in der Schule ist, wird Ihnen auch schreiben. Jup und Üssi lassen vielmals grüßen; die gute Üssi weint den ganzen Morgen. Ich denke an unsern schönen und bewährten Satz: tout ce qui arrive est adorable, und bleibe immer Ihr Carl Sagen Sie der guten Schwester Anna, der Kaffee, den ich geschickt habe, schmeckt viel besser, wenn man ihn kurz vor dem Kochen noch etwas aufröstet. [Zusatz von Anima:] Liebe Micacica! In aller Eile noch recht herzliche Grüße. Ich soll Dir alles Gute von Frau Greve wünschen. Die Schule ist langweilig und weigert sich konsequent, etwas Schreibenswertes geschehen zu lassen. Alles Liebe und Gute Deine Anima
959 960
Carl Schmitt, Die Weisheit der Zelle. In: FAZ vom 26. 8. 1950. RW 265 Nr. 362.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1950-09-08 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29936/7–8961
An Frau Duschka Schmitt aus Plettenberg (17 b) Heidelberg Bergheimerstr 58 Ludolf-Krehl-Klinik Privat Ab. Prof. Siebeck
Plettenberg, den 8. September Freitag abend Meine liebe gute Duschka! Nun ist unser abenteuerlicher Schatz hoffentlich gut bei Ihnen angekommen und wird sich freuen, Sie zu sehen.962 Von Siebeck erhielt ich heute Morgen den traurigen Bericht. Aber Sie haben das ja schon vor Wochen gewusst und gesagt. Frau Jünger schrieb einen hilfsbereiten Brief und will sogar nach Heidelberg oder Plettenberg kommen.963 Ernst Jünger schrieb eine Karte aus Heidelberg; er ist jetzt in Wuppertal; ich habe ihm vorgeschlagen, nach Plettenberg zu kommen. Dr. Epting kommt morgen (Samstag) für einige Stunden zu Besuch. Peterheinrich [Kirchhoff] war gestern abend eine Stunde hier. Alle sind traurig wegen Ihrer Krankheit. Aber ich weiß, dass Sie tapfer sind und bemühe mich auch, es zu sein, liebe, gute Duschka. Ich komme sofort nach Heidelberg, wenn ich Nachricht erhalte und bitte Sie, nicht zu lange mit einer Nachricht zu warten. Anima wird mir wohl viel erzählen. Hier sind alle, Jup, Üssi und Ännchen sehr taurig und sehr gut gegen mich. Ich küsse Sie herzlich, mein lieber Schatz, und hoffe, Sie bald zu sehen. Aus ganzer Seele immer Ihr Carl
961 962 963
Auf dem Briefumschlag notiert: „wichtig“. Anima besuchte ihre Mutter in Heidelberg. BW GJünger, S. 139 f.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1950-09-12 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/19–21
Plettenberg, den 12. 9. 1950 Dienstag Meine liebe, gute Duschka! Anima ist gestern nachmittag von ihrer Reise zurückgekehrt und hat mir viel erzählt. Es war doch gut, dass sie gefahren ist. Wenn Sie es für richtig halten, dass ich komme, müssen Sie mir Nachricht geben; mein guter Schatz. Ich denke immer an Sie. Hier ist es einsam und traurig ohne Sie, auch Mischo drückt sich herum und weiß, dass etwas nicht stimmt. Wir schicken Ihnen heute 2 Pfund Kaffee. Er ist viel besser, wenn man ihn etwas nachröstet. Am Samstag habe ich 100 Mark mit der Post an Ihre Adresse geschickt. Vorgestern, Sonntag, habe ich in Werdohl bei Peterheinrich nachmittags Ernst Jünger getroffen, der von Wuppertal kam. Wir waren von 4–9 zusammen, davon zwei Stunden auf einem Spaziergang allein. Das Gespräch war lebhaft und gut. Ich glaube, dass die Verkrampfung behoben ist und will das auch Frau Jünger schreiben.964 Jünger erzählte auch von seinem Besuch bei Ihnen und sprach mit viel Liebe und Bewunderung über Sie. Das hat mir sehr gut getan. Er fühlt sich auf dem richtigen Wege und nimmt keine Kritik in sich auf. Aber er war höflich und respektvoll, und das stand ihm sehr gut. Jedenfalls ist diese Wiederbegegnung überaus angenehm und freundschaftlich verlaufen. Georg von Schnitzler schrieb einen rührenden Brief.965 Er reist am 18. Sept. nach Italien zu seiner Frau, die eine Fango-Kur in Abano macht; anschließend machen sie eine Pilgerreise nach Rom. Durch das neue I.G. FarbenGesetz hat er wieder einen schweren Schlag erhalten.966 Der Brief ist lieb und gütig im ganzen Ton. Wenn ich ihn Ihnen schicken soll, sagen Sie es mir bitte, liebe Duschka. Morgen, Mittwoch, spricht Speidel967 im Rhein-Ruhr-Club in Düsseldorf. Ich fahre mit Peterheinrich hin. Ernst Jünger und Gebhard kommen auch 964
BW GJünger, S. 140 f. Schmittiana NF I, 2011, S. 191 ff. 966 Die Alliierte Hohe Kommission schuf mit dem Gesetz Nr. 35 vom 17. 8. 1950 die rechtliche Voraussetzung für die Aufspaltung der I.G. Farben. Georg von Schnitzler verlor damit endgültig seine Stellung als Vorstandsmitglied. 967 Hans Speidel (1897–1984) lernte Schmitt 1941 in Paris kennen, als er dort einflussreicher Stabsoffizier war: „Für einen Militär zu zivil, für einen Zivilisten zu 965
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
hin. Ich bin gespannt, was das gibt, freue mich aber jedenfalls, Speidel wiederzusehen. Der Besuch von Epting vorigen Samstag war sehr schön. Der Nomos soll im September noch fertig werden, aber ich glaube es kaum. Auf Ex Captivitate, das schon erschienen ist, sind viele Bestellungen eingelaufen, einige scheinen Carlo Schmid für den Verfasser zu halten. Severing hat in seinen Memoiren eine gehässige Bemerkung gegen mich ohne weiteres gestrichen, als Epting ihn fragte, ob er sie unbedingt für nötig hielt.968 In dem Kaffee-Paket ist ein Buch von Jos. Nadler über den Philosophen Hamann,969 das Kütemeyer mir geliehen hat. Vielleicht kann es die Schwester ihm zurückgeben, mit meinem besten Dank. Onkel Jup wandert fleißig; er hat sich unglaublich gut erholt. Üssi ist hilfsbereit und sehr lieb; sie weint viel. Tante Ännchen geht es schlecht, weil sie kein Geld mehr hat; sie will unbedingt, dass Anima und ich bei ihr essen, aber wir können uns nicht recht dazu entschließen, von Frl. Frey wegzugehen. Alle, auch Benders, Frau Hese und Frl. Frey, Epting, Kirchhoffs lassen Sie herzlich grüßen. Auch in dem rauhen Plettenberg haben Sie viele Freunde, liebe Duschka. Ich denke viel über die 28 Jahre nach, die wir uns jetzt kennen; alles war unerklärlich schön. Ich küsse Sie herzlich und bleibe immer Ihr Carl Anima hat einen Brief ins Paket getan.
militärisch, für beide zu originell.“ Walter Bargatzky, Hotel Majestic. Eine Deutscher im besetzten Frankreich, Freiburg i. Br. 1987, S. 46. 968 Carl Severing (1875–1952), SPD-Politiker und Minister in verschiedenen Regierungen der Weimarer Republik. Im Prozess Preußen contra Reich wurde der preußische Innenminister Severing von den Vertretern des Reiches angegriffen (vgl. TB V, S. 225). Severings zweibändige Memoiren („Mein Lebensweg“) erschienen 1950 zusammen mit Schmitts Publikationen im Kölner Greven-Verlag. 969 Josef Nadler, Johann Georg Hamann, 1730–1788. Der Zeuge des Corpus mysticum, Salzburg 1949.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1950-09-18 Duschka an Carl Schmitt Privatbesitz; RW 260 Nr. 484 (Kopie)
Heidelberg, 18. September 50 Montag abends Liebster Carl, nach meinem Empfinden verschlechtert sich mein Zustand täglich. Seit drei Tagen bekomme ich auch am Tage Spritzen gegen die Schmerzen, bisher nur nachts. Ich habe es Ihnen versprochen zu schreiben, wenn Sie kommen sollen. Ich würde mich herzlich freuen, Sie noch einmal wiederzusehen. Aber ich weiß nicht, wie weit sie mit dem Nomos sind und ob Sie Ihre Arbeit unterbrechen können. Ich werde von den Schwestern rührend gepflegt, aber mein Zustand ist so, dass ich das Sterben mit Freude erwarte. Herzlichst Ihre Duschka Einen lieben Kuss für Anima. Herzliche Grüße an die liebe Üssi und Ännchen. 1950-09-18 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/23
Plettenberg, Montag, 18. September Meine liebe, gute Duschka, mein lieber, armer Schatz, heute morgen kamen Ihre beiden Briefe hier an, einer für mich und einer für Tante Üssi. Ich habe vor, Donnerstag nach Heidelberg zu reisen und will abends um 6 dort ankommen (17.58); ich komme dann gleich ½ 7 für einen Augenblick in die Klinik zu Ihnen. Forsthoff schreibe ich gleichzeitig970 Anima schickt heute nachmittag Hemd, serbisches Laken, Kissenbezüge an Sie ab; die Kissen schickt sie extra. Der Sarg wird besser in Heidelberg nach Ihren Angaben gemacht. Hoffentlich können wir uns noch gut sprechen, mein braver Schatz. Es ist alles so traurig, aber Sie sind tapfer und machen mir Mut. Der „Nomos“ ist fertig gedruckt, aber das Register macht noch viel Arbeit. Alle Bekannten 970 Aus dem Brief an Forsthoff geht hervor, dass die Situation Duschkas sich durch eine Thrombose akut verschärft hatte. Schmitt fuhr nach Heidelberg, um „sie noch einmal zu sehen“; BW Forsthoff, S. 76.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
erkundigen sich mit großer Teilnahme nach Ihnen, besonders Alfons Adams und Frau, Epting, Benders, Frau Neuhäuser und Peterheinrich Kirchhoff und Frau, bei denen ich gestern abend mit Liss aus Lüdenscheid zusammen war. In Christ und Welt ist eine Besprechung von Ex Captivitate erschienen, die ich beifüge; sie wird Ihnen Freude machen. Von Kütemeyer erhielt ich einen sehr schönen Aufsatz über das europäische Antliz Russlands971, auf Ihre Veranlassung. Vielen Dank! Bis Donnerstag, meine liebe Duschka! Ich hoffe, Ihnen dann noch erzählen zu können und von Ihnen zu hören. Sie schreiben so schöne Abschiedsbriefe, aber mir ist unser gemeinsames Leben von fast 28 Jahren so gegenwärtig, dass ich nur daran denke, Sie wiederzusehen. Ich küsse Sie herzlich und bin immer Ihr Carl Das Heidekraut habe ich neulich oben auf dem Saley für Sie gepflückt, liebe Duschka. 1950-09-28 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/24; Ansichtskt. „Der Dom zu Mainz“
[Mainz,] 28. 9. 50 Liebe, gute Duschka, wir denken alle in großer Liebe an Sie und grüßen Sie von Herzen. Ich fahre heute, Donnerstag, über Frankfurt nach Plettenberg und hoffe, heute abend dort anzukommen; dann schreibe ich mehr. Immer Ihr Carl [Zusatz von Arnold, Maria und Magdalena Schmitz:] Herzlichste Grüße Ihres Arnold Schmitz. Heute nachmittag folgt ein Brief, der Ihnen von dem schönen Zusammensein mit Onkel Schmitt erzählen wird. Es umarmt Sie in Liebe Ihre Mumi972 Viele liebe Grüße Deine Purzel 971
Wilhelm Kütemeyer, Das europäische Antlitz Rußlands. In: Evangelische Theologie 9, 1949, S. 101–109. (Sonderdr. mit Widmung im Nachlass Schmitts). 972 Die Ehefrau von Arnold Schmitz, Maria Schmitz, war die Patentante von Anima Schmitt und wurde in der Familie Schmitt „Mumi-Tante“ genannt.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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1950-09-29 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/26
Plettenberg, Freitag, 29. September Guter, liebster Schatz, meine liebe Duschka, auf der Reise von Heidelberg über Mainz und Frankfurt nach Plettenberg war es mir doch sehr schwer, aber Sie wollen ja, dass wir tapfer sind, wie Sie. Oft dachte ich, dass ich noch einmal zu Ihnen fahren müsste, um noch einmal mit Ihnen zu sprechen. Es ist jetzt sehr einsam in unserm Hause. Anima kommt erst morgen, Samstag, von Köln zurück. Üssi hat Ferien, Ännchen verkriecht sich so im Hause. Ich will Frau Jünger schreiben, dass sie kommen soll.973 Haustein habe ich in Frankfurt getroffen, er wird einen Beamten in Heidelberg veranlassen, sich mit Frl. Fremeyer974 in Verbindung zu setzen. Arnold Schmitz und seine Familie war[en] ganz rührend zu mir. Wir haben den Spaziergang gemacht, den Arnold Schmitz und Purzel vorher mit Anima gemacht hatten. Mein lieber, guter Schatz, ich schicke Ihnen einen herzlichen Gruß aus unserer Wohnung in Plettenberg, die Sie so schön eingerichtet haben, und wo jedes Möbelstück und jeder Gegenstand an Sie erinnert. O meine gute, liebe Duschka, Sie sind und bleiben meine Seele und meine Ehre. Ich küsse Sie herzlich und bleibe immer Ihr Carl 1950-10-22 Duschka an Carl Schmitt Privatbesitz; RW 260 Nr. 484 (Kopie)
Heidelberg, 22. Oktober 50 Sonntag Mein liebster Carl, vor einer Woche waren Sie mit Anima hier. Das war ein wunderschöner Besuch. Von den Gesprächen ist noch meine Stube angefüllt. Jetzt ist die Tagung in M.975, und Herr Koellreutter kann nun seinem kämpferischen Temperament Luft machen. 973
Schmitt schrieb noch am selben Tag an Gretha Jünger, die ihr Kommen angeboten hatte; BW GJünger, S. 143. 974 Nicht ermittelt. 975 Am 20. und 21. Oktober 1950 fand in München die Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer statt.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Inzwischen hatten Sie Besuch von Dr. Kütemeyer gehabt, und ich bin gespannt, wie Sie damit zufrieden waren. Ich lese unentwegt in „Ex Captivitate Salus“, und es hält Stand. Die Zwei Gräber sind gewiss eine Schatzgrube, aber die anderen Sachen auch. Hat sich Friedhelm Kemp schon geäußert?976 Ich hoffe, dass ich morgen etwas Post von zuhause bekomme. Von Anima habe ich auch noch keine Zeile. Aber ich weiß, Ihr seid alle sehr beschäftigt. Manchmal hatte ich nur Sorgen, weil ihr Beide etwas erkältet wart. Liebster Carl, ich grüße Sie vieltausendmal und bleibe Ihre Duschka. Für meine einzige Tochter einen lieben Gruß und Kuss. Sie soll Mischo von mir grüßen. Für die liebe Tante Üssi und Ännchen viele herzliche Grüße. Viele Grüße an alle liebe Bekannte und Frau Scholz. Gestern, abends, kam wieder die liebe Frau Bilfinger, brachte Eier, Zitronen und Apfelsinen. Ich habe sie eine Viertelstunde hereingelassen zu mir, um mich einmal auch persönlich zu bedanken. Ein unmöglicher Blumenstrauß war auch dabei.
1950-10-23 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/27
Plettenberg, Montag, den 23. Oktober 1950 Mein lieber, guter Schatz, liebste Duschka, am Donnerstag abend bin ich müde in Plettenberg angekommen.977 In Frankfurt war ich bei Winckelmann,978 wo die Frau unverändert sympathisch war, während er offenbar geschäftlichen Ärger hatte, aber auch sehr nett war gegen mich. Ich habe mittags Nicolaus Sombart getroffen und mit ihm mich 976
Schmitt hatte Kemp im Juli „Ex Captivitate Salus“ und bereits am 12. Mai 1949 das Typoskript von „Zwei Gräber“ geschickt; vgl. Versandliste, RW 265 Nr. 19600. 977 In der Woche davor war Schmitt in Heidelberg. Siebeck hatte ihm am 6. 10. 1950 geschrieben, dass es seiner Frau „langsam weniger gut“ ginge. Sie habe Fieber, und auch die Lunge sei nicht ganz frei. Duschka habe den Wunsch geäußert, dass Schmitt nach Heidelberg käme, solange noch eine Unterhaltung möglich sei. RW 265 Nr. 18813. 978 Johannes Winckelmann arbeitete von 1946 bis 1951 in der Hessischen Landeszentralbank.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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gut unterhalten, in einem griechischen Restaurant, wo es gefüllt Paprika gab, genau wie Sie sie machen. In Plettenberg war viel Post, aber leider noch nicht der Nomos, der auch bisher noch nicht eingetroffen ist. Freitag abend ½ 10 kam Dr. Kütemeyer, mit seiner Frau (die aber sehr müde war und bei Ostermann gleich zu Bett ging), seinem Bruder Martin und einem Freund, Herrn Jäger. Wir haben uns in meinem Zimmer bei Moselwein und Butterbroten, die Anima gemacht hatte, bis ½ 2 gut unterhalten. Am andern Morgen war Frau Kütemeyer krank, sodass sie erst um ½ 1 weiterfuhren. Es war ein interessanter Besuch, auch für Anima. Sonntag abend, gestern, kamen Holthaus, Ernst Hüsmert979 und Herr Kraemer980; wir haben Bier getrunken und philosophiert. Heute morgen war ein Lüdenscheider Fabrikant bei mir, wegen einer juristischen Frage. Emil Langenbach war gestern nachmittag bei Tante Üssi; er hat sich über unsere Karte aus Heidelberg sehr gefreut und ist rührend anhänglich. So, mein lieber, guter Schatz, das ist der Bericht über die letzten Tage. Anima ist lieb und brav und sehr fleißig. Ich habe immer noch Rheumatismus im rechten Arm, was mich beim Schreiben sehr behindert. Ich denke immer noch an die Tage unseres Besuches bei Ihnen in Heidelberg zurück und hoffe, Anfang November wieder zu Ihnen kommen zu können. Dann freue ich mich, Sie wiederzusehn, liebste Duschka. Alle fragen oft nach Ihnen und lassen Sie grüßen, Benders, Knauers, Neuhäusers, Emil Langenbach. Anima habe ich Ihren Zettel gegeben. Medem und Frau und Karl Lohmann wollen Samstag aus Godesberg nach Plettenberg kommen. Eben kommt Anima aus der Schule und zeigt mir Ihren Brief von Samstag, der heute morgen mit der Post ankam.Ich habe mich gefreut, Ihre Handschrift zu sehn, liebe Duschka. Animas Paket werden Sie inzwischen erhalten haben. Ich küsse Sie von ganzem Herzen, mein guter, lieber Schatz und bleibe immer Ihr Carl
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Ernst Hüsmert (1928–2017), Ingenieur und Dichter, seit 1947 mit Schmitt bekannt und bald ein lebenslanger enger Freund. 980 Nicht ermittelt.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
1950-10-27 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/29
Plettenberg, Freitag morgen, 27. Oktober Mein lieber, guter Schatz, liebe brave Duschka, zwei Briefe habe ich jetzt von Ihnen erhalten, zu meiner größten Freude, einen von Samstag den 22. und heute morgen einen von Mittwoch nachmittag. Vielen herzlichen Dank! Auch Anima hat zwei Briefe in dieser Woche bekommen und wird gleich schreiben und alles erledigen. Ich schreibe heute, damit Sie meinen Brief noch vor Sonntag erhalten. Leider musste der Besuch von Medem und Lohmann verschoben werden, weil der Autobesitzer verhindert ist und erst Mitte des Monats kommen kann. Ich war vorgestern, Mittwoch, mit Peterheinrich Kirchhoff in Düsseldorf, beim Rhein-Ruhr-Club und habe dort verabredet, dass ich meinen Vortrag erst im Dezember halte.981 Die Leute sind sehr nett. Leider habe ich Kaletsch982, Heinrich Oberheid und Willy Schlieker983 nicht getroffen; sie waren alle verreist; ich hatte mich auch nicht angemeldet, weil meine Fahrt überraschend kam und improvisiert war. Ich traf noch einen Mit-Referendar aus Düsseldorf, der jetzt Anwalt ist, und völlig unverändert, wie vor 40 Jahren sprach, sodass ich erschrak. In Düsseldorf hat es mir nicht gefallen; eine amerikanisch-ungesunde Art von Prosperity herrscht in Läden und Lokalen. In Köln ist es viel menschlicher und europäischer. Den Nomos hoffe ich Ihnen bald zu bringen, mein guter Schatz. Den Umbruch habe ich erhalten; er ist schön gedruckt. Das Donoso-Buch ist erschienen.984 Von Angriffen habe ich bis jetzt wenig gehört. Carl Brinkmann hat einen rührenden Brief geschrieben985; ebenso Frl. Schnevoigt aus Barce981
Am 13. 12. 1950 hielt Schmitt im Rhein-Ruhr-Club einen Vortrag unter dem Titel „Einheit der Welt und Einheit Europas“; s. unten, Brief vom 30. 11. 1950. 982 Konrad Kaletsch (1898–1978), Vetter von Friedrich Flick und Vorstandsmitglied des Flick-Konzerns, beauftragte Schmitt 1945 mit dem Gutachten über das „internationalrechtliche Verbrechen des Angriffskrieges“; vgl. Angriffskrieg, S. 127– 138. 983 Willy A. Schlieker (1914–1980), Großindustrieller, Abteilungsleiter im Rüstungsministerium Speer, seit Februar 1945 im Vorstand des Flick-Konzerns, organisierte im Auftrag der britischen Militärregierung den Wiederaufbau der Industrie im Ruhrgebiet. 984 Carl Schmitt, Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation. Vier Aufsätze, Köln 1950. 985 Schmittiana NF III, 2016, S. 160.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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lona.986 Den Brief von Barbul987 schicke ich Ihnen mit; ebenso einen von Gerhard Nebel988, den ich noch nicht beantwortet habe. Tante Üssi hat am 20. Oktober abends, als sie aus der Schule kam, den linken Arm gebrochen; sie ist bei Ottos auf der Straße gefallen. Der Arm ist jetzt in Gips; sie steht aber auf und hat schulfrei. In 2 Wochen soll alles wieder gut sein. Erst hatte sie viele Schmerzen, jetzt geht es aber besser. Tante Ännchen kocht für uns. Frau Scholz ist unverändert ordentlich und fleißig. Frl. Hunneck macht mir 2 Oberhemden. Ich will zu dem Schneider Ferstl gehen, mit meinem spanischen Stoff (er wohnt neben Meisterjahn, wenn man zum Bahnhof geht, in dem zurückliegenden alten Haus). Anima geht mit, in Ihrer Vertretung, liebe Mamica. Kütemeyer hat mir seinen Brueghel-Aufsatz geschickt, der nicht nur äußerst interessant, sondern auch sehr bedeutend ist. Sein Russland-Bild hat tiefe Wurzeln in der deutschen Seele. Das ist der Grund des heutigen, fassadenhaften Streites zwischen Adenauer und Niemöller. Auch Hans Zehrer steht hier näher bei Niemöller als bei Adenauer. Mischo ist der beste. Er ist unverändert und liegt am liebsten auf dem Lehnstuhl am Ofen. Vorigen Sonntag hatte Ännchen schon die Zentralheizung an. Heute morgen hatte es geschneit, aber der Schnee ist schnell geschmolzen. Bis gestern war herrliches, kaltes klares Wetter. Allmählich verlieren die Bäume und Wälder ihr schönes Herbstlaub. Von Spanien sind mehrere Briefe gekommen. An Paul Adams habe ich 75 Mark (die Hälfte des durch Conde aus München geschickten Honorars989) weitergegeben. An Frau Sombart habe ich ein Exemplar von Ex Captivitate mit einer schönen Widmung geschickt;990 ein Exemplar Donoso an Prof. Brecht. 986
RW 265 Nr. 14079. Schnevoigt arbeitete zu dieser Zeit in der spanischen Niederlassung des Herderverlags in Barcelona. 987 RW 265 Nr. 644. George Barbul, wohl Rumäne, studierte am Ende des Zweiten Weltkrieges bei Schmitt in Berlin und schreibt, dass er Duschka einen anderen Blick auf den Balkan verdankt; teilt mit, dass seine Besprechung des Donoso CortésBuches im Novemberheft von „Ecrits de Paris“ erscheinen wird. Am 7. 6. 1950 hatte er Schmitt um die Genehmigung gebeten, „Land und Meer“ ins Französische zu übersetzen (RW 265 Nr. 642), woraus aber nichts wurde. Das Buch erschien erst 1985 in der Übersetzung von Jean-Louis Pesteil auf Französisch. 988 RW 265 Nr. 10173. Nebel, zu dem die Beziehung zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Jahr zerbrochen war, versicherte Schmitt seine Anteilnahme am Schicksal Duschkas „über alle Gräben hinweg“, wozu Schmitt am Rand notierte: „Man spreche von keinem Graben, sondern vom Grab.“ 989 Möglicherweise für: Carl Schmitt, Historiographia in nuce. Alexis de Tocqueville. In: Revista de Estudios politicos 23, 1949, S. 109–114. Übersetzung: Fancisco Javier Conde. 990 Vgl. BW Sombart, S. 148 f.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
So, mein guter, lieber Schatz, jetzt küsse ich Sie herzlich und sage von uns allen viele Grüße. Anima will extra schreiben. Nochmals tausend Dank für Ihre schönen beiden Briefe, über die ich mich so gefreut habe. Ich bleibe immer Ihr Carl Frl. Hasbach ist nicht mehr in Frankfurt; sie leitet ein Heim in Berchtesgaden.991 1950-11-02 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/33–35
Plettenberg, Donnerstag, 2. November Meine liebe, gute Duschka, gestern nachmittag waren wir alle vier – Tante Üssi, Ännchen, Anima und ich – mit Blumen auf dem Friedhof und haben Kerzen auf dem Grab vom Opa und der Oma angezündet. Es war schönes, klares Wetter und das Land an der Lenne, besonders das Dörfchen Leinschede lag herrlich in der Sonne. Sie hätten Ihre Freude daran gehabt. Heute ist es wieder regnerisch und das Wetter so wie in dem Gedicht von Bojić von den Müttern. Vielen Dank, liebe Duschka, dass Sie immer noch so fleißig schreiben, besonders Anima. Sie ist sehr lieb und brav, hilft mir schön beim Briefschreiben und behandelt auch die Tanten (die mich immer nervös machen) lieb und vernünftig. Aber sie braucht doch eine Führung, und ich bin über jeden Satz glücklich, den Sie ihr schreiben. Am Sonntag habe ich mit Frl. Crummenerl gesprochen, wegen des Stipendiums.992 Frl. C. will alles tun und hofft, es auch durchzusetzen. Die Anträge gehen von der Schule aus. Die einzige Schwierigkeit könnte vom Mathematik-Lehrer ausgehen, der aber, wie Frl. C. versichert, Anima durchaus wohlgesinnt ist. Wir können also hoffen, dass sie das Stipendium bekommt. Bei uns in Plettenberg läuft der Haushalt gut weiter. Frau Scholz ist pünktlich und fleißig. Der gebrochene Arm von Tante Üssi heilt sehr gut. Mein rechter Arm tut mir immer sehr weh, deshalb bin ich beim Schreiben sehr behindert und habe wenig Lust dazu. Dabei habe ich viele Briefschulden. 991
Und zwar das Altersheim „Insula“, wo sie als „Welfare Officer“ des Lutherbundes tätig war. 992 Anima war eine sehr gute Schülerin und machte sich Hoffnung auf ein Stipendium.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Madame Ponceau wartet schon seit 6 Wochen auf Antwort; ich fürchte, dass sie ungeduldig wird. Der Nomos soll bald fertig sein. In der „Zeit“ stand ein schöner Hinweis auf mein Donoso-Buch.993 Sonst kommt viel Post, aber meine Gesamtlage hat sich nicht geändert. Heute morgen kamen die 500 Mark vom Greven-Verlag, sogar telegraphisch. Heute nachmittag will der junge Friedensburg aus Bonn kommen, um mich zu besuchen, bevor er nach Brüssel geht (als Attaché). Ich fürchte aber, dass er bei dem schlechten, nebligen Wetter nicht kommt. Tante Louise schrieb einen kurzen Brief und bat sich als Geburtstagsgeschenk mein Buch Ex Captiviate Salus aus. Das will ich ihr gern schicken, an eine Adresse im Westsektor, die sie mir angegeben hat.994 Den Julien von Gilles995 habe ich vorigen Sonntag Frau Kirchhoff in Werdohl übergeben. Sie will sich mit Holthaus wegen des Rahmens besprechen. Über das schöne Bild hat sie sich sehr gefreut. Peterheinrich hat jetzt nicht mehr soviel zu tun, weil durch den Streik der SPD der Bürgermeister in Werdohl durch einen Kommissar ersetzt ist. Die SPD hat gegen die 2. Stimme von Peterheinrich gestreikt. Liss hat darüber ein lustiges Gedicht gemacht, das ich Ihnen beifüge.996 Mit Anima war ich bei dem Schneider Ferstl, zur ersten Probe. Der Anzug soll vor Mitte November fertig sein. Dann komme ich hoffentlich zu Ihnen nach Heidelberg, und Sie können ihn beurteilen. Schreiben Sie bitte, liebe Duschka, was wir schicken sollen, Geld oder andere Sachen. Frau Oberheid hat einen kurzen Brief geschrieben und erzählt, dass Klü997 bei Ihnen war und Cox-Orangen gebracht hat. Anima hat die Stangen für Tante Louise gebacken. Auf Wiedersehn, mein lieber, guter Schatz! Ich küsse Sie herzlich und bin bald wieder bei Ihnen. Immer bleibe ich Ihr Carl Alle Tanten und Nachbarn lassen herzlich grüßen; besonders auch Kirchhoffs in Werdohl. An Prof. Kreuz habe ich ein Expl. von Ex Captivitate geschickt. An Mathias Wieman998 habe ich auf Wunsch von Peterh. einen Brief 993 Frederica [= Walter Petwaidic] „Der Prophet der Katastrophe“. In: Die Zeit vom 26. 10. 1950. 994 Tante Louise wohnte in Berlin-Lichtenberg, also im sowjetisch besetzten Teil der Stadt. 995 Bleistiftzeichnung „Julian“ (1923) von Werner Gilles. 996 Ein Zeitungsausriss mit dem mit „Ilex“ gezeichneten Gedicht „Die demokratischen Schumacher-Lehrlinge“ ist dem Brief beigefügt. 997 d. i. Heinrich Oberheid. 998 Mathias Wieman (1902–1969), Theater-, Filmschauspieler und Rezitator.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
geschrieben, um ihn zu bewegen, am 21. Nov. zum Vortrag nach Werdohl zu kommen. Wie geht es Frau Siebeck? Grüßen Sie alle Siebecks von mir, auch die Schwestern und Frl. Fremeyer und Frau Waidmüller.
1950-11-06 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/37
Plettenberg, Montag, den 6. November Mein lieber, guter Schatz, liebste Duschka, Ihre Gratulation zu meinem Namenstag (von Donnerstag, den 2. Nov.) kam pünktlich am Samstag morgen an und hat mich unbeschreiblich gefreut. Vielen Dank, mein guter Schatz, für Ihren schönen, langen Brief! Auch der Brief für Anima ist gut angekommen und heute morgen die zwei schönen Ansichtskarten für Tante Üssi und Ännchen. Der Namenstag war sehr schön. Anima hatte Kuchen und Stangen gebacken. Abends tranken wir eine Flasche 1949 Moselwein zu viert. Das Paket an Tante Louise ist abgeschickt; ich habe ihr in das Exemplar von Ex Captivitate Salus eine schöne Widmung (in der Erinnerung an die schönen Geburtstagsfeiern in Berlin) geschrieben. Liebste Duschka, den Nomos bekomme ich hoffentlich bald. Ich bringe ihn dann sofort. Ende voriger Woche soll[te] der Druck beendet sein; Epting will mir schnell ein Exemplar einbinden lassen. Ich freue mich darauf, Sie bald wiederzusehen. Am vorigen Donnerstag kam trotz des schlechten Wetters der junge Friedensburg aus Bonn, um ½ 6, und fuhr abends um 10 wieder zurück. Es war ein ganz entzückender Abend, auch für Anima, die schöne Butterbrote gemacht hat. Er erzählte sehr schön, von seinen Eltern, seiner Familie, seinen Plänen, alles mit großer désinvolture. Diese Woche kommt er an das Konsulat in Brüssel. Er lässt Sie herzlich grüßen, auch von seinem Vater und seiner Mutter, die mit besonderer Liebe immer noch viel von Ihnen spricht. Gestern, Sonntag vormittag, war Frau Greve von der Oberschule999 zu Besuch bei uns. Nachmittags war ich nicht in Werdohl bei Peterheinrich, sondern in Lüdenscheid bei einem jungen Journalisten, der einige seiner Freunde für mich eingeladen hatte, darunter auch Konrad Liss. Es war sehr interessant. Ich werde Ihnen noch davon erzählen. 999 Die weiterführende Schule in Plettenberg war ein Progymnasium und wurde 1950 zu einem neusprachlichen Gymnasium ausgebaut.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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Morgen, Dienstag abend, bin ich zur zweiten Anprobe bei dem Schneider Ferstl. Der Stoff ist großartig; hoffentlich wird auch die Arbeit gut. Wahrscheinlich kann ich in dem neuen Anzug schon nach Heidelberg kommen. Heute morgen hatte ich eine große Freude. Es kamen mit der Post 4 Schriften von Georg Daskalakis aus Athen, darunter auch ein deutsches, in Athen gedrucktes Buch aus dem Jahre 1947. Er ist ein unglaublich kluger, fleißiger und dabei treuer Mann. Ich freue mich, dass er Ex Captivitate Salus und den Nomos bald bekommt. Pantazopoulos1000 scheint auch noch zu leben, denn er ist in den Schriften mehrmals zitiert. Wenn ich jetzt wieder in Heidelberg bin, will ich nicht bei Forsthoffs, sondern in einem kleinen Hotel in der Nähe der Klinik wohnen. Das ist aus vielen Gründen besonders im Winter richtiger. Ich werde es auch dem guten Forsthoff schreiben. So meine liebe Duschka, jetzt habe ich Ihnen einiges berichtet und hoffe, dass ich Ihnen alles andere bald mündlich erzählen kann. Ich werde mich rechtzeitig bei Ihnen anmelden. Ich grüße alle guten Leute herzlich, besonders Prof. Siebeck und seine Frau, Kütemeyer und die Schwestern, und küsse Sie liebste Duschka vielmals. Auch Anima, die morgen mit ihrer Klasse nach Bonn fährt und dort auch Prof. Barion treffen will, grüßt die gute Mamica herzlich. Ich bleibe immer Ihr Carl
1950-11-11 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/39
Plettenberg, Samstag, 11. November Liebe, gute Duschka, heute habe ich das erste Exemplar des „Nomos der Erde“ erhalten. Ich habe vor, Dienstag nach Frankfurt zu fahren und Mittwoch zu Ihnen nach Heidelberg zu kommen. Wenn ich nichts anderes schreibe oder von Ihnen höre, bin ich Mittwoch nachmittag um 5 bei Ihnen. Meine Freude ist groß. Über Ihren Brief vom Dienstag, den 7. November an Anima (mit dem schönen Bericht über den Wermuth von Dora Hasbach1001) haben wir uns alle sehr gefreut. In Frankfurt übernachte ich bei Haustein oder bei Winckelmann. Die Tochter Ilse von Haustein hat am 9. November Hochzeit gehabt mit Herrn Gänshirt. 1000 1001
Nikolaos J. Pantazopoulos (1912–2001), Jurist. Schwester von Marie Hasbach.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Alles Weitere werde ich Ihnen erzählen, lieber, braver Schatz. Alle Tanten und Nachbarn lassen Ihnen viele Grüße sagen. Anima und ich küssen Sie herzlich. Immer Ihr Carl
1950-11-23 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/44
Plettenberg, Donnerstag, den 23. November Mein lieber, braver Schatz, liebe, gute Duschka, gestern abend bin ich wieder in Plettenberg angekommen und habe unsere schöne Wohnung unverändert vorgefunden. Anima studierte fleißig, Mischo lief herum, Tante Üssi war schon zu Bett und Ännchen kam heraufgeschlichen. Die schöne Küche machte mich besonders traurig, weil sie mich besonders an die Zeit erinnerte, wo Sie zu Hause waren, wenn ich von einer Reise zurückkehrte. Ich will Ihnen heute berichten, wie meine Rückreise war. Morgen schicken wir Ihnen ein Päckchen, das aus Spanien gekommen ist, von Conde, mit grünen Pflanzen, die nach Pfefferminz riechen und mit denen wir nichts anzufangen wissen. Vielleicht wissen Sie es. Vielleicht hat sich auch ein Zollbeamter einen Witz erlaubt. Wir sind ja rechtlos. Kurz, sehen Sie sich dieses merkwürdige Geschenk einmal an, gute Mamica. Nun mein Reise: In Heidelberg am Bahnhof traf ich noch den Botschafter Woermann1002, der mit großem Stolz erzählte, dass er entnazifiziert ist. Dann saß ich traurig im Zug von Heidelberg nach Frankfurt. Bei Weinheim an der Bergstraße (eine halbe Stunde von Heidelberg) sah ich im Zuge einen Mitreisenden am Fenster stehen und erkannte Werner Krauß1003, den berühmten Schauspieler. Ich sprach ihn an und hatte bis Frankfurt ein wunderschönes Gespräch mit ihm. Er erzählte viel von seinem Spruchkammerverfahren,
1002
Ernst Woermann (1888–1979), Diplomat, seit 1938 Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt, 1943 Botschafter in Nanking, wurde im Wilhelmstraßen-Prozess im April 1949 zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, im Januar 1950 vorzeitig entlassen. 1003 Werner Krauß (1884–1959), gilt als größter deutscher Schauspieler seiner Zeit.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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dessen Unrecht ihn immer noch wurmt.1004 Er ist ein sympathischer, kluger Mann, ohne jede dumme Schauspieler-Eitelkeit. Dass ich preußischer Staatsrat war, hat sofort einen Kontakt hergestellt. Am Schluss des Gespräches schenkte ich ihm Ex Captivitate Salus, mit einer Widmung. Er war tief gerührt, und wir verabschiedeten uns feierlich, wie zwei Könige, zwei Könige Lear. In Frankfurt wurde ich bei Haustein rührend aufgenommen, ruhte von 3–5 aus, besuchte für 2 Stunden Schnitzlers und war um 7 wieder zum Abendessen bei Hausteins. Sie erzählten viel von der Hochzeit, die sie mit 16 Personen in der kleinen Wohnung gefeiert haben. Wir tranken noch zwei Flaschen von dem Hochzeitswein (ein Pfälzer von 1943) und gingen früh zu Bett. Am folgenden Tage (Mittwoch) rief ich bei Winckelmann an, der aber Besuch hatte, und ging, von Haustein begleitet, wieder zu Schnitzlers, wo ich zu Mittag aß. Frau von Schnitzler schenkte mir für Anima ein ledernes Täschchen und eine Medaille vom Anno Santo1005, die der Pastor angelicus1006 selbst geweiht hat. Um 4 reiste ich dann todmüde nach Plettenberg, wo ein Haufen Post lag, aber keine besonders schöne. Ich trank mit Anima noch eine Flasche Markgräfler, die Wollenweber gebracht hatte, und ging bald zu Bett. Heute morgen kam die Nachricht, dass Nebel den Literaturpreis der Stadt Wuppertal erhalten hat.1007 Die feierliche Überreichung soll am Sonnabend den 2. Dezember stattfinden. So, lieber Schatz, das ist der Bericht von meiner Reise. Ich habe große Sehnsucht nach Ihnen und komme gleich nach meinem Vortrag1008, 13. Dez., zu Ihnen. Anima wird Ihnen auch noch schreiben. Hier ist nichts neues passiert. Hans Schmandt1009 soll nicht zum Abitur zugelassen werden, worüber große Aufregung herrscht. Frau von Schnitzler habe ich gesagt, sie solle an Prof. Siebeck schreiben wegen eines Besuches. Bei Hausteins hatte ich das Ge-
1004 Krauß musste sich wegen seiner Darstellung im Film „Jud Süß“ einem Entnazifizierungsverfahren unterziehen, das in erster Instanz mit Freispruch endete, in der zweiten Instanz wurde er als „Mitläufer“ eingestuft. 1948 nahm er ein Engagement am Wiener Burgtheater an. 1005 Vom 25. 12. 1949 bis 25. 12. 1950 feierte die katholische Kirche ein Heiliges Jahr. Lilly und Georg von Schnitzler hatten im Oktober eine Pilgerreise nach Rom gemacht. 1006 Den Titel „Pastor angelicus“ (Englischer Hirte) trug Papst Pius XII. 1007 Recte: „Kulturpreis der Stadt Wuppertal“, 1957 umbenannt in „Eduard von der Heydt-Kulturpreis der Stadt Wuppertal“, ab 2008 „von der Heydt-Kulturpreis“. Gerhard Nebel war 1950 der erste Preisträger. 1008 s. oben, Brief vom 27. 10. 1950. 1009 Schmitt schreibt „Schmand“.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
fühl, dass ich ihm zur Hochzeit seiner Tochter irgend ein kleines Geschenk machen müsste. Wissen Sie etwas, guter Schatz? Frl. Schnevoigt ist aus Spanien für einige Tage zu Besuch. Samstag kommt vielleicht Nebel. Montag fahre ich nach Düsseldorf zum Rhein-Ruhr-Club. Jetzt küsse ich Sie herzlich, liebste Duschka und hoffe, bald von Ihnen zu hören. Wir grüßen Sie alle vielmals; ich bleibe immer Ihr Carl
1950-11-26 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/43; Ansichtskt. „Plettenberg II“
26. XI. 1950 Liebe Duschka, zu unserer großen Überraschung und unglaublichen Freude erschien gestern, Samstag um 6 Uhr, Georg Daskalakis aus Athen bei uns in Plettenberg. Heute abend fährt er zurück. Wir werden Ihnen bald berichten. Herzliche Grüße Carl und Anima [von Georg Daskalakis:] Meine liebe Frau Schmitt! Gestatten Sie mir, meine besten Wünsche zu übermitteln und meine Enttäuschung, dass ich [Sie] nicht sehen konnte zu äußern. Es hat mich sehr gefreut, Ihre Lieben wieder grüßen zu können. Mit meinem besten Gefühl der Liebe und Freundschaft Georg Daskalakis
1950-11-27 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/31; Ansichtskt. „50 Jahre Schwebebahn Wuppertal“
Montag Liebe Duschka, vielen Dank für den Brief von Schwester Ruth! Wir haben vorgestern und gestern viel an Sie gedacht. Der Besuch von Georg Daskalakis war wunderbar. Gestern abend, Sonntag, ist er wieder abgereist. Ich bin heute in Düssel-
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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dorf beim Rhein-Ruhr-Club und berichte Ihnen morgen ausführlicher. Nebel ist nicht gekommen, zum Glück. Beste Grüße an die guten Schwestern und herzlichen Kuss Ihres Carl Ich schicke gleichzeitig eine Drucksache.
1950-11-27 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/30; Ansichtskt. „Tonhallen-Restaurant Kaiserswerth“
Montag Liebe Duschka, heute übernachte ich in Kaiserswerth bei Heinrich Oberheid. Herzliche Grüße Ihres Carl Schmitt [Zusatz von Heinrich Oberheid:] Wir lebten in Erinnerungen. Sie sind uns Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Das ist das der Alten. In großer Liebe HO.
1950-11-30 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/45
Plettenberg, Donnerstag, den 30. November 1950 Meine liebe, gute Duschka! Heute morgen erhielt ich Ihren von Schwester Ruth geschriebenen Brief vom 28. November, mit der Nachricht, dass Dr. Winter Sie photographiert hat.1010 Auf das Bild bin ich sehr gespannt. Mein armer, lieber Schatz. Ich bin am Dienstag mittag wieder in Plettenberg eingetroffen, von meiner Düsseldorfer Reise. Heinrich Oberheid und Willy Schlieker habe ich gespro1010 Schmitt verschickte laut seiner Versandliste (RW 265 Nr. 19600) „Die 2 Photos vom 27. 11. 50“ an 24 Personen, zuerst, am 9. 12. 1950, an Gretha Jünger, in deren Nachlass im DLA sie sich befinden.
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
chen. Beide lassen Sie herzlich grüßen. Oberheid ist eifrig im Eisenhandel tätig und scheint sich in der Firma gut durchgesetzt zu haben.1011 Aber sein Leben ist sehr anstrengend. Frau Oberheid hatte eine Blasenentzündung. Oberheids hoffen, Sie in den Weihnachtsferien in Heidelberg zu besuchen. Wir haben in Kaiserswerth übernachtet und Ihnen von dort auch eine Karte geschrieben. Mein Vortrag im Rhein-Ruhr-Club ist nun endgültig auf den 13. Dezember festgesetzt, abends 8 Uhr. Ich bin sehr gespannt. Das Thema lautet: Einheit der Welt und Einheit Europas.1012 Das Schönste in diesen letzten Tagen war der Besuch von Georg Daskalakis. Er ist von einer rührenen Anhänglichkeit. Am Sonntag morgen um 11 Uhr sind wir zum Friedhof gegangen, und als ich ihm die Stelle mit den Gräbern der Eltern zeigte und von Ihnen erzählte, hat er lange geweint. Gestern abend war Dr. Warnach mit Frl. Schnevoigt bei uns. Anima hatte schöne Butterbrote gemacht, wir haben schönen Wein dazu getrunken, den ich noch hatte (eine Flasche Trabacher und eine Flasche Pommard). Heute morgen war Warnach allein bei mir. Er will in den nächsten Monaten einen Rundfunkvortrag halten über mein Gesamtwerk,1013 ist klug und bescheiden und gibt sich ehrlich Mühe. Ob man ihm erlaubt, sich für mich auszusprechen, ist eine andere Frage. Ich habe Ihnen einen Aufsatz von Dr. Rosenbaum geschickt1014, den Sie im April 1933 in Hamburg kennen gelernt haben. Heute nimmt er Rache für seine damalige Angst.1015 Aber das ist nicht das Schlimme, sondern dass das einzige große katholische Blatt in Deutschland sich über mich von einem ungetauften Juden in London informieren lässt. Liebe Duschka, das ist alles unwichtig. Ich möchte Sie bald wiedersehen und komme nach dem 13 Dezember so schnell wie möglich wieder zu Ihnen nach Heidelberg. Auch Anima soll Sie in den Weihnachtsferien besuchen. Ich habe schrecklich viel Post, aber nichts besonders schönes; mit einer Ausnahme: eine ganz offizielle Einladung, im Ateneo1016 in Madrid Vorträge zu 1011 Heinrich Oberheid war 1946 aus dem kirchlichen Dienst entlassen worden. Ab 1950 war er für die Stahlfirma Coutinho, Caro & Co in Düsseldorf tätig, zuletzt als Generalbevollmächtigter. 1012 Vgl. Carl Schmitt, Die Einheit der Welt. In: Merkur 6, 1952, S. 1–11 (jetzt kommentiert in: SGN, S. 496–512). 1013 Im von Alfred Andersch geleiteten Abendstudio des Hessischen Rundfunks gab es ein Gespräch Warnachs mit Schmitt unter dem Titel „Hat die Geschichtsphilosophie noch einen Sinn?“ Das Gespräch wurde im 2. Programm des HR am 10. 8. 1951 wiederholt. Vgl. das Exposé Warnachs dazu: RW 265 Nr. 18936. 1014 Eduard Rosenbaum, Carl Schmitt vor den Toren. In: Rheinischer Merkur vom 25. 11. 1950. 1015 s. TB V, S. 268. 1016 Der Salon de Actos del Ateneo war ein prominenter Veranstaltungsort des intellektuellen Madrid.
Der Briefwechsel während der Plettenberger Zeit 1947 bis 1950
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halten, womöglich schon im Januar. Das geht nun auf keinen Fall. Ich freue mich über die Einladung, aber ich habe wenig Mut, ihr zu folgen.1017 Anima ist sehr fleißig. Heute abend geht sie mit der ganzen Oberprima ins Kino. An den Deda schreibe ich bald, auch an Angelina1018. Die Besuche haben mich sehr aufgehalten. Bei Peterheinrich Kirchhoff bin ich seit 3 Wochen nicht mehr gewesen. Sein Freund Frieg1019 ist jetzt bei ihm. Im übrigen wird er von der Niederlage der CDU mit betroffen; doch ist er wieder zum stellvertretenden Landrat gewählt. Bald schreibe ich mehr, liebste Duschka. Für heute viele Grüße von uns allen und einen herzlichen Kuss von Ihrem Carl Vielen Dank für die Grüße der guten Schwestern, besonders Schwester Anna und Schwester Ruth!
1950-12-02 Carl Schmitt an Duschka RW 265 Nr. 29937/47
Plettenberg, den 2. Dezember 1950 Meine liebe, gute Duschka! heute morgen erhielten wir einen Brief von Schwester Ruth und einen von Prof. Siebeck. Über die Verschlimmerung in Ihrem Zustand sind wir alle besorgt. Meine liebe, gute Duschka. Wir denken immer an Sie, und am liebsten käme ich gleich wieder nach Heidelberg zu Ihnen. Die zwei Bilder von Ihnen, die Dr. Winter gemacht hat, haben uns tief erschüttert; Ihre Augen sind noch voller Kraft. Die Bilder von Deda, von Angelina und Jovanka1020 sind sehr schön. Ich schreibe Ihnen gleich, mit Anima zusammen. Heute ist der Geburtstag von Johannes Popitz. Wie oft und schön haben wir ihn zusammen gefeiert! Anima hat sich heute morgen verschlafen und ist nicht zur Schule gegangen; sie hat mir fleißig Briefe auf der Schreibmaschine geschrieben. Der Schneider Ferstl hat den schwarzen Anzug schön umgeändert. 1017 s. die Briefe von Calvo Serer an Schmitt vom 24. 11. und 8. 12. 1950; RW 265 Nr. 2498 f. Schmitt verschob die Spanien-Reise auf April. 1018 Angelina Trumić, Schwester von Duschka, lebte in Bjelovar, Kroatien. 1019 Nicht ermittelt. 1020 Jovanka Trumić, stud. med. in Belgrad, wohl Nichte (s. oben, S. 87 „Jowanka“).
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Briefe, Briefentwürfe und -auszüge aus Tagebüchern
Ich will heute nicht weiter schreiben, liebste Duschka. Sie müssen immer bei uns bleiben. Herzlichen Kuss von Ihrem Carl [Zusatz von Anima:] Liebe Mamica, ich will Dir eben schnell viele Grüße schicken. Nachher schreibe ich selbst einen Brief. (Mit Papas Feder kann ich gar nicht schreiben.) Der Mischo ist immer noch so schwarz und schön und liegt den ganzen Tag am Ofen. Viele viele Grüße und Küsschen Deine Anima.
Verzeichnis der Briefe Aus Tagebüchern überlieferte Briefe 1923-08-29
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 474
1923-09-17
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 484 f. (vgl. ebd., S. 247)
1923-09–Ende Sept. Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 485
1923-11-02
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 494
1923-11-09
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 491 f.
1923-11-12
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 498
1923-11-14
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 499
1923-11-29
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 497
1923-12-01
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 497
1923-12-10
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 500 f.
1923-12-29
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 504
1924-01-14/15
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 509 f.
1924-01-18
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 509
1924-02-01
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 511
1924-02-08
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 513
1924-02-11
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 513 f.
1924-02-15
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 516
1924-02-15/16
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 517
1924-02-25
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 520
1924-02-26
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 521
1924-02-27
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 522
1924-03-02
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 524
1924-03-06
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 525
1924-03-21/22
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 526
1924-04-18
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 529
1924-04-28
Carl Schmitt an Duschka
TB III, S. 531
394
Verzeichnis der Briefe
Erhaltene Briefe 1924-?-?
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1924-06-25
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1924-07-25
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13769/1–2
1924-12-08/09
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 671,6
1924-12-14
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 671,1–2
1924-12-17
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 671,8
1924-12-18
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 671,4
1925-09-25
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-09-25
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-09-26
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-09-28
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-01/02
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-05/06 (?)
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-07
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-07
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-10/11 (?)
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-11
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-12
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-13
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-13
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-15
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-16
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-10-25/27
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-11-01
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz (Fragment)
1925-11-21
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-11-23/24
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-11-25
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-11-26
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-11-27
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-11-28
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-12-04
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-12-05
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1925-12-20
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1926-03-04/05
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1929-10-21
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1933-06-11
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
Verzeichnis der Briefe 1933-09-09
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz
1933-09-30
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13770
1937-08-01
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13456
1937-09-03
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13457
1938-04-29
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13458
1943-09-21
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/1
1943-09-22
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/2
1945-10-09
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13771
1945-10-10
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13772
1945-10-17
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13773
1945-10-22
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13774
1945-10-24
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13775
1945-11-15
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13776
1945-11-26
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13777
1945-11-28
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 19619
1945-12-04
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13778
1945-12-09
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13779
1945-12-19
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13780
1945-12-28
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13781
1946-01-03
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13782; ms.
1946-01-07
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13783; ms.
1946-01-11
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13468
1946-01-11
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13784; ms.
1946-01-17
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13786; ms.
1946-01-22
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13787; ms.
1946-01-25
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13788; ms.
1946-01-28
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13789; ms.
1946-02-01
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 19619; Nr. 13469 (ms. Abschr.)
1946-02-08
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13471
1946-02-09
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13790; ms.
1946-02-14
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 19619
1946-02-15
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13791; ms.
1946-02-22
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13470
1946-02-24
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13792; ms.
1946-03-01
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 19619
1946-03-01
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13793; ms.
1946-03-06
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13794; ms.
395
396
Verzeichnis der Briefe
1946-03-06/08
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 19619
1946-03-12
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13795; ms.
1946-03-?
Carl Schmitt an Duschka
Kopie, Privatbesitz, Fragment
1946-03-12/14
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13472
1946-03-18/20/22
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13473 und 12781
1946-03-24
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13796; ms.
1946-03-27
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13474
1946-04-05
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13797; ms.
1946-04-11
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13475
1946-04-13
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13798; ms.
1946-04-17
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13799; ms.
1946-04-18
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13476
1946-04-29
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13800; ms.
1946-05-01
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13477
1946-05-09
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13478
1946-05-09
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13801; ms.
1946-05-15
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13479
1946-05-16 (?)
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13467
1946-05-17
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13802; ms.
1946-05-19
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13803; ms.
1946-05-26
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13804; ms.
1946-06-03
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13805; ms.
1946-06-09/10
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 19619
1946-06-11
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13806; ms.
1946-06-12/13
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13480
1946-06-13
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13807; ms.
1946-06-15
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 19619
1946-06-20
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13808; ms.
1946-06-27
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13809; ms.
1946-07-04
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13810; ms.
1946-07-19
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13811; ms.
1946-07-20/22
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13481
1946-07-29
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13482
1946-07-31
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13817; ms.
1946-08-01
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13459
1946-08-04
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13460
1946-08-10
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13812; ms.
1946-08-12
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13461
Verzeichnis der Briefe
397
1946-08-13
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13813; ms.
1946-08-19
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13462
1946-08-26
Duschka an Carl Schmitt
RW 579 Nr. 676; ms.
1946-08-26/27
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13463
1946-09-03
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13464
1946-09-04
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13814; ms.
1946-09-08
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13815; ms.
1946-09-09
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13465
1946-09-17
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 13466
1946-09-24
Duschka an Carl Schmitt
Privatbesitz, ms.; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
1946-09-27
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13816; ms.
1947-04-06/09/11
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 676/5
1947-04-12
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 676/11
1947-04-20
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 676/2
1947-04-20
Duschka an Carl Schmitt
Privatbesitz, ms.; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
1947-04-28
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 676/9
1947-04-28
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13818
1947-04-30
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 676/7
1947-05-03/04
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 13819 und 29802/1 (ms. Abschr.)
1947-05-04
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 676/16
1947-05-06
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 676/18
1947-05-08
Carl Schmitt an Duschka
RW 579 Nr. 676/14
1947-07-28
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/2-3
1947-07-31
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/3; Telegr.
1947-08-06
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/4–5, 19
1947-08-07 (?)
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/18–19, 5
1947-08-12
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/6–7
1947-08-17
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/9–11, 12–14
1947-08-22 (?)
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/28–29
1947-08-23
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/14–15
1947-09-02
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/20–21
1947-09-08
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/16, 21–23
1947-09-14
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/17–18
1947-09-14
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/23–24
1947-09-15/16 (?)
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/27–28
398
Verzeichnis der Briefe
1947-09-25
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/15–16
1947-10-03
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/24–25
1947-10-05
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/25–26
1949-06-03
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/4
1949-06-12
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/5
1949-09-07
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/6
1949-09-11
Duschka an Carl Schmitt
Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
1949-09-13
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/9–10
1949-09-30
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/11–13
1949-10-03
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/15
1949-10-05
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/17–19
1949-10-16
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/40
1949-10-18
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/21
1949-10-24
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/27–30
1949-10-29
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/25
1949-11-03
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/34–35
1949-11-07
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/37
1949-11-12
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/41
1949-11-16
Duschka an Carl Schmitt
Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
1949-11-17
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/39
1949-11-20/21
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/42
1949-11-22
Duschka an Carl Schmitt
Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
1949-11-24
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/43–44
1949-11-25
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/45
1949-11-29
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/46
1949-12-01
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/48
1950-01-05 (?)
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/3
1950-04-13
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/3
1950-04-14
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/7–8
1950-04-16
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/2
1950-04-18
Duschka an Carl Schmitt
Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
1950-04-20
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/5
1950-04-24
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/9
1950-05-02
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/29–30
Verzeichnis der Briefe 1950-07-31
Duschka an Carl Schmitt
Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
1950-08-03
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/10
1950-08-07
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/11
1950-08-10
Duschka an Carl Schmitt
Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
1950-08-14
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/14
1950-08-15
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/1
1950-08-15
Duschka an Carl Schmitt
RW 265 Nr. 29802/8–9
1950-08-24
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/12–13
1950-09-04
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/15
1950-09-05
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/17
1950-09-08
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29936/7–8
1950-09-12
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/19–21
1950-09-18
Duschka an Carl Schmitt
Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
1950-09-18
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/23
1950-09-28
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/24
1950-09-29
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/26
1950-10-22
Duschka an Carl Schmitt
Privatbesitz; RWN 260 Nr. 484 (Kopie)
1950-10-23
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/27
1950-10-27
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/29
1950-11-02
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/33–35
1950-11-06
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/37
1950-11-11
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/39
1950-11-23
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/44
1950-11-26
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/43
1950-11-27
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/31
1950-11-27
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/30
1950-11-30
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/45
1950-12-02
Carl Schmitt an Duschka
RW 265 Nr. 29937/47
399
Anhang
Zeugnisse über Duschka Paul Adams „Wir bewunderten sie in Bonn wegen ihrer glänzenden, intensiven Schönheit, ihrer Klugheit + ihres Witzes + Humors, aber in Berlin habe ich sie erst schätzen gelernt in der ganzen Breite ihrer Eigenschaften + derer waren ja viele. Es ist ein außerordentliche Glück, sie gekannte zu haben + ich bin nicht überrascht, dass sie alles angeordnet hat bis zum Letzten. Ich habe sie nie nervös gesehen, trotz der vielen + gewiss nicht leichten Aufgaben, die ihr gestellt wurden + immer ruhig + ernst + [mit] diesem wunderbaren Lächeln, das ich über die Maßen liebte, weil es aus einer tiefen, gelassen überwindenden Kraft kam.“ Brief an Schmitt vom 19.12.1950; RW 265-190
Wilhelm Grewe „Das Bild der Persönlichkeit Ihrer von mir aufrichtig verehrten Gattin, das sich in mir in den nicht sehr zahlreichen Begegnungen geformt hat (in besonders lebhafter Erinnerung ist mir ein Abend in Dahlem, an dem ich zusammen mit Frau Jünger bei Ihnen zu Gaste war) ist gewiss sehr unvollkommen. Vielleicht darf ich aber gleichwohl sagen, dass ich stets besonders beeindruckt gewesen bin von der einzigartigen Verbindung von ungewöhnlichem Mut, Gelassenheit, Wirklichkeitssinn und menschlicher Wärme, die ich bei ihr zu spüren glaubte. Schon das sind gewiss Eigenschaften, die in unserer Zeit, in den Bedrängnissen und Gefährdungen des letzten Jahrzehnts von unschätzbarem Werte waren.“ Brief an Schmitt vom 29.12.1950; RW 265-5155
Ernst Rudolf Huber „Lassen Sie mich auch sagen, daß die Erinnerung an Frau Schmitt, obwohl ich sie seit vielen Jahren nicht mehr sah, in mir lebendig ist wie in früheren Tagen und immer in mir lebendig bleiben wird. Es wird mir immer gegenwärtig sein, wie ich Fräulein Todorović im Sommer 1925 in Ihrem Bonner Seminar zu ersten Male sah. In ihrem fremdartigen Zauber, in der verhaltenen Intensität ihres Daseins, in der unkonventionellen Klugheit, die sie auszeichnete, war sie auf eine bezwingende Weise zugehörig zu dem Kreis, der sich damals um Sie gesammelt hatte. Einige der erregend-aufhellenden Bemerkungen und Fragen, mit denen sie in unsere Diskussionen eingriff,
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sind meinem Gedächtnis unvergeßlich eingeprägt. Ich erinnere mich sehr deutlich des Abends im Bonner Stadtgarten, an dem Sie mir von Ihrer Heirat berichteten; ich weiß um die sorgenvolle Zeit der ersten Erkrankung von Frau Schmitt so gut wie um die glückliche Zeit, in der Ihre Tochter geboren wurde. Besonders dankbar werde ich immer sein für die freundschaftlichfürsorgende Gastlichkeit, mit der Frau Schmitt mich 1932 in Ihrem Hause in Berlin aufgenommen hat. Wir wußten uns alle damals an einem Abgrund; daß wir uns in gemeinsamen Hoffnungen bemühten, zum Schlagen einer Brücke beizutragen, um die Gefahr des Absturzes zu bannen, wird mir immer als ein gutes Wagnis erscheinen. Ich glaube ungefähr zu wissen, was Frau Schmitt in den Wirrungen und Fährnissen der beiden letzten Jahrzehnte in Ihrem Leben bedeutet hat. Es ist mir schmerzlich, ihr seit so vielen Jahren nicht mehr begegnet zu sein. Aber ich habe in Bewunderung immer wieder davon gehört, mit welcher Unerschrockenheit sie sich dem Unheil der Jahre vor und nach 1945 gewachsen und überlegen erwiesen hat. Mit Erschütterung habe ich die Berichte unserer gemeinsamen Freunde gelesen, aus denen hervorging, mit wieviel echter Standhaftigkeit Frau Schmitt sich in diesen Monaten schmerzvollen Leidens und Sterbens auf den Übergang in eine andere Welt vorbereitet hat.“ Brief an Schmitt vom 15.12.1950; BW Huber, S. 371 f.
Gretha Jünger „Ich habe die Jahre des Glückes miterlebt und die ihrer Sorgen. Nichts konnte sie verändern in dem ruhigen Gleichmaß und der Sicherheit ihres Wesens, ihres Vertrauens zu Gott. Ihre Kämpfe, die Belastungen eines Tages, einer Stunde, die Nächte des Krieges, das von den Bomben zerstörte Haus und der Einmarsch der Russen in Berlin: dies alles spielte sich im inneren Raume ab, es drang nicht nach außen vor, und niemals zeigte sie ein Erschrecken, ein Nachlassen ihrer seelischen Kraft. Ich kann nur glauben, daß auch dies eine Gnade war, denn sie blieb ihr, um allen Leiden noch zu begegnen, unendlichen Prüfungen und unendlichen Schmerzen, die ihr letztes Lager umstanden. Hier erst, im Bewußtsein des nahenden Todes, erkannte ich ihre Seelengröße in ihrem letzten, leuchtenden Glanz, in den schönen Augen, die noch zu lächeln suchten, in den Worten, mit denen sie uns Trost zusprach. Immer noch sorgend für andere, bedacht auf Schonung, nicht für sich selbst, sondern für jene, die sie liebte: alles ordnend, alles erfüllend, blieb sie sich und ihrem Leben auch in diesen Stunden getreu.“ Gretha von Jeinsen [d. i. Gretha Jünger], Silhouetten. Eigenwillige Betrachtungen, Pfullingen 1955, S. 172-175
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Richard Siebeck „Wie froh und dankbar auch wir alle in der Klinik u. im Hause sind, an diesem Sterben haben teilnehmen zu können, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen. Es war ein ganz großes u. gewiss ein unvergessliches Erlebnis. Solch ein Geschenk senkt sich ganz tief in die Herzen ein u. wirkt fort, in manchen guten Gedanken u. noch viel mehr ohne diese. Auch die Art, wie Frau Schmitt die Vergangenheit sah, war so ergreifend. Sie sah, dass – wir alle – doch Manches falsch gemacht, dass wir uns oftmals geirrt und verirrt haben, sie bekannte sich so tapfer dazu, ohne jemals die Gewissheit der Versöhnung zu verlieren. Sie war so tapfer u. so treu, treu ihrem ganzen Leben, ihrer Heimat, den alten Wurzeln, aus denen sie lebte, u. so treu der Verbundenheit mit Ihnen und Anima. Und es war kein Tröpfchen falsch in ihr. Das war so unerhört, so selten schön.“ Brief an Schmitt vom 22.3.1951; RW 265 Nr. 15141
Ernst Jünger „Obwohl ich im Leben vielen Menschen begegnet bin, die dem Tode sehend entgegengingen, hat diese Frau doch alle durch ihre enorme Kraft übertroffen, an der etwas Rätselhaftes ist.“ Brief an Schmitt vom 5.12.1950; BW EJünger, S. 251
Nelly Friedensburg „Sie war eine seltene Frau, hochherzig u. hohen Mutes; sie gekannt zu haben u. zwar in einer Zeit u. unter Umständen, die die Menschen offenbarten, mehr denn je zwar, ist ein bleibender Gewinn, eine sehr lebendige Erinnerung. Diese Augen, dieses Lächeln, diesen Ausdruck – nein, die kann man nie vergessen!“ Brief an Schmitt vom 17.12.1950; RWN 260-360
Gisela Smend „Ihre Frau hat immer einen besonderen Platz in meinem Herzen gehabt und wird ihn behalten. Jedesmal, wenn ich sie gesehen habe, wurde es mir warm und wohl, wie sonst selten bei einem Menschen, und ich besinne mich wohl tiefer auf jedes einzelne Zusammensein mit ihr. […] In allem, was Ihre Frau war und was sie tat, habe ich sie von Herzen bewundert und verehrt und lieb gehabt. Ich kanns in einem Wort gar nicht so genau ausdrücken, was mir so unbeschreiblich wohl an ihr tat. Ich hätte sie gerne viel öfter gesehen, aber im Grund war mir gerade in Berlin immer alles viel zu viel und ich kam eigentlich nie recht mit dem Leben, in jeder Weise, mit. Vielleicht empfand ich deshalb so besonders beglückend die Kraft, die von Ihrer Frau ausging, und die mir fehlte. Aber auch nur, wenn ich an sie
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dachte, und das habe ich oft und oft getan, alle die langen Jahre hindurch und werde das immer weiter tun, half es mir und machte mir wohl. Und deshalb bin ich so besonders glücklich, daß ich die beiden Bilder besitze, und ich werde sie immer nah bei mir haben. Ich finde in ihnen so beglükkend alles wieder, wofür ich ihr immer so dankbar war. Auch nur beim Denken an sie: den großen Ernst und die tiefe Pflichttreue und als Gnade dann die klare und reine Heiterkeit. Ich habe Ihre Frau sehr sehr lieb gehabt und werde ihr immer tief dankbar sein; wer kann wissen, wie sehr noch.“ Brief an Schmitt vom 11.2.1951; BW Smend, S. 130 f.
Das Begräbnis Duschkas am 7. Dezember 1950 auf dem katholischen Friedhof in Plettenberg-Eiringhausen Duschka hätte eigentlich auf einem orthodoxen Friedhof nach entsprechendem Ritus beigesetzt werden müssen. Doch war es ihr Wunsch, auf dem Plettenberger katholischen Friedhof, wo auch Carls Eltern lagen und er selbst begraben werden wollte (vgl. ECS, S. 52) ihre letzte Ruhe zu finden. Hans Barion hat in Absprache mit dem zuständigen Ortspfarrer, die Exequien geleitet. In einem Brief an Marta Weber berichtet er am folgenden Tag darüber (zitiert nach: Thomas Marschler, Kirchenrecht im Bannkreis Carl Schmitts. Hans Barion vor und nach 1945, Bonn 2004, S. 491–493): Bonn, den 8. Dezember 1950 Sehr verehrte und liebe Frau Weber, soeben bin ich von Plettenberg zurückgekehrt, wo wir gestern nachmittag auf dem winterlich verschneiten Friedhof bei Einbruch der Dunkelheit Frau Schmitt begraben haben. Oberheid hatte mich gestern morgen mit dem Auto mitgenommen, und heute mittag wieder mit zurückgebracht. Das Begräbnis fand von einer Kapelle auf dem wunderschön gelegenen Waldfriedhof hoch über dem Städtchen aus statt, die Frau Oberheid und Frau Jünger mit Hilfe von Anima und einigen Nachbarn für diesen Zweck – sie ist sonst geschlossen, da man i. a. vom Hause aus begräbt – instand gesetzt und für die Aufbahrung geschmückt hatten. Der Sarg war, wie sie es gewollt hatte, aus einfachem Tannenholz; einige Leuchter mit brennenden Kerzen standen herum, und auf dem Sarg lag ein serbischer Teppich. Es war ein äußerst eindrucksvolles Bild in der kleinen Kapelle, nicht düster, auch nicht zuversichtlich, sondern irgendwie zwischen beidem wirkend und die Trauer und Majestät des Todes und die Tragik des Sterbens von Frau Schmitt ausstrahlend. Was ich bezüglich meiner Mitwirkung befürchtet hatte, ist leider eingetreten: während ich die von mir im Einvernehmen mit dem Ortspfarrer für diesen Ausnahmefall zusammengestellte Liturgie – sehr abgekürzt – als eine vorgegebene und gewissermaßen objektive Aufgabe, wie ich hoffe, würdig gehalten habe, mußte ich meine Ansprache, die an den 23. Psalm anknüpfte, den ich zu Beginn auf einen Wunsch von Frau Schmitt vorlas, völlig reduzieren, weil mir die Fassung fehlte. Nur mit Anstrengung habe ich
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mein persönliches Gefühl in diesem Augenblick soweit zurückgedrängt, daß ich wenigstens einige Sätze in der vom Geistlichen erwarteten Haltung sprechen konnte. Was mich bei diesem Todesfall so bewegte, war weniger der Gedanke an Frau Schmitt, da sie wie jeder Tote eher zu beneiden ist, als vielmehr der Eindruck, den C. S. auf mich machte. Er war den ganzen Tag und heute morgen auch auf der Flucht vor sich selbst, ständig nach juristischen oder überhaupt wissenschaftlichen Themen suchend, geistreich, faszinierend wie immer, aber eben deutlich getrieben von dem Bestreben, sich möglichst lange vor dem Augenblick zu retten, in dem ihm in voller Einsamkeit der Verlust vor die Seele tritt. Er sah nicht gealtert, aber in einzelnen Augenblicken gebrochen aus und hat sich während des Begräbnisses nur mit äußerster Anspannung gehalten. Als nach dem Ritus zuerst er und dann seine Tochter Erde auf den Sarg geworfen hatten, stützte er sich kurze Zeit mit einer hilflosen Bewegung auf Anima, die tief ergreifend war. Auch heute morgen verließ ihn, als er sich von Frau Jünger verabschiedete, für einen Augenblick die Fassung. Er bat mich sehr, noch einen Tag zuzusetzen, aber ich mußte ja heute nachmittag hier sein, und dann hätte das m. E. nur noch die Hinauszögerung des Augenblicks für einen Tag bedeutet, vor dem er sich offenbar fürchtet, und den er doch ertragen muß: wenn er zum erstenmal ganz allein ist. Ein Glück ist es, daß er am 13. Dezember in Düsseldorf für den und im Rhein-Ruhr-Club einen Vortrag hält; das wird ihn ablenken. Heute morgen kam eine telegraphische Einladung zu einem Vortrag nach Madrid für Ende Januar, die er zwar bis April verschieben wird und muß, die aber in seiner jetzigen Situation doch eine Stärkung für ihn bedeutet. Wieweit er an seiner Tochter eine Hilfe haben wird, weiß ich nicht. Ich fürchte, daß sie die derzeitige Prüfung, die ihr Vater ertragen muß, nicht recht begreift – nicht verstandesmäßig, was man von ihr bei ihrem Alter wohl auch noch nicht verlangen kann, aber auch nicht gefühlsmäßig, was sie doch eigentlich leisten müßte. Aber ich bitte das als ganz private Äußerung aufzufassen. Oberheid hätte das Begräbnis wohl ebensowenig wie ich durchgehalten; er war ebenfalls sehr mitgenommen, trotzdem waren und sind wir beide froh, daß wir C. S. in diesen für ihn bitterschweren Stunden etwas sein konnten und daß wir Frau Schmitt, die trotz mancher Fehler oder Eigenheiten sich gerade zum Ende ihres Lebens als eine heroische Frau bewährt hat, ein Begräbnis bereiten konnten, das christlich und liturgisch war. Ich wollte diesen Bericht, der natürlich auch für Ihren Mann bestimmt ist, doch an Sie richten. Die Anzeige von C. S. wird wohl erst in 8–14 Tagen kommen; sie liegt vorerst nur in einem Entwurf der Druckerei vor.
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Außer den schon Genannten waren anwesend seine Schwestern und seine Schwägerin aus Köln sowie einige Nachbarn und ein Freund von ihm aus Werdohl, der Fabrikant Kirchhoff, übrigens ein ausgezeichneter Mann. Im ganzen beim Begräbnis etwa 20 Teilnehmer, nachher in der Wohnung, wo wir bis 23 Uhr zusammensaßen, etwa 12. Damit lassen Sie mich für heute schließen. Ich hoffe, daß Sie alle wohlauf sind. Meine Mutter läßt grüßen. Ich selbst bin wie immer etc. H. B.
Carl Schmitt: Bericht an Pater Erich Przywara 1945/46 Einem seiner ersten die Zensur unterlaufenden Briefe an Duschka legte Carl Schmitt am 14. Februar 1946 einen „Bericht“ bei und bat seine Frau, ihn über den Lagergeistlichen Patti an den Jesuiten Erich Przywara weiterzuleiten. Diesen Bericht habe er nach Notizen, die schon vor seiner Verhaftung entstanden seien, im Camp niedergeschrieben, heißt es im Brief an Duschka, und: „Er liegt mir in der jetzigen, grauenhaften Knebelung meiner geistigen Produktivität sehr am Herzen“. Man darf also davon ausgehen, dass der Text Gedanken wiedergibt, mit denen Schmitt sich in diesen Jahren zentral beschäftigte, und die im Camp nochmal in sehr persönlicher Weise zusammengefasst wurden. Doch schon vor seiner Zeit im Camp, ja, schon vor Ende des Dritten Reiches trieben sie ihn um; die Bezüge zum Vortrag über Donoso Cortés, den Schmitt am 31. Mai 1944 in Madrid hielt, sind deutlich. Von diesem Text, dessen Original verloren ist, sind zwei, wohl von Marlies Rosenhahn gefertigte maschinenschriftliche Abschriften überliefert: eine erste, die von Schmitt handschriftlich überschrieben ist mit „Carl Schmitt, Winter 1945/46, Camp Lichterfelde“ (RW 265 Nr. 19864), und eine weitere von ihm auf „Februar 1946“ datierte (RW 265 Nr. 19389). Während die erste, engzeilig geschriebene Fassung keinerlei Änderungen enthält, ist die andere, zweizeilige, von Schmitt mit zahlreichen Korrekturen und Ergänzungen versehen. Sie wurden mit schwarzer und blauer Tinte, aber auch mit Bleistift gemacht, was nahelegt, dass Schmitt den Text wiederholt durchsah. Wann das geschah, lässt sich nicht sagen. Piet Tommissen hat 2001 die erste Fassung publiziert, die er fälschlich auf „Februar 1946“ datierte (Schmittiana VII, 2001, S. 212–218). Da der Bericht für Schmitt offenkundig wichtig war und er fast wie ein geistiges Testament erscheint, sei er hier auch in der Fassung letzter Hand wiedergegeben. Dabei sind Schmitts handschriftliche Einträge kursiv kenntlich gemacht, durchgestrichene Buchstaben und Wörter sind von ihm. Zusätze des Herausgebers stehen in eckigen Klammern.
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Febr. 46 Abschrift Entwurf [überschrieben:] Versuch eines Berichtes an P. Erich P[r]zywara. (Nicht abgeschickt). Ich komme zu Ihnen, hochverehrter, hochwürdiger Herr Pater, mit der Bitte, diesen Bericht als ein dDepositum, das Sie entweder bei sich aufbewahren oder irgendwohin weitergeben oder aber einfach ablehnen wollen, ganz wie es Ihnen in der Abnormität unserer heutigen Lage richtig scheint. Das dDepositum betrifft Erkenntnisse und Einsichten, die nur in langen Forschungen und Erfahrungen, und nur aus dem innersten Kern der deutschen Ereignisse heraus entstehen und nur von einem deutschen Katholiken gemacht werden konnten, d. h. von einem Deutschen, der legitimen Anteil, volle participatio an der deutschen Geschichte der letzten Jahrhunderte hatte, ohne sich mit ihr zu identifizieren. Auf die äußerste Formel gebracht, handelt es sich um einen geistesgeschichtlichen Benito-Cereno-Bericht. Der Name Benito Cereno ist für mich zu einem Symbol für die existenzielle Position des echten Intellekts im heutigen Massenzeitalter geworden. Ein großer amerikanischer Erzähler des 19. Jahrhunderts, GHermannn Melville, hat in einer Erzählung gleichen Namens (um 1855) dieses erstaunliche Symbol geschaffen, ohne es das im geringsten zu beabsichtigen oder auch nur zu ahnen. Für den sachlichen Inhalt eines Berichts Depositum nenne ich am besten drei Autoren, deren Namen als Abbreviaturen dienen, und die das Thema encadrieren und die einige Linien andeuten können. An erster Stelle Bruno Bauer, die aufschlussreichste Figur in dem langen Prozess der Selbstzersetzung deutschen Protestantismus und Idealismus, Urheber einiger erstaunlicher allerchristlichster Attentate auf das Christentum, angefangen von seiner Kritik des damals eben erschienenen Leben Jesu von D. F. Strauß (1835) bis zu seinen sich auflösenden Altersschriften über Philo, Bismarck, Disraeli und „Christus und die Cäsaren“ (1877), Autor vor allem der „Judenfrage“ von 1843, die bestimmt ebenso wichtig ist wie Karl Marxʼ weltberühmte Antwort vom gleichen Jahr, Autor ferner des „Judentums in der Fremde“ (1863) und der seit einige Jahren öfters wiederentdeckten Schrift „Russland und das Germanentum“ (18543). Der zweite Name betrifft das Problem der „Westlichen Hemisphäre“ und ist durch die Bemühungen eines großen freimaurerischen Gelehrten zu einem falschen Ruhm, ja zum Aushängeschild einer unchristlichen potestas spiritualis geworden, indem man seine Lehre vom gerechten Krieg zu einem Instrument des heutigen, diskriminierenden Kriegsbegriffes machte, und zwar mit Hilfe eines neutralisierenden Menschheitsbegriffs. Es ist der be-
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kannte Autor der Relecciones de Indis (15328), Franceisco de Vitoria, der durch Ernest Nys und James Brown Scott zum Kronzeugen ihrer Idee eines Weltfriedens erhoben wurde. Ein armer deutscher Dichter schließlich ist der Dritte, Konrad Weiß, wegen seines „Christlichen Epimetheus“ (1933), ein unendlich tiefes, syibiyllinisches Buch über die Situation 1932/33, ein Dokument deutschen Geschichtssinnes, dessen Tiefe, Wahrheit und Schönheit viele berühmte Träger der deutschen Geschichtssinnigkeit, selbst Dilthey und Bachofen, hinter sich lässt, indem es den neutralen, klassischen Humanitätsbegriff durch eine marianische Frömmigkeit überwindet und dessen Sprache Wort vielleicht noch mehr Ontologie Geschichtlichkeit Ontonomie enthält als die Sprache Heideggers. Das sind die drei Namen, drei Sterne in einem globalen, Land und Meer umfassenden Weltaspekt, aber alle drei entweder, wie Bruno Bauer, in sich selbst problematisch, oder, wie Vitoria, fälschlich in eine falsche moderne Problematik hineingezogen, oder, wie Konrad Weiß, dunkel bis zur vollen Esoterik. Konrad Weiß ist im Januar 1940 in München gestorben, Bruno Bauer, 1882 in Berlin gestorben, ist, wie ich höre, um 1931 mit seinem Nachlass nach Moskau gewandert, wohin ihn Prof. Rjasanow, der frühere Leiter des Marx-Engels-Instituts, überführen konnte, während die (ahnungslose) Selbstgefälligkeit der deutschenr Philosophie-Professoren sich mit rein restaurativen Hegel-Renaissancen selbst aus der WeltGeistesgeschichte verdrängte, ohne die explosiven Energien einer neuen Theogonie zu bemerken, die aus in der Selbstzersetzung der idealistischen Systeme auf eine sehr explosive Weise „frei“ wurden. Von den unzeitgemäßen, isolierten Einzelgängern bemerkten sie nur den Renommisten großen Herold Helden der Unzeitgemäßheit, Nietzsche, nicht aber einen so echten Kern=Fall wie Bruno Bauer. Und was Dern falschen Ruhm Vitorias angeht, der seinen wahren Ruhm gefährdet, so ist er durch das offene Bekenntnis, das Ernest Nys 1910 öffentlich abgelegt hat, zu sehr in die Verbindung mit der Frage „Völkerrecht und Freimaurerei“ geraten, also eine Frage, deren bloße Berührung Erörterung heute nicht nur unzeitgemäß erscheint, sondern einen auch mit einer fast skabrösen erscheint Art von Schrifttum in Berührung bringt, so dass man in der Öffentlichkeit besser darüber schweigt. In einem Buch des Emigranten von Karl Löwith „Von Hegel bis Nietzsche“ ist die geistesgeschichtliche Fährte, die Bruno Bauer bedeutet, wohl bemerkt. Aber Löwith verschweigt die Judenschriften Bruno Bauers, und damit ein spezifisch deutsch-protestantisches Anliegen, sodass jenes Buch „Von Hegel bis Nietzsche“ noch die Binde vor den Augen trägt, die auf mittelalterlichen Statuen von der Synagoge getragen wird. Ich habe in mehreren Vorträgen, 1943 und 1944, die Zusammenhänge behandelt. Es gehört zur Situation, dass
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diese Vorträge weder in Berlin, noch in Paris oder London, noch in Moskau oder New York, sondern nur in Spanien und in spanischer Sprache möglich waren, auch nur in spanischer Sprache publiziert worden sind. In einem Vortrag „Donoso Cortes und der Terror von 1848“, gehalten Ende Mai 1944 vor der Academia de Jurisprudencia y Legislacian in Madrid, ist in Anlehnung an Ihren Aufsatz über Donoso Cortes und Nietzsche (in den Stimmen der Zeit 19345) die innige verbundene Antithese der beiden Unzeitgemäßen von 1848, Donoso und Kierkegaard, entwickelt, um zu zeigen, wo das Laboratorium lag, in welchem das Dynamit präpariert wurde, das zu sein Nietzsche sich rühmte. Unser armes Europa war zu allen Zeiten ein Feld der Invasionen von allen Himmelsrichtungen, und seine geschichtliche Macht war nie mehr als ein Aufhalter, ein Katechon, κατέχων (2. Thess. 2,6). Aber während in den Zeiten des christlichen Mittelalters von allen Seiten fremde Rassen und Religionen bis in die Mitte Europas vordrangen, Sarazenen, Mongolen, Wikinger und Türken, erscheinen heute von Westen und Osten Kinder und Ausgeburten des europäischen Geistes selbst und treffen sich auf unserm alten und heiligen Boden. Sobald diese erstaunliche Situation zum Bewusstsein gekommen ist, wird Manches an meinem Benito-Cereno-Bericht weniger überraschend oder paradox erscheinen. Aber wie dem auch sei, ich kann den Eindruck nicht berechnen und bitte Sie, hochverehrter Herr Pater, nur um die Güte, diese Sendung in unserer phantastischen Zeit so anzunehmen, als hätte Ihnen eine Meereswoge in einer versiegelten Flasche den Plan einer Schatzinsel zugetrieben, den irgendein Seeschäumer ins Meer geworfen hat, ein arger verlorener Seeschäumer, dem Sie aber trotzdem den priesterlichen Segen nicht zu versagen brauchen, um den er in seiner Art Frömmigkeit und Demut bittet, um unseres gekreuzigten Gottes willen und seiner reinsten und heiligsten Mutter Maria. Februar 1946
Tagebuchaufzeichnungen von Carl Schmitt vom 3. bis 5. Mai 1946 Im Camp Lichterfelde führte C. Schmitt auf einem Rezeptblock im Format DIN A7, den ihm ein amerikanischer Arzt namens Charles zur Verfügung stellte, Tagebuch in Gabelsberger Stenographie. Das 73 Blatt umfassende Konvolut liegt im Nachlass unter der Signatur RW 265 Nr. 19584 und ist von Schmitt mit „Camp Berlin 1945/46“ beschriftet. Dieses Tagebuch, in dem der Autor seine Lage noch sehr viel deutlicher offenbart als in den von Rücksichtnahme bestimmten Briefen an seine Frau, dürfte, wenn es einmal ganz transkribiert ist, das Bild Schmitts in der Nachkriegszeit noch weiter verdeutlichen. Ein Blatt mit Vorder- und Rückseite ist abgebildet. Die langschriftliche Übertragung stammt von Hans Gebhardt und wurde gegengelesen von Philipp Gahn.
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Übertragung: [Seite 1] 3.5. [1946] (Fortsetzung) Nachmittags: entsetzlich diese hysterische Nazistimme mit Weltanschauung. Sie zertrümmert mein Ohr und mein Gehirn. Grauenhafte Angst vor diesen Terroristen, denen ich jetzt wieder von neuem ausgeliefert bin. Der eine kommandiert wieder zum Arbeitsdienst; unter dem Hohngelächter von drei Burschen gingen dann die alten verblödeten Beamten an die Arbeit. Ich kam aber schnell darüber hinweg, Kreuz kam hinzu und plauderte. Wever gab fleißig, in seiner preußischen Anständigkeit prallt die Nazigemeinschaft einfach ab. Erkannte die groteske Dummheit der Amerikaner und Juden, sich diese anständigen Menschen zum Feind zu machen und meinen, mit den Nazis in eine Schuld hineinzustoßen. Welch ein neues Verbrechen. Schöner blauer Himmel, aber kalter Wind. Wagte es kaum an Duschka zu denken. Dies ist wohl die Hölle. Todmüde, gequält von diesem Schlafbedürfnis, das
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immer wieder gestört wird, Wand an Wand mit einem solchen Peiniger schlafen zu müssen. Wollte etwas über Mittag unternehmen, aber ich war zu [müde] und seelisch krank. Zum Abendessen gab es einen Schlag Graupensuppe. Ich aß etwas von meinem Obst dazu. Wever wollte noch Tee machen, aber warten, bis Stassen draußen ist. Nebenan ununterbrochen der Terrorist. Will Krach schlagen, droht allen und jedem, redete ununterbrochen. Wie lange mag ich das aushalten. Überlegte mir oft, mit Kreuz zu sprechen, will es aber doch nicht tun. Aber wie wehrlos bin ich gegen diese Art Terror. Erinnerte mich an Höhn und Eckhardt. Wahrscheinlich kommen sie bald wieder hoch. Krupbauer. Gute Tante Üssi. Immer dieses Geknatter in den Ohren. Wie ein Marder schnappend, keines kleinen Wortes mehr fähig, aber alles erwartend, was er irgendwo aufgeschnappt hat. Im Zeitalter des Massenautomatismus ist das grauenhaft. Höre auf; gehe schweigend unter. Dann aber netter Spaziergang mit Kreuz, der gute Nachrichten über L. und Busch hatte und mir davon erzählte, sehr guter Dinge. Abends ging ich noch einmal zu ihm. Wir tranken erst Schokolade, dann Spaziergang, dann eine schöne Tasse Alkohol. Wie sonderbar, dass ich jetzt also Alkohol sagen muss. Alle meine Benimmlosigkeit ist Blödigkeit, das Säuferliche. Herrlich die Sichel des zunehmenden Mondes. Dann noch Kyper [im Orig: Kyber!] gelesen, über den Kranken, den Oberaffen, die Wut eines Schnitzers über die starken Regungen und seine Schadenfreude, wenn er noch stärker, wie die nicht mehr kommen und die Oberaffen zittern. Wie dumm und hässlich ist das alles. Politische Psychologie der Tierfabel. Beeindruckt davon, dass Polyphem mir die Fabel vom Krokodil vorlas, das erklärt: gehört sich nicht, sich gegenseitig zu fressen, wenn man sich unterhält. Na ja, Polyphem. Armes Karlchen. Noch sehr schön zu Abend gegessen mit Wever, der Fleisch geschickt bekommen hat, von seiner Tochter. Ich bin wehrloser als jeder Jude. Auswechseln bei der Seelenregung. 4/5.[1946] Chaotischer Traum (wohl infolge des guten Essens, hart an der Ejakulation). In Schaltenswirtschaft auf der Straße, oben links ist das Zimmer von Magda, ich besuchte sie, die übliche Sensation, auf der Stube, im Zimmer. Auf der Straße gehen zwei junge Franziskaner, hinter jungen Mädchen her, einer sagt: fesche Logik; ich höre das und nehme meine moralische Kraft zusammen, beherrsche mich, es kommt nicht zur Ejakulation, ich gehe auch nicht mehr zu ihr herauf. Das war sehr schön. – Erwachte und hatte das Gefühl der moralischen Kraft. Dadurch, dass Stassen Licht machte, der mir wie ein Peitschenhieb über die Augen fuhr, bis in die Blase hinein. Scheußlich. Nachher ein 2. Traum von André, ich habe ein Buch Hungaria Aerata, zeige es ihm und sage ihm, schreiben kann man nur von den Engländern
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lernen, ich werde schreiben und nicht im literarischen Sinn. Mir fiel zu den Franziskanern der Pater Kilian ein. Vielleicht betet er für mich. Herrliches Wetter, nicht mehr so müde. Etwas an Th geschrieben, dann wurden wir zum Arbeitsdienst kommandiert, Steine ausgebuddelt mit Durst, Kreuz und Brinkmann, lächerlich, beschämend, aber das ist unsere Lage. Die sind im literarischen Institut vernommen worden. L. hat einem geschrieben. Wir müssten bis nach dem Ende des Nürnberger Prozesses bleiben. Nach dem Essen im Bett gelegen, d. h. in meiner Kamelhaardecke. Der englische Dolmetscher bewundert die Faust-Illustration von Stassen. Konnte nicht schlafen trotz meiner Müdigkeit . Betreff Nazigemeinschaft war keine Entscheidung, [sondern] nur eine Vertagung, schwindelhafter Dezisionismus, praktisch Entscheidung gegen eine Entscheidung; mit Auspuff gegen die Juden, sowie heute gegen die Nazis. Die Juden waren damals die Wehrlosen, heute sind es die Deutschen. Erst wurden die Deutschen gezwungen, sich [zu] dieser Nicht-Entscheidung zu entscheiden. Jetzt werden sie wieder gezwungen, sich zu einer Nicht-Entscheidung zu entscheiden. Aber Gott gibt gnädig, das gr. sufficem. Täglicher Schlaf, tägliche Bürde, tägliches Leid, täglich Hunger und Durst. Und schließlich den Tod. Als ich das Wandererlied von Schumann gepfiffen hörte (falsch und wie trunken), freute ich mich, dieses Handwerksburschen-Wandertriebs aus der Biedermeierzeit. Zugleich tiefe Traurigkeit, dass es eben doch nur Handwerkerburschen-Lyrik ist. [Seite 2] In Wirklichkeit gilt jeder, der nicht im Diesseits untergeht, der nicht alle diese rabenhaft grauenhaften gefräßigen verrufenen Bildern mitmacht, als Streikbrecher, als hinterlistiger Jesuit. Wirklich ein Lamm unter den Wölfen. Auch die harmloseste Konversation steht unter der Bedingung, dass man gefressen oder angeknabbert wird, so heißt es bei Kyper an der Stelle, die mir gestern auffiel, als Polyphem mir das vorlas. Dann eine Stunde Arbeitsdienst, Steine herausgeklopft, aber so gut wie nichts getan. Todmüde. Nachher wieder gelegen. Kopfschmerzen. Das schauerliche Geknatter und Geratter dieser Berliner Hysterikerstimme von nebenan. Zum Wahnsinnigwerden, diese Hysterie. Nachts kam . Etwas Salat von dem guten Wever, dann wieder todmüde herumgelegen. Kann nicht mehr arbeiten. Wie viele schöne Arbeit ist verloren. Home erzählte, dass seine Frau vorigen Mittwoch Duschka getroffen und mit ihr gesprochen hat, als ihre Pakete aufgingen. Arme, gute Duschka. Kopfschmerzen, oft Angst um sie, krank zu werden. Gefühl der Freiheitsberaubung, das Opfer eines Ritualmordes, grauenhaft. Stassen wollte von Dante und Swedenborg erzählen. Ich war einfach wie betäubt von seinem Quatsch und verstand nichts. [Wie] überfahren. Dann gewaschen und zum Vortragsabend. Die Mädchen sangen draußen wunderschön. Ich dachte mit Tränen in den Augen an Ännchen. Grauenhaft der Ritualmord am deutschen Volk, der [2 Worte unleserlich]. Ritualmord von Exilpolitikern,
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die das moralische Vakuum ihres eigenen Landes damit auszufüllen [darüber: mit der Buße niederzwingen] suchen. Dazu die amerikanischen Wachtposten. Schöner Sommerabend. Fühle, dass ich noch Gefühlsreserven habe. Mit Tränen in den Augen zugehört, besonders als ich hörte: hab mein Wagen voll geladen, und an Ännchen dachte. Dann zum Vortragsabend. Die Arbeit fiel wieder auf mich. Ich sprach über den Gegensatz von Geist und Leben, Rationalismus und Irrationalismus, die Lebensphilosophie, der Gegensatz gegen das angelsächsische Denken wurde mir sehr schön klar. Durst sprach sehr gut darüber, dass unsere deutsche führende Schicht nicht einheitlich war, und ihr [wurde] Teil dieser Lebensphilosophie herrschend. Kreuz für die Zukunft optimistisch. Wir wollen keine Rationalisten werden. Dann müssen wir eben katholisch werden, liebe Leute. Dahin führe ich sie auch. Stassen war dabei, ekelhaft, arrogant. Ich verstehe nichts, Brüllte etwas von Dialektik und Unklarheit, erklärte seine Meinung sei das und das, und dafür gehe ich auf den Scheiterhaufen. Kreuz war großartig überlegen und sagte ihm, den haben wir hier nicht zur Verfügung. Für mich war das alles anstrengend und sehr peinlich. Wever war empört. Abends noch herrlicher Himmel. Stassen hat noch stundenlang nebenan bei dem Nazi . Sie sprachen noch bis in die Nacht hinein. 5.5. [1946] Nichts gefangen, aber auch nicht gefischt. Herrlicher Morgen, aber nervös durch diese peinigende Anwesenheit des Stassen und die Nachbarschaft des Hysterikers. Dachte an den guten Scholz, der wohl mehr ausgehalten hat als ich, auch an Demütigungen. Überlegte den Formularbrief an Duschka. Einigermaßen gespannt auf den „römischen Katholizismus“. Habe Kreuz gestern Abend sehr lieb gewonnen, trotz seiner Mantelschäche . Aber wohin gehöre ich denn selbst? Soll ich wieder leichtsinnig werden, mich auf den Kaffee freuen? Habe diese Nacht das Wort personae gehört oder geschrieben gesehen. Trotz aller Qual ist jeder Morgen einen Augenblick noch hoffnungsvoll und sogar lebenskräftig. Ich bin also nicht tot. Denke mit Entsetzen an die Zeit vor einem Jahr. Wie konnte ich sie ertragen, Schweinfurt gelesen. Die plündernden Russen und Amerikaner. Geheimnisvoller Sinn und Führung. Schöner Gedanke, non mittendus canibus. Diese Hysteriker haben eine merkwürdige Funktion, sich gegenseitig zu quälen. StrindbergProblem. ; die Swedenborgsche Hölle. Sonderbar neue Methode aufs Schicksal und andere Schüler . Ist sie gefräßig und ekelhafte Menschenfresserei. Der seelische Kannibalismus. Das haptische Hausleben dieser Berliner Nazis; die Schnauzensprache.
Sonntags-Sonnett an die Lagerdistel auf Revierstube 4 Das von Schmitt auf den 21.7.1946 datierte Sonnett (so die Schreibweise Schmitts) befindet sich in einem kleinen Konvolut (RW 265 Nr. 19619), das mit „Geburtstag 1946“ beschrieben ist. Hierin ist auch noch ein „2. Sonnett an die Lagerdisteln“ enthalten. Mit der Form, dem Gebrauch des Ausrufezeichens und auch mit bestimmten Wortprägungen wie „Disteldichtigkeiten“ erinnert das Sonett an Theodor Däubler. Die Disteln, die im kargen Sande steckten Bestanden einen argen Wachstumsorgenstreit. Ihr Mühen fand sie untergangsbereit, Bis Würdenträger ihren Wert entdeckten. Und als sie sich von rotem Rost entfleckten Erschienen sie von Kärglichkeit befreit. Sie wurden zum Geburtstagsschmuck geweiht, Wo ihre grünen Blüten sich erweckten. Ich liebe diese Disteldichtigkeiten! Ihr stilles Stachelblatt ergibt die Hüllen, Aus denen Esel sich ein Mahl bereiten. Erst schweigen sie in grauen Hungerzeiten, Dann flüstern sie von gelben Eigenheiten, Auf einmal brüllen sie als Chlorophyllen. 21/7 46
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Abb. 1: Brief Duschkas vom 25. 7. 1924
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Abb. 2: Duschka und Jeanne Linn, Bonn 1927 (Foto: Carl-Schmitt-Ges.)
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Abb. 3: Gemälde Duschkas von Pallenberg (ca. Anfang 1930er Jahre) (Privatbesitz)
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Abb. 4: Postkarte Carl Schmitts vom 11. 1. 1946
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Abb. 5: Zeichnung des Leviathan von Franz Stassen (RW 265 Nr. 19619); vgl. Brief Schmitts vom 1. 2. 46
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Abb. 6: Margarete und Werner Blischke mit Tochter Christina, ca. 1947 (RW 265 Nr. 29942)
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Abb. 7: Beichtzettel Carl Schmitts, Nürnberg, Ostern 1947 (RW 579 Nr. 676 / 12); vgl. Brief Schmitts vom 12. 4. 47
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Abb. 8: Carl Schmitt um 1945 (RWB 32923 a)
Abb. 9: Duschka in der Heidelberger Klinik sechs Tage vor ihrem Tod (DLA)
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Abb. 10: Todesanzeige Duschka (RW 579 Nr. 677)
Personenregister (Nicht berücksichtigt sind Carl, Duschka und Anima Schmitt) Achelis, Johann Daniel 313, 317, 324 Achterrath, Emmi 213, 368 (siehe auch „Wolff“) Adams, Alfons 28, 31, 103 f., 122, 140, 147, 158, 163–165, 167 f., 172, 175, 184, 186, 202, 207, 213, 215, 225, 227–229, 231, 247, 250, 258, 304, 307, 315, 343, 349, 353, 359, 361, 376 Adams, Clementine 293 f., 307, 310, 359 Adams, Paul 168, 228, 343, 381, 403 Adenauer, Konrad 381 Ahlmann, Wilhelm 31, 139, 201, 209, 243, 278, 361 Alenfeld, Erich 28, 229 f. Altmann, Rüdiger 126 Am Zehnhoff, Hugo 82 f. Andersch, Alfred 390 Andreas-Salomé, Lou 208 Andrić, Ivo 141, 169, 179, 230, 269 Antonie (Frl.) 305 Appel (Pariser Buchhändler) 359, 362–364 Asmus (Fam.) 211, 304 Asmus (Frau) 124, 157 f. Asmus, Hermann 117, 158 Avshich, I. 141, 163, 169 Bach, Johann Sebastian 186, 354 f. Bachofen, Johann Jacob 411 Bäumer, Margarete 146 Bäumler, Alfred 76 Bahlmann, Emmy 172 Bahlmann, Heiner 172
Bahlmann, Ingrid 307 Bahlmann, Jens 172 Banner (Frau) 87, 89 Barbul, George 381 Barion, Hans 43, 138, 143, 173, 311, 314, 322, 335, 385, 407 Barlach, Ernst 172 Baron, Joseph 272 Bauer, Bruno 20, 184, 411 f. Bauer, Karl Heinrich 42, 330, 333, 336 f., 341 f., 345, 362 Becker, Franz 172, 233 Becker, Jürgen 9 Becker, Werner 36, 192, 247, 253, 258, 262 Beckerath, Erwin von 102, 209, 351, 353, 370 Beckerath, Herbert von 102 Beethoven, Ludwig van 57, 186 Behling, Kurt 303 f. Bender (Nachbar) 329, 335, 348, 367, 374, 376, 379 Bendersky, Joseph W. 22 Benn, Gottfried 32 Berger, Charlotte 299 Berke, Hubert 316, 324, 359 Bernays, Murray C. 204 Berning, Wilhelm 23, 166 Beste, Theodor 326, 329, 331, 359, 361 Beyerhaus, Gisbert 98 Bieberbach, Ludwig 244 Biedermann, Berta 152, 211, 293, 304 Bienert, Ida 262 Bilfinger, Carl 68, 363
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Personenregister
Bilfinger, Margarethe 337, 362, 365, 378 Blischke (Fam.) 211, 325 Blischke, Christina 9, 157 f., 302, 305, 325, 425 Blischke, Margarete 157 f., 325, 336, 425 Blischke, Werner 19, 157, 315, 425 Bloch, Hans 145, 256 Blötz, Ferdinand 110 Bloy, Léon 43 f., 124, 288 Boccherini, Luigi 163 Böcke (Frl.) 107, 186 Böcker 333 Bojić, Milutin 47, 49, 64, 71, 76 f., 96, 119, 194, 218, 382 Boor, Hans-Otto de 173 Bosch, Hieronymus 248 Braschoß (Frau) 79, 101 Braun, Odilo 39, 272 Brauweiler, Heinz 150 Brecht (Frau) 362 Brecht, Franz Josef 316 f., 324, 327, 332, 337, 342, 344, 346, 348, 360, 381 Brentano, Clemens 16 Brinkmann 417 Brinkmann, Carl 331, 380 Broermann, Johannes 305, 338 Broich, Sigrid von 334 Brunner, Alfred 18, 352, 354, 363 Bubić 169 Buchholz, Karl 145 Bung, Erika Felizitas 312, 322 Bung, Hubertus 36, 276, 279, 312, 322 Caamaño Martínez, José 349, 353 Caka, Gepid 95 Calvo Serer, Rafael 314, 391 Capitant, René 274 Carroll, Mitchell Benedict 48 Chopin, Frédéric 16, 163, 270, 369 Churchill, Winston 175
Clay, Lucius D. 139, 210 Colsman, Alfred 355 Conde, Francisco Javier 350, 381, 386 Conrad, Joseph 53 Crampe, Hans 161 Crummenerl, Charlotte 321, 331, 382 Däubler, Theodor 26, 32, 68, 86, 181, 217 f., 231, 238, 250, 258, 261 f., 265, 337, 419 Dante Alighieri 417 Daskalakis, Georgios 370, 385, 388, 390 Degkwitz, Eva 76 Degkwitz, Rudolph 76 Del Vecchio, Giorgio 129 Delp, Alfred 178, 183 Dibelius, Otto 210 Dickmann, Wilhelm 22 Diels, Rudolf 37, 285 f. Dierkes, Paul 124, 130, 172, 233, 277 Dietze (Blumenfrau) 299 Dilthey, Wilhelm 411 Dimitroff, G. Dimiter 88 Dirks, Walter 326, 335 Döll, Klaus 356, 366 Dörr, Richard-Eugen 353 Donoso Cortés, Juan 129, 145, 175, 325, 380 f., 383, 410, 412 Dorotić, Pauline Marie („Cari“) 15, 17 Dostojewski, Fjodor Michailowitsch 56, 69, 159, 326 Drachter, Richard 75 f. Droste-Hülshoff, Annette von 32, 43, 123, 128, 162, 167, 201, 217, 237 f., 270, 274, 280 Dudek, Marcus 9 Durst, Karl 252, 255, 264, 417 f. Eche (Pater) 273 Eckert, Christian 107 Eckhardt, Karl August 166, 416 Eisler (Fam.) 301 Eisler, Fritz 152
Personenregister Eisler, Georg 32, 86, 89 f., 102, 105 Eisler, Ida Ernestine 89 f. Eliot, Thomas Stearns 274 Elter, Anton 101 Emge, Carl August 108, 237, 256, 338 Epting, Karl 194, 338, 351, 353, 363, 367, 372, 374, 376, 384 Erbe, Walter 173 Eschweiler, Karl 286 Esser (Frl.) 99 Euteneuer (Frl.) 320, 347 Exner, Franz 160 f. Ferstl (Schneider) 381, 383, 385, 391 Feuchtwanger, Ludwig 75 f. Flasdieck, Hermann Martin 173 Flechtheim, Ossip K. 22, 34 Flick, Friedrich 21, 380 Fontane, Theodor 43 Forsthoff, Ernst 150 f., 161, 312 f., 316 f., 321, 327, 332, 337, 340 f., 344, 347 f., 352, 359, 361, 363–365, 367, 369, 375, 385 Forsthoff, Ursula 337 Fraenger, Wilhelm 8, 248 Frank, Hans 35, 149, 207 Frank, Heike 9 Franzen, Hans 41, 198, 202, 236, 266, 323, 326 Franziskus von Assisi 265 Frei (Frl., Haushälterin) 367 f., 374 Fremeyer (Frl.) 377, 384 Frey (siehe Frei) Freyer, Hans 139, 143, 146, 174, 177, 262 Freymark, Heinrich 320 Friedensburg, Ferdinand (sen.) 28, 117 f., 130, 141, 163, 165, 169, 175, 177, 179, 182, 184, 202, 220, 222, 225, 230, 247, 250 Friedensburg, Ferdinand (jun.) 118, 237, 279, 294, 363, 383 f. Friedensburg, Nelly 130, 132, 139, 153, 158, 170, 213, 235, 246, 276, 279, 295 f.
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Frieg 391 Furtwängler, Wilhelm 147, 166, 178, 303, 307, 365 Gänshirt 385 Gahn, Philipp 9, 414 Galen, Clemens August Kardinal von 168, 215 Gansler (Frau) 333 Gaupp 316 Gebhard, Klaus 327, 334, 373 Gebhardt, Hans 414 Gebhardt, Hermann 28, 130, 133 f., 147, 163, 175, 177, 179, 184, 225, 229, 247, 250, 252, 257 Gehlen, Arnold 354 Georg (Hl.) 304 Gerber, Hans 161 Gerstenberg, Carl Wilhelm 152, 167, 215, 226 f., 305 Geschke (Frl.) 41, 291, 301, 308 f., 320, 334, 339 f., 342 f. Gide, André 53 Giese, Friedrich 161 Giesler, Gerd 9 Gilles, Werner 32, 119, 127, 147, 150, 154, 197, 233, 277 f., 280, 282 f., 383 Gillet, Louis 254 Glaise von Horstenau, Edmund 278 Gluck, Willibald 128, 164, 219 Göring, Hermann 270, 285, 303 Göschenhofer (Frl.) 347 Goethe, Wolfgang von 32, 43, 65, 98, 328 Gohrbrandt, Erwin 243, 267 Gotthelf (Frl.) 178 Grabbe, Christian Dietrich 49 f. Gremmels (Frau) 125 Gremmels, Karl Heinrich 125, 290, 295 Greve, Ilse 331, 371, 384 Grewe 125 Grewe, Marianne 164, 331
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Personenregister
Grewe, Wilhelm 331, 403 Gritzbach, Erich 37, 285 Groos (Ehefrau) 189 Groos, Otto 189 Grote 318 Grüninger, Horst 223 Günther, Albert Erich 109 Günther, Johann Christian 126, 145, 162, 257 Gueydan de Roussel, William 31, 242, 256, 264, 266 f., 293, 332 Guizot, Franҫois 254 Gurian, Waldemar 80, 100, 335 Haecker, Theodor 93, 201, 332 Händel, Georg Friedrich 186, 355 Haenel 110 Hahm, Haidi 31, 40, 110, 119, 122–125, 128, 130, 133, 135 f., 144 f., 148, 153, 156–158, 164, 169, 171, 174, 177, 186, 189, 193, 198 f., 203, 205, 210 f., 213 f., 218, 221, 223–225, 227 f., 232 f., 235, 239, 246, 257, 259, 261, 266, 274, 278, 282, 290, 300, 308 f., 327, 331, 368, 370 Hahm, Konrad 110 Hahn, Else 139, 243 Hamaekers, K. 336 Hamann, Johann Georg 374 Hanfstaengel, Erna 339 Harms, Bernhard 331 Harms, Jürgen 204 Hasbach, Dora 385 Hasbach, Marie 158, 339, 343, 346, 357, 382, 385 Haustein (Frau von Werner H.) 357, 366 Haustein, Ilse (Tochter) 357, 366, 385 Haustein, Werner 40, 138, 318, 321, 344, 347, 352, 356 f., 362, 366 f., 369 f., 377, 385, 387 Haydn, Josef 186 Heckel, Johannes 161 Heidegger, Martin 237, 360, 411
Heimlich, William F. 245 Held, Ulla 9 Heldt, Werner 172, 176, 184, 233, 235, 243, 248 f., 251, 293 Helfritz, Hans 168 Helwig, Werner 35 Herodes (König) 257 Herzfeld (Frl.) 69 Hese (Frau) 374 Heul (Heuel, Frl.) 41, 297, 301, 309 Heydrich, Reinhard 285 Heydte, Friedrich August von der 326, 329, 334 f., 338, 343, 346, 354 Hillblad, Thorolf 368 f. Himmler, Heinrich 166 Hindenburg, Paul von 182 Hirsch, Hans 220, 247 Hitler, Adolf 20, 22, 29, 145, 182, 198, 201, 207, 226, 237, 336, 339, 350 Hobbes, Thomas 109, 192, 366 Hodler, Otto 111 Höhn, Reinhard 416 Höhne, Dr. 128, 164 Hölderlin, Friedrich 32, 146 Hoeppner, Ernst von 211 Hoffmann, Ruth 164 Hofmann, Albert 318 Holthaus, Heinrich 316, 319f, 329 f., 359, 369, 379, 383 Home 417 Horkheimer, Max 346 Huber, Ernst Rudolf 16, 150 f., 161, 403 Huch, Rudolf 277 Hübner, Walter 199 f., 211 Hürsch, Erhard 332 Hüsmert, Ernst 43, 333, 365, 379 Hüttner (Frl.) 261, 294, 310 Hugelmann, Karl Gottfried 223 Hundt, Hermann 328 Hunneck (Frl.) 381 Hutten, Ulrich von 37, 286
Personenregister Jackson, Robert H. 113 Jacobi, Erwin 160, 173, 178 Jäger 379 Jahnke, Kurt 338 Jahrreiß, Hermann 36 f., 161, 275, 286 Jean Paul 98 Jessen, Jens 187, 292, 331 Jessen, Käthe 187, 260, 266, 276, 292 Jessen, Uwe 187, 292 Jodl, Alfred 160 Johannes (Evangelist) 52, 137 Johanns der Täufer 136 f., 186, 198, 232 John, Alexander 114, 123, 130, 147, 150, 167, 171, 196, 237, 261, 264, 289, 299, 304 Jonge, de (Witwe) 48 Jonge, Peter de 48 Jünger, Carl Alexander 115, 175, 283, 366 Jünger, Ernst 30, 32, 35, 115, 125, 133, 147, 175, 185, 187, 191 f., 197 f., 212, 217 f., 222, 227, 233, 237, 239, 255 f., 283 f., 288, 291, 318 f., 323, 327, 331, 333–335, 339, 343 f., 346 f., 353, 360, 366, 369, 372 f., 405 Jünger, Ernst („Ernstel“) 284 Jünger, Gretha 32–34, 36, 42–44, 114 f., 125, 133, 138, 164, 212, 218, 233, 237, 276, 288, 291, 324, 331, 334, 337, 343, 347, 358, 360, 366, 372 f., 377, 389, 405, 407 f. Jünger, Hans 126 Kaiser, Joseph H. 25, 137, 198, 208, 212, 223, 255, 266, 313, 316, 319 f., 363 Kaiser, Otto 360 Kaiser, Theodor 360 Kaletsch, Konrad 380 Kaufmann, Erich 51, 68, 73, 98, 255, 326, 329, 332, 338, 341, 346, 363 Kaufmann, Hedwig 51, 98 Kemp, Friedhelm 346, 378
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Kempner, Robert W. 22, 29 f., 34, 36 f., 271, 353 Kesper, Carl-Erich 9 Kesting (Fam.) 339 Kesting, Hanno 354 Kiener, Fritz 97, 274 Kierkegaard, Sören 93, 317, 412 Kirchheimer, Otto 30, 346 Kirchhoff, Hilde 327 f., 329, 334, 339, 340, 354, 360, 383 Kirchhoff, Hugo 333 Kirchhoff, Kilian 417 Kirchhoff, Lisbeth 333 Kirchhoff, Peterheinrich 41, 43, 311, 316, 319 f., 323 f., 326 f., 329, 331, 334 f., 339 f., 343, 346, 348, 352–356, 359 f., 363, 368, 372 f., 376, 380, 383 f., 391, 409 Kisch, Wilhelm 160 Kleist, Heinrich von 258, 261, 265 Klemperer, Otto 16 Kličković, Ciča 189, 212 Kličković, Jelena 189 Kličković, Sava 31, 185, 189, 192, 270, 277 Kluxen, Franz 79–81, 83, 86 Knauer, Walter 328, 363, 379 Koch (Frau) 316 Koellreutter, Otto 30 f., 160–163, 341, 345, 360, 363, 377 Kogon, Eugen 326, 329, 338 Kohlrausch, Eduard 118, 151, 173, 200, 207, 216 Korn, Karl 362 Korowin, Evgeny Alexandrovich 20 Koselleck, Reinhart 354 Koster, Mannes Dominikus 334 f. Kraemer 379 Kramach (Landrat) 107 Kranzbühler, Otto 36, 275, 286 Krause, Andreas 139 Krause, Elise 75, 77, 139 Krause, Georg Alexander 74 f., 77, 139, 143, 146, 149, 152, 154, 161, 264
434
Personenregister
Krause, Liselotte („Isi“) 75 f. Krauss, Günther 276, 282, 311 f., 322, 324, 332, 344 Krauß, Werner 386 f. Krauss-Flatten, Maria 322, 324 Krebs, Hans 350 Kreutz, Benedikt 245 f. Kreutzer 316 Kreuz, Lothar 26, 32, 151, 168, 181, 193, 201, 206, 217, 223 f., 228, 230, 236–238, 242, 244 f., 247, 262, 264, 383, 415–418 Kröger, Klaus 9, 117, 125 Krug, Hans Günther 366 f. Kütemeyer (Frau) 379 Kütemeyer, Martin 379 Kütemeyer, Wilhelm 8, 317, 327, 332, 363, 374, 376, 378 f., 381, 385 Kuhn, Hans 172, 233, 293 Kunath, Ursula 9 Kyper, Albert 416 f. Lang 333 Lange, Richard 173 Langenbach, Emil 140, 143, 152, 155, 221, 255, 344, 379 Lasch, Karl 228 Leemans, Victor 353 Lehmbruck, Anita 294 Lehmbruck, Guido 197, 294 Leiber, Robert 320 Leistikow (Frau) 231 f., 235, 239, 246 Leistikow, Hans 125–128, 135, 145, 162, 164, 192, 231–233, 235 f., 239, 243, 246, 257 Leistikow, Walter 125 Leopold 308 Lewinski, Karl von 28, 122, 135, 144, 149, 163, 179, 182, 184, 196, 200, 205, 209, 213, 216, 224, 226, 229, 233, 242, 245, 250, 263, 282 Linden, Heinrich 164, 307, 310, 335, 344, 370
Linn, Jeanne 31, 281, 290, 292, 295, 297, 421 Linn, Pierre 31, 145, 207, 281, 348 Liss, Hans 343 Liss, Käthe 343, 346 Liss, Konrad 343, 346, 376, 383 f. List, Friedrich 331 Ljesskow, Nikolai Semjonowitsch 316, 319 Lochner, Stefan 276 Löwenstein, Karl 22–24, 30, 122, 135, 143, 252 Löwith, Karl 412 Lohmann, Karl 91, 379 f. Lortz, Joseph 37, 286 Lucanus, Marcus Annaeus 270, 279, 292 Lueg (Frl.) 41, 309 Lüneburg, Ernst von 147, 233 Luini, Bernardino 100 Lukács, Georg 237 Lukas (Evangelist) 128 Luna García, Antonio de 145, 175 MacDonald, Ramsay 182 Mache (Frl.) 129, 173, 233, 251, 304 Macke, August 127, 145 Maiwald, Serge 129, 187, 191, 201, 245 f., 248, 251, 255, 261, 272, 316, 319, 321, 331 f., 338, 341, 344, 352, 354, 356, 366, 368 Mallinckrodt, Gustav Wilhelm Otto von 311, 339 Mallinckrodt, Lilly von 285 Mallinckrodt, Lydia von 339 Mannheim, Karl 166 f. Manthey, Emil 356 Marcks, Elisabeth 182, 342 Marcks, Erich 29, 182, 336 f., 342 Marcus, Carl 338 Marens (Spediteur) 294, 304 Maritain, Jacques 37, 133, 137, 145, 207, 371
Personenregister Marulić, Marko 76 Marx, Karl 411 Maschke, Günter 129, 320 Matthäus (Evangelist) 257 Maunz, Theodor 161 Maxsein, Agnes Katharina 186 McClure, Robert A. 166 McKiernan, Bernard 48 McNarney, Joseph T. 238 Medem, von (Frau) 194, 307, 379 Medem, Eberhard von 195, 351, 353, 379 f. Meerwarth, Rudolf 173 Meinecke, Antoni 306 Meinecke, Friedrich 306, 310 Meinel, Florian 9 Meisterjahn 381 Melville, Herman 133, 169, 197, 411 Menthon, Franҫois de 144 Menuhin, Yehudi 166 Meštrović, Ivan 76 Metten 327 Meusch, Matthias 9 Meyer-Giesow, Walter 355 Mezger, Edmund 161, 174, 178, 209 Mikačić, Davor 169 Milburn, Bryan L. 220 Mitteis, Heinrich 151 Mössinger, Wilhelm 293, 299, 306, 349 Mohler, Armin 319, 331, 343, 347, 360, 366 Montenegro, Daniel 201, 247 Moras, Joachim 369 Morgan, John Hartmann 317 Mosca, Gaetano 129 Mozart, Wolfgang Amadeus 16, 186, 206, 219 Müllenbruck (Tischler) 79 f., 92, 99, 102 Münch, Franz Xaver 91 f. Munk, Michael 299 Murphy, Robert 24 f. Murray, Kathleen 48
435
Mußgnug, Reinhard 9, 171 Muth, Carl (auch Karl) 74 f., 77 Mutius, von (Mutter von B.) 259 Mutius, Bernhard von 167 Nabokov, Nicolas 369 Nabokov, Wladimir 369 Nadler, Josef 374 Napiwodzki, Piotr 335 Nay, Ernst Wilhelm 119, 205, 293 Nebel, Gerhard 322 f., 327, 331, 334, 381, 387–389 Neesse, Gottfried 353 Neuhäuser (Frau) 367, 376, 379 Neurath, Konstantin von 161 Neuß, Wilhelm 32, 34, 38 f., 41, 164, 209, 272, 275, 283, 314 Nichtweiß, Barbara 9, 38 Niebecker, Heinrich 272 Niekisch, Ernst 22, 34 f., 114, 126, 184, 192, 239 f., 276 Niemöller, Martin 180, 381 Niermann, Konrad 138 Nietzsche, Friedrich 31, 114, 183, 208, 237, 256, 412 Nikolajewna, Antonina 269, 274, 278, 281, 287, 308 Nöltgen, Julia 9 Nolde, Ada 119 Nolde, Emil 119, 293, 324 Nücker (Frl.) 361, 365 Nys, Ernest 411 f. Oberheid, Heinrich 148, 194, 243, 252, 311 f., 322, 324, 349, 380, 383, 389 f., 407 f. Oberheid, Margarete 194, 243, 311, 322–324, 370, 383, 390, 407 Oberheid, Peter 312 Ohnsorge, Werner 172, 215, 302 Olms (Major) 116 Olms, Margarete 115 f., 194–196, 201, 203, 224, 251 Oppenheimer, Fritz 210
436
Personenregister
Ordy (Ordi) 247, 266 Ors, Álvaro dʼ 175, 332 Ostermann 355 Otero Schmitt, Beatriz Isabel 9 Ott, Eugen 29, 182, 337, 344 Otto, Martin 9 Pacelli, Eugenio 320 Paeschke, Hans 369 Pallenberg (Maler) 422 Pannwitz, Helene 87 Pannwitz, Rudolf 86 f. Pantazopoulos, Nikolaos J. 385 Papen, Franz von 182 Patti, Gioacchino 27, 38, 147 f., 150, 155, 167, 178, 183, 188, 192, 202, 209, 237, 255, 258, 261, 290, 293, 295, 410 Pearse, Padraic 59 Pesteil, Jean-Louis 381 Peters, Friedrich Ernst 329 f. Peters, Hans 28, 30, 129, 173, 200, 212, 225, 230, 233, 238, 247, 252, 257 Peterson, Erik 32, 38, 41, 93, 290, 295, 335, 338 Petrus (Apostel) 52 Pfitzner, Hans 355 Philipp (Hl.) 280 Piossek, Alois 38 f. Planck, Max 286 Pleuger, Rudolf 329 f., 331 Podach, Erich Friedrich 28, 31, 114, 126, 131, 166 f., 170, 182 f., 197, 205, 208, 218, 229 f., 237, 239, 256 f., 259, 273, 276, 278, 281, 290, 293, 295, 305 Poloshensky, Sergius 37, 137, 147, 186, 193, 209 Ponceau, Amédee 365 Ponceau, Michelle 365, 371, 383 Popitz, Cornelia (Ehefrau ) 170, 198 Popitz, Cornelia („Corri“, Tochter) 131, 133, 347
Popitz, Hans 133 Popitz, Heinrich („Heini“) 131, 133 Popitz, Johannes 19, 31, 43 f., 105, 110 f., 117, 131, 133, 144, 148, 153, 178, 188, 198, 201, 208, 226, 241, 247, 331, 347, 367, 391 Preuß, Hugo 114 Preysing, Konrad Kardinal von 133, 185, 265 Przywara, Erich 20, 155, 163, 168, 184, 410 Puschkin, Alexander Sergejewitsch 159 Quaritsch, Helmut 21, 36 f., 204 Quednow, Margot von 211 Quednow, Max von 211 Quittschau, Ewalt 170 Radbruch, Gustav 344 Radosta, Adolph J. 28, 201, 213 f., 220, 225, 229, 235, 242, 245, 247, 251, 263 Radziuk, Michail 37, 137, 169, 176, 186, 190, 193, 195, 198, 251, 269, 273 f., 278 f., 287, 293–295, 304 Rains, Julia Emmy 9 Rauert, Anna N. 176 Rauschenbach 207 Rechenberg, Freda von 303 (siehe auch „Winckelmann“) Rehm, Albert 179 f. Reinshagen, Adolf 163, 186 Reinthal, Angela 9 Renner, von (Frau) 352 Reuter, Franz 237 Rick, Karl 48 Rjasanow, David Borisovič 412 Roeder, Bernhard siehe Mutius Rohan, Karl Anton Prinz 77, 252 Rosenbaum, Eduard 32, 301, 390 Rosenhahn, Ernst 153, 199 Rosenhahn, Marlies 9, 19–21, 42, 114, 120, 123–125, 127, 129, 131 f., 134–136, 138, 140 f., 147, 150,
Personenregister 152–154, 157, 159, 162, 165, 168 f., 173, 177, 182 f., 187, 190 f., 193, 195 f., 199, 205, 209, 211 f., 214 f., 218 f., 223, 226 f., 229, 235 f., 239, 242, 244, 246, 248, 251–253, 257–259, 261 f., 265, 267 f., 273 f., 277–279, 281 f., 287–291, 293, 298, 300, 302, 307, 322–325, 328–330, 333, 410 Roßkopf, Veit 146 Rudorf (Frau) 186 Ruf (Frl.) 108 Saemisch, Friedrich 331 Sainte-Beuve, Charles Augustin 254 Salomon, Ernst von 28 Samić (Frl. Dr.) 133, 188 Sánchez Sorondo, Marcelo 332 Sandhagen, Anton 77 f. Sarre, Friedrich-Carl 123, 149, 153, 184, 209, 232, 245, 248, 297, 305 Sauer, Lola 16 Sauerbruch, Ferdinand 18, 23, 147, 236–238, 243, 369 Schachovskoj, Johann 37, 137, 159, 176, 251, 273, 279, 293 Schaefer, Charlotte 342 Schaefer, Hans 327, 332, 342, 360, 369 Schaetz, August 255 Schamitz (Frl.) 110 Scharawoff, Antonina W. 251, 290 f., 304 Scheler, Max 80 Schelsky, Helmut 189 Scherer, Josef 310 Schieweck, Erich 323, 325, 327, 343, 346, 348 Schifrin, Rachel 48, 69 Schindler (Frau) 207, 224, 230, 237 Schindler, Dietrich 276 Schirach, Baldur von 36 Schlangen, Heinrich 102 Schleicher, Kurt von 29, 182, 337 Schlieker, Willy A. 380, 389
437
Schmandt, Hans 387 Schmandt, Josef 40, 297 Schmid, Carlo 8, 191, 197, 374 Schmidt, Walter 153, 162, 167, 179, 184 Schmidt-Leichner, Erich 216 Schmidt-Rottluff, Karl 117, 124, 128 Schmitt, Anna („Ännchen“) 40 f., 78 f., 98, 101, 107, 120, 123, 125, 129, 135 f., 157, 164, 175, 177, 190, 197, 203, 228, 232 f., 240, 273, 279, 283, 285 f., 289, 291, 295, 297, 301 f., 306, 308–310, 312, 315, 318–321, 334 f., 339, 342, 344, 347, 352, 355 f., 359 f., 369, 372, 374 f., 377 f., 381 f., 384, 386, 417 f. Schmitt, Auguste („Üssi“) 107, 120, 123, 125, 129, 134–136, 144, 155, 157, 164, 175, 177, 187, 190 f., 197, 201, 206, 213, 221 f., 224 f., 240, 257, 265, 274, 279, 285, 289–291, 295, 298 f., 301–303, 307 f., 310, 312, 316, 318, 320, 325, 335 f., 339, 344, 349, 352–354, 359 f., 369, 370–372, 374 f., 377–379, 381 f., 384, 386 Schmitt, Auguste (Nichte) 107 Schmitt, Claire (Schwägerin) 25, 108, 117, 120, 125, 132, 135, 138, 146, 170, 178, 190, 197, 201, 203, 221, 233, 240, 294, 297, 302, 309, 324, 336, 339, 353, 368 Schmitt, Claire-Louise (Nichte) 107, 206, 240, 275, 289 f., 294, 303, 310, 336, 339, 353 Schmitt, Johann (Vater) 113, 117, 119 f., 123 f., 174 Schmitt Josef („Jup“) 93, 107 f., 117, 120, 123, 125, 138, 146, 175, 190, 197, 200, 208, 212, 221, 240, 259, 265, 274, 277, 279, 324, 336, 339, 341, 345, 348, 364, 367–369, 371 f., 374 Schmitt, Louise (Tante) 32, 35, 113, 116, 123–125, 129, 157, 159, 176 f., 190, 193, 196–199, 203, 205, 209, 211 f., 214 f., 218, 223, 225–227,
438
Personenregister
231 f., 235 f., 239, 242 f., 246, 248 f., 253, 257, 261, 267, 270, 276–278, 280–282, 290, 293, 296, 304, 307, 331, 335 f., 383 f. Schmitt, Philipp (Onkel) 113, 156, 199, 280 Schmitz, Arnold 16, 32, 56, 58, 67–69, 72, 78, 83, 90, 93, 98, 102, 176, 184, 194, 201, 230 f., 270, 274, 311, 324, 352, 354–356, 369, 376 f. Schmitz, Cäcilie („Cecil“) 69, 81, 86, 270 Schmitz, Maria 32, 68, 74, 78, 80 f., 86, 104, 176, 252, 357, 376 Schmitz, Maria Magdalena („Purzel“) 357, 376 f. Schmitz, Wilhelm 312 Schmoller, Gustav von 189, 192, 197, 245, 317, 346 Schneider (Fam.) 303 Schneider, Hans („Hannes“) 31, 113, 126, 130, 156, 160–163, 168, 171, 184, 207 f., 210, 213, 217 f., 223 f., 228, 230, 232, 236, 239, 251, 261, 265, 267, 282, 290, 295 f., 307, 317, 320, 323–325, 327–329, 335, 348 Schneider, Kurt 153, 198, 233, 261, 294 Schneider, Maria 153, 177, 186, 198, 232, 251, 253, 257 f., 261, 282, 290 Schnevoigt, Marlies 339, 343, 350, 380 f., 388, 390 Schnitzler, Gabriele 252 Schnitzler, Georg von 77, 94, 146, 166, 252, 339, 357, 366, 373, 387 Schnitzler, Lilly von 37, 77, 94, 146 f., 252, 255, 264, 285, 287, 311, 339, 357, 366, 369, 387 Schnitzler, Liselotte („Lilo“) 147, 252 Schöler, Karl 152, 155 Scholz (Frau) 359, 368, 378, 381 f. Scholz, Franz 226 Scholz, Werner 26, 262 f., 418 Schott, Anselm 38, 217, 219 Schranz, Franz 25, 31, 33, 40, 137 f., 143, 164, 181, 187, 191, 202, 226,
235, 239, 245 f., 252, 255, 258, 262 f., 266, 270, 286, 290, 292, 304, 309 Schranz, Veronica 137, 221, 263, 270, 292 f., 297, 304 Schröder 356 Schröder, Wilhelm 28, 31, 141, 170, 175, 184, 186, 202, 220, 225, 229, 250 Schroers, Rolf 316 Schröter, Manfred 76 Schubert, Franz 163 Schubert, Kerstin 240 Schüler, Hans 146 Schukow, Georgi Konstantinowitsch 153, 350 Schumann, Robert 417 Schuppner, Robert 324 Schweinfurt 418 Schweinfurth, Rudolf 215, 243 Schweinichen, Otto von 108 Scott, James Brown 411 Sechtenbeck 333 Seewald, Richard 93 Seitz, Gustav 233 Semjonow, (Frau) 369 Semjonow, Jurij N. 176, 269, 327, 369 Senge(-Platten), Eugen 31, 144, 181, 191 Severing, Carl 374 Shakespeare, William 63, 144, 269 Siebeck (Frau) 358,384 f. Siebeck, Richard 18, 26, 42, 124, 150 f., 240, 242, 313, 315, 317–319, 323, 325, 332 f., 340–342, 345, 348 f., 352, 358, 364, 367, 370, 372, 378, 385, 387, 391, 405 Siebenhaar, Hermann 137 Siebert, Wolfgang 140, 150, 160 Siemer, Alexander 326 Siemer, Laurentius 326, 334 f., 337 f. Simon, Florian 9 Sinzheimer, Hugo 149 Smend, Gisela 405 Smend, Rudolf 150 f., 161, 207 f., 264
Personenregister Soehring (Frau) 211 Soehring, Otto 211 Sogemeier, Martin 331 Soissong, André 259 Solowjew, Wladimir 92 Sombart, Corina 324, 332, 342, 362, 365, 381 Sombart, Nicolaus 167, 324, 332, 345, 349, 354, 360, 378 Sombart, Werner 324 Sorel, Georges 254 f. Spang, Konrad 364, 367 Spann, Othmar 76 Speidel, Hans 223, 373 f. Spindler, Wolfgang H. 9 Spinoza, Baruch de 166 Spitzer (Frl.) 158, 185, 204, 250 Spranger, Eduard 143, 149, 151, 201 Staa, Wolf Meinhard von 188, 192 Stackelberg, Heinrich von 283 Stalin, Josef 22, 237 Stalling, Heinrich 174 Stand, Anni („Annilein“) 19–21, 40, 42, 112–114, 118, 120, 122–125, 127, 129–134, 136, 138–141, 147, 150, 152–155, 157, 159, 162, 164 f., 168–173, 176 f., 180, 183, 186–188, 190, 193 f., 195, 197 f., 203, 205, 209, 211 f., 214 f., 219, 222, 227, 230, 233–237, 239, 241–244, 246, 248–251, 253, 255, 257–262, 265–268, 270, 273 f., 277–279, 281–283, 287–289, 291, 293, 298–302, 304–310, 330, 334, 351–353, 355 f. Stand, Emmi 147, 153, 194, 196, 282, 288 f., 295, 298, 308 Stapel, Wilhelm 105, 198 Stassen, Franz 32, 145 f., 150, 167, 232, 249, 256, 416–418, 424 Steinbüchel, Theodor 248 Steiner (Pro f.) 40, 356 Steinlein, André (sen.) 93, 232, 259
439
Steinlein, André (jun.) 87 f., 92 f., 232, 416 Steinlein, Franz Josef Anton 274 Stepun, Fedor 294, 326, 329 Sternberg, Frederick 214 f., 220, 227 f., 247 Stewens, Marie 339 Stiefel 344 Stödter, Helga 313 Stödter, Rolf 313 f., 353 Stojanović, Danilo 278 f., 290, 292–294, 307 Strauß, David Friedrich 411 Strawinski, Igor 59 Strindberg, August 418 Strossmayer, Josip Juraj 92 Stroux, Johannes 143 Stroux, Karl Heinz 328 Stülpnagel, Otto von 226 f. Stuparević (Frau) 292 Süss, Theodor 241 Swedenborg, Emanuel 159, 191, 417 f. Tadić, Zlata 48, 59, 62 Tasić, Đorde 162 Ter Nedden, Eberhard 330 f. Thielicke, Helmut 248 Thieme, Hans 335 Thieme, Karl 335, 338, 343 Thoma, Hans 146 Thomée, Fritz 319 Thomée, Margret 316, 319 f. Thompson, Francis 57, 184 Tiesler, Karl 312 Tocqueville, Alexis de 254, 261 Todorović, Vasilije („Deda“) 74, 192, 391 Tommissen, Piet 7, 410 Troubetzkoy, Fürstin Marina 176 Trumić, Angelina 391 Trumić, Jovanka 391 Tschuikow, Wassili Iwanowitsch 350 Turgenjew, Ivan 52
440
Personenregister
Ulrich (Frl.) 188 Veit, Otto 305 Verdi, Giuseppe 63 Vietta, Egon 172 Villiers de l’Isle-Adam, Auguste 142 Vincente, Francesco 316 Vitoria, Francisco de 184, 331, 344, 411 f. Vom Bruck, Fritz 327 Vom Dahl, Walther 61 Vossler, Karl 180, 241 Wagner, Cosima 150 Wagner, Richard 150, 175 Wagner, Siegfried 145 Waidmüller (Frau) 384 Walter, Marco 156 Walz, Gustav Adolf 160, 168, 177, 184, 209, 243 Warnach, Walter 314, 390 Weber, Axel 173, 185, 189, 192 Weber, Hans 355 Weber, Marta 173, 251, 253, 257, 407 Weber, Max 180 Weber, Werner 24, 31, 41, 113, 117, 146, 170, 173, 189, 192, 247, 270, 332, 344 Weber-Schumburg, Erland 110, 204 Weiland, Edith 319 Weiß, Konrad 32 f., 43 f., 146, 181, 184, 191, 223, 235, 238 f., 245 f., 255, 261, 284, 291, 331, 411 Welty, Eberhard 311, 325 f., 332, 334 f., 337 Wemhöner, Franz 137 Wengler, Wilhelm 151 Wessel, Wilhelm 316, 334 Weßling (Fam.) 146, 219 Weßling („Opa“) 134 Weßling, Anna Maria 121, 128
Weßling, Georg 132 Weßling, Gerhard 132, 259 Weßling, Gottfried 114, 121 Weßling, Lisbeth 233 Weßling, Maria 121, 132, 353, 355 f. Westarp, Theodor Graf von 152 f. Wever, Karl 26, 144, 148, 162, 171, 174, 181, 184 f., 201, 203, 206, 216, 238, 246 f., 249–252, 255 f., 305, 415–418 Wever, Peter 144, 171, 184, 249 Weyden, Rogier van der 320 Wieman, Mathias 383 Wiens, Helmut 26, 124, 158, 242 f. Willibald von Mainz 223 Winckelmann, Freda 331, 357, 366, 378 (siehe auch „Rechenberg“) Winckelmann, Johannes 110, 147, 303, 324, 357, 366, 378, 385, 387 Winkler 302, 305 Winter (Arzt) 389, 391 Wirmer, Josef 367 Wirmer, Otto 367 Wladimir (Hl.) 37, 136 Woermann, Ernst 386 Wolcke (Kaufmann) 158 Wolf, Erik 228 Wolff, Emmi 213, 222 (siehe auch „Achterrath“) Wolgast, Ernst 161 Wollenweber, Gustav 346, 360, 387 Wright, Quincy 113 f. Wüst, Bernhard 50, 93, 332 Wüst, Josef 332 Wunderlich (Frl.) 293 f. Wustrau (Frl.) 318 Zehrer, Hans 174, 366 f., 370, 381 Ziegler, Benno 194, 198, 201 Zierold, Kurt 314, 349, 353